PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SECHSUNDVIERZIG. MIT 7 TAFELN UND 169 TEXTFIGUREN. 3 BONN, 1912. VERLAG VON MARTIN HAGER. Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 11. Juni 1912. Über die Funktion der Hypophyse. Von Dr. Bernhard Aschner. (Mit 47 Textfiguren und Tafel I.) (Aus dem k. k. Institute für allgem. und experim. Pathologie in Wien) Bemerkungen zu G. Zimmermann’s Aufsatz: „Zur Physik und Physiologie der Schallbewegung“. Von W. Köhler. (Mit 1 Textfigur) IE Der Glykogenstoffwechsel der ee eseinekt (Helix en im Winterschlaf und beim Auskriechen. Vorläufige Mit- teilung. Von Bernhard Schöndorff. (Aus dem physio- logischen Institut der Universität Bonn) Der Stannius’sche Versuch am Säugetierherzen. Bemerkungen zu der von H. E. Hering gegebenen Darstellung. Von H. Winterstein (Rostock) Viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 20. Juni 1912. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. (Versuche an Blutzellen.) Von Otto Meyerhof. (Hierzu Tafel II.) (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg) : ß 5 Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung im motorischen Froschnerven. Von Georg Ganter. (Mit 7 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) . : A Der osmotische Druck bei Rana temporaria während der Ent- wicklung nach dem Ausschlüpfen der Embryonen. Von * Seite 147 151 155 159 185 IV Inhalt. | Seite E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg. (Hierzu Tafel III.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Upsala) . . . . 5 a‘ . 212 Zur Frage über die zentripetalen N, 1er Arterien. 1. Mit- teilung. Von Dr. Paul Kaufmann in St. Petersburg. (Mit! T- Textigur) rer. 0. 0 Ar Sechstes, siebentes, achtes und neuntes Heft. Ausgegeben am 28. Juni 1912. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. Mit einem Anhang über Reflexionstöne usw. Von L. Hermann. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut zu Königsbergöi. Pr.) „1 nenn See Zur Technik der Schreibung von Bewegungsvorgängen in Ver- bindung mit dem Elektrokardiogramm. Von Aug. Hoff- mann in Düsseldorf. (Mit 7 Textfiguren.) (Aus der aka- demischen medizinischen Klinik zu Düsseldorf) . . . .. 295 Zeitmessende Versuche über die elektrische Registrierung ver- | schiedener Phasen der Herztätigkeite. Von Aug. Hoff- mann (Düsseldorf) und WI. Selenin (Moskau). (Mit 9 Textfiguren.) (Aus der akademischen medizinischen Klinik2zuSDusseldorgpsrn a rr eb Zur physikalischen Analyse des il amms. an Dr. med. W. Ph. Selenin (Moskau). (Mit 25 Textfiguren.) (Aus dem Laboratorium der akademischen medizinischen Klinik zu Düsseldorf und dem pharmakologischen Institut dernlniversität, Moskau 319 Über die Strömung des Blutes in dem aka 1 en V. Die Blutversorgung des Pförtners und Pankreas. Von Russell Burton-Opitz. (Mit 1 Textfigur und Tafel IV.) (Aus dem physiologischen Institute der Columbia Uni- | versität zu New-York. College of Physicians and Surgeons) 344 Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. II. Von Peter Ronaund PaulNeukirch. (Mit9 Textfiguren.) (Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses X am Urban: Berlin)... Veen Bee 371 Über Extasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammer- automatie und über die Hemmungswirkung der Extrasystolen. Von Prof. Dr. €. J. Rothberger und Privatdozent Dr. H. Winterberg. (Mit 16 Texfiguren.) (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien) . 385 Inhalt. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. Von E. Wilke und E. Atzler. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V) e Sn, een EN Der Einfluss des Vagus auf He Abe Von Dr. W. Eisen- hardt, Berlin. (Mit 2 Textfiguren und Tafel VI.) (Aus dem physiologischen Institut des University College, London) Zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 9. Juli 1912. Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. Von Prof. Dr. O0. Hagemann. (Aus dem Institut für Thierphysiologie der landwirtschaftlichen Akademie Bonn- Poppelsdorf.) . J. Traube’s Theorie des Eafdeuck: (Oberlachende N on Dr. Franz Bubanovit (Kroatien). (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Nobel-Institut für physikalische Chemie zu Ex- perimentalfältet bei Stockholm.) 