A weg, nt a Mn ns RER sch Den it Mr n“ RT Fa ri: Unae u A Bl Be BMA LU EUGEN Ian y a aa nal PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE EHYSIOLUOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND NEUNUNDDREISSIG. MIT 7 TAFELN 123 TEXTFIGUREN UND 4 FAHNENTABELLEN. BONN, 1911. VERLAG VON MARTIN HAGER. Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 13. März 1911. Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale bei der Reproduktion derselben am Edison’schen Phonographen. Von L. Hermann. (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) .. Die funktionellen Schwankungen der motorischen Tätigkeit des Raubvogelmagens. Vou Ernst Mangold. (Mit 21 Text- figuren.) (Aus dem physiologischen Institut der kgl. Universität Greifswald) Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmographische Unter- suchungen (Spirometer - Volumenschreiber). Von Prof. J. Strasburger. (Mit 8 Textfiguren.) (Aus der medi- zinischen Klinik zu Bonn) Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischen- hirn des Kaninchens. Von Privatdozent Dr. F. Quensel, Leipzig. (Mit 32 Textfiguren) 0. EN Die Lävulosurien. Von Dr. Oskar Adler, klinischem Assistenten. (Aus der I. mediz. Klinik der deutschen Universität in Prag) Ernie ir Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. II. Mit- teilung. Die Magenverdauung von Cricetus frumentarius bei Fleischnahrung. Von Arthur Scheunert. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem. physiologischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Dresden) Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch Beräplie Nerven. Von Dr. Toyotane Wada (Osaka, Japan). (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien). Berichtigung von Dr. J. S. Szymanski. Seite 10 en wo 131 141 164 IV Inhalt. Viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 1. April 1911. Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. Von Karl Grube. (Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik zu Bonn) Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. Von Privatdozent Dr. R.H. Kahn und Dr. E. Starken- stein. (Aus dem physiologischen und dem pharmako- logischen Institute der deutschen Universität in Prag) . Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. Unter- suchungen von Dr. Carlo Foä, Dozent und Assistent. (Mit 10 Textfiguren.) (Aus dem Institut für Physiologie der Universität Turin) Be NE a Über die Fettresorption. Von Alexander v. Fekete. (Mit- teilung aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest) . Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. Von Dr. Robert Stigler, Assistent am physiologischen Institut der Uni- versität Wien. (Mit 7 Textfiguren) . Über die Ausnutzung der verschiedenen Zuckerarten zur Glykogenbildung in der Leber. Von Dr. Hans Mursch- hauser. Unter Mitwirkung von Dr. H. Haffmans. (Aus der akademischen Klinik für Kinderheilkunde in Düsseldorf) Wissenschaftliches Institut „A. MOSSO“ auf dem Mont Rosa . Sechstes, siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 8. April 1911. Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln nach Untersuchungen an der Schildkröte. Von Privatdozent Dr. med. Rudolf Dittler, Assistent am physiologischen Institut, und Dr. med. Soroku Oinuma (Tokio). (Mit 2 Textfiguren und Tafel I-IV). (Aus dem Er Institut der Universität Leipzig) Über die Stopfwirkung von Morphin und bei Kolo- quinthen - Durchfällen. Von J. H. Padtberg, ehem. Assistenten des Institutes). (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Seite 181 196 211 234 279 318 Inhalt. V Seite Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse des Zwerchfelles in Beziehung zu seiner Funktion, sowie über das Bindegewebe der Muskeln. Von P. Schieffer- decker. (Mit 7 Textfiguren und 4 Fahnentabellen) . . 337 Über Glykogenbildung aus Formaldehyd. Von Karl Grube 428 Neuntes, zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 19. April 1911. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. X. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut derssliniversttäts Jena)v. +... oe. ea rn Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen, der Gesamtkonzentration entsprechend. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. XI. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Mit 11 Textfiguren.) (Aus dem ee Institut der Umiversität Jena)... 2... 2... ten nn Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat werden durch Sekretion in den Harnkanälchen ausgeschieden. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. XII. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena). . . . 512 Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung zwischen filtriertem und sezerniertem Stoff. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. XIII. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena) . . . 532 Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. Von Privatdozent Dr. Hugo Frey a 6 Text- Beamensund TateliV). . 2.2. . 548 Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik de Schild- drüsenphysiologie. Von Leon Asher. (Aus dem phy- siologischen Institut der Universität Bern). . . . . . 562 Über die innere Sekretion der Nebenniere. Von Professor Dr. L. Popielski, Direktor des Instituts. (Hierzu Tafel VI.) (Aus dem Institut für exper. Pharmakologie eliniyersitätilembery 2 VI Inhalt. Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. II. Mitteilung. Über die -Hemmbarkeit “des Durchschneidungstetanus mittels schwacher Kettenströme. Von Privatdozent Dr. med. Rudolf Dittler, Assistent am Institut, und Dr. med. Izuo Koike (Taihoku, Japan). (Mit 2 Textfiguren und Tafel VI.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig) Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. Von R. Bendele, Backnang. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem physiol. Institut der tierärztl. Hochschule in Stuttgart) Über das Sehen von Bewegungen. VI. Mitteilung. Der Beginn des Bewegungsnachbildes. Von Dr. Adolf Basler, Privat- dozent und Assistent am physiologischen Institut zu Tübingen. (Mit 2 Textfiguren). Seite 611 (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale bei der Reproduktion derselben am Edison’schen Phonographen. Von L. Hermann. Zu meiner grossen Überraschung erhielt ich vor kurzem eine gedruckte Notiz aus den Protokollen des VIII. internationalen Physiologenkongresses, Wien 1910!), nach welcher L. Frederieq auf Grund eines der Versammlung vorgeführten Versuchs am Phono- graphen behauptet, die Veränderung der Umdrehungsgeschwindigkeit gegen die bei der Aufnahme benutzte sei ohne Einfluss auf den charakteristischen Vokalklang, und die von mir bestätigte Lehre von Helmholtz, dass für jeden Vokal eine bestimmte absolute Ton- höhe charakteristisch ist, sei daher zu verwerfen. Obwohl ich gerade damit beschäftigt bin, eine grössere Arbeit über Vokale zu veröffentlichen, kann ich doch nicht die sich dabei bietende Gelegenheit abwarten; die Behauptung Frederieg’s, welche einen sicher entschiedenen Punkt von grösster Wichtigkeit in der Vokallehre von neuem in Frage stellt, darf auch für die kürzeste Zeit nicht ohne Widerspruch bleiben, da sie von einem bewährten Forscher herrührt. Der Gedanke, den Phonographen zur En eeheidung der Frage zu benutzen, ob feste Tonhöhen für die einzelnen Vokale charakte- ristisch sind, liegt so nahe, dass nicht weniger als vier solche Unter- suchungen schon mit dem älteren Edison’schen (Stanniol-) Phono- sraphen ausgeführt worden sind, nämlich von Jenkin & Ewing, Grützner, Graham Bell und Lahr. Das Ergebnis war aber infolge der Unvollkommenheit dieses Apparats so unklar, dass die 1) Der Abdruck hat keine nähere Ursprungsbezeichnung; eine noch etwas kürzere Notiz befindet sich in den Arch. internat. de Physiol. t. 10 p. [64]. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 1 2 L. Hermann: Auffassungen der Genannten sich durchaus widersprachen. Nachdem der wunderbar klar sprechende neue Phonograph mit der Wachs- walze 1888 erfunden war, stellte ich, sobald ich dazu Gelegenheit fand, den Versuch mit diesem an. Das zweifellose Resultat war eine Entstellung der Vokalcharaktere durch veränderte Dreh- geschwindiskeit, eine Entstellung, die bis zu völliger Unkenntlichkeit sehen kann). Seitdem, d. h. seit etwa 20 Jahren, führe ich den Versuch alljährlich meinen Zuhörern in einer Vorlesung über Stimme und Sprache vor. Höchstwahrscheinlich ist der Versuch auch von anderen Lehrern der Physiologie und der Physik vielfach angestellt und gezeigt worden; niemals aber habe ich von einem Nichtbestätigt- finden meiner Angaben etwas erfahren. Ich halte es für denkbar, dass Fredericq meine Mitteilungen entgangen waren?); denn wenn er gewusst hätte, dass der Versuch an einem tadellosen Phonographen vor 20 Jahren mit diametral entgegengesetztem Erfolge von anderer Seite ausseführt worden ist, würde er sich vermutlich bemüht haben, diesen Widerspruch entweder aufzuklären oder dureh Erweiterung des Umfangs seiner Versuche zu beseitigen. r Immerhin war für mich die so bestimmte Angabe Frederieq’s eine Aufforderung, mich noch einmal, womöglich mit vervollkomm- netem Verfahren, über den Sachverhalt zu informieren, zugleich aber Genaueres über die Transformation der Vokalklänge festzustellen, resp. mitzuteilen. Zunächst möchte ich auf einige sehr zu beachtende Fehlerquellen hinweisen. Auf keinen Fall darf man Fragen, welche die Erkennbarkeit von Vokalen betreffen, anders entscheiden, als mit isolierten Vokalen; denn in Worten oder gar Sätzen er- rät jeder leicht die Vokale aus dem Zusammenhang, und ungeübte hinzugezogene Hörer verwechseln leicht diese Art des Verstehens mit wirklichem akustischem Erkennen der Vokale. Ja, sogar isolierte Vokale können erraten werden, wenn der Hörer über die Reihen- folge ihrer Produktion irgendwelche Kenntnis oder auch nur ge- gründete Vermutung hat. Es empfiehlt sich daher, die Vokale in regelloser Reihenfolge auftreten zu lassen; der Hörer muss ganz unbeeinflusst über das, was er hört, ein Protokoll führen oder diktieren, welches mit dem wirklich Aufgesprochenen verglichen 1) Vgl. dies Archiv Bd. 47 S. 42. 1890, Bd. 53 S. 8. 1392. 2) In dieser Vermutung bestärkt mich der Umstand, dass Fredericq von älteren Versuchen nur solche an den „premiers phonographes“ mit Handdrehung erwähnt, an denen die Frage nicht entschieden werden konnte. Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale etc. 3 wird. Die meisten dieser unentbehrlichen Maßnahmen habe ich schon in früheren ähnlichen Untersuchungen befolgt und erwähnt )). Ganz besonders aber ist davor zu warnen, den Hörer zu fragen, ob er einen ihm genannten Vokal hört oder etwas anderes; jeder, der sich viel mit Untersuchungen dieser: Art beschäftigt, wird wissen, dass auf keinem Gebiet eine „suggestive“ Beeinflussung so leicht un- gewollt eintritt wie hier. Daher ist auf die blosse Zustimmung der Zuhörerschaft zu einem in einem Vortrage angegebenen Resultat nichts zu geben; auch würde ich mich keineswegs allein auf die oben angedeuteten Vorlesungsversuche verlassen. Übrigens ist in dem kurzen mir zugänglichen Protokoll von dem Eindruck auf die Hörer nichts erwähnt. Meine erste Mitteilung von 1890 macht über den Grad der Beschleunigung resp. Verlangsamung bei der Reproduktion keine numerischen Angaben, weil, wie dort ‘erwähnt, mir damals nur ein Phonograph mit Tretwerk, wenn auch mit Regulator versehen, zur Verfügung stand. Später habe ich zwar diese Lücke durch Versuche an meinem eigenen, aus Edison’s Werkstatt stamınenden Instrument mit elektrischem Antrieb ausgefüllt, aber nichts darüber veröffentlicht. Bei meinen jetzigen Versuchen war das Verfahren folgendes; Ein Zylinder wurde beim Aufsingen der Vokale für jedes Drittel seiner Länge mit einer anderen Geschwindigkeit gedreht, nämlich im ersten Drittel mit 75, im zweiten mit 112!/s, im dritten mit 150 Touren per Minute. Beim Abhören erfolgte die Drehung für die ganze Länge mit derselben Geschwindigkeit, und zwar einmal mit 75, einmal mit: 112%s, einmal mit 150 Touren. Auf diese ‘Art konnten mit einem einzigen Zylinder drei Grade von Beschleunigung und drei Grade von Verlangsamung erreicht werden. Drückt man das Verhältnis der Drehgeschwindigkeit beim Abhören zu derjenigen bei der Aufnahme durch eine Zahl aus, so erhält man folgende Übersicht der sich darbietenden neun Fälle: beim "7. Diittel 2. Drittel 3. Drittel 75 1 "la 3 112% 2 1 "ls 150 2 a I 1) Vgl. dies Archiv Bd. 17 S. 323, 324. 1878; Bd. 48 S. 557f. 1891. Man sehe auch gewisse verwandte Versuche in meiner demnächst erscheinenden Arbeit über Sprachlaute: Ba 18 4 L. Hermann: worin 1 normale Reproduktion, */s, ®/s, 2 drei Grade von Be- sehleunigung, ®4, ?/s, Y/s drei Grade von Verlangsamung bedeuten. In Frederieqg’s Versuch ging die Beschleunigung nur bis */s, die Verlangsamung nur bis ?/s, weil er seinen Zylinder in ganzer Länge bei der Aufnahme mit 180, bei der Reproduktion mit 240, resp. 120 Touren drehte. In diesem letzteren Umstande liegt zweifellos eine Hauptursache der gemachten Angaben. Wäre die Verlangsamung bis "/s, die Be- schleunigung bis 2 getrieben worden, so hätte die ungeheure Entstellung der Vokale nicht unbemerkt bleiben können. Aber auch bei den angewandten Reproduktionsverhältnissen ist sie gross genug, um die gemachte Angabe fast unerklärlich erscheinen zu lassen. Auf jedes Drittel wurden in meinen Versuchen die acht Haupt- vokale A, EEL0, U Ä (6, TC, jeder viermal, auf eine bequem liegende Note, meist g (192) oder e (160), aufgesungen. Die Reihen- folge der 32 Vokale wurde, für jedes Drittel besonders, durch das Los bestimmt. Als nicht unwesentlich erwies sich folgende Maß- nahme: bei dem mit der Tourenzahl 75 aufgenommenen Drittel müssen die Vokale besonders lange ausgehalten werden, weil sie bei der hier vorkommenden Beschleunigung auf das Doppelte sonst für das Verstehen zu kurz werden. Beim Abhören diktiert der Hörer seine Eindrücke zu Protokoll; da dies nicht gut fortlaufend - während des Hörens möglich ist, geschieht es nach je drei Vokalen, indem durch Abheben der Brille die Reproduktion unterbrochen wird. Mitunter wurde auch, namentlich für den eben erwähnten Fall (Aufnahme mit 75 Touren), schon bei der Aufnahme nach je drei Vokalen eine kleine Pause gemacht. Wegen der Wichtigkeit einer tadellosen Feststellung habe ich es nötig gefunden, etwas eingehend auch die Einzelheiten des Ver- fahrens anzuführen. In den Hauptversuchen erfolgte die Abhörung ausser von mir selbst noch durch einen zweiten Beobachter, und wurde auch zuweilen für dieselbe Person mehrmals vorgenommen, so dass ein sehr reichhaltiges statistisches Material zur Verfügung steht. Die Ergebnisse sind folgende: Die frühere Angabe, dass die Vokale durch Veränderung der Reproduktionsgeschwindigkeit, und zwar vielfach bis zur Unkennt- lichkeit, entstellt werden, bestätigte sich auf das sicherste. Als weitere Tatsache muss hinzugefügt werden, dass Verlangsamungen Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale etc. 5 sehr erheblich stärker entstellen als gleich grosse Beschleunigungen, z.B. ?/s weit stärker als ?/s, obwohl beides eine Quinte ausmacht. Im einzelnen ist folgendes anzuführen: 1. Normalreproduktion. Die auch für diesen Fall, also in drei Kombinatioen für jeden Zylinder, stets vorgenommene Abhörung ergab in keinem Fall irgendeine Abweichung von dem normalen Vokaleindruck oder die Angabe eines anderen Vokals als des wirk- lich vorhandenen. | Er 3. Mässige Beschleunigung (*s). Die Vokale sind zwar etwas verändert, werden aber grossenteils richtig erkannt. Immer richtig erscheinen A, I, O, Ä. Statt U wird sehr oft O, statt E oft Ä, statt Ö meist Ä oder E, statt U stets I oder E verstanden. 3. Stärkere Beschleunigung (se). Die Veränderung des Klanges ist hier beträchtlicher; auch. hier aber werden A und © immer, I, Uund Ä in der Mehrzahl der Fälle richtig,erkannt. Statt E und Ö wird fast durchgängig Ä, statt U oft’O, statt Ü I oder E verstanden. | 4. Starke Beschleunigung (2). Obwohl noch Vokal- charakter vorwiegt, ist nur selten ein sicher erfassbarer Eindruck, und der richtige nur in einer: verschwindend kleinen Anzahl von Fällen vorhanden. Auffallend häufig wird der Vokal, welches auch der wirkliche sei, für A gehalten. Nur E und Ü erscheinen oft als O, und I häufig als U. Bemerkenswert ist, dass auch bei dieser grossen Beschleunigung ein im Zusammenhang aufgesprochenes Ge- dieht, abgesehen von dem schon in meiner ersten Mitteilung hervor- gehobenen komischen Eindruck, meist verstanden wird, allerdings mit der deutlichen Empfindung, dass die Vokale nieht: unterscheid- bar sind. * | 5. Mässige Verlangsamung (®«). Schon hier nehmen die Vokale vielfach jenen blökenden Charakter an, den ich in meiner ersten Mitteilung mit -den Lauten beim Anblasen eines aus- geschnittenen Kalbskehlkopfes verglichen habe, und den ich auch heute nicht besser veranschaulichen kann. Ausserdem werden die meisten Vokale falsch verstanden; die wenigsten Fehler- weisen auf A, E, O, I. Bei allen besteht eine Neigung, in Ö oder Ü überzu- gehen. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: A erscheint meist als Ao oder O; E und I oft als Ö oder Ü; O als Ö; U ist voll- kommen unverständlich, Ä erscheint stets als Ö; Ö als unverständ- licher Blöklaut; Ü merkwürdigerweise zuweilen. als A. 6) L. Hermann: 6. Stärkere Verlangsamung (?s). Das unverständliche Blöken ist hier die Regel und richtiges Verstehen eine höchst seltene Ausnahme. Am häufigsten hört man bei allen Vokalen ein Ö, nur A erscheint immer als O; E oft als Ü; Ä durchweg als Ö; O als F oder Ö. 7. Starke GE... (!/e). Neben überwiegender sänzlicher Unverständlichkeit fällt hier die ganz unerwartete Er- scheinung auf, dass E und I, demnächst Ä, Ö und Ü, sehr häufig als A, seltener als Ao erscheinen; sonst überwiegen Ö- und U-artige Blöklaute. Gesprochenes, welches bei allen bisher erwähnten Trans- formationen noch einigermaßen verständlich war, ist hier, selbst wenn man den Inhalt kennt, kaum noch auch nur ungefähr zu verfolgen. Die Erkenntnis, dass die Vokalcharaktere auf festen Tönen be- ruhen, die ich der Kürze halber als Formanten zu bezeichnen vor- geschlagen habe, bestätigt sich also von neuem vollkommen. Auch Frederieg scheint übrigens Erfahrungen in diesem Sinne gemacht zu haben; denn er sagt, man müsse die Beschleunigung resp. Ver- langsamung weiter treiben, als er es getan hat, wenn man erreichen will, dass O wie A, beziehentlich A wie O klingt; um so befrem- dender ist es, dass er seine Versuche als eine Widerlegung der Lehre von den festen Formanten hinstellt. Aus meinen Versuchen ergibt sich aber, dass schon die mässige Verlangsamung auf ®/a ge- nügt, um A in OÖ zu verwandeln. Das Umgekehrte, die Verwand- lung von O in A, wird allerdings auch bei mir erst durch die grösste Beschleunigung (2) erreicht, tritt aber hier nicht charakte- ristisch auf, da auch viele andere Vokale dabei in A übergehen. Übrigens sind diese beiden Umwandlungen keineswegs ein Erfordernis der Theorie, also ein Prüfstein für dieselbe, worauf wir noch zurück- kommen. Wenn Fredericq wirklich die Lehre von den festen Vokaltönen als irrtümlich erklären will, so erwächst ihm die Auf- gabe, das Aussehen und die analytischen Resultate solcher Vokal- kurven, wie ich sie vielfach mitgeteilt habe‘), auf anderem Wege zu erklären. 1) S. dies Archiv Bd. 47 S. 357 ff. und Taf. VIII. 1890, Bd. 53 S. 19 ff. und Taf. II. 1892, Bd. 61 S. 169 ff. und Taf. V. 1895. Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale etc. 7 Eigentlich müssten nun die näheren Ergebnisse der hier mit- geteilten Transformationsversuche mit der Theorie in Einklang ge- bracht oder aus ihr abgeleitet werden. Dazu sind aber unsere Kenntnisse über die Vokale noch zu unvollständig. Wiederholt habe ich nachdrücklich hervorgehoben, dass der Vokalcharakter nicht ausschliesslich durch die Höhe des Formanten, sondern auch durch andere Dinge begründet wird, z. B. durch die Art, wie sich die Formantschwingungen über die Periode verteilen. Man kann daher auch nicht voraussagen, welcher Vokal entstehen muss, wenn die Reproduktion um eine Quart schneller oder langsamer erfolgt. Gesetzt, der Formant von O liege um eine Quart tiefer als der von A, dann wäre es trotzdem ungerechtfertigt, zu verlangen, dass bei der Beschleunigung */s OÖ in A, und bei der Verlangsamung ®/s A in © übergeht; gerechtfertigt wäre dies nur dann, wenn, abgesehen von den Maßstäben der Abszissen und Ordinaten, , eine A-Kurve einigermaßen identisch wäre mit einer O-Kurve auf eine um eine Quart tiefere Note. Dass dies durchaus nicht der Fall ist, kann man leicht aus den von mir mitgeteilten Kurventafeln ersehen. Man muss also umgekehrt die Ergebnisse der Transformationsversuche als rein empirisches Material betrachten, das für die Theorie erst nutzbar zu machen ist. - Versuchen wir in dieser Richtung weiterzukommen, so tritt uns vor allem die Tatsache entgegen, dass Verlanesamungen so viel stärker entstellend wirken als gleich grosse Beschleunigungen. Schon bei einer früheren Untersuchung über Vokalsynthese bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass für jeden Vokal der Formant innerhalb eines gewissen Bereichs variieren kann, ohne dass der Vokalklang wesent- lich leidet!); für A beträgt z. B. dieser Bereich mindestens eine - Quart (von e? bis a?), ja, wenn man die undeutlicheren A-Laute mit gelten lässt, sogar eine Sext (des? bis ais?), für E mindestens eine kleine Terz (c* bis dis*). Das von uns gefundene Verhalten führt nun zu dem Schlusse, dass bei der habituellen Produktionsart der Formant sich in der Nähe seiner unteren zulässigen Grenze hält, so dass er bei Verlangsamung weit leichter aus dem Bereich herausfällt, in welchem der Vokal noch richtig erscheint, als bei gleich grosser Beschleunigung. Ebenso lässt sich ein ziemlicher Teil der beobachteten De- 1) Vgl. dies Archiv Bd. 91 S. 151. 1902. Siehe auch Bd. 58 S. 175. 1894. 8 L. Hermann: formationen begreifen, wenn man sie auch, wie schon erwähnt, schwer- lich hätte voraussagen können. Unverkennbar entstehen durch Be- schleunigung vorwiegend Vokale mit hohen aus solchen mit tiefen Formanten. Dagegen ist der bei grosser Beschleunigung häufig auf- tretende A-artige Klang vieler Vokale, soviel ich sehe, vorläufig nieht verständlich. Allerdings wird in meiner schon erwähnten, dem- nächst erscheinenden Arbeit eine, wie es scheint, verwaudte Er- scheinung mitgeteilt, nämlich die, dass bei den höchsten Soprannoten alle Vokale leicht in A übergehen. Für den bei grosser Beschleuni- gung oft beobachteten Übergang von E in O und von I in U scheint sich eine Erklärung darzubieten. Den Vokalen E .und I wird von Helmholtz und anderen ausser dem bekannten, in der 4-gestrichenen Oktave liegenden Formanten noch ein zweiter sehr tief liegender zugeschrieben (nach Pipping liest er z.B. für I in der 1-gestrichenen Oktave). Es wäre nun denkbar, dass, wenn der obere Formant durch stark beschleunigte Reproduktion aus seinem Bereich herausgedrängt wird, nur noch der untere übrigbleibt, der infolge seiner Erhöhung mit demjenigen von O resp. U zusammen- fallen könnte. Die Erscheinungen bei Verlangsamung werden durch die Vertiefung der Formanten ziemlich verständlich, wenn man an- nimmt, dass eine Formantlage unterhalb der 2-gestrichenen Oktave (ohne gleichzeitige höhere Formanten) hlökende Laute bedingt. Dass ferner bei grosser Verlangsamung die Vokale mit hohen Formanten, besonders E und I, leicht in A übergehen, erscheint aus ihren Kurven durchaus begreiflich. j Schliesslich mögen noch einige Versuche erwähnt werden, in welchen Vokale reproduziert wurden, die von mehreren Sängerinnen auf die höchsten Soprannoten, bis g?, auf Phonographenzylinder auf- gesungen waren. (Näheres über diese Versuche siehe in der dem- nächst erscheinenden Arbeit.) Da die betr. Zylinder in ganzer Länge dieselbe Aufnahmegeschwindigkeit gehabt hatten, konnte die Be- schleunigung nur bis °/s, die Verlangsamung nur bis ?/s3 getrieben werden. Bei einer dieser Sängerinnen waren auf g? Vokale nicht mehr unterscheidbar, weder beim direkten Hören unter den erforder- liehen Kautelen (s. oben S. 2f.) noch beim Abhören des Zylinders, und auch die Kurven aller Vokale ausser I waren vollkommen identisch. Selbstverständlich konnten die Vokale durch Beschleuni- gung oder Verlangsamung höchstens noch uncharakteristischer werden; Der Einfluss der Drehgeschwindigkeit auf die Vokale etc. 9 im ersteren Falle gingen alle in ein unverständliches hohes Gellen, im letzteren in einen allenfalls an Ö erinnernden Laut über. Bei zwei Zylindern von Sängerinnen, deren Vokale noch auf g? ziem- lich gut charakterisiert waren, ergab sich übereinstimmend, dass durch Verlangsamung A in Ao, E und Ä in Ö überging; meist auch U in :Ö; ferner I in Ü; während O und U sich inkonstant verhielten; bei beiden kam zuweilen Übergang in E vor. Bei Beschleunigung von dem angegebenen Grade lieferte nur der eine Zylinder noch einigermaßen verständliche Vokale, bei denen jedoch A in Ao, Öin E, und Ü in 1 übergingen. Bei dem anderen Zylinder gingen alle Vokale in hohe unverständliche gellende Laute über. Im allgemeinen fiel mir die interessante Erscheinung auf, dass die bei tieferen Noten so ausgesprochene Regel, dass Verlangsamung weit mehr entstellt als Beschleunigung, für die höchsten Noten nicht zutrifft. 10 Ernst Mangold: (Aus dem physiologischen Institut der kgl. Universität Greifswald ) Die funktionellen Schwankungen der motorischen Tätigkeit des Raubvogel- magens. Von Ernst Mangold. (Mit 21 Textfiguren.) Versuche an einem Mäusebussard (Buteo buteo) boten mir Gelegenheit, die mit dem Fünktionszustande wechselnde und von mechanischen und chemischen Reizen beherrschte motorische Tätig- keit auch des Raubvogelmagens zu untersuchen. Spallanzani!) nennt diesen einen häutigen oder membranösen Magen, zum Unterschiede vom Muskelmagen der Hühner und dem Mittelmagen der Krähen, und es ist in der Tat auffallend, wie wenig der Magen des Bussards mit dem Hühner- oder Krähenmagen Ähn- lichkeit hat. Er gleicht vielmehr, abgesehen von seinen geringeren Dimensionen, dem Magen der Raubsäugetiere. Cardia und Pylorus sind im Gegensatz zum Hühnermagen durch eine verhältnissmässig lange kleine Kurvatur getrennt, und der ganze Magen lässt sich in zwei etwa gleicherosse, ihrem Bau nach jedoch sehr verschiedene Hälften scheiden. Während die Fundushälfte eine ziemlich glatte Schleimhaut zeigt, ist die der Pylorushälfte in grosse Falten geleet. Auch erwies sich das verfütterte Fleisch hier viel weiter von der Verdauung angegriffen als in der Fundushälfte. Schon aus Reaumur’s?) und Spallanzani’s berühmten Versuchen mit den verschluckten Metallröhren, bei denen von l) Spallanzani’s Versuche über das Verdauungsgeschäft des Menschen und verschiedener Tierarten S. 148. Übers. von Michaelis. Leipzig 1785. 2) Reaumur, Sur la digestion des oiseaux. Second memoire. De la maniere dont elle se fait dans l’estomac des oiseaux de proie. Mem. de l’Acad. Roy. des Sciences p. 461. Paris, annee 1752. Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. ]] Tagraubvögeln eine Weihe, ein Falke (Lanarius) und ein Adler (Falco melanaetus) zur Beobachtung kamen, geht hervor, dass deren Magen keine ähnliche zermalmende Kraft zukommt wie dem der Hühnervögel, dass sie aber dafür durch die auflösende Kraft ihres Magensaftes Erstaunliches zu leisten vermögen. So verdaute Spal- lanzani’s Falke täglich eine Taube, von der er meist nur die Eingeweide wie auch die Flügelspitzen und den Schnabel zurückliess, mitsamt allen Knochen, und selbst die aus stärksten Rindsknochen sedrehten Kugeln erfuhren in seinem Magen eine langsame Auflösung. Allerlei Vegetabilien, wie selbst gekochte Erbsen, kamen dagegen unverändert wieder zum Vorschein. Über die chemischen Eigenschaften der Verdauungssäfte des Mäusebussards finden sich noch bei Tiedemann und Gmelin!) und bei Tiedemann?) einige Angaben. . Meinen Bussard erhielt ich Ende September als junges Tier, das bei ausschliesslicher Ernährung mit rohem Pferdefleisch vor- züglich gedieh und schnell an Kräften derartig zunahm, dass es auch nach dem Abschneiden der Krallenspitzen nur für mit dicken Handsehuhen bewehrte Hände greifbar war. Beim Aufbinden, das auch hier wieder an Füssen und Flügeln geschah, erwies sich der Bussard nicht besonders ungebärdig, zeigte vielmehr eine ziemlich ausgeprägte Hemmung der Fluchtreflexe®), so dass er auch während langdauernder Versuche ohne aufzuschrecken vollkommen ruhig liegen blieb. Zur Reeistrierung der Magenbewegungen diente eine mittelst darin- liegender Fischbeinsonde eingeführte Ballonsonde, deren elastischer Ballon 40 mm lang war und in den beiden anderen Dimensionen seines birnförmigen Körpers 23 bzw. 15 mm betrug. Die Aufzeichnung erfolgte entweder mit Lufttransmission von dem Schreibhebel eines Marey’schen Tambours aus oder nach Wasserfüllung des Ballon- sondensystems und Verbindung mit einem zweischenkligen Hg-Mano- meter von dem Schwimmer desselben aus. Die Leistungsfähigkeit dieser den Druck messenden Vorrichtung betrug 260 mm Hg, wie 1) Fr. Tiedemann und L. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. II. S. 98 und 107. Heidelberg und Leipzig 1827. 2) Tiedemann, Physiologie der Verdauung S. 195 und 196. Ulm 1835. 8) Vgl. Mangold, Zur tierischen Hypnose. Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 4. 12 Ernst Mangold: durch Verbindung der wassergefüllten Ballonsonde mit dem Mano- meter und völliges Zusammendrücken des Ballons zwischen den "Händen festgestellt werden konnte. Solange die verzeichneten Drucke dieses Mass nieht überstieeen, konnten sie demnach als absolute Werte genommen werden. Zumal bei dem häutigen Magen des Bussards war auch anzunehmen, dass sich der Ballon dank seinen Dimensionen einieermaassen vollkommen der Magenwand anlegte, so dass keine Drucksteigerung in einem dem Ballon nicht anliegenden ‚Magenteile bei der Registrierung verloren ging. Da die Einführung des bereits mit Wasser eefüllten Ballons nicht angängig schien wegen der. Verengerung des Verdauungskanals zwischen Kropf und Magen, einer Stelle, an der eine grosse Menge Wasser doch wieder aus dem Ballon herausgepresst worden wäre, so konnte die Wasserfüllung erst nach dem Einführen des Ballons erfolgen. Es gelingt dies auch in ausreichend vollkommenem Masse, wenn man das Wasser langsam aus einer Spritze von der Schlauch- mündung. her einlaufen lässt und so für die entweichende Luft ge- nügend Platz lässt. Da die Tagraubvögel einen Kropf besitzen und aus diesem die Nahrung in den. Magen weitergeben, so ist es auch bei Kenntnis des Zeitpunktes und der Ausgiebigkeit der letzten Fütterung nicht ganz leicht, den funktionellen, insbesondere den Fütterungszustand des: Magens am lebenden Tiere richtig zu beurteilen. Nach reich- licher Fütterung kann der Magen noch nach 23 Stunden unverdaute Fleischreste enthalten, wie sie gelegentlich durch den Ballon mit zutage gefördert wurden. Als völlig leer und im Hungerzustand befindlich wurde der Magen daher erst 46—48 Stunden nach der letzten Fütterung betrachtet, wo denn auch der Ballon immer nur etwa verschluckte Federchen und sauren Magensaft mitführte, was nicht überraschend erscheint, da es schon Tiedemann!) bekannt war, dass auch im nüchternen Vogelmagen stets eine geringe Menge Magensaft mit freier Säure vorhanden ist. Aus der je .nach der zuletzt verfütterten Fleischmenge ver- schieden schnellen Beendigung der Magenverdauung erklärt es sich nun, dass die graphische Registrierung der Magenbewegungen nach 22—24 Stunden verschiedene Frgebnisse liefern kann. ° Kurve 1 (Lufttransmission) zeigt eine Reihe äusserst regelmässiger , einander l) Fr. Tiedemann, Physiologie der Verdauung S. 175. Ulm 1835. ‘ : Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 13 in gleichmässigem Rhythmus folgender Magenbewegungen 22 Stunden nach reichlicher Fütterung. Tonusschwankungen und periodisches Ansteigen und Absinken der- Kontraktionsgrössen lassen sich beim Bussard nur selten und auch dann in geringerem Maasse als bei Huhn und Krähe!) beobachten. Kurve 2 lässt eine Neigung zu periodischem Schwanken der Magenbewegung erkennen, wie sie auch bei der Krähe zum Ausdruck kam. Oft liess sich nun aber 23 Stunden nach der letzten Fütterung feststellen, dass der Magen ziemlich zur Ruhe gekommen war und ERTIRETERTIUITITTENTRUTREERRUTRTTUTERUGORTTUNFENEREURTORTONETTUCTE Kurve 1?). Normalkurve 22 Stunden nach reichlicher Fütterung. (Lufttransmission.) erst durch den mechanischen Reiz der eingeführten Ballonsonde wieder zur regelmässigen Tätigkeit angeregt wurde. Auf eine Hem- mung durch die Einführung des Ballons und eine nachfoigende Erholung sind beim Bussard derartige Kurven (s. Kurve 3) nicht zurückzuführen, wie es nach Analogie mit den Kurven vom Hühner- magen ?) möglich scheinen könnte; denn der allmählichen Entwicklung 1) Mangold, Die Magenbewegungen der Krähe und Dohle und ihre Be- einflussung durch die Vagi. Pflüger’s Arch. Bd. 138. 1911. 2) Die Zeitmarkierung bezeichnet wie in allen folgenden Kurven Sekunden. 8) Mang old, Der Muskelmagen der körnerfressenden Vögel, seine mo- torischen Funktionen und ihre Abhängigkeit vom Nervensystem. Pflüger’s Arch. Bd. 111 S. 163. 1906. 14 Ernst Mangold: der Magenbewegungen folet beim Bussard in solchen Fällen meist wieder ein Abklingen derselben, und ferner werden auch andere (Lufttransmission.) nach Einführen der Ballonsonde, (Lufttransmission.) Neigung zu periodischen Schwankungen der Magenbewegung. Respiratorische Schwankungen. Kurve 3. Entwicklung der Magenbewegungen Kurve 2. Kurven noch zeigen, dass die Einführung des Ballons hier keine Hemmung mit sich bringt. Kurve 3 lässt deutlich auch die respiratorischen Schwankungen erkennen, die sich zuweilen, besonders bei geringen aktiven Be- wegungen und schwachem Tonus des Magens, in den Kurven markieren. Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 15 Ein erheblicher, dauernder, etwa durch die übrigen Eingeweide verursachter positiver Druck, wie er beispielsweise beim Menschen wie auch beim Hunde beobachtet .wurde [Moritz !)], ist beim Magen des Bussards nicht vorhanden. Der Druek sinkt meist nach jeder Kontraktion auf Null zurück und verharrt hier auch im Ruhezustande des Magens. Geiegentlich wird jedoch ein dauernder Druck von 1—4 mm registriert, auf dem sich . die den Kontraktionen ent- sprechenden Drucke superponieren; da er aber keine regelmässige Erscheinung darstellt, scheint er auf einen aktiven Tonus der Magen- muskulatur zurückzuführen zu sein. : Wie sich aus der nachstehenden Tabelle 1’ ergibt, sind die den Magenkontraktionen entsprechenden Drucksteigerungen offenbar durch- schnittlich am grössten kurz nach der Fütterung, während im Hunger- zustande, 46—48 Stunden nach :der letzten Nahrungsaufnahme, wenn also der Magen mit Sicherheit als leer zu betrachten ist, nur sehr minimale aktive Drucksteigerungen erreicht werden. | " Tabellel. Bewegungsrhythmus und Druck des Bussardmagens in verschiedenen Verdauungsstadien. 1/a—1 Stunde nach der | 22-24 Stunden nach der | 46-48 Stunden nach der letzten Fütterung - letzten Fütterung letzten Fütterung Rhythmus?) Druck?) | Rhythmus?) Druck?) | Rhythmus?) Druck ?) Sk. | mmHg Sek. ı mmHg Sek. mm Hg 24,8 — 26,6 — 25,1 — 22,2 _ 24,4 — 26,6 21,1 — 24,0 — 30,2 — 23,9 .—- 26,6 — 22,8 —_ 23,9 8 25,9 — 25,1 _ 21,5 16—18 22,3 — 22,4 — 20,0 20 25,8 . _ 28,0 1-3 E= — 24,0 2 26,0 1-3 — _ 22,3 _ 28,2 1—2 ==; = 23,9 20 27,2 1—2 For. — 22,6 2—26 22,5 0—4 zz —— 23,1 2—8 22,9 0—4 = _ 197 4—10 22,4 4—15 gie > Sie — 25,83 = —_ u —_ _ 26,4 4—8 Mittel 22,3 — Mittel 23,8 _ Mittel 25,4 — 1) Moritz, Studien über die motorische Tätigkeit des Magens.. Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 S. 313. 1895. 2) Zeitdauer vom Beginn einer Magenkontraktion bis zu dem der nächsten. 3) Der Kontraktion entsprechende Drucksteigerung. 16 -. Ernst Mangold: Die höchsten den Magenkontraktionen entsprechenden Druck- steigerungen betragen in meinen Versuchen ohne besondere experi- mentelle Eingriffe 20—26 mm Hg. Nach 48 Stunden Hungerns genügt der Reiz der vorsichtigen Einführung des Ballons offenbar nicht mehr, um eine grössere Reihe von Kontraktionen auszulösen, und wenn man: annehmen will, dass auch die minimalen Wellen, die die Kurve selbst ‘bei Luftübertragung verzeichnet, auf den mechanischen. Reiz des Ballons zurückzuführen ’sind, so kann der Schluss gerechtfertigt‘ erscheinen, dass der Magen des Bussards im völligen Hungerzustande vollkommen: stillsteht. Solange minimale Bewegungen, wie sie die folgenden Kurven zeigen, beim Hungertiere überhaupt noch. da: sind, wird auch bei unserer Methodik. die Beteiligung des Ballonreizes an ihrer Entstehung nicht völlig ausgeschlossen werden können; es erhebt sich aber die Frage, ob nicht hier wie bei anderen Tieren und dem Menschen, bei denen wir -gewöhnlich von einem vollkommenen Stillstande der Magen- bewegungen im Hungerzustande sprechen, doch noch eine minimale rhythmisch automatische. motorische Tätigkeit _ dauernd . fortbesteht. Auch die Röntgenbeobachtung. wird. ‚hier kaum eine ganz einwand- freie Antwort geben, denn ohne _"Wismutfüllung dürften so gering- gradige aktive Verschiebungen der Konturen des Organes kaum festzustellen sein, und mit Wismutfüllung ist der Magen nicht mehr als völlig leer zu betrachten. Biologisch und physiologisch scheint mir die Annahme einer minimalen rbythmischen Bewegungstätiskeit des Magens auch im Hungerzustande viel für sich zu haben. Die peripheren Zentren der Magenbewegung werden um so leichter auf die mechanischen und chemischen Reize der Nahrungszufuhr an- sprechen und mit Erhöhung der Kraft der Kontraktionen antworten, und um so schneller wird die aufgenommene Nahrung nutzbar für den Organismus. = Wir wollen unten auf- diese Bags, nochmals zurückkommen. Die funktionellen Schwankungen der motorischen Magentätigkeit liessen sich bei dem Bussard nun sehr. schön beobachten , und ich will einige hierhergehörige Versuche mitteilen. Versuch mit Pleischfütterung. Akürden 4—6). 48 Stunden nach der letzten Fütterung ergibt: die 'manometrische Registrierung um 10 k 10’.minimale-Bewegungswellen, die im Rhyth- mus von 28 Sek. nur Drucke von 1—3 mm Hg erreichen (Kurve 4). Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 17 Um einen etwaigen anregenden Einfluss des eingeführten . Ballons zu kontrollieren, wird das Tier um 11h 5’ nochmals aufgebunden: Rhythmus 26 Sek., Drucke 1 mm (Kurve 5). 11h 20’ werden einige Stücke Fleisch verfüttert. Eine halbe Stunde danach ereibt Kurve 4, Vor der Fleischfütterung. (Hg-Manometer.) Kurve 5. Vor der Fleischfütterung, (Hg-Manometer.) Kurve 6. Nach der Fleischfütterung. (Hg-Manometer.) Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 2 18 Ernst Mangold: die manometrische Registrierung (Kurve 6) einen Rhythmus von 20 Sek.; die den Kontraktionshöhen entsprechenden Drucke betragen 16—20 mm. Hg. Versuch mit Knochenfütterung. | Die bei diesem Versuche stets zuerst geschriebenen Manometer- kurven (7”—9) wurden durch die Registrierung mit Lufttransmission (10—12) bestätigt. 47 Stunden nach der letzten Fütterung zeigen die Kurven um 1] h einen Rhythmus von 27,2—28,2 Sek. und einen Druck von 1—2 mm Hg (Kurven 7 und 10). Um 11h 10' werden zwei an einem Bindfaden befestigte Knochenstücke von einer Kurve 7. Vor der Knochen- Kurve 8. Nach der Knochen- Kurve 9. Nach der Wieder- fütterung. (Hg-Manometer.) fütterung. (Hg-Manometer.) entfernung der Knochen. (Hg-Manometer.) Rinderrippe, deren Voluminhalt etwa 1—-1,5 eem beträgt, unter Führung des Fingers durch den Kropf in den Magen geschoben. Das Tier bleibt aufgebunden. Eine Viertelstunde danach, um 11h 27, Rhythmus 23,0 und 23,0, Druckminimum 3, Maximum 10 mm Hg (Kurven 8 und 11). Um auch das Abklingen der Erregung fest- zustellen, werden die beiden Knochenstücke um 11 bh 40’ am Bind- faden wieder herausgezogen, und eine halbe Stunde später wird ein Rhythmus von 22,1 und 22,1 Sek. und ein Druck von I—5 mm Hg verzeichnet (Kurven 9 und 12). Während der Rhythmus demnach in diesem Versuche noch annähernd der gleiche blieb wie nach der funktionellen Zunahme, ist der Druck bereits wieder beträchtlich gesunken. Um nun den Einfluss der mechanischen und chemischen Faktoren bei dieser Anregung der Magentätigkeit durch Fleisch und Knochen Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 19 weiterzuverfolgen und das bei den Knochen nicht beseitigte chemische Moment nach Möglichkeit auszuschliessen, wurde zunächst folgender Nach der Wieder- entfernung der Knochen. \(Luft- transmission.) Kurve 12. 2. Kurve ll. Nach der Knochenfütterun (Lufttransmission.) Kurve 10. Vor der Knochen- fütterung. (Lufttransmission.) Versuch mit Steinchenfütterung angestellt, bei welchem wieder die manometrische wie die Auf- zeichnung mit Lufttransmission ein charakteristisches und überein- stimmendes Ergebnis lieferten. 20 Ernst Mangold: 46 Stunden nach der letzten Fütterung zeigen die Kurven um 10h 35’ einen Rhythmus von 22,5 und 22,5 Sek., der bei m > = = E = E = = = = E = = = = = 3 = 'E E = LUD DLLDDDULLU NUN) BULDLLNNDULNULLUNNLDLNMNNDLLLDUNDNLNDLNNNN g Kurve 15. Nach der Wiederentfernun Nach der Steinchen- Kurve 14. Kurve 13. Vor der Steinchenfütterung. (Hg-Manometer.) der Steinchen. (Hg-Manometer.) fütteruhg. (Hg-Manometer.) der manometrischen Registrierung durch längeres völliges Absinken des Druckes unterbrochen wird (Kurve 13). Der Druck beträgt 0—4 mm Hg. Um 10h 52’ werden anstatt der im vorigen Versuche verwendeten Knochenstücke zwei gleichgrosse Steinchen, die an einem Bindfaden befestigt sind, durch den Kropf in den Magen geschoben. Das Tier bleibt auf- gebunden. Etwa 20 Minuten später, um 11h 14’, ist der Rhyth- mus bereits auf 17,7, 19,5, 20,6 Sek. beschleunigt, die maximalen Drucke betragen 22, die niedrigsten 2 mm Hg (Kurve 14). Um 11h 36’ werden die Steinchen wieder her- ausgezogen, und um 12h 17’ beträgt der Magenrhythmus wieder 22,0 und 23,1 Sek., während die Drucke auf 2—10 mm Hg ge- sunken sind (Kurve 15). Diese Versuche lassen deut- lich erkennen, dass der mecha- nische Reiz für die Anregung der motorischen Magentätigkeit beim Bussard eine wichtige Rolle spielt. Ob auch der chemische Einfluss der Ingesta, wie zu erwarten stand, bei der Regulation der Magenbewegungen mitwirke, soll- ten weitere Versuche entscheiden. Die auf ihre Wirkungen zu prüfenden Lösungen wurden in der Weise in den Magen gebracht, dass entlang der mit ihrem Ballon bereits im Magen liegenden Ballonsonde ein elastischer Harnröhrenkatheter eingeführt wurde, Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 2] durch den die Flüssigkeiten mittelst einer Spritze direkt in den Magen injiziert werden konnten. Aus den dabei ohne Unter- brechung weiterschreibenden Kurven liessen sich die Veränderungen der Magenkontraktionen bezüglich ihrer Frequenz und Stärke registrieren; in einigen Versuchen wurden die Druckänderungen auch wieder mittelst des zweischenkligen Hg-Manometers auf- gezeichnet und gemessen. Im Laufe der Versuche zeigte sich, dass schon zimmerwarmes Leitungswasser imstande war, die Magentätigkeit zu verändern, und zwar liess sich, besonders wenn der Bussard vor dem Versuche lange gehungert hatte und anfangs nur schwache Kontraktionen bestanden, stets eine anregende Wirkung des Wassers beobachten. Wenn da- gegen bereits die Einführung der Ballonsonde und des Katheters in den Magen ausreichte, um ausgiebige Magenbewegungen hervor- zurufen, so liess sich oft bei der ersten Einspritzung von 5 ccm Wasser eine vorübergehende geringe Hemmungswirkung an der Ver- ringerung der Kontraktionshöhen erkennen. Meist ging der Hemmung eine Steigerung voraus, die sich auf die ersten beiden Magenkon- traktionen nach der Injektion bezog; dann folgte der mehr oder minder beträchtliche Abfall; doch zeigten die Kurven deutlich sofort wieder die Tendenz zur Verstärkung der Kontraktionen, was zum Unterschiede von später zu erwähnenden Hemmungswirkungen auf die motorische Magenfunktion hervorgehoben werden muss. Wenn zum zweiten oder dritten Male Wasser eingespritzt wurde, so zeigte sich meist keinerlei nennenswerte Wirkung mehr, und demgemäss wurden die entscheidenden Versuche mit anderen Flüssigkeiten immer erst nach der Prüfung der Wasserwirkung auf den Magen angestellt, und zwar erst dann, wenn eine solche nicht mehr in irgendwie bemerkenswertem Masse zu beobachten war. Überdies bot die Wirkung der anderen verwendeten Flüssigkeiten so charakteristische Erscheinungen , dass Verwechslungen der verschiedenen Wirkungen ausgeschlossen waren. Versuche mit Salzsäure und Denaeyers Fleischpepton. Salzsäurelösungen von physiologischer Konzeutration schienen vom Magen aus keinen Einfluss auf seine Bewegungen auszuüben. In einem Versuche mit manometrischer Registrierung nach 48 Stunden Hunger trat zwar nach Einspritzung von 5 ccm einer zimmerwarmen !/io N-Salzsäure eine kurzdauernde Herabsetzung der Kurvenhöhen 29 Ernst Mangold:- ein, doch ebenso auch bei Wasser und bei 5 eem einer 0,8 Yoigen Sodalösung. In einem weiteren Versuche liess sich 22 Stunden nach der letzten Fütterung mit den auf 35—40° C. erwärmten Flüssig- (Lufttransmission.) S D Bi LUD LIND NUNLDN UND NND LNELDENUNN NND NNNNNDNNTLNDNEHNDDNNNN NND Kurve 16. Hemmung durch Einführung von Denaeyer’scher Fleischpeptonlösung in den Magen. keiten keinerlei bemerkenswerte Wirkung erzielen, weder mit Leitungs- wasser noch mit 3—5 cem von 0,36 °/oigen HCI-, 0,8 /oigen HCI-, 1,5 /oigen Sodalösungen, ebensowenig aber auch durch kaltes Wasser. In beiden Versuchen liess sich indessen mit 5 cem von Denaeyer’s Fleischpeptonlösung eine Hemmungswirkung hervorrufen, die sich Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 23 durch die allmähliche stetige Abnahme der Kurvenhöhe und das ‚Absinken der den Magenbewegungen «entsprechenden Drucksteige- rungen bis fast auf 0 mm Hg geltend machte. Die allmähliche Entwieklung der Hemmungswirkung und. die lange Dauer derselben erschienen von vornherein charakteristisch. In den übrigen Versuchen wurden die NT enbose gungen stets mit Lufttransmission registriert, so dass die hemmenden ünd erregenden Wirkungen bei den höheren Exkursionen des Schreibhebels noch deutlicher hervortraten. Die Kurve 16!) zeigt die auf diese Weise festgehaltene enorme Hemmungswirkung von Denaeyer’scher Fleisch- _ “ peptonlösung ; nachdem vorher durch 5 ecem Wasser keinerlei- oder eher ein steigernder Einfluss auf die Magenbewegungen stattgefunden hatte, zeigte sich nach den ersten 5 ccm Peptonlösung eine nur sehr geringe allmähliche Abnahme der Kurvenhöhen, nach der zweiten Einspritzung!) von 5 eem der gleichen Lösung trat jedoch nach sechs stufenweise an Stärke abnehmenden Kontraktionen ein vor- _ übergehender, fast völliger Stillstand ein. Die langsame Entwicklung der dann aber um so intensiveren Hemmungsswirkung legt den Gedanken nahe, dass es sich hier nicht um eine von der Schleimhaut des Magens selbst her ausgelöste chemoreflektorische Beeinflussung der Magenmuskulatur handelt, dass die Wirkung vielmehr erst dann eintreten kann, wenn ein Teil der Peptonlösung durch die ersten noch in normaler Stärke stattfindenden Kontraktionen in das Duodenum befördert worden ist. Wie sich eine vom Magen selbst ausgehende Hemmungswirkung abspielt, liess ‚sich gelegentlich erkennen, wenn nach Wassereinspritzung gleich die nächste Magenkurve niedriger ausfiel und von da ab sofort wieder eine Zunahme der Kontraktionsstärke auftrat. Noch deutlicher geht es aus den Kurven hervor, welche die Veränderung der Magen- tätigkeit durch starke HCl-Lösungen zeigen. Als Beispiel hierfür möge die Kurve 17 dienen. Nachdem: vorher auf mehrmalige Ein- spritzung von 5 ccm zimmerwarmen Leitungswassers ebensowenig wie auf die Injektion von 5 cem einer ebenso temperierten 1°/oigen Rohrzuckerlösung eine Andeutung einer Beeinflussung der Magen- bewegungen zu beobachten gewesen war, wurden 5 ccm einer 1) In dieser wie den folgenden Kurven bezeichnet der schräge Strich über oder unter der Zeitmarkierung (Sekunden) den Moment der Injektion; bei > wurde immer durch: Freigeben der Kathetermündung das Herauslaufen der Flüssigkeit ermöglicht. 94 Ernst Mangold: 1,5 /oigen HCl-Lösung “durch ‘den Katheter eingeführt. Wie die Kurve zeigt, tritt fast momentan eine Wirkung ein. Bereits die erste der ' Säureeinspritzung . unmittelbar folgende Magenbewegung- zeigt eine verringerte Intensität;. es folgt ein starker. Abfall des 'Tonus und ein nur von vereinzelten abgeschwächten Kontraktionen unter- brochener völliger Stillstand. Der vollkommene Abfall des Tonus der Magenmuskulatur lässt sich auch an dem stärkeren Hervortreten der..passiven respiratorischen Schwankungen erkennen. Bei dieser prompt eintretenden Wirkung handelt es sich zweifellos um eine / Ser SPS he Kurve 17. Hemmung durch Salzsäure vom Magen aus. von der Magenschleimhaut selbst aus bedingte Hemmung, da hier gar keine Zeit verblieb für den Übertritt einer nennenswerten Menge der eingespritzten Flüssigkeit in den Darm, die immerhin auch wohl erst noch die im Magen verbliebenen Flüssigkeitsreste der vorher- gehenden Injektionen hätte vor sich her schieben müssen. i Die gleich danach vorgenommene Einspritzung von 5 cem Wasser zur Verdünnung der im: Magen befindlichen Säure hatte nur eine sehr vorübergehende Verbesserung der Magenbewegungen zur- Folge, während die Injektion von 5 eem einer 1,5 /oigen Sodalösung sofort die regelmässigen Kontraktionen zurückführte, wie die Kurve 18 erkennen lässt. ; Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. Kurve '18.:. Wiederherstellung der Magenbewegung nach: Säurehemmung durch Einführung von Sodalösung. (ln / Sees HL Kurve 19. Säurehemmung der Magenbewegung. 20. al, Ernst Mangold: Kurve 19 zeigt in noch deutlicherer Weise, dass die Hemmungs- wirkung der in den Magen gebrachten Salzsäure (hier 5 cem einer 1°/oigen HCi-Lösung) vom Magen selbst ausgeht, da die hier auf der Höhe einer Kontraktion einsetzende Injektion sofort den völligen Tonusabfall im unmittelbaren Anschluss an die jener Kontraktion folgende Erschlaffung bewirkt. Nachdem sich die normale Mac e mens in diesem Versuche wieder völlig hergestellt hatte, ergaben übrigens mehrmalige Ein- spritzungen von 5 ccm der 1,5 '/oigen Sodalösung nur ausserordent- lich: geringe Wirkungen in einem die Kontraktionsstärke herab- setzenden Sinne. Um der Lösung der Frage näher zu kommen, welche Bestandteile der verwendeten Denaeyer’schen Fleischpeptonlösung die Hemmungs- wirkung auf die Magenbewegungen ausüben, wurden weitere Versuche mit Liebig’s Fleischextrakt und Peptonlösungen - angestellt. Nach König’s!) Angaben enthält Denaeyer’s flüssiges Fleischpepton kein Pepton, wohl aber im Mittel 9,12 °/o unlösliche und koagulierbare Eiweissstoffe und Albumosen. Koagulierbare Ei- -weissstoffe sind in Liebig’s Fleischextrakt nicht vorhanden ?), auch Peptone nur schwach oder undeutlich nachzuweisen, doch enthält es 10 %o Albumosen. Nachdem ich mit einer wenig konzentrierten Lösung von Liebig’s Fleischextrakt nur unsichere Hemmungswirkungen gesehen hatte, verwendete ich eine 30 °/oige Lösung davon, die einer etwa 3/oigen Albumosenlösung entsprach, und zum Vergleiche prüfte ich noch den Einfluss einer 3°,oigen, aus käuflichem „Pepton“pulver hergestellten Peptonlösung. Die ausserordentlich starke Hemmungswirkung von Liebig’s Fleischextrakt auf die Magenbewegungen des Bussards ist in der Kurve 20 registriert. Bereits nach zwei Kontraktionen trat ein so gut wie völliger Stillstand der motorischen Magenfunktionen ein, die jedoch, wenn auch noch in verminderter Stärke, alsbald in regel- mässigem Rhythmus wieder einsetzten, als die Fleischextraktlösung nach Freigeben der äusseren Kathetermündung (bei X) wieder 1) J. König, Chemische Zusammensetzung der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel, 4. Aufl., Bd. 1 S. 89. Berlin 1903. 2) J. König, l. c. S. 1462. Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 27 herausgelaufen war. Ob die unmittelbar nach der Einspritzung ein- tretende Herabsetzung der Kontraktionshöhe schon auf Rechnung der Extraktwirkung zu setzen ist, kann nicht mit Sicherheit ent- Kurve 21. Hemmung durch Lösung von Liebig’s Fleischextrakt. schieden werden; dass es indessen keineswegs in dieser Weise ge- deutet werden muss, geht aus der in diesem Versuche überhaupt schwankenden Stärke der Bewegungen hervor, die sich auch in der kurz vorher in der Kurve auftretenden spontanen vorübergehenden Verlangsamung und Verringerung der Magenbewegungen markiert. 28 Ernst Mangold: Übrigens hatten kurz danach auch Wassereinspritzungen eine aus- gesprochene, wenn auch nicht sehr beträchtliche Hemmungswirkung, die vielleicht zum Teil durch die Weiterbeförderung des Restes von Fleischextraktlösung und deren Wirkung von der Darmschleimhaut her zu erklären war. Als bald darauf die Wassereinführung keinen derartigen Einfluss mehr zeigte und die Magenbewegungen unver- ändert liess, trat auf 5 cem der Liebig’s Fleischextraktlösung wieder eine langsam einsetzende starke Verringerung der Magen- bewegungen hervor (s. Kurve 21), deren ausserordentlich lange an- haltende Nachwirkung sich leicht dadurch erklären liesse, dass die Katheteröffnung in diesem Falle erst freigegeben wurde (bei X), als infolge der vorhergehenden Magenkontraktionen bereits viel Extraktlösung in den Dünndarm übergetreten war. Damit würde auch im Einklange stehen, dass durch mehrmaliges Ausspritzen des Magens mit Wasser keine wesentliche Wiederherstellung der Stärke der Kontraktionen herbeigeführt wurde. Auch in weiteren Versuchen liess sich die langsame Entwicklung der starken und nachhaltigen Hemmungswirkung einer 30 '/oigen Lösung von Liebig’s Fleischextrakt beobachten und in den Kurven festhalten, die prinzipiell das gleiche Bild wie das der mitgeteilten Kurven ergaben. Im Vergleiche zu diesen Wirkungen waren die geringen Beeinträchtigungen durch die 3 Y/oige „Pepton“lösung so wenig charakteristisch, dass nach den bisherigen Versuchen leider noch nicht zu entscheiden ist, ob es wirklich allein die Proteosen sind, welche die beschriebenen Hemmungswirkungen von Denaeyer’s Fleischpepton wie von Liebig’s Fleischextrakt auf die motorische Tätigkeit des Bussardmagens ausüben. Wenn ich die Vermutung aussprach, dass die genannten Fleisch- präparate nicht vom Magen, sondern erst vom Dünndarm aus die Magenbewegungen beeinflussen, so war für diese Auffassung besonders massgebend die ausserordentlich viel schneller einsetzende Wirkung der starken HCl-Lösungen, die offenbar sofort vom Magen aus wirkten, in den Versuchen am. gleichen Versuchstiere, wie auch der viel schnellere Eintritt der vom Duodenum aus bei direkter Ein- führung von Salzsäure oder Olivenöl in dasselbe reflektorisch her- vorzurufenden Hemmungen der Antrumkontraktionen, wie ich sie gemeinsam mit Kirschner!) bei Hunden beobachten konnte. 1) Kirschner und Mangold, Die motorischen Funktionen des Sphinkter und Antrum pylori des Hundes nach der Querdurchtrennung des Magens. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Chir. u. Med. 1911. Münchener mediz. Wochenschr. 1911. Nr. 3. Die funktion. Schwankungen der motor, Tätigkeit des Raubvogelmagens. 239 Lommel!) hat übrigens beim Hunde röntgoskopisch Beschleuni- gung der motorischen Magentätigkeit als Wirkung von Somatose oder Fleischextrakt vom Magen aus eintreten sehen, und nach Hirsch?) beginnt die Entleerung von Fleischbrühe aus dem Magen beim Hunde verhältnismässig früh. In diesen Versuchen von Hirsch wie denjenigen anderer Autoren wurden jedoch meist Hunde mit einer Dünndarmfistel benutzt, bei welchen sich der Mageninhalt sofort nach aussen ergoss, So dass eine chemoreflektorische Rück- wirkung desselben von der Duodenalschleimhaut aus kaum erfolgen konnte. Bei dem Bussard würde eine Hemmungswirkung der Proteosen vom Dünndarm aus auf den Magen immerhin biologisch verständlich erscheinen, da hierdurch einer zu schnellen Entleerung der im Magen angedauten Fleischnahrung vorgebeugt und eine ausgiebigere Ver- dauung und Resorption im Darme ermöglicht würde. Im Anschluss an die oben berührte Frage, ob der Magen im Hungerzustande völlig stillsteht, oder ob doch minimale rhythmische Erregungen seiner Muskulatur auch während des scheinbaren Still- standes angenommen werden können, möchte ich nun noch auf einige Versuchsergebnisse am Bussardmagen hinweisen, die deutlich zeigen, wie ausserordentlich wenig beeinflussbar sich der Rhythmus der Magenbewegungen erweist unter Bedingungen, welche ihre Lauene sität den grösstmöglichen Schwankungen aussetzen. Im Gegensatze zum Muskelmagen ?) der Hühner liess schon der Mittelmagen der Krähen *) keine deutliche Beeinflussung des Rhyth- mus seiner Bewegungen je nach dem Stadium des Verdauungs- oder Hungerzustandes erkennen. Auch beim Bussard erwiesen sich diese Schwankungen als äusserst gering, wie sich aus der Tabelle 1 er- gibt, wonach der Rhythmus kurz nach der Fütterung im Durchschnitt 1) F. Lommel, Die Magen- und Darmbewegungen im Röntgen-Bilde und ihre Veränderung durch verschiedene Einflüsse. Münch. med. Wochenschr. Bd. 50 S. 1633. 1903. 2) A. Hirsch, Beiträge zur motorischen Funktion des Magens beim Hunde. Zentralbl. f. klin. Med. Bd. 13 S. 993. 1892. 3) E. Mangold, Der Muskelmagen der körnerfressenden Vögel, seine motorischen Funktionen und ihre net vom Nervensystem. Pflüger’s Arch. Bd. 111 S. 193. 1906. 4) E. Mangold, Die her gungen der Krähe und Dohle und ihre Beeinflussung durch die Vagi. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S.1. 1911. 30 Ernst Mangold: 22,3 Sekunden betrug, jedoch selbst 46—48 Stunden nach der letzten Fütterung sich durchschnittlich auf nur 25,4 Sekunden verlangsamt zeigte. Gleichzeitig liessen sich aber ausserordentlich grosse Unter- schiede der den Magenbewegungen entsprechenden Drucksteigerungen, wie oben bereits mitgeteilt, manometrisch verzeichnen, so dass im Hungerzustande nur Drucke von I—4 mm Hg aufgenommen wurden, nach der Fütterung jedoch Werte, die sich bis auf 20—26 mm Hg beliefen. Tabelle I. Verschiedenartige Beeinflussung von Druck und Rhythmus bei den Magenbewegungen des Bussards. Druck- Kiy Huuz steigerungen Sek. mm Hg Nach Einführen der Ballonsonde und des Katheters 26,4 12—16 Nach Einführung von 5 ccm Wasser. ...... 23,0 6—12 Nach Einführung von 5 ccm Wasser... .... 2157 3—10 Vor Einführung von 5 ccm Denaeyers Fleisch- peptont mal. 2.0. DEN 25,7 14—20.. Nach Einführung von 5 ccm Denaeyers Fleisch- PEepton Fan In ee se. ©. 18,6 4—7 Gleichsdarauftu. ar: 2:0, 0 So 24,4 1-3 Vor Einführung von 5 cem Wıo HOl....... 25,3 4—10 Nach Einführung von 5 cem "Y/ıo HCl . ..... 20,0 0— - Vor Einführung von 5 cem 0,8%oiger Soda. . . . 24,4 9—21 Nach Einführung von 5 ccm 0,8°oiger Soda . . . 18,2 8—13 Vor Einführung von 5 ccm Wasser ....... 20,8 16—25 Nach Einführung von 5 ccm Wasser. ...... 17,1 s—18 Vor Einführung von 5 ccm Yıio HCl... .... 20,0 24—28 Nach Einführung von 5 ccm Yıoe HCl . . .... - 20,8 14—18 Vor Einführung von 5 ccm Denaeyers Fleisch- IPeptongler lem = 2) 27210 ce Re RER 20,8 22-—27 Nach Einführung von 5 ccm Denaeyers Fleisch- Peptone man nn. 2 2 0. 16,4 7—17 Das gleiche unterschiedliche Verhalten zeigte sich nun auch in denjenigen Versuchen, in denen experimentell beträchtliche Hem- mungen der Magenbewegungen hervorgerufen wurden. Während dabei, wie die Kurven zeigten, der den einzelnen Magenrevolutionen entsprechende Druck oft bis fast oder ganz auf Null absank, war eine wesentliche Veränderung des Rhythmus nur in den seltensten Fällen als Folge der Salzsäure- oder Fleischextraktwirkung ‘zu be- obachten. Eine beträchtliche Verlangsamung trat nur bei sehr starken Wirkungen gelegentlich ein, wie es die Kurve 17 ja zeigte. Sonst war sehr häufig eine geringe Beschleunigung des Rhythmus nach Einspritzung der verschiedenen Flüssigkeiten festzustellen. Dass Die funktion. Schwankungen der motor. Tätigkeit des Raubvogelmagens. 31 indessen gleichzeitig mit diesen geringgradigen positiv chronotropen Veränderungen sehr. beträchtliche negativ inotrope Wirkungen ein- hergehen können, beweist die zahlenmässige Wiedergabe eines Ver- suches, wie sie in der Tabelle 2 enthalten ist. Aus einem Vergleiche der darin angeführten Durchschnittswerte für den Rhythmus und die den Magenbewegungen entsprechenden Drucksteigerungen vor und nach der Einführung verschiedener Flüssigkeiten in den Magen er- gibt sich eine weit grössere Beeinflussung der Druckgrössen im negativen Sinne (zwischen 28 und O0 mm Hg), als die. positiven Ver- änderungen des Magenrhythmus betrugen (zwischen 26,4 und 16,4). Auch hier tritt also wieder die grosse Veränderlichkeit der Grösse der aktiven Drucksteigerungen unter verschiedenen Einflüssen hervor, im Gegensatze zu der viel geringeren und auch nicht im gleichen Sinne erfolgenden Beeinflussbarkeit des Rhythmus der Magen- bewegungen, der offenbar durch die eigenen Nervenzentren des Magens auf einer bestimmten Höhe gehalten wird. Zusammenfassung. Der Bussardmagen, der sich seinem Baue nach dem Magen der Raubsäugetiere vergleichen lässt, führt regelmässige rhythmische Be- wegungen aus. Während der Rhythmus nach der Fütterung und im Hungerzustande bei leerem Magen nur Schwankungen von 22 auf 25 Sekunden aufweist, zeigt sich in beiden Fällen ein grosser Unter- schied in der Grösse der aktiven Drucksteigerungen. Während diese beim verdauenden Magen 8—26 mm Hg betrugen, stieg der Magen- druck im Hungerzustande während der Kontraktion meist nur auf 1—4 mm Hg. Auch beim völlig leeren Magen scheint eine im gewöhnlichen Rhythmus ablaufende, wenn auch bezüglich der Intensität nur sehr geringe Tätigkeit vorhanden zu sein. Die Stärke der Kontraktionen lässt sich dann durch mechanische Reize, wie durch die Einführung von Fleisch, Knochen oder Steinchen in den Magen, bedeutend steigern, um nach Entfernung des mechanischen Reizes wieder ab- zusinken. Durch Salzsäurelösungen von physiologischer Konzentration wird die motorische Magentätiekeit nicht beeinflusst; durch stärkere Lösungen lässt sich jedoch vom Magen aus eine starke Hemmung hervorrufen, die sich wieder fast ausschliesslich auf die Stärke und nicht auf den Rhythmus der Kontraktionen bezieht. 33 E. Mangold: Die funktion. Schwankungen der ‚motor. Tätigkeit etc. Auch durch Einführung von Denaeyer’s flüssigem :Fleisch- pepton oder einer Lösung von Liebig’s Fleischextrakt kann eine sehr starke und lang anhaltende Hemmung der Magenbewegungen in fast ausschliesslich inotropem Sinne herbeigeführt werden, wobei die Wirkung wahrscheinlich eine erst von der Duodenalschleimhaut ausgehende chemoreflektorische ist. Es wird auf die geringen Veränderungen des Rbsthmer im Gegensatze zu den grossen Veränderungen der Stärke der Magen- bewegungen unter verschiedenen chemischen Einflüssen wie durch den jeweiligen Verdauungszustand besonders hingewiesen. 33 (Aus der medizinischen Klinik zu Bonn.) Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmographische Untersuchungen (Spirometer-Volumenschreiber). Von Prof. 3. Strasburger. (Mit 3 Textfiguren.) Die Instrumente zur graphischen Registrierung sind in kraft- registrierende und in bewegungregistrierende einzuteilen (0. Frank!). Eine möglichst reinliche Scheidung dieser beiden gegensätzlichen Typen wird grundsätzlich von Vorteil sein. So wie zur Aufzeichnung von Drucksehwankungen Druckschreiber, müssen daher zur Registrierung von Volumenänderungen Volumenschreiber zur Verfügung stehen. Der Volumenschreiber soll isotonisch arbeiten, d.h. den Volumen- änderungen ohne Druckänderungen folgen. Es soll überhaupt so wenig Druck wie erreichbar in dem registrierenden System entstehen, und deshalb muss dieses möglichst leicht beweglich sein. Von Vor- teil für die Auswertung der zu zeichnenden Kurven wird es sein, wenn bei den verschiedenen Stellungen des Schreibhebels gleichen Volumenänderungen gleich grosse Ausschläge entsprechen. Es handelt sich ferner bei der Konstruktion eines Volumenschreibers darum, was für alle Arten von Registrierinstrumenten gleichmässig gilt, dass die Einzelheiten des aufzunehmenden Vorganges möglichst richtig wiedergegeben werden. Der für plethysmographische Zwecke zumeist verwendete Marey- sche Tambour ist bekanntlich weder reiner Druck- noch reiner Volumenschreiber. Dem letzten Typus nähert er sich am meisten, 1) Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 429. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. (Sb) 34 J. Strasburger: wenn man eine locker bespannte Kapsel von grossem Durchmesser wählt und durch Verlängerung des Schreibhebels eine genügende Vergrösserung erreicht. Vielfach sind diese grossen Kapseln aber nieht vollkommen luftdicht, und bei lockerer Bespannung leidet die Genauigkeit der Aufzeichnune. Eehte Volumenschreiber sind der Pistonrekorder, die Brodie- schen Blasebälgehen, die Garten’sche Seifenbläse. Der Pistonrekorder erweist sich in vielen Fällen entweder in- folge Reibung des Kolbens im Zylinder nicht empfindlich genug, oder er wird bei genügend leichtem Gang undicht, so dass unüber- sehbare Versuchsfehler entstehen. Oft vereinigen sich beide Fehler, indem der kleine Kolben des Rekorders sich im Zylinder schief stellt, sich reibt und zugleich Luft durchlässt. Sehr empfindlich sind die Brodie’schen Bellowrekorder; sie erlauben aber in der Regel nicht die Aufzeichnung grösserer Volumenschwankungen. Sie werden auch mit dem Alter leicht undieht. Der Bellowrekorder ist also kein Instrument, das jederzeit in Gebrauch genommen werden kann. Die Garten’sche Seifenblase, vorzüglich, wenn es sich darum handelt, rasche kleinere Volumenveränderungen auf das genaueste wieder- zugeben, ist wohl für die gewöhnlichen plethysmographischen Arbeiten, bei denen es vor allem erforderlich ist, grössere, langsam verlaufende, sich über längere Zeiträume erstreckende Volumenänderungen wieder- zugeben, nicht geeignet. An Stelle des Pistonrekorders empfiehlt Otfr. Müller!) einen mit Petroleum gefüllten Zylinder, in dem ein Schwimmer mittels zweier Hartgummiringe leicht gleitet. Nach demselben Prinzip arbeitet die Schreibvorrichtung von Schlayer?), die für kleinere Volumenschwankungen berechnet ist. Vermöge der Benutzung des leichtflüssigen Petroleums wird die innere Reibung sehr gering. Beide Instrumente arbeiten aber nicht rein isotonisch, denn wenn eine Volumenzunahme zu verzeichnen ist, so steigen im Zylinder Schwimmer und Flüssigkeit zusammen an. Da Petroleum ein geringes spezifisches Gewicht besitzt, so entsteht zwar kein er- heblicher Überdruck , niehtsdestoweniger sucht aber das Instrument stets wieder in die Gleichgewichtslage zurückzukehren. Es wird 1) Zentralbl. f. Physiol. 1906 S. 257. 2) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904 Suppl. S. 203. Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 35 daher unzuverlässig, wenn Schwieriekeiten entstehen, dasim Plethysmo- sraphen liegende Organ oder Glied sicher abzudichten. Ferner wird die Aufnahme der Kurve durch den Überdruck erschwert, die Kurve entstellt, wenn die aufzuzeichnende Volumenänderung mit sehr ge- ringer Kraftentfaltung vor sich geht, die Volumenänderung nicht mit einer Druckänderung Hand in Hand geht. Die Nachteile der verschiedenen hier genannten Instrumente kamen mir besonders zum Bewusstsein, als ich vor einiger Zeit an die Aufgabe herantrat, Volumenänderungen des menschlichen Ge- hirnes bei Personen mit Schädeldefekten zu registrieren. (Die be- treffenden Versuche sind noch nicht veröffentlicht.) Besonders schwierig war es hierbei oft, die pulsierende, mit Haut überkleidete ‘Stelle derart mit einer Kappe zu bedecken, dass vollkommen luft- diehter Abschluss erreicht wurde. Schon bei sehr geringem Über- druck in der Schreibvorrichtung entstand im Verlaufe des Versuches zwischen Kopfhaut und Kappe an irgend einer Stelle eine Undichtigkeit, so dass die Volumenkurve in unkontrollierbarer Weise verändert wurde. Zugleich waren die verschiedenen Schreibvorrichtungen, die ich versuchte, meist nicht genügend empfindlich. Ich ging daher unter Berücksichtigung der genannten Nachteile dieser Apparate an die Konstruktion eines Instrumentes zur Volumen- aufzeichnung und glaube mit dem im folgenden zu beschreibenden Apparat einen Fortschritt erreicht zu haben. Der neue Volumen- schreiber eignet sich für alle Arten von plethysmographischen Ver- suchen und kann je nach Bedarf in verschiedenen Grössen hergestellt werden. Er ist nach dem bekannten Prinzip des Spirometers gebaut, und so möchte ich vorschlagen, ihn „Spirometer-Volumenschreiber“ zu nennen!). Ich habe zunächst zwei verschiedene Grössen her- stellen lassen. Das kleinere Modell (Grösse I) gestattet die Auf- zeichnung von Volumenveränderungen bis zu 5 ccm, das grössere Modell (Grösse II) bis zu 15 cem. Fig. 1 ist eine Abbildung des kleineren Volumenschreibers. Die Konstruktion wird ınit Hilfe des Durehschnittes auf Fig. 2 verständlich. | In der Mitte des oben offenen Zylinders a (Fig. 2) steigt eine Röhre 5 auf, welche durch den Gummischlauch ce mit dem Plethysmo- 1) Das Instrument wird von Herrn Mechaniker Max Wolz in Bonn; Beethovenstrasse 38, in einwandfreier Weise angefertigt. 3 * 36 J. Strasburger: graphen verbunden ist. Der möglichst dünnwandige, aus Messing gedrehte Zylinder d ist unten offen. Er besitzt im Inneren eine feine, aus einer Stahlnadel verfertigte Achse, die in zwei Führungen gleitet, welche in dem Rohr 5 befestigt sind. Aussen am Deckel des Zy- linders greift mit einem Gelenk ein leichter Metallstab e an. Seine obere Schneide wird vermittels eines feinen Gummiringes an den Waebalken, dessen Fortsetzung der aus Stroh verfertigte, sehr leichte Fig. 1. Schreibhebel bildet, herangehalten. Schreibhebel und Zylinder sind durch ein Gewicht auf der anderen Seite des Wagbalkens ausbalaneiert. Schwerpunkt des Gewichtes, Drehpunkt des Wagebalkens und An- grifispunkt der Schneide von e befinden sich auf derselben geraden Linie, so dass bei den Bewegungen des Wagebalkens keine Ver- schiebungen des Schwerpunktes erfolgen können. Der starkwandige Zylinder a wird bis beinahe zum Rande mit einem Gemisch von einem Teil Petroleum und zwei Teilen Knochenöl gefüllt. Tritt Luft aus dem Rohre 5 aus und gelangt in den Zylinder d, so steigt dieser entsprechend weit aus der Flüssigkeit heraus. Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 37 Da die Wand des Zylinders d die des Zylinders a nicht berührt, so macht sich an dieser Stelle keine Reibung geltend. Die Reibung beschränkt sich im wesentlichen auf die feine Mittelachse, die etwas geölt wird und natürlich durchaus senkrecht zur Bodenfläche des Zylinders stehen muss. Die Konstruktion bringt es mit sich, dass ein absolut zuverlässiger Luftabschluss erreicht ist. Ein Überdruck kann ferner nicht entstehen, wie bei den Petroleumschwimmern, da nicht die Flüssigkeit steigt, sondern der innere, ausbalancierte Zy- linder aus ihr heraustritt. j Fig. 2. (Auf die Hälfte verkleinert.) Ist das Instrument richtig eingestellt, so bleibt es (bei freiem Luftzutritt zu dem Innenraum) bei jeder Stellung des Schreibhebels stehen. Die Schiefstellung, welche das Stäbchen e in den Endlagen einnimmt, kann man, auch während der Tätigkeit des Apparates, durch Drehen an der Schraube f korrigieren. Letztere nähert oder entfernt das obere Ende von g mit dem Drehpunkt des Schreibhebels ‚von dem Zylinder und wird weiterhin benutzt, weun man durch Ver- schiebung von e andem Wagebalken die Hebelvergrösserung ändern will. An dem Modell I sind am Wagebalken drei verschiedene Ein- sehnitte angebracht, in die der Gummiring, welcher e hält, ein- 38 J. Strasburger: eehänst werden kann. Sie entsprechen, bei einem Abstand der Schreibspitze von der Drehungsachse von 16 em, den Vergrösse- rungen 8, 10 und 12 (s. Fig. 2; auf der Photographie [Fig. 1] ist die Achse noch etwas anders dargestellt als bei meinem letzten Modell. Um den Schreibhebel in bestimmter Höhe einzustellen, löst man den kleinen Metallstöpsel %, der den Innenraum des Apparates mit der Aussenluft verbindet. Solange %A geschlossen und der Schlauch c mit dem Plethysmographen verbunden ist, kann die Stellung des Schreibhebels nicht willkürlich verändert werden. Um den Hebel nach Belieben einstellen zu können, empfiehlt es sich, auch noch in dem Schlauch c ein T-Stück einzuschalten, dessen eines Ende mit einem Quetschhahn geschlossen wird. Da die Emp- findlichkeit des Volumenschreibers davon abhängt, dass möglichst geringe Massen in Bewegung gesetzt werden, so muss natürlich der Zylinder d so leicht wie eben erreichbar gearbeitet sein. Es scheint, dass sich als Material Messing am besten eignet, welches auf der Drehbank bis auf 0,1 mm Wandstärke abgedreht werden kann. Das: Gewicht des Innenzylinders zusammen mit dem Stäbchen e beträgt bei den mir vorliegenden Modellen bei Grösse I 2,64 g, bei Grösse II 4,95 g. Ebenso muss natürlich der Wagebalken, der den Schreibhebel trägt, möglichst leicht, seine Masse möglichst nach der Achse zu gelagert sein. Der Metallteil des Schreibhebels wiegt bei Grösse I 1,09 g, bei Grösse II 1,78 g. Das Laufgewicht wiegt bei Grösse I 1,83 g, bei Grösse II 4,38 g. Der Schreibhebel wiegt 0,032 g. Um das Reibungsmoment möglichst klein zu gestalten, liegt die Drehungsachse des Wagebalkens in gut gearbeiteten Körnern. Damit ferner die Stahlachse des Zylinders d möglichst wenig in ihren Führungen reibe, muss der Aufhängepunkt des Zylinders senkrecht über den Führungen eingestellt sein, und es ist vor allem darauf zu achten, dass die empfindliche Achse nicht durch unvorsichtiges Anfassen des inneren Zylinders verbogen werde. Da die Luft, welche in den Zylinder d eintritt, nach allen Seiten mit der gleichen Kraft drückt, so wird nicht nur der Zylinder nach oben, sondern zugleich die Flüssigkeit, in die er eintaucht, nach unten ausweichen und in dem Ring zwischen äusserem und innerem Zylinder, wie in einem kommunizierenden Rohr, in die Höhe steigen müssen. Infolgedessen wird die zu registrierende Volumen- änderung in verkleinertem Maassstabe wiedergegeben , möglicher- Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 39 weise durch Eigenschwankungen der Flüssigkeit entstellt. Damit nun die Flüssigkeit möglichst wenig verschoben werden kann, muss die Dieke des äusseren Flüssigkeitsringes so gering sein, dass schon ein geringes Sinken des Flüssigkeitsspiegels im inneren Zylinder ein erhebliches Ansteigen des äusseren Flüssiekeitsringes und damit einen entsprechenden Überdruck hervorruft. Zu schmal darf der Fig. 3a. Fig. 3b. Fig. 3. Statische Eichung. Die Abstände entsprechen Kubikzentimetern. a) Grösse I: angewandte Hebelvergrösserung 6,8. b) Grösse II: angewandte Hebel- vergrösserung 6,9. (Die Figuren auf die Hälfte verkleinert.) äussere Ring natürlich auch nicht sein, sonst wird durch Adhäsion zwischen den beiden Zylindern ein Hindernis geschaffen. Bei meinen Modellen hat der Raum zwischen den Zylindern eine Stärke von etwa 1 mm. Um die Gleichmässigkeit der Ausschläge bei verschiedenen Stellungen des Schreibhebels zu zeigen, habe ich auf Fig. 3 das Er- gebnis einer statischen Eichung der beiden Modelle meines Volumen- schreibers wiedergegeben. 40 J. Strasburger: Was die Empfindlichkeit des Apparates betrifft, so liess sich dureh Auflegen von kleinen Gewichten und Berechnung auf den Volumenschreiber Grösse I. Zeitschreibung 2 Sekunden. Fig. 4. Gehirnplethysmogramm beim Menschen (Luftübertragung). Querschnitt der Zylinder feststellen, dass ein Wasserdruck von etwa 3/a mm genügt, um den Schreiber aus der Ruhestellung in Bewegung zu Setzen. Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 41 Um einen Einblick in die Leistungen des Spirometer-Volum- schreibers zu geben, erlaube ich mir, zunächst ein Stück eines Gehirnplethysmogramms von einem jungen Manne mit Schädeldefekt zu reproduzieren. Die von Haut überdeckte Knochenlücke war weniger als talergross und wurde mit einer gut eingefetteten, der Schädel- form angepassten Guttaperchakappe bedeckt. Die mit dem kleineren Modell des Volumschreibers (Luftübertragung) aufgenommene Kurve zeist die Pulse, Atemscehwankungen, Wellen dritter Ordnung und ausserdem von anderen Einflüssen abhängige gröbere Volum- schwankungen in einer Ausgiebigkeit, wie sie mit anderen Registrier- apparaten unter entsprechenden Bedingungen bisher wohl noch nicht erhalten worden sind. Es fragt sich, wie weit das Instrument, das langsamere Volum- änderungen richtig wiedergibt, auch schnelleren Schwankungen folgt, wie weit also die Volumpulse korrekt gezeichnet werden. Nach O0. Frank ist hierfür in erster Linie die Zahl der Eigenschwin- gungen des Registriersystems maassgebend. Je grösser die Zahl seiner Eigenschwingungen im Verhältnis zur Zahl der Schwingungen - des beobachteten Systems, um so richtiger fällt die Form der Kurve aus. Aus diesem Grunde darf man, wenn es auf die Darstellung der Pulsform ankommt, den Zylinder des Plethysmographen nicht mit Flüssigkeit füllen, wie dies für die Beobachtung langsamerer Volumveränderungen unumeänglich ist. Denn an der Stelle, wo das Glied, dessen Volumen registriert werden soll, in den Plethysmo- eraphenzylinder eingeführt wird, lässt sich ein vollkommen starrer Abschluss in der Regel nicht ermöglichen, und die grosse Masse der Flüssigkeit, welche gegen diesen (elastischen) Abschluss drückt, bildet mit ihm zusammen ein System, das zu starken Eigenschwingungen geradezu prädestiniert erscheint. Um diese Eigenschwingungen isoliert darzustellen, schloss ich das offene Ende des Zylinders eines Arm- plethysmographen durch eine feste Platte und durch straffe Gummi- binden so fest, wie dies sich etwa bei Aufnahme eines Armplethysmo- gramms ausführen lässt, brachte an Stelle des Unterarms ein ent- sprechendesV olumen Sand in den Zylinder und füllte mit Wasser auf. Dies System liess sich nun durch Verschieben des Stempels einer kleinen Spritze sehr leicht in grobe Eigenschwingungen versetzten, von denen 1!/'— 242 auf die Sekunde entfielen. Bei so langsamen Schwingungen kann die Wiedergabe der Pulsform auch nicht den bescheidensten An- sprüchen genügen.. Die einzelnen Erhebungen, die man in derartigen 42 0 + = AR. Re + : u > ©@ ER ale + B: B 44 Hy te J. Strasburger: Armplethysmogramm bei mit Wasser gefülltem Plethysmographenzylinder. Kleiner Volumschreiber. Zeitschreibung 1 Sekunde. Fig. 5. Plethysmogrammen sieht und die einer Pulskurve äusser- lich ähneln, müssen zum grossen Teil einfach ein Pro- dukt der Eigenschwingungen der Flüssigkeit sein. Auch die Grösse der Pulse wird stark entstellt, je nachdem die Zahl der Eigenschwin- gungen mit der Pulsfrequenz oder einem Vielfachen der- selben übereinstimmt und da- durch Resonanzerscheinungen hervorruft. Sehr deutlich ist dies auf der folgenden Kurve (Fig. 5) zu sehen, einem Arm- plethysmogramm bei Wasser- füllung des Zylinders, mit dem kleineren Modell meines Volumschreibers aufgezeichnet (Volumschreiber selbst und Schlauch sind mit Luft gefüllt). An Stelle der Pulse traten plötzlich grosse Schwankungen auf, einfachen pendelartigen Schwingungen entsprechend, und es war offenkundig, dass die Flüssigkeit im Zylinder Eigen- schwingungen angenommen hatte, deren Zahl der Puls- zahl eleichkam. Als durch kurzes Schliessen des aus dem Armzylinder führenden Schlauches die Eigenschwin- gungen zur Ruhe gebracht worden waren, traten wieder die früheren Pulse auf. Aus der Form und Grösse der Pulse bei wassergefülltem Plethys- Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 43 mographen und Veränderungen derselben sind von verschiedenen Autoren weitgehende Schlüsse gezogen worden. Es muss nach dem Gesagten vor solehen Folgerungen dringend gewarnt werden. Auch der beste Registrierapparat muss fehlerhafte Kurven liefern, wenn durch Eigenschwingungen der Flüssigkeit die Pulsationen von vornherein entstellt werden. Um die Volumpulse aufzuzeichnen, darf also der Plethysmograph nur mit Luft gefüllt sein, oder zum - mindesten muss die Flüssigkeitsmasse gering sein. Um nun festzustellen, wie weit von meinem Volumschreiber als solehem die Pulse richtig aufgezeichnet werden können, untersuchte ich die Instrumente auf Eigenschwingungen, wenn sie mit einem luftgefüllten Raum in Verbindung standen. Es diente hierzu eine Flasche von 1 Liter Inhalt und 10 em innerem Durchmesser, mit doppelt durchbohrtem Stopfen. Die eine Durehbohrung stand ver- mittels eines Glasrohres und Schlauches mit dem Volumschreiber, die andere mit einer Pravazspritze in Verbindung, durch welche ein Überdruck in der Flasche erzeugt wurde. Setzte ich, gemäss der Vorschrift von OÖ. Frank, nunmehr plötzlich den Luftraum der Flasche mit dem Volumschreiber in Verbindung, so verzeichnete dieser einige Eigenschwingungen. Die Grösse des Luftraums in der Flasche wurde durch Einfüllen von Wasser (welches bei diesem Ver- such natürlich keine Bewegungen ausführte) variiert. Es zeigte sich nun, wie dies bereits Frank und Petter!) in entsprechender Weise gefunden haben, dass die Zahl der Eigenschwingungen meiner Schreiber in der Zeiteinheit ganz wesentlich durch die Grösse ’des Luftraums bestimmt wurde, und zwar erwies sich der Zeitraum für die Einzelschwingung um so kürzer, je kleiner der Luftraum war. Bei kleinerem Luftraum kam es ferner leichter zu Schwingungen, und es bildeten sich insgesamt mehr Wellen aus als bei grossem Luftraum. Dagegen machte es keinen sehr wesentlichen Unterschied, ob das grössere oder das kleinere Modell des Volumschreibers in Anwendung kam. Die folgende Tabelle gibt über diese Verhältnisse Auskunft, 1) Zeitschr. f. Bioi. Bd. 50 S. 353. 1908. 44 J. Strasburger: Eigenschwingungen des Volumschreibers bei verschiedener 6@rösse des Luftraumes, Luftraum des Schwingungszahl pro Sekunde). Registriersystems (abzüglich des R Zr Luftraumes im Grösserer Kleinerer Volumschreiber Volumschreiber Volumschreiber 1000 ca. 4,7 ca. 9,0 500 7,0 5:5 330 8,7 1,3 110 13,5 11,5 70 18,5 14,5 50 20,0 17,0 30 21,0 21,5 5 36,0 30,0 Fig. 6a. AN N = Fig. 6b. A Fig. 6. Volumpulse des Unterarms bei mit Luft gefülltem Plethysmographen. a) kleiner, b) grosser Volumschreiber. Hebelvergrösserung ca. 6,5. 1) Die Dauer einer Schwingung durch den zeitlichen Abstand zweier auf derselben Seite der Gleichgewichtslage gelegenen Umkehrpunkte gemessen. Eine neue Schreibvorrichtung für plethysmogr. Untersuchungen etc. 45 Es ergab sich also das Resultat, dass, soweit die Zahl der Eigenschwingungen des Registriersystems in Betracht kommt, die richtige Wiedergabe der Volumpulse in hohem Maasse von der Grösse des Luftraums im Plethysmographenzylinder abhängt. Auf Fig. 6 gebe ich Volumpulse des Unterarms von einem ge- sunden jungen Manne wieder, die bei Luftfüllung des Plethysmo- sraphen geschrieben sind. Der Luftraum im Zylinder belief sich auf annähernd 600 cem. Die Schwingungszahl meiner Volumschreiber beträgt unter diesen Verhältnissen, wie die Tabelle zeigt, etwa 51/a—6 pro Sekunde Es ist dies ein Wert, der nach den Unter- suchungen von Petter!) etwa an der unteren Grenze der Zahlen liest, welche bei den bisher gebräuchlichen Sphygmographen ge- funden wurden. Der neue Sphygmograph von Frank-Petter weist aber auf der Arterie eine Schwingungszahl von 32 auf, und Frank und Petter haben gezeigt, dass nur ihr Modell bisher die Radialpulse wirklich riehtig zeichnet. Durch eine Einrichtung des - Plethysmographen, bei welcher der schädliche Luftraum verkleinert würde, liesse sich wohl auch mit meinen Volumschreibern eine be- friedigendere Wiedergabe der Volumpulse erreichen. Es ist freilich zu berücksichtigen, dass mit Verkleinerung des Luftraumes hinwiederum die Neigung des Apparates, Eigenschwingungen auszuführen, wächst. Indes lässt sich dem leicht durch Vermehrung der Dämpfung ent- gegenwirken, indem man an Stelle der ÖL- Petroleumfüllung des äusseren Zylinders nach Bedarf reines Öl bzw. Öl von dickerer Konsistenz wählt. Die Ergebnisse meiner Ausführungen sind kurz folgende: Der von mir konstruierte „Spirometer-Volumschreiber“ (in zwei verschiedenen Grössen) arbeitet isotonisch, so dass er in allen Lagen des Schreibhebels seine Stellung ohne weiteres beibehält. Er wird durch geringe Kraft (weniger als 1 mm Wasserdruck) in Bewegung gesetzt. Langsamere Volumveränderungen werden proportional richtig wiedergegeben. - Wie weit schnelle Volumschwankungen, also die Volumpulse, richtig gezeichnet werden, hängt, ausser von dem Bau des Volum- schreibers, von der Grösse des Luftraums im Plethysmographen ab; denn je kleiner der Luftraum, um so grösser die Zahl der Eigen- schwingungen auf die Zeiteinheit berechnet, um so grösser aber auch 1) Zeitschr. f. Biol. Bd. 51 S. 356. 46 J. Strasburger: Eine neue Schreibvorrichtung etc. die Neigung, Eigenschwingungen auszuführen. Unter Berücksichtigung dieser Momente lassen sich mit meinen Volumenschreibern wohl auch die Volumpulse in einigermaassen befriedigender Weise wieder- geben. Bei Wasserfüllung des Plethysmographen wird in der Regel eine auch nur annähernd richtige Darstellung der Pulsform und Grösse infolge der langsamen Eigenschwingungen der Flüssigkeit aus- geschlossen sein. 47 Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn des Kaninchens. Von Privatdozent Dr. F. Quensel, Leipzig. (Mit 32 Textfiguren.) Aus einer Reihe von Serien durch das Kaninchenhirn nach Durchschneidungen habe ich die nachstehenden zusammengehörigen ausgewählt, da sich aus denselben eine Anzahl neuer anatomisch- physiologischer Beziehungen ergaben, teilweise auch eine Bestätigung und Erweiterung schon früher bekannter Daten. I. (Marchi-Serie). Operation am 14. August 1909. Einstich mit Staarmesserchen links bis auf die Schädelbasis nahe der Mittellinie, in Narkose. Nach der Operation auch noch am 16. August deutliche, aber nicht ausnahmslose Zwangsbewegung im Kreise nach rechts hin. Vom 18. August vielleicht leichte Kopfdrehung mit der Schnauze nach rechts und oben und Neigung nach rechts im Kreise zu gehen. Das Tier wird am 31. August bei vollem Wohlsein mit Chloroform getötet. Gehirn in Müller eingelegt, dann mit Osmium-Müller behandelt. Vgl. Fig. 1—#. Das Tier überlebte also die Verletzung 14 Tage. Der Stich dringt ausweislich der Serienschnitte (Fig. 1) in den linken vorderen Vierhügel ein, in den vordersten Ebenen unmittelbar hinter der Commissura posterior und zerstört hier gerade auf der Höhe einen Teil der Cappa cinerea, Alsdann durchsetzt der Stichkanal das Vierhügelmark, dringt in das zentrale Höhlengrau dorsolateral vom Aquaeductus Sylvii ein (Fig. 2), durchsetzt den Aquaeduct selbst (Fig. 3—4), durchtrennt nunmehr auf der rechten Seite das hintere Längsbündel und den Oculomotoriuskern, stellenweise letzteren in ganzer Breite. Immer die Richtung nach hinten, unten und aussen inne- haltend durchsetzt der Stichkanal weiterhin (Fig. 5) den roten Kern, die Binde- armgegend und erreicht schliesslich zwischen Schleife und Pes pedunculi hin- durch die ventrale Peripherie des Hirnstammes gerade da, wo letztgenannter Faserzug in die Brücke eintritt (Fig. 6). In der Brücke selbst ist keine Ver- letzung mehr zu erkennen. A8 F. Quensel: Die Durchmusterung ergibt: I. Aufsteigende Degenerationen, betreffend: 1. Kurze Fasern im oberflächlichen und mittleren Mark des linken vorderen Vierhügels. 2. Fasern im rechten Faseiculus longitudinalis posterior. Dieselben endigen in den vorderen Teilen des Oculomotoriuskerns, im zentralen Höhlengrau und hören im Bereich des vorderen Vierbügels allmählich auf. Keine einzige Faser N 2 N NA x ‚E.M. \ 4 = ae. en e | / , subst.nigr. W% RN [ es.ped. 0; ve Wh ped.cp.mam. Fig. 2. gel.interped. \ ped.cp.mam. Fig. 3. Fig. 4. geht in die Commissura posterior ein. Nur wo diese direkt durchschnitten ist, sind einige Fasern und zwar in den gleichseitigen, linken Vierhügel zu verfolgen. 3. Fasern im Areal und Zuge des Bindearmes der rechten Seite. Sie sind durchtrennt nach der Kreuzung und nehmen oberhalb der Verletzung des roten Kerns und der Haube zuerst ein etwa halbmondförmiges Areal ein. Dies liegt ungefähr mitten zwischen Hauptschleife und hinterem Längsbündel. Aufwärts Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn et. 49 gegen das frontale Ende des vorderen Vierhügels hin rücken sie lateral neben das- Meynert’sche Bündel, zwischen dies und die Hauptschleife, von wo sie sich auch etwas dorsolateralwärts ausbreiten. Die frontalsten Faserdegenerationen lassen sich in den kaudalen Thalamus verfolgen, wo sie lateral vom Meynert- schen Bündel, ventromedial von der Schleifenschicht zur Zona incerta herab- ziehen. 4. Offenbar verlaufen in dem geschilderten Areal der Vierhügelhaube auch Fasern der sogenannten Forel’schen Haubenfaszikel, die z. T. auch in der ge- nannten Region wieder enden. 5. Fasern im lateralen Teil der rechten Hauptschleife gelangen zu kaudalen Thalamusabschnitten mediodorsal vom Corpus geniculatum mediale und zu C.q2. A 28 ggl.pont. Fig. 5. Fig. 6. lateralen Teilen des hinteren ventralen Thalamuskernes. Sie sind unterbrochen da, wo der Stich dicht oberhalb der Pons durch die lateralen Fasern der Haupt- schleife hindurchgeht. 6. Fasern der Pedunculus corporis mammillaris rechterseits. Dieser ist partiell durchtrennt an der Stelle, wo er am frontalen Brückenrand aus der Haube hervortritt und sich ventral um die Hauptschleife herumschlingt. An der bekannten Stelle, medial vom Pes pedunculi oralwärts ziehend, gelangen seine Fasern zum Ganglion laterale des Corpus manmillare. Ein Teil derselben scheint indes auch zum lateralsten Teil des Ganglion mediale zu gelangen. Möglicher- weise handelt es sich da nur um Kollateralen. I. Absteigende Degenerationen. 1. Fasern des hinteren Längsbündels selbst auf der rechten Seite. Sie sind zuerst, unmittelbar an der Verletzung, wo sie das hintere Längsbündel durchschneidet, sehr zahlreich, nehmen aber schnell an Zahl ab. Es gelangen deren teils und vor allem zum III. und IV. Kern, zum zentralen Höhlengrau, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 4 50 F. Quensel: vielleicht auch zum dorsomedialen Teil der Formatio reticularis. Der spärliche Rest tritt in der Brücke etwas ventraler. Einzelne Faser» lassen sich bis in die Ebenen des Fascialiskerns, vielleicht zum VI]. Kern, verfolgen (nur bis zum kaudalen Ende des VII. Kerns sind die Serienschnitte untersucht worden). 2. Fasern des prädorsalen Bündels rechts. Diese sind unterbrochen offen- bar nach der Kreuzung. Sie lassen sich ebenfalls an Zahl abnehmend bis zum Ende unserer Serie abwärts verfolgen. 3. Fasern des Monakow’schen Bündels rechts. Getroffen nach der Kreuzung ventral bzw. kaudal vom roten Haubenkern. Diese sammeln sich ventral und ventrolateral vom Bindearm, steigen dann lateral von und zwischen seinen Fasern etwas dorsal. In der Brücke liegen sie ventral von der Radix descendens trigemini und in der Oblongata zwischen dieser und dem VlI. Kern, bzw. ventral von letzterem an der Peripherie. Sie sind ebenfalls bis zum Ende der Serie zu verfolgen. Bemerkenswert ist, dass verhältnismässig reichliche Fasern ventral .vom lateralen Teil des hinteren Längsbündels absteigen bis zum dorsolateralen Teil der Haube im Beginn der Brücke in der Gegend des Loc. coeruleus und des sensiblen V. Kernes. Fasern des prädorsalen Bündels steigen an dieser Stelle abwärts ventral in die Gegend dorsal von der Schleife, wo der Nucl. reticularis tegmenti beginnt. Endlich schliessen sich medial und dorsomedial an das Monakow’sche Bündel Fasern an, die durch den Bindearm hindurch zum sensiblen V. Kern ge- langen. Inwieweit es sich hier um aberrierende Fasern, eigene Züge und ev. um retrograd degenerierte Fasern, z. B. der aufsteigenden sekundären V. und VII. Bahn usw. handelt, wage ich nicht bestimmt zu entscheiden. Weiter degeneriert sind: 4. Links. Fasern des prädorsalen Bündels. Sie sind vor der Kreuzung unterbrochen, viel reichlicher als rechts, verhalten sich aber sonst wie diese rechtsseitigen. Ungemein deutlich ist ihr Ventralwärtsziehen im frontalen Teil der Brücke, sowie eine gewisse Ansammlung absteigender Fasern dorsal von der Schleifenschicht im und zum Nucl. reticularis tegmenti. x 5. Fasern des Monakow’schen Bündels, links, weitaus spärlicher als rechts, unterbrochen ebenfalls vor der Kreuzung und offenbar den auf eine kurze. Strecke hin zerstörten Zellen des Nucleus ruber entspringend. Sie verhalten sich wie die rechtsseitigen. Es folgen dann eine Anzahl von Faserdegenerationen, die nur auf sehr kurze Strecken hin, aber im ganzen ebenfalls absteigend, degeneriert sind. Da- hin gehören: e 6. Fasern in der Randschicht des zentralen Höhlengraus links, also aus dem zerstörten Teil des vorderen, Vierhügels bzw. von einer kurzen Durch- schneidung dieser Grenzschicht her (Fig. 1-2). Diese enden nach kurzem Ver- lauf an der Grenze des kaudalen vorderen Vierh'igels gegen die Haube. Andere Fasern enden im Vierhügel selbst in dessen intakten kaudalen Teilen. 7. Fasern des Oculomotorius vorwiegend rechts, einzelne auch links. Diese stammen aus dem zerstörten III. Kern und bilden stellenweise die ganze äussere Hälfte des Oculomotoriusstammes in seinen frontalen "vorderen Ebenen. Die Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 51 linksseitig degenerierten Fasern stammen ebenfalls aus dem rechten Kern, sie ziehen teils durch den dorsalen Teil der Raphe, teils durch das linke hintere Längsbündel hindurch. 8. Rechts lassen sich einzelne dorsale Bogenfasern der Haube bis ins tiefe Mark der vorderen Vierhügel verfolgen. Möglicherweise sind das retrograd degenerierte Fasern aus der Meynert’schen Kreuzung, doch lässt sich ein zentripetaler Verlauf zum Vierhügelgrau nicht sicher ausschliessen. 9. Zahlreiche degenerierte Fasern finden sich in der Umgebung zumal am kaudalen Ende des zum Teil zerstörten rechten Nucleus ruber sowie zwischen diesem und dem hinteren Längsbündel. Es scheint sich teilweise um Kollateralen oder feine Fasern zur Haube, auch zu deren ventrolateral innerhalb der Schleifen- schicht gelegenen Teil zu handeln. Auch hier kommen retrograde Degenerationen z. B. von Bindearmfasern mit in Betracht. IH. (Marchi-Serie) Fig. 7—12. Operation am 27. Juli 1909. In Urethan-Äthernarkose Stich mit schmalem Staarmesserchen nach Anlegung einer kleinen Trepanationsöffnung in der Schädel- decke durch die linke Grosshirnhemisphäre dicht neben der Mittellinie bis zur Basis (ca. 1 cm vor der Verbindungslinie beider Ohransätze). 28. Juli. Keine Lähmung, aber extreme Zwangshaltung. Vorderbeine nach links gestreckt, Kopf nach rechts abgebogen und nach rechts gedreht, so dass die Ohren nach vorn, die Schnauze nach hinten gerichtet ist, Hinterbeine nach rechts gerichtet. Diese ‘Stellung wechselt aber. Angestossen geht das Tier bald nach rechts, bald nach links im Kreise. 29. Juli. Tier lebhaft, frisst. Zeigt nur noch abnorme Kopfhaltung, die linke Seite geneigt, linkes Ohr hängend, Schnauze nach rechts und oben gerichtet. Diese Haltung bleibt bei sonst völliger Munterkeit bestehen. Am 12. August wurde das Tier mit Chloroform getötet. Das Gehirn in 10% Formol eingelegt, nach Marchi behandelt, schnell in Celloidin eingebettet und geschnitten. Das Tier überlebte also die Operation um 14 Tage. Der Stich dringt nach den Serienschnitten ein in die Kuppe des vorderen . (linken) Vierhügels im vordersten Teile, durchsetzt dann das oberflächliche Grau, mittleres Mark, mittleres Grau, teilweise auch das tiefe Grau dieses Vierhügels (Fig. 7, 8), ganz besonders den Kern im mittleren Grau desselben. Die Ver- letzung schiebt sich weiterhin immer als ein schmaler Streifen durch den lateralen Teil der Haube in der Gegend des Oculomotoriusaustrittes hinab, kommt dann etwas medialer zu liegen (Fig. 9, 10) und zerstört weiter kaudal in etwas un- regelmässiger Gestalt die Gegend zwischen Schleife und Hirnschenkelfuss sowie dorsal über diesem Gebiet (Fig. 10, 11). Der lateralste Teil der Schleife und das mediale !/—!/s3 des Hirnschenkelfusses sind mit zerstört, letzterer auch mit den medial angrenzenden Teilen des Brückengraus und der Brückenfaserung noch im Beginn der letzteren (Fig. 10, 11). Die Verletzung endet (Fig. 12) mit zwei kleinen Zerstörungen medial vom Hirnschenkelfuss und im ventralen Brückengrau. 4 * 52 F. Quensel: Ich sehe davon ab, dass der Stich durch die Hemisphäre in dieser eine Verletzung und Blutung sowie Degenerationen hervorgerufen hat, die teils zur Rinde, teilstabsteigend bis an den vorderen ventralen Thalamuskern verfolgt werden können. Für eine genauere Untersuchung ist diese Verletzung nicht geeignet. \ nucl.rub. N_ SD &- \\ tr.ped.transv. nerv.II. Fig.3. ur N Sn A Dec.br.conj. 4 SR N N. [77 Lm.\ mia fI ‘ ' ped.cp.mam. ggl.interped. Fig. 9. Fig. 10. ggl.interped. peä.cp.mam. I. Aufsteigende Degenerationen im Hirnstamme betreffen Fasern: 1. Links im vorderen Vierhügel im mittleren und tiefen Marke. Erstere formieren in den Ebenen des roten Kernes ein geschlossenes Bündel und ver- teilen sich dann allmählich in den oberflächlichen und mittleren Markschichten, Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 53 zum dazwischenliegenden Grau und zur Cappa cinerea. Sie erhalten, indem die Verletzungsstelle (Fig. 7) allmählich aufwärts rückt, immer neuen Zuwachs. Sie verschwinden mit dem frontalen Ende des Vierhügels. Die Fasern im tiefen Mark verteilen sich in den kaudaleren Ebenen mit Verletzung des Vierhügels (Fig. 8) hauptsächlich im zentralen Höhlengrau. Zahl- reiche Fasern nehmen apsteigende Richtung (vgl. unten). Von Fig. 3 aufwärts verletzt der Stich auch das tiefe Mark, und es gehen nun von da zahlreiche Fasern über in die Grenzschicht des zentralen Höhlengraus. Ein grosser Teil derselben gelangt in die Commissura posterior und mit dieser teils zum Grau des gekreuzten (rechten) vorderen Vierhügels, teils zum hinteren dorsalen Teile des Thalamus zwischen Vierhügelgrau und Corpus geniculatum mediale. -* Br.conj.cer. 67 el) \ \ tr.rubrospin tegm. , y4 Fig. 11. Durch die Lage der Verletzung in kaudaleren Ebenen (Fig. 8, 9) werden nach und nach eine ganze Reihe von Faserzügen durchschnitten, Schleife, Pedunculus corporis mammillaris, Bindearm, Forel’sche Faszikel der Haube, Bahnen zum tiefen Grau und den Kernen des Vierhügels. Hier seien zuerst die gleichseitigen aufgeführt. 2. Die Schleife. Diese ist nur partiell, besonders in den lateraleren Ab- teilungen degeneriert und im Zusammenhang mit anderen Zügen in der Haube des Hirnschenkels. Ihre Fasern ziehen in einem lateralkonvexen bogenförmigen Felde ventrolateral vom roten Kern aufwärts. Eine erheblichere Faserabgabe an die Umgebung findet nicht statt, am ersten an die Formatio reticularis, weniger ventral zur Substantia nigra; erst weiter frontal treten reichlicher Fasern hin- durch zu der mediodorsalen Umgebung des Pes pedunculi. In der Gegend der hinteren Commissur breiten sich die Fasern aus in dem sogenannten Felde Z von Forel und gelangen zur ventralen Seite des ventralen Thalamuskernes, in dessen medialeren Abschnitten sie enden. Vielleicht steigen einzelne auch ven- traler herab zur Gitterschicht und Zona incerta, selbst zur Substantia nigra. 54 F. Quensel: Jedenfalls werden sie auch von solchen, die aus dorsaleren Gebieten herabziehen, durchsetzt. Sie umgeben den ventralen Kern nun weiter an seiner ventralen Seite lateralwärts und enden in ihm erst etwa in der Ebene des Austritts des Fascieulus retroflexus aus dem Ganglion habenulae. 3. Degeneriert ist rechts der Pedunculus corporis mammillaris. Seine Fasern beginnen sich aus der Haube dorsomedial über dem eben noch nicht in die Brücke eingetretenen Pes pedunculi loszulösen, gerade in dem im Herde ge- legenen Gewebszipfel (Fig. 10), sie schlingen sich von lateral her ventral um die Schleife herum. Von dorsolateral erhalten sie einen Zuwachs immer an der dorsalen Seite des Pes pedunculi entlang (Fig. 9) aus der Gegend der Verletzung. Sie ziehen dann immer medial vom Hirnschenkelfuss durch die bzw. zwischen den Öculomotoriuswurzeln hindurch oralwärts. Sie gelangen im wesentlichen zum gleichseitigen lateralen Ganglion des Corpus mammillare. Zahlreiche feinste Fäserchen gelangen aber auch zum lateralen Teile des Ganglion mediale, in dem sie die Fornixsäule von allen Seiten umgeben. Einzelne Fäserchen gelangen zur Mittellinie, doch ist eine deutliche Kreuzung nicht zu sehen. Die Degeneration weiterer gleichseitig aufsteigender Faserzüge ergibt sich in einer nicht ohne weiteres immer zu übersehenden Weise offenbar aus der Unterbrechung oraler Fasern aus dem Trapezkörper (Fig. 11, 12), der lateralen Schleife, vielleicht auch des Gowers’schen Bündels. 4. Man sieht (Fig. 12, 11, 10), wie sich lateral und dorsolateral an das Areal des Pes pedunculi meist dicke degenerierte Fasern anschliessen, die nun in breitem Zuge, in lateral konvexem Bogen dem Rande des Hirnstammes ent- lang ziehen. In den kaudalsten Ebenen (Fig. 11, 12) gelangen solche zum Kern der lateralen Schleife und zum Ganglion des hinteren Vierhügels. Von der Ebene der Fig. 10 ab beschränken sie sich wesentlich auf die ventrolateralen Partien der Haube, bis zu dem hier angedeuteten Ganglion. Sie gewinnen, erst in oraleren Gegenden weiter aufsteigend (Fig. 8), das mittlere Mark des vorderen Vierhügels und gelangen mit den hier unterbrochenen Fasern (vgl. 1.) zusammen zur Vierhügelrinde. 5. Medial und konzentrisch dieser Bahn anliegend im Zuge des noch weiter zu bespreckenden Monakow’schen Bündels finden sich (Fig. 12, 11, 10) aus der Gegend der Verletzung aufsteigende Fasern, welche zur dorsolateralen Partie der Haube zwischen Bindearm, zentralem Höhlengrau und hinterem Vierhügel ge- langen. Von den Fasern des Monakow’schen Bündels sind sie durch ihr Kaliber und Endigungsweise klar unterschieden. Es gelangen aber ausserdem derartige Fasern und vor allen Dingen ganz feine (möglicherweise zum Teil Kollateralen) zur ganzen Haube der gleichen Seite. Besonders bemerkenswert erscheinen weiter darunter feine Fasern, die im lansgestreckten Verlaufe dorsomedial gegen das hintere Längsbündel hin ver- laufen. Einzelne enden schon vorher in der Haube, andere dringen durch das- selbe hindurch zum zentralen Höhlengrau, teilweise auch in diesem über das hintere Längsbündel hin verlaufend zum IV. und III. Kern. Fasern dieser Art aus etwas dorsaleren Teilen der ventrolateralen Haube stammend sieht man auch in den höheren Ebenen der Fig. 9, zum Teil auch darüber hinaus. Im ganzen ändert sich oralwärts, zum Teil schon in dieser Ebene, das Bild durch die J Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenbirn etc. 55 Unterbrechung neuer Faserzüge. Doch sieht man immer noch aus denselben feine Fasern zur dorsolateralen Haube und zum zentralen Höhlengrau ab- schwenken. Endlich seien schon hier hervorgehoben Fasern des gleichen beschriebenen dorsomedial gerichteten Verlaufs, die durch die ganze Schnittebene hin zur Mittel- linie ziehen und zur anderen Seite hinüber kreuzen. Ihrer soll noch weiterhin gedacht werden (Fig. 10, 11, 12). 6. Die (Fig. 9) zentraler in der Haube gelegene Verletzung unterbricht Faserzüge, die hier verlaufen oder entspringen und sich im ganzen auf dem einzelnen Schnitt wie eine dorsale, dorsomediale und dorsolaterale Verlängerung des Schleifenfeldes darstellen. Der ganze laterale Teil der Haube unter einer breiten intakten Randschicht ist erfüllt von einer Masse feinerer und gröberer degenerierter Fasern. Insbesondere liegen solche in grösster Zahl dorsolateral vom roten Kern (Fig. 8). Der hier am meisten medial bzw. zentral gelegenen Bindearmfasern soll unten noch gedacht werden. Diese sind auf der verletzten Seite (links) wesentlich intakt, während die gekreuzten zum Teil degeneriert sind. Die gedachten Fasern ziehen nun, immer etwa in gleicher Lage zur Schleifenschicht oralwärts. Sie geben dabei fortgesetzt feine Fasern ab, teils zur angrenzenden medialen Haube, zum zentralen Höhlengrau, zum mittleren Grau (den zentralen Kernen) des vorderen Vierhügels. Mit Auftreten des Corpus geniculatum mediale, von ca. Fig. 8 ab oralwärts, sieht man einzelne Fasern medial vom inneren Kniehöcker herabziehen, teils zu dem Areal medial vom Kniehöcker, teils zur Substantia nigra und dem Areal zwischen Hirnschenkelfuss und Schleifenschicht. Nach Lage der Sache ist aber nicht bestimmt zu ent- scheiden, ob es sich hier nicht um Fasern aus dem direkt verletzten Vierhügel- grau handelt. Die Hauptmasse der Fasern aus der Formatio reticularis endet offenbar im dorsalen Teil des ventraien Thalamuskernes und tritt in diesem besonders medial in enge Berührung mit den Fasern der Schleife, wohl auch solchen des Bindearms. Die vordersten Fasern dieser Art trifft man etwa in den Ebenen des oralen Endes des vorderen Vierhügels. Ich halte diese Fasern in der Hauptsache für solche der sogenannten Forel’schen Haubenfaszikel mit Ursprung in den verschiedenen Teilen der Formatio reticularis. 7. Nur wenig berührt zu sein scheint der gleichseitige Bindearm, wie ja auch aus seiner Lage zur Verletzung nach der Kreuzung in Fig. 8 und 9 hervor- geht. Es erhellt das am klarsten aus dem Verhalten zu dem Bindearm der gegenüberliegenden Seite. Dieser 8. ist vor seiner Kreuzung (vgl. Fig. 9 und 10) und zwar hauptsächlich in seinem ventralen Teile betroffen. Schon am oralen Pol des Ganglion inter- pedunculare befinden sich nun alle seine in breitem Zuge zur Raphe verfolgbaren Fasern auf der gekreuzten, rechten, nicht operierten Seite. Zuvor kreuzen einige Fasern dorsaler hinüber und begeben sich dann in langgestrecktem Verlaufe zum Oculomotoriuskern der gekreuzten rechten Seite. Die Hauptmasse der Bindearmfasern zieht an der ventrolateralen Seite des roten Kerns ausgebreitet oralwärts. Auch die Formatio reticularis dorsal und dorsomedial vom Nucleus ruber ist mit schwarzen Schollen, feineren und gröberen 56 F. Quensel: Kalibers übersät. Weiterhin sammeln sich die Fasern medial von der Schleife. Auch von da gehen feine Fäserchen aus medialwärts in das zwischen Schleife und Raphe, dorsal vom Meynert’schen Bündel und Pedunculus corporis mammillaris gelegene Feld. Ein grosser Teil der Fasern endet jedenfalls an den Zellen des roten Kerns medial und dorsal davon, so dass sich aufwärts die Faserzahl sehr bald vermindert. Nach Aufhören des roten Kerns liegen die Fasern im medialsten Teil des Feldes H (v. Forel) bis gegen das medial daran gelegene Meynert’sche Bündel hin, einzelne ziehen abwärts in das unmittelbar ventral gelegene Gebiet, andere verstreuen sich dorsal in der Region zur Seite des hinteren Längsbündels, ohne die Höhe der vorderen Commissur zu erreichen. Die Endigungen teils im medialen Teile der Gitterschicht, teils im medio- kaudalsten Teil des Thalamus dorsal hören auf etwa mit dem vorderen Ende der Commissura posterior, nur wenige erreichen das mediale Ende des ventralen Kerns dorsal und dorsolateral vom Vicgq d’Azyr’schen Bündel. II. Absteigende Degenerationen sind: a) links, d. h. auf der operierten Seite. 1. Fasern der Pedunculusbahn speziell der Pyramidenbahn. Vom Pes pedunculi ist ja gerade an seinem Eintritt in die Brücke knapp das mittlere Viertel zerstört (vgl. Fig. 10, 11). Wegen der Ausdehnung des Herdes und Ver- letzung der Umgebung ist es schwer anzugeben, wohin etwa Fasern der zerstörten Bahn sich begeben; jedenfalls verteilen sich die degenerierten Fasern schon bald über die ganze dorsomediale Hälfte des Pedunculusareals, in der Höhe des Nucl. masticatorius auch über dessen gesamte Ausdehnung. Hier sieht man auch, wie sich gleich feine degenerierte Fasern in das umgebende Brückengrau und die an- grenzende Haubenregion begeben; diese erreichen nicht den Nucl. reticularis tegmenti, dagegen in grosser Menge die ventralen Raphekerne in der Medulla, oblongata, zum Teil anscheinend auch die grossen Oliven. Die Degeneration der Pyramide ist bis ins Rückenmark hinab zu verfolgen, hat aber im gekreuzten Seitenstrang nur einen begrenzten Umfang. 2. Das Monakow’sche Bündel ist im Gegensatz zu der feinscholligen Degeneration der Pyramidenbahn ausgezeiehnet durch eine grobschollige De- generation dicker Fasern, die sich aber ebenfalls von der Verletzungsstelle aus gleichseitig bis ins Rückenmark hinab verfolgen lässt. Hier liegt sie vor und etwas medial vom Areal der Pyramidenbahn als ein breiter, schräg von innen, hinten nach aussen vorn verlaufender Streifen. Seine Unterbrechung ist erfolgt also nach der Kreuzung (Forel’sche Kr.) in der Höhe der Fig. 10 und un- mittelbar kaudal davon zwischen Fig. 10 und 11. Von da zieht das Bündel in nach aussen konvexer bogenförmiger Figur kaudalwärts. Am Eintritt in die Brücke (Fig. 11) liegt es ventral und ventrolateral vom Bindearm; aus seiner Spitze treten einzelne Fasern über in dessen Areal und in das dorsale Grau des Bindearms. Im Absteigen schiebt sich das Monakow’sche Bündel mehr und mehr zusammen und liegt ventral von der Spitze des sensiblen V. Kernes. Einige Fasern lösen sich dorsal ab und verlaufen weiter mit den Bindearmen, feine Fäserchen davon begeben sich zum Bindearmgrau, vereinzelte Fasern verlaufen im Zuge des @owers’schen Bündels zum Vel. medulare anterius. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 57 Jedenfalls liegt es abgetrennt von allen nur mit ihm vermischten, dem Kleinhirn zugehörigen Bahnen, in der Höhe des Nucl. masticatorius nervi V -ventral von diesem und vom Trigeminusstamm, aber nicht an der Peripherie. Offenbar ist es auch nicht total, sondern nur in seiner dorsaleren Hälfte de- generiert. Schon bald kaudal, wo es ventral von der absteigenden V. Wurzel liegt, ‘hat man den Eindruck, dass einige Fasern in die dorsolaterale Haube hinein- ziehen. Ausserordentlich deutlich wird aber kaudaler, da wo das Monakow- sche Bündel zwischen VII. Kern und Vestibulariswurzel eingeklemmt erscheint, dass aus demselben sich Fasern loslösen und lateral vom VII. Kern in lang- gestrecktem Verlauf sich zum lateralen Teil der Formatio reticularis begeben. Ventral vom VII. Kern fehlen solche Fasern, dagegen trifft man sie wieder um den Nucl. ambiguus herum, auch zwischen diesem und dem Kern der spinalen V. Wurzel. Auch in die Gegend zwischen letzterer und XII. Kern ziehen solche Fasern, doch nimmt hier das Bündel schon allmählich die schräggestellte Band- form an, die es vor und zum Teil medial von der Pyramidenbahn gelegen, auch im Rückenmark wieder erkennen lässt. 3. Massenhaft feinere und gröbere Fasern gelangen in den Ebenen der Verletzung und zum Teil auch etwas kaudaler in die Haube, sie verbreiten sich teilweise dicht dorsal und dorsomedial von dem Stich (Fig. 10, 11); zum Teil steigen sie in langgestrecktem dorsomedialen Verlaufe durch die Haube empor (vgl. oben I, 5), begeben sich in die Region des hinteren Längsbündels, in das zentrale Höhlengrau und die Gegend des Oculomotoriuskerns. Je weiter kaudal, um so medialer steigen diese Fasern in der Haube auf, dicht neben dem Ganglion profundum von Gudden. Von diesen gelangen einzelne zumal lateral ins zentrale Höhlengrau, manche ebendorthin in der Raphe aufsteigend oder durch das hintere Längsbündel hindurch. Die grosse Mehrzahl kreuzt nach der anderen Seite und soll uns bei den gekreuzt absteigenden Bahnen beschäftigen. In den Ebenen der Fig. 12 sieht man nur noch wenige Fasern des be- schriebenen Verlaufs. Es besteht hier hauptsächlich noch Ausbreitung degenerierter Fasern in der Nähe. Das ist ausschliesslich der Fall nach dem Aufhören des Herdes. Man findet aber ausserdem in mehr lateralen Teilen der Haube inner- halb und dorsal vom Monakow’schen Bündel zahlreiche degenerierte Fasern und Faserausstrahlungen. Die Mehrzahl dieser Fasern fällt auf durch ihr ge- ringes Kaliber, so dass die Vermutung nahe liegt, man habe es zum grossen Teil mit Kollateralen zu tun. Als Stammfasern derselben in Betracht kommen ausser dem zum Teil wohl beteiligten Monakow’schen Bündel noch Schleifen und Bindearm. Ein Teil dürfte indes auch autochthone Stammfasern darstellen. 4. Der Schluss speziell auch auf die Schleife wird besonders nahegelegt, weil man unterhalb, kaudal vom Herde, retrograde Degenerationen in der Schleife findet, und zwar in ihrem lateralen Teil. Dieselben sind medial von der Pyramidenbahn auf eine mässige Strecke abwärts zu verfolgen. Stellenweise ist das Entspringen der Kollateralfasern zur Haube sehr deutlich. 5. Aus dem gedachten Areal mediodorsal von der Pyramide begeben sich einige dicke Fasern dorsal über die Pyramidenbahn und in das Gebiet, welches (z. B. in Fig. 12) zwischen Pyramide und Monakow’schem Bündel liegt. 58 IL Quensel: Einzelne endigen um die oralen laterodorsalen Zellgruppen des Brückengraus, andere stellen offenbar degenerierte Fasern des 'Trapezkörpers dar. Alle diese Fasern enden kaudalwärts in den Ebenen des Nucl. masticatorius V. Etwas weiter abwärts ziehen nun Fasern, die dorsal von Pyramide und Schleife in der Haube bleiben. Auch diese erschöpfen sich aber in der Oblongata ziemlich schnell. Fasern, die aus dem Areal des Monakow’schen Bündels sich zum Klein- hirn loslösen, sollen mit den Commissurfasern besprochen werden. Auch der Bindearm zeigt einige offenbar retrograd degenerierte Fasern. II. Gekreuzt absteigende Bahnen. 1. Prädorsales Bündel. Dasselbe ist unterbrochen in seinem Ursprung, den der Stich in der Ebene zwischen Fig. 7 und 8 durchschneidet. Von daher sieht man seine Fasern zuerst in und gegen die Grenzschicht des zentralen Höhlen- graus ziehen, in dieser ventromedial verlaufen. Von da wenden sie sich (Fig. 8) ventral vom hinteren Längsbündel zur Raphe und gehen in die dorsale Hauben- kreuzung von Meynert ein. Gekreuzt verlaufen sie als prädorsales Bündel. Aus demselben scheinen sich Fasern zum Oculomotoriuskern loszulösen; doch ist zu bedenken, dass solche hier auch schon aus dem ventral kreuzenden bzw. ge- kreuzten Bindearm heraufziehen. Jedenfalls verläuft der Hauptteil der Fasern direkt kaudalwärts und beginnt dann in der Brücke, sich ventraler gegen das Schleifenareal allmählich hinabzusenken. Er verläuft im Verein mit anderen Fasern und anscheinend nach Abgabe von Nebenfasern weiter. Fasern dieser Art gelangen in die mediale Formatio reticularis und anscheinend in grosser Menge auch zum Nucl. tegmenti pontis (reticularis tegmenti). Seine Fasern sind neben der Mittellinie und bis ventral ins Schleifenareal zerstreut durch die ganze Oblongata zu verfolgen. Allerdings ziehen sie sich kaudalwärts wieder etwas mehr in die Vorderstrangbündel zurück und sind schon an der Grenze der Oblongata sehr spärlich. Doch ist zu bedenken, dass eine totale Durchtrennung der Bahn sicher nicht stattgefunden hat. 2. Im Gegensatz zu dem grossscholligen ziemlich ventral gelegenen Anteil der degenerierten Bindearmkreuzung ist der wesentlich dorsal gelegene Teil der- selben intakt. Wohl aber beginnen nun in den Ebenen des Ganglion profundum tegmenti von Gudden, dorsal von demselben, durch das Ganglion hindurch und ventral feine Fasern die Raphe zu kreuzen. Man hat deutlich den Eindruck, dass diese Fasern aus der Gegend des Herdes (Fig. 10) erst dorsomedial auf- steigen und zur Kreuzung gehen; die ventralsten steigen dann in der Raphe treppenförmig wieder ventralwärts. Jedenfalls verlaufen sie auf der rechten Seite, also nach der Kreuzung mit den ventralwärts gezogenen Fasern des prädorsalen Bündels. Sie enden wie dieses in der medialen Hälfte der Formatio reticularis, besonders im ventralen Teil, wohl auch im Nucl. reticularis tegmenti (bis auf die Kreuzung könnte ihr Verlauf den absteigenden Bindearmfasern entsprechen). Jedenfalls handelt es sich nicht um retrograde Degeneration von Bindearmfasern, da der gekreuzte Bindearm intakt ist. In der absteigenden mesencephalen V. Wurzel ist eine nennenswerte Degeneration nicht vorhanden. Schliesslich sind degeneriert: Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 59 IV. Commissursysteme bzw. Kleinhirnbahnen. 1. Die mittleren Kleinhirnstiele. Diese sind im vorderen Teil (Fig. 10—12) total durchtrennt. Infolgedessen ist dieser orale Abschnitt komplett degeneriert, das Brückengrau von massenhaften Schollen erfüllt. Sehr bald aber, schon in den Ebenen des Loc. coeruleus, ist von ventral her die Degeneration durch normale Fasern des mittleren Abschnittes ersetzt. Wohl aber sieht man nun die Degeneration als kompakten Zug in die Kleinhirnhemisphäre eintreten und zwar gelangt dieselbe zum oralen, ventralen und lateralen Abschnitt der Kleinhirn- hemisphären. 2. Degeneriert ist weiter in klarer Weise die Wallenberg’sche Flocken- commissur. Die dicken Fasern derselben kreuzen im vordersten Anschnitt der Brücke ganz ventral, direkt dorsal vom Ganglion interpedunculare. Ihre Fasern ziehen dann ganz im Begipn der Brücke dorsal von der Schleife und Pyramiden- bahn, bzw. auch zum Teil durch erstere hindurch in die dem ventralen Teil des Monakow’schen Bündels entsprechende Partie, schliessen sich also diesem eng an. Sie steigen dann mit ihm auf gegen die ventrale Spitze des Bindearms. Sie legen sich ventrolateral letzterem an, bzw. dessen dorsalem Grau, ziehen zwischen beiden und dem mittleren Kleinhirnstiel empor. Sie begeben sich dann zum Teil direkt, zum Teil erst nach mediodorsaler Umschlingung des. Corpus restiforme als ein Zug verhältnismässig spärlicher, aber sehr dicker Fasern in die Flocke, in die ihre Einstrahlung gut zu verfolgen ist. III. (Niss1-Serie) Fig. 13—20. Operation am 26. Oktober 1908. Trepanation ohne Narkose neben der Mittellinie ca. 1 cm vor der Verbindungslinie der Ohren. Einstich mit schmalem Staarmesserchen links etwas nach hinten und nach unten. Gleich darauf starke Reizerscheinungen. Der Kopf wird mit der rechten Seite auf den Boden gelegt, Ohren nach rechts, Schnauze nach links gerichtet. Zeitweise findet eine Überdrehung statt, so dass der Hinterkopf dem Boden auf- liegt. Zwangsbewegungen, Rollung um die Längsachse über den Rücken weg nach rechts. Später extreme Kopfdrehung nach rechts ; dieselbe kann korrigiert werden, doch legt sich dann die rechte Seite des Kopfes mit Anziehung der Schnauze dem Boden auf, so dass die Stirn den Boden berührt. Das rechte Bein wird unter dem Rumpf nach links hin über das linke 'hinweggesetzt. 28. Oktober. Nur noch Kopfdrehung, linke Seite tiefer gehalten, Schnauze nach rechts. 2. November. Kopfsenkung in den letzten Tagen rechts, Schnauze nach links, vorn gehoben. Etwas Reitbahnbewegung nach links hin, rechtes Vorder- bein nach links überkreuzt, sonst munter. Mit Chloroform getötet nach 7 Tagen. Die Serie zeigt nun einen dreifachen Stichkanal, die einzelnen Verletzungen laufen fast völlig miteinander parallel, und wir erhalten auf den meisten Schnitten eine Reihe von drei in der gleichen relativen Lage zueinander bleibenden Zerstörungen; 60 / F. Quensel: das zwischen ihnen liegende Gewebe ist in seiner Struktur meist erheblich beeinträchtigt, aber keineswegs überall gleichmässig intensiv. Jedenfalls beginnt der Einstich vor der Mitte des Thalamus opticus mit Durchsetzung des medialen, teilweise auch des vorderen Thalamuskerns. Geht man allmählich nach hinten zu die Schnitte durch, so sieht man, wie diese Blutungen zuerst den dorsomedialen, dann medial den ventralen Kern durch- setzen (Fig. 13—15). Weiterhin betroffen ist der medialste Teil der Zona incerta (Fig. 13—15), der Gitterzone (Fig. 14), des Schleifenfeldes (Fig. 15—16), ganz ggl.hab. N N She \\ 6) — Gitt.sch v ) = forn. &- < = subst.nigr. forn.” n.med.th. SEE Com.post. — ee NORS S,7 C.geni. (eazad N N "ma Substigr.. ( 0° LS ®) i nerv.I. Su. Pes ed. ggl.med’cp.mam. nerv. II Eig 15, Fig. 16. lateral der Meynert’sche Fasc. retroflexus (Fig. 15—16), teilweise Hauben- bündel (?), auch fornix und der Pedunculus corporis mammillaris, von denen der letztere (Fig. 15—17) am stärksten geschädigt ist und wegen seiner mehrfachen Be- schädigung wohl als total unterbrochen angesehen werden muss. Vielleicht ganz medial beschädigt ist die Substantia nigra (Fig. 14—16), ebenso auch kaudal die Hauptschleife (Fig. 17); fast total durchschnitten ist der Oculomotorius links am Austritt aus dem Hirnstamm (Fig. 16). Jedenfalls präsentiert sich somit die Verletzung als ein dicht neben der Mittellinie den Hirnstamm von dorsal und oral nach kaudal und ventral durchsetzender Spalt. Derselbe geht nun an seinem basalen Ausstich unmittelbar links am äusseren Rand des Ganglion interpedunculare über in die Brücke. Er zerstört deren tiefe Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 61 Querfasernschicht und Gangliengruppen auf eine weite Strecke hin und gelangt erst in der Gegend der Flockenstiele (Fig. 19) wieder an die basale Oberfläche der Brücke, aus welcher er nunmehr verschwindet. Eine weitere Veränderung dorsal von dieser schon in narbiger Veränderung befindlichen Blutung zeigt sich in den Ebenen des Trochleariskerns (zwischen Fig. 17 und 18) in gleicher Beschaffenheit, ohne direkte Verbindung mit dem "..ped.cp.mam. ggl.interped. Fig. 17. .ggl.tegm.sup. i 5 \ & er ) -nucl.ret.tegm. Stichkanal, nur durch ein anscheinend verletztes Gefäss mit demselben verknüpft, Diese Verletzung liegt in der Formatio reticularis, dicht neben der Mittellinie, etwa mitten inne zwischen der Schleifenschicht und dem Ganglion tegmenti pro- fundum*-von !Gud!den. Sie dehnt sich zeitweilig stärker nach der Seite aus (Fig.;18, 19). ‘Nach dem Verschwinden des Ganglion tegmenti profundum erstreckt sich’die Veränderung mit einem nur schwachen Zipfel dorsal gegen das hintere Längsbündel, steigt über dasselbe hinauf und endet als eine feine Narbe im zentralen Höhlengrau, links dicht neben der Mittellinie (Fig. 19, 20). 62 F. Quensel: Es sind danach eine ganze Reihe von Kernen, wie angeführt, direkt ge- schädigt. Bedeutungsvoll für uns ist vor allem die Beschädigung einer Anzahl von Faserzügen, die ich daher hier nochmals zusammenstelle. 1. Medial durchschnitten sein muss ein Teil der Faserung der medialen Schleife in dem sogenannten Feld 7 von Forel, vielleicht auch ein Teil in den Endigungen im ventralen Thalamuskern. 2. Gleichzeitig möglicherweise ein Teil der Bindearmfaserung und zwar links nach der Kreuzung. 3. Kaum verletzt ist der Fasc. retroflexus von Meynert. 4. Fascic. tegmentomammillaris und fornix dürften im wesentlichen in- takt sein. 5. Total unterbrochen ist der linke Pedunculus corporis mammillaris. 6. Erheblich geschädigt (Fig. 14—16) ist der Tractus peduncularis trans- versus. 7. Beschädigt ist der aus dem Ganglion interpedunculare links ent- springende Faserzug. 8. Stark beschädigt sind die Brückenquerfasern im vorderen Teile. 9. Unterbrochen sind Fasern der sogenannten Forel’schen Faszikel, jeden- falls oralwärts aufsteigende Fasern der Haube. 10. Absteigende Fasern des prädorsalen Bündels. 11. Kreuzende Fasern. Als Folge der Bahnunterbrechung finden sich eine ganze Reihe von Zellen- gruppen ganz oder teilweise degeneriert. I. Von motorischen Ursprungskernen und sensiblen End- kernen ist 1. der Oculomotoriuskern beiderseits degeneriert, stets und überall nur partiell. Und zwar ist oral nur der Kern der operierten Seite hochgradig de- generiert, der der anderen intakt. Hauptsächlich ventrale und mediale Zellen sind degeneriert. Erst gegen das kaudale Ende des Nucl. ruber hin treten auch im Kern der gesunden Seite und zwar hauptsächlich dorsal degenerierte Zellen auf, bis zu etwa Y/a—!/s». Immer aber überwiegt die operierte Seite, in der nun- mehr die intakten Elemente sich dorsal ansammeln. Noch kaudaler gegen Ende des vorderen Vierhügels ist auf der operierten Seite die dorsale Kernhälfte in- takt, die ventrale degeneriert; auf der nicht verletzten ist nunmehr die dorsale Hälfte des Kerns degeneriert, die ventrale Hälfte im wesentlichen intakt. 2. Es folgt dann durch eine relativ zellarme Zone getrennt der beiderseits intakte Trochleariskern. In der Gegend des Oculomotoriuskerns finden sich auch im Boden des Aquaeductus im zentralen Höhlengrau eine Reihe von degenerierten kleinen Zellen. 3. Vom Trigeminuskern ist: a) Der Nucl. mesencephalicus intakt. b) Der Nucl. loci coerulei ist intakt. An einer Stelle findet sich lateral im zentralen Höhlengrau eine grössere degenerierte Zelle neben dem Ganglion dorsale Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 63 tegmenti (superficiale) von Gudden. Doch ist ihre Zugehörigkeit zum Nuel. loc. coerulei mehr als zweifelhaft. c) Der Nucl. masticatorius ist völlig intakt. d) Der sensible Trigeminuskern ist beiderseits intakt. Nur einmal finden sich auf der unverletzten Seite zwei degenerierte Zellen dorsal gerade am Über- gang in den Nucl. angularis nervi vestibularis (s. diesen). c) Kern der absteigenden Trigeminuswurzel. Es finden sich abwärts bis zur Mitte des Facialiskerns berab auf der verletzten Seite einige wenige sicher degenerierte, eine geringe Zahl auf Degeneration verdächtige Zellen. Diese sind teils mittelgrossen, teils kleineren Kalibers, hauptsächlich im dorsalen Teile des Kerns gelegen. Auch die gesunde Seite weist eine kleine Anzahl der Degeneration verdächtiger Zellen auf. 4. Nuel. abducentis beiderseits intakt. 5. Facialiskern beiderseits intakt. 6. Nervus cochlearis, a) Nucl. ventralis acustici intakt, b) Tuberculum acusticum intakt. 7. Nervus vestibularis. a) Nucl. angularis (Bechterew’scher oder Hauptkern). Es finden, sich auf der verletzten Seite zahlreiche degenerierte Zellen. Die nicht verletzte weist ebenfalls eine ganze Anzahl Degenerationen auf, aber bedeutend weniger als die andere. b) Nucl. Deitersi intakt. c) Kern der absteigenden Vestibulariswurzel intakt. d) Nucl. medialis nervi vestibularis intakt. 8. Nucl. hypoglossi, glossopharyngei, vagi et accessorii, sämtlich intakt. 9. Hinterstrangkerne in den oralen Abschnitten intakt (abwärts über den Schluss des IV. Ventrikels zum Zentralkanal hinaus noch nicht untersucht). ll. Übergeordnete Kerne. A. In Leitungen wesentlich aufsteigender Richtung. 1. Akustische Leitung. a) Trapezkern intakt. b) Obere Olive intakt. c) Kern der lateralen Schleife intakt. d) Corpus quadrigeminum posticum intakt. e) Corpus geniculatum mediale intakt. 2. a) Corpus quadrigeminum anticum intakt. b) Corpus geniculatum laterale intakt. 3. Thalamuskerne. a) Nucl. dorsalis medialis weist namentlich in der Nähe der Verletzung unä lateral von derselben eine grosse Anzahl Degenerationen auf, ist auch zum Teil direkt zerstört. 64 F. Quensel: b) Nucl. ventralis ist von der Verletzung an. auf eine erhebliche Strecke hin durchbrochen und in der Umgebung derselben stark degeneriert; insbesondere ist das der Fall in den ventral und medial von der Verletzung belegenen Partien. c) Der laterale dorsale Thalamuskern ist im wesentlichen intakt. d) Der Kern der Gitterschicht ist medial, soweit er ventral von der Ver- letzung liegt, degeneriert. 4. Substantia nigra und Umgebung. a) In der eigentlichen Substantia nigra sind auf der verletzten Seite in den lateralen und kaudalen Partien eine Anzahl von Zellen degeneriert. Weiter oralwärts ist dieser Abschnitt intakt, schon etwa in den Ebenen des Oculomotorius- austritts, und es finden sich nur noch einzelne dorsal gelegene degenerierte Zellen; medial sind solche vorn bis in die oralsten Ebenen des Kerns zu finden. b) In der dorsal davon gelegenen, die Substantia nigra umziehenden Zell- säule ist von den vorderen Ebenen des Ganglion interpedunculare vom Ocu- lomotoriusaustritt ab oralwärts auf der operierten Seite eine grosse Anzahl von Zellen degeneriert, stellenweise nahezu sämtliche, und zwar nicht nur die medial und medioventral dicht an der Verletzung gelegenen, sondern auch die mehr dorsolateralen. Je weiter oralwärts, um so mehr liegen die Zellen dieses Kerns (des Tract. peduncularis transversus) medial. Auf der nicht verletzten Seite finden sich ebenfalls eine Anzahl de- generierter Zellen. In der Gegend des Austritts des Tract. peduncularis transversus medial neben dem Pes pedunculi sind weit weniger und nur noch die medialen Zellen dieses Kerns auf der verletzten Seite degeneriert. Doch finden sich solche bis an das orale Ende dieses Kerns vor Auftreten des Corpus Luys. Dagegen ist c) die medial und dorsal vom Tractus peduncularis transversus gelegene Zellgruppe von der Verletzung teils direkt zerstört, teils degeneriert (Fig. 15). 6. Das Corpus Luys ist intakt. B. In Bahnen absteigender oder wesentlich absteigender Leitungsrichtung. 1. Der Nucl. intracommissuralis ist intakt. 2. Kern des hinteren Längsbündels. Im oralen Teile sind, immer auf der verletzten Seite, eine ganze Anzahl von grossen und mittleren Zellen degeneriert. 3. Nucl. ruber tegmenti. Vornehmlich im oralen Teile sind eine Anzahl von kleineren und grossen Zellen degeneriert, und zwar hauptsächlich auf der Seite der Verletzung, einzelne auch auf der gesunden Seite. 4. Oberer Lateralkern lässt keine Degenerationen erkennen. 5. Nucl. intratrigeminalis intakt. 6. Nucl. paratrigeminalis (Kern im tiefen Grau des vorderen Vierhügels). Es findet sich einmal eine degenerierte Zelle auf der gesunden Seite. | 7. Kielstreifenkern völlig intakt. C. Kerngruppen in Bahnen gemischter bzw. doppelseitiger Verlaufsrichtung. I. 1. In der Formatio reticularis findet sich im Mittelhirn auf der Seite der Verletzung zentral bzw. medial gelegen ein durch eine Blutung bedingter Er- weichungsherd, der einen Teil der Substanz zerstört hat. Neben diesem bestehen sehr erhebliche Zelldegenerationen, und zwar: Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 63 a) Im dorsolateralen Gebiet (zwischen zentralem Höhlengrau bzw. hinterem Längsbündel, dem Ganglion des hinteren Vierhügels, Schleifenregion ein- geschlossen) finden sich auf der operierten Seite einige, im ganzen aber sehr wenig degenerierte kleinere und mittlere Zellen. Auf der nicht verletzten Seite habe ich deren nur eine auffinden können. b) Dorsomedial, also unterhalb, ventral vom hinteren Längsbündel, neben der Raphe reicht die Verletzung kaudalwärts immer etwas höher, d. h. näher an das hintere Längsbündel heran (vgl. Fig. 18, 19). Es sind nun «) abwärts bis zum vorderen Ende des Ganglion tegmenti profundum von Gudden, von der Ebene etwa des Trochleariskernes abwärts, eine ganze Reihe kleiner Zellen auf der verletzten Seite degeneriert. Auf der nicht verletzten finden sich deren nur einige wenige. 8) Unterhalb, kaudal vom Ganglion tegmenti profundum von Gudden sind, aber nur auf der verletzten Seite, und abwärts bis etwa zum Beginn des Nuel. masticatorius alle hier gelegenen kleinen Zellen degeneriert. Sie liegen in der direkten kaudalen Fortsetzung des Erweichungsherdchens. Ventrolateral in der Formatio reticularis der Vierhügelregion finden sich nur auf der verletzten Seite im Anschluss an die Verletzung Degenerationen mittelgrosser und ganz grosser Zellen. Auf der gesunden Seite finden wir hier keine Degenerationen. Abwärts vom Herde findet sich nur einmal neben dem oralen Ende der oberen Olive eine degenerierte Zelle. d) Der zentrale Teil der Formatio reticularis ist auf der Seite der Ver- letzung in der Vierhügelregion zerstört. Auf der gesunden Seite finden sich in demselben eine ganze Anzahl de- generierter Zellen von mittlerer Grösse; in reichlicher Menge aber sind vor allem diejenigen von ganz grossem Typus degeneriert. Man kann sagen, dass in jedem Schnitte ein bis drei derartige Degenerationen zu finden sind. Dieselben reichen so weit abwärts wie die Verletzung. Sie liegen auch in verschiedenen Teilen dieses Gebietes, im allgemeinen so, dass oraler, entsprechend der ventraleren Lage der Verletzung, ventralere, kaudai dorsalere Zellen degeneriert sind. Kaudal von der Verletzung sind nur noch auf der verletzten Seite in dieser Region Zellen degeneriert zu finden, und zwar handelt es sich auch da um reichlich mittelgrosse Zellen. Fast in jedem zweiten Schnitt liegt eine solche degenerierte Zelle. Diese reichen abwärts in abnehmender Zahl bis dicht zum kaudalen Ende des Facialiskerns. e) Im ventromedialen Teile finden sich wiederum zahlreiche degenerierte Zellen: auf der verletzten Seite im Anschluss an die Verletzung in der Haube, aber auch an die Verletzung in der Brücke; auch auf der gesunden Seite finden sich eine Anzahl degenerierter Zellen; beiderseits bis abwärts zum Auftreten des Nuel. reticularis tegmenti. II. Spezielle Zellengruppen. 1. Der Nucl. reticularis tegmenti ist beiderseits degeneriert im Zusammen- hang mit dem tiefen (oralen) Brückengrau, und zwar ist er es oral auf der Seite der Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. b) 66 F. Quensel: Verletzung vielleicht etwas schwächer. Dies Verhältnis kehrt sich allmählich um. Dabei hat die Degeneration sowohl die kleinen dorsalen als auch die mehr lateral gelegenen grösseren Zellen ergriffen. Die Degeneration hört kaudal von dem Ende der Verletzung sehr bald auf. Sie wird kaudal zuerst allmählich schwächer und reicht jedenfalls nicht über das Ende des hinteren Vierhügels abwärts. 2. Neben der Mittellinie, auch im dorsalen Teile der Formatio reticularis, in den Ebenen des Nucl. masticatorius finden sich zwei rundliche Kerne aus mittelgrossen Zellen bestehend (Nucl. paramedianus der Formatio reticularis pontis). Diese sind völlig intakt. (Zwischen ihnen und dem Ganglion profundum Gudden liegen mehr verstreut kleinere Zellen, die, wie oben aufgeführt, degeneriert sind.) 8. Die grossen Zellen, überhaupt die gesamte Formatio reticularis der Medulla oblongata und mit Ausnahme der besonders aufgeführten Zellen (vgl. sub 1d), auch die der kaudalen Brückengegend, sind intakt. 4. Kerne der Raphe. a) Die grosszelligen Kerne im unteren Teil der Brücke und in der Medulla oblongata sind intakt. b) Vor den Ebenen des Nucl. reticularis tegmenti, etwa an der Grenze zwischen hinterem und vorderem Vierhügel, finden sich in der Raphe dorsale (unter dem hinteren Längsbündel) und ventrale Zellen (Nucl. centralis superior). Diese sind teilweise und dann sehr hochgradig degeneriert. Derartige Zellen finden sich bis zum oralsten Beginn der Brückenquerfasern. D. Gruppe der Kerne des Riechsystems und ähnliche. 1. Das Ganglion tegmenti profundum von Gudden ist auf der verletzten Seite total degeneriert, auf der gesunden Seite völlig intakt. 2. Ganglion superficiale vonGudden. Dies hängt mit dem eben genannten kontinuierlich zusammen, indem sich dasselbe allmählich dorsalwärts durch das hintere Längsbündel in das zentrale Höhlengrau hinaufzieht, in welchem das Ganglion superficiale einen besonderen abgerundeten Zellhaufen därstellt. In diesem sind besonders ventral sehr reichlich Zellen degeneriert im Zusammen- hang mit den (in ihrer Gestalt zum Teil abweichenden) Zellen des Ganglion profundum. In diesem Teile befindet sich auch ganz ventral ein Ausläufer der Blutung. 3. Zentrales Höhlengrau — hier nur wegen der Koninuität mit (D. 2) an- geführt. a) In demselben sind ebenfalls wieder auf der Seite der Verletzung neben dem Ganglion superficiale eine Anzahl Zellen degeneriett. b) Kaudal von dem Herde in der Formatio reticularis und der kleinen Läsion im zentralen Höhlengrau finden wir in den Ebenen des oralen Beginnes des Nucl. angularis nervi vestibularis neben der Mittellinie im zentralen Höhlen- grau grössere und kleinere Zellen in kernartiger Ansammlung. Diese sind auf der Seite der Verletzung total degeneriert, insbesondere die grösseren Zellen. 4. Ganglion interpedunculare. Ein Teil desselben ist durch die an seiner Seite zur Basis hindurchgehende Verletzung zerstört. Es finden sich im An- schlusse daran Zelldegenerationen oder besser eine Verarmung an Zellen. Ein- Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn ete. 67 zelne Zellen scheinen auch durch das Ganglion zerstreut degeneriert zu sein, doch ist eine sichere Entscheidung infolge des Zelltypus sehr schwer. 5. Corpus mammillare. a) Ganglion mediale. Auf der gesunden Seite intakt. Auf der verletzten findet sich im Anschluss an eine kleine Blutung in seinem dorsalen Teile eine jedenfalls sehr begrenzte Zelldegeneration. : b) Das Ganglion laterale ist auf der gesunden Seite ebenfalls intakt; auf der operierten sind eine Reihe dorsaler Zellen dicht an der Verletzung degeneriert ; die Mehrzahl derselben ist intakt. 6. Ganglion habenulae. Dies erscheint auf der verletzten Seite entschieden blässer und auch zellärmer als auf der anderen; einzelne Zellen gequollen. Eine klare Zelldegeneration wie bei stichochromem Zelltypus liess sich dagegen nicht nachweisen. E. Kerne des Kleinhirnsystems. 1. Brückengrau. a) Tiefes Brückengrau. Dasselbe ist mit der Brückenquerfaserung unmittel- bar neben der Mittellinie durch die Verletzung halbiert. Infolgedessen sind seine im ganzen mittelgrossen Zellen beiderseits erheblich degeneriert, und zwar ist der mediale Teil des Brückengraus neben der Raphe auf der verletzten Seite grössten- teils zerstört, im übrigen hochgradig degeneriert. Auch die lateralen Zellgruppen sind partiell beiderseits degeneriert. b) Das oberflächliche, ventrale, kaudale und kleinzellige Brückengrau ist in der Mitte direkt verletzt. Im Umkreise der Verletzung finden sich beider- seits eine Reihe degenerierter Zellen, sonst, zumal im kaudalen Abschnitte, ist es intakt. 2. Zentrale Kleinhirnkerne. a) Nucleus tecti ist beiderseits vollkommen intakt. b) Der oral gelegene Nucl. intermedius, welcher sich dorsal unmittelbar an den Nucl. angularis nervi vestibularis anschliesst, weist beiderseits eine Anzahl degenerierter Zellen auf. Auf der verletzten Seite sind es nur ganz wenige (2) Zellen, auf der anderen, gesunden etwas, aber auch nur wenig, mehr (ca. 5—6). c) Der Nucl. dentatus, d. h. der laterale Teil der Kernmasse, ist auf der verletzten Seite intakt. Auf der entgegengesetzten, gesunden zeigt er, zumal von der Ebene des Abducenskerns abwärts und lateral, eine ganz erhebliche Zahl degenerierter Zellen. Die Mehrzahl seiner Zellen ist allerdings auch hier intakt. 3. Die grossen Oliven sind intakt. 4. Die Seitenstrangkerne sind ebenfalls intakt. IV. Nissl-Serie. (Fig. 21—26.) _ Operiert am 16. Oktober 1908. Es war zunächst am linken Unterkiefer- rande eingegangen, die Operation in Narkose aber nach Unterbindung der Vena jugularis abgebrochen. Dann Freilesung der rechten Hemisphäre. Einstich am hinteren Teile des Hinterhauptpoles dicht neben der Mittellinie bis auf die Basis. Gleich nach der Operation war das Tier vollkommen munter, ohne jede Erscheinung. 5 * 68 F. Quensel: 19. Oktober. Kopfhaltung schief, linker Scheitel seitwärts gesenkt, rechter gehoben, Schnauze nach rechts gewendet, rechtes Ohr über den Kopf nach links geworfen. Bewegungen geschickt, doch wird die Haltung bei Bewegungen zwangs- weise noch mehr verstärkt. Das Tier springt nach links in Reitbahnbewegung im Kreise umher. Neigung, nach links hin auf das Vorderbein einzuknicken das unter dem Leib nach rechts hin überkreuzend gesetzt wird. Fig. 2. 26. Oktober. Zwangshaltung und Bewegungsstörung des linken Vorderbeines bestehen weiter fort. Letzteres rutscht gelegentlich nach aussen, wird nach innen über das rechte hinübergesetzt. — Tier getötet. Autopsie. Die Verletzung ergibt sich am klarsten aus den Serienschnitten. Der Stich dringt durch die linke Hemisphäre hindurch, hinter dem Ganglion habenulae in den mediodorsalen Thalamuskern ein. Kaudalwärts rückt die Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 69 Stichverletzung, immer in der Richtung von dorsolateral nach medial und ventral verlaufend tiefer in den Thalamus hinein. Sie trifft zunächst (vor Fig. 21) den dorsalen Teil des Corpus geniculatum laterale, den ventrolateralen Zipfel des dorsomedialen Thalamuskernes, den mediodorsalen Zipfel des Nucleus ventralis. Die mediale Spitze des Herdes liegt hier, wie auch noch späterhin immer, lateral in der Höhe des Meynert’schen Bündels. Dabei werden von vorn nach hinten sukzessive immer etwas andere Gebilde vom Stichkanale durchquert, so Corpus geniculatum laterale dorsale, ventraler Thalamuskern (Fig. 21); dorsaler Teil des Corpus geniculatum mediale, Tractus opticus, ventraler Thalamuskern (Fig. 22); Mitte des Corpus geniculatum mediale, ventromedialer Teil des ventralen Kernes; teilweise auch die Schleifenschicht (Fig. 23); ventraler Pol des corpus geniculatum mediale, Zona incerta, bis an die 70 F. Quensel: mediale Substantia nigra und den Pedunculus corporis mammillaris (Fig. 24); lateraler Teil der Substantia nigra, Gegend des Tractus peduncularis transversus ; lateraler Pes pedunculi nebst Substantia nigra, Pedunculus corporis mammillaris und Oculomotoriusaustritt (Fig. 25); endlich endet die Verletzung (Fig. 26) in der Mitte etwa des Pes pedunculi. An gleicher Stelle findet sich noch ausserdem eine kleine Blutung im tiefen Grau und Mark des vorderen Vierhügels. Nach Lage der Verletzung müssen folgeude Faserzüge mehr oder weniger von derselben beschädigt und unterbrochen sein: 1. die Einstrahlungen des Tractus opticus; 2. Einstrahlungen des Bindearmes des Corpus quadrigeminum posticum in das Corpus geniculatum internum; 3. Einstrahlungen der Schleife und des Bindearms in die ventralen und die medialen Thalamuskerne; in welchem Umfange, dürfte sich schwer entscheiden ‚.lassen, doch muss speziell zwischen Fig. 23 und 24 eine Unterbrechung statt- gefunden haben. 4. Eine Unterbrechung des Tractus peduncularis transversus bei seiner Umkreisung des Hirnschenkelfusses (Fig. !24—25) sowie mediodorsal von dem- selben (Fig. 24). 5. Eine erhebliche Beschädigung des Pedunculus corporis mammillaris hat kaum stattgefunden; auch der mediale Herd (Fig. 25) liegt offenbar schon lateral von diesem Faserzug. 6. Eine Schädigung und teilweise Unterbrechung der Fasern im Pes pedun- culi (Fig. 25—26). 7. Unterbrechung einzelner Fasern im tiefen und mittleren Mark des vorderen Vierhügels (Fig. 26). 8. Eine Unterbrechung lateraler Fasern des Nervus oculomotorius bei und nach seinem Austritt aus dem Hirnstamm. Es ergibt sich als Folge eine Degeneration verschiedener Nervenzellen, und zwar ist degeneriert: I. von primären Ursprungkernen und Endkernen 1. der Okulomotoriuskern. Auf der operierten Seite finden sich eine Anzahl degenerierter Zellen, besonders dorsal und lateral. Auf der nicht verletzten Seite findet sich keine einzige degenerierte Zelle. Ebenso ist 2. der Trochleariskern ganz intakt. 3. Trigeminus. a) Der mesencephale Kern ist durchweg intakt. b) Nucl. loci coerulei intakt. ec) Der Nucl. masticatorius weist auf der operierten Seite eine degenerierte Zelle auf. (Offenbar Folge der ersten Operation.) d) Im sensiblen Trigeminuskern finden sich auf der gesunden Seite einige wenige degenerierte Zellen. e) Im Kern der absteigenden V. Wurzel finden sich keine sicheren Degene- rationen. ln Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 7] 4. Der Abducenskern ist intakt. 5. Facialiskern. Auf der linken Seite hochgradig degeneriert, auf der nicht verletzten intakt. (Folge' der ersten Operation.) 6. Kerne des Cochlearis (Tuberculum acusticum, ventraler Kern) intakt. 7. Vestibulariskerne. a) Nucl. angularis (Bechterew’scher oder Hauptkern) intakt. b) Deiters’scher Kern intakt. c) Nucl. radieis descendentis intakt. d) Nucl. medialis intakt. 8, Nucl. IX, X, XI und XII sämtlich intakt. - MH. Von übergeordneten Kernen. A. In Bahnen aufsteigender oder wesentlich aufsteigender Leitung. 1. Hinterstrangskerne. Es ist keinerlei sichere Degeneration zu erkennen. Einige Zellen im Kern der nicht verletzten Seite erscheinen sehr verdächtig. Der Kern der nicht verletzten Seite scheint im ganzen zellärmer. 2. Akustische Leitung. a) Trapezkern intakt. | b) Obere Olive, beiderseits sonst intakt, nur oral auf der gesunden Seite einzelne suspekte, ja degenerierte Zellen. c) Kern der lateralen Schleife. Nur im oralen Teil und auf der operierten Seite finden sich eine geringe Anzahl degenerierter Zellen, und zwar ist diese Degeneration nicht sehr hochgradig. d) Corpus quadrigeminum posticum. Das eigentliche Ganglion des hinteren Vierhügels selbst ist intakt; dagegen finden sich wiederum nur auf der operierten Seite eine ganze Reihe mittelgrosser Zellen total degeneriert am basallateralen Ende des Ganglions. Dieselben liegen also zwischen dem eigentlichen Vierhügel- ganglion und dem lateralen Schleifenkern, nur ganz vereinzelt auch basallateral in ersterem. Neben diesen finden sich, wie schon hier erwähnt sein mag, die grossen multipolaren Zellen intakt, die wir früher als Kern des Kielstreifens be- zeichnet haben. Die degenerierten Zellen liegen im ganzen genommen etwas kaudaler. e) Corpus geniculatum mediale ist vom Herde durchbrochen und zeigt nun dorsal wie ventral von demselben, am meisten in unmittelbarer Nähe, zahlreiche degenerierte Zellen. Doch sind im dorsalen wie auch im ventralen Abschnitt eine ganz grosse Zahl von Zellen durchaus wohl erhalten. Fast völlig degeneriert ist der ventrokaudale Abschnitt des Ganglions. 3. a) Corpus quadrigeminum anticum. Einzelne Zellen mittlerer Grösse im kaudalen Teil zeigen immerhin verwaschene Struktur; eine ganz einwandfreie Degeneration konnte ich dagegen nirgends nachweisen. b) Corpus geniculatum laterale. Auch dieses ist namentlich nahe am Opticus- eintritt recht erheblich lädiert und zeigt in der Umgebung der Verletzung eine Anzahl degenerierter Zellen. 4) Thalamuskerne. Diese sind nur auf eine kurze Strecke untersucht worden, soweit es erwünscht erschien, in den Präparaten den Sitz des primären 72 F. Quensel: Herdes zu bestimmen. Es liessen sich dorsal von der Verletzung und hauptsäch- lich in deren Nähe a) im Nucl. dorsalis (bzw. dorso-medialis) vereinzelte degenerierte Zellen finden. b) Der Nucl. ventralis Thalami (bzw. ventrolateralis) ist dorsal am Herde hochgradig, medial teilweise degeneriert. Ventral ist er im grossen Umfange zerstört und erweicht. Die vorderen Abschnitte sind nicht mit untersucht. 5. Substantia nigra und Gegend derselben. a) In der eigentlichen Substantia nigra ist der kaudale Absehnitt intakt. Es folgt dann oralwärts die Verletzung. innerhalb derselben. Auch da ist die Substantia nigra dorsal vom Herde intakt, ventral und lateral von demselben hoch- gradig degenerier. Auch wenn oralwärts der Herd aus der Substantia nigra selbst hinüberrückt in die Gitterschicht, den ventralen Teil und die Mitte des Nucl. ventralis Thalami, bleibt die Degeneration der grossen Substantia-nigra- Zellen bestehen, zuletzt noch lateral, um mit dem oralen Ende, etwa des Corpus mammillare, zu verschwinden. b) Dorsal schliesst sich der Substantia nigra in den kaudalen Abschnitten ein kleinzelliger dichter Kern an, der sich dorsomedial an derselben herab- zieht. Dieser ist im Anschluss an den medial und ventral davon gelegenen Herd- anteil (vgl. Fig. 24 u. 25) erheblich degeneriert, und zwar bis zum Austritt des Tractus peduncularis transversus aus dem Zwischenhirn an der Stelle, wo derselbe den Pes pedunculi zu umkreisen beginnt. Die Degeneration betrifft auch ventro- medial im Tractus peduncularis transversus gelegene Zellen. c) Oraiwärts von dieser Partie findet sich mediodorsal vom Traetus pedun- cularis transversus ein Kern, der degenerierte Zellen aufweist, und zwar offenbar abhängig’ von dem dorsal davon im Nucl. ventralis Thalami gelegenen Teil der Verletzung. d) Die Zellen des Corpus Luys sind intakt. Alle genannten Veränderungen betreffen lediglich die operierte Seite. Auf der nicht direkt verletzten finden sich keine Degenerationen. B. In Bahnen absteigender oder wesentlich absteigender Leitung. 1. Der Nucl. intracommissuralis ist intakt. 2. Der Kern des hinteren Längsbündels ist beiderseits intakt. 3. Der Nucl. ruber tegmenti zeigt auf der Seite der Verletzung und meist in deren Nähe im joralen Teile eine Anzahl degenerierter grosser multipolarer Zellen. Auf der anderen Seite findet sich nur eine einzige degenerierte Zelle. 4. Der obere Lateralkern ist intakt. . 5. Nucl. intratrigeminalis ist beiderseits völlig intakt. 6. Nucl. paratrigeminalis (in tieferen und mittleren Zonen des vorderen Vier- hügels bis in die oberflächlichen Schichten hineinreichend) weist einige zweifel- hafte Zellen auf der verletzten Seite auf. Sichere Zelldegenerationen dagegen finden sich nicht. 3. Kielstreifenkern intakt. , (Vergleiche aber Kern der lateralen Schleife und Ganglion des hinteren Vierhügels.) Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc, 73 C, Gemischte Formationen. I. 1. In den grosszelligen Kernen der Formatio reticularis in Medulla oblongata, Brücke und Vierhügelgegend finden sich nirgends degenerierte Zellen. 2. Weder in dem dorsolateralen noch dem ventrolateralen Gebiet der Haube, soweit es sich zur Formatio reticularis hinzurechnen lässt, sind degenerierte Zellen aufzufinden. 3. In der Gegend direkt vor dem Austritt des Oculomotorius und kaudal hinter dem Anschnitt des Corpus geniculatum laterale finden sich in dem Felde unmittelbar dorsolateral vom Pes pedunculi und von der Substantia nigra eine Reihe in klarer Weise total degenerierter, mittelgrosser Zellen. U. Spezielle Zellengruppen. 1. Der Nuecl. reticularis tegmenti ist beiderseits vollkommen intakt. 2. Die Raphekerne sind aufwärts bis heran an die Ebene des hinteren Vier- hügels vollkommen intakt. 3. Am vorderen Ende der Brücke findet sich in ‚der Raphe ein aus mittel- grossen Zellen bestehender Kern. Dieser schliesst sich frontal an das orale Ende des Nucl. reticularis tegmenti an. Er liegt ventral von dem frontalen und ventralen Pol des Ganglion Gudden (Nucl. centralis superior). Er weist in der Medianlinie, teils aber auch zu beiden Seiten derselben eine Anzahl klar und total degenerierter Zellen auf. D. Gruppe der Kerne des Riechsystems und ähnliches. 1. Das Ganglion tegmenti profundum Gudden ist absolut intakt. 2. Das Ganglion tegmenti superficiale ist völlig intakt. 3. Dasselbe gilt vom zentralen Höhlengrau, von welchen 2. einen Teil bildet. 4. Das Ganglion interpedunculare ist intakt. 5. Ganglion habenulae intakt. 6. Corpus mammillare. a) Ganglion mediale ohne erkennbare Degeneration. b) Ganglion laterale desgl. E, Kleinhirnsystem. 1. Brückengrau. Oberflächliches und tiefes ist intakt. 2. Zentrale Kleinhirnkerne. a) Nucl. tecti intakt. b) Nucl. intermedius intakt. ec) Nucl. dentatus lässt nirgends eine sichere Degeneration erkennen. 3. Die grossen Oliven sind intakt. 4. Der Seitenstrangkern ebenfalls beiderseits intakt. V. Nissl-Serie. Fig. 27—32. Operation am 15. März 1909. In Urethan-Äthernarkose Einstich auf, dem Scheitelbein 2 mm neben der Mittellinie links bis zur Schädelbasis. 'Nach dem Erwachen dreht es den Kopf nach links, schiebt das rechte Vorderbein nach 74 F. Quensel: links unter den’Leib und geht mehr nach rechts seitlich als eigentlich nach links im Kreise. Schon am 16. März ganz munter, bewegt sich frei ohne Zwangshaltung, oder Lähmung, hält auch den Kopf gerade. Fig. 29. 17. März. Andeutung einer Drehung von Kopf und Schnauze nach links und oben. Ebenso besteht eine gewisse Neigung, das linke Vorder- und Hinter- bein in Abduktion nach links, das rechte Vorderbein unter den Rumpf adduziert nach links zu stellen und nach rechts zu gehen. | Untersuchungen über die Tektonik vou Mittel- und Zwischenhirn etc. 75 ‚Der Befund ‘ändert sich bis zum 21. März nur insofern, als alle Er- scheinungen undeutlicher wurden. Am siebenten Tage, 22. März, abends mit Chloroform getötet. Form und Lage der Verletzung ergibt sich am klarsten aus den Serien- schnitten. "Ped.cp.mam. ? nerv.ım. ggl.med cp.mam. Fig. 32. Der Stich dringt durch die Hemisphäre in den Thalamus opticus ein in den Ebenen des äusseren Kniehöckers und des Ganglion habenulae und zerstört hier zuerst den dorsalen medialen Thalamuskern, durchsetzt dann als breiter, schräg von innen oben nach aussen unten gerichteter Spalt (Fig. 27 ff.) den ventralen bzw. ventrolateralen Thalamuskern, durchschneidet die Schleifenschicht, Lamina 76: F. Quensel: medullaris externa, allmählich von aussen nach innen sich hindurchschiebend. Dann durchsetzt er in gleicher Weise die Zona incerta und einen Teil der Substantia nigra. Gleichzeitig (Fig. 29—31) senkt sich ein Zipfel der Erweichung in der Medianlinie herab. Mit dem auf eine weite Strecke hin unterbrochenen Meynert’schen Fasciculus retroflexus herabsteigend, durchschneidet der Stich- kanal schliesslich die Einbuchtung zwischen Corpus mammillare und Pes pedunculi, wo er ziemlich breit die basale Oberfläche des Hirnstammes erreicht (Fig. 32). Auf diesem Wege sind von der Verletzung nun zweifelsohne eine ganze Anzahl von Faserzügen mehr oder weniger erheblich durchschnitten. Es. sind das: 1. Der Fasciculus retroflexus von Meynert ist total unterbrochen. 2. Faserung der medialen Schleife ist sicher in erheblichem Umfange zerstört. 3. Ein Teil der Bindearmendfasern und 4. wohl auch ein Teil der Forel’schen Haubenfaszikel muss mit durch- schnitten sein. 9. Der Tractus peduncularis transversus dürfte erheblich an seinem Austritt neben dem Hirnschenkelfuss ergriffen sein. 6. Sicher total unterbrochen ist der Pedunculus corporis mammillaris. Den Faserunterbrechungen korrespondiert die Degeneration verschiedener Zellkomplexe. Ia) Primäre Ursprungskerne motorischer Nerven, Oculomotorius, Trochlearis, Trigeminus (mesencephaler und masticatorius), Abducens, Facialis, Ambiguus,- Accessorius, Hypoglossus, sämtlich intakt. b) Primäre Endkerne sensibler Hirnnerven. 1. Trigeminuskerne. a) Loc. coeruleus intakt. b) Nucl. sensibilis bis auf 1—2 verdächtige, nicht sicher degenerierte Ele- mente auf der gesunden Seite völlig intakt. c) Nucl. rad. descendentis. Ebenfalls auf der nicht verletzten Seite finden sich in den Ebenen des Deiters’schen Kernes einige kleine der Degeneration: verdächtige Elemente. Klare Degenerationen finden sich in grösserer Zahl in. den Ebenen der Eröffnung des Zentralkanals. 2. Cochleariskerne intakt. 3. Vestibulariskerne sämtlich intakt (Angularis, Deiters, Nucl. radicis- descendentis, medialis). 4. Vaguskerne intakt. 5. Hinterstrangkerne. In den Kernen der gesunden Seite finden sich von dem Übergang des Ventriculus quartus zum Canalis medulla spinalis an abwärts. eine ganze Anzahl degenerierter Zellen. Der überwiegende Teil derselben ist gesund. I. Von übergeordneten Kernen. A. In Bahnen wesentlich aufsteigenden Verlaufs. 1. Akustische, Leitung intakt. (Trapezkern, obere Olive, Kern der lateralen Schleife, hinterer Vierhügel, innerer Kniehöcker.) Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 77 2. Vorderer Vierhügel, äusserer Kniehöcker intakt. 3. Thalamuskerne. a) Medialer (dorsaler) Kern ist teils zerstört, teilweise (kaudaler) auch degeneriert. b) Nucl. ventralis teils zerstört, teils sehr erheblich degeneriert. c) Auch der Kern der Gitterschicht ist teils zerstört, teils degeneriert. d) Lateraler (dorsolateraler) Kern im wesentlichen intakt. Alles auf der operierten Seite. 4. Substantia nigra. a) Das Verhalten der Zellen in der eigentlichen Substantia nigra ist nicht Eher zu bestimmen (wegen mangelhafter Färbung). b) Im dorsalen Grau der Substantia nigra auf der operierten Seite sicher degenerierte Zellen. B. In Bahnen absteigender oder wesentlich absteigender Leitung keine Degeneration. 1. Intracommissuralis, . Kerne des hinteren Längsbündels, . Nucl. ruber, . oberer Lateralkern, . Intratrigeminalis, . Paratrigeminalis, . Kielstreifenkern, sämtlich intakt. 199 um wm C. Gemischte Formationen. Die Kerne der Formatio retieularis, und zwar sowohl die diffus zerstreuten Zellen, kleineren bis grössten Kablibers, als auch die geschlosseneren Gruppen, speziell 1. Nucl. reticularis tegmenti, 2. Nucl. paramedianus pontis, 3. Raphekerne, a) in der Brücke, sind intakt. (Im oralen Teil des vorderen Vierhügels ist die Färbung nicht überall ausreichend.) b) Im oralsten Teil der Brücke in der Raphe eine Anzahl der kleinen in mittlerer Höhe gelegenen Zellen degeneriert. (Nucl. centralis superior.) D. Gruppe der Kerne des Riechsystems und verwandte. 1. Ganglion tegmenti profundum von Gudden auf der verletzten Seite total degeneriert, auf der gesunden intakt. 2. Ganglion tegmenti superficiale von Gudden intakt. 3. Zentrales Höhlengrau intakt. 4. Ganglion interpedunculare scheint intakt. 5. Ganglion habenulae. Auf der operierten Seite hochgradig degeneriert. 6. Corpus maımillare. Sowohl das Ganglion a) mediale als b) laterale scheinen intakt. E. Kleinhirnsystem. 1. Brückengrau sowohl oberflächlich als tief völlig intakt. 2. Zentrale Kleinhirnkerne. 783 F. Quensel: a) Nucl. tecti intakt. b) Nucl. intermedius intakt. c) Der Nucl. dentatus enthält auf der gesunden Seite eine geringe Anzahl unzweifelhaft degenerierter Zellen. ; 3. Grosse Olive intakt. 4. Seitenstrangkerne intakt. Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle auf alle Fragen einzugehen, die sich, namentlich auch in methodologischer Beziehung, hier ergeben. Diese Fragen sind erst kürzlich von v. Monakow'!) wieder aufgerollt und bedürfen für die zentralen Kerne, namentlich höherer Ordnung, in der Tat einer gründlichen Nachprüfung. Meine Resultate ergeben sich ausser mit der Marchi- Methode mit der der reaktiven Tigrolyse. Bei derselben sind vor allem die positiven Befunde verwertbar, die Gründe des gelegentlichen Versagens noch durchaus nicht völlig geklärt. Wenn sich aber positive Ergebnisse wiederholt oder gar regelmässig einstellen, so dürfen wir daraus unsere Schlüsse mit einem hohen Grade von Sicherheit ziehen. Dazu gehört im allgemeinen ein grosses Material, wie es bei der Subtilität solcher Untersuchungen schwer zu beschaffen ist. Ich beschränke mich aus diesem Grunde darauf, die Schlüsse zu ziehen, die auf meine soeben vorgelesten Fälle allein bzw. im Vergleich mit dem früher von Kohnstamm und Verfasser gemeinsam publizierten Material) begründet werden können. Zur Darstellung und Verwertung meiner Resultate habe ich mich einer gewissen systematischen Einteilung bedient, die durchaus nur den Wert einer vorläufigen Disposition beansprucht. Von einer strengen systematischen Ordnung kann dabei keine Rede sein. Schon die bereits früher?) von uns hervorgehobene Tatsache, dass es Zellen mit zwei Axonen auf- und absteigender Richtung gibt, spricht gegen eine strenge Aufteilung nach dem Leitungsprinzip. Der neuerdings wieder von Jacobsohn*) unternommene Versuch, bei den Nerven- 1) v. Monakow, Der rote Kern, die Haube und die Regio hypothalamica. Aus dem hirnanatomischen Institut der Universität Zürich 1909 H. 3, 1910 H. 4. 2) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. und Neurol. Bd. 16. 1910. 3) Kohnstamm und Quensel, Über den Kern des hinteren Längs- bündels usw. Neurol. Zentralbl. 1908 Nr. 6. 4) Jacobsohn, Struktur und Funktion der Nervenzellen. Neurol. Zentralbl. 1910 Nr. 20. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 9 zellen an ihrer Struktur die Funktion abzulesen, dürfte sich vollends als verfehlt erweisen. Ich selbst habe mit meiner Einteilung vor allem den Erfahrungen Ausdruck verliehen, die sich bei unseren eigenen Degenerationsversuchen ergeben haben. BEN “ Wenn ich nunmehr der Reihe nach meine Ergebnisse durchgehe, so wären zuerst die Verhältnisse der primären Hirnnervenkerne zu betrachten. Für die motorischen Ursprungskerne ereibt sich dabei niehts Neues, wohl aber entsprechen die von mir gefundenen Tigro- lysen vollkommen dem, was man nach der Art der Verletzung, sei es peripherer Nerven oder von Wurzeln zu erwarten hatte. Auch auf die Gliederung des Oculomotoriuskernes hier einzugehen, liegt kein Grund vor. | | Anders verhält es sich mit den primären Endkernen der sen- siblen Nerven. Über den Nuel. loei eoerulei ergeben meine Präparate etwas Neues nicht. Der Trigeminus umfasst ausserdem mindestens zwei sensible Kerne, den pontinen Hauptkern und den der absteigenden Wurzel, die sich aber sicher bei näherer Betrachtung noch in eine sanze Reihe speziellerer Zellgruppen auflösen werden. Auf das Verhalten des sensiblen Hauptkerns in der Brücke gehe ich deshalb nicht ein, weil seine Veränderung eine überaus geringfügige ist, und zwar, obschon ja im Thalamus die Endigung der Quintusschleife wie auch der sekundären dorsalen sensiblen Trigeminusleitung !) intensiv getroffen sein müssen. Degenerationen im Kern der ab- steigenden Wurzel finden sich in Fall III beiderseits, auf der ge- sunden Seite eher weniger als auf der operierten. Offenbar entspricht das dem in der Brückenhaube und noch im Bereich der dorsalen Kreuzung liegenden Erweichungsherde. Dieser reicht ja bis an das hintere Längsbündel heran, ja durchbricht dasselbe stellenweise. Möglicherweise hänget diese Degeneration aber auch ab von der Ver- letzung der ventralen und medialen Thalamuskerne. Ganz sicher auf die letzteren zu beziehen sind die Degenerationen in Fall V, die hier sogar noch kaudaler im Kern der spinalen Wurzel liegen. Jedenfalls bestätigen auch diese Erfahrungen, wie Fall’V unserer früheren Publikation ?), die Angaben Wallenberg’s!), dass auch 1) Wallenberg, Sekundäre Bahnen aus dem frontalen sensiblen Trigeminus- kern usw. Anatom. Anzeiger Bd. 22 Nr. 6. 1905. 2) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol: Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. ‘1910. 80 F. Quensel: der Kern der spinalen Quintuswurzel sekundäre Neurone bis zur Vierhügelgegend, ja bis zum Thalamus, entsendet. Und zwar handelt es sich da um eine gekreuzte Bahn, denn die Degenerationen liegen auf der nicht operierten Seite. Meine Präparate ergaben nichts Neues zur Frage nach den End- kernen des Nervus vestibularis. Ich kann unsere früheren, von Kohnstamm!) vorgetragenen Resultate insoweit bestätigen, als nach oralen Läsionen in der dorsalen Haube des hinteren Vierhügels nur der Nuel. angularis -(der sogenannte Bechterew’sche oder Hauptkern) der Tigrolyse verfällt. Seine Axone verlaufen (ef. Fall I und II) gleichseitig und gekreuzt ventrolateral am hinteren Längs- bündel zu den Augenmuskelkernen (speziell Oculomotorius- und Trochleariskern). Es degenerieren, wie Fall III zeigt, auf beiden Seiten Zellen des Nuecl. angularis. Dagegen lässt sich ein Aufsteigen bis zum Thalamus nicht finden, wenigstens weisen Fall IV und V keinerlei darauf bezügliche Tigrolysen auf. Alle übrigen primären Endkerne waren intakt. Im Grunde gehören ja noch die Hinterstrangkerne hierher. Ich kann hier nur die Angaben v. Monakow’s?) bestätigen, dass Zer- störung der Endstätten der medialen oder Hauptschleife im Thalamus nieht notwendigerweise zu tigrolytischer Reaktion in den Hinter- strangkernen führen muss. Jedenfalls waren dieselben intakt in Fall III, wenigstens soweit ich dieselben untersucht habe, was nicht in voller Ausdehnung geschah. Fall IV zeigt sicher keine Tigrolysen, wenn auch die Hinterstrangkerne der gesunden Seite, speziell der Goll’sche, atrophisch erschienen. In Fall V wieder fanden sich ganz zweifellose Tigrolysen auf der gesunden Seite. Über die näheren Gründe dieser auffälligen Differenzen vermag ich einstweilen keinen Aufschluss zu geben, wenn auch zeitliche Verhältnisse, Entfernung der Verletzung vom Kerne, Kollateralen usw. eine Rolle spielen mögen. Ich möchte hier bezüglich der von mir als „übergeordnete“ zusammengefassten Kerne wiederholen, dass es sich im einzelnen nur um eine Gruppierung handeln soll, bei der nach unseren dege- nerativen Erfahrungen a fortiori eine Zuteilung zu Leitungen auf- und absteigenden Verlaufes erfolgt ist. Dabei entfernen sich meine Erfahrungen wenig von dem früher 1) Kohnstamm, Zentrale Verbindungen der Vestibulariskerne. Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin 17. Jan.. 1908. Zentralbl. f. A 1908. 2) v. Monakow, |. c. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn et. 81 durch uns oder andere festgestellten bezüglich der Kerne in Leitungen vorwiegend absteigender Verlaufsweise. Von den Bahnen selbst ist durch Monakow’s Arbeit!) das Interesse wieder besonders hingelenkt auf die Verhältnisse des rubrospinalen Bündels und seine Homologen. Ich kann hervorheben, dass speziell Fall II sehr ‚schön zeigt, wie sich sowohl im Bereich des Facialiskernes als auch zwischen Nuel. ambiguus und spinaler Trigeminuswurzel Fasern aus diesem Bündel zu lateralen Teilen der Formatio reticularis begeben. Die retrograden Tigrolysen im Nuel. ruber tegmenti, im Kern des hinteren Längsbündels, entsprechen unseren früheren Angaben ?). Im Grau des vorderen Vierhügels fand sich nur einmal eine sichere spärliche Degeneration. Die Tigrolysen im roten Kern sind hier stets durch ventrale und kaudale Läsion hinreichend erklärt. Es liest keinesfalls Grund vor, dieselben auf Bahnen aus dem Nucl. ruber zum Thalamus zu beziehen. Unter den aufsteigenden Bahnen greife ich zuerst die akustische heraus. Wir haben in früheren Fällen ?) Degenerationen des Trapez- kernes, der oberen Olive, niemals sicher solche im Nuel. ventralis oder Tubereulum acusticum feststellen können. Tigrolyse der Trapez- kernzellen folgte einer Läsion mitten zwischen beiden Kernen, solche von Ölivenzellen Verletzungen im Verlaufe der lateralen Schleife bis zum hinteren Vierhügel. Durchschneidung zwischen letzterem und dem Kerne der lateralen Schleife liess diesen mehr oder weniger vollständig degenerieren. Fall IV bringt nun eine willkommene Er- sänzung. Der hochgradigen Läsion des inneren Kniehöckers ist hier, konform den Angaben Mahaims*) und den sonstigen kürzlich erst wieder von Rothmann zusammengefassten Erfahrungen, keine Degeneration im Ganglion des hinteren Vierhügels gefolst. Es ist die konsekutive Tigrolyse überhaupt eine ausserordentlich gering- fügige. Doch mag hierzu beitragen, dass die Verletzung im inneren Kniehöcker ziemlich oral liegt. Sie hat daher auch besonders in diesem eine ventrokaudal gelesene Degeneration hervorgerufen. l) v. Monakow,l. c. 2) Kohnstamm und Quensel, Über den Kern des hinteren Längs- bündels usw. Neurol. Zentralbl. 1908 Nr. 6. 3) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. 1910. 4) Mahaim, Recherches experimentales sur les conclusions anterieur du tubercule quadrijumeau posterieur. Sep. Terej. 1905. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 6 82, Eltalansı F. Quensel: Es findet sich, aber ausserdem auch eine geringe Tigrolyse . von Zellen des Kernes der lateralen Schleife. Und es finden sich weiter: Degenerationen grosser multipolarer Zellen zwischen letzterem und dem Ganglion des hinteren Vierhügels. Sie liegen ventrolateral von letzterem, doch nicht so, dass ich sie mit dem von uns!) früher; abgegrenzten sogenannten Kielstreifenkern identifizieren möchte. Sie ähneln diesem durchaus, liegen aber im ganzen kaudaler und ventraler. Vom vorderen Vierhügel und seinen Zellen habe ich neue Re-. sultate nicht erhalten. Ebenso übergehe ich das Verhalten: der Thalamuskerne. Sie kommen überall da zur Erwähnung, wo ihre Verletzung für die zuführenden Neurone von Bedeutung ist, über) die Zellen mit kortikopetalem Axon vermag ich nichts Wesentliches zu bringen. aloe Von besonderem Interesse dagegen erscheint mir das Verhalten der Substantia nigra. Sie präsentiert sich beim Kaninchen als: ein: relativ sehr grosses Gebilde. Dorsal wird sie bald nach ihrem kaudalen Auftreten auf Frontalserienschnitten begleitet und. bedeckt von einer langgestreckten Gruppe teils spindeliger, teils mehr poly- sonaler, dichtgedrängter, mittelgrosser Zellen, die sich oralwärts allmählich mehr und mehr nach der medialen Seite verschieben und: nach vorn zu sehliesslich in das Corpus subthalamieum Luys überleiten. Letzteres ist in allen meinen Fällen unversehrt. Anders steht es mit dem geschilderten Kern dorsal von der eigentlichen Substantia nigra. Fall V zeigt innerhalb desselben auf der verletzten Seite einige sicher degenerierte Zellen, im. ganzen freilich sehr wenig und meist im Kern medial, aber laterodorsal zurVer- letzung gelegen. Viel erheblicher ist. seine Degeneration in Fall IV, ebenfalls nur auf der Seite der Verletzung: Endlich findet sich eine sehr erhebliche Degeneration in Fall III, und hier sind degenerierte: Zellen nicht nur auf der verletzten, sondern ganz zweifellos, wenn auch nur in wenigen Exemplaren, auch auf der gesunden Seite nach- zuweisen. en a Nach Lage der Verletzung kommt als zu diesen Zellen gehörige Bahn wohl einzig der Tractus peduneularis transversus in Betracht. Über eine Marchi-Degeneration dieses Bündels verfüge ich leider nicht, selbst in Fall I ist die Läsion des Kernes zu weit kaudal ge- }) Kohnstamm und Quensel, Über den Kern des, hinteren Längs- bündels usw. Neurol. Zentralbl. 1908 Nr. 6. 2 Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 83 fallen. Nach der Geringfügiskeit der Schollenbildung wage ich nicht, diese als sicheren Beweis aufzuführen, obwohl sie auf der anderen Seite fehlt. Es passt aber die Durchschneidung dieses Faserzuges - nach Topographie und Intensität durchaus zu der Zahl der jeweils degene- rierten Zellen. Meine Auffassung stimmt weiter völlig überein mit der Darstellung, wie sie Bechterew), Kölliker?), Wallenberg?) u.a. von einem Nucleus tractus peduneularis transversi gegeben haben, der zwischen Substantia nigra und Thalamus liest. Der Beweis für einen solchen Zusammenhang wurde hier experimentell mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit erbracht. Nach dem Befunde in Fall III müsste auch die Existenz gekreuzter Fasern des Traetus angenommen werden. Doch mag dahingestellt bleiben, ob es sich nun wirklich, was ja am nächsten liegt, um Fasern des gleichen Systems handelt. Das Ende dieses Faserzuges sucht Kölliker (I. ce.) nach Umkreisung des Corpus genieulatum internum im vorderen Vierhügel. Über degenerative Erfahrungen vermag ich nicht zu be- richten. Nach Befunden an normalen Weigert-Präparaten scheint allerdings die Endigung nahe am ventralen Pol des Corpus geni- eulatum mediale stattzufinden. Wenigstens sieht man hier, dorsal von der Substantia nigra, ein Abbiegen und Auseinanderweichen seiner Fasern. Ganz kurz erwähnt sei noch eine Zellgruppe, die dorsomedial vom Traetus peduneularis transversus liegt, in der Ebene, wo er an der Basis austretend sich anschickt, den Pes pedunculi zu umkreisen. Diese ist in Fall III degeneriert, wie es scheint, im Anschluss an die dorsal davon gelegene Zerstörung medioventraler Thalamus- anteile. Es handelt sich also um eine an der Grenze der Tuber einerum gelegene Zellgruppe. Für die eigentliche Substantia nigra beweisen meine Präparate, besonders in Fall IV, weniger deutlich auch in Fall III, dass deren Zellen ihre Axone dorsal- und dorsomedialwärts schicken, und zwar gegen den Thalamus hin, vielleicht auch, was aber aus meinen Präparaten sich nicht entscheiden lässt, gegen den vorderen Vier- 1) Bechterew, Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark. Leipzig 1899. 2) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1896. 3) Wallenberg, Notiz zur Anatomie des Tractus peduncularis trans- versus. Anat. Anz. Bd. 24 S. 199.. 1904; und Marburg, Obersteiner’s Arbeiten Bd. 10. 6 * 84 ; F. Quensel: hügel hin. Ebenso lässt sich noch nicht fest bestimmen, welche Gebiete des Thalamus als Endigungs-, mindestens als Durchgangs- stätten anzusehen sind. In Betracht kommen die Lamina medullaris externa, Gitterschicht und ventraler bzw. ventromedialer Kern. Einen Übergang von Axonen in den Hirnschenkelfuss lassen meine Präparate nicht annehmen. Überhaupt haben wir bisher nie nach kaudalen Läsionen Degenerationen der Substantia nigra als Beweis längerer absteigender Axone gesehen. Ich will sie damit nicht in Abrede stellen, nur ich selbst habe nichts dafür Sprechendes gefunden '). Meiner Beurteilung entziehen sich auch bei der Kompliziertheit in meinen eigenen Fällen die Angaben von Mona- kow’s?) über Beziehungen des roten Kerns zur Regio hypothalamica. Von den zum Thalamus aufsteigenden Bahnen bedürfen nun noch einer genaueren Besprechung die in der Formatio retieularis aufsteigenden Bahnen, speziell die sogenannten Forel’schen Fascikel. Dass wir den Reichtum von zentripetalen Längsfasern in der Haube, ganz abgesehen zunächst von der Bindearmfaserung, im allgemeinen bei weitem unterschätzen, ist mir mit v. Monakow u. a. ganz zweifellos. Bei den zahlreichen Fasern, welehe Marchi-Präparate z. B. in unserem Fall II, nach Herden in der Haubengegend degeneriert und geschwärzt zeigen, handelt es sich zum guten Teile um solche kurzen Verlaufs, die kettenförmig aufsteigende Leitungen innerhalb der Formatio retieularis darstellen. Ohne mich auf deren hypo- thetische Bedeutung hier einzulassen ?), möchte ich hier nur die aus den degenerativen Erfahrungen sich ergebenden Schlussfolgerungen kurz zusammenstellen. | Zunächst ist es mir bisher nicht gelungen, Zellen darzustellen, welche vom Thalamus aus direkt retrograd in der Formatio reti- eularis in Tigrolyse gerieten, weder in der Vierhügelgegend noch auch kaudaler. In Fall V sind meine Präparate in dieser Hin- sicht nieht, ausreichend. In den anderen Fällen war die mediale Lage der Verletzung nicht günstig. Jedenfalls sind noch weitere Erfahrungen abzuwarten. 1) Malone, Über die Kerne des menschl. Diencephalon. Neurol. Zentralbl. 1910 Nr. 6. 2) v. Monakow,.c. 3) Kohnstamm und Quensel, Centrum receptorium der Formatio reti- cularis. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 36. 1908. Verhandl. d. Gesellsch. deutscher Nervenärzte. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn ete. 35 Um so interessanter ist das Verhalten in Fall III. Von einem Herde aus, der etwa im Niveau des hinteren Vierhügels zentral in der Haube gelegen ist, sind eine ganze Menge von Zellen in der Formatio reticularis der Tigrolyse und Degeneration verfallen. Von diesen sind am auffälligsten: 1. die grossen zentralen Zellen, die im Niveau des Herdes, d. h. eben in der Ebene des hinteren Vier- hügels auf der nicht verletzten Seite, degeneriert sind. Es handelt sich also um Elemente, deren Axone gekreuzt zur und in der Haube des Mittelhirns verlaufen. Dass dieselben nicht zum Vierhügeldach gelangen, erhellt aus früheren Untersuchungen!), in denen sie nach Abtragung der Vierhügel nicht degeneriert waren. 2. Auf der verletzten Seite finden sich weit abwärts im Hirnstamm tigrolytische Zellen ebenfalls ziemlich zentral in der Formatio reticularis gelegen, die anfangs reichlicher, dann an Zahl allmählich abnehmend bis in kaudale Ebenen des Facialiskernes hinabreichen. Es handelt sich also um Zellen mit langhin gleichseitig aufsteigendem Axon. In dieser Hinsicht bietet der Fall eine sehr gute Ergänzung früherer Be- funde!) (Fall I und IV). Ersterer zeigte nach einer Verletzung in der DBrückengegend (Ebenen des Nucl. Deiters) Degenerationen nach abwärts bis zur Hypoglossusgegend, letzterer mit einem weit lateral, und zwar laterodorsal gelegenen Herde an der kaudalen Grenze des hinteren Vierhügels beiderseits degenerierte Zeilen, und zwar gleichseitig im kaudalen Teil der Brücke, gleichseitige und gekreuzte von den Ebenen des F'acialiskernes an hinab bis an die Hypoglossusregion. Bei lateralerem Herde lagen also die Degenerationen im ganzen kaudaler. Nach diesem Befund würde also auch für die For- mmatio reticularis gelten, dass die Fasern längeren Verlaufs von kaudaler gelegenen Elementen in der gleichen Ebene lateraler, die kürzeren im ganzen zentraler gelegen sind. Fasst man im übrigen die Resultate zusammen, die sich bezüg- lich der Kerngruppen in der Formatio retieularis der Vierhügelregion aus den Tatsachen der retrograden Degenerationen ergeben, so dürfte sich unter Hinzuziehung unserer schon in früheren Publikationen niedergelesten Schlüsse etwa folgendes sagen lassen: ‚Die laterodorsal in der Haube gelegenen kleinen Zellen senden ihre Axone grossenteils gleichseitig zum Teetum (hinterer und vorderer '1)Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. 1910. 86 F. Quensel: Vierhügel). Die ventral und lateral gelegenen grossen Zellen scheinen im ganzen ihre Axone zum gekreuzten Tectum aufsteigen. zu lassen (Nuel. paralemniscalis), vielleicht auch zur gekreuzten Haube. Die medialen, dorsalen und meist kleinen Zellen senden ihre Axone teils gleichseitig und teils gekreuzt in die nächste Umgebung. Nicht ganz klar ist bisher das Verhalten der ventromedial vor dem Nuel. reti- eularis tegmenti (oral) gelegenen Elemente. Wahrscheinlich kommen ihnen nur nahe lokale Beziehungen zu. Die Axone der grossen zentralen Zellen steigen zum Teil gleichseitig und gekreuzt aufwärts. Wahr- scheinlich werden auch solehe absteigend verlaufen, doch bedarf es hier noch weiterer eingehender Untersuchungen. Vorläufig muss es genügen, eine gewisse allgemeine Orientierung zu erlangen. Es bleiben nun noch gewisse besondere Zellengruppen zu be- rücksichtigsen. Hochgradig degeneriert, und zwar beiderseitig in Fall II, ist der Nucleus retieularis tegmenti (Bechterew). Es entspricht das durchaus unseren früheren Erfahrungen und würde sich auch mit hypothetischen Deutungen, die wir früher einmal ver- sucht haben !), wohl vereinigen lassen. Ob die Axone dieser Zellen wirklich zu den Augenmuskelkernen, ob sie zu deren Umgebung, etwa zum Dach der Vierhügel oder deren Haube gelangen, steht noch dahin. Jedenfalls ist bisher (vel. Fall IV und V) ein Auf- steigen bis zum Thalamus nicht nachweisbar. Die Raphekerne der Brücke und Oblongata waren in allen Fällen intakt. Sie senden ihre Axone, soweit wir wissen?), im wesent- lichen abwärts. Eine besondere Stellung kommt gewissen kleinen Zeilen zu, die etwa in der Gegend des Überganges vom vorderen zum hinteren Vierhügel ziemlich zentral in der Raphe gelegen sind, entsprechend etwa der Bezeichnung Lewandowsky’s®): Nucleus eentralis superior. Ich finde dort in allen meinen drei Fällen klar degenerierte Zellen. Sie haben also Beziehungen zu medialen und kaudalen Gebilden der Thalamusregion. Ein klares Bild über den Verlauf ihrer Fasern habe ich mir bisher nicht machen können. 1) Kohnstamm und Quensel, Zur Innervation der Augenbewegungen. Versamml. deutscher Naturf. und Ärzte. Cöln 1908. 2) Kohnstamm, Über die Koordinationskerne des Hirnstarames usw. Monatsschr. f. Psychiat. u. Neurol. Bd. 8. 1900. 3) Lewandowsky, Untersuchungen über die Leitungsbahnen des Truncus cerebri. Neurol. Arbeiten Bd. 1 S. 2. Jena 1904. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 87 ‚ Eindeutig und klar aber sind die Aufschlüsse, die sich über ge- wisse auf das Riechsystem bezogene Zellgruppen erhalten lassen. Ich meine in erster Linie das Ganglion tegmenti profundum von Gudden. Dasselbe ist in Fall III und V total degeneriert, und zwar gleichseitig zur Verletzung. In Fall IV ist es beiderseits in- takt. Die Lage der Verletzung ist so, dass in Fall III und V gleich- zeitig als einzige in Betracht kommende Bahn der Pedunculus cor- 'poris mammillaris durchschnitten ist. Nehme ich hinzu, dass in Fall II bei totaler Degeneration der Ped. corp. mammillaris, soweit sich das an Marchi- Präparaten sehen lässt, ebenfalls das Ganglion profundum tegmenti hochgradig reduziert ist, so darf ich doch wohl den‘ Beweis als hinreichend geführt betrachten für die Behauptung. der Pedunculus corporis mammillaris entspringt aus dem Ganglion tegmenti profundum. Über den Verlauf dieses Faserzuges herrscht jetzt insoweit Einigkeit, dass die noch von Kölliker [übrigens teilweise auch noch von Dejerine!)] vertretene Anschauung von einem deszendierenden ‘Verlauf allseitig verlassen ist. Wallenberg?) hat zuerst den auf- steigenden Verlauf mit der Marchi-Methode dargestellt, leitet das Bündel aber z. T. aus den Hinterstrangkernen ab. Probst, auch Lewandowsky°) führen es auf nicht näher bekannte Gebiete ‚der Haube zurück. Wie ich dort ersehe, hat schon Hatschek es aus dem Gangl. profundum Gudden’s abgeleitet. Immerhin: ist der Verlauf eigenartig, insofern die Fasern zuerst lateral und ventralwärts, dann wieder im Bogen medioventralwärts zur medialen Schleife hinziehen, diese ventral umgreifen und dann auf- steigen. Eine sehr schöne Degeneration des Bündels wies übrigens auch unser*) früherer Fall V auf. Für den Verlauf bezeichnend ist, dass in meinem jetzigen Fall III die Unterbrechung offenbar nicht in der Haube, sondern an der Basis zwischen den Hirnschenkeln erfolgt ist. Die retrograde Degeneration ist streng gleichseitig, die ‘Marchi-Präparate in Fall II ebenso wie früher in Fall V *) ergeben, wie bei Lewandowsky, leichte Bildung feiner Schollen auch im ge- kreuzten Bündel; doch ist fraglich, ob es sich da um eine wirkliche 1) Dejerine, Anatomie des centres nerveux. II. Paris 1905. 2) Wallenberg, Notiz über einen Schleifenursprung des Pedunculus corporis mammillaris. Anat. Anzeiger Bd. 16 S. 156. 1899. 3) Lewandowsky, I. e. 4) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des, Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. 1910. fote) F. Quensel: Degeneration handelt. Ich bemerke noch, dass eine Degeneration des Ganglions selbst bei den ausgedehntesten kaudaleren Läsionen sich nie gefunden hat. In Fall III findet sich weiter eine partielle Degeneration des Ganglion superficiale tegmenti, d. h. die eines runden Kerns, der ganz dieht neben der Mittellinie im zentralen Höhlengrau dorsal vom Ganglion profundum gelegen ist. Dasselbe bildet die direkte Fort- setzung des letztgenannten und ist insoweit wie dieses gleichseitig in seinen ventralen Partien degeneriert. Ausserdem ist es kaudal zum kleinen Teile selbst direkt geschädigt, so dass ich über seine weiteren Beziehungen nichts anzugeben vermag. Es stellt sich fast dar wie ein Teil des räumlich ja mit ihm zu- sammenhängenden zentralen Höhlengraus. Lediglich aus diesem Grunde habe ich letzteres an dieser Stelle eingefügt, unbeschadet seiner offenbar ganz andersartigen generellen Stellung. Über seine Verhältnisse, Bau, Beziehungen, Faserung haben wir ja bisher nur recht unvollkommene Vorstellungen. Wenigstens in einer Beziehung geben hier wieder die Befunde des Falles III einen Hinweis. Wir finden kaudal von der kleinen, zentral im Höhlengrau bzw. im Ganglion superfieiale tegmenti gelegenen Verletzung die Degeneration eines weiteren, auch ganz medial an der Raphe und im zentralen Höhlengrau zwischen den beiden Nucleis loci coerulei gelegenen Kernes. Es laufen also von letzterem aus ganz zweifellos oral- gerichtete Faserzüge im zentralen Höhlengrau und zu Teilen des- selben. Man könnte sie wohl als Teil eines Fasciculus longitudi- nalis grisei centralis im Sinne von Schütz ansehen. Im Ganglion interpeduneulare ist es mir bisher nicht gelungen, erheblichere und hinreichend klare Degenerationen nachzuweisen. Schon die Zellform und Färbbarkeit macht hier grosse Schwierig- keiten. Selbst in Fall III ist trotz der direkten Läsion des Gang- lions, und obsehon der von Ganser aufgefundene Faserzug aus dem Ganglion haubenwärts [Kölliker!)] gerade zerstört sein muss, nur eine ganz unsichere Beteiligung der Zellen auffindbar. Der Zerstörung des zum Ganglion interpedunculare absteigenden Fascieulus retroflexus von Meynert entspricht, wie zu erwarten, eine allerdings nicht totale Degeneration des Ganglion habenulae speziell im Fall V. ' 1) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1896. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 89 Das Corpus mammillare weist trotz der grossen Nähe der Verletzung nur ganz geringfügige Degenerationen auf. Im Ganglion mediale liegen sie in Fall III und V dorsal, nächst der Verletzung, vielleicht aber auch zum Teil abhängig von einer Mitbeteiligung des Fascieulus tegmentomammillaris. Die leichte dorsale Zelldegeneration im Ganglion laterale hängt offenbar nur von einer direkten Ver- letzung der Zellen ab. Jedenfalls sind diese Dinge überaus gering- fügig. _ Mit einigen Worten wäre schliesslich noch der Verhältnisse des Kleinhirnsystems zu gedenken. Die Degeneration im Brückengrau (Fall III) entspricht seiner direkten Verletzung bzw. der medialen Durehtrennung der Brückenquerfasern. Sie ist demgemäss eine doppelseitige. Von den oraleren Verletzungen aus (Fall IV u. V) hat nie eine Degeneration daselbst stattgehabt. Von zentralen Kleinhirnkernen haben wir beim Kaninchen früher !) drei unterschieden, den medialen Nucleus tecti, den ' Jateralen Nucleus dentatus und einen mittleren, einheitlichen, wenn man will, auf Frontralschnitten keilförmigen, den Nucleus intermedius. Der Nucleus tecti ist nun in allen Fällen intakt. Der Nucleus intermedius verhält sich schon rein topisch wie eine unmittelbare Fortsetzung des Nucl. angularis nervi vestibularis ins Kleinhirn. Er teilt auch nach meinem jetzigen Befund wieder dessen Schicksal. So weist er in Fall III beiderseits eine Anzahl degenerierter Zellen auf. Wir haben früher schon der Vermutung Ausdruck verliehen, dass gerade dieser Kern Ausgangsort der Binde- arımfasern zu den Augenmuskelkernen, Nervi oculomotorii und troch- learis ist, wie sie von Klimoff und Wallenberg zuerst be- schrieben, von Lewandowsky als besonderer Traetus pontis ascendens gedeutet sind. Diese Fasern sind in meiner jetzigen Marchi-Serie II und ebenso in Fall V unserer früheren Publikation ?) aufs klarste zu erkennen. Der Nucleus dentatus ist auffallenderweise als Ursprungsort der Bindearmfasern wenig beteiligt. In Fall III ist er auf der nicht ver- 1) Kohnstamm und Quensel, Über den Kern des hinteren Längs- bündels usw. Neurol. Zentralbl. 1908 Nr..6. — Kohnstamm, Zentrale Ver- bindungen der Vestibulariskerne. Verhandl. d. pbysiol. Gesellsch. zu Berlin. 17. Januar 1908. Zentralbl. f. Physiol. 1908. 2) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. 1910. 90 F. Quensel: letzten Seite lateroventral erheblicher degeneriert. In Fall V finden sich höchstens ganz lateral und ventral einige degenerierte Zellen auch auf der nicht verletzten gekreuzten Seite. Hier liest die Ver- letzung im Thalamus aber immerhin so, dass sie die Bindearmfasern bei ihrer Ausstrahlung im dorsomedialen Abschnitt des ventralen Kernes treffen müsste. Angesichts dieses Missverhältnisses könnte man versucht sein die weit erheblichere Degeneration in Fall III zu beziehen auf eine Läsion des Bindearms in seinen kaudal kreuzenden Fasern durch das vordere Ende der Erweichung in der Haube. Wir wissen ja, und dafür sprachen auch meine Marchi-Präparate wieder, dass der Bindearm jedenfalls einen grossen Teil seiner Fasern im roten Kern der Haube lässt. Jedenfalls bedarf auch die Frage der retrograden Degeneration des Nuel. dentatus vom Thalamus aus noch einer sehr genauen Nachprüfung. Die Verhältnisse der Flokkenkommissur Wallenbergs zeigt Fall II in schönster Weise durchaus konform den Angaben Wallenbergs!). Ähnlich findet sich diese degeneriert in Fall V?). Fasse ich zum Schlusse ganz kurz die Hauptergebnisse meiner Untersuchung zusammen, so dürften es etwa folgende sein: 1. Im Kern der absteigenden Trigeminuswurzel lassen sich, und zwar bis hinab mindestens zu den Ebenen der Nucl. nervi hypoglossi, Zellen nachweisen, deren Axone gekreuzt bis hinauf in ventromediale Thalamusabschnitte gelangen. 2. Zerstörung des Corpus geniculatum internum lässt das Gang- lion des hinteren Vierhügels intakt, ruft dagegen retrograde Zell- degenerationen hervor im Kern der lateralen Schleife und in grossen Zellen, welehe zwischen diesem und dem Ganglion des Vierhügels gelegen sind. 3. Die Zellen der Substantia nigra senden, nach den retrograden Degenerationen zu schliessen, ihre Axone wesentlich in die ventralen Thalamusabschnitte derselben Seite. 4. Dorsal von der Substantia nigra liegt eine Zellgruppe, die nach Durchschneidung des Traetus peduneularis transversus degene- riert, hauptsächlich gleichseitig, in einzelnen Exemplaren sicher auch 1) Wallenberg, Anat. Anzeiger Bd. 22. 1905. 2) Kohnstamm und Quensel, Studien zur physiol. Anatomie des Hirn- stammes. II. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. 16. 1910. Untersuchungen über die Tektonik von Mittel- und Zwischenhirn etc. 9] gekreuzt. Man kann dieselbe daher gut als Nucleus traetus pedun- eularis transversi bezeichnen. 5. Die grossen Zellen zentral in der Formatio retieularis der Vierhügelresion entsenden zum Teil ihre Axone gekreuzt zur Haube, vielleicht auch zum Tectum der gegenüberliegenden Seite. Vom Thalamus her hat sich eine Degeneration dieser oder homologer Elemente bisher nicht feststellen lassen. Dagegen liegen zentral in der formatio reticularis von der Vierhügelregion abwärts bis hinab an das kaudale Ende des Facialiskernes grosse und mittelgrosse Zellen, deren Axone gleichseitig in der Formatio retieularis auf- steigen. Dass dieselben bis zum Thalamus hinaufgelangen, hat sich, bisher wenigstens, nicht nachweisen lassen. Lateralere Verletzung der Vierhügelhaube lässt kaudalere Zellen, von den kaudalen Ebenen des Facialiskernes abwärts, und zwar beiderseits, zur Degeneration gelangen. Auch hier erscheint also eine exzentrische Lagerung der langen Bahnen gesichert. Über die Zellverteilung im übrigen lassen sich vorläufig nur gewisse allgemeine Grundsätze aufstellen. 6. Der Peduneulus corporis mammillaris entspringt aus dem Ganglion profundum tegmenti von Gudden und verläuft von da aus gleichseitig zum Ganglion laterale des Corpus mammillare. Seine Durchschneidung lässt das Ganglion profundum gleichseitig, isoliert und total degenerieren. 7. Im zentralen Höhlengrau ganz oral am Boden des vierten Ventrikels, und zwar unmittelbar neben der Mittellinie liest ein Kern, dessen Axone nach Art eines Faseieulus longitudinalis Grisei centralis aufwärts ziehen zum Boden des Aquaeduetus Sylvii mindestens in die Höhe des hinteren Vierhügels. Durchschneidung daselbst lässt den gleichseitigen Kern total degenerieren. Herrn Geheimen Rat Prof. Hering, für dessen Festschrift (Bd. 136 des Archivs) diese Arbeit bestimmt war, spreche ich auch an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank dafür aus, dass er mit den Mitteln seines Instituts mich bei diesen Untersuchungen wie auch bei anderen stets in liebenswürdigster Weise gefördert hat. F. Quensel: Untersuchungen über die Tektonik ete. Figurenerklärung. Ag. $. = Aquaeductus Sylvii. Br. conj. cer. = Brachium conjunetivum cerebelli. Cer. — Cerebellum. C. gen. i. = Corpus geniculatum mediale. C. gen. lat. = Corpus geniculatum laterale. C.H.Gr. —= Centrales Höhlengrau. Cp. mamm. — Corpus mammillare. C. q. a. = Corpus quadrigeminum anticum. C. q. p. = Corpus quadrigeminum posticum. Comm. — Commissura posterior. ' Dec. brach. conj. = Bindearmkreuzung. f. th. m. = Faseiculus thalamo-mammillaris. f. t. m. = Fasciculus tegmento-mammillaris. f. M. = Fascieulus Meynert. .forn. = Fornix. Ggl. hab. = Ganglion habenulae. ggl. interped. —= Ganglion interpedunculare. ggl. med. corp. mam. — Ganglion mediale corporis mammillaris. ggl. pontis = Ganglion pontis. ggl. prof. tegm. — Ganglion profundum tegmenti. ggl. superfic. tegm. — Ganglion superficiale tegmenti. G.sch. — Gitterschicht. H.L.B. — hinteres Längsbündel. H.L.B.K. — Kern des hinteren Längsbündels. l. 1. = Lemniscus lateralis. l. m. — Lemniscus medialis. nerv. III —= Oculomotorius. nucl. post. th. — Nucleus posterior thalami — dorsalis. nucl. v. oder ventr. th. — Nucleus ventralis thalamıi. nucl. retic. tegm. = Nucleus reticularis tegmenti. nucl. rub. = Nucleus ruber. ped. corp. mam. — Pedunculus corporis mammillaris. pes. ped. = Pes pedunculi cerebri. Py. — Pyramidenbahn. ped. flocc. = Pedunculus floceuli. S. n. = Substantia nigra. tr. II = Tractus opticus. tr. ped. tr. — Tractus peduncularis transversus. tr. rubrosp. — Tractus rubrospinalis. V.d. A. = Fasc. Vieq. d’Azyr. V.3 = Ventriculus tertius. III. — Nucleus oculomotorius. 93 ‚Aus der I. mediz, Klinik der deutschen Universität in Prag,) Die Lävulosurien. Von Dr. Oskar Adler, klinischem Assistenten. (Subventioniert von der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) \ Einleitung. Die reine chronische Lävulosurie ist eine Störung des Kohlehydratstoffwechsels, bei welcher während einer längeren Beob- achtungszeit bei gewöhnlicher, gemischter Kost regelmässig Lävu- lose (d-Fruktose, Fruchtzucker) als alleiniger Zucker im Harn ausgeschieden wird. So wie die reine chronische Pentosurie wird auch jene Stoffwechselstörung gelegentlich mit dem Diabetes mellitus verwechselt, was bei der chronischen Lävulosurie um so leichter ge- schehen kann, als in der Mehrzahl der bisher bekannt gewordenen Fälle diabetische Symptome bestanden haben. Derartige Verwechs- lungen sind nicht so schwerwiegend zu beurteilen als diejenigen zwischen Diabetes mellitus und chronischer Pentosurie, welch letztere Anomalie eine durchaus günstige Prognose zu bieten scheint und zudem ohne wesentliche Krankheitserscheinungen verläuft, so dass die damit Behafteten in praxi gar nicht als krank aufzufassen sind. Dagegen tritt die reine chronische Lävulosurie bei der Mehrzahl der sichergestellten Fälle — es sind mir bisher im ganzen sieben bekannt geworden — als Krankheit in Erscheinung. Die diabetische Lävulosurie, das. gleichzeitige Vorkommen von Lävulose neben Dextrose bei Diabetikern, wird. von einer Reihe von Forschern (Rosin und Laband, L. Schwarz u.a.) als sehr verbreitet, ja, beim schweren Diabetes als ein regelmässiger Befund angesehen, während andere Autoren (Borchardt, Verfasser) dieselbe als eine Seltenheit ansehen und den einwandfreien 94 Oskar Adler: Nachweis von Lävulose in der Mehrzahl der Fälle nicht für er- bracht halten. Auf die alimentäre Lävulosurie, die bei funktionellen Er- krankungen der Leber leicht eintritt und nur in einem geringen Prozentsatz der Fälle bei andersartigen Erkrankungen oder bei an- scheinend Gesunden hervorgerufen werden kann, wollen wir in folgendem nur kurz hinweisen. — Ich habe in dieser Arbeit das grosse Material von Diabetiker- harnen, das mir zur Verfügung stand — in den letzten sieben Jahren 1490 Fälle — auch in Hinsicht auf das Studium der Lävulosurien zu verwerten gesucht; nur durch eine einheitliche, systematische Untersuchung kann ein Urteil über das Vorkommen dieser Stoff- wechselstörung erlangt werden. Zugleich habe ich mich in me- thodischer Hinsicht mit dem Nachweis der Lävulose bei diesen Stoffwechselstörungen befasst und bin auf das Verhalten und gewisse Eigenschaften dieser Zucker insoweit eingegangen, als es mir zur Lösung einiger strittiger Fragen auf diesem Gebiete notwendig schien. Auf eine kritische Darstellung der Entwicklung unserer Kenntnis über die Lävulosurien konnte deshalb nicht verzichtet werden, weil nur so die einzelnen Fälle sichergestellt werden können und wir nur durch den Zusammenhalt der bei den einwandfreien Fällen be- schriebenen pathologischen Erscheinungen zu einer einheitlichen Auffassung über die Pathogenese dieser seltenen Stoffwechsel- störung gelangen können. Geschichtliches über die Lävulosurien. Die. Geschichte der Lävulosurie ist so alt wie die Geschichte der Zirkularpolarisation des Harns. Im Jahre 1840 hielt Biot!), der he der Zirkular- polarisation, in der Akademie der Wissenschaften in Paris einen Vortrag: „Sur l’emploi des caracteres optiques, comme diagnostie immediat du diabete sucre.“ Daselbst berichtete er unter anderem von einem Patienten mit diabetischen Symptomen (starker Durst, Polyurie), dessen Harn trotzdem eine Ablenkung nach rechts am Polarisationsapparate nicht aufwies. Wiewohl es nun durch ein- gehende Nachforschungen als feststehend betrachtet werden kann; 1) Biot, Compte rend. de l’Academie des sciences. Pi&ce de la seance du. 28. decembre 1840. ANUeN a Die Lävulosurien. 095 dass es sich bei dem Patienten, dessen Harn Biot untersuchte, um einen Fall von Diabetes insipidus!) gehandelt hat und der Harn also überhaupt nicht zuckerhaltig war — der Gedanke an die Lävulosurie war da. Denn schon nach etwa einem Jahre beobachtete Ventzke?) „einen ähnlichen Fall“. Er schreibt über diesen Fall folgendermaassen: „Der Harn war unzweifelhaft zuckerhaltig, denn er gärte sogleich lebhaft nach Zusatz von Hefe; dennoch statt eine Ablenkung nach rechts zu zeigen, wurde vielmehr eine von eineinhalb Graden nach links beim entfärbten Harn be- obachtet, und es bedurfte eines namhaften Zusatzes von Traubenzucker, um die Polarisation nach: links zu neutralisieren. Man kann hier entweder mit Biot annehmen, dass ein anderer Stoff im Harn, der eine Ablenkung nach links ‚be- sitzt, diese Wirkung hervorbrachte, oder es gibt wirklich, wie manche Beobach- tungen vermuten lassen, (Fälle)?), wo sich ein unkristallinischer, also wahr- scheinlich Fruchtzucker in der Diabetes bildet, was ebenfalls die Ablenkung nach links erklären würde.“ ‘Die Beschaffenheit des Harns änderte sich übrigens, wie Ventzke weiter mitteilt, plötzlich, und es trat Rechtsdrehung ein. In der Folgezeit (1871) wies Gorup Besanez‘*) darauf hin, dass sich zuweilen im diabetischen Harn eine beträchtliche Menge eines „unkristallisierbaren“ Zuckers findet, der sich in bezug auf sein Drebungsvermögen. wie Fruchtzucker verhält. Diese Angabe lässt sich übrigens viel weiter zurückverfolgen und findet schon in der Chemie von Löwig?) (1846) Erwähnung. Nachher (1876) beobachtete C. Zimmer‘) im Harn eines Diabetikers (neunundzwanzigjähriger holländischer Militärarzt) neben 1) Vgl. Worm-Müller, Die Bestimmung des ‚Traubenzuckers im Harn mittels des Soleil-Ventzke’schen Polarimeters und die links drehenden Sub- stanzen. Pflüger’s Arch. Bd. 35 S. 76 (1855). Zur Klarstellung dieses Falles hat Dr. Wulfsberg auf Veranlassung Worm-Müller’s in Paris über 200 Ab- handlungen Biot’s nachgelesen. Auch ich konnte bei der Durchsicht der dies- bezüglichen Arbeiten von Biot keine Stelle finden, die die Annahme recht- fertigte, dass Biot — wie später Ventzke annahm — die fehlende Rechts- drehung in diesem Falle durch die gleichzeitige Gegenwart linksdrehender Sub- stanzen — etwa durch Lävulose — erklärt hätte. 2) Ventzke, Journ. f. prakt. Chem. Bd. 25 S. 80. I. 1842. 3) Ergänzt. Adler. 4) v. Gorup-Besanez, Anleitung zur qualitativen und quantitativen zoo- chemischen Analyse S. 131. 1871. 5) Löwig, Chemie. organ. Verbindungen Bd. 1 8.492. 1846. 6) C. Zimmer, Deutsche med. Wochenschr. 2. Jahrg. Nr. 28 S. 329. 1376. 96 Oskar Adler: Dextrose eine linksdrehende Zuckerart, die er als Lävulose ansprach. Beweis: Linksdrehung, erhebliche Differenz zwischen Titrations- und Polarisationswert; titriert: 9,8 %/o Zucker, Polarisation: — 2,200 (auf Traubenzucker). Gärungs- und andere Proben wurden nicht angestellt. Wiewohl die starke Linksdrehung nach dem heutigen Stande unseres Wissens über diesen Gegenstand für das Vorhanden- sein von Lävulose sprechen würde, so könnte andererseits die er- hebliche Differenz zwischen Titrations- und Polarisationswert noch in anderer Weise erklärt werden, als dass es sich um ein Gemisch von Dextrose und Lävulose gehandelt haben müsse. Die von Zimmer erhaltenen Polarisationswerte sind nämlich insofern an- fechtbar, als er den Harn vor dem Polarisieren „mit Bleiessig voll- ständig entfärbt hatte“. Wie im experimentellen Teile unserer Arbeit gezeigt wird, ist aber Lävulose (ebenso wie Dextrose) im Harn durch Bleiessig fällbar, so dass die auf diese Weise ermittelten Polarisationswerte zu Resultaten führen, die den tatsächlichen Ver- hältnissen nicht entsprechen. Übrigens weist Külz!) mit Rücksicht darauf, dass wichtige Reaktionen (Gärung u. a.) unterlassen wurden, darauf hin, dass der von Zimmer geführte Nachweis, „dass es sich wirklicb um Lävulose handle, durchaus ungenügend geführt wurde“; wiewohl Külz die Möglichkeit, dass es sich um Lävulose gehandelt habe, nicht bestreitet. In einer Besprechung der Arbeit von Külz teilt Röhmann?) einen weiteren Fall von Lävulosurie mit, den aber Külz°) in der Folge ebenfalls für unbewiesen hält, weil die angewendeten Proben für einen sicheren Nachweis ungenügend seien. ; Der Fall von Zimmer diente auch F. Czapek*) zum Gegen- stande einer Mitteilung. Die Untersuchungen Czapek’s lassen eher die Annahme zu, dass es sich um ein Gemisch von Dextrose und Lävulose gehandelt haben könne. Es läge dann ein Fall von diabetischer Lävulosurie vor. Der Patient litt an ausgesprochenen diabetischen Erscheinungen und war auch familiär belastet. 1) Külz, Zeitschr. f. Biol. Bd. 20 S. 165. 1884. 2) Röhmann, Zentralbl. f. klin. Med. 1884 S. 35. 3) Külz, lee 1. Biol. Bd. 27 S. 228. 1890. 4) F. Czapek, Prager med. Wochenschr., 1. eins, Nr. 13 S. 245 nd Nr. 14 S. 265. 1876. Die Lävulosurien. 97 Die Befunde von Üotton!) sowie von Personne und Henninger?) über ‚linksdrehenden Zucker in ikterischen Harnen sind nicht genügend charakterisiert. Nun komme ich zur Besprechung des Falles von Seegen?), des prägnantesten, den die ältere Literatur über die Lävulosurie ‚aufzuweisen hat. Dieser -Fall, der nach dem heutigen Stande unseres Wissens zweifellos als Lävulosurie anzusehen ist, war bis in die neueste Zeit lebhaft umstritten auf Grund einer irrtümlichen Anschauung über die Fällbarkeit der Lävulose durch Bleiessig ‘im Harn. Im Jahre 1884 hatte Seegen bei einer als diabetisch zur Kur nach Karls- bad gesandten schwedischen Dame die Beobachtung gemacht, dass ihr Harn eine ‚reduzierende, gärfähige Substanz enthalte, die das polarisierte Licht nach links drehte. Nach seinen Versuchen kam Seegen zu dem Schlusse, dass diese Sub- stanz „unzweifelhaft“ Lävulose sei. Diese Gelegenheit benützte später Külz‘) um an dem Seegen’schen Falle seine Versuche über die fragliche linksdrehende Substanz fortzusetzen. Nach seinen Untersuchungen folgerte er, dass das Ver- halten gegen Hefe, der süsse Geschmack der isolierten Substanz und die Resultate ‘der Elementaranalyse zur Annahme berechtigten, dass diese fragliche Substanz ein wahrer Zucker von der Zusammensetzung C,H75s0, sei, und dass wohl die Linksdrehung, die Abnahme derselben bei steigender Temperatur, die Gewinnung des Phenylglykosazons und der positive Ausfall der Seliwanoff’schen Probe für Lävulose sprechen würden. „Gegen Lävulose würde sprechen die Fällbarkeit der aktiven Substanz durch Bleiessig.“ Külz über- zeuste sich nämlich an reiner kristallisierter Lävulose, die ikm von Prof. .Tollens zur Verfügung gestellt wurde, dass Lävulose, sowohl in wässeriger Lösung als auch dem normalen Harn zugesetzt, durch Bleiessig nicht aus- . gefällt werde. Ganz anders verhielt sich nun nach Külz’ Versuchen der linksdrehende Zucker in dem von Seegen untersuchten Harne. Dieser Zucker war aus dem Harne durch Bleiessig grösstenteils fällbar. Die von Külz geäusserten Zweifel, die auch von anderen Autoren .(Huppert’, Thierfelder‘) übernommen wurden, sind nunmehr insofern widerlegt, als O. und R. Adler”) zeigen konnten, dass — im Gegensatze zu der Anschauung von Külz — sowohl die kristallisierte, dem Harn zugesetzte Lävu- 1) Cotton, Bull. de la soc. chim. 1830 p. 546. 2) Personne et Henninger, Bull. de la soc. chim, 1880 p. 547. 3) Seegen, Zentralbl. f. d. med.!Wissensch. 1884 S. 753. 4) Külz, Zeitschr. f. Biol. Bd. 27 S. 228. 1890. 5) Huppert, Analyse des Harns S. 126 u. 129. 1898. 6) Hoppe-Seyler-Thierfelder, Physiologische und pathologische Analyse S. 98. 1903. er N) 0. u. R. Adler, Ber: d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 38 'S. 1164 und Pflüger’s Arch. Bd. 110 S. 99. 1905. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 7 98 Oskar Adler: lose als auch die natürliche, im Harn vorkommende, durch Bleiessig aus dem Harn in beträchtlichen Mengen gefällt werden. — Die Lävuloseausscheidung war in dem Falle von Seegen abhängig von der Zufuhr von Amylaceen; bei Beschränkung derselben sank sie auf ein Minimum herab. Worm Müller!) hat sich (1885), ohne die ein Jahr vorher erschienene Mitteilung von Seeegen zu kennen, mit Doppel- bestimmungen (Polarisation und Titration) diabetischer Harne be- schäftigt (über 200 Bestimmungen). Auch hatte er in einigen Fällen Linksdrehung (bis 1,4 °/o der Traubenzuckerskala) zuckerhaltiger Harne beobachtet, ohne jedoch bei seinen Fällen den Schluss auf die Gegenwart von Lävulose zu ziehen. Und das mit Recht, da in einem solchen Falle, der näher untersucht wurde, die Linksdrehung nach der Vergärung des Zuckers erheblich zunahm (ß-Oxybutter- säure). Bedeutend höhere Titrationswerte gegenüber der Polarisation sind übrigens schon viele Jahre vorher von Wieke und Listing?) (1855), des weiteren von Tsehnernoff?) (1865) und Pillitz‘) (1871) beobachtet worden. Neuerdings erhielten jedoch Funk?) und L. Borehardt‘) nach dem Verfahren von Bertrand zwischen Titration und Polarisation gut übereinstimmende Werte. 1896 veröffentlichtte R. May einen Fall von Lävulosurie (sechszehnjähriger Mann; Myelitis transversa mit Cystitis).. Neben Lävulose wurde auch Traubenzucker ausgeschieden. Doch scheint der Beweis, dass es sich hier um eine primäre Ausscheidung von Lävulose gehandelt habe, nicht erbracht, und es muss die Möglichkeit offen gelassen werden, dass in diesem Falle Lävulose beim Verweilen des Harns in der Blase oder bei der nachherigen Verarbeitung aus Dextrose entstanden sein könne, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Der Harn reagierte bei der Ent- leerung stark alkalisch, wodurch schon in der Blase Dextrose in Lävulose verwandelt werden konnte. Die von Lobruy de Bruin und van Eckenstein?°) entdeckte Um- 1) Worm Müller, Pflüger’s Arch. Bd. 35 S. 76. 1885. 2) Wicke und Listing, Zeitschr. f. ration. Med., neue Folge, Bd. 6 S.316. 1855; vgl. Dub, Dissertation. Berlin 1902. 3) Tschernoff, Sitzungsber. d. k. k. Gesellsch.| d. Wissensch. in Wien Bd. 51 S. 102, 2. Abt. 1869. 4) Pillitz, Zeitschr. f. analyt. Chemie, 10. Jahrg., S. 465. 1871. 5) Funk, Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 56 S. 507. 1908. 6) Borchardt, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 55 S. 41. 1908; Bd. 60 Ss. 411. 1909. 7) R. May,. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 57 S. 279. 1896. 8) Lobruy de Bruin und van Eckenstein, Recueil des travaux chim. des Pays-Bas p. 15. Die Lävulosurien, 99 wandlung von Dextrose in Lävulose unter dem Einfluss alkalischer Reaktion ist im Harne von J. Ritzema!) studiert worden. Sie geht vor sich beim Stehenlassen des Harns durch die auftretende alkalische Reaktion besonders bei 37°, und der Autor schliesst daher mit Recht, dass man Lävulosurie als primären Zustand bei alkalischer Reaktion des Harns nicht annehmen darf. 2. Durch die eingehaltene Methodik bei der Verarbeitung des Harns konnte eine Umwandlung von Dextrose in Lävulose bewirkt werden. Der Harn wurde zur Konservierung mit Salzsäure versetzt, stehen ge- lassen [Umwandlung von Dextrose in Lävulose durch Mineralsäuren, H. Rosin?), Ost?°)], sodann wurde mit Natronlauge alkalisch gemacht (Umwandlung von Dextrose durch Alkalien), im weiteren Verlaufe die Lösung mit verdünnter Schwefelsäure versetzt: Eingriffe, die eine Verwandlung von Traubenzucker in Lävulose bewirken konnten. May beobachtete übrigens selbst, dass die bei einem Versuche isolierte rechtsdrehende Substanz bei längerem Stehen spontan links drehend wurde. Von Interesse erscheint der Hinweis May’s auf die Unter- suchungen von Svoboda*) über die Fällbarkeit von Zucker in salzhaltigen Lösungen durch Bleiessig; im Anschluss daran hat May die Möglichkeit, dass auch im Harn derartige Verhältnisse obwalten könnten, erwogen. Versuche wurden aber in dieser Richtung nicht gemacht. Die vielfach erwähnten Fälle von Marie und Robinson’) (Reduktion und Linksdrehung bei zwei Melancholikern) erscheinen nicht genügend charakterisiert. Die Kenntnis, dass sich bei Leberkranken in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach Lävulosezufuhr (100 g auf nüchternen Magen) alimentäre Lävulosurie herbeiführen lasse, verdanken wir den grundlegenden Beobachtungen von H. Strauss®). Diese Beobachtungen sind seither von zahlreichen Autoren bestätigt worden, so dass in der alimentären Lävulosurie neben ihrer theoretischen Bedeutung ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel zur Funktions- “ prüfung der Leber vorliegt. HR. Rosin und L. Laband’) teilten im Jahre 1902 eine ein- 1, J. Ritzema, Dissertation. Groningen 1905. Referat Maly, Jahresber. d. Tierchem. Bd. 35 8. 824. 2) H. Rosin, Salkowski-Festschrift S. 105. 1904. 8) Ost, Zeitschr. f. angew. Chemie Bd. 18 H. 30. 1905. 4) Svoboda, Zeitschr. d. Vereins d. deutsch. Zuckerindustrie Bd. 46 S. 107. 5) P. Marie et Robinson, Semaine me&dicale. 1897, und Robinson, La presse medicale p. 77. 1898. 6) H. Strauss, Berliner klin. Wochenschr. 1898. 7) H. Rosin und L. Laband, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 47 S. 183. 1902. 7 109 Oskar Adler: gehende Studie über spontane Lävulosurie und Lävulosämie mit. Sie fanden, dass im diabetischen Harn sehr häufig neben Dextrose Lävulose ausgeschieden wird, und sie bezeichnen daher die Lävulose als einen wichtigen Faktor in der diabetischen Stoffwechselstörung. Sie fanden die Seliwanoff’sche Reaktion fast ausnahmslos positiv in zuckerreichen Harnen, doch fehlte sie auch nicht in Harnen mit geringerem Zuckergehalt. Zur Anstellung der Seliwanoff’schen Reaktion wurden gleiche Teile Harn und starke Salzsäure verwendet, eine Konzentration, die nach den Fest- stellungen von Ofner!) so hoch erscheint, dass auch Dextrose einen positiven Ausfall der Probe geben kann. Der sichere Nachweis der Lävulose als Methyl- phenylosazon kann nicht als erbracht angesehen werden, da, wie zuerst Ofner?), dann Ost°) und auch Neuberg‘) selbst berichten, die Reaktion nur dann ein- wandfrei ist, „wenn sie unter bestimmten Bedingungen angestellt wird“ (Neu- berg). Diese Bedingungen scheinen aber in den angeführten Versuchen von Rosin und Laband nicht erfüllt zu sein. Weiterhin beschreiben Rosin und Laband in der angeführten Mitteilung einen Fall, der wohl als reine chronische Lävulosurie aufgefasst werden kann (Sljährige Frau mit diabetischen Be- schwerden).. Die Lävulosurie war in diesem Falle alimentär nicht zu beeinflussen. In dem von Spaeth und Weil?) (1902) beschriebenen Falle fand sich neben Lävulose eine nicht sicher charakterisierte linksdrehende Substanz, die weder gärungsfähig war noch ein Osazon lieferte. 1903 teilte W. Schlesinger‘) einen Fall mit, der nach den angegebenen Daten als reine chronische Lävulosurie aufzufassen ist. Es handelte sich um ein 15jähriges Mädchen mit diabetischen Er- seheinungen ohne hereditäre Belastung. Der Harn enthielt gegen 1°/'o Lävulose. Nach Zufuhr von Lävulose trat eine deutliche Steigerung der Ausscheidung dieses Zuekers ein; bei völliger Ent- ziehung von Kohlehydraten schwand die Lävulose aus dem Harn. I) R. Ofner, Ber. d. Wiener Akad. Bd. 113 Abt. IIb. 1904. _ 2) R. Ofner Monatshefte f. Chemie Bd. 25 $. 1153, Bd. 26 S. 1165; Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 45 S. 359. 1906. 3) Ost, l. c. | 4) C. Neuberg, Handb. d. Pathologie d. Stoffwechsels. Herausg. von C. v. Noorden. Bd.2 S. 213. 1907. N 5) Spaeth und Weil, Med. Korrespondenzbl. d. Württemberger ärztl. Landesvereins Bd. 72 S. 717. 1902. 6) W. Schlesinger, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 50 S. 273. 1903. Die Lävulosurien. 101 I W.Schlesinger untersuchte ferner eine Anzahl diabetischer Harne auf das Vorhandensein von Lävulose. Bei 15 Fällen fand sich kein Anhaltspunkt für die Gegenwart dieses Zuckers; bei 2 Fällen war die Seliwanoff’sche Reaktion positiv, jedoch die Differenzen zwischen Titration und Polarisation sehr gering. A. Lion!) berichtete 1903 von einem Falle aus der Klinik wz Leube’s (19jähriger Mann; akuter Gelenkrheumatismus, keine diabetischen Symptome, keine hereditäre Belastung), bei dem vorübergehend Dextrose und Lävulose in solchen Mengenverhältnissen ausgeschieden wurde, dass der Harn optisch in- aktiv war. Einen Fall von reiner chronischer Lävulosurie beschrieben Lepine und Boulud?) (1904) (32jährige Frau, ohne diabetische Symptome). Reduktionswert (2,30) und Polarisationswert des links drehenden Harns (— 2,4°)o) zeigten gute Übereinstimmung. Die Seliwanoff- sche Reaktion war stark positiv; ferner gelang die Darstellung des Methylphenylosazons vom Schmelzpunkt 153° (nähere Angaben über die Reaktionszeit fehlen) und der charakteristischen Lävu- lose-Kalkverbindung. Bei Einhaltung eines antidiabetischen Regimes ging die Zuckerausscheidung herunter und konnte zeitweilig sogar zum Schwinden gebracht werden. Als typische reine chronische Lävulosurie ist der Fall von OÖ. Neubauer?) anzusehen. Die Lävulose wurde von Neubauer in Kristallform aus dem Harn isoliert. Bei Kohlehydratentziehung schwand der Zucker aus dem Harn: nach Zufuhr von Lävulose ging ein beträchtlicher Teil derselben in den Harn über, ebenso nach Eingabe von Rohr- zueker; nach Einverleibung von Traubenzucker erschien keine: redu- zierende Substanz im Harne, ebensowenig nach Zufuhr von viel Stärke. Gleichzeitig teilte OÖ. Neubauer auch einen Fall von diabeti- seher Lävulosurie („gemischter Meliturie“) mit. Der ersterwähnte Fall von OÖ. Neubauer bedeutet insofern eine Etappe in der Geschichte der Lävulosurie, als durch die Kri- stallisation der isolierten Lävulose der sichere chemische und physi- kalische Beweis für deren Vorhandensein erbracht wurde und so auch für die Harnchemie der Begriff des „unkristallinischen Zuckers“ der älteren Autoren endlich abgetan ist. 1) A. Lion, Miinchener med.:Wochenschr. 1903 S. 1105. | 2) Lepine et Boulud, Revue de Medicine, anne, 24 p. 185. 1904. 53) 0. Neubauer, Münchener med. Wochenschr. 1905. S. 153. 102 Oskar Adler: Ein weiterer eingehend studierter Fall von reiner chronischer Lävulosurie ist (1907) von W. v. Moraczewski!) beschrieben worden (18jähriger Mann ohne diabetische Symptome, hereditär nicht belastet). | Als Mittelzahl aus den von v. Moraczewski angeführten 35 polari- metrischen Bestimmungen des Harns berechne ich 0,43 °o Lävulose; als Mittel aus 32 titrimetrischen Bestimmungen 0,390 (für Lävulose corr.. Die Uber- einstimmung zwischen den nach beiden Methoden erhaltenen Werten kann als durchaus befriedigend angesehen werden. Zufuhr von Amylaceen führte in diesem Falle eine geringe Steigerung der Lävuloseausscheidung herbei. H. Königsfeld°) unterscheidet neuerdings beim Diabetes mellitus eine urinogene Lävulosurie, wobei durch die alkalische Re- aktion des Harns infolge reichlichen Genusses von Alkalien ein Teil der ausgeschiedenen Dextrose in Lävulose umgewandelt werden soll und eine „gastro-enterogene“ Lävulosurie mit Herabsetzung der ‘Assimilationsfähigkeit des Organismus für Lävulose. Durch Genuss alkalischer Wässer soll es beim Diabetiker zur Ausscheidung von Lävulose kommen, wodurch bei polarimetrischen Bestimmungen eine Verminderung der Traubenzuckerausscheidung vorgetäuscht werde. Ein so schwerer Vorwurf gegen unsere Kurorte, wie ihn Königsfeld da- mit erhebt, könnte nur dann zu Recht bestehen, wenn strikte Beweise erbracht wären. Das ist aber nicht der Fall. Ich kann die diesbezüglichen Angaben von Königsfeld auf Grund zahlreicher untersuchter Fälle nicht bestätigen. Über die Seliwanoff’sche Reaktion. Im Jahre 1887 machte Th. Seliwanoff?) auf Grund der von Ihl*) beobachteten Tatsachen die Mitteilung, dass Fruchtzucker beim Erhitzen mit Resorzin in konzentrierter Salzsäure eine charakte- ristische rote Färbung gebe und beim Abkühlen einen in Alkohol in roter Farbe löslichen Niederschlag. Diese Reaktion, die, wie Neuberg?) gezeigt hat, eine allgemeine Ketosenreaktion ist, ist in der Folgezeit von den Autoren vielfach verändert worden nament- lich in zwei Punkten: 1. Säurekonzentration; 2. Kochdauer. 1) W. v. Moraczewski, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 64 S. 503. 1907. 2) H. Königsfeld, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69 S. 291. 1909. 3) Th. Seliwanoff, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 20 S. 181. 1887. 4) Ihl, Chem. Zeitung, Jahrg. 9, S. 231 und Chem. Zeitung 1837 Nr. 1. 5) C. Neuberg, Zeitschr. f. pbysiol. Chemie Bd. 31 S. 564. 1901. Die Lävulosurien. 103 Seliwanoff verwendet konz. Salzsäure, K. Miura! 12 %ige Salzsäure) Tollens?) 18 %/o ige Salzsäure, Rosin gleiche Teile Harn und Salzsäure, Jolles® etwa 2,5%, Ritzema*) etwa 7°oige Salzsäure (jedoch auch andere Konzen- trationen), Borchardt 12,5 %o. Bezüglich der Kochdauer macht Seliwanoff keine näheren Angaben, Miura spricht von einer „alsbald auftretenden Rotfärbung“. Rosin und ferner Jolles lassen nur kurz aufkochen, desgleichen Borchardt. Ofner‘) in %. Goldschmiedt’s Laboratorium ermittelte als geeignetste Konzentration 12 °/oige Salzsäure (zwei Teile der zu unter- suchenden Flüssiekeit und einen Teil 36 /oiger Salzsäure), wie dies auch Miura empfohlen hatte, und als Kochdauer 20 Sekunden. Die erwähnten Verhältnisse zu beachten ist deshalb von Be- deutung, weil bei höheren Konzentrationen und längerer Kochdauer die Reaktion auch von Dextrose gegeben wird. Ich selbst habe mich in bezug auf die Konzentration den An- gaben von Miura und von Ofner angeschlossen, bezüglich der Kochdauer den Vorschriften von Ofner. Trotz dieser Kautelen erhielt ich bei einer in Gemeinschaft mit Rudolf Adler’) ausgeführten Untersuchung, die sich auf eine grosse Reihe diabetischer Harne erstreckte, keine befriedigenden Resultate. Die Seliwanoff’sche Probe fiel in einer beträchtlichen Anzahl von Harnen positiv aus; jedoch der weitere Gang der Unter- suchung bot keinen sicheren Anhaltspunkt für das Vorhandensein von Lävulose. Mit Rücksicht darauf, dass von einer grösseren Anzahl von Autoren bei positivem Ausfall der Seliwanoff’schen Reaktion das Vorhandensein von Lävulose angenommen wurde, erschien es uns von Bedeutung, dieses Verhalten zu untersuchen, Hierbei machten wir die merkwürdige Beobachtung, dass in ganz frisch entleerten Harnen die Rotfärbung beim Erhitzen mit Resorzin und Salzsäure ausblieb, während Harne, die erst später zur 1) K. Miura, Zeitschr. f. analyt. Chemie Bd. 40 S. 559. 1901. 2 Tollens, Zeitschr. f. analyt. Chemie Bd. 40 S. 559. 1901. 8) Jolles, Arch. f. Pharm. Bd. 244 S. 542. 1906. 4) Ritzema, |. c. 5) Borchardt, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 55 S. 41. 1908; Bd. 60 8. 411. 1909. 6) R. Ofner, Ber. d. Wiener Akad. Bd. 113 Abt. IIb. 1904. "DR.u. O0. Adler, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 206. 1904. 104 Oskar Adler: Untersuchung kamen — etwa gesammelte Tagesmengen — fast regel- mässig einen positiven Ausfall der Probe gaben. | Spricht schon dieses Moment gegen die Mitwirkung genuiner Lävulose im,Harn, so wäre es immerhin denkbar, dass in diabetischen Harnen eine nachherige Umwandlung von Dextrose in Lävulose statt- sefunden hätte. Bemerkt sei allerdings, dass die Reaktion selbst nur mit sauer reagierendem Harn vorgenommen wurde, da alkalischer Harn schon von vornherein ungeeignet erscheint. Bemerkenswert scheint uns auch die weitere Beobachtung, dass auch zuckerfreier normaler Harn bei längerem Stehen einen scheinbar positiven Ausfall der Reaktion gab, während bei demselben Harn unmittelbar nach der Entleerung die Rotfärbung beim Kochen mit Resorzin und Salzsäure stets vermisst wurde. Mit Rücksicht auf diese Beobachtungen lag der Gedanke nahe, dass es sich bei dieser Rotfärbung überhaupt nicht um einen im frischen Harn vorkommenden pathologischen Bestandteil handle, sondern um einen Stoff, der ganz allgemein bei der Zersetzung normaler und pathologischer Harne entsteht. Wie die weiteren Versuche ergaben, war dies in der Tat der Fall. Es gelang uns auch nach längeren Versuchen, aus der erossen Reihe der auftretenden Zersetzungsprodukte den gesuchten Stoff aus- findig zu machen. Wir fanden, dass es sich um einen Körper handle, der wie kaum ein anderer Stoff bei seiner Einwirkung auf reaktions- fähige Verbindungen (Amine, Phenole) für die Farbstoffbildung ver- antwortlich zu machen ist; es handelt sich um die beim Stehen des Harns dureh Reduktion aus den Nitraten sich bildende salpetrige Säure. Als Beweis hierfür spricht folgendes!): 1. In Harnen, die bei der angegebenen Behandlung die Rotfärbung auf- weisen, lässt sich stets salpetrige Säure nachweisen. Vertreibt man da- gegen in diesen Harnen die salpetrige Säure durch vorheriges Kochen mit einigen Tropfen einer Säure (Essigsäure, Salzsäure usw.), so tritt die Rotfärbung bei der Resorzinreaktion nicht mehr ein. 2. Frisch entleerte normale Harne, in denen salpetrige Säure nicht nachweisbar war, zeigten bei der Resorzinreaktion keine Rotfärbung; dagegen ergeben dieselben Harne nach längerem Stehen bei Zimmertemperatur eine deut- liche Nitrit- und Resorzinreaktion. Versetzt man aber frisch entleerten Harn mit Chloroform, so treten diese Reaktionen auch nach längerem Stehen nicht auf. 1) Nach R. und 0. Adler, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 206. 1904. Die Lävulosurien. 105 3. Versetzt man frischen Harn, der die Rotfärbung bei der Resorzinreaktion nicht gibt, mit einer Spur Nitrit, so ergibt derselbe eine intensive Rotfärbung bei der Resorzinreaktion. Grössere Mengen Nitrit zugesetzt, zeigen nicht die gleiche Eigenschaft. 4. Auch in wässeriger Lösung lässt sich nach Zusatz einer Spur Nitrit die Rotfärbung nachweisen; der entstehende Farbton ist von dem in manchen Harnen auftretenden etwas verschieden, da ja die beim Kochen von Harnen mit Salzsäure entstehende Mischfarbe wegfällt. Bisweilen verschwindet die Rotfärbung nach einigem Stehen. Der bei Jer Reaktion entstandene rote Farbstoff geht beim Ausschütteln leicht in Äther über, durch Zusatz von etwas Ammoniak wird der Farbton violettstichig. Überschüssiges Ammoniak führt Entfärbung herbei. Von praktischer Wichtigkeit erscheint uns ferner die Beobachtuug, dass diese durch salpetrige Säure bedingte Reaktion nach der Ver- eärung des Harns ausbleiben kann. Die Unkenntnis dieser Tatsache kann leicht zu Fehlschlüssen führen, indem ein Harn, der beim Er- hitzen mit Resorzin und Salzsäure eine deutliche Rotfärbung gab, nach der Vergärung diese Rotfärbung nicht mehr oder in ver- mindertem Maasse gibt und so die Anwesenheit eines vergärbaren Kohlehydrates vorgetäuscht werden kann. In Wirklichkeit aber ist während der Vereärung die salpetrige Säure aus dem Harn ver- schwunden, weshalb die Rotfärbung bei der Resorzinreaktion ausbleibt. Es ist seit langem bekannt, dass die salpetrige Säure beim Stehen des Harns und der damit verbundenen fortschreitenden Zersetzung bald wieder verschwindet [Sehönbeint), Röhmann?)]. L. Borchardt°), dem wir eine interessante Arbeit über die Seliwanoff’sche Reaktion verdanken, konnte unsere Befunde durch- aus bestätigen. Borchardt betont auch, dass man nach: Zusatz von Natriumpitritlösung einen rotbraunen Niederschlag beobachten kann, wie ihn auch Lävuloselösungen geben. . So sehr es demnach auch erwünscht wäre, dass nur frisch entleerte Harne zur Untersuchung kommen, so ist es doch kein unbedingtes Erfordernis, da wir schon in unserer ersten Mitteilung -darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Rotfärbung bei der Resorzinreaktion nicht mehr eintritt, wenn man das Nitrit durch Kochen mit einigen Tropfen einer Säure vertreibt. Auch Borchardt spricht sich in diesem Sinne aus und entfernt die etwa vorhandene salpetrige Säure, indem er den mit Essigsäure angesäuerten Urin vor Anstellung der Probe 1 Minute kocht. 1) Schönbein, Journ. f. prakt. Chemie Bd. 92 S. 156; Bd. 93 S. 463. 2) Röhmann, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 5 S. 241. : 1881. 8) Borchardt, 1. c. 106 -Oskar Adler: Dass in der Tat die salpetrige Säure gelegentlich zu irrtümlichen Vor- stellungen über den Ausfall der Seliwanoff’schen Reaktion geführt hat, zeigt auch die folgende Bemerkung aus der Arbeit von Schwarz!). Der Autor schreibt: „Es sei bemerkt, dass die Seliwanoff’sche Reaktion nicht immer, wie es in den Angaben heisst, feuerrot ausfällt, sondern bei etwas konzentrierten Harnen, ähnlich der Färbung bei positiver Eisenchloridreaktion, burgunderrot erscheint. Davon kann man sich durch Zusatz von Lävulose zu Harnen ver- schiedener Konzentration nicht?) überzeugen. Die Rotfärbung verblasst nach längerem Stehen. Die Seliwanoff’sche Reaktion ist so empfindlich, dass sie noch positiv ausfällt, wo der Harn nur noch einen Nachtrommer gibt und eine Ablesung im Polarimeter nicht mehr gelingt.“ Ohne Zweifel handelte es sich nach dieser Beschreibung nicht um Lävulosereaktionen, sondern der Autor dürfte einer Täuschung infolge Gegenwart von Nitrit in den untersuchten Harnen zum Opfer gefallen sein. Auch die Gegenwart von Eiweiss im Harn wirkt, wie wir sefunden haben, störend auf den Ablauf der Seliwanoff’schen Reaktion, indem beim Abkühlen der Probe ein deutlicher Nieder- schlag auftritt. Auch schon in der Kälte bewirkt das Resorzin- Salzsäuregemisch Fällung des Eiweisses. Die Reaktion ist gegenüber Eiweiss sehr empfindlich, und besonders, wenn man den Harn vor- sichtig über das Reagens schiehtet, tritt schon bei Spuren von Ei- weiss eine deutliche Ringbildung ein. In sehr seltenen Fällen tritt, wie ich beobachtet habe, bei Anstellung der Scliwanoff’schen Reaktion mit Harnen, die eine Zeitlang bei Zimmer- temperatur gestanden sind, eine prachtvolle Grünfärbung auf; vor dem Spektroskop zeigen solche Proben einen gut begrenzten Streifen im roten Anteil des Spektrums. Es handelt sich hier wohl auch um ein bei der Zersetzung des Harns entstandenes, entweder flüchtiges oder mit Salzsäure leicht zersetzliches Produkt; denn wenn ıman den Harn vor Anstellung der Probe mit Salzsäure kocht, tritt die Grünfärbung nicht mehr auf. Mit Rücksicht auf die oben erwähnten Angaben von Schwarz habe ich die Empfindlichkeit der Seliwanoff’schen Reaktion unter Verwendung von 12“/oiger Salzsäure im Harn geprüft. Bei einer Konzentration der Lävulose von 0,05% war die charakteristische Färbung eben erkennbar, ein Niederschlag trat nicht ein. Dieser trat erst bei 0,250oiger Lösung auf. Borchardt findet die unterste Grenze bei seiner Modifikation der Probe bei einem Lävulosegehalt von 0,050. Damit ist die Angabe von Schwarz über die exorbitante Empfindlich- keit der Seliwanoff’schen Reaktion widerlegt. In theoretischer Hinsicht schien es mir von Interesse, einerseits den Ablauf der Seliwanoff’schen Reaktion bei einem Minimum l) L. Schwarz, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 76 S. 233. 1903. 2) Von mir unterstrichen. Adler. Die Lävulosurien. 107 der Salzsäurekonzentration, andererseits bei möglichst niedriger Temperatur zu verfolgen. Die Verwendung möglichst geringer Salz- säuremengen führt bei Anwendung von wässeriger Lävuloselösung zu keinem befriedigenden Resultate, da die Empfindlichkeit der Probe zu sehr herabgedrückt wird; weit günstiger aber liegen die Ver- hältnisse, wenn man Eisessig verwendet. Es zeigt sich hierbei, dass bei Anwendung von Eisessig nur äusserst geringe Mengen von Salzsäure erforderlich sind. Ich ging hierbei in Gemeinschaft mit R. Adler so vor, dass wir der erhitzten Lösung von Eisessig und einigen Kriställchen Resorzin, der nur einige Tropfen Salzsäure zugefügt wurden, wenige Tropfen der Lävuloselösung oder einige Körnchen des festen Zuckers hinzufügten und eventuell noch einmal kurz aufkochten. Die charakteristische Rotfärbung tritt bei Gegen- wart von Ketosen alsbald ein. Statt des Resorzins haben wir uns auch des Diresorzins bedient, welches einen dunkelroten bis schwarz- violetten Farbton gibt. Was das zweite Postulat, den Ablauf der Reaktion bei möglichst niedriger Temperatur, betrifft, wurde folgender Versuch an- gestellt: I. 1 g krist. Lävulose wird in der Kälte in 50 ccm Salzsäure vom spez. Gewicht 1,18 gelöst und sodann 1 g Resorzin hinzugefügt. Das Reaktionsgemisch. wird bei Zimmertemperatur (20—21° C.) stehen gelassen. Schon nach einigen Minuten tritt die für die Seliwanoff’sche Probe charakteristische Rotfärbung auf, nach einigem Stehen beginnt die Bildung eines Niederschlages. Nach 4 Stunden war intensive Rotfärbung mit massenhaftem Niederschlag zu beobachten. Nach siebenstündigem Stehen wurde die Probe mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt und der Niederschlag an der Pumpe abgesaugt. Es verblieb am Filter eine allmählich erhärtende dunkle Masse. Diese wurde in absolutem Alkohol aufgenommen und in der Kälte zur völligen Lösung gebracht. Die Lösung war in der Durchsicht intensiv rot und zeigte in der Aufsicht eine schön blaue Fluoreszenz. Der Alkohol wurde im Vakuum bei gelinder Wärme verjagt. Es resultierte eine dunkelrote, spröde, glänzende Masse. Ausbeute: 0,95 g. U. 1 g Dextrose wurde in 50 ccm Salzsäure vom spez. Gewicht 1,18 in der Kälte gelöst, 1 g Resorzin zugefügt und das Reaktionsgemisch bei der gleichen Temperatur wie I. belassen. Nach einigen Minuten trat eine gelbliche Färbung ein, die nach mehreren Stunden allmählich in braunrot überging. Ein Niederschlag trat nicht auf; selbst nach 24stündigem Stehen hatte sich ein Niederschlag nicht gebildet. Wenn wir also das Auftreten des reichlichen Niederschlages im Versuch I als charakteristisch für Lävulose ansehen, so zeigt der Versuch II, dass unter den angegebenen Verhältnissen das Auftreten eines Niederschlages bei Dextrose überhaupt nicht erfolgt. 108 Oskar Adler: Die geschilderte Versuchsanordnung steht in Beziehung zu den Reaktionen, die seinerzeit E. Fischer und W. Jennings!) ausführten zwecks Darstellung von Verbindungen der Zucker mit mehrwertigen Phenolen. Bei der Darstellung dieser ungefärbten Verbindungen bilden sich als Nebenreaktion gefärbte Produkte, die mit unserem oben erwähnten Produkte identisch zu sein scheinen. Durch die vor kurzem ausgeführten Versuche von van Eckenstein und Blanksma?°) erscheint es sichergestellt, dass die Seliwanoff’sche Reaktion hervorgerufen‘wird durch das beim Erhitzen mit Mineralsäuren sich bildende o-Oxy-Methylfurfurol. Bei Ketosen entsteht dieses in weit reichlicher Menge |[12%, nach früheren Angaben’) bis 25°] als bei Aldosen (1/0) unter gleichen Versuchsbedingungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Reaktion unter genau geregelten Bedingungen anzustellen, da es sich um quantitative und nicht um qualitative Unterschiede im Reaktionsverlaufe handelt. Unter Berücksichtigung all der genannten Momente hat sich mir für die klinische Untersuchung auf Lävulose im Harn fol- gende Ausführung der Reaktion gut bewährt: Zwei Teile Harn werden mit einem Teile 36 %/oiger Salzsäure versetzt. Hierauf wird ohne Zusatz von Resorzin zum Sieden erhitzt und die Lösung durch 20 Sekunden im Kochen erhalten. Von der Flüssiekeit wird sodann etwa die Hälfte gesondert in ein Reagenzglas gegossen; dieser Teil dient als Kontrolle über die durch Salzsäure allein entstandene Färbung. Zum anderen Teil wird eine kleine Messerspitze Resorzin zugefügt und nunmehr beide gesonderten Teile gleichzeitig nochmals für einen Moment aufsekocht. Die mit Resorzin versetzte Lösung rimmt. bei Gegenwart von Lävulose eine charakteristische Rotfärbung an mit nachfolgender Bildung eines Niederschlages. Dieser Nieder- schlag muss in Alkohol leicht löslich sein. Der Zusatz von Resorzin erst nach dem Kochen hat den Zweck, die salpetrige Säure vor An- stellung der Probe zu entfernen. Die Verwendung einer Kontrolle in der oben angegebenen Weise lässt eine Beurteilung über die durch Salzsäure allein auftretende Rotfärbung zu. Es lassen sich so bei einiger Übung — die bei der Beurteilung von Farbenreaktionen überhaupt gefordert werden muss — schon feine Farbenunterschiede erkennen, und der bei Vorhandensein auch von geringen Lävulose- mengen auftretende charakteristische Farbenton tritt deutlich hervor. 1) E. Fischer und W. Jennings, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 27 S. 1359. ‘, 2) van Eckenstein und Blanksma, Berichte d. deutsch. chem. Gesell- schaft Bd. 43 8. 2355. 1910. 3) v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten, 3. Aufl., S. 830. 1904. Die Lävulosurien. 109 Bemerkungen über einige Farbenreaktionen der Kohlehydrate. Um einen Zucker als Hexose oder als hexosenbildendes Di- und Trisaecharid zu charakterisieren, kann man sich einer Reaktion bedienen, die R. Adler und ich !) gefunden haben: Erhitzt man eine geringe Menge Dextrose mit einem Gemisch von gleichen Teilen Eisessig und Anilin, so tritt alsbald eine rotbraune Färbung auf, die bei weiterem Erhitzen in ein intensives Grün umschläst. Auf dieses Verhalten haben wir eine Anzahl von Kohlehydraten geprüft und eine vollständige Übereinstimmung gefunden. Es zeigte sich nämlich, dass die Hexosen und die hexosenbildenden Zucker die gleiche Reaktion gaben. Bei diesem Vorgehen er- zielten wir die Grünfärbung bei den Aldosen: Mannose, -Glykose und Galaktose, bei den Ketosen: Fruktose und Sorbinose. Die Disaccharide (Saccharose, Maltose, Laktose) und die Trisaccharide (Raffinose, Mellecitose), ferner die Polysaecharide (Glykogen, Stärke) geben die Reaktion erst, sobald die Spaltung in die Komponenten eingetreten ist. Der mit Anilin und Eisessig und den Hexosen erhaltene grüne Farbstoft ist in Wasser unlöslich und wird in Äther mit schöner grüner Farbe auf- genommen. Der grüne Farbstoff gibt vor dem Spektroskop ein breites, nicht sehr scharf begrenztes Band in Rot. 0. Sittig?) hat sich dieser Reaktion neuerdings zur Charakterisierung von Zuckern in Extrakten, die aus Aszitesflüssigkeit gewonnen waren, bedient. Die Reaktion ist nicht übermässig empfindlich, der positive Ausfall ist je- doch sehr charakteristisch für die Gegenwart eines Zuckers der 6-Kohlen- stoffreihe. In Harnen mit geringem Zuckergehalt gibt die Reaktion erst nach “Anreicherung des Zuckers einen positiven Ausschlag. Nach der älteren Anschauung sind derartige Farbenreaktionen vielfach als Furfurolreaktionen aufgefasst worden, wiewohl schon Ihl°), dem wir srundlegende Tatsachen über die Farbenreaktion gewisser Phenole mit Kohle- hydraten bei Gegenwart von Mineralsäure verdanken, die Entstehung der ge- färbten Produkte der Bildung von Verbindungen der Huminstoffe zuschrieb, eine Ansicht, die auch von Tollens®) geteilt wurde. Wesentlich bestätigt wurde ‚die Anschauung, dass Huminstoffe gewisse Farbenreaktionen der Kohlehydrate bedingen, durch C. Neuberg). Die hier in Betracht kommenden Reaktionen werden gewöhnlich in salzsaurer oder schwefelsaurer Lösung ausgeführt, während unsere Hexosenreaktion in essigsaurer, von Mineralsäure freier Lösung verläuft. 1) R. u. ©. Adler, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 323. 1905. 2) O. Sittig, Biochem. Zeitschr. Bd. 21 5. 14. 1909. 3) Ihl,l. ce. 4) B. Tollens, Liebig’s Annal. Bd. 286 S. 301. — Tollens u. Krüger, Zeitschr. f. angew. Chemie 1896 S. 46. 5) C. Neuberg, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 31 S. 564. 110 Oskar Adler: Es war daher für uns von Interesse, zu ermitteln, in welcher Weise hochkonzentrierte Essigsäure auf Kohlehydrate bei höherer Temperatur einwirkt. Zu diesem Zwecke wurden einige Versuche in dieser Richtung unternommen, die sich im besonderen auf Bildung von Furfurol beim anhaltenden Erhitzen der Kohlehydrate mit Eisessig bezogen. Die entsprechenden Versuche wurden folgendermaassen aus- geführt: 50 g des chemisch reinen wasserfreien Zuckers wurden mit 300 g Eisessig am Wasserbad erhitzt, und nachdem angenommen werden konnte, dass völlige Sättigung eingetreten war, vom ungelöst gebliebenen Rückstand abfiltriert. Die vorherige Lösung am Wasserbade ist deshalb erforderlich, weil beim Erhitzen des Zuckers über freier Flamme ungelöster Zucker, der sich am Boden des Kolbens befindet, leicht durch Anbrenren der Furfurolbildung anheimfallen kann. Die folgende Erhitzung der konzentrierten Lösung geschah über freier Flamme am Rückflusskühler; wir bedienten uns hierzu eines Kühlers, der mit dem Kolben durch einen eingeschliffenen Glasstopfen verbunden war, in ähnlicher Weise wie beim Zeisel-Fanto’schen Apparat zur Methoxylbestimmung. Die Anwendung von Korkstopfen war wegen der leichten Zersetzlichkeit des Korkes und der eventuellen Furfurolbildung auszuschliesser. Nachdem die Einwirkung der Essig- säure auf den Zucker beendet war, wurde das Reaktionsgemisch mit ungefähr der gleichen Menge Wasser verdünnt, durch Soda neutralisiert und mit Kochsalz gesättigt. Von der erhaltenen Lösung wurden behufs Bestimmung des Furfurols etwa der vierte Teil abdestilliert und dieses durch die Schiff’sche Anilinazetat- reaktion oder Fischer’sche Phenylhydrazinprobe nachgewiesen. Aus unseren Versuchen, die nur einen orientierenden Cha- rakter hatten, ergab sich nun folgendes: Aus Dextrose bilden sich beim Erhitzen mit Eisessig nur ganz unbedeutende minimale Mengen Furfurol, selbst wenn das Erhitzen über 5 Stunden aus- . gedehnt wird. In den ersten 30 Minuten war überhaupt kein Fur- furol nachweisbar; nach 40 Minuten erst konnten minimale Spuren nachgewiesen werden. | Beim Erhitzen von Lävulose unter denselben Versuchs- bedingungen bildet sich Furfurol in weit kürzerer Zeit und in srösserer Menge als bei Dextrose. Schon nach 15 Minuten konnte Furfurol nachgewiesen werden. Die Lösung bräunt sich nach längerem Erhitzen stark (früher und stärker als bei Dextrose). Beim Erhitzen von Arabinose in Eisessig war Furfurol nach 10 Minuten in Spuren nachweisbar; die erhaltenen Mengen blieben aber hinter den bei Lävulose gewonnenen zurück. Die Lävulosurien. JE Im ganzen war die erhaltene Furfurolmenge bei allen drei geprüften Zuckerarten nur sehr gering. Entgegengesetzt der Erwartung, dass das Ausmaass der Furfurol- bildung bei den Pentosen am grössten sein würde, wie es beim Er- hitzen mit mineralischen Säuren der Fall ist, war die Bildung von Furfurol bei der Lävulose am deutlichsten ausgeprägt. Es war die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass das bei diesem Vorgehen gebildete Furfurol bei protrahiertem Er- hitzen wieder zerstört werde. Dies ist aber, wie folgender Versuch ereibt, nicht der Fall. 5 8 Furfurol (chem. rein, Merck) in 250 ccm Eisessig werden durch 8 Stunden am Rückflusskühler erhitzt. I. Bestimmung vor dem Erhitzen: 25 ccm der Lösung —= 0,9947 g Furfurol— Hydrazon —= 0,5132 g Furfurol. Mit Korrektur (0,5132 + 0,0104) = 0,5236 Furfurol (2,09 %o). II. Bestimmung nach fünfstündigem Erhitzen: 25 ccm der Lösung = 1,0069 g Hydrazon = 0,5195 g Furfurol. Mit Korrektur (0,5195 + 0,0104) = 0,5299 g Furfurol (2,11 %o). Es ergibt sich demnach, dass bei fünfstündiger Einwirkung von Eisessig auf Furfurol in der Hitze eine Zerstörung des Furfurols nicht stattfindet. Verhalten der Lävulose gegenüber Bleiessig im Harn. Das Verhalten der Lävulose im Harn gegenüber Bleiessig zu studieren, erschien uns deshalb von Wichtigkeit, da der bekannte Fall von Lävulosurie, den Seegen!) beschrieben hat, von Külz’) aus dem Grunde nicht anerkannt wurde, weil in diesem Falle die Lävulose im Harn durch Bleiessig fällbar war. In der Tat wird aber reine Lävulose in wässeriger Lösung durch Blei- essig nicht gefällt. In unserem weiter unten zu beschreibenden Falle von Lävulosurie überzeugten wir uns, dass die Lävulose durch Blei- essig im Harn gefällt werden konnte. Es lag somit ein entgegengesetztes Verhalten her reiner Lävuloselösung vor, ein Widerspruch, der, wie schon eingangs er- wähnt, selbst neuere Autoren veranlasste, dea Seegen’ schen Fall anzuzweifeln. 1) Seegen, |. c. 2) Külz, Zeitschr. f. Biol. Bd. 27 S. 228. 1890. 12 Oskar Adler: So schreibt Huppert!): „Durch Bleizucker und durch Bleiessig wird Fruktose nicht gefällt, auch nicht aus Harn (wenn reine Fruktose zugesetzt war). Er bezeichnet daher als ein wichtiges Argument gegen die Anschauung von Seegen, dass es sich bei diesem Zucker um Fruktose gehandelt habe, „vor allem seine Fällbarkeit durch Bleiessig“. Huppert hält deshalb den Fall für „durchaus rätselhaft“. Thierfelder?) schreibt bei Besprechung des Seegen’schen Falles über den fraglichen Zucker: „Er stimmt im allgemeinen also mit Fruktose überein, unterscheidet sich von dieser aber dadurch, dass er durch Bleiessig gefällt wird.“ Da nun auch der in unserem Falle beobachtete Zucker durch Bleiessig fällbar war, wir jedoch nach den übrigen Eigenschaften des vorhandenen Kohlehydrates an der Annahme festhalten mussten, dass es sich wirklich um Lävulose handle, so schien es uns erforderlich, das Verhalten reiner kristallisierter Lävulose bei der Fällung mit Bleiessig aus normalem saurem Harn zu untersuchen. Die gemeinsam mit R. Adler°) ausgeführten Versuche, die wir an Harnen durchführten, denen kristallisierte Lävulose zugesetzt wurde, führten zu dem Resultate, dass — im Gegensatze zu den Be- obachtungen von Külz — Lävulose im Harn durch Blei- essig fällbar ist. Es ist demnach klar, dass die in unserem Falle im Harn be- obachtete natürlich vorkommende Zuckerart in ihrem Verhalten gegenüber Bleiessig eine volle Übereinstimmung mit kristallisierter dem Harn zugesetzter Lävulose besass. Ein gleiches gilt auch für den Fall von Seegen. Die angeführten Versuche sind auch insofern von Interesse, als sie zeigen, dass Bleiessig nicht, wie es gelegentlich empfohlen wurde, zum Entfärben und Klären des Harns zum Zwecke der Polarisation verwendet werden darf. Die Verwendung von Bleiessig für die Zwecke der Polarisation im Lävuloseharn ist aus folgenden zwei Gründen unzulässig: l. Lävulose ist, wie ich oben betont habe, im Harn durch Blei- -essig in beträchtlicher Menge fällbar, wodurch im Filtrat bedeutende - Verluste an Lävulose vorkommen. 1) Huppert, ]. c. 2) Hoppe-Seyler-Thierfelder, I. c. 3) O0. u. R. Adler, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 38 S. 1164, und Pflüger’s Arch. Bd. 110 S. 99. 1905. Die Lävulosurien. 113 2. Bleiessig beeinflusst das Drehungsvermögen von Lävulose- lösungen selbst bei kurzer Einwirkung bedeutend, und zwar im Sinne einer Abnahme der bestehenden Linksdrehung, derart, dass es im extremen Falle bei genügend langer Einwirkung sogar zur Rechts- drehung kommen kann). Auch für den traubenzuckerhaltigen Harn und für den Pentose- harn darf Bleiessig zur Polarisation nicht verwendet werden. Die diesbezüglichen Angaben, die sich noch immer in einigen Lehrbüchern finden, betreffend die Verwendung von Bleiessig, bedürfen daher der Korrektur. Noch mehr gilt dies für folgende Vorschrift in Vierordt’s „Diagnostik der inneren Krankheiten“, 6. Aufl. 1901 p. 478, wo die Entfärbung dunkler Urine folgendermaassen empfohlen wird: „Das letztere geschieht durch Zusetzen von basisch essigsaurem Blei und etwas Ammoniak bis zur Bildung eines massigen Niederschlages; das Filtrat ist dann zur Polarisation genügend ent- färbt.“ — Hierbei kann unter Umständen der vorhandene Zucker für das Filtrat quantitativ. verloren gehen! - Einige allgemeine Eigenschaften der Lävulose. Auf die allgemeinen Eigenschaften der Lävulose (Reduktion, Drehungsvermögen, Gärungsfähigkeit u. a.), die diesem Zucker mit einer Reihe von anderen Zuckerarten gemeinsam sind, näher ein- zugehen, ist hier nicht der Ort. Doch bestehen auch in dieser Hinsicht gewisse Verschiedenheiten gegenüber anderen Zuckerarten. So hat Piraerts?) auf Grund des verschiedenen Reduktions- vermögens der Lävulose in der Kälte drei neue Modifikationen der Ost’schen Flüssigkeit angegeben, mit Hilfe deren es gelingen soll, Lävulose in Gegenwart anderer Zuckerarten nachzuweisen. Über diese Reaktion sind zurzeit für den Harn noch keine Erfahrungen bekannt; sie könnte nur unter strenger Einhaltung der Versuchs- bedingungen zu befriedigenden Resultaten führen. Letzteres eilt übrigens auch für eine Reihe von Reaktionen (Resorzinreaktion, Bildung von Methylphenylosazon u. a.), die zur Erkennung der Lävulose gegenüber der Dextrose dienen sollen, in- dem diese Reaktionen unter anderen Bedingungen auch von Dex- trose gegeben werden. Das unterschiedliche Verhalten ist kein qualitatives, sondern nur ein quantitatives, indem bei beiden Zuckerarten die Endprodukte dieser Reaktionen dieselben sind und l) v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten. 2) J. Piraerts, Referat Maly, Jahresber. d. Tierchemie Bd. 38 S. 96. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 8 AR: Oskar Adler: zur Differenzierung an sich nieht zu verwerten, hingegen die zur Reaktion erforderlichen Kräfte und der zeitliche Verlauf ein ver- schiedener ist. Mit anderen Worten: Die Lävulose ist gegenüber Dextrose im allgemeinen die reaktionsfähigere Zuckerart, und qualitativ gleiche Reaktionen treten bei der Lävulose gewöhnlich schon bei viel milderer Einwirkung ein und in kürzerer Zeit. | So wird die für Lävulose (und andere Ketosen) charakteristische Seliwanoff’sche Reaktion auch von Dextrose gegeben, wenn bei gleicher Kochzeit die Säurekonzentration zu hoch ist [Ofnerd)]; andererseits ergeben sich nach meinen Beobachtungen selbst bei hoher Konzentration von Säure (HC], sp. Gew. 1,18) noch charakteristische Verschiedenheiten zwischen beiden Zuckerarten, wenn die Reaktions- temperatur niedrig gehalten wird (20°; s. S. 107). | Mit Methylphenylhydrazin entsteht aus der Lävulose |Neuberg?)] aber auch aus Dextrose [Ofner?)] Methylphenylosazon.. Die Reaktion ist jedoch für Lävulose charakteristisch, „wenn sie unter bestimmten Bedingungen angestellt wird“ [Neuberg‘%)]. Neuberg?) selbst kommt bezüglich dieser Reaktion zu folgendem Schlusse: „Das asymmetrische Methylphenylhydrazin reagiert nach E. Fischer), R. S. Morrel und J. M. Crofts?) nicht mit den Aldosen, wohl aber nach Neuberg mit den Ketosen unter Osazonbildung. Bei sehr langer Dauer der Einwirkung können jedoch auch aus den Aldosen (infolge sekundärer Umlagerung zu Ketosen) Methylphenylosazone entstehen; auch ist der Unterschied in der Reaktionsgeschwindigkeit zwischen Aldehyd- und Ketozuckern so beträchtlich, dass die Methylphenylosazonbildung bei bestimmter Handhabung zum Nachweis von Ketosen dienen kann [Neuberg, Ofner, H. Ost, Grafe, S. Strakosch?)].“ 1) R. Ofner, Ber. d. Wiener Akad. Bd. 113 Abt. IIb. 1904. 2) C. Neuberg, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 35 S. 359 u. 2626. 1902; Bd. 37 S. 4616. 1904. 3) R. Ofner, Monatshefte f. Chemie Bd. 25 S. 1153; Bd. 26 S. 1165; Zeit- schrift f. physjol. Chemie Bd: 45 S. 359. 1906. \ 4) C. Neuberg, Handb. d. Pathologie d. Stoffwechsels. Herausg. von C. v. Noorden Bd. 2 S. 213. 1907. 5) C. Neuberg, Handb. d. Biochemie d. Menschen u. d. Tiere. Herausg. von C. Oppenheimer, 1. Aufl., S. 168. 6) E. Fischer, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 22 S. 87. 1889. 7) R.S. Morrel und J. M. Crofts, Journ. chem. Soc. Bd. 75 S. 786. 1899. 8) S. Strakosch, Zeitschr. d. Vereins d. deutschen Zuckerindustrie Bd. 57 Ss. 1057. 1907. Die Lävulosurien. 115; Bekanntlich reagiert auch das nicht substituierte Phenylhydrazin unter gleichen Umständen langsamer mit Dextrose als mit Lävulose !). Recht deutlich treten nach meinen Beobachtungen die Unterschiede hervor, wenn die Reaktion im Wärmschrank bei 37° vor sich geht. Dies lässt sich durch folgenden Versuch veranschaulichen: I. 0,58 kristallisierte Lävulose in 50 ccm Wasser gelöst, werden mit 25 cem Phenylhydrazinlösung (2 g salzsaures Phenylhydrazin mit 3 g Natriumacetat in 60 ccm Wasser gelöst und filtriert) und mit 2 ccm konzentrierter Kochsalzlösung versetzt. Das Reaktionsgemisch wird im Wärmschrank bei 37° gehalten. Nach 14 Stunden: Ziemlich reichliche, aus hellgelben Nadeln bestehende Kristallmasse. Mikroskopisch: Nadeln und deutlich kristallinische Kugeln. Nach 27 Stunden: Reichliche schön hellgelbe Kristallmasse. Nach 63 Stunden: Neben reichlicher kristallinischer Abscheidung eine geringe Menge bräunlicher Schmiere. Nunmehr wurde das Reaktionsprodukt an der Nutsche abgesaugt und nach dem Trocknen im Vakuumexsikkator gewogen. Ausbeute: 0,17 & Osazon, hell- gelbes kristallinisches Pulver. Diese Menge dürfte etwa schon nach 27 Stunden erreicht gewesen sein. U. Statt Lävulose: 0,5 g Dextrose. Sonst Reaktionsbedingungen wie in Versuch 1. Nach 14 Stunden: Spärliche bräunliche Körnchen. Mikroskopisch: Konglo- merierte Kügelchen. Nach 27 Stunden: Körnchen an Menge etwas zugenommen, doch immerhin spärlich, nicht deutlich kristallinisch, kaum den Boden bedeckend. Nach 63 Stunden: Geringe undeutliche kristallinische Abscheidung, da- neben etwas bräunliche Schmiere. Ausbeute: 0,08 g. Isolierung von Lävulose aus Gemischen mit Dextrose. Methoden zur Isolierung von Lävulose aus Gemischen mit Dextrose sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil unseres Er- achtens nur auf diese Weise die Frage der diabetischen Lävulosurie einer endgültigen Lösung zugeführt werden kann. Erst wenn es gelingen würde, in einer grossen Anzahl von Fällen Lävulose aus diabetischen Harnen zu isolieren und die isolierte Substanz nach chemischen und physikalischen Grundsätzen zu identifizieren, könnte der Nachweis der diabetischen Lävulosurie als erbracht angesehen werden. Dies muss um so mehr betont werden, weil der gebräuch- liche Schluss auf das Vorhandensein von Lävulose aus Differenz- bestimmungen zwischen Titration und Gärung oder Polarisation ohne 1) E. Fischer, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 17 S. 579; Bd. 20 8. 821; Bd. 22 S. 87; Bd. 29 8. 2118. 8 * 116 Oskar Adler: Zweifel trügerisch ist, was auch von Borchardt hervorgehoben wird. Wir konnten bei diabetischen Harnen, die sicher keine nach- weisbaren Mengen von Lävulose enthielten, unter Berücksichtigung aller Kautelen, besonders auch der Verhältnisse nach der Vergärung, derartige Differenzen konstatieren. Dies fällt um so mehr ins Ge- wicht, als auch bei der Seliwanoff’schen Reaktion, wie wir gezeigt haben, leicht Täuschungen vorkommen können und in der Tat auch vorgekommen sind. Von den Verfahren zur Isolierung von Lävulose aus Gemischen mit Dextrose kommen insbesondere zwei in Betracht; die Darstellung der Lävulose-Kalkverbindung und die Anreicherung der Lävulose nach dem von mir ausgearbeiteten Benzidinverfahren. Eine Verbindung von Lävulose mit Kalk ist zuerst von Dubrunfaut!) dargestellt worden. Die Methode selbst ist von Pelig6öt?) ausgearbeitet und in neuerer Zeit von Ost?) verbessert worden. In eine gekühlte Lösung von Lävulose wird frisch bereitetes Kalkhydrat unter Rühren eingetragen, sodann rasch in der Kälte filtriert und hierauf in eine Kältemischung eingestellt. Nach knrzer Zeit tritt Kristallisation der Lävulose- Kalkverbindung ein. Die erhaltene Verbindung wird hierauf abgesaugt, mit Eis- wasser gewaschen, mit Oxalsäure zerlest und auf diese Weise die Lävulose wieder in Freiheit gesetzt. Dieses Verfahren habe ich auch für den Harn studiert, und es ist mir in der Tat gelungen, sowohl in einem Falle von reiner chronischer Lävulosurie als auch aus Harnen, denen Lävulose zu- gesetzt war, diesen Zucker zu isolieren. Auch aus Gemischen mit Dextrose kann Lävulose auf diese Weise leicht isoliert werden; doch erreichen die Ausbeuten an isolierter Lävulose im Harn kaum mehr als etwa 20°/o des zugesetzten Zuckers. | Zum Zwecke der Ausführung des Kalkverfahrens wird der Harn mit kon- zentriertem neutralen Bleiazetat gefällt, unter Vermeidung eines grösseren Über- schusses, das Filtrat mit H,S entbleit und vom Schwefelblei wiederum abfiltriert. Die Lösung wird hierauf im hohen Vakuum konzentriert, wobei durch eine in die Lösung eintauchende Kapillare Blase für Blase Wasserstoff zugeführt wird. Nachdem leichtflüssige Sirupkonsistenz erreicht ist, wird mehrfach mit Alkohol 1) Dubrunfaut, Annales de chim, et de physique III t.21 p. 169. — v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten S. 881. 1904. 2) Peligöt, Journ. des fabricants de sucre t. 21 p.6.; Zeitschr. d. Vereins d. deutschen Zuckerindustrie Bd. 30 S. 226. — v. Lippmann, |. c. S. 881. 3) Ost, l. c. ? Die Lävulosurien. 119%. in der Wärme ausgezogen, die alkoholische Lösung nach völligem Erkalten und mehrstündigem Stehen filtriert, der Alkohol im Vakuum verjagt und der Rück- stand in wenig Wasser aufgenommen. Die so erhaltene Lösung wird sodann in der angegebenen Weise dem Kalkverfahren unterzogen, wobei sich uns zur raschen Kühlung ein Gemisch von Äther und fester Kohlensäure bewährt hat. Wie wir uns überzeugt haben, besteht bei diesem Vorgehen nicht die Gefahr einer Umwandlung von Dextrose in Lävulose; denn aus Harnen, die allein mit Dextrose versetzt waren, konnten bei diesem Vorgehen Kristalle einer Kalkverbindung nicht erhalten werden. Auch im Diabelikerharn habe ich diese Methode versucht und konnte keine Kristalle einer Lävulose-Kalkverbindung erzielen. Mit Rücksicht darauf, dass bei dem geschilderten Kalkverfahren die Ausbeuten an reiner Lävulose nur geringe sind, und dass hierbei, wie auch Ost betont, bei geringer Konzentration der Lävulose eine Anreicherung dieses Zuckers erforderlich ist, habe ich nach einer Methode gesucht, mit Hilfe deren es eelingen sollte, die in Gemischen vorhandene Dextrose möglichst quantitativ auszufällen und so zu Lösungen zu gelangen, die schon nach ihrem optischen Verhalten (Linksdrehung) sich als Lävulose charakterisieren. Dies ist mir!) mit Hilfe eines Verfahrens gelungen, das ich oben als Benzidinverfahren erwähnt habe. Auch dieses Verfahren lässt sieh nicht direkt im Harn anwenden, sondern nur nach Vorbehandlung des Harns in analoger Weise, wie ich es oben bei dem Kalkverfahren angeführt habe; nur wird der zuletzt erhaltene Rückstand des Harns nieht in Wasser, sondern statt dessen in abselutem Alkohol auf- genommen. Das Verfahren beruht auf folgendem Prinzip. Wie ich gefunden habe, ent- steht bei -dreistündigem Kochen einer alkoholischen Lösung ven. Benzidin mit Glykose eine kristallisierende Verbindung, die ich als Di-glykose-benzidid be- zeichnet habe. Ähnliche Verbindungen entstehen auch mit anderen Zuckerarten, wie Arabinose und Maltose. Dagegen konnte ich mit Lävulose keine kristalli- sierte Verbindung auf diese Weise erhalten. Dieses letztere Verhalten der Fruktose gegenüber der Glykose lässt sich nun dazu verwenden, um in Gemischen von Traubenzucker und Fruchtzucker den letzteren anzureichern. Durch Be- handeln des alkoholischen Gemisches von Traubenzucker und Fruchtzucker mit Benzidin in der Wärme und nachträgliches Einengen gelingt es, den grössten Teil der vorhandenen Glykose als Di-glykose-benzidid auszufällen. Von dem aus- kristallisierten Di-glykose-benzidid wird scharf abgesaugt und im Filtrat das überschüssige Benzidin durch Schwefelsäure quantitativ gefällt. Geringe Mengen 1) ©. Adler, Ber. d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 42 S. 1742. 118 Oskar Adler: etwa noch gelöster Glykose-Benzidinverbindung werden hierbei in ihre Kom- ponenten gespalten und das freiwerdende Benzidin gleichzeitig mit gefällt. Von dem hierbei entstehenden schwerlöslichen Benzidinsulfat wird abfiltriert. Das Filtrat bildet nunmehr eine Jinksdrehende Lösung von Fruktose, die nur eine geringe Beimengung von Dextrose enthält. Bezüglich der ausführlichen An- gaben über diese Methode verweise ich auf meine diesbezügliche Abhandlung. In der Tat gelang es nach diesem Verfahren aus Harnen, denen neben beträchtlichen Mengen Giykose geringe Mengen von Lävulose zugesetzt waren, linksdrehende Lösungen zu erhalten, die alle Eigenschaften von Lävulose besassen. Andererseits konnte ich auch nach diesem Verfahren in diabetischen Harnen Lävulose nicht nach- weisen. Statistische Untersuchungen }). (Diabetes mellitus, reine chronische Lävulosurie, chronische Pentosurie.) Systematische Untersuchungen über das Vorkommen reiner chronischer Lävulosurie lassen sich bei der ganz ausserordentlichen Seltenheit dieser Stoffwechselstörung nur dann mit Aussicht auf Erfolg ausführen, wenn ein sehr bedeutendes Material an kohlehydrat- haltigen Harnen zu Gebote steht. Deshalb habe ich diesen Teil der Untersuchungen nach Karlsbad verlegt, zu dessen Quellen, wie kaum anderwärts, alljährlich Tausende von Stoffwechselkranken strömen. Der Zeitraum, über den sich diese Untersuchungen erstreckten, beträgt 7 Jahre (1903 bis einschliesslich 1909). Es schien mir wünschenswert, auch einige auf den Diabetes mellitus bezügliche Daten an diesem Orte mitzuteilen, zumal der- artige umfanereiche Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht häufig zur Kenntnis gelangen. Auch wurde in dieser Zusammen- stellung auf eine weitere seltene Anomalie des Kohlehydratstoff- wechsels Rücksicht genommen, die reine chronische Pento- surie, über deren Häufiskeit bei der geringen Anzahl der bisher beobachteten Fälle ein abschliessendes Urteil noch nicht besteht. 1) Dieser Teil der Untersuchung wurde in dem chemischen Laboratorium von Wilhelm Adler (Leiter: Dr. R, Adler) in Karlsbad ausgeführt. Die Lävulosurien. 119 Statistik (1903 bis einschliesslich 1909). 7726 untersuchte Fälle; darunter: 1490 Diabetiker — 19,2 Io. 64,27 °/o der Diabetiker betrafen Männer, Sn Zahn ei R Frauen. 346 Diabetiker litten an Albuminurie — 23,2 °/o der Diabetiker. 452 Diabetiker boten Ausscheidung von Acetonkörpern — 30,3 lo der Diabetiker. 98 Diabetiker boten gleichzeitiges Vorkommen von Aceton- körpern und Albumen — 6,5 lo. Diabetes bei Eheleuten: . . . 11 Fälle = 0,7 Io, Chronische Lävulosurie: -2 „ = 0,13%, Chronische Pentosurie: . 2, 013% der untersuchten kohlehydrathaltigen Harne. Bei der Betrachtung dieser statistischen Daten erscheint vor allem auffallend die grosse Zahl der Diabetiker (1490) gegenüber der Gesamtzahl der untersuchten Harne (7726). Hier kommen die oben erwähnten örtlichen Verhältnisse in Betracht. Es ergibt sich aus den angeführten Zahlen, dass von den Kranken, die sich der Karlsbader Kur unterziehen, etwa jeder fünfte diabetisch ist; demnach über 12000 Zucekerkranke jährlich in Karls- bad die Kur gebrauchen. Diese Zahl führt uns die erschreckende Häufigkeit dieses Leidens vor Augen, dem wir, zumal seine Ursache unbekannt ist, zurzeit machtloser gegenüber stehen als anderen Volkskrankheiten. | Auffallend hoch erscheint auch die Zahl der Diabetischen, die gleichzeitie an Ausscheidung von Acetonkörpern leiden (30,3 °/o); ebenso die Zahl der Diabetischen, die mit Albuminurie behaftet sind (23,30). Dagegen erscheint es interessant, dass — im Ein- klang mit den Untersuchungen anderer Autoren — die Zahl der Zucekerkranken, die gleichzeitig an Acetonkörperausscheidung und an Albuminurie leiden, auffallend niedrig ist: 6,5 %o. Diabetes bei Fheleuten fand sich elfmal unter 1490 Fällen; doeh können aus dieser Zahl bindende Schlüsse nach irgendeiner Richtung nicht gezogen werden. Immerhin erscheint sie doch so hoch, dass ich ein zufälliges Zusammentreffen nicht gerne annehmen möchte. | Was nun diechronische Lävulosurie anbelangt, so wurden im ganzen zwei Fälle beobachtet, das ist 0,026°/o in bezug auf die Gesamtzahl der untersuchten Harne und 0,13 °/ der Diabetiker. 120 Oskar Adler: Es ergibt sich also, dass die reine chronische Lävulosurie eine seltene Stoffwechselstörung ist. Ein gleiches gilt auch von der reinen chronischen Pento- surie, von welcher zwei neue Fälle zur Beobachtung gelangt sind. Was die letzteren zwei Fälle anlangt, so waren beide mit der Diagnose Diabetes mellitus nach Karlsbad geschickt worden. Der eine Fall betraf einen 22jährigen Mann (Rudolf L—n), der erst 14 Tage vor seiner Ankunft von seinem Arzte als Diabetiker erklärt worden war. Bezüglich der näheren Angaben über diesen Fall ver- weise ich auf eine Mitteilung von mir und R. Adler!). Der zweite Fall von Pentosurie betraf eine Frau aus Inns- bruck (Frau G—t), die ebenfalls mit der Diagnose Diabetes mellitus nach Karlsbad kam. Nähere Angaben über diesen Fall sollen an anderem Orte erfolgen. Was die beiden Fälle von chronischer Lävulosurie an- belangt, so handelt es sich in dem einen Falle, den ich der Liebens- würdigkeit des Herrn Oberstabsarztes Dr. Schmiedinger ver- danke, um einen jungen Offizier, in dem zweiten Falle um eine 70jährige Frau, die angeblich seit vielen Jahren an Zucker- krankheit litt. Wir werden auf diesen Fall weiter unten zurückkommen. Es scheint nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass in drei von vier Fällen seltener Störungen des Kohlehydratstoffwechsels die Diagnose auf Diabetes mellitus gestellt worden war. In dem einen Falle, den ich Herrn Oberstabsarzt Dr. Schmiedinger verdanke, konnte ich die Diagnose „Lävulosurie“ bestätigen. Zur Kasnistik und Pathogenese der reinen chronischen Lävulosurie. Im ganzen habe ich, wie schon erwähnt, in einem Zeitraum von 7 Jahren bei der Untersuchung von 1490 Diabetikerharnen zwei Fälle von chronischer Lävulosurie beobachtet (entsprechend 0,13 %%o der Diabetiker). Der erste Fall gelangte gleich zu Beginn der Unter- suchungen im Jahre 1903 zur Beobachtung und konnte bis zu seinem im Jahre 1908 erfolgten Tode mehrfach untersucht und der Harn- befund kontrolliert werden. Aus den Protokollen des Jahres 1905 sei hier folgendes angemerkt: Es handelt sich um eine siebzigjährige Patientin, Frau B—n, aus Lieben bei Prag. 1) O. u. R. Adler, Pflüger’s Arch. Bd. 110 S. 625. 1905. Die Lävulosurien. 121 | Die Patientin gab an, in jüngeren Jahren sehr fettleibig gewesen zu sein. Vor 35 Jahren erkrankte die Patientin an Malaria und wurde mit Chinin be- handelt. Vor 22 Jahren wurde sie von einem Arzte als zuckerkrank erklärt und hat seitdem viele Jahre hindurch diabetische Diät eingehalten. Ihre da- maligen Beschwerden waren: Grosse Mattigkeit, heftiges, quälendes Durstgefühl, Trockenheit im Munde und Halse, rheumatische Schmerzen; auch bestand eine deutliche Vermehrung der Harnmenge. Ferner litt Patientin häufig an Kopf- schmerzen und war stets sehr nervös. Sie begab sich damals auf Anraten ihres Arztes nach Karlsbad, wohin sie nun seit 22 Jahren alljährlich zur Kur kommt. Später wurde beider Patientin eine Leberkrankheit konstatiert, die zeitweilig, insbesondere nach der Kur in Karlsbad, zurückgegangen sein soll. Im Laufe der Jahre hielt die Patientin die kohlehydratfreie Diät nicht mehr streng ein, ass schliesslich Kohlehydrate nach Belieben und merkte dabei keine ungünstige Be- ‚einflussung ihres Gesundheitszustandes. Auch ein Arzt, in dessen Behandlung sie um diese Zeit stand, gestattete ihr schliesslich den Genuss von Kohlehydräten. In letzter Zeit leidet die Patientin an lästigem Hautjucken, ihr Sehvermögen hat sich erheblich verringert. Seit einem Jahre bemerkte sie eine Lockerung der - Zähne. Gegenwärtig wird die Patientin wiederum stark belästigt durch ein heftiges Durstgefühl, Trockenheit im Munde, Brennen der Zunge; ferner klagt sie über Magenbeschwerden. Der Vater der Patientin litt an einer Leberkrank- heit, ein Bruder an Diabetes mellitus. Die Patientin hat fünfmal ent- bunden und sechsmal abortiert. — Die Untersuchung ergab starke ‚allgemeine Abmagerung, senile Atrophie der Haut und Muskulatur. Zunge atrophisch, auf- fallend trocken und stellenweise rissig. Gebiss sehr defekt, die wenigen vor- handenen Zähne gelockert. Herz und Lunge boten nichts Abnormes. Bauchdecken sehr schlaff und dünn, in der Magengegend Druckschmerzhaftigkeit. Daselbst kein abnormaler Tastbefund. Die Leber deutlich intumesziert. Der sonstige Be- fund ohne Belang. Der Harn reduzierte, enthielt eine Spur Eiweiss, im Sediment ziemlich reichlich Leukocyten, keine renalen Elemente. Ich bin in der Lage, auch einige Aufzeichnungen über die Patientin aus früherer Zeit mitteilen zu können. Die Frau hatte in den Jahren 1883 bis 1885 meinen Chef, Herrn Hofrat Pribram, konsultiert, dessen Entgegenkommen ich dei folgenden Auszug aus den damaligen Befunden verdanke. 9. April 1883. Frau B...n, 47 Jahre, wurde im vorigen Jahre von Breisky wegen Ektropium operiert. Letzter Partus vor 6 Jahren. Menses alle 3 Monate. Vor 6 Jahren Peritonitis mit Durchbruch in den Mastdarm; sodann Lungen- und Rippenfellentzündung. Seit 3 Jahren Kreuzschmerzen und Schmerzen im rechten Fusse (Ischias), Eccema genitalium, Harnbefund: Starke Reduktion von Kupferoxyd in. alkalischer Lösung. Bräunung beim Erhitzen mit Kalilauge. Bi wird reduziert. Behandlung Züuckerfreie Diät; später Kur in Karlsbad. — 17. Mai 1883. Mattigkeit, Herzklopfen. Im Harn Zucker in Spuren. — 9. November 1884. Magenschmerzen; Jucken, Eccema geni- 1223 Oskar Adler: talium. Im Harn kein Zucker, kein Eiweiss. — 19. Februar 1885. Magen- besehwerden. Harnmenge geringer als früher. Rheumatische Knötchen unter der Haut. Im Harn kein Zucker. Für die freundliche Überlassung dieser Angaben spreche ich Herrn Hofrat Pribram meinen ergebenen Dank aus. Auch Herr Dr. Östreicher in Karlsbad, der die Kranke während ihres Kuraufenthaltes vom Jahre 1901 ab behandelte, hat mir Einblick in seine Auf- zeichnungen erlaubt. Diese stimmen im ganzen mit dem von mir erhobenen Be- funden überein. Ergänzend entnehme ich daraus folgendes: 1901 gab die Kranke an, sie habe von September 1900 bis März 1901 an heftigen Magenschmerzen gelitten. In dieser Zeit sollen häufig schwarze, teerfarbige Stühle abgegangen sein. Während ihres kurzen Aufenthaltes in Karlsbad, Mai 1901, bestanden wiederum starke Schmerzen in der Magengegend, und auch die Gegend der Gallenblase war druckschmerzhaft. Der Harn reduzierte, enthielt kein Eiweiss. Einleitung einer Ulkuskur. Juni 1902: Patientin ist stark anämisch; Magengrube und Gegend der Gallenblase ist druckempfindlich. Kein Abgang von Blut mit dem Stuhl. Leber deutlich intumesziert. Der Harn zeigt Reduktion, ist frei von Eiweiss. Juni 1903 war der Befund ein ähnlicher. Die Schmerzen seltener und geringer, der Harn zeigte eine geringere Reduktion und enthielt Eiweiss in Spuren. Im Herbst 1903 Magenbeschwerden, Sodbrennen, Aufstossen, Obstipation. Juni 1904: Patientin blass, anämisch, stark abgemagert. Druckempfindlichkeit in der Magengrube, Leber stark intumesziert und druckempfindlich. Juli 1905 dieseiben Beschwerden; Patientin hat 8 kg abgenommen. Abdomen allenthalben druckempfindlich. Die Beschwerden der Patientin hielten in ähnlicher Weise an bis zu ihrem im Jahre 1908 erfoleten Tode. Harnbefund: Im ganzen hatte ich Gelegenheit, den Harn während der Beobachtungszeit zwölfmal zu untersuchen. Aus Gründen der Einfachheit und um Wiederholungen zu vermeiden, will ich das bei den Untersuchungen ge- wonnene Resultat zusammenfassend wiedergeben: Dichte des Harns: 1,015—1,024, Aussehen: weingelb. Der schwach sauer reagierende Harn reduzierte Metallsalze (Cu, Bi) in alkalischer Lösung. Die polarimetrischen Werte schwankten zwischen — 0,2 %/o bis — 0,7 /o der Traubenzuckerskala. Nach kurzem Kochen mit verdünnter Schwefelsäure blieben die Werte für die Linksdrehung bestehen. Die bei der quantitativen Gärung (nach Lohnstein) erhaltenen Werte stimmten mit den für Lävu- lose korrigierten Polarisationswerten befriedigend überein (Fehlergrenze: + 0,1 0/0) Nach der Vergärung schwand die Linksdrehung bis auf etwa 0,1% der Trauben- zuckerskala, und die Reduktionsproben und die Seliwanoff’sche Reaktion waren negativ. — Bei der Fällung mit neutralem Bleiacetat blieb der Zucker in Lösung, dagegen fiel er auf Zusatz von Bleiessig zum grossen Teile aus. Der mit verdünntem Bleiessig gewaschene Niederschlag wurde mit Schwefelwasser- stoff zersetzt und das Filtrat im Vakuum eingeengt. Es resultierte eine links- drehende reduzierende Lösung, die mit Phenylhydrazin und essigsaurem Natrium versetzt auf dem siedenden Wasserbade schon etwa innerhalb 10 Minuten ein in Die Lävulosurien. 123 hellgelben Nadelchen kristallisierendes Osazon lieferte; Seliwanoff’sche Reaktion positiv. Auch der Harn direkt gab eine positive Reaktion (in der von mir modi- fizierten Weise ausgeführt; siehe oben); desgleichen nach kurzem Kochen auf dem Wasserbade ein schön kristallisierendes Osazon. F bei 200% Auch mit Methylphenylhydrazin wurde nach der Vorschrift von Neuberg ein Methyl- phenylosazon erhalten; doch waren damals die zeitlichen Bedingungen, unter welchen die Kristallisation für Lävulose charakteristisch ist, noch nicht bekannt. Schliesslich gelang es auch unter den oben (S. 116f.) geschilderten Be- dingungen mit Hilfe des Kalkverfahrens ein kristallisiertes Calciumlävulosat abzuscheiden. Nach der Zerlegung desselben mit Oxalsäure hinterblieb eine linksdrehende Lösung mit den charakteristischen Eigenschaften der Lävulose. Aceton, Acetessigsäure, 8-Oxybuttersäure waren in dem Harn niemals nachweis- bar. Zeitweilig enthielt der Harn eine minimale Spur von Eiweiss, das vor An- stellung der Reaktionen entfernt wurde, Die Patientin genoss regelmässig eine einfache bürgerliche Kost mit Aus- schluss von schwerer verträglichen Speisen und von Obst. Stoffwechselversuche konnten an der Patientin aus äusseren Gründen nicht vorgenommen werden. Mit Rücksicht auf den chemischen Befund von Lävulose als ausschliesslichem Zucker im Harn der Patientin und in Anbetracht der jahrelangen Dauer der Ausscheidung dieses Zuckers war hier ‘die Diagnose reine chronische Lävulosurie zu stellen. Ich hatte ferner Gelegenheit, den Harn von einem zweiten Falle zu unter- suchen, bei dem ebenfalls Lävulose nachgewiesen werden konnte. Wie mir Herr Oberstabsarzt Dr. Schmiedinger, dessen Liebenswürdigkeit ich diesen Fall verdanke, mitteilte, war bei dem Harn dieses Patienten, eines 24jährigen kräftigen Mannes, stets starke Reduktion und Linksdrehung zu beobachten. Ich hatte Gelegenheit, den Harn am 1. August 1905 zu untersuchen. Der Harn zeigte deutliche Reduktion von Metallsalzen in alkalischer Lösung. Polarisation: — 0,3 %/0 der Traubenzuckerskala. Gärung (Lohnstein): 0,15%. Polarisation nach der Gärung: Spur Linksdrehung. Mit Phenylhydrazin und essigsaurem Natron ent- stand ein schön kristallisierendes Osazon. F. (bei raschem Erhitzen): 213° (korr.). Der Harn gab eine deutlich positive Seliwanoft’sche Reaktion (in der oben angegebenen Weise ausgeführt. Nach der Vergärung blieb Reduktion und Seliwanoff’sche Reaktion aus. Bei einer späteren Untersuchung des Harnes von diesem Falle scheint aller- dings neben Lävulose noch ein zweites gärfähiges Kohlehydrat, aller Wahrschein- lichkeit nach Dextrose zugegen gewesen zu sein, da der Harn nur eine Spur links drehte und die Gärung im Lohnstein’schen Apparat den Wert von 0,4% aufwies. Nach der Vergärung war der Harn nahezu inaktiv (Spur Linksdrehung). Seliwanoff’sche Reaktion vor der Vergärung deutlich positiv, nach der Ver- gärung negativ. Das Ergebnis dieser letzteren Untersuchung lässt den berech- tigten Zweifel entstehen, ob es sich in diesem Falle überhaupt um eine reine chronische Lävulosurie gehandelt hat. Eine diabetische Lävulosurie anzunehmen liegt aber doch kein zwingender Grund vor, da der Mann niemals irgendwelche 124 Oskar Adler: diabetischen Symptome aufwies und in körperlicher Hinsicht durchaus leistungs- fähig war. Im übrigen unterwarf er sich bezüglich Essen und Trinken keinerlei Zwang. Der Fall könnte vielleicht zu den Übergangsformen gezählt werden; doch halte ich mich. nicht für berechtigt, mit Rücksicht auf die kurze Beobach- tungszeit ein bindendes Urteil abzugeben. Was nun schliesslich die Pathogenese der reinen chronischen Lävulosurie betrifft, so gibt ein Blick auf die folgende von mir zusammengestellte Tabelle einige Anhaltspunkte. Es handelt sich hier um die Beziehungen zwischen dieser Störung des Kohlehydrat- stoffwechsels und dem Diabetes mellitus. Tabelle. Beziehungen zwischen reiner chronischer Lävulosurie und Diabetes mellitus. Fall Anamnest. Angaben _Diabetische Symptome I. Fall von Seegen. Mutter litt an Diabetes | Mattigkeit, Trockenheit Frau F., 46 Jahre. mellitus. | im Munde. 1I. Fall von Rosin und | Schwester an Diabetes | Mattigkeit, starker Durst, Laband. gestorben. Polyurie, Hautjucken, 5l jährige Frau. rheumat. Beschwerden. III. Fall von O. Neu- | Keine hereditäre Be- | Lebhaftes Durstgefühl. bauer. lastung. Herr L. H. IV. Fall von W. Schle- | Keine hereditäre Be- | Mattigkeit, heftiger Durst, singer: lastung. Polyurie. E. S., 15jähriges Mädchen. V. Fall von Lepine und| Keine Beziehungen zum Keine. Boulud. Diabetes mellitus. Mme. X., 32 Jahre. v1. Fall von W. von | Keine hereditäre Be- Keine. Moraczewski. lastung. 18 jähriger Mann VII Fall von Adler. Bruder litt an Diabetes | Schwäche, Trockenheit im .. 70 Jahre. mellitus. Patientin litt Munde, heftiger Durst, Bauen In in der Jugend an Fett- Hautjucken u. a. (siehe leibigkeit. S. 121£.). Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sich, dass in der Mehrzahl der Fälle unzweifelhaft Beziehungen bestehen zwischen der reinen chronischen Lävulosurie und dem Diabetes mellitus. Während bei der chronischen Pentosurie nach den vorliegenden Er- fahrungen der Literatur und nach meinen eigenen Beobachtungen an zwei Fällen sich nicht der mindeste Zusammenhang mit dem Diabetes mellitus findet, gibt es bei der chronischen Lävulosurie nur Die Lävulosurien. 125 wenige Fälle, wo nicht ausgesprochene diabetische Symptome, in einigen Fällen zudem noch hereditäre oder familiäre Be- lastung nachweisbar sind. Auch Neuberg hat auf das Vorkommen von diabetischen Symptomen hingewiesen. Ja, Naunyn!) fasst solehe mit chronischer Lävulosurie behaftete Patienten direkt als Diabetiker auf. Er schreibt: „Hingegen gibt es Fälle von Diabetes mellitus, in denen statt der Dextrosurie Lävulosurie besteht und die Lävulose die Rolle übernimmt, welche sonst die Dextrose bei dieser Krankheit spielt; sie sind sehr selten, es gibt kaum mehr solcher Fälle wie ein halbes Dutzend.“ Auch in meinem eigenen Falle, den ich durch mehrere Jahre bis zu seinem Tode beobachten konnte, bestanden andauernd in mehr oder weniger ausgesprochener Weise diabetische Symptome. Die Kranke war schon vor 22 Jahren als zuckerkrank erklärt und die Diagnose von mehreren Ärzten bestätigt worden. Während meiner Beobachtung schied sie stets nur Lävulose aus. Traubenzucker konnte ich nie nachweisen. Ob die Patientin in früherer Zeit Traubenzucker ausgeschieden hat, das vermochte ich leider nicht in Erfahrung zu bringen. Bei dieser Patientin bestand eine Intumeszenz der Leber. Die Frau hatte vor Jahren eine Malaria durchgemacht. Man könnte nun geneigt sein, die chronische Lävulosurie in diesem Falle mit der Leberschwellung in Beziehung zu bringen, zumal H. Strauss?) die bedeutsame Tatsache festgestellt hat, dass Störungen der Leber- funktion eine alimentäre Lävulosurie zur Folge haben. Man könnte bei gewissen Fällen von chronischer Lävulosurie daran denken, dass es sich um eine kombinierte Erkrankung handle, in dem Sinne, dass ein Zusammentreffen einer Abnormität des Kohlehydratstoffwechsels mit einer besonderen Störung der Leberfunktion diesen Zustand bedinge. Doch fehlen mit Rücksicht auf die Seltenheit der Fälle die Beweise für eine solche Annahme. Von Interesse scheint es mir, zu betonen, dass das Auftreten von Azidosis bei der reinen chronischen Lävulosurie niemals beobachtet wurde; weder #-Oxybuttersäure noch Acetessigsäure oder Aceton sind bei den bisherigen Fällen im Harne gefunden worden. Bezüglich der Prognose der reinen chronischen Lävulosurie lässt sich noch kein abschliessendes Urteil geben, da meines Wissens 1) Naunyn, Der Diabetes mellitus. Wien 1898: 2) H. Strauss, 1. c. 126 Oskar Adler: über den Ausgang der Fälle bisher noch nichts bekannt geworden ist. Doch steht wohl zu erwarten, dass sie bezüglich der Lebens- dauer im allgemeinen keine ungünstige sein dürfte. Meine Patientin erreichte das hohe Alter von 73 Jahren. FR Eine spezifische Therapie für die reine chronische Lävulosurie gibt es zurzeit ebensowenig wie für den Diabetes mellitus. Die übrigen therapeutischen Versuche ergeben sich aus den bei den meisten Fällen bestehenden nahen Beziehungen zum Diabetes. Ein- schränkung der Kohlehydrate führte fast in allen Fällen zur Ver- minderung der Lävuloseausscheidung. Bei meiner Patientin war ein günstiger Einfluss der Karlsbader Kuren nicht zu verkennen. Die alimentäre Lävulosurie. Die wichtige Beobachtung von H. Strauss!), dass sich bei Funktionsstörungen der Leber leicht alimentäre Lävulosurie provozieren. lässt (nach 100 g Lävulose auf nüchternen Magen) hat nahezu allgemeine Bestätigung gefunden. Unter Berücksichtigung der klinischen Erscheinungen ist die Probe diagnostisch wertvoll. Zur Vermeidung von Täuschungen ist der Nachweis der Lävulose- ausscheidung im Harn unter Berücksichtigung der von uns mehrfach geschilderten Kautelen zu führen. Die umfangreiche Literatur über diesen Gegenstand findet sich bis 1905 bei B. Chajes?) (von 84 Leberkranken boten 87 °o, von 99 Fällen ohne klinische Zeichen einer Leberkrankheit 15°/o alimentäre Lävulosurie). Die weitere Literatur siehe bei Maly, Jahresberichte der Tierchemie. Über diabetische Lävulosnrie. . Die Frage der diabetischen Lävulosurie hat die Forscher schon seit langer Zeit lebhaft beschäftigt, und die Mehrheit der Autoren neigte der Ansicht zu, dass Ausscheidung von Lävulose beim Diabetiker durchaus nicht selten vorkomme. Hierfür waren ins- besondere zwei Momente maassgebend: 1. Das Resultat von Differenz- bestimmungen zwischen Titration und Polarisation oder zwischen Gärung und Polarisation. 2. Der positive Ausfall der Seliwanoff- schen Reaktion. Diese unter 1. erwähnten Differenzen bei den Doppelbestimmungen, die von den Autoren immer wieder beobachtet 1)H. Strauss, I. c. 2) B. Chajes, Deutsche med. Wochenschr. Bd. 30 S. 696. Die Lävulosurien. 127 wurden, sind schon seit dem Jahre 1855 wohlbekannt. Die Werte dieser Differenzen verringern sich erheblich, wenn andere links- drehende, nicht gärfähige Substanzen berücksichtigt werden (#-Oxy- buttersäure, Glykuronsäure), also auch, wenn nach der Gärung polarisiertt und der Wert für die nachher bestehende Linksdrehung in Rechnung gezogen wird. Doch auch unter Berücksichtigung aller Kautelen ergeben sich nicht selten zwischen Polarisation und Gärung relativ grosse Werte beı den Differenzbestimmungen, über die man nicht ohne weiteres hinauskommen kann, die nicht durch methodische Fehler erklärt werden können, und die in der Tat die Annahme wahrscheinlich machen könnten, als läge noch ein zweites gärfähiges Kohlehydrat von geringerer optischer Aktivität als Traubenzucker oder gar ein linksdrehender Zucker vor. Doch muss daran festgehalten werden, dass Lävu- lose bisher noch niemals unseres Wissens aus dia- betischem Harn in reiner Form isoliert worden ist. Solange dies aber nicht geschehen ist, ist man unseres Erachtens nicht berechtigt, Lävulose mit Sicherheit anzunehmen. Von neueren Autoren sind insbesondere Rosin und Laband!) für die Anschauung eingetreten, dass Lävulose beim schwereu Diabetes häufig aus- geschieden werde. Auf Grund ihrer Untersuchungen schreiben diese Autoren: „Somit halten wir den Nachweis für erbracht, dass Lävulose in einem grossen Teil der Fälle von Diabetes mellitus neben Dextrose in beträchtlicher Menge zur Ausscheidung kommt.“ v. Noorden?) schreibt mit Beziehung auf das Vorkommen von Lävulose beim Diabetes, „dass in leichteren Fällen eine sichere Lävulosereaktion des Urins äusserst selten ist; bei schwerem Diabetes fällt die Seliwanoff’sche Reaktion — mit allen Kautelen ausgeführt — in der Regel stark positiv aus.“ L. Schwarz), der sich ebenfalls mit dieser Frage beschäftigte, glaubte auf Grund der Untersuchung von 19 Diabetikern in sechs Fälten Lävulose neben Traubenzucker gefunden zu haben. Auch F. Umbert) findet häufig Lävulose bei Diabetischen; doch beobachtete er auch in zahlreichen Fällen im frisch entleerten Harn von Gesunden und Kranken einen ‚positiven Ausfall der Seliwanotf- schen Reaktion und-spricht deshalb die Vermutung aus, „dass es sich hierbei ‚doch um ganz minimale physielogische Spuren von Lävulose handelt“. 2 Die allgemeine Gültigkeit der Werte für die Lävuloseausscheidung, wie sie neuere Autoren beobachteten, wurde von v. Noorden?) in Zweifel gezogen. Dieser 1)H. Rosin und L. Laband, |. c. 2) C. v. Noorden, Handb. d. Pathol. d. Stoffwechsels Bd. 2 S. 58. 1907. 9) L. Schwarz, ]. c. 4) F. Umber, Salkowski-Festschrift S. 375. 1238 Oskar Adler: auf dem Gebiete der Pathologie des Kohlehydratstoffwechsels so erfahrene Autor schreibt: „So hohe Werte für Lävulose, wie Rosin und Laband fanden und wie auch Umber für einzelne Fälle angibt, scheinen mir aber doch zu den Ausnahmen zu gehören.“ Auch W. Schlesinger!) erhielt bei der Unter- suchung von 15 Diabetikern mit der Seliwanoff’schen Reaktion keinen posi- tiven Ausfall der Probe. In geradem Gegensatz dazu schreibt Umber?2): „Ich selbst habe nur selten, und zwar höchstens bei den allerleichtesten Formen des - Altersdiabetes mit ganz geringen täglichen Zuckermengen im Urin, beobachtet, dass Fruchtzucker bei wochenlang sorgfältig durchgeführten täglichen Beobach- tungen dauernd vermisst worden wäre. Auch in solchen Fällen gelingt es meist, ab. und zu einmal geringe Fruchtzuckerausscheidung im Harn neben dem Traubenzucker nachzuweisen.“ — Ich selbst habe in einer mit R. Adler?) ausgeführten Arbeit als einer der ersten die Beweiskraft der Seliwanoff’schen Reaktion in Zweifel gezogen. Auch wir beobachteten in einer nicht un- beträchtlichen Anzahl von Harnen bei der Seliwanoff’schen Reaktion eine Rotfärbung, wie sie für den positiven Ausfall der Probe angegeben wird. Da uns aber der weitere Gang der Unter- suchung solcher Harne keinen Anhaltspunkt für das Vorhandensein von Lävulose bot, so war es klar, dass ein anderer mit der Lävulose nicht identischer Körper den positiven Ausfall der Seliwanoff’schen Probe vortäuschte. Wir fanden, wie oben schon angegeben wurde, dass die Gegenwart von salpetriger Säure im Harn diese Täuschung verursache, eine Tatsache, die nachher von Borchardt‘) bestätigt wurde. Auch dieser Autor vermochte Lävulose beim Diabetes nicht nachzuweisen. Auf Grund der Untersuchungen eines grossen Materials von Diabetesharnen stehe ich auf dem Standpunkte, dass die Aus- scheidung von Lävulose beim Diabetes mellitus zu den Seltenheiten gehört. Mir selbst ist es bei der Unter- suchung von mehreren 100 Fällen noch nicht gelungen, in einem Falle Lävulose im Harn eines Diabetikers mit Sicherheit nach- zuweisen. Die älteren Angaben über das Vorkommen von Differenzen bei Doppelbestimmungen zwischen quantitativer Gärung und Polari- 1) W. Schlesinger, |. c. 2) Umber,l. c. 8) R. u. O. Adler, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 206. 1904. 4) Borchardt, l.c. Die Lävulosurien. 129 sation!) kann ich auch auf Grund meiner Untersuchungen bestätigen. Ich nehme nicht an, dass diese Differenzen etwa durch Fehler be- dingt sind, die der Methode zur Last fallen, und selbst so relativ geringe Differenzen, wie in den folgenden zwei Fällen, die ich beispielshalber anführen will, sind nicht durch methodische Fehler zu erklären. Wera, R,...n. 'o. Juli 1910. Polarisation vor der Gärung. . + 2,10. Polarisation nach der Gärung . — 0,65 °/o (nach der Gärung keine Reduktion). Gärung (Lohnstein). ... 32%. Aceton, Acetessigsäure, #-Oxybuttersäure reichlich vorhanden. Differenz: 0,45 °o (auf Traubenzucker). Seliwanoff’sche Reaktion: negativ. Eamall, Fr... s.. 6. Juli 1910. Polarisation vor der Gärung. ..... + 4,4 %o. Polarisation nach der Gärung. . .. . —0,5 'o. Garmerllbohnstein). . .. 2.00 5,4 %o. Aceton, Acetessigsäure, 8-Oxybuttersäure reichlich vorhanden. Eiweiss: minimale Spur. Spezifisches Gewicht 1,027, Tagesmenge 4800 ccm. Differenz: 0,50 (auf Traubenzucker). Seliwanoff’sche Reaktion: negativ. (Nach Zusatz einiger Tropfen sehr verdünnter Lävuloselösung stark positiv.) Dass diese Differenzen nicht durch methodische Fehler bedingt sind, wurde durch folgenden Versuch kontrolliert. 200 ccm sauer reagierender normaler Harn werden mit 4,390 g wasserfreier Dextrose versetzt — 2,1950. Die Drehung des genuinen Harns nach Klä:ung mit neutralem Bleiacetat beträgt — 0,2 Vo der Traubenzuckerskala. Die konstante Drehung des Harns nach dem Zusatz von Dextrose beträgt nach Aufhören der Birotation 1,95 °/0. Die Drehung des Harns nach der Vergärung des Zuckers be- trug — 0,2%. Der Wert der quantitativen Vergärung nach Lohnstein ergab 2,10%. Die Drehung des Harns unter Berücksichtigung der Linksdrehung nach der Vergärung beträgt demnach 2,15 %o. Es zeigt sich also bei diesem Versuche, dass die Fehler bei der Doppelbestimmung zwischen Polarisation und quantitativer Gärung unter Einhaltung aller Kautelen kaum 0,1 °o betragen. Es ergibt sich also, dass selbst bei relativ geringen Differenzen von 0,5°o von methodischen Fehlern nicht die Rede sein kann. 1) Zwischen Titration nach Bertrand und Polarisation fand neuerdings, wie erwähnt, Borchardt (l. c.) in Harnen, die frei von Oxybuttersäure waren, gut übereinstimmende Werte. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. &) 130 Oskar Adler: Die Lävulosurien. Die Seliwanoff’sche Reaktion war wie in den übrigen, so auch in beiden oben angeführten Fällen durchaus negativ. Auf Zusatz einer Spur von Lävulose dagegen stark positiv, so dass etwa eine Behinderung des positiven Ausfalls der Reaktion — die bei Farben- reaktionen gelegentlich vorkommen kann — sicher auszuschliessen ist. Eine Erklärung für diese Differenzen vermag ich einstweilen nicht’ zu geben. So viel aber scheint sicher zu sein, dass Lävulose nicht als Ursache angesprochen werden kann. Ich würde den Nachweis der Lävulose im Diabetikerharn erst dann als einwandfrei erbracht ansehen, wenn es gelänge, diesen Zucker aus dem Harn zu isolieren. Hierfür stehen uns zwei Methoden zur Verfügung; einerseits die Isolierung der Lävulose als Caleiumverbindung und andererseits die Anreicherung der Lävulose nach dem von mir angegebenen Benzidinverfahren. Nach beiden Methoden ist es mir bisher nicht gelungen, Lävulose aus dem Harne schwerer Diabetiker zu isolieren, während es andererseits gelang, zu linksdrehenden Lösungen zu kommen, die alle Eigenschaften der Lävulose boten, wenn dem Diabetikerharn vorher Lävulose zu- gesetzt war. 131 (Aus dem physiologischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Dresden.) Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. IH. Mitteilung. Die Magenverdauung von Cricetus frumentarius bei Fleisch- nahrung. Von Arthur Scheunert. (Mit 2 Textfiguren.) In Band 121 dieses Archives!) habe ich ausführliche Versuche über die Verdauung des Hamsters bei vegetabilischer Nahrung ver- öffentlich. Da sich im Verlauf dieser Versuche herausstellte, dass der Hamster sehr gern Fleisch als Nahrung zu sich nimmt, hatte ich am Schlusse meiner Abhandlung Versuche über die Magen- verdauung des Hamsters bei solcher Nahrung in Aussicht gestellt. Diese sind nunmehr abgeschlossen und sollen im folgenden kurz geschildert werden. 1. Mechanik des Hamstermagens. Infolge der Zweiteilung des Hamstermagens in einen mit kutaner Schleimhaut ausgekleideten Vormagen und einen mit diesem nur durch eine enge Öffnung in Verbindung stehenden Drüsenmagen verläuft, wie ich schon früher zeigte, die Anfüllung des Hamster- magens mit Nahrungsmassen und die Fortbewegung dieser während der Verdauung in eigenartiger Weise. Während im Vormagen, dem Analogon der Wiederkäuervormägen, durch offenbar energische Kontraktionen eine Vermischung des Inhaltes eintritt, ist der Inhalt 1) Die Verdauung von Cricetus frumentarius. Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 169. 1908. 9* 132 Arthur Scheunert: des Drüsenmagens in der Reihenfolge geschichtet, in welcher die Nahrungsmittel in ihn hineingelangten, verhält sich also in dieser Hinsicht wie ein einhöhliger Magen. Ausserdem besitzt der Hamster- magen eine von der Einmündung des Ösophagus an der kleinen Kurvatur des Drüsenmagens bis weit in diesen hinein verlaufende, mit Lippen umgebene und von kutaner Schleimhaut ausgekleidete Rinne, die als ein anatomisches Homologon und auch als ein physio- logisches Analogon der Schlund- bzw. Speiserinne der Wiederkäuer angesehen werden kann. Ich konnte nämlich durch verschiedene Versuche zeigen, dass bei der Nahrungsaufnahme fester, rauher Futtermittel von diesen der grösste Teil aus dem Ösophagus in den Vormagen gelangt und dort verweilt, während wasserreiche, weiche Futtermittel hauptsächlich die Schlundrinne passieren und unter völliger oder teilweiser Umgehung des Vormagens direkt in den Drüsenmagen gelangen, dass also die Speiserinne des Hamsters ganz ähnlich wie die der Wiederkäuer arbeitet. Es erschien deshalb ge- boten, diese Verhältnisse auch bei teilweiser oder reiner Fleisch- nahrung zu verfolgen. Zunächst wurde ein Hamster (Nr. 41) 2 Tage nur mit Fleisch gefüttert, erhielt nach 18stündiger hierauf folgender Hungerpause wieder eine nicht sehr reichliche Fleischmahlzeit und wurde dann sofort getötet. Bei Eröffnung des Magens zeigte sich, dass Fleisch sowohl in den Vormagen wie auch in den Drüsenmagen, der aber hauptsächlich Reste alten Futters sowie Kot und Haare enthielt, gelangt war. Es wurde hierauf ein weiterer Hamster (Nr. 42) nach zweitägiger Fleischfütterung und 24stündiger Karenzzeit zunächst mit Fleisch und dann mit Hafer gefüttert und darauf sofort getötet. Der Magen wurde exenteriert, gefroren und durchsägt und bot dann im Quer- schnitt das in Fig. 1 gegebene Bild. Der Hafer war fast vollständig in den Vormagen eingetreten, während in der Nähe der Ösophagusmündung und der Schlundrinne sowie im Anfangsteil des Drüsenmagens das Fleisch gelagert war. Bis auf einen kleinen am Ende der Schlundrinne gelagerten Hafer- antell war der Drüsenmagen ausserdem mit alten Futterresten, Haaren usw. gefüllt. Bei der Futterfolge Fleisch-Hafer war also entsprechend der oben erwähnten früheren Beobachtung das harte, rauhe Futtermittel zum weitaus grössten Teil in den Vormagen gelangt, ohne das Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. 11. 133 zuerst aufgenommene Fleisch aus seiner Lage in und nächst dem Drüsenmagen zu verdrängen und ohne bis auf geringe Anteile die Schlundrinne zu passieren. Bei einem weiteren Versuch (Hamster 44) wurde nach 2tägiger Fleischfütterung und folgender 17 stündiger Hungerpause erst Hafer und an zweiter Stelle Fleisch gereicht. Nach Beendigung der Fig. 1. Vorm. — Vormagen; Pyl. — Pylorus; Schldr. = Schlundrinne; H. = Hafer; Fl. = Fleisch. Fig. 2. Vorm. = Vormagen; Pyl. = Pylorus; Schldr. —= Schlundrinne; H. — Hafer; Fl. = Fleisch. Mahlzeit wurde das Tier sofort getötet und der Magen wie oben geschildert behandelt. Der Durchschnitt ergab ein Bild (Fig. 2), welches in vieler Hinsicht dem oben beschriebenen ähnelte. Das bei diesem Versuch an zweiter Stelle gereichte Fleisch fand sich im Drüsenmagen und dem benachbarten Teile des Vormagens; es war also zum grössten Teil durch die Schlundrinne gegangen und hatte den wenigen im Drüsenmagen vorhandenen Hafer nach dem Pylorus zu gegen die dort liegenden alten Inhaltsmassen gedrängt. Die 134 Arthur Scheunert: Hauptmasse des Hafers lag auch hier wieder im blinden Ende des Vormagens. Deutlich war auch bei diesem Versuche die Schichtung im Drüsenmagen gegenüber einer an der Grenzfläche von Hafer und Fleisch beginnenden Durchmischung im Vormagen zu beobachten. Beide Versuche bestätigen meine früheren Beobachtungen, nach denen weiche dünnbreiige Bissen und Futterarten in der Hauptsache durch die Schlundrinne direkt in den Drüsenmagen gelangen, während feste, härtere Futtermittel bis auf einen kleinen wahr- scheinlich dünnbreiigen Teil, der regelmässig den Weg durch die Sehlundrinne nimmt, zunächst in den Vormagen wandern, wo sie einer mechanischen Verarbeitung, verbunden mit Quellungs- und Mazerationsvorgängen, unterliegen. Gegenüber dem festen harten Hafer gelangt so das weiche wasserreiche Fleisch in der Hauptsache in den Drüsenmagen und in die diesem benachbarte in der Nähe von Ösophagus und Schlundrinne liegende Vormagenabteilung. 2. Chemie der Magenverdauung. Über die Bedeutung der beiden Abteilungen des Hamstermagens für den Chemismus der Verdauung war ich früher bei vegetabilischer Nahrung zu dem Schluss gekommen, dass der Vormagen der Ort der Kohlehvdratspaltung, der Drüsenmagen der der Eiweissverdauung sei. Niemals hatte ich im Vormagen Pepsinwirkung finden können, und ebensowenig hatte ich die Anwesenheit von wirksamer Speichel- diastase im Drüsenmagen beobachten können. Diese letztere Be- obachtung war unerwartet, da, wie auch die vorher geschilderten Versuche über die Anfüllung des Magens beweisen, stets ein Teil der abgeschluckten Bissen durch die Schlundrinne direkt in den Drüsenmagen wandert, dort also auch Diastase, wenigstens kurz nach der Nahrungsaufnahme, vorhanden sein muss. Da bei reiner Fleischfütterung ein diastatisches Ferment nur durch den dem Bissen beigemengten Speichel in den Magen kommen kann und auch stets reichliche Mengen der Fleischnahrung direkt in den Drüsenmagen eintreten, erschien es gerade bei Fütterung von Fleisch besonders aussichtsreich, nochmals den Nachweis von diastatischem Ferment im Drüsenmageninhalt zu versuchen. Es wurden daher noch einige solche Versuche angestellt. Versuch 1. Hamster 55 wurde 2 Tage mit Fleisch gefüttert und erhielt am 3. Tage nochmals Fleisch nach Belieben. Nach Beendigung der Mahlzeit erfolgte sofort die Tötung und Exenteration des Magens. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. II. 135 a) Der Vormageninhalt wog 5,3 g, wurde mit der fünffachen Menge Wasser versetzt, gut durchgeschüttelt und filtriert. Vom Filtrat wurden 5 ccm mit 10 ccm einer 1°/oigen Lösung löslicher Stärke (Kahlbaum) 4 Stunden in den Thermostaten bei 40° eingestellt. Hierauf war die Worm-Müller’sche Probe im Verdauungsgemisch stark positiv, und es fanden sich darin nach Bans titriert und als Dextrose berechnet 0,041 g Zucker vor. b) Vom Drüsenmageninhalt wurden die von der Versuchsmahlzeit stammenden Teile im Gewichte von 0,15 g abgetrennt und mit der 20 fachen Menge Wasser durchgeschüttelt, filtriert und mit 10 ccm 1’/oiger Stärkelösung versetzt; nach vierstündigem Aufenthalt der Mischung im Thermostaten gab sie eine starke positive Worm-Müller’sche Probe, sie enthielt 0,027 g Zucker (wie oben bestimmt und berechnet). Versuch 2. Ein Kontrollversuch wurde mit einem weiteren Hamster (56) in gleicher Weise angestellt. a) Vormageninhalt. 14,6 g mit 2,5 facher Menge Wasser durchgeschüttelt, filtriert. Hiervon gaben 5 ccm + 10 ccm 1’/oiger Stärkelösung nach 4 Stunden m Thermostaten stark positive Worm-Müller’sche Probe. Von den 5 ccm Extrakt waren 0,043 g Zucker gebildet worden. b) Vom Drüsenmageninhalt stammten 0,07 g von der Versuchsmablzeit. Sie wurden abgetrennt, mit der 20facken Menge Wasser durchgeschüttelt und filtriert und das Filtrat mit 10 ccm 1oiger Stärkelösung 4 Stunden im Thermo- staten gehalten. Die Worm-Müller’sche Probe war schwach positiv. Nach Bang titriert waren 0,0052 g Zucker gebildet worden. Diese Versuche zeigen also, dass es in der Tat gelingt, sofort ‚nach der Nahrungsaufnahme nicht nur im Vormageninhalt, sondern auch in dem von der soeben aufgenommenen Nahrung stammenden Teil des Drüsenmageninhalts ein diastatisches Ferment nachzuweisen. Dieses ınuss aus dem Speichel des Hamsters stammen, da bei Fleisch- nahrung andere Fermente, wie die in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthaltenen Fermente, nicht in Frage kommen können. Es ist demnach, wie ich schon früher betonte, nicht von der Hand zu weisen, dass kurz nach der Aufnahme pflanz- licher Nahrung nicht nur im Vormagen, sondern auch im Drüsenmagen, und zwar in den der neuen Nahrung an- gehörigen Inhaltstelen Kohlehydratverdauung ablaufen kann. Allerdings wird diese nur kurze Zeit schon deshalb an- dauern, weil die die fraglichen Inhaltsteile umhüllende Fundusdrüsen- schleimhaut salzsauren Magensaft absondert, und die Salzsäure die Amylolyse hemmt (l. e. S. 182). Die Untersuchung der Eiweissverdauung im Hamstermagen konnte sich nur auf die Feststellung des Pepsingehaltes im Inhalt 136 Arthur Scheunert: und in der Schleimhaut. erstrecken. Infolge der geringen Inhalts- menge scheiterten alle Untersuchungen, die zum Nachweis von Ab- bauprodukten der peptischen Proteolyse vorgenommen wurden.. Zur Feststellung des Pepsingehaltes diente, wie schon bei den früheren Versuchen, die Grützner’sche Karminfibrinmethode. Die Tiere wurden zunächst 2 Tage lang nur mit Fleisch gefüttert, mussten dann 24 Stunden hungern und bekamen hierauf je 10 g rohes Pferdefleisch. Von diesem frassen sie stets nur einen Teil; sobald sie mit Fressen aufhörten, wurde der Rest der Mahlzeit entfernt. Von diesem Zeitpunkt an gerechnet wurden die Tiere nach Ye, 1, 2, 5, 7 Stunden ‚getötet, der Magen exenteriert und durch Ligaturen der Vormagen vom Drüsenmagen abgeschnürt. Dann wurde ebenfalls durch Ligaturen der Drüsenmagen in zwei Teile (Fundusdrüsenportion, Pylorus- drüsenportion) und auch der Vormagen in zwei nahezu gleiche Teile getrennt. Aus den aufgeschnittenen Magenabteilungen wurde der Inhalt sorgfältig in Wägegläschen gebracht und gewogen. Die Schleimhaut von Fundus- und Pylorus- drüsenregion des Magens wurde von der Submucosa durch Abschaben getrennt und ebenfalls in Wägegläschen gewogen. Von den abgewogenen Mengen wurden hierauf Extrakte derart bereitet, dass als Extraktionsflüssigkeit die l0fache Menge einer 0,2%igen HCl-Lösung verwendet wurde. Mit dieser wurde nach feiner Verteilung der Inhalte und Schleimhäute gut durchgeschüttelt, dann die Fxtrakte 24 Stunden in den Eis- schrank eingestellt und oft umgeschüttelt. Hierauf wurde filtriert. Vom Filtrat gelangten je 0,1 ccm zur Untersuchung auf die Pepsinwirkung, indem [sie mit 10 ccm 0,1% HCl versetzt und hierzu 1 g Karminfibrin hinzugefügt wurde. Ausserdem wurden Kontrollversuche angestellt. Die Färbung der einzelnen Gläschen wurde regelmässig nach 15, 30, 45 Min. Aufenthalt im Thermostaten ermittelt. Die Gewichte der zur Extraktion gelangten Portionen von Inhalt und Schleim- haut der einzelnen Hamster sind im folgenden zusammengestellt: Versuch 1. (Hamster 47.) Tötung "/s Stunde nach Beendiguug der Mahlzeit. Inhalte: Vormagen bl. Ende 2,3 g, Vormagenrest 2,7 g, Fundusportion 0,5 g, Pylorusportion 0,3g. Schleimhäute: Fundusdrüsenschleimhaut 0,5 g, Pylorus- drüsenschleimhaut 0,5 g. Versuch 2. (Hamster 45.) Tötung 1 Stunde nach Beendigung der Mahlzeit. Inhalte: Vormagen bl. Ende 2,32 g, Vormagenrest 2,7 g, Fundusportion 0,7 g, Pylorusportion 0,7 g. Schleimhäute: Fundusdrüsenschleimhaut 0,4 g, Pylorusdrüsenschleimhaut 0,28 g. Versuch 3. (Hamster 48.) Tötung 2 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit. Inhalte: Vormagen bl. Ende 1,6 g, Vormagenrest 1,1 g, Fundusportion 0,9 g, Pylorusportion 0,5 g. Schleimhäute: der Fundusdr. 0,4 g, der Pylorusdr. 0,45 8: Versuch 4. (Hamster 46.) Tötung 5 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. II. 137 Inhalte: Vormagen b]. Ende 0,19 g, Vormagenrest 0,23 g, Fundusportion 0,2 g, Pylorusportion 0. Schleimhäute: der Fundusdr. 0,4 g, der Pylorusdr. 0,56 g. Versuch 5. (Hamster 50.) Kontrolle zu Versuch 4. Inhalte: Vormagen bl. Ende 1.3 g, Vormagenrest 0,9 g, Fundusportion 0,9 g, Pylorusportion 0,4 g. Schleimhäute: der Fundusdr, 0,4 g, der Pylorusdr. 0,25 8- Versuch 6. (Hamster 49.) Tötung 7 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit. Inhalte: Vormagen 0,5 g, Fundusportion 0,12 g, Pylorusportion 0,05 g. Schleimhäute: der Fundusdr. 0,4 g, der Pylorusdr. 0,2 g. Versuch 7. (Hamster 51.) Kontrolle zu Versuch 6. Inhalte: Vormagen bl. Ende 1,75 g, Vormagenrest 0,9 g, Fundusportion 0,2 g, Pylorusportion 0,4 g. Schleimhäute: der Fundusdr. 0,23 g, der Pylorusdr. 0,35 8. Lediglich Schleimhautextrakte wurden hergestellt bei: Versuch 8. (Hamster 53.) Tötung 5 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit. Fundusdrüsenschleimhaut 0,37 g, Pylorusdrüsenschleimhaut 0,55 g. Versuch 9. (Hamster 54.) Tötung 7 Stunden nach Beendigung der Mahlzeit. Fundusdrüsenschleimhaut 0,45 g, Pylorusdrüsenschleimhaut 0,55 g. In der Tabelle sind zunächst die Resultate der Pepsinbestimmung in den einzelnen Portionen des Mageninhaltes geordnet. Es wurden dabei stets Kontrollen entweder durch Wiederholung des Versuches mit 0,2 eem oder mit 0,1 cem Extrakt angestellt. Auch die Resultate dieser Kontrollversuche sind in der Tabelle I enthalten. Tabelle I. Inhalts | 1, sta.| ı sta. | 2 Sta. | 5 Sta. | 5 Sta. | 7 Sta. | 7 sta, | Blind- extrakte ver- von 0,1 |Kontr.| 0,1 | 0,2 | 0,1 |Kontr. 0,1 0,2] 0,1 'Kontr. 0,1 Kontr. 0,1 |Kontr.| such Bnyen \ Keine Verdauung eingetreten e Haager \ Keine Verdauung eingetreten E = | le el 1.2. 5 Be ron ee Bess |2|5|s, 2|j5\e 54 2|2)2|3 2lee = 4|4|4a 7814 4|6,8|4-5 5 [2-3/3-4J4-5) 5 | © 8 doren 1 SalP as | a | ne als) es ocus- j | sl Aare 2a (Aa ee B. 15-6 4-5| 5 [7-81 4 | 4 [nicht aus-[4-5| 5 12-31 4 14-5] 5 | | geführt Das wichtigste Ergebnis der Versuche ist, dass im Vormagen auch bei Fleisehfütterung Pepsin nicht nachgewiesen 1) Die untereinanderstehenden Zahlen geben die nach 15, 30, 45 Min. be- obachteten Nummern der Vergleichsgläschen der Farbskala an. 138 Arthur Scheunert: werden kann, während im Drüsenmagen stets auch schon eine halbe Stunde nach der Nahrungsaufnahme deutliche Pepsinwirkung vorhanden ist. Es stimmt dieser Befund bei Fleischnahrung also völlige mit meinen früheren Beobachtungen bei Fütterung mit Hafer überein. Ein Übertritt von Magensaft in den Vormagen findet nicht statt; die dort ablaufenden Verdauungsvorgänge beschränken sich, soweit kohlehydrathaltige Nahrung in Frage kommt, nur auf die des Kohlehydratabbaues durch Speicheldiastase, abgesehen natürlich von eventuell bakteriellen und Nahrungsmittelfermentwirkungen. Weiter zeigt die Tabelle, dass ein Unterschied zwischen dem Pepsingehalt im Inhalt der von Fundusdrüsenschleimhaut aus- gekleideten Magenabteilung und dem im Antrum pylori befindlichen nicht besteht. Bei den früheren Versuchen war dies der Fall ge- wesen, indem der Inhalt des Antrum pylori stets etwas kräftigere Pepsinwirkung als der Inhalt des übrigen Magens gezeigt hatte. Über den Pepsingehalt der Schleimhaut des Drüsenmagens gibt folgende Tabelle (II) einen Überblick: Tabelle Il. 1/2 Std. 1 Std. 2 Std. > Std. 5 Std. Extrakt der 0,1 Kontr.| 0,1 | 0,3 | 0,1 |Kontr.| 0,1 | 0,3 | 0,1 | Kontr. N | Fundusdrüsen- 34 | R 4 L au 5 5 1 1 Sonleihant 8 | 8 7 M | 10 10 M|I|MIM M M!) | M 10 M|M M M|MIM M Pylorusdrüsen- L | A : 2 I : 5 ee 4 2 5 2 schleimhaut x nz 4—5, 5 10 | M 4 | 3—4| 5 |7-8| 6 7 58 S 7 Std. 7 Std Extrakt der a a Ihr 8 0,1 | Kontr 0,1 | Kontr 0,1 | Kontr. | 0,1 | Kontr Bundesimen 1—8 | 7—8 2 2 7—8 | 78 | 8-9 | 8-9 schleimhaut M M B 5 M M M M M M 78 | 7-8 M M M M Pslorusdrüsen- 13°, | 34 las | as | 5 ae schleimhaut TR ie) 3% ER 6—7 | 6-7 | 4-5 | 4-5 7 7 8 8 Pepsin ist nach der vorstehenden Tabelle in der gesamten Schleimhaut des Hamsterdrüsenmagens vorhanden, und zwar ist daran die Fundusdrüsenschleimhaut durchweg reicher als die 1) M = Maximum. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. II. 139 Pylorusdrüsenschleimhaut. Es bestehen also beim Hamster- drüsenmagen ganz dieselben Verhältnisse, wie sie seit langem für die einhöhligen Mägen von Mensch, Hund, Schwein, Pferd usw. be- kannt sind. Auch bei Fütterung mit pflanzlicher Nahrung hatte ich dasselbe früher beobachtet und dabei auch gefunden, dass die Vormagenschleimhaut kein proteolytisches Ferment produziert. Die diesbezüglichen Versuche, die bei Publikation der ersten Abhandlung noch nicht abgeschlossen waren und deshalb dort nicht mit aufgenommen wurden, möchte ich hier als Nachtrag in einer Tabelle geordnet anfügen. Tabelle II. Bene der | Ya Std. | 1 Std. | 2 Std. | 3 Std. | 5 Std. | 7 Std. Fundusdrüsen- 2 5 2 2 2 : schleimhaut 4 425 i > : . Pylorusdrüsen- L , =< I : 1 Er schleimhaut 3 3 r 5 3 5 Sie sind derart angestellt, dass stets die gesamte Schleimhautportion mit derselben Menge, und zwar 10 ccm 0,2°/oiger HCl-Lösung, extrahiert und vom Extrakt 0,1 ccm verwandt wurde. Die Tabelle ist daher nicht mit der ersten ver- gleichbar, und auch deshalb nicht, weil bei ihr eine etwas andere Farbenskala zum Vergleich benutzt wurde. Die Tabelle zeigt aber deutlich, dass auch bei dieser Anordnung die Fundusdrüsenschleimhaut als Hauptproduzent des Pepsins hervor- tritt. Die Pylorusdrüsenschleimhaut enthält weniger Pepsin, doch ist darin ebenso wie in der Fundusdrüsenschleimhaut Pepsin immer deutlich nachweisbar. Schlussbetrachtung. Die geschilderten Untersuchungen über die Verdauung im Hamstermagen bei Fleischfütterung haben die Ergebnisse der früheren Untersuchungen bei pflanzlicher Fütterung bestätigt. Der Ablauf der Verdauung ist im grossen und ganzen derselbe. Bei der Anfüllung des Magens gelangt. Fleisch bei alleiniger Verabreichung sowohl in den Drüsenmagen wie in den Vormagen. Infolge seiner breiartigen Konsistenz nimmt der Fleischbissen aber in der Hauptsache seinen Weg durch die Speiserinne und gelangt so in den Drüsenmagen und die diesem benachbarten Teile des Vormagens. Besonders deutlich tritt dies bei vorheriger oder folgender Verabreichung eines festen Futtermittels zutage. 140 Arthur Scheunert: Studien zur vergl. Verdauungsphysiologie. IH. Speicheldiastase findet sich sofort nach einer Fleisch- mahlzeit sowohl im Vormagen wie im Drüsenmagen. Die Verdauung des Fleisches durch Magensaft findet nur im Drüsenmagen statt, wo sich in Gestalt von Fundus- und Pylorusdrüsen Pepsinproduzenten finden. Der Vormagen beteilist sich daran nicht. Er verrichtet bei Fleischnahrung wohl fast aus- schliesslich mechanische Arbeit. Im Vormagen könnten höchstens bakterielle Vorgänge eine Eiweissfäulnis bewirken. Es wird die Aufgabe einer folgenden Ab- handlung sein, über den Anteil von Mikroorganismen an der Ver- dauung des Hamsters zu berichten. 141 Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. Von Dr. Toyotane Wada (Osaka, Japan). (Ausgeführt unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. Alois Kreidl im physiologischen Institute der Wiener Universität.) Im Jahre 1907 und 1903 veröffentlichte Sano!) Unter- suchungen, in welchen er über das Enteiftungsvermögen des zen- tralen Nervensystems verschiedener Tiere gegenüber dem Strychnin und Kokain berichtete. Er beschränkte sich damals auf das Rücken- mark und das Grosshirn und fand bemerkenswerte Unterschiede in dem Verhalten der einzelnen Abschnitte des Zentralnervensystems. In der vorliegenden Arbeit berichte ich über Versuche, durch welche das entgiftende Vermögen des peripheren Nervensystems ge- prüft wurde. Es schien von Interesse, das Verhalten der peripheren Nerven zu studieren, da dieselben in chemisch-biologischer Beziehung dem Zentralnervensystem sehr nahe stehen. In der Literatur fehlt eine diesbezügliche Untersuchung. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Kreidl hier für seine liebenswürdige Leitung meinen aufrichtigsten Dank aus- zusprechen. Versuchsmethode. Die Versuchsmethode gleicht im allgemeinen jener von Sano. Als Material wurden periphere Nerven (Nervus ischiadieus und 1) Sano, Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch das Rückenmark. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 120 1907. — Sano, Über das entgiftende Vermögen einzelner Gehirnabschnitte gegenüber dem Strychnin. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124. 1908, 142 Toyotane Wada: medianus) von Hund, Katze, Kaninchen, Affen und Menschen ver- wendet. Diese wurden ganz frisch getöteten Tieren und mensch- lichen Leichen entnommen und so gut wie möglich vom Fettgewebe befreit. Eine bestimmte Gewichtsmenge (0,5—1,5 g) der Nerven wurde in einer Reibschale mit einer scharfen Schere möelichst fein zerschnitten, dann ganz gründlich verrieben, dazu eine entsprechende Dose von Strychnin oder Kokain mit 15—20 Tropfen destilliertem Wasser zugetan und nochmals gut verrieben. Die Strychnin-Nerven-Emulsion wurde 24 Stunden, die Kokain- Nerven-Emulsion 3 Stunden in dem Eiskasten stehen gelassen und hierauf durch Watte gepresst. Das Filtrat: wurde Fröschen mittelst Pravatz’scher Spritze in den Rückenlymphsack injiziert. Zur Kontrolle wurden Blut- und Muskelgemische in der gleichen Weise hergestellt und an Frösche verabfolst. Um dem Einwand zu begegnen, dass möglicherweise beim Filtrieren der Gift-Nerven-Emulsion ein Teil von Stryehnin und Kokain in der Watte zurückbleibt, stellte ich später Nervenemulsion ohne Zusatz von Giften her. Nach dem Filtrieren dieser Emulsion fügte ich erst dem Filtrat eine genau gewogene Menge von Strychnin oder Kokain hinzu. ® Bei einigen Versuchen wurden die Nerven vorher durch 24 Stunden auf 100° C. erhitzt. Nach dem Erkalten wurden die Nerven in einer Reibschale möglichst fein zerschnitten, dann ver- rieben und mit 15—20 Tropfen destilliertem Wasser emulgiert. Die Emulsion wurde dann durch Watte gepresst und dem Filtrate die Gifte beigemengt. Zur Kontrolle wurde Fröschen von dem gleichen Gewicht die gleiche Giftmenge in der gleichen Menge Wasser ohne Nerven- substanz eingespritzt. Um individuelle Unterschiede der Frösche auszuschalten, unter- warf ich wie Sano das betreffende Froschpaar am 6. bis 8. Tage nach dem ersten Versuche einem Kontrollversuche, derart, dass der Frosch, welcher beim ersten Versuche die Gift-Nerven-Emulsion er- halten hatte, diesmal die wässerige Giftlösung, der Frosch, der früher nur die wässerige Giftlösung bekommen hatte, die Gift-Nerven- Emulsion erhielt, und die auftretenden Vereiftungserscheinungen wurden an beiden Fröschen verglichen. Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 143 Versuchsresultate. A. Versuche mit Strychninnm nitricum. 1. Versuche mit Stryehninum nitrieum, welches der frischen nicht filtrierten Nervenemulsion beigemenst wurde. Versuch I. Frosch I (Rana esculenta), 120 g, erhält 0,5 g N. ischiadieus einer Katze mit 0,0002 g Strychnin. nitric. tags vorher ver- rieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 20 Min. keine Vergiftungserschei- nungen. 2. do. ol. ;, do. = 35 „ geringe Spur einer Ver- giftungserscheinung. AU. , do. » a, do. „ 50 „ ziemlich empfindlich. E50, „ do. „ 60 „ stark überempfindlich. | 65 Tetanus. ” 24 Stunden etwas überempfindlich. Kontrollversuch (nach 5 Tagen). Frosch II erhält 0,55 g Nervus | ischiadicus von einem Kaninchen mit 0,0003 g Strychnin. nitric. tags vorher verrieben und zeigt folgende Er- scheinungen: Nach 10 Min. ein wenig überempfindl. »„ 15 „ sehr empfindlich. Der Frosch lässt sich nicht, in die Rückenlage bringen. 2 Zuckung, auf. Reiz. 29, Tetanus. 250, ..,; do. „ 24 Stunden kaum bemerkbare Über- empfindlichkeit. Versuch I. Frosch III (Rana temporaria), 42 g,| | erhält 0,5 g Nervus ischiadieus einer Katzennerven. Frosch II (Rana esculenta), 120 g, erhält 0,0002 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 20 Min. keine Vergiftungssrschei- nungen. »„ 23 „ etwas überempfindlich. »„ 30 „ ziemlich empfindlich. » 3 „ stark überempfindlich. » 40 » do. Pa Win. do. Bas; do. » 99 „ Zuckung auf Reiz. „Se nletanus: "0 do. „ 24 Stunden ziemlich überempfindl. Kaninchennerven. Frosch I erhält 0,0003 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. ein wenig überempfindl. »„ 15 ,„ sehr empfindlich. Der Frosch kann sich nicht mehr von der Rückenlage in die Bauchlage umlegen. Ale aszRetanus® VEDDEENE do. SONNE do. „ 24 Stunden ein wenig überemp- findlich. Katzennerven. Frosch IV (Rana temporaria), 42 g, erhält 0,00008 Strychn. nitric. und g Katze mit 0,00008 Strychnin. nitric. tags | zeigt folgende Erscheinungen: Toyotane Wada: vorher verrieben und zeigt folgende Er- scheinungen: Nach 15 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. 20 do. » 25 „ ein wenig überempfindl. SEHS0ONEN do. „ 35 „ ziemlich überempfindlich. „ 40 „ sehr überempfindlich. Bea PR do. „ 50 „ höchst überempfindlich. »„ 59 „ Zuckung bei Reizung. „ 60 Tetanus bei Reizung. ” „ 24 Stunden stark überempfindlich. Versuch III. Frosch VII (Rana temporaria), 83 g, erhält 1,0 g des N. ischiadicus und medianus eines Affen mit 0,0001 g Strychn. nitrie. tags vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 30 Min. gar keine Vergiftungs- erscheinung. a do. Er An, do. „ 45 „ ein wenig überempfindl. a, do. 518100. 0m, do. LOSE, ... .2de: 11095, 5; do. AN SZO TE... do. „ 75 „ziemlich überempfindlich. ON do. EUREN, do. Kontrollversuch (nach 7 Frosch VII erhält 0,7 g des Nervus ischiadicus und medianus von einer Katze mit 0,0001 g Strychnin. nitric. tags vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 15 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. Nach 15 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. „. 20 „ ein wenig überempfindl. »„ 25 „ ziemlich überempfindlich. „ 30 „. stark überempfindlich. Musa, do. „ 40 „ beim Beklopfen kommt es zur tetanischen Zuckung. »„ 45 „ leichter Reiz ruft Tetanus hervor. „ 50° „ Tetanus. HELD. do. br, do. „ 24 Stunden stark überempfindlich. Affennerven. Frosch VIII (Rana temporaria) 83 g, erhält 0,0001 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 30 Min. kaum bemerkbare Über- empfindlichkeit. »„ 35 „ ein wenig überempfindl. Al) I, do. BR De do. „ 50 „ ziemlichüberempfindlich. „ 55 „ sehr empfindlich. AN do. »„ 65 ,„ beim leichten Reiz hüpft der Frosch sehr lebhaft. STREET, do. „ 15 „ krampfhafte Zuckung beim Beklopfen. BERLIN EN do. u lUheer-, do. Tagen). Katzennerven. Frosch VII erhält 0,0001 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen : Nach 15 Min. ein wenig überempfindl. Über die Entgiftung von Strychnin un Nach 20 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. 2a, „ do, Bol). „ do. „39 „ ein wenig überempfindl. A) ., do. u do. 100” , do. „ 55 „sehr überempfindlich. „ 60 „ Zuckung auf Reiz. Ps, Tetanus. 70 do. d Kokain durch periphere Nerven. 145 Versuch IV. Frosch IX (Rana temporaria), 62 g, erhält 1,0 g des N. ischiadicus und medianus eines Affen mit 0,0001 g Strychnin. nitric. tags vorher verrieben | und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 20 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. Par, ein, wenig überempfindl. „ 30 „. ziemlich überempfindlich. 2 do. MAN) „, do. a do. » 90 „ sehr überempfindlich. an do. 2260 do. 1!/a nnden do. Kontrollversuch (nach 6 Esönsth X erhält 0,78 N. ischiadieus | und medianus von einer Katze ‚mit - 0,0001 g Strychnin. nitric. tags vorher verriebeen und zeigt folgende Er- scheinungen: Nach 15 Min. keine Vergiftungser- : scheinungen. = Der; do. 2 „ do. oe , do. »„ 89 ,„ ein wenig überempfindl. en do. »„ 4 ,„ ziemlich überempfindlich. 50, stark überempfindlich. n 55 do. Pflüger’s Archiv für Physiologie. ' 24 Stunden ziemlich überempfindl. ı | Nach 15 Min. Bd. 139. Nach 20 Min. ein wenig überempfindl. »„ 25 „ ziemlich überempfindlich. 