2 ER. 2 Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. Mitteilung. Sind die endogenen Purinkörper Produkte der Tätigkeit der Verdauungsdrüsen? Von Dozent Dr. V. OÖ. Siven, Helsingfors (Finnland) Über Ermüdung willkürlich oder elekticch Bereiater Mniskeie Von Fritz Uhlmann, prakt. Arzt, aus Trub. (Mit 14 Textfiguren) . . ee. \e Beiträge zur Ei rolbere de: en IV. Mitteilung. Subjek- tive Farbenerscheinungen. Von C. Baumann. (Mit 11 Textfiguren und Tafel VII). EN: Zur Frage von der Ermüdung der Nein enteen. Tan Dr. Baron E. Maydell. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Laboratorium an der Universität Kiew) Über die Veränderung der reflektorischen Erregbarkeit bei Ein- wirkung des intermittierenden galvanischen Stromes auf das Zentralnervensystem. Von Dr. W. Tschagowetz, Professor der Physiologie an der Kais. St. Wladimir-Uni- versität in Kiew. a Weitere Studien über die Nebennieret Von Prof. Dr. R. H. Kahn. (Mit 7 Textfiguren.) (Mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) (Aus dem physiologischen In- stitute der deutschen Universität in Prag) . 430 447 455 484 499 517 543 5953 567 578 (Aus dem k. k. Institute für allgem. und experim. Pathologie der Universität Wien.) Über die Funktion der Hypophyse. Von Dr. Bernhard Aschner. (Mit 47 Textfiguren und Tafel 1.) Inhaltsübersicht. Ten a te ee eeuinlee AS I. Analyse der bisherigen Exstirpationsversuche an der Hypophyse Hesbnseneekxstirpationsversuche . . ... 2... „um. enge Nase Nleihodiksdern, Versuche «0.1.00... 0.702, “00. SE RE B. Der Einfluss der Hypophysenexstirpation auf den Organismus. . 1. Versuche an jugendlichen Tieren mit Ausbildung von deut- ehenatrophischenYStorungena. .. . „or me Versuche an jugendlichen Tieren, welche die Hypophysen- exstirpation nur so kurze Zeit überlebten, dass trophische Störungen sich noch nicht ausbilden konnten... ..... Trophische Störungen nach Hypophysenexstirpation an er- wardihisiemenwoderstastzerwachsenenliereng 2 2 2. Versuche an erwachsenen Tieren mit Hirnschädigung . Über die Wirkung der Hypophysenexstirpation an graviden Blnmalen oe K200i Zusammenfassende Beschreibung der trophischen Störungen DacheE ypophysenexstirpation... urn ee Anhang: Über die Wirkung von Hypophysenfütterung, Hypo- physenextraktinjektionen und Hypophysentransplantationen auf HaswKörperwachstume mer 0.02. Me ne III. Über den Stoffwechsel der hypophysipriven Tiere... ...... 1: > Der Hungerstoffwechsel der hypophysipriven Tiere... .. Über die Wirkung des Adrenalins bei hypophysipriven Tieren Die Wirkung des Phloridzins auf hypophysiprive Hunde. Über den respiratorischen Stoffwechsel hypophysipriver Hunde Die Beziehungen der Hypophyse zu den übrigen Blutdrüsen andezumlyesetatiyen Nervensystem. . „2 N. ann. Anhang: Über die Beeinflussung des Stoffwechsels durch Hypo- Piysenestrakth Sea et Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 1 101 105 107 107 2 Bernhard Aschner: & Seit IV. Uber die Funktion des Infundibulum und Tuber ceinereum und deren = Bedeutung für die Physiologie und Pathologie der Hypophyse. .. . 112 Anhang: Über die Wirkung des Hinterlappenextraktes der Hypo- physe(Pituitrinumsintundibulare) sr we 116 v2 Anwenduns- auf die’menschlichesBathologie 2 2 2 ar 117 Sl @eschiehtlicher überblicken u er 117 2,» Die’ Akromegalie:... ı. rw en Se 120 3. Die. Dysplasia.adiposogemtaliser. 2 nn Gere 122 4 Z,wergwuchsnund- Infantilismus sr 123 9.. Der Riesenwuchs.. „ER mac ae ee 124 6. Die Rolle der Hypophyse bei anderen Wachstumsstörungen und ‚Blutdrüsenerkrankungen, Sr 2 re 125 7. Über die Beziehungen zwischen Hypophyse und Genitale ... 125 Tiıteraturverzeichnis..... ........ ee Se 126 Die Hypophysis cerebri ist in den letzten Jahrzehnten Gegen- stand zahlreicher Untersuchungen geworden; weitaus der grösste Teil derselben betrifft klinische und pathologisch-anatomische Beobach- tungen am Menschen. Die Kenntnis der physiologischen Verrich- tungen der Hypophyse ist weit dahinter zurückgeblieben, und auch \ die wenigen positiven Tatsachen sind noch nicht Gemeingut der Physio- logen, geschweige denn der weiteren Ärztekreise geworden. Als Be- weise hierfür diene der Umstand, dass in den Lehrbüchern der Physiologie und allgemeinen Pathologie abgesehen, von den Be- ziehungen zur Akromegalie, zum Riesenwuchs und allenfalls noch zur Dysplasia adiposogenitalis, nur dürftige, einander oft wider- sprechende Angaben über die Funktion der Hypophyse sich vor- finden. Wie unsichere und ans Phantastische grenzende Ansichten über die Funktion der Hypophyse sich auch heute noch erhalten konnten, zeigt ein Vortrag des amerikanischen Chirurgen Parke-Wells (Wiener klin. Wochenschr. 4. November 1909), der zwischen Vorder- und Hinterlappen der Hypophyse den Sitz des Temperaturzentrums vermutet, in den Hinterlappen den Sitz von Empfindungen und ein Regulationszentrum für die willkürlichen und unwillkürlichen Be- wegungen verlegt u. a. m. Wenn man auch derartige Aussprüche nicht ernst nehmen will, so muss es doch auffallen, dass nach einigen Autoren die Ex- stirpation der Hypophyse im Tierexperiment gar keine Störungen hervorrufen solle, während ein anderer Teil der Autoren die Hypo- physe mit apodiktischer Sicherheit als ein absolut lebenswichtiges Über die Funktion der Hypophyse. © Organ hinstellt, dessen totale Entfernung zum Tode führt. Dieser Zwiespalt der Meinungen dauerte bis in die Jüngste Zeit an. Die vergleichende Anatomie der Hypophyse zeigt, dass dieses Organ schon bei den niedersten Wirbeltieren vorkommt, und dass sich auch phylogenetisch die Trennung in einen vorderen drüsigen und in einen hinteren nervösen Anteil durchführen lässt. Nach L. Andriezen soll ein aus zwei Teilen, einem drüsigen und einem nervösen bestehendes der Hypophyse analoges Organ auch bei einigen Klassen wirbelloser Tiere als Anhangsgebilde des Duetus bucconeu- ralis vorkommen, und zwar bei Würmern, Echinodermen und Mollusken. Beim Amphioxus soll die als Verdauungs- und Stoffwechseldrüse für das Nervensystem funktionierende Glandula subneuralis das den Hypophysenvorderlappen homologe Organ darstellen, während eine dem Hypophysenhinterlappen entsprechende Gruppe von Nervenzellen ein rudimentäres Sinnesorgan (eine Art Geschmacksorgan) zu reprä- sentieren scheint. Diese Tatsachen sowie das frühe Auftreten des Organs in der Ontogenese sprechen für die hohe allgemeine Bedeutung des früher vielfach als belangloses Rudiment angesprochenen Organs. Zu Versuchszwecken sind begreiflicherweise höhere Wirbeltiere am bequemsten, doch dürften für manche Fragestellungen auch die niederen Tierspezies (Mollusken, Reptilien, Amphibien und Fische) sich ganz besonders eignen, — ein Weg, der in bezug auf dieses Thema noch wenig betreten ist und bei entsprechender Methodik wertvolle Resultate ergeben könnte. I. Analyse der bisherigen Exstirpationsversuche an der Hypophyse. Exstirpationen der Hypophyse wurden bisher an Fröschen, . Kröten, Schildkröten, Hühnern, Kaninchen, Katzen und Hunden ausgeführt. Beim Frosche ist die Hypophyse wegen des Fehlens einer Nasen- höhle vom Gaumen aus sehr leicht zugänglich. Caselli durchbohrte das Pharynxdach des Frosches im Zentrum des Os parabasale mit einer spitzen Schere oder mittels eines kleinen Trepans und konnte dann unter Zuhilfenahme einer Vergrösserungs- linse die Hypophyse leicht mit einer Nadel entfernen. 