2 9005 do. » 35 „ sehr überempfindlich. „. AU, do. „45 „.. Zuckung auf Reiz. oleEr, do. „' 95° 7, . Tetanus. 3. ‚oller do. OO do. ee do. „. .24 Stunden leichte Zuekung auf Reiz. Affennerven. Frosch X (Rana temporaria), 62 8, erhält 0,0001 & Strychnin. nitrie. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 20 Min. ein wenig überempfindl. ao do. | »„ 80 „ ziemlich überempfindlich. on do. „ 40. „ sehr überempfindlich. „Ada do. „ 50 „ beim leichten ‚Schlag krampfhafte Zuckungen. » . 90. „Se Ketanus. 60 do. 1!/g Stunden do. Tagen). Katzennerven. Frosch IX erhält 0,0001:g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: ziemlich überempfindlich. do. I) 20 ” 1.0.25 „ stark überempfindlich. | .,..80 5 -Tetanus:auf Reiz. „. go „ien-Betanus: „ 40 „ do. | Sg .do. I» ol, do. P)] BB) ”„ do. 10 146 Toyotane Wada: Nach 60 Min. Zuckung auf Reiz. Nach 60 Min. Tetanus. 3 do. 0 do. KERN, do. 108 %,, do. „SD anletanus: OUSON. do. 24 Stunden ziemlich empfindlich. | „ 24 Stunden Zuckung auf Reiz. 2. Versuche mit Stryehninum nitricum, welches mit der filtrierten frischen Nervenemulsion vermischt wurde Versuch V. Katzennerven. Frosch XI (Rana temporaria), 46 g, Frosch XII (Rana temporaria), 46 g, erhält 1,2 g N, ischiadicus von einer |erhält 0,0001 g Strychnin. nitric. und Katze mit 0,0001 g Strychnin. nitric. | zeigt folgende Erscheinungen: tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 15 Min. keine Vergiftungserschei- |Nach 15 Min. ein wenig überempfindl. nungen. „ 20 „ ein wenig überempfindl.| „ 20 „ ziemlichüberempfindlich, „ 25 „ ziemlichüberempfindlich.| „ 25 „ sehr empfindlich; der Frosch hüpft krampfhaft auf leichten Reiz. SUNE30 HR, do. „ 90 „ Zuckung auf Reiz. „ 35 „ sehr empfindlich. | „ 85 „ do., lässt sich passiv in die Rückenlage bringen. „ 40 ,„ leichteZuckung aufReiz.| „ 40 ,„ Tetanus. „. 45 ,„ beinahe Tetanus. a Den do. Mole lletanus: NS do. „ 24 Stunden ein wenig über-|' „ 24 Stunden ein wenig über- empfindlich. empfindlich. Versuch VI. Katzennerven. Frosch XIII (Rana temporaria), 35 g, Frosch XIV (Rana temporaria), 35 g, erhält 0,7 g N. ischiadicus von einer |erhält 0,0001 g Strychnin, nitric. und Katze mit 0,0001 g Strychnin. nitric. | zeigt folgende Erscheinungen: tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. keine Vergiftungserschei- | Nach 10 Min. ziemlich überempfindlich. nungen. uno do. „ 15 „ Zuckung auf Reiz. »„ 20 ,„ ein wenig überempfindl.| „ 20 „ beinahe Tetanus. „ 25 „ ziemlichüberempfindlich.| „ 25 „ Tetanus. »„ 90 „sehr stark überempfindl.| „ 80 „ do. ad, do. BD, do. „ 40 ,„ Zuckung auf Reiz. sea. do. Ay Retanus. al Assın, do. OO do. ala do 24 Stunden ziemlich empfindlich. | „ 24 Stunden Tod. Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven, 147 Versuch VII, Frosch XV (Rana temporaria), 102 g, erhält 1,0 g N. ischiadicus und medianus von einer Katze mit 0,0002 g Strychnin. nitric. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 15 Min. ein wenig überempfindl. 20. , do. »„ 25 „ ziemlichüberempfindlich. "30, , do. » 59 „ sehr überempfindlich, lässt sich passiv in die Rückenlage bringen, »„ 40 „ Zuckung auf Reiz. »„ 45 ,„ Tetanus. 50 do. ” 24 Stunden keine Erscheinung. Versuch VII. Frosch XVII (Rana temporaria), 52 g, erhält 1,0 g N. ischiadicus und medianus von einer Katze mit 0,00008 g, Strychnin, nitric. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. ein wenig überempfindl. BR l5r,., do. 20. ,, do. » 25 „ ziemlich überempfindlich. B30: do. 20.05, do. AN, „ do. »„ 23 „ ziemlich stark über- empfindlich. »„ 90 „ sehr stark überempfindl. »„ 60 „ Zuckung auf Reiz. PR 10...;, do. 80 do. 2 24 Stunden sehr überempfindlich. Katzennerven., Frosch XVI(Rana temporaria), 104 g, erhält 0,0002 g Strychnin, nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 15 Min. ein wenig überempfindl. > 720005 do. »„ 25 „ ziemlichüberempfindlich., „ 30 „ sehr überempfindlich, kann sich nicht von der Rückenlage in die Bauch- lage bringen. » 3 „ krampfhafte Zuckung bei Reiz. „ 40 „ Tetanus. „u Aa do. SH0TES do. »„ 24 Stunden ein wenig über- empfindlich. Katzennerven. Frosch XVIII (Rana temporaria), 52 g, erhält 0,00003 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. ziemlich überempfindlich. »„ 15 „ sehr überempfindlich. »„ 20 ,„ Zuckung auf Reiz. „29,290 Betanus: nl o0025 do. ro do. ur AS do, sr AD do. RL. do, 2.605085 do. ll. do. EI LEUNERN do. „ 24StundenleichteZuckungauf Reiz, Versuch IX. Hundenerven. Frosch XIX (Rana temporaria), 87 g, erhält 1,2 g N. ischiadicus eines Hundes mit 0,00008 g Strychnin, nitric. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Frosch XX (Rana temporaria), 37 g, erhält 0,00003 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: 1055 148 Nach 15 Min. gar keine Vergiftungs- erscheinungen.. | „ 20 .„ ein wenig überempfindl. | BR do. | »„ 30 „. ziemlich überempfindlich. | »„ 39 „ sehr überempfindlich. „ 40 ,„ Zuckung auf Reiz. a do. ol letanus: ” 60 b)] do. -„ 24 Stunden ziemlich überempfindl. Versuch X. Frosch XXI (Rana temporaria), 39 g, erhält 1,2 g N. ischiadicus eines Hundes mit 0,00008 g Strychnin. nitric. tags vorher gemischt und zeist folgende Er- scheinungen: Nach 10 Min. ein wenig überempfindl. Ben do. Ale" do. Kr, do. „ 30 „ ziemlich überempfindlich. » 3 „. sehr überempfindlich. ” 40 e) do. es do. ” 50 ” do. Hr a do. WON Yr, do. nl, do. n RRLORBENSENN do. „ 24 Stunden ein wenig über- empfindlich. Toyotane Wada: Nach 15 Min. ein wenig überempfindl. »„. 20 „ ziemlich überempfindlich. »„ 25 „ sehr überempfindlich. _ „. 30, „ Tetanus, | 5 do. AREA, do. a do. Br a do. E00 =; do. „ 24 Stunden ziemlich überempfindl. Hundenerven. Frosch XXII (Rana temporaria), 39 g, erhält 0,00008 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: \ Nach 10 Min. ein wenig überempfindl. alas, 2 do. 20, do. SLOT do. „30 „ziemlich überempfindlich. » 35 „sehr überempfindlich. a U, do. & Pe do. ” 50 D) do. san! ” BB) ” do. | y 60 etanuss Hr EBD TE, do. SL N) LO er do. „ 24 Stunden ziemlich überempfindl. Versuch XI. Kaninchennerven. Frosch XXIII -(Rana temporaria), 39 g, erhält 0,5 g N. ischiadicus und medianus eines Kaninchens mit 0,0001 g Strychnin. nitric. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: . Nach 10 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. „. 15 „ ein wenig überempfindl. „ 20 „ ziemlich überempfindlich. „ 25 „ sehr überempfindlich. » 30 °, Zuckung’ auf Reiz. ae do: EAU Tetanus: oe do. DD do: Frosch XXIV (Rana temporaria), 39 g, erhält 0,0001 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: \ Nach 10 Min. ziemlich überempfindlich. „ 15 „ ‚sehr überempfindlich. „. 20 „. Zuckung auf Reiz. 7 2 etanus: Bo, on u N do. Br Alan do. 250" W do. ENO0: us do. Über die Entgiftung von Strychnin: und Kokain durch periphere Nerven. 149 3. Versuche miteiner Mischung von Strychninummitri- cum ‚Versuch XIL. .. Frosch XLIX (Rana temporaria), 71 g, erhält 1,0 g auf 100° C. erhitzteu menschlichen N. ischiadicus (60 jährige Frau, Karzinom der Gallenblase) mit 0,0002 g Strychnin. nitrie. tags vorher gemischt und zeigt folgende Er- scheinungen 3 Nach 10 Min. ein wenig überempfindi. „ 15 „ ziemlich überempfindlich. „ 20 ,„ krampfhaftes Hüpfen auf Reiz. „25 ,„ Tetanus. e50 „ do. BR 3or., do. BRAO do. hl. , do. wl -, do. „ #2 Stunden do. Versuch XIII. Frosch LV (Rana temporaria), 66 g, erhält 1,2 g auf 100° C. erhitzten menschlichen N. ischiadicus (67 jähriger Mann, Pneumonie) mit 0,0001 g Strychnin. nitrie. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Über- empfindlichkeit. Per 10:"", do. »„ 15 „ ziemlich überempfindlich. P20 „ . sehr überempfindlich ; krampfhaftes Hüpfen auf Berührung. 5 do. »„ 80 „ höchst überempfindlich; y .,, sonst wie früher. 2» 95 „. .do.;,KrampfhafteZuckung. AU... do. „ ? b3) do. und dureh 24 Stunden auf 100° Nerven. C. erhitzten, Menschennerven. Frosch L (Rana temporaria), 71 g erhält 0,0002 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. ziemlich überempfindlich. „ 15 „ sehr stark überempfind- lich; Zuckung auf Reiz. se 20ensssRetanus> 2a do. RS: do. DIE SON do. hl DIENT. do. al Er do. ED un, do. »„ 4a Stunden do. Menschennerven. Frosch LVI (Rara temporaria), 66 g, erhält 0,0001 g Strychnin. nitric. und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Über- empfindlichkeit. „ 10 „ziemlich überempfindlich. »„ 15 „ sehr überempfindlich; krampfhaftes Hüpfen auf Reiz. „20575. Jetauns: EL) do. el) do. EG do. 0 15: do. u Asa); do. 150 Toyotane Wada: Nach 60 Min. Tetanus. Nach 60 Min. Tetanus. W800 nt 1, de: Eigo2 0“ Mao: „ 2 Stunden do. „ 2 Stunden do. ER ZA RE do. a2llauı. do. Versuch XIV. Menschennerven. Frosch LIII (Rana temporaria), 78 g, Frosch LIV (Rana temporaria), 78 g, erhält 1,2 g auf 100° C. erhitzten | erhält 0,0001 g Strychnin. nitrie. und N.ischiadicus eines Menschen (67 jähriger | zeigt folgende Erscheinungen: Mann, Pneumonie) mit 0,0001 g Strychnin. nitric. tags vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. keine Vergiftungser- Nach 10 Min. etwas überempfindlich. scheinungen. | EL RN do. „ 15 „ ziemlich überempfindlich. 200 do. »„ 20 „ leichter Krampf auf Reiz. »„ 25 „ ein wenig überempfindl.| „ 25 „ beinahe Tetanus. u RO do. „ 50 „ Tetanus. OD do. no do. „ 40 „ ziemlich überempfindlich. | „ 40 „ do. » 49, do. RL Se do. » 60, sehr überempfindlich;) „ 60 „ do. beim Klopfen leichte Zuckung. „307, Tetanus: „. 908, do. „ 2 Stunden do. „2 Stunden do. Bl; do. "u s2llan,... do: „24 5 ein wenig überemp- „ 24 „ zieml.überempfindlich; findlich. krampfhaftes Hüpfen auf Reiz. Aus den oben angeführten Versuchen geht hervor, dass die peripheren Nerven verschiedener Tierspezies und des Menschen das Vermögen besitzen, Strychnin zu entgiften. Auch wenn man die Nerven 24 Stunden lang auf 100° C. erhitzt, verlieren sie dieses Entgiftungsvermögen nicht. Bei diesen Versuchen waren die Resultate immer eindeutig, und ich konnte auch durch Kontrollversuche individuelle Unterschiede der Frösche ausschliessen. B. Versuche mit Cocainum muriaticum. Bei diesen Versuchen verwendete ich immer den Nervus ischiadieus, welcher aus möglichst frischen menschlichen Leichen (einige bis mehrere Stunden post mortem) entnommen wurde. Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 151 1. Versuche mit Cocainum muriaticum, frischen, nicht welches der filtrierten Nervenverreibung bei- gemengt wurde. Versuch XV. Menschennerven. Frosch XXVII (Rana temporaria), 66 g, erhält 1,0 g N. ischiadicus eines Menschen (22jährige Frau, Lungen- und Serotuberkulose) mit 0,005 Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. keine Vergiftungserschei- nungen. LOL... , do. „ 15 ,„ Körperhaltung ein wenig schlafi; beim Emporheben zieht der Frosch die Beine an sich, aber träge. „ 20 „ beim Emporheben hängen die Beine herunter; Lidspalte eng; Reaktion gut. 2a dos; Reaktion träge; | lässt sich auf den Rücken legen. ENEESO) N, do. 0, do. Versuch XVI. Frosch XXIX (Rana temporaria), 32 9, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- adicus (22jährige Frau, Lungen- und Serotuberkulose) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. kaum bemerkbare Schlaff- heit. Frosch XXVIII (Rana temporaria) 66 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. ein wenigschlaffe Körper- haltung. „ 10 „ ziemlich schlaf; beim Sitzen sinkt der Kopf herab; beim Emporheben hängen die Beine schlaft herunter; Lidspalte eng; der Frosch lässt sich leicht in die Rückenlage bringen. »„ 15 „ Lider geschlossen; voll- kommen schlaf; fast keine aktive Bewegung. »„ 20 „ vollkommen schlaff; mini- male Reaktion. N do. Polen do. DE Son do. Menschennerven. Frosch XXX (Rana temporaria), 32 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. etwas schlaffe Körper- haltung; Lidspalte eng; Reaktion schwach; beim Emporheben hängen die Beine herunter; der Frosch lässt sich in die Rückenlage bringen. 152 Nach 15 Min. schlaffe Körperhaltung; | Lidspalte eng; Reaktion 3 gut; kann sich schwer | von der Rückenlage in die Bauchlage bringen. »„ 20 ,„ Lider fast geschlossen; beim Emporheben hängen die Beine herab; der Frosch lässt sich passiv in die Rückenlage bringen. »„ 25 ,„ Lider geschlossen; pas- sive Lage; minimale Re- aktion. Kuolllee do. y' 85, do. 0.1 60° , do. ,>:90 „ Lidspalten etwas er- weitert; beim Kneipen bewegt der Frosch die Beine sehr träge. Versuch XVII. “Frosch XXXI (Rana temporaria), 40 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- adicus (22jährige Frau, Lungen- und Serotuberkulose) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. „ 10 „ kaumbemerkbareSchlaff- heit; Reaktion gut. » 15 ,„ Lidspalte eng; beim Emporheben hängen die Beine herab; wenn man den Frosch in die Rücken- ı lage bringt, so strebt er danach, sich in die Bauch- lage umzulegen, aber er- folglos. Toyotane Wada: ganz schlaff;, Lider ge- schlossen; passive Lage; keine Reaktion. N ach 15 Min. RUN; do. 3) suaabt N do 0. do. 80 do. „ 60 „ minimale Reaktion. 2 0 ” do. Menschennerven. Frosch XXXII (Rana temporaria), 40 g, erhält 0,005.g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. etwas schlaffe Körper- haltung; Lidspalte ver- engt; Reaktion ver- mindert; der Frosch lässt sich nicht passiv in die Rückenlage bringen. Kopf herabgesunken; Lider fast geschlossen ; beim Emporheben macht der Frosch ganz leichte Abwehrbewegungen, dann hängen die Beine herab; - derFroschlässtsich indie Rückenlage bringen. „ ganz passive Lage; voll- ständige Bewegungslosig- keit; minimale Reaktion. Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 153 Nach 20 Min. Lider geschlossen, voll- Nach 20 Min. keine Reaktion. kommen schlaff; mini- male Reaktion beim Kneipen. 2 do. „zn do. 00, do. All do. „ 60 „ Lider’ etwas geöffnet; passive Lage; beim Kneipen zieht der Frosch die Beine an sich. » % ,„ Lidspalten mässig weit;| „ W ,„ do. noch passive Lage, aber auf Reiz leichte Reaktion. „ 60 „ minimale Reaktion. 3. Versuche mit Cocainum muriaticum, welches erst dem Filtrat der Nervenverreibung beigemenst wurde. Versuch XVII. Menschennerven. Frosch XXXIII (Rana temporaria), Frosch XXXIV (Rana temporaria), 95,8, erhält 1,0.g N. ischiadieus eines | 53 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum Menschen (30jährige Frau, Verblutung | und zeigt folgende Erscheinungen: bei der Geburt) mit 0,005 g Geainun) muriaticum 3 Stunden vorher gemischt | - und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. kaum bemerkbare Schlaft- | Nach 10 Min. kaum bemerkbare Schlaff- heit. | heit. „ 15 „ schlaffe Körperhaltung; „ 15 ,„ schlaffe Körperhaltung; Reaktion prompt; beim Lidspalte sehr eng; Emporheben hängen die Reaktion träge; beim Beine herab; der Frosch Emporheben hängen die lässt sich leicht in die Beine schlaff herab; der Rückenlage bringen. Frosch kann die Beine | nicht an sich ziehen, wenn man sie abzieht. » 20 „ Lidspalte etwas en, „ 20 „ Lider geschlossen; ganz 2. sonst wie früher. | schlaff; passive Lage ».25 „ kann die Beine nicht an „ 25 „ minimale Reaktion. sich ziehen; passive Lage; | Reaktion träge. | 2207, ider” halb geschlossen, 30 do. sonst wie früher. | m, 0% y de. | nd do. a, 4 do. „ 40 „ Lidspalte : mässig weit; Reaktion gegen früher ein wenig gesteigert. „ » do. 154 Nach 60 Min. Lidspalte weit; Reaktion prompt; Beine gestreckt, beim Kneipen zieht der Frosch sie an sich. Versuch XIX. Frosch XXXV (Rana temporaria), 50 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- adicus (30jährige Frau, Verblutung bei der Geburt) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. kaum bemerkbare Schlaff- heit. etwas schlaff; Beinkraft herabgesetzt. 1008 ” 1 B) ” > „1.20, ziemlich 'schlafi;‘ Kopt herabgesunken; beim Emporheben macht der Frosch leichte Abwehr- bewegungen; Lider halb geschlossen. 25 „ Beim Erheben hängen die Beine schlaff herab; Lider fast geschlossen; Reaktion träge. „ Lider geschlossen; pas- sive Lage; fast voll- ständige Bewegungslosig- keit. 5 do. a ER do. „ 60 ,„ _ Lider geöffnet; Reaktion prompt; leichte aktive Bewegung; beim Em- porheben macht der Frosch leichte Abwehr- bewegungen. Toyotane Wada: Nach 60 Min. Lider geöfinet; Reaktion noch träge; noch sehr schlaft. Menschennerven. Frosch XXXVI (Rana temporaria), 50 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Schlaff- heit. „ 10 ,„ schlaffe Körperhaltung; Reaktion prompt. „ 15 ,„ Lider geschlossen; beim Emporheben hängen die Beine herab. „ 20 „ fast vollständige Be- wegungslosigkeit. »„ 25 „ minimale Reaktion. 400. 2, do. N ER do. WA, do. „ 60 ,„ -Lider weit geöffnet; beim Abheben bewegt der Frosch ein wenig die Beine. Versuch XX. Menschennerven. Frosch XXXVII (Rana temporaria), 35 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- adieus (30jährige Frau, Verblutung bei der Geburt) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Frosch XXXVII (Rana temporaria), 39 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 155 Nach 10 Min. keine Vergiftungser-- |Nach 10 Min. Kopf ein wenig herab- scheinungen. gesunken; Reaktion gut. 15 kaum bemerkbare Schlaff- 15 sehr schlaffe Körper- heit. haltung; Lidspalte eng; der Frosch lässt sich leicht in die Rücken- lage bringen; beim Em- porheben hängen die Beine herab. 20 schlaffe Körperhaltung; 20 Lider geschlossen; pas- Lider halb geschlossen; sive Lage; fast keine Reaktion träge. Reaktion. 25 Lider fast geschlossen ; 25 Augen sinken in die passive Lage; minimale Orbita zurück; keine Re- Reaktion. aktion. » 30 ,„ Lidergeschlossen; Augen | „ 30 ,„ do. sinken etwas in die Or- bita zurück; sonst wie früher. ey do. 2 do. a do. sn AlReS do. »„ 60 „ Lider halb geöffnet;| „ 60 „ Liderseschlossen; Augen Augen treten hervor; noch zurückgesunken, schlaffe Körperhaltung; minimale Reaktion. beim Kneipen zieht der j Frosch die Beine an sich. „ „ Lider halb geöfnet;| „ 90 ,„ Lidspalte mässig weit; beim Emporheben macht Augen treten hervor; der Frosch leichte Ab- - beim Kneipen bewegt wehrbewegungen. der Frosch die Beine träge. Versuch XXI. Menschennerven. Frosch XXXIX (Rana temporaria), Frosch XL (Rana temporaria), 38 g, 38 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und adicus (30jährige Frau, Verblutung bei zeigt folgende Erscheinungen: der Geburt) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Ver- Nach 5 Min. schlaffe Haltung; Lid- giftungserscheinungen. spalte eng; Reaktion gut. „ 10 „ Lidspalte ein wenigeng; „ 10 „ Lider halb geöffnet. schlaffe Körperhaltung. „ 15 „ beimEmporhebenhängen „ 15 ,„ passive Lage; fast voll- die Beine herab; sonst wie früher. ständige Bewegungslosig- keit; minimale Reaktion. 156 : Toyotane Wada: Nach 20 Min. Lidspalten eng; ganz| Nach 20 Min. Lidspalte geschlossen. 'schlaff; minimale Re- Augen sinken etwas in aktion: die Orbita zurück; sonst wie früher. A 20, do. „29, do. „ulsla0, 0: do. 80... 5 do. „aan, do. SR RER do. in, A0aı do. AU |, do. „ 60 , Lider geöffnet; Korneal-| „ 60 „ Lidspalte geschlossen; reflex prompt; beim Er- Augen zurückgesunken, heben macht der Frosch ganz schlaff; minimale leichte Abwehrbewe- Reaktion. gungen; beim Kneipen zieht er die Beine an sıch. » 9 ,„ beim Emporheben ziehtt| „ 90 „ Lider halb geöffnet; der Frosch die Beine an Reaktion prompt; schlaffe sich; etwas aktive Vor- Körperhaltung; beim Ab- wärtsbewegung. heben und Kneipen be- wegt der Frosch die Beine ein wenig, doch träge. Versuch XXII. Frosch XL] (Rana temporaria), 67 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischiadieus (60jährige Frau, Karzinom der Gallen- blase) mit 0,005 g Cocainum muriaticum ö Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. NE „ @0 1005 0 as keine Vergiftungser- scheinungen. kaum bemerkbare Schlaff- | heit. Kopf ein wenig herab- gesunken. schlaffe Körperhaltung; beim Emporheben macht der Frosch leichte Ab- wehrbewegungen. Lidspalten etwas eng; sonst wie früher. Lidspalten eng; beim Sitzen sinkt der Kopf tief herab. Menschennerven. Frosch XLII (Rana temporaria), 67 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. schlaffe Körperhaltung; Kopf ein wenig herab- gesunken. do. beiin Emporheben hängen die Beine schlaff herab. sehr schlaff; beim Sitzen berührt der Kopf den Boden; Lider fast ge- schlossen; Augen sinken in die Orbita zurück. ganz schlaffe Körper- haltung; Lider ge- schlossen; der Erosch kann die Beine nicht an sich ziehen, Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 157 Nach 40 Min. Lidspalten Sitzen tief herab. do. Lider weit geöffnet; - Körperhaltung gut, etwas schlaff; Reaktion gut; eng; beim beim Erheben macht der | Frosch lebhafte Abwehr- bewegungen. Gewöhnliche Körper- haltung; Beinkraft schwach. Versuch XXI. Frosch XLIII (Rana temporaria), sinkt der Kopf wenn man sie (abzieht, aber beim Kneipen zieht " er sie wieder an sich. Nach 40 Min. do. a Sr, do. „ 60 „ Lider etwas geöffnet Körperhaltung etwas besser; Augen treten her- vor; beim Emporheben leichte Abwehrbewe- gungen. »„ 9% „ Lidspalten weit; etwas schlaffe Körperhaltung; der Frosch lässt sich nicht von der Rückenlage in die Bauchlage bringen. Menschennerven. Frosch XLIV (Rana temporaria), 46 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischi- | 46 g, erhält 0,005 g Cocainum mutiaticum adicus (60jährige Frau, Karzinom der |und zeigt folgende Erscheinungen: Gallenblase) - mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Schlaff- | Nach 5 Min. Lider halb geschlossen ; : heit. schlaffe Körperhaltung; Fa beim Emporheben hängen die Beine herab; ver- minderte Reaktion. » 10 ,„. schlaffe Körperhaltung;| „ 10 „ Lidergeschlossen; Augen der Frosch kann noch sinken zurück; . voll- seine Beinean sich ziehen, kommen schlaff; minimale wenn man sie abzieht. Reaktion. »„ 15 „ Lider halb geschlossen; „ 15 ,„ keine Reaktion. Kornealreflex prompt; N beim Emporheben hängen die Beine herab. „ 2 „ Lider: fast geschlossen;| „ 20 „ do. sonst wie oben. 225 „ Lider geschlossen; ganz |" „' (25 '", do. schlaff; passive Lage; minimale Reaktion. ES U Zee do. an l90 do. n“ ‚35 A Sedo: SB do. En do. 40 do. 158 Nach 60 Min. Lider Toyotane Wada:; halb geöffnet; | Nach 60 Min. Lider fast geschlossen; Augen treten hervor; noch vollkommen schlaff; schlaffe Körperhaltung; minimale Reaktion. beim Emporheben ganz leichte Abwehrbewe- gungen. »„ . % ,„ Lider geöffnet; schlaffe Lidspalten etwas eng; Körperhaltung; beim Er- schlaffe Körperhaltung; heben macht der Frosch Kopf berührt den Boden; ganz geringe und träge beim Erheben macht der Abwehrbewegungen. Frosch lebhafte Abwehr- bewegungen. Versuch XXIV. Menschennerven. Frosch LI (Rana temporaria), 20 g, erhält 1,0 g menschlichen N. ischiadicus (60jähriger Mann, Pneumonie) mit 0,003g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erschei- nungen: Nach 5 Min. ” 10 » ” 15 ” „ 20 „ =» 25 » ” 30 ” $)) 35 $) n 40 ” » 60 $)) „ 9% „ etwas schlaffe Körper- haltung; Kopf ein wenig herabgesunken, Lidspalten eng; beim Emporheben macht der Frosch leichte Abwehr- bewegungen. beim Emporheben hängen die Beine herab; passive Körperlage, aber kann noch seine Beine an sich ziehen, wenn man ihn kneipt. do. do. do. do. beim Emporheben in die Höhe macht der Frosch leichte Abwehrbewegung. Lider fast ganz geöffnet; Kopf noch . herabge- sunken; zieht seine Beine an sich; beim Empor- heben macht er lebhafte Abwehrbewegungen. Lider ganz geöffnet; Kopf ein wenig herab- gesunken; der Frosch hüpft auf Reiz. Frosch LII (Rana temporaria), 20 g, erhält 0,003 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. „10 220 1725 „30 na) „.# 20 ” schlaffe Körperhaltung; Kopf berührt den Boden. Lider geschlossen; beim Emporheben hängen die Beine herab. passive Körperlage; mini- male Reaktion; Augen sinken in die Orbita zurück; beim Kneipen keine Reaktion. do. do. do. do. do. ‚passive Lage; Lidspalten eng; beim Emporheben hängen die Beine herab. Lider geöffnet; noch schlaffe Körperhaltung; beim Emporheben macht der Frosch geringe Be- wegungen. Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 159 3. Versuche mit hitzten Versuch XVV., Frosch XLV (Rana temporaria), 71 g, erhält 1,0 g auf 100°C. erhitzten menschlichen N. ischiadicus (60 jährige Frau, Karzinom der Gallenblase) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Er- scheinungen: Nach 10 Min. gar keine Vergiftungser- scheinungen. »„ 15 „ kaumbemerkbareSchlaff- heit. 20; do, Ei 2a, do. »„ 530 „ schlaffe Körperhaltung; Kopf herabgesunken. BEN SD. „ do. „ 40 „ gute Körperhaltung; ein wenig schlaff. 60 do. Versuch XXYVI., Frosch XLVII (Rana temporaria), 64 g, erhält 1,0 g auf 100°C. erhitzten menschlichen N. ischiadicus (60 jährige Frau, Karzinom der Gallenblase) mit 0,005 g Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Er- scheinungen: Nach 5 Min. keine Vergiftungser- scheinungen. 22.10 kaum bemerkbare Schlaff- ” heit. einer Verreibung muriatieum mit dureh 24 Stunden auf 100° Cocainum C. er- von Nerven. Menschennerven. Frosch XLVI (Rana temporaria), 71 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. kaum bemerkbare Schlaff- heit. los do. »„ 20 „ Lidspalte etwas eng; Kopf ein wenig herab- gesunken. »„ 25 „ Lider halb geschlossen ; beim Emporheben hängen die Beine herab; der Froschlässtsich nicht von | der Rückenlage in die | Bauchlage bringen. »„ 80 „ Lider fast geschlossen ; | sonst wie früher. ERDRL N do. 5. Als, do. »„ 60 „ Lider noch geschlossen; beim Emporheben macht der Frosch leichte Ab- wehrbewegungen. Menschennerven. Frosch XLVIII (Rana temporaria) 64 g, erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 5 Min. kaum bemerkbare Schlaf- heit. „ 10° „ "etwas schlaff. 160 - Toyotane Wada: Nach 15 Min. schlaffe Körperhaltung; | Nach 15 Min. wie Frosch XLVII.; Kopf ein wenig herab- ? gesunken. „207 „ bidspalte ens; 27, bene vu 200, do. Emporheben hängen die Beine herab; der Frosch kann sich nicht mehr | .. umlegen. 92:25 '„ . Lider fast‘ geschlossen ; »„ 25 „. Lider fast geschlossen; | ganz passive Lage; sonst wie früher. minimale Reaktion. „30: „minimale Reaktion; keine) „ 30 „ passive Lage, nur von aktiven Bewegungen. | Zeit zu Zeit aktive Be- - wegung der Beine; beim Erheben machtder Frosch | leichte Abwehrbewe- „ 55 „ do. gungen. ee RER do. SUN do. 7. 60° „ Lider” halb 77geotinet; HET g do.‘ » noch passive Lage; ganz „ 60 ,„ Lider geöffnet; aktive schlaff. Lage, aber Kopf herab- gesunken. Aus den oben angeführten Versuchen geht hervor, dass auch das Cocainum muriaticum durch periphere Nerven entgiftet wird, und dass dieses Entgiftungsvermögen der Nervensubstanz durch 24stündiges Erhitzen auf 100° C. nicht vernichtet wird. C. Versuche mit Verreibungen von Strychninum nitrieum und Cocainum muriaticum mit Blut und quergestreifter Muskulatur. Um zu prüfen, ob das an den Nerven konstatierte Entgiftungs- vermögen nicht etwa durch das ihnen beigemengte Blut bedingt ist, führte ich Kontrollversuche mit Blut-Strychnin- resp. Blut-Kokain- Verreibungen aus; ferner injizierte ich Muskel-Strychnin resp. Muskel- Kokain-Verreibungen einigen Fröschen, um zu erkennen, ob die Eiweisskörper an der Entgiftung beteiligt sind, die denen des zentralen Nervensystems sehr nahe stehen. Die Resultate waren die gleichen wie jene von Sano'), welcher aufwies, dass das Blut und die Muskulatur ein sehr geringes oder gar kein Entgiftungsvermögen besitzen. ID Versuch XXVIH. Katzenblut. Frosch XXV (Rana temporaria), Frosch XXVI (Rana temporaria), 35 g, erhält 0,7 g Katzenblut mit 0,0001 g |35 g, erhält 0,0001: g' Strychnin. nitric. Strychnin. nitric. tags vorher gemischt | und zeigt folgende Erscheinungen: und zeigt folgende Erscheinungen: Is Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 161 Nach 10 Min: ein wenig. überempfindl. »„ 15. „. ziemlich überempfindlich. „ 20 „sehr überempfindlich. „ 25 „ Zuckung auf Reiz. »„ 30 „ Tetanus. SO 5 do. Po | ER do. used... do. 90%, do. Fau60: do. „ 24 Stunden ziemlich überempfindl. nungen: Nach 10 Min. is „2% 3 „80 „a „50 „60 90 „ 2 Stunden Lidspalten geöffnet; die ” Versuch XX VIII. Frosch LVII (Rana temporaria), 63 g, erhält 0,7 g Katzenblut mit 0,005 g 'Cocainum 'nitricum 3 Stunden vorher gemischt und zeigt folgende Erschei- kaum bemerkbare Ver- giftungserscheinungen. etwas schlaffe Körper- haltung; Kopf sinkt ein wenig herab. schlaffer; Lidspalten eng, beim Emporheben hängen die Beine herab. ganz schlaff; Lider geschlossen; minimale Reaktion. do. do. do. do. Lidspalten halb geöffnet; beim Emporheben macht der Frosch leichte Ab- wehrbewegungen. Beine gut an sich ge- zogen; wenn man ihn reizt, hüpft er. Nach 10 Min. ” Der Frosch XXVI zeigt. ganz die- selben Erscheinungen wieder FroschXXV. Katzenblut. Frosch LVIII (Rana temporaria), 63 g, erhält 0,005 g Cocainum nitricum und zeigt folgende Erscheinungen: 20 25 30 40 90 60 90 kaum bemerkbare Ver- giftungserscheinungen. schlaffe Körperhaltung; Kopf sinkt herab. Lider halb geschlossen ; beim Emporheben hängen die Beine herab. passive Lage; keine ak- tive Bewegung; minimale Reaktion; Lider ge- . schlossen. do. do. do. do. Lider ein wenig ge- öffnet; beim Emporheben macht der Frosch träge Abwehrbewegungen. 2 Stunden Lidspalten noch ein wenig eng, die Beine gut an sich gezogen; wenn man ihn reizt, hüpft er, aber nicht kräftig. Versuch XXIX. Katzenmuskel. Frosch VI (Rana temporaria), 40 g, Frosch V (Rana temporaria), 40 g,| erhält 0,5 Katzenmuskel mit 0,00008 g Strychnin. nitric. tags vorher verrieben und zeigt folgende Erscheinungen: "= Pflxger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. erhält 0,00008 Strychnin. nitrie. und | zeigt folgende Erscheinungen: 11 1694 0," Toyotane:Wäda:!: Nach 15 Min.. gar. keine: Neeblune, Nach 15 Min. gar keine Vergiftungs- erscheinungen. 02.22: ‚erScheinungen. „ 2% „ ein wenig herinpi. »„. 20: „. ein wenig überempfindl. »„ 25 ,„ ziemlich überempfindlich.ı „ 25 „ . ziemlich überempfindlich. »„ 30 „ sehr überempfindlich. | „ 30 „ sehr überempfindlich. SOSE do. I DR ; do. : LANE do. „ 40 „ höchst überempfindlich. »„ 45 ,„ Zuckung auf Reiz. » 8 „ Zuckung auf Reiz. O0 Retanus: 90%), =Detanus> el Don te do. DD) 4 do.. „60: do. ONE do. „ 24 Stunden etwas überempfindlich. | „ 24 Stunden etwas überempfindlich. Versuch XXX. Katzenmuskel. Frosch IND“ ana temporaria), 35 g, Frosch LX (Rana temporaria), 35.8, erhält 1,0 g Katzenmuskel mit 0,005 g | erhält 0,005 g Cocainum muriaticum und Cocainum muriaticum 3 Stunden vorher ge- | zeigt folgende Erscheinungen: mischt und zeigt folgende Erscheinungen: Nach 10 Min. kaum bemerkbare Schlaff- Ä r heit: Der Frosch LX zeigt ganz dieselbe 15 „ schlaffe Körperhaltung; | Vergiftungserscheinung wie Frosch LIX. Kopf sinkt ein wenig herab. ».20 „. Kopf berührt den Boden; e beim Erheben hängen die Beine herab. 25 „ ganz schlaff; Lider fast geschlossen; minimale ER Reaktion. „ 30 „ keine Reaktion; Lider ganz geschlossen; Augen zurück gesunken. Na do. AO 2, do. „.80..,„ . minimale Reaktion; sonst : ©,..wie früher. SR P do: »„ .90 „ Lider halb geschlossen; a beim Kneipen zieht der Frosch die Beine an sich. „. 2 Stunden bessere Körperhaltung; . Beim Emporheben machte der Frosch leichte Ab- wehrbewegungen. Wenn man noch einmal kurz die Resultate dieser ‚Unter- suchungen zusammenfasst, so ergibt sich folgendes: Die peripheren Nerven besitzen ein Entgiftungsvermögen für Strychnin und Kokain. In allen untersuchten Fällen zeigte sich. die Über die Entgiftung von Strychnin und Kokain durch periphere Nerven. 163 ‚Giftwirkung . des Strychnins und: Kokains‘ iniolge der: ee Nervensubstanz abgeschwächt. Dieses Entgiftungsvermögen wird durch DR stundiees Behitzen der Nerven auf 100° C. nicht vernichtet; die Substanzen, welche bei der Entgiftung die Hauptrolle spielen, sind demnach thermostabil. Das Blut und die (quergestreifte Muskulatur besitzen fast kein Vermögen, das Strychnin und Kokain zu entgiften. Wenn man die Resultate meiner Untersuchungen mit den in der Literatur niedergelegten vergleicht, so kommen in erster Linie Sano’ 5 Untersuchungen in Betracht. Er fand, dass die einzelnen Rückenmarksabschnitte gegenüber dem Strychnin und Kokain ein ver- schiedenes Enteiftunesvermögen besitzen. So wies er auf, dass die vordere Hälfte des "Rückenmarkes das Strychnin stärker entgiftet als. die hintere, das Kokain dagegen die hinteren Abschnitte stärker als die vorderen, und ferner, dass. die weisse Substanz eine stärkere Enteiftunesfähigkeit hat als die graue Substanz. Dieses Entgiftungsvermögen wurde durch Erhitzen auf 1000 c. nicht zerstört. Weiter konnte er zeigen, dass den Nervenfasern im Zentralnervensystem ein stärkeres Entgiftungsvermögen zukomm als der grauen Substanz. In dieser Hinsicht brachte meine Untersuchung eine Erweiterung, indem ich nachweisen konnte, dass auch den peripheren Nerven eine solche Fähigkeit innewohnt. “Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass das gesamte Nervensystem,:nicht nur das zentrale, sondern auch das periphere, ein ausgeprägtes Enteiftungsvermögen besitzt. Dieses Entgiftungsvermögen kann,, wie.Sano-u..a. bestätigt haben, auf eine besonders starke Affinität des Nervensystems zu bestimmten Giften zurückgeführt werden. Diese Tatsachen reihen sich ganz gut an jene Beobachtungen, durch die’eine "Mfınität des Zentralnervensystems zu bestimmten Bakterientoxinen ‘(Lyssa und "Tetanus) festgestellt wurde. Nach neueren Untersuchungen von Sata, Horimi und Arima!) waren sogar Kaninchen intravenös einverleibte Typhus- und Dysenterietoxine imstande, typische pathologisch-anatomische Veränderungen der betreffenden Krankheiten hervorzurufen. Die Autoren führen diese Tatsache auf die Affinität der Organe zu 1) Sata, Horimi und Arima, Experimentelle Untersuchungen über die pathogene Wirkung der Typhus- und Dysentherietoxine._ Vortrag, gehalten auf dem III. japanisch-mediz. Kongress in Osaka. April 1910. ll 164 :T. Wada: Über:die Entgiftung von Strychnin etc. -- Berichtigung. den Bakterientoxinen zurück und wollen damit das Wesen der Ent- wicklung der pathologischen Veränderungen der Infektionskrankheiten erklären. . Nachtrag. - Ich führte ferner eine Reihe von Experimenten aus, um zu untersuchen, ob das Zentralnervensystem eines mit Strychnin ver- gifteten Kaninchens ein abweichendes Verhalten in bezug auf das Entgiftungsvermögen gegenüber jenem eines normalen Tieres be- sitzt. Es wurden insgesamt 19 Versuche an gleichschweren Fröschen durchgeführt. Die Resultate waren jedoch so wenig eindeutig, dass bestimmte Schlüsse nicht gezogen werden konnten. Es scheint, dass das Zentralnervensystem der vergifteten sich nicht wesentlich von jenem der unvergifteten Tiere unterscheidet, wenigstens in den an Fröschen ausgeführten Versuchen. Ob nicht an wesentlich empfind- licheren Tieren deutlichere Resultate zu erzielen sind, muss weiteren Versuchen vorbehalten bleiben. Berichtigung zur Abhandlung in Pflüger’s Archiv Bd. 138 5. 45T. Von Dr. 3. 8. Szymanski. | Auf Seite 473 Zeile 14 von unten ist statt 1,02 zu lesen 0,07 und Zeile 13 von unten statt 654 Erg. — 45 Erg. } 165 (Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik zu Bonn.) Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. Von Karl Grube. Der Phloridzindiabetes gilt allgemein als ein Nierendiabetes, d. h. man sieht die Ursache der vermehrten Zuckerausscheidung im Gegensatz zu der bei den sonstigen Formen des Diabetes auftretenden Glykosurie in einem abnormen Verhalten der Nieren gegenüber dem im Blute kreisenden Zucker. Während es sich beim gewöhnlichen Diabetes um eine Störung des Kohlehydratstofiwechsels handelt, in- folge deren dem Organismus zugeführte oder in ihm enthaltene Kohlehydrate nieht mehr in normaler Weise verwertet, sondern im Überschuss ins Blut gelangend mit dem Harne ausgeschieden werden, handelt es sich beim sogenannten Nierendiabetes um etwas prinzipiell ganz Verschiedenes. Es soll nämlich bei diesem die Zuckerausscheidung dadurch zustande kommen, dass bei normalem, ja subnormalem Gehalte des Blutes an Zucker die Nieren eine grössere Durchlässigkeit für Zucker haben sollen als in der Norm. Während also bei allen sonstigen Formen der Zuckerausscheidung die Störung irgendwo im Verlaufe des Kohlehydratstoffwechsels ihren Sitz hat, und, wenn man so sagen darf, der innere Mechanismus des Kohlehydratstoffwechsels gestört ist, soll beim renalen Diabetes im Gegensatz dazu der Kohlehydratstoffwechsel selbst nicht beteiligt, - sondern, wie man sich ausdrücken kann, der äussere Mechanis- mus der Zuckerausscheidung durch die Nieren allein betroffen sein. Man hat daher auch als charakteristisch für den Nierendiabetes behauptet, dass der Blutzuckergehalt dabei die Norm nicht übersteige, und dass die Diät keinen Einfluss auf die Zuckerausscheidung habe. Was den ersteren Punkt anbetriffi, so haben die meisten Unter- suchungen beim Phloridzindiabetes einen normalen Blutzuckergehalt ergeben, wobei man .als Norm den Wert von 0,1°o annimmt. Doch bezieht sich diese Angabe auf den im Blute frei vorhandenen Zucker; Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 12 166 Karl Grube: ob nicht daneben noch gebundener Zucker vorhanden ist, der auch in Betrackt kommt, ist eine viel diskutierte, aber bisher unent- schiedene Frage. Schwierigkeit macht auch der Mangel an positiver Kenntnis darüber, in welchem Verhältnis die Zuckerausscheidung im Harne und der Gehalt des Blutes an Zucker zueinander stehen. Jeder normale Harn enthält Zucker in Spuren, die Nieren sind also stets für Zucker durchgängig. Bei welchem Blutzuckergehalt aber der Durch- tritt durch die Nieren so stark wird, dass er sich als ausgesprochene Glykosurie äussert, ist nicht bekannt. Es muss ja auch nicht allein vom Zuckergehalt des Blutes abhängen. Da die Nieren den Zucker normalerweise durchtreten lassen, so können bei gleichem Gehalt des Blutes an Zucker ganz verschiedene Mengen durchpassieren, so- bald sich die Strömungsverhältnisse in den Nieren ändern, oder so- bald Änderungen in dem als Filter für die Zuckerausscheidung funktionierenden Nierengewebe vorhanden sind. Die Verhältnisse sind experimentell ungemein schwierig aufzuklären, man müsste den Gehalt an Zucker im Blute und gleichzeitig die Funktionsverhältnisse in der Niere genau kennen, ehe man etwas Sicheres aussagen kann. Der in letzter Zeit häufiger angewandte Begriff des mehr oder weniger für Zucker durchlässigen Nierenfilters ist rein theoretischer Natur und wird bis jetzt noch nicht durch experimentelle Beweise gestützt. Was den zweiten Punkt, den Einfluss der Diät auf die Zucker- ausscheidung, anlangt, so ist bekannt, dass auch beim gewöhnlichen, sicher auf Störungen des Kohlehydratstoffwechsels beruhenden Diabetes die paradoxesten Erscheinungen auftreten können. Es sei nur daran erinnert, dass manche Kohlehydrate, z. B. Hafermehl, in bestimmten Fällen nicht nur keine Steigerung der Zuckerausscheidung bedingen, sondern dass dieselbe bei ihrer Zufuhr sogar auf ein Minimum zurückgehen, ja verschwinden kann. Ferner sei an die Erscheinung der verschiedenartigsten Beeinflussung der Zucker- ausscheidung durch psychische Vorgänge hingewiesen. Es muss daher als eine offene Frage betrachtet werden, ob es einen echten renalen Diabetes überhaupt gibt. Ob eine vermehrte Durchlässigkeit der im übrigen normal funktionierenden Nieren segenüber dem normalen Blutzuckergehalt für Zucker vorkommt, ist dureh die bisherigen Versuche nicht erwiesen; ob das Gegenteil, eine verminderte Durchlässigkeit für Zucker vorkommt, scheint Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. 167 nach den Versuchen von E. Liefmann und R. Stern‘) und nach den Erfahrungen, die man über die Zuekerausscheidung im Fieber gemacht hat, immerhin möglich. Auch für den Phloridzindiabetes ist bis jetzt der Beweis nicht erbracht worden, dass er ein echter renaler Diabetes sei, d. h. dass es sich bei ihm nur um Änderungen im Ausscheidungsmechanismus durch die Nieren handelt 'und nicht auch um Störungen im Kohle- hydratstoffwechsel. | | Ich habe vor einiger Zeit beobachtet, dass das Phloridzin direkt auf die Leberzellen einzuwirken vermag, indem ich bei Durehströmungsversuchen an der Scehildkrötenleber eine Abnahme des Leberglykogens unter der Einwirkung des Phloridzins feststellte 2" Ich habe, um die Frage der Phloridzinwirkung weiter zu prüfen, neue Versuche angestellt, und zwar dieses Mal beim warm- blütigen Tiere. Die Versuche wurden ausschliesslich an Hunden vorgenommen. Es wurden vier Reihen von _ Versuchen angestellt: 1. bei erhaltenen Nieren, 2. beide Nieren abgebunden, 3. eine Niere abgebunden, 4, Kontrollversuche ohne Phloridzin. Es wurde in folgender Weise vorgegangen: Die Tiere wurden mit Ausnahme von zwei Versuchen auf Glykogen gemästet in der von Schöndorff angegebenen Weise, um hohe Glykogenwerte und deutliche Ausschläge bei etwaigen Veränderungen im Glykogengehalt unter der Einwirkung des Phloridzins zu erhalten. Zur Narkose wurde Urethan genommen, weil dasselbe nach meinen Erfahrungen im Gegensatz zum Äther keine Glykosurie hervorruft. Die verwendete Dosis war 1,5 g Urethan pro Kilo Tier, subkutan injiziert. In der Regel blieben die Tiere dabei während der Dauer des Versuches, 6—7 Stunden, in ruhigem Schlafe; nur _ 1) Über Glykämie und Glykosurie, Biochem. Zeitschr. Bd. 1 $. 299. 1906. 2) Untersuchungen zur Phloridzinwirkung. Pflüger’s Arch, Bd. 128 S. 118. 1909. Diese Versuche sind in einer Dissertation von F. Sukrow „Die angebliche von Dr. Karl Grube behauptete Fähigkeit des Phloridzins, den Glykogengehalt der Leber zu verringern“. Bonn 1910, und in der soeben er- schienenen Arbeit von B. Schöndorff und F. Sukrow „Über den Einfluss des Phloridzins auf die Glykogenbildung in der Leber, Pflüger’s Arch. Bd. 158 8.538. 1911, angegriffen worden. Meines Erachtens zu Unrecht, wie ich am Schlusse dieser Arbeit nachweisen werde. 12 168 Karl Grube: zuweilen musste während des Versuches noch Urethan nachgegeben werden, das geschah dann intravenös. Es wurde dann zunächst die rechte Karotis freigelest und der- selben ca. 50 cem Blut zur Bestimmung des Blutzuckers entnommen. Um einen Einfluss des Aderlasses auf den Blutzuckergehalt mög- lichst auszuschliessen, wurden grössere Tiere benutzt, bei denen die 50 eem nur einen geringen Teil der gesamten Blutmasse ausmachten. Hierauf wurde die linke Jugularis freigelegt und eine Glaskanüle eingebunden zur späteren Injektion des Phloridzins. Dasselbe wurde mit etwas doppeltkohlensaurem Natron in physiologischer Kochsalz- lösung gelöst und bei Körpertemperatur mehrere Male während des Versuches injiziert. Es wurde nun das Abdomen in der Mittellinie geöffnet und der zunächst vorliegende Leberlappen abgebunden, abgeschnitten und in siedende Kalilauge zur Glykogenbestimmung gebracht, dann das Abdomen wieder vernäht. In die Urethra wurde ein Katheter bzw. bei weiblichen Tieren eine Glaskanüle eingelegt, der Harn, der zu Anfang des Versuches stets zuckerfrei war, abgelassen und die Blase mit physiologischer Kochsalzlösung ausgespritzt. Die Tiere wurden zur Vermeidung jeder Abkühlung während des Versuches gut zugedeckt und durch Anlegen warmer Ziegelsteine auf normaler Temperatur gehalten. Die Temperatur wurde durch ein Thermometer im Rektum kontrolliert. Wenn das Tier so weit vorbereitet war, wurde mit der Injektion des Phloridzins begonnen. Die Injektionen wurden ungefähr alle Stunden wiederholt. Nach Ablauf von 6—7 Stunden, je nach dem Zustande des Tieres, wurde der Versuch abgebrochen. Es wurden wieder ca. 50 cem Blut entnommen, das Tier durch Genickstich getötet, die Leber entfernt, in der Fleischmaschine zerkleinert und ein Teil zur Glykogenbestimmung in Kalilauge gebracht. In den Versuchen, bei denen eine Niere vor der Phloridzin- injektion entfernt worden war, wurden beide Nieren, die eine vor, die andere nach der Einwirkung des Phloridzins auf Glykogen untersucht. Bei den Versuchen, bei denen beide Nieren ausge- schaltet wurden, geschah das im Anschluss an die Abbindung des Leberlappens. Die Nieren wurden in diesem Falle nicht aus dem Körper entfernt, sondern nur eine doppelte Ligatur um den Stiel derselben gelest, um den Shok geringer zu machen. Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. 169 Das Glykogen wurde nach Inversion als Traubenzucker be- stimmt. Alle Zuckerbestimmungen geschahen nach der Methode von Bertrand. Das Blut wurde entweder nach der Methode von Schenk mit Sublimat oder nach der Methode von Michaelis und Rona mit Eisenoxyd enteiweisst. | Reihe I. Beide Nieren erhalten. Resultat: Glykosurie; Blutzucker zu Anfang und nach der Phloridzinwirkung gleich oder in unbedeutendem Maasse vermehrt. Leberglykogen vermindert. Die ausgeschiedene Zuckermenge wesentlich kleiner, als der aus der Leber verschwundenen Glykogen- menge entspricht. Iabiellent: Blutzucker in Leberglykogen Num- | Gewicht Prozenten in Prozenten Abnabe mer der Hunde vor | nach vor nach “ ke Phloridzin Phloridzin u #. 5,3 0,12 0,14 11,2 8,5 23,4 2. 10,2 0,098 0,12 10,47 6,8 34,9 3. 10,0 0,11 0,123 17,7 12,64 34,8 4. 7,0 0,092 0,10 2,18 1,63 41,3 | Reihe II. Ausschaltung beider Nieren. Diese Versuche wurden aus folgender Überlegung angestellt: Handelt es sich bei der Phloridzinglykosurie nur um ein durch die Passage des Phloridzins durch die Nieren hervorgerufenes, abnormes, renales Zuckereliminationsverfahren ') und nicht um eine allgemeine Einwirkung des Phloridzins auf den Kohlehydratstoffwechsel, so ist auch die sich in der Abnahme des Leberglykogens dokumentierende Zuckerproduktion in der Leber nur sekundär. Sie müsste also nach Ausschaltung der Nieren ausbleiben, da ja nun die gesteigerte Zuckerelimination durch die Nieren in Wesfall kommt. Man darf also nach Ausschaltung der Nieren eine Abnahme des Glykogens nicht erwarten. Resultat: Blutzucker konstant oder geringe Abweichung zu Abnahme des Leberglykogens. 1) A. Erlandsen, Über den Phloridzindiabetes. Biochem. Zeitschr. Bd. 23 S, 329. 1910. 170 Karl Grube: Tabelle I. 5 Blutzucker in Leberglykogen 0 Num- Gepach! Prozenten ‘ in Prozenten Abus her. der Hunde vor nach vor | nach a I Phloridzin Phloridzin Na: 1 20,0 - 0,168 0,129 5,84 3,47 40,5 2. 8,0 0,246 0,22 ° 6,49 4,26 34,3 3. 12,5 0,18 og 15,1 10,47 36,6 4 14,5 0,13 0,204 a | 4,45 31,3 Reihe Ill. Eine Niere ausgeschaltet. Diese Versuche wurden unternommen, um beide Nieren auf ihren Glykogengehalt zu untersuchen. Resultat: Abnahme des Leberglykogens; Verschwinden des Nierenglykogens; Blutzucker wenig verändert. | Tabelle IH. Gewicht | Blutzucker in | Leberglykogen Ab- | Nierenglykogen Num- | der ' Prozenten | im Prozenten nahme | in Prozenten mer | Hunde vor nach vor nach m vor nach Sn ke Phloridzin Phloridzin Prozent.| Phloridzin 1 13,0 0,207. | -0,189 |. un 0,70 | 39,6 | 0,2 Spur 2 135 ° | 0,10 0,104 9,17 6,7 26,9 0,2 0 3 15,5 0,107. | 012 | 1325 | 11,49 | 284 | 0,3 | Spur Reihe IV. Zur Kontrolle wurde dieselbe Operation ausgeführt, und die Tiere wurden sechs Stunden in der Narkose gehalten, ohne Phloridzin zu erhalten. Bei Hund 1: bleiben beide Nieren erhalten; bei Hund 2 werden sie ausgeschaltet. ua / ! Tabelle IV. ık She Blutzucker in Leberglykogen Num- | Gewicht Prozenten in Prozenten .. mer. der Hunde | _ yor . ‚nach. vor nach ler, kg Narkose Narkose 1 9,9 0,12 0,14 To 6,9 a0. 0,11%... 0.098 32 7,6 "Abnahme in ; Prozenten Ü 11,7 7,3 Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. 171 Auch in diesen’ Kontrollversuchen ist der Glykogengehalt am Ende des Versuches geringer als zu Anfang, aber die Abnahme ist eine wesentlich geringere als unter der Einwirkung des Phloridzins, ja sie ist bei Versuch 2 nur wenig höher als der normalerweise in verschiedenen Leberlappen beobachtete Unterschied, den ich früher als ca. 5°/o betragend mitgeteilt hatte). Das Ergebnis der mitgeteilten Versuche ist also, dass bei Tieren, die durch intravenöse Phloridzininjektionen glykosurisch gemacht wurden, eine nicht unbeträchtliche Menge Glykogen aus der Leber verschwindet, während der Zuckergehalt des Blutes nur eine un- bedeutende Vermehrung erfährt oder unverändert bleibt. Und ferner, dass diese Glykogenabnahme auftritt, wenn beide Nieren ausgeschaltet worden sind, dass sie also nicht sekundär hervorgerufen worden sein kann in der Weise, dass durch die vermehrte Zuckerausscheidung in den Nieren die Leber veranlasst wird, um den Gehalt des Blutes an Zucker konstant zu erhalten, einen Teil ihres Glykogens als Traubenzucker in die Zirkulation abfliessen zu lassen. Gegen diese letztere Annahme, die man bei den Versuchen der Reihe I machen könnte, spricht übrigens auch die Tatsache, dass die Glykogenabnahme in der Leber wesentlich grösser ist als die Zuckerausscheidung im Harne. So wurden in Versuch I ausgeschieden 83 cem Harn mit 3,338 e Zucker. Der zu Anfang des Versuches abgebundene Leber- lappen wog 10 g und enthielt 1,22 g Zucker. Nach der Phloridzin- einwirkung enthielten 39,4 & Leber 7,07 g Zucker. Die ganze Leber wog 177,65 g; sie enthielt also, wenn man die gefundenen Werte auf die ganze Leber berechnet, vor der Phloridzineinwirkung 21,67 g Zucker und nach derselben 18,29; sie hatte verloren 3,38 g Zucker, also nahezu ein Drittel mehr, als im Harn zur Ausscheidung gekommen war. Bei Versuch II wurden ausgeschieden 58 cem Harn mit 4,525 g Zucker; der zu Anfang des Versuches abgebundene Leberlappen wog 13,89 g und enthielt 1,575 g Zucker. 42,4 g Leber enthielten nach der Phloridzineinwirkung 3,12 & Zucker. Die ganze Leber wog 432 , sie enthielt vor dem Versuch 49,248 & Zucker und nach Be- endigung 31,536 g. Sie hatte verloren 17,712 g, also nahezu viermal so viel, als im Harne ausgeschieden worden war. 1) Über die Verteilung des Glykogens in der Leber. Pflüger’s Arch. Bd. 107 S. 490. 1905. RN, Ä 172 Karl Grube: Bei Versuch III wurden ausgeschieden 64 cem Harn mit 4,86 g Zucker. Der abgebundene Leberlappen wog 12,9 g und enthielt 2,37 g Zucker; 36,1 g ‚Leber enthielten nach der Phloridzineinwirkung 5,7 g Zucker. Die Leber wog 334 g; sie enthielt also vor dem Versuch 61,456 g Zucker, nach demselben 50,109 g. Die Differenz betrug 11,356 g, also mehr als das Doppelte der im Harne aus- geschiedenen Menge. Bei Versuch IV betrug die ausgeschiedene Harnmenge nur wenige Kubikzentimeter. Was den Glykogengehalt der Nieren angeht, so wurden in der zurückgelassenen Niere nur Spuren oder kein Glykogen nach- gewiesen, während die zu Anfang des Versuches exstirpierte Niere quantitativ gut nachweisbare, wenn auch geringe Mengen Glykogen enthielt. Doch kann darauf kein Wert gelegt werden, weil ver- gleichende Untersuchungen über den Glykogengehalt der beiden Nieren bei demselben Tiere nicht vorliegen, es also nicht feststeht, ob derselbe als gleich angenommen werden kann. Jedenfalls scheinen mir die mitgeteilten Untersuchungen ein- deutig zu beweisen, dass das Phloridzin nicht allein durch Ein- wirkung auf die Nieren Glykosurie hervorruft, sondern dass es auch auf den Glykogengehalt der Organe einen direkten Finfluss ausübt, dass also seine Einwirkung in einer allgemeinen, den Kohlehydrat- stoffwechsel betreffenden Störung beruht. Ob daneben noch eine besondere Einwirkung auf die Nieren besteht, ist nach den bis- herigen Untersuchungen wahrscheinlich, aber nicht absolut bewiesen. Die Wirkung des Phloridzins würde also dann eine zweifache sein. Man könnte daran denken, dass das Phloridzin auf das Glykogen der Zellen direkt einzuwirken vermöchte, etwa nach Art eines Fermentes. Wenn diese Annahme auch wenig Wahrscheinlichkeit für sich hatte, so hielt ich es doch für angebracht, sie zu prüfen. Es wurden deshalb folgende Versuche angestellt: Glykogen wurde mit Phloridzin in physiologischer Kochsalzlösung, bei Zusatz von etwas kohlensaurem Natron bei 37° C. verschieden lange Zeit im Brutschrank gehalten und nachher auf Traubenzucker geprüft. l. Drei Proben von 0,25 g aus Hundeleber dargestellten Glykogens, 0,1 g Phloridzin, 0,1 g Natr. bie. in 25 cem physio- logischer Kochsalzlösung werden 24, 48, 72 Stunden bei 37°C. ge- halten. Kein Zucker nachzuweisen. Untersuchungen über die Phloridzinwirkung, _ 173 If. Drei Proben von 0,25 g Glykogen, 0,2 g Phloridzin, 0,2 g Natr. bie. in 25 cem Kochsalzlösung im Brutschrank gehalten. Kein Zucker nachzuweisen. II. 0,25 g Glykogen, 0,2 g Natr. bie. in 25 cem Kochsalz- lösung bei 37° C. im Brutschrank ‚gehalten. Kein Zucker nachzu- weisen. Das Phloridzin wirkt also auf das Glykogen nicht direkt ein. Eine Stütze meiner Ansicht, dass die Glykosurie nach Phloridzin nicht allein auf eine Änderung der Zuekerausscheidungsverhältnisse in der Niere zurückzuführen, sondern als der Ausdruck einer weitergehenden Störung des Kohlehydratehemismus anzusehen sei, finde ich in den Untersuchungen von G. A. Pari!). Verfasser hat diese von Ribbert eingeführte Methode auch bei der Phloridzin- vergiftung angewendet. Er fand Veränderungen in den Nieren und in der Leber, sonst an keinem Organe. Die Veränderungen an der Leber wiesen auf bestehende Funktionsstörungen in den Leberzellen. Auch sind die Beobachtungen von Rosenfeld?) nur zu er- klären unter der Annahme einer Beteiligung der Leber an den durch das Phloridzin hervorgerufenen Veränderungen. Protokolle. Reihe 1. Versuch I. Hund von 5,3 kg. Auf Glykogen gemästet. Kanüle in rechte Karotis, Entnahme von ca. 50 cem Blut. Das- selbe defibriniert, nach Schenk behandelt, enthält 0,12%, Zucker. Kanüle in linke Jugularis, Katheter in Urethra, 55 eem Harn geben mit Haines’scher Lösung keine Reaktion. Blase ausgewaschen mit physiol. NaCl-Lösung. Leberlappen abgebunden, wiegt 10 g, enthält 1,22 g Zucker — 11 °/o Glykogen. | 10h 15”. Injektion von 10 ccm einer 6 °/o igen Ploridzinlösung, IErb2AQN, h 20 Oo 5 12h 00. 25 cem Harn enthalten 3,2 °/o Zucker, EA 2, ae , 1) Über die Verwendbarkeit vitaler Karmineinspritzungen für die patho- logische Anatomie. Frankfurter Zeitschr. f. Pathol. Bd.4 S.1. 1910. 2) Über die Oxydationswege des Zuckers. Berliner klin. Wochenschr. 1907 Nr. 52, und 1908, Nr. 16 und 17. 174 Karl Grube: 1h 20’. Injektion von 10 ecm einer 6 °/o igen Phloridzinlösung, 2) 2 si LO 00/0 = 3h 00‘. 18 ccm Harn enthalten 3,1 % Zucker. 3h 50'.. 50 com Blut entnommen; Blut nach Schöa be- handelt, enthält 0,14 0 Zucker. Tier durch Genickstich getötet. Leber zerkleinert, 39,4 g zur Glykogenbestimmung verwandt, ent- halten 4,079 g Zucker = 8,5 °/o Glykogen. Versuch Il. Hund von 10,2 kg auf Glykogen gemästet. Operation wie bei Versuch I. Abgebundener avaannat 13,8 g, enthält 1,57 g Zucker = 10,47 °/o Glykogen. 10h 25’. Injektion von 10 ccm einer 6 /oigen Phloridzinlösung. la. le Se \ 12h 40", i lo 000 i 2h 00". SLOT Polo» = 12h 10°. 17 eem Harn enthalten 6,5 °/o Zucker = 1,105 g. ae ro, ee See rn ae 4h 30’. Hund durch Genickstich getötet, nachdem 50 cem Blut entnommen sind. Blut vor Phloridzin enthält 0,0980 Zucker, „ nach 5 R 0,12 %0 5 13,3%g Leber enthalten vor Phloridzin 1,575 g Zucker — 10, 47 90 Glykogen. 42,4 g Leber enthalten nach Phloridzin 3,12 g Zucker — 6,8% Glykogen. Versuch Ill. Hündin von 10 kg, auf Glykogen gemästet, Operation wie vorher. 9h 30’. Injektion von 10 cem einer 6°/oigen Phloridzinlösung. 105 00". A a U „ 12h 00". 2 N 2 in 7, 3 BO le a ne ,, 93h 30". 5 LO: On h Erhalten 64 cem Harn mit 4,36 g Zucker. Blut vor der Phloridzinwirkung enthält 0,11 °/o Zucker, Benache: N. Eee Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. 175 12,9 g Leber vor der Phloridzinwirkung enthalten 2,379 g Zucker — 17,7°/o Glykogen. 36,1 Mi Leber nach der Eorldainsip une halten 5,7 g Zucker — 12,6 Glykogen. Versuch IV. Hund von 7 kg, bei gewöhnlichem Futter ge- halten. Operation wie vorher. 9h 40’, Injektion von 10 eem einer 5 %oi igen Phloridzinlösung, 10h 457, NE ll. } 12h 00”. 5 10% 8 Ä Ih 40". ; la le | 2A. x Do N Tier scheidet während des Versuches nur 7 ccm stark redu- 'zierenden Harn aus. | 2 | | Blutzucker vor Phloridzin 0,092 %/o, Be nach” „2088300. 7 g Leber vor Phloridzin enthalten 0,21 g Zucker = 2,780 Gly- kogen. 41 g Leber nach Phloridzin enthalten 0,723 g Zucker = 1,63 %o Glykogen. Reihe I. Versuch I. Hündin von 20 kg, auf Glykogen gemästet. Beide Nieren abgebunden durch doppelte Ligatur um den Nierenstiel, sonst Operation wie vorher. Tier erhält nach und nach 3 g Phloridzin. Dauer des Versuches 6 Stunden 20 Minuten. Blutzucker vor: Phloridzin 0,168 lo, "us nacht. ,; 0,129 %o. 13, 2 g Leber vor Phloridzin enthalten 0,832 g Zucker = 5,84 /o ' Glykogen. 39,9 g Leber nach Pikeitam Enchalten 1,496 g Zucker — 3,47 Po ehslogen; Versuch II. Hund von 8 kg, auf nn gemästet. Beide Nieren abgebunden. Dauer des Versuches 6 Stunden. Blutzucker vor Phloridzin 0,246 /o, ale nachs®.:, 0,22 0. 13'g Beben! vor Phloridzin enthalten 0,92 g Zucker = 6 49 %/o osen. 41 g Leber nach Phloridzin en chalıen 1,873 g Zucker = ” 26 °/o Glykogen. 176 Karl Grube: Versuch II. Hündin von 12,5 kg auf Glykogen gemästet. Beide Nieren abgebunden. Tier erhält 1,5 g Phloridzin. Dauer des Versuches 6 Stunden 20 Minuten. Blutzucker vor Phloridzin 0,18%, r nach A 0,19 %o. 17,1 g Leber vor Phloridzin enthalten 12,8 g Zucker = 15,1 °/o Glykogen. 39,1 g Leber nach Phloridzin enthalten 4,49 g Zucker — 10,47 io Glykogen. Versuch IV. Hund von 14,5 ke, auf Glykogen gemästet. Beide Nieren abeebunden; erhält 2 g Phloridzin. Dauer des Ver- suches 6!/s Stunden. Blutzucker vor Phloridzin 0,13 %o, “ nach 5 0,204 %o. 29,6 g Leber enthalten vor Phloridzin 2,3 g Zucker — 7,1 °/o Glykogen. 38,4 g Leber nach Phloridzin enthalten 1,869 g Zucker — 4,45 %o Glykogen. Reihe III. Versuch I. Hund von 13 kg, linke Niere abgebunden und zur Glykogenbestimmung in Kalilauge gebracht, sonst Operation wie vorher. Tier erhält 1,5 g Phloridzin. Dauer des Versuches 6 Stunden. Blutzucker vor Phloridzin 0,207 °%o, N nach y 0,189 %o. 20 g Leber vor Phloridzin enthalten 0,25 g Zucker —= 1,16 /o Glykogen. 29 & Leber nach Phloridzin enthalten 0,2175 g Zucker = 0,69 %/o Glykogen. Linke Niere, 36,99 g, vor Phloridzir enthält 0,079 g Zucker — 0,2°/o Glykogen. Rechte Niere, 32,9 g, nach Phloridzin enthält minimale Spuren Zucker. Versuch 2. Hund von 13,5 kg, auf Glykogen gemästet. Linke Niere abgebunden und auf Glykogen untersucht. Tier erhält 1,8 g Phloridzin, Dauer des Versuches 6°/ı Stunden. Blutzucker vor Phloridzin 0,1 %o, 5 nach . 0,104 %o. Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. 177 16,4 g Leber vor Phloridzin enthalten 1,624 & Zucker —= 9,17 %o Glykogen. 42,3 g Leber nach Phloridzin enthalten 3,054 g Zucker — 6,7 Jo Glykogen. Linke Niere, 41 g, vor Phloridzin enthält 0,087 g Zucker = 0,2°/o Glykogen. Rechte Niere, 39,3 g, nach Phloridzin enthält 0,00 g Glykogen. Versuch 3. Hund von 15,5 kg, auf Glykogen gemästet. Linke Niere abgebunden, gebraucht 2,2 g Phloridzin. Dauer des Versuches 53/4 Stunden. Blutzucker vor Phleridzin 0,107 °/o, ® nach 2 0,12 %o. 23,2 g Leber vor Phloridzin enthalten 3,33 g Zucker — 13,25 o Glykogen. 36,3 g Leber nach Phloridzin enthalten 4,5 g Zucker —= 11,49 /o Glykogen. Linke Niere, 44,2 g, vor Phloridzin enthält 0,14 g Zucker — 0,3%/o Glykogen. Rechte Niere, 41,3 g, nach Phloridzin enthält Spuren Zucker. Reihe IV. Versuch I. Hund von 5,5 kg auf Glykogen gemästet. Operation dieselbe wie bei den Versuchen der Reihe I. Kein Phloridzin. Tier 6 Stunden in Urethannarkose gehalten. Blutzucker zu Anfang 0,12 lo, am Ende 0,14 jo. 27,3 & Leber, anfangs 2,265 g Zucker — 7,7 lo Glykogen. 40 g Leber, am Ende 2,97 g Zucker — 6,9°/o Glykogen. Versuch II. Hund von 7 ‚2 kg, auf Glykogen gemästet. Operation wie bei den Versuchen der Reihe II, beide Nieren abgebunden. Kein Phloridzin. 6"/g Stunden in Urethannarkose gehalten. Blutzucker vor Phloridzin 0,11 °/o, R nach R 0,096 /o. 8,15 g Leber zu Anfang des Versuches enthalten 0,715 g Zucker — 8,20) Glykogen. 42,5 & Leber am Ende des Versuches enthalten 3,48 g Zucker — 7,6°/o Glykogen. Nach Abschluss der im vorhergehenden mitgeteilten Arbeit wird mir eine Arbeit von H.F. Grünwald (Über die Abhängigkeit des Glykogengehaltes der Leber von der Nierenfunktion, Archiv für 178 Karl Grube: exper. Pathol. u. Pharnak. 64, 147, 1910) bekannt, in welcher sehr merkwürdige Beobachtungen an Kaninchen mitgeteilt werden. Darnach beobachtete Grünwald folgendes: Bei gut gefütterten Kaninchen wurde 44—60 Stunden nach doppelseitiger Nephrektomie die Leber völlig glykogenfrei gefunden. Ferner wurde Glykogen- schwund beobachtet nach Unterbindung - der Nierenarterie und Nierenvene, sowie nach doppelseitiger Unterbindung der Ureteren. Exstirpation der rechten Niere war ohne Einfluss auf das Leber- elykogen, nach Fxstirpation der linken Niere dagegen wurde ein beträchtlicher Glykogenschwund beobachtet. Dasselbe Resultat wurde erzielt, wenn die rechte Niere exstirpiert und von der linken nur die Nerven durchschnitten wurden. Wurden die Nerven der linken Niere durchtrennt und 14 Tage später erst die Niere exstirpiert, so trat kein Glykogenschwund ein. Der Glykogengehalt der Leber vor dem Experiment wurde nicht festgestellt. Ob diese an Kaninchen gemachten Beobachtungen auch für Hunde zutreffen, muss erst untersucht werden. Der letzte Kontroll- versuch von mir, bei dem beide Nieren ausgeschaltet wurden, und nur eine geringe Abnahme des Leberglykogens festzustellen war, sprieht nicht dafür, dass die doppelseitige Nephrektomie bei Hunden diese Wirkung hat. Es wurde eingangs dieser Arbeit erwähnt, dass in einer Arbeit von Sukrow bzw. von Schöndorff und Sukrow die Richtigkeit meiner durch Versuche an der Schildkrötenleber gestützten Be- hauptung, „dass das Phloridzin direkt auf die Leber- zelle einzuwirken vermag“, bestritten wird, d. h. die Ver- fasser bestreiten nicht direkt die Richtigkeit dieser Behauptung, sondern sie fassen das Ergebnis ihrer Versuche dahin zusammen, „dass das Phloridzin unter den angegebenen Bedingungen keinen Einfluss auf die Glykogenbildung in der Schildkrötenleber hat“, was ich streng genommen auch nicht behauptet hatte. Sie haben daher die Fragestellung etwas verschoben. Denn was meine Versuche be- weisen sollten, lautete (S. 121)): „dass das Phloridzin einen direkten Einfluss auf die Leberzellen auszuüben vermag, und dass unter seiner Einwirkung die Leber das in ihr vorhandene Glykogen in andere 1) K. Grube, Uniemuaimsen zur Phloridzinwirkung Pflüger” s Arch Bd. 128 S. 118. 1909. Untersuchungen über: die Phloridzinwirkung. 179 Stoffe umwandelt, wobei es sich doch wohl um den Übergang in Zucker handelt, welcher in die Zirkulation übergeht, ohne dass dabei die Nieren in erster Linie beteiligt sind“. Aber auch so kann ich nicht zugeben, dass Schöndorff und Sukrow die Richtigkeit meiner Versuchsergebnisse widerlegt haben. Ich hatte acht Versuche angestellt, bei denen 6mal durch den einen Leberlappen Ringer’sche Flüssigkeit allein und durch den andern zusammen. mit Phloridzin durchgeleitet wurde, und einen Versuch, bei dem ich durch den einen Lappen Ringer’sche Lösung mit Dextrose, durch den andern nichts leitete, sondern ihn sofort auf Glykogen untersuchte, und einen weiteren Versuch, bei dem ich durch den. einen Leberlappen Ringer’sche Lösung mit Dextrose, durch den andern Ringer’sche Lösung mit Dextrose und Phloridzin leitete. Ich fand in allen acht Versuchen eine Abnahme des Glykogens auf der Seite, auf der Phloridzin durchgeleitet worden war. Aus der Abnahme des Glykogens in dem Versuch mit der gleichzeitigen Durchleitung. von Dextrose und Phloridzin schloss ich dann, dass das Phloridzin. die Glykogenbildung hemme oder verdecke. Nun haben Schöndorff und Sukrow an Stelle meines einen derartig angeordneten Versuches 14 angestellt , und in neun Versuchen weniger Glykogen in dem Leberlappen gefunden, durch den Phloridzin geleitet worden war, also dasselbe Resultat erhalten wie ich selbst, fünfmal dagegen ein dem meinigen entgegen- gesetztes Resultat, d. h.. mehr Glykogen in dem Leberlappen, durch welchen Phloridzin geleitet worden war. Ich verstehe nicht recht, wie man daraus eine Widerlegung herleiten kann, wenn man in nahezu zwei Drittel (9 von 14) Versuchen dasselbe Ergebnis erhält wie das, dessen Richtigkeit widerlest werden soll. Nun ziehen die Verfasser die Mittelwerte aus den Versuchen, bei denen Dextrose allein und aus denjenigen, bei denen Dextrose und Phloridzin durchgeleitet wurde, und erhalten auch dann eine allerdings unbedeutende Abnahme des Glykogens auf der Seite, durch welche das Phloridzin durchgeleitet worden war. Sie be- trachten diese rechnerisch gewonnene Differenz als unter den Be- obachtungsfehler fallend. Dieses Verfahren begründen sie in folgender Weise: „Dieser Art der Berechnung steht wohl nichts im Wege, denn man kann sich die 14 Schildkrötenlebern als eine grosse Schildkröten- leber vorstellen, deren Gewicht die Gesamtsumme aller Einzelleber- gewichte ist. Den prozentischen Glykogengehalt dieser grossen Leber 180 Karl Grube: Untersuchungen über die Phloridzinwirkung. resp. der beiden Lappen könnte man also berechnen, indem man die sämtlichen Glykogenwerte sämtlicher rechten und linken addiert und daraus das Mittel nimmt.“ Mir scheint dieser Art der Berechnung alles im Wege zu stehen; sie ist ganz unstatthaf. Wir haben es bei jeder Schildkröte mit einem bestimmten Individuum zu tun, dessen Leber sich von der einer jeden andern Schildkröte nach Glykogengehalt (das zeigen die enormen Unterschiede im Glykogengehalt der zahlreichen verschiedenen Sehildkrötenlebern, die ieh im Verlauf meiner Untersuchungen fand, auch bei Tieren, die an Grösse kaum verschieden waren, und die Monate lang unter gleichen Bedingungen gehalten worden waren) und wahrscheinlich auch in bezug auf die Funktion unterscheidet, so dass man also die 14 verschiedenen Schildkrötenlebern durchaus nieht als eine einzige grosse Schildkrötenleber oder die 14 Einzel- individuen als ein einziges vergrössertes Individuum betrachten darf. Zu welchen falschen Schlüssen eine derartige Berechnung führen kann, zeigt auch folgende Überlegung. Angenommen, es wäre bei einem der Versuche ein Fehler gemacht worden, was doch immerhin möglich ist, wodurch das Resultat des Versuches fehlerhaft wäre, so würde, wenn dieser Fehler beträchtlich wäre, besonders wenn es sich um verhältnismässig wenige Versuche handelt, der Mittelwert der betreffenden Reihe nach oben oder unten gefälscht, was natürlich auch zu einem ganz unrichtigen Vergleichswert führen müsste. Ich kann daher meine Behauptung, „dass das Phloridzin direkt auf die Leberzelle einzuwirken vermag“, die auch durch meine Ver- suche am Hunde bestätigt wird, als widerlegt nicht ansehen, erblicke vielmehr in den Versuchen von Schöndorff und Sukrow eher eine Bestätigung derselben, ganz gewiss aber keine Widerlegung. Zum Schlusse spreche ich noch Herrn Geh. Rat Schultze, der mir in liebenswürdiger Weise die Mittel des Laboratoriums der mediz. Klinik zur Ausfünrung der Versuche zur Verfügung stellte, meinen besten Dank aus. 181 (Aus dem physiologischen und dem pharmakologischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. Von Privatdozent Dr. R. MH. Kahn und Dr. E. Starkenstein. Den Anlass zu den im folgenden zu schildernden Versuchen gab die bereits genügend sichergestellte Tatsache, dass die doppelseitige Exstirpation der Nebennieren das Zustandekommen der Zucker- stichglykosurie verhindert (Andre Mayer, R. H. Kahn, E. Landau). Zur Klärung der Fragen, inwieweit an dieser hindernden Wirkung der Exstirpation ein eventueller Mangel an Glykogen oder der Aus- fall an chromaffinem Gewebe oder nervöse Störungen die Schuld tragen, haben wir zunächst den ersteren Umstand in das- Bereich unserer Untersuchungen gezogen, und dies um so mehr, als dieser von mehreren Seiten zur Erklärung der erwähnten Erscheinung ver- antwortlich gemacht wird. So hat Schwarz!) bei Ratten, denen er beide Nebennieren exstirpierte, den regelmässigen Befund erhoben dass die Leber dieser Tiere vollkommen oder fast vollkommen elykogenfrei war. Er meint, dass dieser Glykogenschwund nicht etwa auf eine Kachexie zu beziehen sei, da bei einzelnen Versuchs- tieren trotz Gewichtszunahme kein Glykogen vorhanden war, und macht die Bemerkung, dass sich ähnliche Beobachtungen über eine ganz beträchtliche Gewichtszunahme der Tiere nach der Exstirpation beider Nebennieren auch in den Protokollen anderer Autoren vor- finden (Kahn, Hultgreen und Anderson). Nicht berücksichtigt erscheint allerdings hierbei der Umstand, dass sich beide eben erwähnten Arbeiten auf das Kaninchen beziehen, während die Versuche von Schwarz an Ratten angestellt wurden. 1) 0. Schwarz, Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 259. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 13 182 R. H. Kahn und E. Starkenstein: Glykogenschwund nach beiderseitiger Nebennierenexstirpation beobachtete Porges!) am Hunde. Dementsprechend stellte er auch bei demselben Tiere nach Nebennierenexstirpation Hypoglykämie fest. Da er diese Erscheinung in mehreren Fällen von Addison- scher Krankheit fand, stellte er die Ansicht auf, dass Nebennieren- insuffizienz, Glykogenschwund und Hypoglykämie zueinander in ur- sächlichem Zusammenhange stehen. Dazu ist aber zu bemerken, dass die von Porges operierten Hunde ebenso wie die aller anderen zahllosen Untersucher dem Eingriff nach wenigen Stunden erlagen, dass es sich also um Blut- zucker- und Glykogenbestimmungen an moribunden: Tieren: ge- handelt hat. Ausserdem ist es bekannt, dass gerade der Glykogen- bestand des Hundes unter den hierzu geeigneten Bedingungen (Muskelarbeit, Abkühlung, Ermüdung) besonders leicht zum Schwinden zu bringen ist. Im Gegensatz hierzu haben Frank und Isaac?) sowie Nishi?°) festgestellt, dass bei Kaninchen der Blutzuckerwert nach doppel- seitiger Nebennierenexstirpation normal gefunden wird. Nur in zwei Fällen, von denen einer als unsicher bezeichnet wird, waren bei Frank und Isaac auffallend niedrige Werte zu verzeichnen. Die Bestimmung des Blutzuckers fand 4—69—120 Stunden. nach der Exstirpation statt; längere Zeit überlebten die Versuchstiere nicht. Wie man sieht, bewegen sich die hier vorliegenden Resultate nach entgegengesetzten Richtungen, sind aber an verschiedenen Tieren erhoben worden. Nichtsdestoweniger besteht bei manchen Autoren die Geneigtheit, aus den Erscheinungen, die für eine Tier- art festgestellt wurden, auch Schlüsse auf das Verhalten einer anderen 1) 0. Porges, Über den Einfluss der Nebennierenexstirpation bei Hunden auf deren Blutzucker. Wiener klin. Wochenschr. 1908 Nr. 51 8. 1798. — O0. Porges, Hypoglykämie bei Morbus Adisonii, sowie bei nebennierenlosen Hunden. Zeitschr. f. klin. Med. 1909 Bd. 69 H. 3/4. — O. Porges, Zeitschr. f. klin. Md. Bd. 70 H. 3/4. 1910. 2)E. Frank und S. Isaac, Die Bedeutung des Adrenalins und des Cholins für die Erforschung des Zuckerstoffwechsels. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd. 7 S. 326. 1909. 3) M. Nishi, Über den Mechanismus der Blutzuckerregulation. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 61 S. 186. 1909. Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 183 zu ziehen. So schreibt z. B. Bayer!) bei der Besprechung der Bedeutung des Adrenalis für das Zustandekommen verschiedener experimenteller Glykosurien: „Wenn sich der von Schwarz für die nebennierenlosen Ratten behauptete Glykogenmangel der Leber auch für das nebennierenlose Kaninchen bestätigen sollte, würde damit allerdings die Beweiskraft der Versuche von Mayer, Landau und Kahn sehr geschwächt.“ Bei dieser Sachlage ist es notwendig, die einander allerdings für verschiedene Tierarten widersprechenden Angaben nachzuprüfen und zugleich die bisher nicht untersuchten, hierhergehörigen Ver- hältnisse beim Kaninchen zu erheben. I. Ratte. Zunächst wurde eine Versuchsreihe an Ratten durchgeführt, um die überraschenden Resultate von Schwarz aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Die Exstirpation der Nebennieren, welche bei diesen Tieren ein sehr einfacher, ganz unblutiger und in kürzester Zeit auszuführender Eineriff ist, fand zweizeitig statt. Es ergab sich die Notwendigkeit, zwischen der ersten und der zweiten Operation einen Zeitraum von 3—4 Wochen verstreichen zu lassen. Die innerhalb kürzerer Frist operierten Tiere gingen 2 Tage nach der zweiten Operation zu- grunde. Jene Versuchstiere, welche die zweite Operation überstanden und welehe nicht innerhalb der nächsten 2 Wochen zu Versuchs- zwecken getötet wurden, überlebten die zweite Operation nicht länger als 5 Wochen. Nach dieser Zeit waren alle unsere Versuchstiere tot, bis auf einen einzigen Fall, über den später noch Besonderes zu sagen sein wird. Selbstverständlich bestätigten wir in jedem Falle durch Obduktion das gewünschte Operationsresultat. Bezüglich des methodischen Teiles der Untersuchung wäre zu erwähnen, dass sämtliche Versuchstiere einer gemeinsamen Ratten- zucht entstammen, die unter völlig gleichen äusseren Bedingungen mit Milch, Semmeln und etwas Hafer gefüttert wird. Die Tiere wurden sofort nach der Operation wieder in ihre Käfige zurück- gebracht und daselbst unter denselben Bedingungen, wie vorher, 1) G. Bayer, Die normale und pathologische Physiologie des chromaffinen Gewebes der Nebennieren. Lubarsch Ostertag, Ergebn. d. pathol. Anat. 14. Jahrg. 1910. ae 184 R. H. Kahn und E. Starkenstein: weitergehalten. Ganz kurze Zeit nach der Operation verschwanden alle auf die Äthernarkose zu beziehenden Erscheinungen, die Tiere verhielten sich wie normale, frassen das vorgesetzte Futter in der- selben Quantität wie vor der Operation; die Wundheilung erfolgte ausnahmslos per primam. Die Tiere waren verschiedenen Geschlechtes, zum Teil albi- notisch; darauf zu beziehende Unterschiede konnten an ihnen in keinem Falle wahrgenommen werden. Noch einige Worte sind dem von Schwarz erwähnten Um- stande hinzuzufügen, dass der Harn gesunder Ratten bei gewöhn- licher Fütterung mit Semmel oder Brot in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle sehr intensiv Fehling’sche Lösung reduziert. Eine solche Erscheinung haben wir ebenfalls häufig beobachtet, wenn auch nicht in der überwiegenden Mehrzahl der zahlreichen von uns untersuchten Fälle. Auch war der Grad der Reduktion stets recht unbedeutend und ist mit einer nach Adrenalin oder nach dem Zuckerstich auftretenden Glykosurie in keiner Weise ver- gleichbar. Bei dieser Gelesenheit sei ein Handeriff erwähnt, um bei der Ratte, die keinem Katheterismus zugänglich ist, für derartige Unter- suchungszwecke genügend Harn zu gewinnen: Hebt man die Ratte vorsichtig am Schwanz aus dem Käfig, so dass sie senkrecht hängt und lässt sie mit den Vorderfüssen ein auf dem Tische liegendes Tuch ergreifen, so presst sie fast regelmässig eine Anzahl von Harn- tropfen aus, welche in einer bereit gehaltenen Eprouvette auf- gefangen werden können. Mit den zur Bestimmung des Glykogens verwendeten Tieren wurde folgendermaassen verfahren: Nach dem Verblutungstode des Tieres wurde die Leber rasch herausgenommen, gewogen und in die schon vorbereitete siedende 60 °ige Kalilauge geworfen. Die Glykogenbestimmung erfolgte nach Pflüger unter Berücksichtigung der zur Vermeidung von Glykogenverlust als notwendig erkannten Vorsichtsmaassregeln, auf die der eine von uns (Starkenstein) in einer früheren Mitteilung!) hingewiesen hat. Die Bestimmung des Glykogenwertes erfolgte durch Zuckerbestimmung (Bang) nach vor- hergehender Hydrolyse. 1) E. Starkenstein, Über den Glykogengehalt der Tunikaten nebst Versuchen über die Bedeutung des Eisens für die quantitative Glykogen- bestimmung. Biochem. Zeitschr. Bd. 27. 1910, Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 185 Versuch I. Weisse Ratte. 15. November 1910. Gewicht 140 g. Lebergewicht 3,2 g. Glykogengehalt 0,5678 g = 17,7 %o. Versuch I. Weisse Ratte &. 22. Oktober 1910. Gewicht 155 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 23. November 1910. Gewicht 168 g. Exstirpation der linken Nebenniere. 29. November 1910. Gewicht 152 g. Durch Verbluten ge- tötet. Lebergewicht 4,5 g. Glykogengehalt 0,1071 g = 2,38 o. Versuch III. Weisse Ratte 2. 17. Oktober 1910. Durch einen kleinen Schnitt wird der Blasenscheitel blossgelegt und der Harn ausgedrückt. Harn reduziert nicht. 5h 45’. Zuckerstich nach Eckhardt mit Freilegung des IV. Ventrikels. 75h 30. Wenig Harn, kaum die Kuppe einer mittleren Eprouvette voll. Die Re- duktion ist hochgradig. Versuch IV. Schwarze Ratte 2. 22. Oktober 1910. Gewicht 140 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 23. November 1910. Gewicht 158 g. Exstirpation der linken Nebenniere. 29. November 1910. Gewicht 140 g. Harn zeigt Spur Reduktion. \ 4h. Zuckerstich. Bis 5h 15’ hatte die Ratte keinen Harn. — Durch Ver- bluten getötet. Lebendgewicht 4,7 g. Glykogengehalt 0,0075 g = 0,160. Versuch V. Weisse Ratte &. 28 November 1910. Gewicht 93 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 21. Dezember 1910. Gewicht 97 g. Exstirpation der linzen Nebenniere. 4. Januar 1911. Gewicht 100 g. Durch Verbluten getötet: Leber 3 g. Es konnten nur Spuren von Glykogen nachgewiesen werden, ebenso in 10 & daraufhin untersuchter Muskeln. Versuch VI. Weisse Ratte 9. 28. November 1910. Gewicht 100 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 21. Dezember 1910. Gewicht 108 g. Exstirpation der linken Nebenniere. 5. Januar 1911. Harn reduziert nicht. 4h. 0,0001 g Adrenalin in 1 ccm physiol. NaCl-Lösung. Der Harn wurde - jede halbe Stunde untersucht. Die Harnmenge war jedesmal gering. Bis 7h erfolgt keine Reduktion. Das Tier wurde in den Käfig zurückgesetzt. Während der nächsten 2 Tage sass es traurig im Käfig und frass nicht. Am 9. Januar 1910 früh wurde es tot im Käfig gefunden. Zu diesen Versuchen ist folgendes zu bemerken: Die im ersten Versuche eruierte Glykogenmenge in der Leber stimmt im allgemeinen mit der bei Schwarz beobachteten überein. Der Prozentgehalt ist etwas höher, die Unterschiede sind auf die 185 R. H. Kahn und E. Starkenstein: bekannte physiologische Breite der Schwankungen im Glykogen- gehalte zurückzuführen. Der zweite Versuch zeigt ebenfalls in Übereinstimmung mit den Versuchen von Schwarz die überraschende Tatsache, dass eine Ratte, welche nach doppelseitiger Nebennierenexstirpation sich wochenlang des besten Wohlbefindens erfreute und im Vollbesitze ihrer Kraft getötet wurde, einen auf ein Minimum reduzierten Glykogenbestand aufwies. Es kommt dabei gewiss nicht auf die absolute Menge oder gar einen gäuzlichen Mangel, wie in manchen Versuchen von Schwarz, an, vielmehr ist die Tatsache an sich gewiss auffällig und vorläufig unerklärlich. Versuch III zeigt zunächst das zu erwartende Resultat, dass, ebenso wie am Kaninchen, Hund und Frosch, auch an der Ratte das berühmte Claude Bernard’sche Experiment ausgeführt werden kann. Der Harn dieses Tieres reduzierte vor dem Experimente nicht, aber auch in jenen Fällen, in denen man die von Schwarz beschriebene geringgradige Reduktion bei Ratten findet, braucht dieser Umstand bei der Verwendung dieses Tieres zum Zuckerstich aus dem Grunde nicht hinderlich zu sein, weil, wie der Versuch zeigt, auch bei dieser Tierart die Zuckerstichglykosurie eine hochgradige ist. Bei Versuch IV wäre zu bemerken, dass die doppelseitige Neben- nierenexstirpation von eine kompletten Anurie gefolgt war, welche es verhinderte, innerhalb der in Betracht kommenden Zeit das Re- duktionsvermögen des Harns zu prüfen. Dies ist ein Umstand, welcher der Untersuchung der Wirkung von Nebennierenexstirpation auf den Zuckerstich überhaupt hinderlich im Wege stellt. So konnte der eine von uns [Kahn!)] eine sichere Entscheidung in dieser Frage deshalb nicht erbringen, weil diese Anurie beim Kaninchen 4—5 Stunden und bis zum Tode der Tiere anhielt. Die Untersuchung des Glykogengehaltes ergab einen noch ge- ringeren Wert als in dem oben beschriebenen Versuch II. Die Resultate des Versuches V zeigen, dass nieht nur in der Leber, sondern auch in den Muskeln eine ausserordentliche Reduktion des Glykogenbestandes stattfindet. Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass die doppelseitige Nebennierenexstirpation bei der Ratte ein augenfälliges Schwinden des Glykogenbestandes des Körpers zur Folge hat. 1) R. H. Kahn, Zur Frage nach der inneren Sekretion des chromaffinen Gewebes. Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 519. 1909. Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation.e 187 Bestätigen sich also in dieser Hinsicht die Versuche von Schwarz, so zeigt sich in den sub VI und VII angeführten Ver- ‚suchen auch die Bestätigung anderer von ihm erhobener Befunde. Versuch VI zeigt die Wirkung subkutan eingeführten Adrenalins. Die Harnmenge ist vermehrt, die Glykosurie ist hochgradig, die Adrenalindosis wird ohne jede Störung ertragen. Der Versuch VII zeigt die hohe Empfindlichkeit der neben- nierenlosen Ratte gegen Adrenalin. Beider Hälfte der von der normalen Ratte anstandslos vertragenen Dosis erlag das nebennierenlose Tier binnen 3 Tagen, ohne dass charakteristische Symptome oder ein charakteristischer Obduktionsbefund zu erheben gewesen wären. Bei dieser Gelegenheit möchten wir bemerken, dass das von Schwarz als besonders charakteristische Bild der Giftwirkung des Adrenalins in der nebennierenlosen Ratte, welches an den Tod von Versuchstieren nach intravenöser Injektion dieser Substanz erinnert, vermutlich auch durch eine solche herbeigeführt wurde; denn die geschilderten Symptome: Dyspnöe, blutiger Schaum vor dem Munde, Nasenbluten, Lungenödem, ist ganz charakteristisch für das Ver- giftungsbild nach intravenöser Adrenalininjektion.e Eine solche hat sich vermutlich in diesem Falle dadurch zugetragen, dass eine Vene angestochen wurde. Wir sind aber nicht der Meinung, dass der geschilderte Symptomenkomplex „als direkte Folge einer eminenten Blutdrucksteigerung“ aufgefasst werden soll. II. Kaninchen. Untersuchungen über das Verhalten des Glykogens beim neben- nierenlosen Kaninchen liegen unseres Wissens nicht vor, sind aber um so wichtiger, als es gelingt, diese Tiere nach doppelseitiger Neben- nierenexstirpation überaus lange Zeit bei vollem Wohlbefinden und Gewichtszunahme am Leben zu erhalten, ohne dass man imstande wäre, durch Zuckerstich eine Glykosurie hervorzurufen. Wir verweisen diesbezüglich nochmals auf die beiden ausführlich mitgeteilten Experimente des einen von uns [Kahn !)], welche die Erfolglosigkeit des Zuckerstiches 8 und 16 Tage nach Exstirpation der zweiten Nebenniere demonstrieren. ' Zur Ergänzung derselben führen wir noch einen dritten der- artigen Versuch mit noch viel längerer Dauer an. DR. H. Kahn, |. c. S. 551. 188 R. H. Kahn und E. Starkenstein: Versuch I]. 26. Juli 1909. Kaninchen d, 2550 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 9. Aug. 1909. ee x „ linken N 5. „1909. 28,20 25. „ 1909. rg 12. Sept. 1909. 08, 31008 4. Okt. 1900. a Bande 2. Dez. 1909. 4 &, 3300 g. Das Tier befindet sich während der ganzen Zeit vollkommen wohl, nahm an Gewicht bedeutend zu, zeigte keinerlei Erscheinungen von Körperschwäche oder Mattigkeit. 2. Dezember 1909. 11h 15’. Harn reduziert nicht. 11h 50’. Zuckerstich. 12h 50’. 5 cem Harn. Reduziert nicht. INS. 2 D) » » BD) I) / 24.0. 2 ” „ » ” [97 r N 2 B) B) 5) „ sn sole » ” 55 00’. Tod durch Verbluten. Die Sektion ergibt: Geringe Adhäsionen des rechten Leberrandes und Netzes an der vorderen Bauchwand. Beide Nebennieren sind völlig exstirpiert. Keine makroskopisch sichtbare Epithelkörper auch nicht am Hoden und Samenstrang. Die Chromierung ergibt normales Verhalten des Paraganglions an der Aorta, soweit dies bei makroskopischer Betrachtung konstatiert werden kann. Schild- drüsen, Hypophyse nicht vergrössert, Thymus etwas rötlich. Das Tier ist fett- reich, in vorzüglichem Ernährungszustande. ’ Versuch II. 9. Dez. 1909. Kaninchen 2, 2100 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 1909: 5 2, 2100 g. 5 „ liuken 5 20. >, 1909. W 9, 1950 2. 23. „1909. 5 2, 1800 g. 269051909 5 8, 1770 g. 280021909: 5 2, 1800 g. 29. „ 1909. 4h 10’. Harn reduziert nicht. Subkutane Injektion von 0,002 g Adrenalin. 5h 15’. Reichlich Harn, reichliche Reduktion. 6h 00’. 2,5°/0 Zucker. 7h 00’. Reichliche Reduktion. 30. „ 1909. Harn reduziert nicht mehr. Das Kaninchen lebt auch am 27. April noch und ist am 28. April in der Nacht aus unbekannter Ursache gestorben. Sektion ergibt: Nebennieren voll- ständig entfernt, Schilddrüse normal, Ovarien normal, Paraganglion an der Aorta nach der Chromierung, soweit makroskopisch beurteilt werden kann, normal. Keine akzessorischen Epithelkörper. Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 189 Versuch III. 9. Dez. 1909. Kaninchen 9, 2520 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 1697, 510% n 2, 2500 g. a „ linken y 15. Nov. 1910. x 9, 2700 g. Das Tier befindet sich vollkommen wohl, ist gross und kräftig und unterscheidet sich in nichts von einem normalen Kaninchen. Harn reduziert nicht. 4 50’. Zuckerstich. 5h 20’. Keine Reduktion. 6h 20’. Keine Reduktion, sehr wenig Harn. 6h 80’. Durch Verbluten getötet. Sektion: Die rechte Nebenniere fehlt vollständig; an Stelle der linken Nebenniere ist ein hellbraunes ca. 1><2 mm messendes Körperchen. Die histo- logische Untersuchung desselben ergibt einen Epithelkörper, in seinem Umkreis einiges chromaffines Gewebe, wie es an dieser Stelle und längs der ganzen Aorta nach abwärts bekanntlich als Paraganglion sich vorfindet. Thymus, Schilddrüse, Ovarien normal, fettreich. Die Ikeber wird auf Glykogen verarbeitet: Es findet sich 4,4959 g Glykogen. Versuch IV. 8. März 1910. Kaninchen, 2280 g. Rechte Nebenniere exstirpiert. 23 1910. 5 2120 g. Linke e ® 24. Juni 1910. ı 2470 g. 29. Dez. 1910. , 2850 g. Sektion: Vollständige Abwesenheit von Nebennieren. Keine makro- skopisch sichtbare Epithelkörper. Paraganglion an der Aorta chromierbar, viel- leicht etwas weniger braun als gewöhnlich. Lebergewicht 75 g, enthält 4,58 g Glykogen = 6,1 o. Zunächst zeigen diese Versuche wieder einmal, dass es sehr gut gelingt, Kaninchen nach doppelseitiger Nebennierenexstirpation, falls sie zweizeitig gemacht wird, lange Zeit am Leben zu erhalten, eine Tatsache, auf welche schon seinerzeit Hultgreenund Anders- son hingewiesen haben. Daraus geht hervor, dass die von vielen Autoren hervorgehobene sehr kurze Lebenszeit so behandelter Kaninchen [76 Stunden! Strehl und Weiss!)] Ausnahmefälle dar- stellen und den bei entsprechend ausgeführten Operationen zu er- hebenden Verhältnissen nicht entsprechen. Weiter zeigt sich, dass auch nach noch längerer Überlebenszeit als in den oben erwähnten Versuchen von Kahn nämlich bis zu einem Jahre die doppelseitige Exstirpation von Nebennieren das Zustande- 1) H. Strehl und O. Weiss, Beiträge zur Physiologie der Nebennieren. Pflüger’s Arch. Bd. 86 S. 107. 1901. 190 R. H. Kahn und E. Starkenstein: kommen der Zuckerstichglykosurie verhindert, und da die Tiere bei bestem Wohlbefinden getötet wurden, ist man wohl berechtigt zu sagen, dass die Zuckerstichglykosurie für alle weitere Lebenszeit verhindert ist. Bei dieser Gelegenheit sei einer eben erschienenen Untersuchung von v. Fürth und Schwarz!) Erwähnung getan. In dieser lenkten die Autoren die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass durch mancherlei Eingriffe eine Schädigung der Nierentätigkeit in dem Sinne hervorgerufen werden kann, dass selbst gut harnfähige Substanzen, Kochsalz und Harnstoff, in nur sehr geringem Maasse durchgelassen werden. Es beziehe sich diese Erscheinung nun auch in besonderem Maasse auf den Blutzucker, wodurch das Ausbleiben einer erwarteten Glykosurie seine einfache Erklärung findet. Es liege daher auf der Hand, dass eine solche Sekretions- hemmung grobe Täuschungen hinsichtlich der Folge im Kohlehydrat- stoffwechsel veranlassen könne. Wir glauben betonen zu müssen, dass für den in Rede stehenden Fall derartige Momente wohl kaum eine Rolle spielen dürften; denn schwerlich könnte man annehmen, dass ein experimenteller Eingriff, in unserem ‚Falle die Exstirpation der Nebenniere, eine solche Wirkung auf die Niere nach Wochen, nach Monaten, ja nach Jahren noch auszuüben imstande ist. Dass jedoch das Ausbleiben der Zuckerstichelykosurie nach Nebennierenexstirpation beim Kaninchen nicht auf einem Glykogen- mangel beruht, wird schon durch den Umstand wahrscheinlich, dass Tiere den Eingriff ein Jahr überleben und dies wohl nicht bei voll- ständiger Glykogenabwesenheit möglich wäre. Weiter findet diese Vermutung eine Bestätigung in dem in Versuch II illustrierten Um- stand, dass die subkutane Darreichung von Adrenalin zu einer hoch- gradigen Glykosurie führt. Setzt das Gelingen der Adrenalingiykosurie schon einen erheb- lichen Glykogenbestand voraus, so zeigen sich bei der Untersuchung des Glykogengehaltes der Leber normale Verhältnisse (Versuch III und IV). Aus den angeführten Versuchen geht also hervor, dass die Tat- sache, dass nach doppelseitiger Nebennierenexstirpation der Zucker- 1) ©. v. Fürth und Carl Schwarz, Über die Hemmung der Adrenalin- glykosurie durch Pankreaspräparate. Wiener klin. Wochenschr. 1911 S. 115. Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 191 stich nicht mehr zustande kommt, nicht darin ihren Grund haben - kann, dass kein verfügbares Glykogen als Folge der Nebennieren- exstirpation vorhanden wäre. Es erledigt sich also, wie schon oben angedeutet, die Vermutung Bayers in sehr einfacher Weise. libenso steht es mit den Ver- mutungen von Schwarz. Aus dem Umstand, dass er bei der Ratte kein Glykogen finden konnte, schliesst er folgendermaassen auf Kaninehenversuche von Kahn: „Da nun meine Versuche gezeigt haben, dass ein solches nebennierenloses Tier sein Glykogen voll- kommen eingebüsst hat, so ist die Unwirksamkeit des Zuckerstiches vollauf erklärt. Die Hypothese, dass der Reiz aus dem vierten Ventrikel über die Sympathieusbahn nicht der Leber, wie Claude Bernard gemeint hat, sondern den Nebennieren zufliesse und von diesen erst der Anstoss zur Zuckermobilisation vermittelt wird, wird hierdurch vollkommen entbehrlich.“ Wie man aus obigem sieht, liegen die Dinge aber hier nicht so einfach, wie Schwarz es annimmt; denn wieder einmal zeigt es sich, dass man von den Erscheinungen, die bei einer Tierart zu erheben sind, nicht einmal auf Verhältnisse recht nahe verwandter Tiere schliessen darf; denn die Ratte hat nach unserer Operation kein Glykogen, natürlich auch keine Zuckerstichglykosurie, das Kaninchen aber hat reiehlich Glykogen und doch keine Zucekerstich- elykosurie. Ob bei der Ratte neben dem Glykogenmangel auch noch andere Umstände vorhanden sind, welche das Zustandekommen einer solchen Glykosurie in jedem Falle verhindern würden, lässt sich deshalb nicht entscheiden, weil die Ratte ein zu solchen Versuchen über- haupt nicht geeignetes Versuchstier darstellt. III. Hund. Lassen sich Befunde, wie die geschilderten, an Ratten und Kaninchen aus dem Grunde mit genügender Sicherheit erheben, weil es keine Schwierigkeiten hat, die Tiere genügend lange am Leben zu erhalten, so steht die Sache bei Hunden und Katzen weitaus un- günstiger; denn bei allen Forschern, die sich mit der Exstirpation der Nebennieren beschäftigt haben, herrscht vollkommene Überein- stimmung darin, dass ausnahmslos alle Versuchstiere dieser Operation, sei sie einzeitig oder zweizeitig gemacht, in der kürzesten Zeit er- liegen. 192 R. H. Kahn und E. Starkenstein: Über die- Katze liest unseres Wissens überhaupt keine Fest- stellung in dieser Hiusicht vor, und wir können auch aus eigener Erfahrung über dieses Tier keine bestimmten Angaben machen. Wie schon oben erwähnt wurde, verliert der Hund seinen ohne- hin relativ geringen Glykogenbestand unter allerlei Eingriffen mit besonderer Geschwindigkeit. Es ist also zu erwarten, dass dies nach einer so eingreifenden Operation in der kürzesten Zeit der Fall sein wird, einer Operation, die ihn in wenigen Stunden dem Tode über- liefert. Dementsprechend findet auch Porges (]. e.) an zahlreichen Hunden Glykogenschwund und Hypoglykämie. Dass sich diese Untersuchungen leicht bestätigen lassen, darüber kann von vornherein kein Zweifel bestehen. Auch wir haben gefunden, dass bereits 5 Stunden nach der Operation der Glykogenbestand bedeutend reduziert ist. Hund 2. 21. Dezember 1910. Gewicht 4500 eo. 10h vorm. Exstirpation beider Nebennieren in Narkose. 6b nachm. Der Hund befindet sich in seinem Käfig verhältnismässig wohl. Tod durch Verbluten. Sektion ergibt: Abwesenheit von Nebennieren, keine makroskopisch sicht- bare akzessorische Organe; die Chromierung des Paraganglion aorticum gelingt und zeigt keine sichtbare Veränderung. Lebergewicht 120 g. Glykogen —= 1,84 g —= 1,53 °/o. Der Blutzuckergehalt beträgt 0,0856 /o. Man ersieht also einen sehr niedrigen Glykogenbestand, während der Blutzuckerwert nicht als abnorm niedrig bezeichnet werden kann. Zweifellos wäre bei längerem Zuwarten, eventuell bei Unter- suchung knapp vor dem mit Sicherheit in den nächsten Stunden zu erwartenden Tode des Tieres ein vollständiger Glykogenschwund, wohl auch schon eine dementsprechende Hypoglykämie zu konsta- tieren gewesen. Wir glauben, dass derartige Versuche in dieser Frage keinen besonderen Aufschluss bringen können, da es sich, wie gesagt, um Tiere handelt, welche infolge eines lebensgefährlichen Eingriffs aus nicht geklärten Ursachen dem Tode entgegengehen. Mit den mitgeteilten Untersuchungen an Ratten, Kaninchen und Hunden ist unser Thema erschöpft. | Es erübrigt, noch eines besonderen Versuches zu erwähnen, welcher möglicherweise einige neue Gesichtspunkte ergibt. Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 193 Wie wir oben erörtert haben, konstatierte Schwarz (l. ec. S. 281) an seinen nebennierenlosen Ratten eine besondere Empfind- lichkeit der Tiere gegen Adrenalin, welche sich darin äussert, dass eine Dosis, welche von normalen Tieren anstandslos vertragen Bau bei ersteren deutlichere Folgen zeist. Die Überlegung nach den möglichen Ursachen dieser Über- empfindlichkeit gegen Adrenalin führt naturgemäss zu einer Bezug- nahme auf den Umstand, dass die Tiere fast oder ganz giykogenfrei gefunden werden. Daraus ereibt sich der Gedanke, ob nicht unter normalen Umständen die bekannte Tätigkeit des Adrenalins im Körper dadurch wenigstens zum Teile paralysiert wird, dass das- selbe in einer Weise, über die man sich vorläufig keine bestimmte Anschauung zu bilden imstande ist, zum Glykogen in Be- ziehung tritt. Dementsprechend scheint es nicht ausgeschlossen, durch gleich- zeitige Glykogendarreichung die besagte erhöhte Giftwirkung des Adrenalins bei nebennierenlosen Tieren zu paralysieren. Einen solchen Versuch haben wir mit nicht gerade entmutigen- dem Erfolge durchgeführt. Weisse Ratte d. 28. Nov. 1910. 90 g. Exstirpation der rechten Nebenniere. 2a Dez2n19107 9972: 5 „ linken 5 14. Jan. 1911. 4b 20’. 0,25 g Glykogen in 5 ccm subkutan. 5h 00’. 0,0001 g Adrenalin in 1 ccm physiol. NaCl-Lösung. 6h 00’. Es ist ein Tropfen Harn zu gewinnen, der nicht reduziert. 75 00’. Einige Tropfen, welche jene geringgradige Reduktion aufweisen, wie sie schon eingangs auch bei normalen Ratten beschrieben wurden. 19. Jan. 1911. 124 g. Die Ratte befindet sich wohl und bekommt wieder eine Dosis Glykogen subkutan. Ausserdem wird sie täglich mit Glykogen, welches der Milch beigemischt wird, gefüttert. 26. „ 1911. Neuerliche Injektion von Glykogen, sowie 0,00015 g Adrenalin. 2 Tage darauf starb die Ratte. Zu diesem Versuche wäre zu bemerken: Während alle anderen Ratten derselben Zucht, wie schon oben erwähnt wurde, drei Wochen nach der Exstirpation der zweiten Nebenniere eingingen, überlebte dieses Tier die zweite Operation um 5!/e Wochen, wobei noch zu bemerken ist, dass sich infolge nieht genügend aseptischen Vorgehens bei den zahlreichen Injektionen Infiltrate und Abszesse in der Sub- 194 R. H. Kahn und E. Starkenstein: eutis bildeten, gegen welche bekanntermaassen Ratten sehr empfind- lich sind. Besonders hervorgehoben sei, dass das Tier die für die operierten Ratten letale Dosis von Adrenalin anstandslos vertragen 'hat, was möglicherweise auf die gleichzeitige Glykogendarreichung bezogen werden kann. Wir wollen keineswegs behaupten, dass durch diesen einen Versuch der oben skizzierte Gedankengang schon als richtig he- funden worden wäre, sondern haben vielmehr die Absicht, an einem grösseren Materiale derartige und noch andere ähnliche Überlegungen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Ergebnisse. 1. Es werden die Angaben von Schwarz, welche sich auf die hochgradige Reduktion des Glykogenbestandes bei nebennierenlosen Ratten beziehen, bestätigt; desgleichen die Über- empfindlichkeit dieser Tiere gegen Adrenalin. 2. Es wird gezeigt, dass Kaninchen, die zweizeitige Ex- stirpation der Nebennieren bis zu einem Jahre überleben, dabei sich wohl befinden und an Gewicht zunehmen, keinerlei Zeichen einer Muskelschwäche oder Hinfälligkeit bieten, den normalen Gly- kogengehalt besitzen und sich von gesunden Tieren nur darin unterscheiden, dass der Zuckerstich bei ihnen nicht von der gewöhn- lichen Glykosurie gefolst ist. 3. Es werden die Befunde von Porges bestätigt, dass Hunde während der kurzen Überlebenszeit nach Nebennierenexstirpation Schwund des Glykogenbestandes aufweisen, :und es wird diese Er- scheinung mehr dem schweren operativen Eingriffe zugeschrieben als für die Nebennierenexstirpation spezifisch anerkannt. 4. Es wird die Vermutung aufgestellt, dass die Giftwirkung des Adrenalins durch seine spezifischen Beziehungen zum Glykogen im Tierkörper zum Teile aufgehoben wird, und es wird ein Ver- such vorgeführt, der zeigt, dass die sonst bei nebennierenlosen Ratten auftretende Überempfindlichkeit gegen Adrenalin durch gleichzeitige Glykogeninjektion gemildert. erscheint, ein Resultat, das der eben erwähnten Vermutung zumindest nicht widerspricht. Aus den eben mitgeteilten Ergebnissen ist ohne weiteres die immer wieder bemerkenswerte Forderung zu ziehen, in der Über- Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. 195 tragung von Erscheinungen, namentlich vegetativer Natur, von einer Tierart auf die andere äusserst vorsichtig zu sein; denn schon zwischen relativ nahe verwandten Tieren, wie zwischen der Ratte und dem Kaninchen, zeigen sich hinsichtlich der in unserer Mitteilung er- hobenen Befunde eingreifende Unterschiede, welche es rechtfertigen, eine Übertragung derartiger Befunde auf den Hund oder gar auf den Menschen als unzulässig zu bezeichnen. 5 196 Carlo Foa: (Aus dem Institut für Physiologie der Universität Turin.) Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden!). Untersuchungen von Dr. Carlo Foa, Dozent ‚und Assistent. (Mit 10 Textfiguren.) Die Untersuchungen von Gaskell, Engelmann, Langen- dorff und H. E. Hering haben nachgewiesen, dass im Herzen des Frosches der Teil, welcher den höchsten Grad von Automatismus besitzt und von welchem der Reiz zur Auslösung der Herzrevolution ausgeht, der venöse Sinus ist. Gaskell beobachtete, dass man, wenn man die den Herzen am nächsten liegende Partie der Hohl- vene erwärmt, eine Beschleunigung des Herzrhythmus herbeiführt. Mc. William?) hat diese Beobachtung am Herzen von Säugetieren bestätigt und Adam fand, dass im Kaninchen- und Katzenherzen der dem venösen Sinus des Frosches entsprechende Teil in dem dem unteren Segment der Wand der rechten Herzvorkammer am nächsten liegenden Punkt der Mündung der beiden Hohlvenen lokalisiert ist. Ich nahm mir vor, zu untersuchen, ob der Rhythmus der von dem venösen Sinus ausgehenden Impulse ausschliesslich automatischer Natur ist oder durch den Rhythmus, mit welchem das Blut bei seinem Kreisen periodisch in den genannten Sinus zurückkehrt, beeinflusst resp. modifiziert werden kann. Angenommen, dass aus irgendeinem Grunde der Rhythmus, mit welchem das Blut kreist, und somit der Rhythmus, mit welchem das- selbe nach dem venösen Sinus gelangt, sich ändert, empfangen alsdann 1) Ins Deutsche übertragen von Dr. med. K. Rühl (Turin). 2) Mc. William, Journ. of Physiol. vol. 9 p. 82. 3) Adam, zit. bei Luciani, Trattato di fisiologia, 3. Aufl., p. 326. Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. 197 die Wände des Sinus eine derartige Reihe von Reizen, dass sich der Rhythmus der Impulse ändert, welche sie den anderen Herzteilen zuschicken? Wenn dem so wäre und keine anderen regulierenden Ursachen mitwirkten, so müsste das Herz, wenn einmal eine Ände- rung seines Rhythmus eingetreten ist, ad infinitum nach dem neuen Rhythmus weiterschlagen. Dass dies gewöhnlich nicht der Fall ist, hängt davon ab, dass der venöse Sinus durch die Störungen des Rhythmus, mit welchem das Blut zu ihm strömt, nicht beeinflusst wird und seine Reize nach dem eigenen Rhythmus auslöst, oder ist darauf zurückzuführen, dass andere Regelungsmechanismen tätig werden, welche, nachdem die Wirkung der störenden Ursache auf- gehört hat, wieder den früheren Herzschlagrhythmus herstellen ? Goltz war der Ansicht, dass die Systole, indem sie den durch das Blut herbeigeführten Reiz vom Herzen entferne, die Diastole hervorrufe, und dass diese, indem sie diesen Reiz dem Herzen wieder zuführe, die Systole hervorriefe. Die Einwendung, dass das Herz imstande ist, auch leer zu pulsieren, schliesst a priori nicht aus, dass die Goltz’sche Lehre, in mechanischem Sinn aufgefasst, etwas Wahres enthält, und dass die Anwesenheit von Blut in den Herzhöhlen einen Einfluss auf den Rhythmus der Herzschläge haben kann. Wenn man Versuche zwecks Erforschung dieser Frage anstellen will, so muss man offenbar das Herz an seinem Platz lassen, damit seinerseits das Blut seinen ganzen Kreislauf durchmachen und man anderseits die Wirkung feststellen kann, welche die extrakardialen Nerven des Herzens auf den Rhythmus desselben ausüben. Einführung von Ringer’scher Flüssigkeit in den Sinus des Froschherzens mit pulsierendem Rhythmus. Als das geeignetste Verfahren, um diese Frage direkt anzugreifen, erschien mir folgendes: Ich führte in die Vena cava eine Kanüle ein und liess durch dieselbe mit pulsierendem Rhythmus Nährflüssig- keit einströmen, so dass diese den Sinus mit wechselndem Rhythmus mechanisch reizte und danach, da das Herz mit allen seinen An- hängseln an seinem Platz gelassen war, den ganzen Kreislauf durch den Körper des Tieres durchmachte. Die Einführung der Nähr- flüssigkeit geschah vermittels einer. kleinen Pumpe, bei welcher die durch jeden Kolbenschlag eingedrückte Flüssigkeitsmenge und der Rhythmus der Kolbenbewegungen nach Belieben abgeändert werden konnten. i Pflüger's Archiv für Physiologie. Bd. 139. 14 198 Carlo Foä: Der Versuch wurde bei intakten und bei durchschnittenen N. vagi ausgeführt. Ich habe die Herzschläge nicht aufgezeichnet, weil im Diagramm die durch die eingeführte Flüssigkeit bewirkten Bewegungen des Herzens durch ihre Interferenz mit den eigenen Pulsierungen des- selben eine schwer zu deutende Kurve geliefert haben würde. Die einfache Inspektion und das Zählen der Pulsierungen mit der Uhr in der Hand genügten übrigens, um den Verlaufdes Experimentes zu beurteilen. Ich konnte somit beobachten, dass, so oft ich auch den Versuch wiederholte, und zwar sowohl bei durchschnittenen wie bei intakten N. vagi, unter Kurarisierung des Tieres oder ohne eine solche bei zerstörten wie bei intakten Nervenzentren, der Rhythmus der Pulsierungen der Herzvorkammern und -kammern un- verändert blieb und keineswegs durch den Rhythmus beeinflusst wurde, mit welchem die Flüssigkeit in den Sinus eingeführt wurde. Wenn dieser Rhythmus rascher als der spontane Herzrhythmus ist, wird das Herz in einem bestimmten Moment überfüllt sein; die nächste Systole wird es aber entleeren und das Eindringen von Flüssigkeit verhindern, so dass die Reihen- folge der Kontraktionen der einzelnen Herzabschnitte dieselbe wie unter normalen Verhältnissen sein wird. Aus diesem Versuch kann man schon schliessen, dass der Rhyth- mus der Reize, welche vom Sinus des Froschherzens ausgehen und die Kontraktion auslösen, durch die mechanischen Reize, welche ihm das Blut mit einem vom normalen verschiedenen Rhythmus abgibt, nicht beeinflusst wird. Und hierzu ist zu bemerken, dass bei dem Versuche die Flüssigkeit unter einem viel stärkeren Druck in den Sinus eingeführt wird als derjenige, unter welchen er normalerweise in denselben eintritt. Rhythmische elektrische Reize auf den Sinus des Froschherzens. Um die Gefässe ganz unverletzt zu lassen und zu erzielen, dass das Blut mit normaler Spannung in den Sinus gelange, habe ich versucht den Kreislaufrhythmus dadurch zu modifizieren, dass ich durch rhythmische elektrische Reizungen des Sinus eine Modifizierung des Herzschlagrhythmus erzeugte. Engelmann!) hat nachgewiesen, dass Reizungen des Sinus 1) Engelmann, Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 137. Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. 199 des isolierten Herzens eine Kontraktion hervorrufen, welche von keiner Kompensationspause gefolgt ist. Auf eine grosse Anzahl durch elektrische Reizungen der isolierten Hohlvene hervorgerufener Extrasystolen folgt, nach dem letzten Reiz, eine Pause von normaler Dauer. Wenn man beim isolierten Herz einen einzigen Reiz auf die Hohlvenen wirken lässt, so folgt auf die Extrasystole die Kontraktion der Atria und des Ventrikels, während, nach Engelmann, erheb- liche Veränderungen des Rhythmus der venösen Ostia während des Vorschreitens des Reizes bis zum Ventrikel korrigiert werden sollen, so dass der Rhythmus des Ventrikels keine Änderung erfährt. Diese Schlussfolgerung, welche zur Annahme einer vom Rhythmus der vom Sinus ausgehenden Reize unabhängigen Selbstregulierung des Herz- rhythmus führen würde, ist jedoch vorwiegend auf theoretische Vor- stellungen über die dromotrope Wirkung der Herzsystole gestützt. Ich bin bei meinen Versuchen zu Resultaten gelangt, die der Meinung Engelmanns’s entgegengesetzt sind. Das von mir an- gewendete Verfahren ist sehr einfach. Nach vorheriger Kurarisierung des Frosches (Fig. 1 u. 2) oder auch ohne eine solche (Fig. 3 u. 4) öffnete ich die Brusthöhle unter möglichst geringem Blutverlust und suspen- dierte das Herz nach Engelmann’s Methode, um die Herzschläge auf- zuzeichnen. Durch zwei feine sehr nahe beieinanderliegende Platinelek- troden wurde der elektrische Reiz dem durch Aufhebung des Herzens blossgelegten Sinus zugeführt; durch zwei in den Hauptstrom der Spule eingeschaltete Desprez’schen Signale wurde der Moment und die Dauer des Reizes aufgezeichnet. Vermittels eines ebenfalls in den Hauptstrom eingeschalteten Metronoms wurde der Rhythmus der Reize bestimmt, während der Stromunterbrecher des Induktions- apparates stets geschlossen blieb. Ich habe den Versuch sowohl bei durchschnittenen wie bei intakten N. vagi wiederholt. Ich erhielt stets folgendes Resultat: Sobald die Stimulationen beginnen, richtet sich der Herzrhythmus vollständig nach dem Rhythmus der Reize, ohne Kompensationspausen, und diese Erscheinung kann selbst 90 Sekunden dauern, d.h.solange die Reize aufeinanderfolgen und das Herz sieh ingutem Zustande befindet. Sobaldaber die Reize aufhören, fängt das Herz, nach einer normalen Pause, welche auf die letzte provozierte Kontraktion folgt, wieder an mit seinem normalen Rhythmus zu schlagen. 14 * Carlo Foä 200 de SuopIugosyoan] "yosoag Aaptaıstıemy °G 'OLA REAL ISTILILFLITNMILINFERN INN ASTA MAMMA MAMA MN ASIAN NFINU aaa Mmbvovvvvvwvovvovboeboo nen NLA SOHN NUNEE NSLRFLST FLASH JAN Um “Se 99240[19Auf) ydsorg dapteismemy 'T "SA AI IILIMAINNMINNNLAIIN UNI N NIT: vn aaa Im IN AAN. aan "IdeA Suaprugasydang 'Y9SOAT Aofeuon 7 "DIA [I n- one rn LTUNIIUL IN a en re ALT TA a RE ATTAL LHLLTATT E I U TIIerser II zerae Tate serie UNNA An m nr en nmen nennen enennngn 3 1 a DE a an nn ATITEISTII TOCHTER TI Eee SB 09ZJ0]IBAUN) "UOSOAT dofemaon 'g "BT le 7, TAT: TTTE TFT T TATtT EN EST er TS er Eee 1 - 1-12 m © [gen] © ® [e? 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Im Froschherzen ist also der Sinus der einzige Regulator des Herzrhythmus, und der- selbe wirkt!in durchaus automatischer Weise. Die Resultate dieser Versuche sind durch die Kurven Fig. 1—4 dokumentiert. Versuche am Kaninchenherzen. Es ist durchaus nicht leicht, im Kaninchenherzen eine pulsierende künstliche Zirkulation hervorzurufen, so dass der Rhythmus sich in den Hohlvenen bemerkbar macht. H. Newell Martin!) hat das Herz zusammen mit den Lungen isoliert, die V. cava ascendens, die Karotis und die A. subelavia der rechten Seite unterbunden, an die A. subelavia der linken Seite ein Manometer angelegt und durch die V. cava descendens Blut in die rechte Herzvorkammer geleitet, so ‘dass dasselbe durch das rechte Herzventrikel die Lungen und die linke Herzvorkammern, zirkulierte und durch die linke Karotis heraustrat. Bei diesem Ver- fahren ist die Ernährung des Herzens sehr spärlich, weil das Blut, da es durch die Karotis frei heraustreten kann, nur in ganz geringer Menge in die Kranzarterien eindringt. Siewert?) hat zwei andere Methoden von künstlicher Zirkulation in isolierten Herzen angewendet. Die eine besteht darin, dass man das Blut durch die Aorta in die Kranzgefässe einleitet, von wo es in die rechte Herzvorkammer und dann in die rechte Herzkammer gelangt, von wo es durch die A. pulmonalis heraustritt. 1) H. Newell Martin, A new method of studying the mammalian heart. Biol. Lab. of the John Hopkin’s Univ. vol.2 p. 119. 1881. 2) Siewert, Über ein Verfahren der manometrischen Registrierung der Zusammenziehungen des isolierten Säugetierherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 364. 1904. Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. 203 Die zweite Methode besteht darin, dass man das Blut durch die V. pulmonales in den linken Vorhof eintreten lässt, von wo es in den linken Ventrikel eintritt, und wenn in der Aorta ein gewisser Druck erzeugt ist, kann das Blut in die Kranzarterien eindringen, in das rechte Atrium gelangen und von dem rechten Ventrikel durch die V. pulmonales austreten. Diese beiden Methoden bieten den Vorteil dar, dass bei denselben die Herzhöhlen gefüllt bleiben; keine von ihnen konnte aber zu meinem Zwecke dienen, weil das Blut, wenn es auf dem Wege der Kranzgefässe in das rechte Atrium ge- lanst, nicht durch die Hohlvenen fliesst. Da ich nicht, wie ich es bei den Froschherzen getan hatte, eine pulsierende Zirkulation anwenden konnte, welche die Mündung der Hohlvenen hätte stimulieren können, so habe ich versucht auch beim Kaninchenherzen eine elektrische Reizung jener Gegend an- zuwenden, von welcher die Stimulationen zur Herzzusammenziehung ausgehen. Ähnlich der von Engelmann beim Froschherzen in bezug auf den Sinus gemachten Beobachtung haben Cushny und Mathews!) und Hering?) beim Kaninchenherzen beobachtet, dass die Reizung der oberen Hohlvene eine Extrasystole hervorruft, welche von keiner Kompensationspause gefolgt ist, so dass der Zwischenraum zwischen dem Beginn der Extrasystole und demjenigen der nächstfolgenden spontanen Systole einem normalen Zwischenraum gleich ist. Ich habe diese Eigenschaft verwertet, um nicht nur eine einzige Extrasystole hervorzurufen, wie es die genannten Autoren getan hatten, sondern um eine ganze Reihe von Extrasystolen auszulösen, so dass durch die Änderung des Herzrhythmus eine Änderung des Rhythmus, mit welchem das Blut durch den Körper des Tieres zirkulierte, eintrat. Wenn die Hohlvenen den neuen rhythmischen Reiz empfunden und auf das Herz übertragen hätten, so hätte dieses, auch nach Aufhören der Reize, nach dem neuen Rhythmus weiter- pulsieren müssen. Nachdem ich das Tier mit Chloroform narkotisiert und die künstliche Atmung eingeleitet hatte, resezierte ich die Rippen und das Brustbein, öffnete das Perikard und richtete die Suspension des Herzens nach Engelmann ein, ebenso wie ich es bei dem Frosch- 1) Cushny and Mathews, Journ. of Physiol. vol. 21 fig. 15 p. 230. 1891. 2) Hering, Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 18. 1900. 2304 Carlo Foa: herzen getan hatte. Durch zwei Platinelektroden wurde der Reiz nach einem Punkte zwischen der Mündung der beiden. Hohlvenen in das rechte Atrium geleitet; im übrigen wurden die. Apparate in: der Weise angeordnet wie bei den Versuchen mit den Fröschen. Das Herz wurde durch die lauwarme Ringer’sche Flüssigkeit, welche ich: fortwährend auf dasselbe herabtropfen liess, feucht und: warm gehalten. Ich bereitete gleich zu Anfang die N. vaei und den Depressor vor, um sie im richtigen Augenblick durchschneiden zw können. | U Das Resultat dieser Versuche war folgendes: Das Herz reagierte auf jeden Reiz durch eine Systole; wenn aber die Nerven intakt waren, fing es, sobald die Reize aufhörten, wieder .an nach dem früheren Rhyth- mus zu pulsieren. (Fig. 5). Wenn hingegen nur die Vagi oder nur der Depressor durchschnitten waren, pulsierte das Herz, nach Aufhören der Reize, nach dem neuen, durch letztereerzeusten Rhythmusweiter: (Fig. 6). a: Im Kaninchenherzen ist also der Automatismus der V. cavae nicht, wie beim Frosch, absolut und von den durch das Blut zu- geführten mechanischen Reizen unabhängig. Wenn der Herzrhythmus von dem Rhythmus der Reize, welche von den Hohlvenen ausgehen, seinen Ursprung nimmt, so wird er doch auch durch die extra- ‚ kardialen Nerven des Herzens beeinflusst bzw. reeuliert, welche es verhindern, dass der störende Einfluss von Reizen, die man auf den Ausgangspunkt der Zusammenziehungen wirken lässt, fortbesteht. Diese Regulierung erfolgt auf reflektorischen Wege, wie aus der Tatsache hervorgeht, dass sie durch die Durchschneidung des Depressors ‚aufgehoben wird. Bekanntlich bewirkt die Reizung des peripheren Stumpfes des Depressors ein Sinken des Blutdruckes und eine Verlangsamung der. Herzbewegungen; wenn aber die N. vagi durchschnitten werden, besteht die erste Wirkung weiter, während die zweite aufhört. Die N. vagi stellen also die zentrifugale Bahn des den Herzrhythmus regelnden Reflexes dar, dessen zentripetale Bahn der Depressor ist. Hierdurch erklärt sich die Tatsache, dass in unserm Fall selbst die Durchschneidung der Vagi allein genügt, um den Regelungsmechanismus aufzuheben, nach dessen Beseitigung der Mündungspunkt der Hohlvenen nicht mehr imstande ist, sich EN ou uuoeyalnu -zı9yuoyauuey °9 ‘Dıy 'IdeA 92 aan) ‘zı9yuagouruey] '< "SLH AUG INK EEENE FIT za u EEE pa PER SER u) ET u ER u BER ER u RR u DEN ER u DER u EN N u RT op ER a RN ER a ORT RR EN ya a DR ER u DM Bu RB a ER BT BE er Smerererten 206 Carlo Foa: den mechanischen Reizen zu entziehen, welche ihm vom Blut zu- geführt werden, und infolgedessen, auf diese Reize reagierend, den eignen und somit den Rhythmus des Herzschlages ändert. Man weiss nicht sicher, ob beim Frosch der Depressor existiert; wenn er aber auch tatsächlich existierte und sein Wirkungsmechanis- mus derselbe wie bei den Säugetieren wäre, so müsste die Durch- schneidung der Vagi sein Regulierungsvermögen für den Rhythmus aufheben. Wir haben gesehen. dass selbst nach Durchschneidung der Vaei das Froschherz seine Unabhängiekeit von den durch das Blut dem Sinus zugeführten mechanischen Reizen zeigt, so dass wir schliessen müssen , dass der Automatismus des Sinus beim Frosch vielabsoluterund vondenReizen unabhängiger ist als der entsprechende Mündungspunkt der Hohl- venen beim Kaninchenherz. Es ist ferner hervorzuheben, dass bei meinen Versuchen kein regelnder Einfluss des von Kronecker entdeckten intrakardialen, den Herzbewegungen koordinierten nervösen Zentrums auf den Rhythmus nachgewiesen wurde. Ich habe mir deshalb eine andere Erklärung. des beim Kaninchen- herzen nach der Durchschneidung der Vagi beobachteten und oben beschriebenen Phänomens zurechtgelegt. ‘Es wäre nämlich möglich, dass die Ursache der dauernden Änderung des Herzrhythmus nicht in dem Rhythmus, nach. welchem das Blut gegen den Mündungspunkt der Hohlvenen stösst, sondern in demjenigen zu suchen wäre, mit welchem es unter der Wirkung der Reize in die Kranzarterien ein- tritt. Diese Hypothese eignete sich zu einer experimentellen Kon- trolle, darin bestehend, dass ein nach der Methode Langen- dorff’s isoliertes Kaninchenherz nicht mehr durch einen kontinuier- lichen Strom von Ringer’scher Flüssigkeit, wie es gewöhnlich geschieht, sondern durch einen pulsierenden Nährflüssigkeitsstrom ernährt wurde. Zu diesem Zweck habe ich entweder das Herz eines anderen Tieres oder die Brodie’sche Pumpe benutzt. Die erstere, von Heymans und Kochmann!) vorgeschlagene Methode besteht darin, dass man die Karotis eines Tieres mit der 1) Heymans et Kochmann, Une nouvelle methode de circulation artifi- cielle aA travers le ceur isol&E de mammifere. Arch. internat. de Pharmaco- dynamie et Therapie t. 13 p. 379. 1904. Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. 207 Aorta des isolierten Herzens verbindet und das Blut, welches durch das Herz gekreist ist, nachdem man es ungerinnbar gemacht hat, in die Jugularis leitet. Da es nicht bei jedem Versuch leicht gelingt, das isolierte Hundeherz wieder zum regelmässigen Pulsieren zu bringen, so zog ich vor, Kanincher- oder Katzenherzen anzuwenden. Ich konnte ANVVYVSDAHM WU Fig. 7. a Blutdruckkurve des Hundes. b Kurve des isolierten Kaninchenherzens. aber wegen der geringen Grösse dieser Tiere nicht Kaninchen oder Katzen benutzen, um aus ihnen das Blut zu gewinnen, welches durch das isolierte Herz zirkulieren sollte, weshalb ich kleine Hunde anwendete, deren durch Pepton ungerinnbar gemachtes Blut unter schwachem Druck zirkulierte und sich geeignet erwies, das Katzen- herz mehr als zwei Stunden zu ernähren. Mit dem Kaninchenherzen habe ich nur Versuche von kurzer Dauer gemacht. Carlo Foa: 208 Ich habe mich bemüht, indem ich das Herz in einem feuchten. und warmen Mittel hielt, den Versuch so lange dauern zu lassen ‘odumg ayds -9Ipoigg 'snumAyıa -299 2 01 211 eds LU UANTTTERSTTINTIRTTTNT Mur ‘sOJuawnedx] sop uurdag goeu ‚2, u] '8 Sy aM 6 11 JUL) = U Man N . ‘Zungnjqyoan.] uoyarysuny dopluumdog yoeu ‚GT 'zaoyquazyey 9 'sopung Sop HAAnyyonıpyuıg » ‘8 314 um den Rhythmus, mit welchem das Blut in die Kranz- $) wie möglich arterien eintrat, so lange wie möglich verändert zu halten. Bei den Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. 2309 beiden von Heymans und Kochmann veröffentlichten Kurven ist keine Synchronie zwischen dem Puls des Hundes und demjenigen des isolierten Herzens nachweisbar; es ist aber nicht angegeben, wie lange der Versuch gedauert hat. Ich konnte jedoch nachweisen, «lass nicht nur bei den Versuchen von kurzer Dauer (Fig. 7), sondern auch bei den über 2 Stunden fortgesetzten (Fig. S u. 9) das isolierte Herz den Rhythmus unverändert beibehielt, in welchem es seine Pulsationen begonnen hat, und welcher sehr verschieden von dem- jenigen ist, mit welchem das Blut in die Aorta eindringt. Auch bei den Versuchen mit der Brodie’schen Pumpe (Fig. 10) konnte ich beobachten, dass der Rhythmus des isolierten Herzens sich unabhängig von demjenigen der Pumpe erhält, welcher ver- mittels eines Marey’schen Trommelregistrierapparat aufgezeichnet wurde. Dieses Resultat konnte man voraussehen, wenn man bedenkt, dass das Herz, auch wenn die Zirkulation der Nährflüssigkeit durch die Kranzarterien aufgehoben ist, einige Zeit weiter pulsieren kann, was darauf zurückzuführen ist, dass die eigenen Reserven verbraucht werden. Man begreift somit, dass der Rhythmus, mit welchem das Blut in die Kranzarterien eintritt, wenn er nicht allzu langsam ist, nicht den Rhythmus der Herzschläge beeinflusst. Um also das mit dem Kaninchenherzen erhaltene Resultat zu erklären, müssen wir zu unserer früheren Deutung zurückgreifen. Schlussfolgerung. Der Rhythmus der in der Nähe der Mündung der Hohlvenen bei Säugetieren ausgelösten Impulse, welcher den Rhythmus der Herzschläge bedingt, wird durch die mechanischen Reize, welche der Blutstrom der Hohlvenen zuführt, beeinflusst, so dass der Herz- rhythmus dauernd verändert werden kann, wenn einmal die Änderung künstlich eingeleitet worden ist, unter der Bedingung aber, dass der Depressor oder die N, vagi durchschnitten sind. Dass normalerweise eine Änderung des Zirkulationsrhythmus nur vorübergehend ist, und der ursprüngliche sich bald wiederher- stellt, ist auf die Wirkung des Depressors zurückzuführen, welcher auf reflektorischem Wege vermittels der Vagi als Regulator des ‚Herzrhythmus fungiert. Bei dem Frosch ist hingegen der Automatismus des Sinus ein so ausgesprochener, dass der Rhythmus der Impulse, welehe 310 Carlo Foä: Über die Erhaltung der physiologischen Herzperioden. von demselben ausgehen, weder durch den Blutstrom beeinflusst noch durch die extrakardialen Nerven geregelt wird und, wenn er auch durch elektrische Reize gestört wird, nach Aufhören derselben sich wieder wie vorher gestaltet. Das von Engelmann auf Grund der auf die Extrasystolen folgenden Kompensationspause aufgestellte Gesetz der Erhaltung des Herzrhythmus wird durch diese Unabhängigkeit des Automatismus des Sinus beim Frosch bestätigt, während eine derartige Selbst- regelung des Herzens bei den Säugetieren nicht von den extra- kardialen Nerven unabhängig ist. (Mitteilung aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) Über die Fettresorption. Von Alexander v. Fekete., I. Über die Art der Fettresorption. Die Untersuchung der Fettresorption beschäftigte die Physiologen schon seit langem und in weitem Kreise. In der Literatur finden wir zwei verschiedene Ansichten, deren Vertreter die Frage mit den weitgehendsten Methoden zu entscheiden versuchten. Das Ergebnis. der lansdauernden Polemik war, dass die Pflüger’sche Schule !), welche behauptet, dass die Resorption des Fettes nur in gelöster Form vor sich geht, die Möglichkeit erwiesen hat, dass alles zur Resorption gelangende Fett im Darm in Lösung gebracht werden kann; dagegen behaupteten Munk?) und andere, dass die Resorption des Fettes auch in Emulsionform geschehen kann, sie konnten aber keinen positiven Beweis erbringen, welcher die Frage in dieser Richtung entschieden hätte. Aber auch die Pflüger’sche Schule konnte die Möglichkeit der Fettresorption in Emulsionform auf Grund eines unanfechtbaren Argumentes nicht verneinen. Im folgenden wurde auf mehreren, teilweise neuen Wegen, einiges zur Klärung der Frage beizutragen versucht. Der gemeinsame Grundgedanke meiner Untersuchungen war, dass ich die Auflösung des in Emulsionform in den Darm gebrachten Fettes auf irgendeine Weise zu vermeiden und gleichzeitig die dennoch vorsichgehende Fettresorption festzustellen suchte. Unter solchen Bedingungen konnte die eventuelle Resorption nur in Emulsionform geschehen. 1) Pflüger, Pflüger’s Arch. Bd. 80 S. 111. 1900; Bd. 81 S. 375. 1900; Bd. 86 S. 1. 1901; Bd. 88 S. 299. 1902; Bd. 88 5.431. 1902; Bd. 89 S. 211. 1902; Bd. 90 S. 1. 1902. 2) Munk, Zentralbl. f. Physiol. 1900 S. 121, 153. 409. — Munk, Virchow’s Arch. Bd. 80 S. 10. 1880; Bd. 95 S. 407. 1887; Bd. 122 S. 302. 1890. — Munk und Friedenthal, Zentralbl. f. Phys. Bd. 4 S. 29°. — Munk und Rosenstein, Virchow’s Arch. Bd. 123 S. 230, 484. 1890. 212 Alexander v. Fekete: IB In der ersten Serie habe ich an einem Hund in eine nach Thiry-Vella isolierte Dünndarmschlinge Lanolinemulsion von be- kannter Konzentration eingespritzt. Nach einigen Stunden wusch ich die Dünndarmschlinge aus und suchte die Änderung der ein- gespritzten Fettmenge festzustellen. Es wurden auch schon früher Untersuchungen !) mit ähnlicher Einriehtung angestellt, teilweise mit der Modifizierung, dass die Lanolinmenge in dem Kote?) be- stimmt wurde. Aber aus den Versuchsprotokollen ist nicht klar ersichtlich, ob festgestellt wurde, dass das eingegebene Lanolin wirklich in Emulsionform im Darme geblieben war — deswegen kann der Mangel der Aufsaugung nicht als ein Argument gegen die Resorption in Emulsionform aufgebracht werden. Die Untersuchungen wurden auf folgende Weise durchgeführt: Es wurde an einem Hunde von 22 kg eine Thiry-Vella’sche Darmfistel angelegt; die Länge des Darmstückes war ca. 40 cm, es war aus der Mitte des Jeiunum. Das Darmstück wurde vor dem Versuch mit lauwarmer 0,9°/oiger Kochsalzlösung durchgespült; dann wurde der Hund in einen Hängeapparat gebracht und die Öffnungen der Darmschlinge mit je einem aufgeblasenen Gummiballon verschlossen, Durch die Ballons führte ich ein Gummiröhrchen von Katheterdicke und -Härte, und mit Hilfe dessen spritzte ich 10 cem — auf Körpertemperatur gebrachte — Lanolinemulsion in die Darm- schlinge. Nach der Einspritzung wurden die Röhrchen mit einer Klemme verschlossen und unter die Öffnungen stellte ich ein kleines Gefäss, um den guten Verschluss zu kontrollieren. Der Hund wurde dann in möglichst bequeme Stellung gebracht, so dass das Tier während des zwei- bis dreistündigen Versuches ziemlich ruhig war. Nach Schiuss des Versuches wurde die Darmschlinge mit Hilfe einer Spritze mittelst Jauwarmer 0,9 ®/oiger Kochsalzlösung durehgewaschen und nach der Abnahme der Schlussvorriehtung noch einmal mit !/s Liter Kochsalzlösung ausgespült. Versuche, welche ich mit aus- geschnittenen Darmschlingen ausführte, zeigten, dass !/2 Liter Flüssig- keit 98°/u der auswaschbaren Fettmenge mit sich bringt. Der auf 1) Tappeiner, Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 223. 1904. — Jodlbauer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 239. 1904. ; 2) Constein, Pflüger’s Arch. 1399 S. 30. — Henriques u. Hansen, Zentralbl. f. Physiol. 1900 S. 313. t Über die ‚Fettresorption. 21 der Sehlussvorrichtung haftende Schleim wurde mit kleinen Watte- bäuschen abgewischt und in die Waschflüssigkeit gegeben. In der auf dem Wasserbade eingeengten Waschflüssigkeit habe ich nach Soxhlet das Fett bestimmt. Zur Einspritzung wählte ich Lanolinemulsion. Ich wollte dadurch der Fettspaltung vorgreifen. Lanolin spaltet sich nämlich durch Bakterien oder auf Enzymwirkung sehr schwer und wird auch nicht ranzig"). Die verwendete Emulsion zeigte auch nach sechsstündiger Pankreasverdäuung keine saure Reaktion. — Also wenn ich eine Verminderung der Lanolinemulsion gefunden hätte, müsste das so gedeutet werden, dass ein Teil des Fettes ohne Spaltung — in Emulsionform — aufgesaugt wurde. Die Emulsion bereitete ich so, dass ich in 100 eem heisses Wasser, unter fortwährendem Schütteln !/e & Tragacantha gab und zu dieser schleimigen Flüssigkeit 5 g geschmolzenes Lanolin schüttete. Nach fünf bis sechs minutenlangem Schütteln (warm!) erhielt ich eine gleichmässige Emulsion, die erst nach fünf- bis sechsstündigem Stehen eine bedeutendere Rahmbildung zeigte. Unter dem Mikroskope fand ich Fetttröpfehen von ver- schiedener Grösse, die zirka die Grösse der Milchkörperchen hatten. Den Fettgehalt der Emulsion stellte ich nach Soxhlet’schem Ver- fahren fest. Die einzelnen Versuche sind die folgenden: I. Ich wusch ein '/g m langes Hundedarmstück mittels Wasserstrahl einige Stunden lang, spritzte 25 ccm Milch hinein und wusch es, nach möglicher Ver- teilung, mit Wasser aus. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,65 g. Die Wasch- flüssigkeit brachte das Fett teilweise in Emulsion, teilweise Mucinfäden an- haftend, mit sich; nach 300 ccm war die Waschflüssigkeit ganz klar geflossen. Der erste halbe Liter enthielt 0,69 g, zweiter, 5 = 0,005 g, "drittes N, 5 nr 0,006 g Soxleth-Extrakt. Der erste halbe Liter brachte also 98°%o des auswaschbaren Fettes mit sich. I. In die Darmschlinge eines mit Thiry-Vella’scher Fistel operierten Hundes wurde 10 ccm Lanolinemulsion eingespritzt und gleich ausgewaschen. ‚Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,77 g, „ ausgewaschene 5 .„. TS Verlust 0 un a ne DEN ee III. Darmwaschung unmittelbar nach der Einspritzung. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,77 g, „ ausgewaschene 5 90,908, Verluste 2:0, 200 ein: 1) Benedikt-Ulzer, Analyse der Fette, 3. Aufl. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 15 214 Alexander v. Fekete: IV. Darmwaschung unmittelbar nach der Einspritzung. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,52 8, „ ausgewaschene " v..042, 9 Verluste. en na 00005 19070: V. Darmwaschung 2 Stunden nach der Einspritzung. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,55 g Acid. 1,6"/ıo ccm, „ ausgewaschene „ z.B ho Ben, Vermehrung! > 2.2 2 222.220:22.722.0,06 2 Acıasl SUrofeem— 10:90: VI. Darmwaschung 3 Stunden nach der Einspritzung. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,48 g Acid. 0,9"/ıo ccm, „ ausgewaschene „ »„ 0488 „ 1,4Wıo ccm, Vermehrung... ara 2000 0, an hrogceng VII. Darmwaschung 2! Stunden nach der Einspritzung. Die eingespritzte Fettmenge betrug 0,57 g, „ ausgewaschene » Blolge> Verlust 2. Ser 000 E20: VIII. Die leere Darmschlinge auswaschend, erhielt ich 0,02 g Ätherextrakt; 2 Stunden nach der Einspritzung von 0,9%oigem Kochsalz erhielt ich wieder 0,025 g Extrakt. Die Zahlen sind in der I. Tabelle zusammengestellt: Tabelle I. Eingespritzte | Ausgewaschene Änderung Aus- Nummer Fettmenge Fettmenge gewaschen M & g 0/9 nach Stunden II 0,77 0,57 — 0,20 26,3 0 III 0,77 0,50 — 0,27 34,2 0 IV 0,52 0,42 — 0,10 19,0 0 V 0,55 0,61 + 0,06 10,9 2 VI 0,48 0,48 0,00 — 3 vll 0,57 0,51 — 0,06 2 Ola Wie wir sehen, war die Auswaschung eine unvollkommene (II—IV), denn ich konnte unmittelbar nach der Einspritzung die Fettmenge nicht wieder erhalten. Trotzdem erhielt ich bei den nach einigen Stunden veranlassten Auswaschungen nicht nur die eingespritzte Fettmenge (VI-VI), sondern es zeigte sich sogar eine gewisse Zunahme (V) sowie eine stärkere Azidität des Darm- inhaltes. Der Kontrollversuch (VIII) zeigte, dass auch der leere Darm eine gewisse Menge Ätherextrakt enthält, nach dessen Aus- waschung — zwei Stunden später — wieder Ätherextrakt zu ge- winnen war. Die Wand des leeren Darmes produziert, wie gezeigt, Über die Fettresorption. Bild [7 in Äther lösliche Stoffe, und das geschieht in noch grösserem Maasse, wenn der Darm einen fettartigen Stoff enthält !). In meinen Versuchen machte die Produktion so viel aus, als für die Ausgleichung des Verlustes genügte. Was die Fettresorption betrifft, kann ich nur das sagen, dass die Darmwand die eventuelle Resorption der Lanolinemulsion durch ihre Produktion unbemerkbar machte. Ich musste also zu neuen Methoden greifen. 1. In der zweiten Serie benützte ich den Fettgehalt des Chylus zur Feststellung der Fettresorption. Dazu musste ich erst feststellen, wie gross der Fettgehalt des Chylus bei nüchternen Hunden ist. Die Tiere hungerten 36 Stunden, dann suchte ich in Morphium- Äthernarkose den Ductus thoracieus auf. Durch eine eingebundene Kanüle wurde der ausfliessende Chylus zur Verhütung der Gerinnung in 10 cem 3,5 Y/oiger Natr.-Citr.-Lösung aufgefangen. Die Menge der erhaltenen Lymphe wurde abgewogen, dann engte ich dieselbe am Wasserbade ein. Aus der abgewogenen lufttrockenen Substanz unternahm ich Trockensubstanz- und Fettbestimmungen. Zur Trocken- substanzbestimmung wurde die feingeriebene, lufttrockene Substanz in Vacuum bei 55—60 ° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Die Fettbestimmung habe ich nach der Liebermann’schen Methode?) durchgeführt mit der Modifizierung, dass ich in den Fällen, wo ich Lanolin zu verseifen versuchte — sowie auch in den Kontroll- versuchen — das Kochen in Lauge eine Stunde lang, das in Alkohol eine halbe Stunde lang fortsetzte. Die unter dem Titel „Fettsäure“ mitgeteilten Ziffern geben direkt das Gewicht des Petrolätherextrakts an, welches ich aus dem Gewichte der nach der Titrierung erhaltenen und getrockneten Seife, nach der Abziehung der verbrauchten KOH erhielt. — Die Seife wurde auch in Vacuum bei 599—60 °C. getrocknet. Bei der Aufsuchung des Duet. thor. fand ich öfters, dass der Brustgang vor der Einmündung in den Angulus venosus sich teilte; ein anderesmal zeigte sich eine Anastomose mit den Halsstämmen. In diesen Fällen wurde der eine Ast oder die Anastomose unterbunden. Die Versuche sind die folgenden: 1) Jodlbauer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 8. 239. 1904. 2) Liebermann, Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 360. 15 * 216 Alexander v. Fekete: IX. Hund 16 kg schwer, 24 Stunden lang nüchtern. Die Lymphe war durch 21/e Stunden aufgefangen in 10 ccm Citratlösung. Die Menge des Chylus war 46,43 8, Trockensubstanzgehalt „ 2,600 g. Fettsäure aus der genannten Trockensubstanz bestimmt 0,146 5 zur Neutra- lisierung dessen waren 4,4"/1o ccm KOH ve: braucht. X. Hund 20 kg schwer, 24 Stunden lang nüchtern. Die Lymphe floss eine halbe Stunde hindurch. Die in 10 ccm Citratlösung aufgefangene Menge betrug 9,76 g. Dazu wurde die Lymphe des folgenden Hundes gegeben: Hund von 15 kg, 24 Stunden lang nüchtern. Die Lymphe war durch 3 Stunden hindurch in 10 cem Citratlösung aufgefangen worden. Die Menge der Lymphe betrug 56,03 g. Die gesamte Menge der Lymphe betrug also 65,79 g. Der Trocken- substanzgehalt betrug 6,032 g. Darin enthalten 20 ccm Citratlösung. Der Wasser- gehalt der Lufttrockensubstanz 13,410. Fettsäure aus 5,65 g Trockensubstanz: 0,370 g, 10,0»/1o cem. XI. Nüchterner Hund. Die Lymphe floss eine Stunde hindurch. Die in 10 cem Citratlösung aufgefangene Menge betrug 24,24 g. Dazu wurde die Lymphe eines 13 kg schweren Hundes gegeben, dessen Lymphe durch 5 Stunden hin- durchfloss und in 30 ccm Citratlösung aufgefangen wurde. Die Menge des Chylus betrug 159,34 g. Die Gesamtmenge der Lymphe betrug also 183,58 g. Das Ge- wicht der Lufttrockensubstanz betrug 13,272 g. Der Wassergehalt 9.13%. Fett- säure aus 5,63 g Lufttrockensubstanz bestimmt 0,175 g, 95 ®ıo ccm. Der andere zur Bestimmung der Trockensubstanz und der Fettsäure dienende Teil ging verloren. XII. Die Lymphe eines nüchternen Hundes floss durch 5 Stunden hindurch; eine Menge von 109,23 g wurde in 20 ccm Citratlösung aufgefangen. Das Ge- wicht der Lufttrockensubstanz 7,499 g, Wassergehalt 3,45% und 8,510. Fettsäure in 2,367 g Lufttrockensubstanz 0,157 g 5,7 "/ıo ccm, 500 ; es, Diese Werte auf 100 g Lufttrockensubstanz umgerechnet: 100 g Lufttrockensubstanz 6,653 g, 24,3 "/ccm bezüglich 5 9,971 „, 25,6 5 Durchschnittswert H 6,1122, 24 ua Die übrigen Berechnungen fanden alle auf Grundlage des Durchschnitts- wertes statt. XII. Zwei nüchterne Hunde. Die Lymphe wurde in 10 ccm Citratlösung aufgefangen. Die Menge der Lymphe betrug 61,67 g. Lufttrockensubstanz u 4,578 „ Wassergehalt 2 4,220. Fettsäuregehalt in einem Trockengehalt von 4,151 g 0,231 g, 9,3 W/ıo ccm. XIV. 18 kg schwerer Hund. Die Lymphe wurde durch 1 Stunde hindurch aufgefangen und zwar 77,25 g in einer 10 ccm Citratlösung. Die Menge des Chylus betrug 77,25 8 Lufttrockensubstanz ° 3,170 „ Wassergehalt * 11,33 %o. Über die Fettresorption. al Fettsäurebestimmung aus 2,474 g Lufttrockensubstanz 0,133 g 3,5 %/10 cem Fettsäure. 3 Msn 3 MINOR 320, Auf 100 g Lufttrockensubstanz umgerechnet 5,364 g 15,36 "/1o cem Ale, 3000, , Mittelwert r 4,820 g 14,52 "/ıo ccm. Am Ende des Versuches erwies sich d.e Lymphe schwach rötlich gefärbt. Die weitere Fortsetzung dieses Versuchs unter XXVI. XV. Nüchterner Hund. Nach Aufsuchung einer Dünndarmschlinge wurde der Ductus thoracicus präpariert, die Lymphe in 20 cem Citratlösung aufgefangen. Die Lymphe war opalartig, farblos. Die Menge des Chylus betrug 18,73 g Lufttrockensubstanz n 1,872 Wassergehalt a 13,799). Fettsäurebestimmung aus 1,615 g Lufttrockensubstanz 0,126 g = 3,75 »/ıo ccm. Die Fortsetzung des Versuches unter Nr. XXVII. Tabelle I. Zusammenstellung des Chylus hungernder Hunde. 100 g Chylus 100 g Trocken- 2 Chylus- | Trocken- Fettsäure |Trockn- | ; substanz = menge | substanz substanz Fettsäure Pettsänregehalt = g g Sg |Wıocm| 8 gs Hıocnm| 8 n/ccm IX 46,43 2,60 0,14 44 | 5,60 | 0,33 9,5 Sl 1 | x 69,79 9,99 0,45 | 12,2 | 811 | 0,68 | 18,6 845 | 22,4 XI | 183,58 10,79 0,33 | 182 | 5,87 | 0,18 9,7 311 | 16,8 XII | 109,23 6,15 0,46 | 18,7 | 5,638 | 0,42 | 17,1 7,45 ı 30,4 XII 61,67 3,99 0,25 | 10,0 | 6,38 , 0,40 | 16,3 9,92 | 25,5 XIV 71,25 4,23 025 | 7,5 | 5,48 | 0,32 I 5,88 | 17,7 XV 18,73 0,87 0,15 42 | 4,67 | 0,76 | 22,6 | 16,26 | 48,4 Mittelwert | — | 0,39 13,6 5,97 | 21,4 Die II. Tabelle zeigt den Fettgehalt des Chylus bei hungernden Hunden. Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass der Fettgehalt der Lymphe bei nüchternen Hunden ziemlich verschieden ist. Die extremen Werte waren . . 0,18—0,76 g bw... 95 22,6 Wıo.cem Rettsäure in 100 eem Lymphe. In 100 & Trockensubstanz zeigten sich 3,11— 16,26 & respektive 5 „16,9 —48,4%/ı0 eem Fettsäure. 218 Alexander v. Fekete: Bei der Berechnung des Mittelwertes habe ich den XV. Versuch ausser acht gelassen, wegen der grossen Abweichung von den anderen Werten; es ist möglich, dass der Darm zur Zeit des Versuches noch Fett enthielt und die hohen Fettwerte eben daher stammen. Als Mittelwert fand ich den Fettsäuregehalt in 100 ee Lymphe 0,308 g resp. 13,6"/ıo cem 10022 Trockensubstanzsora7 aA “ Nachher habe ich den Fettgehalt des Chylus bei solchen Hunden bestimmt, die vorher unter solchen Bedingungen Fett erhielten, welche die Fettresorption in gelöster Form ausschliessen. Die eventuelle Zunahme des Fettgehaltes im Chylus wäre also in diesen Fällen der Resorption des Fettes in Emulsionform zuzuschreiben. Nach 36stündigem Hungern wurde den Hunden 500 eem Lanolin- emulsion verabreicht (5 ° Lanolin, !/e %/o Tragacantha) 4—6 Stunden nach der Fütterung suchte ich den Brustgang auf und der erhaltene Chylus wurde auf oben beschriebene Weise bearbeitet. Die Hunde nahmen die Emulsion mit einigen Semmelstückchen ganz gerne zu sich. Die Versuche sind die folgenden: XVI. 17 kg schwerer Hund, der vorher 1 Tag gehungert hat. Vormittag um 8 Uhr erhielt er 500 ccm Lanolinemulsion. Der Chylus wurde von 1 bis 5 Uhr nachmittags in 10 cem Citratlösung aufgefangen. Die Menge des Chylus betrug 82,33 8 Trockensubstanzgehalt 4,593 „ Fettbestimmung aus 4,47 g Trockensubstanz, welche enthielt 0,324 g bzw. 9,2 n/io cem Fettsäure. XVII. 17 kg schwerer Hund erhielt um 3 Uhr früh 500 cem Lanolin- emulsion. Aufsuchung des Ductus thoracicus nachmittags um 1 Uhr. Von 1 Uhr 45 Min. bis 3 Uhr 15 Min wurden 68,34 g Chylus aufgefangen (D; ” 3 ” 15 ” ” 5 ” 45 ” ” 37,88 2 ” ” (I. Lymphe I ergab: 2,039 g Trockensubstanz, es war darin 0,142 g 7,6"/1o ccm Fettsäure. Lymphe II ergab in 1,506 g Trockensubstanz 0,149 g 3,8 "Wıo ccm Fettsäure. Die Berechnung der übrigen Werte geschah aus den Durchschnitts- werten. XVIN. Ein 14 kg schwerer Hund bekam morgens um 1/28 Uhr 500 ccm 10°o iger Lanolinemulsion. Der Chylus wurde nachmittags von 1 bis 5 Uhr in 20 ccm Citratlösung aufgefangen. Die Farbe desselben war ein wenig rötlich, nach längerem Stehenlassen zeigte sich minimal rötlicher Niederschlag, beim Einengen auf dem Wasserbade ward es grünlich, sulzartig, die Trockensubstanz war bräunlich gefärbt. Er gab keine Gallfarbenreaktion. Die Menge des Chylus betrug 140,23 g Lufttrockensubstanz 5 9,215 „ Wassergehalt h; 6,94, 6,58 9/0. Über die Fettresorption. 219 Fettsäure in 4,253 g Lufttrockensubstanz 0,383 g 14,0 "/ıo cem E 30a n W297. 1125, Auf 100 g Lufttrockensubstanz umgerechnet: 9,00 g resp. 32,9 "/ıo ccm HN, m ae 9,50 g resp. 30,6 "%/ıo ccm im Durchschnittswert. Die übrigen Berechnungen geschahen auf Basis der Durchschnittswerte. XIX, Ein 18 kg schwerer Hund erhielt morgens um 7 Uhr 500 cem 5 '/oige Lanolinemulsion. Der Chylus wurde von 1 Uhr 15 Min. bis 3 Uhr 15 Min, in 10 ccm Citratlösung aufgefangen. Die Menge des Chylus betrug 61,54 g Lufttrockensubstanz 5 6,347 „ Fettsäurebestimmung aus 5,359 g Lufttrockensubstanz = 5,5 Wıo ccm. Wassergehalt der Lufttrockensubstanz 16,41 %o. ” Die Resultate sind in der III. Tabelle zusammengestellt. Tabelle II. Nach Lanolinemulsionfütterung gesammelte Lymphe. 100 g Chylus 100 g Trocken- Chylus- | Trocken- 2 bst Me ylus rocken Fettsäure [Trocken ER substanz menge | substanz substanz | n Fettsäuregehalt g g g |Wıocm]) 8 | g |rhocem| 8 n/cem XVI 82,39 4,53 0,23 | 9,3 | 543 | 0,40 | 11,3 1,26 | 20,6 XVII | 106,22 3,94 0.29 | 11,4 | 334 | 0,27 |-10,9 8,22 | 32,16 xVm 140,23 7,89 0,87 | 28,2 3,63 | 0,62 | 20,1 | 11,09 | 35,7 XIX | 61,54 4,95 2 oe ee se Mittelwert | — | 0,42 | 132 | 8,86 | 95,4 Von den Ziffern dieser Tabellen halte ich diejenigen für die bedeutungsvollsten, die das Meneeverhältnis der Fettsäure zu dem der Trockensubstanz zeigen. Ich berechnete den Fettsäuregehalt nicht nur auf 100 cem der Flüssigkeit, sondern auch auf 100 & Troekensubstanz. Ich habe das für nötig befunden, denn ich konnte eine eventuelle Veränderung des Wassergehaltes der Lymphe nicht ausschliessen, und so kann eine Veränderung in dem in Prozenten aus- Sedrückten Fettsäuregehalt nicht ohne weiteres für das Stattfinden einer Fettresorption verwertet werden. Wenn die Wasserresorption verhältnismässig grösser ist als die Fettresorption, kann der Prozent- gehalt der Fettsäure trotz der bestehenden Fettresorption ein kleinerer werden. Darum musste ich den Trockensubstanzgehalt feststellen. Wenn wir keinen Grund haben, eine Resorption von Trockensubstanz 990 Alexander v. Fekete: aufzunehmen — und in der verwendeten Emulsion war ausser einer unbeträchtlichen Tragaeanthanmenge keine andere Trockensubstanz —, kann eine Änderung im Verhältnis der Fettsäuremenge zur Trocken- substanz nur der Änderung der Fettwerte zugeschrieben werden. So dachte ich einen verlässlichen Beweis für die Feststellung der Fettresorption zu gewinnen. 4—6 Stunden später nach Verabreichung der Lanolinemulsion zeigte die aufgefangene Lymphe einen Fettsäuregehalt, der auf 100 cem berechnet, zwischen 0,27—0,62 g respektive 10,9—20,1 "/ıo ccm variierte. 100 g Trocken- substanz enthielt . 7,26—11,09 g respektive 13,1 —35,7 Y/ıo cem Fettsäure. Die berechneten Mittelwerte sind: in 100 eceem Lymphe 0,42 g respektive 13,2 "/ıo cem, „ 100 & Trockensubstanz 8,56 „ 5 25,4 eem Fettsäure. Diese wichtigsten Daten der obigen Tabellen vergleichend, finden wir, dass der Fettsäuregehalt des Chylus nach Fütterung mit Lanolin- emulsion in den Grenzen der individuellen Schwankungen derselbe ist, wie bei nüchternen Hunden. Der auf Trockensubstanz berechnete Fettsäuregehalt ist bei den mit Lanolin gefütterten Hunden nur sehr wenig erhöht. Vielleicht kann das so erklärt werden, dass die ein- gespritzte Lanolinemulsion, wie das auch aus der I. Serie zu sehen ist, eine Darmsekretion erregt'!); das so entstandene fettartige Sekret kann aufgesaugt werden und zur Erhöhung des Fettsäuregehaltes der Lymphe beitragen. Diese geringe Erhöhung im Fettsäuregehalt des Chylus kann im Sinne der Fettresorption um so weniger verwertet werden, wenn wir jene hohen Werte in Betracht ziehen, welche uns die IV. Tabelle zeigt. In dieser Serie habe ich die Hunde statt Lanolinemulsion mit Ölemulsion gefüttert. Die Fettresorption äussert sich in der beträchtlichen Erhöhung der Fettsäurewerte. Die angestellten Versuche sind die folgenden: XX, Ein 27 kg schwerer Hund, der einen Tag vorher nüchtern war, er- hielt morgens um 7 Uhr 500 g einer 10%oigen Tafelöl-Tragacantha (1 °/o)-Emul- sion. Die Lymphe wurde von vormittags bis um 1 Uhr nachmittags aufgefangen. Dieselbe war milchartig. 1) Jodlbauer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 239. 1904. Über die Fettresorption. Da Menge des Chylus betrug 39,93 g. Lufttrockensubstanz „ 4,202 „ Wassergehalt a 17,28 %0. Fettsäurebestimmung aus 3,61 g Lufttrockensubstanz: —= 0,613g, 16,2"/1o ccm. XXI. Ein 12 kg schwerer Hund bekam um 10 Uhr abends 850 g einer 10%/oigen Oleum olivarum-Emulsion. Auffangen der Lymphe am nächsten Morgen von 1s10—!/ı1l Uhr. Dieselbe war milchweiss. Die Menge des Chylus betrug 43,23 8. Lufttrockensubstanz 4 3,920 „ en % Fettbestimmung aus 1,71 g Lufttrockensubstanz 0,42 g 14,5 W/ıo ccm Fettsäure. ” „ 1908 „ ” 0,379 „ 12,8u/10 „ ” Davon: Fettsäuregehalt aus 100 g Lufttrockensubstanz 24,53 . „ 84,7 n/cem, „ ” „ 100, „ » 25,15 g 84,9 n/cem, Durehschnittswert . . . . 2000. 24,86 g 84,8 n/cem. XXI. Ein 18 kg schwerer Handı. erhielt nach 36 san Fasten 750 g einer 10°oigen Oleum olivarum-Emulsion morgens um 10 Uhr. Die Lymphe wurde in 10 cem Citratlösung von nachmittags 3 Uhr aufgefangen. Die Lymphe war milchweiss. Die Menge des Chylus betrug 43,40 9. Lufttrockensubstanz „ 4,002 „ Wassergehalt e 3,83 !%o. Fettsäurebestimmung aus 1,963 g Lufttrockensubstanz, 0,391 g, 14,0 n/ıo cem. XXIII. 14 kg schwerer Hund erhielt morgens um 7 Uhr 750 g einer 10%/oigen Oleum olivarum-Emulsion. Lymphe milchweiss. Die Lymphe wurde in 10 ccm Citratlösung von 12 Uhr aufgefangen. Die Menge des Chylus betrug 48,15 g. Lufttrockensubstanz x 4,528 „ Wassergehalt 5 3,65 °/o. Fettsäurebestimmung aus 3,93 g Lufttrockensubstanz: = 1,301 g, 66,00 "/ıo ccm. Tabelle IV. Der Fettsäuregehalt der Lymphe nach Ölemulsion. 100 g Lymphe 100 g Trocken- Chylus- | Trocken- S substanz Nummer ; Fettsäure |Trackn- Fettsäure menge | substanz substanz Fettsäuregehalt g g s |Wıocm| 8 8 "ıocm| g | W/cem BR ages.| 312. | 071 | 1 Ba 5 | 3 2 Bau 13% | 350 1.0.8012 xx | 415 | 40 76,0 88 | 783 | 178 | azı | 22,82 | 601 Ja eo | = | 82 | 8,06 | 1,83 | 65,0 | 22,79 | 80,6 8,33 | 3,11 [157,8 | 87,44 | 189,9 Mittelwert | Rx | 22 847 | 27,68 | 1102 1) Mehr als 24,86 g. 2) Mehr als 84,8 n/ccm. 2933 Alexander v. Fekete: Wenn wir dies in Betracht ziehen, können wir feststellen, dass bei den mit Lanolinemulsion angestellten Versuchen kein Lanolin resorbiert wurde. III. In der dritten Serie wollte ich die Verwendung von Lanolin vermeiden, teilweise um die gefundenen Tatsachen mittelst einer anderen Fettart zu kontrollieren, teilweise um eine solche Fettart zu benützen, welche in irgendeiner Form gewiss resorbiert wird. Nach- dem nur die Weise der Resorption in Frage stand, dachte ich mein Ziel zu erreichen, indem ich die Resorption in gelöster Form aus- schloss. Die trotzdem eventuell bestehende Fettresorption konnte nur in Emulsionform geschehen. Dazu bereitete ich mittelst Tra- gacantha eine Ölemulsion, von der ich in der vierten Serie fest- stellte, dass sie sehr gut resorbiert wird. Die in gelöster Form vorgehende Resorption dachte ich so unmöglich zu machen, dass ich eine mit der Fettsäure äquivalente Menge von OaC], in der Emulsion auflöste.e Dadurch konnte ich die aus der Spaltung des Öles entstehende Fettsäure als unlösliche Kalkseife binden. Die Resorption von ungelöster Kalkseife können wir für ausgeschlossen halten!). Bei der Spaltung freiwerdende und möglicherweise nicht gebundene Fettsäure kann in Galle (Pflüger) gelöst und so resor- biert werden, — darum habe ich dem Zufliessen von Galle vor- gebeugt. Ebenso habe ich zur Verminderung der Spaltung auch die Pankreasverdauung ausgeschlossen. Das Stattfinden der Resorption habe ich wieder am Fettsäuregehalt der Lymphe beobachtet, welche Werte ich auf diejenigen der II. Tabelle beziehen musste. Der Gang der Versuche war der nachstehende. Nach 30 bis 40stündigem Hungern habe ich den Hunden den Bauch geöffnet, das Duodenum aufgesucht und unter der Einmündungsstelle des Duet. choledochus und pancreatieus ein kurzes Glasrohr in den Darm eingebunden. Durch dieses habe ich "/a—!/s stundenweise je 50—100 eem der auf Körpertemperatur gebrachten 5% igen ÖI- emulsion eingespritzt. Ich suchte nachdem an der Halsgegend den Brustgang auf, fing die Lymphe auf und stellte die Trockensubstanz und den Fettsäuregehalt fest. Bei einigen früher angestellten Ver- suchen lernte ich, dass das Fett in wenigen Minuten aus dem Darme 1) Knauer, Pflüger’s Arch. Bd. 104 8.89. 1904. — Pflüger, Pflüger ’s Arch. Bd. 89 S. 211. 1902. Über die Fettresorption. 2233 in den Brustgang gelangt. Nach einigen Versuchen habe ich jene Veränderung angestellt, dass ich zuerst den Ductus auspräparierte, und nur nachdem ich genug Lymphe im nüchternen Zustand erhielt, spritzte ich die Ölemulsion in den Darm. Die so erhaltenen Er- gebnisse schliessen einen aus individueller Schwankung vorkommenden Fehler aus. Bei den Versuchen XXVI und XXVII habe ich das Öl vor dem Emulgieren mit Alkanna rot gefärbt, die Emulsion war auch rot. Den roten Farbstoff habe ich dann im Chylus gesucht. Nach Hofbauer!) spricht der rote Farbstoff im Chylus zugunsten einer in ungelöster Emulsionform vorgehenden Fettresorption. Nur einer eventuellen Caleiumwirkung auf die Elemente der Darmwand vorzubeugen, habe ich bei dem XXVI. Versuch 1°/o MgSO, der Emulsion beigegeben. Am Ende der Versuche habe ich den Darminhalt untersucht, ob das Fett in Emulsion geblieben und ob genug freies Caleium zugegen sei. Weiter suchte ich nach Soxleth-Extraktion im Rückstand, ob nicht lösliche Seife gebildet wurde. Das Fett war in allen Fällen grösstenteils noch in Emulsion, auch freies Calcium war genug vor- handen, lösliche Seife wurde in keinem Fall gefunden. Der Soxleth-Rückstand des Darminhaltes in den Versuchen XXVI und XXVII, wo ich das Öl mit Alkanna färbte, zeigten eine bläu- liche Farbe, es enthielt auch blaue Farbstoffstückehen, die in Wasser unlöslich waren. Dieser Versuch bildet also einen Beweis, für das von Pflüger?) gegen Hofbauer aufgebrachte Argument, dass nämlich der rote Farbstoff in blauen übergeht, welcher sich in Galle löst. Die Farbe des Chylus war im Versuch XXVI rötlich, aber diese Färbung war schon vor der Finspritzung zu bemerken (siehe Versuch XIV), so dass sie nicht dem Alkanna zugeschrieben werden kann. Überhaupt fand ich auch bei einigen ohne Alkannazusatz aus- geführten Versuchen, dass die Lymnphe eine rötliche Farbe anıuahm. Der aus der Trockensubstanz des Chylus stammende — sowie auch der bei dem Liebermann’schen Verfahren erhaltene — Petroläther- extrakt war fabrlos.. Das spricht gegen das Alkanna. _ Der Grund der Färbung ist vielleicht in der Blutung zu suchen, welche durch das Operieren im Bauche entstand bzw. in der Resorption des Blut- 1) Hofbauer, Pflüger’s Arch. Bd. S1 S. 263. 1900; Bd. 84 S. 619. 1901. — Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 47 S. 473. 1902. 2) Pflüger, Pflüger’s Arch. Bd. 81 S. 375. 1900. 222 | Alexander v. Fekete: farbstoffes. Bei dem Versuch XXVII, wo die Aufsuchung des Darmes schon früher geschah, zeigte die Farbe des Chylus nach der Ein- spritzung der roten Emulsion keine Veränderung. Die einzelnen Versuche sind die nachstehenden: XXIV. Einen 22 kg schweren Hund liess ich 24 Stunden lang hungern. Dann suchte ich den Ductus thoracicus auf und spritzte in den herauspräparierten Dünndarm insgesamt 200 cem Milch, in welche ich 4°o kristallisiertes CaClz gegeben hatte. Die Lymphe war während des ganzen Versuches leicht opales- zierend und wurde in 10 ccm Citratlösung aufgefangen. Die Menge des Chylus betrug 3841 g. Lufttrockensubstanz 5 2,3012, . Wassergehalt a 9,27 %o. Fettsäurebestimmung aus 2,499 g. Lufttrockensubstanz 0,232 g, 6,5 "/ıo cem. Das Darmstück hatte zum unteren Teile des Jejunum gehört. XXV. Ein 24 kg schwerer Hund. Nach dem Hungernlassen spritzte ich in das herauspräparierte Duodenum 400 ccm 5°/oiger Öl-Emulsion, welche 2% kristallisiertes CaCl, enthielt. Die Lymphe wurde in 10 ccm Citratlösung auf- gefangen, und das Auffangen begann eine Stunde nach der Emulsioneinspritzung. Die Lymphe opaleszierte schwach. Die Menge des Chylus betrug 47,48 9. Lufttrockensubstanz 2 3,463 „ Wassergehalt 3 8,02 %o Fettsäurebestimmung aus 3,120 g Lufttrockensubstanz: 0,25 g, 6,33 W/ıo cem Fettsäure. XXVI. Die Fortsetzung von Versuch XIV. Nachmittags um 1 Uhr spritzte ich in den herauspräparierten Duodenum mit Alkanna rot gefärbte 5°/oige Öl-Emulsion, welche 2°o kristallisiertes CaCl, enthielt. Die Lymphe war rötlich, wurde in 20 ccm Citratlösung aufgefangen. Im Laufe von 1'/s Stunden erhielt ich 82,88 g. Das Gewicht der Lufttrockensubstanz betrug 5,800 g. Wassergehalt war 8,140. Fettsäurebestimmung aus 2,361 g. Lufttrockensubstanz 0,080 g, 3,0 "W/ıo ccm Fettsäure; in 2,973 g Lufttrockensubstanz war 0,115 g 3,66 "/ıe cem Fettsäure. Auf 100 g Lufttrockensnbstanz berechnet 3,401 g 12,7 "/cem. Respektive"‘.. 2... 020 2 oa es. 2,8080, 2 Mittel U. ne ee 2, boAc BD Pas ettsaune® XXVII. Die Fortsetzung von Versuch XV. Ich spritzte in die Dünndarm- schlinge 2% CaCl; und 1°%o MgSO, enthaltende, mit Alkanna rot gefärbte Öl- Emulsion. Die Lymphe war opaleszierend, farblos. Die Menge des Chylus betrug 66,91 g. Lufttrockensubstanz ” 4,142 „ Wassergehalt 5 10,64 %o. In 3,432 g Lufttrockensubstanz war 0,343 g, 8,3 "/ıo cem Fettsäure. Tabelle V enthält die gewonnenen Werte. Über die Fettresorption. 225 Tabelle V. Zusammensetzung des Chylus nach Ca-Fettemulsion. 100 g Chylus Fettsäure in Chylus- | Trocken- | Fettsäure | rocken- n 100 g Trocken- Nummer) menge | substanz ke u substanz g g gs /|Wıoon| 8 gs |Wiocem| 8 n/cem -XXIV | 3841 2,282 0,269 | 7,5 | 5,94 | 0,20 | 19,6 I 11,81 | 33,1 XXV | 47,48 2,765 10,278 | 7,0 | 5,82 | 0,59 | 14,8 | 10,85 | 25,4 XXVl 82,88 4,628 10211| 72 1 558 | 0,25 | 87 4,55 | 15,7 XXVl 66,91 3,351 | 0,414 | 10,0 | 5,00 | 0,62 | 14,9 | 12,36 | 29,8 Mittelwert | — . 0,54 | 14,5 9,79 | 26,00 100 & Chylus von mit CaC],-haltiger Ölemulsion gefütterter Hunde enthielten also 4—6 Stunden nach der Fütterung 0,25—0,70 g — 87 — 19,0%/ıo eem Fettsäure. Der Fettsäuregehalt von 100 g Trockensubstanz variierte zwischen 4,5— 12,36 g, bzw. 15,7 — 33,1”/eem Fettsäure als Mittelwerte. Aus 100 & Chylus erhalten wir 0,540 g resp. 14,5 "/ıo cem, aus 100 & Trockensubstanzgehalt erhalten wir 9,79 g resp. 26,0 "/cem Fettsäure. Diese Fettsäurewerte zeigen im Vergleich mit den Werten von hungernden Hunden eine kleine Erhöhung. Fast unverändert können wir aber die bei der Titrierung erhaltenen Daten nennen. Weniger ausdrücklich ist die Erhöhung der Fettsäurewerte in jenen Fällen (XXVI und XXVIl), wo ich den Chylus desselben Hundes vor und nach der Einspritzung verglich. In diesen Fällen fand ich sogar eine Verminderung der Fettsäuremenge, was vielleicht dadurch er- klärt werden kann, dass die von der Darmwand sezernierte fettartige Substanz durch das Ca in eine unlösliche Form überbracht wurden, und so der Resorption entgingen. Bei den fortgesetzten Versuchen Nr. XIV und XXVI sind die Fettsäurewerte | in 100 cem Lymphe von 0,322 8 auf 0,254 97 ı/ıo ceem auf 8,75 "/ıo ecm, in 100 g Trockensubstanz von 9,88 8 auf 4,55 17,7 »/cem auf 15,7 »/ecm gesunken. In den ähnlich angestellten Versuchen XV und XXVI sind die entsprechenden Werte. 226 Alexander v. Fekete: in 100 eem Lymphe von 0,76 22,6 auf 0,62 g n/jo cem auf 14,9 in 100 ecem Trockensubstanz von 16,26 g 40,4 auf 12,36 g n/eem auf 29,8 "/cem gesunken. n/j0 cem gesunken, Im ganzen können wir sagen, dass die Änderungen (Abweichung von der zweiten Serie) unbedeutend sind und die Grenzen der individuellen Schwankungen und Versuchsfehler nicht überschreitet. Zur leichteren Übersicht habe ich die Resultate in folgenden Tabellen zusammengestellt: Fettsäure in 100 g Chylus von Hunden. Tabelle VI. Nach Verabreichung von Nüchterne Hunde Lanolinemulsion | Caleium-Ölemulsion Ölemulsion g n/10 ccm g n/10 ccm g 2/10 ccm g n/10 ccm 0,31 9,5 0,40 1a 0,70 19,6 1,78 47,1 0,68 13,6 0,27 10,9 0,59 14,8 2,02 69,0 0,18 9,7 0,62 20,1 0,25 8,7 1,84 65,0 0,42 kl — 10,6 0,62 14,9 Sa 157,8 0,40 16,3 == — — — — = 0,32 9,7 — == — — — = 0,76 22,6 — — — —_ — — 0,39 13,6 0,42 13,2 0,54 14,5 | 2,19 84,7 Tabelle VI. Fettsäuregehalt aus 100 g Lymphtrockensubstanz. Nach Verabreichung von Hungernde Hunde Lanolinemulsion | Caleium-Ölemulsion | Ölemulsion g n/ccm g n/cem g n/cem g | Hfeem 5,61 16,9 7,26 20,6 11,81 33,1 22,82 60,1 8,45 22,4 8,22 32,1 10,85 25,4 —) —?) 3,12 16,8 11,10 39,1 4,59 15,7 12,79 80,6 7,45 30,4 _ 13,1 12,36 18,8 37,44 189,9 9,92 25, — _ — — —— — 5,88 17,7 = = Sn ke er La 16,2 48,4 Ir — — = Me = 9,97 21,4 3,86 25,4 | 9,79 26,0 27,68 110,2 1) Mehr als 24,86 g. 2) Mehr als 34,3 n/cem, Über die Fettresorption. 2337 Die Ergebnisse zusammenfassend, welche die oben angestellten Versuche lieferten, haben wir folgendes gefunden: 1. Eine isolierte Dünndarmschlinge produziert in Äther lösliche Stoffe. In erhöhtem Maasse findet das statt, wenn im Darme fett- artige Stoffe vorhanden sind. 2. In isolierte Dünndarmschlinge gebrachte Lanolinemulsion wird nicht resorbiert. 3. Die Lymphen der hungernden Hunde sowie die der mit Lanolinemulsion oder Ca enthaltenden Ölemulsion gefütterten Hunde zeigen im Fettsäuregehalt keinen solchen Unterschied, welcher die Grenzen der Versuchsfehler und individuellen Schwankungen über- treffen würde. 2 Es fragt sich, wie die erhaltenen Tatsachen zur Erklärung der Fettresorption verwertet werden können. Der Fettsäuregehalt der Lymphe der mit Lanolinemulsion oder Ca enthaltenden Ölemulsion sefütterten Hunde zeigt keinen solchen Unterschied gegenüber dem der hungernden Tiere, welche die im Raume der einzelnen Serien vorkommenden Schwankungen übertreffen würde. Nachdem — den heutigen Kenntnissen zufolge — eine Fettresorption nur in den Lymphbahnen vorgeht, können wir feststellen, dass in den oben an- gestellten Versuchen keine Fettresorption zustande kam. Aus am Anfange dieser Arbeit erwähnten Gründen war in meinen Versuchen eine in gelöster Form vor sich gehende Resorption (Seife, Fettsäure-Gallenlösung) unmöglich gemacht; nachdem ich bei dieser Anordnung überhaupt keine Resorption beobachten konnte, müssen wir folgern, dass die Fettresorption in anderer als in ge- löster Form überhaupt nicht vor sich geht. II. Über die Wege der Fettresorption. Zur Unterstützung meiner Versuche über die Art der Fett- resorption musste ich untersuchen, ob alles resorbierte Fett in die Chyluswege gelangt, resp. ob eine Fettresorption nach dem Aus- schluss der Duet. thorac. möglich ist. Die bisher mitgeteilten Ver- suche zeigen, dass mehr Fett aus dem Darme verschwindet, als in dem aufgefangenen Chylus zu finden ist'!). Sie konnten aber keinen 1) Zawilsky, Arbeiten aus dem physiol. Institut Leipzig Bd. 11. 1876. — Frank, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1892 S. 497 und 1894 S. 297. — Walther, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1890 S. 329. 9238 Alexander v. Fekete: 7 positiven Weg finden, wohin diese scheinbar nieht auf dem Lymph- wege resorbierte Fettmenge gelangt. Der einzig denkbare Weg wäre der der Blutbahn; während der Resorption konnte aber keine Erhöhung des Fettgehaltes des Blutes exakterweise konstatiert werden, wenn der Zufluss der Lymphe verhindert wurde !). Möglicher- weise konnte eine Erhöhung mit einer besseren Methodik festgestellt werden. Ich habe demnach in einer Serie. den Fettgehalt des Blutes nach der Liebermann’schen Methode untersucht, in welcher die nach dem Soxhlet’schen Verfahren eventuell latent bleibenden Fettbestandteile besser zum Ausdruck gelangen. Zur Nachweisung selbst möglich kleiner Fettmengen habe ich den Blutkreislauf auf die Gedärme, das Herz und die Lungen beschränkt. Die übrigen Arterien habe ich unterbunden, die Milz, das Omentum heraus- genommen, und mittels einer Fistel zwischen den peripheren Enden der V. portae und den zentralen der V. cava habe ich auch die Leber aus dem Kreislaufe ausgeschlossen. Zur Verhütung der Lymphstockung habe ich den Brustgang und auch die grösseren Lymphstämme in der Bauchhöhle durchgeschnitten. In einigen früher mitgeteilten Versuchen?) war nämlich der Weg der Fettresorption nach der Unterbindung der grösseren Lymph- stämme untersucht; solche Umstände können den natürlichen Gang _ der Resorption umgestalten und geben dann ein falsches Bild. Ich brauche nur den Ieterus zu erwähnen bei dem Verschluss der Gallen- wege, um eine Analogie zu zeigen. Die Hunde waren durch 24 Stunden nüchtern; 3—4 Stunden vor der Operation erhielten sie "/e Liter 5%ige Öltragacanthemulsion. Während der Operation habe ich vor der Untersuchung der grossen Blutadern einige Kubikzentimeter 3,5 /o Natr. Citrat eingespritzt und 50—80 eem Blut ausgelassen. Diese Blutmenge war auf Eis ge- stellt und nach der Operation auf unten angegebene Weise ver- arbeitet. Nachher wurden die grossen Arterien unterbunden, die Eck’sche Fistel nach der Queirolo-Biedl’schen Methode an- gefertist, der Bauch geschlossen. Die Tiere waren natürlich mit künstlicher Atmung und Wärmevorrichtung versehen — und die Herzfunktion ständig kontrolliert. Die ganze Operation dauerte l) Zawilsky, l. c. — G. D. Errico, Arch. di Fis. t. 4 p. 513. 1907. 2) Munk und Friedenthal, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 15 S. 297. — Hamburger, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1900 S. 554. Über die Fettresorption. 229 1'/a Stunde. Nach dem Schwachwerden der Herzfunktion habe ich wieder 80—100 ccm Blut aus dem Stamme der Art. subelavia herausgelassen. Das Blut wurde immer in 10 cem 3,5 °/o Nat. Citrat aufgefangen und bis zur Verarbeitung (!/«—!/e Stunde) in den Eisschrank ge- stellt. Das Gewicht des Blutes wurde abgemessen und Hämoglobin wie auch Fettbestimmungen angestellt. Zur Bestimmung des Hämo- globins habe ich den Hüfner’schen Spektrophotometer gebraucht; ir der Tabelle gebe ich direkt die abgelesenen Skalenwerte für die beiden Absorptionsstreifen. Den Fettgehalt habe ich nach dem Liebermann- schen Verfahren festgestellt. Schwierigkeiten waren dadurch entstanden, dass sich die Petrolätherschicht von der schmierigen klebrigen Masse nicht gut abgesondert hatte; deswegen habe ich noch 8S—10 g NaCl und einige Tropfen Alkohol hinzugefügt. Darauf hat sich die Petrol- ätherschicht gut abgesondert. In einigen Fällen, wo diese Schicht zu schmal war, habe ich den oberen Teil der Flüssigkeit in einer mit Gummistöpsel gut verschlossenen Röhre einige Minuten hindurch zentrifugiert, worauf sich die Petrolätherschicht gut abschied. Aus den Hämoglobinwerten können wir auf eine Eindiekung resp. Ver- dünnung des Blutes schliessen. Die gefundenen Fettsäurewerte habe ich dann mit der Berücksichtigung dieses Faktors auf dieselbe resp. auf eine ebensoviel Hämoglobin enthaltende Blutmenge berechnet. Die einzelnen Versuche sind die folgenden: XXYVII. Fortsetzung von Versuch XXIII. V.cava und V. portae wurden um °/42 Uhr verbunden; nach dieser Verbindung lebte der Hund °/s Stunden lang. I. Blutmenge betrug 81,69 g, darin enthaltene Fettsäure 0,237 g — 9,0 "/1o cem. II. Blutmenge 104,74 g. Fettbestimmung aus 49,42 g in Citrat aufgefangenem Blut CE 45,11 g reines Blut); darin war 0,150 g —= 3,0 W/ıo ccm Fettsäure. Ab- sorptionszahlen von Oxyhämoglobin (150fache Verdünnung) 5,33, 6,17. XXIX. Ein 8 kg schwerer Hund erhielt morgens um 6 Uhr 500 ccm 10%oiger Olemulsion. Unterbindung der Venen um 11 Uhr 45 Min.; der Hund . lebte bis um 12 Uhr 45 Min. I. Die Blutmenge betrug 25,85 &; darin war 0,075 g, 1,2 n/io ccm. 'Fett- säure, Oxyhämoglobin 5,16, 6,12. II. Blutmenge betrug 48,96 g. Fettsäurebestimmung: in 31,68 g in Citrat aufgefangenem Blut 0,086 g — 2,5 "/ıo ccm; in 27,28 g in Citrat aufgefangenem Blut 0,074 g = 2,0 "Jıo cem. Oxyhämoglobin: 5,55, 6,52. XXX. Ein 18 kg schwerer Hund bekam morgens um 6 Uhr und um 11 Uhr je 500 g 10°%iger Ölemulsion. Nach Unterbindung der Venen um 4 Uhr 45 Min. lebte der Hund bis um 5 Uhr 30 Min. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 16 230 Alexander v. Fekete: I. Blutmenge 64,56 g. Fettsäure in 35,12 g in Citrat aufgefangenem Blut: 0,118 g = 3,5 Wie cem. Oxyhämoglobin: 5,85, 6,91. Das Gewicht von 1 cem Citrat-Blut: 1,0487 g. II. Blutmenge: 56,03 g. In 30,28 g Citrat-Blut war: 0,092 g, 2,3 W/ıo cem Fettsäure. Oxyhämoglobin: 6,17, 17,12. Das Gewicht von 1 ecm Citrat-Blut: 1,0436 g. XXXI. Ein 22 kg schwerer Hund erhielt morgens um 6 Uhr 500 g 10 %/oiger Ölemulsion. Unterbindung der Venen um ®/4l Uhr; der Hund lebte bis um "/s4 Uhr. I. Blutmenge: 68,54 g. Fettsäure: in 37,47 g Citrat-Blut 0,052 g, 1,75 »/ıo cem; in 41,07 g Citrat-Blut — g 1,5 Wıo ccm. Oxyhämoglobin: 5,54, 6,44. Das Gewicht von 1 ccm Citrat-Blut 1,047 g. II. Blutmenge: 121,57 g. Fettsäure: in 45,32 g Citrat-Blut 0,042 g, 1,25 "/ıo cem.; Fettsäure: in 44,64 g Citrat-Blut 0,061 g —= 1,6 Wıo ccm.; Fett- säure: in 41,41 g Citrat-Blut 0,047 g = 1,0 "/ıo ccm. Oxyhämoglobin: 6.26, 7,18. Das Gewicht von 1 ccm Citrat-Blut: 1,0634 g. Diese Werte sind auf Tabelle VIII (S. 231) zusammengestellt. Die angegebenen Skalenwerte des Oxyhämoglobins beziehen sich auf das Volumen; nachdem sich aber alle die anderen Daten auf das Gewicht beziehen, müsste auch die Änderung des spezifischen Ge- wichtes in Betracht gezogen werden. Letztere liefert aber nur einen unbedeutenden und weglassbaren Unterschied. Die Verdünnung mit der Citratlösung wurde durch entsprechende Korrektion in Be- tracht gezogen. Aus diesen Daten ist zu ersehen, dass der Fettsäuregehalt des Blutes während der Versuche eine so unbedeutende Änderung er- litt, welche nur auf Rechnung der Versuchsfehler zu setzen ist. Wenn wir dennoch annehmen wollen, dass eine Fettresorption auch auf dem Wege der Blutbahn vor sich geht, müssen wir ent- weder eine so feste Bindung der Fettsäuren voraussetzen, welche sich durch das Liebermann’sche Verfahren nicht spaltet, oder wir müssen annehmen, dass das resorbierte Fett sich sofort spaltet und der Bestimmung entzieht — was durchaus nicht der Fall sein kann. Wir müssen aber nicht zu solchen cewaltsamen Erklärungen greifen. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die aus den Versuchen Zawilsky’s erhaltenen Maximalwerte wegen der Versuchsanwendung notwendigerweise unter der Norm sein müssten, so können wir aus seinen Daten folgern, dass das ganze aus dem Darmkanal resorbierte Fett durch die Lymphwege in den allgemeinen Kreislauf gelangt. 3l 2 Über die Fettresorption. (a q L 5 : % q c [4 di: eo a I our & 20) ge Scr0r | Feten cin n f nen 749 ( i f &g 970 00T | ceg FaG 8G 970 LE 60T 0 ve I IXXX ea e ri &8 280 u | N | 980 0 1020 | eos u ‘ \ 108 769 ‘ at [ \ Ä San 680 001 { 19 GgiG \ TI 680 vL 6980 ICH XXX Ä 3 6 ; s wi Ä f ‘ 86 ge0 61201 { an ce \ 66 seo co IST‘ ar Zu ı ‘ ‘ 198 °19 ( ‘ [4 ‘ ‘ 97 660 007 I 97%, de \ 9% 66.0 Gl «100 So XIXX (3 „L Fe ee 6 ‘g [3 [4 : (7 B Ä 19 &0 <7 501 { Fg'c Gr } 99 ll) 04 8750 rL.701 U ‘ [3 => L19 [4 ( {3 ‘ ß 18) 660 001 | 8° eo‘c \ 19 66 0 09 LEG 0 GIS IITAXX OL/u 8 Aunseneang 5 OL/ı Ei) Or/u 3 3 U9S9M uopunyo ng ANGEBEN JAOLSLLION , erelu . wo TEpuRTDAUN -wnJoA |), Ha I ON UNIEH "N uIgOTWOWRYÄXQ egasdangsya A] 9n%S749,7 soll 3 00T ur 9ınesyaA Jnejswmayyng Wo}3u993urd 194 Sogn SOp IIeyasaınesyog dad "DIA OII9q®L 232 Alexander v. Fekete: Die in den Duct. thoraec. gebundene Kanüle, das Fehlen der Saug- kraft (wegen der Eröffnung des retropleuralen Raumes) üben gewiss einen hemmenden Einfluss auf den Abfluss der Lymphe aus; es kann auch noch die Verlässlichkeit des Soxhlet’schen Verfahrens bei der Feststellung der Fettbestandteile in Rede kommen. Trotz all dieser Umstände erhalten wir — wenn wir aus Zawilsky’s Versuchen die Maximalwerte betrachten — aus der Lymphe .die gesamte Menge des resorbierten Fettes und brauchen keinen andern Weg wie die Chyluswege zur Erklärung der Fettresorption zu suchen. Schliesslich sei mir erlaubt, den Herren Adjunkt Dr. M. Pekär, dem stellvertretenden Leiter des Institutes, und den Assistenten Dr. Korne&l v. Körösy, sowie auch B. Hortobägyi meinen auf- richtigsten Dank zu sagen. Literaturverzeichnis. Abelmann, Pflüger’s Arch. 1900 S. 82. Altmann, Die Elementarorganismen, 2. Aufl., 1894 S. 6. Balogh, Moleschott’s Untersuchungen Bd. 7 S. 341. Bleibtreu, Deutsche med. 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Anat. u. Physiol. 1890 S. 329. 234 Robert Stigler: Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. Von Dr. Robert Stigler, Assistent am physiologischen Institut der Universität Wien. (Mit 7 Textfiguren.) Donders?) hat die Kraft der Atemmuskulatur aus den Grenzen des positiven und negativen Atmungsdruckes unter Berücksichtigung der den Atembewegungen jeweils entgegenwirkenden oder förder- lichen Kräfte berechnet. Die hierzu nötige Bestimmung des maximalen In- und Exspirationsdruckes nennt man Pneumatometrie. Diese wurde von mehreren Autoren auf verschiedene Art durch- geführt, wobei auch verschiedene Zahlenwerte erhalten wurden. G. Valentin ?), welcher als einer der ersten pneumatometrische Messungen anstellte, verwendete zu denselben sein „Pneumatometer“, ein einfaches Quecksilbermanometer mit einem geeigneten Ansatz- stück, das sich gut an die Lippen der Versuchsperson schloss; er erhielt schwankende Werte, je nach der untersuchten Persönlichkeit. Ein 21jähriger Schwächling brachte es nur auf 22 mm Hg für das Ein- und 38 mm Hg für das Ausatmen. Zwei sehr kräftige junge Leute desselben Alters leisteten ungefähr das Zehnfache: ihre Ein- atmung ergab einen Druck von 220 und 232, ihre Ausatmung von 256 mm He. Im Mittel fand Valentin für die maximale Einatmung 102,2, für maximale Ausatmung 108,2 mm He-Druck. Valentin’s Werte fielen aber, wie Donders?) behauptet, zu gross aus, weil bei. seinen Versuchen auch die Saugkraft der Mundmuskulatur mitwirkte. Donders hat deshalb ein Manometer in ein Nasenloch ge- steckt, das andere Nasenloch zugehalten und dann den maximalen 1) Physiologie des Menschen. Deutsche Übersetzung von Theile Bd.1 S. 404. 1856. 2) Lehrbuch der Physiologie des Menschen, 2. Aufl., Bd. 1 8.529 ff. 1847. 8) 1. c. 8. 401. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 235 Inspirationsdruck gemessen. Die auf diese Art erhaltenen Werte fielen niedriger aus; der stärkste Inspirationsdruck betrug 36—74, im Mittel 57 mm He, der stärkste Exspirationsdruck S2—100, im Mittel 87 mm Hg). Mit gleicher Methode fand Hutchinson?) bei seinen zahl- reichen Versuchen in Übereinstimmung mit den von Donders er- haltenen Werten als Maximum des Inspirationsdruckes 76,2 mm Hg. Die folgenden Angaben noch anderer Autoren über den maxi- malen Inspirations- und Exspirationsdruck bringt H. Vierordt?) in seinen Tabellen: Eichhorst fand bei foreierter Atmung einen Inspirationsdruck von 70, einen Exspirationsdruck von 80 mm Hg, Waldenburg beobachtete an einem Hg-Manometer, das er ver- mittelst eines in zwei Oliven auslaufenden Doppelschlauches mit beiden Nasenlöchern verband, einen maximalen Inspirationsdruck von 80—100 mm Hg bei Männern, von 60—80 bei Weibern und einen Exspirationsdruek von 100—130 bei Männern und von 70 bis 110 mm Hg bei Weibern. E. Rollet gibt für foreierte Atmung an Kam He): Stehen: Sitzen: Liegen: Inspirationszue 20.22... 140 140 120 Exspirationsdruck . . . . 200 200 160 Der Exspirationsdruck wurde von Hutchinson*) im Durch- schnitt um ein Drittel grösser gefunden als der Inspirationsdruck derselben Person. Trotzdem kommt aber, wie Donders?°) klarlest, den Inspirationsmuskeln die grössere Kraftleistung zu; denn bei der inspiratorischen Erweiterung des Thorax müssen sie nebst dem An- saugen der Luft auch noch 1. den Thorax heben, 2. die Rippen- knorpel ein wenig biesen, 3. den der Abflachung des Zwerchfelles entgegenwirkenden Widerstand überwinden, d. h. die Organe der Bauchhöhle etwas verschieben und sie, soweit sie lufthaltig, also kompressibel sind, komprimieren und die Spannung der Bauch- muskulatur überwinden, welche der Herabschiebung der Abdominal- Dale Ss. 399. 2) Zit. nach Donders, Il. c. S. 402. 3) Anatomische, physiologische und physikalische Daten und Tabellen, I. Anfl., S. 263. 1906. 4) Zit. nach Donders, 1. c. 8. 401. Djalze., S. 899. 236 Robert Stigler: organe entgegenwirkt, endlich 4. gegen den Widerstand des elastischen Lungengewebes aufkommen. Letzterer beträgt nach Donders!) am Ende einer gewöhn- lichen Exspiration 7,5 mm Hg (bei der Leiche wegen des Fehlens des Tonus der Inspirationsmuskeln nur 6 mm), am Ende einer gewöhnlichen Inspiration 9, nach einer möglichst tiefen In- spiration 30—40 mm He. Addiert man die Kräfte, welche zur Leistung dieser vier Ar- beiten nötig sind, zur maximalen Inspirationskraft, so ergibt sich tatsächlich eine Überlegenheit der Kraft der Inspirationsmuskulatur gegenüber der Fxspirationsmuskulatur, deren Kraft man erfährt, wenn man von der am Manometer abgelesenen maximalen Exspirations- kraft die bei der Inspiration angeführten vier Gegenkräfte subtrahiert, da diese der Exspirationsmuskulatur als Hilfskräfte beistehen und sie demgemäss um ihren eigenen Betrag entlasten. An der Hand der so gewonnenen Daten hat Donders die Kraft der Inspirationsmuskeln in folgender Weise berechnet: Die Inspirationsmuskeln haben folgende Kräfte zu überwinden. 1. Den negativen Luftdruck in den Lungen während der maximalen Inspiration — 57 mm (Mittel aus Donders’ Angaben). 2. Die Elastizität der mässig ausgedehnten Lunge — 15 mm; der zu über- windende Druck auf der äusseren Brustwand ist somit — 72 mm. Am Zwerchfell kommt noch der zu überwindende interabdominale Druck dazu, welehen Donders zu 10 mm veranschlagt; auf dem Zwerchfell lastet somit ein Druck von &2 mm. Donders nimmt die Oberfläche der Brust eines kräftigen Mannes zu 20 qdem, die Oberfläche des Zwerchfelles zu 3,5 adem an. Somit beträgt die bei maximalem Einatmen entwickelte Kraft (20 x<0,72+3,5< 0,82) edem Hg — 17,27 edem Hg = 233,1 kg. Zu dieser Kraft von 233,1 kg ist noch diejenige zu rechnen, welehe zur Hebung des Thorax und zur Torsion der Rippenknorpel erforderlich ist. Ein Versuch Hutehinson’s?), die letztere durch Lufteinblasung an der Leiche (ohne dass die Rippen gehoben wurden) zu bestimmen, führte nach Donders zu keinem brauchbaren Er- gebnisse. Die Exspirationskraft berechnete Donders in folgender Weise: Der mittlere stärkste Exspirationsdruck beträgt 837 mm Hg; den 1) Donders, |]. c. S. 399. 2) Donders, |. c. S. 404. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. DH Exspirationsmuskeln kommt aber die elastische Kraft der Lunge zu Hilfe, welche Donders zu 20 mm annimmt. Es bleibt somit ein Muskeldruck von 67 mm übrig, welcher bei der maximalen Exspi- ration auf der inneren Brustwand und dem Zwerchfell lastet, was eine gesamte Exspirationskraft von 212,56 kg ergibt; davon ist aber noch -das Gewicht des Thorax und die Spannung der Rippenknorpel abzuziehen. Nach Donders’ Berechnung ist somit die maximale In- und Exspirationskraft ungefähr gleich. | Die bei gewöhnlicher Inspiration angewendete Kraft berechnet Donders, indem er dabei den Widerstand der elastischen Substanz zu 10 mm, den negativen Luftdruck in der Lunge zu 2 mm, somit den auf der Brustwand lastenden Druck zu 12 mm, den auf dem Zwerchfell lastenden Druck zu 22 mm schätzt, in analoger Weise mit 42,8 kg, abgesehen vom Gewichte des Thorax und der Torsion der Rippenknorpel. Zur gewöhnlichen Exspiration ist bekanntlich überhaupt höchstens eine mässige aktive Muskelwirkung nötig. Selbstverständlicherweise haften diesen Berechnungen verschiedene Willkürlichkeiten an. Besonders scheint mir die Angabe der Brust- oberfläche zu 20 qdem sehr hoch gegriffen. Auch R. du Bois- Reymond!) schätzt den beweglichen Teil der Thoraxwandung bloss zu 625 gem. In H. Vierordt’s Tabellen findet sich leider keine Angabe der Grösse der Brustoberfläche selbst, wohl aber ein Vermerk [von Funke?°)], dass die Oberfläche von Brust, Bauch und Hals eines Erwachsenen, dessen gesamte Körperoberfläche 16517 gem betrug, 1233 gem ausmachte. Diese niedrige Zahl stimmt mit der von R. du Bois-Reymond angenommenen gut überein. Aus der gesamten Körperoberfiäche des von Funke untersuchten Erwachsenen ist aber zu schliessen, dass dies ein recht schwächlicher Mann gewesen sein muss. Denn die gesamte Körperobeıfläche eines kräftigen, 26!/2jährigen, 162 em grossen und 62,25 kg schweren, also mittelgrossen Mannes betrug nach Meeh°) ungefähr 19000 gem. Von äusseren Längsdimensionen des Brustkorbes in Ruhelage gibt Vierordt‘®) an: 1) Zur Physiologie des Schwimmens. Arch. f. Physiol. 1905 S. 258. 2) Vierordt’s Tabellen S. 51 und 52. 8) Vierordt’s Tabellen 8. 51 und 52. 4) Vierordt’s Tabellen S. 94. 238 Robert Stigler: Vorderwandı.. 2 me 10 9TemE Seltenwand ane r ne N.g,. Se hintere Wand eo 2 22,.007 50% Brustumans ya, oe Als erweiterungsfähig dürfte wohl der vordere halbe Brustumfang zu betrachten sein, und demnach würde sich die Oberfläche dieses Teiles berechnen zu: 24 (Mittel aus der Länge der Vorder- und Seitenwand) X 43 —= 1032 gem. Ich habe die Oberfläche des bei der Inspiration bewegten Teiles meiner eigenen Brustwand ermittelt, indem ich die Vorder- fläche meiner Brust nach abwärts bis zum Rippenbogen, die beiden Seitenflächen nach rückwärts bis zum Rande des M. latissimus dorsi mit weichem Papier belegte, welches ich so zerschnitt, dass es sich an den Thorax möglichst eng anpasste. Aus diesem Papier stellte ich ein Rechteck her; dessen Flächeninhalt beträgt fast genau 1000 gem. Des Vergleiches halber füge ich hinzu: Ich bin 32 Jahre alt, 161 em gross, 63 kg schwer. Ausserdem scheint auch der intraabdominale Druck von Donders mit 10 mm Hg zu hoch veranschlagt zu sein. An Hunden fand ihn Haven Emerson?) zu 2—45 mm H;0, je nach dem Tonus der Bauchmuskulatur, jedoch stets positiv, im Maximum gleich 5 mm He. Setzt man aber in Donders’ Berechnungen für die exkursions- fähige Brustfläche statt 20 bloss 10 qdem und für den interabdominalen Druck statt 10 bloss 5 mm Hg ein, so bleibt als maximale In- spirationskraft bloss (10 xX0,72+3,5 0,77) cdem Hgs— 9,895 edem Hg —= 135 kg, also um fast 100 kg weniger als Donders berechnet hatte; doch beruht auch diese Berechnung auf willkürlichen An- nahmen. Daher scheint mir die Angabe der Kraft der Atemmuskulatur pro Quadratzentimeter der von ihr gegen den äusseren Druck be- weeten Fläche zweckdienlicher als der Versuch einer Berechnung der Kraft der gesamten Inspirations-bzw.Exspirationsmuskulatur zu sein. Das Prinzip aller bisherigen Untersuchungen über die Kraft der Inspirationsmuskulatur besteht darin, dass die Grösse des negativen Druckes bestimmt wird, welchen die Inspirationsmuskulatur bei l) Vierordt’s Tabellen S. 96. 2) Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 S. 166. 1908. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 239 äusserster Anstrengung innerhalb des nach aussen zu abgeschlossenen Thorax zu erzielen vermag. Wenn Donders den miltleren maxi- malen Inspirationszug der Atemmuskeln annähernd zu 60 mm Hg angibt, so heisst dies, dass seine Versuchsperson imstande ist, mit Hilfe ihrer Inspirationsmuskulatur den allseitig geschlossenen Thorax aus seiner Ruhestellung um soviel zu erweitern, dass der intra- pulmonale Druck um 60 mm kleiner ist als der äussere Luftdruck. Beträst letzterer 760 mm, so wurde der intrapulmonale Druck durch die Kraft der Atemmuskulatur im Verhältnisse 700 : 760 —= 35:38 verringert. Wäre das Nasenloch der Versuchsperson statt mit einem gewöhnlichen Hg-Manometer mit einem Barometer verbunden worden, so wäre letzteres während der Inspiration von 760 auf 700 mm gesunken. Man kann die Kraft der Inspirationsmuskeln auch unter Beibehaltung des normalen intrapulmonalen Druckes ermitteln, indem man die Inspirationsmuskulatur statt mit einem negativen Druck von innen her mit einem positiven Druck von aussen her so lange belastet, bis sie nicht mehr imstande ist, den in Fxspirationsstellung befindlichen Thorax zu erweitern, d. h. bis keine Inspiration mehr möglich ist. Unerlässliche Bedingung dazu ist, dass der Thorax von allen Seiten her gleichmässig belastet werde, dass also auch auf dem Zwerchfell der gleiche Überdruck laste wie auf der äusseren Thoraxwand. Dies kann experimentell in der Weise erreicht werden, dass man die Versuchsperson, welche gleichzeitig Luft von atmosphärischem Drucke ein- und in solche ausatmet, so tief unter Wasser bringt, bis infolge des vom Wasser gelieferten Überdruckes keine Inspiration mehr möglich ist. Dabei kann man auch die Abnahme der Atmungs- erösse mit der Zunahme des auf der Thoraxwand lastenden Über- druckes prüfen. Versuchsanordnung. Solehe Versuche habe ich im Sommer 1910 in dem 3"/2 m tiefen Becken der k. k. Militärschwimmschule in Wien ausgeführt. Ich bin dem Leiter,derselben, Herrn k. u. k. Major Hans Led], für die Überlassung der Schwimmschule zu meinen Versuchen und für die überaus freundliche Unterstützung der letzteren durch Zuweisung von Hilfskräften und Depoträumen zur Aufbewahrung meiner Apparate. zu grossem Danke verpflichtet. Die Versuchsperson wurde entweder in horizontaler oder in vertikaler Lage bis zu einer bestimmten Tiefe passiv unter Wasser 240 Robert Stigler: gebracht und atmete dabei mit Hilfe eines Respirationsventiles durch. zwei Schläuche unter atmosphärischem Druck aus und ein. Würde die Versuchsperson durch ein und denselben Schlauch aus- und ein- zuatmen versuchen, so würde sie ihre eigene verdorbene Exspirations- luft wieder einatmen und fast ebenso rasch ersticken, als ob sie gar nicht atmete. Deshalb ist die Trennung der Exspirations- und Inspirationsluft nötig. AN 2 „0 / Die Versuchsanordnung für die horizontale Lagerung der Ver- suehsperson zeigt Fig. 1, für deren vertikale Lagerung Fig. 2 (I von vorne, II von der Seite). Die beiden Schläuche A und 5 stehen in Verbindung mit einem Mundstücke (Fig. 1 und 2 M und Fig. 3), welches zur Verhinderung des Rostens aus Alpacea verfertigt und aus drei einzölligen Röhren zusammengesetzt ist. Zwei derselben. (Fig. 3 R, und R,) stossen unter einem spitzen Winkel zusammen; diese sind einerseits zur Verbindung mit den Schläuchen, anderer- seits zur Aufnahme der Ventile bestimmt. Das dritte Rohr (R,) Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 241 242 Robert Stigler: steht senkrecht zur Ebene der beiden anderen und dient zur Ver- bindung mit einem Kautschukmundstück. Diese drei Röhren, deren jede 5 em lang ist, sind hart zusammengelötet und tragen Wülste (W) zur festeren Verbindung mit den Schläuchen. Das Kautschukmund- stück ist in Fig. 4 im Aufrisse und Durchrisse dargestellt; es be- steht aus einer durchbrochenen Kautschukplatte (Fig. 4 und 5 P) mit einem Ansatzschlauchstück (Fig. 4 und 5 @). Letzteres wird, wie Fig. 5 zeigt, über das metallene Röhrenstück R, geschoben. Die Kautschukplatte P wird zwischen Wangen bzw. Lippen und Zahnreihen genommen; sie trägt zwei Kautschukansätze (Fig. 4 und 5 K), in die sich die Versuchsperson einbeisst, wodurch ein sicherer, wasserdichter Verschluss zustandekommt. Ähnlieher Kaut- schukmundstücke bat man sieh in der Taucherei schon seit langer Zeit bedient. Als Ventile verwendete ich Klappen!) aus dünnstem Blech (Fie. 6 Kl), welche um eine Achse (A) drehbar sind; letztere ist im Durchmesser eines kurzen Blechzylinders (C) befestigt, auf dessen Rande die Ventilklappen aufschlagen. Durch die Atmung werden sie in der in Fig. 6 gezeichneten Weise gehoben; sie spielen so leicht, dass man, in freier Luft durch die Ventile atmend, keinerlei Anstrengung verspürt. Für die Rückkehr der Ventile zu ihrer Ruhe- lage sorgt ein feiner Kautschukfaden (in Fig. 6 punktiert), welcher über die untere Seite der beiden Klappen quer über die Achse hin- weg gespannt ist. Zu seiner Befestigung an den Klappen wird er durch feine Löcher derselben durchgezogen und dann an beiden Enden geknüpft. Im Inspirationsschlauch öfinen sich die Klappeu natürlich nach innen, im Exspirationsschlauch nach aussen. 1) Angefertigt von Herrn Universitätsmechaniker L. Castagna in Wien. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 245 Zum Vergleiche habe ich auch noch ein anderes Ventil versucht, welches in Fig. 7 skizziert ist‘). Dieses unterscheidet sich von dem beschriebenen Metallklappenventil einerseits durch die Verwendung bischofmützenförmiger Zipfelklappen aus dünnstem Kautschuk (Fig. 7, Vi = Inspirations-, Va — Exspirationsventil), andererseits durch die Anbringung eines Speichelfängers (Sp), weleher das Rückfliessen des Speichels und Kondenswassers bei jeder Stellung des Mundstückes, also auch dann, wenn der Speichelfänger nach aufwärts sieht, verhindert. Die Schläuche sind einen Zoll dick und zum Schutze gegen Knickung und Eingedrücktwerden durch den'Wasserdruck durch Spiral- federn und Leinwandeinlagen gestützt so wie alle Taucherschläuche. Der eine der beiden Schläuche mündet frei an der Wasseroberfläche, Fig. 7. der andere steht mit einer Zuntz’schen Gasuhr?) in Verbindung, welche die jeweilige Atmungsgrösse anzeigt. So konnte einmal die Menge der inspirierten, ein anderes Mal die der exspirierten Luft gemessen werden, je nach dem Schlauche, der mit der Gasuhr verbunden wurde. Die Nase der Versuchsperson wird durch einen federnden Klemmer mit gepolsterten Quetschplatten verschlossen, so wie er in der Taucherei ebenfalls schon längst im Gebrauche ist. Erzählt doch schon v. Hesslin°), dass sich die persischen Nackttaucher, Araber 1) Angefertist von Firma Neupert in Wien, VIII., Bennoplatz. 2) Siehe R. Tigerstedt, Handb. d. physiol. Methodik Bd. 2 2. Abt. S. 31. 1903. Es ist dies eine trockene, transportable Experimentier-Gasuhr der Firma 8. Elster in Berlin. Zufolge der besonderen Konstruktion des Instrumentes drehen sich die Zeiger mit äusserst geringer Reibung, und es ist daher an der abgelesenen Atmungsgrösse nur eine geringe Korrektur anzubringen, entsprechend der Lufttemperatur und -Strömungsgeschwindigkeit. Diese Gasuhr hat mir nebst anderen Beheifen Herr Professor Dr. Arnold Durig geliehen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank sage. 3) Zit.nach Heller, Mager und H. v. Schrötter, Luftdruckkrankheiten. 5.4. 1900. 244 Robert Stigler: und Neger, ein elastisches Hornstück auf die Nase setzten, um diese während des Tauchens geschlossen zu halten. Soll die Versuchsperson unter Wasser gebracht werden, so um- klammert sie das Stützbrett (Fig. 1 und 2 Br) mit den Armen und nimmt das Kautschukmundstück (Fig. 2 X) in den Mund; das mit jetzterem zusammenhängende Metallstück (Fig. 1 und 2 M) rast durch ein Loch von der hinteren Seite des Brettes nach vorne und ist ebenso wie die mit ihm verbundenen Schläuche an jenem un- verschieblich befestigt. Der Rand des Loches (Fig. 1 und 2 R) ist kegelförmig abgeschrägt, damit die Versuchsperson das Mundstück besser fassen kann. Für die Stirne ist dort, wo sie auf dem Brette aufliest, ein dicker Filzstreifen (Fig. 2 F) als Polster angebracht. Bei horizontaler Lagerung der Versuchsperson (Fig. 1) werden an jedem Ende des DBrettes, bei vertikaler Lagerung der Versuchs- person an einem Ende (Fig. 2) eine 4 m lange Stange (Fig. 1 und 2 St) befestigt, deren eine eine wasserbeständige Einteilung in Dezimetern trägt. Mit Hilfe dieser Stangen wird das Brett mit der Versuchsperson bis zur gewünschten Tiefe unter Wasser getaucht. Würden die Schläuche, ohne an der Unterseite des Brettes befestigt zu sein, direkt zum Munde der Versuchsperson führen, so hätte diese den Zug derselben bei jeder Bewegung unangenehm zu ver- spüren, und es würde ihr sicher das Mundstück aus dem Munde gerissen werden. Ursprünglich wurde die Versuchsperson an das Brett angeschnallt; wegen der Gefährlichkeit der Versuche zogen wir es aber vor, uns selbst am Brette anzuhalten, um gegebenen Falles, den Apparat im Stiche lassend, schwimmend an die Oberfläche zu gelangen. Letzteres geschah aber nur ausnahmsweise, weil dabei Wasser in die Schläuche und Ventile eindrang, welches unter Zeitverlust erst wieder voll- ständig entleert werden musste. Die Versuchsperson hatte stets eine Notleine in der Hand, deren Zug den am Ufer stehenden Gehilfen das Zeichen gab, die Versuchsperson herauszuziehen. Der Hergang war bei diesen Versuchen folgender: Nachdem einer der beiden Schläuche mit der Gasuhr verbunden war, legte sich die Versuchsperson auf das Brett, setzte den Kneifer auf die Nase, fasste das Kautschukmundstück und atmete nun ohne Mühe durch die Respirationsvorrichtung. Sie nahm die Notleine in die Hand und gab dann, sobald sie sich dazu bereit fühlte, ein Zeichen zum Beginne des Versuches. Darauf wurde sie von zwei Hilfspersonen, Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 245 deren jede eine Stange (Fig. 1 und 2 St) fasste, ins Wasser ge- schoben und auf ein vom Experimentator gezebenes Zeichen bis zur ‘ gewünschten Tiefe untergetaucht. Ein dritter Gehilfe merkte mit einer Stoppuhr die Dauer des Aufenthaltes in der bestimmten Tiefe, ein vierter hatte die wichtige Aufgabe, die Atmung der Versuchs- person an der Gasuhr zu kontrollieren und das Volumen der jedes- mal ein- bzw. ausgeatmeten Luft (je nachdem Inspirations- oder Exspirationsschlauch mit der Gasuhr verbunden war) einem fünften Gehilfen anzugeben, der es notierte. Der Experimentator selbst hielt das freie Ende der Notleine und überwachte das Ganze. Ausser dem Experimentator und der Versuchsperson waren somit zur richtigen Ausführung dieser Versuche noch fünf Leute nötig. Vielfache Mit- hilfe verdanke ich auch dem badenden Publikum, welches uns mit Ernst und Eifer unterstützte. Es kam mir bei diesen Versuchen hauptsächlich auf die Be- obachtung der Respiration an; bezüglich der Zirkulation musste ich mich damit begnügen, den Puls der Versuchsperson nach dem Auf- tauchen zu tasten. Ich habe es wohl oft versucht, das Herz der- selben unmittelbar nach dem Auftauchen zu auskultieren und zu perkutieren, es war aber begreiflicherweise in der Schwimmschule dazu viel zu viel Lärm. Sehr wichtig wäre es gewesen, den Puls der Versuchsperson während ihres Aufenthaltes unter Wasser zu kontrollieren. Dies hätte aber die Beschaffung einer richtigen Taucher- ausrüstung für einen mit der Versuchsperson unter Wasser zu sendenden Arzt nötig gemacht und musste daher unterbleiben. Eine besondere Erschwerung der Versuche brachte angesichts des Umstandes, dass die Versuchsperson stets mehrere Minuten bis zu einer Viertelstunde nackt und ganz unbeweglich im Wasser oder am windigen Ufer liegen musste, die Kälte des Sommers 1910 mit sich. | Die ersten Vorversuche zur annäherungsweisen Orientierung über die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur stellte ich im Juni 1910 an. Die Versuchsperson wurde an ein hölzernes, mit Gewichten hinlänglich belastetes Kreuz gebunden und, durch die Respirations- schläuche atmend, in aufrechter Körperlage vorsichtig so tief ins Wasser versenkt, wie sie es vertrug. Erste Versuchsperson war Herr stud. med. D. Danetschek. Er gab sofort das Zeichen mit der Notleine, da es ihm, wie er Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 17 246 Robert Stigler: später angab, gleich anfangs, als er kaum unter Wasser gebracht worden war, unmöglich erschien, zu atmen. Nachdem er sich aber mit grosser Energie darin geübt hatte, konnte man ihn für wenige Sekunden bis zu einer solchen Tiefe versenken, dass sich sein unterer Rippenbogen etwa 1Ys m unter Wasser befand. Nahezu ebenso erging es der zweiten Versuchsperson, Herrn Veterinärmediziner Prochaska, einem ausgezeichneten Schwimmer und Taucher, der sich mit grosser Zuversicht, an das Tauchen in ein paar Meter Tiefe gewöhnt, ins Wasser versenken lies. Auch er gab, als wir ihn rascher sinken liessen, sofort das Zeichen mit der Notleine und kam sehr erschöpft an die Oberfläche. Nachdem ich mich selber von der ausserordentlichen Schwierig-' keit, unter den gegebenen Bedingungen in ganz geringer Tiefe zu atmen, und von der Unmöglichkeit, dies in grösserer Tiefe zu tun, überzeugt hatte, ging ich daran, die Atemgrösse der Versuchsperson zu ermitteln, wenn sie allmählich in immer grössere Tiefen gebracht wurde, sowie die Abhängigkeit der Atemgrösse von der Dauer des Aufenthaltes in einer gewissen Tiefe zu bestimmen, und zwar sollte dazu die Versuchsperson einmalhorizontal, ein andermal vertikal im Wasser schweben, und zwar in letzterem Falle das eine Mal mit, dem Kopfe nach aufwärts, das andere Mal mit dem Kopfe nach abwärts. Für die Versuche in horizontaler Lage wählte ich die in Fig. 1, für die Versuche in vertikaler Lage die in Fig. 2 gezeichnete An- ordnung. Letztere wurde aus der in Fig. 1 dargestellten zusammen- gesetzt. Für die Bestimmung des von der Versuchsperson beim Atmen zu überwindenden Wasserdruckes sind die Gesetze der Hydromechanik maassgebend. - Der auf der Thoraxwand lastende Druck ist nach dem Stevin- Pascal’schen Gesetze gleich dem Gewichte einer Wassersäule, deren Grundfläche gleich ist der Oberfläche des im Wasser befindlichen Teiles des Körpers, und deren Höhe gleich ist dem Abstande des Schwerpunktes der gedrückten Fläche vom Niveau des Wassers. Es ist nicht möglich, den jeweiligen Schwerpunkt der unter Wasser befindlichen Thoraxoberfläche (inkl. Zwerchfell) mathe- mathisch zu bestimmen; derselbe wechselt überdies mit der Körper- lage auch: seine Lage im Raume. Eine annäherungsweise Ermittlung des Abstandes des Schwer- punktes der vom Wasser gedrückten Thoraxwand vom Wasserspiegel Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 247 ‚gestatten aber die modernen Taucherapparate, die Skaphander und die Apparate nach Rouquayrol-Denayrouze. KFrstere Apparate werden gegenwärtig in der englischen, letztere in der Marine der übrigen Staaten Europas verwendet. Der Apparat von Rouquayrolund Denayrouze ist durch einen Luftdruckregulator gekennzeichnet, der die Gestalt eines eisernen Tornisters hat und vom Taucher am Rücken getragen wird. Dieser Regulator enthält ein Reservoir mit komprimierter Luft, aus welchem der Taucher atmet; und zwar erhält er bei jeder Inspiration Luft von einem Drucke, welcher gleich dem Wasserdrucke auf der durch eine Kautschukkappe verschlossenen oberen Wand des Regulators ist. Liegt daher diese höher als der Schwerpunkt der gesamten Thorax- oberfläche (soweit sie unter Wasser ist), so erhält der Taucher eine Luft von zu geringem Drucke: er atmet schwer ein. Liegt die Kautschukplatte tiefer als der Schwerpunkt der vom Wasser gedrückten Thoraxwand, so atmet der Taucher Luft von einem Drucke, welcher erösser als der auf seinen Thorax wirkende Wasserdruck ist: er atmet auffallend leicht ein. Sobald die Kautschukkappe in der Höhe des Schwerpunktes der Thoraxwand liegt, atmet der Taucher normal. Der Unterschied zwischen den drei erwähnten Fällen ist, wie ich mich gelegentlich meiner Studien in der Taucherschule unserer Kriegsmarine zu Pola selbst überzeugt habe, ein sehr auffallender. Am Skaphander-Apparate wird der Druck der Respirations- luft durch ein Luftauslassventil reguliert, das sich am Taucherhelm in der Höhe des Ohres des Tauchers befindet. Der Druck der Respirationsluft wäre daher gleich dem Wasserdruck in der Höhe des Ohres des Tauchers. Das wäre ein viel zu niedriger Druck; deshalb kann das Luftauslassventil durch eine vom Taucher eigen- händig einstellbare Spiralfeder fester verschlossen werden, so dass es sich nur dann Öffnet, wenn der Druck der Luft im Helm grösser ist als der Wasserdruck in der Höhe des Luftauslassventils. Um die Druekhöhe der Luft im Taucheranzug genau zu bestimmen, hat J. S. Haldane!) das Luftauslassventil nicht direkt am Taucher- helm, sondern an einem mit diesem verbundenen Schlauche befestigt, so dass er den Druck seiner Respirationsluft statt durch Anziehen der Feder des Ventils durch verschiedene Höhenlage des letzteren 1) Siehe: Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens Bd. 37 Nr. 10, 11591221909. bl 248 Robert Stigler: regulieren konnte. So kann man auch mit dem Skaphander die. Lage des Schwerpunktes der Thoraxwand annähernd ermitteln, indem man diejenige Lage des Ventiles sucht, bei der man normal atmet. Auf diese Art findet man, dass der Schwerpunkt der Thoraxober- fläche etwas über den Brustwarzen liest. Für die Bestimmung des auf dem Thorax lastenden Wasserdruckes ist daher bei aufrechter Stellung der ganz unter Wasser befindlichen Versuchsperson die Distanz der Brustwarzen vom Niveau maassgebend. Zu der an der Teilstange abgelesenen Distanz des oberen Stirnrandes vom Niveau sind somit zur Angabe des auf dem Thorax lastenden Druckes noch ca. 40 cm zu addieren. Bei horizontaler Lage der Versuchsperson liegt der Schwerpunkt der Thoraxoberfläche bezüglich des Körpers natürlich an derselben Stelle. Da er in der Mitte des sagittalen Brustdurchmessers liest, welcher nach H. Vierordt’s Tabellen !) durchschnittlich 16—18,5 em beträgt, so ist der auf dem Thorax lastende Wasserdruck gleich der Thoraxoberfläche (inkl. Zwerchfell) mal (dem Abstande der Unter- fläche des Körpers minus 8Y/s cm). Von meinen Versuchspersonen war mir zur systematischen Fort- setzung meiner Versuche nur Herr stud. phil. Franz Härtl ge- blieben, ein gesunder zwanzigjähriger Jüngling von 164 em Körper- länge und 67,5 kg Gewicht, der sich mit Selbstaufopferung und unermüdlich im Ertragen der vielen mit diesen Versuchen verbundenen Unannehnlichkeiten übte. Und diese Übung erwies sich deshalb als notwendig, weil die ausserordentlich peinlichen Gefühle, welche der Aufenthalt unter Wasser unter den gegebenen Umständen mit sich brachte, auch auf die Energie, mit der die Inspirationsmuskeln innerviert wurden, lähmend wirkten. Wir nahmen die Versuche meist abwechselnd vor, indem einmal Härtl, dann wieder ich unter- tauchten. Die Zwischenpausen zwischen den einzelnen Versuchen wurden zur Aufzeichnung der Versuchsergebnisse und zur Instruktion unserer vielfach wechselnden Gehilfen verwendet. Damit ging der grösste Teil unserer Versuchszeit verloren. Der maximale Wasserdruck, welchen die Inspirationsmuskulatur noch zu überwinden vermochte, ergab sich aus der Bestimmung der grössten Tiefe, in welcher die Versuchsperson atmen konnte. Letztere 1) H. Vierordt’s anatomische, physiologische und physikalische Daten und Tabellen, 3. Aufl., S. 98. 1906. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 949 wechselte aber nicht nur an verschiedenen, sondern sogar am gleichen Versuchstage beträchtlich. Härtl’s Inspirationskraft erwies sich am grössten, wenn sich dieser zuerst an das Atmen in geringer Tiefe gewöhnte und dann nach entsprechenden Erholungspausen allmählich tiefer tauchte. Während er unter Wasser war, wurde seine Atmung ununterbrochen an der Gasuhr kontrolliert, und er wurde, auch ohne ein Zeichen mit der Nodeine gegeben zu haben, herausgezogen, sobald die Atmung zu stocken schien. Die grösste Tiefe, in der Härtl bei horizontaler Lage überhaupt noch zu atmen imstande war, betrug 192 em. Die zweite Frage, die ich mir stellte, war die, wie sich die Atmungsgrösse während des Aufenthaltesin einer be- stimmten Wassertiefe ändere. Die Beantwortung dieser Frage wurde dadurch erschwert, dass die Atmungsgrösse schon in ganz geringer Tiefe ununterbrochen schwankte: nach einigen tiefen Atemzügen folgten wieder ein paar seichte rasch hintereinander, dann wieder ein tiefer und so fort. Schliesslich aber wurde als Zeichen der Ermüdung die Atmung im ganzen frequenter und seichter, und dann begehrte die Versuchs- person auch bald heraufgezogen zu werden. Es erwies sich mit Rücksicht auf die Unregelmässigkeit der Atmung unter Wasser als vorteilhafter, die Menge der während der ganzen Dauer des Aut- enthaltes unter Wasser geatmeten Luft und die Zahl der Atemzüge anzugeben, woraus sich ein Mittel für die Atemgrösse in einer be- stimmten Tiefe finden lässt. Die Atmung war nämlich in grösserer Tiefe so frequent geworden, dass man die Grösse der einzelnen Atemzüge an der Gasuhr nicht mehr ablesen konnte. Die folgende Tabelle, eine genaue Abschrift des Versuchsproto- kolles, entkält das Ergebnis desjenigen Versuchstages, an welchem Härtl seine maximale Leistung aufwies. Von dem abgelesenen Abstande des Brettes vom Wasserspiegel sind, wie oben auseinander- gesetzt, bei der Berechnung des überwundenen Wasserdruckes 8,5 cm abzuziehen. In geringer Tiefe waren einzelne Atemzüge noch von normalem Umfange, die Aufzeichnung derselben fehlt in meinem Protokolle. Die Tabelle (S. 250) lehrt, dass der auf der äusseren Thorax- wand lastende Überdruck eine sehr beträchtliche Ver- minderung der Tiefe der einzelnen Atemzüge unter gleichzeitiger Steigerung ihrer Frequenz zur Folge 250 Ro bert Stigler: Tabelle]. Versuchsperson: stud. phil. F. Härtl. 20. Juli 1910. Versuchsperson in horizontaler Lage. Abstand des| Dauer des Gesamt- ; Durchschnitt- Brettes Aufenthaltes volumen Zahl der au! | Jiche Grösse vom Wasser in der Dune der dabei | die Minute jedes ein ö m - geatmeten Ä spiegel angegebenen Atemzüge | ® Luft entiallenden zelnen Tiefe Atemzüge | Atemzuges cm 1 60 3°/a Min. = — - — 80 DR: 2 = Ex = 90 ie a 30 = 30 er 100 30 Sek. — - — — 110 DA 24 en 60 Be 120 19. 15 = 75 = 130 10 > 17 0,5 102 0,03 140 100, 14 04 84 0.03 150 or 10 0.4 100 0,04 160 31.) 8 0,1 137 0,0125 170 Ba 8 0.6 96 0,075 180 4 6 0,3 90 0,05 190 A 11 0,48 165 0,044 200 DU, 5 0.08 120 0,016 hat. Die durehschnittliche Atemgrösse blieb schoniin geringer Tiefe unter der Grösse des von den Bronchien, der Trachea, der Mundhöhle und dem Mundstück bis zum Respirationsventilgebildetenschädlichen Raumes weit zurück; beträgt doch die Grösse des schädlichen Raumes der menschlichen Luftwege allein schon 140 eem!!) Eine solche Atmung bleibt infolgedessen wirkungslos. Das Auffallendste an den mitgeteilten Versuchsergebnissen ist aber, dass der Aufenthalt in einer Tiefe von mehr alsl m nur äusserst kurz, wenige Sekunden lang, ertragen wird, wenn die Versuchsperson zugleich Luft von atmosphärischem Drucke atmet, während sie unter nor- malen Umständen, am Lande, den Atem mindestens eine Minute anzuhalten vermag. Die Unmöglichkeit, länger als einige Sekunden in einer Tiefe von mehr als einem Meter unter Wasser zu verweilen, wenn dabei in der Lunge atmosphärischer Luftdruck besteht, kann daher nicht auf Atemnot zurückgeführt werden. Dies geht auch daraus hervor, dass die Zeit, während welcher Härtl den 1) Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie, 5. Aufl., Bd. 1: S.420. 1909. Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 251 Aufenthalt unter Wasser aushielt, um so kürzer war, je tiefer er sieh unter Wasser befand. Dies ist nicht etwa durch Steigerung der Dyspnöe mit der des extrathorakalen Über- druckes zu erklären, da ja die Atmung schon in geringer Tiefe wirkungslos war, indem die einzelnen Atemzüse von 130 cm Tiefe an stets unter das Ausmaass des schädlichen Raumes sanken. Die Versuchsperson wurde nicht nur durch Atemnot, sondern auch durch ein sehr heftiges Beklemmungsgefühl gezwungen, schon nach wenigen Sekunden das Zeichen mit der Notleine zu geben. In vertikaler Lage, den Kopf nach abwärts, hat Härtl bloss an einem Nachmittage (23. Juli) getauent. Das Maximum wurde dabei mit einem Tiefstande der Stirne von 160 em unter dem Wasserspiegel erreicht, welcher Zustand drei Sekunden aus- sehalten wurde. Doch empfand Härtl bereits bei einem Tiefstande der Stirne von 30 em eine ausserordentliche Erschwerung der Atmung. Diese Versuche waren sehr erschöpfend; Härt| hatte auch noch den ganzen nächsten Tag starke Kopfschmerzen. Auch ich habe Versuche in vertikaler Lage mit dem Kopfe nach abwärts schwieriger und weit unangenehmer als jene in hori- zontaler Lage gefunden. Leichter erwiesen sich die Versuche in vertikaler Lage mit dem Kopfe nach aufwärts. Unerträgliches Beklemmungs- gefühl empfand Härt! bei solchen Versuchen (am 25. Juli), sobald seine Stirne 90 cm unter Wasser war, also bei einem extrathorakalen Überdrucke von etwa 130 cm Wasser. Ais Härtl einmal sehr rasch bis zu 150 cm unter Wasser getaucht wurde, sistierte seine Atmung vollständig, und er zog auch sofort die Notleine. Hierauf wiederholte ich (am 25. Juli) die letzterwähnten Ver- suche; ich liess mich in vertikaler Stellung, den Kopf nach aufwärts, unter Wasser tauchen, bis die Stirne 1 m unter Wasser war, wobei also der auf dem Thorax lastende Wasserdruck etwa 140 cm betrug. Da ich in dieser Tiefe noch einige Atemzüge tun konnte, so liess ich mich das nächste Mal sogleich tiefer unter Wasser tauchen, bis meine Stirn 160 em unter dem Wasserspiegel stand, wobei also auf dem Thorax ein Wasserdruck von 2 m lastete. Ich bemerkte, dass mir in dieser Tiefe die Inspiration allerdings nahezu unmöglich war, verweilte aber dennoch 18 Sekunden, indem ich gleichzeitig mit äusserster Anstrengung zu inspirieren versuchte, was aber nur an- Tangs ganz geringe Ausschläge des Zeigers der Gasuhr zur Folge hatte. 252 Robert Stigler: Dabei hatte ich wieder, so wie auch in früheren Versuchen, das Ge- fühl, als ob ich erdrückt würde. Ich zog daher die Notleine und wurde sofort heraufgeholt. Ich gelangte bei völligem Bewusstsein an die Oberfläche und sprach mit meiner Umgebung, empfand aber nach wenigen Sekunden unregelmässiges und sehr rasches Herz- klopfen; der Puls erwies sich beim Betasten als äusserst frequent (über 200), arrhythmisch und sehr klein. Es bestand echtes Delirium cordis. Ich blieb darauf zwei Stunden am Boden liegen, ohne jedoch subjektive Beschwerden zu verspüren, und kehrte dann heim, wobei sich mein Zustand zusehends verschlechterte, weshalb ich zu Bette eine, Eisbeutel aufs Herz legte und Ärzte holen liess. Herr Privat- dozent Dr. v. Jagi@ und Herr Dr. Förster, Assistent an der dritten medizinischen Klinik, stellten um Mitternacht eine Verbreite- rung der relativen und absoluten Herzdämpfung um je einen Quer- finger nach rechts und nach links fest, worauf sie ihre Diagnose: Dilatatio eordis begründeten. Vorher hatte ich ja normale Dämpfungsgrenzen gehabt. Um zwei Uhr morgens begann das Herz wieder in normalem Rhythmus zu schlagen. Die Verbreiterung der Herzdämpfung war am nächsten Morgen ebenfalls verschwunden; nach fünf Tagen stand ich wieder auf und ging an die gewohnte Arbeit, was mir aber nur mit grosser Mühe möglich war, da ich sehr rasch ermüdete. Am Morgen des sechsten Tages nach dem Unfalle konstatierten meine beiden Ärzte abermals Verbreiterung der Herzdämpfung, der Puls war wieder klein und arrhythmisch. Ich musste daher wieder zu Bett gehen. Auch Herr Professor Dr. Chvostek hatte die Freundlichkeit mich zu besuchen und be- stätigte die Diagnose Dilatatio cordis. Darauf musste ich sieben Wochen im Bette verbleiben, und auch jetzt ist mein Herz in auf- fallendem Gegensatze zu meinen früheren sportlichen Leistungen labil und grösseren Anstrengungen noch nicht gewachsen. Trotz des kühnen Anerbietens Härtl’s, die Versuche fort- zusetzen, schloss ich diese hiermit aus begreiflichen Gründen ab. Waren doch die Kopfschmerzen, die Härtl nach dem Tauchen mit nach abwärts gewendetem Kopfe empfunden hatte, wahrscheinlich auch schon als Anzeichen einer vorübergehenden Schädigung seines Herzens aufzufassen! Dass Härtl nicht in ebenso hohem Grade geschädigt wurde wie ich selber, ist wohl der stetigen Kontrolle seiner Atmung durch Beobachtung der Gasuhr zu danken, deren Stillstand das Zeichen zum sofortigen Heraufholen der Versuchs- Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. 253 person gab, welch letzteres leider bei meinem eigenen Versuche unterlassen worden war. Das Ergebnis der mitgeteilten Experimente ist demnach: Die grösste Wassertiefe, in welcher unter atmosphärischem Drucke geatmet werden konnte, betrug bei einer Versuchsperson (Härt]) 192, bei der anderen (Stigler) 200 cm. Die maximale Kraft der Inspirationsmuskulatur beträgt somit für Härt] 192 em Wasser oder 141 mm Hg, für Stigler 200 em H,O oder 148 mm He. Diese Werte sind im Vergleiche zu den von Donders (36 bis 74 mm Hg), Hutchinson (76,2 mm Hg), Eichhorst (70 mm Hs), Waldenburg (80—100 mm Hg) gefundenen Werten sehr hoch; bloss E. Rollet fand ähnliche Werte (120—140 mm He). Aller- dings fällt bei der Inspiration unter Wasser die Hebung des Ge- wichtes des Thorax durch die Inspirationsmuskulatur weg, da jener im Wasser nahezu schwerlos ist. Die auffallende Übereinstimmung der Maximalleistung beider Versuchspersonen ist wohl auf deren gleichmässige Einübung zurückzuführen. Eine Berechnung der gesamten Kraft der Inspirationsmuskulatur stösst auf das Hindernis, dass wir die Grösse der bei seichten Atem- zügen — und nur um solche handelt es sich bei den hier gefundenen Werten — bewegten Thoraxwand nicht kennen. Es ist ja möglich, dass dabei nur das Zwerchfell nach abwärts rückt und die übrige Thoraxwand nahezu vollständig in Ruhe bleibt. Die durchschnittliche Tiefe der einzelnen Atemzüge sinkt schon bei einem Überdruck von 1 m Wasser unter die Grösse des schäd- lichen Raumes der Luftwege. Der Aufenthalt unter Wasser in mehr als 1 m Tiefe bei gleich- zeitiger Atmung unter atmosphärischem Druck, d. h. ein auf dem ganzen Körper lastender extrathorakaler Überdruck von mehr als 1 m Wasser, wird nur wenige Sekunden, also beträchtlich kürzer als vollständige Atemlosigkeit unter normalen Umständen, ertragen; und zwar ist die Dauer des erträglichen Aufenthaltes unter Wasser bei gleichzeitiger offener Verbindung der Lunge mit der Aussenluft um so kürzer, je tiefer sich die Versuchsperson unter Wasser be- findet. Dies erklärt sich nicht durch Zunahme der Dyspnöe, da ja die Atmung, wie erwähnt, unter den gegebenen Umständen schon in I m Tiefe wirkungslos ist. Zur Erklärung dieses eigentümlichen Verhaltens trägt die Herzdehnung bei, welche Autor nach 18sekundigem Verweilen in einer Tiefe von 2 m Wasser bei gleichzeitiger Respi- 2354 Robert Stigler: Die Kraft unserer Inspirationsmuskulatur. ration unter atmosphärischem Druck erlitt. Offenbar reichte die Kraft des Herzens nicht mehr hin, das Blut gegen den extrathorakalen Überdruck in den grossen Kreislauf zu treiben, so dass es sich im Thorax, in den Lungen und im Herzen selbst anstaute und letzteres dehnte. Die Überbürdung des Herzens durch den Wasserdruck, welcher sich auf die äussere Oberfläche aller extrathorakalen Gefässe fort- pflanzt, scheint mir die Hauptursache zu sein, weshalb der Auf- enthalt unter Wasser in mehr als 1 m Tiefe nur wenige Sekunden ertragen wird, wenn gleichzeitig im Thorax äusserer Luftdruck herrscht. Dies soll in meiner nächsten Arbeit eingehend erwogen werden. Zum Schlusse spreche ich Herrn Professor A. Durig für seine freundlichen Ratschläge und die leihweise Überlassung verschiedener Apparate meinen herzlichsten Dank aus. D OU oT (Aus der akademischen Klinik für Kinderheilkunde in Düsseldorf.) Über die Ausnutzung der verschiedenen Zucker- arten zur Glykogenbildung in der Leber. Von Dr. Hans Murschhauser. Unter Mitwirkung von Dr. H. Haffmans. Vor einigen Jahren ist es K. Grube!) bei seinen Durch- strömungsversuchen am überlebenden Organ gelungen, die lang- umstrittene Frage, ob die Synthese des Glykogens in der Leber selbst vollzogen wird, im positiven Sinne zu beantworten. Aber lange vorher, ehe man diese Funktion der Leber experimentell fest- gestellt hatte, war die Tatsache bekannt, dass der Glykogengehalt des tierischen Organismus und speziell der Leber durch Nahrungs- zufuhr vermehrt wird. Schon vor der Entdeckung des Glykogens fanden C}. Bernard und Barreswil?), dass die Leber sich bei jeder Art Nahrung durch einen hohen Gehalt an Zucker von allen anderen Organen unterscheide, die keinen Zucker enthielten, und dass nur bei langandauernder Nahrungsentziehung auch die Leber ganz zuckerfrei werde. Heute wissen wir, was damals noch nicht bekannt, aber wenige Jahre später von Cl. Bernard?) nachgewiesen wurde, dass dieser Zucker eine Vorstufe in der Leber hat, aus der er durch einen fermentativen Prozess entsteht, und dass diese Vor- stufe, das Glykogen, in der Leber gebildet wird. So interessant nun die Entdeckung des Glykogens an sich war, so brennend erschien die Frage, welche Nahrungsstoffe die Glykogen- bildung in der Leber veranlassen. DK. Grube, Journ. of Physiol. vol. 29 p. 275. 1903. — K. Grube, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 490. 1905. — K. Grube, Pflüger’s Arch. Bd. 108 8.3. 2) Cl. Bernard et Barreswil, Compt. rend. t, 27 p. 514. 3) Lecons sur la Physiologie et la Pathologie du Systeme Nerveux t. 1 p. 467. 256 Hans Murschhauser: [2 Was zunächst die Anteilnahme des Eiweisses an der Glykogen- bildung betrifft, so war ‚schon seit Cl. Bernard die Anschauung vertreten, dass das Eiweiss zu den Muttersubstanzen dieses Kohle- hydrates gerechnet werden müsse; aber die zahlreichen Arbeiten, die seit der Entdeckung des Glykogens sich mit diesem Problem beschäftigten, haben lange keine sichere Entscheidung herbeigeführt. Erst als Lüthje!) im Jahre 1904 bei seinen pankreasdiabetischen Hunden die Beobachtung machte, dass sie bei kohlehydratfreier Ei- weissnahrung viel mehr Zucker ausschieden, als aus dem Kohlehydrat- bestand des Tierkörpers erklärbar war, rückte die Frage der Eiweiss- verwertung für die Glykogenbildung ihrem Ziele näher. Und nun haben im Verlaufe des vorigen Jahres Pflüger und Junkers- dorf?) bei der Kontrolle der Mohr’schen Versuche die Bildung von reichlichen Mengen Glykogen aus Eiweiss bei Eiweissmästung bewiesen. | Trotzdem bleibt diese Umwandlung von Eiweiss in Kohlehydrat in chemischer Beziehung vorläufig unverständlich. Viel leichter dagegen liesse sich die Glykogensynthese im tierischen Organismus aus dem Fett erklären. Denn die Fette erfahren im Darm eine Hydrolyse in Fettsäuren und Glycerin. Nun wissen wir aber, dass die Oxydationsprodukte von Glycerin durch Aldolkondensation in alkalischer Lösung leicht in Zucker übergeben. Und tatsächlich hat Grube?) durch seine jüngsten Versuche an der überlebenden künst- lich durehströmten Leber die Fähigkeit derselben, aus Glycerin Zucker zu bilden, erwiesen. Der Beweis für die Glykogenbildung direkt aus Fett auf dem Wege durch die Verdauungsorgane ist da- gegen noch nicht erbracht. Vielmehr scheint nach den jüngsten Versuchen von Pflüger und Junkersdorf das Fett für die Kohlehydratbildung nicht nur nicht in Betracht zu kommen, söndern vielmehr die Kohlehydratsynthese zu hindern. So rätselhaft uns nun einerseits der Chemismus der Umwand- lung von Eiweiss in Glykogen und so unverständlich uns die Nicht- verwertung von Fett andererseits erscheint, so fest steht seit der Entdeckung des Glykogens die Tatsache, dass die Kohlehydrate in 1) H. Lüthje, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 79 S. 499. 1904. — H. Lüthje, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 160. 1904. 2) E. Pflüger und P. Junkersdorf, Pflüger’s Arch. Bd. 131 8. 201. 3) K. Grube, Pflüger’s Arch. Bd. 118. 1907. Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 957 erster Linie und in höchstem Maasse als Muttersubstanz des Glykogens zu betrachten sind. | Die Übereinstimmung ie der chemischen Konstitution wie die Analogie im Pflanzenreich, die in der Bildung von Assimilations- stärke aus Traubenzucker ihren Ausdruck findet, legten den Ge- danken an die vorzügliche Verwertung der Kohlehydrate für die Glykogenbildung nahe. Der erste, der für diese Annahme eintrat, war Sanson'!). Der Kern seiner Anschauung gipfelte in dem Satze, dass die Kohlehydrate des Organismus aus den Kohlehydraten der Nahruug stammen. Experimentell ist dieser Satz zuerst von F. W. Pavy?°) fast zur Gewissheit erhoben worden. Pavy fand bei elf Hunden, die mit animalischer Nahrung gefüttert worden waren, das Verhältnis des Lebergewichtes zum Körpergewicht 1:30 - und einen mittleren Gehalt der Leber an Rohglykogen von 7,19 o. Bei fünf Hunden mit vegetabilischer Nahrung, die reich an Kohle- hydraten war, ergab sich das Verhältnis 1:15, während der mittlere Gehalt der Leber an Rohglykogen 17,23% bzw. 12,6 °/o reines Glykogen betrug. Bei der eminenten Bedeutung, die das Glykogen im tierischen Stoffwechsel und deshalb auch für die Ernährungsphysiologie besitzt, musste auch die weitere Frage, ob die verschiedenen Kohlehydrate in gleicher Weise von der Leber zur Glykogenbildung verwertet würden, ein erhöhtes Interesse beanspruchen. Auch diese Aufgabe hat ihre Bearbeiter gefunden, und es handelte - sich bei Anstellung einer neuen Versuchsreihe zunächst um den einzuschlagenden Wes. Wie ich eingangs bereits erwähnt, hat K. Grube nach dem Vorbilde von Luchinger?°) und Martz*) die Fähigkeit der Leber, aus Kohlehydraten Glykogen synthetisch aufzubauen, mit der Durch- strömungsmethodik erwiesen. Grube analysierte nach seiner Ver- suchsanordnung zunächst einen ausgeschnittenen Leberlappen und leitete dann durch das überlebende Organ unter günstigen Be- dineungen Zuckerlösungen in Blut bei Warmblütern und analysierte 1) Sanson, Compt. rend. t.44 p. 1159. 1857. 2) F. W. Pavy, Phil. Trans. for 1860 p. 579. 8) Luchsinger, Physiologie und Pathologie des Glykogens. Inaug.-Diss. Zürich 1875. | 4) Martz, Recherches experim. sur la Physiologie du foie. These de Lyon. 1897. 2358 Hans Murschhauser: dann wieder. Durch frühere Untersuchungen hatte er sich bereits von der gleichmässigen Verteilung des Glykogens in der Leber überzeugt !). Grube kam es nur darauf an, den Beweis für die Funktion der Leber zu erbringen und die Frage zu klären, welche Zucker- arten direkt von der Leber in Glykogen verwandelt würden. Von quantitativen Beziehungen zwischen eingeführter Zuckermenge und gebildetem Glykogen schien er Abstand zu nehmen. Wie wenig sich aber auch die Grube’sche Versuchsanordnung für die quanti- tative Ermittlung eignet, lassen die von Grube erhaltenen Zahlen leicht erkennen; denn sie weisen bei ein und derselben Zuckerart kolossale Schwankungen im neugebildeten Glykogen auf. So beträgt z. B. für Dextrose die Zunahme 53, dann 300 und 1000 %. Die Methodik ist ferner mit einem Glykogenverlust behaftet und deshalb nieht nur für quantitative Zwecke unbrauchbar, sondern wird auch in all den Fällen im Stiche lassen, wo es sich um den blossen qualitativen Nachweis bei schwachen Glykogenbildnern handelt. Grube hat ja selbst beobachtet, dass seine Lebern nach der Durch- spülung mit Ringer’scher Lösung ohne Zuckerzusatz glykogen- ärmer wurden, eine Erscheinung, die sich dadurch erklären lässt, dass beim Durchspülen ein Teil des in Zucker umgewandelten Glykogens fortgeschafft wird. Desgleichen findet er bei seinen Milch- zucekerversuchen nach dem Durchleiten der Zuckerlösung stets, und zwar beträchtlich geringere Mengen von Glykogen als vorher. Daher dürften selbst für die blosse Feststellung der Leberfunktion zur Glykogensynthese von dieser Methodik dann nur positive Ergebnisse zu erwarten sein, wenn lebhafte Glykogenbildner zur Verwendung kommen. Ganz abgesehen aber von diesen Mängeln ist die Durchströmungs- methodik aus andern Gründen für quantitative Ausnützungsversuche von Kohlehydraten nicht verwertbar. Denn bei ihrer Verwendung werden die im physiologischen Ernährungsversuch vorbereitenden Verdauungsorgane Mundhöhle, Magen und Darm ausgeschaltet. Wie unentbehrlich aber diese Organe für die Ausnutzung der Kohle- hydrate zur Glykogenbildung sind, ist durch vergleichende Unter- suchungen über die Wirkung der Einführung von Kohlehydraten per os und durch subkutane Injektionen gezeigt worden. So hatte schon 1) K. Grube, Pflüger’s Arch. Bd. 107 S. 483. Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung ete. 259 Claude Bernard!) durch exakte Forschungen ermittelt, dass der Rohrzucker bei subkutaner oder intravenöser Injektion unverändert durch den Harn ausgeschieden wird, dagegen zur Resorption ge- langt, wenn derselbe auf dem Wege durch den Darm durch das invertierende Ferment des Dünndarms hydrolysiert worden war. Hieraus ergibt sich, dass der Rohrzucker nicht als solcher zur Glykogenbildung verwertet wird, wohl aber dessen Spaltungsprodukte, die Dextrose und die Lävulose, die in den Verdauungswerkzeugen durch Hydrolyse entstehen. Ähnlich sind die Verhältnisse für die Maltose, Milehzucker und Stärke. Und Grube selbst hatte ge- funden, dass die Leber wohl aus den Monosacchariden, nicht aber aus den Di- und Polysaechariden direkt Glykogen zu bilden vermag. Zum Studium der quantitativen Beziehungen zwischen eingeführter Zuckermenge und gebildetem Glykogen bleibt somit nur der andere der bisher eingeschlagenen Wege, der Weg der Fütterung. Will man aber auf diesem Wege die Verwertung oder Aus- nutzung der verschiedenen Kohlehydrate für die Glykogenbildung in der Leber feststellen, so begegnet man einer methodischen Schwierigkeit. Dieselbe besteht in der Unmöglichkeit, in: der Leber eines und desselben Tieres den Glykogengehalt vor und nach der Fütterung zu bestimmen. Nach einer alten Erfahrungstatsache sinkt nun aber der Glykogengehalt der Leber und des Körpers durch Hungern wie durch starke Muskelarbeit fortwährend. Man müsste demnach, wenn man ein Tier hinreichend lange hungern liesse, zu einem Punkt gelangen, wo der tierische Körper glykogenfrei wäre, und jetzt unter Zugrundelesung der Annahme, dass Glykogenfreiheit vorliege, den Einfluss der Fütterung des Kohlehydrates auf die Glykogenbildung studieren können. Diese Versuchsanordnung scheitert aber an der Tatsache, dass es niemals gelingt, den Körper durch Hungern vollständig elykogenfrei zu machen. Diesem Mangel suchte man in der Heranziehung eines Kontrolltieres zu begeenen, das mit dem Versuchstier gleich lange gehungert hatte. Man verfuhr dem- nach zur Entscheidung, ob ein eingeführter Stoff Glykogen erzeugt habe, in der Weise, dass man das Versuchstier mehrere Tage hungern liess, um seinen Körper glykogenarm zu machen, dann mit dem betreffenden Stoffe fütterte und schliesslich nach einer bestimmten Zeit den Glykogengehalt der Leber bzw. des Tieres bestimmte. An 1) Cl. Bernard, Lecons sur le Diabete p. 249. 1877. 360 Hans Murschhauser: dem Kontrolltiere ermittelte man nach abgelaufener Hungerperiode den Hungergelykogenbestand. Das etwaige Plus an Glykogen des Versuchstieres schrieb man dem zugeführten Nahrungsstoffe zu. Willkürlich ist an dieser Anordnung die Voraussetzung, dass Ver- suchstier und Kontrolltier nach der Hungerperiode gleiche Mengen von Glykogen beherbergen. Darin besteht aber auch der Mangel der Methodik, denn es ist experimentell erbracht, dass die verschiedenen Tiere, selbst wenn sie gleichmässig vorbereitet wurden und gleich lange ge- hungert hatten, einen sehr verschiedenen Glykogenbestand auf- weisen können. Und als Pflüger!) einen Fall von einer- 44 kg schweren Dogge berichtete, deren Körpergewicht nach 28tägiger Hungerperiode auf 33,6 kg herabgesunken war, und in deren 507 g schweren Leber noch 22,5 g Glykogen enthalten waren, schien dieser Methodik jedwede Existenzberechtigung genommen. Soweit wir aber die Literatur überblicken, findet sich kein ähnlicher Fall mehr. Die Kontrolltiere von v. Mering?), Otto®), Croftan*), Mohr?) ent- hielten selbst nach relativ kurzen Hungerperioden nur noch Spuren von Glykogen in der Leber; zum Teil waren sie sogar elykoeenfrei. Eines aber lässt sich aus den Beobachtungen der verschiedenen Autoren entnehmen und haben wir selbst bei unseren Hungertieren gefunden, dass nämlich die Mengen des Glykogens der Hungerleber um so grösser waren, je schwerer die Tiere wogen. Deshalb be- rechtigen die früheren Resultate zu der Annahme, dass bei Ver- wendung kleinerer Tiere die Versuchsanordnung wohl anwendbar ist, namentlich dann, wenn es sich um Versuche mit guten Glykogen- bildnern handelt, und wenn Versuchs- und Kontrolltier hinreichend lange gehungert haben. Der erste, der mit dieser Methodik umfassende Studien über den Einfluss der Fütterung verschiedener Zuckerarten auf die Glykogenbildung machte, war Dr. Jakob Otto. Otto verfuhr in der Weise, dass er durch Hunger glykogenarm gemachten Kanin- chen und Hühnern grosse Mengen von Zuckerlösungen einflösste und die Tiere dann nach einer Reihe von Stunden tötete. Das 1) E. Pflüger, Pflüger’s Arch. Bd. 91 S. 121. 1901. 2) v. Mering, Pflüger’s Arch. Bd. 14 S. 232. 3) C. Voit, Zeitschr. f. Biol. Bd. 28 S. 243. 1891. 4) A. C. Croftan, Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 407 1909. 5) L. Mohr, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie, sep. Abdr. S. 1. 1907. Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung ete. 961 Glykogen extrahierte er getrennt aus der Leber und dem übrigen Körper und bestimmte es in dem wässerigen Auszug nach Brücke. Otto konnte sich mit einer 4—5tägigen Hungerperiode vor der Fütterung begnügen, da sich seine Kontrolltiere nach Ablauf dieser Zeit als glykogenfrei erwiesen. Wir geben der Kürze und Übersicht. wegen Otto’s Resultate in tabellarischer Form (siehe Tabelle A auf S. 262). Nach Otto’s Resultaten sind Dextrose, Rohrzucker, Lävulose und Maltose als energische Glykogenbildner zu betrachten. Die un- bedeutenden Mengen von Glykogen, die sich nach Milehzucker- und Galaktosefütterung in der Leber der Tiere vorfanden, sind wohl mit mehr Recht als restierendes denn als durch Zucker neugebildetes Glykogen anzusehen. Otto hat ausser dem Glykogen der Leber seiner Versuchstiere nicht nur das Glykogen des ganzen Körpers, sondern auch die von der Zeit der Fütterung bis zur Tötung im Harn der Kaninchen und in den Exkrementen der Hühner ausgeschiedenen Stickstoffmengen bestimmt, um die Frage einer etwaigen Anteilnahme von Eiweiss an der Glykogenbildung zu studieren. Ohne auf die Besprechung seiner diesbezüglichen Resultate einzugehen, können wir uns mit der Feststellung der Tatsache begnügen, dass keiner der Otto’schen Versuche den Schluss zulässt, als ob Eiweiss an der Glykogenbildung teilnehmen würde. Die Versuche Otto’s mit Rohrzucker wurden durch E. Hergen- hahn!) bestätist. Hergenhahn hat im Gegensatz zu Otto nach der Külz’schen Methode mit Kalilauge aufgeschlossen. Er fand in sieben Kontrollversuchen am Ende von sechs Hungertagen als maxi- malen Glykogengehalt des ganzen Tierkörpers pro Kilogramm 1,650 @. Dieser Gehalt stieg nach Fütterung von 30 g Rohrzucker auf 5 bis 8 g Glykogen. Die Milchzuckerversuche Otto’s wurden von Lusk und Cremer?) fortgesetzt. Lusk fand bei einem 2913 & schweren Kaniuchen, das fünf Tage gehungert hatte, acht Stunden nach der Fütterung mit 50 g Milehzucker 2,716 g.Glykogen in der Leber, nach Abzug des Rest- glykogens nach Külz 2,17 g. 1) E. Hergenhahn, Zeitschr. f. Biol. Bd. 27 S. 218ff. 1890. 2) Max Cremer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 29 S. 520. 1892. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 18 ne ; > 6 8sopeped 3 z‘89 SET 31180 28 8 G TG26 uoyauluey { pusypeyguo Sunsor] und OFL =) : ; ” * 9SoPRIEH ; = 2 9S0PEIEH 8 CC 651 91190 8 V 86T Sen { pusyyeyyus unse] und 061 | uoryoluf | 5 So = fi uasıI9 Top ypeu ; Al) EIN 2 a EN 070 LSET 0 v& en a G «008 U2UDUITEDT | -TONONZWOJL UOSL 0/, 9T A9ur WO 00] al rugz JdOyOnz = : Sımzyrıdsumg 1] -ypm 3 Sp = uaden 0,1 81980 IgG U9JSI9 dOp yowu F 0987 uoyauLUByY us ur BunsoLloyonzya]IN ° a9NONZUOJIN 2 wopungg 8 U9910/, 9] OUT W99 001 a ol 0A uwoadunzyadsumg € - Bunmuleng en = 6T'0 -9TTO 19 u91SJoFI9p you Y GP%6 uyef ar uadı 0), 2 aouro e=| uapungg G El : r o 00T af uoA uauoryyolufg 5 ß ‘ { 3 E eo | sor | ee 8 y gLul uyepg { ea ar \ 99 Dsogre 2 9somar] 3 g'7G ERS = 0g0T | 82668 88 8 v 1291 ugeH { puoypeugtta Junsorf wo ET \ 9SOMABT = SEgtT 0767 Ka} = v Eg91 ugep 309 “ goppnzayoy = 6986 = 18 v 0383 uaysutuey 3 08 \ : TONONZUOANELT, TEST 8g8'g Sg Elıl g SGL1 | uueH 3 0% Bee Y - 3 8 3% 3 Io (Sundoy4n A s ERUL u9soyAjg [|uaSoyAg| Aaaqe SE ee yreıpuo | areıpua zop dp yoeu uopung | aop 104 JO], sap JAVIOLL, Aa9yOnZ JARIOJOnZ E ä aporıaod 20qoT | aagerı | ayormon | Telaata) Sung an RL) SI & Sy9nsIoaAssundajIng s,09Q 'V allaqgeL Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung ete. 263 Kausch und Socin!) fütterten Kaninchen mit Milchzucker und erhielten wie Otto negative Resultate; mit Hunden dagegen positive. Max Cremer?) fütterte einen 32 kg schweren Hund nach zehntägiger Hungerperiode mit grossen Mengen Milchzucker und fand 28,698 g Glykogen in der Leber. Das Resultat ist nicht be- weisend für die Verwertung des Milchzuckers, da die zehntägige Hungerperiode für den schweren Hund zweifellos viel zu kurz war. E. Weinland?) teilt ebenfalls Milchzuckerversuche mit. Seine Hunde hatten vier Tage gehungert. Da Weinland aber keine Kontrolltiere bestimmte, die namentlich für eine solch kurze Hunger- periode unerlässlich sind, konnten seine Resultate keine Entscheidung bringen. Schliesslich hat noch E. Külz*) eine grosse Versuchsreihe über die Verwertung der verschiedenen Kohlehydrate und anderer hier uns nicht weiter interessierender Stoffe zur Glykogenbildung publiziert. Die Glykogenbestimmung hat Külz im Gegensatz zu Otto nur in der Leber vorgenommen. Unter der nach Otto’s Resultaten berechtigten Annahme, dass bei Tötung zwölf Stunden nach der Fütterung der absolute Glykogen- sehalt der Leber und des übrigen Körpers gleich hoch seien, hat E. Pflüger’) die von Külz experimentell gefundenen Zahlen auf den ganzen Körper berechnet und mit den entsprechenden Abzügen für Restelykogen in eine Tabelle zusammengefasst (Tab. B, S. 264). Wie die Tabelle zeigt, sind die Zahlen beweisend für die Bildung von Glykogen aus den Zuckerarten Dextrose, Lävulose nnd Rohr- zucker, selbst dann, wenn man den von Külz für Hungertiere gefundenen Maximalwert für Restglykogen von dem experimentell bestimmten Gesamtglykogen subtrahiert, für Galaktose dagegen nur bei Abzug des Mittelwertes für Restelykogen. Aber dieser Wert ist so gering, dass er keine Stütze für die Entstehung von Glykogen 1) Kausch und Socin, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 31 S. 398. 1893. 2) Max Cremer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 29 S. 484. 1892. 3) E. Weinland, Beiträge zur Frage nach dem Verhalten des Milchzuckers im Körper, besonders im Darm S. 35. München 1899. 4) E. Külz, Beiträge zur Kenntnis des Glykogens. Marburg 1891. 5) E. Pfiüger, Das Glykogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit, 2. Aufl., S. 228. 1) 7980 + 099°0 — S09°T 960 HT 184°0 01 9sorjepeH erel & 0810 — WOoT— 1890 | 37 I me Sy [jneuosoyAkj3| Aoıy, J9LL -SOUEJUV EOS) uesoyirg eyons 2 u98oyK]s4say say opew |5y [ pe|öy me] 51 I me N as 7 yı1R ones | „on = OAopyıur sep asqn | -Ixew sep aoqn | [opıpy u jowıxeuur| uo8oyy4je) ug = Dur a -19YONnZ -sdugJuy aop ae ssnyasaogqn "q 'p | ssayasaaqy] 'y°p | u8oyA]8 | no8oy4]s | Saaaıy, sap SIDE ED || SOAOTL | mer «U9S0NXII «u9SoyALH -1S94 -759 4, yjeyadg au) lead Suoıy soPppjIqasnen | SOYOpIIqasnaN J9InJosqY EN) NN) 7199uny9d 95% ]L 9 aLp “urouyng !aq uogawaayanz usauoapeıy9asieA Jım ZSundoyIn Ag yoeu ‘sıaodıoyy sOp pun 1949 aop 7ey9SguadoyALHg uap PuoFJodrag ‘ST alfaqeL s.zıny sne J9J19[98%q% 19onljd Hd yaeu g opfoqgen 264 Über die Ausnutzung der: verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 265 aus Galaktose bietet. Külz verabreichte zweifellos zu kleine Dosen und erhielt deshalb so geringe Steigerungen, dass die Deutung der Ergebnisse oft unsicher ist. Wenn wir uns nun daran machten, dieses schon so viel beackerte Feld nochmals zu betreten, so führte uns dazu die Erwägung, dass eine systematische Bearbeitung dieses Gebietes unter möglichst gleichen und günstigen Versuchsbedingungen aussteht. So haben die verschiedenen Autoren entweder nur mit einer Zuckerart experi- mentiert, oder sie haben Tiere verwendet, die sich für Kohlehydrat- stoffwechsel nicht eignen, wie z. B. Kaninchen. Oder aber sie haben die gleichen, in manchen Fällen auch verschiedene Tierarten mit verschiedenen Mengen von Kohlehydraten gefüttert, zum Teil mit zu geringen, wie Külz, so dass sie keine genügenden Ausschläge - erzielten, zum Teil mit zweifellos zu grossen, wie Otto, der seinen Hühnern Dosen von über 50 g in 120 cem Wasser einspritzt. Andere haben die Versuchstiere sehr verschieden lange Zeit mit den be- treffenden Stoffen gefüttert, und schliesliich wurden die Glykogen- bestimmungen der Organe oft sehr verschiedene Zeiten nach der Fütterung vorgenommen. Dazu kommt noch, dass die Glykogen- bestimmungen von Otto, Külz und anderen mit den alten Methoden, die nach E. Pflüger zu niedrige Werte liefern, ausgeführt wurden. Unter Berücksichtigung aller eben genannten Faktoren gestaltete sich unsere Versuchsanordnung folgendermaassen: Sämtliche Hunde wurden, nachdem zunächst ihr Körpergewicht festgestellt worden war, durch eine 16tägige Hungerperiode glykogen- arm gemacht. Während dieser Zeit erhielten sie nur zweimal täglich frisches Wasser. Nach Ablauf der Hungerperiode wurden sie aber- mals gewogen und dann gefüttert. Die Tiere erhielten sämtlich je 50 g einer chemisch reinen Zuckerart mit je 60 g ausgekochten Rindfleisches. Letzteres war möglichst fettarm gewählt, von dem etwa anhaftenden Fett und Bindegewebe tunlichst befreit, in dünne Scheiben geschnitten, 2—3 Stunden mit Wasser gekocht und dann durch die Fleischmühle getrieben worden. 50 g dieses so vor- behandelten Fleisches wurden mit dem Zucker unter Zusatz von Wasser gleichmässig verrührt. Die Nahrung wurde von den Tieren stets vollständig aufgenommen. Eine Störung im Befinden der Tiere nach der Nahrungsaufnahme war in keinem Falle zu beobachten. Die Hunde der Versuchsreihe I und II (Tabelle I und ID) er- hielten diese Nahrung nur einmal und wurden 8 bzw. 16 Stunden 366 : Hans Murschhauser: nach der Fütterung getötet. Die Tötung 3 Stunden nach der Fütterung vorzunehmen, dazu veranlassten uns Otto’s Ergebnisse), nach denen sich anscheinend nach dieser Zeit ein Gleichgewicht in den absoluten Glykogenmengen zwischen Leber und dem übrigen Körper herstellt, während nach den Erfahrungen Hergenhahn’s?) zwischen 12 und 20 Stunden nach der Fütterung ein Maximum der Glykogenmenge in der Leber erreicht sein soll. Wir wählten hauptsächlich deshalb zwei verschiedene Zeitintervalle, um einerseits bei ein- und der- selben Zuckerart und -menge den Einfluss der Zeit auf die in der Leber gebildeten Glykogenmengen zu studieren, und um andererseits zu ermitteln, ob das Verhältnis unabhängig ist von der Natur des gefütterten Kohlehydrates, das als Glykogenbildner wirkt. Wir setzten dann in einer dritten Versuchsreihe bei drei Zucker- arten (Tab. III) die Ernährung mit täglich gleichen Mengen 8 Tage fort und töteten 8 Stunden nach der letzten Fütterung. Die einzelnen Versuche jeder Reihe sind entsprechend der zur Fütterung verwendeten Zuckerarten mit Buchstaben bezeichnet. So bedeutet R — Rohrzucker, M = Milchzucker usw. Dieses Zeichen gibt ferner die Zeit an, die von der Fütterung bis zur Tötung ver- strich, indem R die Tötung nach 8 Stunden, RR nach 16 Stunden anzeigt, während R, in der Versuchsreihe III (Tab. II) besagt, dass die Hunde 8 Tage lang je 50 g Rohrzucker mit 60 g Fleisch er- hielten und 3 Stunden nach er letzten Fütterung getötet wurden. Reihe IV mit den Zeichen F und FF umfasst 2 Kontroll- versuche, bei welchen die Hunde nach der Hungerperiode nur die Fleischration von 60 & erhielten. Bei dem Versuche F ist der Hund 8, beim Versuch FF 16 gen nach der Fütterung worden. Reihe V mit dem Zeichen H und H, kennzeichnet die Konkanl versuche, bei welchen die Tiere nach der u: ‚ohne Nahrung erhalten zu haben, getötet wurden. | Die Hunde wurden dureh Keulenschlag betäubt, durch Hals- schnitt getötet, und dann sofort die Leber entnommen. Nachdem dieselbe von der Gallenblase, dem anhaftenden Fett und Binde- gewebe befreit und nach Feststellung ihres Gewichtes in der Fleisch- hackmaschine zerkleinert worden war, wurden sofort 100 g des 1) C. Voit, Zeitschr. f. Biol. Bd. 28. 1891. 2) E. Hergeuhahn, Zeitschr. f. Biol. Bd. 27 S. 222f. 1890. Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung ete. 967 Organbreies in 100 eem heisse 60/oige Kalilauge &ebracht. Die Glykogenbestimmung wurde nach Pflüger ausgeführt. Zu jeder Einzelbestimmung dienten 100 cem der nach dem dreistündigen Erhitzen auf 400 cem ergänzten Leberlösung, entsprechend 25 g Leber. Das Glykogen wurde durch Wägen des aus der Fehling’schen Lösung durch die Zuckerlösung ausgeschiedenen Kupferoxyduls nach F. Pflüger!) ermittelt, die Kupfermenge durch die Volhard’sche Rhodantitriermethode kontrolliert. Die Zucker- bzw. Glykogenwerte sind aus den titrierten Kupferwerten berechnet. Die näheren Angaben über ‘die einzelnen Versuche und die Resultate sind in den folgen- den Protokollen und Tabellen zusammengestellt. | I. Reihe. Die: Versuchstiere wurden 8 Stunden nach der Fütterung getötet. 1. Versuch (R). Hund wog nach der 16tägigen Hungerperiode 4,740 ke, erhielt 50 g Rohr- zucker mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 150 g. 50 cem Zuckerlösung — 0,5562 g Cus0 = 0,4941 g Cu, 50° „ A — 05508 „ —04921g „ Nach Volhard titriert — 0,4870 g Cu — 0,2588 g Zucker, . Ex R „ =042g,—-02389g ', 4 e ». — 043169 „ — 023591, 8 j . Mittel = 0,2590 g Zucker. Leber enthielt —= 10,357 °/0 Zucker, — 15,536 g Gesamtzucker. a) ” 2. Versuch (M). Hund wog nach der 16tägigen Hungerperiode 3,850 kg, erhielt 50 g Milch- zucker mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 118 g. 50 ccm Zuckerlösung — 0,3277 g Cu0 —= 0,2911 g Cu. 50, een. ‚Nach Volhard titriert — 0,2918 g Cu — 0,1409 & Zucker, D) „ „ — 0,2943 8... (= 0,1423 S | ” : el Mittel — 0,1416 :g Zucker. ‘ Leber enthielt — 6,293°%/o Zucker, — 7,425 g Gesamtzucker. ” ” 3. Versuch (D). Hund wog nach der I6tägigen Hungerperiode 22,5 kg, erhielt 50 g Dextrose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 395 g. l) E. Ptlüger, Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 242 #£. 1906. 268 Hans Murschhauser: 50 ecm Zuckerlösung — 0,3348 g Cuz0 — 0,2974 g Cu, alaes n — ee el ann 5 (0, 02H , Nach Volhard titriert — 0,2910 g Cu —= 0,1405 g Zucker, » ) ) — 029218 „ VElTe E) , R 029423, ;,7 0122075 Mittel = 0,1412 g Zucker. Leber enthielt — 5,651°%/o Zucker, — 22,320 g Gesamtzucker, b7] „ 4. Versuch (Ma). Hund wog nach der l16tägigen Hungerperiode 6,780 kg, erhielt 50 g Maltose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 183,5 g. 50 ccm Zuckerlösung — 0,2602 g Cuz0 —= 0,2311 g Cu, 50 „ Y — MER NED , Nach Volhard titriert — 0,2333 g Cu — 0,1106 g Zucker, ” ” >) — 0,2829g „ — 0,1104 8 ” Mittel = 0,1105 g Zucker. Leber enthielt — 4,420°0 Zucker, — 8,110 g Gesamtzucker. ” ” 5. Versuch (6). Hund wog zu Beginn des Versuches 7,67 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 4,92 kg, erhielt 50 g Galaktose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 154 g. 40 ccm Zuckerlösung — 0,2439 g CusO = 0,2166 g Cu, 40 „ B) — 024795 „ — 02156 g ” Nach Volhard titriert = 0,2148 g Cu = 0,1013 g Zucker, = a, = ld) b>] ” ” Mittel — 0,1016 g Zucker. Leber enthielt — 5,080 %o Zucker, — 7,823 g Gesamtzucker. „ 7 6. Versuch (L). Hund wog zu Beginn des Versuches 9,030 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 7,670 kg, erhielt 50 g Lävulose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 249 g. 30 cem Zuckerlösung —= 0,2357 g CusO — 0,2094 g Cu, 30 R — 032g „ = 0ANTg „ 30 B) $7) =7 0,2364 9, > 0,2100 2 30 — 023371g „ = 021068 „ Nach Volhard titriert = 0,2104 g Cu = 0,0991 g Zucker, — ar Ze NER, Mittel = 0,0992 g Zucker. Leber enthielt = 6,610°%0 Zucker, — 16,457 g Gesamtzucker. ” ” ” N ” Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 269 II. Reihe. Die Versuchstiere wurden 16 Stunden nach der Fütterung getötet. 1. Versuch (RR). Hund wog nach der 16tägigen Hungerperiode 13,83 kg, erhielt 50 g Rohr- zucker und 60 g Fleisch, Gewicht der Leber 288 g. 40 cem Zuckerlösung — 0,2748 g CusO — 0,2441 g Cu, 40 ,„ ” — aa, 02200, 4 „ » — 020595 „ —=024Mlg „ 40 „ = — ler NEE Nach Volhard titriert — 0,2438 g Cu — 0,1159 g Zucker, ” ” ” — 044g „ — 0,1162 g ) — 0,2440g5 „ = (11608 , ” ” ” Mittel = 0,1160 g Zucker. Leber enthielt = 5,8010 Zucker, 16,708 g Gesamtzucker. | ” p>) 2, Versuch (MM). Hund wog nach der l16tägigen Hungerperiode 9,920 kg, erhielt 50 g Milch- zucker und 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 172 9. 40 cem Zuckerlösung — 0,2822 g Cus0 = 0,2507 g Cu, 40 „ ” — 2811 Br > 0,2497 Rz 40 , R — Reli 40 „ iR = am, el, . Nach Volhard titriert — 0,2512 g Cu — 0,1196 g Zucker, —- (N NER. 2 ” ” ” — al, UND Mittel = 0,1196 g Zucker. Leber enthielt = 5,980°o Zucker, — 10,286 g Gesamtzucker. ” ” 2 ” ” 3. Versuch (DD). Hund wog zu Beginn des Versuches 12,520 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 8,820 kg, erhielt 50 g Dextrose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 292 g. 40 ecm Zuckerlösung — 0,2551 g Cu;0 — 0,2266 g Cu, 4 „ 2 — 05, tu „ Nach Volhard titriert = 0,2262 g Cu = 0,1070 g Zucker, — (Ver kr & ” ” 2” Mittel = 0,1073 g Zucker. Leber enthielt —= 5,365 °/o Zucker, — 15,666 g Gesamtzucker. 4. Versuch (MaMa). Hund wog zu Beginn des Versuchs 8,600 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 6,150 kg, erhielt 50 g Maltose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 159 g. 970, | i Hans Müurschhauser: 40 cem Zuckerlösung = 0,2470 g Cus0 — 0,2194 g Cu, A) 5 —-041lg „ =-01Bg „ Nach Volhard titriert = 0,2205 g Cu — 0,1041 g Zucker, — 02196 g „ — 0,107 5 , Mittel = 0.1039 g Zucker. Leber enthielt — 5,195 %% Zucker, — 8,260 g Gesamtzucker. ” ) 2 2 ” 5. Versuch (66). Hund wog zu Beginn des Versuches 7,020 kg, nach der 16 tägigen Hunger- periode 4,960 kg, erhielt 50 & Galaktose mit 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 145 g. 50 cem Zuckerlösung — 0,2375 g Cu;0 = 0,2110 g Cu, SV nl el t, = lab, Nach Volhard titriert = 0,2105 g Cu = 0,0991 g Zucker, — 0,2092 g „ —= 0,0985 g 5 Mittel — 0,0988 g Zucker. Leber enthielt = 3,952 °%o Zucker, — 95,130 g Gesamtzucker. N 2 n ” ” 6. Versuch (LL). Hund wog zu Beginn des Versuches 16,780 kg, nach der 16 tägigen Hunger- periode 14,080 kg, erhielt 50 g Lävulose mit 60 g’Fleisch. Gewicht der Leber 209g. 85 cem Zuckerlösung = 0,2378 g Cus0 —= 0,2112 g Cu, 8d=n ß — Wade 5 ee lei ge, Bon e —02391g „ = 0214 g-, Nach Volhard titriert = 0,2113 g Cu = 0,0995 g Zucker, = DR, el h Mittel — 0,0993 g Zucker. Leber enthielt —= 2,336 Yo Zucker, — 4,882 g Gesamtzucker. ” ” ” ” III. Reihe. Die Versuchstiere wurden nach achttägiger Fütterung 8 Stunden nach der letzten Mahlzeit getötet. | 1, Versuch (R.). Hund wog nach der l6tägigen Hungerperiode 3,290 kg, erhielt 8 Tage lang täglich 50 g Rohrzucker mit je 60 g Fleisch. Gewicht der Leber 169 g. 30 ccm Zuckerlösung — 0,4711 g Cus0 = 0,4185 g Cu, Sum N — 04625 „= 0ASIE 5 Nach Volhard titriert = 0,3923 g Cu = 0,1987 g Zucker, — AR. ERS ® Mi ” Sr) ” Mittel — 0,1992 g Zucker. Leber: enthielt = 13,282 Yo Zucker, 2 MR — 22,447 g. Gesamtzucker. ” ” Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 271 > Versuch (M3;).: Hund wog nach der 16 tägigen Hungerperiode 2,850 kg, erhielt 8 Tage lang täglich 50 g Milchzucker mit 60 g Fleisch. Lebergewicht 126 g. 50 ccm Zuckerlösung = 0,2871 g Cuz0 — 0,2550 g Cu, 50, x — VE „ =, Nach Volhard titriert = 0,2552 g Cu = 0,1217 g Zucker, 5 ; 0294000 ars R Mittel = 0,1215 g Zucker. Leber enthielt = 6,075 %/o Zucker, — 7,654 g Gesamtzucker. 7.92 2 3. Versuch (D;).' - Hund wog nach der 16tägigen Hungerperiode 2,810 kg, erhielt 8 Tage lang täglich 50 g Dextrose mit 60 g Fleisch. . Lebergewicht 163,2 g. ..40 ccm Zuckerlösung —= 0,5300 g Cus0 = 0,4708 g Cu, 40. „u n — le) VE, Nach Volhard titriert = 0,4616 g Cu = 0,2441 g Dr. — 0,4633 g „ = 0,2452 g 5 Mittel = 0,2446 g Zucker. Leber enthielt = 12,234 g Zucker, — 19,963 g Gesamtzucker. [2] 5) ” ” ” | IV. Reihe. Kontrollversuche. Die Tiere wurden nur mit Fleisch gefüttert und, 3 Stunden nachher getötet. 1. Versuch (F). Hund wog zu Beginn des Versuches 11,860 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 8,400 kg, erhielt 60 g Fleisch. Lebergewicht 263 g. 85 cem Zuckerlösung — 0,2133 g CusO —= 0,1895 g Cu, Se S — (De ee el 5 . Nach Volhard titriert —= 0,1900 g Cu = 0,0890 g Zucker, — 0, 1894 & „ = 0,0886 g RR ” n” e)] Mittel = 0,0883 g Zucker. Leber enthielt —= 2,089 °%/o Zucker, — 5,494 g Gesamtzucker. ” ” 2. Versuch (FF). Hund wog zu Beginn des Versuches 10,300 kg, nach der 16 tägigen Hunger- periode 8,020 kg, erhielt 60 g Fleisch. Lebergewicht 184,3 g. 85 ccm Zuckerlösung = 0,1816 g 00 —= 0,1613 g Cu, 85 — Wahear „e—= MORE 5 8, 5 — 101809 20 9 lol ce 85 — 0,1317 g-„ = Ql6läg, 212 Hans Murschhauser: Nach Volhard titriert = 0,1616 g Cu = 0,0749 g Zucker, — 0,1609 g „ = 0,0745 g 5 — Ver ER 4 — 0,1607 g „ = 0,0744 g e Mittel = 0,0746 g 3 Leber enthielt = 1,7557 °/o Zucker, — 8,236 g Gesamtzucker. ” ” V, Reihe. Die Versuchstiere wurden nach der Hungerperiode getötet. 1. Versuch (H). Hund wog zu Beginn des Versuches 14,570 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 11,500 kg. Lebergewicht 260 g. 85 ccm Zuckerlösung = 0,0796 g Cus0 = 0,0707 g Cu, 85 \ 00768 „ —0M0LE , Nach Volhard titriert = 0,0711 g Cu = 0,0305 g Zucker, 0) 2) „ = 00WMg „ = 0,0303 g bi) Mittel = 0,0304 g Zucker. Leber enthielt = 0,7152 %/o Zucker, — 1,859 g Gesamtzucker. ” ” 2. Versuch (H;). Hund wog zu Beginn des Versuches 6,600 kg, nach der 16tägigen Hunger- periode 5,230 kg. Lebergewicht 153 g. 85 ccm Zuckerlösung = 0,0096 g Cus0 — 0,0085 Cu — 0,00343 g Zucker, 85 „ 5 — 0,0109. , ZUNM, = .0,00393I% n Mittel = 0,00371 g Zucker. Leber enthielt = 0,0983 Yo Zucker, — 0,150 g Gesamtzucker. ” ” Wie aus den Protokollen und Tabellen ersichtlich, haben unsere Untersuchungen im allgemeinen die Resultate früherer Arbeiten be- stätigt. Während aber bisher nur geringe Ausschläge erzielt wurden, erhielten wir bei Fütterung von 50 g Zucker in maximo 22,3 g Glykogen in der Leber. Wir sind deshalb in der Lage, uns über die Verwertung der verschiedenen Kohlehydrate im tierischen Organismus ein klares Urteil zu verschaffen. Und da wir, was in früheren Arbeiten nicht in genügender Weise berücksichtigt wurde, durchwegs absolut gleiche Versuchsbedingungen eingehalten, dürften wir unsere Zahlen als wahre Vergleichswerte für die Ausnutzung der verschiedenen Kohlehydrate anzusprechen berechtigt sein. Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 273 de slE‘c Leg‘, BaeHL gEg‘6 ze u9soy4ls -JWRSOH) uodoyKLg yRyJua aogqorT e88F 988.7 &660°0 | a \ 0°%8 0'%2 0'603 TI a Go at 86080 \ k : a 0EL'S 356% 88600 c0120 0°08 0'%8 0 99 0938 S6L‘G GEOT‘O { en \ 007 0'02 0'68T CN eK ‘ ? anna 71820 ‘ ( f 999°GT cgg'G ELOTO { 29220 \ 0'0F 0'°2 0'868 ad 98801 086'< 96LT'O { O \ 007 0'°8 0'Z11 NM [4 4 [4 ara (3 [4 [4 80291 108% O9LTO 'CHr50 0°0F 0'0Z 0'885 yuı gEr3‘0 "I OII9q4eL k t N 20130 As “2 ı 1eF‘91 019°9 16600 a 008 0'0g 0'678 7 ‘ syieı f 19130 ‘ ‘ Berg east 080% 9TOT‘O SHE 0°0F 0'823 0761 9 oLT8 087% SOTTO en 0.08 0° G’esI Can 27650 0885 109° EIFTO 13630 008 0'°7 0'°68 a 01680 ( ( ı E7680 Mi Ya) cart £68'9 IIFTO En 004 23 0'8T1 IN [4 [4 (n 9L8Y0 [4 [4 [4 gEg‘@T IKaaıyı 06820) ZL87°0 009 0‘ 0087 M 0L8F°0 66666 m 3 3 Bv 3 3 wo) 3 3 aayanz Junuy91laz Auesan) 19yonZ [PPIN ng uppuny | Sunwurgsoq dogorT heran unuyat JONOnZ -98 UONBALL, -IaNOnZ Sunwwtgsog le -91 Ieyyuo dagorT puogoaadsyurg wanq anz nz HPHAD m "I SII9qeL rent 0T60°0 0sT‘0 £860'0 2E00'0 { an } 0'68 28'%8 o’esT 7 Eau 0899°0 68T 3s720 0800 2010,0 0'°8 0'62 0.098 "7 oo | "A 91119948 L £ 2091.0 666% 1892 gez'E LSch“T 97100 I 0'08 0'°7 o'F8I Ge: = 9T9IT‘O E £60°% gE6T 129 3680°% 88800 { De \ 0'68 0'0z 0'897 I = "AI S9TI94% L ? = e0G'8T GEE TI E96/6L rad Ipr20 5697 0 0‘0F 0'0z z’egT sq 9TIFO 2 S 4 N N f i 97780 f f c 8 En 960°, 1896 091 OR) SIgT0 { an 0°08 0°03 0'981 IN 80803 EIE'ZI add BSZ'EL 2661°0 cr68 0 0'08 0'3 0'697 sy 6668 0 Sr. 0/o 3 Yo. 3 3 99 3 3 u9soy4]s ee a9yonz E BN 9) & A9YOnZ PYIN ng u9punJos 2 a9qo’T SunuypTyz Zn De) aoyanZz UOTYEAHLT, Zunuungad Sunwwugsag | I op -91 yeyguo a9gqory yfeygua dogqerf puoypaadsIyum wpandl 707, RUUW/ ale) 274 Il oIT94® L Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung etc. 275 Was nun zunächst die Versuche betrifft, bei denen wir die Tiere 8 bzw. 16 Stunden nach der einmaligen Fütterung töteten, so sind die Resultate mit denen von Otto und Külz nicht zu vergleichen, da beide Autoren mit anderen und wechselnden Versuchsbedingungen gearbeitet haben. So unterwarf beispielsweise Otto seine Versuchs- tiere einer nur vier- bis fünftägigen, Külz einer sechstägigen Hunger- periode, so tötete Otto 7!/s, 8, 8!/a und 9 Stunden, Külz 12 Stunden nach der Fütterung, und schliesslich fütterten beide Autoren wechselnde Mengen von Kohlehydraten. Nur darin besteht eine Übereinstimmung der Ergebnisse, dass Rohrzucker, Dextrose und Lävulose in erster - Linie als Glykogenbildner in Betracht kommen. Bei der Maltose ist die Fähigkeit des Organismus bzw. der Leber zur Glykogenbildung wesentlich abgeschwächt. Im Gegen- satz zu Külz und Otto konnten wir konstatieren, dass auch Milch- zucker und Galaktose Glykogenbildner sind, wenn auch in geringerem Maasse als die übrigen Zuckerarten, Wir wissen aus den Unter- suchungen Grube’s, dass die Leber nur aus den Monosacchariden direkt Glykogen bildet, während die Disaccharide erst durch die Darmfermente gespalten werden müssen. Warum Külz und Otto bei Milchzucker negative Resultate erhalten haben, erklärt sich aus den Feststellungen Weinland’s!, der zeigte, dass das Milchzucker spaltende Ferment, die Laktase, nur bei denjenigen Tieren vor- kommt, deren Nahrung für gewöhnlich Milchzucker enthält, also bei jungen Säugetieren. Külz hat aber mit Hühnern und Tauben, Otto mit Hühnern und Kaninchen gearbeitet; daher der negative Ausfail ihrer Versuche. Für den nichtsaugenden Hund hat Wein- land bekanntlich die Tatsache des Anpassungsvermögens der Ver- dauungsenzyme an die Natur der Nahrung ermittelt. Damit ist auch erklärt, warum wir bei unseren Hunden positive Werte erhielten. Die Beobachtung, dass Milchzucker bei Hunden Glykogen bildet, ist also schon von Weinland gemacht worden; auch Kausch und Socin und ferner Cremer haben positive Ausschläge erhalten ; ihre Versuche gelten aber nach Pflüger als nicht beweisend, da Versuchsfehler vorlagen. Um uns zum Schlusse ein Bild über die Verwertung der ver- schiedenen Zuckerarten und den Einfluss der Zeit auf die gebildete 1) E. Weinland, Beiträge zur Frage nach dem Verhalten des Milchzuckers im Körper, besonders im Darm. München 1899. oa 3 ’ D7Ge Hans Murschhauser: Glykogenmenge zu machen, stellen wir die Verhältniszahlen einander gegenüber. Setzen wir den im Kontrollversuch F für Gesamt- glykogen 8 Stunden nach der Fütterung gefundenen Wert 5,093 —= 1, so verhalten sich die für die einzelnen Zuckerarten gefundenen Glykogenwerte: I Rohrzucken naar. 2.0 125 Milehzucker# 2: pas ua 25 Dextrose' 7 „lassen, use. 12406 +Maltose: in ns va ad, Galaktosein 2 Seas ld Tayulose: vi ee Kontrollen a a. ao Nehmen wir ferner den im Kontrollversuch FF 16 Stunden nach der Fleischfütterung gefundenen Wert 2,999 als Grundlage für die Resultate der 2. Versuchsreihe —= 1 an, so verhalten sich die für die einzelnen Zuckerarten gefundenen Glykogenwerte: II. Rohrzuckerz eng a ae Milchzuckern ee ne an Dextrosei. ernennt Maltose., 2 ro Galaktoser er ee TLäyulose Aare le Kontrollen. nn nee 800 Für die achttägigen Fütterungsversuche ergibt sich unter Ver- wertung von F=1. II. Rohrzucken DI ae ned Milchzucker a nn a oe at Dextrose, ae ler Aue Aero Kontrolles#, mean. er. ie‘ Beim Vergleich der Verhältniszahlen von I und II fällt vor allem auf, dass die Gesamtglykogenmenge der Leber 16 Stunden nach der Fütterung bei fast allen Zuckerarten wesentlich höher ist als 3 Stunden nach derselben. Besonders stark tritt uns dieser Unterschied bei den Disacchariden und namentlich beim Milchzucker entgegen. Die Zunahme beträgt für Rohrzucker 82 %o, für Milch- Über die Ausnutzung der verschied. Zuckerarten zur Glykogenbildung ete. 377 zucker 135 %o, für Maltose 73 °%o, während sie für Dextrose nur 19 % beträgt. Ganz im Gegensatz hierzu steht das Verhältnis der für Lävulose 8 bzw. 16 Stunden nach der Fütterung gefundenen Glykogenwerte; denn hier begegnen wir einer Abnahme von 49 o. Der Einfluss der achttägigen Fütterung ist aus III ersichtlich. Beim Vergieich mit I lässt sich konstatieren, dass fortgesetzte Fütterung mit Rohrzucker eine Vermehrung des Lebergelykogens be- wirkt hat, eine Erscheinung, die für Milchzucker und Dextrose unter denselben Verhältnissen nicht eintrat. Beim Abschluss vorliegender Arbeit sei es mir gestattet, Herrn Professor Dr. Schlossmann für die Anregung zu derselben sowie für Überlassung des reichlichen Materials auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 19 278 Wissenschaftliches Institut „A. MOSSO®:. ı auf. dem Mont Rosa. Am 15. Juli erfolgt die Eröffnung des Wissenschaftlichen Institutes „ANGELO MossoO“ auf dem Monte Rosa (Col d’Olen, 3000 m., und Capanna Regina Margherita, 4560 m.). Wer auf einen Arbeitsplatz reflektiert, wende sich gefälligst vor dem 1.ten Juli an Herrn Dr. A. AGGAZZOTTI, Direktor des Institutes (Corso Raffaello, 30, TURIN, Italien), mit der Angabe der Untersuchungen, die er auf dem Monte Rosa auszuführen wünscht, sowie der Zeit, die er im Institute zu ver- bringen gedenkt. Jede Bewerbung um einen Arbeitsplatz muß von der Genehmigung der Regierung oder des Institutes, die über die Plätze verfügen, begleitet sein. Die vorhandenen Arbeitsplätze sind 19, und zwar stehen davon 5 Italien, 3 Belgien (Universit& libre de Bruxelles), je 2 Deutsch- land (Reichsamt des Inneren), England (Royal Society), Frank- - reich (Min. de I’Instr. Pub.), Österreich (Unterrichtsministerium) und Schweiz (Eidgen. Regierung), je 1 Amerika (Akad. d. Wissen- schaft, Washington) und Holland (Unterrichtsministerium) zur Verfügung. Das wissenschaftliche Institut auf dem Mont Rosa besteht aus der physiologischen, zoologischen, botanischen, bakterio- logischen und physikalischen Abteilung. Zu weiteren Aufschlüssen ist der Direktor des Institutes jederzeit gern bereit. 279 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig.) Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln nach Unter- suchungen an der Schildkröte. Von Privatdozent Dr. med. Rudelf Dittler, Assistent am physiologischen Institut, und Dr. med. Soroku Oinuma (Tokio). (Mit 2 Textfiguren und Tafel I—IV.) I. Aus den Untersuchungen einer Reihe älterer Autoren [Marey), Ranvier?), Cash?) u. a.] ist es bekannt, dass in der Zuckungs- dauer der quergestreiften Muskeln schon ein und desselben Tieres bedeutende Differenzen bestehen, welche man, beiläufig bemerkt, auf den verschiedenen Gehalt der Muskeln an undifferenziertem Sarko- plasma bezogen hat. Natürlich reichen, wie von Kronecker und Stirling*) überdies experimentell nachgewiesen wurde, bei träge reagierenden Muskeln zur Erzeugung eines vollkommenen Tetanus periodische Reize von geringerer Frequenz aus als bei rascher reacierenden Muskeln. Diese Tatsache liess es von vorn- herein als naheliegend erscheinen, dass träge Muskeln in analoger Weise auch in Fällen, in denen sie einen kontinuierlichen Reiz mit einer (nach ihrem mechanischen Ausdruck) stetigen Dauererregung beantworten, in der Zeiteinheit eine entsprechend geringere Zahl von Einzelerregungen in ihrem Aktionsstrom aufweisen würden, d.h. dass ihr autonomer Muskelrhythmus eine längere 1) Marey, Mouvement dans les fonctions de la vie p. 382. Paris 1868. 2) Ranvier, Arch. de Physiol. norm. et path. t.6 p.5. 1874. 8) Cash, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1880 Suppl. S. 147. 4) Kronecker und Stirling, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878 8.1. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139, 20 280 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: Periode besitzt als derjenige ganz gleich behandelter rasch re- agierender Muskeln. Die Ergebnisse, zu denen wir bei einer experimentellen Prüfung dieser Verhältnisse gelangten, haben die genannte Überlegung ge- rechtfertigt. Als träge reagierende Muskeln wurden der Omohyoi- deus und der Retractor ceapitis et colli der Sumpf- sehildkröte (Eınmys europaea), die wegen ihres fast streng parallel- faserigen Verlaufes für unsere Zwecke besonders geeignet waren, auf ihren Eigenrhythmus untersucht und zum Vereleich die Er- gebnisse herangezogen, die seinerzeit von Garten), Buchanan?) und Dittler und Tiehmirow?°), zum grossen Teil unter genau denselben Versuchsbedingungen, am rascher reagierenden Sartorius des Frosches gewonnen worden waren. Entsprechende Befunde hatte übrigens gelegentlich schon Buchanan*) an verschieden rasch reagierenden Froschmuskeln erhoben. Aber eine systematische Behandlung der Frage lag bis jetzt nicht vor. Vor allem stand gerade für die ganz besonders träge reagierenden Schildkrötenmuskeln eine entsprechende Untersuchung noch aus. . Die Werte, die von Cash für die Zuckungsdauer des Omo- hyoideus und des Retraetor capitis der Schildkröte angegeben werden, betragen 0,5 und 0,75 Sekunden gegenüber ea. 0,1 Sekunde der meisten unter denselben äusseren Bedingungen von ihm untersuchten flinken Froschmuskeln. Den Sartorius des Frosches hat er offenbar nieht in den Bereich seiner vergleichenden Untersuchung gezogen. Doch geht aus den Angaben Babkin’s°’) hervor, dass dieser Muskel trotz seines verhältuismässig hohen Gehaltes an sarkoplasmareichen Fasern®) annähernd dieselbe Zuckunesdauer besitzt wie die von Cash untersuchten flinken Froschmuskeln. Babkin fand für das Verhältnis der Gipfelzeiten des Sartorius und des trägeren Hyo- glossus des Frosches etwa 4:7, und nach Cash ist das Verhältnis der Zuckungsdauer des Gastroenemius und des Hyoglossus durch- sehnittlich 1:2. Ein absolutes und sicheres Mass für die Grösse der Reaktionsgeschwindigkeit, die dem Gewebe jedes der beiden 1) Garten, Kgl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. 26. 1901. 2) Buchanan, Journ. of Physiol. vol. 27 p. 95. 1901. 3) Dittler und Tichomirow, Pflüger’s Arch. Bd. 125 S. 111. 1908. 4) Buchanan, Quartely Journ. of experiment. Physiol. vol. 1 Nr. 3. 1908. 5) Babkin, Pflüger’s Arch. Bd. 125 S. 595. 1908. 6) Bonhöffer, Ptlüger’s Arch. Bd. 47 8.125. 1889. Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 381 Muskeltypen als solchem tatsächlich zukommt und es dem anderen gegenüber unterscheidet, liesse sich aus den angeführten Werten, da sie sich auf Längenkurven der Muskeln beziehen, freilich nur gewinnen, wenn die Muskellänge und die Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Erregung eleichzeitig berücksichtigt worden wäre, oder noch besser, wenn ihnen überhaupt eine Verzeichnung der Dicken- änderung der Muskeln zugrunde läge. Dies ist bisher von den meisten Forschern übersehen worden. Nur Ranvier hat (mit der „Pinece myographique“ aufgenommene) Dickenkurven der verschiedenen Muskelarten dem Vergleich unterworfen. Zur Erzeugung einer Dauererregung, bei welcher nach den vor- liegenden Erfahrungen der Eigenrhythmus des Muskels in: reiner Form erkennbar wird, durchströmten wir einen Teil des Muskels mit dem konstanten Strom. Als Stromquelle diente eine kleine Akkumulatorenbatterie von 5—7 Zellen. Der zur Untersuchung häufiger benützte Musculus omohyoideus wurde im Zusammenhang mit den Knocher, an denen er inseriert, im ganzen herausgeschnitten und, das Kopfende nach oben, an den zwei Metallarmen eines Muskelhalters unter mässiger Anspannung fixiert; er arbeitete also isometrisch.” Dadurch waren Elektrodenverschiebungen beim Er- regungsablauf im Muskel ausgeschlossen. Der Reizstrom wurde durch ringergetränkte Baumwollfäden von unpolarisierbaren Elek- troden aus zugeleitet und durchsetzte den oberen Teil des Muskels auf einer Strecke von 2—93,5 em, und zwar stets in absteigender Richtung. Vom unteren Teil wurde mit etwa ebenso grosser Galvanometerstrecke entweder von zwei funktionstüchtigen Stellen der Muskeloberfläche oder von Längs- und thermischem Querschnitt zum erossen Saitengalvanometer abgeleitet. Sowohl die Reiz- wie die Ableitungselektroden (Baumwollfäden) umfassten den Muskel von allen Seiten. Der Musculus retractor capitis et colli wurde an seiner kaudalen Insertionsstelle, wo er mit dem Rückenschild des Tieres verwachsen ist, zumeist nicht abgeschnitten, sondern nach Ausräumung der ge- samten Eingeweide sowie Entfernung der Extremitäten zwischen dem Arm eines Muskeihalters und dem auf seiner Unterlage fixierten Schilde ausgespannt. Im übrigen wurde er genau wie der Omo- hyoideus behandelt, nur wurde bei seiner enormen Länge, die oft bis zu 20 em betrug, sowohl Reiz- wie Ableitungsstrecke meist etwas grösser gewählt. Die Zwischenstrecke schwankte bei beiden Muskeln 20 * 239 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: stets zwischen 1,5 und 2,5 em. Die Schildkröten wurden vor der Präparation in mehreren Fällen euraresiert; gewöhnlich jedoch sahen wir hiervon ab und untersuchten die Muskeln, ohne die Nerven aus- geschaltet zu haben. Ein Unterschied in der Reaktion liess sich bei den beiden Behandlungsweisen nicht feststellen. Der Länesquerschnittstrom, der beim Schildkrötenmuskel bis zu °Yıooo Daniel und mehr beträgt, sowie etwa vorhandene Elektrodenströme wurden in der üblichen Weise kompensiert. Entsprechend der grossen Stärke der Aktionsströme genügte zur Erzeusung des magnetischen Feldes im Galvanometer eine Strom- stärke von 1—2 Ampere. Wie aus den Aichungskurven zu ersehen ist, reagierte die Saite infolge ihrer erheblichen Spannung dabei äusserst rasch. Da ihre Einstellung trotzdem streng aperiodisch erfolete, so konnten wir von der Einführung einer Nebenschliessung zur Saite oder eines Kondensators in den Galvanometerkreis (Ein- thoven) absehen. Bei der photographischen Registrierung der Aktionsströme, die wir mit dem Gremer’schen Fallapparat vornahmen, bedienten wir uns zur Markierung des Reizmomentes (Moment des Stromschlusses) des von Garten angegebenen Reizkontaktapparates !). : Auf eine optische Verzeiehnung von Ordinaten nach der Episko- tistermethode haben wir verzichtet, weil wir fürchteten, bei der meist benutzten eeringen Fallgeschwindigkeit der photographischen Platte und dem dadurch bedingten steilen Verlauf der Aktionsstrom- kurven könnten hierdurch eventuell Feinheiten in den Kurvenbildern ‘verdeckt werden. Bei der Auszählung der Kurven halfen wir uns über ihr Fehlen in der Weise hinweg, dass wir die Negative mittels eines Projektionsapparates in stark vergrössertem Massstabe gleich- zeitig mit einem System senkrecht stehender paralleler Linien von genau gleichem gegenseitigen Abstand auf einen Schirm projizierten. Durch die auf jeder Platte mitverzeichneten Schwingungen einer Stimmgabel von 60 Schwingungen konnte der Zeitwert dieser nach- träglich eingefügten Ordinaten für jeden Fall in einfacher Weise ermittelt und die Periode der Aktionsströme darnach bestimmt werden. Wir rechneten dabei von Wellenberg zu Wellenberg der Originalkurven ?), sind uns aber bewusst, dass dieselben zum Zweck l) Garten, Sächs. Gesellsch. d. Wissensch, Bd. 26. 1909. 2) Bei diesen Versuchen mit einfacher Durchströmung des Muskels hätten wir bei der Auszählung der Kurven wohl ebenso gut von Wellental zu Wellental Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmnskeln etc. 283 einer ganz einwandfreien Bestimmung der Zeit, die zwischen den Maximis zweier aufeinanderfolgender Aktionsstromwellen verstreicht, streng genommen einer Analyse an der Hand von Aichungskurven hätten unterworfen werden müssen. Wir sahen hiervon ab, weil kleine Fehler in der Kurvenberechnune, wie aus dem folgenden er- sichtlich werden wird, für unsere Zwecke nicht in Betracht kommen, und die Schlüsse, die wir aus den Kurven ziehen, auch ohne Analyse genügend gesichert erscheinen. Die Reaktionsweise der beiden von uns untersuchten Schild- krötenmuskeln ist insofern dieselbe, wie sie beim Frosch- und Säugetierskelettmuskel zefunden wurde, als der absteigende kon- stante Strom eine ganze Reihe einzelner Erregungen in ihnen hervor- ruft, die sich in mehr oder weniger streng rhythmischer Folge von der Reizstelle (Kathode) aus über den Muskel hin fortpflanzen (vergl. die Kurven der Tafel I). Nach Ablauf einer gewissen An- zahl elatter Wellen zeigt die Aktionsstromkurve des frischen Muskels (ähnlich wie jene des Froschmuskels) wohl infolge einer Interferenz !) der gleichzeitig an Stärke abnehmenden einzelnen Faserströme dann einen unregelmässigeren Verlauf, ohne dass die Erregung im ganzen deshalb besonders steil abzufallen oder gar ganz aufzuhören brauchte?). Letzteres kommt überhaupt nur an schlecht reagieren- den oder zuvor schon wiederholt durcehströmten Muskeln vor. Die rechnen können. Wir hätten auch hierbei nur den durch die Trägheit der Saite bedingten Fehler mit in Kauf zu nehmen gehabt. Aber mit Rücksicht auf die später zu erwähnenden Versuche mit Doppelreizung, bei denen der Beginn der neuen Reaktion oft nicht erst am tiefsten Punkte des Wellentals nachweisbar wird, schien es uns geratener, gleich von vornherein eine auch dort noch brauch- bare Methode der Auszählung zu benutzen. .1) Dieses Interferieren geht mit seinen ersten Anfängen gewiss schon in das Bereich der glatten Wellen zurück und ist wahrscheinlich für den raschen Abfall der Höhe wenigstens der späteren glatten Zacken zum Teil mit ver- antwortlich zu machen. Aber für die ersten 3 bis 4 Zacken kann dies bei gut reagierenden Muskeln, die uns durchschnittlich die doppelte Zahl ganz regelmässiger Zacken und mehr lieferten, wenn überhaupt, so doch nur in äusserst be- schränktem Masse in Betracht kommen, denn eine Phasenverschiebung der Erregungen in den Einzelfasern hätte sich in den im zweiten Teil der Arbeit mitgeteilten Versuchen in charakteristischer Weise äussern müssen. 2) Als Ausdruck der fortdauernden Erregung sahen wir hierbei die nach Ablauf der glatten Wellen bestehenbleibende Ablenkung der Saite aus der Ruhe- lage an. Diese Ablenkung kann nämlich nur zu einem Teile als eine dauernde Negativität betrachtet werden, wie sie oft auch schon nach Ablauf einzelner 284 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: Zahl ganz oelatter Wellen mit deutlich ausgeprägter Periode ist bei den von uns untersuchten Schildkrötenmuskeln aber meist sehr hoch; überhaupt besitzt der ganze Reaktionsverlauf'im Vergleich zu dem des Froschsartorius eine bemerkenswerte Regelmässigkeit, die vielleicht auf einen relativ homogenen Aufbau der Schildkrötenmuskeln aus lauter gleichartigen Einzelfasern bezogen werden kann. Aus dem durchschnittlichen Gipfelabstand zweier benachbarter Wellen berechnet sich für die Schildkrötenmuskeln eine Periode von 26—32 o. Dabei sind allerdings nur die in den Monaten Februar. März und April gewonnenen Kurven berücksichtigt. Bei den Versuchen im Mai und Juni erhielten wir unter ganz denselben Bedingungen Durchschnittswerte von 16—22 o. Das allmähliche Kürzerwerden der Muskelperiode beim Übergang von den Winter- in die Sommermonate, das auch beim Frosche schon beobachtet wurde!), ist aus den in Tabelle I zusammengestellten Werten un- mittelbar zu ersehen. Die diesen Werten zugrunde liegender Kurven wurden alle an frisch präparierten, zuvor noch nicht durchströmten Muskeln bei einer Zimmer- (und wohl auch Muskel-)Temperatur von 19°—21° C. aufgenommen. So auffallend hohe Periodenwerte wie die der Muskeln 9 und 12 wurden bei der Durchschnitts- berechnung weggelassen, da sie ganz aus der Reihe der übrigen herausfallen. Da die genannten Muskeln, wie die von ihnen ge- wonnenen Aktionsstromkurven lehren, eine überhaupt recht mangel- hafte Reaktion zeigten, ist zu vermuten, dass sie bei der Präparation nicht ganz unbeschädigt geblieben waren oder von schlecht ernährten oder kranken Tieren stammten. Gegenüber der Periode des Froschsartorius, die von Garten?) für Frühjahrsfrösche zu ea. 10 o, von Dittler und Tichomirow°) bei einer Temperatur von 16° für Winterfrösche im Durchschnitt zu 16 o, für Sommerfrösche zu 8S—9 o gefunden wurde, ergibt sich also für die trägen Schildkrötenmuskeln eine wesentlich längere Aktionsströme zur Beobachtung kommt, denn sie ging mit Unterbrechung des Reizstromes meist bis auf einen geringen Restbetrag zurück. Auch lehren die In- spektion sowie die in einigen Versuchen ausgeführte gleichzeitige Verzeichnung der Kontraktionskurven, dass der frische Schildkrötenmuskel während der ganzen Zeit der Durchströmung (wenn auch mit stets abnehmender Stärke) tetanisch kontrahiert bleibt. 1) Dittler und Tichomirow, a. a. O. S. 117. 2) Garten, a. a. ©. 3) Dittier und Tichomirow, a. a. O. S. 121. 285 Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. ö : 9 06T | SE 18 ce "STE STB "STE le ee ur susqenoy = 9 0/61 0.03 1a ‘C'es '8T 08 'SI SI 8 m, wa snapro4gowg : L 067 | ET 8'818 18 "IS 'S'6L 'C‘08 01 [8 Is | '8I ee 9 | ar || dr aa ara aa | ae | 5 = 9 008 | 61 GET "OL TC6L "CL ai nn, N au I snaproAyoug > S 06T | 8% 1a ce Era re | SCI | ° mdv ae (g Ba oupıS) \ & 9 || OR I Re ee ae are | “| 8 | dar | 88 Be | in |: © lan suogenoy 061 | GL Gar Le Co G ; yosısegd] | 9 08 | 08 g08 68 <'98 'C'98 ae : x g cst | 088 ‘E68 'ca '08 'C@ '08 ar Im a U ‘ yasisegdg | © gsl 0.17 u a a ei : er . \ “ 9 003 073 R . R ‘72 ın‘ D O 5 yosısegdi| Z 0,81 0.68 re ie ee en “ gosssegdg | L 08T | SIE 88 ER 'T0E 'C/08 CE I |o., zeww'e | ‘9 \ [ [4 “. [1 ° snoproAyourg, ; 9 018 | 210 a oe | En Re Ba | göng se) suoyenoy 5 9 06T | 068 | Tas 63 68 Car '66 60 60 Sea 'CCa SET , wonzezi| >7 : gostsegd] | 9 06T | Minuten, meist unter jedesmaliger zeitlicher Ver- schiebung des Extrareizes, mehrere Doppelreizungen vorgenommen. Dabei blieb die Grösse der Reiz-, Zwischen- und Ableitungsstrecke natürlich unverändert. Wie früher, wurde auch hierbei die Luft- temperatur in nächster Nähe des Muskels beobachtet. Um gleich- zeitig die Reaktionsweise des Muskels auf einfache Schliessung des Kettenstromes sowie auf isolierte Einwirkung des einzelnen Induktions- schlages zu kennen, wurden zwischen die Doppelreizungen immer einfache Reizungen von beiderlei Art zwischengeschaltet. Eine unter möglichst entsprechenden Bedingungen für den Muskel vorgenommene Kontrollreizung mit dem einfachen Induktionsschlag war ja schon wegen der genauen Ermittlung des Momentes unentbehrlich, in welchem die Wirkung des Extrareizes in der Doppelreizkurve zu erwarten war. Da wir auch bei allen diesen Versuchen auf eine Ver- zeichnung von Ordinaten verzichteten, wurde die zeitliche Ausmessung der Kurven wieder in der oben geschilderten Weise vorgenommen. Natürlich musste der Extrareiz bei den Doppelreizversuchen angebracht werden, solange die Aktionsströme der einzelnen Muskel- fasern noch auf Phasengleichheit eingestellt waren und die einzelnen Wellen der abgeleiteten Kurve einen absolut glatten Verlauf zeiten. Denn nur unter dieser Bedingung konnten einheitliche und eindeutige Resultate erwartet und Täuschungen vermieden werden. Um in dieser Beziehung ganz sicher zu gehen, beschränkten wir uns bei dieser Versuchsreihe auf eine Verschiebung des Extra- reizes innerhalb der ersten drei oder vier, bei sehr leistungsfähigen Muskeln ausnahmsweise auch einmal der ersten fünf Aktionsstrom- wellen und verarbeiteten ausschliesslich jene Muskeln, deren Aktions- stromkurven bei einfacher Schliessung des Kettenstromes mindestens Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 9399 die doppelte Zahl ganz glatter Wellen aufwies. Kurven, welche nicht auch nach der Einwirkung des Fxtrareizes noch ganz regel- mässig weiterverliefen, wurden bei der Verarbeitung der Versuchs- ergebnisse selbstverständlich ebenfalls ausser Betracht gelassen. Dass die unter diesen Einschränkungen brauchbaren Doppelreizkurven weder bei auf- noch bei absteigender !) Superposition des Fxtrareizes segenüber den bei einfacher Durchströmung gewonnenen eine Ver- grösserung der Zahl der glatten Aktionsstromwellen aufwiesen, scheint uns übrigens auch dafür zu sprechen, dass eine Phasenverschiebung der Einzelerregungen innerhalb der für uns in Frage kommenden ersten Zacken nicht vorhanden war. Wie beiläufig bemerkt sei, sind uns Unterschiede irgendwelcher Art im Verhalten des Muskels gegenüber dem Extrareiz bei Verschiebung desselben innerhalb der genannten Grenzen bis jetzt nicht aufgefallen. Wurde sowohl der Kettenstrom als der auf ihn superponierte Induktionsschlag so stark gewählt, dass jeder für sich den Muskel maximal erregte, so erhielten wir unter den genannten Kautelen bei einer grossen Reihe von Interpolationsversuchen ganz eindeutig folgendes Ergebnis: Trifft der Extrareiz den Muskel im absteigenden Teil einer seiner periodischen Aktionsstromwellen !), so bewirkt er eine nach der sonstigen Rkythmik der Erregung vorzeitige Extraerregung. Es braucht also nicht unbedingt die bei alleiniger Einwirkung eines konstanten Stromes zwischen zwei Erregungen vom Muskel eingehaltene Zeit ver- strichen zu sein, bevor er von neuem in Erregung geraten kann. Im aufsteigenden Teil einer Aktionsstromwelle!) bleibt dagegen auch der stärkste Öffnungsinduktionsschlag vollkommen unwirksam. In dieser Phase seiner Tätigkeit verhält sich der Muskel also absolut refraktär. Weder die gerade ablaufende Welle noch eine der folgenden fällt nach ihrem zeitlichen Eintritt, ihrer Dauer oder Amplitude aus der gesamten Reihe der auftretenden Aktionsstromwellen irgendwie heraus, kurz, die Reaktion verläuft in diesem Falle ganz in der Weise weiter, wie sie verlaufen wäre, wenn der Muskel einfach mit dem konstanten Strom gereizt worden wäre. Dies ist sowohl aus 1) Wir sprechen im folgenden der Kürze halber einfach von „aufsteigender“ und „absteigender“ Interpolation oder Superposition des Extrareizes, je nachdem er in den „steigenden“ oder „sinkenden“ Teil (Helmholtz) einer Einzel- erregung fällt. 390 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: der einzelnen Summationskurve selbst als aus einem Vergleich mit den vorher und nachher bei einfacher Durchströmung aufgenommenen Kurven mit Sicherheit zu entscheiden. Ein wirksamer Extrareiz müsste sich in einer Vergrösserung und wohl auch in einer mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Verspätung des Gipfels der gerade ablaufenden Aktionsstromwelle äussern. | Ist (bei absteigender Superposition) der Interpolationsreiz wirk- sam und von einer vorzeitigen Erregungswelle („Extraerregung“) gefolgt, so geht die Reihe der rhythinischen Erregungen, vom Gipfel der Extraerregung an gerechnet, wieder im ursprünglichen, dem Muskel eigentümlichen Rhythmus weiter. Alle folgenden Erregungen erscheinen also nicht zu der Zeit, zu welcher sie erschienen wären, wenn der Extrareiz nicht interpoliert worden wäre, sondern sie treten um so viel verspätet ein, als der zeitliche Abstand der Extraerregung von der nächst vorhergehenden ordnungsgemässen rhythmischen Er- regungswelle beträgt. Eine Ausnahme von diesem Verhalten ist uns nicht zu Gesicht gekommen, mochte sich die Extrazacke fast un- mittelbar an den Gipfel der ihr vorangehenden rhythmischen Zacke anschliessen oder erst kurz vor dem Momente eintreten, in dem die nächstfolgende periodische Erregungswelle ihren Anfang genommen hätte. In einigen, aber sehr seltenen Fällen verlief die Reihe von Erresungen nach Eintritt der Extraerregung überhaupt nicht mehr deutlich geordnet weiter. Aus solchen Kurven ist in der fraglichen Richtung natürlich gar nichts zu entnehmen. Sowohl die soeben besprochene Gesetzmässigkeit als die prin- zipielle Tatsache, dass aufsteigende Interpolation den Verlauf der periodischen Muskelaktion keinesfalls stört, während durch absteigende eine vorzeitige Erregung ausgelöst wird, sind aus den in neben- 1) Wenn man den Kettenstrom und den als Extrareiz wirkenden Induktions- schlag nicht von denselben Elektroden aus zuleitete, sondern den letzteren irgendwo zwischen der Kathode des Kettenstromes und der nächstgelegenen Ableitungselektrode am Muskel anbrächte, so müssten sich künstlich Verhältnisse schaffen lassen, wie sie beim spontan schlagenden Herzen nach Extrareizung des Ventrikels vorliegen. Denn da die Extraerregung in diesem Falle (genau wie beim Herzen) der nächstfolgenden ordnungsgemässen rhytmischen Erregungswelle begegnete und sie vernichtete, so müsste es an der Ableitungsstelle im Anschluss an eine superponierte Nebenzacke zum Auftreten einer kompensatorischen Pause kommen. Die experimentelle Erledigung dieser Frage haben wir bereits in An- griff genommen. sol Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. "spo7Jd1H UHPU9S[0F 97a 7 wop Sop pweIsqy UP ne ydIs u9y9LZog- 9719 MM UONNONIPEFNaF au (Z Jougorszaq °y pun !y *o To spe fuapana Iyonsıoun aIs A9p ur ‘9S]oJuOyTOY A9p UT UHPIOM SOAOHTeNay pun ToproAyowg, uoproq arcy (I Iyorz sylozıoa | qe LEE SEE OLE 6 IT 8ER LE "86 as 2 caal..8e wesy.rmun uw 98 0'208 '0'°2 Ic IE 'E6L ECT ea en oyaez aarozıoa | Ar iu "dien "Tre ‘Co Ts TIL E08 608 IST Bee el Or GL ALT m 208 Ss Sog | wesyumun me "03 'c'08 '<'08 EL SL 06T SL FIT HL FIN as 290% ln \ a | do Rare ee | ne wesy.TMun me 706 708 708 vos 708 SIT SIT 'EIL ae ee (682 °S TEA) "Modena uaqo « « I ‘ N ale st RL ER I « Gr: E yoru soworgsztayg Sop opoyyey \ SE) 6IE 6IE 6IE IL LE 8 TER 'C6L Sol (0) $) el | cs aIlp HApına oumTumy A9p AOA = FNTOZIOA qr zrE IC Ze "zIE °C ‘0E D sel 8.60 TEZ G6I 10) G «c 4 I I [Pu adıyraz. 18 E08 6 "TEZ 8 sL] 1@ Be se 318 0008 008 900 878 'G6L 0.18 a 08 saunat \ Car die ER SR oa arg | oO a2 | ONdez aaılo2101 | AR se 'c28 "LIE '1.IS 061 "SIE WST TEL TEL Dr ee wessyuaun Ts GE See EIS EIS 'EIG EST SSL TLL © 8 ao a a 1:09 0'219 999 °1'77 'C'80 CHE were, 0 Di IN HB1OZIOA qw ser 0er IIr OLE LTE '08E "9 ca ac wesy.paum me LLE LLE SE TIE 6,88 6.88 '9°9G u Mr | De i ee | 5 E For LH Zur 'COL Eich Eu | ' SR NRZ HS1119Z10A ge ch er '80n 8 TE 26 '0‘g$ Ko ee El ‚wuy N 3 'nIta nt D m 9 IL [14 « . 0 YWOnS re stoy 19MZ \ wessyiraun Jule 388 SE SIE 068 "SIE SIE 'C'EE 'o I 9% | 01 k g < Lö 86 E88 865 'VEL 'S6L "<'6L OR 2 ea aypez aanozıoan | AU 19. °19. 0:69 077 077 7a 0'TE N ee ULesyaraum yue 0,65 065 068 "198 "EEE "808 '8°0G oe, az SE OUENG ; 87 99 TIP SIR 068 'E6e "THE om, 0 vor aa BaA| ä LE WERETE TETE STE STE 180 Tel 180 286 Or Se ee oypez oaazıca | ge er ch OF SE 017 'C0a 878 A ee en wesy.mun me 0/68 TLE TLE TLE 098 208 078 or ee De] Sg oyaıg «“ « « IE "ICE "1:68 Dee) '0'02 ‚eige & 6 [7 Ww 'Q 7 9yaez aaozıoa | qr 0,98 0 FE 0 TE TE 265880 oo [sun zen 's | uog1o9s Zus in SOZIONLIIKT Neon („9 ur (Jouy99108 an aeg 19p E g ss Sunzioa < , S : InuyDı9Z B5 sap SFUnyAr AA se 51aquojfe M N7 SıaquajfaM UOA) U9POLIOT pun gay Sunuyp1azag E& “II 9TII9IET. 302 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: stehender Tabelle III zusammengestellten Beispielen zu entnehmen. Die Bezeichnungen „auf-“ und „absteigend“ sind dabei auf den Ver- lauf der nicht analysierten Saitengalvanomoterkurven bezogen. Der kleinen Ungenauigkeit, die wir damit begehen gegenüber dem wirklichen Verlauf der Spannungsänderungen, sind wir uns bei dieser Art des Vorgehens ebenso bewusst wie der Tatsache, dass die Grenze zwischen der refraktären Phase und der folgenden Periode, in welcher der Muskel eine neue Erregung entwickeln kaun, durch weitere Untersuchungen sich noch genauer wird festlegen lassen. Nach älteren Erfahrungen [Samojloff!) u.a.] wäre nämlich wohl zu erwarten, dass die refraktäre Phase bei Verwendung sehr starker Reize noch im aufsteigenden Teil wenigstens der nicht analysierten Kurve ihr Ende erreichte. Einen dahin gehenden Befund haben wir bis jetzt aber in keinem Falle gemacht, wenn man nicht den unter Nr. 25 in der Tabelle III aufgeführten in diesem Sinne deuten will. Die zugehörige Kurve ist als Figur 19 der Tafel IV wiedergegeben. Der Fxtrareiz war in diesem Falle (nach seiner Wirkung auf den im übrigen unbeeinflussten Muskel beurteilt) weit übermaximal. Auf den ersten Blick macht es nun durchaus den Eindruck, als ob der ganz knapp vor dem Gipfel wirkende Extrareiz scheinbar eine Ver- stärkung der gerade im Ablauf beeriffenen Erreguneswelle gegenüber ihrer zu erwartenden Grösse bewirkt hätte. Da sich aber die im Momente der Applikation des Extrareizes auftretende starke Induktions- zacke gerade auf den Gipfel der nächstvoraufgehenden Aktions- stromwelle aufsetzt und diese, wie man sieht, nicht vollkommen zur Entwicklung gelangen lässt, so kann dieser Fall schwerlich als eine Ausnahme von der sonst immer bestätigt ge- fundenen Regel betrachtet werden, wenngleich solche Ausnahmen, wie gesagt, sehr wohl möglich wären. Die Werte der Tabelle III beziehen sich ausschliesslich auf Ver- suche mit maximalen bzw. übermaximalen Extrareizen. Aus den Stäben 5 und 6 ist zu ersehen, ob der Induktionsschlag auf- oder absteigend interpoliert wurde, und welche Wirkung er hatte. Die Bemerkungen der Spalten 2 und 3 geben an, um welche Muskelart es sich in jedem Falle handelte, und welche der angeführten Kurven von ein und demselben Muskel stammen. Wir haben davon ab- gesehen, die Werte für die zwischen dem Reizmomente des Induk- 1) Samojloff, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1908. Suppl. 8.1. Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 303 tionsschlages und dem Gipfel der ihm entsprechenden Aktionsstrom- zacke verstreichende Zeit, die sich aus den Summationskurven und den zugehörigen Kontrollkurven (die bei alleiniger Einwirkung des Induktionsschlages gewonnen wurden) berechnen lassen, in der Tabelle vergleichsweise einander gegenüberzustellen.e Denn nur an der Hand analysierter Kurven würde ein derartiger Vergleich ein sicheres Urteil darüber gestatten, ob das Maximum der Extraerregung auch unter unseren Versuchsbedingungen in der von Keith Lukas seforderten Weise verspätet eintritt. Wir müssen uns vorbehalten, diese Verhältnisse durch Kapillarelektrometerversuche klarzustellen. Bezüglich des Beginnes der Extraerregung scheinen unsere Kurven in Übereinstimmung mit den Angaben von Samojloff!) dafür zu sprechen, dass eine Verspätung im Sinne der Lukas’schen These nicht existiert. Auf Kurven, bei welchen der Wendepunkt nicht unmittelbar mit dem Momente zusammenfällt, in dem nach Mass- gabe der Kontrollkurven der Extrareiz wirksam werden müsste, be- merkt man meist eine deutliche Verzögerung im Abfall der der Extraerregung voraufgehenden Aktionsstromzacke (vgl. Fig. 10a). Dies kann durch einen Vergleich mit den früheren und späteren Zacken derselben Kurve sicher beurteilt werden. Sulze?) hat bei seinen Doppelreizversuchen am Ölfactorius des Hechtes übrigens entsprechende Feststellungen gemacht?). Von den Tafelfiguren, die wir zur Illustration der besprochenen Verhältnisse ausgewählt haben, zeigen die Kurven 8 und 9 die Unwirksamkeit eines maximalen Extrareizes, der in den auf- steigenden Teil einer Erregungswelle fällt. Der Moment, in welchem der superponierte Reiz wirksam werden müsste, ist hier wie auch auf den folgenden Kurven durch eine kleine Marke kennt- lieh gemacht. Beispiele für eine absteigende Superposition des Extrareizes mit nachfolgender Extraerregung zeigen die Kurven 10 bis 13. Wie man sieht, scheint die Extraerregung um so schwächer ausgebildet zu sein, je dichter an den Gipfel der gerade ablaufenden rhythmischen Erregungswelle sie sich anschliesst. Die nicht analy- sierten Kurven zeigen in dieser Beziehung im Prinzip dasselbe Ver- halten wie die Suspensionskurven schlagender Herzen bei Inter- 1) Samojloff, !. c. und Zentralbl. f. Physiol. 1910 Nr. 2 S. 45. 2) Sulze, Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 57. 1909. 3) Vgl. dazu auch Gotch, Journ. of Physiol. vol. 40 p. 250. 1910. 304 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: polation von Extrareizen. Sehr deutlich ist dies auf den vom selben Muskel stammenden Kurven 10a und 11 ausgeprägt, obgleich der Extrareiz, wie gesaet, in beiden Fällen übermaximal war. Eine ab- sehliessende Beurteilung ist auch in diesem Punkte wieder nur an der Hand analysierter Kurven möglieh'). Dagegen ergibt sich aus unseren Kurven wohl ohne weiteres, dass der interpolierte Reiz, wenn er sehr spät in den absteigenden Schenkel einer Aktions- stromwelle fällt, in der Regel eine Extraerrezung herbeiführt, die gegenüber den vorausgegangenen schon mehr oder weniger deutlich submaximalen Erregungswellen wieder maximale Grösse erreicht. Dabei fallen auch die nachfolgenden Wellen meist grösser aus, als sie ohne die Einwirkung des Extrareizes geworden wären. Sehr deutlich ist auf allen wiedergegebenen Kurven, dass die Muskel- aktion vom Gipfel der Extraerregung an wieder im ursprünglichen Rhythmus weiterverläuft, wobei die allmähliche Herabsetzung der Öszillationsfregquenz der Muskelaktionsströme natürlich gleichzeitig zum Ausdruck kommen kann. Etwas weniger übersichtlich als bei den einphasischen Kurven (Fieg. 10—12) liegen die Verhältnisse bei der zweiphasischen Kurve Figur 13. Hier wurde das zweite Wellental etwas seichter als die übrigen, da sich etwa gleichzeitig mit der zweiten Phase der zweiten Erregungswelle an der ersten abgeleiteten Muskelstelle schon die Extraerregung zu entwickeln be- gann. Es kam also zu einer algebraischen Summation der Einflüsse beider Erregungen auf die Saite. In der resultierenden Kurve musste die erste Phase der Extraerregung infolgedessen bedeutend kleiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit war. Dazu stimmt auch die ver- hältnismässig starke zweite Phase der Extraerregung. Aus den Kurven mit aufsteigender Interpolation, bei welchen die Reaktion auf den ersten Reiz stets absolut ungestört weiterverläuft, ist die bemerkenswerte Tatsache zu entnehmen, dass durch einen in das absolute Refraktärstadium fallenden Reiz keine irgendwie nachweisbare Wirkung auf die Dauer der refraktären Phase und den Verlauf der Restitutionsprozesse zu bemerken ist. Die nach- folgenden Zacken treten ganz genau rechtzeitig ein. 1) Entsprechende Beobachtungen hat übrigens schon Samojloff bei seinen Doppelreizversuchen am Nerv-Muskelpräparat des Frosches gemacht. Man vgl. dazu seine Ausführungen über die Reaktionsfähigkeit des Froschmuskels nach Ablauf der refraktären Phase (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1908 Suppl. S. 9 u. 13). Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 305 An der Hand der Summationskurven sowie der beigegebenen einfachen Aktionsstromkurven, die bei denselben Muskeln durch alleinige Reizung mit dem sonst als Interpolationsreiz verwendeten Öffnungsinduktionsschlag erhalten wurden, ist es leicht, dem Ein- wand zu begegnen, es könnten durch den bedeutend höher ge- spannten Induktionsschlag zuvor unerregt gebliebene Muskelfasern erregt worden sein, deren Aktionsstrom sich als scheinbare Extra- erregung in die Reihe der rhythmischen Erregungen eingeschoben hätte, während die von vornherein an der Reaktion beteilisten Fasern in Wirklichkeit auf den Extrareiz gar nicht reagierten. Zunächst wäre darauf hinzuweisen, dass es unter dieser Annahme nicht ohne weiteres verständlich wäre, warum die auf die interpolierte Erregung folgende ordinäre rhythmische Erresungswelle nicht zu der Zeit eintrat, zu der sie erschienen wäre, wenn der Extrareiz nicht am Muskel angebracht worden wäre. Denn auf alleinige Reizung, auch mit den stärksten Induktionsschlägen, erhält man von den Schildkrötenmuskeln immer nur eine einfache Aktionsstromwelle. Diese Einzelerregung der durch den Extrareiz neu erregten Fasern hätte sich unter den oben gemachten Voraussetzungen also einfach zwischen die periodischen Erregungen der andern Fasern einschieben müssen, ohne den Ablauf ihrer Erreeung im übrigen zu stören. Nun könnten die Verhältnisse (im Sinne des erhobenen Einwandes ge- sprochen) allerdings auch so liegen, dass ein Teil der Muskelfasern bei der Durchströmung so schwach vom Strom getroffen wurde, dass seine Dichte zur Erregung dieser Fasern zwar nicht ausreichte, aber doch gross genug war, um ihre Erregbarkeit bis zu einem gewissen Grade elektrotonisch zu verändern. In diesem Falle wäre es nach den Erfahrungen, die weiter oben mitgeteilt wurden (s. S. 292), immer- hin denkbar, dass der einzelne Öffnungsinduktionsschlag in den frag- lieben Fasern nicht nur eine einfache, sondern eine längere rhythmische Reaktion ausgelöst hätte, und damit könnte der fingierte Einwand zunächst wohl als berechtigt er- scheinen. Denn unter dieser Voraussetzung wären unabhängig voneinander zwei Prozesse im Muskel abgelaufen, von denen jeder ein periodisches Schwingen der Saite hervor- rief und die in der registrierten Aktionsstromkurve miteinander interferierten, sobald sie nicht streng gleichzeitig die abgeleiteten Muskelstellen passierten. Wenn aber auf eine Schwingung von be- stimmter Periode von einem. beliebigen Momente an eine zweite 306 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: Sehwingung von gleicher Periode superponiert wird, so zeigt die resultierende Schwingungskurve unter Umständen bekanntlich ganz die Charaktere unserer Summationskurven, d. h. es tritt nach Ein- setzen des zweiten Wellenzuges zunächst ein vorzeitiger Wellenbers auf, und vom Gipfel dieser Welle an gerechnet verläuft die resul- tierende Wellenbewegung sodann in der den beiden Komponenten gemeinsamen Periode weiter. Den Summationsverhältnissen angepasst, wie sie im Sinne des Einwandes bei Ableitung einphasischer Muskelaktionsströme be- stehen würden, geben die Kurvenkonstruktionen der Textfieuren 1 und 2 das Gesagte wieder. Um gleichzeitig das Submaximalwerden der Erregung zur Anschauung zu bringen, wurden hier zwei ge- dämpfte Schwingungen gewählt, die allerdings entgegen den Ver- hältnissen an den Muskelkurven gerade der Mittellage als Ruhe- stellung zustreben. Von einer Berücksichtigung der allmählichen Verlängerung der Periode wurde der Einfachheit halber ganz ab- gesehen, doch wird auch hierdurch an dem Wesen der Sache nichts eeändert. Da die jeweilige Ordinatenhöhe der beiden Einzelkurven über ihrem Anfangspunkt nach unserer Annahme die Grösse der Negativität in je einem Teil der Muskelfasern darstelit, so konnte die Summierung der Kurven durch einfache Addition ihrer Ordinaten vorgenommen werden. In der zunächst allein interessierenden Text- fisur 1 handelt es sich um absteigende Superposition. Für den Fall doppelphasischer Ableitung, bei welcher die Saite ent- sprechend jedem der beiden Teilvoreänge in Form regelmässiger Schwingungen um ihre ursprüngliche Ruhelage oszilliert, könnte man sich, wie beiläufig bemerkt sei, die entsprechenden Verhält- nisse am Beispiel zweier (eventuell gedämpfter) Sinusschwingungen von gleicher Periode veranschaulichen, von denen die zweite früh- zeitig hinter einem Gipfel der zuerst allein vorhandenen Schwingung einsetzte und sich algebraisch zu ihr summierte. Einer genaueren Prüfung hält die scheinbar bis ins einzelne gehende Übereinstimmung unserer Originalkurven mit den durch Konstruktion erhaltenen Summationskurven zweier Schwingungen aber nieht stand. Man braucht nur den Moment des Einsetzens der zweiten Sehwingung beispielsweise noch etwas früher anzunehmen, um be- züglich der Amplituden ganz abweichende Verhältnisse zu finden. Auch müssen die Amplituden der superponierten Schwingung, damit ein deutlich vorzeitiger Gipfel entsteht, in den Konstruktionskurven Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 307 relativ so gross gewählt werden, wie sie nach Lage der Dinge in unseren Versuchen am Muskel sicher nie gewesen wären. Es würde weit führen, alle Bedenken, die sich bei Überlegungen dieser Art zu ergeben, einzeln aufzuzählen. | Von den mannigfachen Beweisen anderer Art, die dafür bei- gebracht werden können, dass der genannte Einwand nicht zu Recht bestände, seien hier nur folgende erwähnt: In jedem einzelnen der in Betracht kommenden Fälle zeigen die vorliegenden Kurven, dass der als Interpolationsreiz dienende Öffnungsinduktionsschlag, wenn er allein, also ohne dass der Kettenstrom zuvor durch den Muskel geschlossen wurde, auf den Muskel wirkte, einen einzelnen Aktions- strom hervorrief, dessen Steilheit im Anstieg und dessen Gesant- Fig. 1. höhe mit der ersten Zacke der bei Durchströmung vom selben Muskel erhaltenen rhythmischen Aktionsströme genau übereinstimmt. Wenn der Gang der photographischen Platte bei beiden Aufnahmen der gleiche war, so lassen sich die beiden Kurven in ihrem ganzen Ver- lauf absolut miteinander zur Deckung bringen. Dies wäre nicht zu erwarten, wenn vom Induktionsschlag mehr Muskelfasern gereizt worden wären als vom Kettenstrom. Dazu kommt, dass Kurven, bei welchen der Extrareiz in den aufsteigenden Teil einer rhyth- mischen Aktionsstromwelle fällt, an der Stelle, wo der Reiz wirksam werden müsste, nicht die geringste Deformität aufweisen. Würden durch den Extrareiz an dieser Stelle zuvor unerregt ge- bliebene Fasern erregt, so müsste sich ihr Aktionsstrom zu dem der bereits errest gewesenen Fasern addieren, und die Kurve müsste von diesem Moment an steiler und im ganzen wohl auch höher werden. Die Kurve müsste im Prinzip so verlaufen, wie die auf Textfigur 2 für den Fall einer aufsteigenden Superposition konstruierte Summa- 308 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: tionskurve. Ob man hierbei eine einfache oder eine längere (rhyth- . mische) Reaktion der durch den FExtrareiz neu erregten Fasern vor- aussetzt, ist für unseren Zweck gleichgültig, weil es uns ja zunächst nur auf ‘die Grösse und Form der bei Einwirkung des Extrareizes gerade ablaufenden Aktionsstromwelle ankommt. In der schematischen Darstellung ist letztere Möglichkeit berücksichtiet. Ein Höher- und Steilerwerden des Saitenausschlages wäre an der betreffenden Zacke um so eher zu erwarten gewesen, als die Erregung der von vornherein an der Reaktion beteiligten Muskelfasern im Momente der Interpolation des Extrareizes, wenn auch nicht immer, so doch in den meisten Fällen schon deutlich submaximal geworden war. Fig. 2. Nun muss, wie oben (S. 283 u. 299) ausgeführt wurde, als Ursache für das Kleinerwerden der verzeichneten Wellen freilich auch die gegen- seitize Phasenverschiebung der Erregungen in den einzelnen Muskel- fasern in Betracht gezogen werden, d. h. das Submaximalwerden der Erregung könnte (wenigstens zum Teil) als nur scheinbar zu betrachten sein. Für die späteren Zacken dürfte dies in der Tat bis zu einem gewissen Grade zutreffen. Bei den für uns allein in Betracht koınmenden drei bis vier ersten Kurvenzacken aber lässt die strenge Gegensätzlichkeit der Befunde bei auf- und absteigender Superposition des Extrareizes die Annahme einer irgend weitgehenden Phasen- verschiebung (und um eine solche müsste es sich handeln) unseres Ermessens unmöglich zu. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Erregung des Muskels in vielen Fällen schon kurz nach Begiun der Reaktion wirklich auch schwächer, d.h. submaximal zu werden begann. Weniestens finden wir für Kurven mit vollständiger Unwirk- samkeit sehr starker Inuterpolationsreize trotz der beträchtlichen Abnahme der Ördinatenhöhe innerhalb der ersten Zacken, wie sie heispielsweise Fig. 8, 9 und 19 zeigen, keine andere Erklärung. Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 309 Wenn dies zuträfe, so liesse die Tatsache, dass bei keinem der von uns untersuchten Muskeln eine Wirkung des aufsteigend interpolierten Extrareizes zu erkennen war, bemerkenswerte Schlüsse über die Natur der submaximalen Erregung zu. Bekanntlich sind vor allem englische Autoren, an ihrer Spitze Keith Lucas, geneigt, die Existenz einer submaximalen Erregung der einzelnen Muskel- oder Nervenfaser überhaupt zu leugnen!) und die im praktischen Versuche bei schwacher Reizung an Nerv oder Muskel zu beobachtenden „submaximalen“ Erregungen grundsätzlich auf eine partielle Erregung des fraglichen Gebildes zu beziehen, auf eine Er- regung, an welcher sich nicht alle Einzelfasern des untersuchten Organes beteiligen. Wenn dies auch zweifel- los in vielen Fällen von sogenannter submaximaler Erregung zutrifft, so geht doch aus den mitgeteilten Ergebnissen mit Sicherheit her- vor, dass das starke Submaximalwerden der Muskel- erregung schon innerhalb der ersten vier bis fünf Wellen einer rhythmischen Reaktion bei Durch- strömung keinesfalls dadurch zustande kommen kanı, dass ein Teil der zunächst miterregten Fasern auf- hört, tätig zu sein, während die übrigen maximal er- regt bleiben. Vielmehr muss die Erregung in allen Fasern, die sich überhauptanderReaktion beteiligen, submaximal werden. Es müsste sonst durch den Extrareiz, zumal bei sehr frühzeitiger aufsteigender Interpolation, ein Wiederanwachsen des Muskelaktionsstromes nahezu bis zur Höhe der ersten Aktionsstromzacke bewirkt werden (vgl. wieder Text- figur 3). Diese Überlegung hat freilich nur dann Gültigkeit für die bei unseren Versuchen vorliegenden Verhältnisse, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass die Vorgänge an der unserer Beurteilung allein zugänglichen abgeleiteten Muskelstelle uns ein getreues Abbild der an der Reizstelle ablaufenden Prozesse geben. Denn man könnte das Submaximalwerden der Erregung an der Ableitungsstelle ja als eine Funktion der Erregungsleitung betrachten und annehmen, dass die Erregung an der Reizstelle selbst zunächst noch maximal bliebe. Demgegenüber zeigen nun die Kurven mit absteigender 1) Keith Lucas, Journ. of Physiol. vol. 38 p. 113. 1909. 30 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: Interpolation, bei denen der Extrareiz von einer Extraerregung ge- folgt ist, beginnend mit der Extraerregung, fast regelmässig wieder steilere und höhere Aktionsströme, als sie die Kurven unmittelbar zuvor aufwiesen. Besonders übersichtlich, weil auch an nicht analy- sierten Kurven sicher zu beurteilen, sind diese Verhältnisse aus jenen Kurven, wo der Extrareiz gerade in dem Momente wirksam wird, in welchem die nächste periodische Erregungswelle beginnen würde. Man erhält hier, wie dies beispielsweise auch die Figur 17 zeigt, wenigstens bei frischen Muskeln in der Regel eine rhythmische Aktionsstromzacke, die wieder maximale Grösse zeigt und der ersten Zacke der Aktionsstromreihe meist vollkommen gleicht. Wäre die Erregung an der Reizstelle vor Einwirkung des Fxtrareizes noch maximal gewesen, so wäre nicht einzusehen, warum die Erregung nicht auch vorher immer in derselben Stärke zur abgeleiteten Muskel- stelle gelangt ist und unter dem Einfluss des Extrareizes über- haupt eine Änderung erfährt. Es ergibt sich also mit Sicherheit, dass die Erregung auch der Reizstelle selbst im Ver- laufeinerrhythmischen Muskelreaktion unter unseren Reizverhältnissen sehr rasch untermaximal wird. Dass der hochgespannte Induktionsschlag den Muskel an einer anderen Stelle, und zwar wesentlich näher der Ableitungsstelle, gereizt hätte als der Kettenstrom, kann «gegen unsere Überlegung nicht ein- sewendet werden, da die auf die Erregunssleitung im Muskel zu beziehende Latenz bei beiden Reizen nur ganz geringfügige Unter- schiede aufwiesen, wenn solche in den fraglichen Fällen überhaupt zu bemerken waren. Auf diese Verhältnisse der submaximalen Erregung musste in unserem Zusammenhang so ausführlich eingegangen werden, um klarzustellen, dass die bei absteigender Interpolation von uns be- obachtete Extraerregung ohne Zweifel als echte Extraerregung der zuvor schon an der Reaktion beteilisten Muskelfasern anzuerkennen ist. Denn wenn, wie es uns der Fall zu sein scheint, im Moment der Interpolation die rhythmischen Erregungen des Muskels in den meisten Fällen schon wirklich submaximal waren, so würde uns der Nachweis, dass die Schliessung des Kettenstromes, wie oben betont wurde, eine zunächst maximale Muskelerreeung auslöste, an sich gar nichts nützen, falls die allmähliche Abnahme der Stärke der Erregung auf die von den englischen Autoren geforderte Art und Weise erfolgte. Demgegenüber ist es sehr wesentlich, dass das Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 311 gegensätzliche Verhalten des periodisch tätigen Muskels bei auf- und bei absteigender Interpolation über die Berechtieung unserer Auffassung keinen Zweifel lässt. Die beschriebenen Ergebnisse sprechen also mit Bestimmtheit gegen eine unmittelbare Verwertbarkeit der Lukas- schen Befunde für die Erklärung der Eigenperiode des Muskels. | Um nun die Erregbarkeitsverhältnisse des Muskels in den ver- schiedenen Phasen seiner Tätiekeit näher zu studieren, verwendeten wir in einer weiteren Reihe von Versuchen, anstatt wie bisher einen maximalen, einen mehr oder weniger submaximalen In- duktionsschlag als Extrareiz. Im übrigen blieben die Versuchs- verhältnisse unverändert. Wir führten mit dem interpolierten Reiz also sozusagen Schwellenbestimmungen aus. Die Schwierigkeiten, mit denen man beim Arbeiten mit submaximalen Induktionsreizen zu kämpfen hat, sind zur Genüge bekannt; die Gefahr einer un- gleich raschen Unterbrechung des primären Stromes bei den zu ver- gleichenden Reizungen wurde bei unseren Versuchen allerdings da- durch bedeutend gemindert, dass die Auslösung der Reize selbsttätig und jedesmal streng gleichartig erfolgte. Als Mass für die Stärke des einwirkenden Reizes diente in jedem Falle die Grösse des Aktionsstromes, den der Induktionsschlag allein im Muskel hervor- rief. Die vergleichenden Versuche wurden einmal in der Weise durchgeführt, dass ein und derselbe submaximale Extrareiz an ver- schiedenen Stellen des absteigenden Schenkels einer rhythmischen Erresungswelle angebracht und auf seine Wirkung geprüft wurde; andererseits ergaben sich Vergleichskurven derart, dass submaximale Reize von verschiedener Stärke den Muskel, soweit sich dies über- haupt verwirklichen lässt, in möglichst dem gleichen Zustand, d. h. in derselben Phase seiner Tätigkeit trafen. Eine Durchführung solcher Vergleichsversuche an demselben Muskel war wegen der Änderung der Periode bei öfters wiederholter Durchströmung be- sreiflicherweise ausserordentlich schwer. Es ist deshalb eine Ver- gleichung auch der an verschiedenen, in ihrer Reaktion einander aber möglichst gleichartigen Muskeln gewonnenen Kurven für die Deutung der Ergebnisse nicht zu entbehren. Aus dem grossen Versuchsmaterial, das uns vorliegt, scheinen sich dabei folgende Gesetzmässigkeiten zu ergeben: der submaximale Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 22 312 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: Extrareiz löst bei absteigender Superposition, im Gegensatz zum maximalen, nicht unter jeder Bedingung eine Extra- erregung aus, ganz gleichgültig, an welcher Stelle im absteigen- den Teil einer Erregungswelle er den Muskel trifft. Er ist vielmehr erst um so später im absteigenden Ast einer Erregungs- welle seinerseits überhaupt als Reiz wirksam, je schwächer er ist. Je früher im absteigenden Teil einer rhythmischen Erregung also eine Extraerregung ausgelöst werden soll, um so kräftiger muss der interpolierte Reiz gewählt werden. Derselbe submaximale Extrareiz, der das eine Mal ganz wirkungslos bleibt, . kann zum Auftreten einer vorzeitigen Erregungswelle führen, wenn der Moment seiner Einwirkung etwas später in den absteigenden Teil der gerade ablaufenden rhythmischen Erregungswelle verlegt wird. Von den Figuren zeiet Kurve 14 die Unwirksamkeit eines absteigend interpolierten submaximalen Reizes. Derselbe Reiz bewirkt, etwas später angebracht, wie die Figuren 15 und 16 beweisen, eine vorzeitige Erregung. Bei der Kurve 16 tritt. entsprechend der etwas grösseren Stärke des Reizes schon bei Ein- wirkung ungefähr in der Mitte des absteigenden Teiles der vorher- sehenden Erregung eine Fxtraerregung auf. Trifit der Extrareiz den Muskel gerade in dem Momente, in welchem ohnedies eine neue Erregung einsetzen würde, so äussert sich die Wirkung auch stark submaximaler Extrareize regelmässig in einem Anwachsen der Er- regung über die zu erwartende Grösse (vgl. Figur 17 der Tafel IV). Es tritt in diesem Falle die zweifellos ja auch bei früherer Inter- polation immer eintretende Summation der Wirkungen des Extra- reizes und des durch den Kettenstrom repräsentierten Reizes selbst in nicht analysierten Kurven augenfällig hervor. Auch schwächste Interpolationsreize, die an sich eine kaum merkliche Erregung machen, ‘können hierbei in ihrer Wirkung deutlich werden. Dass submaximale Extrareize bei aufsteigender Interpolation auf jeden Fall absolut wirkungslos bleiben, ist nach dem oben Gesagten selbstverständlich. Die beschriebenen Beobachtungen können wohl kaum anders gedeutet werden als durch die Annahme, dass die Erregbarkeit des Muskels nach Ablauf des absoluten Refraktärstadiums, in dem auch sehr starke Reize wirkungslos bleiben, zunächst ganz gering ist und erst allmählich wieder mehr und mehr zunimmt, d. h. dass der Muskel im Anschluss an das absolute Refraktärstadium eine relativ refraktäre Phase durchläuft. Da während dieser Phase, wie oben Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 313 (S. 304 Anm.) bereits erwähnt und auch schon von Samojloff gefunden wurde, ausser der Frregbarkeit auch die Leistungsfähigkeit des Muskels deutlich vermindert zu sein scheint, so liegen in dieser Beziehung also Verhältnisse vor, die mit den für den Herzmuskel längst bekannten ganz übereinstimmen. Wie schon weiter oben vermutungsweise ausgesprochen wurde, könnte man sich nach diesen experimentellen Befunden die Muskel- periode in ihrer Grösse bestimmt denken durch die Zeit, welche verstreicht bis zur jeweiligen Wiederherstellung eines zur erneuten Reizung geeigneten Verhältnisses zwischen der Muskelerregbarkeit und dem durch den stetig fliessenden Kettenstrom repräsentierten Reize. Sowohl die allmähliche Verzögerung in der zeitlichen Auf- einanderfolge der einzelnen Erresungswellen, wie sie bei eintretender Ermüdung (Verlangsamung der Restitutionsprozesse) und Adaptation (Verringerung des Reizmomentes) beobachtet wurde, als auch die Wirkungen der Temperatur wären, wenigstens soweit die eine der beiden Variabeln, die Muskelerregbarkeit, dabei von Einfluss ist, im Rahmen dieser Vorstellung zwanglos verständlich. Nur mit der Tatsache hätte man sich noch abzufinden. dass eine Abhängigkeit der Muskelperiode von der Intensität (bzw. Dichte) des zur Durch- strömung verwendeten Kettenstromes im praktischen Versuch bis ‚jetzt nicht gefunden werden konnte. Es wurde an anderer Stelle bereits versucht, für diese Tatsache eine geeignete Erklärung zu finden (vel. S. 293). Zusammenfassung. Durch Ableitung der bei partieller Durchströmung auftretenden Aktionsströme wurde die Eigenperiode der Schildkrötenmuskeln, bei einer Versuchstemperatur von durchschnittlich 20° C., in den Winter- monaten auf 26—32 o, in den Sommermonaten auf 16—25 o bestimmt. Schon im Verlauf der rhythmischen Reaktion auf die erste Durch- strömung tritt meist eine nicht unbedeutende Verzögerung in der zeitlichen Aufeinanderfolge der einzelnen Erregungeswellen ein, die bei wiederholter Durchströmung immer stärker wird und wohl in erster Linie als Ausdruck einer Art von örtlicher Adaptation des Muskels an den Reiz, nicht einer Ermüdung im eigentlichen Sinne, zu betrachten ist. Bei Änderung der Muskeltemperatur ändert sich die Periode der Aktionsströme, ähnlich wie beim Froschmuskel, etwa der van’t Hoff’schen Regel entsprechend. 22 * 314 Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: In die Reihe der rhythmischen Muskelaktionsstromwellen kann durch einen kurzen kräftigen Reiz (z. B. einen auf den Kettenstrom superponierten gleichgerichteten einzelnen Öffnunesinduktionsschlag) eine vorzeitige Extraerresung interpoliert werden, aber nur, wenn der Extrareiz den Muskel im absteigenden Teile einer seiner rhythmischen Erregungswellen trifft. Vom Gipfel der Extraerregung an gerechnet verläuft die periodische Reaktion des Muskels sodann wieder im ursprünglichen Rhythmus weiter. Im aufsteigenden Teil einer Erregungswelle verhält sich der Muskel dagegen auch für an sich über- maximale Reize refraktär. Diese Verhältnisse wurden an den 3—4 (ausnahmsweise 5) ersten vollkommen glatten Wellen des periodischen Muskelaktionsstromes studiert. Submaximale Inter- polationsreize wirken um so später im absteigenden Teil ‚einer rhythmischen Erresungeswelle als Reiz, je schwächer, sie sind. Diese Tatsache führt zu der Annahme einer (an das absolute Refraktärstadium sich anschliessenden) relativ refraktären Phase, wie sie auch für den Herzmuskel nachgewiesen ist, und ermöglicht damit eine einfache Vorstellung vom Wesen und dem Zustandekommen der Muskelperiode. Ein starker Einzelinduktionsschlag, welcher auf den zuvor ge- schlossenen Kettenstrom erst dann superponiert wird, wenn die auf Stromschluss zunächst eintretenden glatten rhythmischen Aktions- stromwellen bereits abgelaufen sind, die erregende Wirkung des Kettenstromes aber noch fortbesteht, löst regelmässig von neuem eine Reihe glatter periodischer Aktionsstromwellen aus, eine Wirkung, die um so schwächer ausfällt, je mehr Zeit man bis zur Super- position des zweiten Reizes verstreichen lässt. 4—5 Sekunden nach Schliessung des Kettenstromes bewirkte der superponierte gleich- gerichtete Einzelinduktionsschlag, genau wie wenn er als einziger Reiz am Muskel angebracht worden wäre, nur mehr eine einfache - Erregung. . Bei dem meist sehr rasch einsetzenden Submaximalwerden der Muskelerregung im Verlauf einer rhythmischen Reaktion auf Durch- strömung ändert sich, wie es scheint, zunächst nicht die Zahl ‚der an der Reaktion beteiligten Fasern, sondern die Grösse der Erregung in der einzelnen Muskelfaser. ‚Es gäbe somit eine echte submaximale Muskelerresung. Als Ursache für den Abfall der Erregung scheint ebenso wie für das . Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 315: Längerwerden der Periode (s. 0.) unter den gegebenen Bedingungen der Reizung in erster Linie eine Art lokaler Adaptation des Muskels an den stetig wirkenden Reiz in Betracht zu kommen. Tafelerklärung. Alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Die Zeitmarken (Schatten einer schwingenden Stimmgabel, auf den Bildern ganz unten) entsprechen Sechzigstel-Sekunden. Der Hebelschatten a gibt den Schliessungsmoment des zur Reizung verwendeten absteigenden Kettenstromes, der Hebelschatten b den Moment der Superposition des gleichgerichteten einzelnen Öffnungsinduktions- schlages.. Die Länge der Perioden wurde von Wellenberg zu Wellenberg ge- messen (s. S. 282 Anm. 2). Tarel!l. Fig. 1. Aichungskurve Einschaltung einer E. M.K, von ca. °ıooo Daniell- und Superposition eines einzelnen Öffnungsinduktionsschlages wie bei den Doppelreizungen. Der Induktionsschlag wurde zur Schonung der Saite mög- lichst abgeschwächt. Die Kurve zeigt abgesehen von der Einstellungs- geschwindigkeit der Saite die Reizverhältnisse bei unseren Versuchen und beweist die Genauigkeit der Hebelschattenmarkierung sowie die Einheitlich- keit des Stromschlusses. Fig. 2. Schildkröte 26. 16. Mai 1910. Platte 5. Retraktor capitis, curaresiert. Einfache Durchströmung des Muskels mit 6 Akkumulatoren. Temp. 19° C. Perioden: 16,5, 165, 16,5, 18, 18, 18, 18, 18,5, 18,5 o. Die Steilheit der Schwankungen spricht für nicht ganz rein einphasische Ableitung. Fig. 3. Schildkröte 13. 29. März 1910. Platte 8. Omohyoideus, nicht curare- siert. Einfache Durchströmung des Muskels mit 6 Akkumulatoren. Ein- phasisch. Temp. 16° C. Perioden: 24, 26, 26, 26, 28,5, 28,5, 31 o. Fig. 4. Schildkröte 5. 28. Februar 1910. Platte 1. Retraktor capitis, nicht curaresiert. Einfache Durchströmung des Muskels mit 6 Akkumulatoren. Einphasisch. Temp. 19° C. Perioden: 25,5, 25,9, 29, 29, 29, 32,5, 29, 29, 32,9 0. Fig. 5. Schildkröte 3. 21. Februar 1910. Platte 6. Omohyoideus, nicht curare- siert. Einfache Durchströmung des Muskels mit 6 Akkumulatoren. Zwei- phasisch,. Temp. 19,5° C. Perioden: 29, 29, 30, 33, 33, 36,5 o. Fig. 6. Schildkröte 2. 17. Februar 1910. Platte 1. Retraktor, nicht curaresiert. Einfache Durchströmung des Muskels mit 5 Akkumulatoren. Zweiphasisch. Temp. 18,5° C. Perioden: 30, 30, 30, 34, 34, 34, 40 o. Das Heruntergehen der Kurven unter die Abecisse dürfte durch ein Missverhältnis der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Erregung zur Grösse der Ableitungsstrecke bedingt sein. 316 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Rudolf Dittler und Soroku Oinuma: 7. Schildkröte 25. .14. Mai 1910. Platte 10. Retraktor, curaresiert. Ein- fache Durchströmung des Muskels mit 6 Akkumulatoren bei 5° C., ein- phasisch. Perioden: 58, 62, 66, 75 o. Der Muskel lieferte bei 20° C. Perioden von durchschnittlich 17 o. Tafel I. 8. Schildkröte 19. 26. April 1910. Platte 12. Retractor, nicht curaresiert. Doppelreizung des Muskels, 7 Akkumulatoren, übermaximaler Extrareiz (R.-A. — 4 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasich. Temp. 21° C. Aufsteigende Interpolation, unwirksam. Perioden: 35, 35, 39, 43,2, 45 usw. o. Der Muskel gab bei den ersten Durchströmungen Perioden von durchschnittlich 26 bis 28 o. 9. Schildkröte 23. 10. Mai 1910. Platte 2. Omohyoideus, nicht curaresiert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, übermaximaler Extrareiz (R.-A. = 3 cm, Eisenkern, 2 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 18° C. Aufsteigende Interpolation, unwirksam. Perioden: 17,1, 18,5, 18,5, 21,3, 21,3, 21,3, 23,9 usw. o. g. 10a. Schildkröte 13. 29. März 1910. Platte 9. Omohyoideus, nicht curare- siert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, übermaximaler Extrareiz (R-A.=3 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 16°C. Extrareiz absteigend, wirksam. Perioden: 28,7, 28,7, 12,1, 28,7, 31,3, 31,3, 31,3, 31,3, 34, 37 o. 10b. Extrareiz von Kurve 10a und 11 wirkt allein auf den Muskel. 11. Schildkröte 13. 29. März 1910. Platte 14. Sonst alles wie bei Fig. 10a. Einphasisch. Wirksame absteigend interpolierte Extrareizung. Perioden: 34, 29,3, 39, 41,5, 41,5, 46, 48 o. 12. Schildkröte 11. 14. März 1910. Platte 8. Omohyoideus, nicht curare- sieıt. Doppelreizung des Muskels, 5 Akkumulatoren, übermaximaler Extra- reiz (R.-A. = 3 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19° 0. Extrareiz absteigend interpoliert, wirksam. Perioden: 36,5, 26,8, 46,3, 46,3 usw. o. Tafel IH. .13a. Schildkröte 9. 8. März 1910. Platte 9. Omohyoideus, nicht curare- siert. Doppelreizung des Muskels, 5 Akkumulatoren, übermaximaler Extra- reiz (R.-A. — 4 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Zweiphasisch. Temp. 18,50 C. Extrareiz absteigend interpoliert, wirksam. Perioden: 33,3, 25,9, 39,7, 35,1, 35,1, 37 0. 13b. Extrareiz der Kurve Fig. 13a allein. 14a. Schildkröte 26. 16. Mai 1910. Platte 9. Retractor, curaresiert. Doppelreizung des Muskels.. 6 Akkumulatoren, submaximaler Extrareiz (R.-A. = 12 cm, ohne Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19°C. Extrareiz, obgleich absteigend interpoliert, unwirksam. Perio- den: 17,9, 17,9, 17,9, 19,9, 21,9, 23,9, 22, 24 usw. o. .14b. Extrareiz von Fig. 14a allein. Der Verlauf des Aktionsstromes spricht für nicht ganz reine Längs-Querschnittableitung; es scheint eine rudimentäre zweite Phase dazusein. rs Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 189. Tafel I. 2 ar any ran 1A N rn veugs) R 2 1} ee De Tgnggar wir ‘ x au Bübgarın» URZEER ER TPRN: 7 SR Han IE RSasH nn Maas Pe 27 ii ee nn er RESEBSSIKZEinärnsr 5 — a ee ee EAN EE . adespeslmernss: TREITIESTITSEEN Yremas JRHRREERBSS»-- & EEE ERS Ssst ty mu there INT DIESER N 12132 70% SPcHbrES ATsEEISIE IR F Tem en SE PESERE = & nl von Martin Hager, Bonn. Tafel II. | ' R E) N ii 1 in I 5 von Martin Hager, Bonn. ’ re E% ae RN Ki N We. late] II, II Tafel IV. TEE AHRERRE Ben 4 B Bl Ri! de Bade inet, N 2 2 BEBE A| i TIL 14 | | VBBRREERRT TIER BELHERTERETERAERTGERN I nn t PretY ner Mn re En e Über die Eigenperiode quergestreifter Skelettmuskeln etc. 317 Fig. 15a. "Schildkröte 26. 16. Mai 1910. Platte 12. Retractor, curaresiert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, submaximaler Extrareiz (R.-A. — 12 cm, ohne Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19° C. Extrareiz, spät im absteigenden Schenkel interpoliert, macht vorzeitige Erregung. Perioden: 16, 16,5, 17, 15,3, 17,2, 17,2, 19,1, 28, 23 23, 23 0. Fig. 15b. Extrareiz von Kurve 15a allein. Tafel IV. Fig. 16a. Schildkröte 24. 12. Mai 1910. Platte 11. Omohyoideus, nicht euraresiert. Doppelreizung des Muskels, 7 Akkumulatoren, Extrareiz sub- maximal {R.-A. = 9 cm, ohne Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Ein- phasisch. Temp. 20° C. Absteigende Interpolation mit vorzeitiger Extra- erregung. Perioden: 16,6, 16,6, 16,6, 14,2, 18 usw. o. Fig. 16b. Extrareiz von Kurve 16a allein. Fig. 17a. Schildkröte 28. 22. Mai 1910. Platte 3. Retractor, nicht curare- siert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, Extrareiz submaximal (R.-A. = 8 cm, ohne Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19° C. Extrareiz fällt genau zusammen mit dem Beginn der neuen rhythmischen Welle; deutliche Addition der Reizwirkung. Perioden: 20, 20, 2,27, 28, 30 o. Fig. 17b. Extrareiz von Kurve 17a allein. Fig. 18. Schildkröte 16. 12. Mai 1910. Platte 6. Omohyoideus, nicht curare- siert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, übermaximaler, super- ponierter Öffnungsinduktionsschlag (R.-A. — 2 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19° C. Der Extrareiz ruft eine neue Folge rhythmischer Erregungswellen hervor. Fig. 19. Schildkröte 26. 16. Mai 1910. Platte 8. Retractor, curaresiert. Doppelreizung des Muskels, 6 Akkumulatoren, übermaximaler Extrareiz (R.-A. = 3 cm, Eisenkern, 1 Daniell im I. Kreis). Einphasisch. Temp. 19° C. Extrareiz wirkt ganz kurz vor dem Gipfel einer rhythmischen Er- regungswelle. Vgl. S. 302. Perioden: 16,4, 16,4, 16,4, 17,8, 19, 18,5, 19,5, 20,5, 20,5, 20,5 o. 318 J. H. Padtberg: (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium bei Koloquinthen-Durchfällen. Von J. H. Paditbers, ehem. Assistenten des Institutes. (Mit 3 Textfiguren.) Während die stopfende Wirkung des Opiums schon von Boer- have, Sydenham u. a. beschriebeu worden ist, hat sich ihre Erklärung im Laufe der Zeit sehr stark geändert. Da Morphin zur Behandlung von Durchfällen gebraucht wird und letztere immer auf gesteigerte Darmbewegungen zurückgeführt wurden, so hat man immer stillschweigend vorausgesetzt, dass die stopfende Wirkung des Opiums auf einer Stillstellung der Darmbewegungen beruhen müsse. Dem Nachweis dieser supponierten Stillstellung waren fast alle Ex- perimentaluntersuchungen gewidmet. Über den Aneriffspunkt aber gingen die Meinungen weit auseinander. Ist die stopfende Wirkung von Opium und Morphin eine solche, die vom Zentralnervensystem aus- geht, oder wirken diese Stoffe auf die gesamten splanchnischen Hemmungsfasern, auf den Auerbach’schen Plexus, die Darm- muskulatur, die Darmmuecosa, mit anderen Worten ist die Wirkung peri- pherer Natur? Nothnagel!) gibt an, dass bei Kaninchen, deren Darmbewegung im Kochsaizbade untersucht wird, auf subkutane Injektion von 0,02 & salzsauren Morphins der Effekt einer lokalen Reizung der Dünndarmserosa (mit NaCl) sich ändert. Die Kon- traktion bleibt lokal beschränkt und wird stark abgeschwächt, wäh- rend vorher die bekannte aufsteigende Kontraktion erfolgt. Nach 1) Nothnagel, Über die Einwirkung des Morphins auf den Darm. Beiträge zur Physiol. u. Pathol. d. Darmes. Berlin 1884. Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 319 Durchschneidung des Mesenteriums oder auf Injektion grösserer . Dosen Morphin tritt der Kochsalzreflex wieder lebhaft hervor. Nothnagel schloss hieraus, dass die Erscheinung auf einer Er- reeung der splanchnischen Hemmungsfasern durch kleine und eine Lähmung durch grosse Dosen Morphin beruhe. Aber Nothnagel selbst berichtet über die Inkonstanz der von ihm beschriebenen Hemmungen. Nothnagel’s Untersuchung wurde bestätigt durch Pal und Berggrün'), welche als Angrifispunkt der Hemmungs- wirkung die zentralen Ursprünge des Splanchnicus im unteren Hals- und oberen Brustmark ansahen.. Anderen Beobachtern ist es aber nicht gelungen, Nothnagel’s Resultate zu bestätigen. Jacobj”) sah, dass durch grosse Morphin- dosen die Hemmungsfasern des Splanchnicus nicht gelähmt wurden, und Pohl?°) fand, dass nach kleinen Morphindosen der Kochsalz- reflex unverändert erhalten blieb. Schmiedeberg*) sieht das Wesen der stopfenden Morphin- wirkung in einer Beeinflussung gewisser peripherer, in der Darm- wand gelegener Apparate. Über die Natur dieser Apparate und den Sinn der Beeinflussung war ebenfalls keine Übereinstimmung erzielt worden. Spitzer?) und Jacobj brachten Opium in abgebundene Darmschlingen, Pohl pinselte Morphinlösung lokal auf den Darm; sie beobachteten eine Verengerung und Verlangsamung der spontanen sowohl wie der auf Reizung eintretenden Darmbewegungen. Im Gegensatz hierzu steht aber die leicht zu bestätigende Angabe von Pal°), welcher auf Morphin am intakten Tier und am isolierten Darm Verstärkung der Pendelbewegunsen und Zunahme des Tonus beobachtete. Dieser Widerstreit der Meinung beruht offenbar darauf, dass 1) Pal und Berggrün, Über die Wirkung des Opiums auf den Dünn- darm. Stricker’s Arbeiten 1890 8. 38. 2) Jacobj, Beiträge zur physiologischen und pharmakologischen Kenntnis‘ der Darmbewegungen usw. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 29 S. 171. 1891. 3) Pohl, Über Darmbeweguug und ihre Beeinflussung durch Gifte. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 34 S. 87. 1894. 4) Schmiedeberg, Lehrbuch der Pharmakologie. Leipzig. 5) Spitzer, Experimentelle Untersuchungen über die Darmwirkung des Öpiums und Morphins. Diss. Breslau 1891. | 6) Pal, Wirksamkeit des Opiums und des Morphins auf den Darm. Wiener med. Presse 1900 Nr. 45. 320 JOH Bardiphienor man von vornherein gar nicht wissen kann, ob eine der verschiedenen oben erwähnten Wirkungen irgend etwas mit dem stopfenden Effekt des Morphins zu tun hat. ‘Aus diesem Grunde wurde die Frage durch Magnus!) von einem ganz anderen Standpunkte aus bearbeitet. Wenn irgendwo, so erschien es hier notwendig, experimentelle Therapie zu treiben, d. h. Durchfälle zu erzeugen, diese durch Morphin oder Opium zu stopfen und den Mechanismus dieser Wirkung zu untersuchen. So konnte Magnus feststellen, dass man mit Morphin bei Katzen den. Milchdurchfall stopfen kann, und dass diese Stopfwirkung auch bei. Tieren eintritt, denen die splancehnischen Hemmungsfasern vor dem sanzen Verdauungskanal vom Macen bis zum After durchschnitten und zur Degeneration gebracht waren. Nachdem auf diese Weise- gezeigt war, dass die Stopfwirkung nicht an das Vorhandensein der Hemmungsfasern gebunden ist, musste ihr Angriffspunkt wohl in der Wand des Verdauungskanals selber gesucht werden, und es fragte sich, in welchem Abschnitte die Wirkung angreift. Mit Hilfe des Röntgenverfahrens konnte Magnus feststellen, dass die Haupt- wirkungen stopfender Morphindosen bei gesunden Tieren nicht in | einer Stillstellung irgendwelcher Abschnitte des Verdauungskanals besteht, sondern dass diese Dosen im Gegenteil zu einer krampf- artigen Kontraktion der Sphinkteren des Magens führen, vor allem des Sphineter antri pyloriei, aber ausserdem des Pylorus und auch der Cardia. Dadurch kommt es zu einer beträchtlichen Verzögerung der Magenentleerung, die Mageuverdauung geht weiter als unter normalen Umständen, die Verdauungsprodukte werden verspätet in kleinen Portionen verteilt an den Darm weitergegeben. Auf diese Weise wird dem Darm ein Teil seiner Arbeit abgenommen und eine Überlastung des Darmes verhütet. Versuche von Cohnheim und Magnus?) an einem Fistelhund führten zu demselben Schluss. Die Ergebnisse sind inzwischen von E. Zunz°) am Hunde und 1) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 216. 1906. DRS 2) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 229. 1908. 3) E. Zunz, Contribution ä& l’etude de l’action de la morphine sur la digestion de la viande chez le chien. Me&moires de l’Academie de Medecine de Belgique t. 20. 1909. Über d’e Stopfwirkung von Morphin und Opium ete. 3931 von den Velden!) am Menschen bestätigt worden. Dieser Magen- wirkung gegenüber tritt eine Wirkung auf den Darm vollständig zurück. Am Dünndarm liess sich nur eine inkonstante und gering- gradige Verzögerung der Fortbewegung des Inhaltes feststellen, aber keine Ruhigstellung der Bewegungen. Am Dickdarm wurde über- haupt jeder Effekt vermisst. Nachdem auf diese Weise die en stopfender Morphindosen beim Gesunden festgestellt war, musste nunmehr wieder zur experi- mentellen Therapie zurückgegangen werden, um zu sehen, ob der- selbe Wirkungstypus, wie er am Normalen auftrat, auch bei der Be- handlung von Durchfällen beobachtet werden konnte. Zur experi- mentellen Erzeugung von Durchfällen wurden die verschiedenen Klassen der Abführmittel benutzt und zuerst deren Wirkungsmecha- nismus mit Röntgenstrahlen untersucht. Magnus?) konnte fest- stellen, dass es nicht gelinet, den Sennadurchfail, der durch eine Erregung der Dickdarmbewegung bedingt ist, zu stopfen und ebensowenig den Rizinusdurchfall®), welcher durch eine direkte Er- regung der Dünndarmbewegung und eine beschleunigte Kolonpassage zustande kommt. In beiden Fällen stimmt das Resultat also voll- ständig mit der Feststellung überein, dass die Hauptwirkung des Morphins sich am Magen äussert. Das gleiche Ergebnis erhielt ich selbst, als ich untersuchte, inwieweit sich die abführende Wirkung des Magnesiumsulfats*) durch Morphin unterdrücken lässt. Es stellte sich nämlich heraus, dass Morphin wirkungslos ist, wenn die ab- führende Salzlösung bereits in den Darm übergetreten ist; dass es dagegen seine stopfende Wirkung entfaltet, wenn man den Versuch so einrichtet, dass durch die Kontraktion der Magensphinkteren das Maguesiumsulfat im Magen festzehalten wird. Dann wird, wie Otto?) gezeigt hat, ein Teil des MgSO, im Magen resorbiert, der Rest tritt 1) R. von den Velden, Zur Pharmakologie der Magenmotilität. Münch. med. Wochenschr. 1909 S. 1667. 2) R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. 8) R. Magnus, Der Einfluss des Rizinusöles auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. 4) J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Ver- dauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. 5) E. Otto, Über das Verhalten von Salzlösungen im Magen. Schmiede- berg’s Arch. Bd. 52 S. 370. 1905. 322° J. H. Padtberg: in so kleinen Portionen und so allmählich in den Darm über, dass dieser leicht damit fertig werden kann. In den bisher untersuchten Fällen, bei denen experimentell erzeugte Durchfälle durch Morphin behandelt wurden, hatte sich also gefunden, dass Morphin keine andere Wirkungen entfaltet, als die bisher bereits beim Gesunden fest- gestellt waren. Nachdem von mir früher untersucht war, welchen Einfluss ein Repräsentant aus der Gruppe der Drastika, das Decoctum colo- cynthidis, auf die Bewegungen des Magendarmkanals ausübt, erschien es auch wünschenswert, die Frage zu beantworten, ob man den nach Koloquinthen auftretenden Durehfall durch stopfende Mörphin- dosen beeinflussen kann. Die hierbei erhaltenen, sehr merkwürdigen Resultate sollen im folgenden mitgeteilt werden. Wie ich früher beschrieben habe!), bekommt man bei Katzen auf 10 ccm 10°/oiges Decoctum colocynthidis eine weiche bis flüssige Stuhlentleerung, welche gewöhnlich viel Schleim, seltener etwas Blut enthält. Diese Entleerung erfolgt meist nach i—4 Stunden. Nur einmal unter 33 Versuchen dauerte es 6 Stunden. Weitere flüssige Fntleerungen folgen im Zwischenraume von einigen Stunden. Gibt man Katzen nach Fütterung mit 25 cem Kartoffelbrei und d g Wismuthydroxyd 10 eem Koloquinthen-Dekokt zu einer Zeit, wo sich die ganze Speisemenge noch im Magen befindet, und spritzt man den Tieren kurz vor- oder nachher 3 eg Morphinum hydro- chloriecum unter die Haut, so sieht man auf dem Röntgenschirm die charakteristische Finsehnürung an der Stelle des Sphineter antri pyloriei entstehen; die Magenentleerung ist stark verzögert und damit auch der Übertritt der koloquinthenhaltigen Nahrung in den Darm. Erst am nächsten Morgen oder noch später findet man dann eine grosse Menge weicher Fäces im Käfige. In einigen Ausnahmefällen trat zu einer Zeit, wo auf dem Röntgenschirm noch aller Inhalt im Magen zu liegen schien, eine Entleerung von minimalen Mengen festen oder weichen Darminhaltes oder von geringen Mengen Schleims auf. Vermutlich beruht das darauf, dass geringe Mengen des De- koktes in den Dünndarm übergetreten waren und hier eine Wirkung entfalteten. In diesen Versuchen weicht die Morphinwirkung dem- nach nicht von derjenigen ab, welche ich bei der Behandlung des Magnesiumdurchfalles feststellen konnte. 1) J. H. Padtberg, Der Einfluss des Koloquinthen-Dekokts auf die Ver- dauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 627. 1910. Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 3233 Völlig überraschend waren nun aber die Resultate, als das Morphin erst eingespritzt wurde, nachdem alle koloquinthenhaltende Nahrung sich im Dünndarm befand und der Magen ganz oder nahezu leer war. Wie früher gezeigt wurde, beschleunist das Dekokt hoch- gradig die Passage des Speisebreies durch den Dünndarm. In manchen Fällen findet man schon nach "/ı Stunde Inhalt im Kolon. Man sieht sehr lebhafte Pendelbewegungen, sehr kräftige Peristaltik und kann ausserdem die durch Koloquinthen hervorgerufene starke Flüssig- keitsabscheidung in das Darminnere wahrnehmen. Man sieht näm- lich, dass ein Teil der Darmschlingen breiter wird, einen bandartigen Schatten gibt, welcher heller und undeutlicher aussieht. Gibt man nun den Tieren bei maximaler Dünndarmfüllung 3 eg Morphin subkutan, dann kommt es fast unmittelbar danach zu völliger Ruhe auf dem Röutgenbilde; dieses kann längere Zeit ganz unverändert bleiben. Der Dünndarminhalt, der sich kurz vorher in lebhafter fortschreitender Bewegung befand, wird nun nicht weiter in den Diekdarm vorgeschoben. Diejenigen Darmschlingen, in denen die vorher geschilderte Flüssigkeitssekretion noch nicht aufgetreten war, verändern sich auch ferner nicht, sondern bleiben als schmale, dunkle, unbewegte Streifen auf dem Schirme sichtbar. Die Schlingen, welche schon vorher durch Exsudation ausgedehnt waren, verändern sich ebenfalls nicht weiter. Fig. 1 (S. 324) zeigt eine Schirmpause des Röntgenbildes von einer Katze, welche 12h 35’ mit 25 ccm Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd ge- füttert war und unmittelbar darauf 10 ccm 10 Yo igen Koloquinthen-Dekokt mit der Schlundsonde erhalten hatte. Um 2h fand sich das wiedergegebene Bild. Der Magen ist nahezu leer, der Dünndarm maximal gefüllt. Zwei Schlingen band- förmig durch Exsudation ausgedehnt. Im Kolon ist die erste Portion des Speise- breies angekommen. 5 Minuten nach dieser Röntgenaufnahme erhielt das Tier 3 cg Morphin. mur. subkutan. Um 6h 30’ fand sich das auf Fig. 2 (S. 325) wiedergegebene fast unveränderte Bild. Der Magen ist etwas kleiner geworden, die Kolonfüllung hat um ein geringes gugenommen. Das Bild des Dünndarms ist fast unverändert. Insbesondere sind die beiden durch Exsudat ausgedehnten Schlingen noch in unveränderter Länge und Lage zu erkennen. Ohne Morphin würde nach dieser Zeit nicht nur der ganze Dünndarm, sondern auch der Dickdarm seinen Inhalt nach aussen entleert haben und auf dem Röntgenschirm kein Schatten mehr wahrzunehmen sein. Fis. 3 (S. 326) stellt die Resultate von sechs nach demselben Versuchsplan angestellten Versuchen in Form eines Diagrammes dar. Die ausgezogene Linie entspricht den Koloquinthen-Versuchen, die punktierte Linie den sechs Versuchen, _ in welchen nach Koloquinthen bei maximaler Dünndarmfüllung Morphin injiziert 324 J. H. Padtberg: wurde. Man sieht, dass nach der. Morphineinspritzung sich die auf der Kurve dargestellte Gesamtlänge des Dünndarmschattens so gut wie gar nicht ändert, während ohne Morphin sich der Dünndarm sehr schnell nach dem Dickdarm zu entleert und nach 1'/sa Stunden nur noch geringe Nahrungsreste enthält. Fig. 1. (Auf !/s verkleinert.) Dieses Bild bleibt nun unverändert bestehen, bis dass die Tiere nach ungefähr 5 Stunden zugrunde zehen. In einzelnen Fällen lebten sie auch länger als 10 Stunden, und wurden dann am folgenden Morgen tot gefunden. Vor dem Exitus zeigen die Tiere die Er- Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 325 scheinungen der akuten Koloquinthen-Vergiftung!) : Dyspnöe, unregel- mässige und schnappende Atmung, zunehmende Lähmung des Zentral- nervensysteıns mit Koordinationsstörung. Der Tod erfolet durch Fig. 2. (Auf Ya verkleinert.) Atmunssstillstand bei noch gut schlagendem Herzen. Das Bild kann kompliziert werden durch einzelne Morphinsymptome, als welche bei 1) Der Beweis, dass es sich hierbei wirklich um Koloquinthen-Vergiftung handelt, ergibt sich aus Versuchen, in denen das Dekokt in abgebundene Darm- schlingen gebracht wurde bei Tieren, welche kein Morphin erhielten (siehe S. 332f.), 3926 J. H. Padtberg: Katzen Reflexsteigerung und blitzartige Muskelzuckungen zu be- trachten sind. Hierbei muss aber darauf aufmerksam gemacht werden, (lass die verwendeten Dosen Koloquinthen-Dekokts und Morphins, jede für sich allein, als unschädlich zu betrachten sind. Nur durch den langen Verbleib des Drastikums im Darme kommt es zu einer ab- norm grossen Resorption des Dekoktes und infolgedessen zu all- gemeiner Vergiftung. Bei der Sektion dieser Tiere !t) findet sich folgendes: Der Magen ist fast immer normal. Nur in einem Einzel- _ .— nd Mouluwenuche > % n >, = = = os Gesamtlänge des Dünndarmschattens in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Uhr Fig. 3. Diagramm der Verdauungsbewegungen bei der Katze nach Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung und 10 ccm 10°%oiges Decoct. colocynthidis (ausgezogene Linie). Die punktierte Linie zeigt den Verlauf der Verdauungsbewegungen, wenn bei maximaler Dünndarmfüllung 3 cg Morphinum mur. subkutan injiziert wurden. falle fand sich im Pylorus eine geringe lokale Hyperämie.der Schleim- haut. Der Dünndarm ist an einigen Stellen stark ausgedehnt und enthält viel dünnflüssigen wismuthaltenden Inhalt. Diese Schlingen: entsprechen, wie wiederholt festgestellt werden konnte, denjenigen, welche auf dem Röntgenschirm als breite blasse Bänder erscheinen. 1) Katzen, welche nach Kartoffelbrei-Wismut-Fütterung 10 cem 10 °/o igen Koloquinten-Dekokts ohne Morphin erhalten haben, zeigen, wenn man sie nachher tötet, keine oder höchstens minimale Veränderungen des Dünn- und Dickdarmes. Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 327 Andere Schlingen enthalten nur Gas, andere auf dem Röntgenschirm ‚als scharfe, schwarze Schatten sichtbare Schlingen einen dicken, 'zähen Wismutbrei. Besonders im distalen Teil des Dünndarms (Ileum) sind Entzündungserscheinungen von wechselnder Intensität zu sehen, welche manchmal hochgradig sind, manchmal an dieser Stelle auch völlig fehlen. Das Jejunum ist gewöhnlich frei von Ent- zündung. An den erkrankten Stellen ist die Mucosa mit einem fibrinösem Belag bedeckt, darunter ist sie gerötet, geschwollen und ‚zeigt an einzelnen Stellen Hämorrhagien. In allen Fällen ist der -Diekdarm betroffen, und zwar wesentlich stärker als der Dünn- darm. Er enthält gewöhnlich viel Schleim und eine sehr geringe ‚Menge wismuthaltigen Darminhalts. Die Entzündungserscheinungen nehmen vom Coecum gegen das Rectum an Intensität zu. Überall in der Mucosa sind Hämorrhagien zu sehen, an einzelnen Stellen ist die ganze Schleimhaut zerstört und in eine breiige Masse verwandelt, an andern Stellen ist sie dunkelrot gefärbt und geschwollen. In ‚allen Fällen finden sich ferner mehr oder weniger starke Veränderungen der Nieren, welche bis zu schwerster hämorrhagischer Nephritis ge- steigert sein können. Starke Hyperämie der Leber ist auch gelegent- lich zu sehen. Die anderen Organe zeigen keine makroskopischen Veränderunsen. Die oben beschriebenen Experimente wurden, ausser mit Morphin, auch mit Tinet. opii angestellt. Fünf Katzen wurden mit 25 ccm ‚Kartoffelpüree und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und erhielten un- mittelbar darauf 10 cem 10 °/oiges Koloquinthen-Dekokt per os. Auf ‚dem Röntgenschirm wurde der Übertritt des koloquinthenhaltigen Mageninhalts in den Darm verfolgt. Nach ungefähr 1 Stunde war aller Mageninhalt in den Dünndarm übergegangen, und man sah in ‚einzelnen Darmschlingen durch Exsudation den Schatten undeutlich werden. In diesem Zeitpunkt nun bekamen die Tiere 2 cem Tinet. ‚opii subkutan. Der Erfolg dieser Injektion war der gleiche wie bei dem Morphinversuche. Die Sekretion nahm nicht weiter zu. Alle Bewegunzen, sowohl peristaltische als Pendelbewegungen, hörten auf, ‚und das Röntgenbild blieb die nächsten Stunden völlig unverändert. In einem Falle glückte es, während dieser Zeit den Übergang einer ‚ganz kleinen Menge koloquinthenhaltigen Darminhalts nach dem Dick- ‚darm wahrzunehmen, so dass hier einige ganz feine Schattenlinien auf- traten. Nach 4-5 Stunden gingen die Tiere wieder ein unter den Er- Scheinungen der akuten Koloquinthen-Vergiftung, welche aber weniger Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 23 328 J. H. Padtberg: als bei den Morphinversuchen durch: die Erscheinungen der Morphin- erregung kompliziert wurden. Bei der Sektion fand sich ganz das gleiche Bild wie bei dem Morphinversuche, d. h. stärkste Entzündung des Dickdarms, geringere des Ileums, Freibleiben des Jejunums. Welches ist nun die Ursache der starken Entzündung im Kolon und Rectum? Wird das Colocynthin im Dünndarm. resorbiert und darauf wieder durch die Diekdarmschleimhaut ausgeschieden, so dass man es hier mit einer sogenannten Ausscheidungsentzündung zu tun hat, oder aber wirken die Koloquinthen vom: Darmlumen aus auf die Diekdarmwand, nachdem sie durch das Dünndarmrohr bis hierher vorgeschoben sind. In dem letzteren Falle müssten dann die kleinen Mengen Dekokts, welche man, wie oben erwähnt, in den Dickdarm übertreten sieht, Anlass zu dieser starken Entzündung geben können. Die Experimente zeigten tatsächlich, dass letzteres der Fall ist. Wenn man nämlich bei Katzen in Äthernarkose von einem kleinen Laparotomieschnitt aus den Dünndarm dicht oberhalb der Bauhini- schen Klappe abbindet, die Wunde schliesst, abwartet, bis das Tier sich von der Narkose erholt hat, ihm dann 25 cem Kartoffelbrei mit 5 g Wismuthydroxyd verfüttert und unmittelbar darauf 10 ccm 10 °/oiges Koloquinthen-Dekokt mit der Schlundsonde in den Magen bringt, so sieht man, dass das Tier in 4—6 Stunden unter den oben geschilderten Symptomen der Koloquinthen-Vergiftung eingeht, welche man bei diesen Versuchen, bei welchen kein Morphin injiziert wurde, in unkomplisierter Reinheit studieren kann. Bei der Sektion findet man den Diekdarm völlig normal und unverändert, dagesen den. Dünndarm bis zur Ligaturstellung im Zustande heftigster Entzündung, die Schleimhaut rot und geschwollen, das Darmlumen mit viel Schleim und flüssigem Exsudat gefüllt. Die Entzündung ist un- mittelbar oberhalb der Ligatur am heftiesten und nimmt nach dem Magen zu an Intensität ab. Die Ursache der Entzündung des Dick- darms bei dem früheren Versuche ist also nicht darin zu sehen, dass das Coloeynthin im Dünndarm resorbiert und im Dickdarm aus- geschieden wird, sondern das Colocynthin wirkt lokal auf diejenigen Teile der Darmschleimhaut, mit denen es direkt in Berührung kommt. Später zu schildernde Versuche an angebundenen Darmschlingen haben gezeigt, dass die Schleimhaut des Diekdarms viel empfindlicher für die entzündungserregende Wirkung der Koloquinthen ist als die des Dünndarms, und es genügen daher in den oben geschilderten Morphinversuchen die geringen in den Dickdarm gelangenden Mengen Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 329 des Koloquinthen-Dekokts, um dort zu so heftigen Entzündungs- erscheinungen Anlass zu geven. — Nachdem, wie oben geschildert, nachgewiesen war, dass es mög- lich ist, den Koloquinthen-Durchfall auch dann noch zu stopfen, wenn sich aller koloquinthenhaltige Speisebrei bereits im Dünndarm befand, erhob sich nunmehr die Frage, ob dieselbe Morphindosis auch noch stopfend wirkt, wenn aller Darminhalt in das Kolon übergetreten ist. Die Katzen wurden zu diesem Zwecke des Abends mit 25 cem Kar- toffelpüree und 5 g Wismut gefüttert; am folgenden Morgen sah man dann das proximale und distale Kolon und manchmal auch das Rectum gefüllt, Magen und Dünndarm dagegen leer. Darauf be- kamen die Tiere 10 ccm 10 °/oigen Koloquinthen - Dekokts mit der Scehlundsonde.e Durch wiederholte Röntgenbeobachtung wurde nun _ der Zeitpunkt festgestellt, an dem das Koloquinthen-Dekokt bis ins Kolon gelangt war. Man erkennt dieses an dem Fleckigwerden des Sehattens im proximalen Kolon. Spritzt man nun kein Morphin ein, dann sieht man sehr bald den Schatten im ganzen Kolon, infolge der Verdünnung mit Dünndarminhalt und Exsudat, undeutlich und fleckig werden und nach "/«—2 Stunden flüssige Entleerung mit viel Schleim auftreten. Tötet man das Tier darauf in Äthernarkose durch Nackenschlag, so sieht man bei der Sektion die Diekdarm- schleimhaut ganz oder nahezu frei von Entzündungserscheinungen. Ganz anders verläuft der Versuch, wenn man nach der Ankunft des Dekokts im Kolon 3 eg Morphin mur. subkutan injiziert. In diesem Falle kann das Bild bis zu 10 Stunden ganz unverändert bleiben. Die fleckige Beschaffenheit des Schattens im proximalen Kolon. bleibt bestehen, aber breitet sich nicht weiter aus. In 14 Versuchen trat nach 6—10 Stunden Kotentleerung auf. In elf von diesen Versuchen dauerte es länger als 8 Stunden. Die Käces waren weich und ent- hielten keinen oder nur sehr wenig Schleim. Durch die Morphin- injektion ist also die Kotentleerung von Y4ı—2 auf 6-—-10 Stunden hinausgeschoben worden. Einige Stunden später starben die Tiere, oder sie wurden am folgenden Morgen tot aufgefunden. Bei der Sektion sieht man heftige hämorrhagische Entzündung des ganzen Diekdarms und manchmal auch einer kurzen Strecke des untersten Ileums. Der übrige Dünndarm hat ein normales Aussehen. Bei diesen Ver- suchen wurde stets zur Kontrolle der Wirksamkeit des Koloquinthen- Dekokts eine Katze nur mit Dekokt und nicht mit Morphin behandelt. Dieses Tier bekam in allen Fällen 1—4 Stunden nach Zufuhr des 25 * 330 J. H. Padtberg: Dekokts die erste flüssige Entleerung, auf die gewöhnlich noch mehrere folgten. Tötet man ein solches Tier, so findet man die Schleim- haut von Dünn- und Dickdarm frei von Entzündungserscheinungen. Bei allen bisher geschilderten Versuchen ist also auf dem Röntgensehirm jedesmal direkt zu sehen gewesen, dass Morphin die durch Koloquinthen stark erreeten und beschleunigten Bewegungen des Dünn- und Diekdarms unmittelbar und für längere Zeit ruhig- stell. Eine solche Wirkung des Morphins ist im allgemeinen bei normalen Tieren nicht wahrzunehmen. Insbesondere konnte ich bei meinen früheren Versuchen, den Magnesiumsulfatdurchfall durch Morphin zu stopfen, niemals etwas Derartiges beobachten. Zu der bei Normaltieren und bei der Morphinbehandlung des Senna-, Rieinus- und Bittersalzdurchfalles konstant zu beobachtenden Magenwirkung des Morphins (der Kontraktion des Sphineter antri und des Pylorus) ‚tritt also, wenn der Darm sich unter der Wirkung eines Drastikums befindet, eine ganz neue Morphinwirkung hinzu; die durch diese ent- zündungserregende Substanzen gesteigerten Darmbewegungen werden durch Morphin zur Ruhe gebracht. Für den Diekdarm ist diese Wirkung ohne jede Analogie in den bisher angestellten Versuchen, in denen Morphin bei normalen Tieren injiziert wurde Für den Dünndarm hat dagegen Magnus festgestellt, dass allerdings in der Mehrzahl der Fälle Morphin auf dessen normale Bewegungen ohne jeden Einfluss ist, dass aber gelegentlich und ohne erkennbare Ur- sache in einzelnen Fällen die Passage des Speisebreies durch den Dünn- darm durch Morphin um wenige Stunden verzögert wird (das Maximum war 5 Stunden). Es konnte keine Morphindosis gefunden werden, bei welcher dieser inkonstante Effekt ein konstanter wurde. Beim Kolo- quinthen-Durehfall ist dagegen, wie die hier geschilderten Versuche lehren, dieser Effekt ein konstanter und ausserdem ein viel stärkerer. Er betrifft auch nicht nur den Dünndarm, sondern auch den in Normalversuchen niemals beeinflussten Diekdarm. Es ergibt sich also, dass ein unter normalen Bedingungen nur schwach angedeuteter und örtlich begrenzter Fffekt des Morphins unter bestimmten pathologischen Bedingungen in den Vorder- grund tritt, konstant wird und den gesamten Darmkanal umfasst. Man sieht, wie notwendig es ist, um die Heilwirkungen von Arznei- mitteln kennen zu lernen, experimentelle Therapie zu treiben, das Heilmittel bei verschiedenen experimentell-pathologischen Zuständen zu erproben. — Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 331 Ausser den Wirkungen des Morphins auf die Motilität des Darmes wurden bei den bisher geschilderten Experimenten Beob- achtungen gemacht, welche darauf hinweisen, dass beim Koloquinthen- Durchfall das Morphin auch auf die Flüssigkeitsausscheidung in den Darm wirkt. So sieht man, dass nach Morphininjektion die Fleckig- keit des proximalen Kolons nicht oder nur sehr wenig zunimmt. Auch in den Experimenten, in welchen das Morphin bei maximaler Dünndarmfüllung eingespritzt war, fiel auf, dass die Zahl der durch flüssiges Exsudat ausgedehnten Schlingen sieh nieht vermehrte, und dass die übrigen Dünndarmschlingen als sehr schmale dunkle Streifen auf dem Schirm zu sehen waren. Diese Beobachtungen liessen. es nötig erscheinen, durch übersichtlichere Versuchsanordnung zu ent- scheiden, ob Morphin bzw. Opiumtinktur einen Einfluss besitzt auf “ die nach Koloquinthen-Dekokt eintretende Flüssigkeitsahscheidung in den Darm. Zuerst musste nun festgestellt werden, welche Menge des 10 %oigen Koloquinthen-Dekoktes mit Sicherheit eine deutliche ver- mehrte Exsudation in den Darm veranlasst, wenn sie in eine doppelt abgebundene Darmschlinge von bestimmter Länge gebracht wurde. In tiefer Äthernarkose wurde bei Katzen durch eine kleine Laparotomiewunde der Darm teilweise eventriert und durch sorg- fältige Bedeckung mit warmen, mit Ringer’scher Flüssigkeit ge- feuchteten Tüchern geschützt. Dann wurden vom Dünndarm zwei und vom Dickdarm eine Schlinge von etwa 12 cm Länge doppelseitig abgebunden, von einer kleinen Öffnung aus mit warmer Ringer- scher Flüssigkeit ausgespritzt und gereinigt, darauf mit der zu prüfenden Menge Koloquinthen-Dekokt gefüllt und die Öffnung sorg- fältig geschlossen. Es ergab sich, dass die Dosen Dekokt, welche zur Hervorbringung einer deutlichen Exsudation in den Darm genügten, für Dünndarm und Diekdarm sehr verschieden waren. In einer Dünndarmschlinge von 12 em Länge rufen 2 cem 10°/oigen Dekoktes nach Ablauf von 4 Stunden eine Exsudation von 2—19 cem hervor. In 22 Dünn- darmschlingen wurden auf diese Weise 199 ccm Exsudat gebildet, also im Mittel 9 ccem pro Schlinge. Das Exsudat, das in den Schlingen gefunden wird, ist stets flüssig, meist fadenziehend und enthält viel Schleim. In manchen Fällen ist es von hämorrhagischer Beschaffenheit, in anderen eine rein wässerige Flüssigkeit mit Schleimflocken. 332 J. H. Padtberg: Für den Diekdarm fanden sich dagegen völlig andere Zahlen. Hier sind 2 ecem eines 2!/e /oigen Dekokts bereits eine sehr stark wirksame Dosis. In Schlingen von 12 cm Länge wird dabei in 4 Stunden ein Exsudat von 7—49 ccm gebildet. In 12 Darm- schlingen erhielt ich auf diese Weise. 426 cem oder im Mittel 34,5 cem pro Schlinge. Nach diesen Vorversuchen wurde nun untersucht, welchen Einfluss die subkutane Einspritzung von Opiumtinktur oder Morphin auf die Exsudation besitzt. Nachstehende Tabelle gibt die Resultate wieder von denjenigen Versuchen, in denen die Tiere nach der Operation 2 cem Opiumtinktur subkutan bekamen und 4 Stunden später in Äthernarkose durch Nackenschlag getötet wurden. Als Kontrolle wurde stets eine Katze genommen, bei der die Darmschlingen mit den gleichen Mengen desselben Dekoktes gefüllt waren, welche aber kein Opium erhielt. Die Dünndarmschlingen wurden mit 2 ecem 10 °loigen De- koktes, die Diekdarmschlinge mit 2 cem 21/2 'o igen Dekoktes gefüllt. Quantum Exsudat in den Dünndarmschlingen mit Koloquinthen-Dekokt bei denjenigen Tieren, welchen post operationem 2 ccm Opiumtinktur subkutan eingespritzt wurde Quantum Exsudat in den Dünndarmschlingen mit Ko- loquinthen-Dekokt 3 cem Exsudat — 1!) ccm Exsudat 11 ” ” 1 pr) ] ” 12 ” ” 3 ” $)] 11 ” 2) 0 ” ” 13 » b) —A n ” 11 $}) ” — 2 ” ” 2 n ” 0 ” ” 2 ” ” 0 2 ” 5) ” ” —\ ” ” Summa 70 ccm Exsudat Summa — 2 ccm Exsudat Wie man sieht, ist in allen Fällen durch Opium die Exsudation entweder vollständig aufgehoben oder doch sehr beträchtlich vermindert. Mit den anderen Ent- zündungserscheinungen ist das dagegen nicht der Fall. Was die Rötung, Schwellung und die Hämorrhagien der Schleimhaut betrifft, so fand sich kein deutlicher Unterschied zwischen den Darmschlingen der Opiumtiere und der Kontrolltiere. Das einzig Auffallende war, 1) Die Zahlen dieser Tabelle geben an, um wieviel Kubikzentimeter sich die eingespritzte Menge von 2 ccm während der Versuchszeit vermehrt oder vermindert hatte. Wenn also beispielsweise am Schluss des Versuches 1 cem Schlingeninhalt gefunden wurde, so ist dieser als minus 1 ccm in der Tabelle vermerkt. Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 333 dass die Entzündung in denjenigen Fällen am geringsten gefunden wurde, bei welchen die Schlingen am meisten Schleim enthielten. Nachstehende Tabelle gibt die Resultate der Schlingenversuche am Dickdarın wieder. Quantum Exsudat in den Dickdarmschlingen mit Koloquinthen-Dekokt bei denjenigen Tieren, welchen post operationem 2 cem Opiumtinktur subkutan injiziert wurde Quantum Exsudat in den Dickdarmschlingen mit Koloquinthen-Dekokt 49 ccm Exsudat 15 ccm Exsudat 2a n De » 35 n ” 25 ” ” ID 5 19, D 28 ” pr) 18 ”„ ” Summa 182 cem Exsudat Summa 75 ccm Exsudat Man sieht, dass es nieht geglückt ist, die Sekretion auf Kolo- - quinthen im Dickdarm durch Opium vollständig aufzuheben. Aber die Verminderung der Exsudatmenge ist doch so beträchtlich und so konstant, dass wohl kein Zweifel über die Wirksamkeit von Opiumtinktur auch auf die Exsudation an dieser Stelle möglich ist. In einer folgenden Versuchsreihe bekamen die Tiere nach der Operation an Stelle der Opiumtinktur eine Injektion von 3 eg Mor- phinum hydrochlorieum subkutan. Im übrigen wurde genau die gleiche Versuchsanordnung beibehalten. Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die an den Dünndarmschlingen erhaltenen Er- gebnisse. Quantum Exsudat in den Dünndarmschlingen Quantum Exsudat in den mit Koloquinthen-Dekokt bei denjenigen Tieren, Dünndarmschlingen mit welchen post operationem 3 cg Morphinum Koloquinthen-Dekokt hydrochloricum injiziert wurden 5 ccm Exsudat 0 cem Exsudat SE, ” 105, ” 10 ” ” 7 2 ” 19 ” ” 2 ” ” 15 ” ” 10 ” ” 18 ” ” 25 ” ” Dan ” iur, ” 7,9 „ „ 0 ” „ 0 2” 2 1 ” ” 5) ” ” 5) ” ” 13 ” ” 0 ” ” 4,9 ” ” 0 ” ” N 9 ” ” 4 ” „ Summa 129 ccm Exsudat Summa 68 ccm Exsudat ‚ Mansieht, dassin den Morphinexperimenten im ganzen 61 ccm Exsu- dat weniger gebildet wurden, als bei den Kontrolltieren. An der Wirkung 334 J. H. Padtberg: des Morphins ist also ein Zweifel nicht möglich. Bei der Betrach- tung der Einzelversuche sieht man aber, dass dieselbe lange nicht so stark und so konstant ist als die der Opiumtinktur. In drei von 13 Schlingen fand sich sogar bei dem Morphinversuch mehr Exsudat als bei der zugehörigen Kontrolle. Dasselbe Ergebnis hatten auch die Schlingenversuche am Dickdarm, welche nachstehende Tabelle wiedergibt. Quantum Exsudat in den Dickdarmschlingen QnankumpErsnusegnaden mit Koloquinthen-Dekokt bei denjenigen Tieren, Dickdarmschlingen mit Koloquinuhen Dekokt Wehen nOSk operainnem, 3 dem Morakiaum 18 ccm Exsudat 3 cem Exsudat 38 » ” 26 ” ” 30 ” „ 45 ” ” 45 „ „ 40 ” » 39 ” „ 35 ” b) j 60 ” er} 30 ” ” 18 ” ERBE be se 7 ” 2 Summa 244 ccm Exsudat Summa 196 ccm Exsudat Man sieht, dass im ganzen in den Morphinversuchen 48 ccm Exsudat weniger gebildet wurden; aber auch hier wieder ist in einem unter sieben Versuchen die Exsudation bei der Morphinkatze grösser als bei der Kontrolle. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Morphin wie Opiumtinktur bei subkutaner Injektion die: Exsudation vermiudern, welche in abgebundenen Dünn- und Dick- darmscehlingen durch geeignete Mengen Koloquinthen-Dekokt hervor- gerufen wird. Die günstigste stopfende Dosis Opiumtinktur wirkt aber hierbei deutlich stärker als die günstigste stopfende Morphin- dosis, trotzdem die verwendete Opiumdosis nur °/s des in den Morphinversuchen injizierten Morphins enthielt. Die Entzündung der Darmschleimhaut selber wird dagegen weder durch Morphin noch durch Opiumtinktur vermindert. Die zuletzt geschilderten Versuche haben gleichzeitig noch ein weiteres Ergebnis gezeigt, auf welches kurz hingewiesen werden soll. Da die Darmschlingen zu Beginn jeden Versuches sorsfältig ausgespritzt und damit auch von etwa vorhandenem Galleninhalt befreit wurden, so ergibt sich, dass die lokal reizende, Exsudat und Entzündung hervorrufende Wirkung des Koloquinthen-Dekoktes im Darme nicht: an die Anwesenheit von Galle cebunden ist. Bekanntlich haben Buchheim, Zwicke und Stadelmann angegeben, dass die Drastika nur bei Anwesenheit von Galle abführend wirken. | Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. 335 Wie aus den oben geschilderten Untersuchungen hervorgeht, hat man es bei der stopfenden Wirkung von Opium und Morphin auf den durch Koloquinthen in einen pathologischen Reizzustand ver- setzten Darm mit einem vollständigen anderen Wirkunestypus zu tun, als er durch Magnus bei normalen Tieren beim Senna-, Ri- zinus- und Milchdurchfall und durch mich bei Bittersalzdurchfall beobachtet wurde. Es tritt bei den Koloquinthen-Versuchen die Ruhigstellung der krankhaft erregten Bewegungen des Dünn- und Diekdarmes in den Vordergrund. Ausserdem wird eine starke Beeinflussung der patho- logischen Flüssigkeitsabscheidung in das Darmlumen deutlich. Dass Morphin und Opium auch auf die physiologischen Sekretionen im Verdauungskanal wirken können, dafür liegen bereits verschiedene Angaben vor. So zeigte Riegel!), dass Morphin die Sekretion des Magens nach einer anfänglichen Hemmung stark steigert; Bickel und Pineussohn?) sahen nach Opium sofort gesteigerte Magen- sekretion einsetzen. Letztere Autoren fanden die Pankreassekretion durch Morphin anfangs vermindert, später gesteigert, durch Opium dagegen für die ganze Dauer des Versuches stark herabgesetzt. AuchCohnheim und Magnus konnten eine verminderte Pankreas- absonderung nach Morphin feststellen. Biberteld sah an einem Hunde mit Vella-Fistel unter dem Einfluss von Morphin eine be- sehleunigte Wasserresorption auftreten. Ob diese Wirkung von Morphin und Opium auf die normalen Sekretionen irgendwie zusammenhängt mit der in dieser Arbeit be- schriebenen Beeinfiussung pathologischer Exsudation in den Darm, muss durch weitere Versuche aufgeklärt werden. Jedenfalls ist das eine sicher, dass eine durch Morphin behinderte Abscheidung von Galle und Pankreassaft in den Darm nicht die Ursache der Stopf- wirkung beim Koloquinthen-Durchfall sein kann; denn auch in Darm- schlineen, welche sorgfältig von allen darin vorher enthaltenen Ver- dauungssäften (Galle und Pankreassaft) gereinigt sind, lässt sich die exsudaterregende Wirkung der Koloquinthen noch dureh Morphin und Opium aufheben. 1) Riegel, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 40 S. 347. 2) Bickelund Pincussohn, Über den Einfluss des Morphins und Opiums auf die Magen- und Pankreassaftsekretion. S.-B. Berliner Akad. Wiss. S. 217. 1907. 336 J. H. Padtberg: Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium etc. Zusammenfassung der Resultate. I. Die bei Katzen auf Darreichung von 10 cem 10 %oigen Kolo- quinthen-Dekokts eintretende Diarrhöe lässt sich durch stopfende Dosen Morphin und Opium aufheben. II. Morphin und Opium entfalten ihre stopfende Wirkung auch dann noch, wenn der koloquinthenhaltige Speisebrei sich bereits im Dünndarm oder sogar im Diekdarm befindet. Bei den Durchfällen nach Senna, Rizinusöl und Bittersalz vermag Morphin, wie frühere Versuche zeigten, unter diesen Umständen nicht mehr stopfend zu wirken. III. Die durch Koloquinthen erresten und beschleunigten Be- wegungen des Dünn- und Diekdarms werden durch Morphin und Opium aufgehoben. Der Darm wird unter diesen Umständen still- gestellt. IV. Morphin und Opium vermindern die Flüssigkeitsexsudation, welche im Dünn- und Dickdarm durch Koloquinten hervorgerufen wird. V. Zwischen Opiumtinktur und Morphinum hydrochlorieum besteht ein Unterschied in dem Sinne, dass Opium die Exsudation sicherer und viel kräftiger aufhebt als Morphin. VI. Morphin entfaltet also unter bestimmten pathologischen Bedingungen ganz andere Wirkung als bei den bisher studierten experimentellen Diarrhöen und als unter normalen Umständen. VI. 10 cem 10 °%iges Koloquinthen-Dekokt übt, wenn es seine abführende Wirkung entfalten kann und dadurch schnell aus dem Darmkanal entfernt wird, keine schädliche Wirkung auf den Darm aus. Wird aber die schnelle Passage durch stopfende Morphindosen verhindert, dann treten heftige Entzündungen besonders des Dick- darms auf. Unter diesen Bedingungen wird dann das Colocynthin resorbiert und veranlasst nach einiger Zeit den Tod der Versuchstiere. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse des Zwerchfelles in Beziehung zu seiner Funktion, sowie über das Bindegewebe der Muskeln. Von P,. Schiefferdecker. (Mit 7 Textfiguren und 4 Fahnentabellen.) In den Jahren 1903 und 1909 habe ich zwei grössere Muskel- arbeiten veröffentlicht, in denen ich Untersuchungen mitteilte, bei denen eine neue Methode zum Studium des feineren Baues der Muskeln angewendet worden war. In der ersten Arbeit!) wurden hauptsächlich erkrankte Muskeln des Menschen, in der zweiten 2) normale Muskeln des Menschen und solche von verschiedenen Tieren behandelt. Bei diesen Untersuchungen wurden besonders berück- sichtigt die Verhältnisse der Kernzahl und Kernmasse zur Faser- grösse und Fasermasse — des Kernes zum Zelleibe —, ausserdem aber auch der gesamte sonstige Bau der Muskeln. Die neue Unter- suchungsmethode bestand darin, dass zum Zwecke der Feststellung jener Verhältnisse eine möglichst grosse Anzahl von Muskelfaser- querschnitten nebst den in ihnen befindlichen Kernquerschnitten auf- gezeichnet und ausgemessen wurden. Die aus diesen Messungen er- haltenen Zahlen ergaben dann, in Tabellen zusammengestellt, die Resultate, aus denen man wesentliche Schlüsse auf den spezifischen Bau der Muskeln ziehen konnte, und aus denen man erkennen konnte, in welcher Weise dieser Bau bei der Entwicklung allmählich 1) P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues.. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H. 1-4 S. 1—345 mit 15 Tafeln. 1903. 2) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 338 P. Schiefferdecker: entstand, resp. wie er sich bei Krankheiten veränderte. Bei dem ungeheueren Gebiete, welches das Muskelsystem bei den ver- schiedenen Tieren darstellt, war es notwendig. um überhaupt möglichst schnell zu einigermaassen wichtigen Resultaten zu kommen, solehe Muskeln auszuwählen, die nach der einen oder anderen Richtung hin bemerkenswert waren. So habe ich in meiner zweiten Arbeit!) bestimmte Augenmuskeln des Menschen untersucht, da von diesen anzunehmen war, dass sie sich bei allen Menschen einiger- maassen gleich verhalten würden, weil bei ihnen eine besondere Ausbildung durch Übung fortfiel. Man konnte annehmen, dass diese Muskeln den Grundtypus eines Muskels ihrer Art und ihrer Funktion deutlich würden hervortreten lassen. So wurde der Rectus oculi superior von verschiedenen Menschen untersucht. Andererseits wurde der Levator palpebrae superioris untersucht, da dieser Muskel eine ganz besondere Funktion hat und sich ausserdem phylogenetisch und ontogenetisch von den anderen abweichend verhielt. Ferner wurden die weissen und roten Kaninchenmuskeln untersucht, um mit dieser neuen Methode die spezifischen Unterschiede zwischen ihnen festzustellen, und die weissen und roten Muskeln der Karausche, um festzustellen, welehe von diesen für das Kaninchen gefundenen Unterschieden als wirklich wesentlich für die weisse und die rote Muskulatur anzusehen seien, und welche speziell den be- sonderen Verhältnissen der Muskeln bei den beiden Tierarten ent- sprachen. Endlich wurde auch eine Anzahl von Skelettmuskeln des- selben Menschen miteinander verglichen, die alle Beziehungen zu der oberen Extremität hatten und einander benachbart waren, um. festzustellen, welche Unterschiede zwischen diesen Muskeln infolge ihrer verschiedenen Funktion aufzufinden wären. Endlich . wurde auch ein normaler Sartorius eines Hundes mit einem in Aktivitäts- hypertrophie befindlichen verglichen, um die aus dieser Veränderung resultierenden Verschiedenheiten der Kernverhältnisse, der Fibrillen- verhältnisse und des Bindegewebes festzustellen. Diese letztere Untersuchung wurde in beiden Muskelarbeiten ausgeführt. In der ersten Muskelarbeit hatte ich einen gesunden menschlichen Deltoides mit sieben in verschiedener Weise erkrankten menschlichen Deltoidei verglichen. Die Resultate dieser Untersuchungen ergaben vieles 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. ‘Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 339 Neues in bezug auf die krankhaften Veränderungen; sie wurden auch in der zweiten Muskelarbeit wieder herangezogen, um hier noch weiter verwertet zu werden im Vergleiche mit den an den normalen Muskeln gefundenen Ergebnissen. Es kam nun vor allem darauf an, diese Muskelarbeiten weiter fortzusetzen, namentlich die zweite Arbeit, welche die normalen Muskeln behandelte. Es war ja nur der erste Anfang gemacht, um festzustellen, welche Beziehungen zwischen dem Baue und der Funktion des Muskels bestehen, und ‚welches infolgedessen die spezifischen Bauverhältnisse der Muskeln sind. Ich hatte es ferner in den beiden Arbeiten in hohem Grade wahrscheinlich gemacht, dass zwischen dem Bindegewebe und dem Muskelgewebe in den Muskeln eine Symbiose bestand, und hatte ‚weiter gezeigt, dass auch das elastische Gewebe für die einzelnen _ Muskeln in seinem Aufbaue und in seiner Menge spezifisch war, wenngleich in dieser Hinsicht erhebliche individuelle Schwankungen ‘vorhanden waren. Solche individuelle Verschiedenheiten traten natürlich auch in bezug auf alle anderen Verhältnisse in den Muskeln ‚hervor. Ein jeder Mensch ist ja in allen seinen Teilen von irgend- einem anderen Menschen abweichend gebaut, es kommt nur darauf an, diese individuellen Abweichungen als solche zu erkennen und in ihrem Werte richtig einzuschätzen, dann hindern sie weiter nicht, den spezifischen Grundbau der verschiedenen Organe zu erkennen. Es lag nahe, zur Fortsetzung dieser Muskelarbeiten einen Muskel zu wählen, der im menschlichen und tierischen Körper eine ganz ‚besondere Stellung einnimmt, das Zwerchfell. Es ist dies ein Muskel, der eine ganz bestimmte spezifische Arbeit bei allen Menschen und Tieren, soweit er ausgebildet ist, auszuführen hat, und ‚der zwar, wie überhaupt jeder Muskel des Körpers, ebenfalls geübt werden kann, der aber andererseits doch, wenigstens soweit man das a priori annehmen konnte, wahrscheinlich weit weniger infolge ‚der individuellen Tätigkeit der einzelnen Menschen verändert ‚werden konnte als die meisten sonstigen Skelettmuskeln. Es war ja möglich, dass das Zwerchfell eines Menschen, der mehr körper- liche Arbeit zu leisten hatte als ein anderer, und der infolgedessen dazu gezwungen war, tiefer zu atmen, andere Verhältnisse aufweisen würde wie das eines Menschen, der nur leichte Arbeit verrichtete oder eine mehr sitzende Lebensweise führte und infolgedessen mehr ‚oberflächlich atmete. Es war ferner möglich, dass sich ein Unter- schied zeigte zwischen Männern und Frauen, da ja, wie allgemein 340 P. Schiefferdecker: angenommen wird, der Atmungstypus bei den beiden Geschlechtern ein verschiedener ist: Bei dem Manne soll mehr die Zwerchfell: atmung hervortreten, bei der Frau mehr die Brustatmung, Unter- schiede, die bedingt sein können durch den verschiedenen Skelett- bau der Geschlechter, durch die Verschiedenheit der Kleidung und durch die Verschiedenheit der Tätigkeit der Geschlechtsorgane. Zu untersuchen war ferner, wenn irgend möglich, der Bau des Zwerchfelles bei Embryonen und beim Neugeborenen; denn der- artige Untersuchungen hatten mir bei der zweiten Muskelarbeit ausserordentlich wichtige Resultate ergeben in bezug auf die Ver- änderungen, welche der Muskel während der embryonalen und während der kindlichen Entwicklung bis zum Erwachsenen durch- macht. Endlich war mit dem Baue des menschlichen Zwerchfelles der des Zwerchfelles von Tieren zu vergleichen, um festzustellen, ob die ganz verschiedene Art der Körperhaltung von Bedeutung für die Funktion dieses Muskels ist, und welches, falls die Funktion verschieden war, die infolgedessen eingetretenen. Unterschiede im Baue waren. Man sieht, es war ein an sich schon recht aus- gedehntes Gebiet, das bei diesem einen Muskel zu berücksichtigen war. Da ich die genaue Kenntnis meiner beiden vorigen Muskel- arbeiten nicht für jeden oder auch nur die meisten Leser der vor- liegenden Arbeit voraussetzen kann, so will ich möglichst kurz einiges über die Technik und über die Hauptbegriffe mitteilen, welche von mir benutzt wurden. Es werden von jedem Muskel nach Alkoholhärtung und Celloidineinbettung eine möglichst grosse Anzahl von Muskelfaserquerschnitten und die in diesen enthaltenen Kernquerschnitte mittels eines Zeichenapparates in ihren Konturen möglichst genau auf Millimeterpapier aufgezeichnet, bei tausendfacher Vergrösserung, und dann werden diese Flächenbilder, soweit es praktisch ist, mit einem Planimeter ausgemessen, oder es werden, wo die Flächen zu klein sind, also z. B. stets bei den Kernen, aber auch bei sehr kleinen Muskelfaserquerschnitten, die Flächen ihrer Grösse nach durch das Auszählen der Millimeterquadrate festgestellt. Jede Faser erhält ihre laufende Nummer und wird mit ihren Kernen in eine Liste eingetragen, aus der dann die der Grösse nach ge- ordneten Fasergruppen ausgezogen werden. Auf diese Weise erhält man eine Anzahl von Zahlen, die in Tabellen zusammengestellt die verschiedenen Kernverhältnisse erkennen lassen. Ich habe früher die Muskelfasern sowohl nach einer arithmetischen wie nach einer Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 341 seometrischen Reihe in Gruppen geordnet; im Laufe der zweiten Muskelarbeit habe ich aber schon die arithmetische Reihe bei Seite gelassen und nur noch die geometrische verwendet, und das habe ich auch in der vorliegenden Arbeit getan. Es erwies sich für die Kernverhältnisse weit praktischer, die Fasergruppen nach einer geo- metrischen Reihe zu ordnen, und ich habe für diese aus rein prak- tischen Gründen den Quotienten 1,5 gewählt. Ich ging dabei von der Zahl 100 aus, so dass sich die folgenden Gruppen ergaben: 10—15, 16—23, 24—35, 36—53, 54—80, 81—120, 121—180, 181—270, 271—405, 406—607, 608—912, 913—1368, 1369— 2052, 2053— 3078, 3079 —4617, 4618—6925, 6926—10 387 usw. Es er- seben sich für diese eben genannten Zahlen die folgenden Mittel- zahlen: 12, 19. 29, 44, 66, 100, 150, 225, 338, 506, 760, 1140, 1710, 2565, 3847, 5771, 8656. Ich führe diese Zahlen hier aus- führlieh an, damit diejenigen Forscher, welche die Absicht haben, entsprechende Untersuchungen auszuführen, sie benutzen können; denn es wäre natürlich zum Vergleiche der Resultate derartiger Untersuchungen untereinander sehr wünschenswert, wenn stets die- selben Zahlen benutzt würden. In den verschiedenen Tabellen wurden die Zahlen nun zur Bestimmung der folgenden Grössen ver- wendet: In der ersten Tabelle wurden die Durchschnittszahlen für die Grösse der Querschnittsfläche der verschiedenen miteinander verglichenen Muskeln zusammengestellt, sowie ihre Maxima und ihre Minima. Die Maxima sind dabei ganz anders zu bewerten wie die Minima: Sie geben mir in der Tat den Flächeninhalt des Quer- schnittes der dieksten Muskelfasern an, und haben infolgedessen positive Bedeutung, die Minima dagegen können mir wohl auch die Grösse der Querschnittsfläche der dünnsten in dem Muskel ent- haltenen Faser angeben, sie können mir aber auch, und das wird in weit höherem Maasse der Fall sein, nur angeben, bis zu welcher Dünne die in dem Muskel anfangenden und endigenden Muskel- fasern an ihren Enden auslaufen. Das ist dann etwas, was keine besondere Bedeutung besitzt, wenngleich natürlich diese dünnen Enden bei der Kontraktion ebenfalls mitwirken und in bezug auf ihre Kernverhältnisse berücksichtigt werden müssen, da sie integrie- rende Teile der Fasern und damit des Muskels sind. Übrigens habe ich, wenigstens soweit es möglich war, die zu untersuchenden Muskelstücke stets ungefähr der Mitte des Muskels entnommen. Indessen können auch in dieser Gegend Fasern beginnen oder 342 P. Schiefferdecker: endigen. Vor kurzem hat J. Schaffer in einer Kritik meiner Ar- beit!) einige Einwendungen gemacht gegen die von mir verwendete Methodik. In meiner ersten Muskelarbeit bin ich näher auf alles dasjenige eingegangen, was zu Fehlern hätte Veranlassung geben können, und verweise zunächst hierauf. Wenn Schaffer hier sagt, ich hätte die Beeinflussung durch Reagenzien, z. B. Sublimat, nicht genügend berücksichtigt, so verstehe ich das nicht. Ich habe ‚ausdrücklich hervorgehoben, dass die zu vergleichenden Muskeln stets einer ganz gleichen Vorbehandlung unterworfen ‘worden sind (Härtung in Alkohol, Celloidineinbettung); Sublimat ist nur zur Dar- stellung der Fibrillen bei einem Kaninchen verwendet worden, und da wurden die Muskeln desselben Tieres untereinander verglichen, und zwar nur in bezug auf ihre Fibrillenverhältnisse. Schaffer wirft mir weiter vor, dass ich die physiologische Veränderlichkeit beim Absterben der Muskelfaser nicht genügend berücksichtigt hätte, da ich helle Spältehen und Lücken an Faserquerschnitten als prä- -formierte Strukturen gedeutet hätte. Ich habe bei jedem Muskel nach Alkoholhärtung eine Beschreibung des mikroskopischen Bildes gegeben, und hierbei auch erwähnt, wenn ich in Fasern Spältchen oder Lücken sah, während die Querschnitte im allgemeinen solche nicht aufwiesen. Ich habe die Frage nach der Herkunft dieser ‚Spalten und Lücken offen gelassen, aber natürlich auch erwähnt, dass . in ihnen vielleicht Fett gelegen haben könne. Irgendeine ‚Ursache mussten diese Gebilde doch haben, und weshalb sollten sie nicht präformiert sein? Bei erkrankten und verfetteten Muskeln sieht man ähnliche Bildungen sehr vielfach. Ebenso soll ich die Veränderlichkeit beim Absterben nicht genügend berücksichtigt haben, wenn ich polygonale und runde Faserquerschnitte als Formver- schiedenheiten aufführe. Bei der Beschreibung des mikroskopischen Bildes muss ich solche Verschiedenheiten natürlich anführen. Ich habe weiter keine wesentlichen Schlüsse daraus gezogen, aber an- genommen, dass die verschiedenen Formen ihre Ursache haben müssten, sei es in der Beschaffenheit der Faser, sei es in der Be- schaffenheit des umgebenden Bindegewebes. Ich denke, das wird wohl auch so sein. “Übrigens möchte ich hierbei bemerken, dass 1) J. Schaffer, P. Schiefferdeeker: Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 -Nr. 7 S. 273—275, Literatur 1910. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 343 ich es für sehr wahrscheinlich halte, dass in manchen Muskeln, viel- leicht sogar in den meisten, die einzelnen Muskelfasern sich gerade so gegenseitig abplatten und überhaupt in ihrer Form beeinflussen werden, wie das auch sonst bei nahe aneinanderliegenden Zellen der Fall ist; wenigstens sehe ich keinen Grund, warum eine‘ solehe gegenseitige Beeinflussung der Form gerade bei den Muskeln nicht stattfinden soll. Man findet auf den Querschnitten der gehärteten Muskeln, je nach dem Muskel, es ist das sehr verschieden, mitunter so zahlreiche stark von der Kreisform abweichende Querschnitte von Muskelfasern, dass eine andere Erklärung dafür sonst gar nicht zu finden ist. Schaffer tadelt sodann, dass ich die Faserdicke nach dem Querschnitte der Muskeifasern bestimmt hahe, ein Verfahren, dessen Unzuverlässiekeit er ausdrücklich betont habe. Schaffer hat seinerzeit mitgeteilt, dass die als Absterbeerscheinungen zu deutenden Verdichtungsknoten und Schrumpfkontraktionen auf dem Querschnitte als solche nicht leicht zu erkennen seien und daher Täusehungen in bezug auf die Grösse der Querschnitte in den Muskel- fasern herbeiführen könnten. Ich habe in meiner ersten Muskel- arbeit schon auseinandergesetzt, dass die Ausmessune des Quer- ‚schnittes meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit sei, um die Grösse der Muskelfasern überhaupt einigermaassen richtig zu be- stimmen. Die Ausmessung der Dickendurchmesser an der isolierten Faser oder an dem Muskellängsschnitte ergab jedenfalls weit un- senauere Resultate. Ich habe damals diese Verdichtungsknoten und die Schrumpfkontraktionen bei meinen Überlegungen wohl berück- sichtiet, aber auch hervorgehoben, dass nach meinen an den Längs- schnitten der von mir untersuchten Muskeln gesanımelten Erfahrungen diese Fehlerquelle zu vernachlässigen sei, so selten war das Vor- kommen dieser Bildungen. Jedenfalls war die durch diese Fehler- quelle bedingte Ungenauigkeit eine sehr viel geringere als die, welche sich bei der Ausmessung der Diekendurchmesser eingestellt haben ‚würde. Ich glaube also nicht, dass die von Schaffer gegen die von mir angewendete Methode erhobenen Einwürfe geeignet sind, den Wert dieser Methode herabzusetzen. Ich habe sie mir meiner Zeit selbst alle gemacht und habe sie nicht stiehhaltig gefunden. In der zweiten Tabelle wurden die Fasern der geometrischen Reihe nach in Gruppen geordnet, und es wurde festgestellt, wie eross die morphologischen Prozentzahlen der Gruppen waren, wie hoch sich ihre „Wertigkeit“ belief und wie gross die physiologischen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 24 344 P. Schiefferdecker: Prozentzahlen waren. Durch die Feststellung der morpholoeischen Prozentzahlen war zu erkennen, in welcher Weise sich der Muskel der Dieke der Fasern nach aufbaute. Aus den ebenfalls in Prozenten ausgedrückten „Wertigkeitszahlen“ war zu ‘ersehen, welche Bedeutung die verschiedenen Gruppen für die Funk- tion des Muskels hatten. Den Begriff der „Wertiekeit“ muss ich hier kurz näher erklären. Man nimmt wohl mit Recht an, dass (die Kraft eines Muskels, natürlich unter sonst gleichen Verhältnissen, abhängt von der Grösse seines Querschnittes, d. h. von der Summe ‘der Muskelfaserquerschnitte, die den Gesamtquerschnitt zusammen- setzen. Eine dicke Faser, deren Querschnitt also verhältnismässig -gross ist, wird ‚daher bei den Muskelkontraktionen kräftiger wirken, mehr wert sein als eine dünnere Faser. Die Zahlen für die Wertig- keitsprozente bei den einzelnen Muskelgruppen belehren mich daher darüber, welchen Wert diese Gruppen für die Funktion des Muskels haben. Während mir die Zahlen für die morphologischen Prozente also angeben, welches Vertrauen ich den für die einzelnen Gruppen gefundenen Kernverhältniszahlen entgegeuzubringen habe — je grösser diese Zahlen sind, um so mehr Vertrauen verdienen sie —, geben mir die Wertigkeitsprozentzahlen an, welche Kernverhältnisse für die Tätigkeit des betreffenden Muskels die wesentlichsten sind, von welchen also seine Funktion am meisten abhängt. Sie sind daher für den Physiologen von besonderer Wichtig- keit; er erkennt aus ihnen, auf welche morphologischen Zahlen es bei dem Muskel besonders ankommt. In den weiteren Tabellen werden dann die Zahlen für die folgenden Grössen zusammengestellt: 1. Die „absolute Kernzahl“. Sie gibt mir an, wieviel Kerne durchschnittlich in der betreffenden Gruppe oder in dem ur samtmuskel auf einen Faserquerschnitt entfallen. 2. Die „absolute Kerngrösse“. Es ist dieses die durch- schnittliehe Querschnittsgrösse eines Kernes in der betreffenden Gruppe oder in dem Gesamtmuskel. 3. Die „absolute Kernmasse‘. Sie gibt mir an, wie gross die durchschnittliche Summe der Kernquerschnitte ist, welche auf einen Faserquerschnitt der betreffenden Gruppe oder des Ge- samtınuskels entfällt. Die absolute Kernmasse ist das Produkt aus der „absoluten Kernzahl* und der „absoluten Kerngrösse“, wird aber bei den Tabellen direkt durch Division der Anzahl der Fasern in Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 345 die Summe sämtlicher Kernquerschnitte gewonnen. In dieser Arbeit ist diese Grösse nur noch für den Gesamtmuskel berechnet worden, nicht mehr für die einzelnen Fasergruppen , da sie sich hier nicht mehr als unbedingt nötig erwiesen hatte, und da die richtige Be- rechnung bei den Gruppen grosse Schwierigkeiten hatte. 4. Die „reiative Kernmasse“. Diese Zahl gibt an, wie gross die Querschnittsfläche der Kerne ist, welche auf 100 Teile der Querschnitssfläche der Faser in der Gruppe oder im Gesamtmuskel ‚entfällt, d. h. also, wie gross prozentualisch die Kernmasse im Ver- hältnisse zur Fasermasse ist. Die relative Kernmasse ist eine der wichtigsten Zahlen und wird gewonnen durch Division der Gesamt- fläche der Faserquerschnitte in die mit 100 multiplizierte Summe ‚der Flächeninhalte der Kernquerschnitte für die Gruppe oder den “ ganzen Muskel. Ich erhalte natürlich dieselbe Zahl, wenn ich die Zahl für die absolute Kernmasse dividiere durch die Zahl der durch- schnittlichen Fasergrösse und dann mit 100 multipliziere. 9. Die „relative Fasermasse“. Diese wird dadurch ge- wonnen, dass die Gesamtfasermasse der Gruppe oder des ganzen Muskels durch die Gesamtkernmasse dividiert wird. Diese Grösse ist gewissermaassen das Gegenstück zur relativen Kernmasse;; sie ist unwichtiz, und ich habe sie nur bei der Schlusstabelle berechnet. 6. Die „relative Fasergrösse“. Sie wird so gewonnen, dass die durchsehnittliche Fasergrösse dividiert wird durch die durch- schnittliche Kerngrösse. Auch diese Grösse wird nur für die Schluss- tabelle berechnet. Weiter werden noch die folgenden Grössen festgestellt: 1. Die „Kernlänge“. Diese wird durch direkte Ausmessung einer grösseren Anzahl von Kernen auf einem Längsschnitte des Muskels oder auf zerzupften Muskelfaseın nach Hämatoxylinfärbung gewonnen. Meiner Erfahrung nach genügt gewöhnlich die Aus- messunz von 200 Kernen, mitunter auch schon die von 100; es hängt dies davon ab, wie stark die „Variationsbreite“ der Kernlänge ist. Eine gewisse Variationsbreite ist bei jedem Muskel vorhanden; je gesunder der Muskel ist, und je mehr er sich im Gleichgewichts- zustande befindet, um so geringer ist die Variationsbreite. Man ver- gleiche hiermit auch das in meiner Arbeit !) S. 308 und 309 unter Nr. 38 D) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 24 * 346 P. Schiefferdecker: Gesagte. Die Kernlänge ist, wie hieraus hervorgeht, einfach eine rech- nerische Grösse; möglicherweise ist in dem Muskel gar kein Kern vorhanden, der ihr genau entspricht; sie stellt die rechnerisch ge- fundene Durcehschnittslänge dar. Multipliziere ich die durchschnitt- liche Kernlänge mit der durchschnittlichen Kerngrösse, der Quer- schnittsgrösse, auch einer rein rechnerischen Grösse, so erhalte ich 2. das durchschnittliche „Kernvolumen‘“, eine ebenfalls rein rechnerische Grösse. Sird diese bisher genannten Grössen auch rein „rechnerische“,, so sind sie deshalb doch nieht weniger wichtig; nur allein mit solchen Grössen vermag man überhaupt zu arbeiten. Sie sind auch direkt als Grössen wichtig, da sie mir in der Tat die Durchschnittszahlen für die Kernlänge, die Kernerösse, das Kernvolumen usw. angeben, gewissermaassen die idealen Maasse des betreffenden Muskels; 3. die „Kernfaserzahl‘. Vergleiche ich die durchschnitt- liche „absolute Kernzahl“ mit der durchschnittlichen Querschnitts- erösse der Faser, so erhalte ich, indem ich die Kernzahl in die Querschnittszahl dividiere, eine Zahl. die mir angibt, auf wieviel Quadrat-u der Fasersubstanz ein Kern entfällt. Aus dieser Zahl ersehe ich dann zugleich, ob ich auf dem mikroskopischen Bilde den Eindruck eines kernreichen oder kernarmen Muskels haben werde. Diese „Kernfaserzahl“ ist für die Charakterisierung eines Muskels nicht unwesentlich: sie ist eine absolute Zahl. Eine relative Kern- zahl dagegen stellt 4, die „modifizierte Kernzahl“ dar. Zur Erklärung dieser das Folgende. Ich messe bei meiner Methode die sämtlichen Verhältnisse des Muskels auf dem Querschnitte aus, indem ich davon ausgehe, dass der gesamte Muskel sich aus lauter Querschnitten auf- bauen lassen würde. Der Längsschnitt kommt nur in Betracht bei der Ausmessung der Kernlänge. Ein jeder Querschnitt besitzt eine gewisse Dicke. Die Kerne, welche gerade in der Querschnittsebene liegen, werden vom Messer getroffen, aufgezeichnet und gezählt. Es ist klar, dass ich um so mehr Kernquerschnitte finden werde, je länger die Kerne eines Muskels sind; denn um so öfter werden diese von Querschnitten getroffen werden. Wenn ich also die Zahl der Kerne nur bestimme nach der direkt auf dem Querschnitte gefundenen Zahl, so werde ich im Vereleiche mit andern Muskeln nicht immer die wirklich richtige Anzahl der Kerne des Muskels finden, da die Kernlänge eben nicht "berücksichtigt worden ist. Ich werde bei Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 347 langen Kernen eine zu grosse Zahl, bei kurzen Kernen eine zu kleine Zahl erhalten. Will ich die für die Vergleichung der Muskeln untereinander wirklich richtigen Zahlen finden, so muss ich also die Kernlänge bei der Berechnung mit zu Hilfe nehmen, und das ge- schieht eben bei der Berechnung der modifizierten Kernzahlen, welche mir die für den Vergleich richtigen Kernzahlen angeben, aber dafür den Nachteil haben, dass sie keine absoluten, sondern nnr relative Zahlen sind, welehe also nur Geltung haben für diejenigen Muskeln, welche ich geräde miteinander vergleiche. Die Berechnung geschieht in folgender Weise. Ich addiere zunächst die Zahlen für die Kern- länge der zu vergleichenden Muskeln und berechne mir, durch Division mit der Zahl der Muskeln die durehsehnittliche Kernlänge. Mit dieser Zahl multipliziere ich die als „absolute Kernzahl“ direkt gewonnene Zahl und dividiere durch die wirkliche „Kernlänge“. Es ist klar, dass die so gefundenen „modifizierten Kernzahlen“ kleiner sein werden als die absoluten, wenn die Kerne verhältnismässig lang sind, und grösser, wenn sie verhältnismässig kurz sind. Ziehe ich nun, nachdem ich die „modifizierten Kernzahlen“ bestimmt habe, auch noch das „Kernvolumen“ in Rechnung, indem ich die „modi- fizierte Kernzahl“ mit dem „Kernvolumen“ multipliziere, so er- halte ich 9. die „Gesamtkernmasse“ in einem bestimmten Stücke der Muskelfaser; aber auch wieder nur als relative Zahl und daher nur für die gerade miteinander verglichenen Muskeln verwendbar. Bei der Bestimmung der Muskelfasergrösse ist zu berücksichtigen, ob der Muskel vor der Totenstarre, während derselben oder nach derselben fixiert worden ist. Aus den Untersuchungen von Hauck!) hat sich ergeben, dass der Querschnitt der Faser vor der Starre am bedeutendsten ist, während der Starre erheblich kleiner ist und nach der Starre wieder etwas zunimmt, aber die ursprüngliche Grösse nieht wieder erreicht. Ich habe in meinen beiden vorigen Arbeiten zur Korrektur dieser Unterschiede die von Hauck angegebenen Zahlen verwendet, habe das aber in der vorliegenden Arbeit unter- lassen, da sich bei den angestellten Berechnungen offenbar falsche Werte ergaben. Ich gebe also in dieser Arbeit nur die direkt ge- 1) L. Hauck, Untersuchungen zur normalen und pathologischen Histo- logie der quergestreiften Muskulatur. 18 Seiten. Inaug.-Diss. Leipzig 1900. Zugleich erschienen in Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 17. 348 P. Schiefferdecker: fundenen Zahlenwerte. Ich halte es für sehr möglich, dass die Hauck’schen Korrekturzahlen noch nicht hinreichend genau fest- gestellt worden sind, und dass sie auch vielleicht individuellen Sehwankungen unterworfen sein werden, je nach dem Menschen und je nach dem Muskel. Es würde mir daher sehr wünschens- wert erscheinen, dass jemand esunternehmen möchte, diese doch reeht wichtigen Korrekturzahlen an einem ausgedehnten Materiale von neuem festzustellen. Am besten bei einer Reihe von menschlichen Muskeln und bei entsprechenden Muskeln verschiedener Tiere; so würden dann auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln und zwischen denen der Tierarten hervortreten und: vielleicht recht interessante Schlüsse erlauben. Auf die Ergebnisse meiner beiden vorigen Arbeiten kann ich hier nicht näher eingehen, das würde zuviel Raum beanspruchen ; ich muss auf diese Arbeiten selbst verweisen, werde aber bei der Besprechung der Resultate dieser Arbeit sie ja auch immer wieder mit denen der vorigen Arbeiten zu vergleichen und so gsenügend Gelegenheit haben, auf diese zurückzukommen. Das Material für die vorliegende Untersuchung stammte von einer Reihe männlicher und weiblicher Leichen , bei denen sämtlich verhältnismässig früh nach dem Tode — allerdings, je nach der Ge- lesenheit, zu verschiedenen Zeiten — die Sektion gemacht werden konnte, so dass die Zwerchfellstücke zum Teile vor, zum Teile während der Starre in die Fixierungsflüssiekeit, Alkohol, eingelest werden konnten. Nur in einem Falle war die Starre schon vorüber. Ausserlem wurde ein fünfmonatiger Embryo männlichen Geschlechtes benutzt, von dem ich nicht genau angeben kann, wie lange nach dem Tode er in Alkohol eingelegt worden war, der aber jedenfalls gut konserviert war; endlich ein männlicher Neugeborener, der voraussichtlich während der Starre konserviert worden war. Das Zwerchfell des Hundes wurde gleich nach der Tötung des Tieres eingelegt. Ich will jetzt zunächst eine Beschreibung des mikroskopischen Bildes der Zwerchfellpräparate geben. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 349 A. Embryo von 5 Monaten, männlich. Alkohol. (3000 Fasern, 598 Kerne.) 1. Celloidin - Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Der Muskel zerfällt in Bündel von ziemlich unregelmässiger Grösse und Gestalt, welche wieder durch weitere Septa in Unterabteilungen zerlegt werden. Die grösseren Septa sind mässig breit und enthalten mässig viele lange Kerne, die kleineren Septa zwischen den Unterabteilungen sind oft sehr schmal und enthalten ebenfalls mässig viele Kerne. Die Septa zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten sind im Verhältnisse zu diesen letzteren sehr breit und enthalten ebenfalls mässig viele Kerne. Die Muskelfasern sind meist im (@uer- schnitte, teilweise auch im Schrägschnitte getroffen ; sie sind klein, meist rundlich, von ziemlich verschiedener Grösse; ein scharfer, glatter, dem Sarkolemm ent- sprechender Aussenkontur fehlt. Der Inhalt erscheint sehr grobkörnig, bei den grossen Fasern noch gröber wie bei den kleinen. Durchschnittliche Grösse des - Faserquerschnittes 33,91 qu, Max. 93,00 qu, Min. 8,00 qu. Die meist randständigen Muskelkerne erscheinen im Verhältnisse zur Grösse der Muskelfaserquerschnitte ausserordentlich gross und springen am Rande weit vor, so dass sie mitunter gar nicht zu dem Faserquerschnitte zu gehören scheinen. Durchschnittliche Kernzahl 0,20, Max. 1,00. Durchschnittliche Kerngrösse 12,36 qu, Max. 20,00 qu, Min. 1,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern verlaufen schön gestreckt, Querstreifung deutlich, Ruhe- zustand. Längsstreifung ebenfalls deutlich. Der Muskel erscheint ausserordent- lich kernreich. Die Kerne sind in bezug auf Form und Grösse einander sehr ähnlich, so dass das ganze Bild sehr gleichartig erscheint; die Kerne sind lang- gestreckt und sehr breit; Kernkörperchen meist deutlich vortretend; man findet in den einzelnen Kernen verschieden viele Kernkörperchen, etwa 1—4. Die Konturen des Kernes erscheinen entweder ganz glatt oder mitunter, aber selten, auch etwas eingekerbt. Es macht dies dann wohl den Eindruck, als ob die so eingekerbten, mit mehreren Kernkörperchen versehenen Kere in mehrere Kerne zerfallen wollten. Kernreihen nicht vorhanden. Kernlänge im Durchschnitte 13,50 «, Max. 18,00 u, Min. 10,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht dem unter Nr. 1 beschriebenen; doch tritt es hier noch deutlicher hervor, dass in den Septen, auch in den breiten, die Bindegewebsfibrillen- bündel im ganzen sehr schmal sind, so dass verhältnismässig wenig kollagenes Gewebe vorhanden ist. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. ' Die Färbung ist nicht hinreichend gut geworden, um Genaues Auszuueene 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen nicht sichtbar. 350 P. Schiefferdecker: B. Neugeborener I, männlich. Alkohol. (3000 Fasern, 570 Kerne.) 1. Celloidin-Quersehnitte, Färbung mit Hämatoxylin(Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern sind meistens im Querschnitte, nur hin und wieder auch im Schrägschnitte getroffen. Die Einteilung in Bündel ist auf verschiedenen Teileiı des Querschnittes verschiedenartig, da die Septa bald breiter, bald schmäler sind. Daher ist sowohl die Form wie die Grösse der Bündel sehr wechselnd. Die Muskelfaserquerschnitte liegen meist ziemlich eng aneinander, manchmal ganz eng; mitunter sind sie aber auch durch breitere Septa voneinander getrennt. Das Bindegewebe der breiteren Septa enthält mässig viele Kerne: das zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten zeigt etwas mehr Kerne. Hin und wieder sieht man eine grosse Faser umgeben von kleinen, aber selten. Die Muskelfaser- querschnitte erscheinen im allgemeinen stark abgerundet und grobpunktiert durch die Fibrillen resp. die Fibrillenbündel.e. Durchschnittliche Grösse der Muskel- faserquerschnitte 194,25 qu, Max. 555,00 qu, Min. 45,00 qu. Die Faserquer- schnitte enthalten wenig Kerne; diese sind stark gefärbt, liegen fast alle rand- ständig, erscheinen meist etwas kreisförmig oder kurz oval, hin und wieder auch mehr abgeplattet. Durchschnittliche Kernzahl 0,19, Max. 2. Durchschnittliche Kerngrösse 5,44 qu, Max. 9,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern verlaufen im allgemeinen geradegestreckt, Querstreifung deutlich, fast überall Ruhezustand. Die Kerne sind langoval bis stäbchenförmig, kurze Formen kommen nur selten vor, Reihenbildung nicht sichtbar. Die Kerne sind sehr gleichmässig dunkel gefärbt, so dass eine feinere Struktur nicht hervor- tritt; vielleicht aus diesem selben Grunde treten auch die Kernkörperchen nicht vor, allerdings sind diese auch bei etwas heller gefärbten Kernen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 12,50 u, Max. 18,00 u, Min. 8,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Calleja-Bild entspricht der oben unter Nr. 1 gegebenen Beschreibung: Das blaugrün gefärbte kollagene Gewebe zieht nirgends zwischen die Muskelfaser- querschnitte hinein, auch wo die Zwischenräume ziemlich breit sind; es beschränkt sich also auf die grösseren und kleineren Septa zwischen den Bündeln und den Unterabteilungen dieser. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. In den ganz dicken Septen sind elastische Fasern in grösserer Menge ent- halten; in den dünneren sind sie aber sehr viel seltener oder fehlen ganz; zwischen den Muskelfasern sind gar keine zu sehen. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen nicht sichtbar. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 351 GC. Frau, 64 Jahre, Oberlappenmneumonie links, guter Ernährungszustand, Zwerchfell von derrechten Seite, 11 Stunden nach dem Tode, während der Totenstarre, Alkohol (700 Fasern, 970 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern sind nur teilweise im Querschnitte getroffen, zu einem grossen Teile im Schrägschnitte, teilweise sogar im Längsschnitte. Die Bindegewebs- züge, welche die Bündel trennen, sind verhältnismässig schmal, ebenso auch die- jenigen, welche in die Bündel selbst eintreten und diese in Unterabteilungen zer- legen. Das Bindegewebe in den grösseren Septen zeigt nur wenig Kerne, das zwischen den Muskelfasern etwas mehr. Die Muskelfaserquerschnitte liegen meist ziemlich dicht aneinander; sie zeigen im wesentlichen abgerundete Konturen, platten sich aber doch teilweise gegeneinander ab. In bezug auf diese Ab- rundung der Konturen stimmt dieser Muskel mit dem des 60jährigen Mannes überein; doch enthält er weniger Bindegewebe. In diesem Muskel fiudet sich nur ab und zu eine grosse Faser, die von sehr kleinen umgeben wird. Die Muskelfaserquerschnitte selbst erscheinen homogen. Durchschnittliche Grösse des Muskelfaserquerschnittes 721,57 qu, Max. 1460,00 qu, Min. 280,00 qu. Die Kerne liegen fast alle randständig; hiu und wieder indessen finden sich auch Binnenkerne. Die Kernquerschnitte erscheinen vielfach mehr kreisförmig, oval bis langoval und sind stark gefärbt. Durchschnittliche Kernzahl 1,39, Max. 6. Durchschnittliche Kerngrösse 5,44 qu, Max. 10,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämotoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskeltasern verlaufen leicht geschlängelt, Querstreifung selır deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung kaum sichtbar. Die Kerne sind im allgemeinen langgestreckt, doch kommen auch alle Übergänge durch kurz-ovale bis zu kreis- förmisen vor. Hin und wieder Kernreihen, die mitunter ziemlich lang sein können (etwa bis zu zehn Kernen). Kernkörperchen treten in den einzeln liegen- den Kernen nur hin und wieder deutlich hervor und sind auch in den Kernen der Reihen nur schwer sichtbar, was aber wohl an der intensiven Färbung liegt. Es tritt die eigentümliche Erscheinung hervor, dass in derselben Faser die schön- gestreckten Kerne sehr verschieden lang sein können. Durchschnittliche Kern- länge 13,50 «, Max. 30,00 u, Min. 8,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Calleja-Präparat bestätigt die unter Nr. 1 gemachten Angaben über das Verhalten des Bindegewebes. In die schmalen Septa, welche die Bündel in Unterabteilungen zerlegen, zieht noch kollagenes Gewebe hinein; zwischen den Muskelfaserquerschnitten selbst aber ist eine Bindegewebsfärbung nicht mehr sichtbar. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorecin. Das elastische Gewebe scheint hier nur in geringer Menge vorhanden zu sein; nur in den breiteren Septen sieht man längsverlaufende elastische Fasern nebst schräg abtretenden Ästen, sonst ist elastisches Gewebe nicht zu erkennen. 352 P. Schiefferdecker: 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Hin und wieder finden sich Mastzellen zerstreut durch das Präparat, im ganzen in geringer Menge. D. Frau, 50 Jahre, Apoplexie, dreimonatige Lähmung, mässiger Ernährungszustand. Chronische parenchyma- töse Nephritis. 9 Stunden nach dem Tode während der Totenstarre. Alkohol. (700 Fasern, 980 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämotoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern befinden sich zum Teil im Querschnitte, zum Teil im Schräg- schnitte und sogar im Längsschnitte. Die Bindegewebszüge, welche die Bündel von- einander trennen, sind mässig breit; auch die Bindegewebszüge, welche die einzelnen Bündel in Unterabteilungen zerlegen, sind verhältnismässig schmal. In beiden finden sich wenig Kerne. Die Muskelfaserquerschnitte sind mehr abgerundet polygonal; hin und wieder finden sich auch mehr schmale, langgestreckte Formen, die einen mehr atrophischen Eindruck machen. Die Bindegewebszüge zwischen den Muskelfaserquerschnitten sind mässig breit und enthalten mehr Kerne als die grossen Septen. Die Muskelfaserquerschnitte erscheinen im allgemeinen homogen. Durchschnittliche Querschnittsgrösse 645,32 qu, Max. 1210,00 qu, Min. 220,00 qu. Bei den Querschnittsbildern fällt es auf, dass öfters ganz grosse Faserquerschnitte von ganz kleinen umgeben liegen. Es finden sich aber auch Übergänge in der Weise, dass etwas kleinere, aber immerhiu noch grosse Faserquerschnitte, in dieser Weise sich verhalten, und dass schliesslich wieder auch zwei oder auch mehr solcher Querschnitte von kleineren Fasern umgeben sind. Immerhin fällt dies Verhalten auf den ersten Blick auf. Die Kerne liegen in den Muskelfaser- querschnitten meist randständig; doch finden sich auch nicht selten Binnenkerne. Die letzteren sind meist kreisförmig, die randständigen bald mehr kreisförmig, bald mehr kurz- oder langoval. Durchschnittliche Kernzahl 1,40, Max. 3,00. Durehschnittliche Kerngrösse 4,73 qu, Max. 9,50, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern verlaufen leicht geschlängelt, Querstreifung deutlich, meist Ruhe- zustand.. Kerne meist langoval oder stäbchenförmig, an Länge sehr verschieden. Ausser den langgestreckten Kernen kommen noch andere Kernformen vor, kurz- ovale bis zu kreisförmigen; doch sind diese im ganzen seltener. Hin und wieder kurze, aber auch längere Kernreihen. Die Kernkörperchen treten bei diesem Muskel überhaupt nicht sehr deutlich hervor; nur hin und wieder sind sie sichtbar. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht dem unter Nr. 1 beschriebenen. Man sieht indessen infolge der Färbung hier deutlicher, wie weit das kollagene Gewebe in die Muskelbündel eindringt und da fällt es auf, dass verhältnismässig viel kollagenes Gewebe in den Muskelbündeln enthalten ist: Nicht nur die Septa, welche die Muskelbündel in Unterabteilungen zerlegen, erscheinen grüngefärbt, sondern auch vielfach die Septa zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten, falls dieselben Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 353 verhältuismässig breit sind. Bei den schmalen ist es nicht der Fall. Es tritt aber auch bei dieser Färbung gerade hervor, dass die Muskelfaserquerschnitte sehr verschieden nahe aneinander liegen, manche ganz eng aneinander, während zwischen anderen recht breite Zwischenräume bleiben. An den Stellen, wo die grossen Fasern von den kleinen umgeben liegen, sind die Septa meist, aber nicht immer sehr schmal, so dass die kleinen Fasern sich dicht an die grossen an- schmiegen und ebenso untereinander eng zusammenliegen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein, In den grösseren Bindegewebssepten finden sich mässig viele elastische Fasern, die im wesentlichen der Länge nach verlaufen, sonst aber ist nicht viel von solchen zu sehen, so dass der Muskel im ganzen als arm an elastischem Gewebe zu bezeichnen ist. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau, Mastzellen finden sich hin und wieder. E. Frau, 47 Jahre, Pneumonie rechts, magere, aber muskulöse Leiche, 2 Stunden nach dem Tode, vor der Starre, Alkohol, rechte Seite des Zwerchfelles (700 Fasern, 1040 Kerne). 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin(Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern sind nur teilweise im Querschnitte getroffen, vielfach auch im Schrägschnitte. Die Abgrenzung der Bündel geschieht durch recht breite Septa; auch die Unterabteilungen der Bündel liegen durch verhältnismässig breite Septa voneinander getrennt; auch die Muskelfaserquerschnitte selbst sind oft durch breite Zwischenräume getrennt, nur zum Teil liegen sie enger aneinander, mitunter wieder ganz eng. Dadurch kommt es zustande, dass die ganze Bündel- anordnung etwas verwaschen erscheint, nicht scharf begrenzt. Die Querschnitte der Muskelfasern erscheinen im allgemeinen homogen, stark abgerundet, doch kommen mitunter mehr eckige Formen vor, mitunter auch ziemlich langgestreckte Formen. Hin und wieder finden sich auch grosse Fasern, die von kleinen um- geben sind; doch tritt diese Anordnung bei diesem Muskel nur wenig hervor. Durehschnittliche Querschnittsgrösse der Muskelfasern 798,64 qu, Max. 1295,00 qu, Min. 240,00 qu. Die Kerne sind stark gefärbt, fast alle randständig, die seltenen Binnenkerne sind kreisförmig, die randständigen Kerne kurz- bis langoval. Durchschnittliche Kernzahl 1,50, Max. 4,00. Durckschnittliche Kerngrösse 5,28 qu Max. 9,50 qu, Min. 2,00 gu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin, Die Fasern verlaufen im ganzen stark geschlängelt. Die Querstreifung ist sehr undeutlich, wo sichtbar, Ruhezustand. Längsstreifung nicht sichtbar. Die Kerne sind meist langgestreckt, stäbchenförmig, doch kommen auch viele kurze Formen bis zu kreisföürmigen vor. Kernkörperchen vielfach sehr deutlich, mit- unter aber auch fehlend, ohne dass ein Grund dafür zu finden ist. Kernreihen im sanzen selten und dann kurz. Durchschnittliche Länge der Kerne 13,28 u, Max. 28,00 u, Min. 6,00 u. 354 - P. Schiefferdecker: 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das OCalleja-Bild entspricht im allgemeinen der unter Nr. 1 gegebenen Beschreibung, doch tritt die Abgrenzung der Bündel, auch die der Unterabteilungen derselben, weit deutlicher hervor. Es scheint indessen, dass das nach den ver- schiedenen Teilen des Muskels etwas verschieden ist, und dass die unter Nr. 1 beschriebenen Schnitte aus einer Gegend stammen, wo die Anordnung eine nicht so deutliche war. Das grüngefärbte, kollagene Gewebe zieht weitestens bis in jene dünneren Septen hinein, welche die Bündel in Unterabteilungen zerlegen, nur wo ganz besonders breite Räume zwischen einzelnen Muskelfasern vorhanden sind, tritt auch hier etwas Grünfärbung auf. 4. Gelloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. In den breiteren Septen finden sich ziemlich viele elastische Fasern, die im wesentlichen der Länge nach verlaufen auch in den schmäleren Septen, mit- unter auch in den einzelnen Muskelfäsern; finden sich elastische Fasern, die wiederum hauptsächlich der Länge nach verlaufen, aber man sieht doch auch vielfach mehr quer- oder schrägverlaufende. Dieser Muskel ist also mässig reich an elastischen Fasern. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Nur hin und wieder unregelmässig zerstreut liegende Mastzellen, teils in den Septen, teils zwischen den einzelnen Muskelfasern. F. Frau 29 Jahre, nach der Totenstarre. Alkohol. (800 Fasern, 1022. Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Der Muskel zerfällt in eine Anzahl von Bündeln von verschiedener Grösse, die durch Züge von fibrillärem Bindegewebe voneinander getrennt sind; von diesen Zügen gehen dünnere Septa in die Bündel hinein und zerlegen diese in mehr oder weniger viele Unterabteilungen. Es finden sich Gruppen von Muskel- fasern, die genau im Querschnitte getroffen sind, nebeu solchen, die mehr schräg getroffen sind. Die Muskelfaserquerschnitte sind bald mehr rundlich, bald mehr oval, bald mehr polygonal. Die Konturen sind im allgemeinen mehr abgerundet. Sie liegen bald ziemlich dicht aneinander, bald etwas voneinander entfernt. Die Bindegewebszüge sind mässig kernreich ; auch zwischen den Muskelfaserquerschnitten liegen Bindegewebskerne; auch Blutgefässe treten in diesen Zwischenräumen deutlich hervor. Die Muskelfaserquerschnitte erscheinen im ganzen homogen. Sie sind an Grösse ziemlich stark verschieden und zeigen mitunter auch mehr schmale, abgeflachte Formen; kleine Muskelfaserquerschnitte können unmittelbar neben grossen liegen und die abgeplatteten Formen unmittelbar neben anderen mehr rundlichen. Also sowohl die Grösse als auch die Form der Muskelfaserquer- schnitte wechseln bei diesem Muskel ziemlich stark. Die Muskelkerne liegen fast sämtlich randständig, sind stark gefärbt, zum Teil mehr rundlich, zum Teil mehr oder weniger lang-oval. Durchschnittliche Grösse des Flächeninhaltes eines Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 355 Muskelfaserquerschnittes 748 qu, Max. 1460 qu, Min. 210 qu. Durchschnittliche Anzahl der Kerne in einem Muskelfaserquerschnitte 1,28, Max. 6,00. Durch- schnittliche Kerngrösse 6,00 qu, Max. 10,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern verlaufen im allgemeinen etwas gewellt; zum Teil handelt es sich um weiche Biegungen, zum Teil aber auch um kürzere, eng aneinander liegende Wellen, wobei einzelne Fasern mitten drin gerade verlaufen; die Quer- streifung tritt im allgemeinen deutlich hervor, Ruhezustand; die ebenfalls deut- liche Längsstreifung tritt gegen die scharfe Querstreifung mehr zurück. Die geraden, zwischen den welligen liegenden Fasern zeigen eine weniger deutliche Querstreifung, doch tritt sie scharf genug hervor, um Kontraktionszustand fest- stellen. Die Muskelkerne sind zu einem grossen Teil ausgesprochen stäbchen- förmig, teilweise auch länger oder kürzer oval. Im Innern der Kerne finden sich bei den langen gewöhnlich zwei Kernkörperchen, bei den kurzen je eines. Bei den gerade verlaufenden, kontrahierten Muskelfasern sieht man auf längere Strecken oft gar keine Kerne. Die Ursache hierfür ist wahrscheinlich die, dass diese Fasern in einem grösseren Teile ihres Verlaufes von dem Schnitte getroffen worden sind, so dass eine oberflächliche Schicht auf eine grössere Strecke ent- fernt worden ist; da die Kerne nun alle randständig liegen, so sind sie mit ent- fernt worden. Sowie die gerade Faser anfängt, sich etwas zu winden, treten _ wieder Kerne in ihr auf. Soweit man in diesen Fasern Kerne erkennen kann, erscheinen sie ebenso wie bei den ruhenden Fasern. Durchschnittliche Kern- länge 12,50 u, Max. 24,00 u, Min. 5,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längschnitte, Färbung nach Calleja. In den grösseren und kleineren Septen fibrilläres Bindegewebe, zwischen den Muskelfaserquerschnitten solches ohne sichtbare Fibrillen. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Orcein. In den grossen Septen reiche Netze von mitteldicken his feinen elastischen Fasern. In den Septen innerhalb der Bündel ebenfalls ziemlich zahlreiche elastische Fasern. Zwischen den Muskelfaserquerschnitten finden sich ebenfalls . ziemlich häufig quer und schräg verlaufende feine elastische Fasern. Dieser Muskel enthält also ziemlich viel elastisches Gewebe. 5. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen sehr spärlich. G. Mann, 60 Jahre, sehr fett, plötzlicher Herztod, 12 Stunden nach dem Tode, während der Toten- starre. Alkohol. (500 Fasern, 1100 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern sind teils im Querschnitte, teils im Schrägschnitte ge- troffen. Die grösseren Bündel sind getrennt durch ziemlich breite Bindegewebs- septa, von denen aus feinere Züge in sie eindringen und sie so in Unterabteilungen 356 P. Schiefferdecker: zerlegen. Zwischen den Muskelfasern selbst liest mehr oder weniger viel Binde- gewebe, mitunter ziemlich viel. Das Bindegewebe in den grösseren Septen ent- hält wenig Kerne, das zwischen den einzelnen Muskelfasern mehr, mitunter ziemlich viel. Die Muskelfaserquerschnitte selbst zeigen mehr abgerundete Formen, auch da, wo sie eng aneinander liegen. Sie erscheinen homogen. Die Kerne liegen meist randständig; doch kommt es auch öfters vor, dass ein binnenständiger Kern vorhanden ist, mitunter auch zwei oder mehrere. Das Bindegewebe zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten erscheint teilweise faserig.. Die rand- ständigen Kerne sind bald mehr flach, bald etwas dicker, die binnenständigen Kerne meist kreisförmig. Alle sind stark gefärbt. Es kommt häufiger vor, dass ein ganz grosser Faserquerschnitt umgeben liegt von einer grösseren Anzahl von kleinen. Durchschnittliche Grösse des Faserquerschnittes 1208,46 qu, Max. 4250,00 qu, Min. 275,00 qu. Durchschnittliche Kernzahl 2,26, Max. 5,00. Durchschnittliche Kerngrösse 5,18 qu, Max. 17,00 qu, Min. 2,00 qu. | 2. GCelloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern verlaufen im allgemeinen gerade gestreckt, hin und wieder etwas geschlängelt. Auch im Längsbilde treten die beim @uerschnitte erwähnten dicken Fasern hervor, neben denen dann wieder andere weit dünnere liegen. Querstreifung deutlich, im allgemeinen Ruhezustand; Längsstreifung wenig sicht- bar. Hin und wieder auch Kontraktionszustand. Kerne meist langova), stäbchen- förmig, dazwischen aber auch andere kürzere Formen bis zu kreisförmigen. Von den langgestreckten Kernen können in derselben Faser durcheinander bald kürzere, bald längere liegen, teilweise sehr lange. Mitunter sieht man auch Kernreihen, die aus ganz dicht zusammenliegenden kleinen Kernen bestehen, so dass mitunter die ganze Kernreihe wie ein einziger langer Kern erscheint. In den einzelnen Kernen der Reihen finden sich Kernkörperchen, bei den isoliert liegenden kürzeren Kernen sind Kernkörperchen teils vorhanden, teils fehlen sie. Bei den längeren Kernen kommen öfters auch zwei Kernkörperchen vor oder mehr. Es finden sich aber auch solche, in denen Kernkörperchen nicht zu er- kennen sind. Durchschnittiiche Kernlänge 14,46 qu, Max. 28,00 qu, Min. 8,00 qu. 3. Celloid'n-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Calleja- Präparat bestätigt die oben angegebene Beschreibung; es ist verhältnismässig viel Bindegewebe in dem Muskel enthalten, die Septa zwischen - den Bündeln sind breit, es dringt kollagenes Bindegewebe in Forın von schmäleren Zügen in die Bündel ein und zerlegt sie in Unterabteilungen, und mitunter liegen blaugrüne Züge auch zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten, obwohl hier meist keine Blaufärbung vorhanden ist. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. In den dickeren Septen zeigen sich auf dem Querschnitte zahlreiche, meist schräg getroffene, teilweise auch der Länge nach verlaufende elastische Fasern. Auch zwischen den Muskelfaserquerschnitten liegen mehr oder weniger viele elastische Fasern, die bald quer, bald schräg getroffen sind. Solche der Quere nach getroffene Fasern finden sich auch nicht selten in den dickeren Septen. Diesen dem Querschnittsbilde entnommenen Angaben entspricht das Längsschnitts- Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 357 bild: die Hauptmenge der Fasern verläuft der Längsachse des Muskels parallel; Netze, die die einzelnen Muskelfasern umspinnen, sind eigentlich nicht vor- handen, doch findet man unregelmässig zwischen den Fasern verteilt auch viele der Länge nach verlaufende Fasern mit meist schrägen Seitenästen. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Mastzellen auf dem Querschnitte unregelmässig verstreut in ziemlich grosser Menge, meist innerhalb der Bündel gelegen; dementsprechend auf dem Längs- schnitte. H. Mann, 35 Jahre, kräftig, Gliasarkom des Gehirnes, 12 Stunden nach dem Tode, während der Starre. Alkohol. (700 Fasern, 1179 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Muskelfasern sind teils im Querschnitte, teils im Schrägschnitte ge- troffen. Die Muskelbündel treten deutlich hervor, da die Septa zwischen ihnen breit sind; auch die in die Bündel eintretenden, sie in Unterabteilungen zer- legenden Septa sind verhältnismässig breit. Sehr breit sind vielfach auch, nicht in allen Bündelv, die Zwischenräume zwischen den einzelnen Muskelfaserquer- schnitten. In den grossen Septen sind nur wenig Kerne vorhanden, ebenso in den kleineren; in dem Gewebe zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten liegen vielleicht etwas mehr, aber im ganzen auch nicht viele. Die Muskelfaser- querschnitte sind polygonal mit abgerundeten Ecken; hin und wieder sieht man einen grossen Faserquerschnitt,»s der meistens mehr kreistörmig ist, umgeben von kleinen. Die Kerne sind meist randständig, hin und wieder auch binnenständig. Die letzteren sind mehr kreisförmig, die ersteren kürzer oder länger oval. Durch- schnittliche Fasergrösse 818,04 qu, Max. 3060,00 q«, Min. 340,00 qu. Durch- schnittlıche Kernzahl 1,68, Max. 4,00. Durchschnittliche Kerngrösse 6,51 qu, Max. 11,50 g«, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längssehnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern verlaufen meist leicht geschlängelt, zum Teil zeigen sie aber auch starke Biegungen. Querstreifung sehr deutlich, meist Ruhezustand. Längs- streifung meist unsichtbar. Die mässig stark gefärbten Kerne sind meist langoval bis schön stäbchenförmig; dabei finden sich in derselben Faser dicht neben- einander sehr verschieden lange stäbchenförmige Kerne. Hin und wieder kürzere Kernreihen. Die Kernkörperchen treten nur hin und wieder hervor. Durch- schnittliche Kernlänge 14,08 u, Max. 24,00 u, Min. 8,00 u. 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bild entspricht dem unter Nr. 1 beschriebenen: der Muskel ist reich an kollauenem Bindegewebe, das sich zum Teil noch bis zwischen die einzelnen Muskelfaserquerschnitte hineinzieht. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorecin. In ‘den breiten Septen finden sich viele elastische Fasern, die aber auch zahlreiche quer und schräg verlaufende Äste abgeben. Innerhalb der Bündel 358 P. Schietfferdecker: findet man elastische Fasern noch in ziemlicher Menge in den Septen zwischen den Unterabteilungen. Zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten sind nur hin und wieder solche sichtbar. Von den hier beschriebenen Zwerchfell- muskeln ist dieser der an elastischem Gewebe reichste Muskel. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluibinblau. Die Färbung war nicht hinreichend gut gelungen. & I. Mann. (Kroate), 29 Jahre, hingerichtet, sehrgesund und kräftig, 3Stunden nach dem Tode, vor der Starre. Alkohol. (500 Fasern, 1057 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern liegen auf dem Querschnitte nicht gleichmässig: neben Gruppen von Fasern, welche vollkommene Querschnitte zeigen, können andere liegen, welche mehr oder weniger Schrägschnitte zeigen. Der Muskel zerfällt in eine Anzahl von sehr verschieden grossen Bündeln, welche zum Teil wieder in Unter- ‚abteilungen zerfallen. Zwischen den Bündeln deutliche Züge von fibrillärem Bindegewebe, nicht besonders stark, von denen feine Züge zwischen die Unter- ‚abteilungen treten. Die Anzahl der Kerne im Bindegewebe ist mässig bis gering. Die Querschnitte sind rundlich-polygonal. Sie liegen zum Teil sehr dicht, zum Teil mässig dicht nebeneinander. Die in ihnen enthaltenen Kerne liegen rand- ständig, Binnenkerne nicht vorhanden. Die Kernquerschnitte sind ziemlich oft fast kreisrund, teilweise oval bis langoval, und stark gefärbt. Im Innern der Muskel- faserquerschnitte tritt die Fibrillierung gut hervor. Durchschnittliche Grösse des ‚Flächeninhaltes der Muskelfaserquerschnitte 1807,55 qu, Max. 3215,00 qu, Min. 850,00 qu. Durchschnittliche Kernzahl 2,11, Max. 6,00. Durchschnittliche Kerngrösse 11,05 qu, Max. 18,00 qu, Min. 5,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern liegen zum grössten Teile mehr oder weniger stark gewellt, meistens mit sehr starken und steilen Wellen. Dazwischen liegen immer einige Fasern, welche ganz gerade gestreckt verlaufen. Querstreifung durchschnittlich wenig deutlich, Längsstreifung schwach, aber deutlicher als die Querstreifung. Sowohl die Längsstreifung wie die Querstreifung treten an den gewellten Fasern stärker hervor als an den gestreckt verlaufenden; bei diesen ist die Querstreifung meist überhaupt nicht sichtbar, die Längsstreifung tritt dagegen noch hervor. Soweit die Querstreifung an den gewellten Fasern hinreichend deutlich ist, kann man feststellen, dass die Fasern sich im Ruhezustande befinden; bei den ge- streckten Fasern, bei denen die Querstreifung unsichtbar ist, lässt sich der Zu- stand nicht feststellen. Die Kerne der Muskelfasern sind stark gefärbt, er- scheinen recht lang, ausgesprochen stäbchenförmig, verlaufen meistens gerade, zum kleineren Teile aber auch leicht gewellt. In dem mehr oder weniger deut- lich feinkörnigen Inhalte liegen gewöhnlich eins bis zwei, manchmal aber auch mehr Kernkörperchen. Ausser diesen langen Kernen finden sich aber auch kürzere, mehr ovale, welche dann nur ein Kernkörperchen enthalten. Durch- schnittliche Kernlänge 13,00 u, Max. 24,00 u, Min. 6,00 u. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 359 3. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Zwischen den Muskeltaserbündeln deutliches fibrilläres Bindegewebe in mässiger bis geringer Menge. Zwischen den Unterabteilungen in den einzelnen Bündeln schmälere Züge von fibrillärem Bindegewebe. Zwischen den Muskel- faserquerschnitten kein: fibrilläres Bindegewebe. Der Querschnitt macht im ganzen den Eindruck, dass er arm an Bindegeweben ist. Der Längsschnitt verhält sich dementsprechend. u 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. Nur in den grossen, ganz breiten Septen finden sich ausgedehnte Netze von mitteldicken bis feinen elastischen Fasern. In den gewöhnlichen Septen zwischen den Bündeln sind nur wenige feine elastische Fasern vorhanden, die im wesent- lichen der Länge nach verlaufen; zwischen den Muskelfaserquerschnitten sind nur hin und wieder einige feine Fasern sichtbar. Der Muskel ist also arm an elastischem Gewebe. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Es sind im ganzen sehr wenige Mastzellen zu sehen, die im wesentlichen in den grösseren Septen liegen. 6. Zerzupfungspräparate, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich). Die Fasern zeigen eine sehr deutliche Längsstreifung, zum Teil auch eine ziem- lich gute Querstreifung, Ruhezustand. Die Kerne sind zum Teil schön stäbchen- förmig mit glatten, mitunter auch gewellten .Konturen und einem bis zwei, mit- unter vielleicht auch mehr Kernkörperchen versehen. Zum Teil sind aber die Kerne mehr oval bis rundlich mit einem Kernkörperchen, mehrfach aber auch ohne Kernkörperchen. K. Hund (Fox), 9 Monate alt, gesund, Zwerchfell sleich nach dem Tode in Alkohol gelegt. (700 Fasern, 760 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin, Die Abgrenzung der Bündel ist sehr deutlich, die Septa sind ziemlich breit und enthalten mässig viele Kerne. Die Septa dagegen, welche in die Bündel eintreten, sind sehr schmal und selten, so dass eine Zerlegung der Bündel in Unterabteilungen eigentlich nicht stattfindet. Die Muskelfaserquerschnitte' sind polygonal mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken und liegen zum grössten Teil sehr dicht nebeneinander. Durchschnittliche Fasergrösse 551,17 qu,. Max. 1750,00 qua, Min. 80,00 qu. Ihre Oberfläche erscheint dicht und fein punktiert: Querschnitte der Fibrillenbündel. Hin und wieder sieht man auch hier eine grössere Faser umgeben von kleinen, doch findet sich eine solche Anordnung nicht in allen Bündeln, dafür aber mitunter mehrmals in ‚demselben Bündel.’ Die mässig stark gefärbten Kerne liegen fast sämtlich randständig, Binnenkerne' sind sehr selten, seltener als bei den bisher beschriebenen menschlichen Muskeln. Die Kerne sind vielfach kreisrund oder kurzoval, also verhältnismässig dick gegenüber den menschlichen Muskeln. Unter den Muskelfaserquerschnitten findet Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 25 360 P. Schiefferdecker: man hin und wieder auch langgestreckte,. mitunter sonderbar gebogene, unregel- mässig gestaltete Formen. Durchschnittliche Kernzahl 1,09, Max. 4,00. Durch- schnittliche Kerngrösse 6,95 qu, Max. 16,00 qu, Min. 3,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämatoxylin (Ehrlich)-Eosin. Die Fasern verlaufen zum Teil fast gerade, nur wenig geschlängelt, zum Teil aber auch stärker geschlängelt. Querstreifung schwach sichtbar, Ruhezustand, hin und wieder Kontraktion. Längsstreifung sehr deutlich; die Kerne erscheinen im allgemeinen kurz ‚bis mitteloval-e Kernkörperchen meist vorhanden, zum Teil aber auch fehlend. Teilweise sind die Konturen der Kerne nicht glatt, sondern leicht gezackt. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 11,48 u, Max. 16,00 u, Min. 8,00 u. 3. Celloidin-Quer- und-Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Querschnittsbild bestätigt die unter Nr. 1 gegebene Beschreiburg. Die Abteilung in Bündel sehr deutlich, die Septa enthalten stark gefärbte kollagene Fibrillenbündel; die Septa, welche in die Bündel hineintreten, sind zart und selten. 4. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. In den grösseren Septen zwischen den Bündeln sieht man mässig viele, ziemlich feine, die Bündel umgebende, also mehr querverlaufende Fasern; längs- verlaufende Fasern sind kaum sichtbar. Innerhalb der Bündel sind elastische Fasern nicht sichtbar. 5. Celloidin-Quer- und -Längsschnitte, Färbung mit Karbol-Toluidinblau. Der Muskel ist reich an Mastzellen, die grösstenteils in den Septen, hin. und wieder auch innerhalb der Bündel liegen. Ich will zunächst eine Zusammenfassung und Be- sprechung der Resulate geben, welche sich aus der Beschrei- bung des mikroskopischen Bildes ergeben. 1. Die Konturen der Muskelfaserquerschnitte sind im alleemeinen mehr abgerundet, auch wenn die Fasern nahe an- einander liegen; wir würden daraus auf eine verhältnismässig hohe Protoplasmaspannung schliessen können. 2. Recht auffällig ist die Erscheinung, dass bei den meisten hier beschriebenen Muskeln sieh hin und wieder sehr grosse Faserquerschnitte finden, die von verhältnismässig kleinen Faserquerschnitten eng umgeben sind. Diese letzteren Fasern sind. dabei kleiner, als es sonst im Durchschnitte der Fall ist. Die grossen Faserquerschnitte zeigen sehr stark ab- gerundete Ecken, sind mitunter fast kreisförmige, während die kleinen mehr polygonale Formen mit oft recht ausgeprägten Ecken aufweisen. Die grossen Fasern würden also eine hohe Protoplasmaspannung be- Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 361 Fig. 1. Zwerchfell eines männlichen mensch- Fig.2. Zwerchfell eines männlichen lichen Embryos von 5 Monaten. Querschnitt. Neugeborenen. Querschnitt. Grosse Grosse Fasern inmitten von kleinen. Faser umgeben von kleinen. Vergr. 350. Vergr. 193. Fig. 3. Zwerchfell einer Frau von Fig. 4 Zwerchfell eines Mannes von 47 Jahren. Querschnitt. Grosse Faser 35 Jahren. (uerschnitt. Grosse Faser umgeben von kleinen. Vergr. 195. umgeben von kleinen. Vergr. 193. Fig. 5. Zwerchfell eines Mannes von 60 Jahren. (uerschnitt. Grosse Faser umgeben von kleinen. Vergr. 19. 25 * 362 P. Schiefferdecker: sitzen, jedenfalls eine weit höhere als die kleinen. Ich gebe hier einige Skizzen wieder, welche diese Verhältnisse veranschaulichen. Ich bemerke dazu, dass Fig. 1 bei 350 maliger Vergrösserung ge- zeichnet ist, während die anderen alle bei einer Vergrösserung von Fig. 6. Zwerchfell eines Mannes von 29 Jahren. Kroate. Querschnitt. Grosse Faser umgeben von kleineren; der Unterschied tritt hier nicht so stark hervor als auf den übrigen Bildern. Vergr. 193. Fig. 7. Zwerchfell eines Hundes von 9 Monaten. Querschnitt. Grosse Fasern umgeben von kleinen. Vergr. 19. 193 gezeichnet sind. Die erste Figur wäre mit dieser Vergrösserung zu klein geworden. Fig. 1 gibt ein Bild von dem Embryo von 4 Monaten, Fig. 2 von dem Neugeborenen, Fig. 3 von der Frau von 47 Jahren, Fig. 4 von dem Manne von 35 Jahren, Fig. 5 von dem Manne von 60 Jahren, Fig. 6 von dem 29 jährigen hingerichteten Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 363 Kroaten und Fig. 7 endlich vom Hunde. Wie aus dieser Figuren- reihe (Fig. 1—7) schon hervorgeht, ist das Auftreten dieser dicken Fasern ganz allgemein gültig; schon beim Embryo treten sie deutlich hervor, und sind also sicher in dem Baue und der Anlage des Muskels begründet. Bei dem Embryo erschienen diese dicken Fasern ausser- dem dunkler als die übrigen, was auf der Figur deutlich hervortritt. Dass dieser eigentümliche Bau nicht nur dem Menschen zukommt, sondern wahrscheinlich weit verbreitet ist, lehrt der Muskel des Hundes, der ganz ähnliche Verhältnisse zeigt. Da nun aber bei manchen der hier beschriebenen menschlichen Muskeln diese Eigen- tümliehkeit nicht hervortrat, so muss man annehmen, dass diese im ganzen in dem Baue des Muskels begründete Eigentürmnlichkeit sich hin und wieder verwischen kann. Wodurch, ist freilich vorläufig noch nicht zu sagen. Die Erscheinung erinnert an die eigentümlichen Verhältnisse, die ich in meiner ersten Muskelarbeit!) bei dem Sartorius des Hundes beschrieben habe. Es zeigte sich bei diesem Muskel, dass in dem ‚Querschnitte eines jeden Muskelbündels eine, mitunter aber auch zwei auffallend grosse Faserquerschnitte vorhanden waren, die sich von den übrigen weit kleineren Fasern des Bündels deutlich abhoben. Diese grossen Faserquerschnitte waren indessen nicht von einem ‚Kranze ganz besonders kleiner umgeben, wie das hier der Fall ist, sondern lagen einfach zwischen den gewöhnlichen Fasern des Bündels. Ein weiterer Unterschied ist der, dass die grossen Fasern beim Zwerchfelle durchaus nicht regelmässig in jedem Faserbündel vor- kommen. Es handelt sich also jedenfalls um verschiedene, wenn auch bis zu einem gewissen Grade ähnliche Dinge. Ich habe damals schon in meiner Arbeit hervorgehoben, dass ich diese eigentümliche Anordnungs, die sich in dem Sartorius des Hundes vorfand, in keinem der damals von mir untersuchten Muskeln wiederfinden konnte, und auch bis jetzt ist mir das noch nicht gelungen. Die Bedeutung dieser eigentümlichen Anordnung bei dem Hunde blieb damals durchaus dunkel, und auch für die hier jetzt vom Zwerchfelle beschriebenen Dinge fehlt jede Deutung. 1) P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des ‚normalen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H. 1-4 S. 1345, mit 15 Tafeln. 1903. 364 P. Schiefferdecker: 3. Dass die Muskelfasern auf dem Querschnitte nur zu einem Teile wirklich im Querschnitte erschienen, vielfach auch im Schräg- schnitte und Längsschnitte, erklärt sich aus dem Bilde, das die Längssehnitte ergeben. Bei allen erwachsenen Muskeln habe ich angeführt, dass die Fasern mehr oder weniger wellig verliefen, mit- unter mit recht steilen Wellen. Bei zwei Muskeln, dem der 29jährigen Frau und dem des 29jährigen Hingerichteten, fand sich hierbei die eigentümliche Erscheinung, dass der grösste Teil der Fasern stark wellig verlief, dass sich dazwischen aber immer einige wenige Fasern fanden, die, wenigstens streckenweise, gerade ver- liefen. Möglicherweise war dieser Unterschied darauf zurückzuführen, dass diese geraden Fasern sich in Kontraktion befanden, die anderen in Ruhe. Sicher aber war das nicht festzustellen, da die Quer- streifung auf diesen geraden Fasern entweder gar nicht oder doch nur sehr wenig sichtbar war. Bei den bisher von mir untersuchten menschlichen Skelett- muskeln fand sich wohl hin und wieder eine leichte Schlängelung, im allgemeinen verliefen die Fasern aber doch gerade. Eine so viel- fach auftretende und oft so starke Schlängelung wie beim 7Zwerch- felle war jedenfalls niemals vorhanden. Da diese Erscheinung nun bei allen Zwerchfellmuskeln auftrat, auch bei dem des Hundes, wenn auch verschieden stark, so muss sie doch wohl auf eine Eigentüm- lichkeit in den Spannungsverhältnissen der Zwerchfellfasern zurück- geführt werden. Bei der Aufzeichnung der Faserquerschnitte sind natürlich nur richtige Querschnitte ausgewählt worden. 4. Die „Kerne“ liegen in den erwachsenen Muskeln meist randständig, doch fanden sich auch verhältnismässig viele binnen- ständige im Vergleiche mit den von mir bisher untersuchten mensch- lichen Skelettmuskeln. In dieser Hinsicht erinnert das Zwerchfell an die roten Kaninchenmuskeln. Damit würde die Beobachtung von Rehns!) übereinstimmen, welche ich schon in meiner zweiten Muskelarbeit?) angeführt habe, dass das Zwerchfell ebenso wie die Augenmuskeln und die Kehlkopfmuskeln einen grösseren Vorrat an Sauerstoff zu besitzen scheine als die anderen Muskeln. Ich habe 1) J. Rehns, Beitrag zum Studium der durch grösseren Sauerstoffvorrat ausgezeichneten Muskeln. Arch. internat. de Pharmacodynamie et de Therapie t. 18 p. 203. Ref. in Therapeut. Monatsh. Jahrg. 16 H.5 S. 265. 1902. 2) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 365 schon damals angenommen, dass man voraussichtlich infolge dieser Eigenschaft die genannten Muskeln als exquisit rote Muskeln anzu- sehen habe, da der Muskelsauerstoff doch wahrscheinlich an das Muskelhämoselobin gebunden sein wird, abgesehen von der Gefäss- verteilung und dem Reichtume an Blut. Auch die fortdauernde, wenn auch periodische Tätigkeit des Zwerchfelles spricht ja eher für einen roten wie für einen weissen Muskel. Wie weit die Kern- verhältnisse diese Annahme bestätigen, werden wir weiter unten sehen. 5. Die „Kerne“ waren bei den erwachsenen menschlichen Zwerchfellmuskeln meist stäbehenförmig oder langoval, doch kamen vielfach auch kürzere Formen vor bis zu kreisförmigen Kernen herab. Sehr auffallend war es nun, dass eigentlich bei allen diesen Muskeln immer wieder die Beobachtung gemacht werden konnte, dass diese stäbehenförmigen Kerne sehr verschieden lang erschienen, so dass ganz grosse unvermittelt neben kleinen lagen. Es konnte dies in der- selben Faser vorkommen, immerhin aber war es doch auffallend, dass in manchen Muskelbündeln, d. h. also auf dem Längsschnitte, wo man die Aberenzung der Muskelbündel nur sehr undeutlich er- kennen kann, in bestimmten Gegenden des Längsschnittes, auffallend viele lange Kerne, in anderen Bündeln auffallend viele kurze vor- kamen. Ich habe daher mehrfach daran gedacht, ob hier nicht in demselben Muskel vielleicht verschiedene Faserärten zusammen vor- kommen könnten, solche mit langen und solche mit kurzen stäbchen- förmigen Kernen. Da ich nun aber vielfach auch finden konnte, dass diese beiden Kernarten in derselben Faser dicht nebeneinander vorkamen, so glaubte ich, diesen Gedanken aufgeben zu müssen, und möchte annehmen, dass es sich um eigentümliche Verhält- nisse der Fasern handelt, deren Bedeutung mir aber durchaus dunkel ist. Jedenfalls habe ich eine ähnliche Be- obachtung bis jetzt noch bei keinem der von mir untersuchten Muskeln gemacht. Auf Zufall kann aber diese Beobachtung nicht beruben, da sie ja, wenn auch mehr oder weniger deutlich, bei jedem der untersuchten Zwerehfellmuskeln zu machen war.. 6. „Kernreihen“ fanden sich in allen menschlichen er- wachsenen Zwerchfellmuskeln, wenn auch mehr oder weniger stark ausgeprägt. In meiner zweiten Muskelarbeit!) (Kap. VII und an 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 366 P. Schiefferdecker: anderen Stellen) habe ich bereits ausgeführt, dass diese Reihen- bildung, die ja als eine stärkere Kernvermehrung anzusehen ist, wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass bei jeder Veränderung des Zustandes eines jeden Muskels, sei sie nun physiologischer oder pathologischer Natur, zunächst eine Kernvermehrung eintritt, die unter krankhaften Verhältnissen auch lange anhalten kann. Ich hob damals schon hervor, dass die menschlichen Muskeln, welche wir zur Untersuchung erhalten, alle von Menschen herstammen, welche an Krankheiten gestorben sind, und dass diese Krankheiten voraus- sichtlich auch Veränderungen in den Muskeln erzeugen werden. Ich teilte damals auch schon mit, dass solche Kernreihen, wie es schien, auch nach starken seelischen Erregungen auftreten können, und führte als Beispiel dafür an, dass in den Skelettmuskeln eines Hingerichteten, der sonst durchaus gesund war, aber eine lange Todesangst aus- gestanden hatte, sich eine starke Kernvermehrung gefunden hätte. Von diesem selben Hingerichteten rührt auch das eine hier unter- suchte Zwerchfell her, und so ist es nicht weiter auffallend, dass sich auch in diesem Muskel, wie in den Skelettmuskeln, Kernreihen vorfanden. Ich führte damals schon an, dass dieses Auftreten der Kernreihen beim erwachsenen Menschen ganz abweichend von den Verhältnissen bei den Tieren ist, bei denen wir fast nie Kernreihen finden, und dass auch menschliche Embryonen und Neugeborene sich in dieser Hinsicht im allgemeinen wie die Tiere verhalten. Auch in dieser Arbeit habe ich wieder bei dem Zwerchtelle des Hundes angegeben, dass Kernreihen nicht sichtbar waren, und auch bei dem Embryo und Neugeborenen habe ich angeführt, dass Reihenbildung nicht vorhanden war. Die in dieser Arbeit mitgeteilten Beobachtungen stimmen also durchaus überein mit denen, die ich früher gemachthabe. Meine Anschauung wird dadurch weiter bestätigt. | 7. Was das „kollagene Bindegewebe“ anlangt, so ergab es sich, dass es im allgemeinen in den erwachsenen menschlichen Zwerchfellmuskeln in mässiger Menge vorhanden war, dass es aber individuell an Menge sehr verschieden war. Diese individuellen Schwankungen stimmen durchaus überein mit den Beobachtungen, die ieh früher bei anderen Muskeln gemacht habe. Wie jeder Mensch im ganzen durchaus eigenartic gebaut ist, so sind es auch seine Muskeln. Besonders viel Bindegewebe fand sich bei dem Manne von 60 Jahren und dem von 35 Jahren. Zwischen den einzelnen Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 367 Muskelfaserquerschnitten selbst lag kein kollagenes Gewebe. Hier fand sich nur jenes von mir in meinen früheren Muskelarbeiten als „ubrillenloses Bindegewebe“ bezeichnete Gewebe, das jene durch Silber darstellbaren Fibrillen enthält. Man hat diese Fibrillen, die in feinen Bündeln zusammenliegen, bisher in verschiedenen Organen als „Gitterfasern“ bezeichnet. Ich. möchte wenigstens annehmen, dass dieses Bindegewebe des Muskels jenen „Gitterfasern“ entspricht, wie sie in der Milz, in der Leber und in sonstigen Drüsen nach- gewiesen worden sind. Die Fibrillen dieses Bindegewebes lassen sieh mit der Calleja-Färbung, welche die sonstigen Fibrillen des Bindegewebes sehr deutlich blaugrün gefärbt hervortreten lässt, nicht darstellen, mit Silber aber sind sie darstellbar. Dieses eigenartige Bindegewebe hat im Gegensatze zu dem „kollagenen“ Gewebe die folgenden Eigenschaften: Es lässt bei Calleja- Färbung keine Fibrillen erkennen und erscheint rosa, während die Fibrillen des kollagenen Bindegewebes durch diese Färbung sehr deutlich blaugrün hervortreten; es umgibt stets direkt die einzelnen Muskelfasern und führt die kleinsten Blutgefässe, die zur direkten Ernährung der Muskelfasern dienen, während das kollagene Bindegewebe in den grösseren und kleineren Septen zwischen den Muskelbündeln liegt, in denen sich auch die grösseren Blutgefässe befinden. Es folgt aus dieser letzten Angabe, dass dieses bei Calleja-Färbung fibrillenlose Bindegewebe der für die Ernährung der Muskelfasern allein in Frage kommende Teil des Perimysiums ist, dass das kollagene Bindegewebe mit seinen deutlichen und unter Umständen recht dicken Fibrillenzügen dagegen mit der Ernährung der Muskel- fasern direkt nichts zu tun hat, sondern nur indirekt, insofern in ihm die grösseren zuführenden Blutgefässe liegen, dass es sonst aber nur als „Stützgewebe‘, als ‚Gewebe, das die einzelnen Muskelbündel umgibt und zusammenfasst, vonBedeutung ist. Man muss also, meiner Meinung nach, zunächst wenigstens beim Muskel, zwei Arten von Bindegewebe oder zwei Abteilungen im Bindegewebe unterscheiden, die in ihrem Baue und in ihrer Bedeutung wesentlich voneinander verschieden sind. Es wird daher gut sein, sie auch durch verschiedene Namen zu unterscheiden. Nun fragst es sich, wie man das „fibrillen- lose“ Bindegewebe am besten mit einem möglichst klaren und neu- tralen Namen benennen kann. Man könnte entweder diesen Namen 368 P. Schiefferdecker: davon ableiten, dass sich seine Fibrillen nur durch Silber darstellen lassen, und dann wäre der einfachste neutrale Name: „argentophiles Bindegewebe“. Allerdings färben sich auch die Fasern des kollagenen Bindegewebes durch Silber, wenn auch vielfach in einem anderen Farbentone und nicht so intensiv, aber für die Darstellung der feinen Fibrillenzüge des „fibrillenlosen“* Bindegewebes ist die Silberfärbung die spezifische. Oder man könnte den Namen ableiten von der Be- deutung für die Ernährung der Muskelfasern, und dann würde die einfachste Bezeichnung die als „ernährendes“ oder „nutritives“ Bindegewebe sein, im Gegensatze zu dem „stützenden“ Bindegewebe mit seinen kollagenen Fibrillen. Ob die Fibrillen dieses „nutritiven“ Bindegewebes ebenfalls kollagen sind oder nicht, das weiss man nicht und wird es auch nur schwer feststellen können; jedenfalls sind sie aber anders beschaffen wie die des sogenannten „kollagenen“ Bindegewebes. Es geht aus dem Gesagten hervor, dass die Bezeich- nung als „kollagenes Bindegewebe“ das wesentliche unterscheidende Merkmal zwischen den beiden Bindegewebsarten nicht trifft. Ich würde daher vorschlagen, den Namen von der Stützfunktion herzu- leiten und es als „stützendes“ oder „fulkrales“ Bindegewebe zu be- zeichnen. Das Wort „Fulerum“, welches sonst sich ebenfalls zur Bezeichnung eignen würde, ist nicht mehr frei, da es bereits für das Stützgewebe der Netzhaut Verwendung gefunden hat, und das Wort „Stützgewebe“ hat schon längst eine so allgemeine Bedeutung erhalten, dass es für diesen speziellen Zweck ebenfalls nicht mehr verwendbar ist. Ich bin der Meinung, dass man das Bindegewebe in einer ganzen Anzahl von Organen in diese beiden Abteilungen wird zerlegen können, so namentlich in den Drüsen. Das Drüsen- parenchym steht dem Bindegewebe der Drüsen ja auch in ganz ähn- licher Weise gegenüber wie die Muskelfasern dem Bindegewebe des Muskels. 8. Von „elastischem Gewebe“ ist in den erwachsenen’ Zwerchfellmuskeln des Menschen im allgemeinen nicht viel vorhanden, doch finden sich auch wieder, wie bei dem Bindegewebe, starke individuelle Schwankungen. Solche Schwankungen fanden wir: auch schon bei den sonstigen bisher untersuchten Muskeln. Weiter hatte es sich schon ergeben, dass einige Muskeln, wie z. B. die Augen- muskeln des Menschen, durch einen besonderen Reichtum an elasti- schem Gewebe vor den übrigen besonders hervortraten. Das Zwerch- fell scheint elastisches Gewebe, wie schon gesagt, nur in mässiger Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 369 Menge zu besitzen. Man wird also annehmen dürfen, dass dieses für die Funktion des Zwerchfelles keine irgendwie bedeutungsvolle Rolle spielt. Von den hier untersuchten Muskeln zeigte der der Frau von 47 Jahren etwas mehr elastisches Gewebe, der der Frau von 29 Jahren verhältnismässig viel, ebenso der des Mannes von 60 Jahren, und am meisten enthielt der Muskel des Mannes von 35 Jahren; doch war auch bei diesem im Vergleiche mit den Augenmuskeln das elastische Gewebe nur in mässiger Menge vor- handen. Aus dem Gesagten ereibt sich wieder, dass, wie das auch bei allen bisher schon untersuchten Muskeln der Fall war, das Zwerch- fell einen eigenartigen histologischen Bau besitzt, und dass individuelleSchwankungen deutlich hervor- treten. Vereleichen wir nun noch mit den Zwerchfellmuskeln des er- wachsenen Menschen die des Embryo von 5 Monaten, des Neu- geborenen und den des Hundes. Bei dem Embryo von 5 Monaten fällt zunächst die grössere Breite der Septa zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten auf. Es entspricht dies dem, was ich in meiner zweiten Muskel- arbeit von dem Deltoides des Embryo von 4 Monaten gesagt habe!) (S. 67). Sodann besitzen die Muskelfasern augenscheinlich auch bei diesem Embryo wieder noch kein Sarkolemm, gerade so, wie es bei dem ebenerwähnten Embryo von 4 Monaten der Fall war. Jene grossen, von kleinen Fasern umgebenen Muskelfasern sind schon vorhanden und erscheinen besonders dunkel. Das Verhalten der Kerne entspricht eben- falls dem bei dem Deltoides des Embryo von 4 Monaten seiner Zeit be- Schriebenen: Die Kerne sind ausserordentlich gross im Verhältnisse zum Querschnitte und springen am Rande der Fasern weit vor, so dass sie mitunter gar nicht zu dem Faserquerschnitte zu gehören scheinen. Die Kerne liegen also in diesem Entwicklungsstadium schon direkt an der Peripherie der Faser. Die Randständigkeit der Kerne be- ginnt also schon früh. Gegenüber den erwachsenen Muskeln hervor- zuheben ist weiter der ausserordentlich grosse Kernreichtum, der auf dem Längsschnitte hervortritt. Dabei sind die Kerne in bezug auf Form und Grösse einander sehr ähnlich, ganz anders wie bei 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 370 P. Schiefferdecker: den erwachsenen Muskeln. Diese Beobachtung spricht also auch entschieden dafür, dass die so verschieden grosse Länge der Kerne in den Fasern des erwachsenen Zwerchfelles auf einer besonderen Art der Differenzierung der Muskelkerne während der Entwicklung be- ruht, deren Bedeutung noch unbekannt ist. Weiter sind die Kerne sehr breit, besitzen also einen sehr grossen Querschnitt. Bei den Tabellen werden wir sehen, dass infolgedessen das Volumen der Kerne sehr eross ist. Es finden sich in den einzelnen Kernen verschieden viele . Kernkörperchen, etwa I—4. Auch von dem Deltoides des Embryos von 4 Monaten habe ich seinerzeit angegeben, dass mehrere Kern- körperehen in den Kernen vorhanden waren, die in einer Reihe hintereinanderlagen, und dasselbe habe ich auch bei dem Levator palpebrae des Neugeborenen gefunden. Es war dies einer der Gründe, die mich veranlassten, anzunehmen, dass dieser Levator sich noch in einem verhältnismässig frühen Entwieklungszustande pefände. Es finden sich ferner an den Kernen mitunter leichte Ein- kerbungen zwischen den Kernkörperchen, so dass es den Eindruck macht, als ob die so eingekerbten, mit mehreren Kernkörperchen versehenen Kerne schnell in mehrere Kerne zerfallen wollten. Dasselbe Verhalten habe ich seinerzeit auch bei dem Levator .an- gegeben. Es scheinen die genannten Eigentümlichkeiten also in der Tat, wie ich das auch schon in meiner zweiten Muskelarbeit an- genommen habe, charakteristisch für ein gewisses Entwicklungs- stadium eines Muskels zu sein. An dieser Stelle will ich erwähnen, dass ich inzwischen den Levator eines weiteren Neugeborenen auf diese Eigentümlichkeiten der Kerne hin untersucht habe, und dass sich dieselben bei ihm nicht auffinden liessen: Die Kerne ent- sprachen in ihrem Verhalten dem der Kerne des Erwachsenen. Dieser Neugeborene war ein sehr grosses Kind, und so ist es wohl möglich, dass er bereits über jenes Entwicklungsstadium hinaus war. Es würde dies meine Annahme bestätigen, dass diese eigenartige Kernform einem bestimmten Entwicklungsstadium angehört, das bei den verschiedenen Muskeln und bei den verschiedenen Individuen zu verschiedenen Zeiten eintreten kann. Kernreihen fehlen, wiederum im Gegensatze zu den erwachsenen Muskeln und in Übereinstimmung mit den Muskeln eines gesunden geschlachteten Tieres. Was das Bindegewebe anlangt, so ist noch wenig fibrilläres Bindegewebe zu sehen, obgleich die Septa breit sind und zwischen den einzelnen Muskelfaserquersehnitten verhältnismässig viel nutritives Bindegewebe Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 371 liest. Auch dieses stimmt einigermaassen überein mit. dem, was ich früher von dem Embryo von 4 Monaten angegeben habe. Im Gegensatze zu dem Embryo liegen die Faserquerschnitte bei dem „Neugeborenen“ durchschnittlich weit enger aneinander. Doch sind die Entfernungen noch verschieden gross. Auch jene eigentümliche Anordnung, dass besonders breite Fasern von einer Anzahl von kleinen umgeben sind, tritt hier wieder auf, doch sind die Fasern nicht mehr so dunkel wie bei dem Embryo. Selbstverständlich besitzen die Muskelfasern jetzt ein Sarkolemm. Die Kerne liegen fast alle randständig. Sie sind, wie bei dem Embryo, von sehr ähnlicher Länge; immerhin kommen schon kürzere Formen vor: Es beginnt hier also bereits jene Differenzierung zu langen und kurzen Kernen. Reihenbildung ist wieder nicht sichtbar. Die Kernkörperchen treten nicht deutlich hervor, jedenfalls: sind sie nicht mehr zu mehreren in den Kernen vorhanden, wie das bei dem Embryo der Fall war. Das fibrilläre Bindegewebe ist hier schon stärker entwickelt. Elastische Fasern finden sich schon in grösserer Menge, als bei dem Embryo, in den breiten Septen; sonst aber sind sie nur in geringer Menge vorhanden. Mastzellen sind weder bei dem Embryo noch bei dem Neugeborenen sichtbar. Ob dieses irgendwie von Bedeutung ist, lässt sich vorläufig noch nicht sagen. Bei dem Neugeborenen be- - ginnt auch bereits das Vorkommen von binnenständigen Kernen, das sich von nun an in immer höherem Grade bis zum Erwachsenen hin fortsetzt. Was den „Hund“ anlangt, so stimmt er in bezug auf das Quer- sehnittsbild recht gut überein mit den erwachsenen Menschen. Die Fasern sind polygonal mit abgerundeten Eeken, liegen meist dicht aneinander; auch hier ist mitunter eine grosse Faser von kleinen umgeben. Bei dem neugeborenen Menschen lagen die Kerne fast alle randständig, bei den Erwachsenen traten binnen- ständige Kerne etwas häufiger auf; hier bei dem Hunde liegen die Kerne fast alle wieder randständig, Binnenkerne sind sehr selten, seltener als bei den erwachsenen menschlichen Muskeln. Ob diese Beobachtung von Bedeutung ist, lässt sich vorläufig noch nicht, sagen. Die Kerne beim Hunde Sind im ganzen mehr kreisförmig und also durchschnittlich dieker als bei den erwachsenen Menschen. Auch in dieser Hinsicht entspricht der Muskel des Hundes mehr dem des neugeborenen Menschen. Die Kerne erscheinen auf dem Längsschnitte etwas kürzer 3723 P. Schiefferdecker: als die in den menschlichen Muskeln, eine Längendifferen- zierung fehlt. Elastisches Gewebe ist auch bei dem Hunde nur in sehr geringer Menge vorhanden. Auch das Bindegewebe ist nicht stark entwickelt. Der Muskel ist reich an Mastzellen; bei den erwachsenen menschlichen Muskeln waren nicht viele solche Zellen vorhanden, allerdings war das wechselnd, so waren z. B. bei dem 60jährigen Maune ziemlich viele Mastzellen vorhanden. Welche Bedeutung das mehr oder weniger zahlreiche Vorkommen dieser Zellen hat, ist ja bis jetzt noch durchaus unklar. Ich will jetzt übergehen zu der Besprechung der Tabellen, in welchen die durch die Ausmessung gewonnenen Zahlen zusammen- gestellt sind. Es wurden untersucht die folgenden Muskeln: 1. Embryo von 5 Monaten, männlich 3000 Fasern, 598 Kerne, 2. Neugeborener, männlich . . . 3000 „ DER 8. Rrau,.042 Jahre 2 ar el 27000 Sl 4.1 raus o0lJahrer 2 eu are. 7) Y7008E, gegen 3. Prau, AZ Jahre ru... 7 020..07008 7 oe N Krau. 29 Jahre, en na 2. »Mann,, 60: Jahre... 222 150 87 Mann} 99 Jahrer .o., oe. 2.237 77008, 2,0 oe 9*=Mann; 2% Jahre 02.0 2 02 9.0.27 500207 22 1 0De 10. Hund (Fox), 9 Monate . . . . 70 ,„ 700.98 Wie man sieht, handelt es sich schon um ein ziemlich reiches Material: 11300 Fasern und 8687 Kerne. In Tabelle I sind die Maasse für den Flächeninhalt eines Faserquerschnittes zusammengestellt. Wie man sieht, liegen die Zahlen für die vier untersuchten Frauen zwischen 645 und 799 qu, für die drei untersuchten Männer zwischen 818 und 1808 qu. Es geht also zunächst aus dieser Tabelle die interessante Tatsache her- vor, dass dieFasern in dem Zwerchfelle der Frau dünner sind alsin dem Zwerchfelle des Mannes. Vergleichen wir mit diesen Maassen diejenigen, welche ich in meiner zweiten Muskel- arbeit!) (S. 71) für den Deltoides von zwei Männern und für den Pectoralis major, den Biceps und den Serratus anterior eines Mannes angegeben habe, so waren damals die Zahlen die folgenden: Deitoides 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete.e 373 Tabelle I. Zwerchfell. Flächeninhalt eines Faserquerschnittes im Durchschnitte, Maximum, Minimum in Quadratmikra. Name Durchschnitt Maximum Minimum Embryo, 5 Monate, männl. . . . 33,91 93 8 Neugeborener, männl... ... - 194,25 555 45 Bemm64 Jahre. . 2... 2... 121,97 1460 280 Kamel Jahre. . .:.2: ...... 0... 645,32 1210 220 BemeAlnlahre. - . ........ 798,64 1295 240 Beelahre. . : . 2... 7147,76 1460 210 Bee 6dahre.. ... ..... 1208,46 4250 275 Beum, 859 Jahre - . . ....-. 818,04 3060 340 Bm ahrei, . -. 2... 0... 1807.55 3215 850 Hund (Fox), 9 Monate .... . 551,17 1750 80 (Mann von 19—20 Jahren) 1421 qu, Deltoides (Seemann) 973 qu, Pectoralis major (Seemann) 944 qu, Biceps (Seemann) 1199 qu, Serratus anterior (Seemann) 738 qu. Wir sehen also, dass die Fasern dieser Muskeln eine ähnliche Dicke besitzen wie die des Zwerchfelles der hier besprochenen Männer. Der Hund hat ver- hältnismässig kleine Fasern, vergleicht man sein Maass (551 qu) mit dem des Sartorius eines Hundes, den ich in meinen beiden Muskelarbeiten untersucht habe (340 qu), so zeigt sich, dass die Hundemuskeln überhaupt kleine Fasern zu haben scheinen, im Ver- hältnisse zu denen des Menschen. Selbstverständlich kann man aus dem Vergleiche dieser beiden ‚Zahlen für den Hund keine irgendwie beschaffenen sonstigen Schlüsse auf das Zwerchfell des Hundes machen, da es sich ja um verschiedene Hunde handelt, bei denen die Faser- grösse im allgemeinen sehr verschieden gewesen sein kann. Ver- eleichen wir bei den hier angegebenen Zwerchfellmuskeln statt der Durchschnittszahlen die Zahlen für die Maxima, so finden wir, dass diese für die Frauen liegen zwischen 1210 qu und 1460 qu, für die Männer zwischen 3060 qu und 4250 qu. Auch bei diesen Zahlen tritt also: der Grössenunterschied wieder sehr deutlich hervor, noch deutlicher als bei den Durchschnittszahlen. Das Verhältnis der Maximalzahlen zu den Durchschnittszahlen ist dabei: übrigens ein recht wechselndes. Mitunter ist die Maximalzahl noch nicht doppelt so gross wie die Durehschnittszahl, mitunter ist sie aber auch mehr wie drei- mal so gross, fast viermal. Diejenigen beiden Muskeln, welche für Frauen und Männer die maximalen Durehschnittszahlen aufwiesen 374 -P. Schiefferdecker: (Frau 47 Jahre: 799 qu, Maximum 1295 qu, und Maun 29 Jahre: 1808 qu, Maximalzahl 3215. qu), sind geräde diejenigen, bei denen das Maximum die Durchschnittszahl am wenigsten stark überragt. Bei dem Manne von 35 Jahren, der mit 818 qu die kleinste Durch- sehnittszahl besass, ist die Maximalzahl fast viermal so gross (1: 3,74), bei der Frau von 50 Jahren, welche von den Frauen mit 645 qu die seringste Grösse aufwies, beträgt das Maximum 1210 qu; hier ist das Verhältnis ein ganz anderes, wie bei dem eben besprochenen Mann. Sehr gross ist der Unterschied wieder bei dem Manne von 60 Jahren (1208: 4250 wie 1:3,51), überhaupt sind die Unterschiede bei den männlichen Muskeln grösser als bei den weiblichen. Aus den kurzen Mitteilungen über die Krankheiten, an denen die be- treffenden Leute gestorben sind, kann man in bezug auf diese Zahlen- verhältnisse nicht viel schliessen; es ist mir auch sehr zweifelhaft, ob die Krankheiten überhaupt Einfluss auf diese Verhältnisse gehabt haben, weit näher liegt es, an bestimmte funktionelle Verhältnisse des Muskels zu denken; dafür spricht hier auch die oben erwähnte, fast allgemein gefundene Erscheinung, dass einzelne sehr Erosse Fasern eanz unvermittelt zwischen ganz kleinen und von diesen’ umringt sefunden wurden, und diese grossen Fasern werden doch hauptsächlich die maximalen Zahlen ergeben. Diese grossen Fasern mit ihrem Hofe von kleinen werden aber voraussichtlich für die’ Funktion des Zwerchfelles von Bedeutung sein, da sie bei anderen Muskeln fehlen. Recht interessant ist die Zahl des Neugeborenen: Hier beträgt der Durchschnitt 194 qu und das Maximum 555 qu; der Unterschied ist also ein ziemlich erheblicher (1:2,86). Wie man. aus der Tabelle XI meiner zweiten Muskelarbeit!) (S. 71) er- sehen kann, waren die entsprechenden Zahlen für den dort be- handelten Deltoides eines männlichen Neugeborenen 96,7 qu und 295 qu. Die Fasern des Zwerchfelles haben also in dieser Zeit der Entwicklung einen fast genau doppelt so erossen Querschnitt wie die des Deltoides.. Das ist recht interessant und scheint mir dafür zu sprechen, dass das Zwerchfell bei der Geburt in seiner Entwicklung schon weit stärker vorgeschritten ist als der Deltoides. Wie wir oben gesehen haben, stimmten ja später die Maasse des Zwerchfelles mit denen der in der früheren Arbeit beschriebenen 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit. 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 375 Deltoidei ganz gut überein, d. h. also im Laufe der weiteren Ent- wicklung bis zum Erwachsenen hin hat sich der Vorsprung, den das Zwerchfell bei der Geburt vor dem Deltoides besass, wieder aus- geglichen. Es lag hier nun die Frage nahe, ob jener Unterschied zwischen dem männlichen und dem weiblichen Zwerchfelle auch eventuell bei dem Neugeborenen schon vorhanden war. Es gelang mir, das Zwerchfell eines weiblichen Neugeborenen zur Untersuchung zu erhalten. Es wurden Schnitte angefertigt, und ich verglich eine kleine Skizze einer Anzahl von Muskelfasern mit einer entsprechenden von dem männlichen Neugeborenen, hierbei war ‚ein Unterschied nicht zu bemerken; daraufhin habe ich die genaue Ausmessung, die bei 3000 Fasern doch immer recht mühevoll und umständlich ist, nicht weiter ausgeführt, da ich nicht annehmen zu können glaubte, dass sich ein wesentlicher Unterschied herausstellen würde. Bei den Skizzen wenigstens, welche in entsprechender Weise von den erwachsenen weiblichen und männlichen Muskeln hergestellt worden waren, trat der Grössenunterschied immer schon recht deutlich her- vor. So würde ich zunächst geneigt sein, anzunehmen, dass ein deutlicher Geschlechtsunterschied beim Neugeborenen noch nicht besteht, gebe aber zu, dass diese Frage noch näher untersucht werden müsste, und bemerke auch noch besonders, dass das hier benutzte weibliche neugeborene Kind ein besonders grosses, sehr kräftige entwickeltes Kind war und in dieser Hinsicht den männlichen Neugeborenen übertraf. Es ist also wohl denkbar, dass bei Kindern gleicher Entwicklung doch ein Unterschied vorhanden ist; jedenfalls müsste man dazu aber ein verhältnis- mässig grosses Material untersuchen, das mir nicht zu Gebote stand. Der Muskel des fünfmonatigen Embryos zeigt im Gegen- satze zu dem des Neugeborenen sehr kleine Fasern, 34 qu im Durehsehnitte und 93 qu im Maximum. Vergleicht man hiermit die Zahlen für den Deltoides des Embryos von 4 Monaten in meiner zweiten Muskelarbeit!) (S. 71), die 62 und 160 qu betragen, so sieht man, dass im Gegensatze zum Neugeborenen bei dem Embryo der Deltoides fast doppelt so dicke Fasern besitzt als das Zwerch- fell. Nach diesen Zahlen würde also das Zwerchfell im fünften Monate weit weniger stark entwickelt seinals 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 26 376 P. Schiefferdecker: der Deltoides, dann aber bis zur Geburt hin diesen bei weitem überholt haben. Es wäre das eine äusserst inter- essante Tatsache, die aber natürlich noch an grösserem Materiale eingehend geprüft werden müsste, um sie auf eine sichere Basis zu stellen. Denkbar wäre die Sache ja schon, da das Zwerchfell ein Muskel ist, der phylogenetisch und ontogenetisch erst verhältnismässig spät zur Entwicklung gelangt, und der doch unmittelbar nach der Geburt schon eine sehr wesentliche Funktion zu erfüllen hat. Die Funktion scheint bei dem Zwerchfelle überhaupt nach den hier mitgeteilten Zahlen eine verhältnismässig grosse Rolle zu spielen, oder vielleicht, besser ausgedrückt, die „Intensität der Tätig- keit“. Fine der letzten und ausführlichsten Arbeiten über die Phy- siologie des Zwerchfelles ist die von de lJaCamp!) aus dem Jahre 1903. Er hat den Stand des Zwerchfelles mit Röntgenstrahlen fest- gestellt und betont, dass der Unterschied, der zwischen dem Atmungs- typus des männlichen und weiblichen Geschlechtes besteht, bekannt und durch vielfache Untersuchung bestätigt ist. „Nicht Lebensgewohnheit und Kleidung können den mehr thoracalen Atmungstypus des weiblichen Geschlechtes erklären, weil schon Kinder vom vierten Lebensjahre an die entsprechende Atmungsart aufweisen. Nicht nur Inspektion und Thoraxmessungen in verschiedenen Höhen, sondern auch die Röntgenunter- suchung kann dies hinsichtlich der normalen Atmung bestätigen. Einerseits sind jedoch dabei die Unterschiede nicht gerade beträchtliche, andererseits können durch Angewöhnung, äussere Umstände, Skelettanomalien, Heredität leicht Übergänge geschaffen werden. Das männliche Geschlecht scheint dabei an- passungsfähiger als das weibliche zu sein.“ „Während nun das weibliche Geschlecht bei gewöhnlicher Atmung einen mehr thoracalen Atemtypus aufweist, d.h. mehr mit dem oberen Thorax atmet, weniger mit dem Zwerchfelle, ist der Atmungscharakter des männlichen Ge- schlechtes ein mehr abdominaler, also wesentlich mehr eine Zwerchfellatmung. Dem entspricht, dass die Zwerchfellkuppenverschiebung von oben nach unten beim weiblichen Geschlechte sich im Mittel auf 1?/a—2 cm beläuft, beim männ- lichen auf 2-4 cm. Übergänge des einen Typus in den anderen kommen je- doch beim männlichen Geschlechte vor. Dieses ist von vornherein schon deshalb erklärlich, weil es individuell möglich ist, willkürlich mehr thoracal oder abdo- minal zu atmen, d. h. bei genügender Übung wenig oder wesentlich nur mit dem Zwerchfelle. Extreme Fälle der einen Art finden wir unter pathologischen l) dela Camp, Beiträge zur Physiologie und Pathologie der Zwerchfell- atmung, einschliesslich der zugehörigen Herzbewegungen. Zeitschr. f. klin. Med. Rd. 49 S. 411—455. 1903. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 377 Verhältnissen bei völliger doppelter Zwerchfelllähmung; einen extremen der anderen Art konnte ich bei einem Kranken beobachten, bei dem infolge hoch- gradiger Myositis ossificans der Thorax zu einem in sich unbeweglichen starren Ganzen verlötet und durch Össifikation der Schultergürtelmuskulatur ausserdem jeglicher Einfluss inspiratorischer Hilfsmuskeln ausgeschaltet worden war“ !) (S. 420-—42]). Weiterhin!) (S. 423) hebt dann Verfasser hervor, nachdem er die Ansichten verschiedener Autoren besprochen hat, dass bezüglich der Tätigkeit des Zwerchfelles ein wesentlicher Unterschied zwischen ruhigem und angestrenetem Atmen zu machen sei. „Rechtskräftig gemacht wird eine solche Einteilung durch das Ergebnis der Röntgenuntersuckung in Veıbindung mit anderen physikalischen Metboden. Bei ruhiger Atmung finden wir stets unter normalen Verhältnissen ein aktives Abwärtsgehen des Zwerchfelles bei der Inspiration, ein passives Aufwärtssteigen während der Exspiration, und zwar minder entwickelt beim weiblichen, stärker beim männlichen Geschlecht.“ Auf Seite 424 sagt Verfasser dann weiter: „Schon weiter oben wies ich darauf hin, dass vornehmlich das männliche Geschlecht in der Lage ist, bis zu gewissen Graden aber wohl jeder Mensch, überwiegend mit dem Zwerchfelle oder mittels der oberen Intercostalmuskeln tief zu atmen. Diese Mannigfaltigkeit der Wechselbeziehungen macht von vorn- herein kein allgemein gültiges Gesetz für die ‚tiefe Zwerchfellatmung‘ wahr- scheinlich, sondern deutet eine voraussichtliche Weite der physiologischen Grenzen an, und dem entspricht die Beobachtung vollkommen.“ „Nehmen wir zum Ausgang-punkte das rechte Zwerchfell bei Rückenlage und dorso-ventraler Durchleuchtung — die Ergebnisse der ventro-dorsalen senk- rechten Projektion sind keine erkennbar abweichenden —, so findet sich beim gesunden Menschen folgendes: In weitaus der grössten Zahl (allen untersuchten Frauen und etwa 90°o Männern) findet sich bei der tiefen In- und Exspiration eine Zwerchfellbewegung von dem bei oberflächlicher Atmung beschriebenen Typus in grösserem Maassstabe. Dabei ist das Plus an Bewegurg während der Exspiration grösser als bei der Inspiration, die Summe bei Männern grösser als bei Weibern. Beim männlichen Geschlechte beträgt die Differenz zwischen tiefst- und höchststehendem Zwerchtellpunkte rechts durchschnittlich 4—5 cm in der Frontalebene, bei Weibern 3—8'/g cm. Körpergrösse, Tnoraxformation, Muskulatur und Fettentwicklung kommen hier in Betracht. Atmet ein Mensch, von der gewöhnlichen Exspirationsstellung ausgehend, willkürlich tief ein, so sieht man sein Zwerchfell in der oben beschriebenen Weise sich senken, dabei aber weiterhin sich abplatteu (weitere Kontraktion des Muskels und Drehung der Leber durch die Steigerung des intraabdominalen Druckes und hochgradiger Erweiterung der unteren Thoraxapertur). Dabei erscheinen die unteren Lungen- l) de la Camp,|. ce. 20 ler P. Schiefferdecker: felder bedeutend heller als die oberen (grösserer Luftgehalt), und ferner die Komplimentärräume nicht völlig ausgefüllt, resp. das Zwerchfell nicht in seiner Pars costalis extrem abgehoben.“ „Die phrenicocostalen Winkel sind danach grösser geworden, sind aber immerhin sphärische, da weder die Thoraxwand geradlinig erscheint, noch die Zwerchfellkrümmung jemals vollkommen verschwindet. Aus dieser tiefen Inspirationsstellung steigt das Zwerchfell mit der relativ grössten Krümmung (der Kuppe) beginrend, während der Exspiration nach oben, passiert die mittleren Respirationsstellungen, um in extremer Exspirationstellung mit stärker sich krümmender Kuppe und mässig sich verkleinernden Phrenicocostalwinkeln weit in den Thoraxraum hinaufzurücken. Der höchste Punkt der inspiratorisch- flachen und exspiratorisch-gewölbten Kuppe ist es also, der annähernd in der Parasternallinie den grössten Weg zurücklegt. Auf der Höhe des Inspiriums projiziert er sich gegenüber der sechsten, auf der Höhe des Exspiriums gegen- über dem oberen Rande der vierten Rippe in der Parasternallinie) (S. 425). Verfasser hebt dann weiterhin hervor, dass es auch Aus- nahmen von diesem Atmungstypus gibt, und. führt den Fall eines 17 jährigen Tischlerlehrlings an, bei welchem der Betreffende bei an- gestrengter Inspiration seinen Thorax derartig hob, samt den Inser- tionsstellen des Zwerchfelles, dass die Kuppe desselben absolut höher in der Parasternallinie stand als bei der Exspiration; er spannte durch diese extreme Hebung des Thorax die Bauchmuskulatur der- art an, dass eine Erweiterung des Bauchumfanges nicht eintreten konnte, im Gegenteile eine Verminderung statthatte.e Der junge Mann atmete also extrem thoracal und überkompensierte dabei das Hinaufsteigen der Leber!) (S. 430). Ein ähnlicher Atmungstypus, wenn auch weniger ausgesprochen, wurde noch bei zwei weiteren männlichen Individuen unter 20 Jahren (unter etwa 100 Personen) gefunden. Das Centrum tendineum bewegt sich während der ge- wöhnlichen Atmung respiratorisch annähernd gleich der Leberkuppe. Ich habe die Ergebnisse der Untersuchungen von de la Camp hier ausführlicher mitgeteilt, weil sie wohl das sicherste und eingehendste Beobachtungsmaterial darbieten in bezug auf die Physiologie des Zwerchfelles. Diese physiologischen Beobachtungen werden aber gerade mit den hier mitgeteilten anatomischen erst ein etwas voll- ständigeres Bild von der Biologie des Zwerchfelles ergeben. Die angeführte Mitteilung von de laCamp, dass schon bei vierjährigen Kindern ein Geschlechtsunterschied in bezug auf die Atmung vor- handen ist, lässt es immerhin wieder wahrscheinlich erscheinen, dass schon beim Neugeborenen ein Unterschied in bezug auf den Bau Mrderlane:smpralse: Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 379 des Zwerchfelles vorhanden sein wird. Dass die Verschiedenheit in der Atmung nicht allein auf die Lebensgewohnheit und Kleidung zurückzuführen ist, sondern, dass beim weiblichen Geschlechte vor allen Dingen eben auch die Anpassung des Körpers an den Zustand der Schwangerschaft eine sehr wesentliche Rolle spielt, ist ja wohl selbstverständlich. Eben aus diesem Grunde ist es auch wahrschein- lich, dass sich der Geschlechtsunterschied in bezug auf die Atmung ‘direkt vererben wird und nicht jedesmal erworben werden wird. ‘Andererseits ist es auch wiederum wohl sehr wahrscheinlich. dass bei dem einzelnen Individuum die Art der Kleidung, die Art der Arbeit und sonstige äussere Umstände ausserdem noch auf den Typus der Atmung von Einfluss sein werden. Vor der Arbeit von de la Camp liegen die Arbeiten von Hasse und seinem Schüler Gregor. Hasse!) hat in einem um- fangreichen, schönen Werke Studien niedergelegt über die Formen des menschlichen Körpers und die bei der Atmung eintretenden Formänderungen, welche sich auf junge Männer, Soldaten und im 'wesentlichen auf einen solehen beziehen, der ganz besonders gut gewachsen war, und für die Untersuchung sieh besonders eignete. Bei diesem Manne waren sowohl Brustatmung wie Bauchatmung gut entwickelt. Bald darauf veröffentlichte er eine Arbeit, in der eben so genaue Darstellungen der Veränderungen der Körperformen bei der Atmung bei einem gut gewachsenen 18jährigen Mädchen gegeben wurden). In diesem Falle handelte es sich nur um Brust- atmung. In einer Anzahl weiterer Arbeiten hat Hasse dann den Einfluss der Brustatmung sowohl wie der Bauchatmung auf die Ein- 'geweide und die grossen Hohlvenen untersucht. Ich will auf diese verschiedenen Arbeiten hier nicht näher eingehen, da der Einfluss der Atmung auf die Organe für die vorliegende Arbeit nicht in Frage kommt, und da die Beteiligung des Zwerchfelles bei der At- mung, die hier für mich besonders wichtig ist, durch die Arbeit von de la Camp infolge der Benutzung der Röntgenstrahlen noch besser klargelegt ist. Die Arbeiten von Gregor?°), welche sich 1) C. Hasse, Die Formen des menschlichen Körpers und die Form- änderungen bei der Atmung. Text und 26 Tafeln. G. Fischer, Jena 1883—1899. 2) ©. Hasse, Über die Atembewegungen des menschlichen Körpers. Arch. f. Anat. und Physiol., anat. Abt. 1901 S. 273—279, 2 Tafeln. 3) K. Gregor, Die Entwicklung der Atemmechanik im Kindesalter. Anat. Anz. Bd. 22 S.119—125. 1903. — K. Greger, Untersuchungen über die Atem- bewegungen des Kindes. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 35 S. 272—304, 1 Tafel und 3 Abbildungen. 1902. 380 P. Scehiefferdecker: auf die Entwicklung der Atemmechanik im Kindesalter und auf die Atembewegungen des Kindes beziehen, würden für diese Arbeit von entschiedener Bedeutung sein, wenn eben die Stellungen des Zwerch- felles ähnlich genau festgestellt worden wären, wie das de la Camp ausgeführt hat. So beziehen sich aber die Untersuchungen auch nur auf die äusserlich am Körper sichtbaren Formveränderungen, und man kann aus diesen nur Schlüsse auf die Beteiligung des Zwerchfelles dabei machen. Die zweite Arbeit von Gregor!) war mir nicht zugänglich, ich kenne sie nur aus dem Referate in dem Jahresberichte von Schwalbe (Bd. 9, Literatur 1903 ersch. 1905 3. Abt. S. 238—24]1), das allerdings sehr genau zu sein scheint. Iın wesentlichen scheint diese Arbeit das zu enthalten, was auch kürzer in der ersten Arbeit mitgeteilt worden ist. Die beiden Ar- beiten sind auch gleich nacheinander erschienen. Ich will hier nur erwähnen, dass Verfasser in der Entwicklung der Atemmechanik von der Geburt bis zum 14. Jahre die folgenden vier Entwicklungsphasen unterscheidet: 1. Erstes Lebenshalbjahr: Die Atmung ist schon in der Ruhe, d. h. bei ruhiger Atmung und im Schlafe, im Vergleiche zum späteren Alter auffallend frequent, aber trotzdem bei gesteigerten Anforderungen dadurch sehr leistungsfähig, dass die Frequenz ohne Schwierigkeit auf das Doppelte gesteigert werden kann. (Grosse Aktionsfreiheit der Atmung mit Aufwand grosser Arbeitsleistung.) 2. Zweites Lebenshalbjahr und zweites Lebens- jahr: Frequente Atmung; die Frequenz kann nicht in so hohem Grade wie früher variiert werden. Die allmähliche Vertiefung der Atmung hält mit dem Wachstum nicht gleichen Schritt. (Frequente Atmung von geringerer Aktionsfreiheit.) 3. Drittesbissiebentes Lebensjahr: Entwicklung einer grossen Aktionsfreiheit auf der Basis einer stark verlangsamten, ver- tieften Atmung. 4. 8—14. Lebensjahr: Geringere Aktionsfreiheit. Weitere erhebliche Verminderung der Arbeitsleistung durch Vertiefung der Atmung. Gregor führt an, dass die menschliche Atmung und speziell diejenige des Kindes, ebenfalls alle Atmungstypen, welche Hasse 1) K. Gregor, Untersuchungen über die Atembewegungen des Kindes. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 35 S. 272—304, 1 Tafel und 3 Abbildungen. 1902. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 381 für die Säugetierreihe aufstellen konnte (vier Gruppen), allmählich durchläuft. Gregor fand nun merkwürdigerweise, dass die Atmung der von ihm untersuchten Mädchen sich aus abdominaler und tho- racaler Atmung kombinierte mit vorwiegender Zwerchfellsbeteilieuung und schwacher Aktion des Schultergürtels; diejenige der Knaben dagegen zeigte ein Vorwiegen der thoracalen Atmung mit starker Beteilieung der Schultermuskeln. Er fand danach also bei den Mädchen eine stärkere Ausbildung der Zwerchfellsatmung als bei den Knaben, was den Angaben von de la Camp direkt wider- sprechen würde. Er sagt weiter: „Meine Untersuchungen ergaben, dass bei Knaben und bei Mädchen vom 7. Lebensjahre ab bereits die abdominelle Atmung bei aufrechter Körperhaltung und tiefen Atembewegungen in ausgiebigem Maasse durch die thoracale Atmung unterstützt und bei den Knaben sogar durch die letztere grösstenteils ersetzt wird. Innerhalb des Zeitraumes vom 7.—14. Lebensjahre fand ich bezüglich der Entwicklung der Atemmechanik, abgesehen von den erwähnten individuellen Verschiedenheiten, keine erheblichen Veränderungen. Der Atmungstypus dieser Jahre ist also eine kombinierte thoracale und abdominelle Atmung. Bei forcierter Atmung wird von Knaben vorwiegend die Schulter-, von Mädchen die Zwerchfell- muskulatur im Sinne einer Auxiliarwirkung herangezogen.“ Gregor nimmt an, dass erst durch die- Aufrichtung des Körpers aus der liegenden in die vertikale Stellung und durch den damit beginnenden Descensus der vorderen Brustwand und der Brust- und Bauchorgane die geeignete Basis für die Ausübung der thoracalen Atmung geschaffen wird. Dann sagt er: „Wir finden in der Entwicklung der Atemmechanik in der Säugetierreihe ein Analogon für diesen Abschnitt der kindlichen Respirationstätigkeit. Die abdominelle Atmung ist für diejenigen Säugetiere charakteristisch, welche ihre Körperlast gleichmässig auf die vier Extremitäten stützen und die Muskeln der letzteren zum Fortbewegen der verhältnismässig bedeutenden Körpermasse oder zum beschleunigten Laufe benutzen. Die thorakale Atmung ersetzt die abdominelle bei denjenigen Säugern, welche ihre Körperlast auf die hinteren Extremitäten allein stützen, die anderen zum Festhalten, Klettern oder Flattern benutzen.“ Er stützt sich dabei auf Hasse.) Ich will auf diese Arbeit hier nicht weiter eingehen, man ersieht aus dem Mitgeteilten aber, dass es sehr wünschenswert sein würde, wenn eine Untersuchung des Zwerchfelles während der kindlichen Entwicklung nach meiner Methode ausgeführt werden könnte. Von dem Hunde sind andere Muskeln nicht untersucht worden, so dass ich hier leider kein Vergleichsmaterial, das direkt passen 382 P. Schiefferdecker: würde, zur Verfügung habe. Auffallend gross ist bei ihm der Unter- schied zwischen der Durchschnittszahl und dem Maximum; doch ent- spricht er immer noch den grössten hier beim Menschen beobachteten Unterschieden. Das Zwerchfell des Menschen entwickelt sich also spät im Verhältnisse zu dem Deltoides. macht dann aber eine sehr schnelle Entwicklung dureh, so dass es bei der Geburt den Deltoides bei weitem über- flügelt hat; es erreicht dann bis zum erwachsenen Zu- stande hin eine Fasergrösse, welche der mancher Skelettmuskeln entspricht, dabei aber zwischen den beiden Geschlechtern einen Unterschied zeigt. In Tabelle II findet man die Gruppierung der Fasern nach der geometrischen Reihe und dabei die Prozentzahlen in bezug auf die Fasergrösse und die Faserwertigkeit zusammengestellt. Man erkennt leicht die durch die durchsehnittliche Fasergrösse bei den einzelnen Muskeln bedingten Verschiebungen. Man sieht; weiter, dass bei den erwachsenen Muskeln die Prozentzahlen in den ent- sprechenden Gruppen stark wechseln können, und dass sich die Hauptmasse der Fasern auf einige wenige Gruppen verteilt. Diese Tabelle bildet die Grundlage für die weiterhin folgenden und lässt erkennen, in welchen Gruppen die Fasern zahlreich genug sind, um die auf sie entfallenden Kernzahlen als hinreichend vertrauenswürdig anzusehen. Wesentlicher für uns ist die Tabelle III, in welcher bei der- selben Anordnung der Fasern die „absoluten Kernzahlen“ zu- sammengestellt sind, d. h. diejenigen Zahlen, welche mir angeben, wieviel Kerne in jeder Gruppe durchschnittlich auf einen Muskel- faserqueıschnitt entfallen. Man muss bei den in dieser Tabelle mit- geteilten Zahlen (dasselbe gilt auch für die weiteren Tabellen) wohl unterscheiden zwischen den „absoluten Zahlen“ und den ,„Verhältnis- zahlen“, aus denen die für uns wichtigen „Schlussverhältniszahlen“ resultieren. Die Verhältniszahlen stehen zwischen den absoluten Zahlen und geben mir den Grad der Zunahme dieser an. Sie werden korrigiert durch die über den Verhältniszahlen der ersten Kolumne stehenden Zahlen, welche diese zu 1,50 ergänzen. Diese korrigierten Verhältniszahlen, welehe wieder über den anderen stehen, liefern dann als Durchschnittszahl die unten, unterhalb des Striehes stehende „Schlussverhältniszahl“. Diese gibt mir also an, in welehem Tabelle II. Zwerchfell. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. (Quotient 1,5.) Faserzahl und Faserwertigkeit in Prozenten. nn —— — —z—z—————— Embryo, 5 Monate, männl. Neugeliorener, männl. Frau, 64 Jahre Fran, 50 ‚Jalıre Frau, 47 Jalıre Frau, 29 Jahre Mann, 60 ‚Jahre Maun, 35 Jahre Mann, 29 ‚alive Hund (Fox), 9 Monate Mittel-| Zr 3000; Zk — 598 Zf = 3000: Zk — 5% Zf — 700; Zk — 970 Zf = 700; Zk = 980 Zi — 700; Zk = 1049 Zt — 800; Zk — 1022 Zt — 500; Zk — 1100 Zi = 700; Zk = 1179 Zt = 500; Zk — 1057 Zt — 700; Zk — 760 Gruppe en ve | = m — wert T Y E Mi Se ln, Mf : - N) R N Er En Mt a x Mf 5 Mr a ZE%o | W% m Zi %o | W °%o z | 2% | W 9% . ZE% | W®% I | Zi %o | W 9 4 Z6.0% | 0 n I 26% | W% Zr ZU" | W 0% Zn 76% | W% a ZE Yo | W 0% OP —— 1 7 Te Bots TI To zsnaet 1 17 Treeeiäe | aan un T m 117 see VE" ar WERE N 70T KT yazznnE" DI TpcEET ERREGER (Ei Tor net 15 5” ang] Pose Ten Tas age rar TR Eee ee 1 | 10-15 12 | 1243 | 2,90 1,07 - -— | - _ — _ _ = _ — — - | = — - = = = 3 16-23 19 | 19,93 | 14,70 8,64 = = = E i > = x = 4 3 > E “ = 1,01) | . | 1,48 | | | 94-35 29 2950 | 39,933 34,2 u = — | = — er = 3 = (1,05) | | 148 | | | N | 53 44 42,28 10,94 46,06 45,00 0,08 | 001 _ | | = > = N = | = ee m (1,15) | | | 1,31 | | | | 54-80 66 5523 | 5,90 9,41 38,08 043 | 015 — EB .= — Rn — = > @. ES Filgre re = Be = » e- ._ 81-120 100 | 86, 0,23 0,59 6,24 3.44 — = Er = — = en = en Er = R. 94,00 157 0.26 121—180 150 - 35,94 29,88 I En = _ = = a = EB a n = = = — = 102,40 186 114 181-270 225 - 51,06 = | _ _ 236,88 2,29 0,84 245,00 0,43 0,13 233,75 1,00 0,31 En _ _ — | — = = — _ 234, 9,57 4,17 1,51 | (1. j 1,5 11-405 338 5,7 9,52 3,86 1,84 9,14 4,93 1,48 0,60 2,64 1,25 348,57 1,40 0,40 364,09 0,70 — = = 340.15 | 19,43 11,99 (1.01) | | 1,48 PRD= 907 a00 555,00 | 0,08 0,10 23,71 17,18 31,86 | 25,54 8,71 495,83 | 11,87 7,80 | 420 1,82 1786 | 11,42 — = = 04 | 270 | 261 (0.99) (1, öl | 1,45 608912 160 - = 0 | 5548| 56,85 755,95 | 46,57 53,14 19,67 5( 63,74 63,99 768,81 | 19,40 19,34 51,71 47.34 581,00 1.00 0,49 73227.\ 29,28 33,93 11,06) (1.19) 1,01) (1,06) (1.04) 1,42 1,26 1,48 1,41 1,44 913—1368 1 1140 = = 1042,03 | 16,86 10,14 16,34 976,30 36,29 44.36 20,95 25,60 | 1140,96 | 46,10 43,81 1052,31 | 26,28 33.82 20,00 12,73 | 1055,45 5,00 15,32 (1,06) \ e 5 | 1,41 | 1369-2052 1710 - - —_ 1460,00 0,14 0,29 — - = — = — 1436,25 0,50 0,96 1605,57 24,40 | 39,42 1511,11 1,29 48,00 45,75 1,29 | 358 | 1,50 | | | 2058 78 2 N Be = = = _ - = = = — jeans | 3,60 7.20 | 2446,11 | 1,99 2364,36 20,00 | 39.24 = > = 307: 17 3847 EN IR = z = = _ - = = — — a 4041.67 | 0,60 3,01 — = _ [3191,00 1,00 1,76 = = a 2 IE en He, (1). 0 2] 2 ee ee | er E ET ee Sa z = = 150 | — = = 1,50 5 = 1,50 — = 1.50 =. = | 1,50 = en 1,50 = = Te 4 Beitrag Schiofferdockor (Bd, 189 5, 382), Gruppe 10—15 16-23 4-35 6-53 480 31—120 1211—180 181—270 271-405 406—607 68-912 98-13 1369-2052 053 3070-4617 Mittel- wert 66 100 150 225 33B 506 760 1140 1710 Embryo, 5 a männl. Zf — 3000; — 598 MU nen, Zi Ze | 2 2,09 14,07 29,05 39,33 (1,05) 36,94 (0,50) 0, 70 5,09 0,18 0,23 0,57 Te el 1,50 1,66 | Boitrag Schisfferdockor (Bd. 139 8, 29), Ahnen onen Zwerchfell. Tabelle II. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reile. Frau, 47 Jahre FE, u 15.) Frau, 29 Jahre Absolute Kernzahl. (2X : Zt.) Mann, 60 ‚Jahre Mann Jahre 700; Zk — 1179 Zk DM [e ZE ®/o 7 Mann, 29 Jahre Zt = 500; Zk — 1057 af jr se Zk zn Ber Hund (Fox), 9 Monate YA 700; Zk — 760 SOC TEZE IL Y. [77 —— ZEN 7 Neugeliorener, männl. Frau, 64 Jahre Frau, 50 Jahre Zt — 3000; Zk = 570 Zi — 700; Zk = 970 Zf = 700; Zk = 980 Zf = 700; Zk — 1049 Zt —= 800; Zk = 1022 ZU —= 500; Zk = 1100 Mr Br Zk Mf KEIEZE Mf Eu Zzk Mi en Zi a Mt Er Zk 7 Zi lo e7 Zr ZE Po | ZE 7 Zt °o | Zr Zi yAr Zr Zi Zi ZU Oo {| Zr 1 n 1 | | | = = | = — — = = Ze | | | | 45,00 0,03 u _ _ —_ —_ _ | _ _ —_ | 68,08 0,43 0,08 —_ — => E=, = 107,3 6,24 0.18 _ — = - zZ Di _ — jr — = l, 50 1,00 5,94 0,18 _ = — rn (1,20) 1,06 51,60 0,19 — en = 229 | 131 245,00 0,43 1,33 1,00 1,38 _ = _ | 1,21 | ; | 5,1 0,23 43,70 3,86 1,19 9,14 1,33 338,50 1,43 1,40 358,57 2,64 1,09 348,57 1,40 1.00 (1,00) | 1,07 555,00 0,08 1,00 522,80 | 23,71 1,18 31,86 | 1,42 s,71 1,49 | 11,87 | 1,18 52: 4,20 : (1,07) | (1,31) \ (1,10) (1,00) 0,99) | (1,13) (1,02) ) 1,40 | 122 0,99 1,03 1,51 | 114 1.47 5 733,50 5,4 | 1,44 46,57 | 1,40 53,14 53 750,55 | 01,74 1,29 708,81 19,40 8: (1,06) (1,11) ı (1,10) (1.08) (1,19) | (1,20) (1,01) si 1,42 1,05 1.01 0,95 1,26 1,01 1,48 | ‚at 1042,03 16,86 1,51 1039,78 10,14 | 142 36,2 1,46 945,58 20,25 1,30 1140,96 | 46,40 23 | (1,06) | 7 | | 1,41 | = 1460,00 0,14 | 6,00 — — — i — = 1436,25 ‚50 | 8,00 24,40 h = == — — = — _ — _ _ 2417,78 we 3,60 | Z u en eu = — — = — = | = 4041,67 Bu 7 1. BE EBEN LEE ee ne | le Fr ee el er | E & 0,50 1,50 1,14 1.50 - 121 1,07 1,50 1.04 1,50 = 1,16 | 1,50 == 1.29 364,09 748,51 (1,06) 1,41 1052,3 1511,11 2446,11 1,57 1,91 17,86 | 1,72 (, 12 | 0,98 IE SIT ERTEGB (1,05) 0,99 26,2: \ 1,66 © 1,29 | 1,56 | 1,29 1,67 in = 1,04 351,00 1,00 1,20 20,00 1,06 (1,09) 1,11 18,00 30,00 1,00 94,09 162,40 (1,04) 1,44 1055,45 1,50 29,28 3,00 1,29 2,33 Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse et. 383 Verhältnisse durchschnittlich die Kernzahlen in den betreffenden Muskeln zugenommen .haben, wenn die Faserquerschnittsgrösse um 1,50 zunahm. Ich habe diese Schlussverhältniszahlen in meiner zweiten Muskelarbeit zuerst angewendet und dort auch ihre Bedeutung hervorgehoben. Die weiblichen Muskeln zeigen nun in dieser Tabelle III die folgenden Schlussverhältniszahlen : 1,21; 1,07; 1,04; 1,16; die männ- lichen: 1,29; 1,04; 1,09. Wie man sieht, sind nicht unwesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Muskeln vorhanden, nimmt man aber aus den weiblichen und den männlichen Zahlen je den Durehsehnitt, so erhält man die Zahlen: 1,12 und 1,14, welche unter- einander fast genau übereinstimmen. Es zeigt sich hier also wieder dieselbe Erscheinung, die ich auch in meiner zweiten Muskelarbeit immer wieder hervorheben konnte: ein Schwanker nach beiden Seiten hin um eine Mittelzahl, d. h. individuelle Schwankungen, die aber, falls genug Muskeln ausgemessen worden sind, immer die eigentlich gültige Mittelzahl herzustellen erlauben. Vergleichen wir mit diesen Mittelzahlen die für den Neugeborenen gefundene Zahl, so finden wir, dass diese mit 1,14 genau übereinstimmt mit der Mittelzahl für die männlichen Muskeln (1,14) und ebenso auch sehr gut mit der Mittelzahl für die sämtlichen erwachsenen Muskeln, die 1,13 beträgt. Auch das entspricht wieder durchaus den Er- fahrungen, die ich bei meiner zweiten Muskelarbeit gemacht habe: Der Neugeborene besitzt Schlussverhältniszahlen, welehe dem Durchschnitte derjenigen der erwachse- nen Muskeln entsprechen; der Neugeborenebietetuns gewissermaassen Modellmuskeln, bei denen eben noch nicht jene individuellen Schwankungen entstanden sind, die im Laufe derkindlichen Entwicklungbiszum Erwachsenen hin durch die Schädigungen durch Krankheiten usw. und alle die unzähligen sonstigen äusseren Einwirkungen im Körper hervorgerufen wer- den. Bei dem Embryo ist die Schlussverhältniszahl bei weitem höher (1,66). Während bei den erwachsenen Muskeln die absoluten Kernzahlen erheblich weniger stark zunehmen als die zunehmende Fasergrösse (1,13 : 1,50), so dass also die dickeren Fasern verhält- nismässig weit weniger Kerne besitzen als die dünneren, verhält sich der Embryo gerade umgekehrt: bei ihm ist die Schlussverhält- niszahl mit 1,66 nicht unwesentlich höher als die Zahl für die Zu- 384 P. Schiefferdecker: nahme der Faserdicke (1,50), d. h. also: bei ihın besitzen die dickeren Fasern verhältnismässig noch mehr Kerne als die .dünneren. Es stimmt dies wieder genau überein mit dem, was ich in meiner zweiten Muskelarbeit bei dem Deltoides beobachten konnte; hier war die Schlussverhältniszahl bei dem Embryo 1,84, bei dem Neugeborenen 1,38 und bei den beiden Erwachsenen 1,27 und 1,322) (S. 78 und 79). Es scheint sich ‘hier also umein allgemein eültiges Gesetz zu handeln, das einen recht interessanten Einblick in die Entwieklungsmechanik gewährt. Ganz abweichend von den menschlichen Muskeln verhält sich der Muskel des Hundes. Bei ihm liegt die Schlussverhältniszahl mit 1,53 so, dass sie der Mittelzahl recht gut entspricht, woraus dann folgen würde, dass die sämtlichen verschieden dieken Muskel- fasern beim Hunde mit relativ derselben Kernzahl versehen sein würden. Vergleichen wir hiermit die Zahl, welche ich seinerzeit für den normalen Sartorius des Hundes gefunden habe!) (S. 230), so betrug diese 1,39, war also erheblich niedriger und näherte sich schon sehr der für den erwachsenen Deltoides des Menschen gefundenen Zahl (1,27 und 1,32). Es scheint demnach, dass das Zwerchfell in dieser Hinsicht sich bei dem Hunde anders verhält als der Sartorius; doch werden wir erst die nächsten Tabellen abwarten müssen, um zu sehen, wie weit sich diese abweichende Stellung bestätigt. In Tabelle IV sind die Zahlen für die „Absolute Kern- srösse“ zusammengestellt, d. h. für die durchschnittliche Quer- schnittsgrösse der Kerne in den Fasern der einzelnen Gruppen. Bei dem Vergleiche der weiblichen Muskeln sehen wir, dass die Schluss- verhältniszahlen hier nur unbedeutend voneinander abweichen: 1,06, 1,07, 1,08, 1,13. Ähnlich liegt es bei den männlichen: 1,07, 1,08, 1,07. Die Durchschnittszahl aus den weiblichen Zahlen beträgt 1,08, die aus den männlichen 1,07. Man kann also von einer voll- ständigen Übereinstimmung sprechen. Die Durchsehnittszahl für sämtliche sieben Muskeln ist 1,08. Vergleichen wir hiermit wiederum die Zahl für den männlichen Neugeborenen, so sehen wir, dass diese mit 1,07 genau übereinstimmt mit dem Durchsehnitte 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Zwerchfell. Tabelle IV. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. (Quotient 1,5.) Absolnte Kerngrösse in Quadratmikra. (Mk : Zk.) Embryo, 5 Mon., männl. Neugeborener, männl Boitrag Schloffordecker (Bd. 189 8. 384), Frau, 64 Jahre Frau, 50 Jabre Frau, 47 Jahre Frau, 29 Jahre Mann, 60 Jahre Mann, 35 Jahre Mann, 29 Jahre Ss (Fox), 9 Mon. Mitte-| Zi = 3000; Zk — 598 Zt — 3000; — 570 Zi = 700; Zk — 970 Zi — 700; Zk — zit — 700; Zk = 10 Zf — 800; Zk — 10% Zt = 500; Zk — 1100 Zt — 700; Zk = 1179 Zt = 500; Zk — 1057 — 700; Zk — 760 Gruppe B per - - — - —— - Tree > 2 TU = = > — Mf ee Mk Mf PN 2 ef | 7 Mk Mf ETEIOT N Mf ZE Mi | yo Mk Mf Ze Mk Mf Z£ Mf = Mi Pa Mk Zi ZE %o Zr Zr Zi %o — 5 Z£ %o Zk z | Z£E%o | | Ze Oo eo o | Z& Zu o Zk Ze 7 | ZE Im; ve Ze a a re 10-15 e 2,90 16,50 - - —_ - - - _ — — a — e= _ _ = = 1-2 19,93 14,70 9,61 _ — z = = = = | D= = — = (1,01) (1,16) | 1,48 1,15 | H-5 39,93 11,06 - — = = = = | = = — = — = (1,26) | 1,20 3658 49,98 36,94 13,33 45,00 0,03 = | = =: 5 — = = _ - (1.15) (1,18) | 1,31 1,03 | | M-80 55,23 5,90 13,73 68,08 0,43 = = = | = = — = — — 81-120 100 | 86,71 0,23 21,00 107,32 6,24 5,22 - _ — - — — | = == = = — 94,09 1,57 _ 1,50 1,03 121-180 150 5 161,49 35,04 5,38 - _ - - = | = 2 | 162,40 3,8 M (1,14) | 62,40 ‚70 £ 1,01 181-270 225 _ 214,21 51,60 5,46 - _ 236,88 2,29 0,43 1,00 _ — — PIE 9,57 6,14 1,51 1,05 | (1,03) (1,13) | | | 1,45 1,10 911-405 988 = 5.78 571 3.86 5,09 348.52 914 1.43 264 | 348,57 140 | 3,79 364,09 1,57 _ 340,15 | 19,43 6,74 (1,10) (0,98) | | | | (1,01) (101) 1,11 1,61 | | 1,48 1,00 106-607 506 _ -— 003 45 23,71 5 562,13 31,86 S,71 11,87 IE ‚10 | 4,20 4,63 525,52 | 17,86 — —_ 504,34 27,00 6,75 (1,11) ( 02) (1,10) (1,06) | (1,08) (1,07) 1,40 0,95 1,35 | 1,47 1,08 1,42 | 145 1.04 608-012 760 = -- _ 733,50 55,43 5,39 E | 46,57 3,14 63,74 768,81 19,40 5,06 748,51 | 51,71 881,00 11,58 732,27 29,28 7,04 (1,06) (1,07) 1.09) | (1,01) | (1,01) (1,06) (1,04) (1,06) 1,42 1,01 1,38 1.45 1,00 1,41 1,44 1,02 D13—1368 1140 - - _ — 1042,03 16,86 5,45 1039,78 10,14 36,29 20,25 1140,96 46,40 5,04 1052,31 26,28 1150,15 10 80 1055,45 8,00 20 (1,06) | (1,13) | (0,98) (1,01) | Aal | 1,07 1,53 | 1,03 1369-2052 | 1710 — 1460,00 0,14 5,67 = - = 050 | 5 \ 24,40 5,41 1811,11 1,29 1765,60 11,15 1,29 7,54 | 1,05 (1,12) | (1,14) > e 1,34 | 1,02 00T b _ — = . _ = = - 2417,78 3,60 5,70 2446,11 | 1,29 2364,36 11,32 = = = ang Ba rn 794617 | 3847 = 3 _ = _ _ — — = = 4041,67 0,60 7,20 — 3191,00 11,00 _ = = | | 1,50 1,20 1,50 1,07 1,50 1,06 1,50 — 1,07 50 = ‚08 5 -L 5 1,50 | — 1,07 1,50 = , 1,50 | 1,07 1,50 u | 1,06 Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 385 der männlichen Zahl, aber natürlich auch der allgemeinen Durch- schnittszahl so nahe steht, dass sie auch mit dieser als überein- stimmen! angesehen werden kann. Die Schlussverhältniszahl des fünfmonatigen Embryos ist weit höher: 1,20. Es stimmt dies mit dem Verhalten des Embryos bei der absoluten Kernzahl überein, ebenso wie der Neugeborene auch bei dieser eine voll- ständige Übereinstimmung mit dem Erwachsenen zeigte. Wir finden also auch bei der „absoluten Kerngrösse*, dass individuelle Schwankungen um eine Mittelzahl vor- handen sind, und dass die Zahl des Neugeborenen wieder mit der Mittelzahl übereinstimmt, währenddie des Embryos wesentlich höher ist. Bei dem Deltoides, den ich in meiner zweiten Muskelarbeit behandelt habe, waren die Ver- hältnisse etwas andere!) (S. 81 und 82): Hier betrug die Schluss- verhältniszahl für den viermonatigen Embryo 1,06, während sie bei dm Neugeborenen 1,16 und bei den beiden Er- wachsenen 1,27 und 1,12 war. Die Zahl des Neugeborenen stimmte ja noch einigermaassen überein mit denen der Erwachsenen, “aber die Zahl des Embryos war erheblich kleiner, während sie beim Zwerchfelle umgekehrt erheblich grösser ist. Dieser Unterschied kann ja sehr wohl auf der spezifischen Entwicklung der beiden ver- schiedenen Muskeln beruhen, vorläufig lässt sich weiteres darüber nicht sagen. Was den Hund anlangt, so stimmt seine Schlussverhältniszahl mit 1,06 sehr gut überein mit denen der menschlichen Muskeln (Durchschnitt 1,08). Bei der absoluten Kernzahl war die Schluss- verhältniszahl des Hundes ja erheblich grösser. Vergleicht man hiermit die Schlussverhältniszahl für den normalen Sartorius!) (S. 232) mit 1,08, so sieht man, dass diese Zahlen recht gut mit- einander übereinstimmen. Bei der absoluten Kernzahl war ja die Schlussverhältniszahl für das Zwerchfell des Hundes bedeutend höher als die für den Sartorius. Während also beim Menschen bei zunehmender Faserdicke so- wohl die Anzahl der Kerne wie auch ihre Querschnittsgrösse relativ immer mehr abnehmen, bleibt beim Hunde die Zahl der Kerne relativ dieselbe, die Querschnittsgrösse nimmt aber ebenfalls relativ 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 386 P. Schiefferdecker: ab. Der Hund steht also in bezug auf seine Kernmasse bei zu- nehmender Faserdicke günstiger als der Mensch. In meinen beiden früheren Muskelarbeiten habe ich jetzt eine Tabelle folgen lassen, welche sich auf die „Absolute Kern- masse“ bezog. In dieser Arbeit habe ich diese Tabelle wohl be- rechnet, aber nicht mehr hier mit aufgeführt, da ich sah, dass die Korrekturen der Verhältniszahlen, welche bei den übrigen Tabellen verhältnismässig leicht auszuführen waren, bei dieser auf grössere Schwierigkeiten stiessen. In meiner ersten Muskelarbeit!) habe ich diese Verhältniszahlen überhaupt nicht berechnet, damit fielen natür- lich alle durch sie entstehenden Schwierigkeiten von vornherein fort; in meiner zweiten Muskelarbeit ?) stiess ich bei der Berechnung für diese Tabelle schon auf diese Schwierigkeiten und erwähnte auch in der Vorrede, dass ich. mit den Korrekturzahlen durchaus nicht zufrieden gewesen sei, aber ich fügte die Tabelle doch ein, da ich nicht glaubte, sie fortlassen zu dürfen, und da ich ausserdem die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, dieser Schwierigkeiten in einer späteren Arbeit Herr zu werden. Das ist mir nun aber inzwischen nieht gelungen, und so habe ich mich in dieser Arbeit dazu ent-' schlossen, diese Tabelle ganz ausfallen zu lassen; doch will ich die Resultate kurz anführen, die durch die Berechnung aus den Schluss- verhältniszahblen der beiden vorigen Tabellen sich ergeben. Ich mache indessen von vornherein darauf aufmerksam, dass die für die einzelnen Muskeln gewonnenen Zahlenwerte hierbei nicht mehr ge- nau miteinander vergleichbar sind, da sie nicht mehr ganz der gleichen Zunahmezahl der Faserdicke entsprechen, höchstens kann man noch die Durchschnittszahlen aus ihnen als einigermaassen ver- gleichbar ansehen. Es ergeben sich für die weiblichen Mus- keln die Zahlen: 1,28, 1,14, 1,12, 1,31; Durchschnittszahl: 1,21. Für die männlichen Muskeln 1,38, 1,12, 1,17; Durchschnitts- zahl 1,22. Man sieht, dass die Durchschnittszahlen wieder voll- kommen miteinander übereinstimmen. Bei dem männlichen 1) P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H. 1-4 S. 1—345, mit 15 Tafeln. 1903. 2) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Tabelle V, Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. (Quotient 1,5.) Relative Kernmasse in Prozenten. (Mk 100 : Mf.) Zwerchfell. Frau, 54 Jahre Mann, 29 Jahre Frau, 47 Jahre Frau, 29 Jahre Embryo, 5 Monate, männl. Neugeborener, männl. Frau, 50 Jabre Mann, 60 Jahre Mann, 35 Jahre Hund (Fox), 9 Monate Boltrag Schiefferdeo ker (Bd. 139 8. 387) Mittel-[| Zi 3000; Zk — 598 Zt — 3000; Zk — 570 — 700; Zk — Zi = 700; Zk — 980] Zi = 700; Zk — 1049 Zi = 800; Zk — 1022 Z£E — 500; Zk — 1100 Zt — %00; Zk — 1179 Zf — 500; Zk — 1057 Zt — 700; Zk — 760 Gruppe ee ed Fe a | = = - er e r r ER wert T 1 : } E | 0 Mi | Mk > 100 Me | | Mk Mf Mk >< 100 Mf Mk >< 100 Mt Mk >< 10 Mm | K Mf yr 0), | Mk>< 100 M | „„|Mk><ı0| mi | ie < 100 - ro, | Mk>< 100 Mi ze | N ME | gro) | Mk> Mf ze 9 | Mk Mr ze], | Mk Mi zu, Mk m _ B* 83—1%0 100 86,71 0,23 13,28 107,32 6,24 0,88 — _ = _ — E | 2 _ - 94,09 1,57 _ 1,50 0,67 121-180 150 - - 161,49 | 35,94 0,59 — — = en — = = = = > = > = 162,40 | 386 0,83 (1,13) (0,94) 5 1,33 0,83 181-270 225 - 214,21 51,06 0,49 _ - 236,88 2,29 2,64 245,00 0,43 2,93 1.00 350 en R = => B = 9,57 1,10 1,51 0,84 | 112) 1,09 21405 338 _ = 5,14 0,41 3,86 1,76 34852 | 9,14 1,81 33550 | 1,43 1,98 2,64 1,70 348,57 | 1,04 1,08 364,09 | 1,57 3,30 => n 340,15 | 19,43 121 0,72 (0,93) (0,60) | (1,01) (1,17) 1,61 0,64 1,48 1,16 406-007 506 o 555,00 0,03 0,81 522,80 | 23,71 1,28 562,13 | 31,86 1,16 480,24 871 1,63 495,83 | 11,37 523,10 4,02 1,07 525,53 17,86 2,05 = _ - 504,34 27,00 1,40 (1,07) 10,89) (1,11) (0,89) (0,97) (0,63) (0,99) (1,02) (1,14) (1,06 (0,76) (1,07) 1,40 0,83 1,35 0,80 55 0,65 151 | 0,80 1,47 1,12 1,42 | 0,72 1,04 608-912 760 — — — 33,50 | 55,45 1,06 755,95 | 46,57 0,93 746,45 | 53,14 1,06 750,55 | 63,74 0,97 768,81 | 19,04 1,20 48,51 | 51,71 1148 881,00 | 1,00 1,58 732,27 1,46 (1,06) 10,71) (1,09) (0,78) 14) (0,88) (1,19) | (0,98) von) | (0.88) (1,06) (0,74) (1,04) (0,99) 1,42 0.67 1,38 0,72 31 0,77 1,26 0,82 1,48 0,87 1,41 | 0,70 1,4 0.95 913—1368 | 1140 — — 1142,03 | 16,86 O,71 1039,73 | 10,14 0,67 976,30 36.29 0,82 945,58 | 20,25 0,80 1140,96 | 46,04 1052,31 | 26,28 1,04 115 20,00 1.76 1055,45 | 8.00 1,39 (1,06) (0,76) 1,41 0,80 1369-2052 | 1710 — = _ 1460,00 0,14 = = — — 1436,25 0,50 1,23 1605.57 | 24,04 1811,11 1,29 0,54 48,00 1,41 1533,89 1,29 1,16 1,50 (0,80) 0,72 Be = = z = — — — _ = — _ 2417,73 | 3,06 0,69 2446,11 1,29 0,48 236436 30,00 1,02 = = ea [E.V = = = = E — 4011,67 | 0,06 0,59 = — 3191.00 1,00 0,90 =, = u —————— ——— ——— —— u 5 ee ee ee ee FE 5 1,29 1,50 _ 0,82 1,50 —. 0,80 1.50 = 0,76 1,50 — 0,75 1,50 0,88 1,50 = 0,92 1,50 — 0,75 1,50 = 0,79 1) = Bla Taeos 09 Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 387 - Neugeborenen beträgt die Zahl 1,22, sie stimmt also wieder durchaus überein mit dem Durchschnitte der erwachsenen Muskeln. Alle diese Zahlen liegen unter der Mittelzahl: (1,50), woraus hervor- geht, dass die Kernmasse in weit geringerem Grade zu- nimmt als die Querschnittsgrösse der Faser. Die Zahl für den Embryo von 5 Monaten ist mit 1,99 weit grösser als die anderen und liegt auch sehr beträchtlich über der Mittelzahl; bei dem Embryonimmtalso dieKernmasse weit stärker zu als die Grösse des Faserquerschnittes ganz im Gegensatze zu den Verhältnissen nach der Geburt. Beim Hunde ist die Zahl ebenfalls recht hoch (1,62) und liegt ebenfalls über der Mittelzahl, auch bei ihm würde also die Kernmasse in etwas höherem Grade zunehmenals der Faserquerschnitt. Vergleicht man mit diesen Zahlen (diejenigen, welche ich früher für den Deltoides gefunden habe!) (S. 84 u. 85), so zeigt sich, dass die Zahl für den viermonatigen Embryo mit 1,98 senau übereinstimmt mit der hier für das Zwerchfell des fünf- monatigen gefundenen: 1,99. Diese Übereinstimmung kann meiner Meinung nach nicht blosser Zufall sein. Ich will gern zugeben, dass diese so genaue Übereinstimmung sehr wohl auf Zufall beruhen kann. Aber ich möchte nicht glauben, dass es Zufall ist, dass diese beiden embryonalen Muskeln überhaupt so hohe Zahlen aufweisen. Die Zahl für den Deltoides des Neugeborenen lag beträchtlich niedriger als die des Embryos: 1,60, und stimmte mit denen der Erwachsenen 1,61 und 1,48 ganz gut überein. Die Zahlen lagen also sämtlich höher wie die für das Zwerchfell, stimmten aber unter- einander prinzipiell überein. Bei dem Sartorius des Hundes!) (S. 232) betrug die Zahl für den normalen Muskel 1,50, war also etwas niedriger als die für das Zwerchfell gefundene. In Tabelle V sind die Zahlen für die „Relative Kern- masse“ zusammengestellt, d. h. diejenigen Zahlen, welche mir an- geben, wie gross prozentualisch die Kernmasse bei jeder einzelnen Gruppe in bezug auf die Fasermasse ist. Diese Zahlen ge- hören mit zu den wichtigsten, da sie eben das Verhältnis zwischen Kernmasse und Fasermasse angeben, während die bisherigen Zahlen sich nur auf die Kerne an sich bezogen. Die Schlussverhält- 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 388 P. Schiefferdecker: niszahlen für die weiblichen Muskeln sind hier: 0,80, 0,76; 0,75; 0,83; Durchschnitt 0,80. Die Zahlen für die männlichen Muskeln sind: 0,92, 0,75, 0,79; Durchschnitt 0,82. Man sieht, es sind nur verhältnismässig geringe individuelle Abweichungen vorhanden und die Durchschnittszahlen der männlichen und weiblichen Muskeln stimmen mit 0,82 und 0,80 wieder sehr gut untereinander überein, der Gesamtdurchsehnitt beträset 0,81. Die Schlussverhältniszahl für den Neugeborenen stimmt mit 0,52 wieder ganz genau mit den männlichen Muskeln überein, aber natürlich auch genau mit dem allgemeinen Durchsehnitte. Also auch bei dieser so wich- tigen Zahl zeigt sich der Muskel des Neugeborenen wiederalseineArtvonModellmuskel, daseineSchluss- verhältniszahl genaumitden Schlussverhältniszahlen der Erwachsenen übereinstimmt. Bei allen den bisher be- sprochenen Tabellen hat es sich gezeigt, dass die Schlussverhältnis- zahl des Neugeborenen, der ja männlichen Geschlechtes war, ganz - genau übereinstimmte mit der Durchschnittszahl der Muskeln der erwachsenen Männer, während gegenüber der Durchschnittszahl der erwachsenen Frauen ein Unterschied vorhanden war, der ja aller- dings als minimal bezeichnet werden konnte, da die männlichen und weiblichen Muskeln ja in ihren Durchschnittszahlen so gut wie genau übereinstimmten. Ich erwähne diese Tatsache auch nur, ohne aus ihr den Schluss ziehen zu wollen, dass hiernach wahrscheinlich zwischen den Zahlen eines männlichen und eines weiblichen Neu- geborenen ein Unterschied bestanden haben würde. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass ein solcher Unterschied vielleicht vorhanden sein könnte, dass das aber erst durch eingehende Untersuchung nachgewiesen werden inüsste. Die Tatsache, dass der Muskel des Neugeborenen in bezug auf seine Schlussverhältniszahlen mit denen der Erwachsenen durchaus übereinstimmt und so gewissermaassen als eine Art von Modellmuskel anzusehen ist, habe ich in meiner zweiter Muskelarbeit nicht nur durch die Untersuchung des Deltoides feststellen können, sondern auch durch die des Rectus oeuli superior, also eines ganz anders gearteten Muskels. Ich habe in meiner zweiten Muskelarbeit in den allgemeinen Schlussfolgerungen daher schon auf dieses so wichtige Verhalten aufmerksam gemacht und auch schon zum Teile auf die Zahlen für das Zwerchfell ver- wiesen, die zur Zeit des Druckes jener Arheit schon hereehnet, aber Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 389 noch nicht verarbeitet waren. Wenn diese Tatsache sich so über- einstimmend bei drei so verschiedenartigen Muskeln vorfindet, und zwar bei den sämtlichen Tabellen, so müssen wir es hier mit einem Gesetze zu tun haben, das fürdie Entwicklung der Muskeln, zunächst natürlich jener des Menschen, gilt. Die Muskeln des Neugeborenen würden darnach bereits vollkommen spezifisch differenziert sein und nur noch in ihren Grössenverhältnissen weiter aus- zuwachsen brauchen, um die Muskelnder Erwachsenen zu bilden. Während dieses Auswachsens während der kindlichen Entwicklung würden dann durch die verschiedenartigen inneren und äusseren Einwirkungen jene individuellen Abweichungen entstehen, die wir später zu beobachten Gelegenheit haben. Der Zwerchfellmuskel des Hundes verhält sich, wie aus den bisher besprochenen Tabellen hervorgeht, insofern anders als der des Menschen, als die „Absolute Kernzahl“ in demselben Verhält- nisse wächst wie die zunehmende Fasergrösse, während beim Menschen die Zunahme eine weit geringere war: Hund 1,53, Mensch 1,13. Bei der „Absoluten Kerngrösse“ verhielt sich der Hund dagegen sanz ähnlich wie die verschiedenen Menschen, auch bei ihm nahm die Kerngrösse weit weniger stark zu als die Fasergrösse: Hund 1,06, Mensch 1,08. Es folet aus den angegebenen Zahlen ohne weiteres, dass die „Relative Kernmasse“ beim Hunde mit wachsender Fasergrösse stärker zunehnıen muss als wie beim Menschen: Hund 1,09, Mensch 0,831. Man kann darnach annehmen, dass die meisten Fasern des Hundes mit einer sehr ähn- lichen oder der gleichen Kernmasse arbeiten. Beim Menschen dagegen nahm die Kernmasse mit Steigen der Fasergrösse verhältnismässig immer mehr ab. Die funktionelle Bedeutung dieses Unterschiedes zwischen Mensch und Hund lässt sicb vorläufig noch nicht feststellen. Man kann wohl sagen, es ist ein Unterschied vorhanden, aber man kann ihn noch nicht deuten. In Tabelle VI sind die „Schlusszahlen“ zusammengestellt, d. h. jene Kernzahlen, welche sich auf den ganzen Muskel beziehen, nicht mehr, wie bisher, auf die einzelnen Gruppen. Was die „Absolute Kernzahl“ anlangt, so sieht man leicht, dass diese ziemlich starke Verschiedenheiten aufweist; es ist dies nicht weiter wunderbar, da ja auch die Grösse der Querschnitts- 390 P. Schiefferdecke:r: Tabelle VI. Awerchfell, Zahl und Grösse der Kerne, Durchschnitt, Maximum, Minimum in Quadratmikra.. Relative Fasergrösse, relative Fasermasse, absolute Kernmasse, relative Kernmasse. Kernzahl en Rela- Rela- Abso- @ 2 Name En 2 tive tive lute, = = SD 8 33 'M ar:„ | Faser- | Faser- | Kern- | © = E53 | &|.=5 Max. Min) Ss ® ae: aAl32 | | grösse | masse |masse| "4 Embryo,5Men.,männl.| 0,20 | 1 | 12,36 | 20,00 | 1,05 2,74:| 18,721 , 2,46 | 27, Neugeborener, „ 0,19 | 2 | 5,44 | 9,05 | 2,00 | 35,71 | 187,94 | 1,03 | 0,53 ° Frau, 64 Jahre. . [1,39 | 6 | 5,44 | 10,50 | 2,00 | 132,64 | 95,57 | 7,55 | 1,05 Frau, 50 „ ..7140|3 | 4,73 | 9,50 | 2,00 | 136,43 | 99,58 | 6,48 | 1,00 Frau, 47 „ ..]j150|4 | 528| 9,50 | 2,00 | 151,25 | 100,96 | 7,91 ] 0.99: Frau, 23 „ ..[128|6 | 5,71 | 10,50.| 2,00 | 130,96 | 102,57 | 7,29 [.0,98, Mann, 60 „ -.12326|5 | 5,18 | 17,00 | 2,00 | 233,29 | 103,28 | 11,70 | 0,97 Mann, 35 , 1,68 4 | 6,51 | 11,50 | 2,00 | 125,66 | 74,57 | 10,97 | 1,34 Mann, 29 „ ..1211|6 | 11,05 | 18,00 | 5,05 | 168,53 | 77,41 | 23,35 | 1,29 Hund (Fox) 9 Mon. | 1,09 | 4 | 6,95 | 16,00 | 3,00 | 79.42 | 73,10 | 7,54 | 1,37 Tabelle VI. Zwerchfell. Kernfaserzahlen. Name Kernfaserzahlen Embryo, 5 Monate, männlich . . 1: 170 Neugeborener, männlich . . . . 1: 1020 Kraum 642° Jahrer 2 er 87 Sie) Krauss 90.3 5 1: 461 Prausvau = 0er a Re 1: 892 raus DE ee 1: 584 Mann, 60: 3 au a le 1: 535 ‚Manni 99 77 Poren ee 1: 487 Mann) 229 Nas ren 1: .857 Hund (Fox), 9 Monate. ... . 1: 506 fläche der Muskelfasern bei den einzelnen Menschen bedeutende Ver- schiedenheiten erkennen lässt. Um das Verhältnisder Kern- zahlen zu der Grösse des Faserquerschnittes darzulegen, habe ich in Tabelle VII die „Kernfaserzahlen“ zusammengestellt, d. h. jene Zahlen, die man erhält, wenn man die. „Absoluten Kern- zahlen“ der Schlusstabelle dividiert in die Zahlen für die durch- schnittliche Querschnittsgrösse der Fasern des entsprechenden Muskels. Die so erhaltenen Zahlen geben mir dann an, .auf wieviel: Quadratmikra des Faserquerschnittes ein Kern entfällt. Die Kernfaser- zahl 1:300 würde also bedeuten, dass durchschnittlich auf 300 qu des Faserquerschnittes immer ein Kern kommt;. bei 1:600 würden nur. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 391 halb so viele Kerne vorhanden sein. Der Einfachheit halber werde ich im folgenden häufig nur die Zahlen für die Quadratmikra an- ‚geben; je höher diese sind, um so weniger Kerne sind also in dem Muskel enthalten. Die Kernfaserzahlen würden mir auch angeben, wie der Kernreichtum meinem Auge auf dem mikroskopischen Bilde erscheinen würde. Aus diesen Kernfaserzahlen geht hervor, dass die Sehwankungen der Kernmenge in bezug auf die Fasergrösse doch im ganzen bei den verschiedenen erwachsenen Muskeln nur un- bedeutend sind. Bei den weiblichen Muskeln sind die Zahlen 519, 461, 532, 584, sie stimmen also recht gut untereinander über- ein; bei dn männlichen Muskeln sind sie: 535, 487, 857. Die beiden erstgenannten stimmen also wieder recht gut unterein- ander und mit den weiblichen Muskeln überein, während der Mann von 29 Jahren mit 857 stärker abweicht. Wir werden sehen, dass der Zwerchfellmuskel dieses Mannes, eines Kroaten, sich überhaupt nach verschiedenen Richtungen hin abweichend verhielt. Vergleichen wir mit diesen Zahlen die für den Embryo von 5 Monaten und die für den Neugeborenen, so finden wir sehr erhebliche Abweichungen. Die Zahl für den Embryo (170) zeigt, dass bei diesem der Kernreichtum ein sehr grosserist, etwa drei- mal so gross als bei den Erwachsenen. Die Zahl für den Neugeborenen (1020) zeigt dagegen, dass bei diesem eine ganz ausserordentliche Kernverminderung eingetreten ist, die Kernmenge beträgt nur noch den sechsten Teil von der des Embryos und nur etwa die Hälfte von der des Erwach- senen. Das sind ausserordentlich wichtige Befunde. Vergleichen wir sie mit den Befunden, die ich bei dem Deltoides gemacht habe!) (S. 92), so zeigt sich, dass die Unterschiede hier nicht so gross waren.. Die Zahl für den Embryo von 4 Monaten betrug 235, war also wesentlich grösser wie die für das Zwerchfell, d. h. der Deltoides des Embryo von 4 Monaten hatte weit weniger Kerne als das embryonale Zwerchfell. Die Zahl des Deltoides beim Embryo verhielt sich zu der bei dem Erwachsenen (790 und 726) auch un- gefähr wie 1:3, entsprach also in dieser Hinsicht ziemlich genau den Verhältnissen beim Zwerchfelle. Der Neugeborene verhielt sich aber anders, seine Zahl (569) lag zwischen der des Embryos und der 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 27 392 P. Schiefferdecker: der Erwachsenen, es fand eine allmählich fortschreitende Kernver- minderung statt, während hier beim Zwerchfelle zuerst eine sehr starke Kernverminderung und dann wieder eine Kernvermehrung vorhanden ist. Ich verweise hier auch auf die Schlussfolgerungen in meiner zweiten Muskelarbeit. Wir haben oben schon gesehen, dass die Kernverhältnisse des Zwerchfelles dafür sprachen, dass es sien verhältnismässig spät anlegt, dann aber bis zur Geburt verhält- nismässig schnell auswächst. Die hier eben mitgeteilten Tatsachen würden sich durch ein solehes Verhalten sehr gut erklären lassen: Zuerst ein sehr kernreiches junges Zwerchfell, dann einsoschnelles Auswachsen der Fasern, dass die Kerne sieh nicht\ebenso schnell vermehren können, dann wieder, während der kindlichen Entwicklung, ein Ausgleich. Was die „Kernfaserzahl“ des Hundes anlangt (506), so stimmt diese mit denen der erwachsenen menschlichen Muskeln recht gut überein. Wir wissen ja bis jetzt noch nicht, welchen funktionellen Eigentümlichkeiten der Muskein die Kernfaserzahlen entsprechen, und können daher aus dieser Übereinstimmung zwischen Mensch und Hund noch keinen Schluss auf die Physiologie ziehen. Im allgemeinen könnte man ja nur annehmen, dass eine verhältnis- mässig grosse Anzahl von Kernen, also eine kleine Kernfaserzahl, beim Erwachsenen wenigstens, zunächst für einen lebhafteren Stoff- wechsel sprechen würde. Jedenfalls ist die Kernfaserzahl aber, das geht aus den bisherigen Befunden mit Sicherheit hervor, für den betreffenden Muskel spezifisch. Das ist eine wichtige Feststellung, die namentlich auch für pathologische und entwicklunesgeschiehtliche Untersuchungen von grossem Werte sein kann. Die Kernfaserzahl ist in dem Grade spezifisch, dass sie sich auch bei wesentlichen Unterschieden in der Fasergrösse nicht ändert, dacegen tritt eine wesentliche Änderung ein bei der Aktivitäts- hypertrophie (A.-H.), wenigstens war das der Fall bei dem von mir in den beiden früheren Muskelarbeiten untersuchten Sartorius des Hundes. Die Kernfaserzahl war hier bei dem normalen Muskel 920 und bei dem hypertrophischen 2980. Während die Fasergrösse zu- genommen hatte in dem Verhältnisse von 1:2,19, hatte die Kern- faserzahl zugenommen, wie 1:3,24!) (S. 236). Ich habe damals 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete.. 393 ein physiologisches Zugrundegehen von Kernen zur Erklärung an- genommen. Es handelte sich in diesem Falle um eine spezifische Form des Training. Um eine solche A.-H. kann es sich also bei den männlichen und weiblichen Zwerchfellmuskeln jedenfalls nicht handeln, höchstens würde die für den Kroaten gefundene Zahl in diesem Sinne zu deuten sein; doch kann es sich bei diesem auch um eine Verschiedenheit handeln, die auf der Verschiedenheit des Volksstammes beruht, und das ist viel wahrscheinlicher. Was die „Kerngrösse“ anlangt, so ersehen wir aus Ta- belle VI, dass dieselbe bei der Frau von 64 Jahren (5,44 qu), der Frau von 47 Jahren (5,28 qu), der Frau von 29 Jahren (5,71qu) und dem Manne von 60 Jahren (5,18 qu) recht gut übereinstimmt. Etwas kleinere Kerne hat die Frau von 50 Jahren (4,73qu), etwas grössere der Mann von 35 Jahren (6,51 qu), Sehr viel grössere dagegen der Mann von 29 Jahren, der Kroate (11,05 qu). Ich habe schon bei meinen früheren Muskel- arbeiten immer wieder gefunden, dass die Kerngrösse, d. h. die Querschnittsgrösse des Kernes, nicht in irgendeinem bestimmten Verhältnisse zu der Querschnittsgrösse der Faser steht. Immerhin habe ich schon mehrfach bei grösseren Faserquerschnitten auch grössere Kerne finden können. Die Fasern des Mannes von 35 Jahren Sind nun nur ganz wenig grösser als die mancher Frauen. Die Fasern des Mannes von 29 Jahren sind allerdings, ich verweise hierfür auf Tabelle I, mit 1508 qu mehr wie doppelt so gross als die der übrigen Muskein; dazu würde dann die sehr hohe Zahl für die Kerngrösse, die ebenfalls etwa doppelt so gross ist wie die meisten übrigen, ganz gut stimmen. Bei der A.-H. ergab es sich seinerzeit, bei dem Sartorius des Hundes, dass die Kerngrösse von 2,48 qu auf 7,24 qu gestiegen war. Immerhin war der Unterschied bei weitem nicht so gross wie hier beim Zwerchfelle zwischen der Zahl für den Kroaten und denen für die anderen. Der Mann von 60 Jahren besitzt eine sehr hohe Zahl für den Faserquerschnitt (1208 qu), und dabei sind seine Kerne doch nicht grösser als die ‘der Frauen, deren Fasern weit kleiner sind. Eine Ursache lässt sich hierfür zurzeit nicht finden. Die „Kerngrösse“ des Hundes stimmt mit der des Mannes von 35 Jahren ziemlich gut überein, wenn sie auch noch etwas be- deutender ist (6,95 : 6,51); sie ist also höher als bei den meisten | Menschen, während die Fasergrösse kleiner war als die sämtlicher ' Menschen; der Hund hat also im Vergleiche mit dem l 278 394 P. Schiefferdecker: Menschen im Verhältnisse zu seiner Fasergrösse sehr grosse Kerne. Es geht daraus jedenfalls hervor, dass ein Ver- gleich der Kerngrösse mit der Fasergrösse nicht ohne Bedeutung ist, wenngleich ein bestimmtes Verhältnis sich bis jetzt nicht hat feststellen lassen und auch die funktionelle Bedeutung dieses Grössen- verhältnisses noch dunkel ist. Sehr interessant sind wieder die Zahlen für die Kerngrösse bei dem Embryo von 5 Monaten und bei dem Neugeborenen. Bei dem ersteren beträgt die Zahl 12,36 qu, sie ist also mehr wie doppelt so gross als die meisten Zahlen für die Erwachsenen und übertrifft sogar um etwas die Zahl des Mannes von 29 Jahren (11,05 qu). Dabei ist aber die Zahl für die Querschnittserösse der Faser bei dem letzteren etwa 53 mal so gross, wie bei dem Embryo. Manerkennt hierausschon die ausserordentlich grosse Verschiebung, die in dem Verhältnisse zwischen Kerngrösse und Fasergrösse während der Entwicklung einzutreten vermag. Die Kerngrösse des Neugeborenen stimmt dagegen ausgezeichnet überein mit der der Erwachsenen. Während also aus den Kernfaserzahlen hervorging (Tabelle VID, dass der Embryo verhältnismässig sehr viele Kerne besass, die, wie wir oben gesehen haben, ausserdem noch sehr gross sind, hat der Neugeborene nach Tabelle VII ausserordentlich wenig Kerne, die, wie aus der Tabelle VI hervoreine, denen der Er- wachsenen in ihrer Grösse entsprechen. Die Kernverhält- nisse haben sich also von dem Embryo bis zu dem Neugebore- nen hin ganz ausserordentlich stark verschoben. Während die Kerngrösse bei dem Embryo von der des Erwachsenen sehr stark abweicht, hat der Neugeborene in dieser Hinsicht den Anschluss schon völlig erreicht, während er in bezug auf die Kern- faserzahl, die Kernmenge im Verhältnisse zur Fasergrösse, noch sehr stark vom Erwachsenen abweicht. Zuerst stellt sich also die Kerngrösse auf die des Erwachsenen ein, Später erst die Kernmenge. Die beiden Kolumnen über die „Relative Fasergrösse* und über die „Relative Fasermasse“ bespreche ich hier nicht weiter, da sie keine prinzipielle Bedeutung haben und mehr zur Orientierung zu dienen geeienet sind.. Auch die „Absolute Kernmasse“ hat bei dem Vergleiche von verschiedenen Menschen Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 395 miteinander verhältnismässig wenig Bedeutung, da sie ihre Bedeutung ja eigentlich erst gewinnt, wenn man sie mit der Grösse des Faser- querschnittes vergleicht; immerhin sind auch diese Zahlen mitunter ganz gut praktisch verwertbar. Sehr wichtig sind dagegen die Zahlen für die „Relative Kernmasse“, die in der letzten Kolumne der Tabelle VI zusammen- gestellt sind. Wie man sieht, stimmen die meisten Zahlen für die verschiedenen Menschen hier ausserordentlich gut überein; 1,05, 1,00, 0,99, 0,98, 0,97 sind Zahlen, die alle fast identisch sind; ab- weichend verhält sich der Mann von 35 Jahren, der mit 1,34 die höchste Zahl besitzt, und der Mann von 29 Jahren, dessen Zahl mit 1,29 nur unwesentlich geringer ist. Also dieselben beiden Menschen, dieschoneine verhältnismässig bedeutende Kerngrösse zeigten, weisen auch die höchsten rela- tiven Kernmassen auf. Dabei existiert aber doch ein grosser Unterschied: die Kerngrösse des Mannes von 29 Jahren war niit 11,05 fast doppelt so gross wie die des Mannes von 35 Jahren mit 6,51, während dieser letztere eine grössere „Relative Kernmasse“ besitzt als jener. Es beruht das mit darauf, dass der Mann von 35 Jahren weit weniger dicke Fasern besitzt als der Mann von 29 Jahren (818 : 1808 qu). Beiden Männern gemeinsam war, dass sie kräftig waren, doch ist mir irgend etwas Näheres über die Art der Arbeit des Mannes von 35 Jahren nicht bekannt; der Mann von 29 Jahren war Erdarbeiter und, wie schon mehrfach bemerkt wurde, kein Deutscher, sondern ein Kroate. Die Zahl für die „relative Kernmasse“ des Hundes ist höher als die der kräftigen Männer: 1,37:1;34 und 1,29. Sie ist die höchste von allen Zahlen, unterscheidet sich allerdings nur ganz wenig von der des Mannes von 35 Jahren. Bei der ganzen Kon- figuration des Thorax beim Hunde kann man annehmen, dass bei diesem eine sehr ausgeprägte Zwerchfellatmung vorhanden sein wird, was durch das oben angeführte Zitat aus den Arbeiten von Hasse- Gregor bestätigt wird, und wenn der Hund dann eine sehr hohe Zahl für die „relative Kernmasse“ aufweist, so liegst der Schluss nahe, dass eine stark ausgeprägte Zwerchfellatmung ein kräftig entwickeltes Zwerchfell und als Eigen- tümlichkeit dieses eine hohe „relative Kernmasse“ bedingt. Dafür würden dann auch die hohen Zahlen bei den beiden kräftigen Männern sprechen. Wir haben ja oben schon aus 396 P. Schiefferdecker: den Arbeiten von de la Camp, Hasse und Gregor ersehen, dass die Art der Atmung bei den einzelnen Menschen verschieden sein kann, bald mehr Brustatmung, bald mehr Zwerchfellatmung, und speziell aus der Arbeit von de la Camp, dass die Zwerchfell- atmung bei den Männern stärker entwickelt zu sein pflegt als bei den Frauen. Dazu wird dann wahrscheinlich noch der Einfluss der Schwere der Arbeit kommen. Sehr interessant sind hier wiederum die Zahlen für den Embryo von 5 Monaten und für den Neugeborenen. Die Zahl für die relative Kernmasse bei dem Embryo beträst 7,27, ist also etwa siebenmal so gross als die der meisten Erwachsenen und immer noch etwa fünfmal so gross als die Zahl, welche die grösste relative Kernmasse der Menschen angibt. Umgekehrt ist die Zahl des Neugeborenen auffallend gering, sie beträgt mit 0,53 nur etwa die Hälfte derjenigen der meisten Erwach- senen. Wir haben bei der Betrachtung der vorigen Kolumnen und der Kernfaserzahlen schon gesehen, dass die Kernmenge beim Embryo etwa das Dreifache von der des Erwachsenen betrug, während sie beim Neugeborenen nur etwa die Hälfte von der des Erwachsenen war, dass ferner die Kerngrösse beim Embryo mehr wie doppelt so gross war als beim Erwachsenen, während sie bei dem Neugeborenen mit der der meisten Erwachsenen ungefähr übereinstimmte. Hier sehen wir jetzt, dass bei Berück- sichtigung der Fasergrösse die Kernmasse bei dem Embryo etwa l4mal so gross ist wie bei dem Neugeborenen und bei diesem etwa einhalbmal so gross als wie beim Erwach- senen. Der Unterschied zwischen dem Embryo und dem Neugeborenen in bezug auf die Kernmasse, mit der das Zwerchfell arbeitet, ist also ein sehr be- deutender. Das Zwerchfell des Embryos hat noch nicht zu funktionieren. Die hohe Zahl für die relative Kernmasse ist hier also allein als dureh die Entwicklung bedingt anzusehen. Es ist ein verhältnismässig sehr junger Muskel, und als soleher besitzt er die grosse Kernmasse. Das Zwerchfell des Neugeborenen hat bereits zu funktionieren. Wir haben oben gesehen, dass eine hohe Zahl für die relative Kernmasse bei dem Erwachsenen wahrscheinlich auf eine relativ starke Tätigkeit des Zwerehfelles schliessen liess. Nehmen wir das als richtig an, und ziehen wir daraus einen Schluss auf die Tätigkeit des Zwerchfelles Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernyerhältuisse ete. 397 beim Neugeborenen, so würden wir annehmen müssen, dass das Zwerchfell dieses letzteren verhältnismässie schwach tätig ist, also voraussichtlich nur kleine Exkursionen machen wird. Dafür sprach ja auch die hohe Zahl des Hundes, bei dem das Zwerchfell sehr starke Exkursionen zu machen hat. Nun ist es bekannt, dass, während der Erwachsene im kräftigen Lebensalter etwa 16 bis 18 Atemzüge in der Minute macht, der Neugeborene im wachen Zustande etwa 40 solcher ausführt. Aus diesen Zahlen geht schon hervor, dass die einzelnen Atemzüge bei dem Neugeborenen weit oberflächlicher sein müssen als beim Erwachsenen, dass also die Exkursionen des Zwerchfelles beim Neugeborenen sehr viel weniger ausgiebig sein werden als wie beim Erwachsenen. Ich verweise dieserhalb auch auf die oben zitierte Arbeit von Gregor. Auch das Verhältnis der Zahl der Atemzüge zu der der Pulsschläge sprieht dafür; denn während bei dem ganz jungen Kinde ein Atemzug etwa auf 2,5 Pulsschläge kommt, kommt er beim Er- wachsenen erst auf etwa vier Pulsschläge (Vierordt, Daten und Tabellen, 2. Aufl., 1893, S. 165 und 166). Auch dieses spricht dafür, dass die Atmung beim Neugeborenen eine weit ober- flächlichere ist; denn sonst würde nicht eine verhältnismässig grosse Menge von Atemzügen zu der Versorgung des Blutes mit Sauerstoff nötig sein. Diese Beobachtungen würden also ganz gut übereinstimmen mit der geringen Zahl für die relative Kernmasse, dieder Neugeborene aufweist. Sehr interessant würde es natürlich sein, wie ich oben schon betont habe, durch die Untersuchung von Zwerchfellen von Kindern verschiedenen Lebens- alters zu bestimmen, wann die relative Kernmasse des Kindes der des Erwachsenen eleich wird, und dann festzustellen, wie sich die Atmung in dieser Zeit verhält. Zur Zeit war ich nicht in der Lage, solehe Untersuchungen auszuführen. Sehr interessant ist es auch, dass aus diesen Zahlen hervorgeht, eine wie starke relative Ver- ringerung der Kernmasse während des Wachstumes vom fünften Monate bis zur Geburtsreife bei dem Zwerchfelle stattfindet. Wir sahen oben schon, dass das Zwerchfell in dieser Zeit augenscheinlich stark wächst, um die nötige Fasergrösse bei der Geburt zu erreichen, und dass das Kernwachstum dabei hinter dem Faserwachstume zurückbleibt. Selbstverständlich ist der ganze Organismus des Kindes auf ein Zwerchfell mit einer so niedrigen relativen Kernmasse ein- gerichtet. Sehr wahrscheinlich werden sich auch beim Neugeborenen 398 P. Schiefferdecker: durch weitere Untersuchungen individuelle Versehiedenheiten nach- weisen lassen, die vielleicht nicht unbedeutend sein werden; denn die einzelnen neugeborenen Kinder sind einander in ihrer Entwick- lung nicht nur nicht gleich, sondern zeigen oft recht starke Ver- schiedenheiten.. Im Prinzipe wird der Befund aber voraussichtlich derselbe sein. Vergleichen wir jetzt die hier für das Zwerchfell gefundenen Zahlen kurz mit denen, die ich in meiner zweiten Muskelarbeit für andere Muskeln gefunden habe. Was die „Kerngrösse“ anlangt, so ergab sich bei dem Deltoides!) (S. 91, Tab. XVII), dass der Kern des Embryo von 4 Monaten (14,69 qu) ebenfalls etwa doppelt so gross war wie der des Erwachsenen (7,34 und 7,59 qu), der Kern des Neugeborenen (3,29 qu) war dagegen nur etwa halb so gross wie der des Erwachsenen. Wir finden hier also ganz ähnliche Verhältnisse, doch ist die Abnahme der Kerngrösse bei dem Deltoides erheblich grösser als bei dem Zwerchfelle: das 4—5fache zu dem 2!/sfachen. Sie steigt dann bei dem Deltoides bis zum Erwachsenen etwa um das Doppelte an, also weit weniger als sie vorher ab- genommen hatte und nur noch wenig oder gar nicht bei dem Zwerch- felle. Die relative Kernmasse nimmt von dem Embryo von 4 Monaten (6,26) bis zum Neugeborenen (0,58) hin beim Deltoides um das l1lfache, beim Zwerchfelle um das 1l4fache ah. Die Abnahme ist bei dem Zwerchfelle also noch grösser als wie beim Deltoides. Vom Neugeborenen (0,58) bis zum Erwach- senen (0,99 und 1,045) hin nimmt die relative Kernmasse dann wieder etwa um das Doppelte zu. Auch die absoluten Zahlen beim Deltoides und beim Zwerchfelle sind beim Embryo nicht sehr stark voneinander verschieden, die Kerngrösse des Deltoides bei dem Embryo von 4 Monaten beträgt 14,69 qu, bei dem Zwerchfelle 12,36 qu. Die Kerngrösse bei dem Neugeborenen ist stark ver- schieden: Deltoides 3,29 qu, Zwerchfell 5,44 qu, da ja bei dem Deltoides eine viel stärkere Abnahme stattgefunden hat. Die absoluten Zahlen für die Kerngrössen bei dem Erwachsenen sind wieder stärker verschieden: Deltoides 7,84 und 7,59 qu bei den beiden beobachteten Fällen, Zwerchfell durchschnittlich 5—6, nur ausnahmsweise 11 qu. Die Kerne des Zwerchfelles sind beim Erwachsenen also durch- 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. ap Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 399 schnittlich kleiner als beim Deltoides. Bei beiden Muskeln beträgt die Kerngrösse des Embryos etwa das Doppelte von der des Erwachsenen, infolgedessen ist die Zahl bei dem Deltoides des Embryos etwas grösser als die bei dem embryonalen Zwerchfelle. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Muskeln liegt in dem Verhalten der Kerngrösse bei dem Neu- geborenen; während diese bei dem Deltoides nur etwa halb so gross war wie die des Erwachsenen, war sie bei dem Zwerchfelle der des Erwachsenen bereits gleich. Unsere Kenntuis von den Kern- verhältnissen ist bis jetzt noch zu gering, um irgendeinen sicheren Schluss aus diesem Unterschiede zwischen den beiden Muskeln zu ziehen. Vielleicht könnte man annehmen, dass die Kerne bei dem schon funktionierenden Zwerchfelle nach der Geburt schon weiter entwickelt sind als bei dem Deltoides, der bei dem neugeborenen Kinde noch nicht sehr viel zu leisten hat. Vergleichen wir das Ver- halten der Kerngrösse des Zwerchfelles mit der bei dem Reetus oculi superior des Menschen!) (S. 50, Tabelle VIII), so sehen wir, dass die Kerne des Rectus bei dem neugeborenen Kinde (6 qu) ebenfalls noch kleiner sind als bei dem Erwachsenen (7”—9 qu), wenn auch nicht in so starkem Maasse wie bei dem Zwerchfelle, sie stehen etwa in der Mitte zwischen dem Deltoides und dem Zwerchfelle; während das Verhältnis der Kern- gsrösse des Neugeborenen zu dem Erwachsenen bei dem Deltoides sich verhielt wie 1:2, verhält es sich bei dem Rectus wie 3:4 und bei dem Zwerchfelle wie 1:1. Das Verhalten des Rectus sprieht eher für die oben gemachte Annahme als gesen dieselbe. Die Augenmuskeln treten bei dem Kinde jedenfalls früher in Funktion als der Deltoides, noch früher das Zwerchfell. Das spricht alles dafür, dass, je mehr sich die absolute Kerngrösse bei einem Muskel des Neu- geborenen der für den erwachsenen Muskel gültigen nähert, um so mehr der Muskel an sich als schon seiner Funktion entsprechend ausgebildet anzusehen ist. Die Kerne der Augenmuskeln waren an sich grösser als die des Zwerch- felles und auch noch ein wenig grösser als die des Deltoides; das 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 400 P. Schiefferdecker: hat mit den hier besprochenen Entwicklungsverhältnissen aber nichts zu tun. Vergleichen wir in derselben Weise das Verhalten der „rela- tiven Kernmasse“ ‚bei den verschiedenen Muskeln, so zeigt sich einmal, dass die relative Kernmasse des Deltoides bei dem Erwach- senen genau übereinstimmt mit der des Zwerchfelles bei den meisten Erwachsenen; sie beträgt auch beim Deltoides in den beiden unter- suchten Fällen 0.99 und 1,045!) (8. 91, Tabelle XVII), während sie bei dem Zwerchfelle ja 1,05; 1,00; 0,99; 0,98; 0,97 betrug; sie ist damit aber auch wieder geringer als die Zahlen für das Zwerchfell bei den beiden kräftisen Männern mit 1,34 und 1,29. Auch die beiden Deltoidei stammten von zwei erwachsenen Männern ab, so dass danach denn doch vielleicht die relative Kern- masse des Deltoides eine geringere zu sein scheint alsdiedesZwerchfelles. Die relative Kernmasse des Embryos von 4 Monaten betrug bei dem Deltoides 6,26, war etwa sechs- mal so gross als bei dem Erwachsenen. Bei dem Zwerchfelle ist sie mit 7,27 etwa siebenmal so gross als bei den meisten Erwachsenen und wenigstens noch immer fünfmal so eross als bei den beiden kräftisen Männern. Diese Verhältnisse stimmen also bei beiden Muskeln annähernd überein. Es ist also jedenfalls eine Eigentümliehkeit jenes Entwicklungsstadiums des Muskels im vierten oder fünften Monate, ausser- ordentlich hohe Zahlen für die relative Kernmasse aufzuweisen. Beim Neugeborenen betrug die Zahl beim Deltoides 0,58, beim Zwerchfelle 0,53, die Zahlen stimmen also merkwürdig eut überein; demgemäss ist auch das Verhältnis der Zahlen des Neugeborenen zu dem des Erwachsenen beim Deltoides und beim Zwerchfelle übereinstimmend, soweit beim Zwerchfelle nicht die Zahlen bei den beiden kräftisen Männern in Betracht gezogen werden. Anders liegt die Sache bei dem Recetus oculi superior. Bei diesem Muskel war die relative Kernmasse an sich sehr hoch: sie lag zwischen 2,34 und 4,17!) (S. 50, Tabelle VIII), die relative Kernmasse des Neugeborenen entsprach aber schon vollkommen der- jenigen der Erwachsenen. Hieraus einen Schluss zu ziehen, möchte ich vorläufig noch nicht wagen. Embryonale Muskeln wurden bei 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über Jen feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. A401 dem Rectus nicht untersucht. Wir ersehen aus dem Vorstehenden, dass sowohl bei dem Zwerchfelle wie bei dem Deltoides die relative Kernmasse bei dem Neugeborenen im Verhältnisse zum Erwachsenen sehr niedrig ist. Es muss sich hier also wiederum um eine in der Entwicklung der Muskeln begründete Eigen- tümlichkeit handeln, die mit der Funktion nicht direkt zusammenhängt. In beiden Fällen scheint das Wachstum der Fasern vom Embryo bis zu der Geburt hin ein so starkes zu sein, dass die Vermehrung der Kernmasse damit nicht Schritt hält, wobei es natürlich immer noch möglich ist, dass das Zwerchfell, wie ich oben angenommen habe, noch schneller wächst als der Deltoides. Es sind in dem Vorstehenden schon mehrfach die Zahlen für die relative Kernmasse verschiedener menschlicher Muskeln auf- geführt worden, ich will dieselben hier noch einmal kurz zusammen- stellen, soweit ich sie aus meiner zweiten Muskelarbeit hier herüber- nehmen kann. Bei dem Rectus oculi superior des Erwachsenen lag die relative Kernmasse zwischen 2,34 und 4,17!) (S.50, Tabelle VIII), bei dem Deltoides zwischen 0,99 und 1,05, bei dem Pectoralis major des Seemannes war sie 1,02, bei dem Biceps brachii desselben 1,01, bei dem Serratus anterior desselben 1,391) (S. 91, Tabelle XVII), bei dem Levator palpebrae superioris lag sie zwischen 0,70 und 0,78!) (S. 214, Tabelle XLIX), hier bei dem Zwerchfelle liest sie bei den meisten Muskeln zwischen 0,97 und 1,05 und bei den beiden kräftigen Männern zwischen 1,29 und 1,34. Alle diese Zahlen stammen von Erwachsenen her. Man erkennt daraus leicht, dass die relative Kernmasse eine spezifische Zahl ist für den betreffenden Muskel, dass sie aber einmal abhängig ist von der Ausbildung des Muskels und zweitens von der Art seiner Funktion, endlich, dass sie beim Menschen ziemlich häufig um 1,00 herum zu liegen scheint. Man vergleiche wegen dieser Zahlen- zusammenstellung auch meine zweite Muskelarbeit!) (S. 282 und 283, Tabelle LX). In Tabelle VIII habe ich die Zahlen für die Kernlänge und das Kernvolumen zusammengestellt. Wie man leicht er- kennt, stimmen die Zahlen der Kernlänge für die Erwachsenen ausgezeichnet überein. Nehmen wir aus den Zahlen das Mittel, so 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 402 P. Schiefferdecker: Tabelle VII. Zwerchfell, Kernlänge; Maximum, Minimum in Mikra und Kernvolumen in Kubikmikra. Kernlänge Kern- Name Durchschnitt, Maximum Minimum volumen Embryo, 5 Mon., männ!. 13,57 18,00 | 10,00 168,64 Neugeborener, männl.. . 12,50 18,00 | 8,00 68.00 Eraua6A2 Jahren er 13,50 | 30,00 | 8,00 73,44 Braun 2s07 0% EI 14,00 | 24,00 | 8,00 66,22 Frau, 4 „ TER 32 28,00 | 6,00 70,22 Rrau,m292% Sec 125 24,00 | 5,00 71,37 Mann, 60 „ NR ne 14,46 | 28,00 | 8,00 74,90 Mann, 3 ,„ Ma 14,08 24,00 | 8,00 91,79 Mann, 29 „ ee 13,00 24,00 6,00 143,00 Hund (Fox) 9 Monate. . 11,48 | 16,00 | 8,00 79,92 | ist dieses 13,54 u. Die Abweichungen von diesem Mittel nach beiden Seiten hin sind aber ausserordentlich gering. Es geht hieraus wieder die Tatsache hervor, die ich schon bei meinen bisherigen Muskel- untersuchungen immer wieder bestätigt gefunden habe, dass ge- rade die Kernlänge eines der konstantesten Maasse für einen Muskel ist, und dass sich dabei nur ganz geringe individuelle Unterschiede finden lassen. Der grösste Unterschied nach beiden Seiten hin beträet hier nur 1 u, also etwa 8°o. Ver- gleichen wir mit den Zahlen für die Erwachsenen diejenigen für den Embryo von 5 Monaten und für den Neugeborenen, so finden wir, dass diese wiederum genau mit den Zahlen für die Erwachsenen übereinstimmen; ihr Durehschnitt beträgt 13,03, stimmt also auch wiederum mit dem Durchschnitte für die Erwachsenen (13,54) voll- kommen überein. Auch diese Tatsache, dass die Kernlänge sehön in sehr früher Entwicklungszeit für einen Muskel spezifisch ist, stimmt mit meinen früheren Erfahrungen durch- aus überein; ganz dasselbe fand statt bei dem Deltoides und bei dem Reectus oculi superior. Es scheint sich also wieder um ein allgemeines Gesetz zu handeln. Multipliziere ich die Kernlänge mit der Kerngrösse, d. h. der Querschnittsgrösse des Kernes, so erhalte ich das Kernvolumen, eine Zahl, die gemäss ihrer Entstehung sowohl von der Kernlänge wie von der Kerngrösse abhängig ist. Die Kernlänge schwankte individuell sehr wenig, die Kerngrösse dagegen ziemlich stark; so Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 403 ist es denn natürlich, dass auch das Kernvolumen individuelle Unter- schiede erkennen lässt und ebenso Unterschiede für die verschiedenen Alterszustände. Bei den meisten Erwachsenen stimmten indes die Zahlen für das Zwerchfell noch recht gut untereinander überein: 73, 66, 70, 71, 75; nur bei den beiden kräftigen Männern wieder sind die Zahlen höher: 92 und 143 ku. Die Zahl des Mannes von 35 Jahren ist mit 92 etwa um ein Drittel höher wie die der übrigen, die Zahl des Mannes von 29 Jahren beträet mit 143 sogar etwa das Doppelte der meisten anderen Zahlen der Erwachsenen. Das ist in der Tat ein sehr beträchtlicher Unterschied, der für eine Besonder- heit des ganzen Muskels spricht. Trotzdem war die Kernlänge hier durchaus nicht besonders hoch, sondern lag sogar ein wenig unter dem Mittel; es ist also die bedeutende Querschnittsgrösse des Kernes, welche diesen grossen Unterschied bewirkt. Die Kerne des Mannes von 29 Jahren sind also etwa ebenso lang, aber bedeutender dicker als die der übrigen Erwachsenen. Ich habe nun in meiner zweiten Muskelarbeit schon hervorgehoben, dass die Querschnittsgrösse des Kernes weit veränderlicher ist als die Kernlänge, die ihr gegenüber direkt als eine starre Grösse anzusehen ist!) (S. 243); es lässt sich aber durchaus nicht sagen, welch ein Umstand hier bei dem Kroaten .eine solche Kernvergrösserung hätte herbeiführen sollen; so muss man die in diesem Falle vorhandenen grossen Kerne zunächst als etwas Gegebenes und vielleicht mit der Abstammung des Mannes Zusammenhängendes hinnehmen. Die „Kernlänge“ des Hundes ist mit 11,48 etwas ge- ringer als die der menschlichen Muskeln. Vergleichen wir mit ihr die Kernlänge des Sartorius des Hundes aus meiner zweiten Muskelarbeit!) (S. 237, Tabelle LVIII), so lag diese zwischen 11,35 und 12,18, im- Durchschnitte 11,76; mit dieser Zahl stimmt also die hier gefundene Kernlänge von 11,48 auseezeichnet überein. Das „Kernvolumen“ für das Zwerchfell des Hundes entspricht mit 80 ku noch ganz gut demjenigen der erwachsenen Menschen. Das Zwerchfell des Hundes hat also eine etwas geringere Kernlänge und ein ähnlich grosses Kernvolumen wie das des Menschen. Vergleichen wir mit den oben angegebenen Zahlen die Kern- länge der sonst schon untersuchten menschlichen 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. . 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 404 PP. Schiefferdecker: Muskeln, so lag die für den Rectus oculi superior zwischen 10,68 und 12,30!) (S. 53, Tabelle IX), Durchschnitt 11,18; für den Deltoides zwischen 11,9 und 12,6!) (S. 96, Tabelle XVIII), Durehschnitt 12,25; für den Levator palpebrae superioris zwischen 11,32 und 12,07!) (S. 217, Tabelle L), Durchschnitt 11,69; beim Zwerchfelle fanden wir als Durchschnitt 13,54 u; man sieht, dass diese Zahlen alie einander recht ähnlich sind, dass dasZwerchfell aber von den bisher untersuchten mensehlichen Muskeln die längsten Kerne besitzt. Welche Bedeutung die grössere oder geringere Kernlänge besitzt, ist bis jetzt noch völlig unbekannt. Bei dem Zwerchfelle ist ja nun aber noch jene besondere Eigentümlichkeit zu erwähnen, die ich bei der Beschreibung des mikroskopischen Bildes immer wieder hervorgehoben habe, dass in derselben Faser Kerne von ganz verschiedener Länge zu beobachten waren. Ich möchte auf diese Eigentümlichkeit hier noch einmal aufmerksam machen, da ich sie beim Zwerchfelle bisher zum ersten Male ge- funden habe; sie wird sicher von Bedeutung sein, doch lässt sich vorläufig absolut nicht sagen, von welcher. Diese Eigentümliehkeit prägt sich beim Zwerchfelle in Tabelle VIII sehr deutlich aus durch den sehr grossen Unterschied zwischen dem Maximum und dem Minimum der Kernlänge. Wie man leicht sieht, ist das Maximum hier unter Umständen bis gegen fünfmal grösser als das Minimum. So gross sind die Unterschiede bei den sonstigen bisher untersuchten menschlichen Muskeln niemals gewesen. Bei dem Reetus oculi superior!) (S. 53, Tabelle IX), bei dem die Maxima und Minima bei den verschiedenen Menschen merk wäürdiger- weise genau übereinstimmen, war das Verhältnis 17,5 :5, beim Deltoides sind die Maxima und Minima leider nicht festgestellt worden; bei dem Levator palpebrae betragen die Maxima und Minima in den beiden untersuchten Fällen 14,00 und 7,50 und 17.50 und 7,50!) (S. 217, Tabelle L). Im letzteren Falle ist das Maximum etwa doppelt so gross wie das Minimum, bei dem Augen- muskel etwa dreieinhalb mal so gross. Bei dem Zwerchfelle ist der Uuterschied also deutlich grösser. Wesentlich anders verhalten sich bei dem Zwerchfelle die Zahlen für den Embryo von 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. Untersuchungen über den teineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 405 - 5 Monaten: 18,00 :10,00 und: für den Neugeborenen 18,00 : 8,00. Während bei den Erwachsenen die Zahlen für die Maxima beim Zwerchfelle zwischen 24 und 30 lagen, finden wir hier also nur 18; während ferner die Zahlen für die Minima zwischen 5 und 8 lagen — bei 4 von den 7 erwachsenen Muskeln betrugen sie 8 —, liegen sie hier bei den noch unentwickelten Muskeln bei 10 und 8. Es folgt also hieraus zunächst, dass beim Zwerchfelle dieMaxima bei den Fasern der erwachse- nen Muskeln ganz erheblich grösser geworden sind, dass die Minima aber zum grösseren Teile dieselben seblieben sind wie beim Neugeborenen, zu einem Teile sieh noch verringert haben. Bei dem Deltoides!) (S. 96, Tabelle XVIII) betrugen die Zahlen für die Maxima und Minima bei dem Embryo von 4 Monaten 17,9 und 8,5 und bei dem Neugeborenen 17,0 und 9,1; sie stimmen also mit den Zahlen für das Zwerchfell sehr gut überein. Wie weit beim Deltoides später bei den ausgewachsenen Muskeln ein grösserer Unterschied zwischen Maximum und Minimum eingetreten war, lässt sich leider nicht feststellen, da die betreffenden Zahlen fehlen. Ich glaube aber nicht, dass die Unterschiede so bedeutend gewesen sein würden wie bei dem Zwerchfelle, da mir eben bei dem letzteren ganz besonders der gewaltige Unterschied in der Kernlänge auf- fiel. Es handelt sich hier also sehr wahrscheinlich um eine besondere Eigentümlichkeit des Zwerchfelles. Was für Ursachen es nun sind, die diese spätere starke Divergenz der Kerne bewirken, namentlich die Grössenzunahme derselben, muss erst durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. Vergleichen wir die „Kernvolumina* der verschiedenen bisher untersuchten menschlichen Muskeln miteinander, so finden sich auch da wieder Unterschiede. Das Kernvolumen des Rectus oculi superior war bis jetzt das grösste, es lag um 100 ku herum; dann folgte das für den Deltoides, das etwa 94 ku be- trug (etwas grösser war das des Biceps mit 97 k« und noch grösser das des Serratus anterior mit 106 ku. Diese letzteren waren aber nur Zahlen, die für einen Menschen galten), dann würde jetzt das Kernvolumen für das Zwerchfell folgen, das zwischen 66 1) P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. 406 P. Schiefferdecker: und 92 ku liegt, mit einziger Ausnahme des Mannes von 29 Jahren mit 145 ku. Das Zwerchfell zeigt bis jetzt verhältnismässig die grössten individuellen Verschiedenheiten. Das kleinste Kernvolumen besass der Levator palpebrae superioris, das zwischen 54 und 66 ku lag. Wir sehen also, dass die Kernvolumina wohl auch für die einzelnen Muskeln spezifisch sind, wenn- gleich mitunter ziemlich grosse individuelle Ab- weichungen vorhanden sein können. Vergleichen wir mit diesen Zahlen für die Kernvolumina der Erwachsenen die für die noch in der Entwicklung begriffenen Muskeln, so finden wir beim Neugeborenen für den Recetus oculi superior 65: 100 und für den Deltoides 41:94. Das Kernvolumen des Neugeborenen ist also bedeutend kleiner als das der Erwachsenen. Beim Zwerch- felle dagegen stimmt es mit 68 ku ganz gut überein mit den Zahlen für die meisten Erwachsenen. Es bestätiet dies wieder die schon oben hervorgehobene Tatsache: dass das Zwerchfell bei der Geburt schon verhältnismässig gut ausgebildete Kerne besitzt, dass dann in bezug auf die Ausbildung die Kerne des Augenmuskels folgten, und dass zuletzt die des Deltoides kamen, der also noch verhältnismässig am wenigsten weit bei der Geburt entwickelt war. Der Embryo verhält sich in bezug auf sein Kernvolumen bei dem Deltoides im Verhältnisse zu dem Erwachsenen wie 185 : 94, bei dem Zwerchfelle wie 169 zu einer Zahl zwischen 66 und 92 oder höchstens 143 bei den Erwachsenen. In beiden Fällen also ist das Kernvolumen bei dem Embryo ganz bedeutend viel grösser als bei dem Erwachsenen. Besonders stark ist der Unterschied bei dem Deltoides zwischen dem Embryo und dem Neugeborenen (185 :41). Alles dieses sind sehr interessante Zahlen, die allmählich immer mehr an Bedeutung ge- winnen werden, je weiter ich meine Muskeluntersuchungen werde haben ausdehnen können. Jedenfalls geht aber jetzt schon daraus hervor, dass auch in bezug auf das Kernvolumen sehr. starke Verschiebungen während derembryonalen und auch, wenn auch in geringerem Grade, während der kindlichen Entwicklung bis zum Erwachsenen hin stattfinden. Ferner, dass die embryonalen Kerne sehr bedeutend viel grösser sind nicht nur als die des Neugeborenen, sondern auch als die des Erwachsenen. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 407 Die Kerne desEmbryos sind ganz dazuangetan, später rasch eine ganze Anzahl neuer Kerne aus sich hervor- sehen zu lassen, und dieser morphologischen Stärke, wennich mich so ausdrücken darf, wird wahrschein- lich auch eine funktionelle entsprechen, d. h. eine grosse Energie, die sieh dureh die späteren schneller aufeinander folgenden Kernovildungen kundegibt. Tabelle IX. Zwerchfell, modifizierte Kernzahlen und &esamtkernmasse, N Modifizierte Gesamt- Kernzahl kernmasse Embryo, 5 Monate, männl. 0,20 393,13 Neugeborener, männlich. . 0,20 13,60 Krause cAmlahreker 1,36 99,28 Brausss0 132 87,12 Brausrdiemurnen el 1,49 104,30 Hraus 29.20 ne. ee: 1,35 95,85 Mann ol ee: 2,06 154,50 IMannwassln as nie 1,58 145,36 2 Manns 29 De: 2,15 307,45 Hund (Fox), 9 Monate . . 1,25 100,00 In Tabelle IX sind die Zahlen für die „Modifizierten Kernzahlen“ und für die „gGesamtkernmasse“ zusammen- eestellt.e Wie ich in der Einleitung zu dieser Arbeit schon bemerkt habe, verstehe ich unter den „Modifizierten Kernzahlen“ die direkt gefundenen Kernzahlen, wie sie in Tabelle VI in der ersten Kolumne angegeben sind, korrigiert durch die Zahlen für die Kernlänge. Wegen des Näheren verweise ich auf die Einleitung und auf meine früheren Arbeiten; ich will hier nur daran erinnern, dass die Kern- länge insofern von Einfluss auf die „Absolute Kernzahl“ ist, als, da bei meiner Methode die Anzahl der Kerne auf dem Querschnitte der Fasern bestimmt wird, ich um so mehr Kerne scheinbar bekommen werde, je länger die einzelnen Kerne sind, um so weniger, je kürzer dieselben sind; um daher die wahre Anzahl der Kerne zu erhalten, muss ich eine Korrektur in bezug auf die Kernlänge eintreten lassen. Diese Zahlen gelten aber nur für die gerade miteinander verglichenen Muskeln. Vergleicht man die hier gegebene Tabelle mit Tabelle VI, so sieht man, dass die Unterschiede im allgemeinen nicht gross sind; das hat seinen Grund darin, dass die Zahlen für die Kernlänge einander sehr Ähnlich waren. Es ist hier die Faserdicke nicht be- Pflüzer’s Archiv für Physiologie. Pd. 139. 28 408 P. Schiefferdecker: rücksichtigt worden, diese ist ja aber aus Tabelle I sofort zu er- sehen. Wenn also der Embryo und der Neugeborene 0,20 Kerne haben, so bedeutet dieses beides etwas ganz Verschiedenes, sobald. die Faserdicke in Betracht gezogen wird: diese beträgt bei dem Embryo 34 qu, bei dem Neugeborenen 194 qu. Wenn der Mann von 29 Jahren etwa zehnmal so viel Kerne besitzt als der Embryo und der Neugeborene, so hat er, wenn sein Faserquerschnitt in Be- tracht gezogen wird, etwa ebeusoviel Kerne wie der Neugeborene und etwa nur den fünften Teil von der Anzahl der Kerne, die bei dem Embryo vorhanden war. In der zweiten Kolumne der Tabelle IX sind die Zahlen für die „gesamtkernmasse“ angegeben. Diese ist so berechnet worden, dass die modifizierten Kernzahlen mit dem Kernvolumen der Tabelle VIII multipliziert worden sind. Auch diese Zahlen sind demgemäss relative und geben mir nur an, wie sich die Gesamt- masse der Kerne in einem gleichlangen Stücke der Faser bei den verschiedenen Muskeln zueinander verhalten würde. Am wichtigsten sind diese Zahlen, wenn man erkrankte Muskeln mit gesunden der- selben Art vergleicht; aber auch für die verschiedenen Entwicklungs- stadien des Muskels sind sie recht wichtig und ganz interessant wenigstens für die individuellen Verschiedenheiten. Sehr deutlich tritt hier der Geschlechtsunterschied der Muskeln hervor: während ‘die Zahlen für die vier Frauen zwischen 87 und 104 liegen, liegen die für zwei der Männer zwischen 145 und 154 und bei dem Kroaten sogar bei 307. Das sind sehr erhebliche Unterschiede. Die Zahl für den Hund ist 100. Sehr interessant sind die ent- wieklungsgeschichtlichen Verschiebungen. Während die Zahl für den Embryo von 5 Monaten etwa 34 ist, ist die für den Neugeborenen etwa nur 14; es hat also eine sehr er- hebliche Abnahme stattgefunden. Da sowohl der Embryo wie der Neugeborene männlichen Geschlechtes sind, so muss man sie bei den Erwachsenen mit den Männern vergleichen, da würde dann, wenn man den Mann von 60 Jahren und den von 35 Jahren in Betracht zieht, die Kernmasse vom Neugeborenen an etwa auf das Zehnfache gestiegen sein, wenn nıan den Kroaten heranzieht, sogar auf mehr als das Zw anziefache. Eine so starke Vermehrung der Ge- samtkern masse müsste also vom Neugeborenen an bis zum E rwachsenen eingetreten sein. Die starke Verminde- rung der Kernmasse, die von dem Embryo bis zum Neugeborenen Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 409 eingetreten ist, spricht wieder dafür, dass das Längenwachstum der Fasern in dieser Zeit so schnell vor sieh gegangen ist, dass wohl dieselbe Kernzahl erhalten bleiben konnte, dass dabei aber infolge der wiederholten Teilung eine Verkleinerung der Kerneeingetretenist. Am Sehlusse dieser Betrachtung möchte ich noch kurz hinweisen auf die Wiehtiekeit der Erkrankung des Zwerchfelles. Es ist a priori klar, dass die Erkrankung eines Muskels, wie des Zwerchfelles, der für unsere Atmung und damit für unser ganzes Leben von solcher Bedeutung ist, von wesentlichem Eiuflusse auf den Körper sein wird. Trotzdem scheint die darüber vorliegende Literatur nur von sehr geringem Unifanze zu sein. Ich kann hier auch natürlich nieht näher auf die verschiedenen Arten der Er- krankungen eineehen, ich will nur auf das Erkranken im all- gemeinen hinweisen, um Aamit diese Arbeit noch zu vervollständigen. Ich verweise wesen der Literatur im allgemeinen auf die Inaugzural- Dissertation von S. Falkenstein!) aus dem Jahre 1904, die hier in Bovun unter Professor Esser angefertigt worden ist. Eine erste und wiehtige Arbeit stammt schon aus dem Jahre 1867 von dem Ensländer Calleuder?). Recht eingehend hat dann Zahn?) diese Frage beliandelt. Er wies nach, dass Veränderungen der Zwerch- fellmuskulatur verhältuismässig häufig vorkommen; er unterschied damals die einfache braune Atrophie nıit Zell- und Kernwucherungen, die körniee Trübuus mit fettizer Entartung und den glasieen Zerfall der Muskelfasern Von den von Callender beobachteten sechs Fällen, zwei Männern und vier Frauen, waren vier Patienten über 50 Jahre alt, einer 32 und ein anderer sogar nur 22 Jahre alt; fünf von diesen litten an hocheradigster Dyspnöe. Von allen wird bemerkt, dass der Herzmuskel fettie degeneriert war. Damit stimmen die Beobachtungen von Zahn an acht Männern und einer Frau ziemlich eenau überein. Von diesen neun Patienten waren fünf über 50 Jahre alt, vier hatten das 40. Lebensjahr noch uicht er- 1) Ss. Faikenstein, Ein Beitrag zur Pathologie des Zwerchfelles, 32 Seiten. Inaue.-Diss. Bonn 1904. 2) @G. W. Callender, Ou the fatty. degeneration of the diaphragm. The Laneet vol. 1 p. 89. 1867. 3) W. Zahn, Mitteilungen aus dem pathologisch-anatomischen Institut zu Gut. Vil. Die degenerativen Veränderungen (er Zwerchfellmuskulatur, ihre Ursachen und Folgen. Virchow’s Arch. Bd. 73 S. 166-150. 1878. 28* 410 P. Schiefferdecker: reicht. Alle hatten mehr oder weniger lange an grosser Atemnot gelitten. Bei allen fanden sich mehr oder weniger hochgradige Lungenveränderungen vor, bei sieben auch fettige Entartung im Herzmuskel, wenigstens in Spuren. Zahn hebt dann hervor, als besonders auffallend, die Gleichartiekeit der Muskelveränderung im Zwerchfelle und im Herzen. „Hier wie dort sind die Strukturveränderungen des Muskelgewebes sozusagen ganz die gleichen. Ja, noch mehr, sie kommen fast immer gleichzeitig bei den- selben Individuen vor und selbst zu einer Zeit, wo mit wenigen Ausnahmen die übrigen Muskeln noch vollkommen unverändert sind. Diese Übereinstimmung genannter Muskelveränderungen im Herzen und Zwerchfelle kann durchaus nicht befremden, wenn man berücksichtigt, welche physiologischen Obliegenheiten beide Organe haben. Das eine und andere derselben hat während der ganzen Dauer des extrauterinen Lebens in ununterbrochener gleicher Weise bestimmte Arbeitsleistungen zu verrichten, und das Leben könnte nicht weiter bestehen, wenn auch nur eines derselben seiner Aufgabe nicht mehr genügte, seine Tätig- keit einstellen würde. Ebenso ähnlich, aber wie die physiologischen Tätigkeits- äusserungen beider Organe, müssen sich auch ihre pathologischen Veränderungen sein, wenn ähnliche oder die gleichen Störungen auf das eine oder andere oder beide zugleich einwirken. Dieselbe Ursache, welche braune Atrophie des einen Organes bewirkt, muss, wenn sie das andere trifft, die gleiche Folge haben, und dasselbe gilt für die körnige Trübung und fettige Entartung. Wirkt nun aber dieselbe Ursache zugleich auf das eine und andere Organ ein, so müssen beide gleichzeitig die gleiche Veränderung erleiden, und diese muss in demjenigen Organe am hochgradigsten sein, welches, gleichgültig aus welchem Grunde, zu- meist von der dieselbe bewirkenden Schädlichkeit betroffen wird.“ Zahn geht dann weiter auf diese Ursachen ein!) (S. 176 u. 177). Weiterhin hat dann de la Camp°) über diesen Gegenstand ge- arbeitet. Ich habe schon oben aus seiner Arbeit seine Beobach- tungen erwähnt, welche die Physiologie der Zwerchfellatmung be- treffen; er behandelt in dieser Arbeit aber auch alle diejenigen Krankheiten, welche für Hochstand, Tiefstand und Stillstand des Zwerchfelles usw. in Betracht kommen. Ich verweise dieserhalb auf die Arbeit selbst. Falkenstein?) endlich, der unter Professor Esser in Bonn gearbeitet hat, teilt eine Anzahl von Fällen mit, in denen Zwerchfellerkrankungen vorlagen, und kommt zu dem Schlusse, dass eine ganze Reihe von Erkrankungen, die erfahrungsgemäss häufig den Herzmuskel zu schädigen pflesen, auch imstande sind, HOW Zahnsalze: 2) dela Camp, ]. c. 9) S. Falkenstein, l. ce. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 411 Zwerchfellveränderungen hervorzurufen, und dass man nicht wohl daran zweifeln kann, dass beide Muskeln wie in ihrer Funktion so auch in ihrer Pathologie eine grosse Ähnlichkeit besitzen. Er be-. merkt weiter, dass man also mehr als bisher dem Zwerchfelle seine Beachtung schenken müsse, besonders bei Herzkranken. Er spricht sich sodann dahin aus, dass die von Rumpf empfohlene Zwerch- felleymnastik neben der Regelung der allgemeinen Lebensweise das einzige Mittel sein dürfte, durch das wir auf das als erkrankt er- kannte Zwerchfell einzuwirken imstande sind. Rumpf!) hat dann noch ganz vor kurzem auf die Wichtigkeit der Zwerchfellatmung für Herzschwäche und Herzinsuffizienz hingewiesen. Er erinnert daran, dass er in seinen „Vorträgen über Herz- und Kreislaufs- störungen“ (Jena 1904) speziell ausgeführt habe, dass die Haupt- sache bei den Atembewegungen die Innervation des Zwerch- felles bleibe. Er bemerkt weiter, dass der Umstand, dass er so viele Kranke mit Herzschwäche sähe, bei denen eine Regulation der Atmung nicht erfolgt ist, oder bei denen eine für die Herzfunktion direkt schädliche Atmung stattfindet, ihn veranlasst, auf diesen Punkt zurückzukommen, wobei er mit Pudor (Zeitschr. f. physik. u. diätet. Therapie, Bd. 12, H. 1) betonen möchte, dass eine rationelle Kunst des Atmens bei uns noch bei weitem nicht in dem Maasse geübt wird, wie es für Gesundheit und Krankheit erwünscht ist. Die Zwerchfellatmung übt nach ihm in vielen Fällen einen günstigen Einfluss auf die Herztätigkeit aus, in welchen die Rippenatmung es nicht tut oder schädlicb ist. Die Zwerchfellatmung muss aber sorefältig geübt werden, wie ihn jahrelange Erfahrungen gelehrt haben. Das Zwerchfell ist eben ein für unser Leben ausserordentlich wichtiser Muskel, dessen. Tätigkeit wohl mehr Aufmerksamkeit ge- schenkt werden könnte. Auch ich bin der Meinung, dass eine richtige Ausbildung der Atmung gerade auch für uns moderne Menschen von der grössten Bedeutung sein müsste, von einer Be- deutung, die sicher die der gewöhnlichen Gymnastik bei weitem überwieet. Auch Hasse hat in seinen Arbeiten immer wieder auf die weitgehende Bedeutung einer richtig entwickelten Atmung für den ganzen Körper hingewiesen. Aus seinen Arbeiten geht hervor, 1) Th. Rumpf, Die Bedeutung der Zwerchfellatmung für Herzschwäche und Herzinsuffizienz. Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 14. 412 P. Schiefferdecker: dass eine gut ausgebildete „Vollatmung“, bei der „Brustatmung“ und „Zwerchfellatmung“ in richtiger Weise miteinander verbunden sind, für den Körper am günstigsten ist. Eine solehe Vollatmune würde sieh voraussichtlich bei den beiden Geschlechtern insofern verschieden verhalten, als bei dem Weibe die Brustatmung, bei dem Manne die Zwerchfellatmung mehr in den Vordergrund treten würde. Es wäre daher meiner Meinung nach entschieden vorteilhaft, wenn auch schon in den Schulen bei dem Turnunterrichte die Atmung theoretisch und praktisch behandelt werden würde. Das richtige Atmen ist eben etwas, das ebenso wie so viele andere Dinge während der Kindheit dureh richtige Anweisung erlernt werden muss. Besprechung der Ergebnisse aus den Tabellen. Ich erinnere hier zunächst daran, dass diejenigen Resultate, die. sich aus der Beschreibung des mikroskopischen Bildes der Muskeln ergaben, schou auf S. 360 ff. besprochen worden sind. Ich verweise daher hier auf sie und bespreche hier nur näher diejenigen Resultate, die sich aus den Tabellen ableiten lassen. Es sind die folgenden: 1. In bezug auf die „Faserdieke“, die Querschuittsgrösse der Muskelfasern, zeigt das Zwerchfell beim Erwachsenen einen deut- lichen Geschlechtsunterschied: Die Fasern der Männer sind dieker ais die der Frauen, und zwar zum Teile wesentlich dicker. Dieser Unterschied liess sich bei dem seringen Materiale, das mir in dieser Hinsicht zu Gebote stand, bei dem Neugeborenen noch nicht nach- weisen; doch ist es mir wahrscheinlich, dass er in diesem Stadium der Entwicklung sehon vorhanden sein wird. Nur durch eine ein- gehende Untersuchung bei reichem Materiale würde sich das. nach- weisen lassen. Sollte dieser Unterschied in diesem Stadium der Entwieklung noch fehlen, so würde er sich jedenfalls während der kindlichen Entwicklung sehr schnell herausbilden, da de la Camp bei dem vierjährigen Kinde schon deutliche Geschlechtsunterschiede in der Zwerchfellatmung nachweisen konnte. Man kann meiner Meinung nach jedenfalls annehnıen, dass der Geschlechtsunterschied in der Zwercehfellatmung als angeboren anzusehen ist, und dass es nur darauf ankommen wird, in einem wie frühen Entwicklungs- stadium er sich auch anatomisch nachweisen lässt. Der Hauptgrund für diesen Geschlechtsunterschied wird sicher in der dem Weibe eigentümlichen Schwangerschaft liegen, wenngleich jedenfalls während der Entwicklung bis zum erwachsenen Zustande hin auch die Art Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 41% der Kleidung und der Tätigkeit von Einfluss sein wird. Wie weit sich der Einfluss dieser beiden Faktoren ebenfalls hat vererben können, lässt sich vorläufig natürlich noeh nicht sagen. Ebenso wie bei den Frauen die Kleidung als ein hemmendes Moment für die Ausbildung der Zwerchfellatmung anzusehen sein wird, wird bei den Männern die durchschnittlich stärkere körperliche Tätigkeit als ein förderndes Moment zu betrachten sein. Immerhin muss man aber in dieser Hinsicht berücksichtigen, dass Erscheinungen einer Aktivitätshyper- trophie sich in meinen Fällen nicht nachweissen liessen. Auch selbst nicht bei dem Kroaten, der das bei weitem am stärksten entwickelte Zwerchfell besass. Erscheinungen der Aktivitätshypertrophie würde man vielleicht erwarten dürfen zu finden bei Athleten, Zirkuskünstlern und derartigen Leuten; doch dürfte auch das noch zweifelhaft sein, da das Zwerchfell doch immerhin ein Muskel ist, der nicht so direkt geübt werden kann. Hieraufhin zielende Untersuchungen würden jedenfalls für das ganze Verständnis der Zwerchfellstätigkeit von srosser Bedeutung sein. Die Dicke der Fasern des Zwerchfelles bei den erwachsenen deutschen Männern entsprach etwa derjenigen des Deltoides, den ich früher untersucht habe. Aus den Zahlen für die Faserdieke des Zwerchfelles bei dem Embryo von 5 Monaten und dem Neugeborenen im Vergleiche zu denen der Erwachsenen eing bei dem Vergleiche mit den ent- sprechenden Daten für den Deltoides hervor, dass das Zwerchfell in der Embryonalzeit (etwa um den fünften Monat herum) zunächst weit weniger stark entwickelt ist als der Deltoides, dann aber bis zur Geburt hin diesen bei weitem überholt hat. Im Laufe der weiteren Entwicklung des Kindes bis zum Erwachsenen hin. gleicht sich der Vorsprung, den das Zwerchfell bei der Geburt vor dem Deltoides besass, wieder aus. Da das Zwerchfell sich phylogenetisch und ontogenetisch verhältnismässig spät anlegt und da es bei der Geburt schon richtige und dauernd funktionieren muss, während der Deltoides das noch nicht zu tun braucht, so erklären sich die eben mitgeteilten Verhältnisse wohl aus der Funktion. Ein weiterer deutlicher und interessanter Beweis dafür, wie eng die Funktion mit dem Muskel- aufbaue verknüpft ist. 2. Der Muskel des - Neugeborenen erscheint auch bei dem Zwerchfelle wieder, wie ich das früher schon für den Deltoides und den Rectus oculi superior hervorgehoben habe, als ein Modell- 414 P. Schiefferdecker: muskel, der schon «lie’ charakteristischen Eigentümlichkeiten des betreffenden Muskels erkennen lässt, aber noch nicht jene oft so starken individuellen Schwankungen aufweist, die erst weiterhin im Laufe der kindlichen Entwicklung bis zum Erwachsenen hin durch die Schädigungen und alle die unzähligen sonstigen äusseren Ein- wirkungen im Körper hervorgerufen werden. 3. Der Muskel des Embryos zeigt auch beim Zwerchfelle wieder, wie schon beim Deltoides, eine im Verhältnisse zur Fasergrösse ausserordentlich hohe Kernmasse, die sich sowohl in der Zahl wie in der Grösse der Kerne kundgibt. Es scheint sich hier um ein allgemein gültiges Gesetz zu handeln, das einen interessanten Einblick in die Entwicklungsmechanik gewährt: zuerst wird die Kernmasse gebildet und dann die Fasermasse. 4. Hierbei ist es sehr interessant, dass bei dem Embryo die Kernmasse mit der Dicke der Fasern weit stärker zunimmt, als dem Mittel entspricht, während schon beim Neugeborenen und von da an weiter bis zum Er- wachsenen hin gerade das Gegenteil stattfindet, näm- lich, dass die Zahl für die Kernmasse mit der zuneh- menden Faserdieke weniger stark zunimmt als das Mittel, also relativ abnimmt. Ich habe schon bei meiner zweiten Arbeit hervorgehoben, dass dieses sehr eigenartige Verhalten dafür sprechen würde, dass, wie eben schon erwähnt wurde, die Zunahme der Kernmasse der der Fasermasse vorausgeht, und dass also, wie es scheint, diejenigen Fasern am meisten Aussicht haben, zu wachsen, in denen sich schon beim Embryo eine verhältnismässig grosse Kernmasse befindet; diese würden dann zum Wachstume ganz besonders prädestiniert sein. Man könnte hieraus vielleicht den Schluss ziehen, wie ich das in meiner zweiten Muskelarbeit schon getan habe, dass die Kernmasse den Wachstumsreiz für die Fasern bilden würde. Richtiger wird es wohl sein, folgendes anzunehmen: wir wissen, dass in dem ausgebildeten Muskel eine ganze Anzahl von Fasergruppen existieren, die sich aus ganz verschieden dicken Fasern zusammensetzen, bei denen die Kernmasse mit der zu- nehmenden Grösse der Faser absolut grösser, relativ aber meist: kleiner wird. Diese verschieden grossen Fasern legen sich natürlich sämtlich schon beim Embryo an, und die später diekeren sind kennt- lich an der verhältnismässig grossen Kernmasse, die sich in ihnen Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 415 befindet. Sie wachsen ihrer Bestimmung gemäss weiter aus, und dabei nimmt die zuerst unverhältnismässig grosse Kernmasse all- mählich mehr und mehr ab, bis sie die Norm für den ausgewachsenen Muskel erreicht. Man würde bei dieser Anschauung voraussetzen müssen, dass das Vorhandensein dieser Gruppen verschieden dicker Muskelfasern in dem erwachsenen Muskel als ererbte Eigentümlich- keit anzusehen ist, und demgemäss natürlich auch die Anlage dieser Fasergruppen beim Embryo und ihr ganz bestimmtes Auswachsen zum erwachsenen Zustand hin als eine ererbte Eigentümlichkeit an- zusehen is. Nach dem, was man jetzt von der ganzen Art der Entwicklung eines Wesens kennt, kann man diese Annahme aber auch ruhige machen, wenngleich man für sie nur einen Erfahrungs- beweis beibringen kann und den Grund für die ganze Art der Ent- wicklung nicht kennt. Es scheint mir, dass die Annahme einer solchen Vererbung der Wachstumseigenschaften für die einzelnen Fasern eines Muskels nicht schwieriger ist als die Annahme, dass die ganze Entwicklung eines Embryos in allen seinen Teilen nach vererbten Gesetzen vor sich geht. 5. Wenn auch in der Faserdiceke ein deutlicher Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Zwerchfellmuskeln der Erwachsenen vorhanden war, so ergab sich doch aus den Kerntabellen, dass die Schlussverhältnis- zahlen bei beiden Geschlechtern so gut wie völlig übereinstimmten, und dass auch der Kroate in dieser Hinsicht sich genau ebenso verhielt. Es geht hieraus hervor, dass der feinere Aufbau des Muskels, soweit die Kern- und Faserverhältnisse in Frage kommen, bei beiden Geschlechtern trotz der verschiedenen Faserdicke derselbe ist. Das ist nur natürlich, denn die Art der Funktion des Zwerchfelles ist bei beiden Geschlechtern zweifellos dieselbe, nur ist die Tätiekeit bei dem männlichen Geschlechte eine kräftigere als bei dem weiblichen. Qualitativ sind die Muskeln der einzelnen Menschen einander gleich, aber nicht quantitativ; die Art der Funktion ist dieselbe, aber die Kraft ist verschieden. Hieraus geht dann weiter hervor, dass, wir es bei dieser Geschlechtsver- schiedenheit nicht mit einer Aktivitätshvpertrophie zu tun haben, wie ich sie früher bei dem Sartorius des Hundes gefunden hatte, denn bei dieser hatten sich die Kernverhältnisse wesentlich ver- ändert. Es kann sieh dann also nur um eine dem Ge- 416 P. Sehiefferdecker: schlechte eigentümliche Anlage handeln. Dasselbe wird man für den Kroaten annehmen müssen, bei dem ausser dem Ge- schlechte vielleicht auch noch die Abstammung von einem anderen Volksstamme als Ursache für die Verschiedenheit der bei ihm das Zwerchfell zusammensetzenden Muskelfasern auch gegenüber denen der deutschen Männer anzunehmen sein wird. Es geht aus dem eben Gesagten dann aber auch wieder hervor, dass der feinere Aufbau eines Muskels, wie er sich nach meiner Methode darstellt, in der Tat für die Funktion des Muskels von der grössten Bedeutung sein mus, da er sieh in unseren Fällen so konstant erhalten hat. Es ist dieses ein sehr wichtiger Schluss, der sich aus der vor- liegenden Arbeit ergibt. Es folgt daraus weiter, dass der nach einer bestimmten Richtung hin trainierte Muskelin der Tat auch qualitativ ein ganz anderer Muskel ge- wordenist, alser früher war, wie ich das in meinen beiden ersten Muskelarbeiten bei dem Sartorius des Hundes auch schon angenommen habe. Auch dieses würde ein sehr wichtiger Schluss sein. 6. Wenn der Muskel des Neugeborenen in der Tat als ein Modellmuskel anzusehen ist, so folet daraus, dass die Muskeln zu der Zeit derGeburt bereits vollkommen spezifisch differenziert sind und nur noch in ihren Grössenver- hältnissen weiter auszuwachsen brauchen, um die Muskeln des Erwachsenen zu bilden. Während dieses Auswachsens würden dann durch die verschiedenartigen inneren und äusseren Einwirkungen jene individuellen Abweichungen entstehen, die wir später vorfinden. Es würde sich hier um ein allgemein gültiges Gesetz handeln. 7. Der Muskel des Hundes verhält sich insofern wesentlich anders als der des Menschen, als bei ihm die sämtlichen verschieden dicken Fasern mit relativ derselben Kernmasse arbeiten, während beim Menschen die Kernmasse mit zunehmender Faserdicke abnahm. Die funktionelle Bedeutung dieses Unterschiedes lässt sich vorläufig noch nicht feststellen. 8. Es scheint, und das geht aus dieser Untersuchung zuerst hervor, dass während der Entwicklung der Muskeln die Kernmaasse (die Kernlänge und die Querschnittsgrösse des Kernes) sich zuerst auf die des Erwachsenen ein- stellen, später erst die Kernzahl oder Kernmenge im Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse ete. 417 Verhältnisse zur Fasergrösse. Ausserordentlich stark ab- weichend ist die Kerngrösse beim Embryo. 9. In bezug auf die sehr wichtige Grösse der „relativen Kernmasse“ kann man aus dieser Arbeit den Schluss ziehen, dass eine stark ausgeprägte Zwerchfellsatmung auch eine hohe relative Kernmasse bedingt. Wir finden hohe Werte für die relative Kernmasse bei den beiden Männern von 35 und 29 Jahren und die höchste bei dem Hunde. Bei der ganzen Konfiguration des Thorax beim Hunde kann man aber annehmen, dass bei diesem eine sehr ausgeprägte Zwerchfellsatmung vor- handen ist. Andererseits müssen wir aber von diesem hohen Werte für die relative Kernmasse bei dem funktionierenden Zwerchfelle wohl unterscheiden jene, welche während der embryonalen Entwicklung des Zwerchfelles zuerst vorhanden iist. Die Zahl für die relative Kernmasse beim Embryo ist etwa 7—-5mal so gross als die der Erwachsenen, um- gekehrt ist die Zahl des Neugeborenen auffallend niedrig, sie be- träst nur etwa die Hälfte oder noch weniger der der Erwachsenen. Die hohe Zahl für die relative Kernmasse beim Einbryo gibt, wie ich oben schon hervorgehoben habe, vielleicht den Wachstumsreiz für die Faser ab und hat also eine ganz bestimmte entwicklungs- geschichtliche Bedeutung. Die hohe relative Kernzahl bei dem funktionierenden Zwerchfelle aber hat eben nur ihre Bedeutung für die Funktion, nicht mehr für das Wachstum. Man könnte diese beiden Arten der relativen Kernmasse vielleicht am besten kurz unterscheiden als die „Entwicklungskernmasse“ und die „Funktionskernmasse“. Der geringen Grösse der relativen Kernmasse bei dem Neugeborenen entsprechend müssen die Exkursio- nen des Zwerchfelles bei diesem sehr viel weniger ausgiebig sein als beim Erwachsenen. Hierfür sprechen auch durchaus die direkten Beobachtungen sowie die in bezug auf die Anzahl der Atemzüge und in bezug auf das Verhältnis der Zahl der Atemzüge zu der der Pulsschläge im Vergleiche mit len ent- sprechenden Zahlen bei deın Erwachsenen. Das Zwerchfell des Neugeborenen würde also weit schwächer arbeiten als das des Er- wachsenen, und es würde sehr wünschenswert sein, dass die all- 418 P. Schiefferdecker: mähliche Abstufung dieser Arbeit durch das Kindesalter hindurch, am besten anatomisch genau, verfolgt würde. 10. Es folgt aus den vorliegenden Untersuchungen weiter, wenigstens als wahrscheinlich, wenn auch noch nicht als sicher, dass, je mehr die Kerngrösse, die Querschnittsgrösse des Kernes, bei einem Muskel des Neugeborenen der für den Erwachsenen gültigen sich nähert, um so mehr der Muskelan sich als schon seiner Funktion entsprechend ausgebildet anzusehen ist. Hierfür sprechen zusammen mit den vorliegenden auch die Beobachtungen an den Kernen der Augenmuskeln und der Deltoidei in meiner zweiten Muskelarbeit. Da die Kernlänge schon bei dem Embryo von 4—5 Monaten mit der des Erwachsenen übereinstimmt, so bedeutet das also, dass die Grösse des Gesamtkernes der der Erwachsenen sich nähert. ll. Auch aus dieser Arbeit hat sich wieder ergeben, gerade wie aus meiner zweiten Muskelarbeit, dass die Kernlänge eines der konstantesten Maasse eines Muskels ist, und das sie zur ganz geringe individuelle Abweichungen beim Er- wachsenen zeigt. Sie wird also augenscheinlich auch von den Ein- wirkungen, die während der kindlichen Entwicklung bis zum Er- wachsenen hin den Körper treffen, nur wenig berührt. Ferner geht aus dieser Arbeit wieder hervor, dass die spezifische Kernlänge schon gegen die Mitte der Entwicklungszeit ausgebildet ist. 12. Auch das Kernvolumen ist zweifellos für den erwachsenen Muskel als eine spezifische Zahl anzusehen, wenngleich mitunter ziemlich grosse individuelle Abweichungen vorhanden sein können. Besonders gross ist das Kernvolumen beiın Embryo. Es finden auch in bezug auf das Kernvolumen sehr starke Verschiebungen während der embryonalen und auch, wenn auch in geringerem Grade, während der kindlichen Entwicklung bis zum Erwachsenen hin statt. 13. Die embryonalen Kerne aus der Zeit des 4—D. Monates (bei anderen Muskeln auch zu anderen Zeiten) sind sehr bedeutend viel grösser nicht nur als die des Neugeborenen, sondern auch als die des Erwachsenen. Sie sind daher ganz dazu angetan, rasch eine ganze Anzahl neuer Kerne aus sich hervorgehen zu lassen; und dieser morphologischen Energie, wenn ich mich so ausdrücken darf, wird wahrscheinlich auch eine funktionelle entsprechen, d. h. eine grosse Energie, die Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 419 sich durch die späteren schnell aufeinanderfolgenden Neubildungen von Kernen kundgibt. Wie weit diese Neubildungen periodisch auf- treten oder nicht, müssen erst weitere Untersuchungen lehren. 14. Sehr interessant sind auch die entwicklunesgeschichtlichen Verschiebungen in bezug auf die „Gesamtkernmasse“ in einem ent- sprechenden Stücke der Muskelfasern: Während die Zahl für den Embryo von 5 Monaten mehr als doppelt so gross ist wie die für den Neugeborenen (34:14), nimmt von diesem letzteren an bis zu dem Erwachsenen hin die Gesamtkernmasse um das 10—20 fache zu. Eine so starke Vermehrung der Kernmasse müsste also während der kindliehen Entwicklung bis zum Erwachsenen hin eingetreten sein. "Die starke Abnahme von dem Embryo bis zum Neugeborenen spricht dafür, dass das Längenwachstum der Fasern in dieser Zeit so schnell vor sich gegangen ist, dass wohl dieselbe Kernzahl für den Quer- schnitt infolge vielfacher Teilungen der Kerne erhalten bleibeu konnte, dass dabei aber gleichzeitig eine die Vermehrung weit überwiegende Verkleinerung der Kerne eingetreten ist: Die Kernmasse hat also bei weitem nicht so schnell zugenommen während dieser Zeit der Entwicklung als die Fasermasse; sie ist aber zweifellos dabei einer ganz bestimmten ver- erbten Regel gefolgt, nach der sich das Zwerchfell so entwickelte, dass es bei der Geburt einen für seine Funktion bei dem Neugeborenen genügenden Bau be- sass und die Fähigkeit, sich während der Zeit der kindlichen Entwicklung bis zu einem für den-Erwach- senen brauchbaren Grade auszubilden. 15. Ich habe bei der Betrachtung der Tabellen immer wieder darauf aufmerksam machen können, dass das Zwerchfell des Kroaten Abweichungen zeigte-von den übrigen, die zum Teil sehr erheblich waren. Nur die Schlussverhältniszahlen stimmten mit denen für die übrigen Zwerchfellmuskeln genau überein. Es fand also bei dem Kroaten die Kernzunahme bei Zunahme der Faserdicke in den ver- schieden dicken Fasern, die den Muskel zusammensetzen, in der- selben Weise statt wie bei den Muskeln der Deutschen. Der feinere innere Aufbau des Muskels stimmte also bei dem Kroaten und den Deutschen überein. Man kann hieraus schliessen, dass dieser feinere innere Aufbau für die Qualität der Funktion wesentlich ist, denn diese war natürlich in beiden Fällen dieselbe. Die Abweichungen waren nicht zu erklären und werden vielleicht auf die verschiedene Abstammung zurückzuführen sein. 420 P. Schiefferdecker: Kurze Zusammenfassung der Resultate. l. Die abgerundeten Konturen der Muskelfaserquerschnitte lassen auf eine verhältnismässig hohe Protoplasmaspannung schliessen. 2 Bei den meisten Zwerchfellmuskeln der erwachsenen Menschen und bei dem des Hundes finden sich über den Muskelquerschnitt hin zerstreut besonders grosse Faserquerschnitte, die von besonders kleinen umgeben sind. Während die Querschnitte der grossen Fasern sich mehr oder weniger der Kreisform nähern, sind die Querschnitte der kleinen Muskelfaseru polygonal mit oft recht scharfen Ecken. Die grossen Faseru würden also eine hohe Protoplasmaspannung be- sitzen, die kleinen eine auffallend geringe. Bei dem Embryo von 5 Monaten waren diese grossen Fasern ausserdem noch besonders dunkel, bei dem Neugeborenen erscheinen sie bereits ebenso hell wie die anderen Fasern. Da sie auch beim Hunde vorkommen, so werden sie wohl eine bei den Säugetieren weiter verbreitete Eigentümlich- keit darstellen. Ihre Bedeutung ist unbekannt. Da sie aber bis zur Geburt sieh entwickelt haben, und da von der Geburt an das Zwerchfell in Funktion tritt, so werden diese dieken Fasern mit ihrer Umgebung von kleinen wohl für die Funktion des Zwerchfelles von Bedeutung sein. 3. Auffallend ist beim Zwerchfelle, dass die Fasern fast immer mehr oder weniger stark wellig verliefen. Das Zwerchfell unter- schied sich in dieser Hinsicht wesentlich von den bisher untersuchten Skelettmuskeln. Wahrscheinlich wird dieser eigentümliche Verlauf der Fasern zurückzuführen sein auf die spezifischen Spannungs- verhältnisse der Zwerchfellfasern nach dem Tode. Es ist ja dureh- aus denkbar, «dass diese von denen der Skelettinuskeln abweichen werden. 4. Die Kerne liereen in den erwachsenen Muskeln meist raud- ständig, doch fauden sich auch verhältnismässig viele binnenständige im Vereleiche mit den Skelettmuskeln. Diese Beobachtung sowie die Mitteilung von Rehns, dass das Zwerchfell ebenso wie die Augeumuskeln und die Kehlkopfmuskeln einen grösseren Vorrat au Sauerstoff zu besitzen scheint als die anderen Muskeln, spricht dafür, dass das Zwerchfell als ein exquisit roter Muskel anzusehen ist. Bei dem Embryo von 5 Monaten liegen die Kerne sämtlich randständig, ınitunter sogar sehr stark vortretend, bei dem Neurzeborenen liegen sie ebenfalls noch fast alle randständig; die binvenständigen Kerne Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 49] müssen also erst während der kindlichen Entwicklung auftreten. Da die Funktion des Zwerchfelles ihrer Intensität nach sich von der Geburt an bis zum erwachsenen Zustande immer stärker entwickelt, so kann man annehmen, dass die Binuenständiekeit der Kerne für die volle Funktion des Zwerchfelles beim Menschen von Bedeutung sein: wird. Beim Hunde liegen im Gegzensatze zum Menschen die Kerne fast alle randstäudig; Binnenkerne sind selten. 5. Die Kernform ist bei den erwachsenen menschlichen Muskeln meist stähchenförmig oder langoval, doch kamen auch vielfach kürzere Formen vor bis zu kreisförmigen Kernen herab. Sehr auf- fallend ist es, dass in den Muskelfasern sehr verschieden lange stäbehenförmige Kerne durcheinander vorkommen, so dass ganz grosse unvermittelt neben kleinen liegen. Es ist hier also eine besondere Form der Kerndifferenzierung eingetreten, deren Bedeutung noch unbekannt ist. Bei dein Embryo von 5 Monaten waren die Kerne in bezug auf ihre Länge einander sehr ähnlich, bei dem Neugeborenen kamen schon kürzere Formen vor; es beginnt also aurenscheinlich in dieser Zeit die Differenzierung. Da diese Differenzierung beim erwachsenen Muskel eine sehr ausgesprochene ist, so muss sie sich während der kindlichen Eutwiecklune mehr und mehr entwickelt haben und muss für die Funktion des auszebildeten Zwerchfelles beim Menschen von Bedeutung sein. Beim Hunde fehlt diese Läugen- differenzierung. 6. Kernreihen fanden sich in allen erwachsenen menschlichen Zwerchfellmuskeln, wenn auch mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bei dem Embryo und dem Neugeborenen fehlten sie, ebenso beim Hunde. Es bestätigt dieser Befund meine schon früher ausgesprochene Anschauung, dass diese Reihenbildunzen nielıt als normal anzu- sehen, sondern auf die Krankheit, die zum Tode führte, zurück- zuführen sind, eventuell auf sonstige starke Einwirkungen auf den Körper, so auf die länger dauernde Todesangst bei dem Hin- gerichteten. 7. Das Bindegewebe der Muskeln liess hier wiederum, wie bei den von mir schon früher untersuchten Muskeln, zwei deutliche Ab- teilungen unterscheiden: Bei der einen treten deutliche Fibrillen hervor, die sich bei der Calleja- Färbung stark blau färben; dieses Bindegewebe liegt in den grösseren und kleineren Septen zwischen ‘den Muskelfaserbündeln oder auch iv diesen, die Bündel in Unter- abteilungen zerlegend; es umsehliesst also die Bündel und euthält 422 P. Schiefferdecker: die grösseren Blutgefässe. Bei der anderen Abteilung sind Fibrillen nicht direkt sichtbar, lassen sich auch mit der Calleja-Färbung nicht darstellen, wohl aber mit Silber. Dieses Bindegewebe liert zwischen: den einzelnen Muskelfaserquerschnitten, umhüllt also sämt- liche Muskelfasern und enthält die kleinsten Blutgefässe. Dieses letztere Bindegewebe ist also für die Muskeln das wichtigere, da es allein die Ernährung der Fasern besorgt, während das erst beschriebene nur als Stützgewebe dient. Um diese beiden Abteilungen des Binde- gewebes im Muskel leicht unterscheiden zu können, habe ich vor- geschlagen, das erst beschriebene Bindegewebe als „stützendes“ oder „fulkrales“ Bindegewebe zu bezeichnen, das zu zweit beschriebene dagegen als „argentophiles“ oder „ernährendes“ oder „nutritives“ Bindegewebe. Wahrscheinlich ist derselbe Unterschied zu machen bei dem Bindegewebe der Drüsen und vielleicht auch noch bei dem von anderen Organen. 8. Das Zwerchfell ist ziemlich arm an elastischem Gewebe, doch finden sich starke individuelle Schwankungen, wie ich solche auch sonst bei den bisher untersuchten Muskeln gefunden habe. Es ist also wahrscheinlich, dass das elastische Gewebe bei der Funktion des Zwerchfelles keine wichtigere Rolle spielen wird. 9. Bei dem Embryo von 5 Monaten sind die Septa zwischen den einzelnen Muskelfaserquerschnitten verhältnismässig breit, die Muskelfaserquerschnitte selbst sind klein, meist rundlich und von ziemlich verschiedener Grösse. Ein Sarkolemm fehlt. Grosse dunkle Fasern mit ihrer Umgebung von kleinen treten hervor. Die Kerne sind verhältnismässig gross im Vergleiche zum Faserquer- schnitte und springen am Rande weit vor. Der Kernreichtum des Muskels ist ausserordentlich eross. Die Kerne sind an Form und Grösse einander sehr ähnlich, ihr Querschnitt ist sehr gross. Sie enthalten verschieden viele Kernkörperchen (eins bis vier), die hinter- einander liegen; der Kernkontur zeigt mitunter leichte Einkerbungen zwischen den Kernkörperchen, so dass es den Eindruck macht, als ob die Kerne in kurzer Zeit in mehrere Kerne zerfallen wollten. Es entspricht dies den früher von mir mitgeteilten Beobachtungen am Levator palpebrae superioris des Neugeborenen. Kernreihen fehlen. Obgleich das Bindegewebe zwischen den Muskelfaserquer- schnitten stark entwickelt ist, ist das fibrilläre Bindegewebe in den Septen nur wenig entwickelt. Es entspricht dies meiner früheren Beobachtung an dem Deltoides eines Embryos von 4 Monaten. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 4923 10. Bei dem Neugeborenen liegen die Muskelfaserquerschnitte weit enger aneinander als bei dem Embryo, doch ist die Breite der Septa noch ziemlich verschieden. Die Muskelfaserquerschnitte sind im allgemeinen stark abgerundet. Ein Sarkolemm ist vorhanden. Es finden sich besonders grosse, helle Faserquerschnitte, umgeben von einer Anzahl kleiner. Es beginnt die Differenzierung der Kerne in bezug auf ihre Länge. Die Kerne liegen noch fast alle rand- ständig. Kernreihen fehlen. Kernkörperchen sind nicht mehr zu mehreren in den Kernen vorhanden. Das fibrilläre Bindegewebe zeigt schon eine stärkere Entwicklung. Elastische Fasern finden sich bereits in grösserer Menge in den dicken Septen, sonst sind sie in geringer Menge vorhanden. 11. Der Muskel des Hundes stimmt mit dem des erwachsenen Menschen im ganzen recht gut überein. Nur sind die Binnen- kerne bei ihm verhältnismässig selten und die Kernquerschnitte im ganzen mehr kreisförmig und durchschnittlich dieker. In diesen Abweichungen erinnert er mehr an den Muskel des Neugeborenen. Die Längendifferenzierung der Kerne fehlt. Das Bindegewebe ist nicht stark entwickelt und das elastische Gewebe nur in sehr. ge- ringer Menge vorhanden. 12. In bezug auf die „Faserdicke“, die Querschnittsgrösse der Muskelfasern, zeigt das Zwerchfell beim Erwachsenen einen deut- lichen Geschlechtsunterschied: Die Fasern der Männer sind dieker als die der Frauen, und zwar zum Teil wesentlich dicker. Wahr- scheinlich wird ein soleher Unterschied sich als ererbte Eigentüm- lichkeit auch schon beim Neugeborenen finden; doch war mein Material nicht gross genug, um das nachweisen zu können. 183. Dieser Unterschied in der Faserdicke dürfte darauf zurück- zuführen sein, dass das männliche Zwerchfell intensiver tätig ist als das weibliche, da beim Manne bei der Atmung die Zwerchfellatmung mehr in den Vordergrund tritt, beim Weibe die Brustatmung. Diesen Unterschied vermochte de JaCamp schon beim vierjährigen Kinde nachzuweisen. Dieser Geschlechtsunterschied in bezug auf die Atmung dürfte hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass der weibliche Organismus auf die Schwangerschaft Rücksicht zu nehmen hat. Möglicherweise tritt dann noch dazu der Einfluss der Kleidung und der Arbeit. Dieser Geschlechtsunterschied wird sich voraussichtlich vererben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 29 424 P. Schiefferdecker: 14. Eine Aktivitätshypertrophie liess sich zur Erklärung der teilweise bedeutenden Grössenunterschiede für das Zwerchfell nicht nachweisen. 15. Die Dieke der Fasern des Zwerchfelles bei den erwachsenen deutschen Männern entsprach etwa derjenigen des Deltoides. 16. Aus der Untersuchung des Zwerchfelles bei dem Embryo von 5 Monaten und dem Neugeborenen im Vergleiche zu denen der Erwachsenen ging bei dem Vergleiche mit den entsprechenden Daten für den Deltoides hervor, dass das Zwerchfell, das sich ja phylogenetisch und ontogenetisch später anlegt, und bei der Geburt leistungsfähig sein muss, zunächst weit weniger entwickelt ist als der Deltoides, dann aber bis zur Geburt hin diesen bei weitem überholt hat. 17. Auch aus dieser Arbeit geht wieder hervor, dass der Muskel des Neugeborenen als eine Art von Modellmuskel anzusehen ist, also schon durchaus spezifisch differenziert ist. 18. Die beim Erwachsenen mitunter beträchtlichen individuellen Verschiedenheiten entstehen erst während der kindlichen Entwicklung infolge der verschiedenen äusseren und inneren Einwirkungen auf den kindlichen Körper. 19. Der embryonale Muskel zeigt auch beim Zwerchfelle wieder eine ausserordentlich grosse Kernmasse. Zuerst wird die Kernmasse gebildet und dann die Fasermasse. 20. Beim Embryo nimmt die Kernmasse mit der Dieke der verschiedenen Fasern des Muskels weit stärker zu, als dem Mittel entspricht, während schon beim Neugeborenen und von da an weiter bis zum Erwachsenen hin gerade das Gegenteil stattfindet, nämlich dass die Zahl für die Kernmasse mit der zunehmenden Faserdicke weniger stark zunimmt als das Mittel, also relativ abnimmt. 21. Man muss wohl unterscheiden in bezug auf ihre physio- logische Bedeutung zwischen der hohen relativen Kernmasse beim Embryo und der bei den Erwachsenen. Beim Embryo hat die hohe relative Kernmasse nur Bedeutung für die Art der weiteren Ent- wicklung des Muskels, beim Erwachsenen dagegen hat sie Bedeutung für die Art der Funktion. Man könnte diese beiden Arten der relativen Kernmasse wohl am besten auch durch besondere Be- zeichnungen unterscheiden als „Entwicklungskernmasse“ und „Funk- tionskernmasse*. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 495 22. Man muss annehmen, dass die Art der Zusammensetzung eines Muskels aus verschieden dicken Fasern und das Verhältnis der Zunahme der Kernmasse mit der Zunahme der Faserdicke, die beide spezifisch für den betreffenden Muskel sind, zuerst allmählich durch die spezifische Art der Tätigkeit des Muskels erworben worden sind, jetzt aber sich direkt durch Vererbung übertragen. 23. Wenngleich in bezug auf die Faserdiecke ein deutlicher Unterschied zwischen den männlichen und weiblichen Zwerchfell- muskeln der Erwachsenen vorhanden war, so ergab sich doch, dass der feinere Aufbau des Muskels, soweit dabei die Kernmenge und die Zunahme der Kernmasse bei Zunahme der Faserdicke in Be- tracht kommt, bei beiden Geschlechtern der gleiche war. Da die Funktion des Zwerchfelles qualitativ bei beiden Geschlechtern die gleiche ist, so spricht die mitgeteilte Tatsache dafür, dass dieser feinere Aufbau des Muskels als die morphologische Grundlage der spezifischen Funktion des Muskels anzusehen ist. Eine grössere Faserdicke und eine verhältnismässig hohe Kernmasse (relative Kernmasse) scheinen dagegen die morpholoeische Grundlage für die quantitativ stärkere Tätigkeit des Muskels zu bilden. 24. Es ist wahrscheinlich, dass auch diese morphologischen Grundlagen für den quantitativen Geschlechtsunterschied als vererbt anzusehen sind. Man muss demnach eine dem Geschlechte eigen- tümliche Anlage für das Zwerchfell annehmen. 25. Der Zwerchfellmuskel des Hundes zeigt einen wesentlichen Unterschied von dem des Menschen darin, dass bei ihm die sämt- liehen verschieden dieken Fasern mit relativ derselben Kernmasse arbeiten, während beim Menschen die Kernmasse mit zunehmender Faserdicke relativ abnimmt. Die hohe Zahl für die relative Kern- masse beim Hunde spricht dann dafür, dass das Zwerchfell bei ihm stark arbeitet, was auch aus den anatomischen Verhältnissen beim Hunde und aus der direkten Beobachtung erschlossen werden kann. 26. Die vorliegende Untersuchung macht es wahrscheinlich, dass während der Entwicklung der Muskeln die Kernmaasse (Länge und Querschnittsgrösse) sich zuerst auf die des Erwachsenen einstellen, später erst die Kernzahl und die Kernmenge im Verhältnisse zur Fasergrösse. Die Kernlänge erreicht dabei ihre normale Grösse schon in der Mitte des Embryonallebens, vielleicht sogar schon früher. 29 496 P. Schiefferdecker: 97. Das Zwerchfell des Neugeborenen arbeitet augenscheinlich schwächer und hat weit weniger ausgiebige Exkursionen als das des Erwachsenen. Dem entspricht die geringe Grösse der relativen Kernmasse beim Neugeborenen. 28. Es scheint, dass, je mehr die Maasse für die Kerngrösse bei einem Muskel des Neugeborenen den für den Frwachsenen gültigen sich nähern, um so mehr der Muskel an sich als schon seiner Funktion entsprechend ausgebildet anzusehen ist. Auch hieraus würde dann wieder folgen, dass die Entwicklung der Kerne der der Fasern voraufgeht. Die Kernlänge hat sich bei allen bisher unter- suchten Muskeln als eines der konstantesten Maasse ergeben, das schon während der Entwicklung seine normale Grösse erreicht und beim Erwachsenen nur ganz geringe individuelle Verschiedenheiten zeigt. 29. Die ausserordentliche Grösse der embryonalen Kerne, ihre mehrfachen Kernkörperchen und die eventuell an ihrem Seitenkontur auftretenden Finkerbungen lassen annehmen, dass aus diesen Kernen schnell eine ganze Anzahl neuer Kerne hervorgehen kann. Bei den verschiedenen Muskeln tritt diese Art der Kerne zu verschiedenen Zeiten auf. 30. Während der Entwicklung treten sehr bedeutende Ver- änderungen der Gesamtkernmasse auf. Diese Veränderungen sind ebenso wie die ganze spezifische Entwicklung eines jeden Muskels zweifellos bedingt durch die Vererbung. 3l. Das Zwerchfell ist, wie jeder Muskel, nur ein Teil des sich entwickelnden Individuums, und seine Entwicklung ist, wie die eines jeden anderen Organs, durch die Vererbung so geregelt, dass sie das für das sich entwickelnde Wesen zu der betreffenden Zeit nötige Maass erreicht. 32. Das Zwerchfell des Kroaten zeigte in bezug auf die Zu- nahme der Kernmasse im Verhältnisse zur Zunahme der Fasermasse bei den verschieden dicken den Muskel zusammensetzenden Fasern eine genaue Übereinstimmung mit den Muskeln der erwachsenen deutschen Männer und Frauen. Das war verständlich, da die Funktion des Zwerchfelles qualitativ natürlich der der übrigen gleich war. Sonst aber zeigte das Zwerchfell des Kroaten Abweichungen, die zum Teil sehr erheblich waren. Es ist möglich, dass dieselben durch die verschiedene Abstammung zu erklären sind. Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse etc. 497 Literatur. . P. Schiefferdecker, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 Heft 1—4. S. 1—345 mit 15 Tafeln. 1903. . P. Schiefferdecker, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Ab- bildungen im Text. Joh. Ambros. Barth, Leipzig 1909. . L. Hauck, Untersuchungen zur normalen und: pathologischen Histologie der quergestreiften Muskulatur. 18 Seiten. Inaug.-Diss. Leipzig 1900. Zu- gleich erschienen in Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 17. . J. Rehns, Beitrag zum Studium der durch grösseren Sauerstoffvorrat aus- gezeichneten Muskeln. 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Hasse, Die Formen des menschlichen Körpers und die Formänderungen bei der Atmung. Text und 26 Tafeln. G. Fischer, Jena 1888—1890. . C. Hasse, Über die Atembewegungen des menschlichen Körpers. Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abt, 2 Tafeln, S. 273—279. 1901. «. K. Gregor, Die Entwicklung der Atemmechanik im Kindesalter. Anat. Anz. Bd. 22 S. 119—125. 1903. . K. Gregor, Untersuchungen über die Atembewegungen des Kindes. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 35 S. 272—304, 1 Taf. u. 3 Abb. 1902. 428 Karl Grube: Über Giykogenbildung aus Formaldehyd. Von Karl Grube. Vor drei Jahren habe ich Versuche mitgeteilt), bei denen durch einen Lappen der Schildkrötenleber Ringer’sche Lösung durch- geleitet worden war, welche Formaldehyd in ganz schwacher Kon- zentration enthielt. In allen meinen Versuchen — 11 an Zahl — fand ich nach der Durchleitung eine grössere Menge Glykogen in dem Lappen, durch den die Formaldehydlösung geflossen war. Dieses Mehr betrug im Minimum 8,8, im Maximum 77,0°/o. Ich zog aus dem Resultat der Versuche die Folgerung, dass die Leber den Form- aldehyd zur Synthese von Zucker bzw. von Glykogen zu benutzen vermöge. Im Jahre 1909 übertrug E. Pflüger dem Tierarzte Herrn Grebe eine Nachprüfung dieser Versuche als Thema für eine Doktor- dissertation. Dieser führte die Versuche — 15 an Zahl — mit Prof. Sehöndorff unter Leitung und Mithilfe von Geh. Rat Pflüger und Dr. Junkersdorf, welche einen Teil der Analysen übernahmen, aus. Das Resultat war ein dem meinigen diametral entgegengesetztes. Es wurde nur in zwei Fällen, einmal eine grössere, 24,30%, und einmal eine unbedeutende, 0,9 °/o, betragende Zunahme des Glykogens festgestellt. Die Versuche wurden nach Pfiüger’s Tode zunächst in der Dissertation von Grebe, die Pflüger in der Hauptsache noch kurz vor seinem Tode selbst geschrieben hatte, und neuerdings von B. Schöndorff und F. Grebe?) veröffentlicht. Ich werde mich in der folgenden Mitteilung nur auf diese letztere Veröffentlichung beziehen. 1) Über die kleinsten Moleküle, welche die Leber zur Synthese des Glykogenes verwerten kann. Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 636. 1908. 2) Zur Frage der Entstehung von Glykogen aus Formaldehyd. Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 525. 1911. Über Glykogenbildung aus Formaldehyd. 429 Wie Sehöndorff angibt, hielten sich die Untersuchenden genau an meine Versuchsanordnung. Ganz ist das nicht zutreffend. So benutzten sie zunächst eine Ringer’sche Lösung von anderer Zu- sammensetzung als ich selbst. Die ihrige war folgendermaassen zu- sammengesetzt: 6 g Chlornatrium, 0,2 g Chlorkali, 0,2 & Chlor- kalzium, 0,1 g Natriumbikarbonat in einem Liter Wasser. Ich habe bei meinen Versuchen an der Schildkröte eine Ringer’sche Lösung benutzt, welche in folgender Weise hergestellt war: Eine 0,6 loige Kochsalzlösung wurde mit Kalziumphosphat gesättigt, und zu je 100 eem dieser Lösung wurde 0,3 cem einer 1°/oigen Lösung von Chlorkalzium zugesetzt !). Was meine früheren Versuche anlangt, so wurde bei Versuch I—-IV der Leberlappen, durch welchen durchgeleitet wurde, in situ belassen, bei Versuch VI—XI aus dem Körper entfernt. In einem Versuche wurde durch beide Lappen gleichzeitig durchgeleitet, durch den einen Ringer allein, durch den andern Ringer plus Form- aldehyd. . In den Versuchen von Schöndorff und Grebe wurde die Leber in allen Versuchen aus dem Tiere herausgenommen, und in Versuch XII—XV wurde gleichzeitig durch beide Lappen Ringer bzw. Ringer plus Formaldehyd geleitet. Was meine Analysen angeht, so wandte ich bei allen Versuchen dasselbe Verfahren an, nämlich: Inversion des durch Kalilauge und Fällung in Alkohol gewonnenen Glykogenes mit Salzsäure und Be- stimmung des Zuckers nach der gravimetrischen Methode von Pflüger. In vier Fällen wurden die erhaltenen Werte nach Volhard kon- trolliert, nämlich dann, wenn die erhaltenen Werte besonders klein waren. Die Übereinstimmung war jedesmal eine gute. Sehöndorffund Grebe (bzw. Pflüger und Junkersdorf) bestimmten in Versuch I—-VIIl das Glykogen durch Polarisation (Pflüger) und Titration (Junkersdorf), in Versuch IX—XV in derselben Weise wie ich unter jedesmaliger Anwendung der Volhard- schen Kontrolle. Zu den Analysen von Versuch I—-VIIl ist folgendes zu sagen: Die Werte zwischen der Polarisation und Titration stimmten zuweilen überein, meistens jedoch nicht. Die Unterschiede zwischen den durch 1) Diese Vorschrift findet sich bei Gaskell, The contraction of cardiac muscle, in Schäfer’s Textbook of Physiol. vol. 2 p. 225. 430 Karl Grube: Polarisation und Titration gewonnenen Werten waren oft so beträcht- lich (9,2; 19,3; 12,7; 10,8; 14,7 °/o), dass man trotz der Versicherung der Verfasser, dass die Titrationen absolut einwandfreie Ergebnisse hatten, Anstand nehmen muss, diese Versuche als beweisend gelten zu lassen. | Gegen.die Versuche IX, X und XI ist nichts einzuwenden; da- gegen erheben sich gegen die letzten vier Versuche, bei denen gleich- zeitig durch beide Lappen Nährflüssigkeit geleitet wurde, schwer- wiegende Bedenken, wie gleich zu zeigen sein wird. Demselben Bedenken unterliegt natürlich auch der eine Versuch von mir (V), bei dem ich ebenfalls durch beide Lappen durchgeleitet hatte. Im übrigen hat eine genaue Durchsicht und Nachrechnen meiner Ver- suchsprotokolle mir nichts ergeben, wodurch dieser auffallende Unter- schied in den zwei Versuchsreihen erklärt werden könnte. Ich habe deshalb die Versuche noch einmal aufgenommen. Zunächst habe ich in drei Versuchen meine frühere Versuchs- anordnung beibehalten: direkte Untersuchung des einen Leber- lappens auf Glykogen und Durchleitung von Formaldehyd durch den andern. Versuch I. Rechter Leberlappen, 20,37 g, enthält vor Durchleitung 1,085 g Zucker = 7,23 °/o Glykogen. Linker Leberlappen, 12,389 g, enthält vor Durchleitung von 4,6 cem Formaldehyd in 8 Liter Ringer’scher Lösung 0,926 g Zucker = 6,77 °/o Glykogen. Abnahme von 6,3 lo. Versuch I. Rechter Leberlappen, 15,9 g, enthält vor Durchleitung 1,106 g Zucker — 6,8 Jo Glykogen. Linker Leberlappen, 18,59 g, enthält nach. Durehleitung von 4 cem Formaldehyd in 10 Liter Ringer’scher Lösung 1,55 g Zucker — 8,36 °/ Glykogen. Zunahme von 13 eo. Versuch Il. Rechter Leberlappen, 22,88 g, enthält vor Durchleitung 1,393 g Zucker — 5,6 °/o Glykogen. Über Glykogenbildung aus Formaldehyd. 431 Linker Leberlappen, 20,17 g, enthält nach Durchleitung von 5 eem Formaldehyd in 10 Liter Ringer’scher Lösung 1,129 g Zucker — 5,1 °/o Glykogen. Abnahme von 8,9 'o. Von drei Versuchen waren also zwei negativ und einer positiv. Ich habe dann weitere Versuche angestellt, in denen ich durch beide Lappen Ringer’sche Lösung durchleitete, auf der einen Seite mit einem Zusatz von Formaldehyd. Versuch IV. Rechter Leberlappen, 14,51 g, enthält nach Durchleitung von 10 Liter Ringer’scher Lösung und 3 cem Formaldehyd 1 g Zucker — 6,38 °/o Glykogen. Linker Leberlappen, 11,59 &, enthält nach Durchleitung von 10 Liter Ringer ’scher Lösung 0,516 & Zucker — 4,14 %/o Glykogen. Zunahme von 35,1 ?/o. Versuch V. Linker Leberlappen, 8,2 &, enthält nach Durchleitung von 8 Liter Ringer’scher Lösung und 3 cem Formaldehyd 0,57 & Zucker — 6,35 °/o Glykogen. Rechter Leberlappen, 9,1 g, enthält nach Durchleitung von 8 Liter Ringer ’scher Lösung 0,515 g Zucker = 5,19 g Glykogen. Zunahme von 18,2 %o. In beiden Versuchen war die Glykogenmenge grösser auf der Seite, auf welcher der Formaldehyd durchgeleitet worden war. Ich habe dann zur Kontrolle Versuche angestellt, bei denen durch beide Leberlappen Ringer’sche Lösung ohne Zusatz durch- geleitet wurde. Ich hatte in meiner ersten Arbeit!) die Beobachtung gemacht, dass die Durchspülung der Leber mit Ringer’ scher Lösung ohne Zusatz eine Abnahme des Glykogens bedinge, welche 27,5—86,1°/o betrug, und zwar wahrscheinlich durch Umwandlung in Zucker. Versuche, bei denen durch beide Lappen durchgeleitet wird, und die Durchleitungsflüssigkeit der einen Seite die auf ihre elykogenbildende Fähiekeit zu prüfende Substanz enthält, können nur dann beweiskräftig sein, wenn feststeht, dass bei unter gleichen 1) Untersuchungen über die Bildung des Glykogens in der Leber. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 1. 1907. 2 452 Karl Grube: Versuehsbedingungen erfolgender Durehspülung mit Ringer’scher Lösung die dabei verschwindende Glykogenmenge auf beiden Seiten nieht wesentlich verschieden ist. Sind die Unterschiede zwischen den beiden Seiten dagegen gross, so lässt sich die Methode nicht ‘verwenden, weil man ja gar keinen Anhalt hat, wie viel Glykogen beiderseitig vorher vorhanden war. Versueh VI. Rechter Leberlappen, 14,34 g, enthält nach Durchleitung von 8 Liter Ringer’scher Lösung 1,053 g Zucker = 6,95 °/o Glykogen. Linker Leberlappen, 18,33 g, enthält nach Durchleitung von 8 Liter Ringer’scher Lösung 2,15 g Zucker — 11,0% Glykogen. Unterschied von 36,8 o. Versuch Vl. Rechter Leberlappen, 19 g, durchgeleitet 10 Liter Ringer’ sche Lösung, enthält 1,26 g Zucker — 7,3°/o Glykogen. Linker Leberlappen, 11,6 g, durchgeleitet 10 Liter Ringer ’sche Lösung, enthält 1,189 g Zucker — 9,45 %o Glykogen. Unterschied von 22,7 lo. Versuch VI. Rechter Leberlappen, 23,26 g, durchgeleitet S Liter Ringer’sche Lösung, enthält 2,34 g Zucker —= 9,07 °/o Glykogen. Linker Leberlappen, 16,15 g, durchgeleitet 8 Liter Ringer’sche Lösung, enthält 1,046 g Zucker —= 6.06 °/o Glykogen. Unterschied von 33,1 %o. Wie man sieht, ist der Unterschied im Glykogengehalt der beiden Lappen nach vollständig gleichmässiger Durchleitung (die beiden Lappen wurden aus einer Flasche mit einer Ausflussöffnung gespeist und die Verbindung zu den beiden Lappen durch ein T-Rohr hergestellt) sehr bedeutend, und da der ursprünglich vorhandene Wert nicht bekannt ist, weiss man nicht, wieviel Glykogen aus- gespült worden ist. Dasselbe gilt auch dann, wenn der Durch- spülungsflüssigkeit der einen Seite eine elykogenbildende Substanz zugesetzt worden ist. Der Vergleich mit der anderen Seite ist illusorisch, denn auf beiden Seiten ist Glykogen bei der Durch- spülung hinausgespült worden, aber man weiss nicht, auf welcher Seite mehr oder weniger. Über Glykogenbildung aus Formaldehyd. 433 Diese Art der Methodik ist daher für derartige Vergleichs- versuche nicht verwendbar. Es fallen also für die Entscheidung «der Frage der Glykogen- bildung aus Formaldehyd die Versuche XI—XV bei Schöndorff und Grebe fort. Es bleiben also, da bei den ersten acht Versuchen wegen der Methode der Analyse eine Unsicherheit besteht, drei Versuche als einwandfrei übrig (IX, X, XI), bei denen eine Glykogen- abnahme auf der mit Formaldehyd gespeisten Seite beobachtet wurde. Worauf dieser Gegensatz zwischen meinen früheren Versuchs- ersebnissen und denjenigen von Schöndorff und Grebe besteht, vermag ich nicht zu sagen. Es wäre wünschenswert, wenn die Versuche von anderer Seite wiederholt würden unter genauer Ar- lehnung an meine ursprüngliche Versuchsanordnung. Bei derartigen Untersuchungen ist die erste Bedingung, dass wir über das Verhalten des Glykogens in verschiedenen Leber- abschnitten genau orientiert sind, d. h. sicher sind, dass zwischen den verschiedenen Lappen im Glykogengehalt kein Unterschied be- steht, der mehr beträgt als einige Prozent. Ich fand in einem Versuche den Unterschied zwischen linkem und rechtem Lappen gleich 9%. Nishi!) fand fast die gleiche Differenz, nämlich 9,4%. Sehöndorff und Grebe fanden in sieben Vergleichsversuchen dagegen fast immer grössere Unterschiede, nämlich 13 %o, 15,40, 10,8 %o, 8,8 lo, 32,3 Yo, 8 %o, 14,3 %o. Ich habe in letzter Zeit noch bei vier Tieren die Unterschiede festgestellt und folgende Werte gefunden: I. Rechter Lappen. . . . 7,23 0, linker Lappen 7,39 Jo, Ditierenz von? 2 no: I. linker Lappen * . . . 7,43 %o, rechter Lappen . . . . 6,72%, Ditferenzawont 12.29: 9ao220, I Tinker Tappen2. 727... 6,3 2/0, rechter Lappen . . . . 6,34 lo, Ditierenzevonn 2 2 ...762 %o, 1) Glykogenbildung in der Leber pankreasdiabetischer Schildkröten. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 8.170. 1910. [3 a‘ 434 Karl Grube: Über Glykogenbildung aus Formaldehyd. IV. rechter Lappen . . . . 9,39 o, linker Lappen - . . . 9,08%, Difterenzavone 0.20.20 2055080.%0: Es enthielt also das eine Mal der linke, ein anderes Mal der rechte J,appen die grössere Menge; über 9,5°/o ging der Unterschied überhaupt nicht hinaus, während er bei Schöndorff und Grebe merkwürdigerweise in sieben Lebern fünfmal über 10 %o betrug, ja auf 32,30 anstiee. Fine Sicherheit ist nur durch ganz grosse Reihen von Versuchen zu gewinnen. 455 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena.) Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. X. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Mit 5 Textfiguren.) Welche Zusammensetzung hat das Produkt des Glomerulus? Auf zwei Wegen kann man eine Antwort auf diese Frage zu er- langen suchen; man kann entweder anatomisch oder physiologisch die beiden Abschnitte der Niere trennen, welche an der Harn- bereitung beteiligt sind. Zerlegt man die Niere in Rinde und Mark, so scheidet man damit zwar nicht die Glomeruli von den Harn- kanälchen, aber doch die oberen Abschnitte mit ihrem Inhalte von den unteren. Auf diese Weise fand Grünwald!), dass beim kochsalzarmen und kochsalzreichen Tier die Rinde immer gleich viel Kochsalz enthält, dass also Kochsalz bei kochsalzarmem Harn filtriert und wieder rückresorbiert wird. Für Zucker hat in gleicher Weise Nishi?) nachgewiesen, dass die Rinde immer Zucker enthält, während das Mark davon frei ist; also auch Zucker wird in den oberen Harnwegen abgeschieden und in den tieferen wieder auf- senommen. Nur bei der Diurese durch Phlorhizin fand er auch das Mark zuckerhaltig. Ferner hat Hirokawa°) den osmotischen Druck des Nierenparenchyms bestimmt und gefunden, dass die Rinde immer 1) Grünwald, Beiträge zur Physiologie und Pharmakologie der Niere. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 60 S. 360. 1909. 2) Nishi, Über die Rückresorption des Zuckers in der Niere. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S. 329. 1910. 3) Waichi Hirokawa (Tokio), Über den osmotischen Druck des Nieren- parenchyms. Hofmeister’s Beitr. zur chem. Physiol. Bd. 11 S. 458. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 129. 30 436 Ernst Frey: den gleichen osmotischen Druck aufweist, dass derjenige des Markes dagegen wechselnd ist. Diese Befunde sprechen also dafür, dass in den oberen Harn- wegen eine konstant zusammengesetzte Flüssigkeit sich vorfindet, und dass daselbst Kochsalz und Zucker abgeschieden und später wieder rückresorbiert werden. Bei der physiologischen Prüfung können wir dadurch Aufschluss über die Zusammensetzung der vom Glomerulus gelieferten Flüssig- keit erhalten, dass wir eine Diurese anregen, welche auf vermehrter Tätigkeit im Glomerularapparat der Niere beruht. Dann muss bei dem schnelleren Fliessen des Harnes durch die weiteren Harnwege das Glomerulusprodukt seine ursprüngliche Zusammensetzung besser bewahrt haben als bei geringer Harnmenge, wo die Harnkanälchen diese Flüssigkeit wohl sicher tiefgreifend modifizieren. Es muss also bei diesen Diuresen der definitive Harn dem Glomerulusprodukt in seiner Zusammensetzung näher kommen. Wird nun im Glomerulus ein Blutfiltrat geliefert, so muss bei allen Diuresen, welche auf vermehrter Tätiekeit des Glomerulus beruhen, der Harn blutähnlicher werden. Nach dem Verhalten des Gefässapparates der Niere muss man zwei verschiedene Formen der Diurese annehmen, solche mit Gefäss- erweiterung und solche ohne Volumenszunahme der Niere. Dass bei der Diurese durch Salz oder ein Coffeinpräparat die Niere an Volumen zunimmt, sich also die Gefässe daselbst erweitern, wissen wir aus den Arbeiten von Gottlieb und Magnus!), Löwi?) und Schlayer°®). Man hat dabei gefunden, dass die Erweiterung der Gefässe zwar regelmässig mit Beginn der Diurese einsetzte, dass aber die Vermehrung der Harnmenge nicht immer proportional der Gefässerweiterung verlief, ein Verhalten, das gegen den ursächlichen Zusammenhang sprach. Immerhin ist zu bedenken, dass ein ur- sächlicher Zusammenhang ja nur zwischen der Gefässweite und der Menge des Glomerulusproduktes gefordert wird, nicht der Menge 1) Gottlieb und Magnus, Über Diurese. IV. Mitteilung. Über die Be- ziehungen der Nierenzirkulation zur Diurese. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 45 S. 223. 1901. 2) Löwi, Untersuchungen zur Physiologie und Pharmakologie der Nieren- funktion. III.—V. Mitteilung. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 55 S. 15. 1905. 3) Schlayer und Hedinger, Experimentelle Studien über toxische Nephritis. Deutsches Arch. f. klin, Med. Bd. 90. 1907. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 437 des definitiven Harnes, und dass ein strenges Parallelgehen der Ge- fässweite und des „provisorischen Harnes“ !) nur bei gleicher Blut- zusammensetzung zu erwarten ist. Und endlich ist das Volumen der Niere ja nicht ein genaues Maass für die Blutfülle des Glo- merulus. So fand man, dass das onkometrisch gemessene Volumen der Niere sich manchmal schon wieder verkleinerte, wenn die Diurese noch fortbestand oder sogar noch anstieg, und es schien daher nicht angängig, die Gefässerweiterung als Ursache der Diurese aufzufassen. Da aber Löwi?°) zeigte, dass auch an einer einge- sipsten Niere noch eine Gefässerweiterung möglich ist, muss man derartige quantitative Bedenken fallen lassen; denn man kann sich vorstellen, dass das jeweilige Quantum Harn, welches in der Niere vorhanden ist, sich verkleinert, wenn die Glomerulusgefässe einen srösseren Raum beanspruchen. Die Gefässerweiterung im Glomerulus wird sich auch an der eingegipsten Niere Platz schaffen können, da ja innerhalb der Niere im arteriellen System sicherlich der grösste Druck herrscht. Auch sonst kann durch Hinausdrängen von Harn eine Gefässerweiterung eintreten, ohne dass das Gesamtvolumen der Niere dauernd grösser bleibt. Dann ist nur im ersten Augen- blick ein positiver Onkometerausschlag erforderlich. Bei diesen Einschränkungen kann man sagen, dass das Onkometer, wenn auch kein Maass für die Gefässweite, so doch ein Indikator für das Ver- halten der Gefässe darstellte. Und man kann Diuresen, welche regelmässig mit einer Vergrösserung der Niere einhergehen, mit einer Gefässerweiterung des Glomerulus in Zusammenhang bringen. Ja, man muss sie als bedingt durch diese Gefässerweiterung, als „vaskuläre“ Diuresen auffassen. Denn eine Gefässerweiterung in der Niere führt zu einer Diurese, die ganz analog der Glomerulus- diuresen verläuft. Zertrennt man die Nerven einer Niere, so er- weitern sich in ihr die Gefässe, und es setzt eine einseitige Diurese ein, welche wie die „Salzdiurese* verläuft?). Daraus folgt aber, dass eine Gefässerweiterung die Ursache einer Diurese sein kann. Sodann aber gibt es zwei Fälle, in denen zwar eine Gefäss- 1) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 71. 1906. 2) Löwi, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 53 S. 15. 1905. 3) Frey, Eine Analogie zur Salzdiurese: die Harnvermehrung nach Nerven- durchtrennung. Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 154. 1907. 30 * 438 Ernst Frey: erweiterung, aber keine Diurese eintritt. Schlayer!) sah in ge- wissen Stadien der Urannephritis, dass nach Kochsalzgaben das Volumen der Niere sich noch vergrösserte, dass aber jede Steigerung der Harnabsonderung ausblieb, und Asher?°) konstatierte nach kurz- ddauernder Abklemmung der Nierenarterie das Ausbleiben der Diurese trotz Erweiterung der Nierengefässe. Es kann also keinesfalls die Gefässerweiterung die Folge der Diurese sein, etwa als bessere Durchblutung des stärker arbeitenden Organs aufgefasst werden. Es muss demnach die Gefässwirkung das Primäre sein, die Ursache der Diurese wie bei der Harnvermehrung nach Nervendurchtrennung. Es kann die Diurese als Folge der Gefässerweiterung ausbleiben, wenn die chemische Struktur der Membran gelitten hat — oder durch die Kochsalzinjektion weiter verändert wird —, trotzdem die (sefässwand motorisch noch intakt ist. Jedenfalls geht auch aus den Experimenten der Pathologie hervor, dass die Gefässerweiterung nicht die Folge der Diurese ist. ve: Wir wissen sonach, dass die Injektion von Salz und Coffein primär auf den Gefässapparat der Niere wirkt und dadurch eine Diurese zu Wege bringt, geradeso wie die Durchtrennung der Nierennerven. Wir haben also in der Coffein- und Salzdiurese eine Glomerulusdiurese vor uns. Anders bei der Phlorhizindiurese. Hier kommt nach den Untersuchungen von Schlayer?) die Diurese ohne Gefässerweite- rung zustande. Wir haben es also bei der Phlorhizindiurese mit einem anderen Mechanismus der Harnvermehrung zu tun, wenn wir die Angaben des Onkometers unseren Betrachtungen zugrunde legen. ' Prüft man, wie ich*) das früher getan habe, das Verhalten des 1) Schlayer, Zur Theorie der Harnabsonderung. Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 359. 1907. 2) Asher, Untersuchungen über die physiologische Permeabilität der Zellen. Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S.1. 1905. 3) Schlayer und Hedinger, Experimentelle Studien über toxische Nephritis. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 90 S.1. 1907; und Schlager, Zur Theorie der Harnabsonderung. Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 359. 1907. 4) Frey, Der Mechanismus der Salz- und Wasserdiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 71. 1906. — Frey, Der Mechanismus der Coffeindiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 175. 1906. — Frey, Der Mechanismus der Phlorhizindiurese Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 402. 1906. — Frey, Der Mechanismus der Quecksilberdiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 223. 1906. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 439 osmotischen Druckes des Harnes und des Ureterendruckes bei den verschiedenen Diuresen, so ordnen sich ebenfalls — wie nach dem Onkometerausschlag — die Diuresen in zwei Gruppen, von denen die eine nach dem Modus der „Salzdiurese* verläuft und deren andere die Wasserdiurese und die Phlorhizindiurese um- fasst. Der Harn zeigt dabei ein verschiedenes Verhalten: bei der Salzdiurese wird seine Gefrierpunktserniedrigung geringer, der osmotische Druck des Harnes nähert sich dem des Blutes, um auf der Höhe sehr grosser Salzdiuresen gleich dem des Serums zu werden, während. bei der Wasserdiurese der Harn sehr viel ver- dünnter als das Blut werden kann. Die Gefrierpunktskurve sinkt mit steigender Harnmenge bei. der Salzdiurese nach dem 7 des Blutes, bei der Wasserdiurese und Phlorhizindiurese nach dem A des destillierten Wassers hin. Unter der Voraussetzung der Filtration im Glomerulus wurde damals geschlossen, dass die „Salz- diurese“ auf einer Gefässerweiterung im Glomerulus, die „Wasser- diurese“ auf einer Wassersekretion in den Harnkanälchen beruhe. (Dabei konnte sekundär in einigen Fällen bei der Phlorhizindiurese eine Gefässerweiterung eintreten, was als bessere Durchblutung des arbeitenden Organs sich deuten liess.) Es ergab sich also aus diesen Versuchen, dass hinsichtlieh des Gefrierpunktes der Harn bei der Glomerulusdiurese blutähnlicher wird, bis er auf der Höhe sehr grosser Diuresen, nach dem 7 be- urteilt, ein reines Blutfiltrat ist. Es ist nun unsere Aufgabe, nach- zuweisen, dass auch in chemischer Beziehung bei der „vaskulären“ Diurese gesetzmässig mit steigender Harnmenge der Harn sich der Zusammensetzung des Serums nähert, um auf der Höhe der Diurese ein reines Blutfiltrat zu sein. Daraus würde dann folgen, dass im Glomerulus ein Filtrat des Blutes zur Absonderung kommt. Es muss also bei Glomerulusdiuresen der definitive Harn dem provi- sorischen ähnlicher werden, während bei „tubulären“ Diuresen (Wasser- und Phlorhizindiuresen) der Harn sich anders verhält, nicht mit wachsender Harnmenge dem Serum in seiner Zusammen- setzung zustrebt. Diesen Beweis habe ich!) bei einem Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren erbracht. Es wurden Harn 1) Frey, Die Ursache der Bromretention. Ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therap. Bd.8. 1910. 440 Ernst Frey: und Blutserum hinsichtlich des Gefrierpunktes, des Chlorid- und Bromidgehaltes verglichen, und zwar wurden die Tiere auf der Höhe der Diurese verblutet, so dass am Schluss der Versuche Harn und Blutserum fasst gleichzeitig analysiert werden konnten. Ich habe in je zwei Parallelversuchen am salzarmen und salzreichen Tier diese Werte verfolgt und gefunden, dass bei der Diurese durch Coffein die normalerweise hohe Konzentration im Harn sinkt, die Chloride und Bromide sich von unten oder oben her dem Niveau im Serum nähern, dass also bei der Coffeindiurese der Harn serum- ähnlicher wird. Bei der Salzdiurese durch NaNO, ist der Harn auf der Höhe der Diurese hinsichtlich seines /, seines Brom- und Chlorgehaltes dem Serum gleich, es kommt also ein reines Blut- filtrat zur Absonderung. Bei der Zucker- und Glaubersalzdiurese sinkt die Halogenidkonzentration im Harn etwas unter das Niveau im Serum, ein Verhalten, das uns später noch beschäftigen wird. Beim Anstieg der Salzdiuresen nähert sich von oben oder unten her die Konzentration der Halogene denen im Serum. — Ganz anders ist das Verhalten des Harnes bei der Phlorhizindiurese und der Wasserdiurese. Hierbei sinken beim salzarmen wie beim salzreichen Tier 7, Chlorid- und Bromidgehalt im Harn mit steigender Harn- menge bis auf ganz geringe, weit unter dem Blutserum. gelegene Zahlen ab. Also nur bei der Glomerulusdiurese strebt der Harn in seiner Zusammensetzung mit steigender Menge nach dem Blutserum hin. Damit wäre dann erwiesen, dass im Glomerulus ein Filtrat des Blutserums zur Abscheidung kommt, wenigstens soweit der Gefrierpunkt, der Brom- und Chlorgehalt in Betracht kommt. Ich gebe hier, wo es auf die physiologischen Verhältnisse an- kommt, noch einige Beispiele von Versuchen !), die ohne vorherige Bromgabe gewonnen sind, um die Versuchsverhältnisse nicht un- nötig kompliziert zu gestalten; hauptsächlich deswegen, weil die Konzentration des Chlornatriums im Serum durch die für das Studium der Bromausscheidung unerlässliche vorherige Bromgabe geändert wird. 1. Coffeindiurese. Um die Veränderungen in der Zusammensetzung des Harns im Verlauf von Glomerulusdiuresen darauf zu prüfen, ob der Harn sich 1) Ähnliche Befunde sind natürlich auch in der Literatur schon niedergelegt. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 441 mit zunehmender Menge der Zusammensetzung des Serums nähert, müssen wir von möeclichst verschiedenen Zuständen vor Einleitung der Diurese ausgehen, d. h. wenn wir die Chlorausscheidung studieren wollen, Tiere mit verschiedenem Salzreiehtum untersuchen. Dann müssen sich die Änderungen der Chloridkonzentration am besten auf eine etwaige Gesetzmässigkeit hin prüfen lassen. Be- obachtet man ein Tier mit hohen Kochsalzprozenten im Harn, so werden wir sehen, dass die Chloride nach Coffein fallen. Unter- sucht man kochsalzarme Tiere, die einen geringen Kochsalzgehalt des Harnes haben, so steigen die Prozente der Chloride im Harn nach Coffein. In letzterem Fall könnte man glauben, Coffein reize die Nierenzelle zur Ausscheidung von Kochsalz an, eine Meinung, der gelegentlich schon Ausdruck verliehen ist. Eine scheinbare Stütze dieser Ansicht ist die Tatsache der Zunahme der absoluten Kochsalzwerte, welche nach Coffeininjektion steigen, weil die Zu- nahme der Harnmenge den Abfall der Kochsalzprozente beim salz- reichen Tier kompensiert, beim salzarmen beides, Harnmenge und Kochsalzprozente, in die Höhe gehen. Bei allen Austauscherschei- nungen kommt aber allein die Zusammensetzung der Flüssigkeit in Betracht, und die absoluten Zahlen sind eine Funktion des Prozent- gehaltes und der Flüssigkeitsmenge, Verhältnisse, die ich!) früher beim Studium der Kochsalzausscheidung im Dünndarm besprochen habe. Ausserdem werden wir hier beim Vergleich der Zusammen- setzung des Harnes und Serums natürlich nur die Prozentzahlen be- trachten müssen. Es wird also, um die Änderungen des Chloridgehaltes des Harnes in verschiedenen Richtungen zum Ausdruck zu bringen, zweck- mässig sein, zwischen kochsalzreichen und kochsalzarmen Tieren zu unterscheiden und als Grenze für den Salzreichtum des Harnes den Prozentgehalt des Serums, also 0,6°/o NaCl anzunehmen, um das Annähern der Harnchloride an diese Zahl einmal von oben her, das andere Mal von unten her während der Coffeindiurese zu zeigen. Natürlich ist diese Grenze eine willkürliche, und wir werden häufig Gelegenheit haben, das Überschreiten dieser Grenze „in der Norm“ zu beobachten, eine Tatsache, die später noch gewüruigt werden 1) Frey, Die Kochsalzausscheidung im Dünndarm. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 515. 1908. — Frey, Uber Dünndarmresorption. Biochem. Zeitschr. Bd. 19 S. 509. 1909. ) 442 Bl ' Ernst Frey: soll. Erwähnt mag hier nur werden, dass z. B. ein Tier, welches bei einem spärlichen Harn mit einem / von — 3,0° nur 0,8°/o NaCl entlässt, eigentlich kein salzreiches ist, wie hier angenommen wird, da das stark eingeengte Glomerulusfiltrat durch Rückresorption reichlich Kochsalz verloren hat (siehe unten), also das Tier mit NaCl spart. Aber zur Demonstration der Chloridkurven ist obige Grenze des Salzgehaltes von Vorteil. Um bei Ermittlung der Zahlenwerte jede Willkür auszuschliessen, habe ich an einem festen Schema der Versuchsanordnung festgehalten, welches ich auch früher schon benutzt habe: die rechte Karotis zur Blutdruckmessung verwandt, eine Blasenkanüle angelegt und alle 5 Minuten die Ablesungen vorgenommen, da man bei Variationen der Ablesungszeiten leicht Zufälligkeiten ausgesetzt sein kann. Die Zeiten selbst müssen bei Diureseversuchen möglichst kurz sein. Auf der Höhe der -Diurese wurden die Tiere durch Verbluten aus der Karotis getötet, das Serum spontan absetzen gelassen und wie der Harn auf Chlor analysiert: eingedampft, mit Salpeter und Soda ge- schmolzen, in Salpetersäure gelöst, mit Silber gefällt und das über- sehüssige Silber mit Rhodanammon zurücktitriert. Kochsalzreiches Tier. Coffeindiurese. Versuch I. Kaninchen 3, 1900 g; 3 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere im 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. . Das Tier hat 1 Tag lang Runkeln gefressen (s. Kurve 1 S. 443). en Er n | | a a : = | Bemerkungen . mm Hg ccm | A 0/9 g 86 = a en 2 86 058 86 0 || 82 0,1 84 0,3 80 02 | 82 0,39 | a Dres — 1,809 1,3 0,003575 78 0.15 | 84 0,25 88 0,35 SE 02 86 03% Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 443 ER Rn > Behalin Ten Bemerkungen mm.Hg cemwr | A %o 98 [3,1 06) St er 185° | 1,54 | 0,010256 0.07. vr OULIOLTLEN — 1,45° | 1,836 .0,01058 = 5 ccm SP/oig. Coff. natrio- salieyl. in die V. jugul. or Nun = —.0,90° 0,81 0,0405 Y 0810 0,72 | 0,0216 = ‘| von SoooocoHHooooo = ooo nano on Verblutet. Serum: 41 — 0,58%; NaCl 0,52%0. Dr il % Na ee®@s@4zmmumnounzmnsmuuesusmmeuy Kurve 1. Wir sehen am salzreichen Tier, welches in den drei Normalzahlen des Harnes einen hohen osmotischen Druck und einen hohen Kochsalzgehalt aufweist, nach Coffein die 444 Ernst Frey: Gefrierpunktserniedrigung fallen, aber die des Blutserums noch nicht erreichen, und den Kochsalzgehalt ebenfalls sinken, wenn auch nicht bis auf das Niveau im Serum. Der Harn ist also blut- ähnlicher geworden. Die absoluten Zahlen, d. h. die Gramme Kochsalz, welche eine Niere in 5 Minuten liefert, 0,003, 0,010, sind nach Coffein auf das Vierfache gestiegen. Kochsalzreiches Tier. Coffeindiurese. Versuch 2. Kaninchen 2, 2100 g; 3,5 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harn- menge und Gramm Na0l einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle -5 Minuten. Vor dem Versuch 1 Tag lang als Futter Runkeln. Harn dieses Tages: 270 ccm; A = —(0,10°; NaCl = 0,30%; Blasenharn: 4 = — 1,04°; NaCl = 0,18 %. Blutdruck Harn mm Hg ccm NaCl ai | Bemerkungen 8 Q [0,) SI | su. [a1 = Harn stark getrübt su or su. = = ee) jo ES Eb = rer REN. NA BERZEEEZEBR EEE Qt = so. [0,) [e2) SOOoOoOooOoo>OoO202o0o0o0900o 90920292079 Das euere acoceoogn — 1,76 1,08 0,001 220 | Harn immer noch trübe: [1 Ko, 1 u. Sohrrrrmern So D SOOooooooooooo90ooo0o092 = Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 445 Blutdruck Harn Na0l B k ER Nee emerkungen mm Hg ccm A /o g 88 0,2 — — = > cem 5oiger Coffein natriosalicyl. in die V. bi is Jugul. (Senkung bis 60) 98 18 \ ua se | UDO | ei Sem: A= —(0,59; NaCl = 0, 54% Der erste Teil des Harnes der letzten Portion wurde fortgegossen, um nicht Mengen mitzuanalysieren, welche in den Harnmengen vor der Diurese vor- handen waren. Ganz in demselben Sinne verläuft der zweite Versuch: Während der Coffeindiurese sinkt die Gefrierpunktserniedrigung und der Prozent- gehalt, es steigt die absolute Menge Kochsalz. Beim Fallen der Gesamtkonzentration bleibt der 7 des Harnes noch etwas höher als der des Serums, die Prozente NaCl dagegen sind schon bis auf den Kochsalzgehalt des Serums gesunken. Ich möchte hier auf das Verhalten des Harnes vor dem Versuch aufmerksam machen; erst enthält er 0,30 %/o, dann 0,18 °/o NaCl, also weniger Kochsalz als das Blutserum, schliesslich kurz vor der Coffeingabe 1,08) NaCl, also mehr als das Serum. Es ist also ein Wechsel des „Bedürfnisses“ eingetreten, eine Tatsache, die uns später noch beschäftigen wird. Die hier zur Diskussion stehende Frage der Annäherung der Harnzusammensetzung an die des Serums während der Coffeindiurese wird dadurch nicht berührt. Kochsalzarmes Tier Coffeindiurese. Versuch 3. Kaninchen d, 1500 g; 3 g Urethan, intravenös. Hat seit 3 Tagen Runkeln gefressen. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten (s. Kurve 2 S. 446). NaCl ccm A | % | g Blutdruck Harn mm Hg Bemerkungen 82 —_ — — — Blasenharn: A= —1,40°; NaCl = 0 40 % 5 1 2 2 _1,07° | 032 | 0,001 104 5 | 3 fr 446 . Ernst Frey: Blut- Harn NaCl druck = Bemerkungen mm Hg ccm | | 0/0 g 78 0,4 | 82 0,35 | 79 0,3 78 0,35 | Tecm5 /oig. Coff.natrio- | |- salicyl. in die V. jugul. (Senkung bis 44) 83 3,4 — 0,749 0,32 0,01088 80 66 | —0,64° 0,44 0,02904 so 4,4 —.0,67° 0,48 | 0,02112 | Verblutet. Serum: 47 — ’ — 0,59%; NaCl = 0,60 %/0 7 Na & Kurve 2. Hier sinkt die Gefrierpunktserniedrigung wie beim salzreichen Tier nach Coffein, der Chloridgehalt des Harnes aber steigt: Der Harn wird also auch hier am salzarmen Tier blutähnlicher, wenn er nach Coffein reichlicher fliesst. Das Gemeinsame dieser Versuche ist also das Annähern des Chloridgehaltes des Harnes an den des Serums, das eine Mal von oben her, das andere Mal von unten her, wenn man eine Glomerulusdiurese durch Coffeininjektion anregt. Wie schon oben gesagt, kann aber die willkürlich gezogene Grenze der Benennung salzarm und salzreich unter Umständen während der Beobachtung Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. A447 der Normalwerte überschritten werden. Könnte dies nicht auch einmal nach der Injektion von Coffein eintreten, entweder direkt danach oder später? So ist es in einem Versuch von Löwit), den Höber?) zitiert, vorgekommen, dass der an- fängliche Chloridgehalt des Harnes von 0,47°/o direkt im Anschluss an die Coffein- injektion stieg und sich auf diese Weise dem Chloridgehalt des Serums näherte, dass aber dann eine weitere Steigerung des Chloridgehaltes bis auf 0,710 statt- fand, dass also das Anwachsen der Chloride sich fortsetzte bis über das Niveau im Blute hinaus. Ein ähnlicher Befund ist von Pototzky?°) mitgeteilt worden, Steigerung der Kochsalzprozente von 0,08 auf 0,64°/o, ja aut 0,87°/o nach Diuretin. Auf diese Weise verläuft die Schwankung der Chloridkurve durch Coffein gleichsinnig mit einer grösseren Schwankung des Chloridgehaltes und verliert daher für unsere Frage seine Beweiskraft. Solche Vorkommnisse können sich aber, wie gezeigt, auch ohne Eingriffe ereignen, und ich werde auch im folgenden noch auf ein Überschreiten der 0,6%0 hinweisen. Besonders leicht tritt dies ein, wenn die Zahlen dicht bei dieser Grenze liegen, und ein gelegentliches Anwachsen der Chloride von 0,55 auf 0,65 °0 hat eigentlich nichts Wunderbares. Gelegentlich kann aber auch ein Wechsel in weiteren Grenzen stattfinden. Dass aber Coffein nicht spezifisch kochsalztreibend wirkt, wie man den Löwi’schen Befund deuten könnte, sondern dass es sich nur um ein zufälliges Zusammentreffen der normalen Schwankungen des Kochsalzgehaltes handelt, lehren die folgenden Versuche. Denn es lässt sich zeigen, dass erstens ein solches Schwanken auch in der Norm vor sich geht, und zweitens, dass auch die um- gekehrte Richtung eingeschlagen werden kann, d.h. dass nach Coffein der Koch- salzgehalt später nach Abklingen der Diurese weiterhin sinkt, geradeso, wie er dort weiterhin gestiegen ist. Zunächst ein Versuch, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem zitierten hat. Coffeindiurese bei fraglichem Salzreichtum des Tieres. Veruch 4. Kaninchen &, 1500 g; 2 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Als Futter vor dem Versuch Heu. Harn im Käfig = 1,6% NaCl. Blasenharn: A—= —3,25°%; NaCl = 0,6 %o. 1) Löwi, Arch. f, exper. Path. u. Pharm. Bd. 48 S. 412. 1902. 2) Höber, Koranyi und Richter, Physik. Chemie Bd. 1 S. 39. 3) Pototzky, Beiträge zur Diurese III. Über den Einfluss einiger Diuretika auf die Kochsalzausscheidung, insbesondere beim kochsalzarmen Tiere. Pflüger’s Arch. Bd. 91 S.58%4. Versuch XII. 1902. 448 Ernst Frey: Blutdruck mm Hg ccm | or HET eoc2200022222029000290 oocoooooocooooooHn SH. ER [SS = ST _ 0. (6 DDOyWERHROP COMO cO © 00 ur l so [Si = a 900 oT SOOoS22O02020202020202229902992022020oHHoHHgo Oo er DEDDRSSHH SRH nn ud OT IL OL OT eoooo0000 = 2 Bemerkungen NaCl g "0,5 0,000 15 trüb 3 cem 5 Yoiges Coffein a in die V.jug.(Senkungbis48) ca. 1,0 | 0,005 0,9 0,011 25 klar 1,18 0,010 266 1,6 | 0.004.697 12 | 0,001 950 Verblutet. Serum: A= —0,58°; NaCl = 0,52 %o Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 449 Das Tier hatte im Käfig einen Harn mit 1,6% NaCl; der Blasenharn wies 0,60 NaCl auf, die Chloride waren im Sinken begriffen, und die erste Zahl während des eigentlichen Versuches beträgt 0,50, also wohl etwas weniger als das Chloridgehalt des Serums. Nun stiegen die Chloride wieder kurz vor der Coffeininjektion an; der 1 ccm, der von dem Coffeinharn aus der Blase verdrängt wird, besitzt einen Kochsalzgehalt von 1/0, während der Diurese sinkt er auf 0,9 %o, also nach dem Niveau im Serum hin und steigt nach Abklingen der Diurese wieder an. Wir haben also eine Coffeindiurese am salzreichen Tier vor uns, welche wie die früheren verläuft. Nur vor dem Versuch zeigt die Chloridkurve des Harnes ein Tal, in den aufsteigenden Schenkel fällt die Coffeininjektion, die darin eine schwache Delle bewirkt. Hätte ich den 1 ccm Harn mit dem folgen- den Harn während der Coffeindiurese gemeinsam analysiert, so wäre der vorher unter dem Serum gelegene Chloridwert nach Coffein über den des Serums ge- stiegen, wie es im Löwi’schen Versuch geschah. So aber haben wir den normalen Verlauf einer Coffeindiurse vor uns. Coffeindiurese bei fraglichem Salzreichtum des Tieres. Versuch 5. Kaninchen 2, 1700 g; Äther; hat seit 3 Tagen Heu gefressen. Blasenkanüle., Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 9 Minuten. Harn vorher 0,45% NaCl. Blasenharn: 1 = — 068°; 0,32 0/0 NaCl. Blut- Harn NaCl druck Bemerkungen mm Hg ccm A 0/0 g 110 — — —_ | — 111 0,15 |) | 110 0,05 | 119 0,15 112 025 17 — 0,870 0,5 0,001 785 114 0,4 116 0,6 114 0,9 119 0,75 118 0,4 112 0,3 114 0,25 113 0,25 ° 116 0.15 — 1,24 0,7 0,001 995 112 0,15 110 0,15 112 0,25 112 0,2 — 0,15 _ — = 119 0,1 _ — — 7 ccm 5oiges Coft. natrio-salicyl. in die V. jugul. (Senkung bis 94) 450 Ernst Frey: | r Nacl IF‘ | u 2 = - z _ Bemerkungen mm Hg ccm at 0% g 130 0,6 | } n | Ha 0 ® 0,55 0,001 964 = 106. 0,55 | | 1 0,5 | 112 0,4 en Ss —0,87° | 0,20 0,001 333 91 0.0 90 0,0 Dieser Versuch ist das Gegenbeispiel des vorigen: kurz vor der Injektion ist der Harn etwas reicher an NaCl als das Serum, weist 0,7°o auf, während sonst das Tier vorher sehr wenig Kochsalz mit dem Harn entlässt, 0,45 %, 0,32%o, 0,5%. Nach der geringen Coffeindiurese, während welcher der Kochsalzgehalt 0,55 % beträgt, sinkt er auf 0,20%, d. h. Coffein drückt den Kochsalzgehalt von 0,7°/ auf den des Blutes von 0,550 herab; aber die Chloride fallen später weiter, haben „die Tendenz“ zu fallen. Es kann also von einer kochsalz- treibenden Wirkung des Coffeins in den oben angeführten Versuchen nicht die Rede sein, denn diese fehlt hier. Es handelt sich daher um kurze Schwankungen im 'Chloridgehalt des Harnes bei fraglichem Salzreichtum des Tieres, die auch ohne Coffeininjektion eintreten. Man tut also gut, Tiere mit fraglichem NaCl- Reichtum nicht zu solchen Veruchen zu benützen, will man deutliche Ausschläge erhalten, Ausschläge, die nach dem Abklingen der Coffeindiurese wieder zurück-, aber nicht weitergehen, und die sich grösser, nicht kleiner erweisen als die normalen Schwankungen. Ausnahmen von der Regel stellen natürlich diese Befunde nicht vor, was besonders zu betonen ist. Immer wurde der Harn während der Coffeindiurese blutähnlicher, also die Gesetzmässigkeit zeigte sich auch hier. Aber solche Ver- suche sind keine überzeugenden Beweise für die Regel, da die Änderung des Chloridgehaltes nach Coffein gleichsinnig mit einer grösseren normalen Schwan- kung verlaufen kann. Auch die folgenden Versuche enthalten noch eine Reihe von Coffeindiuresen, an denen man die hier beschriebenen Gesetzmässig- keiten sehen kann. Während der Coffeindiurese wird also der Harn in seiner Zusammensetzung serumähnlicher, wie hier an der Gesamt- konzentration und dem Chloridgehalt gezeigt wurde. Dabei zeigen am salzarmen und salzreichen Tier die Kurven ein ver- schiedenes Verhalten; die Chloride nähern sich von unten oder oben her dem Niveau im Serum. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 451 2. Salzdiurese. Salzdiurese am salzreichen Tier. Versuch 6. Kaninchen &, 1750 g, hat seit 3 Tagen Runkeln gefressen. Äthernarkose, Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ab- lesungen alle 5 Minuten. Blasenharn: 7 = —0,69°; NaCl = 0,22 90. (Kurve 3.) Blut Harn NaCl druck Bemerkungen mm Hg ccm A 0/0 | g w | | 68 0,45 64 0,15 66 0,15 66 0,15 64 DES = 51K98072 1551800 0,0035 64 0,3 64 0,65 68 0,6 66 0,6 66 0,5 ) 68 0,45 64 0,45 64 0,25 66 0,25 re 1,69° 1,28 0,00448 62 0,25 64 0,25 64 0,3 64 0,5 60 7,9 — 0,70° 0,58 0,04582 | Einlauf von 260 ccm ea 0 } | 1,42%/0 NaNO,(4— i — (0,57 0,4 \ 0,65) in die V. 22') — 0,56 0,37 f 0,1461 | Jug.; Dauer 10 Min. 60 L — 0,56° 0,34 |) ) Verblutet. — 0,56° 0,34 — Harn während der Verblutung. Serum (erste Portion): 1 — — 0,565°; NaCl = 0,34 7 Die zweite Form der Glomerulusdiurese ist die Salzdiurese. Während aber bei der Coffeindiurese nur von einer Annäherung der Zusammensetzung des Harnes an die des Serums gesprochen werden kann, lässt sich die Salzdiurese leicht auf die Höhe treiben, dass ein reines Blutfiltrat zur Abscheidung kommt, wie ich?) bei der Untersuchung der Bromausscheidung gezeigt habe. Ich gebe hier nur noch einige anschauliche Kurven, die das Gleichwerden der 1) In 5 Minuten, die einzelnen Portionen & 11 ccm wurden getrennt analysiert. 2) Frey, Die Ursache der Bromretention, ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f. exper. Path, u. Pharm. Bd. 8. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. sl 452 Ernst Frey: Chloride und des Gefrierpunktes im Harn und im Serum auf der Höhe der Salzdiurese unter wechselnden Bedingungen veranschaulichen. Am Schluss des Versuches 6 sehen wir, dass durch den Einlauf einer isotonischen Lösung von NaNO, der Kochsalzgehalt des Blut- h I} . ® ” 2 ® N % : 1} ® 8 | D 7] @ ° Kurve 3. serums bis auf 0,34 °/o gesunken ist. Auf der Höhe der Diurese ist der Harn ein reines Blutfiltrat hinsichtlich seiner Gesamtkonzentration und seines Kochsalzgehaltes, wie die gleichzeitige Analyse des Serums lehrt. Vorher lag der NaCi-Gehalt des Harnes bei 1,0 °o bis 1,28 °/o. Dieser hohe Gehalt sank während der Diurese ab bis auf das Niveau im Serum. Bei der Coffeindiurese fand auch ein Sinken des Chloridgehaltes des kochsalzreichen Harnes statt, aber es wurde das Stadium der Gleichheit der Konzentration mit dem Serum nicht Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 453 erreicht; der Harn wurde nur blutähnlicher. Die Diurese nach Coffein ist nieht so gross wie hier die Salzdiurese, nicht so gross, dass die modifizierende Tätigkeit des zweiten Abschnittes des Ab- sonderungsorganes gänzlich in den Hintergrund treten muss. Die Salzdiurese dagegen kann man leicht so gross machen, dass ein reines Blutfiltrat abgesondert wird. Dabei macht der Harn auf der Höhe der Diurese die Schwankungen der Blutzusammensetzung passiv mit. Hier betreffen diese Schwankungen den Kochsalzgehalt des Serums, der während des Einlaufes abnimmt. Früher habe ich!) ge- zeigt, dass auch die Änderungen der Gesamtkonzentration des Blutes beim Einlauf einer 10 /oigen Kochsalzlösung (S. 99) sich im Harn widerspiegeln: während des Einlaufes stieg die Gesamt- konzentration des Harnes — nachdem sie anfangs gesunken war — geradlinig an, wie die sieben Gefrierpunktsbestimmungen im Harn lehren. Verlängert man diese Grade rückwärts, so trifft sie das Niveau der normalen Gefrierpunktserniedrigung des Blutes in dem Moment, in welchem der Einlauf begann, also das Blut konzentrierter wurde. In einem zweiten Versuch (S. 111), in dem eine 3/oige NaCl-Lösung einfloss, stieg die Gesamtkonzentration nach anfäng- lichem Sinken bei fortbestehender mächtiger Diurese in vier Gefrier- punkten geradlinig an, bis zur Konzentration des Blutserums. Es ist also auf der Höhe der Salzdiurese der Harn ein reines Blutfiltrat, auch wenn sich inzwischen die Zusammensetzung des Blutes ändert, ändert sich in gleicher Weise die des Harnes. Kochsalzarmes Tier. Salzdiurese. Versuch 7. Kaninchen 8, 1450 g; seit 3 Tagen als Futter Gras. Während der Operation Äthernarkose. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. (Kurve 4.) Nacl- 0/0 g Blutdruck Harn mm Hg cem A Bemerkungen ‚100 Rn Ze 1) Frey, Was gibt: bei gleichzeitiger Salz- und Wasserzufuhr den Reiz zur Diurese ab? Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 93. 1907. 3l* 454 Ernst Frey: NaCl Blutdruck an Bemerkungen mm Hs ccm A %/o g 92. 0,05 711240 | 0,20 0,000 24 99 0,1 95 0,1 | 96 0.05 | 96 0,15 96 02 |) 94 0,15 — — — 100 0,2 — = He 52 } 086° | 044 | o,ooss 11 : 0,63% | 044 \ | 200 ccm 1,42 % ige 100. |.200 N ee N | (mo 0 599) | — De | [ in die veas jugularis; : A — 0,59 0,3 Dauer 2 inuten 21,6 l 0,580 0,38 | 0,08260 102 — 0,59 0,34 Verblutet. —(, ‚620 0,34 — Harn während der Ver- ; blutung. Serum: 4= -0,61°, NaC1—=0,34°/o, Lo Na tl „X Kurve 4. 1) In 5 Minuten; die einzelnen Portionen wurden getrennt analysiert. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 455 Die Salzdiurese verläuft am kochsalzarmen Tier ähnlich wie die Coffeindiurese, d. h. es sinkt die Gefrierpunktserniedrigung, und es steigen die Kochsalzprozente an, von 0,20 %/o auf 0,44 °/o. Während des weiteren Einlaufes aber sinken sie wieder, weil inzwischen das Serum seinen Kochsalzgehalt verändert hat; er ist durch den koch- salzfreien Einlauf bis auf 0,34 %0 gesunken, wie die Analyse des Serums am Schluss des Versuches lehrt. Zu dieser Zeit ist der Harn ein reines Blutfiltrat, er enthält ebensoviel Chlor als das Serum, und auch der Gefrierpunkt, der zwischen — 0,59 ° und 0,62° während der Blutentnahme sich bewegte, ist gleich dem Gefrierpunkt des Serums von — 0,61° geworden. An letzterem Befunde sieht man zugleich, wie schnell sich kleine Schwan- kungen im Serum während eines Einlaufes oder gar während der Verblutung voll- ziehen: der Harn lehrt uns, dass der Gefrierpunkt des Serums — 0,58° C. war und am Ende des Versuches bis auf — 0,61° C. sank, trotzdem der Einlauf einen 4 von 0,59° hatte. Es werden also gelegentlich, wenn man nicht in ganz kurzen Intervallen analysiert, kleine Abweichungen der !Blut- und Harnwerte vorkommen können. Wäre z. B. der Harn während der Verblutung nicht mehr analysiert worden, so könnte jemand, der auf kleine Differenzen Wert legt, zu dem Schluss kommen, der Gefrierpunkt des Harnes steige während der Salzdiurese über den A des Blutes, was der Wahrheit nicht entspricht, wie dieser Versuch lehrt. Solche kleine Schwankungen sind nach meinen Erfahrungen nicht durch Analysen- fehler usw. vorgetäuscht, sondern haben sich in den unvermeidiichen Zeiten tat- sächlich vollzogen, welche die einzelnen Vornahmen nun einmal erfordern. Be- sonders wird dies, wie wir sehen werden, der Fall sein, wenn wir die NaCi-Aus- scheidung nach einem Einlauf von Kochsalzlösung verfolgen; dabei verschiebt sich der Kochsalzgehalt des Serums immerfort, und wir erhalten bei der Ver- blutung nicht gerade das dem kurz zuvor geflossenen Harn entsprechende Serum. Kommt nun zu einem Kochsalzeinlauf noch eine Entziehung von Blut dazu, wie in den Versuchen Michaud’s!), so sind kleine Differenzen zwischen dem Koch- salzgehalt des Harnes vor oder hinter der Blutentnahme und dem Serum un- vermeidlich; letzteres ändert tatsächlich seine Zusammensetzung in kurzer Zeit. Auf der Höhe der Salzdiurese sind diese Abweichungen erkennbar, da der Harn dann dieselbe Zusammensetzung hat wie das Serum, aber man muss annehmen, dass auch ohne Bestehen einer Salzdiurese solche Schwankungen im Serum nach den oben genannten Eingriffen vorkommen, so dass es nicht angängig ist, aus kleinen Unstimmigkeiten zwischen Harn- und Blutbefund Schlüsse zu ziehen, wenn man die Blutzusammensetzung alteriert. Ferner kann ich auf meine Ver- suche über die Brom- und Chlorausscheidung hinweisen (S. 54). Nach der In- jektion von Bromnatriumlösung in die Vene findet ein Austritt von Chlor aus der Blutbahn statt: noch nach 13/ Stunden nach der Injektion von 30 ccm 1) Michaud, Über das Scheidevermögen der Niere bei Blutentzug und über die Wirkungsweise der Diuretika. Zeitschr. f. Biol. Bd. 46 S. 198. 1904. 456 Ernst Frey: 90°/oiger NaBr-Lösung in die Vene verschiebt sich das gegenseitige Verhältnis von NaBr zu NaCl so, dass jetzt von 5 zu 5 Minuten erst mehr Cl als Br im vorletzten Harn (und also auch im Serum), dann im letzten Harn gleich viel Br _ von Cl und im Serum kurz, d. h. 1—1'/s Minute darauf, schon mehr Br als Cl vorhanden ist. Man muss also, wenn man den Gefrierpunkt des Harnes von — 1,12% C. auf — 0,59° steigen sieht und den des Serums als — 0,61° C. ermittelt, sagen, der Gefrierpunkt des Harnes ist innerhalb der Fehlergrenzen dem des Serums gleich geworden, nicht aber, dass der Gefrierpunkt des Harnes über den des Serums gestiegen ist. Dass in diesem letzten Versuch tatsächlich Gleichheit des Gefrierpunktes von Harn und Blut eingetreten ist, hat sich durch Analyse des Harnes während der Verblutung erweisen lassen, da der Gefrierpunkt dieser letzten Harnportion während der Verblutung (von 0,59° C. kommend) sich auf — 0,62 ° C. einstellte. Interessant ist das Verhalten der Kochsalzkurve hier beim salz- armen Tier: erst ihr Ansteigen nach dem normalen Kochsalzgehalt des Serums hin, sobald die Diurese einsetzt, dann wieder Absinken wegen der Abnahme des Chlorgehaltes im Serum durch die in- zwischen eingeschlossenen Flüssigkeitsmengen, und zwar Absinken entsprechend dieser Konzentrationsabnahme der Chloride im Serum; dann am Schluss hat sich der Kochsalzgehalt des Harnes auf den des Serums eingestellt. Diesen Berg der Kurve des Chloridgehaltes bei der Diurese durch einen Salzeinlauf findet man auch wieder, wenn man am salzarmen Tier die Chlor- und Bromausscheidung gleichzeitig verfolgt: der NaBr-Gehalt stieg in einem solchen Ver- such von 0,10 °o auf 0,11 °o, um darauf bis 0,08 %o zu fallen (Serum — 0,08% NaBr), der NaCl-Gehalt zeigt Werte von 0,14 °%0, dann 0,23 %%, schliesslich 0,13 0% (Serum = 0,13 %% NaC]). Wasserreiches Tier. Salzdiurese. Versuch S. Kaninchen &, 1550 g; hat seit 3 Tagen Runkeln gefressen. 3 g Urethan intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge einer Niere und Gramm. NaCl einer Niere in 5 Min. Ablesungen aller 5 Min. (Kurve 8.) Blut- NaCl. . Alidk 2 Harn Bemerkungen ccm A 0/0 g UMS — © [0} | | en or = or sn vomDur wm | 1 —0,56° | 0,10 0,00033 ) 00 00.00 0 00 eoo0o0000 Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 457 irugl an LEN N Bemerkungen mm Hs | cem Ad 0/0 g 84 0,65 ] 82 0,65 84 0,7 1 — 0,470 0,10 0,000 64 82 0,65 86 0,59 ) 82 0,7 82 as 84 5) {1 n « 85 0,4 — 0,46 0,06 0,000 30 & 0,45 83 0,4 92 5,85 — 0,54 0,26 0,015 21 Einlauf von 1,42% 99 32 — 0,59 0,22 0,007 04 NaN0;, (4 = -0,63°) in die Vena jugularis 300 ccm. 100 0,6 _ 0,20 0,001 2 Tod an Lungenödem. Blut 12 cem aus der Karotis. Serum: A= — 0,59, NaC = 0,20%. LT} eompus»pwm vmppn moaebum Kurve 5. Wenn wir aus dem verschiedenen Verlauf der Kurven Schlüsse ziehen wollen, wird es zweckmässig sein, von möglichst verschiedenen Zuständen „in der Norm“ auszugehen. Bis jetzt hatten die Tiere vorher einen bald kochsalzreichen, bald kochsalzarmen, aber doch immer einen „normalen“ Harn in dem Sinne, dass er eine höhere Gesamtkonzentration aufwies als das Serum, also reich an Aus- scheidungsstoffen organischer Natur und anorganischer Schlacken war. Dabei nahm also immer mit zunehmender Harnmense die Gesamt- 458 Ernst Frey: konzentration ab, während die Chloride bald von oben her, bald von unten her sich auf das Niveau im Serum einstellten. Ich füge hier einen Versuch an, welcher an einem Tier angestellt wurde, dessen Harn sehr verdünnt war, das sich in einem Zustande der Wasserdiurese befand, und zwar, ohne willkür- liche Eingabe, durch den Genuss von Runkeln. Die Gefrierpunkts- erniedrigung des Harnes lag hier unter der des Serums, der Koch- salzgehalt gleichfalls tiefer: Bei Einleitung einer Glomerulus- diurese muss also hier einmal der Gefrierpunkt des Harnes sinken, der Harn muss konzentrierter werden, da er blut- ähnlicher wird, während er sonst in allen Fällen verdünnter wurde, wenn er reichlicher floss. Gleichzeitig hebt sich die Kurve der Chloride, um später wieder zu sinken, wie bei der Salzdiurese am salzarmen Tier. Auf der Höhe der Diurese ist der Harn wieder ein reines Blutfiltrat. Dieses Stadium der Diurese wurde gerade noch vor dem spontanen Tode des Tieres erreicht. Salzdiurese bei einem Tier mit fraglichem Kochsalz- reichtum. Versuch 9. Kaninchen &, 1150 g; hat seit 4 Tagen Gras gefressen. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle Er Ua 5 Minuten. Ather. Blasenharn: 17 = — 1,74°; NaCl = 0,01 %o. Blut- Harn N druck an Bemerkungen mm Hg ccm A 0/0 g 76 — — — — 72 0,05 | 78 0,1 72 0,1 78 0,15 74 0,1 76 0,1 73 0,1 74 0,15 70 0,1 62 0,15 70 0,05 12 0,1 69 0,1 — 2,309 0,86 0,000774 68 0,05 68 0,1 69 0,1 0,1 0,0 0,0 Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 459 Bemerkungen S B Blutdruck Harn NaCl | g A | % Ka 0,50 0,000 30 mm Hg | SS [rt Er Er -] for) SoOooooo9oo_o9 Se > OTTO or OUOTOT = er “| sn ge- ronnen 100 101 100 100 102 102 94 94 94 OIUIITITO OUTDOOR or or Er SOosSsrmmMTmMTomMmomoooooocecohmoooon=-o — 15V 0,45 0,006 187 210 ccm 1,42°/0 NaNO, au ° (1 = -0,65°) in die RR a 0 0,015 98 V. jugularis; Dauer 11.651 I ) 5X 20 Minuten. ‚65% — (0,59 0,28 0,032 62 — 0,59 0,28 Verblutet. Serum (erste Portion): A—= —0,59°, NaCl = 0,28 Yo. R & 00 PDOOooooooooocooo oo ocooo oo oo oo 9 90909 94 Auch in diesem Versuch sehen wir die Chloridausscheidung erheblich wechseln; der Blasenharn weist bei einem 7 von —1,74° nur Spuren von Kochsalz auf, der erste Normalharn bei einem .17 — 2,30° 0,86 %/o; es ist also auch hier noch reichlich NaCl aus dem Glomerulusfiltrat zurückresorbiert worden, aber die Chloridkonzentration liegt doch noch etwas höher als die des Serums. Ebenso ist es bei dem zweiten Normalharn, dessen Konzentration an Kochsalz wieder etwas unterhalb der des Serums liegt. Wegen dieses geringen Unter- schiedes im Chloridgehalt des Harnes und Blutes fällt hier auch das anfängliche 1) In.5 Minuten; die einzelnen Portionen wurden einzeln analysiert. 460 Ernst Frey: Steigen der Kochsalzprozente im Harn durch die Salzdiurese weg, das wir bisher in den Versuchen am salzarmen Tier beobachteten. Die Verwässerung des Blutes einerseits überwiegt, und die anfänglich noch bestehende Rückresorption hindert andererseits trotz Einsetzens einer Salzdiurese das Steigen der Chloride. Auf der Höhe der Diurese ist der Harn natürlich wieder ein reines Blutfiltrat. Wenn durch eine Bromnatriumgabe das Serum des Tieres Brom- natrium in reicher Menge enthält, so wissen wir, dass es an Koch- salz dafür ärmer geworden ist. Studiert man nun in ganz gleicher Weise wie hier die Kochsalzausscheidung die Elimination von Bromid und: Chlorid gleichzeitig, so ergibt sich, dass diese beiden Halogene ganz gleichmässig ausgeschieden werden, dass Bromid ansteigt, wenn Chlorid ansteigt und umgekehrt. Das gegenseitige Verhältnis von Chlor zu Brom im Harn entsprieht dabei unter wechselnden Be- dingungen dem im Serum; und es lässt sich auf diese Weise auch für die Bromkonzentration nachweisen, dass der Harn bei der Coffeindiurese sich .der Zusammensetzung des Serums nähert, bei der Salzıdiurese dieselbe erreicht, so dass also auf der Höhe der Glomerulusdiurese der Harn hinsichtlich seines Chlorgehaltes wie seines Bromgehaltes wie seiner Gesamtkonzentration dem Serum gleich ist. Auch diese Befunde wurden in Parallelversuchen am salz- reichen und salzarmen Tier erhoben. ; Damit erledigt sich zugleich die Frage, ob diese Befunde nur für Kochsalz und die Gesamtkonzentration gelten, oder ob alle im Serum frei gelösten Bestandteile auf der Höhe der Salzdiurese in gleicher Konzentration im Harn wie im Serum vorhanden sind. Da man natürlich nicht alle Harnbestandteile — vorausgesetzt, dass wir sie kennen und quantitativ ermitteln können — in einer Harn- portion gleichzeitig analysieren kann, so stellen meine obenerwähnten Bromversuche gewissermaassen eine „experimentelle“ Prüfung dieser Frage dar. Werden alle kristalloid gelösten Serumbestandteile filtriert, so muss es auch ein körperfremder Stoff werden, der nach unserer Kenntnis freigelöst im Blutserum zirkuliert, das Brom- natrium. Wenn somit erwiesen ist, dass auf der Höhe der Salz- diurese gleichzeitig Brom und Chlor und die Summe des Restes der gelösten Bestandteile des Serums (7) filtriert wird, und wenn ausser- dem durch Nishi!) nachgewiesen ist, dass der Blutzucker im 1) Nishi, Über die Rückresorption des Zuckers in der Niere. Arch. £. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S. 329. 1910. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 461 Glomerulus durchtritt, so bleibt wohl kaum ein anderer Schluss übrig als der: im Glomerulus findet eine Filtration statt. Wir können also mit der angewandten Methode die Zusammen- setzung des Glomerulusproduktes bestimmen, indem wir eine Glome- rulusdiurese anregen. Die Änderung in der Harnzusammensetzung ist konstant; in allen Versuchen ist bei der Coffeindiurese der Harn blutähnlicher geworden, bei der Salzdiurese ist der Harn ein reines Filtrat des Blutserums geworden. Dabei ist die Zusammensetzung des Harnes vor der Diurese gleichgültig; bestimmt man den Chlorid- gehalt des Harnes, so ist es gleichgültig, ob vor der Diurese der Chloridgehalt des Harnes unter dem des Serums liegt oder über ihm, ob der Gefrierpunkt des Harnes höher oder tiefer liegt als der des Serums. Der Verlauf der Glomerulusdiuresen bei verschiedenen Tieren lehrt uns, dass es sich bei diesen „Salzdiuresen“, wie ich sie früher nannte, um ein Blutähnlicherwerden des Harnes handelt; das Gemeinsame an diesen Versuchen ist nicht das Dünnerwerden des Harnes, nicht das Steigen oder Fallen der Chloride, sondern die Absonderung eines Blutfiltrates auf dem Gipfel der Diurese. Ob von unten oder von oben her ohne Rücksicht auf den Salz- und Wasserbestand des Körpers streben mit zunehmender Diurese die Chloride und der Ge- frierpunkt nach dem Niveau im Serum hin. Es kommt ja überhaupt beim Zustandekommen der Glomerulusdiurese!) nicht auf den Wasserbestand des Körpers an, nicht darauf, ob vor- her der Harn konzentriert und spärlich war und das durstige Tier durch Injektion einer 10°/oigen NaCl-Lösung einen weiteren Mangel an Wasser erfährt, oder ob ein Tler mit verdünntem Harn einen Einlauf grosser Mengen von einer 0,9 °/oigen, ja einer schwach hyper- tonischen Kochsalzlösung erhält: immer reagiert die Niere in ganz gleicher Weise auf diese Eingriffe: sie sondert ein Filtrat des Blutes ab. Das sonst so fein reacierende Organ, das den Wasserbestand, den Salzbestand des Körpers reguliert, verliert diese Fähigkeit, filtriert grosse Flüssigkeitsmengen aus dem Serum ab. Und auch bei der Injektion von Coffein zeigt sich derselbe Erfolg. Dies weist eben darauf hin, dass-der Angriffspunkt dieser Diuretica nieht die spezifische Zelle der Niere ist, sondern in einer Reaktion l) Frey, Was gibt bei gleichzeitiger Salz- und Wasserzufuhr. den Reiz zur Diurese ab? Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 3. 1907. 462 Ernst Frey: der Glomerulusgefässe mit immer gleich bleibendem Erfolg besteht, einer Gefässerweiterung mit gesteigerter Filtration. Während wir aber für gewöhnlich die Niere den Wasserhaus- halt mit dem Mechanismus der Filtration und Rückresorption regu- lieren sehen, so verliert unter dem Einfluss der hier erwähnten Diuretica die*Niere ihr Vermögen zur Regulation, weil sie eine Glomerulusdiurese anregen. Es wird also unter solchen Umständen die Niere nicht imstande sein, eine ausreichende Reeulation des Verhältnisses von Wasser und gelöstem Stoff im Serum zu garantieren; die dauernde Zufuhr hypertonischer Flüssigkeit als Trinkwasser ist mit dem Leben unvereinbar, trotzdem die Niere sehr wohl im ein- zelnen gelegentlich bei weitem stärkere Konzentrationen herstellen kann, als das hypertonische Trinkwasser repräsentiert. Aber die Niere scheint eine solche Regulation deswegen nicht zustande zu bringen, weil jedes Anwachsen der Salzkonzentration im Serum zu einer Gefässerweiterung mit gesteigerter Filtration führt. Freilich erhält man deutliche Salzdiuresen nur durch intravenöse Injektion von viel Salz, weil wegen der Resorptionsverhältnisse grosse Mengen hypertonischer Lösungen ja nicht ins Serum kommen. So lässt sich z. B. durch einmaliges Trinken einer hypertonischen Salzlösung zwar Durchfall, aber keine Diurese erzeugen. Fbensowenig gelingt es durch Einnahme von Diuretin bei gleichzeitiger Wasserentziehung am Gesunden eine Glomerulusdiurese zu erzielen. Reicht man gleichzeitig Wasser, so resultiert eine fast reine Wasserdiurese, aber keine Glomerulusdiurese. Es macht den Eindruck, als lasse sich eine Glomerulusdiurese nur durch mehr oder minder künstliche Ein- griffe erzielen, stelle aber nicht etwa die für gewöhnlich einsetzende Diurese dar. Dies ist vielleicht einiger Worte wert, da im Tier- experiment die Glomerulusdiurese hauptsächlich zum Studium der Diurese schlechtweg benutzt worden ist, und am gesunden Menschen fast nur tubuläre Wasserdiuresen !) zur Beobachtung kommen. Denn gegenüber der hier hervorgehobenen Unzweckmässiekeit der Reaktion auf die Überschwemmung mit festem Stoff durch Ab- sondern eines Serumfiltrates sehen wir eine prompt und sicher — auch auf die Dauer — funktionierende Regulation einsetzen, wenn wir den Körper mit Lösungsmitteln überschwemmen: die Niere 1) Frey, Der Mechanismus der Salz- und Wasserdiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 112 S.71. 1906. Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. 463 bewältigt auch die Zufuhr grosser Wassermensen durch Absondern eines sehr dünnen Harnes. Aber diese Reaktion stellt keine Glomerulus- diurese dar. - Andererseits sehen wir aber auch die Zufuhr grosser Wassermengen subjektiv nicht empfunden werden, während ein Mangel an Wasser sofort als Durstgefühl sich bemerkbar macht. Der Körper reguliert also den Überschuss an Wasser ohne subjektive Empfindung allein durch die Tätig- keit der Niere, welche Wasser ohne festen Stoff ent- lassen kann, — er reguliert aber den Überschuss an festem Stoff durch Wasseraufnahme auf dem Umwes der subjektiven Empfindung des Durstes und über- lässt diese Regulation keineswegs der Niere allein, welehe durch Anwachsen eines Stoffes im Serum ihr Vermögen- zur Konzentrierung des Harnes verliert und ein Filtrat des Serums absondert. Und gerade eine solche Konzentrierung wäre doch die zweckmässigste Reaktion auf einen Eingriff wie die intravenöse Injektion konzentrierter Salzlösung. Freilich sehen wir, dass mit dem Einsetzen der Glomerulusdiurese absolut mehr Salz ausgeführt wird, als in derselben Zeit sonst zur Abscheidung käme (z. B. Kochsalz, aber auch sezernierte Salze, wie NaJ s. sp.), dass also die Niere in chemischem Sinne zweckmässig, in physikalischem, mit Rücksicht auf den Wasserbestand, unzweck- mässie reagiert. Letzterer wird eben durch Wasseraufnahme wieder in Ordnung gebracht. Die Regulation der Niere selbst scheint für sewöhnlich auszureichen, nur bei grösseren Eingriffen, wie wir sie im Tierexperiment nach intravenöseu Injektionen oder der dauernden Zufuhr hypertonischer Lösungen vor uns haben, versagt sie. . Und so versagt sie in der Pathologie auch beim Diabetes. Warum stellt die Niere nicht einen an Zucker sehr konzentrierten Harn dar, da sie doch die Fähigkeit besitzt, Wasser zurückzuhalten und hohe Konzentrationen an festem Stoff und auch an Zucker im Harn herzustellen? Warum kommt es zu Polyurie und Durst? Weil der im Serum gelöste Zucker zu einer Glomerulusdiurese führt, und weil bei der Glomerulusdiurese der Harn die Konzentration des Serums besitzt, wenn die Diurese gross ist. Die filtrierende Tätigkeit der Niere, die wir hier beobachtet haben, geht nach onkometrischen Messungen mit einer Gefäss- erweiterung Hand in Hand, und daher muss man sie in den Glomerularapparat der Niere verlegen und nicht als gesteigerte 464 Ernst Frey: Das Glomerulusprodukt ist ein Blutfiltrat. Tätigkeit der Epithelien ansehen. Diuresen, welche nach Schlayer!) tubulärer Art sind, wie die Phlorhizindiurese, dokumentieren sich nicht als gesteigerte Filtration, sondern müssen schon nach dem Verhalten des Gefrierpunktes und des Ureterendruckes?), sodann auch nach dem Verhalten der Halogene?) von den hier behandelten Glomerulusdiuresen abgesondert werden: die Phlorhizin- und Wasserdiurese liefert einen stark verdünnten Harn, der mit zu- ‚ nehmender Diurese nach dem Extrem des destillierten Wassers hin- strebt; der Halogengehalt sinkt dabei stark am salzreichen wie salz- armen Tier, weit unter den Kochsalzgehalt im Serum. Also wir kennen auch Diuresen, wo nicht mit zunehmender Harnmenge der Harn blutähnlicher wird, wie hier bei den Glomerulusdiuresen. Das ist zu wissen wichtig, sonst könnte man glauben, dass die Niere gezwungen wäre, immer, wenn sie viel Harn absondert, diesen blut- ähnlich abzusondern. Also nicht die Tätigkeit der Niere im ganzen - verläuft in dieser Weise, sondern nur die Tätigkeit der Glomeruli. Daraus folet aber zwingend, dass im Glomerulus ein Filtrat des Blutserums zur Absonderung kommt. .Ja selbst, wenn wir die Ausschläge des Onkometers und das anatomische Bild der Niere gar nicht kennen würden, müssten wir aus dem Verhalten des Harnes allein schliessen, dass es zwei verschiedene Arten der Diurese gibt, einmal eine Diurese, bei der ein Blutfiltrat zur Absonderung kommt, und das andere Mal eine Diurese mit Ab- sonderung eines Harnes, der nur Spuren gelösten Stoffes enthält. l) Schlayer und Hedinger, Experimentelle Untersuchungen über toxische Nephritis. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 90 S. 1. 1907. 2) Frey, Der Mechanismus der Salz- und Wasserdiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 71. 1906. — Frey, Der Mechanismus der Phlorhizindiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 405. 1906. | | 3) Frey, Die Ursache der Bromretention. Ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd.8. 1910. 465 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena.) Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen, der Gesamtkonzentration entsprechend. Bin Beitrag zur Eehre von der osmotischen Arbeit der Niere, XI. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. (Mit 11 Textfiguren.) Nachdem wir auf diese Weise gesehen haben, dass das Glome- rulusprodukt ein Filtrat des Serums darstellt, erhebt sich die Frage, wie gross diese Abscheidung im Glomerulus ist, welchen Anteil die Filtration an der Harnbereitung hat. Denn je nachdem wir uns die verschiedenen Stoffe im Harn auf dem Wege der Filtration oder Sekretion ausgeschieden denken, desto grösser oder geringer müssen wir uns die Menge Filtrat vorstellen. Aber nach welchem Stoffe richtet sich die Grösse der Filtration und Rückresorption? Da der Harn nicht einfach ein eingedicktes Blutserum ist, d. h. da das gegenseitige Verhältnis der gelösten Stoffe nicht das gleiche im Harn ist wie im Serum, so ergeben sich natürlich verschiedene Zahlen bei der Berechnung, wieviel Glomerulusfiltrat nötig ist, ‘um den Chlorid- gehalt, den Harnstoffgehalt, den Phosphatgehalt im Harn durch Wasserverlust, durch Rückresorption herzustellen. Die gesamte Harnbereitung durch Filtration und Rückresorption von Wasser zu erklären, also die Anreicherung aller Stoffe im Harn dem Serum gegenüber, ist deswegen unmöglich, weil schon für einige Substanzen, wie Harnstoff und Harnsäure, die Flüssigkeitsmengen sehr grosse sein müssten, die filtriert und rückresorbiert werden würden, und endlich ein Stoff im Harn und Blut gefunden werden könnte, der die zu seiner. Konzentrierung im Harn. notwendigen Wassermassen ins un- 466 Ernst Frey: gemessene steigen liesse. Hand in Hand damit müsste aber auch eine sehr erhebliche Rückresorption von festem Stoff gehen, wenn beispielsweise ein chloridfreier Harn einen hohen Harnstoffgehalt aufwiese. Sodann ist ja für Farbstoffe eine Elimination auf anderem Wege nachgewiesen, auf dem Wege der Ausscheidung dureh die Epithelien der Harnkanälchen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass gerade die Unmöglichkeit, die Filtration und Rückresorption in quantitativer Hinsicht fest zu umerenzen, dazu geführt hat, dass so vielen Autoren die Annahme einer Filtration überhaupt unsympathisch ist. Es muss das einmal erwähnt werden, weil in der Literatur häufig aus Befunden einer erheblichen Kon- zentration eines Stoffes im Harn geschlossen worden ist, sie könnte nicht auf dem Wege des Wasserverlustes durch Rückresorption aus dem Serum entstanden sein, daher sei auch die Filtrations-Rück- resorptionstheorie falsch. Es wird damit doch nurbewiesen, dass die Elimination dieses einen Stoffes nicht auf dem Wege der Filtration- Rückresorption vor sich geht; aber es wird damit nicht bewiesen, dass im Glomerulus keine Filtration vor sich geht oder gar, dass daselbst destilliertes Wasser zur Abscheidung kommt. Es muss also zunächst festgestellt werden, dass die Herstellung des Harnes im ganzen, d.h. die Er- reichung aller Einzelkonzentrationen der verschie- denen Stoffe im Harn, nicht auf dem Wege der Filtra- tion-Rückresorption vor sieh gehen kann. Wie ich schon ausführte, ist das anscheinend Unzweckmässige von Filtration und Rückresorption von Wasser oder von gelöstem Stoff schuld, dass die Filtration als solche so viele Angriffe erlitten hat. Und doch ist die Rückresorption wenigstens von zwei Stoffen erwiesen: von Zucker [Nishi!)] und von Kochsalz [Grünwald )]. Auch aus dem Befunde der vorhergehenden Arbeit muss man auf eine Rückresorption von Kochsalz schliessen. Sonst müsste ja bei erwiesener Filtration und kochsalzfreiem oder kochsalzarmem Harn der Glomerulus seine Tätiekeit gänzlich eingestellt haben, trotzdem erhebliche Harnmengen fliessen. So lieferte z. B. ein Tier von 1450 g pro eine Niere und 5 Minuten eine Harnmenge von 0,55 cem, deren Kochsalzgehalt gleich null war, wie es in einem Versuch zu- 1) Nishi, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S. 329. 1910. 2) Grünwald, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 60 S. 360. 1909. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 467 fällig vorkam; aber es lassen sich leicht noch grössere Mengen koch- salzfreien Harnes erzielen. Da unter normalen Verhältnissen Zucker immer, Kochsalz in sehr zahlreichen Fällen rückresorbiert wird und dafür andere Stoffe in den Harn über- treten, beruht also — zum mindesten teilweise — die Harnbereitung auf einen Molekularaustausch in den Harnkanälchen. Falls dieser Austausch in molekularem Verhältnis vor sich geht, falls also für ein Molekül Kochsalz ein Molekül Harnstoff ein- getauscht wird, hat man in der Gesamtkonzentration des Harns ein Maass für die Grösse der Filtration und Rückresorption; es würde dann das Glomerulusfiltrat entsprechend der Gesamtkonzentration durch Rückresorption eingeengt. Aber es könnten ja auch immer für ein Molekül Kochsalz zwei Moleküle Harnstoff eingetäuscht werden, dann wäre dieser Maassstab falsch. Es könnte z. B. so viel Glome- rulusfiltrat geliefert werden, als definitiver Harn die Niere verlässt; dann würde eine Rückresorption von Wasser nicht stattfinden, da- gegen eine solche von Salzen usw., und die Harnkanälchen würden srosse Mengen von gelöstem Stoff ohne Lösungsmittel dazufügen oder doch mit verschwindenden Mengen Wasser; auf diese Weise käme auch ohne Rückresorption ein konzentrierter Harn zustande. Zweitens aber könnte das Glomerulusfiltrat der Gesamtkonzentration entsprechend durch Rückresorption eingeengt werden. Dann würde ein definitiver Harn, der doppelt so konzentriert ist wie das Serum, aus einem doppelt so grossen Quantum Glomerulusfiltrat durch - Rückresorption von der Hälfte Wasser entstanden sein. Andererseits müsste, wenn die Gesamtkonzentration maassgebend ist für die Grösse der Wasserwanderung in den Harnkanälchen, eine Rück- resorption bei verdünntem Harn fehlen; ja es müsste, wenn die Ge- samtkonzentration des Harns nur halb so gross ist wie die des Serums, die Hälfte Harnwasser von den Harnkanälchen zu dem Glomerulusfiltrat dazusezerniert sein. Es lässt sich nun zeigen, dass bei allen Diuresen, bei .denen der Harn weniger konzentriert ist als das Serum, die zweite Mög- liehkeit, Wasserwanderung nach dem 7, zutrifft. Die Veränderung des Glomerulusfiltrates geht nach der Gesamtkonzentration durch Wasserwanderung vor sich, hier nicht durch Rückresorption, sondern durch Dazusezernieren von Wasser. Die Phlorhizindiurese ver- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 32 468 Ernst Frey: läuft ohne Volumenzunahme der Niere [Schlayer')], ist also als tubuläre Diurese aufzufassen. Das Harnwasser kann daher in diesem Falle nicht vom Glomerulus geliefert sein, sondern von den Harn- kanälchen. Das gleiche sagt die Berechnung des provisorischen Harnes aus, wenn man derselben die Gesamtkonzentration zugrunde legt: bei der Phlorhizindiurese bleibt die Menge des Glomerulus- filtrats so gross wie vorher. [Nur- manchmal kommt es verspätet zu einem geringen Anwachsen ?).] Die zweite Diurese, bei welcher der Harn verdünnter als das Serum ist, ist die Wasserdiurese. Auch bei ihr sagt die Berechnung des provisorischen Harnes aus, dass das Harnwasser zum grössten Teil vom Harnkanälchen geliefert wird, da die Menge Glomerulusfiltrat gleich bleibt®). Und dasselbe lehrt auch die chemische Untersuchung. Es treten nur Spuren von Koch- salz im Harn auf. Würde das Harnwasser nur vom Glomerulus allein geliefert, so würde es bei erwiesener Filtration ja Chloride mitbringen, und es müsste mit zunehmender Harnmenge die Rück- resorption von Chloriden zunehmen, während wir doch wissen, dass sonst, bei Glomerulusdiuresen, die Chloride nach dem Niveau im Serum streben. Die Vorstellung also, das gesamte Harnwasser liefere der Glomerulus, trifft für die Phlorhizin- und Wasserdiurese nicht zu, dagegen deckt sich die Annahme, das Glomerulusfiltrat werde entsprechend der Gesamtkonzentration des Harnes durch Rück- resorption oder Dazusezernieren von Wasser in den Harnkanälchen verändert, in letzterem Falle wenigstens mit den Tatsachen. Aber auch bei konzentriertem Harn entspricht diese Anschauung .den anderen Beobachtungen. Nimmt man an, dass der Austausch von Stoffen in den Harnkanälchen in molekularem Verhältnis vor sich geht, so stimmen die Mengen Glomerulusfiltrat mit den sonstigen Erfahrungen überein. Wenn man den Harn als ein durch Wasser- verlust eingeengtes Serumfiltrat auffasst, so nimmt die Menge des Glomerulusfiltrats bei der Coffein- und Salzdiurese stark zu, zeigt also die Gefässerweiterung, die onkometrisch nachgewiesen ist und zu dem Vorherrschen der Filtrationsvorgänge bei diesen Diuresen (s. vorhergehende Arbeit) führt, an ?). 1) Schlayer, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 90 u. 91. 1907. 2) Frey, Pflüger’s Arch. Bd. 115. 1906. 3) Frey, Pflüger’s Arch. Bd. 112. 1906. 4) Frey, Der Mechanismus der Salz- und Wasserdiurese. Pflüger’s Arch. Bd. 112. 1906. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 469 Für die Anschauung, dass aus dem Glomerulus- filtrat entsprechend dem Gefrierpunkt des Harnes Wasser ins Blut zurückwandert oder von den Harn- kanälchen hinzugefügt wird, lassen sich drei Gründe anführen: erstens die Übereinstimmung des „provi- sorischen Harns“ mitden Ausschlägen des Onkometers — zeigt das Onkometer eine Gefässerweiterung an, so nimmt die Menge des provisorischen Harnes zu; fehlt das eine, so fehlt auch das andere —, zweitens die Änderungen desChloridgehaltes und drittens das gleichzeitige Vorhandensein von Rückresorption von Zucker und Kochsalz und von Sekretion anderer Stoffe in den Harnkanälchen, also von einem Molekularaus- tausch daselbst. Denn wenn eine Rückresorption von Zucker und Salz nicht er- wiesen wäre, so könnte man glauben, dass die Anreicherung des Harnes an festem Stoff nicht in einem Wasserverlust bei gleich- zeitigem Austausch von Molekulen, sondern lediglich in einer Sekretion von festem Stoff bestände. Wir müssen also nach alledem annehmen, dass für gewöhnlich eine Rückresorption von Wasser in dem Ausmaasse stattfindet, wie es der Gesamtkonzentration des Harnes, seinem /, entspricht, dass also doppelt so viel provisorischer Harn geflossen ist als definitiver, wenn der Harn doppelt so konzentriert ist als das Blutserum. Die Hälfte dieses provisorischen Harnes ist dann rückresorbiert worden. Bei der Wasserdiurese dagegen ist nach dieser Anschauung z. B. nur halb so viel Glamerulusfiltrat getlossen als definitiver Harn, wenn der Harn nur halb so konzentriert ist als das Serum; die andere Hälfte haben die Harnkanälchen dazugeliefert. Die Gründe, welche ich für diese Anschauung angeführt habe, sind Übereinstimmuneen mit den beobachteten Tatsachen, indem z.B. die Berechnung des provisorischen Harns einen Ausschlag in derselben Richtung gibt als das Onkometer. Aber sie sind alle ge- wissermaassen „qualitativ“. Ein strenger Beweis für die Richtig- keit dieser Anschauung kann nur durch den Nachweis einer Über- einstimmung in quantitativer Weise erbracht werden. Das Gleichbleiben des provisorischen Harnes beim Gleichbleiben des Nierenvolumens unter der Phlorhizinwirkung kann als ein solcher quantitativer Beweis angesehen werden, wobei das Onkometer als 32 * 470 Ernst Frey: Nullinstrument dient. Aber es ist doch eben nur ein vereinzelter Spezialfall.e. Dass das Wasser bei der Phlorhizindiurese und Wasser- diurese vom Harnkanälchen geliefert wird, ist ja aus der Kochsalz- konzentration ohne weiteres abzuleiten. Es fehlt aber bei konzen- triertem Harn der Beweis, der quantitativ die Grösse der Rück- resorption umfasst und die Einengung des Glomerulusfiltrats nach dem Gefrierpunkt festlegt. Sehr leicht liesse sich ein solcher Beweis erbringen, wenn wir im Harn einen Stoff kennen würden, dessen Anreicherung nur auf dem Wege des Wasserverlustes vor sich ginge, der also selbst nicht rückresorbiert und auch nicht sezerniert wurde. Für die Auswahl eines solchen Stoffes liegen aber Anhaltspunkte nicht vor. Ein solcher Stoff würde denn lediglich durch Filtration ausgeschieden; es käme also wohl nur eine Substanz in Frage, die auch im Blut- serum schon in einer beträchtlichen Konzentration vorhanden wäre, so dass ein Vergleich der Harn- und Blutkonzentration möglich wäre. Harnstoff oder Harnsäure wären also von vornherein aus- geschlossen, da ihre Ausscheidung als Sekretionsprozess anzusehen ist. Kochsalz käme wohl am ersten in Frage; aber wir wissen, dass es unter Umständen rückresorbiert wird. Diese Rückresorption von Kochsalz ist aber verschieden, sie richtet sich nach dem Kochsalz- bestand des Körpers. Es liesse sich also wohl die Wiederaufnahme von Kochsalz verhindern, wenn man die Tiere sehr stark mit Koch- salz anreicherte. Unter solehen Umständen würde dann der Koch- salzgehalt ein Maass für die Finengung des Glomerulusfiltrates sein; es müsste dann doppelt so viel Kochsalz im Harn als im Blutserum sein, wenn der Harn doppelt so konzentriert ist als das Serum. Es würde also dann der Harn ein bis zum -/ des Harnes eingeengtes Blutfiltrat sein, wenn man die Kochsalzkonzentration betrachtet. Durch die Übereinstimmung dieser beiden Werte für die Einengung ddes Harnes würde dann ein quantitativer Beweis für die Grösse des Wasserverlustes durch Rückresorption erbracht sein; es würde dann, um in obigem Beispiel zu bleiben, der Harn als ein durch Wasser- verlust eingeengtes Blutfiltrat sowohl nach der Kochsalzkonzentration erscheinen als auch nach seinem Gefrierpunkt. — Aber könnte nicht auch Kochsalz von den Kanälchen dazu sezerniert werden, wenn der Kochsalzgehalt des Tieres stark in die Höhe geht? Es könnte ja dann Kochsalz gewissermaassen als so ausscheidungsbedürftig von der Niere empfunden werden, dass es die Kanälchen dazusezer- Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 471 nierten, wie etwa Harnstoff oder andere sogenannte harnfähige Stoffe. Das ist aber eine Frage, die der experimentellen Prüfung zugänglich ist. Unter der Voraussetzung, dass die Einengung des Harnes nach dem Gefrierpunkt gemessen, durch Rückresorption vor sich geht, lässt sich die Frage entscheiden, ob Kochsalz in höherer Konzen- tration im Harn erscheint, als einem bis zum / des Harnes ein- seengten Blutfiltrat entspricht oder nicht. Trifft letzteres zu, so kann uns das Kochsalz als Maass für die Grösse der Rückresorption dienen. In diesem Falle kann man dann die Frage prüfen, ob am extrem mit Kochsalz angereichertem Tier beide Maassstäbe für die Rückresorption, der Gefrierpunkt und der Kochsalzgehalt, die gleichen Werte liefern. Im anderen Falle, wenn Kochsalz in höherer Kon- zentration im Harne erscheinen kann, als einem bis zum / des Harnes eingeensten Serum entspricht, so bleibt die Frage nach der Grösse der Rückresorption unentschieden, da wir zwei Maassstäbe vor uns hätten, welche verschiedene Resultate liefern. Wenn in diesem letzteren Falle der Gefrierpunkt das richtige Maass darstellt, würde Kochsalz auch durch Sekretion der Harnkanälchen, nicht nur dureh Filtration ausgeschieden. Aber wir hätten dann in der Koch- salzkonzentration keinen Beweis für die Richtigkeit dieses Maass- stabes, des 1. Wir werden sehen, dass Kochsalz nur durch Filtration aus- geschieden wird, und dass die Einengung des Harnes nach dem Kochsalzgehalt dieselben Werte liefert, die man auch aus dem Ge- frierpunkt ableiten kann. Es ist also zunächst der Beweis zu erbringen, dass der Koch- salzgehalt im Harn nicht höher steigt, als einem bis zum / des Harnes eingeengten Blutserum entspricht. Damit wäre dann die Vorfrage gelöst, ob sich überhaupt gesetzmässige Werte erlangen lassen. Dann ist unter vorläufiger Voraussetzung, dass die Ein- engung des Harnes durch Rückresorption dem 4 entsprechend vor sich geht, eine Sekretion von Kochsalz ausgeschlossen, und es kann uns das Kochsalz als Maass für die Grösse der Rückresorption dienen. Sodann ist der quantitative Vergleich der Kochsalzwerte des Harnes mit denen des Blutes durchzuführen und zu zeigen, dass am extrem mit Kochsalz angereicherten Tier die Einengung nach dem Kochsalzgehalt der Einengung nach dem Gefrierpunkte ent- spricht. Damit lässt sich die Richtigkeit obiger Voraussetzung be- weisen. Die Übereinstimmung der Werte für die Rückresorption, 472 Ernst Frey: an zwei verschiedenen Maassstäben gemessen, liefert dann den Be- weis, dass tatsächlich die Grösse der Filtration und Rückresorption nach diesem Maasse vor sich geht. I. Der Kochsalzgehalt des Harnes steigt nicht höher, als einem bis zum 7 des Harnes eingeengten Blutfiltrat entspricht. Eine extreme Anreicherung mit Kochsalz habe ich auf ver- schiedene Weise versucht; erstens durch intravenöse Zufuhr einer konzentrierten Kochsalzlösung. Versuch I. Kaninchen d, 1800 8; vor 6 Stunden 50 cem 5 %/o iges NaCl (A = — 2,76°) in die Ohrvene. 3 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. (Als Futter Gras.) Harn NaCl Bemerkungen mm Hs| ccm A = aa gen een = TTS III = er Er | 1 — 3,679 1,13 0,001 276 | sehr trüb ) [0.6] Br SOOoooo0o0o0o00o0000O0°O0c-OoOo0o0o0O0O0O0O0O0O0O0O0O0O000 5 ccm 5°/oiges Coff. natrio- salicyl. in die V. 1,45 0,015 95 5 cem H/oiges Coff. natrio- salieyl. in die V. [0 0) = eat Ya | Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 473 Blut- Harn NaCl druck Bemerkungen mmHg| ccm P2| 0/0 g 88 0,55 | 79 0,35 | —1,52 0 al 0,013 376 | noch nicht klar. 82 2,15 | \ 1180| 09 | 001575 | klar Z | Verblutet. Serum: 1 — — 0,59%; NaCl = 0,61 0 6 Stunden vor dem Versuch gab ich 2,5 g Kochsalz einem Tier von 1800 g und glaubte nach Abklingen der Salzdiurese (kurz nach der Injektion) immer noch einen gewissen Reichtum an Kochsalz bei dem Tiere vorzufinden. Doch enthält der Harn nur 1,13 °o NaCl] bei einem / von — 3,67°. Einem bis zum 7 des Harnes ein- seengten Blutserum würde also ein bei weitem höherer Kochsalz- gehalt entsprechen. Der Harn, der von dem Coffeinharn aus der Blase verdrängt wird, weist 1,45 °/o auf, also nicht allzu grosse Kochsalzmengen. Die Coffeindiurese brachte wieder, ganz- wie wir es früher sahen, den Gefrierpunkt zum Steigen, die Kochsalzprozente des Harnes denen im Blutserum näher, von 1,45 °/o bis 0,9 o. Dabei enthielt das Serum 0,61 °/o NaCl. Eine Coffeindiurese leitete ich deswegen ein, um den Gefrierpunkt mit dem Prozentgehalt an Kochsalz unter wechselnden Bedingungen vergleichen zu können, um feststellen zu können, ob auch nur der Einengung nach dem 4 entsprechend die Kochsalzausscheidung stattfindet. Dieser Vergleich lässt sich nun gerade für Kochsalz leicht übersehen. Der normale Gefrierpunkt des Serums liegt bei — 0,58° und sein Kochsalzgehalt bei 0,6°%0; wird also ein Filtrat dieses Serums auf die Hälfte durch Rückresorption von Wasser eingeengt, so gefriert es bei — 1,16° und besitzt bei fehlender Rückresorption von Kochsalz einen NaCl- Gehalt von 1,2°0. Es liegen also die Zahlenwerte für die Gefrier- punktserniedrigung und den Prozentgehalt an Kochsalz dicht bei- einander. Wenn Kochsalz nur durch Filtration ausgeschieden wird, kann die Zahl für den Prozentgehalt NaCl nicht wesentlich höher liegen, als der Wert der Gefrierpunktserniedrigung dieses Harnes beträgt. Kleine Abweichungen können natürlich vorkommen, wenn der Gefrierpunkt oder der Chloridgehalt des Serums sich ändert, was ja gelegentlich der Fall ist. Aber bei dieser Betrachtung lassen sich die Verhältnisse rasch überblicken. Natürlich kann der Koch- salzgehalt des Harnes unter dieser Zahl liegen, da ja, wie gesast, 474 Ernst Frey: eine Rückresorption von Kochsalz vorkommt. — In diesem Versuch nun sehen wir alle Zahlen erheblich unter der hier aufgestellten Höchstgrenze liegen; es hat also, wenn der Harn dem 7 entsprechend dureh Wasserrückresorption eingeengt wird, eine Wiederaufnahme von Kochsalz aus dem provisorischen Harne stattgefunden. Es muss also der Salzreichtum des Tieres kein grosser gewesen sein, wenn diese Grösse der Rückresorption zu Recht besteht. Der Überschuss von Kochsalz muss also aus dem Körper eliminiert worden sein. Dafür spricht auch der Kochsalzgehalt von 0,61 %o, der bei der Norm liegt. Es musste also zunächst geprüft werden, ob eine solche Dosis von 2,5 g in 6 Stunden zur Ausscheidung gelangen kann. Tatsäch- lich icd in 6 Stunden eine intravenöse Gabe von 2,5 & Kochsalz ausgeschieden, so dass nach dieser Zeit ein Kochzalmeichann des Tieres nicht vorliegt, der eine Rückresorption von Kochsalz unwahr- scheinlich machen würde. Dies lehrt — wie auch spätere Versuche — der folgende Versuch. Versuch 2. Kaninchen 8, 2000 g. Seit 3 Tagen als Futter Runkeln; desgleichen während des Versuches. Harn NaCl Zeit ccm [pre Std. 3 EN im ganzen Bemerkungen 8 g vorher 0,88 | 0,165 — 50 ccm 5 oiges NaCl in die Ohrvene 1 Std. 60 60 — 0,94 | 0,96 0,576 5 Std. 245 49 —0,96 | 0,82 2,009 Verblutet (nach 4 Urethan, intravenös) Blasenharn 55 — — 0,48 | 0,16 — Serum: 17 —= — (0,62° | NaCl = 0,52 Yo | Infolge der kochsalzarmen Nahrung ist der Gehalt des Harnes an NaCl zering. Nach der Injektion von 2,5 g NaCl wird in den folgenden 6 Stunden die zugeführte Menge her vollständig mit dem Harn ausgeschieden, so dass der Blasenharn nach dieser Zeit wieder sehr wenig, 0,16°o NaCl, enthält. Diese Ausscheidung ge- schieht in der Weise, dass, dem Gefrierpunkt entsprechend, Kochsalz in den Harn übertritt; der zweite und dritte Wert des 7 entspricht ungefähr dem Prozentgehalt an Kochsalz, d. h. es ist aus dem provi- sorischen Harn Kochsalz wohl nur in sehr geringer Menge oder gar Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 475 nieht zurückresorbiert worden. Ein Dazusezernieren von Kochsalz hat jedenfalls nicht stattgefunden; der Kochsalzgehalt des Harnes liegt nicht höher, als einem bis zum 7 des Harnes eingeengten Blut- filtrat entspricht. Die Zahlen selbst aber liegen von denen des Serums nicht sehr weit entfernt, so dass sich grobe Missverhältnisse gar nicht zeigen könnten; es herrschen eben durch den Salzreichtum des Tieres überhaupt die Filtrationsvorgänge vor. Der Salzüberschuss des Körpers ist nicht durch Sekretion, sondern durch Vermehrung der Harnmenge ausgeschieden worden. Für unsere Frage beweisender wäre es, wenn der Harn konzentrierter gewesen wäre, sowohl nach dem Gefrierpunkt als nach dem Kochsalzgehalt. Denn dass bei einer Salzdiurese die Filtrationsvorgänge sich bemerkbar machen, wissen wir ja schon aus der vorhergehenden Arbeit. Ich gab daher diese Versuchsanordnung auf und prüfte nur noch, wie lange nach einer intravenösen Gabe von Kochsalz der Salzreichtum des Tieres anhielt. Versuch 3. Kaninchen &, 1900 g; 40 ccm 5%/oiger NaCl-Lösung, intravenös, und 2,5 g Urethan darin gelöst. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. —1,20° | 0,66 | 0,005 94 er Blut- Harn NaCl druck ie Bemerkungen mm Hs| ccm P| 0/0 g | | | | Blutentnahme 20 ccm. 62 = — — — Serum: 1 —= —.0,12°; 72 rn —_0,890 | 0,94 0,030 08 NaCl = 0,72%. 712 335) {i) g 1 De Y 0,88 0,91 | 0,0229 76 ie —. 0,99 0,84 0,023 10 80 2,05 6 a 2 2.05 \ — 1,00 0,95 | 0,019 06 80 1,6 9 1,6 —_1,100 0,88 0,011 96 84 0,9 84 1,45 84 1,45 sl 0,84 0,009 74 84 \C 82 ‚15 (0) ee T6 h 2215 0,81 | 0,01109 88 1,1 86 0,7 — 1,19 0,74 | 0,006 73 88 0,95 | 88 0,95 0,9 0,8 or 476 Ernst Frey: — 1,30° 0,39 0,001 48 ww... Blut- Harn NaCl druck _ Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g 84 0,75 | 84 0,75 0 84 0.65 | — 1,21 0,78 0,005 46 84 0,65 84 0,6 )) 84 0,6 82 0,7 — 1,23° 0,5 0,003 00 84 0,7 84 0,4 )) 83 0,5 ) 82 0,4 84 0,4 82 0,35 0,5 0,3 0,3 0,3 Verblutet. Serum: 1 = —.0,71°; NaCl =0,72%/0 = Der Versuch begann ungefähr "/s Stunde nach der intravenösen NaCl-Zufuhr. Die ersten beiden Werte für die Kochsalzkonzentration im Harn liegen etwas höher als die Zahlen der Gefrierpunkte. Be- rechnet man aus dem Harn den Kochsalzgehalt des Serums, unter der Voraussetzung, dass der Harn ein bis zum / des Harnes ein- ni 0,94 — 0,76°/o NaCl gegen die tatsächlich im Serum ermittelten 0,72°/o; also sehr nahe beieinander liegende Werte. Es hat also wohl eine Sekretion von Kochsalz nicht stattgefunden, sondern Kochsalz tritt hier nur in der bei reiner Filtration möglichsten Höchstgerenze im Harn auf. Ebenso ist es bei der zweiten Bestimmung. Es berechnet sich 0,74 %0 NaCl für das Serum aus dem Harn gegen 0,72°o NaCl tatsächlich ge- funden. Später aber ist der Kochsalzgehalt stets niedriger, als einem bis zum 7 des Harnes eingeengten Serum entspricht; es erreicht also der Kochsalzgehalt des Harnes die oben normierte Höchstgrenze nicht mehr, es ist schon wieder eine Rückresorption von Salz ein- getreten. Die maximale Kochsalzausscheidung ist also sehr rasch verklungen. Daher eignen sich intravenöse Gaben von Kochsalz für unsere Fragestellung nicht recht. Da es sich hier zunächst darum handelt, ob etwa die hier fest- gesetzte Höchstgrenze für den Kochsalzgehalt einmal überschritten wird, infundierte ich den Tieren nun eine isotonische Kochsalzlösung. Während der Infusion besteht jedenfalls ein Kochsalzüberschuss des geengtes Serum darstellt, so ergibt sich Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 477 Blutes. Und wenn wir auch wissen, dass die einsetzende Salzdiurese sehr bald ein reines Blutfiltrat zur Absonderung bringt, so wäre es doch möglich, während des Anstieges der Diurese eine starke Koch- salzausscheidung zu beobachten, da auf anderem Wege wohl auch kaum eine stärkere Kochsalzanreicherung des Blutes sich erreichen liesse. Versuch 4. Kaninchen d, 1450 g; 1,5 g Urethan. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- Harn NaCl druck Bemerkungen mmHe| ccm |. A %/o g ei “ | 100 | 0,05 = em 6 98 | 0,05 = 2 = | 335] _ —ogıe 1060 nos —.0,70°2 — 0,650; | 0,9; 0,87; vizes Dal. 14 91 13,654 De n Somenae) | 0,65 Oprare 3 ? V. jugularis. Nach der letzten Ablesung Blutentnahme aus der Karotis während des weiteren Einlaufes; Dauer 1 Minute (es fliessen noch 24 ccm ein) = 50 cem Blut. Serum = A —= —0,655°. NaCl = 0,81 %o. Wir sehen aber beim Anstieg der Diurese den Kochsalzgehalt 1,06 °/o betragen, bei einer Gefrierpunktserniedrigung von 0,91 °. Dies würde — den Harn als eingeengtes Serum betrachtet — einer Serumkonzentration von 0,70°/o entsprechen, einer sehr wahrschein- lichen Zahl, wenn man bedenkt, dass während der Absonderung dieses Harnes schon 150 eem der Kochsalzlösung eingeschlossen sind, und dass am Schluss der Kochsalzgehalt des Serums bis auf 0,81°/o NaC] hinaufgetrieben wurde. Und nach diesem neuen Niveau sehen wir wieder auf der Höhe der Diurese die Kochsalzprozente im Harn sich einstellen. Hier liest am Schluss des Versuches der NaOl-Gehalt des Serums etwas höher als der des Harnes, während sonst doch auf der Höhe der Diurese der Kochsalzgehalt im Harn und Serum absolut gleich war. Gross sind diese Unterschiede nicht, 0,80 °o segen 0,81°/o, aber etwas höher war hier der Kochsalzgehalt des Serums, weil während der Verblutung noch Kochsalzlösung einfloss. Im folgenden Versuch wurde der Einlauf während der Verblutung abgestellt; da enthielt zum Schluss das Serum etwas weniger Koch- salz als der Harn, 0,75 °/o gegen 0,79°o. Es war also schon wieder Kochsalz in die Gewebe übergetreten. Wegen dieses Wechsels im 478 Ernst Frey: Niveau des Kochsalzes im Serum beim Einlauf einer Kochsalzlösung benutzte ich auch in den früheren. Versuchen zum Nachweis der Filtration nicht Kochsalzlösung als Einlauf, sondern NaNO,. Immer- hin stimmen die Werte noch gut genug. Versuch 5. Kaninchen , 1450 g; Blasenkanüle. Vor dem Versuch als Futter Brot mit 2 %oiger Kochsalzlösung befeuchtet. Blasenharn: 7 — — 2,69°; NaCl = 2,38%. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- Harn NaCl druck Bemerkungen mmHe| ccm | A 0/0 g 34 0,0 _ — 82 0,0 Z— = _ 84 0,0 e— — — 2,5 cem 5%/oigen Ooff. natrio- salicyl. in die Vena jug. (Senkung bis 0) 82 0,0 — = — to 1 0,0 — — — 80 0,0 — — — 86 4,75 — 0,76 0,8 0,038 00 225 cem 1°/oigen NaCl in 84 10,5 — 0,58 ° 0,79 0,082 95 die V. jug.(27= —0,63°) So 14,2 -0,62°;-0,6201[0,8;0,79), 0,111 62 Verblutet. Serum: 1 — — 0,63%; NaCl=0,75%0. (Während der Verblutung ist der Einlauf abgestellt.) Hier suchte ich durch eine kochsalzreiche Nahrung das Tier mit Kochsalz anzureichern: Der Harn der Blase gefror bei — 2,69° und hatte einen NaCl-Gehalt von 2,330, war also sehr kochsalzreich, erreichte die Höchstgrenze, die bei fehlender Sekretion von Koch- salz möglich ist, beinahe. Aber doch war es auch durch sehr koch- salzreiche Nahrung nicht gelungen, den NaCl-Gehalt des Harnes höher zu treiben, als einem eingedickten Blutfiltrat entsprechen würde. Eine Flüssigkeit mit einem / von — 2,69° könnte bis zu ca. 5°/o NaCl enthalten, der Harn beherbergt aber nur 2,380. Trotzdem erwies sich diese Versuchsanordnung nicht als sehr geeignet, da solche an Wasser verarmte Tiere sehr spärlich Harn sezernieren; nicht einmal auf Coffein nahm die Harnmenge zu. Bei dem nach- träglichen Einlauf konstatieren wir beim Anstieg der Diurese einen 4A von — 0,75° und einen NaCl-Gehalt von 0,8°/o, was einer Serum- konzentration von 0,62°/o entsprechen würde. Sonst bringt der Ein- lauf nur eine Bestätigung der schon oft erhobenen Tatsache, dass der Harn auf der Höhe der Salzdiurese ein Blutfiltrat ist. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 479 Es war aber durch einen kochsalzhaltigen Einlauf nicht ge- lungen, die oben angenommene Höchstgrenze für Kochsalz im Harn zu überschreiten. Das gleiche trifft für die gewählte kochsalzreiche Nahrung zu. Um grössere Harnmengen zu gewinnen, wurde jetzt eine kochsalzreiche, aber zugleich wasserhaltige Nahrung gegeben: nämlich Scheiben von Runkelrüben mit Kochsalz bestreut. Versuch 6. Kaninchen bekommt Runkeln mit Salz bestreut; stirbt nach 48 Stunden; lässt dabei 600 ccm Ham: 4 = — 2,17°; NaCl = 2,4 %o. Blasenharn: a — ale Na 1 Blut (Herz): A= —(,71°. Nach 2 Tagen stirbt ein Tier bei dieser Nahrung, offenbar an dem Kochsalzreiehtum der Nahrung oder an der Erhöhung des osmotischen Druckes seiner Körperflüssigkeiten; aber das Blut dieses Tieres gefror bei — 0,71 °, also nicht sonderlich tief, und wir werden später geleeentlich noch ein konzentrierteres Blutserum finden, ohne dass Krankheitserscheinungen sich bemerkbar machen. Der Koch- salzreichtum des Harnes war dabei ziemlich hoch, in den 600 eem Harn, die geliefert wurden, beträgt der Prozentgehalt an Kochsalz 2,4°/o bei einer Gefrierpunktserniedrisung von — 2,17 °; es ist also der Zahlenwert für die Kochsalzprozente höher als für den Gefrier- punkt. Es ergibt die Berechnung der Kochsalzprozente im Serum aus diesem Harnwert (7 des Serums gleich — 0,66° angenommen) 0,72°/o, also eine wohl der Wirklichkeit entsprechende Zahl. Dem- nach ist auch selbst bei einem Kochsalzreichtum der Nahrung, der zum Tode des Tieres führt, der Harn nicht kochsalzreicher, als einem bis zum / des Harnes eingeensten Blutfiltrat entspricht. Die Zahl für die Kochsalzprozente im Blasenharn liegt noch niedriger, wenn man sie mit der Gefrierpunktserniedrigung vergleicht. Dies würde also im Sinne der obigen Ausführungen besagen, dass Kochsalz bei extremem Kochsalzreichtum nicht mehr rückresorbiert wird, aber auch unter solchen Umständen nur durch Filtration ausgeschieden, nicht aber zu dem Glomerulusfiltrat dazusezerniert wird. Wenn man also solche Tiere zum Versuch benutzen wollte, dürfte nicht zu lange Zeit eine derartig kochsalzreiche Nahrung ge- geben werden, weil sonst der Tod eintritt. Ich stellte also den Versuch an, nachdem das Tier einen Tag lang Runkeln mit Salz gefressen hatte. 480 Ernst Frey: Versuch 7. Kaninchen &, 1800 g; 1,5 g Urethan, intravenös. Hat als Futter Runkelu mit Kochsalz erhalten seit gestern nachmittag. Harn nachts 222 ccm = 1 —= — 1,570; 1,76% NaCl; vormittags 40 com ="1 —= —2,17°; 244% Nall; über mittag: 25 ccm = A —= —2,49°; 3,16 %/o NaCl; Blasenharn ca. 100 ccm — A—= — 228°; 2,64% NaCl. Blasenkanüle Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- druck mm Hg Harn cem | A Na0l Bemerkungen g | sn OLTIUO Er JS MTooocooo wg @ MOIIRMOT -] (6) Soeoeeoeceeeeo®e — An! 2,22 0,002 346 ss ROTOT = [1 Gr OT Dop.-nvr-mmmmoooooo ID - = X (9%) SOooOooooooooo2_Q ee 2 PrrmrmrrDDDDEKDDD R 871 — 2,68 ° 2,50 0,004 670 [0,0] [0,0) [ob Gebr ot III Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 481 Harn NaCl druck Bemerkungen mm Hg| ccm 2] | Yo, g | 90 0,6 — — — 3 ccm 5 '/o iges Üoff,. natrio- | | salicyl. in die Vena jug. (Senkung bis 62) 94 0,65 |) 90 | 0,9 | | &6 0,5 84 05 | —1,63° | 1,65 | 0,007306 |1cem 5% iges Coff. natrio- 85 0,2 salicyl. in die Vena jug. 90 0,25 | 84 0,1 J Verblutet. Serum: 41 = — 0,610; NaCl = 0,58 %/o Vor dem eigentlichen Versuch war der Harn dieses Tieres sehr kochsalzreich; die Werte für die Prozentzahlen Kochsalz im Harn liegen höher als die der entsprechenden Gefrierpunkte. Wir haben also die oben angenommene Höchsterenze überschritten, falls im Blutserum 0,60°o NaCl enthalten sind. Jedenfalls aber ist der Kochsalzgehalt des Serums höher, so dass diese Höchstgrenze gerade erreicht ist. Dann würden sich als Serumwerte für Kochsalz ergeben: 0,67 0; 0,67 %o; 0,76 °/o; 0,69%. Zahlen, wie sie nach kochsalz- reicher Nahrung im Blut beobachtet werden (siehe unten). Trotz dieses hehen Kochsalzgehaltes des Blutes sehen wir während des eigentlichen Versuches den relativen (im Vergleich zu 7) Kochsalz- gehalt des Harnes diese Höchsterenze nicht mehr erreichen, d. h. entweder ist Kochsalz zurückresorbiert worden, oder Kochsalz ist aus dem Serum in die Gewebe gewandert. Das letztere ist tatsäch- lich der Fall: Am Schluss zeigt das Serum des Tieres den normalen Kochsalzgehalt, und der letzte beobachtete Kochsalzwert des Harnes entspricht dem angenommenen Höchstgehalt des Harnes (Prozent — /) bei normalem NaCl-Gehalt des Serums. Man könnte nun glauben, die geringe Wasserzufuhr in Form der intravenösen Urethangabe habe dieses Absinken hervorgerufen, doch ist dies nicht der Fall, oder besser gesagt, nicht die alleinige Ursache der Kochsalzabnahme, sondern es kommt das Aufhören der Kochsalzzufuhr dazu, wie der folgende Versuch lehrt. | 482 Ernst Frey: Versuch 8. Kaninchen %, 1700 g; erhält nach gewöhnlichem Futter Runkeln mit Salz bestreut während des Versuches. Harn im Käfig aufgefangen. Harn al seh ne Bemerkungen Stunden| ccm | 4A UM Re 2 70 — 0,649 0,3573 — 6 50 — 1,69 2,125 _ 6 80 — 1,73° 2,28 _ 10 95 — 2,17° 2,28 - nachts 3 30 — 2,399 2,88 _ 1 3 — 2,54 ° 2,92 — Blasenharn. Verblutet. Serum: I — — (0,60°; NaCl = 0,680 Hier trat ein Absinken des Kochsalzgehaltes im Serum ohne jeden Eingriff trotz Fortdauer der salzreichen Nahrung ein, soweit die Berechnung aus den Harnwerten zuverlässig ist. Denn berechnet man — immer unter der vorläufigen Annahme, dass bei extremem Kochsalzreiehtum des Tieres Kochsalz nicht mehr zurückresorbiert wird, und dass der Harn ein dem NaCl-Gehalt und dem 7 entsprechend eingeengtes Blutfiltrat ist — den Kochsalzgehalt des Serums aus den Harnwerten, so ‘ergibt sich 0,75 /o,; 0,78%; 0,77°/o; 0,75% und 0,680. Tatsächlich trifft diese Berechnung hier sowohl wie im vorigen Versuch bei der letzten Zahl zu, bei welcher ein Vergleich mit der ermittelten Serumzahl zulässig ist, da beide Werte zeitlich nicht sehr weit getrennt liegen. Dies macht es natürlich in hohem Grade wahrscheinlich, dass auch die anderen Werte zutreffend sind, wahrscheinlich im Sinne stimmender Stichproben. Wir können also mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass diese Berechnungen richtig sind, d. h. dass Kochsalz auch bei grossem Kochsalzreichtum des Serums nur durch Filtration ausgeschieden wird, und dass der Harn unter solehen Umständen, da eine Rück- resorption von Kochsalz dann ausbleibt, sowohl hinsichtlich seines Kochsalzgehaltes wie auch hinsichtlich seiner Gesamtkonzentration ein durch Rückresorption von Wasser eingeengtes Serumfiltrat darstellt. Ein genauer quantitativer Beweis für die Grösse der Rück- resorption lässt sich aber offenbar an längeren Zahlenreihen mit dieser Versuchsanordnung nicht erbringen, weil das Niveau des Koch- salzes im Serum nicht längere Zeit konstant bleibt, sondern mit der verschiedenen Aufnahme der ausserdem ungenau dosierten Nahrung Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 483 wechselt. Es wandert dann Kochsalz mit nachlassender Zufuhr aus dem Serum in die Gewebe. Die Versuchsanordnung für den quantitativen Nachweis der Übereinstimmung der Kochsalzanreicherung im Harne mit der Ein- engung nach dem ./ war also gegeben: die Kochsalzzufuhr musste vom Willen des Tieres unabhängig gemacht werden. Ich gab daher etwas hypertonische Lösungen von Kochsalz mit der Sonde in den Magen, dann musste das Niveau des Kochsalzes im Serum von den normalen (0,6°0) bis auf den am Schluss durch Verbluten ermittelten Wert ansteigen. Auf diese Weise war die Prüfung der Frage mög- lieh, ob die Einengung des Glomerulusfiltrates nach dem Kochsalz- gehalt der Einengung nach dem / entspricht, d. h. ob die Einengung durch Wasserverlust vor sich geht. Denn diese Vorversuche haben ergeben, dass bei starkem Salzreichtum des Tieres Koch- salznichtmehrrückresorbiert wird, andererseitsaber auch durch Sekretion in den Harnkanälchen nicht — oder wenigstens nicht irgend in Betracht kommendem Maasse — zum Glomerulusfiltrat dazugeliefert wird. I. Bei sehr kochsalzreichen Tieren entspricht die Einengung des Glomerulusfiltrates durch Wasserverlust nach dem Kochsalz- gehalt berechnet der Einengung des Filtrates hinsichtlich der Gesamtkonzentration. Gibt man Tieren eine hypertonische Kochsalzlösung in den Magen, so wird der Kochsalzgehalt während der Resorption dieser Lösung von 0,6 °/o, dem normalen Kochsalzgehalt, auf die zum Schluss ermittelte Höhe des Prozentgehaltes im Serum allmählich ansteigen. Ebenso wird der 7 des Blutes von dem normalen Wert von — 0,58° auf den am Schluss ermittelten Gefrierpunkt sinken. Wird nun der Harn, entsprechend der Gesamtkonzentration, aus dem Glomerulus- filtrat durch Wasserrückresorption eingeengt, so lässt sich aus der Kochsalzkonzentration und dem / des Harnes der Kochsalzgehalt des Blutes berechnen. Das Serum enthält dann halb so viel Koch- salz als der Harn, wenn der 7 des Harnes doppelt so gross ist wie der des Serums. Die auf diese Weise ermittelten Kochsalzkonzen- trationen des Serums zu verschiedenen Zeiten müssen, wenn diese Voraussetzung richtig ist, in einen Kurvenzug zwischen dem normalen Kochsalzgehalt des Serums am Anfang und dem ermittelten am Schluss des Versuches fallen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139 33 ı n &6 Ei Q% nn n = —— © © 2 3 3 [De 9) (2 6 B =: S 3 8 ar an En „| Faro IT olET 2 Eu ee ee seco | wir | or “ 5 I: . so 48. 7980 wi Dee 09 a ee = ae : an = 73 A > © = = I ae Be 2 0, r wa» uopung o55 = =) = = = 2 = > R=) B=| = u See 2 5 = x 8 = ja Ei BR .% S "> I 9AAINY un a - je2} Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 485 Nach einer innerlichen Gabe von 150 cem Wasser mit 2 g NaCl sehen wir den ersten Harn nach 3 Stunden einen Kochsalzgehalt von 1,44°/o bei einem / von — 1,14° aufweisen. Die Höchstgrenze des Kochsalzgehaltes ist also erreicht, da der Wert für die Kochsalz- prozente höher liegt als die Zahl für die Gefrierpunktserniedrigung in Graden. Berechnet man den Gehalt des Kochsalzes im Serum, so ergibt sich 0,74°/o.. Dabei muss man berücksichtigen, dass der A des Serums von — 0,58° gestiegen war; dies wurde durch Ein- tragen der Werte in eine Kurve ermittelt, und zwar so, dass eine Gerade den Anfaneswert und den Endwert für den / verband; so konnte der / des Serums zu dieser Zeit, d. h. drei halbe Stunden, der Mitte der Zeit, in der der Harn geliefert wurde, festgestellt werden. Der zweite Harn lieferte, analog berechnet, 0,70%. Ver- bindet man den normalen Anfangswert für NaCl] von 0,6°o mit dem Schlusswert von 0,85 °/o, so liegen diese beiden aus dem Harn be- rechneten Serumwerte (innerhalb der Fehlergrenze) auf dieser Geraden. Der letzte Wert, den der Harn lieferte, scheidet für unsere Be- trachtung aus; denn hier hatte schon wieder eine Rückresorption stattgefunden. Das erscheint wunderbar, da das Serum doch noch 0,85 °/o NaCl beherbergt; aber wir werden noch oft einer Kochsalz- rückresorption begegnen, auch wenn der Salzreichtum des Tieres ein grosser ist. Die Gründe sollen später besprochen werden; es wird sich dann ergeben, dass eine maximale Kochsalzausscheidung durch 6 Stunden hindurch schon als sehr intensiv zu bezeichnen ist, und dass es trotz allen Kochsalzreichtums dann endlich zu einer Koch- salzretention kommen muss: Versuch 10. Kaninchen 1050 g; erhält 125 ccm 2,66 %/oiges NaCl in den Magen (siehe Kurve 2 S. 486). In Harn NaCl Bemerkungen unden 7 0 3 21/a 50 — 121° 1,46 0,73 1 3) — 1,26° 1,34 0,644 Verblutet. Kein Harn RA in der Blase. Serum: A1— —0,13°; NaCl = 0,975 °/o. 39 * 486 Ernst Frey: x= 2 Win Serum aus dem Han Lerechneh, Kurve’ 2. Hier gab ich etwas mehr Kochsalz in weniger Wasser, damit eine Rückresorption von Kochsalz nicht so leicht zu befürchten ist, Die aus dem Harn als einem bis zum / des Harnes eingeengten Blutfiltrat errechneten Kochsalzwerte des Serums von 0,76°o und später von 1,02°/ liegen innerhalb der Fehlergrenzen wieder in der Geraden, welche den normalen Anfangswert von 0,6% NaCl bei der Eingabe von Kochsalz mit den zum Schluss ermittelten Prozenten von 0,975 °/ NaCl im Serum verbindet. Versuch 11. Kaninchen, 1100 g; erhält 75 cem 2°/oiges NaCl — 1,5 g in den Magen (siehe Kurve 3, S. 487). In Harn NaCl - Bemerkungen d 9/0 g 13/4 50 — 1,08° 1,28 0,64 1a 20 — 1,41° 1,04 0,208 Blasenharn. Verblutet.- Serum: 1 —= —0,59°; NaCl = 0,86 %o Auch bei diesem Tier liegt wieder der aus dem Harn errechnete Serumwert für NaCl in der Geraden vom normalen Kochsalzgehalt von 0,6% zu dem am Schluss gefundenen Werte von 0,86 °/o. Doch hat hier wieder bei der zweiten Harnportion eine Kochsalzrückresorption stattgefunden, trotz des hohen Kochsalzgehaltes des Serums. Die Prozente Kochsalz im Harn liegen tiefer als die Celsiusgrade für Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 487 Kurve 3. die Gefrierpunktserniedrigung; es bleibt also die Kochsalzkonzentration des Harnes unter der Höchstgrenze. Es ergeben also diese Versuche, dass sich durch Eingeben einer hypertonischen Kochsalzlösung in den Magen für längere oder kürzere Zeit eine maxi- male Kochsalzausscheidung erreichen lässt, daran kenntlich, dass die Zahl für die Kochsalzprozente im Harn höher liegt als die Zahl für die Grade der Ge- frierpunktserniedrigung desselbenHarnes. Zu dieser Zeit ist der Harn sowohl hinsichtlich seiner Gefrier- punktserniedrigung wie mit Rücksicht auf seinen Kochsalzgehalt ein in gleichem Ausmaass eingeengtes Blutfiltrat, oder, mit anderen Worten: DieEinengung des Harnes, nach dem / berechnet, entspricht der Einengung nach dem Kochsalzgehalt. Das zeigt sich am besten durch Vergleich des Kochsalzgehaltes des Serums mit dem aus dem Harn errechneten Kochsalz- sehalt des Blutfiltrates; beide stimmen überein. b) Blasenkanüle, längere Zeit nach der Kochsalzgabe eingelegt. Da einerseits bei Auffangen des Harnes im Käfig nur wenige Portionen Harn zur Verfügung standen und auf diese Weise ein Versuch nur ein bis zwei Zahlenwerte lieferte, welche auf die hier 488 Ernst Frey: in Rede stehende Gesetzmässigkeit geprüft werden konnten, und da andererseits die maximale Kochsalzausscheidung nur kurze Zeit an- hielt, so suchte ich durch Anlegen einer Blasenkanüle mehr ge- trennte Harnportionen in kurzer Zeit zu gewinnen. Beginnt man die Beobachtung erst einige Zeit nach der Eingabe von Kochsalz, so muss natürlich die Änderung des Kochsalzwertes im Blut von der Zeit des Eingebens an notiert werden. Man kann das Steigen des Gefrierpunktes sowohl wie des Kochsalzgehaltes im Serum während der Zeit des Versuches konstruktiv ermitteln, indem man die Normal- werte bei der Eingabe mit den Schlusszahlen, die das Serum des Verblutungsblutes lieferten, in der Kurve verbindet. Oder man kann, wie es hier geschah, den Gefrierpunkt und den Kochsalzgehalt aus- rechnen, indem man den Zuwachs gleichmässig (= geradlinig) auf die Zeitperioden von 5 Minuten verteilt. Es wird sich zeigen, dass dieses gleichmässige Verteilen nieht immer streng richtig ist, sondern dass es vorkommt, dass am Anfang das Blut schneller an Kochsalz reicher wird als später. Daher war ich gezwungen, noch eine dritte Versuchsserie anzustellen (siehe später), in der ich kurz vor und nach der Beobachtung die Werte im Serum ermittelte. Denn für längere Zeit lässt sich einerseits das Niveau des Kochsalzes im Serum nieht konstant halten — natürlich nur das künstlich erhöhte Niveau —, aber es lässt sich auch ein gleichmässiges Ansteigen des Kochsalzgehaltes nicht erzielen. Immerhin zählen grössere Schwan- kungen zu den Seltenheiten (2 mal beobachtet). Dass sich solche Schwankungen bisher nicht zeigten, dass also in den obigen Ver- suchen die errechneten Kochsalzwerte des Serums auf die konstruierte Gerade fielen, liegt daran, dass dort der Harn in grossen Portionen während langer Zeit gesammelt wurde und daher besser stimmende Durchschnittswerte erhalten wurden!). Ich habe daher in diesen Versuchen, die erst längere Zeit nach der Eingabe angestellt wurden, bei der graphischen Darstellung die Verbindungsiinien des Normal- wertes mit dem Schlusswert weggelassen und erst wieder eingefügt, als auch am Anfang durch eine Blutentnahme diese Werte analytisch ermittelt wurden. 1) Es könnte aber einmal vorkommen, dass auch bei dieser Versuchs- anordnung (langdauernde) Schwankungen sich zeigten. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 489 Versuch 12. Kaninchen 8, 1750 g; 1 g Urethan, intravenös, und 150 ccm H,O +4 g NaCl darin mit der Sonde in den Magen !/a Stunde vor der ersten Ablesung. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blasenkanüle (siehe Kurve 4). _ Blut- Harn NaCl druck — Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 | g 120 = — — — 126 0,0 126 0,05 130 0,15 134 0,25 136 0,2 0 134 0.35 — 0,89 0,66 0,00 205 134 0,4 134 0,55 132 0,55 132 0,6 = |: “1 0, h L 138 0,95 138 0,8 138 0,85 — 0,0 0,83 0,00 755 138 al 138 0,95 1 188 | 0,95 |% —0,875° | 0,94 | 0,00.996 138 1,3 ji nn 1599 8 0,5 gern 0 136 0.9 0,86 0,92 0,00 690 1365 | 06 |) 134 0,8 132 0,9 \ — 0,83 ° 0,9 0,00 819 -132 1,05 |) Verblutet. Serum: 1 = — 0,73%; NaCl = 0,78 /o Kurve 4. 490 Ernst Frey: Man sieht, dass erst 2 Stunden nach der innerlichen Kochsalz- zufuhr bei der vierten Harnportion der Kochsalzgehalt in Prozenten ausgedrückt höher: liegt als die zugehörige Gefrierpunktserniedrigung in Graden. Also erst. zu dieser Zeit ist die Kochsalzausscheidung eine maximale; denn es liegt ja schon in der Norm der Prozentwert des Kochsalzes im Serum etwas höher als die Gefrierpunktserniedrigung. Die Kochsalzprozente steigen aber nach der Kochsalzzufuhr schneller als die Gefrierpunktserniedrigung im Serum, wie aus den Blutwerten am Schluss des Versuches hervorgeht. Als in den drei letzten Harn- portionen die Kochsalzausscheidung maximal wurde, sehen wir wieder, wie früher, die drei aus dem Harn errechneten Kochsalzprozente des Serums den tatsächlichen entsprechen. Aus dem Harn berechnet enthält das Serum des Tieres zur Zeit der Harnabsonderung der Portion 4 0,74°o NaCl, während die tatsächliche Konzentration von Kochsalz im Serum zu dieser Zeit 0.74°b beträgt. Die anderen Werte lauten: 0,76°o berechnet gegen 0,75°%o NaCl tatsächlich; 0,78°o berechnet gegen 0,775 °o tatsächlich. Als tatsächlich wurden die aus der Analyse des Blutserums am Sehluss gefolgerten Werte bezeichnet, indem der Kochsalzzuwachs des Serums gegenüber dem normalen Niveau auf gleiche Zeiten ver- teilt wurde. \ Es trat also 2 Stunden nach der innerlichen Zufuhr einer hyper- tonischen Kochsalzlösung maximale Kochsalzausscheidung (d. h. ein Steigern der Kochsalzprozente etwas über den Wert der Gefrier- punktserniedrigung) auf. Zu dieser Zeit fehlt jede Kochsalzrück- resorption, und dann ist — in diesem Versuch wie in dem früheren — der Harn mit Rücksicht auf seinen Kochsalzgehalt ein bis zum / desHarnes eingeengtesSerumfiltrat. Denn die Kochsalzprozente im Serum, welche man aus dem Harn (seinem % NaCl und /) errechnet, entsprechen den tatsächlich gefundenen. Da 2 Stunden verstrichen, ehe so viel Kochsalz aus der NaCl- Lösung im Magen resorbiert ist, dass der Kochsalzgehalt im Harn seine Höchstgrenze erreicht, begann ich in dem folgenden Versuch mit der Beobachtung der Harnabsonderung erst einige Zeit später. Natürlich muss man die Zeit, zu welcher die Eingabe der Koch- salzlösung erfolgte, notieren; denn von da ab steigt das Niveau des Kochsalzes im Serum bis auf die zum Schluss ermittelte Höhe an. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 491 Versuch 13. Kaninchen 3, 1700 g; 3Ya Stunde vor der ersten Ablesung. 125 ccm 2,66°/oiges NaCl mit der Sonde in den Magen. 2 g Urethan, intravenös, und 150 ccm 2,66°%oiges NaCl mit der Sonde in den Magen, direkt vor dem Versuch. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm Na0l einer Niere in 5 Minuten. In den 3V/a Stunden 50 ccm Harn: 7 = 1,86°; NaCl = 1,68% (Kurve 5, S. 492). Blut- druck mm Hg Harn Nacl | ccm A or g | Bemerkungen 130 132 124 124 114 110 108 108 106 108 108 108 102 104 102 104 100 104 104 103 102 102. 102 SEES EX — — 1,849 23. 0,00805 IDOL ee ao | ii &o I © 1,78 0,006 05 = [St SSESE2PO0222200200209000000090HrD- 5 Er — 1,21° 1,69 0,005 15 OT OUT oT er Dome ent rprnpr nur urn unTen on fen [e>) (Sb) Sooooooo292£> Verblutet. Serum: 1 —= — 0,85%; NaCl=1,17 9/0. er Damit sich das Depot von Kochsalzlösung im Magen nicht er- schöpfe und eine weitere Zufuhr von Kochsalz ins Blut hinein erfolge, füllte ich zu dem noch vorhandenen Rest im Magen einen neuen Vorrat von gleich konzentrierter Kochsalzlösung. Die Zunahme des Kochsalzgehaltes des Serums datiert natürlich schon von der ersten Eingabe her, so dass sich, eine gleichmässige Zunahme des Koch- salzes im Serum vorausgesetzt, schon am Anfane der Beobachtung der Harnabsonderung der Kochsalzgehalt des Serums auf 0,927 °/o belaufen würde (bei einem / von — 0,735°).. — Der Harn des 492 Ernst Frey: Kurve 5. Tieres erwies sich während der Beobachtung als maximal kochsalz- haltig. Die aus dem Harn als eingeenstem Serum berechneten Serumwerte für Kochsalz betragen: 0,948°/o berechnet gegen 0,943 %0 tatsächlich; 0,89 °%o berechnet gegen 0,958 /o tatsächlich; 0,98°/o berechnet gegen 1,05 °/o tatsächlich; 1,04°/o berechnet gegen 1,0680 tatsächlibh; 1,19°/o berechnet gegen 1,13°/o tatsächlich, wenn man unter tatsächlich die aus dem Zuwachs des Kochsalz- gehaltes für die betreffende Zeit gefolgerten Werte versteht. Die Übereinstimmung ist also eine sehr gute, da ja eine ganz gleich- mässige Zunahme des Kochsalzniveaus durch 6 Stunden nur bei stets gleichbleibender Resorption und gleichmässiger Abwanderung in die Gewebe eintritt. Versuch 14. Kaninchen &, 1900 s; 2 Stunden vor der zweiten Ablesung 150 ccm 3°%oiges NaCl in den Magen. 3 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle Harn- menge einer Niere in 5 Minuten, ebenso Gramm NaCl. Harn in den 2 Stunden (in der Blase) 20 cem: 4 = — 1,69°; NaCl = 1,56%. (Kurve 6, siehe S. 493.) Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 4983 N am | Ze | Bemerkungen mmHg| ccm 4 %o g 1040|: — en 2 23 | a 1 N 105° | 125 | 0,02 156 me | 21 |} —100 | 128 | 002887 102 | 17 | 102° | 120 | 0.027000 08 | 25 |} 1080 | 128 | 00262 102 | 295 |} 107° | 128 | 002458 in no \ 1,09%. | 1,30 | 0,02496 2. N \ — 111° | 197 | 002418 15 3 \ _1,09° | 1275 | 0,02550 He 12 \ —1,10° | 1,30 | 0,02 600 ee \ 113° | 180 | 002431 ie 1 \ oo, 181 | 002515 108 165 \ 15 1,55 0,02 592 Verblutet. Serum: 4 = —0,72°; NaCl — 0,79% AN SU ed on | ml en = Nal im Serum au dem Harn Lacchnd Kurve 6. Auch hier war die Ausscheidung von Kochsalz während der Beobachtungszeit maximal, daher ist eine Rückresorption von Koch- salz ausgeschlossen, und es kann uns hier wieder das Kochsalz als 494 u 29) ı aBrnst Prey: Maass für die Rückresorption von Wasser dienen. Die unter dieser Voraussetzung berechneten Serumwerte stimmen mit denen aus der Schlussanalyse des Serums gefolgerten gut überein. Da ich später eine Übersichtstabelle gebe, will ich- die Zahlen nicht einzeln an- .führen; sie gehen ja aus der Kurve ohne weiteres hervor. Versuch 15. Kaninchen d, 1850 g; 150 ccm 2,5 °/oiges NaCl in den Magen, 3!/a Stunden vor der ersten Ablesung. "/a Stunde vor der ersten Ablesung 100 ccm 2,5 /o ige NaCl-Lösung in den Magen und 2 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harn- menge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. : Ablesungen alle 5 Minuten. Harn in den 3V/a Stunden: 4 — — 1,04°; NaCl= 1,025°%. (Kurve 7, siehe S. 495. Blut- Harn NaCl druck Bemerkungen mmHg| ccm | A %/o g ae = & I: 128 | 0,65 128 | 0,75 | 186° | 172 | 001548 190 | 13 Be | nis | mas. || 002085 lo |) ua 16 | mac 192 | 155 |) Lise | 151 | 0,0203 128 | 125 |} use | 135 | 002160 13 | 32 | wie | 122 | oosau 120 | 285 \p no | na | 002m 102 | 205 1 —ıwee | 112 |\.0,02565 190 | 20 |} —10° | 1,11 | 0,02664 118 | 20 |} 1050 I 18 | 002816 110 | rag 4 —wose | 206 | 001855 106 | 16 104 I \ ke! 1,09 0,01472 |Verblutet. Serum: 1 — — 0,735, NaCl — 0,73% Eine nicht so gute Übereinstimmung zeigen die Werte dieses Versuches 15. Die ersten beiden Zahlen für den Kochsalzgehalt des Serums, die uns der Harn liefert, sind entschieden zu hoch, während die zehn folgenden übereinstimmende Zahlen geben. Ich glaube dies mit Schwankungen im Kochsalzniveau des Serums in Zu- Die3Rückresorption des Wassers in den Harnkanälchen etc. 495 Sons bauen Br rs Kurve 7. sammenhang bringen zu müssen, besonders da der Kochsalzgehalt des Harnes stetig abnimmt, wenn man ihn mit dem Gefrierpunkt vergleicht. Auf der graphischen Darstellung sieht man dies daran, dass der Raum zwischen der Kochsalzkurve und der Gefrierpunktskurve stetig abnimmt, bis sich beide Kurven kurz vor Schluss des Versuches kreuzen. Zu dieser Zeit sind im Serum so viel Kochsalzprozente enthalten, als seine Gefrierpunktserniedrigung beträgt, und für diese Zeit stimmen auch die Berechnungen am besten. Aus der späteren Zusammenstellung geht hervor, dass von den zwölf Werten die ersten beiden ausserhalb der Fehlergrenzen Unstimmigkeiten zeigen, für die eine Erklärung gegeben werden muss. Ich sehe den Grund für diese Abweichung in einem Sinken des Kochsalzgehaltes im Serum und stütze mich dabei auf die gleichmässige Abnahme des Raumes zwischen beiden Kurven. Immerhin hielt ich diese beiden ab- weichenden Werte für bedeutungsvoll genug, um in den späteren Versuchen vor der Beobachtung eine Blutentnahme zu machen, um direkt zu erweisen, dass anfangs der Kochsalzgehalt des Serums grösser sein kann als am Schluss trotz weitergehender Resorption der Kochsalzlösung im Magen—Darm. 496 Ernst Frey: Versuch 16. Kaninchen 2, 1800 g; 1 Stunde 40 Min. vor der ersten Ablesung 150 ccm 3°oige NaCl-Lösung in den Magen. Dann 1,5 g Urethan, intravenös. Blasen- kanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Min. Ablesungen alle 5 Min. (Kurve 8). Blut- | Harn NaCl druck Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g 98 — — — — 100 1,5 win \ 160 | 166 002656 104 1,5 c el ıı \ 114° | 157 | 0,08512 100 2,15 le \ 2 090 103000103458 100 31 — 1,01° 1,28 0,039 68 2 3,0 — 0,98° 1,22 0,036 60 2,15 | \ —1,00° | 121 | 0,029 04 100 0, 285 21000 | 119 | 003339 98 3,9 — 0,95° 1,15 0,040 25 101 3,39 —:0,93° 1,13 0,037 86 100 3,89 — 0,94 1,16 0,044 66 100 3,9 — 0,92° 1,14 0,044 46 102 3,7 — 0,92 1,16 0,042 92 104 3,83 — 0,95° 1,2 0,039 60 102: |222 099° | 128 | 0,03198 | 100 3,0 FE ar ’ Verblutet. Serum: 4 = —.0,67°%; NaC1—=0,80%/o D 2/4 Nall im Serum aur dem Ham > Kurve 8. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 497 Auch hier lieferte der erste Harn eine Zahl für den Kochsalz- gehalt des Serums, die wohl ausserhalb der Fehlergrenzen zu hoch liegt; aber auch hier stimmen fortlaufend die errechneten Werte immer besser mit den sogenannten tatsächlichen, wie aus der Schluss- tabelle (siehe unten) hervorgeht und auch aus der Kurve zu ersehen ist. Und auch hier glaube ich berechtigt zu sein, anzunehmen, dass das Blut tatsächlich am Beginn der Beobachtung etwas mehr Koch- salz enthielt, als einem gleichmässigen Ansteigen des Kochsalzniveaus . entsprechen würde. Auf die Grösse des Abweichens der Werte wird weiter unten noch einzugehen sein. Im folgenden suchte ich mich nach alledem durch einen Blut- entzug am Anfang der Beobachtung über den Kochsälzgehalt des Serums (und sein 7) zu orientieren. e) Serumanalyse vor und nach der Beobachtung. Die Tiere vertrugen die Blutentnahme am Anfang des Versuches auffallend gut, offenbar weil die Eingabe der hypertonischen Koch- salzlösung zu einer gewissen Plethora geführt hatte. Ja, es war in technischer Beziehung nur von Vorteil, wenn anfangs etwas weniger Harn, der konzentrierter war, floss als später, damit die Zahlenwerte, die zum Ausgang der Berechnung dienten, möglichst verschiedene waren. Versuch 17. Kaninchen d, 1600 g; 150 ccm 3/oiges NaCl 1 Stunde und 45 Minuten vor der ersten Ablesung in den Magen. 2 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. (Kurve 9, siehe S. 498.) NaCl Harn ccm A 0/0 g | Bemerkungen 22 cem Blut aus der Karotis. 90 — _ _ _ Serum: 4 —= —0,69°; NaCl = 0,78 %/o um SOUIOT = = ah 2,16 0,00 562 = fe [e=) oO SOooooooo2oo2_Q2 498 Ernst Frey: | Bemerkungen NaCl 8 Olg Er oT = — 1,60°: | 1,94 0,01 159 2 us ROT 2 A In 00 © 1,78 0,01 780 0. SWODID UDO Jr 2 Ne) [e}) HHHmmbmseroHoooo — 19322 1,63 | 0,02249 III Bl Lo 0,02 355 Verblutet. Serum: 41 = 0,72%; NaCl = 0,78%) = } Kurve 9. Während der Beobachtung der Harnabsonderung war der Koch- salzgehalt des Serums konstant geblieben, betrug 0,78°/o. : Es fehlte also ein Anwachsen während dieser Zeit, d. h. es steigt anfangs der Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 499 Kochsalzgehalt schnell auf ein höheres Niveau über die Norm, um dann gleichzubleiben. Wenn das auch in den vorigen beiden Ver- suchen der Fall war, so finden die drei abweichenden Werte ihre einfache Erklärung. Die Übereinstimmung in diesem Versuch 17 war eine gute, und immer lagen die verrechneten Werte etwas höher (0,85 /o; 0,86 0; 0,850; 0,870; 0,870) als der gefundene Serumwert von 0,78°%o. Der Grund für dieses etwas Höherliegen der errechneten Werte ist die Art der Berechnung aus der Gefrier- punktserniedrigung, bei welcher die wechselnde Dissoziation von Salzen bei verschiedener Konzentration eine Rolle spielt, was uns weiter unten noch beschäftigen wird. Versuch 18. Kaninchen ?, 1700 g; 1 Stunde 50 Minuten vor der Blutentnahme 150 ccm 3°/oige NaCl-Lösung in den Magen; dann 3 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. .Harnmenge und Gramm NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten (Kurve 10, S. 500). ’ Blut- Harn Bemerkungen NaCl 8 20 cem Blut aus der Karotis 5 Min. vor der ersten Ablesung. Serum: 1 —= —.0,65°; NaCl=0,725 %/o Ne) jet Or | | | | sung = — 1,26° 1,56 0,006 08 [Si = SORROMWDDDW or - . — 1,279 1,28 0,010 56 rar = — 1,32° 1,28 0,010 24 er | | — 1,25 1,30 0,009 75 er “00 nm m -1 00 0 %D Ur 902 *II 9AIny u), Ar 7. Die Rückresorption von: Wasser in den Harnkanälchen etc. 503 dieser Voraussetzung den Kochsalzgehalt des Serums aus dem Harn berechnet, so stimmen diese Zahlen mit den tatsächlich ermittelten überein. III. Übereinstimmung der errechneten und gefundenen Werte. ‘Aus den Kurven geht wohl am besten hervor, dass die Über- einstimmung der errechneten Werte mit den aus der Analyse des Serums gefolgerten eine sehr grosse ist. Vielleicht fällt es aber trotz dieser Übereinstimmung auf, dass fast alle aus dem Harn er- rechneten Werte für den Kochsalzgehalt des Serums etwas höher liegen als die durch Interpolation ermittelten, dass also in Prozenten ausgedrückt aus dem Harn für das Blut 105—110° errechnet wurden statt 100°%o. Wenn es Analysenfehler wären, so müssten manchmal auch Werte von 95 °o errechnet werden, was höchst selten der Fall ist. Es handelt sich also dabei nicht um Unstimmigkeiten schlechtweg, sondern es muss ein Grund vorhanden sein, warum die aus dem Harn errechneten Werte für den Kochsalzgehalt des Blutes gewöhnlich etwas höher liegen als die wirklich im Serum ermittelten. Dabei ist zunächst zu bemerken, dass nur solche Serumanalysen verwendet wurden, in denen alles und jedes Verpuffen bei der Ver- aschung unterblieb, was nur bei ganz vorsichtigem, allmählichem Er- wärmen (doppeltes Drahtnetz, Dauer 2 Stunden) zu erreichen ist. Durch das Verpuffen des Serums entstanden beträchtliche Verluste, während der Harn immer ruhig schmolz. Da sieh aber das Ver- puffen vermeiden liess, so kann dies nicht die Ursache der zu niedrigen Werte der Serumanalyse sein. Wenn das Serum etwas gefärbt ist, so könnten die beigemengten Blutkörperchen den Cl- Gehalt etwas herabgedrückt haben. Gross kann aber dieser Fehler nicht sein, weil das Serum meist ganz klar war. Die angeführte Differenz liegt vielmehr in der Art der Ermittlung der Gesamt- konzentration. Diese wurde durch Feststellung der Gefrierpunkts- erniedrigung bestimmt, ein Verfahren, das bei einigermaassen richtiger Handhabung in Doppelbestimmungen für unsere Zwecke absolut zuverlässige Werte gibt. Die Werte für die Gesamtkonzentration als solche sind also richtig, aber der Vergleich der verschiedenen Gefrierpunkte ist nicht ganz streng. Wegen der verschiedenen Dissoziation der Salze in verschieden konzentrierten Lösungen ge- friert eine doppelt so konzentrierte NaCl-Lösung nicht doppelt so tief als eine halb so konzentrierte. Das sind ja bekannte Dinge, 904 Ernst Frey: die sich leicht rechnerisch sowohl wie praktisch ermitteln lassen. Ermittelt man z.B. die Gefrierpunktserniedrigung einer 2/oigen Na0Cl-Lösung direkt und berechnet dann dieselbe aus dem Gefrier- punkt der 1°/oigen Lösung durch Multiplikation mit 2, so erhält man im zweiten Fall etwa 105°/o des ersten Wertes. Bestimmt man jetzt nicht durch Rechnung, sondern durch Verdünnen einer Harnportion auf das Doppelte die beiden Gefrierpunkte, erst des Harnes und dann der Verdünnung, so erhält man im konkreten Fall — 0,99% und — 0,54°, also — 0,99° gegen — 1,08°, d. h. ca. 108—109°o. Es erscheinen also die dünneren Lösungen konzen- trierter, die konzentrierten dünner. Mit andern Worten, die Gesamt- konzentration des Harnes — der konzentrierten Lösung — müsste also höher angesetzt werden, wenn man sie mit der dünnen Lösung — dem Blutserum — vergleicht. Daraus folgt, dass der Kochsalz- gehalt des Serums aus dem Harn berechnet höher erscheint, als er im Serum wirklich ist, weil die Gefrierpunktserniedrigung des Harnes, die eigentlich höher angesetzt werden müsste, bei der Be- rechnung in den Nenner kommt. Dies ist der Grund, warum fast immer der Kochsalzgehalt aus dem Harn berechnet höher liegt als der im Serum ermittelte '). Sodann muss man bedenken,, dass immer sechs Bestimmungen notwendig sind, um einen Wert zu liefern: die beiden Analysen des Harnes auf seinen Gefrierpunkt und NaCl-Gehalt und die des Blutes am Anfang und am Schluss. Und wenn am Anfang das Blutserum als normal betrachtet wurde, so können sich darin noch Abweich- ungen vorfinden. Endlich ist zu bedenken, dass der Kochsalzgehalt des Serums nur ein „dynamisches Gleichgewicht“ darstellt, indem immerfort Kochsalz resorbiert und wieder an die Gewebe abgegeben wird, so dass darin tatsächliche Schwankungen vorkommen müssen. Aus allen diesen Gründen wird man die Anforderungen an die Über- einstimmungen nicht zu hoch spannen dürfen und Befunde von 90 bis 110% als sehr gut, etwas weiter immer noch als stimmend an- sehen müssen. Bei der folgenden Zusammenstellung fallen drei Werte aus dem Rahmen heraus. Ich habe schon oben erwähnt, dass dies nur schein- 1) Es werden nicht etwa nur 90°%o der gelösten Serumbestandteile filtriert, wie man meinen könnte, sondern 100%; auf der Höhe der Salzdiurese ist 4A Harn = 4 Blut. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 505 bar der Fall ist, weil angenommen wurde, dass das Serum gleich- mässig bis zum Schluss an Kochsalz zunimmt, eine Annahme, die nicht in jedem Fall zutreffen kann. Diese abweichenden Werte sind beidemal am Anfang ermittelt worden, ‚also durch die längste Zeit von der Serumanalyse getrennt. Die folgenden Werte stimmen dann immer besser mit den aus dem Blutbefund gefolgerten überein, je näher sie zeitlich der Blutanalyse liegen. Daraus kann man wohl mit Recht schliessen, dass das Serum in diesen Versuchen nicht gleichmässig an Kochsalz zunahm. Dass bei dieser Versuchsanord- nung tatsächlich die Zunahme des Kochsalzes im Serum nicht gleich- mässig verläuft, haben die letzten Versuche ergeben. Nur wenn man überhaupt durch Rechnung die Übereinstimmung erweisen wollte, müsste man irgendwelche Annahmen für die Rechnung machen, da nicht jeder Harnzahl eine Serumanalyse gegenübergestellt werden konnte. Hauptsächlich ist aber darauf Gewicht zu legen, dass die zeitlich nahe aneinander liegenden Bestimmungen ausnahms- los stimmende Werte liefern, dass also Stichproben die Richtigkeit der Rechnung ergeben. Ich habe in der folgenden Tabelle die Werte zusammengestellt, die sich direkt aus den Bestimmungen ergeben; das sind einmal die Prozente Kochsalz im Harn und die Gefrierpunktsbestimmungen des- selben. Ferner wurde als gefunden der Gefrierpunkt und der Koch- salzgehalt des Serums eingetragen; aber diese letzten beiden Zahlen sind durch Interpolation zwischen gefundenen ermittelt, stellen also selbst nicht Analysenergebnisse dar. Diese Interpolation scheint nun nicht in allen Fällen zulässig zu sein; daher fallen drei Werte, wie schon öfters erwähnt, aus dem Rahmen der übrigen. Die Berechnung des Prozentgehaltes des Serums und Harnes geschah durch Multiplizieren mit dem Verhältnis der Gefrierpunkte; zur Ermittlung des Kochsalzgehaltes des Serums aus dem Harn wurde der des Harnes mit dem Gefrierpunkt des Serums multi- pliziert und durch den des Harnes dividiert; zur Ermittlung des Kochsalzgehaltes des Harnes aus dem Serum wurde der Kochsalz- gehalt des Blutes mit dem Gefrierpunkt des Harnes multipliziert und durch den des Serums dividiert. Zur Feststellung der Einengung des Glomerulusfiltrates wurden einmal die Kochsalzgehalte von Harn und Serum benutzt, das andere Mal die beiden Gefrierpunkte. Schliesslich wurde die Übereinstimmung der gefundenen und be- rechneten Werte in Prozenten ausgedrückt. 506 Ernst Frey: Alle Werte wurden von 5 ecem Flüssigkeit ermittelt und für 100 eem umgerechnet, so dass die Abweichungen natürlich ebenfalls erösser erschienen als die absoluten Fehler. Diese Tabelle soll zum Vergleich der Übereinstimmung der errechneten mit den gefundenen Zahlen dienen; es ist also z. B. °/o NaCl im Serum gefunden mit °o NaCl im Serum berechnet zu vergleichen; ferner soll sie die Übereinstimmung der Einengung des Glomerulusfiltrats nach dem NaCl-Gehalt einerseits und nach dem 4 andererseits zeigen. Dass dabei die eine Rubrik von Zahlen durchschnittlich etwas höher liegt als die andere, ist, wie schon er- wähnt, auf die verschiedene Dissoziation der Salze in verschiedene Konzentrationen zurückzuführen, was sich zwar beim Vergleich der Gefrierpunkte bemerkbar macht, nieht aber bei der Bestimmung des Chlorgehaltes der Flüssigkeiten. Die durchschnittliche Übereinstimmung beträgt 105,9 0/0 oder umgekehrt gerechnet 94,4%. Die einzelnen Werte weichen in den 67 Fällen nur dreimal von diesen Durchschnittszahlen nennens- wert ab. (Siehe die Tabelle S. 507 ft.) Es geht wohl aus dieser Tabelle mit Sicherheit hervor, dass, soweit sich bei physiologischen Vorgängen Gesetzmässiekeiten über- haupt erweisen lassen, die verlangte Gesetzmässigkeit erfüllt ist. Es findet also die Einengung des Harnes durch Rückresorption von Wasser in dem Ausmaass statt, wie seinem Gefrierpunkt entspricht. Bei grossem Kochsalzreichtum des Tieres ist der Harn mit Rück- sieht auf seinen Kochsalzgehalt ein bis zum 7 des Harneseingeenetes Serumfiltrat. Mit anderen Worten: Ist der Harn doppelt so konzentriert als das Serum am 4 gemessen, so enthält er auch doppelt so vielKoch- salz als dieses. Oder berechnet man nach dem Kochsalz- gehalt bei maximaler Kochsalzausscheidung, wieviel Prozent desGlomerulusfiltrateszurückresorbiert wordensind, so ergibt diese Rechnung die gleichen Werte, wie sie die Be- trachtung der Gefrierpunktserniedrigung ergibt. Diese Übereinstimmungen sind keineswegs zufälliger Natur, sondern schon kleine Abweichungen der Analysenwerte würden zu gänzlich anderen Resultaten führen. Wir werden später sehen, dass bei anderen Stoffen, welche nicht durch Filtration in den Harn gelangen, der- 507 Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. ‘op sol 69°0 iz! ‚op sol 89°0 yI ‚op OIT 890 vI ‚op ell 290 YI ‚op 91 990 rl ns YIl 990 rL oskjeurwnıag ssajyag we MN O1 gg FI op
    D 510 -Ernst Frey: artige Rechnungen so augenfällige Abweichuneen zeigen, dass es eänzlich ausgeschlossen ist, dass etwa Sekretionsvorgänge in den Harnkanälchen ein solches gesetzmässiges Verhalten der Anteichenung eines filtrierten Stoffes vortäuschen könnten. Durch diese Übereinstimmung .der Einengung des Glomerulusfiltrates durch Wasserrückresorption nach dem Gefrierpunkt berechnet und nach dem Kochsalz- sehalt berechnet, ist aber der quantitative Beweis für die Filtration erbracht, während die vorhergehende Ar- beit den qualitativen Beweis der Filtration darstellt. Es hat sich also die Richtigkeit der Vorstellung von der Harnabsonderung, die ich auf Grund der leichter zu übersehenden physikalischen Grössen früher aussprach, durch die chemische Untersuchung des Harnes er- weisen lassen. Im Glomerulus findet eine Filtration statt; dieses Filtrat wird entweder durch Wasserrückresorption eingeengt, wie es für gewöhnlich der Fall ist, oder durch Wasserdazusezernieren verdünnt. Dass man dabei als treibende Kraft die Druckverhältnisse im Innern der Harnkanälchen und in den sie umspinnenden Kapillaren annehmen kann, habe ich früher durch Messung des Ureterendruckes wahrscheinlich gemacht. Es würde danach einmal auf dem provi- sorischen Harn im Harnkanälchen ein grösserer Druck liegen, der Wasser zurück ins Blut triebe, das andere Mal ein erösserer Druck aussen zur Sekretion von Wasser nötigen, eine Anschauung, welche auch Hans Meyer!) an der Hand eines übersichtlichen Schemas vertritt: „Übrigens kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die von der Vasa affer. der Art. ren. versorgten Kapillarsysteme der Glomeruli und die von der Vasa effer. und den Arteriol. recti ge- speisten Tubulikapillaren zueinander in einem gewissen Antagonismus stehen können; wenn sich die Vasa affer. erweitern, die Vasa effer. und eventuell die Arteriol. recti sich kontrahieren, so wird der Druck und Strom im Glomerulus stark, in den Tubuluskapillaren relativ schwach sein und umgekehrt; und je nachdem könnte die „Filtration* in der Glomeruli oder die „Sekretion“ in der Tubuli vorherrschen.“ | Durch den quantitativen Nachweis der Grösse der Filtration und Rückresorption haben wohl aber unsere Vorstellungen von der 1) Meyer und Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie S. 296. Urban & Schwarzenberg, 1910. Die Rückresorption von Wasser in den Harnkanälchen etc. 51l Harnbereitung eine festere Grundlage gewonnen. Es ergeben sich daraus neue Fragestellungen, die sich experimentell beantworten lassen, wie im folgenden gezeigt werden wird. Wir werden sehen, dass die Sekretionsvorgänge dabei keineswegs zu kurz kommen, und dass im chemischen Sinne die Harnbereitung hauptsächlich durch Sekretion im Harnkanälchen vor sich geht. Zugleich aber haben diese Versuche gezeigt, dass die Aus- scheidung von Koehsalz lediglich durch Filtration vor sich geht, und dass auch bei extrem mit Kochsalz angereicherten Tieren eine Sekretion von Kochsalz im Tubulus nicht stattfindet. Die Anreicherung von Kochsalz im Harn beruht nur auf dem Wasser- verlust des Glomerulusfiltrates durch Rückresorption. Man könnte nun glauben, dass sich auch andere Salze so verhalten. Dem ist jedoch nicht so. Wenn man von Bromid absieht, dass wie Chlorid von der Niere ausgeschieden wird, ist Kochsalz der einzige Stoff, welcherlediglichdurchFiltrationausgeschieden wird. 512 Ernst Frey: (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena.) Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat werden durch Sekretion in den Harnkanälchen ausgeschieden. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. X. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. 1.: Die Ausscheidung der Jodide. Es gibt, wie wir sahen, einen einfachen Weg, zu entscheiden, ob ein Stoff durch Filtration oder durch Sekretion ausgeschieden wird: Entspricht seine Konzentration im Harn einem bis zum Ge- frierpunkt des Harnes eingeengten Blutserum (oder liegt sie darunter), so wird er durch Filtration ausgeschieden, ist sie höher, so müssen an seiner Anreicherung Sekretionsprozesse in den Harnkanälchen beteiligt sein. Häufig werden sich vielleicht beide Vorgänge an seiner Ausscheidung beteiligen. Diese Frage werden die folgenden Versuche behandeln, die sich mit der Ausscheidung der Jodide be- schäftigen. Wenn wir sehen, dass auf der Höhe der Salzdiurese der Harn ein Blutfiltrat hinsichtlich des Gefrierpunktes, des Chlorgehaltes und auch eines eventuell vorhandenen Bromgehaltes ist!) und der Durch- tritt von Zucker im Glomerulus nachgewiesen ist [Nishi?)], so müssen die anderen Partialkonzentrationen in Harn und Serum ebenfalls ungefähr gleich sein, da es ja auch ihre Summe (7) ist. Kleine Abweichungen, die auf eine auch bei grossen Diuresen noch bestehende Tätigkeit der Epithelien hinweisen, die das reichliche Glomerulusfiltrat noch etwas modifiziert, sollen später besprochen 1) Frey, Die Ursache der Bromretention. Ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd.8. 1910. 2) Nishi, Über die Rückresorption von Zucker in der Niere. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 62 S. 329. 1910. | Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 513 ‘werden. Daher ist anzunehmen, dass auch im Serum frei gelöste Judide filtriert werden. Wenn wir auf der anderen Seite sehen werden, dass Jod durch einen Sekretionsprozess ausgeschieden wird, dass also die Niere fähig ist, aus einer ganz dünnen Jodidlösung, dem Serum, einen Harn mit hoher Jodidkonzentration zu machen, so können wir leicht die Fälle, in denen mehr die Filtration, und diejenigen, in denen mehr die Sekretion von Jodsalzen vorherrscht, voneinander trennen. Wenn wir eine Coffein- und Salzdiurese an- regen, So tritt ja naturgemäss bei diesen Glomerulusdiuresen die das Blutfiltrat modifizierende Tätigkeit der Harnkanälchen in den Hintergrund; hier herrscht also die Filtration vor. Bei konzen- ‚triertem, spärlichem Harn dagegen steht die Tätigkeit der Harn- kanälchen, also die Sekretion im Vordergrund. Aber noch ein zweiter Punkt kommt in Betracht: die Konzentration der Jodide im Serum. Denn wenn sehr wenig Jodid im Blut sich befindet, so kann auch nur wenig durch den Glomerulus in den Harn über- treten; dann muss, wenn reichlich Jodid im Harn sich findet, der Unterschied der Konzentrationen im Harn und Serum am deut- lichsten sein. Ist dagegen sehr viel Jodid im Serum, so wird schon der filtrierte Anteil sehr gross sein, so dass die durch Sekretion ge- lieferte Menge verhältnismässig gering erscheint. Auf diese Punkte wird also besonders zu achten sein. Im Gegensatz zu dem langen Verweilen von Bromid im Serum, das darauf zurückzuführen ist, dass die Niere nicht auswählend Bromid ausscheidet, sondern keinen Unterschied zwischen Bromid und Chlorid macht, sehen wir die Jodidausscheidung sehr prompt verlaufen. Während wir nach einer intravenösen Injektion von 2g - Bromnatrium noch 14 Tage und länger Bromnatrium im Blut und Harn des Tieres fanden, war bei einem männlichen Kaninchen von 1700 g schon 18 Stunden nach der intravenösen Zufuhr von 2 g Jodnatrium im Serum und im Harn Jod nur in gerade noch er- kennbaren Spuren vorhanden!). Es mussten also die Versuche 1) In den kleinen Flüssigkeitsmengen; siehe darüber Jenny, Über die Be- einflussung der Jodkaliumausscheidung durch Diuretika nebst Untersuchungen über die Ausscheidung der Nephritiken. Inaug.-Diss. Bern 1904. — Ferner: Anten, Über den Verlauf der Ausscheidung des Jodkaliums im menschlichen Harn. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 48 S. 331. 1902. — Heffter, .Die Aus- scheidung körperfremder Substanzen im Harn. Ergebn. d. Physiol., 2. Jahrg., =299. 1902. \ - 514 Ernst Frey: kurze Zeit nach der Jodzufuhr vorgenommen werden. Diese letztere geschah stets intravenös, um die wechselnden Bedingungen der Resorption auszuschliessen. : Dabei wurde zur Jodbestimmung der Harn oder das Serum unter Zusatz von NaOH (e Natrio metallico) getrocknet, mit KNO, geschmolzen, in Wasser gelöst und .das Jod kolorimetrisch durch Ausschütteln mit Schwefelkohlenstoft unter Zusatz von NaNO, und H3SO, in der Weise bestimmt, dass in einem anderen gleich weiten Zylinder dieselbe Menge Schwefelkohlenstoff mit einem annähernd gleichen Wasserquantum in Berührung gebracht wurde, zu welchem aus einer Bürette eine 0;1 %oo ige NaJ-Lösung so lange zutropft, bis nach dem Schütteln die Farbe beider Proben gleich war. Die Chloride wurden als Differenz der Gesamt- halogene minus NaJ unter Zugrundelegung molekularer Verhältnisse berechnet. Versuch 1. Kaninchen -/, 1500 g; 1,4 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harn- menge ‚und Gramm NaJ und NaCl einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- ° Harn NaJ NaCl druck |— Bemerkungen: mm Hg | ccm a % g 0/0 g 0 | — _ = — _ — of je 110 35 20 Sn 10% iges NaJ 2 an 1 1 4 4.07 in die V. jugul. 108 4,55 N 0,81° | 0,748 | 0,030 11 | 0,8466 | 0,034 0 J ln \ 0,790 | 0,752 | 0,01955 | 0,6854 | 0,017 s2 , 88 1,15 8 | 10 &6 | 08 || 0,850 | 0,736 | 0,006 25 | 0,8350 | 0,007.09 34 0,65 „od » D i ) ’ 80 0,9 2 1086 70:1) | 0,25 9 ccm 5%oiges Koft. natrio-salicyl. in die 31 12 — 0,75° | 0,544 | 0,013 12 | 0,6365 | 0,011.84 Vena jugularis 18 4,15 Verblutet. Serum: 1= 068% Na 0,308%0; NaCl = 0,5671 0. Nach der Injektion einer 10°/oigen NaJ-Lösung tritt eine kurz- dauernde Salzdiurese auf; aber der Harn behält seine niedrige Konzentration auch später noch bei, so dass die zum Schluss ein- geleitete Coffeindiurese die Gefrierpunktserniedrigung nur mässig herabdrückt. Die Jodkonzentration nimmt im Harn allmählich ab. Das Serum des Tieres enthielt am Schluss des Versuches 0,30 °/o NaJ. Würde NaJ nur durch Filtration ausgeschieden und durch Wasser- 1) Während der Injektion Senkung bis 40 mm. Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 515 rückresorption im Harn angereichert, so kann man die Blutkonzen- tration berechnen, indem man die Prozente NaJ im Harn mit dem Gefrierpunkt des Bluts multipliziert und durch den des Harns dividiert. Es ergeben sich dann unter Zugrundelegen des am Sehluss ermittelten 7/ des Serums von 0,68° folgende Zahlen für den NaJ-Gehalt des Serums: 0,62%, 0,64%, 0,580, 0,49 %)o; Zahlen, welche bei Eintragen in eine Kurve allmählich nach dem am Schluss ermittelten NaJ-Gehalt des Serums abfallen. Nur am Anfang liegen die Werte etwas niedriger, offenbar, weil der wahre Gefrierpunkt des Serums kurz nach der Injektion der konzentrierten NaJ-Lösung in der Vene noch tiefer lag als am Schluss des Ver- suches. Dies bedeutet aber, dass die Rechnung dann annähernd richtige Werte liefert, wenn man annimmt, dass NaJ nur durch Filtration ausgeschieden wird. Es scheint also kurz nach der In- jektion grosser Mengen NaJ, wo längere Zeit eine leichte Salz- diurese besteht, die Sekretion an NaJ in den Hintergrund zu treten und die Ausscheidung dieses Körpers fast ausschliesslich durch Filtration vor sich zu gehen. Versuch 2. Kaninchen d, 1550 g; 3 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harn- menge und Gramm Na) einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Harn NaJ Bemerkungen jean [=] [00] 5 | I “. 200 cem 2,2% NaI-(1 — — 076° ar = —. 0,580) in der V. jugul. —. 0,660 ER & —0,66° | 1,41 | 0,0260 } } | — 0,66° 1,4 0,0287 oT er Er 27 ccm Blut aus der Karotis. Serum: 1 = — (0,61°, NaJ — 0,84%. [ou _ > — 0,66° 1,37 0,0120 Der - oroar OUITOT — 0,66° 1,27 0,0214 Ho PBOoOSslwmorp So Sn oHurn 1 Br HHrHrrmrRrRrRHDDHRDTEHO© —0,67°.| 1,28 \- 0,0157 = Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 35 916 Ernst Frey: Bemerkungen Harn | Na) ou — .0,66° 1,45 0,0159 2 oT oT Tracheotomie = —0,867° | 142 | 0,0129 ION = —0,64° | 1,0 0,007 sun : & 5 ccm 9/0 Coff. Na’ salicyl. \ 066° | 0,82 | 0,0075 in die V. jugul. Ss — 0,67° 0,65 0,0045 = Er oceococoHosocoocHHosoosHoosoHH TU NODAUN POT OSORo: HH nnwmmo Verblutet. Serum: 1 = —0,65°, NaJ —= 0,44%. = In diesem Versuch wurde 5 Minuten nach Schluss einer Infusion von viel isotonischer NaJ-Lösung eine Blutprobe aus der Karotis entnommen und eine NaJ-Bestimmung gemacht, welche im Serum 0,84°/o NaJ ergab. Am Schluss des Versuches war der NaJ -Gehalt des Serums auf die Hälfte, auf 0,44%, gesunken. Trotzdem auch hier während des ganzen Versuches die Gefrierpunkte des Harnes ungefähr dem des Serums entsprachen, also eine Salzdiurese be- stand, lagen die NaJ-Prozente im Harn dauernd höher als im Serum. Wir wissen ja, dass eine Salzdiurese sehr schnell auf die Höhe kommt, dass der Gefrierpunkt des Harnes gleich dem des Serums wird, dass also die Rückresorption von Wasser aufhört, dass aber der „Gipfel“ der Salzdiurese, wo ein reines Blutfiltrat zur Abscheidung kommt, erst bei sehr grossen Harnmengen erreicht wird. Wir müssen aus diesem Versuch schliessen, dass NaJ nur zum Teil durch Filtration ausgeschieden wird, und dass auch Sekretionsprozesse in den Harnkanälchen daran beteiligt sein müssen. Versuch 3. Kaninchen &, 1600 s; 3 g Urethan, intravenös. Ablesungen alle 5 Minuten. Harnmenge und Gramm JNa einer Niere in 5 Minuten. Blutentnahme aus der Karotis. Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 517 Blut- Harn NaJ druck Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g 91 = —_ —_ 90 0,25 — — — 93 2,45 — 1,320 — —_ 50 ccm 2,1oiges NaJ (4 = — 0,58°) in der V. jug. 90 3,05 — 0,93° 0,95 0,0281 | Blutentnahme von 6ccm.Serum: 94 11 — 1,10° 1,30 0,0195 A 0 0HNa) 0150289 90 1. — 1,14 1,57 0,0188 90 1,25 — 1,25 1,60 0,0200 88 0,95 4 ee \ 142° | 1,20 | 0,0114 92 1,05 RE 90 0,9 | 1,35 >) DEN 94 0,8 RB 95 083 1,41° 1,70 0,0093 96 0,7 sch en. \ 142° | 1,77 | 00115 96 0,6 ER a eos \ 145° | 1,57 | 0,0094 94 0,65 94 0,25 — 1,53 1,68 0,0068 94 0,4 90 VEN : 89 0,3 89 0,3 -— 1,629 1,94 0,0064 92 0,4 5 ccm 5°%o Coff. natrio-salicyl. 94 4,35 — 0,91 0,52 0,0226 in die V. jugul. (Blutdruck 89 5,3 — 0,30 0,0159 bis 35. 54 32 — 0,850 0,32 0,0102. 80 2,9 — 0,90° 0,30 0,0087 8 2,45 — 0,929 0,29 |. 0,0071 | Verblutet. Serum: 7=—.0,61°; a NaJ = 0,087 %0 Der Unterschied gegen den vorigen Versuch besteht darin, dass eine geringere NaJ-Gabe in Form des isotonischen. Einlaufes ge- geben wurde, so dass im Serum geringere Mengen NaJ enthalten sind und daher auch nicht so grosse Mengen durch Filtration in den Harn gelangen können. Die Konzentration an NaJ im Serum sank von 0,37 °/o auf 0,08°/o während des Versuches. Die Prozente an Jodnatrium im Harn liegen sämtlich bei weitem höher als einem bis zum 4 des Harnes eingeengten Blutfiltrat entsprechen würde; der grösste Teil des NaJ ist durch Sekretion der Harnkanälchen ausgeschieden worden. Natürlich sind die Anteile der Filtration und Sekretion verschieden. Kurz vor der Coffeininjektion, wo der Harn konzentriert ist (4— -—-1,62°), würde ungefähr eine Konzen- tration von 0,3°o NaJ im Harn der durch Filtration gelieferten Menge entsprechen (auf ca. !/s eingeengtes ca. 0,1% NaJ ent- haltendes Serum), dagegen enthält der Harn 1,9%0 NaJ; es ist also 39* 518 Ernst Frey: die Differenz von 1,6% NaJ im Harn durch Sekretion dazu- gekommen. Es verhalten sich also die filtrierten zu den sezernierten Jodmengen wie 1 zu 5 bis 6. Auf der Höhe der Coffeindiurese dagegen entfallen ungefähr ?/s vom NaJ auf die Sekretion, "/s auf die Filtration, es verhält sich während der Coffeinwirkung also filtriertes Jod zu sezerniertem wie 1:2. Es macht sich also während der Coffeindiurese die Filtration stärker bemerkbar als vorher, wenn auch die Sekretion von NaJ noch überwiegt. Aber das wissen wir ja schon aus den früheren Versuchen, dass bei den Diuresen durch Coffein die filtrierende Tätigkeit der Niere zunimmt und infolgedessen die sezernierende zurücktritt; denn Coffein regt eine erhöhte Tätigkeit des Glomerulus an, indem es die Gefässe daselbst erweitert. Es wird also die Sekretion von NaJ immer deutlicher, wenn wenig NaJ im Serum gelöst ist, und wenn eine Diurese nicht angeregt wird. Man kann daraus wohl mit Recht schliessen, dass das beim Meschen medikamentös zugeführte Jodnatrium fast ausschliesslich durch Sekretion in den Harn gelangt. Versuch 4. Kaninchen $, 1300 g; 1,3 g Urethan, intravenös. Vor 4 Stunden 20 ccm 10°%%oiges NaJ in die Ohrvene. 58 ccm Harn in 4 Stunden: 1 —= — 0,9 °. NaJ — 0,2150. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm NaJ einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- Harn NaJ druck Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g 100 — _ — _ 5 Min. vorher: 3 cem Blut aus der Karotis (Serum — 100 Vz 2 ccm). Serum: NaJ = 100 | 0,05 0,033 0/0 102 0,0 104 0,05 104 0,05 104 0,05 110 0,05 112 0,05 112 0,05 106 0,05 110 0,05 I 0,05 6 0,05 a 0 104 0.05 1,19 0,194 0,000 182 102 0,1 102 0,15 102 0,1 102 0,15 Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 519 Blut- Harn NaJ druck Bemerkungen mmHg| ccm a 0/0 g 102 0,15 102 0,2 102 0,15 102 0,1 102 0,15 102 0,15 102 0,2 100 0,15 Verblutet. Serum: 1 = —0,63°; NaJ — 0,0342 %/0 Hier waren geringere Mengen von Jod im Serum, da die Injektion schon vor 4 Stunden vorgenommen worden war. Der NaJ-Gehalt des Serums hat während des Versuches nicht nach- weisbar abgenommen. Der Harn ist doppelt so konzentriert als das Serum, enthält aber sechsmal so viel NaJ; es ist also auch hier das Jodnatrium zum überwiegenden Teil durch Sekretion zur Aus- scheidung gelangt. Versuch 5. Kaninchen Z, 1600 g; 2 g Urethan, intravenös und gleichzeitig. 5 ccm 10°%o iges JNa. Direkt vor der ersten Ablesung Blutentnahme von 5 ccm Serum = 1 = —0,71°, NaJ = 0,083°0. DBlasenkanüle. Ablesungen alle 5 Minuten. Harnmenge und Gramm NaJ einer Niere in 5 Minuten. Blut- Harn NaJ druck —— Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g m [e=) [or) | = BE 3 ccm 5 /oiges Coff. natrio- salicyl. in die Vena jug. —.0,72 9 0,160 0,0027 (Senkung bis 60 mm Hg) —0,70° | 0,126 0,0039 0,132 0,0029 —0,714° | 0,172 0,0034 —0,80° | 0,162 0,0028 —0,32° | 0,172 0,0021 \ 0850 0,160 | 00011 . OUT [11 | = -1 DD o _ PUVPpoProsonuısımdaonmdun oo oa = — 0,84 0,185 0,0016 — 0,80 ° 0,205 0,0028 — 0,86 ° 0,206 0,0032 — 0.79 0,163 0,0023 . — 0,79 ° 0,190 0,0024 — 0,81° 0,190 0,0028 — 0,80 ° 0,200 0,0028 Verblutet. Serum = 4 = — 0,68°; NaJ = 0,046 /0 TOT SS TEENS WUSSTE SS TEE a ElSs oT (0.6) D HHHrHmrmHoooocHH-Dpwom oo > 520 Ernst Frey: Auch in diesem Versuch überzeugt man sich leicht, dass der Harn, der dauernd nur ein wenig konzentrierter war als das Serum (4 von — 0,71° bis — 0,68°), dauernd ca. doppelt so viel NaJ enthielt als das Serum, dessen NaJ-Gehalt von 0,088 %/o auf 0,096 °/o während des Versuches sank. | Im Gegensatz zu den Chloriden und Bromiden werden die Jodide in einer Konzentration ausge- schieden, welche höher liegt, als einem bis zum 4 des Harnes eingeengten Blutfiltrat entspricht; es müssen also Sekretionsprozesse an der Anreicherung des Harnes an Jodiden beteiligt sein. Bringt man grosse Mengen Jodnatrium in das Serum, so wird oft ein erheblicher Teil filtriert, besonders wenn gleich- zeitig eine Glomerulusdiurese besteht, welche ja die Filtrationsprozesse in den Vordergrund rückt. Bei seringer Harnmenge und geringem Jodgehalt des Blutes ist aber die Ausscheidung der Jodide ein fast reiner Sekretionsprozess. Ebenso werden bei medika- mentös gereichten Jodsalzen die Jodide durch eine Sekretion der Harnkanälchen ausgeschieden. II. Die Ausscheidung der Nitrate.. In ähnlicher Weise wie die Aussebeidung der Jodide verläuft auch die der Nitrate. Ich bestimmte wieder nach einer anfänglichen intravenösen Gabe von Natriumnitrat die Konzentration dieser Substanz im Serum des Karotisblutes, dann wurde die Harnabsonde- rung verfolgt und zum Schluss die Tiere aus der Karotis verblutet, um wiederum eine Nitratbestimmung im Serum zu ermöglichen. Zur Nitratbestimmung bediente ich mich der Methode von Schulze, wie sie Fresenius!) beschreibt, der Entwicklung von Stickoxyd durch Eisenchlorür und Salzsäure unter Sauerstoffausschluss und Auffangen des Gases über Natron- lauge. Dabei liess ich nach Luftleerkochen des Kolbens die Eisenchlorürlösung und Salzsäure aus einem hohen Scheidetrichter zutropfen, wie Weyl und Citron?) eine Bürette anwandten. Im einzelnen gestaltete sich das Verfahren folgender- maassen: 5 ccm Harn wurden mit 20 ccm Bleiessig nach Weyl und Meyer?°) 1) Fresenius, Quantitative Analyse. = 2) Weyl und Citron, Über die Nitrate des Tier- und Pflanzenkörpers. Virchow’s Arch. Bd. 101 S. 125. 1885. 3) Weyl und Meyer, Über die Bestimmung der Nitrate im Harn. Pflüger’s Arch. Bd. 36 S. 456. 1888. Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. ByAl versetzt, filtriert, das Filtrat mit Wasser verdünnt, unter Zugabe von Kochsalz (— Glaubersalz erwies sich als nitrathaltig —) aufgekocht, filtriert, das Filtrat im Kolben bis auf ein geringes Volumen eıngekocht. Der Kolben trug dabei einen doppelt durchbohrten Gummistopfen, der einerseits vom Scheidetrichter, anderseits von einem im Niveau des Stopfens endenden Glasrohr durchsetzt wurde, welches in ausgekochte 10 Y/oige Natronlauge mündete. Nach Einkochen der Lösung bis auf einige Kubikzentimeter und völligem Vertreiben der Luft aus dem Kolben, wurde über das aufgebogene Ende der Röhre ein mit 10 %o iger NaOH gefülltes Eudiometer gestülpt und nun unter weiterem Kochen 20 ccm einer gesättigten Eisenchlorürlösung und darauf ca. 10 ccm Salzsäure langsam zutropfen gelassen. Das entstehende Stickoxydgas wurde im Eudiometer auf- gefangen, die Röhre geschüttelt, darauf in üblicher Weise abgelesen uud unter Zugrundelegen des Luftdruckes, der Wasserdampftension und der Temperatur aus dem Gasvolumen der Gehalt an NaNO, berechnet. Der auf diese Weise nach dem Vorgange von Weyl und Meyer behandelte Harn lässt sich ohne Schäumen einkochen. Im Blutserum wurden die Eiweisskörper nach Verdünnen der 5 ccm Serum mit 20 ccm HsO durch Zusatz von 75 ccm Alkohol, den Röhmann!) beim Harn anwandte, gefällt, filtriert, im Filtrat nach Zusatz von etwas Wasser der Alkohol auf dem Wasserbade vertrieben und die Flüssigkeit wie der Harn behandelt, Bleiessig, Kochsalz usw. Die Reagenzien wurden auf Nitratfreiheit geprüft. Beleganalysen: Vorgelegt = 5 cem 1%oiges NaNO,;, analytisch gewogen. Vorgelest Gefunden 0/0 Bemerkungen 0,05 0,0494 98,8 reine Lösung, direkt analysiert, 0,05 0,0498 99,6 5 y n 1 0,05 0,0492 98,4 +1g v +1g(NH,) SO, 0,05 : 0,0433 98,6 im Harn, wie oben behandelt, 0,05 0,0499 99,8 reine Lösung, wie Serum behandelt, 0,05 0,0499 99,8 + 5 cem Kaninchenserum. Versuch 6. Kaninchen 2, 1700 g; 25 ccm 10°%oiges NaNO, und 3,5 g Urethan darin intravenös. Ablesungen alle 5 Minuten. Harnmenge und Gramm NaNO, einer Niere in 5 Minuten. Blut- bsen NaNO, druck f Bemerkungen _ ae f .— er — 0. Blutentnahme 12 ccm. Serum 62 — — —_ — —=A=—= —(,14° "15 Tracheotomie l) Röhmann, Über die Ausscheidung von Salpetersäure und salpetriger Säure. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 5 S. 233. 1881. ’ Ernst Frey: Harn NaNO, Bemerkungen %o @ & B Q ot Orr onpm- [art or = — 1,46° | 1,0325 SUB RUORURTPBRRPOUOPRDRDRUHHMTOH HH [1 Gb Gr OUT oT = ou = 0,7883 ano oT = — 141° | 0,5591 SEI [St DT = ee ee = -1 > SHOooocooooo0o020°02000020O0O0O0O0O02OO0o0oO2O0o0O222 OT — 1,16° | 0,4575 ot = oa - — 1,26° | 0,4792 De = | f | | | sm [eo = > it SOOoOoOooOoo0 oo oo000020 202 Se EN 1 OUOT = | 0,001 776 0,00 3098 0,002 108 a ccm 5°/0 Coff. natrio-salicyl. in die V. jugul. (Senkung bis 32.) 0,004 648 0,000 890 Verblutet. Serum: — 0,76°, NaNO,—0, S713%% In allen Versuchen wurden ziemlich grosse Mengen Nitrat intravenös gegeben. Unter solchen Verhältnissen treten, wie wir bei den Jodiden sahen, die Filtrationsvorgänge auch dann in den Vordergrund, wenn die Stoffe sonst in den Harnkanälchen sezerniert Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 593 werden. Trotzdem werden wir auf die Frage, ob die Nitrate durch Filtration oder Sekretion ausgeschieden werden, eine einwandfreie Antwort erlangen. Wir sehen in diesem Versuch die Prozente der Nitrate allmählich absinken und unter dem Einflusse des Coffeins ausserdem eine Delle nach unten zeigen, wie ja auch der Harn seiner Gesamtkonzentration nach während der Diurese verdünnter war. Berechnet man unter der Annahme, Nitrat werde nur filtriert, die Blutkonzentrationen während des Versuchs, so ergibt sich für das Serum: 0,5304 /o; 0,3942 %0; 0,2973 lo; 0,2958 9/0; 0,2852 /o; also Werte die von oben herab sich der tatsächlich ermittelten End- konzentration von 0,2713°/o NaNO, im Serum nähern. Diese er- rechneten Serumwerte erscheinen also als sehr wahrscheinlich. Leider verunglückte die erste Serumanalyse durch Zurücksteigen der Lauge, was trotz des vorsichtigen Zutropfens manchmal passierte. Ieh entnahm daher später am Anfang des Versuches so viel Blut, dass ich Serum zu zwei Analysen erhielt, die übrigens sehr gut über- einstimmten. Man würde also aus diesem Versuch schliessen können, dass hier NaNO, fast nur durch Filtration ausgeschieden worden ist. Versuch 7. Kaninchen &, 2000 g; 30 ccm 10°oiges NaNO, und 3 g Urethan darin gelöst intravenös. Harnmenge und Gramm NaNO, einer Niere in 5 Minuten. Blut- Harn NaNO, druck Bemerkungen mmHg| ccm A %/o g Blutentnahme 20 ccm. Serum: 40 == — _- — 1 = — (0,10%; NaNO, — 58 0,3 0,3088 %/o a |% 0,7. a8 0.45 — 1,17° | 1,0849 |.0,005 696 82 0,5 84 0,5 86 045 1 88. 0,4 2 2 | 0.35 0 f 86 0.35 — 1,35 1,1348 0,004 326 88 0,35 86 0,35 86 0,55 |). 82° 0,45 |) 86 0,25 524 Ernst Frey: Blut- | Harn NaN0, druck — Bemerkungen mmHg| ccm A %o g = | — 1,48° | 1,1521 | 0,003 906 OXSBEST fo = x IR = \85 ccm. 8P/oiges Coff. natrio- salicyl. in der V. jugul. (keine Senkung des Blut- druckes) Qror = = [311 = SZOSHSHEHr Oo go scho unit ro sus ot SI Sn OK er Auch in diesem Versuch sanken die errechneten Blutkonzen- trationen für NaNO, — falls keine Sekretion von Nitraten statt- findet —, allmählich ab: von 0,6990 °% auf 0,5884 %/o; 0,5449 %o auf 0,3129 0, während der tatsächliche Endwert im Serum 0,2270 /o NaNO, betrug. Trotzdem kann es sich nicht um reine Filtration von NaNO, gehandelt haben, denn die errechneten Serumkonzen- trationen an NaNO, fallen nicht in einen Kurvenzug zwischen den beiden analysierten Serumwerten 0,3088°% und 0,2270°o. Sie liegen am Anfang wesentlich höher. Es ist also wenigstens anfangs zweifellos Nitrat auch durch Sekretion dazugekommen. Wir müssen aus diesem Versuch schliessen, dass Sekretionsprozesse an der An- reicherung von Nitrat im Harn beteiligt sind. Also auch die Aus- scheidung von Nitraten ist wie die der Jodide nicht ein einfacher Filtrationsvorgang. Aber ein Unterschied besteht doch zwischen dem Ausscheidungsmodus beider Substanzen: die Ausscheidung der Jodide durch Sekretion zeigte sich am deutlichsten, wenn wenig Jodid im Serum war, weil dann die absoluten Mengen, die durch er > [0 0) SS oooooooooo oo oo oo oo oo ooQ2gQ —1,16° | 0,5186 | 0,000 734 Verblutet. Serum : 7 = —0,70°. NaN0, — 0,2270% s Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 595 Filtration in den Harn kommen, gering sind. Hier bei den Nitraten sind kurz nach der Injektion die Sekretionsprozesse am lebhaftesten, also nur dann, wenn viel Nitrat im Serum kreist. Das heisst aber: die Niere scheidet nur dann die Nitrate durch Sekretion aus, wenn ihre Konzentration im Serum unerträglich hoch wird, die Jodide dagegen werden immer durch Sekretion eliminiert, nur bei hoher Konzentration von Jodiden im Serum werden sie in erheblicher Menge — wohl wie jeder andere Stoff — filtriert. Mit anderen Worten, Jodid wird von der Niere sehr prompt eliminiert, Nitrat dagegen erst, wenn es in grossen Mengen im Serum ist. Nitrat ist indifferenter für die Niere als Jodid.. Die Ausscheidungsterdenz, wenn man so sagen darf, ist beim Jodid grösser als beim Nitrat, soweit die Sekretionstätigkeit der Harnkanälchen in Frage kommt. Nitrat wird also nicht in lebhafter Weise von den Harnkanälchen ausgeschieden, für sie ist dieser Stoff relativ indifferent, eine Tat- sache, welche auch später noch bestätigt werden wird. (Gegensatz zu Zucker und Glaubersalz). F Versuch 8. .Kaninchen 2, 1950 g; 25 ccm 10 %oiges NaNO, und 2 g Urethan darin gelöst. Harnmerge und Gramm NaNO, einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen c alle 5 Minuten. Blut- Harn NaNO, druck Bemerkungen mmHg| ccm | Ad 0/0 g Blutentnahme 20 Gem. Serum: 1= —0,69°; NaNO, — 0,3650 °/o = = —1,16° | 1,0083 | 0,008 192 UT. = Or = — 1,07° | 0,8195 | 0,005 839 = — 1,14° ? ? (Kolben gesprungen) Pe Se POUND LSOOOAn m An m OU —1,27° | 0,7483 | 0,004 568 Or or Nein m nen, m mn, nt nn, Er 1 D Zen = De 8 ccm 5°/oiges Coff. natrio- salicyl. in die Vena Jug. (Senkung bis 2) = [4 526 Ernst Frey: Blut- Harn NoNO, nz druck Bemerkungen -mmHg| ccm a 0/0 g 5 m = = \ 1,070 ? ? (Übergekocht) | 35 |} 096° | 086 | gasan | 76 | 285 | 0,930 | 0,5785 | 0,016487 79 3,05 —0,96° | 0,5826 | 0,017 769 | Verblutet. Serum: a oe7 NaNos — 0,2180 Yo In diesem Versuch sank die Konzentration des NaNO, im Serum von 0,3650 %/o auf 0,2180 °%o ab. Berechnet man wieder aus dem Harn unter der Voraussetzung, dass Nitrat nur filtriert würde, die Werte des Serums für NaNO,, so erhält man: 0,5911 /o; 0,5208 Jo; 0,3886 %/o; 0,3744 %o; 0,4196 %/o; also Zahlen, welche alle erheblich höher liegen als die tatsächlichen Serumkonzentrationen. Demnach kann Nitrat nicht durch Filtratien allein ausgeschieden worden sein, sondern es sind auch Sekretionsprozesse daran be- teiliet. Und zwar beteiligen sich in diesem Versuch Filtration und Sekretion zu gleichen Teilen an der Ausscheidung des Nitrates. Es wird also auch Nitrat wie Jodid nicht allein durch Filtration ausgeschieden, sondern von den Harnkanälchen dazu sezerniert. Während aber Jodid hauptsächlich durch Sekretion in den Harn gelangt und nur bei hoher Konzentration im Serum auch in beträchtlicher Menge durch Filtration eliminiert wird, werden die Nitrate erst dann in erheblicher Menge an den Harnkanälchen sezerniert, wenn siein grosser Menge im Serum kreisen. Die Harnkanälchen scheiden also selbst geringe Mengen Jodsalze prompt . aus, während sie erst hohe Nitratkonzentrationen im Serum mit einer Sekretion beantworten. Für die Harnkanälchen ist also Nitrat ziemlich indifferent. Auf diese Weise werden also Nitrate in grosser Menge vom Glomerulus geliefert, Jodid überwiegend von Harnkanälchen. Man kann also sagen, Jodsalze werden fast ausschliesslich sezerniert, Nitrate da- gegen durch Filtration und zum Teil auch durch Sekretion ausgeschieden. Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 5927 III. Die Ausscheidung der Sulfate. In derselben Weise wie vorher wurden die Sulfate untersucht, ob ihre Anreicherung im Harn nur auf Rückresorption von Wasser beruht, oder ob sie in höherer Konzentration im Harn auftreten. Versuch 9. Kaninchen 2, 1350 g; 2,5 g Urethan, intravenös. Harnmenge einer Niere in 5 Minuten, ebenso Gramm SO,;. Ablesungen alle 5 Minuten. Blut- Harn SO, druck Bemerkungen mmHg| ccm A 0/0 g 10 com 10% (NazS0, + , — 0,749 10 H50) (1 = —.1,17°) 86 Rs) 0,710 en Ye in die V. jug. 16 ; 16 ccm Blut aus der Karotis. 717 ‚15 Serum: 1= — 0,62° SO, — 0,1396 %o RL 80 ‚05 eiweisst) 79 , 8 . 82 25 84 ) 85 ‚ = [310371 or = —0,85° | 1,1464 | 0,000829638 TTS IT ST TS RIO Oro I OLTIOTOLEN OT | | & or = O0 00 00 00 00 OC 00 00 En | —————————————————————————————————————————————————————————— | | 1 928 Ernst Frey: Blut- Harn SO, druck Bemerkungen 'mmHg| ccm A 0/0 g 82 | 0,0 86 0,05 84 0,05 84 0,05 86 0.02: ss | 02 |) 40 028 4 ccm 5°oiges Coff. natrio- 68 0,0 salicyl. in die V. jug. 70 0,0 Vaguspulse. Verblutet. Serum: A = — (0,61°; SO; —= 0,105 203 %o Nach Abklingen der Salzdiurese, welche die intravenöse In- jektion der konzentrierten Glaubersalzlösung .anreste, wurde von dem Tier nach dem Blutentzug sehr wenig Harn geliefert; ja auch Coffein war nicht imstande, die Harnmenge zu erhöhen. Der SO,-Gehalt des Serums sank während des Versuches von 0,13% (nach Enteiweissung als BaSO, gewogen) auf 0,10°o. Der Harn, der eine nur etwas höhere Gesamtkonzentration (= —.0,85°) als das Serum (4 — —.0,62° — 0,61°) aufwies, enthielt grosse Mengen von Glaubersalz, entsprechend 1,14°o SO,, war also 10 mal reicher an Glaubersalz als .das Serum. Bei ganz geringer Einengung des Harnes in bezug auf seine Gesamtkonzentration eine Anreicherung des Harnes an Sulfat auf das 10fache des Serums! Sulfat wird also durch Sekretion in den Harn gebracht und zwar in sehr energischer Weise eliminiert. Die Anreicherung des Glaubersalzes im Harn durch Sekretionsprozesse ist bei weitem grösser als die der Nitrate etwa, aber auch noch bedeutender als die der Jodide. Filtrationsvorgänge, die beim Nitrat die Hauptsache in quantitativer Hinsicht ausschieden und nur bei der grössten beobachteten Sekre- tion immer noch die Hälfte des Nitrates herausschafften, traten hier ganz zurück, ca. !/ıo der gesamten Glaubersalzmenge ist filtriert worden, alles andere sezerniert. Die Sulfate werden also fast ausschliesslich durch Sekretion in den Harn ausgeschieden und zwar in sehr energischer Weise, viel energischer als die Nitrate zum Beispiel. ! Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion. etc. 529 IV. Die Ausscheidung der Phosphate. Ganz kurz sollen die Phosphate hinsichtlich ihrer Ausscheidung noch besprochen werden. Wenn man den normalen PO,-Gehalt des Kaninchenserums, den Abderhalden!) zu 0,0086 °% ermittelte, mit den Prozenten PO, vergleicht, welche Löwi?) und Bock?) im Harn fanden, so wird eine Sekretion der Phosphate von vornherein sehr wahrscheinlich sein, da diese Harnprozente gelegentlich sehr hoch liegen, bei Löwi 0,14% oder 0,34°/o oder 0,80%, bei Bock 0,26%; 0.9 %o; 0,58%0; 1,0%0; 1,75°/o usw. Ja die letzte Zahl von 1,75% PO,, die höchste, welche Bock*) beobachtete, lehrt ohne weiteres, dass diese Konzentration im Harn nicht durch Filtration und Rück- resorption aus einem Blutfiltrat von 0,0086 °/0 entstanden sein kann. Ich füge hier nur noch einen Versuch an, in welchem gleich- zeitiw Harn und Blutserum in früherer Weise analysiert wurde. Die Bestimmung der Phosphate geschah durch Titration mit Uran- lösung. Versuch 10. Kaninchen &, 1350 g; 2 g Urethan, intravenös. Blasenkanüle. Harnmenge und Gramm P;0; einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. ae _ Harn P;0; druck Bemerkungen mmHg| ccm A %o g m [>] (00) | | = Il | Il 10 ccm 10° Na;5HPO, in die V. jugul. — Aus der Karotis 15 cem Blut. _ — _ Serum: 1= —0,67°, P,O; — 0,06 0. or | | eooobkbHrnwmua or A Ne) Br [31 = l) Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chemie .Bd. 25 S. 107. 2) Löwi, Untersuchungen zur Physiologie und Pharmakologie der Nieren- funktion. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 48 S. 410. 1902. 3) Bock, Untersuchungen über die Nierenfunktion. I. Über die. Aus- scheidung der Phosphate bei gesteigerter Harnflüt. Arch. £. exper. Path. u. Pharm. Bd. 58 S. 227. 1908. „ai 4) Versuch 6, nicht Versuch 4. 530 Ernst Frey: druck Bemerkungen mm Hg | ccm Blnt- Harn P,0; da 0/0 g [ort an = —0,96° | 0,5 | 0,000680 or En Dovrvwromr-bonmH-wpHHmuooro or Oo 6 rue RFrrbemro = am or = [0,0] r os Sog eoßsoeeoegeaeaßggßeßeagseafeaeaaeae 5. ccm 5oiges Coft. natrio-. salieyl. in die Vena jug. (Senkung bis 48) ss = SOUOn — 1,541 0,001 430 er do. (Senkung bis 70) do. (Senkung bis 58) Verblutet. Serum: 4= | — 0,63%; P50,— 0,022 %0 = - &) m seosose oOHrHoHrHmHe [ax Die Konzentration der Phosphate sank nach der Injektion von 1 g Na,HPO, während des Versuches im Serum von 0,06% P,;O, auf 0,022°%0 P,O, ab. Der Harn wies dabei als höchste Konzen- tration 1,54% P,O, auf, also das 60- bis 70fache. Der erste Harn, bei welchem eine gleichzeitige Gefrierpunktsbestimmung möglich war, die 4 — —.0,96° ergab, enthielt er mindestens 10 mal so viel Phosphat als das Serum, trotzdem er nur wenig konzen- trierter war als das Serum. Es geht also aus diesem Versuch mit Sicherheit hervor, dass die Phosphate durch einen Sekre- tionsprozess der Harnkanälchen ausgeschieden werden. Jodid, Nitrat, Sulfat, Phosphat wird durch Sekretion etc. 531 Zusammenfassung. Bestimmt man also die Konzentration der Harnsalze im Harn und Serum gleichzeitig, so entspricht nur bei sehr kochsalzreichem Tier die Kochsalzkonzentration im Harn einem bis zum / des Harnes eingeengten Blutfiltrat. Kochsalz ist also der einzige Stoff, der lediglich durch Filtration ausgeschieden wird, wenn man vom Bromid absieht, das sich wie Kochsalz verhält. Kochsalz (und Bromid) ist aber auch von den Harnsalzen der einzige Stoff, der unter gewöhnlichen Verhältnissen zurückresorbiert wird. An der Anreicherung aller anderen Harnsalze sind Sekretions- prozesse der Harnkanälchen beteiligt. Jodid, Sulfat und Phos- phat werden fast ausschliesslich durch Sekretion ausgeschieden, beim Nitrat kommt die Filtration neben der Sekretion quantitativ auch in Betracht. Diese Stoffe werden selbstverständlieh nicht rückresorbiert. Wenn schon die Harnsalze, für die eine Filtration wohl noch am nächsten liest, durch Sekretion ausge- schieden werden, so ist die Ausscheidung der spezifischen Harnbestandteile, wie Harnstoff und Harnsäure, erst recht ein Sekretionsprozess der Kanälchen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 36 539 Ernst Frey: (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena.) Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung zwischen filtriertem und sezerniertem Stoff. Ein Beitrag zur Lehre von der osmotischen Arbeit der Niere. XI. Von Professor Dr. med. Ernst Frey, Assistent am Institut. Wir sahen, dass die Harnbereitung in chemischem Sinne zum überwiegenden Teil von den Harnkanälchen besorgt wird, dass die Harnsalze fast alle durch Sekretion in den Harn gelangen, und dass nur Kochsalz allein lediglich durch Filtration ausgeschieden wird. Dabei stellte sich heraus, dass Kochsalz in der höchstmög- lichen Konzentration, nämlich einem bis zum 4 des Harnes ein- geengten Blutfiltrat entsprechend, nur dann im Harn erscheint, wenn die Tiere in extremer Weise mit Kochsalz angereichert sind. Es wird also Kochsalz sonst immer zurückresorbiert, und zwar zum Teil im erheblichen Ausmaass. Auf der anderen Seite sahen wir, dass die Rückresorption von Wasser entsprechend der Gesamtkonzentration des Harnes vor sich geht, dass also im Harnkanälchen nicht ein Wandern von Stoff in nur einer Richtung von Blut in den Harn stattfindet, sondern dass daselbst ein Austausch von Stoffen statt- findet. Diese beiden Tatsachen, Kochsalzrückresorption und Austausch von Stoffen im molekularen Verhältnis stehen mit- einander im Zusammenhang. Wenn die Sekretion in einem Austausch von Stoff im molekularen Verhältnis vor sich geht, so muss immer, wenn irgendein Stoff sezerniert wird, dafür filtrierter Stoff zurückresorbiert werden, also wohl hauptsächlich Kochsalz. Von diesem Gesichtspunkt verstehen wir, warum denn immer — von den Fällen extremer Kochsalzanreicherung abgesehen — eine Koch- Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 533 salzrückresorption stattfindet, die an sich als etwas Unzweckmässiges erscheinen könnte. Kochsalz wird deswegen zurück- resorbiert, weil immer Stoffe der Ausscheidung dureh Sekretion harren, weil aber diese Sekretion nur er- folgen kann durch einen Austausch von filtriertem Stoff gegen sezernierten. Es muss also ein gewisser Gegen- satz bestehen zwischen Kochsalz einerseits, dem (einzigen) durch Filtra- tion ausgeschiedenen Stoff und den anderen harnfähigen Substanzen anderseits. Ist reichlich sezernierter Stoff im Harn, so muss wenig Kochsalz zu finden sein. Befunde in dieser Richtung liegen reich- lich vor. A En i A l. Der Koranyi’sche Koeffizient ProzentNatl: Koranyi war der erste, der auf die Bedeutung des Verhält- nisses von Gesamtkonzentration und Kochsalzgehalt des Harnes hin- wies und als Maass für den Austausch in den Harnkanälchen das Verhältnis von 7 zu Prozent NaC] aufstellte. Ich will mich nicht in eine Diskussion der diagnostischen Brauchbarkeit dieses Koeffizienten in klinischer Hinsicht verlieren, muss aber hier hervorheben, dass für die Aus- in physiologischer Hinsieht diese Grösse PESZETENGEI ‚auscherscheinungen im Harnkanälchen und somit für die Grösse der Kochsalzrückresorption tatsächlich einen Maassstab darstellt. Wie wir oben sahen, wird bei extrem kochsalzreichem Tier dieses Ver- hältnis 1, weil die Zahlenwerte des Serums für 7 und für die Kochsalzprozente zufällig dieht nebeneinander liegen. Sonst aber wird stets Kochsalz zurückresorbiert und daher der Koeffizient grösser. Wir besitzen also in diesem Werte ein Maass für die Rückresorption des Kochsalzes, und es gebührt Koranyi das Verdienst auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht zu haben. Wir sehen ja in der Tat z. B: bei fieberhaften Erkrankungen das Kochsalz gegen andere Harnbestandteile zurücktreten, weil wohl viel Abbauprodukte des Stoffwechsels entstehen und ausgeschieden werden müssen. Ob dabei der Koeffizient allein ein Maass für die Nierenarbeit, für die Funktionstüchtigkeit des Organs ist, erscheint ohne Berücksichtigung des Salzreichtums des Menschen, des Zustandes der Glomerulus- gefässe und damit zusammenhängend des absoluten Wertes für / 36 * 534 Erust Frey: fraglich, fraglich vor allem deswegen, weil wir über die Mengen des der Sekretion harrenden Stoffes nieht orientiert sind, Immerhin ge- stattet natürlich ein Wert für physiologische Verhältnisse auch für die Pathologie Rückschlüsse, wenn man über die Grenzen seiner Definition nicht hinausgeht. 2. Der Antagonismus zwischen Kochsalz und Glaubersalz. Es fragt sich hier, ob der Gegensatz zwischen filtriertem Stoff und sSezernierten sich konstatieren lässt, wenn wir als sezernierten Stoff einen Körper wählen, dessen Sekretion im vorhergehenden fest- gestellt wurde. Da die Ausscheidung von Glaubersalz beispielsweise durch Sekretion erfolgt, so muss der Kochsalzgehalt des Harnes sinken, wenn viel Glaubersalzmoleküle der Ausscheidung harren. Ein soleher Antagonismus des ausgeschiedenen Kochsalzes und Glauber- salzes ist schon den Autoren aufgefallen, welche diese Dinge unter- sucht haben [Magnus!), Sollmann?), Cushny?)]. Leitet man eine Diurese durch Glaubersalzinjektion ein, so ist zunächst wegen der Glomerulusdiurese, der Salzdiurese, noch viel Kochsalz im Harn, dann aber beim Abfall der Diurese, wenn die Tätigkeit der Harnkanälchen, die das Blutfiltrat verändert, sich wieder deutlicher bemerkbar macht, wird der Harn bei reichlichem Glaubersalzgehalt chloridarm, ja chloridfrei. Eine ähnliche Be- ‘obachtung machte Pototzky°) beim Vergleich der Diuretin- und Glaubersalzdiurese, die die Chloridausscheidung ganz gleichmässig beeinflussen; erst beim Nachlassen der Diurese zeigen sich Ver- schiedenheiten, indem nach Glaubersalz das Kochsalz im Harn stark ‘abnimmt. “Ebenso ist es nach Zuckerinjektion. Den gleichen Anta- gonismus zwischen Kochsalz und Glaubersalz sah ich beim Studium der Bromausscheidung*): Auf der Höhe der Salzdiurese durch 1) Magnus, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 44. 1900. 2) Zit. nach Asher, Die Lehre von der Harnbereitung. Biophysikal. Zentralbl. Bd. 2. 1906. 3) Pototzky, Beiträge zur Diurese. IM. Über den Einfluss einiger Diuretika auf die Kochsalzausscheidung, insbesondere beim kochsalzarmen Tiere. Pflüger’s Arch. Bd. 91 S. 584. 1902. 4) Frey, Die Ursache der Bromretention. Ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f, exper. Path. u. Ther. Bd. & 8.292.1910. “ Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 535 NaNO, stellte sich das Niveau der beiden Halogene im Harn auf dasjenige im Serum ein. Bei der Diurese durch einen Einlauf von isotonischer Glaubersalzlösung sanken die Halogenide beide etwas unter das Niveau im Serum. Dieses Sinken ist nicht sehr erheblich, betrug einmal 0,32% NaBr im Harn gegen 0,40% NaBr im Serum, und 0,14% NaCl im Harn gegen 0,17° NaCl im Serum, das andere Mal 0,13°0 NaBr im Harn gegen 0,19°%/o NaBr im Serum und 0,20° NaCl gesen 0,24% NaCl im Serum. Es war also der Molekularaustausch noch immer bemerkbar, trotz selır grosser Harn- mengen. Beim Anstieg einer Salzdiurese auf den Gipfel wird meistens zuerst die Gesamtkonzentration des Harnes gleich der des Serums, später die Einzelkonzentrationen; d. h. es sind sehr grosse Mengen Harn erforderlich, ehe die Tätigkeit der Harnkanälchen nieht mehr bemerkbar ist, sich auf ein zu grosses Quantum Flüssiekeit verteilt, so dass sie die Konzentration nicht mehr deutlich beeinflusst. Hier bei der Glaubersalzdiurese bleibt die Tätiekeit der Harnkanälchen auch bei grossen Diuresen noch erkennbar, es muss also wohl Glauber- salz von der Niere sehr stark als ausscheidungsbedürftig empfunden werden. Das dem in der Tat so ist, hatten uns die früheren Ver- suche gezeigt: Glaubersalz wird sehr lebhaft sezerniert, viel lebhafter als die Nitrate; daher zeigte sich beim Nitrateinlauf die Filtration in reiner Form, weil NaNO, relativ indifferent für die Harnkanälchen ist. Der Unterschied zwischen Glaubersalzdiurese und Kochsalz- diurese besteht darin, dass bei der Injektion von Glaubersalz gleichzeitig ein Körper in den Kreislauf kommt, der selbst von den Harnkanäleben eliminiert wird, was beim Kochsalz nicht der Fall ist. Der Mechanismus der Diurese, d.h. der Vermehrung der Menge Harn, ist bei beiden Stoffen der gleiche, die Gefässerweiterung. Hier muss auch eine Beobachtung von Grünwald!) Erwähnung finden. Als der Autor kochsalzhungernden Tieren durch Anregen einer Glomerulusdiurese möglichst viel Kochsalz entziehen wollte, gelang ihm dies leicht durch Diuretin, nicht aber durch Glaubersalz, weil letzterer Stoff zwar die Absonderung im Glomerulus anregt, aber gleichzeitig die Rückresorption von NaCl begünstigt. Es nimmt also bei der Ausscheidung von Glaubersalz der Koch- 1) Grünwald, Beiträge zur Physiologie und Pharmakologie der Niere, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 60 S. 360. 1909. 536 Ernst Frey: salzgehalt im Harn ab, und zwar deswegen, weil die Sekretion der Harnkanälchen darin besteht, dass sie Substanzen austauschen, Glaubersalz abgeben, dafür Stoffe des Serumfiltrates aufnehmen, d. h. hauptsächlich‘ Kochsalz. Dazu kommt noch, dass auch der (geringe) Anteil Glaubersalz, welcher im Glomerulus filtriert wird, zu einem Abnehmen des Kochsalzes führen könnte; denn bei der all-. mählichen Einengung des Harnes in den Harnkanälchen werden alle. Substanzen im provisorischen Harn angereichert werden und daher dort in höherer Konzentration vorhanden sein als im Serum, ihr Konzentrationsgefälle wird also aus dem provisorischen Harn in das Blut hinein gerichtet sein. Diesem Konzentrationsgefälle werden. aber die Stoffe zuerst nachgeben und ins Blut zurücktreten, welche leieht diffusibel sind, während die schwer diffusiblen im Harn bleiben. Aber diese physikalischen Verhältnisse kämen nur dann in Frage, wenn beide Stoffe, Glaubersalz sowohl wie Kochsalz filtriert und rücksorbiert würden, d. h. wenn physiologische Vorgänge die physi- kalischen. nicht modifizieren würden. Hier beim Glaubersalz be- sorgen Sekretionsprozesse in überwiegendem Maasse die Ausscheidung, daher muss man auch die Kochsalzarmut des Harnes bei der Anwesenheit von Glaubersalz darauf zurück- führen, dass bei der Sekretion von Glaubersalz Koch-: salz dafür umgetauscht, rückresorbiert wird. 3. Die Chlorarmut des Harnes bei Anwesenheit on Zucker. . Es fiel Biberfeld auf, dass bei Anwesenheit von Zucker im Harn die Chloride abnehmen. Er fand bei der Phlorhizindiurese ?) eine Verarmung des Harnes an Chloriden und untersuchte daher auch die Kochsalzausscheidung bei der Adrenalindiurese ?), weil auch hier Zucker im Harn auftritt. Auch unter der Adrenalinwirkung erwies sich der Chloridgehalt stark vermindert. Beim Studium der Br-Ausscheidung habe ich?) gezeigt, dass auch bei der Zuckerdiurese, d. h. der Harnvermehrung durch einen Einlauf isotonischer Zucker- 1) Biberfeld, Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 326. 2) Biberfeld, Über die Wirkung des Suprarenins auf die Harnsekretion. Pflüger’s Arch. Bd. 119 S. 341. 1907. 3) Frey, Die Ursache der Bromretention. Ein Vergleich der Brom- und Chlorausscheidung durch die Nieren. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd. 8 Ss. 29. 1910. Die Kochsaizretention, eine Austauscherscheinung etc. 537 lösung, die Halogene Chlor und Brom sich etwas unter das Niveau im Serum enstellen, wenn grössere Mengen von Harn fliessen und der / des Harnes dem des Serums gleich geworden ist. Man be- obachtet also hier die gleiche Erscheinung wieder wie bei der Aus- scheidung von Glaubersalz: während sonst bei der Salzdiurese die Einzelkonzentrationen im Harn und Blutserum gleich sind, wenn die Diurese einigermaassen gross ist, so sind hier bei der Anwesenheit von Zucker die Halogene etwas unter das Niveau im Serum ge- sunken. Es ist also eine, wenn auch geringe Rückresorption von Kochsalz, die normalerweise vorhanden war, auch bei grösseren Harn- mengen bestehen geblieben. Einmal betrugen die Prozente NaBr 0,10 gegen 0,20% NaBr im Serum und die Prozente NaCl 0,10 segen 0,16 NaCl im Serum, das andere Mal 0,04°/o NaBr im Harn gegen 0,10°/ NaBr im Serum und 0,07°%o NaCl im Harn gegen 0,11°/o NaCl im Serum. Am deutlichsten sieht man diese Chlorid- verarmung des Harnes, wenn Zucker in den Harn übertritt, ohne ‚dass gleichzeitig eine Glomerulusdiurese einsetzt, wenn also die Zuckerausscheidung nicht mit einer Hyperglykämie einhergeht: bei der Phlorhizindiurese. Da sinken denn die Halogene auf ganz geringe Werte, beim salzreichen oder salzarmen Tier, weil nicht gleichzeitig eine vermehrte Filtration Kochsalz in den Harn treibt. Interessant ist vielleicht hier der Verlauf eines Versuches, in dem ich erst sub- kutan Phlorhizin gab, dann intravenös. Erst sanken die Halogene NaBr von 0,17 Yo auf 0,01°/o, NaCl von 0,18°/o auf 0,010. Nach der intravenösen Gabe stieg wieder NaBr auf 0,11°o, NaCl auf 0,11 °/o, weil die geringen Sodamengen, die zur Lösung des Phlorhizins dienten, intravenös gegeben, eine schwache Salzdiurese anregten mit vermehrter Filtration (Serum — 0,28°%o NaBr und 0,29°/o NaCl). Also auch bei der Anwesenheit vonZucker imHarn findet eine Abnahme der Chloride statt. Besonders deutlich müsste sich diese Chlorverarmung zeigen, wenn wir für die Anwesenheit grosser Mengen eines spezifischen Harnbestandteiles im Harn sorgten, also beispielsweise bei der Harn- stoffdiurese. Da müssten dann auch auf der Höhe der Diurese die Chloride sich deutlich unter das Niveau im Serum einstellen. Zwei in dieser Richtung unternommene Versuche verliefen ohne Resultat. Im ersten färbte sich der Harn dunkelrot, und eine Diurese kam nicht zustande, im zweiten hörte die Harnabsonderung gänz- lich: auf. 538 Ernst Frey: Versuch 1. Kaninchen &, 1400 g; 2,5 g Urethan, intrayenös. Harnmenge einer Niere in ö5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blutdruck Harn Bemerkungen mm Hg 5 3 2 3 ) A | 106 cem 2%oige Harnstofflösung (7 — 0,65 °) 59 — | in die Vena jugularis. Harn dunkelrot 5) Versuch 2. Kaninchen &, 1500 g. Urethan, intravenös. Harnmenge einer Niere in 5 Minuten. Ablesungen alle 5 Minuten. Blutdruck Harn _ Bemerkungen mm Hg cem A 118 — 120 0,1 _ 108 0,15 es 114 0,05 u 12 0,05 —_ 160 ccm 2 %o ige Harnstofflösung (7 — — 0,59°) 112 0,0 — in die Vena jugularis 118 0,0 20 ccm 10 %oiger Harnstoftlösung in die V. jug. 118 0,0 u 138 VOR 4 cem 5 Yoiges Ccff. natriosalicyl. in die V. jug. | (Senkung bis 60) 112 0 Ara "82 BD 0 0,0. Dass nach einem Einlauf von isotonischer Harnstoftlösung die Harnabsenderung versiest oder geringe Mengen eines hämoglobin- haltigen Harnes zur Absonderung kommen, liegt offenbar daran, dass Harnstoff rasch in die roten Blutkörperchen eindringt, wie Hender- son und Löwi!) gezeigt haben. Daher ist die „isotonische“ Lösung gar nicht isotonisch, sondern verhält sich wie destilliertes Wasser. 1) Henderson und Löwi, Untersuchungen zur Physiologie und Pharma- kologie der Nierenfunktion. V. Mitt.: Über den Mechanismus der Harnstof- diurese. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd.53 S.49. 1905. Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 539 Blutkörperchen werden ja auch in isotonischer Harnstofflösung prompt gelöst. Und dass ein Einlauf von Wasser nur dann diuretisch wirkt, wenn er ganz allmählich erfolgt, habe ich früher !) gezeigt. 4. Unregelmässigkeiten der Kochsalzausscheidung. Schon in den vorhergehenden Arbeiten wurde mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass die Kochsalzprozente im Harn ohne er- sichtlichen Grund schwarken; dass sie z. B. die willkürlich gezogene Grenze von 0,6°/o für kochsalzarme und kochsalzreiche Tiere öfters üperschreiten. "Wenn wir jetzt gesehen haben, dass bei Anwesenheit von Glaubersalz und Zucker die Chloride im Harn abnehmen, so sollten dies nur Beispiele sein, in denen reichlich eine Substanz im Harn vorkam, die durch Sekretion ausgeschieden wurde. Wir können nach diesen Erfahrungen verstehen, warum dieKochsalzausscheidung nicht lediglich von dem Be- stand des Körpers an Kochsalz abhängig ist, sondern auch vonder Anwesenheitvonharnfähigen Substanzen anderer Art, welche der Ausscheidung harren. Die Kochsalzausscheidung ist also zum Teil passiv. Denn die harnfähigen Substanzen können nur durch Aus- tausch gegen filtrierten Stoff von den Harnkanälchen sezerniert werden. Diese Unregelmässigkeiten in der Kochsalz- ausscheidung sind auch schon in klinischen Arbeiten erörtert worden. Ich erinnere nur an die kürzlich erschienene Arbeit von Tuteur?), welcher beim gesunden Menschen ein Chlorgleichgewicht nicht. her- stellen konnte, weder bei geringer noch reichlicher Kochsalzzufuhr. Es wechselt eine Retention mit einer plötzlichen Entladung ab. Also nicht der Kochsalzbestand des Körpers ist allein maassgebend für die ausgeschiedene Menge Kochsalz, sondern es kommt noch ein anderes Moment mit in Frage, und diese zweite Bedingung sehe ich nach diesen Untersuchungen in der gleichzeitigen Anwesenheit harnfähiger Substanzen, die zum Teil von aussen zugeführt werden wie in diesen Versuchen, zum Teil im Körper selbst entstehen wie z. B. bei Fieber. 1) Frey, Die Reaktion der Niere auf Blutverdünnung. Pflüger’s Arch. Bl. 120 S. 117. 1907. 2) Tuteur, Über Kochsalzstoffwechsel und Kochsalzwirkung beim gesunden Menschen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 Heft 7 u. 8. 540 rs Brnst Frey: 5. Die Kochsalzretention. Wenn wir sehen, dass die Grösse der Rückresorption von Koch- .salz einmal nach dem Salzbestande des Körpers sich richtet, sodann aber abhängig ist von der Ausscheidung anderer Substanzen im Harn, so treffen diese Befunde bis jetzt doch nur die Kochsalzprozente. Bei Anwesenheit von Glaubersalz im Harn z. B. sinken die Koch- salzprozente, aber eine Kochsalzretention brauchte deswegen noch nicht einzutreten. Es könnte ja durch Vermehrung der Harnmenge die gleiche absolute Menge NaCl zur Abscheidung kommen. In der Tat ist dies in physiologischen Grenzen der Fall. Ruschhaupt!) konstatierte, dass sich zwei Salze, gleichzeitig gegeben (Glaubersalz und Kochsalz) nach der absoluten Ausscheidung gemessen nicht be- einflussen. Aber in der Pathologie sind Zustände bekannt, wo es zu Kochsalzretention kommt, wo eine bestimmte Menge Kochsalz, die dem normalen Menschen zugeführt, in einer bestimmten Zeit wieder ausgeschieden wird, vom Kranken im Organismus retiniert wird. Die Kliniker haben dieser Kochsalzretention bei Nephritis schon lange ihr Interesse geschenkt. Ja man hat sogar bei der Ent- stehung der Ödeme die Kochsalzretention als das Primäre, die Wasserretention als das Sekundäre aufgefasst. Wenn wir bei einer Nierenerkrankung die Ausscheidung leiden sehen und einen spär- lichen Harn beobachten, so wird dieser Harn sehr reich an Abbau- produkten, an spezifischen Harnbestandteilen sein. Da aber diese Stoffe durch Sekretion in den Harn gelangen und diese Sekretion in einen Austausch gegen Kochsalz besteht, also mit einer Rück- resorption von Kochsalz verknüpft ist, so muss gleichzeitig die Koch- salzkonzentration im Harn gering sein. Harren nun gleichzeitig: grössere Mengen von Kochsalz und von Abbauprodukten, anderen Salzen usw. der Ausscheidung, so ist diese Ausscheidung nur durch Vergrösserung der Harnmenze zu erreichen. Leidet also bei Nephritis die Harnabsonderung, so muss es zu einer Retention kommen, entweder von spezifischen Harnbestandteilen oder vom Kochsalz. Wir wissen schon, dass für gewöhnlich die Ausscheidung von Glaubersalz, Zucker usw. auf Kosten des Kochsalzes vor sich geht, also wird auch die kranke Niere die Schlacken des Körpers zuerst eliminieren auf Kosten des Kochsalzes. Führen wir also 1) Ruschhaupt, Über die gegenseitige Beeinflussung zweier Salze in der Diurese. Pflüger’s Arch. Bd. 90.8. 583. Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 541 einen Nierenkranken eine bestimmte Menge von Kochsalz zu, so kommt es zu einer Verzögerung der Kochsalzausscheidung, zu einer Kochsalzretention. Aber die Kochsalzretention ist nicht eine primäre Nierenstörung, wie man bisher annahm, son- dern ein Zeichen für das Aufstauen von harnfähigen Substanzen, welche die Niere durch Sekretion aus- scheidet, aber nur ausscheiden kann durch Austausch gegenKochsalz, durch Zurückresorption vonKochsalz. Lässt sich nun experimentell an der gesunden Niere zeigen, dass durch Zuführen von grossen Mengen harnfähiger Substanz ein be- stimmtes Quantum Kochsalz langsamer ausgeschieden wird als bei alleiniger Kochsalzzufuhr? Damit sollen sich die folgenden Versuche beschäftigen. Versuch 3. Kaninchen d, 1400 g; seit 2 Tagen: Hafer, mit 6%oiger NaCl-Lösung be- feuchtet, und Wasser. Harn im Käfig aufgefangen. Wenn der Harn sehr dick und zäh ist, läuft nur wenig in das untergestellte Glas. Harn NaCl Bemerkungen pro Tag 0 pro Tag ccm Sen A lo R 1. Tag 42 42 — 2,98° | 1,46 0,6132 2 90 90 —1,91° | 1,34 1,206 DIR 50 50 — 1,590 | 1,44 0,72 ae 60 60 | —1,36° | 0,57 0,342 Se 28 23 — 1,330 | 0,54 | 0,1512 |Von jetzt ab: Hafer und Wasser Bi 38 38 | —1,58° | 0,52 0,1976 ee 6 6 — 0,37 0,0222 [50 cem 6%/oiges NaCl mit der Sonde 4h 35 » $| — 23,34% | 2,32 | < 20h 10 \ 45 { 9910| 328 |y 1,1300 9. Tag 25 — — 2,70% | 2,31 0,577 10027; ca.10 [ca.10 — 4,75 .c2.0,475 1 EBR 4 — — 2,05 | 0,0820 2: 5, ae, 18 — 1,76° | 0,8 , 0,104 Sa _ _— == — |. — 50 cem6/oiges NaCl-+ 6 g Harnstoff darin | mit der Sonde 2h 20 — le ae Nach 2 Stunden tot: | steif, ÖOpistotonus, | Blasenharn: —_ ca. 5 = — 0,97% | 0,95 — Erst versuchte ich eine dauernde starke Kochsalzausscheidune anzuregen, indem ich dem Tier kochsalzreiche Nahrung gab; die tägliche Kochsalzausscheidung war aber zu schwankend. Daher. musste ich eine kochsalzarme Nahrung reichen und Kochsalz ausser- 942 Ernst Frey: dem zuführen. Dabei waren bei der trockenen Nahrung die Harn-, mengen- dieses Tieres in den zwei Normaltagen, am sechsten und siebenten Tag, sehr gering: 38 und 6 cem. Nach der Eingabe von 3 g Kochsalz steigt die Harnmenge etwas an, der Harn ist aber immer noch sehr zäh und trüb, und die Ausscheidung des zugeführten _ Kochsalzes erstreckt sich über viele Tage, noch am vierten Tag nach der Eingabe ist der Kochsalzgehalt des Harnes sehr gross, be- trägt bei der geringen Harnmenge von 4 cem 2,050. Wir sehen also bei diesem Tier, dessen Harnabsonderung sehr gering ist, nach einer grösseren Kochsalzzufuhr eine langdauernde Kochsalzaus- scheidung durch viele Tage, während sonst eine solche Gabe in einigen Stunden zur Ausscheidung gelangt. (Die kombinierte Zufuhr von NaCl und Harnstoff führte zum Tode des Tieres, so dass wir Schlüsse daraus nicht ziehen können.) Versuch 4. Kaninchen, 1000 g; Hafer und Wasser. Harn im Käfig aufgefangen Lösungen mit der Sonde in den Magen gegossen. 5 Harn NaCl Tag| = e= a LEE ET Bemerkunge “es - Ss male) Y on 208 merkungen a 5 re na | Dar | —-|—- | 3 |-149| 014 0.0322 |40 cem 2,5%oiges NaCl = | 88 2.070 | 0% 1 g Nalıl ıs | 70 N 1064 — 1.120 | 0.97 Y 0,7554 | 49cm 2,5%igesNaCl—1g | GE | NaCl + 28 Udarin gelöst 4.1 — | — 110 1,04° | 0,76 0,8360 |40 cem 2,5 oiges NaCl = | 1 g NaCl Sl Te 1,140 | 0,37 »3 | 60 Y13s{ — 1210| 127 N 1,0395 tee nr Bm do. za 0 1110| 08 »3 | 501) h nf —_1.20° | 1,40 \ bo do. a @| 2600| 150 ‚ 7 | :0 \ nf —_ 1.080 | 1,18 \ Balz do. 9.| 8 | 50 ne || 1.88 10.| 15 \ 65 | —_ 1,890 | 1,18 y 09670 | 10 ccm 2,5 %%oiges NaCl—1g 10. | 177,| 40 —1.01° | 0.88 m 1% 45 | J 0,780 0,68 || 1.9988 NaCl + 3g U in 70 H,O 3 146 I\r 1811| —os90 | 048 |g ® 18/2 | 50 | — 1,090 0,24 40 ccm 2,5%/oiges NaCl — | IlgN a0l wi | 5 | ae | rn do. 12 ee E77 on 0.010 a s0 | 1,00 | 067 | 0.201 1) Harn sehr trüb. Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung. 543 Hier sehen wir bei der ‘täglichen Zufuhr von 1 g NaCl die tägliche Ausfuhr beim im übrigen salzarm ernährten Tier allmählich ansteigen: 0,25 g; 0,83 g; 1,0 g. Daran ändert auch die geringe Zugabe von Harnstoff am zweiten Tage nichts. Nach einem Ruhe- tage erhielt das Tier wieder täglich 1 g NaCl in den Magen, es ‚schied wieder steigende Mengen täglich aus. Am vierten Tage er- hielt das Tier eine Zugabe von 3 g Harnstoff, in den immer ver- abfoleten 40 cem 2,5°%/oiger NaCl-Lösung gelöst. Da es gleich darauf schlapp wurde, gab ich 20 ecm destillierten Wassers nach, ‘worauf es sich erholte. Die tägliche Kochsalzeabe wurde auch an diesem — der Injektion folgenden — Tage prompt bewältigt, doch stieg die Harnmenge erheblich an, höher, als den extra gegebenen 70 cem entsprach. Also kann Kochsalz gleichzeitig mit Harnstoff prompt eliminiert werden und zwar durch Vermehrung der Harn- menge, während der vorige Versuch zeigte, dass es bei geringer Harnmenge und einer grossen Kochsalzgabe zu einer verspäteten Ausscheidung von NaCl kommen kann. Versuch 5. Kaninchen, 2500 g; Hafer und Wasser; Harn im Käfig aufgefangen. Dosen zuerst intravenös, später mit der Sonde in den Magen, = Harn NaCl Tag| = Bann Foroutae Bemerkungen Z | eem ıp en 3 A %. | P wi 1.1 = 1 — 110° —1,5° | 0,74 | 0,814 [20 cem 5°oiges NaCl—1g | intravenös 9.| a | 32 2390: (1008 ne 2312| 60 \ = { — 1,600 | 0,39 \ 0,3236 [30 cem 5%oiges NaCl + | 40 ccm 250 (NazS0, | + H3;0) intravenös 3. sofort | 105 | | a, Ir ) I al S5 | — 0,93 h a) a ne iS 58 \ —1,64° | 0,30 | 4 Tage Pause bei gleichem | | Futter 1. - I|= 10 | —0,47°| 0,06 | — |40ccm 2,5%oiges Na@l=1g | | in den Magen 2a ar 7210077 1,1820 0,52) 0,52 do. 3.1. — | — 135 | —1,27° | 0,62 | 0,837 do. 4. — | —ı 18 —1,10° | 1,16 1,218 do. I. — | — 80 |; —167%| 1,12 | 0,896 |40 ccm 2,5 Yoiges NaCl +80 ccm 12,5 0 (Na3S0, + H;0) 6.1 — | — 160 | —1,64° | 0,88 1,408 | Auch hier sehen wir, dass die erste kombinierte Gabe von NaCl und Glaubersalz durch Zunahme der Harnmenge prompt aus- 544 Ernst Frey: geschieden wird. Natürlich ist die Abtrennung der täglichen Harn- menge etwas ungenau, weil die Tiere bei dieser Nahrung sehr wenig Harn haben. Im zweiten Teil des Versuches wurde 4 Tage lang täglich 1 g NaCl gegeben, darauf am fünften Tage Glaubersalz zu- gelegt. Auch hier wird trotz der gleichzeitigen Glaubersalzinjektion das Kochsalz prompt ausgeschieden, und zwar wieder durch Ver- mehrung der Harnmenge. Versuch 6. Kaninchen, 2000 g; seit 3 Tagen als Futter Runkeln, desgleichen während des Versuches. Die Lösungen wurden mit der Sonde in den Magen gegossen. Zeit Harn Na0l Stun- NG | Bemerkungen 1 ccm |P a A So g age ze | 50 cem 6°iges NaCl =3g 8 257 32 —1,20° | 1,12 | 2,8784 ‚Nael) . 16 253 16: —-1,08° | 0,28 | 0,7084 24 510 > = — | 3868 | 50 cem 6%oiges NaCl =3g 3 [80 | 39 | 1080| 08) 207% Nacı) 16 180 11 —0,93° | 0,30 | 0,54 24 490 = ne | Sol 50 ccm 6%oiges NaCl = 3 24] 90 | 72 | 1190 | 0,66 | 0,594 Na0]) | 33a] 140 37 —1,26° | 1,43 | 2,002 3 Fo = = Se 3 | 230 29 = 1.12 | 2,506 16 230 14 — 0,880 | 0,26 | 0,598 24 460 — — 3,194 8 190 24 —0,86° | 0,20 | 0,38 16 259 16 —0,72° | 0,20 | 0,510 24 445 = ar — 1 Gel 50 ccm 6°'iges NaC! (—3g 1 65 65 —0,97° | 0,44 0,2860 NaCl) +3 gHarnstoff, darin | | | ao | Da gelöst 3/al 100 30 —1,41° | 1,32 | 1,32 BA RE 8 225 28 — 0,962 | 2,1660 10 0 = | ie a | Si 24 315 — _ — | 2,790 | 50. ccm 6%oiges NaCl E3g 1 29 23 | —14t0 | 1,0 0,2 NaCl) + 6g Harnstoff, darin | 45 |) ggf, —L14° | 0,98 | 0,441 gelöst 1/a 45 — 1,07° | 0,98. | 0,441 3 90 0 — 1,26° | 0,90 0,81 3 b%) 18 — 1,54° | 0,97 0,5339 8 257 32 — 0,962 | 2,4455 16 155 10 —2,13° | 0,48 0,2640 24 | 412 — = — | 2,7095 | 50 cem 6%iges Nal| =3g 8 | 215, ago osssoı Nucı Vo es 2080 08 | 1a || =, 80] = — | —- [31580 | Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 545 Im ersten Teil sollte die Ausscheidung von 3 g NaCl täglich bei wasserreicher Nahrune, wodurch die Abgrenzung der Harn- portionen genauer wurde, verfolgt werden. Der grösste Teil davon 2,3 8, &9 g, 2,5 g hatte den Körper schon nach 8 Stunden ver- lassen, während die tägliche Kochsalzmenge im Harn 3,5 8, 3,5 g, 31 g betrug. Nach einem Tag Pause setzte die Zugabe von 3 g Harnstoff zu den 3 g NaCl die Ausscheidung von Kochsalz in den ersten 8 Stunden etwas, auf 2,1 g, herab und die tägliche Ausfuhr auf 2,7 g. Tags darauf wurde als Zugabe 6 g Harnstoff (ca. doppelt so viel Moleküle als NaCl) gegeben; darauf hielt sich die Kochsalz- ausscheidung während der ersten 3 Stunden auf normaler Höhe, dann aber nahm die Kochsalzausscheidung ab, so dass wir nach einem Tage nur 2,7 g Kochsalz im Harn erhalten gegen 3,3 g ohne Harnstoffgabe.e Es stimmt das ganz mit den anderen Beobachtungen überein, dass erst während einer Glaubersalzdiurese viel Kochsalz den Körper verlässt, dann nach Abklingen der Diurese wenig Koch- salz, weil das gleichzeitig vorhandene Glaubersalz zu einer Kochsalz- verarmung des Harnes führt. Die dort an dem Prozentgehalt er- hobenen Befunde finden sich auch bei Betrachtung der absoluten Werte wieder. Bei Anwesenheit von viel harnfähiger Substanz geht die Kochsalzausscheidung verzögert vor sich, es kommt zu Kochsalzretention. Das retinierte Kochsalz wurde dann am Tage darauf mit den neu zugeführten aus- geschieden, weil eine weitere Gabe von Harnstoff nicht mehr gegeben wurde. Die tägliche Kochsalzausscheidung stieg am letzten Tage auf 41 g gegen 3,3 g, die früher an diesem Tier ermittelte Tageszahl. Versuch 7. Kaninchen &, 2400 g. Seit 3 Tagen als Futter Runkeln; desgleichen während des Versuches. Injektionen in die Ohrvene. Harn NaGl Zeit pro Std. 1 7 6 8td. nach Bemerkungen Stunden | CC | ccm S 2 © der Inyektion vorher| — — | — 0,870 | 0,28 — — — — — — — — — 50 ccm 5°%oiges NaCl 1 128 | 128 —-1,05° | 0,84 | 1,0752 Yo, 4359 = 2,5 g NaCl) ıs | 320 | 17 | —0,88° | 0.26 | 0,832 a 24 | 548 — —_ — | 3,2672 — 50 ccm 5°/oiges NaCl (=2,5gNaCl)+30ccm 16,1 /oiges NasSO, 546 Ernst Frey: y Harn NaCl zen | Bemerkungen ‚pro Std \ 6. $d. nach Stunden | CCM | ccm ei Boa 8 | der Injektion | 1/4 a. 113 Nor — 0,97% | 0,42 | 0,4746 | . 158 | 1,01° | 0,66 | 1,0426 2,2572 50 | 10 | —1,66° | 148 | 0,74 18 343 19 | — 1,18° 2.1 ee | | ee | 1,1662 — DONE En TR 4937 | — — | 3,4234 | — 50 cem 5%oises Na0l 2 1120. 190 | 0,290 1.06 oma no. (ma 5 | 200 40 | —1,03° | 0,94 | 1,88 | 2 18 160 | 9 | —1,04° | 0,32 | 0,312 | — 24 ale 480 | — = | — | 3,312 — 3 Tage Pause "a | 0 | ar Zone ee 16 600 37 | — 2118 ED er Ne 0,14 | 0,84 = nachts DET TzETTe m — 50 cem 5°%/oiges NaCl en = 2,5 g NaCl) + ! a | 2 a 10) | ss Y 1,476 5 g Harnstoff darin Se a | un eo: OR Ds an — 2 == 5 ae = — 3. | 1100 3. —1,02° 104 | 04 = 16 80 5, — 0,79% | 0,43 | 0,344 -- PASSAU TE = ZU TUE = 24 130 5 1 —156° | 0,18 | 0234 | — 24 290 12) — 1.50 | DR RR I — 24 225 9 , —1,46° | 0,35 | 0,7875 | — Auch in diesem Versuch lässt sich eine verzögerte Kochsalzaus- scheidung durch gleichzeitige Zufuhr harnfähiger Substanz erreichen. Im ersten Teil dieses Versuches sank die Kochsalzausscheidung der ersten 5 Stunden nach der intravenösen Injektion etwas, auf 2,25 g gegen 2,4 und 2,6 & ohne Zugabe von Glaubersalz und zwar trotz starker Vermehrung der Harnmenge bei der kombinierten Gabe. Deutlicher ausgesprochen war die Verzögerung der Kochsalzaus- scheidung, als gleichzeitig Harnstoff zugeführt wurde. Hier betrug die Kochsalzmenge, welche in den 5 Stunden nach der Injektion ge- liefert wurde, nur 1,4 g gegen 2,4 oder 2,6 g bei alleiniger Koch- salzgape und auch die tägliche Menge Kochsalz blieb mit 2,5 8 hinter der normalen von 3,3 & zurück. Es lässt sich also auch an den absoluten Werten zeigen, dass Kochsalz bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer harnfähiger Stoffe verzögert ausgeschieden wird, und dass es zu einer Kochsalzretention kommt. Sehr erheblich ist diese Kochsalzretention ja nicht, aber es ist bemerkenswert, dass sich bei normaler Niere eine solche Die Kochsalzretention, eine Austauscherscheinung etc. 547 Retention überhaupt nachweisen lässt. Wenn die Dosen nicht sehr srosse sind, so wird Kochsalz neben anderen Stoffen durch Ver- mehrung der Harnmenge ausgeschieden. Nachalledemstelltsichalso die Kochsalzretention als ein Antagonismus von filtriertem und sezer- niertem Stoff dar, als Folge des Austausches von sezernierten Substanzen gegen das filtrierte Koch- salz. Denn die Sekretion der Harnkanälchen geht dureh Austausch im molekularen Verhältnis vor sich, und die Gesamtkonzentration des Harnes wird nicht durch Zufügen von festem Stoff zum Glomerulus- filtrat, sondern durch Wasserrückresorption erreicht. Beobachtet man in der Pathologie eine Kochsalz- retention, so ist das nicht ein Zeichen für eine pri- märe Unfähigkeit der Niere, Kochsalz auszusceheiden, sondern ein Zeichen dafür, dass sich im Blute harın- fähige Substanzen anstauen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 37 548 Hugo Frey: Die physiologische Bedeutung der Hammer- Ambossverbindung. Von Privatdozent Dr. Hugo Frey (Wien). (Mit 6 Textfiguren und Tafel V.) Für das physiologische Verständnis des Hörapparates ist seine genaueste anatomische Erforschung unerlässlich; seine wichtigsten Teile sind der unmittelbaren Beobachtung und zum grossen Teil auch dem Experiment unter physiologischen Umständen- entrückt, und man ist daher vielfach darauf angewiesen, aus dem anatomischen Befund physiologische Schlüsse zu ziehen, die dann freilich nur mit Vorsicht verwertet werden können. Für die Physiologie des schalleitenden Apparates sind auch heute noch die Lehren Helmholtz’ grundlegend. Es hat zwar an Versuchen nicht gefehlt, an ihnen zu rütteln; aber es ist nicht gelungen, sie in ihrer Geltung zu beeinträchtigen. Wenn ich im nachfolgenden mich bemühen werde, ein Detail der Helmholtz’schen Ansichten auf Grund meiner anatomischen Untersuchungen zu korrigieren, so will ich doch gleich anfangs be- tonen, dass ich, abgesehen eben von diesem Detail — die Hammer- Ambossverbindung betreffend — durchaus auf dem Boden der Helmholtz’schen Lehre stehe, soweit sie die Physiologie der Schalleitung betrifft. Die Ursache davon, dass Helmholtz eine, wie es mir scheint unzutreffende Darstellung dieses besonderen Punktes gibt, liest wohl darin, dass er notwendigerweise auf die zu seiner Zeit gelten- den anatomischen Anschauungen sich beziehen musste. Er stand nicht an, diese als Tatsachen seiner Argumentation zugrunde zu legen. Als eine solche Tatsache musste es ihm auch gelten, dass zwischen Hammer und Ambos eine regelrechte Gelenksverbindung Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 549 bestehe, wie damals im allgemeinen angenommen wurde. Heute aber kann diese Annahme nicht mehr zu Recht bestehen. Nähere Erörterungen über diese Frage finden sich in meiner eben in Druck gehenden ausführlichen Arbeit: Vergleichende Studien über die Hammer-Ambossverbindung der Säuger !), woselbst auch die anatomische Literatur über diesen Gegenstand eingehend gewürdigt wird; eine kurze Darstellung der Ergebnisse meiner anatomischen Untersuchungen findet sich in den Verhandlungen des XV]. internationalen medizinischen Kongresses?), eine vorläufige Zusammenstellung der daraus zu ziehenden physiologischen Schlüsse in den Verhandlungen der deutschen otologischen Gesellschaft. Hier will ich nur kurz das für die nachfolgende Besprechung Wesentliche anführen. Die Untersuchung einer grösseren Reihe von Tierspezies bei- nahe aller Ordnungen der Säuger ergab die Tatsache, dass bei einer Anzahl derselben, und zwar auch solcher mit sicher gutem Gehör, zwischen Hammer und Amboss regelmässig eine feste, teils knöcherne, teils knorpelige Ankylose bestehe, während bei einer Reihe anderer eine bindegewebige Verwachsung beider einander zu- sewendeter Knochenoberflächen vorlag. Bei den übrigen unter- suchten Spezies konnte eine eigentümliche Art der Knochenverbindung nachgewiesen werden, bei welcher eine Schicht von in Zerfall be- sriffenem Knorpel beide Oberflächen verbindet, so dass auch hier von einer wahren Gelenksverbindung im strengen Sinne des Wortes nicht die Rede sein kann, wie denn auch der oft beschriebene Meniseus des „Hammer-Ambossgelenkes“ sich als ein Trugbild herausgestellt hat. Auch für den Menschen ist ähnliches schon früher beschrieben worden, wenn sich auch meine Auffassung der feineren anatomischen Details mit denen der früheren Autoren nicht ganz deckt. Ohne ausführlich auf die anatomischen Verhältnisse einzugehen, inöchte ich hier nur die Abbildungen einiger typischer Fälle geben; dieselben sind direkte Reproduktionen nach meinen Präparaten, hergestellt mittels mikrophotographischer Autochromaufnahmen, die von den Herren stud. med. Frhr. v. Wieser und Hafferl im hiesigen anatomischen Institut gemacht wurden. 1) Anatomische Hefte von Merkel und Bonnet. 1911. 2) XVI. Congres international de medecine. Budapest 1909. Compt. rend., Section XVI. Otologie, 2me fasc. p. 608. Budapest 1910. 37* 550 Hugo Frey: Wenn es nun sicher ist, dass bei einer Anzahl von Säugern eine zweifellose Ankylose der beiden lateralen Gehörknöchelehen vorliegt, bei anderen ein Befund, der einer solchen sehr nahe kommt, so kann daraus nur folgen, dass zum normalen Ablauf des Höraktes im Säugetierohr eine gegenseitige Beweglichkeit von Hammer und Amboss nicht notwendig sei, man müsste denn an- nehmen, dass bei verschiedenen Spezies der Hörakt nach ver- schiedenen Mechanismen vor sich gehe. Eine solche Annahme ist natürlich von vornherein sehr unwahrscheinlich; sie wird es noch mehr, wenn man berücksichtigt, dass dann ganz nahe verwandte Gattungen und Arten sich prinzipiell verschieden verhalten müssten. Dazu kommt, dass ja sonst der Bauplan des Mittelohrapparates bei den meisten Säugern in hohem Maasse übereinstimmt, und dass man schon mit Rücksicht darauf nicht an grosse Differenzen wird denken können. Ferner ist es ja eine oft gemachte Erfahrung, dass Bil- dungen, die von Art zu Art und individuell stark variieren, kein erheblicher funktioneller Wert zukommt. Wenn ich mich demnach für berechtigt erachte, auszusprechen, dass eine Beweglichkeit zwischen Hammer und Amboss im Säuger- ohr teils gar nicht, teils nur in ganz geringem Maasse besteht, so glaube ich fortsetzen zu dürfen, dass auch eine gegenseitige Ver- schiebung zwischen diesen beiden Knöchelehen bei dem physiologi- schen Hörakt nicht stattfindet. Es ist nun interessant, zu sehen, dass diese Meinung in früherer Zeit schon vertreten wurde. Weber’) sagte derart: „Beide Gehörknöchelchen sind zwar durch ein Gelenk verbunden, welches aber so gebildet ist, dass es denselben in der auf die Achse senkrechten Drehungsebene keine Bewegung gegeneinander gestattet, so dass sie sich also nur ge- meinschaftlich in derselben bewesen können, wie es der Fall sein würde, wenn sie gar kein Gelenk hätten, und nur ein einziges Knochenstück wären.“ Bald darauf meint Meyer?): „Die Gelenksverbindung zwischen dem Kopfe des Hammers und der Basis des Ambosses ist 1) E. Weber, Über den Mechanismus des menschlichen Gehörorgans. Berichte d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. zu Leipzig, mathem.-phys. Klasse 1851 S. 29. 2) G. Herm. Meyer, Lehrb. d. phys. Anat. d. Menschen. Bd. 1. S. 276. Leipzig 1856. Dle physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 551 nämlich ein Ginglymus, dessen Bewegungsebene senkrecht und parallel der Mittelebene des Körpers liegt“, so dass isolierte Be- wegungen des Hammers um eine transversale Achse (annähernd frontale A.) in diesem Gelenk möglich wären, während „für eine jede von aussen kommende Bewegung beide Knochen als ein Ganzes bewegt werden, und zwar um eine ungefähr horizontale Achse.“ Mach!) hingegen äussert sich bei Gelegenheit einer allerdings rein theoretischen, ınathematisch-physikalischen Betrachtung dieser Angelegenheit: .... „beide sind in elastischer Verbindung, indenı der Amboss gegen den Hammer mit Dehnung der Gelenksbänder bewegt werden kann“ — eine Annahme, die er als Physiker offen- bar nicht auf Grund eigener anatomischer Anschauung, sondern nach der damaligen anatomischen Lehre machte, und weiterhin bringt er ein rein mathematisches Argument (l. ec. p. 294), nach welchem für den Fall der Ankylose zwischen Hammer und Amboss die Ton- . aufnahme ungünstiger wäre. „Lassen wir die Massen in feste Ver- bindung treten, indem wir den Elastizitätskoeffizienten ihrer Ver- bindung sehr gross setzen, d.h. fingieren wir eine Ankylose zwischen Hammer und Amboss, so zeigt sich dies alsogleich in dem Gesetz der Tonaufnahme. Im Nenner von & und $“ (einer Formel in der x die Abszisse von Trommelfell + Hammer, betrachtet als Masse m, ferner & die Abszisse von Amboss + Steigbügel + Labyrinthflüssigkeit, betrachtet als Masse «, endlich r die Strömungsperiode bedeutet) „erscheint dann für die Funktion vierten Grades von r bloss eine Funk- tion zweiten Grades“. Aber diese rein deduktive Auffassung kann, bei aller An- erkennung für die Autorität Mach’s, für uns nur den Wert einer interessanten Beleuchtung eines physiologischen Problems haben, ohne dass sie beweisend für den Sachverhalt wäre. Sagt ja Mach selbst an einer anderen Stelle (S. 290) derselben Abhandlung: „Aber die Natur hat nicht an der Ecole polytechnique studiert. Die Natur hat auch noch andere Rücksichten zu beobachten, als gerade herrschende Theorien um Erlaubnis zu fragen. Es steht also in Zweifel, ob sie von den Vorschlägen Savart’s, Seebeck’s und meiner Weniekeit Gebrauch machen wird . . . sie muss wahrschein- 1) E. Mach, Zur Theorie des Gehörorgans. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. zu Wien, mathem.-naturw. Klasse Bd. 48 Abt. II S. 283 ff. 1863 552 Hugo Frey: lich aus anderen Gründen (anatomischen) gewisse Grenzen in den Dimensionen des Trommelfells, des Labyrinthes, der Knöchelchen usw. einhalten.“ Ummittelbar vor der ersten Publikation Helmholtz’ über diesen Gegenstand — der in der ersten Auflage der „Lehre von den Tonempfindungen“ noch nicht im späteren Sinne Helmholtz’ dargestellt war — wurden aus dem Nachlasse Riemann’s, des berühmten Heidelberger Mathematikers, Aufzeichnungen bekannt, in denen er sich mit der Mechanik des Ohres beschäftigt"). Er spricht sich darin durchaus in unserem Sinne aus: „Soll der Paukenapparat kleine Bewegungen treu mitteilen, wie er es unserer Erfahrung nach tut, so müssen die festen Körper, aus denen er besteht, an den Stellen, wo sie aufeinanderwirken sollen, völlig genau aufeinander schliessen; denn offenbar kann ein Körper einem anderen eine Bewegung nicht mitteilen, sobald er um mehr als die Weite der Bewegung von ihm absteht. Es wird ferner nur ein kleiner Teil der mechanischen Kraft der Schallbewegung durch ander- . weitige Arbeit, wie Spannung von Gelenkskapseln und Membranen, für das Labyrinth verloren gehen dürfen.“ Helmholtz nun, für den diese Ausführungen Riemann’s der Anlass waren, seine eigenen Untersuchungen über die Mechanik der Gehörknöchelchen zu veröffentlichen, setzt sich mit dessen An- sicht, hauptsächlich wegen der von ihm angenominenen wahren Ge- lenksverbindung zwischen Hammer und Amboss folgendermaassen auseinander?): „Mit dem Postulat Riemann’s steht es nun in einem sonderbaren, aber freilich nur scheinbaren Widerspruch, dass man bei der anatomischen Untersuchung alle einzelnen Gelenke und Bandverbindungen in der Trommelhöhle schlaff und nachgiebig findet. Namentlich war die Existenz des in den meisten Richtungen sehr nachgiebigen Hammer-Ambossgelenkes in sehr entschiedenem Wider- spruch mit der älteren und von mir selbst in der „Lehre von den Tonempfindungen“ (womit die erste Auflage gemeint ist) „vorgetragenen Theorie, wonach Hammer und Amboss zusammen ein um zwei Spitzen, den Processus Folianus des Hammers und den 1) Mechanik des Ohres. Aus dem Nachlass von B. Riemann. Zeitschr. f. rat. Med. III. Reihe Bd. 29 S. 129. 1867. 2) Helmholtz, Über die Mechanik der Gehörknöchelchen. Heidelberger Jahrb. d. Literatur 60. Jahrg. 1867 S. 898. Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 553 kurzen Fortsatz des Ambosses, drehbares System bilden sollten...“ und weiter: „Das Hammer-Ambossgelenk ist zwar für eine ganze Reihe kleiner Verschiebungen ein schlaffes und widerstandsloses Ge- lenk, ausserdem auch nur von einer sehr zarten und zerreisslichen Kapselmembran umschlossen, aber einer Art der Verschiebung wider- steht es in der natürlichen Lage der Knochen vollkommen sicher und fest; bei der Einwärtsdrehung seines Handgriffes fasst nämlich der Hammer den Amboss fest wie eine Zange, während bei der Aus- wärtsdrehung des Hammersgriffes beide Knochen sich voneinander lösen. In dieser Beziehung entspricht die mechanische Wirkung des Ge- lenkes vollkommen den Gelenken mit Sperrzähnen, wie man sie an Uhr- schlüsseln anzubringen pflegt. Man kann das Hammer-Ambossgelenk betrachten als ein solches Uhrschlüsselgelenk mit zwei Sperrzähnen. Von diesen ist je einer an der unteren Seite beider Gelenkflächen sehr deutlich ausgebildet. Der des Hammers liest nach der Seite des Trommelfells, der des Ambosses gegen die Trommelhöhle ge- wendet.“ Weiter unten heisst es dann noch von gewissen Resonanz- tönen, sie „sind wahrscheinlich Klirrtöne zwischen Hammer und Amboss“. In einer zweiten Arbeit!) und in der damit ziemlich überein- stimmenden Darstellung in den späteren Auflagen der „Lehre von den Tonempfindungen“ ?) heisst es dann noch im selben Sinn: „Ebenso wie ein solches Uhrschlüsselgelenk erlaubt das Gelenk zwischen Hammer und Amboss eine freilich nur kleine Drehung um eine quer durch den Kopf des Hammers gegen den kurzen Fortsatz des Ambosses laufende Achse“, und ferner: „Einwärtstreibung des Hammer- stieles ist also nicht möglich, ohne den Amboss mitzunehmen; die Auswärtstreibung desselben hat aber so viel Spielraum, als die Bänder und der Knorpelüberzug der Gelenkflächen eben gewähren“, und: „Die Drehung beider Knochen gegeneinander beträgt noch nicht 5 Grad.“ | Später allerdings macht er die Einschränkung: „dass die Gelenk- fläche des Hammers und Ambosses auch durch die Reibung aneinander adhärieren und festhaften können.“ 1) Helmholtz, Die Mechanik der Gehörknöchelchen und des Trommel- fells. Pflüger’s Arch. Bd. 1 S.1. 1868. 2) Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen, 5. Aufl. Braun- schweig 18%. 554 Hugo Frey: Die Vorstellung, dass Hammer und Amboss frei gegeneinander bewegliche Gelenksflächen haben, ist demnach hier überall Voraus- setzung; wie denn Helmholtz dies auch bei seinem Modell nach- ahmt. Mach und Kessel!) fanden bei ihren stroboskopischen Versuchen am Präparat allerdings Bewegungsvorgänge, die der Helm- holtz’schen Theorie entsprechen. Wenn nun die anatomische Tatsache feststeht, dass bei einer Reihe von Säugern die Verbindung Hammer-Amboss unbedinet an- kylotisch ist, so müssen sich vor ihr wenigstens für diese Spezies alle Theorien, die eine gegenseitige Beweglichkeit postulieren, beugen. Sehen wir aber zu, ob wir nicht überhaupt für alle Fälle ohne diese Beweglichkeit auskommen können. Es ist vor allem sicher, dass die dem Trommeifell mitgeteilten Schwingungen von ihm auf dem Wege Hammer-Amboss-Steigbügel zum Labyrinth fortgeleitet werden müssen. Zu diesem Zwecke ist es nötig, dass der Hammer dem Amboss seine Bewegungen möglichst vollständig, möglichst ohne Energieverlust, mitteile. Das wird natür- lich um so vollständiger der Fall sein können, je inniger Hammer und Amboss miteinander in Kontakt sind. Wären die beiden tat- sächlich durch ein freies Gelenk verbunden, so würde der Hammer alle vom Trommelfell übergeleiteten Bewegungen frei ausführen, ohne dass der Amboss sie im geringsten mitmachen müsste. Das ist ja eben der Grund, aus dem schon die älteren Autoren auf die feste Verbindung so grossen Wert legten, und aus dem Helmholtz sich bemüssiet fühlte, die Hammer-Amboss-Verbindung als ein Sperrgelenk anzusehen, so dass wenigstens für die Bewegungsrichtung: Hammer- griff. gegen die Trommelhöhle —Kopf nach aussen — eine starre Verbindung konstruiert wurde, während für die umgekehrte eine Unabhängigkeit beider Knöchelchen voneinander beschrieben wird. Gerade auf diese Unabhängigkeit voneinander, die bei dem Aus- wärtstreten des Hammergriffs—Einwärtsgehen des Hammerkopfes es ermöglicht, dass der Hammer seine Bewegungen isoliert ausführt, legt Helmholtz besonderes Gewicht, weil aus ihr die Existenz eines Schutzmechanismus bewiesen werden soll. Sie setzt natürlich ein freies Gleiten der Gelenksflächen aufeinander voraus. 1) Mach und Kessel, Beiträge zur Topographie und Mechanik des Mittel- ohres. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Klasse Bd. 69 Abt. III. 1874. 999 Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. -uUaDy3Ju9 SıTaaafl ur eg pun zZ 'Sıg “odejoyuy ur all -Sungesl] 197239598 a], aıp 38102 T "Dlg "uHWWOUIUr U9SOZI[OA Aflarg AO AuuIs wWep ur ISt Junyaag d9Iq 'ssoquy p 'awweg 7 — 'zIJoyqujoy ydeu ssoquy pun Jowwer] WoUsSImz soyuajesımeds sep eusypg 'e pın Z ‘L 'SN 314 an 556 : Hugo Frey: Ich glaube aber zeigen zu können, dass der Mechanismus der Knöchelehenverbindung, selbst wenn sie frei wäre, die Erklärung Helmholtz’ nicht zulässt, und dass der notwendige Schutz auch anderweitig gewährleistet wird. Bei einem echten Sperrgelenk, wie es am Uhrschlüssel vor- kommt, und wie es Helmholtz abbildet (Fig. 6 der zweiten Arbeit), ist die riehtige Funktion nur dann möglich, wenn die Drehungsachse durch den Mittelpunkt des Gelenkes geht, so dass sich die Sperren zu beiden gegenüberliegenden Seiten des Gelenksumfanges, jedenfalls an entgegengesetzten Punkten der Peripherie in bezug auf die Achse befinden. Dann wird bei der Drehung im Sinne des Pfeiles (Fig. 2) der dem Amboss entsprechende Gelenkskörper von dem dem Hammer entsprechenden mitgenommen werden, und demnach Hammer und Amboss eine gemeinschaftliche Bewegung ausführen. Bei der Drehung im umgekehrten Sinne wird aber (Fig. 3 in der Richtung der Pfeile) der Hammer sich bewegen können, während der Amboss völlig in Ruhe bleibt. Es entspricht aber, wie sich unschwer zeigen lässt, das Hammer- Ambosgelenk nicht diesem Schema. Denn hier verläuft die Drehungs- achse nicht innerhalb, sondern unterhalb beider Sperrzahnpaare, nämlich in der Richtung Processus Folianus—Crus breve ineudis. Der Einfluss dieser Veränderung ergibt sich aus Fig. 4—6. Hier ist der Hammer mit seiner dem Griff entsprechenden Verlängerung ab-- gebildet, die Achse verläuft unterhalb der Zahnstücke. Es wird nun bei der Bewegung des Hammersriffes nach innen —Hammerkopf nach aussen der obere Zahn des Hammers den oberen Zahn des Ambosses nach aussen mitnehmen, den unteren dabei gewissermaassen zurücklassen, wenn er nicht als Teil des Amboss mitgehen müsste. Bei der entgegengesetzten Bewegung des Hammers .aber, Griff aussen—Kopf innen (Fig. 6), stemmt sich der Hammer- kopf mit seinem unteren Zahnteil gegen den Zahn des Ambosses und nimmt ihn nach innen mit, während der obere ohne besondere Kraft- einwirkung mitgenommen wird. Aus den Versuchen Buck’s!) geht im übrigen ein derartiges Verhalten tatsächlich hervor. Aus diesen Überlegungen ergibt sich also, dass sowohl bei der Einwärtsbewegung als bei der Auswärtsbewegung der Amboss dem 1) Buck, Untersuchungen über den Mechanismus der Gehörknöchelchen. Arch. f. Augen- und Ohrenheilk. Bd. 1 Abt. II S. 121. Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 557 Hammer folgen muss, und dass demnach, selbst wenn wir nur die Skelettformation in Betracht ziehen, physiologisch ein fester Zu- sammenhang zwischen beiden Knöchelehen besteht. Um so mehr ist dies natürlich der Fall, wenn, wie ich zeigen konnte, auch die zwischen die Knochen eingeschalteten Weichteile die Festigkeit der Verbindung noch erhöhen. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 4 und 5. Bezeichnung wie oben. Der Pfeil zeigt die Richtung der er- folgten Drehung, die punktierte Linie die Richtung und Angriffispunkte der vom Hammer übertragenen Bewegung. Es ist ja auch wohl kaum zu bestreiten, dass für die korrekte Registrierung der Schallschwingungen — der Vergleich des Mittel- ohrapparates mit einem Kymographion rührt von Mach her — es notwendig ist, dass die einwärts gerichteten Schwingungen ebenso vollkommen wiederholt werden als die auswärts gerichteten. Es 558 Hugo Frey: würden ja sonst die Schwingungen an der Stapesplatte in entgegen- gesetzten Richtungen verschiedene Energien besitzen. Die eigen- tümliche Adaptation der Knochenteile des Hammers und Ambosses kann daher nur als eine Verstärkung der ohnehin schon bestehenden Verbindung durch Knorpel und Bindegewebe betrachtet werden, die die korrekte Mitarbeit des Ambosses noch zu sichern geeignet ist. Fig. 6. Bezeichnung wie in Fig. 4 und 5. Nun hat Helmholtz auch ausgesprochen, dass die von ihm geschilderte Art der Verbindung eine Schutzvorrichtung für den Hörapparat vorstelle, durch die die Folgen plötzlicher Drucksteigerung in der Trommelhöhle abgewendet werden sollen. Aber auch dieser Schutz ist nicht notwendig an das Bestehen einer beweglichen Verbindung zwischen den Knöchelchen gebunden. Vor allem wird bei einer plötzlichen Drucksteigerung in der Trommelhöhle nicht nur die Kette durch den auf das Trommelfell Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 559 in der Richtung nach aussen wirkenden Druck nach auswärts ge- drängt, sondern derselbe Druck wirkt auch gleichzeitig auf die Stapes- platte nach innen, labyrinthwärts, so dass der Kette zwei einander entgegengesetzte Impulse erteilt werden. Weiter aber sind noch genug Vorrichtungen vorhanden, die ein zu exzessives Nachaussenrücken der Kette verhindern können. Helmholtz!) selbst führt als solche an: Ausser der Sehne des Trommelfellspanners noch 1. die mittleren und vorderen Fasern des Ligamentum externum; 2. das Ligamentum superius und 3. die oberen Fasern des Ligamentum anterius. Man hat also die Los- lösung des Hammers vom Amboss auch nicht nötig, um einen Schutz des Labyrinths bei zu starker Drucksteigerung zu erklären; es ge- nügen dazu die anderen Widerstände. Was nun die aus der Beweglichkeit des Hammers gegen den Amboss abgeleiteten Klirrtöne betrifft, so sagt schon Politzer?), der freilich sonst die Anschauung Helmholtz’ vollinhaltlich teilt: „Die von Helmholtz beobachteten Klirrtöne des Ohres bei starker Er- schütterung rühren nicht, wie Helmholtz angibt, von dem An- einanderschlagen der Sperrzähne des Hammer-Ambossgelenkes her, sondern von dem Schwirren der Membranen und der Bänder der Gehörknöchelehen, da diese Klirrtöne am Gehörorgan der Leiche er- zeugt werden können, wenn auch das Hammer-Ambossgelenk künst- lich ankylosiert wird.“ Es erhebt sich nur noch die Frage, wie wir uns gegenüber den vielfach angestellten Versuchen zu verhalten haben, bei denen die Autoren die von Helmholtz inaugurierte Anschauung von der gegenseitigen Beweglichkeit bestätigt fanden. Ihnen gegenünver lässt sich folgendes sagen: Alle diese Versuche wurden erstens an Prä- paraten unternommen, die konserviert oder mindestens zu Ver- suchszwecken besonders präpariert waren. Jeder, der sich mit anatomischen oder besonders histologischen Untersuchungen abgegeben hat, wird wissen, wie ausserordentlich empfindlieh gerade die Hammer- Ambossverbindung gegen äussere Traumen ist, und wie leicht sich die Knöchelehen. voneinander trennen lassen, wenigstens bei gewissen Säugern, u. a. auch beim Menschen. Das ist, beiläufig gesagt, natürlich le. 2) Politzer, Zur physikalischen Akustik und deren Anwendung auf die Physiologie des Gehörorgans. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 6 8. 85. 1873. 360 Hugo Frey: kein Einwand gegen die oben behauptete Festigkeit ihrer Verbindung. Diese bezieht sich nur auf die normale Inanspruchnahme durch Sehallwellen, deren Intensität und Exkursion weit hinter den groben Verschiebungen zurückbleiben muss, wie sie selbst durch leichteste mechanische Berührung hervorgerufen werden kann. Es ist deshalb nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich, dass bei manchen dieser zum Experiment verwendeten Objekte die natürlichen Ver- hältnisse nicht mehr unversehrt erhalten waren. Äussert sich ja Helmholtz!) selbst über eines seiner Objekte in diesem Sinne zweifelnd. Zweitens aber, und das scheint das bei weitem Wichtigere zu sein, wurden alle diese Versuche unter nicht physiologischen Be- dineungen angestellt. Bei ihnen allen wurde der Schall dem Gehör- organ so zugeleitet, dass von der sehr intensiven Schallquelle — Har- monium oder grössere Orgelpfeife — ein Schlauch direkt und dicht in den Gehörgang eingeführt wurde. So lehrreich nun diese Ver- suche sein mochten — und tatsächlich verdanken wir ihnen eine Fülle wertvollster Aufschlüsse —, so darf doch nicht vergessen werden, dass unter normalen Umständen die Schalleinwirkung eine ausserordentlich weniger intensive ist, und dass die unmittelbare Übertragung auf die Gehörgangswände eine ganze Serie neuer Momente mit sich führt, die normalerweise nicht in Betracht kommen. Man versuche nur selbst einmal, sich den Schlauch eines solchen Apparates in den Gehörgang einzuführen, und man wird erstaunt sein, was für ausserordentlich starke Erschütterungen man zu fühlen bekommt. Es ist sehr gut möglich, dass diese beträchtlichen Traumen, wenn sie, wie es notwendigerweise bei Versuchen geschieht, häufige wiederholt werden, solche Zusammenhangstrennungen verursachen, die unter physiologischen Verhältnissen niemals herbeigeführt werden können. Weiter aber wird durch diese Anordnung gewiss auch eine ganze Summe von Bewegungsimpulsen dem ganzen Prä- parat übermittelt, die ebenfalls in den beobachteten Endresultaten zum Vorschein kommen mochten. Ich glaube demnach die Ergebnisse dieser Betrachtungen so formulieren zu dürfen: Angesichts des anatomischen Nachweises, dass die Hammer-Ambossverbindung in vielen Fällen ankylo- tisch, in allen aber weit davon entfernt ist, ein wirk- l) Pflüger’s Arch. Bd. 1 S. 40. Verlag von Martin Hager, Bonn. Tafel Frey. * Et Ir. % yı n Ur Die physiologische Bedeutung der Hammer-Ambossverbindung. 561 liches Gelenk zu sein, sind wir gezwungen, anzu- nehmen, dass eine gegenseitige Verschiebung der beiden Knöchelchen bei der physiologischen Schall- leitung nicht in Betracht kommt. Die Annahme eines Sperrzahngelenkes zwischen beiden ist demnach gegenstandslos; sie entspricht aber auch dann nicht der Konfiguration der Teile, selbst wenn diese als frei beweglich noch angesehen werden könnten. Der Schutz des Leitungsapparates, den man durch die gegenseitige Beweglichkeit der Gehörknöchelchen gewährleistet vermutet, lässt sieh auch durch andere Apparate genügend erklären. Die naheliegende Frage, warum dann doch in den allermeisten Fällen zwei separate Knochen statt eines vorhanden seien, beantwortet sich durch den Hinweis auf entwicklungsgeschichtliche Gründe, über die in meiner Arbeit über die vergleichende Anatomie der Hammer- Ambossverbindung das Nähere enthalten ist. Tafelerklärung. Fig. 1. Hammer-Ambossverbindung von Lepus cuniculus. Vergrösserung 60. Beide Knöchelchen sind durch mit Eosin rotgefärbten Knorpel miteinander fest verbunden. Fig. 2. Hammer-Ambossverbindung von Equus caballus. Vergrösserung 90. Der Zwischenraum zwischen beiden Knöchelchen ist teils durch veränderten Knorpel, teils durch ein fibröses Band ausgefüllt; es besteht ferner noch eine verkalkte Knorpelbrücke zwischen beiden Seiten. Fig. 3. Hammer-Ambossverbindung von Cervus elaphus. Vergrösserung 90. Beide Knöchelchen sind durch eine Schichte verbunden, in der die Elemente des Knorpels und des Bindegewebes noch erkennbar sind. Gelegentlich finden sich Spalten und kleine Hohlräume auf kurze Strecken. Fig. 4 Hammer-Ambossverbindung von Macacus rhesus. Vergrösserung 70. Zwischen beiden Knöchelchen befindet sich eine Schichte von verändertem (rotgefärbten) Knorpel, in den Bindegewebe einstrahlt; stellenweise finden sich in ihm unregelmässige Spaltbildungen. Die Abbildungen sind hergestellt nach von den Herren Freiherrn v. Wieser, Assistent der hiesigen anatomischen Lehrkanzel, und Hafferl, Demonstrator daselbst, angefertigten mikrophotographischen Autochromaufnahmen. 562 Leon Asher: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bern.) Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik der Schilddrüsenphysiologie. Von Leon Asher. Es erscheint mir angebracht, um gewisse historische und metho- dische Fragen der Schilddrüsenphysiologie zu klären, einige Be- merkungen an v.Cyon’s diesbezügliche Mitteilungen zu knüpfen. Es wird sich wesentlich darum handeln, die Irrtümer über seinen eigenen Anteil an dem, was in der Schilddrüsenphysiologie geleistet worden ist, und die direkten Unrichtigkeiten seiner kritischen Bemerkungen über die Arbeit von mir und Flack für den diesem Forschungs- gebiet Fernerstehenden zu beleuchten. Die bekannte Arbeit v. Cyon’s über die Schilddrüse vom Jahre 1898, mit der von ihm selbst beschriebenen und aus seinen Proto- kollen deutlich hervorgehenden Art der Narkose und gelegentlichen Nichtnarkose bei subtilen Nervenreizungen und Blutdruckversuchen war bestimmend für die kritischen Bemerkungen über Narkose in der Arbeit Asher’s und Flack’s über das gleiche Gebiet. v. Cyon’s mangelhaftes Narkoseverfahren, nämlich Morphium in ungenügender Dosis oder gar keine Narkose, hat zur Folge: l. abnorme Erregbarkeitserscheinungen am Depressor und Vagus; 2. bei intravenösen Injektionen Störungen in Blutdruck, Pulszahl usw., die nicht eine Folge des Chemismus der injizierten Substanz, sondern des brüsken Injektionsverfahrens sind (beispielsweise auf S. 170 seiner Arbeit vom Jahre 1898, Pflüger’s Archiv Bd. 70: „5 ecın Jodo- thyrinlösung in 15[!!] Sekunden“, bald darauf „5 cem Jodothyrinlösung in 22[!] Sekunden“, und zwar beim Kaninchen); 3. Störungen im Blutdruck, Pulszahl usw. bei den notwendigen Manipulationen am Tiere, die dann falsch bezogen werden; 4. unkontrollierbare Änderungen in der Atmung. Die schweren Einwände, die sich gegen v. Cyon’s Arbeitsweise erheben lassen und alle seine Arbeiten auf diesem Ge- Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik etc. 563 biete wertlos machen, sind deutlich erkennbar, wenn man aufmerk- sam v. Cyon’s Tabellen und Kurven durchgeht. Ich empfehle dieses Studium als ausserordentlich beweisend sehr dringend. Die Kurven sind ausserordentlich unregelmässig und vieldeutig; wenige Autoren würden sie in dem v. Gyon’schen Sinne verwerten. Die Versuchsstörungen, vor denen in der Arbeit Asher und Flack gewarnt wurde, sind für jeden Kundigen aus zahlreichen Kurven v. Cyon’scher Arbeiten deutlich erkennbar. v. Cyon hat uns miss- verstanden; wir hatten, weil wir sie ausschlossen, keine solchen Ver- suchsstörungen, wie die, unter denen seine Versuche leiden. Hätte v. Cvon der Entstehungsweise seiner Kurven die nötige Kritik an- vedeihen lassen, so wäre, ohne Schaden für die Wissenschaft, die Publikation seiner vorliegenden Kurven in den Arbeiten über „die physiologischen Herzgifte“ meist unterblieben, natürlich auch alles, was er an Schlüssen auf diese Kurven basiert. Nur nebenher sei bezüglich der Schilddrüsenarbeit vom Jahre 1398 bemerkt, dass die abgebildeten Kurven nur Ausschnitte aus grösseren Kurven sind und 13 mal die Zeit- angaben fehlen, was beides an und für sich zulässig ist, von v. Cyon aber an unserer Arbeit gerügt wird. Besonders mache ich darauf aufmerksam, dass die Zeiten, während welcher der Depressor gereizt wird, durch mit der Hand gemachte Marken angegeben sind, nicht mit einem Signal, wobei die in den Kurven gedruckten Zeichen nieht die Orieinalmarken sind. Das ist bei vergleichender Prüfung des Depressors ganz unzulässig, es müssen peinlich genau die gleichen Reizzeiten innegehalten werden, weshalb wir nach den Schlägen des. Metronoms reizten. Man kann das natürlich auch mit einem guten, stets gleiche Zeiten arbeitenden Reizschlüssel und dazu gehörigen Signal erreichen. Aber Marken, die während des Versuches mit der Hand gemacht werden, bieten keine Gewähr für die wirk- lichen Reizzeiten. Ob man 10 oder 11 Sekunden reizt, ist für den Effekt der Depressorreizung nicht gleichgültig; v. Cyon hat diesen wichtigen Punkt in seiner Arbeit übersehen, und er hat jetzt nieht vermocht, diesen Mangel seiner Methodik irgendwie zu recht- fertiren. Über den sonstigen Wert seiner und unserer Kurven zu diskutieren, ist müssig; man vergleiche sie einfach, um die Diskrepanz zwischen den Worten v. Cyon’s und den tatsächlichen Verhältnissen zu sehen. Geradezu den Sachverhalt verdunkelnd sind v. CGyon’s Be- merkungen über Narkose, insbesondere über die in England übliche Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 38 504 Leon Asher: Narkose. Wer selbst die vorzüglichen Narkosen der englischen Physiologen zu sehen die Freude hatte und dabei die ausserordent- lich exakten und subtilen Reizungen empfindlicher Nerven mit ihren fast nie fehlenden Erfolgen beobachten konnte — ich erinnere hier nur beispielsweise an Langley’s Reizungen sympathischer Nerven, Bayliss’Reizungen der hinteren Wurzeifasern und an viele andere —, wird ganz entschieden Verwahrung dagegen einlegen müssen, dass jemand, der hierzu nicht kompetent ist, falsche Meinungen ver- breitet. Hätte v. Cyon in seinen Arbeiten seit 1898 ebensogut narkotisiert und vor allem dabei im übrigen auch ebenso exakt ge- arbeitet wie die englischen Physiologen mit ihren tiefen Narkosen und ihrer genauen Arbeitsweise, so hätte sich mit seinen Arbeiten dasselbe ereignet wie mit den Arbeiten dieser Forscher. Sie wären meist bestätigt worden, hätten unser Wissen bereichert und wären nicht meist — als unrichtig erkannt worden. Wie übrigens der grösste lebende Kenner der Schilddrüse und der Folgeerscheinungen bei ihrer Hypersekretion und ihrem Ausfall über v. Cyon’s Behauptungen zur Funktion der Schilddrüse urteilt, geht aus folgenden Aussprüchen Kocher’s (Kocher, Die Patho- logie der Schilddrüse. Verhandl. des Kongresses für innere Medizin, Wiesbaden 1906, S. 93, 94) hervor: „Weder der vollständige noch der unvollständige Ausfall der Schilddrüse gibt Anlass zu Störungen im Rhythmus und Typus der Herztätigkeit, so dass man kurz sagen kann, es gibt kein thyreoprives Kropfherz in dem Sinne, dass als Folge der Entfernung der Schilddrüse sich ein progressives Herzleiden entwickelt, welches den Verlauf der Krankheit maass- gebend beeinflusst, so sehr andererseits die Zirkulation bei der Kachexie darniederliest. Wir befinden uns mit diesem Ausspruche in scharfem Gegensatze zu v.Cyon, welcher die „jodähnliche Wirkung der Schilddrüsenexstirpation“ betonend hervorhebt, dass dieselbe der Ausdruck des Weofalles der Schilddrüsenfunktion sei, indem die Schilddrüse die Aufgabe habe, den Körper durch organische Bindung von dem eingeführten Jode zu befreien, welches die Erregbarkeit der Herzregulatoren schädige, während Jodothyrin sie steigere.“ Nun noch einige Beispiele zur Charakterisierung der v. Cyon- schen Methodik. Er wollte die Erregbarkeitssteigerung des N. de- pressuor durch Jodothyrin erweisen. Es fehlt aber vollständig an Kontrollversuchen über die normalen Erregbarkeitsschwankungen des N. depressor. Das gleiche gilt hinsichtlich seiner Versuche über die Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik etc. 565 Erregbarkeit des Vagus. Auf S. 169 seiner Arbeit, Versuch 11, Tabelle X findet sich folgender Vermerk: „Unterbindung des Halssympathieus ... Heftige Schmerzensäusserungen, Krämpfe.“ Auf S. 194, Tabelle XII finden wir den Vermerk: „Durchschneidung des rechten Vagus... Das Tier bekommt heftige Krämpfe. Pulse unregelmässig ... .“ Das sind nur ein paar Beispiele. Aber sie genügen, es äusserst merkwürdig erscheinen zu lassen, dass ein so scharfer Kritisierer fremder Arbeiten in der Selbsttäuschung befangen sein konnte und dabei verharrt, dass seine Arbeitsweise imstande war, über subtile Fragen der Nervenphysiologie und des Kreislaufes Aufschluss zu ge- währen. Es kann nicht wundernehmen, dass bei so geradezu barba- rischer Methodik die Natur die richtige Auskunft verweigert. v. Cyon behauptet gefunden zu haben, dass Jodothyrin die Erregbarkeit des Vagus und des Depressor erhöhe. Er spricht von Bestätigungen seiner Behauptungen. Was den Depressor anbetrifft, so haben Flack und ich gezeigt, dass durch seine eigenen Ver- suche diese Erregbarkeitssteigerung jedenfalls nicht bewiesen wurde. Es wird nun manchmal zitiert gefunden, und v. Cyon behauptet es auch, dass Boruttau, Ocana, Besmertny, Kraus und Friedenthal seine Versuche bestätigt hätten. In Wirklichkeit steht die Sache folgendermaassen. Kraus (Kraus, Verhandl. d. Kongresses f, innere Medizin in München. Bergmann, Wies- baden. 1906) schreibt Seite 47 hinsichtlich der Erregbarkeitsver- hältnisse dieser Nerven: „Wenigstens bei Verwendung von Jodo- thyrin konnten Friedenthal und ich von solchen Erscheinungen nichts sehen.“ Hingegen machen sie die ganz kurze Angabe, dass Schilddrüsenpresssaft die Erregbarkeit des Vagus, die bei alleiniger Adrenalininjektion abnehme, wiederherstelle. Dies ist aber gegenüber dem in der Arbeit vom Jahre 1898 nur mit Jodothyrin arbeitenden v.Cyon etwas Neues. Coronedi (dessen Originalmitteilung wir nicht vorliegt, ich zitiere nach v. Fürth und Sch warz [dieses Arch. Bd. 124 S. 120. 1908]) bemerkte „nach Thyreoidektomie bei Kaninchen eine Parese der Depressoren und glaubte durch Jodothyrin eine wenn auch nur teilweise Wiederherstellung ihrer Erregebarkeit erzielt zu haben“. Flack und ich haben diese Parese nach Schilddrüsen- exstirpation nicht gesehen, auch Gerhardt (Münchener Kongress f. ion. Med. 1. e.) sah sie meist nicht; sie ist also jedenfalls kein regelmässiges Vorkommen; die anderen Angaben von Coronedi sind sehr unbestimmt. Boruttau schreibt in einer Anmerkung 38* 266 Leon Asher: ohne weitere Belege (dieses Archiv Bd. 78 S. 127. 1899): „Ich möchte hier mitteilen, dass ich Cyon’s Beobachtungen über Steigerung der Erregbarkeit der Herzvagi dureh injizierte Schilddrüsensubstanz, sowie deren Antagonismus zum Atropin durchaus habe bestätigen können.“ Vom Depressor und von Jodothyrin ist hier keine Rede Ocana’s kurze Mitteilung auf dem Physiologenkongress in Turin entzieht sich der Beurteilung. Meine eigene Schülerin Besmertny hat in sehr reservierter Weise einen geringfügigen, partiellen Antagonismus von Jodothyrin und Atropin bestätigt, ohne sich auf Deutung desselben einzulassen. Hingegen konnte eine andere der von v. Cyon behaupteten Erscheinungen, nämlich die Verminderung der Vaguserregbarkeit dureh Jodnatrium, nicht bestätigt werden. Viel Aufhebens ist mit dem Antagonismus zwischen Jodothyrin und Atropin nicht zu machen. Die ganze An- gelegenheit ist noch nicht spruchreif, erst durch die interessante Arbeit von Fleischmann, (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 S. 518. 1910), der Atropinentgiftunge durch Kaninchen- blut nachwies, ist ein Fortschritt angebahnt worden. Also bestätigt. ist ausserordentlich wenig von den vielen Behauptungen v.Cyon’s, um so mehr aber, wie bekannt, in zahlreichen gründlichen Arbeiten widerlest. Ich erinnere hier nur an die letzten genauen Versuche von v. Fürth und K. Schwarz (Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 113. 1908). Der Versuch v. Cyon’s, in der Form ungehörig, in der Sache irreleitend, diese Arbeit herabzusetzen, anstatt sie experimentell zu überprüfen, gilt wohl allgemein als missglückt. Welcher Wert der Kritik beizumessen ist, die v. Cyon unseren Versuchen angedeihen lässt, wird am besten durch zwei Beispiele illustriert. Er bemängelt unsere Depressorkurven und schreibt: „In fünf Versuchen (Nr. 12—16) haben die Autoren sogar statt Senkung des Blutdruckes dessen Steigerungen erhalten.“ In Wahr- heit haben wir immer Senkung erhalten. Cyon beruft sich auf Nr. 12—16, Tabelle V, Versuch vom 6. Mai. Es kann doch v. Cyon nicht entgangen sein, dass es sich um einen übersehenen Druckfehler bzw. Schreibfehler in der Überschrift handelt, wo „Drucksteigerung“ statt „Drucksenkung“ steht. Denn erstens bilden wir eine Kurve vom 6. Mai unter der Tabelle ab, mit Drucksenkung, zweitens wird auf der folgenden Seite ausführlich von der Tabelle V gesprochen, immer mit Verwertung der drucksenkenden Wirkung des Depressors. Am Ende seiner Kritik findet sich folgender Passus: Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik etc. 567 „So veröffentlicht er im Zentralblatt für Physiologie eine Mitteilung: Die innere Sekretion der Niebenniere und deren Innervation‘, wo er einfache Steigerungen des Blutdruckes bei Reizung der Splanchniei als Beweis verstärkter Sekretion von Adrenalin in der Nebenniere betrachtet.“ Dabei ist in dieser Mitteilung ausführlich die Methodik beschrieben, durch deren Hilfe jede andere Wirkung des zentralwärts durchschnittenen Splanchnicus ausser auf die Nebenniere ausgeschlossen wurde; denn es war alles entfernt bzw., wie bei der Leber, aus- geschaltet, worauf sonst noch der Splanchnieus wirkt. Abklemmung der Nebennierenvene hob die Wirkung der Splanchnieusreizung auf. Da das Zentralblatt für Physiologie in den Händen der meisten Physiologen sich befindet, darf ich mir wohl ersparen, hier weitere Worte über meinen Nachweis der inneren Sekretion der Nebenniere und deren Innervation zu machen. Was v. Cyon über unsere Reizungs- und Operationsmethoden saet, steht auf gleicher Höhe des kritischen Wertes wie das Vorauf- gegangene. Es hat einiges allgemeinere Interesse, v. Cyon’s Irrtümer hinsichtlich der N. depressor zu berichtigen. Es kehrt bei ihm oft die Behauptung wieder von der schlechten Erregbarkeit dieses Nerven bei den Berner Kaninchen. Das ist vollständig unrichtig. Nur in einzelnen Ausnahmefällen — die wahrscheinlich anderwärts ebensohäufig sind — findet man diese schlechte Erregbarkeit. Seit 15 Jahren habe ich Gelegenheit, mindestens zweimal im ‚Jahre in Vorlesung und Kurs die Depressorreizung zu demonstrieren. Viel- leicht war zweimal die Erregbarkeit eine schlechte. In meinen Arbeiten der letzten Jahre habe ich sehr häufig Depressor- reizungen ausgeführt und je mehr ich dabei die Reizmethodik ver- besserte, um so seltener kam es vor, dass ich den Depressor anders als mit ganz schwachen Strömen zu reizen nötig hatte. Flack und ich schrieben daher ausdrücklich: „Übrigens ist nach unseren Erfahrungen eine wirklich schlechte Erregbarkeit der Depressoren beim Kaninchen eine nur gelegentliche Ausnahme.“ Auch nach Fxstirpation der Schilddrüse findet sich eine hohe Erregbarkeit des N. depressor, was allerdings nicht im Einklang mit den Spekula- tionen v. Cyon’ssteht. In v. Cyon’s Versuchen jedoch sind meist, wie wir in unserer Kritik ausführlich bewiesen, viel zu starke Reiz- ströme angewandt worden. Das lag aber nicht an den Berner Kaninchen, sondern an der mangelhaften Reizmethodik v. Cyon’s. Seine Berufung auf seine Erfahrungen von ehemals 568 Leon Asher: ändern nichts an der Tatsache, dass seine Versuchsprotokolle vom Jahre 1893 jeden, der selbst Erfahrungen über den N. depressor besitzt, evident lehren, dass er sich jetzt eines mangelhaften Ver- fahrens für vergleichende quantitative Erregbarkeitsprüfungen bedient hat, was übrigens auch für seine anderen Nervenreizungen gilt. Ich empfehle, den Depressor bei vergleichenden Versuchen mit den schwächsten Strömen zu reizen, die gerade einen deutlichen Aus- schlag geben. Bei Innehaltung bekannter Vorsichtsmaassregeln wird man Jange Zeit konstante Effekte bekommen. Was die übrige Bemängelunge unserer Versuche durch v. Cyon anlangt, so mag sie durch folgende Bemerkungen erlediet werden. 1. Die Anordnung bei Reizung der Nn. laryngei war der Art, dass Stromschleifen ausgeschlossen waren. Ein sicheres Kriterium für diesen Ausschluss ist, dass erstens keine Störung in der Blut- druckkurve auftritt, insbesondere keine Drucksteigerung, vielmehr, wie wir beschrieben und abgebildet haben, der Druck unverändert sich auf gleicher Höhe hält, zweitens keine Änderung der Pulszahl, drittens keine Beeinflussung der Atınung. Wenn man weit höhere Stromstärken anwendet, als wir nach Ausprobieren anwandten, er- kennt man sofort an den genannten Kriterien einen etwaigen Ein- fluss von Stromschleifen. 2. Die Reizung der Nn. laryngei beim Kaninchen hatte zur Folge, dass die Erregbarkeit des N. depressor und die Wirksamkeit von Adrenalin bei sonst genau konstant erhaltenen anderen Be- dingungen erhöht wurde. Diese Wirkungen waren die gleichen wie nach Injektion von Schilddrüsenextrakt (nicht Jodothyrin). Jede Wirkung der Nn. laryngei blieb aus, wenn die Schilddrüse entfernt worden war, sonst aber die Versuchsbedingungen blieben wie vorher. Auf Grund dieser in unserer Arbeit enthaltenen Experimentalkritik zogen wir den Schluss, dass die Nn. laryugei sekretorische Nerven- fasern für die Schilddrüse enthalten und Absonderung eines Sekretes veranlassen, welches so wirkt wie Schilddrüsenextrakt. 3. Bei Hunden bewirkt Reizung der Nn. laryngei wie bei dem Kaninchen, dass die Empfindlichkeit für Adrenalin steigt (siehe Tabelle XX und XXI unserer Arbeit). 4. Unsere positiven Experimentalbefunde — nur soweit siev.Cyon- sche Behauptungen betrafen, waren sie negativ — in Verbindung mit den wichtigen Beobachtungen von Katzenstein und von Exner Kritische Bemerkungen zur Geschichte und Methodik etc. 569 über die Folgen der Durchschneidung der Nn. laryngei stützen die Auffassung, dass die Reizung der Nn. laryngei als Reizung sekretori- scher Nerven wirkt. v. Cyon versucht das tatsächliche Gelingen unseres Versuchsplanes wegen der Anwendung des Kaninchens wee- zuargumentieren. Aber es hat sich gezeiet, dass kurzdauernde Reizung der Nn. laryngei ebenso wirksam sein kann wie kurz- dauernde Reizung der sekretorischen Nerven der Nebenniere beim Kaninchen. Für die Prüfung der Sekretwirkung ist es gleichgültig, ob man, Hunde oder Kaninchen benutzt. Der absolut kleineren Sekret- menge bei letzteren entspricht eben eine absolut kleinere Blutmenge zum Verdünnen und kleinere Körpererösse. Natürlich wird man sich bei Fragen von so prinzipieller Wichtigkeit nach weiteren Wegen der Sicherung umsehen. Ich bin selbst schon seit einiger Zeit mit neuen Versuchen in dieser Richtung beschäftigt. 9. Der augenblickliche Stand des Wissens über die Schilddrüse wird von v. Cyon in ganz unzutreffender Weise ausgelegt, wenn er bemängelt, dass wir weder die innere Sekretion noch die Abhängig- keit vom Nervensystem als vorher streng bewiesen anerkannten. Ein Forscher, von unstreitig viel erösserer Erfahrung auf dem Ge- biete der inneren Sekretion als v. Cyon, Swale Vincent, schreibt (Innere Sekretion, Ergebn. d. Physiol. Bd. 9 S. 487. 1910): „Dies (nämlich ‚innere Sekretion‘) darf angenommen werden, im Falle dass das Extrakt eine Substanz abgibt, welche ganz spezifische physiologische Wirkungen hat; aber sie kann als ganz sicher nur dann festgestellt werden, wenn das Organ aus drüsigen ‚sezer- nierenden‘ Zellen besteht, welche histologische Zeichen der Aktivität zeigen, und wenn man in dem Blut, welches das Organ durch dessen Venen verlässt, dasselbe aktive Prinzip wie in dem Organ selbst finden kann.“ Es ist allgemein bekannt, dass dieser letztgenannte entscheidende Beweis ausstand. Unsere eieene Methode gab ein bio- logisches Mittel an die Hand, das innere Sekret der Schilddrüse zu erkennen. Solange man das wirksame Prinzip der Schilddrüse nicht. kennt, wird man sich mit solchen Etappen der Erkenntnis be- snügen müssen. Im neuesten Lehrbuch der inneren Sekretion (Biedl, Innere Sekretion S. 30. Wien 1910) schreibt der auf dem Gebiete der inneren Sekretion erfolgreich tätige Autor: „Über die Beeinflussung des Sekretionsvorganges durch nervöse Erregungen und andere Momente liegen wohl einige Angaben vor, die aber eine Entscheidung der Frage nicht bringen.“ 570 Leon Asher: Kritische Bemerkungen zur Geschichte u. Methodik etc. Überhaupt wird jeder, welcher die Experimentaluntersuchungen der letzten Jahre verfolgt, sich der Einsicht nicht verschliessen können, wie sehr alles im Fluss ist. Selbst scheinbar gesicherte Tatsachen, wie die schöne biologische Reaktion von Reid Huni auf aktive Schilddrüsensubstanz, erscheinen auf einmal durch den überraschenden Nachweis Trendelenburg’s dieser Reaktion inı schilddrüsenlosen Tiere im anderen Lichte. In unserer eigenen Ar- beit ist mehrfach darauf hingewiesen, wo die weitere experimentelle Kritik einzugreifen hat, die wir auch sonst erwarten. Dass hierzu v. Cyon kaum mit berufen ist, dafür hat er selbst übereenug Be- weise geliefert durch seine eigene, sobald man sich seine Arbeiten näher ansieht, leicht kontrollierbare Arbeitsweise in seinen Veröffent- lichungen seit dem Jahre 1898. Ich werde, wenn ich meine längere Zeit in Anspruch nehmen- den Versuche über Schilddrüse und Nebenniere abgeschlossen habe, Gelegenheit haben, mit neuen experimentellen Erfahrungen auf hier besprochene Fragen zurückzukommen. (Aus dem Institut für exper. Pharmakologie der Universität Lemberg.) Über die innere Sekretion der Nebenniere. Von Professor Dr. L. Popielski, Direktor des Instituts. (Hierzu Tafel VI.) Über die sekretorische Tätigkeit der Drüsen ohne Ausführunes- sänge können wir uns nur auf indirektem Wege ein Urteil bilden: irgendein Sekret direkt zu erhalten, ist unmöglich. Dort, wo die physiologischen Eigenschaften des Sekretes genau erkannt sind, können wir auch die Verhältnisse, unter denen das Sekret zustande kommt, ohne Schwierigkeiten untersuchen und studieren. Leider wissen wir über diese Verhältnisse fast nichts. Ich möchte daher be- trefis der inneren Sekretion der Nebennieren folgendes mitteilen. Zunächst die Beschreibung der Untersuchungsmethode. Wird die Aorta in der Brusthöhle komprimiert, so erfolgt selbstredend ober- halb der Kompressionsstelle eine Blutdrucksteigerung. Man sollte vermuten, dass nach Beseitigung der Kompression der Blutdruck ad normam zurückkehrt. Unterdessen belehrt uns der Versuch eines anderen. Nach Beseitigung der Kompression der Aorta sinkt zwar der Blutdruck plötzlich und erreicht in 8 Sek. das Minimum (das jedoch immer etwas höher ist als in norma), verbleibt auf diesem Niveau ca. 5 Sek., nachher jedoch steigt er langsam be- trächtlieh über die Norm. Die Blutdrucksteigerung dauert ziemlich lange und ist nach 10 Min. noch immer etwas grösser als vor der Kompression. Diese Erscheinung war so entgegen allen Er- wartungen, dass sie erst nach genau durchgeführter Analyse ver- ständlich wurde. Da mit der Blutdrucksteigerung gleichzeitig eine Beschleunigung der Herzaktion mit geringen Pulsschwankungen zutage trat, lag der Gedanke nahe, dass diese Erscheinung durch Adrenalin hervorgerufen wurde. Nach durchgeführter genauer 572 L. Popielski: Analyse zeigte es sich, dass das oben beschriebene Verhalten auch statthat nach Durchschneidung des Rückenmarkes unterhalb der Me- dulla Oblongata als auch der Nn. splanchniei, dass es also zweifellos peripherer Herkunft ist. Es war also klar, dass die Erscheinung von der Nebenniere abhängig sein konnte. In der Tat führte die. Kompression und ihre Beseitigung nach Entfernung der Nebennieren nicht mehr zu Blutdrucksteigerung. Nach Entfernung der Neben- nieren wird die Pulsfrequenz verlangsamt, beinahe um die Hälfte (4!/a Schläge anstatt 7'/s in 5 Sek.), und es erfolgt Blutdruck- erniedrigung. Ohne Zweifel hat während der Kompression der Aorta in den Nebennieren Bildung von Adrenalin stattgefunden, welche nachher nach Entfernung der Kompression vom starken Blutstrom wegsgeschwemmt wurde; indem es in den allgemeinen Kreislauf gelangte, rief es die charakteristischen Wirkungen hervor. Es ist daher klar, dass zum Übergange von Adrenalin aus den Nebennieren eine gewisse Höhe des Blutdruckes erforderlich ist. Ferner muss man während der Blutdruckabnahme eine Anhäufung von Adrenalin in den Nebennieren erwarten, worüber man auf Grund der grösseren Menge der chromaffınen Substanz indirekt urteilen kann. ‚Dies zeigte sich auch in den Versuchen von Nowicki!) in meinem Laboratorium, der bei Blutdruckherabsetzung durch Vasodilatin (Pepton Witte) in den Nebennieren eine bedeutende Zunahme der chromaffınen Substanz fand. Jetzt gehe ich zu den Einzelheiten der von mir ausgeführten Versuche über. Nehmen wir z. B. den am 21. Mai 1910 an einem 8!/ge kg schweren Hunde ausgeführten Versuch. Vor Kompression der Aorta betrug der Blutdruck 20 mm Hg (Narkose mit Chloral). Nach der Kompression zeigten sich folgende Zahlen: in 8 Sek. = 32 mm Hg; in 40 Sek. — 76; in 60 Sek. = 74; in 150 Sek. —= 64; in 210 Sek. — 40. Die Kompression in diesem Versuche dauerte 3Y/g Min. Zweite Kompression: Blutdruck vor der Kompression 20 mm Hg (s. Kurve). Nach der Kompression: in 8 Sek. — 26; in 40 Sek. = 30; in 60 Sek. —=42; in 150 Sek: — 54 (s. Kurve); in 180 Sek. — 56. Die Kompression dauerte 3 Min. (s. Kurve). Nach Entfernung der Kompression (s.Kurve, Taf. XXD): in 8 Sek. — 26; in 40 Sek. —=57; in 60 Sek. = 70; in 70 Sek. — 176; in 90 Sek. = 78; in 95 Sek. = 80; in 100 Sek. = 178; in 1) Lemberger med. Wochenschr., 1. Dez. 1910. Cybulski’s Festschritt. Über die innere Sekretion der Nebenniere. 573 140 Sek. = 68; in 180 Sek. = 56; in 150 Sek. = 60; in 210 Sek. = 40 mm He. Die dritte Kompression erfolgte nach Durchschneidung des Rückenmarkes unterhalb der Medulla oblongata. Vor der Kompression Blutdruck — 26 mm Hg. Nach der Kompression in 8 Sek. — 38; in 40 Sek. = 50; in 60 Sek. = 50; in 150 Sek. = 50; in 210 Sek. — 50; in 320 Sek. = 60; in 436 Sek. — 90. Dauer der Kompres- sion 7 Min. 16 Sek. Nach Beseitigung der Kompression: in 8 Sek. ee 0 Sek, — 365 10.602 Sek? 58. nk 1507 Sek. — 58; in 210 Sek. = 40; nach 10 Min. betrug der Blutdruck 23 mm He. Die vierte Kompression erfolgte nach Durchschneidung der Eingeweidenerven, dauerte 7 Min. und ergab dieselben Zahlen wie vorher. Nach Entfernung der Kompression waren die ent- ‚sprechenden Zahlen etwas geringer: 20 mm He, 30, 38, 40, 34. Nach Beseitigung der Nebennieren sank der Blutdruck von 23 mm auf 24 mm, die Zahl der Pulsschläge von 7'/s auf 4in 5 Sek. Kom- pression der Aorta bewirkte eine Blutdrucksteigerung bis zu 36 mm, und auf dieser Höhe verblieb sie innerhalb. von 3!/2 Min., wonach sie nach Entfernung der Kompression auf 20 mm He sank und auf dieser Höhe während des ganzen Versuches verblieb. Es soll hier noch hinzugefügt werden, dass Kompression der Aorta durch 20—30 Sek. eine deutliche Blutdrucksteigerung bewirkt. Interessant ist es, dass ich nach Durchschneidung der Medulla Oblongata dieselben Zahlen erhalten habe wie vor der Durchschneidung, ein Beweis, dass die nervösen Zentren an der durch Adrenalin hervorgerufenen Blut- drucksteigerung keinen Anteil nehmen. Was nun die Frage über Einfluss der Dauer der Kompression der Aorta auf den Blutdruck anbelangt, so ergaben meine Versuche folgendes: längere als 3 Min. andauernde Kompression beeinflusst die Stärke des Erfolges der Kompression nicht, so dass das Resultat einer 3 Min. und einer 7 Min. andauernden Kompression fast das- selbe bleibt. Dagegen gibt Kompression während 15 Min. nur sehr seringen Erfolg. Der Blutdruck erhöht sich zwar, aber nur um ein geringes und für kurze Zeit; nach 30—40 Sek. beginnt eine lang- same Abnahme. Da die Kompression der Aorta imVerlaufe von 3 Min. von Maximalwirkung begleitet ist, so muss die gebildete Adrenalinmenge als maximale betrachtet werden. Da die Wirkung des Adrenalins im obigen Falle beinahe dieselbe ist wie von 0,1 mg langsam in den Kreis- lauf eines 8!/s kg schweren Hundes eingeführten Adrenalins, so kann 574 L. Popielski: | man annehmen, dass es im Verlaufe von 3 Min. in der Nebenniere sich 0,1 mg bildet; im Verlaufe 1 Min. = mg, was auf 1 kg Hund 0,1 Ol 3x85 25,5 25% 60, d. i. ca. 0,24 mg und im Verlaufe von 24 Stunden 0,24 X 24 — 5,76 mg. Nehmen wir dieselben Mengen Adrenalir. für 1 kg Mensch an, so zeigt es sich, dass ein Mensch im Gewichte von 80 kg in einem Tage 5,8 X 80 mg — 460,80 mg —= 0,460 21), d. i. ca. 0,5 g Adrenalin produzieren wird. Es war auch von Interesse zu erfahren, wie sich die innere Sekretion der Nebennieren unter dem Einflusse von Atropin verhält. Zu diesem Zwecke wurden in die V. jugularis je 1 mg Atropin pro 1 kg Gewicht des Hundes eingeführt. Sofort nach der Einführung erfolgte eine Blutdrucksenkung. Auf diese Erscheinung machte ich schon lange aufmerksam. Bei Einführung von 0,01 Atrop. sulfuriei auf 1kg ins Blut: 1. Der Blutdruck sinkt beträchtlich; 2. erfolet Sekretion von Pankreässaft; 3. das Blut wird nicht gerinnbar, Erscheinungen, die als Folge des Vasodilatins?) anzusehen sind. Als Reizung des peripheren Endes des N. vagus keine Herzverlangsamung zur Folge hatte, wurde die Aorta zweimal komprimiert, und zwar durch 3 Min. und 1 Min.; nach Aufhören der Kompression stieg der Blut- druck in eben derselben Weise wie vor dem Einführen von Atropin. Dass es sich tatsächlich um eine Aussechwemmung von Adrenalin handelt, beweisen die Versuche, in denen bei Kompression der Aorta der Blutdruck nur wenig steigt; in diesen Fällen bewirkt Aufhebung der Kompression nur eine sehr geringe Blutdrucksenkung, so, dass die Druckdifferenz nicht hinreichend ist, um das angesammelte Adrenalin mechanisch wegzuschwemmen. Solche Verhältnisse führte ich in der Weise herbei, dass ich nach Kompression der Aorta in die V. jugularis Vasodilatin in Form von 5°/o Pepton Witte (je 1,5 cem auf 1 kg Hund) einführte: der Blutdruck sank beträchtlich von 160 mm Hg bis auf 40 mm. Hierauf wurde die Kompression be- seitigt: der Blutdruck sank nur um 4 mm, von 40 auf 36 mm. beträgt. In einer Stunde bildet sich Adrenalin 1) Letzterer Versuch und obige Zahlen finden sich in der zitierten Festschrift (meine Mitteilung). 2) L. Popielski, Erscheinungen bei direkter Einführung von chemischen Körpern in die Blutbahn. Zentralbl. f. Physiol. Bd. XXIV Nr. 24. x Uber die innere Sekretion der Nebenniere. 575 Bei solelı geringer Blutdruckabnahme war auch das Ausschwemmen von Adrenalin ein sehr geringes, und tatsächlich war die gewöhnlich der Blutdrucksenkung folgende Steigerung kaum merkbar. Wenn aber der Blutdruck von 40 mm Hg auf 30 mm Hg fällt, dann ist auch die Ausschwemmung eine beträchtlichere und die nachfolgende Steigerung war stärker. - Meine Versuche sprechen gegen die Theorie, dass die Aus- scheidung von Adrenalin unter dem Einflusse wahrer sekretorischer Nerven steht. Biedl, Dreyer und in neuster Zeit Tschebok- sareff!) und Asher?) weisen darauf hin, dass der N. splanch- nieus der sekretorische Nerv der Nebennieren sei. Biedl, Dreyer und Tscheboksareff sammelten das aus der Nebenniereuvene ausfliessende Blut mit und ohne gleichzeitige Reizung des N. splanch- nieus. Dieses führten sie dann in die Blutbahn eines zweiten Tieres ein; die Blutdrucksteigerung, die das während der Splanchnicus- reizung gesammelte Blut bewirkte, war viel stärker als diejenige, welche das ohne gleichzeitige Splanchniceusreizung gesammelte Blut zustande brachte. Asher entfernte alle Organe der Bauchhöhle, mit Ausnahme der Leber, und beobachtete den Blutdruck der Karotis während der Reizung des N. splanchnieus: er stellte eine bedeutende Steigerung fest. Die Ergebnisse der erwähnten Autoren lassen sich leicht vom Standpunkte meiner Versuche erklären. Der N. splanchnieus ist der Vasodilatator der Nebenniere (Biedl, Tscheboksareff). Bei Reizung dieses Nerven geht der Blutdruck in die Höhe, was bei gleichzeitiger Erweiterung der Gefässe der Nebenniere eine Ausspülung des Adrenalins aus der Drüse zur Folge hat. Nach Durchschneidung des N. splanchniei verengern sich die Gefässe der Nebenniere; das zu dieser Zeit gesammelte Blut aus der Neben- nierenvene (oder direkt in den allgemeinen Kreislauf gelangende Nebennierenblut, wie in Asher’s Versuchen) wird weniger Adrenalin enthalten. Im Gegenteil, eine sofort nachher ausgeführte Reizung des N. splanchn. ruft eine grössere Ausspülung von Adrenalin hervor, und das Nebennierenvenenblut wird auch mehr Adrenalin 1) Tscheboksareff, Über die sekretorischen Nebennieren. Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 59. 1910. 2) Asher, Die innere Sekretion der Nebenniere und deren Innervation- Zentralbl. f. Physiol. 1910 Nr. 20 S. 927. 576 L. Popielski: enthalten. Die Versuche von Tscheboksareff, dass die Reizung des zentralen Endes des N. ischiadiei eine Blutdrucksteigerung her- vorruft ohne gleichzeitige Vermelrung des Adrenalis im Nebennieren- venenblut, stehen nicht im Gegensatz zu meiner Anschauung; denn bei Tsecheboksareff ist der Unterschied in der Geschwindigkeit des Blutausflusses bei Reizung des N. ischiadiei und ohne Reizung nicht gross. Meine Versuche zeigen, dass die Menge des ausgespülten Adrenalins dann bedeutend sein kann, wenn die Blutgefässe der Nebenniere vor irgendeinem Eingriffe in einem Kontraktionszustande sich befinden, d. h. wenn unmittelbar vor der Nervenreizung die Geschwindigkeit des ausfliessenden Blutes klein ist. Bei Reizung des N. ischiadiei ist die Blutgeschwindigkeit in der Nebennierenvene zwar etwas gestiegen [|160—170 Tropfen pro ]l Min.!)], aber sie war auch vor der Reizung sehr gross (130 —144 Tropfen pro 1 Min.). Für die gesteigerte Durchspülung ist aber nötig, dass nicht nur die Blutgeschwindiekeit sich vergrössert, sondern auch dass die Blutgefässe sich unmittelbar vor der Reizune im Kon- traktionszustande befinden. Dafür sprechen die Versuche mit Reizung des,N. splanchniei. Dort, wo die Geschwindigkeit während der Reizung [76-80 Tropfen pro 1 Min.?)] sich nur wenig von der Geschwindigkeit vor der Reizung unterschied, dort war auch die Blutdrucksteigerung nur unbedeutend (von 150 bis 162 mm Hg). In den Versuchen, wo die Blutgeschwindigkeit sich während der Reizung bedeutend steigerte [|60—80 Tropfen pro 1 Min., anstatt 48—54, 84—102 Tropfen pro 1 Min., anstatt 60—70?)], war auch die durch das während der Reizung gesammelte Blut verursachte Blutdruck- steigerung sehr bedeutend. Von grosser Bedeutune ist es, auf welche Weise der Nerv gereizt wird: die Reizung mit Unterbrechungen ('/’s Min. Reizung, !/s Min. Ruhe usw.) wird Blut mit grösserem Adrenalingehalt ergeben. Selbstverständliich kann man bei andauernder Reizung des N. splanchniei sogar nach langen Unterbrechungen langdauernde Blutdrucksteigerune erhalten, und so konnte Asher, indem er mehr oder weniger in dieser Weise verfuhr, den Blutdruck dauernd in der Höhe halten. Ein weiterer Beweis der Unabhängigkeit der Adrenalinbildung 1) Tscheboksareff, l. ce. S. 114. 2) Tscheboksareff, 1. c. S. 113 u. 104. Über die innere Sekretion der Nebenniere. 577 von spezifisch sekretorischer Nerven sind die in meinem Laboratorium ausgeführten Untersuchungen vom Dozent Dr. W. Nowicki!). Bei Blutdruckherabsetzung durch Vasodilatin werden die Nebennieren hyperämisch und sehr reich an chromaffiner Substanz befunden. Trotz des grossen Adrenalingehaltes in den Nebennieren findet keine Blut- drucksteigerung statt. Diese Tatsache weist darauf hin, dass das Adrenalin nicht als Regulator des Blutdruckes und der Nervenzentren im Organismus betrachtet werden kann (nach Cybulski soll das Adrenalin ein spezifischer, natürlicher Reiz für die Zentren der heiınmenden Herznerven sein), und die diesbezüglichen Theorien müssen als irrtümlich bezeichnet werden. Ich habe in meinen Unter- suchungen jedenfalls festgestellt, dass die Adrenalinbildung in den Nebennieren eng mit ihrer Durchblutung verbunden ist, und dass Veränderungen in der Durchblutung schon genügen, um die Menge des ins Blut gelangenden Adrenalins verschieden zu gestalten. Die Adrenalinbildung ist also ein von den sekretorischen Nerven un- abhängiger Prozess und ist eng mit dem Zustande der Blutversorgung der Nebennieren verbunden. Die in meinem Laboratorium aus- geführten Untersuchungen?) zeigten, dass das Atropin die sekre- torischen Nerven des Pankreas, die im N. splanchnieus verlaufen, nicht lähmt?). Auf Grund dieser Tatsache habe ich die Meinung von der vollständigen Analogie in der Innervation den Speicheldrüsen und des Pankreas ausgesprochen (Modrakowski, ]. c. S. 502). Das Atropin verändert nicht die Sekretionsbedingungen des Adrenalins in den Nebennieren. Daraus darf man aber nicht den Schluss ziehen von der Existenz sekretorischer Nerven für die Nebennieren im N. splanchnieus. _ Mit den Ergebnissen meiner Versuche zeigen auch die von Strehl und Weiss ausgeführten eine vollkommene Überein- stimmung. Strehl und Weiss komprimierten nach Entfernung einer Nebenniere die Vene der anderen und erhielten ebenfalls nach 1) Nowicki, Il. c. 2) G. Modrakowski, Zur Innervation des Pankreas. Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 487. 1906. 3) Die entgegengesetzte Meinung Pawlow’s und seiner Schule, dass das Atropin die Endigungen dieser Nerven lähmt, ist ganz unbegründet. Siebe auch Dr. J. Studzinski (aus meinem Laboratorium): Über den Einfluss der Seifen und Öle auf die sekretorische Tätiekeit des Pankreas. Russkij Wratsch 1911, Neol, 2,3. 578 L. Popielski: Über die innere Sekretion der Nebenniere. Entfernung der Kompression eine Steigerung des Blutdruckes (Pflüger’s Archiv, Bd. 86, S. 107). Wenden wir uns der praktischen Seite unserer Versuche zu. Vor allem erhalten wir eine Blutdrucksteigerung in den Fällen, in denen die Kompression der Aorta oberhab der Nebennieren erfolst. Daraus ist zu schliessen, dass in Fällen von Blutdruckabnahme bei Kollaps, Vergiftungen, die Aorta im Laufe von Ya—1—3 Min. kom- primiert werden soll. Am normalen Hund ist wegen Spannung der Bauchdecke die Kompression sehr erschwert. Trotzdem gab, wenn auch unzureichende Kompression in 1 Min. Blutdruckzunahme um 10—12 mm Hg. Unter Chloral ist die Komprimierung viel leichter, und da bekommt man auch ohne Schwierigkeiten eine Steigerung des Blutdruckes. Die Kompression der Aorta kann in der Chirurgie während des Chloroformierens, bei schweren und langandauernden Operationen von grosser Bedeutung sein. Es wäre zu wünschen, dass die praktische Medizin von diesem Laboratoriumsversuch in geeigneter Weise Nutzen ziehe. Pflüger's Archiv für die ges Physiologie. Bd 139 Taf. 27. V. 1910. ; Ab INN WWW YUV WWW NY WWW) FUN KAROARAARNORADABAHLLLARLITAARRRA RN j INN RN ww Sömmihg | 20\mm ig 20" 20 30" 40" 50" 60" 20" Ei 90" 200" 110" 720” 730" 140" 750" 160° 780" zesch Jurı er erg Dan seat [122383 ae ey Tape Te ar ee eye er RE Teen Try ee Tee orylan a ER ya ETTENTEr SRRYIN WETTER EITETaETE IETE TE ERYE BERERTBETER EI TERTIEN Blutdruck vor der | Compression der Aorta } xx X Compression . xx Compression aufgehoben. | N TE ERTETTNTEN ı BI reinen h ! | IWW 1 {} l | N eommig | | I I vw Wr 1 1 I | = MY emmig | 78mm Hg mmhg 1 S H 1 1 ! 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Die im folgenden beschriebenen Versuche beschäftigen sieh mit einer genaueren Analyse der schon vor vielen Jahren von Hering!) beobachteten Erscheinung, dass der Durchschneidungstetanus des Nervmuskelpräparates vom Kaltfrosch schon durch ganz schwache _ aufsteigende Ströme gehemmt werden kann, wenn die eine Elektrode am frischen Nervenquerschnitt, die andere an einer sehr nahen Stelle des Längsschnittes angelegt wird. Wie Hering zeigte, genüst schon ein kräftiger Muskelstrom zur Coupierung des Tetanus, und daher kommt es auch, „dass selbst bei den empfindlichsten Fröschen der Tetanus meist vollkommen ausbleibt, wenn man mit einem einzigen Schnitte den ganzen Oberschenkel durchtrennt, weil sofort die Ströme der durchsehnittenen Muskeln auf den durchschnittenen Nerven ein- wirken“. Bei Mitteilung dieser Tatsachen hat sich Hering nicht darüber ausgesprochen, auf welche Weise man sich das Zustandekommen dieser Hemmungswirkung zu denken hat. Nun war es nach den Unter- suchungen von Hermann!), Hering’), v. Grützner?) u. a. 1) Hering, Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. Bd. S5 Abt. III S. 248. 1882. 2) Hermann, Pflüger’s Arch. Bd. 5, 6. 1874, und Bd. 16. 1872. 3) v. Grützuer, Pflüger’s Arch. Bd. 28. S. 130. 1882. Pflüger’s Archiv für Fhysiologie. Bd. 139. 39 580 Rudolf Dittler und Izuo Koike: schon damals nicht zweifelhaft, dass die Erregbarkeitssteigerung des Nerven in der Nähe eines frischen Querschnittes durch die elektro- tonisierende Wirkung des im Nerven sich abgleichenden Längsquer- schnittstromes bedingt ist. Aus der schon Pflüger!) bekannten Tatsache, dass die Stelle der höchsten Erregbarkeitssteigerung des Nerven nicht am Querschnitte selbst, sondern in einigem Abstand davon, am intakten Nervenstamm, gelesen ist, konnte weiterhin auf gewisse Eigentümlichkeiten der Stromverteilung des Längsquerschnitt- stromes im Nerven geschlossen werden, und bezüglich der Entstehung des Durchschneidungstetanus endlich war eine Reizung des Nerven durch seinen eigenen Strom am wahrscheinlichsten, die vermutlich an eben jene Stelle zu verlegen wäre, an welcher der aus den Fasern austretende Nervenstrom am dichtesten und entsprechend die Erreebarkeit des Nerven für künstliche Reize am grössten ist. Für eine Erklärung der von Hering beschriebenen Hemmungs- erscheinung liest nach alledem die Annahme am nächsten, dass durch die anodische Wirkung der Ketten- oder Muskelströme die kathodische des Nervenstroms ganz oder teilweise kompensiert oder vielleicht auch überkumpensiert würde, und dass hierdurch das den Tetanus bedingende Moment beseitigt wäre. Diese Erklärung hat auch Hering vorgeschwebt. Bei der für aufsteigende, d. h. dem Nervenstrom entgegengerichtete Reizströme nachgewiesenen enormen Erregbarkeit des Kaltfroschnerven auch oberhalb der erregbarsten Stelle besteht aber auch die Möglichkeit, dass die von aussen zu- geleiteten Ströme, wenngleich sie, um hemmend zu wirken, nur die Stärke eines Muskelstromes zu haben brauchen, ihrerseits eine teta- nische Erregung des Nerven auslösten, und dass die eintretende Hemmung eine Folge des Interferierens der beiden jetzt gleichzeitig im Nerven bestehenden Erregungsvoreänge darstellte. Eine Berück- sichtigung dieser Möglichkeit scheint im Hinblick auf die von Wedenski°), Hofmann°®) und Fröhlich*) beschriebenen Hemmungsmechanismen jedenfalls geboten. Weniger wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich ist es, dass die zur Coupierung des Durchsehneidungstetanus nötigen Ströme an den durch die Quer- schnittsanlegung in ihrem Zustande veränderten Nervenstellen schon 1) Pflüger, Physiologie des Elektrotonus S. 140. Berlin 1859. 2) Wedenski, Pflüger’s Arch. Bd. 100. S. 1. 1909. 3) Hofmann, Pflüger’s Arch. Bd. 103. S. 291. 1904. 4) Fröhlich, vgl. z. B. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9 S. 55. 1909. Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. II. 581 überhaupt für fortgeleitete Erregungen blockierend wirken wie die starken Ströme im Sinue des Pflügerschen Zuckungsgesetzes. Da bis jetzt keinerlei experimentelle Erfahrungen über eine etwaige Beeinflussung der Hemmungswirkung von aussen zugeleiteter Ströme durch einen frischen Nervenquerschnitt vorliegen, die eine sichere Beurteilung der Verhältnisse nach dieser Richtung hin ge- statteten, so soll im folgenden auch diese letztgenannte Möglichkeit nieht ausser Acht gelassen werden. Für den Versuch, über das Zustandekommen der Hemmungs- wirkung Klarheit zu gewinnen, war uns durch die angeführten Tat- sachen und die daraus sich ergebenden theoretischen Folgerungen der Weg ohne weiteres vorgeschrieben. Zunächst war festzustellen, ob sich bei Untersuchung einer grösseren Zahl von Kaltfroschnerven für die Lage der erregbarsten Stelle eine einigermassen konstante Entfernung von dem frisch angelegten Querschnitt ermitteln liesse. Denn da die nach Durchschneidung des Nerven auftretende Dauer- erregung aller Wahrscheinlichkeit nach von dieser Stelle ausgeht, so waren bei den Hemmungsversuchen voraussichtlich die reinlichsten und eindeutigsten Ergebnisse zu erwarten, wenn die Anode des zu- geführten aufsteigenden Kettenstromes gerade hier angebracht wurde, während seine Kathode am Nervenquerschnitt selbst lag. Zweitens waren bei der Anstellung der Hemmungsversuche selbst, am besten unter gleichzeitiger graphischer Registrierung der Muskelkurven, ge- eignete Kontrollversuche auszuführen, welche über das Zustande- kommen der Hemmung ein sicheres Urteil gestatteten. Die Unter- suchung fiel in die Monate November und Dezember 1910. Die Schwellenbestimmungen zur Ermittlung der erregbarsten Nervenstelle nahmen wir in der Weise vor, dass wir untersuchten, an welcher Stelle des frisch durchschnittenen oder kräftis ligierten Nervenstammes die Kathode des Reizstromes sich befinden muss, um die stärkste Wirkung zu geben. Dabei verwendeten wir fast ausschliesslich tetanisierende Öffnunesinduktionsschläge bekannter Richtung (Wagnerscher Hammer). Einzelne Öffoungsinduktions- schläge kamen wegen der geringeren Zuverlässigkeit dieser Methode nur ausnahmsweise zur Verwendung; sie lieferten uns übrigens fast ausnahmslos dieselben Resultate. Die Distanz der als Reizelektroden dienenden feinen Platindrähte wechselte zwischen 2 und 5 mm. Eine Abhängigkeit der Ergebnisse von der Grösse der Reizstrecke wurde nicht gefunden. Die Versuche wurden vergleichsweise am sonst Sn 582 Rudolf Dittler und Izuo Koike: querschnittfreien Teil des Plexus ischiadieus und am Nervus ischia- dieus selbst unterhalb des Abgangs der Öberschenkeläste vorgenommen, und zwar sowohl mit auf- als mit absteigenden Reizströmen. Als Reagens dienten die ersten Andeutungen einer Reaktion von seiten des isolierten Musculus gastrocnemius. Was zunächst die an den verschiedenen Nervenstellen erhobenen Befunde betrifft, so zeigte sich insofern ein charakteristischer Unter- schied, als sich für die Entfernung der erregbarsten Stelle vom Quer- schnitt am Plexus Werte zwischen 7 und 10 (meistens 8 oder 9), am Nervus ischiadieus in seinem Verlauf am Oberschenkel Werte von 5 oder 6, ausnahmsweise 7 mm ergaben. Diese Ansaben be- ziehen sich auf die Ergebnisse von Versuchen an ca. 20 Kaltfrosch- präparaten. Auch fanden wir die Erregbarkeit (bemessen nach dem Rollenabstand der Schwellenreize) am Nervenplexus zumeist etwas srösser als am Nervenstamm. An Präparaten von Fröschen, die vor dem Versuch S—14 Tage in warmer Zimmertemperatur gehalten worden waren, konnten wir, in allerdings vereinzelt gebliebenen Versuchen, beiläufig ganz analoge Verhältnisse feststellen. Wurden zur Ermittlung der erregbarsten Stelle an ein und dem- ‚selben Nerven unmittelbar hintereinander erst aufsteigende und dann absteigende Reizströme verwendet oder umgekehrt, so gelangten wir in etwa der Hälfte der Fälle zu genau derselben Stelle des Nerven- stammes oder Plexus. Die Abweichungen, welche wir in den übrigen Fällen fanden, lagen zumeist in der Richtung, dass sich für auf- steigende Ströme etwas weiter von der Schnittstelle abliegende Punkte der Nervenoberfläche, für absteigende etwas näher gelegene als die erregbarsten erwiesen. Wurde die für absteigende Ströme erregbarste Stelle in solchen Fällen in rascher Folge abwechselnd mit auf- und mit absteigenden Reizströmen geprüft, so zeigte sie sich für die absteigenden Ströme meist erregbarer als für die auf- steigenden. Analogerweise war die für die aufsteigenden Ströme erregbarste Nervenstelle für Ströme dieser Richtung fast immer er- regbarer als für absteigende. Dagegen erwiesen sich in jenen Fällen, in denen die Schwellenbestimmungen mit auf- und absteigenden Strömen dieselbe Nervenstelle als die erregbarste ergeben hatten, ohne jede Ausnahme die absteigenden Reizströme an dieser Stelle als die wirksameren, wenn der Unterschied meist auch ziemlich ge- ring blieb. Die beschriebenen Verhältnisse der Erregbarkeitsver- Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. 1. 583 teilung im Nerven lassen sich in Kurvenform etwa in der in den Textfiguren 1 und 2 angedeuteten Weise wiedergeben, wobei be- merkt sei, dass speziell für den Fall der Figur 2 nicht genauer untersucht wurde, ob die Erregbarkeit des Nerven für aufsteigende Ströme wirklich an allen Stellen hinter jener für absteigende Ströme Fig. 1. Fig. 2. zurückbleibt. Um zwischen zwei Reizungen mit Strömen verschie- dener Richtungen möglichst wenig Zeit zu verlieren, wurden bei den beschriebenen Versuchen drei Elektroden (Pt-Drähte) verwendet, die gleichen gegenseitigen Abstand hatten (ca. 3 mm) und von denen durch Umlegen einer Wippe ohne Kreuz bald die obere, bald die untere zur Anode des Reizstromes gemacht werden konnte, während die der erregbarsten Stelle anliegende mittlere Elektrode beide Male die Kathode war. 584 Rudolf Dittler und Izuo Koike: Ausser der durchschnittlich S—-10 mm vom frischen Quer- sehnitte entfernt liegenden Stelle höchster Erregbarkeit fanden wir beim Abtasten des Nervenplexus in einer Anzahl von Fällen etwas unterhalb seiner Mitte, also etwa 20—25 mm vom Querschnitt ent- fernt, noch eine zweite durch besondere Erregbarkeit vor ihrer Um- gebung ausgezeichnete Stelle. Durch Inspektion konnten wir uns davon überzeugen, dass in diesen Fällen die zwischen den beiden stärksten Stämmen des Plexus und dem Geflecht der sympathischen Nerven oder dem Nervus coceygeus oft vorhandene Anastomose ent- weder ganz abgerissen oder infolge von Zerrungen doch mehr oder weniger stark geschädigt war, so dass der Plexus hier einen par- tiellen künstlichen Querschnitt zeigte. Wir fanden die Erreebarkeit in der Umgebung dieser Stelle aber regelmässig in viel geringerem Masse gesteigert als in der Nähe des durch die ganze Dicke des Plexus von uns geführten Schnittes. Dies kann sowohl darin seinen Grund haben, dass die Zahl der Nervenelemente, die elektro- motorisch wirksam wurden, hier verhältnismässig gering war, als darin, dass die künstliche Verletzung ausschliesslich Fasern betraf, welche nicht zum Gastrocnemius verlaufen. Denn wie u. a. Weiss!) gezeigt hat, übt die Querschnittsanlegung auf den Erregbarkeits- zustand der durchschnittenen Fasern einen bedeutend stärkeren Ein- fluss aus als auf benachbart verlaufende unverletzte Fasern. — Für unsere Versuche über die Heminbarkeit des Durchschneidungs- tetanus entnahmen wir aus den erwähnten Ergebnissen als Regel, die Anode des zur Hemmung benützten Kettenstromes etwa 8—10 mm vom künstlichen Querschnitt entfernt anzulegen, während der Strom den Nerven durch die verletzte Stelle selbst wieder verliess. Bei Verwendung möglichst feiner, oben zu einer scharfen Kante oe- kneteten Tonstiefelelektroden war die Lokalisierung der Eintritts- stelle des Stromes mit einer für unsere Zwecke genügenden Genauig- keit leicht zu erreichen. Da der Durchschneidungstetanus erfahrungsgemäss bei der ersten Durchschneidung immer am energischsten ist und am längsten an- hält, um bei jeder späteren Durchschneidung an Stärke zu verlieren (Hering, ]. c.), so liessen wir den Nerven bei der Herstellung des Präparates mit dem unteren Teil des Rückenmarkes in Verbindung und legten ihn mit dem vorerst unverletzten proximalen Teile des 1) Weiss, Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 15. 1898, und Bd. 75 S. 265. 1899. Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. II. 585 Plexus über die bereits fertiggestellten Elektroden. Der Gastro- nemius wurde mit einem Schreibhebel verbunden. Nun suchten wir zunächst durch geeignete Variationen der Widerstände im Hem- mungsstromkreise eine Stromstärke, bei welcher der aufsteigend ze- richtete Strom eben eine Schliessungszuckung (bzw. einen ganz kurzen Tetanus) auslöste, während die Öffnung noch ohne Erfolg blieb. In Vorversuchen hatte sich nämlich gezeigt, dass diese Stromstärke für den im weiteren Verlauf des Versuches erstrebten Hemmungserfole, wenn auch nicht die allein brauchbare, so doch in den meisten Fällen ausreichend war. Wenn eine Beurteilung, welchen Reizeffekt solche Ströme in der Nähe eines frisch angelegten Nervenquerschnittes haben würden, auf Grund der Prüfung vor der Durchschneidung auch nicht möglich ist, so gibt die erwähnte Tatsache doch einen Besriff davon, mit wie schwachen aufsteigenden Kettenströmen bereits eine vollständige Hemmung des Durchschneidungstetanus er- reicht werden kann. Einige Male gelang uns die Hemmung sogar schon mit einem auch bei der Schliessung unterschwelligen Strome. Die Durchsehneidung des Plexus wurde auf der proximalen Elektrode selbst vorgenommen und Sorge dafür getragen, dass der durchschnittene Nerv die Elektrode möglichst nur mit dem Quer- schnitt berührte. Letztere Massregel erwies sich im Verlauf unserer Untersuchung übrigens nicht als unerlässlich. Trotzdem wurde sie beachtet, um für die äussere Abgleichung des Längsquerschnittstromes in den einzelnen Fällen möglichst übereinstimmende Bedingungen zu haben. War der Tetanus ausgebrochen, so wurde der Hemmunes- strom für wenige Sekunden geschlossen; nach Eintritt der Hemmung wurde er rasch wieder unterbrochen, um das Fortbestehen des. Tetanus in der Kurve zur Darstellung zu bringen, ohne dass der- selbe durch das Hinzukommen einer Öffnungserregung gar zu stark entstellt worden wäre. Ganz zu vermeiden dürfte eine Öffnungs- erregung bei der grossen Empfindliehkeit der Präparate an der Stelle der Anode auch bei der kürzesten Schliessungsdauer kaum je sein. Umgekehrt braucht das Wiederauftreten des Durchschneidungstetanus in verstärkter Form aber auch nicht ausschliesslich auf das Hinzu- treten eines Öffnungstetanus bezogen zu werden, da zweifellos auch die während der Dauer der Hemmung stattfindende Erholung des Muskels oder Nervenendorganes dabei eine Rolle spielt. Der Ver- ‘such konnte je nach der Beständigkeit des Durchschneidungstetanus am gleichen Präparat mehrmals hintereinander vorgenommen werden. 586 Rudolf Dittler und Izuo Koike: Bei Präparaten von wirklich guten Kaltfröschen (kräftigen Eseulenten) bricht der Durchsehneidungstetanus gleich im Moment der Nervendurchschneidung in voller Stärke aus und zeigt, sofern er nicht gehemmt wird, unter Umständen für 1—2 Minuten und länger einen fast streng tonischen Verlauf, um allmählich in unregel- mässig klonische Zuckungen sich aufzulösen. Bei weniger guten Präparaten konnten wir die schon von Hering beschriebene Er- scheinung beobachten, dass nach Ablauf der Durchschneidungszuckung zunächst mehrere Sekunden verstreichen können, ehe der Tetanus ausbricht, der dann meist ziemlich schwach bleibt und fast immer einen unregelimässig klonischen Verlauf zeigt. Ähnliche Reaktions- formen haben wir bei den auf die erste Durchschneidung sehr prompt und stark reagierenden Präparaten nach mehrfach wiederholter Durch- schneidung gelegentlich gesehen. Meistens aber erhält man auf spätere Durchschneidungsreize überhaupt keinen länger dauernden Tetanus mehr, sondern nur eine kurz dauernde klonische Unruhe oder gar nur eine einzige mehr oder weniger gedehnte Zuckung des Muskels. Wie die erste, so zeigen sich auch die späteren Durch- schneidungen am Plexus fast immer bedeutend wirksamer als am. distalen Ende des Nerven unmittelbar über dem Knie. Fig. 1 der Tafel VII zeigt das Ergebnis eines Hemmungsversuches an einem Kaltfroschpräparate, das bei Durchschneidung des Plexus sofort in einen kräftigen, allerdings nicht eben lange dauernden Tetanus verfiel. Die bei a verzeichnete Muskelzuckung stellt den Schliessungserfolg des nachher zur Hemmung benutzten aufsteigenden Stromes vor Anleeung des Querschnittes dar. Es dürfte sich in diesem Falle um einen ganz kurzen Tetanus handeln, der sich aus vier Einzelzuckungen zusammensetzt; die Öffnung des durch 3 Sekunden geschlossen gehaltenen Stromes blieb als Reiz unter der Schwelle. Der im Momente der Durehschneidung (D) auftretende, zunächst fast glatte Tetanus wird bei Schliessung (S$) dieses aufsteieenden Stromes vollkommen gehemmt, um nach Unterbrechung (Ö) desselben sofort wieder auszubrechen, wenn auch in jetzt etwas eeminderter Stärke. Im weiteren Verlauf des Tetanus wurde der Versuch mit dem gleichen Erfolg noch einmal. wiederholt. Fig. 2 zeigt dieselben Verhältnisse an einem Präparate, dessen Neigung zum Tetanus geringer war und das erst mehrere Sekunden nach Ablauf seiner Reaktion auf den mechanischen Reiz der Durch- schneidung allmählich in klonische Krämpfe verfiel. Die vor der Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. I. 587 Durehschneidung (D) verzeichnete Muskelzuckung (a) war die Reaktion des Präparates auf die Schliessung des aufsteigenden Hemmungsstromes, der etwa 1!/g Sekunden geschlossen blieb. Die kleine Zacke der Abzisse bei b entstand durch allmähliches Ver- schwinden eines zunächst vorhandenen schwachen Verkürzungs- rückstandes bei stillstehender Schreibfläche und hat mit der schon vorher erfoleten Öffnung des Hemmungsstromes nichts zu tun. Auch in diesem Falle war bei Schliessung ($) des schwachen auf- steigenden Kettenstromes die Hemmung des Durchschneidungstetanus eine vollkommene. Ein drittes Beispiel zeigt die Fig. 3. Hier wurde bei sehr starker Neigung des Präparates zu tetanischer Reaktion der Hem- mungesstrom, wie man aus der ersten Zacke der Kurve ersieht, äusserst schwach gewählt. Da seine hemmende Wirkung dem- entsprechend zunächst nicht ausreiehte, wurde er an der mit *) be- zeiehneten Stelle, allerdings ganz unbedeutend, verstärkt (der Schieber des Du Bois-Reymond’schen Rheochords, der erst 130 mm abgeschoben war, wurde um 5 mm weiter abgerückt. Im unverzweigten Teil des Reizstromkreises befand sich gleichzeitig ein fixer Widerstand von 200 Ohm). Sowohl an den vor wie an den nach der Stromverstärkung verzeichneten Hemmungseffekten zeigt sich die regelmässig von uns beobachtete Tatsache, dass ein und derselbe aufsteigende Strom bei unserer Elektrodenlage um so stärker hemmend wirkt, je länger der Durchschneidunestetanus schon be- steht. Während wir also im vorliegenden Falle zur vollständigen Hemmung des eben ausgebrochenen energischen Tetanus einen stärkeren Strom hätten anwenden müssen, als wir es taten, So halten wir es nach unseren Ergebnissen an anderen Präparaten (vel. dazu vor allem Fie. 4) für durchaus wahrscheinlich, dass im späteren Verlauf des Tetanus auch die zuerst gewählte Stromstärke schon zu einer vollständigen Hemmung ausgereicht hätte und eine Verstärkung gar nicht nötig gewesen wäre. In ihrem Zustandekommen dürfte diese Erscheinung der für den Warmfroschnerven als Volta’sehe Alternative beschriebenen an die Seite zu stellen sein. Durch den absteigend gerichteten Nervenstrom wird der Nerv auf der durchflossenen Strecke offenbar mehr und mehr in dem Sinne verändert, dass der aufsteigend, also entgegengesetzt ge- richtete Kettenstrom in seiner Schliessungswirkung gefördert wird. Nur steht in unserem Falle nicht die erregende Wirkung seiner 588 Rudolf Dittler und Izuo Koike: Kathode, sondern die depressorische seiner Anode im Vordergrund der Erscheinungen. Bei alledem darf natürlich nicht übersehen werden, dass die allmähliche Steigerung der Hemmungswirkung zum Teil durch die gleichzeitig erfolgende Abnahme der zu hemmenden Erregung nur vorgetäuscht wird. Ganz entsprechende Überlegungen gelten bei der Beurteilung der Schliessungswirkung des Hemmungsstromes, welche im Verlauf des Tetanus ebenfalls mehr und mehr an Stärke zunimmt. Die ge- ringe sichtbare Wirkung, welche eine sekr bald nach Ausbruch des Tetanus vorgenommene Schliessung des aufsteigenden Kettenstromes besitzt, könnte zum Teil dadurch bedingt sein, dass der dem Nerven- strom entgegengerichtete Strom in seiner Schliessungswirkung zu- nächst noch wenig begünstigt ist. Sicher aber spielt auch hier das rein mechanische Moment eine Rolle, dass der Muskel zu Beginn des Tetanus noch stärker kontrahiert ist als später. Solange die Kontraktion maximal ist, kann ein Schliessungseffekt natürlich über- haupt nicht sichtbar werden. In den meisten Fällen sahen wir als Schliessungseffekt eine auf den bestehenden Tetanus superponierte Einzelzuckung des Muskels auftreten, nach deren Ablauf der Muskel sofort erschlaffte. Einige Male aber sahen wir nach der Schliessungs- zuckung noch mehrere weitere abortive Zuckungen erfolgen, bevor der Muskel zur Ruhe kam (vgl. beispielsweise Fig. 2*). Vermutlich hat der Stromsehluss in diesen Fällen nicht eine einfache Schliessungs- zuekung, sondern einen kurzen Tetanus ausgelöst. Das regelmässige Vorhandensein einer Schliessungsreaktion ist für uns deshalb von Interesse, weil hierdurch ohne weiteres aus- geschlossen werden kann, dass der Hemmungsstrom überhaupt jede von weiter oben im Nerven kommende Erresung blockiert. Be- sonders das gleichzeitige, etwa parallele Ansteigen der hemmenden (anodischen) und der erregenden (kathodischen) Schliessungswirkung des aufsteigenden Kettenstromes ist in dieser Hinsicht bemerkenswert. Die zur Hemmung des Durchschneidungstetanus bereits ausreichenden Ströme gehören also, auch nach ihrer Wirkung in der Nähe des frischen Querschnittes, nicht zu den starken Strömen im Sinne des Pflüger’schen Zuckungsgesetzes. Dagegen ist für eine Beurteilung der oben diskutierten Möglich- keit, die Hemmungserscheinungen könnten durch die Interferenz zweier Erregungen im Nerven zustande kommen, aus den bisher beschriebenen Versuchen nicht viel zu entnehmen. Höchstens könnte Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. II. 589 es unter dieser Annahme als auffallend bezeichnet werden, dass die Hemmungswirkung des aufsteigenden Kettenstromes geringer Stärke erst dann ihr Optimum erreicht, wenn die der Durchschneidung folgende Erregung schon im Abklingen begriffen ist. Da man sich dies jedoch dureh die allmähliche Steigerung der erregenden Wirkung des Kettenstromes (s. o.) immerhin verständlich machen könnte, so waren zur Klärung der Verhältnisse besondere Versuche erwünscht, um so mehr, als die der Hemmung voraufgehende kurze Steigerung der Muskelreaktion in der Tat stark an den von Hofmann!) u.a. eingehend studierten Anfangstetanus bzw. die Anfangszuckung erinnert. Demgegenüber konnten wir in einfacher Weise zeigen, dass nieht die Kathoden-, sondern (wie dies in unserer Darstellung auch vorausgesetzt wurde) die Anodenwirkung des aufsteigend durch den Nerven geleiteten Kettenstromes für das Zustandekommen der Hemmung massgebend ist. Man braucht nur bei einem Strome, welcher bei der üblichen Elektrodenlagerung eine zur Hemmung ge- eignete Stromstärke hat, die Bedingungen seiner Wirkung an der Anode oder an der Kathode oder auch an beiden Stellen gleich- zeitig in kontrollierbarer Weise zu ändern, ohne dass seine Strom- stärke dabei beeinflusst würde, und den Effekt dieser Änderung zu registrieren. Wir richteten, wieder unter Verwendung von drei Elektroden in gleichem Abstand, den Stromkreis so ein, dass wir in rascher Folge entweder, wie bisher, das oberste zwischen der erresbarsten Stelle und dem Querschnitt gelegene Stück der Nerven oder aber eine distalwärts unmittelbar daran grenzende ebenso grosse Nervenstrecke, beide in aufsteigender Richtung, durchströmen konnten. Beim Übergange von der erstgenannten Elektrodenlage zur zweiten kam also die zuerst an bevorzugter Stelle gewesene Anode an eine weniger erregbare Nervenstelle zu liegen, während die Bedingungen für die Kathodenwirkung des Stromes, die zunächst weniger günstig waren, jetzt optimal wurden. War also zunächst bei der ersten Stromlage eine zu partieller Hemmung eben aus- reichende Stromstärke ermittelt worden, so musste sich beim Über- gang in die zweite entweder eine Schwächung oder aber eine Ver- stärkung der Hemmungswirkung ergeben, je nachdem die Anoden- oder die Kathodenwirkung des Stromes die für die Hemmung mass- gebende war. 1) Hofmann, l.c. 590 Rudolf Dittler und Izuo Koike: Die Ergebnisse derartiger Versuche sprachen ohne Ausnahme für eine hemmende Wirkung des Stromes an der Anode. In den Figuren 4 und 5 sind zwei der einschlägigen Versuchsbeispiele wiedergegeben. Beim Präparat der Kurve 4 wurde der Hemmungsversuch zuerst 6 mal in der gewöhnlichen Weise mit dem bekannten Effekt ausgeführt. Sodann wurde (bei der Marke x) die Stromlage in der angegebenen Weise verändert. Sofort trat jetzt bei Schliessung des Stromes als Ausdruck der gesteigerten Kathodenwirkung an Stelle der früheren Hemmung, die offenbar an der Anode erfolgt war, eine Verstärkung des Tetanus ein, welche anhielt, solange der Strom geschlossen blieb. Im Falle der Figur 5 wurde von Reizung zu Reizung zwischen den beiden Elek- trodenlagen gewechselt; entsprechend wurde abwechselnd eine Hemmung und eine Verstärkung des Durchschneidungstetanus er- halten, genau wie im Beispiel vorher. Bei Durchströmung des Nerven von der erregbarsten Stelle aufwärts sind Schliessung und Öffnung des Stromes hier mit $, und Ö, bezeichnet, bei Durch- strömung der Nervenstrecke unterhalb der erregbarsten Stelle mit 5, und Ö,. Aus diesen Versuchen ergibt sich mit absoluter Sicher- heit, dass die unter den gewöhnlichen Verhältnissen der Durehströmung von uns beobachtete Hemmung niehts mit der erregenden Wirkung des aufsteigenden Stromes zu tun haben, d.h. nicht dureh dielInterferenz zweier gleichzeitigimNerven vorhandenenFErregunes- vorgänge zustande kommen kann. Ausnahmsweise ist es uns auch gelungen, den Durchschneidungs- tetanus mittels eines im Nerven absteigenden Kettenstromes zu hemmen. Bedingung war aber, dass die Anode an der empfind- liehsten Stelle des Nerven lag und die Kathode nicht zu sehr in der Nähe derselben. War dies nämlich nieht erfüllt, so war die erregende Wirkung des Stromes bei jener Stromstärke, welche zu einer Hemmung des Durchschneidungstetanus vielleicht ausgereicht hätte, bereits so stark, dass der Tetanus bei Schliessung des Stromes verstärkt wurde. Bei der erwähnten günstigsten Lagerung der Elektroden dagegen genügte zur Hemmung unter Umständen ein absteigender Strom, dessen Schliessuneswirkung noch unter der Schwelle lag oder höchstens xeine kurze, ganz schwache Erregung auslöste, die nicht störte. Wurden unter Beibehaltung dieser Strom- stärke die Elektroden am Nerven verschoben, so dass die Anode Beiträge zur Physiologie des Kaltfrosches. II. 591 nicht mehr der empfindlichsten Nervenstelle anlag, so ging die Hemmungswirkung des Stromes stets verloren, und bei Verstärkung resultierte immer eine Steigerung des Tetanus, niemals eine Hemmung. Diese Versuche sprechen somit im selben Sinne ‚wie die zuvor angeführten. Wir können das Ergebnis dieser Untersuchung also kurz dahin zusammenfassen, dass die Hemmung des Durchschnei- dungstetanus des Kaltfroschnerven durch schwache aufsteigende "Ströme, die an der erregbarsten Stelle des Nerven (8-10 mm vom frischen Querschnitt entfernt) ein- und durch deu Querschnitt selbst austreten, allein eine Folge ihrer depressorischen (ano- dischen) Wirkung ist. Diese Hemmungswirkung scheint bei un- veränderter Grösse der zu hemmenden Erregung um so stärker zu werden, je länger der Tetanus besteht, und es genügen bei der ge- nannten (günstigsten) Lagerung der Elektroden zur vollständigen Hemmung maximaler Tetani bereits Ströme, welche noch keines- wegs ausreichen, im Nerven fortgeleitete Erregungen zu schwächen. Hieraus sowie aus der Tatsache, dass der Durch- - schneidunestetanus auch mit ganz schwachen absteigenden Strömen gehemmt werden kann, wenn ihre Anode an der erreg- barsten Nervenstelle angebracht wird, ergibt sich, dass die der Durch- schneidung folgende tetanische Erregung in der Gegend der erreg- barsten Nervenstelle ihren Ausgang nimmt, und dass ihre Hemmung in unseren Versuchen auf einer elektrotonischen Beeinflussung eben- dieser Stelle in umgekehrtem Sinne beruht, als es durch den im Nerven sich abgleichenden Längsquerschnittstrom geschieht. Tafelerklärung. Alle Kurven der Tafel sind von links nach rechts zu lesen und stellen Durchschneidungstetani des Nervmuskelpräparates von Kaltfröschen dar, welche (ausser bei Fig. 4 und 5, siehe unten) durch schwache aufsteigende Kettenströme (Anode an der erregbarsten Nervenstelle, Kathode am Querschnitt) gehemmt wurden. Bei a wurde der Reizefiekt des Hemmungsstromes vor Anlegung des Nervenquerschnittes geprüft; bei D fand die Durchschneidung des Plexus statt; S und Ö bezeichnen die Momente der Schliessung und Öffnung des Hemmungs- stromes. 593 Rudolf Dittler und Izuo Koike: Beiträge zur Physiologie etc. Fig. 1. Präparat mit kräftigem, wenngleich nicht lange anhaltendem Tetanus, welcher sofort im Durchschneidungsmoment einsetzt. Fig. 2. Weniger erregbares Präparat; der Tetanus setzt erst mehrere Sekunden nach dem Durchschneidungsmomente ein. Wegen der Marke b siehe Text S. 588, wegen der Marke » siehe S. 590. Fig. 3. Präparat mit sehr starker Neigung zu tetanischer Reaktion, die sofort bei Durchschneidung einsetzt und sehr lange anhält. Bei x mässige Ver- stärkung des Hemmungsstromes (siehe Text S. 588). Fig. 4. Sehr stark tetanisch reagierendes Präparat. Bis zur Marke v: Hemmung durch schwachen aufsteigenden Strom bei Lagerung der Elektroden, wie für Fig. 1—3 angegeben. 8; — Schliessung, OÖ, — Öffnung dieses Stromes. Von der Marke x ab: aufsteigende Durschströmung einer ebenso grossen, distalwärts an die erregbarste Nervenstelle grenzenden Nervenstrecke. Be- zeichnung der Schliessung und der Öffnung dieses Stromes mit S, und Ö.. Fig. 5. Stark zum Tetanus neigendes Präparat. Aufsteigende Durchströmung des Nerven, abwechselnd bei den auch in Kurve 4 benutzten Stromlagen. Schliessung und Öffnung der Ströme sind wie dort mit S,, ÖL bzw. 40, bezeichnet. Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd.139. D Verlag v: Martin Hager ‚Bonn Lith.Anst.v. F.Wirtz ‚Darmstad or (No) wo (Aus dem physiol. Institu. der tierärztl. Hochschule in Stuttgart.) Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. Von R. Bendele, Backnang. (Mit 5 Textfiguren.) Zuntz!) hat bei seinen respiratorischen Stoffwechselunter- suchungen des Pferdes gezeist, dass die Atemgrösse des Pferdes, das von der Ruhe zur Arbeit übergeht, sofort um das 15—20 fache ohne irgendwelche Atemnot steigen kann. Es drückt sich damit eine so grosse Anpassung des Pferdes an Bewegung und äussere Arbeit aus, dass es sich wohl verlohnt, den Bedingungen zu dieser Anpassung nachzugehen. Es liest nahe, die Anpassung in Beziehung zu dem luft- verdünnten Raume in der Pleurahöhle zu bringen, zumal eine ganze Anzahl von Forschern die Wirkung desselben für die Atmung selbst und sodann für die Zirkulation des Blutes und der Lymphe nach- gewiesen haben. Gerade für das Pferd aber liegen direkte Bestim- mungen des Druckes im Cavum pleurae nicht vor, worauf Gmelin?) bereits aufmerksam gemacht hat. Indirekte Messungen mit Hilfe der Elastizität der Lungen hat Sussdorf?) vorgenommen; allein es können diese keine genauen Resultate haben, wie unten gezeigt werden soll. Im folgenden ist daher versucht worden, mit Hilfe direkter Methoden am: lebenden Pferd während ruhiger und ge- 1) Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes bei Ruhe und Arbeit. 1898. — Zuntz, Praktische Folgerungen aus den beim Arbeitspterd ausgeführten Stoffwechseluntersuchungen. Zeitschr. f. Veterinärkunde, 8. Jahrg., Nr. 7 8. 293. 2) Gmelin, Die Atmung. — Ellenberger-Scheunert, Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haussäugetiere 8. 138. 1910. 3) Sussdorf, Die Atmung. In Ellenberger, Handbuch der ver- gleichenden Physiologie der Haussäugetiere, I. T., S. 630. 1890. 594 R. Bendele: steigerter Atmung die Grösse des Drucks in der Pleurahöhle zu ermitteln. Der erste, welcher sich mit den Druckschwankungen in der Pleurahöhle befasste, war Ludwig!). Allein praktische Zahlen- werte konnten bei der primitiven Art der Untersuchungsmethode nicht gewonnen werden. Bekannt sind die Versuche von Donders?), welche die Grundlagen für jede weitere Erforschung der Frage bilden. Seine Methode war eine indirekte, indem er an der Leiche durch ein in die Trachea eingeführtes Manometer die Kraft mass, mit welcher sich die Lunge bei Eröffnung des Thorax zusammen- zog. Der dabei gefundene positive Druck entspricht denr negativen während der Dauer der Exspiration. Donders fand beim Menschen einen Druck von — 30 bis — 70 mm Wasser. Die Elastizität völlig gesunder Lungen glaubt er auf — SO mm Wasser angeben zu dürfen. Da ferner Donders den jeweiligen Spannungsgrad der Lungen nicht zu messen vermochte, so fehlen Angaben, aus denen die durch- schnittliche Grösse des intrapleuralen Druckes bei der Inspiration zu berechnen wäre. Auf irgendwelche Muskelwirkung bei der Exspiration ist dabei nieht Rücksicht genommen. Eine solche findet aber, wie Gmelin?°) zeigt, beim Pferd, sobald es nicht oberflächlich atmet, statt. Donders Untersuchungsresultate führten dahin: 1. dass bei normaler ruhiger Atmung, wobei das Ausatmen passiv ohne Muskelwirkung durch die Elastizität der Lungen ge- schieht, die Pleurafläche der Lunge und alle ausserhalb der Lunge im Thorax liegenden Organe unter einem Druck stehen, der um so viel hinter dem atmosphärischen zurückbleibt, als die Elastizität der Lungen ausmacht; n 2. dass die elastische Kraft der Lungen während der Inspiration zunimmt, und demnach die Saugkraft der Lungen während der Inspiration grösser, der negative Druck somit ausgesprochener ist als während der Exspiration. Heynsius*) hat eingehende Untersuchungen über die Grösse 1) €. Ludwig, Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen den Respi- rationsbewegungen und dem Kreislauf. Arch. f. Anat. 1847 S. 243. 2) Donders, Beiträge zum Mechanismus der Respiration und Zirkulation im gesunden und kranken Zustande. Zeitschr. f. ration. Medizin Bd. 2 5.287. 1853. 3) Gmelin,. c. 4) Heynsius, Die Grösse des negativen Drucks im Thorax beim ruhigen Atmen. Pflüger’s Arch. Bd. 29 S. 265. 1882. Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. 595 des negativen Drucks im Thorax beim ruhigen Atmen angestellt. Auch seine Untersuchungen sind indirekt, obschon, wie er sagt, der kürzeste Weg, welcher sofort zum Ziele führen würde, natürlich der wäre, dass man die Grösse des negativen Drucks bei normaler In- spiration und Exspiration am lebenden Tiere durch ein mit der Pleurafläche verbundenes Manometer bestimmte. Diese direkte Methode hat nach Ansicht von Heynsius den grossen Übelstand, dass man wenig Aussicht hat, auf diese Weise die Verhältnisse bei normaler ruhiger Atmung kennen zu iernen, da diese durch Öffnung des Thorax und Einführung einer Kanüle beträchtlich ge- stört wird. Er sucht daher den intrathorakalen Druck aus der Elastizität des Lungengewebes bei verschiedenen Expansionsgraden zu ermitteln. Bei seinen Versuchen ging er von dem Gesichtspunkt aus, dass brauchbare Resultate nicht dureh positiven Druck von seiten der Trachea, sondern nur durch Verminderung des Drucks auf der Pleurafläche zu erzielen seien. Deshalb liess er an der Leiche das Zwerchfell, nachdem die Trachea mit einem entsprechenden "Manometer verbunden war, so lange herabziehen, bis die erforderliche Luftmenge in die Lungen eingesogen war. Wurde nun das Zwerch- fell freigelassen, und der entsprechende Hahn des Manometers ge- öffnet, so liess sich die elastische Kraft der Lungen unter diesen Umständen ablesen. Heynasius fand bei Hunden von weniger als 10 kg Gewicht den negativen Druck im Thorax bei Inspiration im Mittel —7 mm He, bei Exspiration im Mittel —4 mm Hg, Druck differenz —3 mm Hg. Bei Hunden über 10 kg ergab sich bei Inspira- tion im Mittel — 7,5 mm Hs, bei Exspiration — 4,0 mm Hg, Druck- differenz im Mittel —3,5 mm Hg. Bei Kaninchen beträgt der negative Druck bei Inspiration —7,6 mm Hg, bei Exspiration — 2,5 mm Hg; Druckdifferenz im Mittel — 5,1 mm Hg. Heynsius sagt, der beim Loslassen des Diaphragmas beobachtete positive Druck in der Trachea drückt innerhalb der angegebenen Grenzen rein und ausschliesslich die elastische Kraft der Lungen aus und gewährt demnach einen reinen Massstab des in den Pleurahöhlen herrschenden negativen Drucks, d. h. der Saugkraft des Thorax. Sussdorf!) hat nach dem Verfahren von Donders durch Einführen eines Manometers in die Trachea und Eröffnen der Pleura- höhlen den negativen Druck im Cavum pleurae des Pferdes ge- 1) Sussdorf, |. c. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 40 596 R. Bendele: messen und gibt ihn auf — 7 mm Hg im Stadium der höchsten Ex- spiration, auf ca. — 28 mm Hg in dem der tiefsten Inspiration an. Lueiani!) und Rosenthal?) haben den negativen Druck dadurch gemessen, dass sie eine Sonde mit weitem Volumen (Öso- phagusexplorateur) in den Ösophagus einführten. Verbindet man diese Sonde mit einem Manometer unter Ausschluss des atmo- sphärischen Drucks, so zeigt das Manometer den negativen Druck direkt an. Er beträgt, auf diese Weise gemessen, nach Rosenthal bei Kaninchen bis — 40 mm Wasser. Die Werte des negativen Druckes mittelst der Ösophagussonde fallen jedoch stets zu niedrig aus, da die Ösophaguswand und das sie umschliessende Bindegewebe des Mediastinums einen gewissen Widerstand ausüben. Um das Mass dieses Widerstandes fällt der negative Druck, der mit geschlossener Ösophagussonde im Schlund gefunden wird, zu gering aus. Bestimmungen über die Druckschwankungen im Thorax durch direktes Einführen von entsprechenden Kanülen in die Brusthöhle haben Aron, Büdingen, Van der Brugh gemacht. Praktische Resultate kann man mit Kanülen nur dann erhalten, 1. wenn sie sich in den Raum zwischen Brustwand und Lunge ohne Verletzung‘ der letzteren und ohne Herstellung eines Pneumothorax einführen lassen ; | 2. wenn ein Verschluss der inneren Mündung der Kanüle bei den Bewegungen der Lunge nicht stattfinden kann, und 3. wenn das Instrument, das mit einem Manometer oder Schreib- apparat verbunden ist, trotz Hebung und Senkung der Brust- wand in unveränderter Lage zur Lunge fixiert ist. Aron?) hat an einigen kranken und einem gesunden Menschen den negativen Druck direkt gemessen und hat dazu einen geschärften Trokar in die Brusthöhle eingeführt. Die Verwendung eines solchen halte ich jedoch schon aus dem Grunde für-bedenklich, da bei Ver- wendung eines nicht geschützten Troikars die Lunge sehr leicht verletzt wird. Bei gesunden Menschen gibt er die Werte des intra- pleuralen Drucks auf — 5,09 mm Hg und — 4,23 mm Hg an. 1) Luciani, Physiologie des Menschen. Übersetzt und bearbeitet von Baglioni, Winterstein und Verworn. Bd.I S.356. 1905. 2) Rosenthal in Hermann, Handbuch der Physiologie des Menschen. 2. T., Bd. 10 S. 226. 1882, und Arch. f. Physiol. Suppl. 1880 S. 34. 3) Aron, Der intrapleurale Druck beim lebenden, gesunden Menschen. Virchow’s Arch. Bd. 126 S. 819. 1891; Bd. 160 S. 228. 1900. Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. 597 Büdingen!) hat seine Untersuchungen an narkotisierten Hunden und Kaninchen vorgenommen. Auf den zu den Untersuchungen verwendeten Thoraxdruckmesser wird im späteren zurückzukommen sein. Die Resultate seiner Untersuchungen decken sich beinahe mit den von Heynsius auf indirekte Weise gefundenen. Er stellte den negativen Druck bei Hunden zwischen —48 und — 72 mm Wasser bei Exspiration, —8S1 „ —173 _, 3 „ Inspiration fest. Die Konstanz dieser Zahlen erleidet wesentliche Änderungen unter sonst normalen Verhältnissen durch Verengerung oder Ver- schluss innerhalb der oberen Luftwege, z. B. foreierter Exspiration und gleichzeitig geschlossener Glottis, so dass hierbei selbst positiver Thoraxdruck zustande kommen kann. Positive Werte des thorakalen Druckes sind nur möglich, wenn der Alveolardruck den atmo- sphärischen erheblich übersteigt und dies kann wiederum nur der Fall sein, wenn dem Ausströmen der Luft bedeutende Hindernisse entgegenstehen. Van der Brugh?) hat unter Einthoven’s Leitung den intrapleuralen Druck gemessen. Er ging von dem Gesichtspunkte aus, dass beim Einführen einer Kanüle in die Brusthöhle immer Luft mitströmt, was eine Volumverringerung der Lunge zur Folge hat. Dadurch wird ihre elastische Spannung und somit auch der negative intrapleurale Druck kleiner, deshalb hat er gleichzeitig Druck und Volummessungen vorgenommen. Man bringt zu diesem Zwecke ein gemessenes Quantum Luft in die Pleurahöhle eines Hundes und misst hierauf den intrapleuralen Druck. Durch all- mähliehes Hinzufügen weiterer Quantitäten Luft werden die Ver- änderungen beobachtet, die der intrapleurale Druck erleidet. Sind die Drucke bekannt, die in der Pleurahöhle herrschen, wenn dieselbe so und so viel Kubikzentimeter Luft enthält, so lässt sich leieht ermitteln, wie hoch der Druck sein wird, wenn gar keine Luft mehr vorhanden ist. Die zu diesen Versuchen verwendete Pleurakanüle ist eine gerade Messingröhre, die an einem Ende durch einen Hahn 1) Büdingen, Experimentelle Untersuchungen der normalen und patho- logisch beeinflussten Druckschwankungen im Brustkorb. Arch. f. exper. Pathol. Bd. 39 S. 245. 1897. ‚2) van der Brugh, Über eine Methode zur Messung des intrapleuralen Drucks. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 591. 1900. 40 * 598 R. Bendele: verschlossen werden kann, während das andere von einem Bügel überbrückte Ende stets offen bleibt und zwischen zwei Rippen in die Pleurahöhle nach einem vorangegangenen Einschnitt eingeführt wird. Van der Brugh fand den negativen Druck bei der In- spiration nieht grösser als — 80, höchstens — 140 mm Wasser. Die Heynsius’schen Werte sind wesentlich kleiner als die von Van der Brush; er glaubt dies dem Umstande zuschreiben zu müssen, dass Heynsius den intrapleuralen Druck nach dem Tode der Versuchstiere gemessen hat, während van der Brugh an lebenden Hunden seine Messungen vornahm. Van der Brugh hat auch nachgewiesen, dass tatsächlich der intrapleurale Druck sofort nach dem Tode abnimmt und einige Zeit nachher ganz verschwunden ist. Vergleichende Versuche über den intraabdominalen und intrathora- kalen Druck sind in der Arbeit von Winkler!) niedergelegt. Wie bei der Feststellung des intrathorakalen Drucks, so spielt auch beim intraabdominalen Druck die Stellung des Zwerchfells eine wichtige Rolle, derart, dass mit dem Niedergehen des Zwerchfells der Ab- dominaldruck sich hebt, und dass mit dem Hinaufsteigen bei Zu- sammenfallen der Lunge der Abdominaldruck wieder sinkt. Bevor ich zu meinen eigenen Versuchen übergehe, soll aus dem Vorhergehenden zusammengefasst werden: 1. am lebenden Pferde sind bis jetzt Messungsversuche zur Fest- stellung des negativen Drucks im Cavum pleurae nicht ge- macht worden; 2. die an der Leiche gewonnenen Resultate sind nicht genau, weil der negative Druck nach dem Tode sofort kleiner wird und nach und nach ganz verschwindet. Zudem sind die dabei stets möglichen Muskelwirkungen unberücksichtigt; 3. über das Verhalten des negativen Drucks beim Übergang vom ruhigen zum gesteigerten und von diesem wiederum zum ruhigen Atmen ist nichts bekannt. Die im folgenden beschriebenen Versuche fanden an nicht narkotisierten Pferden statt. Die Pferde wurden einige Zeit vor dem Versuch tracheotomiert und mit der Trendelen- burg’schen Kanüle, wie sie auch Zuntz bei seinen Untersuchungen verwendete, ausgestattet. Es ist bekannt, dass Pferde sich aus einem 1) Winkler, Untersuchungen über die Beziehungen des Abdominaldrucks zur Respiration. Pflüger’s Arch. Bd. 98 S. 163. 1903. ' Der Druck im: Cavum pleurae des Pferdes. 599 solchen Tracheotubus nichts machen und ihn lange tragen, ohne irgendwelche Atmungsstörung zu zeigen. Angesichts der zu er- wartenden erheblichen Druckdifferenzen bei angestrengter Atmung wurde stets auf absolut festen und zuverlässigen Sitz der Tracheal- kanüle Bedacht genommen. Während des Versuches standen die Pferde in einem sogenannten Notstand in natürlicher Körperhaltung. Mögliehst dicht dabei, doch geschützt gegen etwaige Unruhe des Pferdes stand das Kymographion ınit den Registriervorrichtungen. Auf die Einführung des übrigens dünnen Thoraxdruckmessers reagierten die Pferde kaum bzw. gar nicht, wenn noch die Ein- stichstelle schwach kokainisiert war. Als Thoraxdruckmesser diente der Büdingen’sche, der etwas abgeändert wurde. Der Apparat besteht aus einem geschärften Troikar, in dessen Inneres ein hohler Bolzen eingepasst ist. Dieser ist an seinem freien Ende ausgiebig gefenstert, das andere Ende ist mit einer Feder verbunden, die den Bolzen in dem Augenblick vorschnellt, in welehem er in das Cavum pleurae eindringt. Der Hohlraum des Bolzens setzt sich fort in einen dicht schliessenden Hahn, der mit einem Manometer oder Schreibapparat in Verbindung gesetzt werden kann. Aussen auf dem Troikar ist eine ca. 4 cm im Durchmesser (= dem ungefähren Durchmesser eines Zwischenrippenraumes beim Pferde) betragende verstellbare Scheibe aufgepasst. Diese ist auf ihrer dem Brustkorb zugekehrten Fläche konkav und wird mit Wachssalbe gefüllt; sie hat den Zweck, sobald der Apparat in die Pleurahöhle eingedrungen ist, rinesum den Stichkanal abzudichten. Die Vorzüge dieses Thorax- druckmessers bestehen darin, dass er sich, da er die Form eines geschärften Troikars hat, leicht in die Brusthöhle einführen lässt. Während der Dauer des Einführens wird der Bolzen durch den mechanischen Widerstand der Weichteile (Muskeln, Pleura) zurück- gedrängt, schnellt jedoch sofort vor, wenn dieser Widerstand auf- hört. Da der Bolzen an seinem oberen Ende abgerundet ist, so kann er selbst weiches und rissiges Gewebe wie die Lunge nicht verletzen, sondern er vermag dieselbe nur zurückzudrängen. Wird das Instrument mit einiger Vorsicht gehandhabt, so ist es schlechter- dings unmöglich, einen Pneumothorax zu erzeugen, da erstens der Stichkanal klein ist, und die Muskulatur sofort den Kanal zu schliessen sucht, und da zweitens der Apparat sowohl bei den in- spiratorischen, wie exspiratorischen Bewegungen des Brustkorbes in seiner Lage sich erhalten lässt. 600 R. Bendele: Bei den Versuchen wurde der Thoraxdruckmesser durch einen Druckschlauch von 3 mm Lichtweite mit einem Hürthle’schen Federmanometer verbunden, das die gegebenen Kürven auf ein Kymographion aufzeichnete. Die Schlauchlänge wurde so kurz wie möglich genommen, konnte aber, um Beschädigungen der Apparate bei etwaiger Unruhe des Tieres zu verhüten, nicht kürzer als 1—1,25 m gewählt werden. Die Kalibrierung der Kurven erfolgte sofort im Anschluss an den Versuch unter Benützung jeweils des- selben Federmanometers und derselben Schlauchleitung mittelst eines Hg-Aichmanometers. Zur gleichzeitigen Feststellung des intra- thorakalen und intrapulmonalen Drucks wurde der oben erwähnte Tracheotubus mit einem weit gebohrten, für diese Zwecke von Professor Gmelin besonders konstruierten Dreiweghahn, an welchem seitlich ein Tubulus war, verbunden. Durch diesen Hahn liess sich je nach seiner Stellung Dyspno& verschiedenen Grades erzeugen. Der seitliche Tubulus des Dreiweghahnes war mit einem zweiten, dem erst erwähnten, ganz gleich konstruierten Hürthle’schen Federmanometer zur Aufzeichnung des intrapulmonalen Drucks ver- bunden. Beide Manometer zeichneten gleichzeitig und gleichsinnig die Kurven des intra- und extrapulmonalen Drucks auf die rotierende Trommel. Die ganze Versuchsanordnung . wurde zunächst an mehreren Pferden einer Vorprobe unterzogen und dabei geprüft: 1. ob der Thoraxdruckmesser, ohne erhebliche Störungen in der Respiration hervorzurufen, und ob er besonders ohne vorher- gegangene Narkose eingeführt werden kann; 2. ob durch das eingeführte Instrument Verletzungen der Lunge erzeugt werden. Fanden solche statt, so musste der Versuch ausscheiden. Die Feststellung fand jedesmal am frisch ge- töteten Tiere statt und wurde dadurch erleichtert, dass die Pferde meist in direktem Anschluss an den physiologischen Versuch für anatomische Zwecke getötet wurden’); 3. ob durch den Thoraxdruckmesser, nachdem er mit einem Manometer oder Schreibapparat verbunden wurde, die ver- langten Druckverhältnisse im Thorax sich feststellen liessen. 1) Dem Vorstand des anatomischen Instituts Herrn Direktor Dr. v. Suss- dorf sei auch an dieser Stelle der ergebenste Dank für die freundliche Über- lassung der Anatomiepferde zu meinen Versuchen ausgesprochen. Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. 601 Diese Voruntersuchungen hatten in allen Punkten ein für die weitere Arbeit günstiges Ergebnis. Zunächst seien etliche Versuche angeführt, bei welchen der intrathorakale Druck allein gemessen wurde. Versuch I. 15. Nov. 1909, vormittags 9 Uhr. Fohlen, 9 Monate, braun, Wallach. Atmung etwas frequent. Intrathorakaler Druck (Inspiration) —45 mm Hg. Das Fohlen wiehert wiederholt. Dabei lässt sich bei den dem Wiehern vorausgehenden, tiefen Inspira- tionen eine Zunahme des negativen Drucks auf — 62 mm feststellen. Bei der Ex- spiration wird der negative Druck in kürzester Zeit (ca. '/s Sekunde) positiv und erreicht eine Höhe von ca. + 65 mm. Im ganzen bleibt er etwa 1,5 Sekunden positiv und sinkt dann auf den alten Wert von — 45 mm Hg herab (Fig. 1a). ‘15. November, nachmittags 4 Uhr, 3)/a Stunden nach dem Töten, Fest- stellung des Drucks auf indirektem Wege durch Trachealkanüle und Wassermano- meter: nach ‚Eröffnung des Thorax +8 mm Wasser. Kadaver stark gasig aufgetrieben. Lunge selbst unverletzt. Es findet somit post mortem eine rasche Abnahme des negativen Drucks statt. Dadurch ist erwiesen, dass eine indirekte Druckmessung keine zuverlässigen Re- sultate liefert. 15. November 1909. Fohlen, 9 Mon. alt. Fig. la. Versuch II. 23. Nov. 1909, vormittags 9 Uhr. Stute hellbraun, 20 Jahre alt. Das Pferd S sh 8 wird tracheotomiert. Die Atmung ist Sı 8 58 S x ' \ = äusserst oberflächlich und sehr ruhig, bei diesem Versuche wird zur Messung des intrapulmonalen Druckes ein Glycerinmanometer, auf dem ein Schwimmer mit einer Schreibfeder sich befindet, verwendet. Resultat: Intrathorakaler Druck — 60 mm Hg. Besichtigung post mortem: Lunge unverletzt; allein rechte Lunge infolge alter Pneumonie herdweise hepatisiert. 602 R. Bendele: 26. November 1909, 3 Uhr nachmittags. Dunkelbrauner Wallach, 14 Jahre alt. Tracheotomiert. Einführen der Thoraxkanüle links im 7. Interkostalraum. Bei offener Trachea intrathorakaler Druck — 50 mm Hg. Hieran ‚ändert sich bei unvollständigem Verschluss der Trachealkanüle wenig. Wird diese im Moment der Einatmung vollständig geschlossen, so nimmt der negative Druck sofort zu und beträgt — 150 mm Hg. Nach ca. 15 Sekunden beträgt er — 200 mn: Hg, nach weiteren 40 Sekunden — 600 mm Hg; hochgradige Dyspnöe. Nach Öffnen der Trachealkanüle nähert sich der negative Druck ganz all- mählich seinem Ausgangswert und erreicht denselben nach ca. 80 Sekunden. Dieses Verhalten ist ein konstantes; denn es zeigt sich jedesmal nach Verschluss der Trachealkanüle. Versuche unter gleichzeitiger Registrierung des intrathorakalen und intrapulmonalen Drucks. Versuch III. 6. Dezember 1909. Fohlen °/ı Jahr alt, Wallach, tracheotomiert. Bei Be- ginn des Versuchs intrathorakaler Druck —50 mm Hg. Mit zunehmender Ver- tiefung der Atmung nach Verschluss des Dreiweghahns Zunahme des intra- thorakalen Drucks auf — 100, — 200, — 300, — 400, — 500 mm Hg, ein Tief- stand, der in 33 Sekunden erreicht ist. Beim Öffnen des Hahns fällt der negative Druck sofort auf — 100 mm Hg und bleibt längere Zeit auf dieser Höhe; erst allmählich stellt er sich auf die alte Höhe von — 50 mm Hg ein. Der gleichzeitig aufgezeichnete Pulmonaldruck bleibt hinter dem intra- thorakalen stets um ca. 100 mm Hg zurück; sein maximaler Pluswert beträgt ca. + 70 bis +80 mm Hg, sein maximaler Minuswert ca. — 400 mm Hg (Fig. 1). Nach der Tötung des Fohlens wird auf indirektem Weg der negative Druck 3 Stunden post mortem gemessen. Er beträgt — 45 mm Wasser rechts, — 50 mm Wasser links. Versuch IV. 13. Dezember 1909. Altes Anatomiepferd, Wallach, tracheotomiert. Intra- thorakaler Druck bei offener Trachea — 100 bis — 150 mm Hg während der Inspiration, — 70 mm Hg während der Exspiration. Bei Verschluss der Trachea: Intrathorakaler Druck — 170 !mm Hg ;bei Inspiration, — 100 mm Hg bei Exspiration. | Intrapulmonaler Druck — 90 mm Hg bei Inspiration, +50 mm Hg bei Exspiration. Im Verlauf der Absperrung beträgt der intrathorakale Druck — 200 mm Hg, der intrapulmonale Druck — 120 mm Hg, und schlägt bei Ex- spiration um in positiv + 40 mm Hg. Nach Öffnen des Absperrhahns sinkt der negative Druck zunächst auf — 85 mm Hg, und dann allmählich auf — 80 mm Hg. Der intrapulmonale Druck fällt nach Öffnen des Absperrhahns -beinahe mit deı Abszisse zusammen. Eine Wiederholung. der Versuche gibt stets gleiche Resul- tate, ferner bestätigt sich durch unsere direkten Messungen ‚die on) Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. "uole 'y9g UI M10OZ = Amy 9aajyım Uag[esıop Sunuyg » 1aq ‘omueyreaydeı] Jap ssuyag 2 Tag uowndeqyur uop 91ajJun oIp “Nonay UafegLIogyenur u9p Jomapaq aftaıuaAıny 21agqo aIq "qerfem ‘uorgog sope Hager 7; "I "DL AN —y. % 604 R. Bendele: Angabe ven Ewald und van der Brugh, dass der intra- pulmonale Druck stets grösser bleibt als der intrathorakale. Am schönsten kommt dies beim spontanen Husten des Pferdes zum Ausdruck; selbst wenn der intrapulmonale Druck einen hohen positiven Wert, ca. + 200 mm Hg erreicht, bleibt der intra- thorakale negativ (siehe Fig. 2). Nicht die plötzlichen, sprungweisen Änderungen des intrapulmonalen Drucks ziehen eine Änderung desintrathorakalen nach sich, sondern nur die länger dauernden. Bei Wiehern, einer Fig. 2. Intrathorakaler Druck beim spontanen Husten. Obere Kurvenreihe: intra- thorakaler Druck; untere: intrapulmonaler; mittlere: Zeit in Sekunden. Bei * Husten. langgezogenen, forcierten Exspiration wird der intrathorakale Druck für kurze Zeit positiv (siehe Versuch I); bei einem einmaligen, kurzen Hustenstoss dagegen nicht. Dieser an einem älteren Pferde vorgenommene Versuch hat des weiteren die bemerkenswerte Tatsache ergeben, dass der absolute Wert des intrathorakalen Drucks bei Steigerung der Atemtätigkeit wesentlich hinter dem des jugendlichen Tieres zurückbleibt, ob- wohl bei älteren Tieren die Absperrung der Atmung lange dauerte. Beim älteren Pferd beträgt er — 300 mm Hg, beim jüngeren — 500 mm Hg (siehe Versuch III). Ausserdem erreicht beim älteren Pferd der Druck im Cavum pleurae später seinen grössten Tiefstand als beim jugendlichen. Bei diesem wird in 50 Sekunden der Druck von — 500 mm He erreicht, bei jenem ein solcher von nur — 300 mm Hg erst in 72 Sekunden. Hierzu sei ausdrücklich bemerkt, dass in beiden Fällen der Tracheotubus, welcher die Ab- Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. 605 sperrung der Atmung vermittelte, absolut fest sass und kein seit- liches Einstreichen oder Entweichen der Atmungsluft bei der In- oder Exspiration gestattete. | Es ist deshalb auch gestattet, aus der gefundenen Tatsache den Schluss zu ziehen, dass für den erösseren Wert desintra- thorakalen Drucks beim Fohlen und dem kleineren beim alten Pferd in erster Linie die Elastizität der Lunge ver- antwortlich zu machen ist, welche bekanntlich in höherem Alter nachlässt. Dyspnöe muss um so früher eintreten, je rascher und je energischer sich die Lunge vermöge ihrer elastischen Kraft zu- sammenzieht. Es bedeutet demgemäss der mit dem Alter sich ein- stellende Nachlass der Lungenelastizität innerhalb gewisser Grenzen eine Anpassung an den dyspnoischen Zustand, dem das schwer arbeitende Pferd bekanntermassen unendlich häufig ausgesetzt ist. Bei demselben Pferde wurde im Verlaufe des Versuchs ein Pneumothorax im linken Pleurasack mittelst eines einem Bistouri each& ähnlichen Instruments erzeugt. Eine Verletzung der Lungen fand, wie die Besichtigung nach dem Tode ergab, nicht statt. Der intrathorakale Druck blieb zunächst, solange das Pferd ruhig und oberflächlich nach abdominalem Typus atmete, wenig verändert; er betrug — 80 mm Hg. Als aber infolge der Absperrung die Atmung sich rasch vertiefte und kostal wurde, erreichte der intrathorakale Druck nach ca. 23 Sekunden während der Exspiration die Abszisse und ging im weiteren Verlauf (37 Sekunden) sogar über diese hinaus bis ca. + 100 mm Hg. Während der Inspiration be- trug er — 190 mm Hg. Der gleichzeitige intrapulmonale Druck des Pneumothorax wechselte zwischen — 110 bei der Inspiration und + 160 mm Hg bei der Exspiration (Fig. 3). Versuch V. 17. Januar 1910. Älteres, ca. 18 Jahre altes Anatomiepferd, Rappstute. Dieser Versuch bezweckte eine Kontrolle des vorigen unter Schaffung eines gleichseitigen Pneumotkorax. Tracheotomiert. Linksseitiger Pneumothorax. Der intrathorakale Druck beträgt anfänglich —50 mm Hg. Sobald die Atmung sich vertieft, erreicht er während der Exspiration die Abszisse. Absolut negativ ist der Druck nur noch während der Inspiration; hier erreicht er einen Wert von — 130 mm Hg bis — 250 mm Hg im Maximum. Während der Exspiration ist der intrathorakale Druck nur noch in bezug auf den intrapulmonalen negativ, insofern er während dieser Phase der Atmung + (0 mm Hg und der intrapulmonale — 110 mm Hg bis — 220 mm Hg im Maximum beträgt. Das Resultat ist somit dasselbe wie im vorigen Versuch. (Fig. 4.) R., Bendele: 606 "suyewnodsqvy sop au 9 1 'NPNıq dopeuowindeayur :oAmmy 9dojun !yOnacı AofeyeIoug -BUQUL :9AMMM 9IOIO "XEIOTIOUMAUT WASLMEZUITS]S pun wasIMasyTI]3 109g SMYONICT uSJeNKIoygenur sap uayeytoA °C "Sy “SUnJy9LLIOALIOdSqY dp UOUYO 9 Tag ‘uassayag 2 I9T 'xe1oyjJoumau,] woglyTez -y9T9]0 pun Junwyy 1947917194 pusageMm (uajun) uspeuowndemur sap pun (uago) SYOnı] usjegerogyerur sap uoreyoA °F SI] a ® = © > en [ep] o® > © S - =} oO — m - = = > SS (2) S = .- gi >) S| =) - jeP} = — REN AN Nr w/ R. Bendele: 608 De Se le 22 2 Ei 5 rn "udoA 9IM UADUMUTITIZIT "gOeIeA a8 algep SE N INN en N Re: SE Rn, “ga ar R m — un Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. 609 Versuch v1 18. Februar 1910. 38 Jahre alter Wallach !), tracheotomiert. Einstichstelle links, Pneumothorax links. Das Pferd ist sehr erregt infolge zu starker Kokain- injektion. Pneumothorax links: Bei normaler Atmung intrathorakaler Druck — 50 mm Hg bis —80 mm Hg während der Inspiration. Bei vertiefter Atmung wird der intrathorakale Druck alsbald positiv und beträgt bei der Exspiration + 70 mm Hg bis +90 mm Hg; während der Inspiration bleibt er negativ — 100 mm Hg bis — 120 mm Hg. Der intrapulmonale Druck beträgt während der Exspiration + 190 mm Hg bis + 200 mm Hg, bei der Inspiration — 110 mm Hg bis — 230 mm Hg. Somit wird bei Pneumothorax, sobald sich die Atmung vertieft, der intrathorakale Druck positiv, bleibt aber auch hier mit bezug auf den intrapulmonalen negativ, . insofern er hinter diesem um 100 bis 130 mm Hg zurückbleibt (Fig. 5). Übersehen wir die vorstehenden Versuche, so lässt sich zu- nächst feststellen, das der Nachweis des intrathorakalen wie des intrapulmonalen Drucks beim Pferd, sowohl während der Ruhe wie während der vertieften und angestrengten Atmung möglich ist. Der intrathorakale Druck beträgt im Mittel — 50 bis — 60 mm Hg. Er schwankt mit der Atmung zwischen — 100 mm Hs bei der Inspiration und — 80 mm Hg bei der Exspiration. Bei ruhigem Atmen ist er stets negativ. Bei angestrenetem Atmen kann er auch grösser werden als der äussere Luftdruck, bleibt aber immer mit Bezug auf den intrapulmonalen Druck negativ, indem er hinter diesem um ca. — 100 mm Hg zurückbleibt. Bei Fohlen ist während des ruhigen Atmens der negative Druck etwas kleiner als bei alten Pferden, ca. —45 mm Hg bis —50 mm Hg, gegen ca. —50 bis —70 mm Hg bei alten Pferden. Bei Fohlen wird aber infolge angestrenster Atmung der negative Druck und zwar in kürzerer Zeit ein grösserer als bei alten Pferden. Es hängt dies mit der Elastizität der Lunge zu- sammen, die in höherem Alter nachlässt. Im allgemeinen verlaufen die Schwankungen des intrathorakalen Drucks synchron mit den Schwankungen des intrapulmonalen. Wenn infolge angestrengter Atemtätigkeit der intrapulmonale Druck sich erhöht, so steigert sich auch der durchschnittliehe Minuswert des intrathorakalen Drucks. Während aber der intrapulmonale Druck bei Rückkehr zur normalen Atmung sich rasch ausgleicht, bleibt 1) Das Pferd war nachweislich so alt. 610 R. Bendele: Der Druck im Cavum pleurae des Pferdes. der negative Druck im Thorax längere Zeit erhöht und kehrt erst allmählich wieder zu seinem Ausgangswert zurück. Kurzdauernden Steigerungen des intrapulmonalen Drucks (z. B. beim Husten) folgt der intrathorakale Druck nicht. Vorstehende Arbeit wurde im Physiologischen Institut der Tier- ärztlichen Hochschule in Stuttgart gefertist.e Dem Vorstand des Instituts, Herrn Prof. Dr. Gmelin, sage ich für Überweisung des Themas und für die vielseitige Unterstützung, besonders bei An- stellung der Versuche, meinen ergebensten Dank. 611 Über das Sehen von Bewegungen. VI. Mitteilune. Der Beginn des Bewegungsnachbildes. Von Dr. Adolf Basler, i Privatdozent und Assistent am physiologischen Institut zu Tübingen. (Mit 2 Textfiguren.) In einer früheren Mitteilung habe ich versucht, die Zeit fest- zustellen, die verstreicht, bis nach Aufhören einer Bewegung das sogenannte Bewegungsnachbild einzusetzen pflegt. Ich- verfuhr in der Weise, dass ich auf einer rotierenden Trommel das Aufhören der wirklich vorhandenen Bewegung mechanisch registrierte und willkürlich ein Zeichen anbrachte, welches ebenfalls aufgeschrieben wurde, sobald das Bewegungsnachbild auftrat. Diese Art der Unter- suchung hat aber, wie ich damals schon hervorhob, den grossen Nachteil, dass die Reaktionszeit mit ins Spiel kommt. Um diese Fehlerquellen auszuschliessen, habe ich nun eine neue Versuchsreihe ausgeführt, die sich lediglich mit der Zeit befasst, welche zwischen dem Aufhören der ursprünglichen, wirklichen Be- wegung und dem Einsetzen des Bewegungsnachbildes liegt. Methodisches. Der Gang der Untersuchung war klar vorgezeichnet. Ein Streifenmuster musste sich längere Zeit, etwa 20 Sekunden, mit be- stimmter, gleichmässiger Geschwindigkeit bewegen, dann plötzlich stehen bleiben, und nach einer Pause von genau messbarer Zeit musste die Beweeung wieder einsetzen. Wurde der Versuch in der beschriebenen Weise ausgeführt, dann liess sich leicht sagen, wann das Nachbild auftritt. Konnte man z. B. in einem bestimmten Fall bei einer Pause von einer halben Sekunde kein Bewegungsnachbild wahrnehmen, bei einem Anhalten von einer Sekunde dagegen deutlich Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 139. 41 612 Adolf Basler: bemerken, dass sich die Streifen in der entgegengesetzten Richtung bewesten, dann lässt sich sagen, dass bei diesem Versuch das Nach- bild in der Zeit zwischen einer halben und einer Sekunde sich ent- wickelte. Der Versuchsperson fällt dann keine andere Aufgabe zu als anzugeben, ob während der Pause die Streifen stillstanden oder sich bewegten. Um diese Versuchsbedingungen herzustellen, wäre ja das ein- fachste, dass man eine mit einem Streifenmuster überzogene Trommel, die sich mit hinlänglicher Geschwindigkeit dreht, plötzlich anhält und nach Ablauf einer messbaren Zeit wieder in Gang setzt. So wäre ich aber nicht zum Ziele gekommen, weil es immer eine, wenn auch kleine Zeit, dauert, bis das Werk wirklich steht und vielleicht ebenso lange, bis es wieder richtig im Gang ist. Deshalb baute ieh nach längerem Probieren eine Einrichtung, die es ermöglicht, das eine Gesichtsfeld, in welchem sich die Be- wegung abspielt, sehr schnell durch ein anderes in Ruhe befindliches zu ersetzen. An einem 110 em langen Kasten aus Holz A (Fig. 1a) besteht die eine Wand aus einer Pappscheibe 5, welche zwei rechteckige Aus- schnitte © und D besitzt (s. Fig. 1b und 2). In der der Papp- wand gegenüberliegenden Seite & des Kastens ist ein Ausschnitt angebracht, der mit einer Mattglasscheibe 7’ verschlossen ist. Im Innern. des Kastens ist eine Konvexlinse @ mit einer ziemlich engen Blende aufgestellt, so dass dieselbe auf der Mattscheibe F ein reelles Bild der Ausschnitte (€ und D entwirft (vgl. Fig. 1b). Das Bild von © liegt natürlich auf der Mattscheibe £ unten bei (\,, das von D oben (D,). An dem Anker des Elektromagneten A ist des weiteren ein dünnes Glasprisma / mit der brechenden Kante nach unten nahe bei der Linse G@ so angebracht, dass es, wenn der Elektromagnet den Anker anzieht, genau vor die Öffnung der Blende zu liegen kommt, anderenfalls aber über derselben steht, da der Anker für gewöhnlich durch eine Feder nach oben gezogen wird. Der Elektromagnet 4 wird gespeist durch ein Element P, wie es auf der Skizze la angedeutet ist. In Wirklichkeit wurden zwei Leelanch6- Elemente verwendet. Wird dieser Stromkreis mit dem Schlüssel X geschlossen, dann senkt sich das Prisma 7 vor die Öffnung der Blende, wobei das ganze Bild, das aus den: Einzelbildern ©, und D, besteht, nach oben ge- Über das Sehen von Bewegungen. VI. 613 rückt wird. Es wurde dafür gesorgt, dass dabei das Bild ©, nau an die Stelle zu liegen kommt, an der sich vorher das Bild Me befand. Weiterhin ist vor der Mattglasscheibe F ein Pappschirm an- gebracht, der einen rechteckigen Ausschnitt für das Bild D, bei hochstehendem Prisma besitzt; alles andere ist abgeblendet. Bei heräbgezogenem Frisma wird an derselben Stelle das Bild €, siehtbar. Fig. 1. Schematische Skizze der Versuchsanordnung. a Horizontalschnitt, b Vertikalschnitt mit Andentung des Verlaufs der Lichtstrahlen. An der anderen Seite des Kastens ist nun ein Speichenrad N aufgestellt, das durch ein Uhrwerk (auf den Skizzen nicht gezeichnet) mit beliebiger Geschwindiekeit gleichmässig ge- dreht werden kann. Dieses Rad steht so, dass die Speichen gerade vor den unteren Ausschnitt D zu liegen kommen (vgl. auch Fig. 2). Vor dem oberen Ausschnitt © sind auch Speichen in der gleichen Anordnung, wie am Rade angebracht, die & Fig. 2. Versuchs- aber feststehen. Hinter der ganzen Aufstellung anordnung von der befindet sich eine Mattglasplatte R, die durch eine Seite der Lampe aus Gasglühlichtlampe O beleuchtet wird. Durch an Entfegu ıder Lampe von der Mattscheibe oder Anzäheiung an dieselbe lässt sich die Stärke der Lichtstrahlung beliebig variieren. Bei Ausführung des Versuches dreht sich nun das Speichenrad N beständig; das Prisma steht hoch, und somit sieht der Beobachter, der seine Stirn an die Stütze Z lehnt, die Bewegung der Speichen in dem Bild D, als ein Wandern von dunkeln 2 mm breiten Strichen 41 * 14 - Adolf Basler: auf hellem Grunde. Diese Bewegung ist so lange sichtbar als der Schlüssel X geöffnet bleibt. Bei Schluss des Elektromagnetkreises wird das Bild D, durch das ruhende Bild C, ersetzt. Für den Be- obachter macht sich dieser Vorgang dadurch erkennbar, dass die Striche still stehen. Sobald der Magnetkreis wieder geöffnet wird, wandern auch die Speichen wieder. Das ganze rechteckige auf der Mattscheibe 7 sichtbare Feld war 1,6 em hoch und 3,3 cm breit. Die Höhe entsprach also einen Gesichtswinkel von ungefähr 3 Grad, die Breite einem solchen von ungefähr 6 Grad. Nun muss man aber bei Ausführung der Versuche genau die Zeit kennen, während der die Speichen in Ruhe gesehen werden, nit anderen Worten die Zeit, während der sich das Prisma vor dem Loch des Diaphragmas befand. Deshalb ist der Arm, der den Anker der Elektromagneteinrichtung trägt, nach hinten über die Achse hinaus etwas verlängert und daran ein Schreibhebel MM befestigt, der seine Bewegung auf einer rotierenden berussten Trommel @ aufzeichnet. Da gleichzeitig Zeitmarken aufgeschrieben wurden, so ersah man jederzeit aus der Kurve, wie lange das Prisma vor der Öffnung stand. | Alle Versuche wurden ausgeführt bei Tagesbeleuchtung, so dass die Augen stets hell adaptiert waren, und immer wurde mit beiden Augen zugleich beobachtet. | | Der Einfachheit halber beschränkte ich mich auf das direkte Sehen. Deshalb war in der Mitte des rechteckigen Ausschnittes auf der Mattscheibe F' ein schwarzer Punkt aufgezeichnet, der während des Versuches fixiert werden musste. Die Beobachtungen wurden hauptsächlich ausgeführt von mir und von Herrn stud. med. Müller aus Chemnitz. Ausserdem nahm ich aber zum Vergleich die Untersuchungen auch noch an einer grossen Zahl anderer Studierender vor. Versuche. Mit der beschriebenen Methode suchte ich nun zu entscheiden, wie lange es dauert, bis das Bewegungsnachbild eintritt... Dabei wurde die ursprüngliche, wirkliche Bewegung oder, wie sie häufig der Kürze wegen genannt wird, das „Vorbild“ 20 Sekunden lang angesehen, dann trat die erwähnte verschieden lange Pause ein. - Die Geschwindigkeit des Vorbildes betrug bei diesen ersten Versuchen nicht ganz 0,5 enı in der Sekunde. Wenn man die in Über das Sehen von Bewegungen. VI. 615 der Zeiteinheit durchlaufene Strecke als Gesichtswinkel ausdrückt, erhält man die sogenannte Winkelgeschwindigkeit, wobei der Knoten- punkt des Auges als Zentrum gedacht wird. Diese Winkel- geschwindigkeit beträgt im vorliegenden Fall bei dem Augenabstand von 30 em 57 Minuten in der Zeitsekunde. Als Beispiel sei einer meiner Versuche im Protokoll wieder- gegeben. 5 | Versuch vom Dienstag, den 6. Dezember 1910. Geschwindigkeit des Vorbvildes 0,48 cm in.der Sekunde. Versuchsperson M. Dauer des I Stillstandes Sek. Bewegungs- Nr. echbilll Ja Ja Ja nein nein = = Er [0 0 Kor ur Sardu Sour" SOooooooHh DON OO - Bei diesem Versuch wurde also kein Bewegungsnachbild ge- sehen bei einem Stillstand von 0,6 Sekunden, dagegen trat dasselbe bei Pausen von 0,8 und mehr Sekunden auf. Wir können also sagen: Im vorliegenden Fall entwickelte sich das Nachbild in der Zeit zwischen 0,6 und 0,8 Sekunden nach Aufhören des Vorbildes, d. h. der wirklich vorhandenen Bewegung. | Bei einem anderen Versuch, der an mir selbst angestellt wurde, trat das Bewegungsnachbild einmal schon nach 0,6 Sekunden Auf. Versuch vom Dienstag, den 21. Dezember 1910. | Geschwindigkeit des Vorbildes 0,48 cm in der Sekunde. Versuchsperson B. Dauer des N Ei Bewegungs- Nr. ee nachbild 1 2 ja 2 1,1 ja 3 1,0 Ja 4 0,89 ja 5 0,55 zweifelhaft 6 0,6 nein 7 1,0 ja 6) 0,6 ja 9 0,4 zweifelhaft 10 0,4 nein 616 »»nnAdolf Basler: ' Das Ergebnis ist nun aber nicht immer so klar. So wurde z.B. bei einem anderen Versuch bei einem Stillstand von 0,7 Sekunden nieht immer ein Nachbild beobachtet, dagegen einmal bei einer Pause von 0,6 Sekunden. Auch ein solehes Protokoll sei hier wiedergegeben. Versuch vom Montag, den 12. Dezember 1910. Geschwindigkeit des Vorbildes 0,48 cm in der Sekunde. Versuchsperson M. Dauer des ER Bewegungs- Nr. Sa nechbild 1 0,8 ja 2 0,4 nein 3 0,6 ja 4 0,7 nein b) 0,9 ja 6 0,7 ja 7 0,7 nein 8 0,7 ja 9 0,5 nein 10 0,75 ja 11 0,35 nein 12 0,4 nein 13 0,6 nein 14 0,7 ja 0,4 nein = In diesem Versuch zeigt sich die von Borschke und Hescheles!) flüchtig erwähnte Tatsache, dass die Phase, die dem Bewegungsnachbild vorausgeht, nicht ganz konstant ist. Rz | Als Ergebnis der bisher mitgeteilten Versuche lässt sich zu- sammenfassend sagen: Das Beweeungsnachbild war stets sehon vor Ablauf einer Sekunde entwickelt. In eini- sen Fällen trat dasselbe schon nach 0,5 Sekunden auf, in anderen dagegen war es erst nach 0,8 Sekunden mit Sicherheit zu konstatieren. Wenn Cords und v. Brücke?) „eine kurze anfängliche Phase des Stillstandes“ nicht bemerken konnten, so widerspricht dies meinen Beobachtungen nicht. Denn die genannten Forscher „sahen bei der Abgabe des Urteils immer von dem allerersten Momente ab“, 1) A. Borschke und L. Hescheles, Über Bewegungsnachbilder. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane Bd. 27 S. 387 (391). 1902. 2) R. Cords und E. Th. v. Brücke, Über die Geschwindigkeit des Be- wegungsnachbildes. Pflüger’s Arch. Bd. 119 S. 54 (63). 1907. Über das Sehen von Bewegungen. VI. 617 dessen Dauer auf eine Viertel- bis eine halbe Sekunde geschätzt wird, weil in dieser Phase bei den ersten Versuchen die Bewegung mitunter falsch oder unsicher beurteilt wurde. Als Erklärung wird angegeben, „dass der Fixationspunkt nicht sofort erfasst wurde und vorher stärkere Augenbewegungen ausgeführt wurden‘. Bei meinen Untersuchungen blieb der Fixationspunkt derselbe. Dureh die Verschiebung des Prismas wurde das bewegte Streifen- muster so schnell durch ein ruhendes ersetzt, dass man von einer Verschiebung des Gesichtsfeldes nichts merkte, und so war es leicht, den Fixationspunkt während diesem Wechsel ruhig weiter zu fixieren. Das einzige, worauf man achten musste, war, dass nicht im ent- scheidenden Moment ein Lidschlag erfolgte. Denn durch einen solchen und die dadurch bedinste Unruhe des Auges wurde häufig ein Bewegungsnachbild übersehen. Hat die Geschwindigkeit des Vorbildes einen Einfluss auf das Einsetzen des Nachbildes ? Bei anderer Gelegenheit hatte ich gefunden !), dass das Be- wegungsnachbild schneller scheint und viel länger anhält bei grosser Vorbildgeschwindigkeit als bei kleiner. Dabei befand ich mich in vollkommener Übereinstimmung mit meinen Vorgängern). Auch die Untersuchungen von Kinoshita°), die ungefähr gleichzeitig mit den meinigen ausgeführt wurden, führten zu einem ähnlichen Ergebnis. Ich erwartete nun, dass das Bewegungsnachbild nach einem langsamen Vorbilde auch später eintreten würde als nach einem schnell ablaufenden. Um hierüber etwas Sicheres in Erfahrung zu bringen, wurden vergleichende Untersuchungen mit verschiedenen Vorbildgeschwindig- keiten ausgeführt. Dabei arbeitete ich mit Geschwindigkeiten von 1) A. Basler, Über das Sehen von Bewegungen. III. Mitt. Der Ablauf des Bewegungsnachbildes. Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 145 (164). 1909. 2) E. Budde, Über metakinetische Scheinbewegungen und über die Wahr- nehmung der Bewegung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1854 S. 127 (132), — A. Borschke und L. Hescheles, I. c. S. 398. — R. Cords und E. Th. v. Brücke, Über die Geschwindigkeit des Bewegungsnachbildes. Pflüger’s Arch. Bd. 119 S. 54 (63). 1907. 3) T. Kinoshita, Über die Dauer des negativen Benerunssun bilden Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 43 S. 434 (440). 1909. 618 Adolf Basler: 0,48, 0,85 und 2,0 em in der Sekunde. Diese Zahlen beziehen sich auf die auf dem Mattglas sichtbaren Bewegungen, nieht etwa auf die Drehung des Rades selbst. Die entsprechenden Winkel- geschwindigkeiten sind rund: 0 Grad 57 Minuten, 1 Grad 37 Minuten und 3 Grad 49 Minuten. 5 Bei diesen Untersuchungen wurden die verschiedenen Ge- schwindigkeiten von jeder Versuchsperson an einem und demselben Tage und unter möglichst gleichen Bedingungen verglichen. Die Ergebnisse enttäuschten meine Erwartungen im höchsten ‚Maasse. Es war nämlich hinsichtlich des Einsetzens des Bewegungs- nachbildes kaum ein Unterschied wahrzunehmen, je nachdem das Vorbild schneller oder langsamer verlief. Wenn ein Unterschied vorhanden war, dann schwankte er in so engen Grenzen, dass er unmöglich ernstlich in Betracht kommen kann. Als Beispiel sei wieder ein Versuch angeführt. Versuch vom Mittwoch, den 14. Dezember 1910. Versuchsperson M. Nr Dauer des Stillstandes Bewegungs- Sek. nachbild Geschwindigkeit des Vorbildes 0,85 cm in der Sek. 1 0,5 ja 2 0,6 nein 3 0,4 nein 4 0,4 nein b) 0,5 nein 6 0,8 ja 7 0,8 Ja 8 0,8 ja 9 0,6 nein 10 0,6 ja 11 0,5 nein 12 0,8 ja Geschwindigkeit des Vorbildes 0,48 cm in der Sek. 13 0,55 ja 14 0,7 ja 15 0,3 nein 16 0,55 ja 17 0,6 ja 18 0,6 ja 19 0,5 ja 20 0,6 ja 21 0,5 nein 22 0,6 ja Ordnet man die untersuchten Stillstände der Übersichtlichkeit halber nach ihrer Grösse, dann ergibt sich folcende Tabelle: Über das Sehen von Bewegungen. VI. 619 Dauer Bewegungsnachbild Geschwindigkeit des Stillstandes _— des Vorbildes | So gesehen nicht gesehen cm in der Sek. 0,4 O mal 2 mal 0,85 0,5 1 ” 2 ” 0,85 0,6 1, Den, 0,85 0,8 4 „ 0 „ 0,35 0,3 0 yes 0,48 0,5 10, 1% 0,48 0,55 2, | 0a 0,48 0,6 4 ” 0 ” 0,48 0,7 | 1 N 0,48 Er Wenn man die geringen Unterschiede, die sich bei den beiden Geschwindigkeiten beobachten lassen, wirklich in Betracht ziehen wollte, dann müsste aus dem mitgeteilten Versuche geschlossen werden, dass das Bewegungsnachbild früher einsetzt bei einem lang- samen Vorbild als bei einem schnellen. Zu einem solchen Schlusse wäre man berechtigt, wenn bei allen Versuchen dieser Reihe der Unterschied stets im gleichen Sinne ausgefallen wäre. Dieses war aber durchaus nicht der Fall, sondern häufig war das Ergebnis für beide Vorbildgeschwindigkeiten gleich, oder aber das Nachbild trat bei schnellem Vorbild um ein kleines früher ein. Nach alledem erwies sich der Zeitpunkt, in welchem das Bewegungsnachbild sichtbar wird, als ziemlich unabhängig von der Geschwindigkeit des Vorbildes. Hat die Dauer des Vorbildes einen Einfluss auf das Einsetzen des Nachbildes? Wenn Budde!) Borschke und Hescheles?) sowie Cords und v. Brücke?) fanden, dass das Bewegungsnachbild mit zu- nehmender Dauer des Vorbildes schneller wird, so konnte ich diese Ergebnisse bestätigen und gleichzeitig zeigen, dass das Bewegungs- nachbild auch um so länger dauerte, je länger das Vorbild an- gesehen wurde‘), Auch Kinoshita fand in seiner oben er- 1) E. Budde, Über metakinetische Scheinbewegungen und über die Wahr- nehmung der Bewegung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1884 S. 127 (133). 2) A. Borschke und L. Hescheles, Über Bewegungsnachbilder. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. der Sinnesorg. Bd. 27 S. 387 (897). 1902. 3) R. Cords und E. Th. v. Brücke, .c. S. 75. 4) A. Basler, 1. c. S. 154. 5) T. Kinoshita, 1. c. S. 440. 620 -Adolf Basler: wähnten Untersuchung, dass das Bewegungsnachbild um so länger dauerte, je länger die wirkliche Bewegung angesehen wurde. Es lag deshalb auf der Hand festzustellen, ob das Einsetzen des Nachbildes von der Dauer des Vorbildes ebensowenig abhängt wie von seiner Geschwindigkeit. Bei der Ausführung dieser Unter- suchungen wurden stets verglichen Vorbilder von 20 und 40 Sekunden Dauer. Auch hierbei gelangte ich nieht zu einem ganz einwand- freien Ergebnis, wenn auch im allgemeinen nach langem Vorbild das Nachbild etwas früher auftrat als nach kurzem. Als Beispiel sei ein Versuch wiedergegeben, den ich an mir selbst anstellen liess. Versuch vom Mittwoch, den 21. Dezember 1910. Vorbildgeschwindigkeit 0,35 cm in der Sekunde. Versuchsperson B. ake : Dauer Stillstandes nachbild Sek. Sek. 1 90 0,85 Ja 9 % 0,3 nein B) 40 0,3 unsicher 4 20 0,4 6 20 0,65 ja 7 20 0,6 Ja R 20 0,35 nein 9 20 0,5 Ja 10 40 0,6 Ja 11 40 0,5 Ja 12 40 0,4 Ja Bei diesem Versuch wurde das Nachbild gesehen nach 0,5 Sekun- den, wenn das Vorbild 20 Sekunden dauerte, dagegen schon bei 0,4, wenn das Vorbild 40 Sekunden lang angesehen wurde. Man muss also wohl eine gewisse, wenn auch ge- ringe Beeinflussung durch die Dauer des Vorbildes annehmen. Jedenfalls liess sieh bei längerem Vor- bild das Nachbild auch bei verhältnismässig kurzen Pausen mit grösserer Sicherheit konstatieren. Ist der Eintritt des Bewegungsnachbildes abhängig von der Stärke der Belichtung? Zum Schlusse meiner Untersuchung suchte ich festzustellen, ob die Grösse der Helliekeitsdifferenz der sich bewegenden dunklen Über das Sehen von Bewegungen. VI. 621 und hellen Striche irgendwie von Einfluss ist auf den Moment des Eintretens des Bewegungsnachbildes. Ist es doch eine bekannte Tatsache !), dass die Nachbildbewegung eine grössere Gesehwindig- keit erhält, wenn das Streifenmuster, welches die vorausgehende wirkliche Bewegung ausführt, aus Streifen besteht, welche sich durch) ihre Lichtintensität stark von dem Hintergrunde abheben. Diese Untersuchung liess sich mit meiner Anordnung in der einfachsten Weise ausführen. Bei allen bis jetzt beschriebenen Ver- suchen war das Speichenrad dadurch beleuchtet, dass eine Auer- lampe in einer Entfernung von 25 cm vor der Mattscheibe aufgestellt war. Diese Lampe brauchte nur in verschieden weite Entfernung. von dem Mattelasschirm gebracht zu werden, um den Grund, auf dem die Speichen als schwarze Striche sichtbar waren, heller oder dunkler erscheinen zu lassen. Bei allen Versuchen nun, die ich in der Weise ausführte, war- kein Unterschied zu konstatieren, ob die Lampe in einer Entfernung von 25, 100 oder 200 em aufgestellt war. } Die Hellickeitsdifferenz zwischen den das Vorbild darstellenden bewegten hellen und dunklen Strichen hatte demnach ebensowenig einen Einfluss auf den Anfang des Bewegungsnachbildes, wie die Ge- schwindigkeit des Vorbildes. Erörterung der Ergebnisse. Mit den beschriebenen Untersuchungen glaube ich des genaueren den Beweis erbracht zu haben, dass das Bewegungsnachbild unter den von mir hergestellten Bedingungen nach sehr kurzer Zeit er- scheint. Es ist deshalb nicht wunderbar, dass man gewöhnlich die Empfindung hat, als trete das Nachbild sofort auf. Das Zeitintervall zwischen dem Aufhören des Vorbildes und dem Beginn des Nachbildes wurde aber nicht immer gleich genau gefunden. Es hängt also offenbar teilweise ab von Momenten, die wir noch nicht in den Bereich des Experimentes einbeziehen können. Andererseits alterieren aber gerade diejenigen Einflüsse, welche die Empfindung des Bewegungsnachbildes verstärken, d. h. dasselbe 1) Borschke und Hescheles, |]. c. S. 395. — R. Cords und Beheyabrücke, |. ec. 8.19. 622 Adolf Basler: Über das Sehen von Bewegungen. VI. schnell verlaufend und lange anhaltend ernscheinen lasse, den Zeit- punkt des Einsetzens gar nicht oder nur in geringem Maasse. Aus diesem Umstand dürfte geschlossen werden, dass das Be- wegungsnachbild eine gewisse sehr kurze Zeit, in den meisten Fällen 0,5—0,8 Sekunden nach dem Aufhören des Vorbildes, sich ‚einstellt, ganz gleichgültig, ob das Nachbild schnell verläuft und lange an- hält oder nur sich langsam zu bewegen scheint und bald aufhört. An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass die Ergebnisse nur unter ganz bestimmten Bedingungen gewonnen wurden, und natürlich auch nur für eben diese Bedingungen be- hauptet werden sollen. Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Während einer am Schlusse einer 20 Sekunden dauernden Bewegung von schwarzen Strichen auf weissem Grund eingeschalte- ten Ruhepause konnte sich im allgemeinen ein Bewegungsnachbild entwickeln, wenn diese Pause 0,5—0,8 Sekunden betrug, bei einer kürzeren Pause nicht. 2. Aus diesem Umstand lässt sich schliessen, dass zur Ent- wicklung des Bewegungsnachbildes unter den angegebenen Be- dingungen ein Zeitraum von 0,5—0,8 Sekunden nötig war. 3. Wenn die Bewegung der Streifen über den weissen Grund schnell verlief, trat das Bewegungsnachbild nicht wesentlich früher oder später ein als bei langsamer Bewegung. 4. Ebenso liess sich durch länger dauerndes Fixieren des Vor- bildes (40 Sekunden) nur ein um einen geringen Betrag früheres Nachbild erzielen gegenüber einer kürzeren Beobachtungsdauer (20 Sekunden). Immerhin war das Urteil bei längerem Vorbild sicherer. 5. Eine Verstärkung oder Abschwächung der Beleuchtung, wo- durch der Grund, auf dem die Streifen erschienen, heller resp. dunkler wurde, hatte keinen Einfluss auf die Zeit, welche zwischen dem Aufhören des Vorbildes und dem Anfang des Nachbildes lag. Pierer’sche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. ya NM N u N) . ; wi. Bl x Be \ r FR ET 2 re Kt N NN a) EN BR Ge Er ra m >