1* 4 Bernhard Aschner: Von den so operierten Tieren überlebte eine Anzahl die Operation, ohne weitere Erscheinungen zu bieten. Einige Tiere gingen unter Lähmungserscheinungen, andere unter tetanischen und epileptiformen Krämpfen zugrunde. Über autoptische und mikroskopische Unter- suchungen betreffs der Vollständigkeit der Drüsenexstirpation oder über etwaige Nebenverletzungen der Hirnbasis wird nichts angegeben. Von grosser Bedeutung erscheinen dagegen Caselli’s Kontroll- versuche, in welchen er bloss Verletzungen der Hirnbasis rechts und links von der Hypophyse vornahm, und nach welchen die Tiere dieselben Folgeerscheinungen zeigten wie nach Fxstirpation der Hypophyse. Gaglio ging auf folgende Weise vor: Der zu operierende Frosch wurde in Äthernarkose auf dem Rücken aufgebunden und bei möglichst weit geöffnetem Maule ebenfalls das Os parabasale durch Abpräparieren der Rachendachschleimhaut freigeleet. Nach Ent- fernung des Knochens durch Trepanation wurde die Dura gespalten und die Hypophyse mittels einer feinen Pince ohne besondere Mühe entfernt. Eine grosse Anzahl der Versuchstiere ging an Infektionen von der Mundhöhle aus zugrunde. Von den nicht an der Infektion eingegangenen Fröschen über- lebte ein Tier 47, ein anderes 96 Tage, was nach unseren Erfahrungen auch bei vollständiger Exstirpation der Hypophyse ganz gut denkbar wäre. Gaglio hat das Fehlen der Hypophyse allerdines nur makroskopisch konstatiert. Gagliv operierte auch 20 Kröten, die alle der Infektion er- legen sind. Von zehn operierten Schildkröten gingen fünf rasch zugrunde, vier haben 7 Monate, eine hat 2 Jahre lang gelebt. Auch hier soll bei der Obduktion makroskopisch das vollständige Fehlen der Hypophyse festgestellt worden sein. Gaglio schliesst aus seinen Experimenten, dass ein Tier lange Zeit ohne Hypophyse leben könne. . Botaneo, ein Schüler Paulesco’s, der wegen der Infektions- gefahr den Weg durch die Mundhöhle von vornherein für aussichtslos hielt, versuchte die Hypophyse beim Frosch auf intrakraniellem Wege zu exstirpieren: Nach einem medianen Hautsehnitt über die ganze Schädeldecke eröffnete er die Sagittalnaht der Schädelhöhle. Hier- auf wurde durch temporäres Aufklappen des Os frontoparietale die eine Hirnhemisphäre blossgelest, dann der dunkler gefärbte Lobus Über die Funktion der Hypophyse. 5 opticus von der Schädelbasis abgehoben die Hypophyse mit einer gebogenen Pinzette herausgehebelt und abgetragen. Hierauf folgte Versorgung der Wunde durch Reposition des Knochens und Ver- nähung der Haut. Die meisten der so operierten Tiere gingen an asthenischen Zuständen in den ersten 3 Tagen nach der Operation zugrunde, einige zwischen dem 9. und 15. Tag. Eine Anzahl überlebte mehrere Monate lang. Bei letzteren ergab die mikroskopische Untersuchung aber das Vorhandensein von mehr oder minder grossen an der Hirn- basis adhärenten Hypophysenresten. Kontrollversuche an Tieren, in welchen die ganze Operation, jedoch mit Belassung der Hypophyse an Ort und Stelle, ausgeführt wurde, ergaben dass dieser Eingriff anstandslos ertragen wurde. Botaneo schliesst aus seinen Untersuchungen, dass die Ex- stirpation der Hypophyse beim Frosch in kurzer Zeit den Tod herbeiführt. Ergebnis: Das Zugrundegehen der Tiere an Infektion lässt sich nach eigenen Erfahrungen, auch beim Operieren von der Mund- höhle aus, sehr wohl vermeiden, wenn man während der Öpera- tion aseptisch vorgeht und nachher die Knochenhöhle mit einer festschliessenden Plombe versorgt. Wenn man die Hypophyse des Frosehes präpariert, so findet man, dass besonders der vordere Anteil des Vorderlappens fest an der Basis des dritten Ventrikels adhärent ist. Keiner der drei genannten Autoren nimmt bei der Exstirpation der Hypophyse auf die Vermeidung einer Hirnverletzung Rücksicht, welche sich nur durch sorgfältiges präparatorisches Vor- gehen bei der Exstirpation umgehen lässt. Wie wesentlich dieser Faktor ist, geht aus den Kontrollversuchen Caselli’s hervor, der dureh blosses Anlegen von Nebenverletzungen an der Hirnbasis in der Umgebung der Hypophyse mit Belassung der letzteren dieselben Folgeerscheinungen bekam, die sonst der Totalexstirpation der Hypo- physe zugeschrieben wurden. (Lähmungen, Krämpfe, Adynamie). Dass in diesen Versuchen dennoch eine Anzahl von Tieren überlebt hat, ist wohl darauf zurückzuführen, dass in diesen Fällen besonders bei unvollständiger Hypophysenexstirpation die maassgebenden Teile der Hirnbasis nicht oder nicht in höherem Grade geschädigt worden sind. Ob dabei mikroskopisch sichtbare Hypophysenreste noch vor- handen waren oder nicht, scheint weniger von Belang zu sein. Das Ausbleiben von markanten Folgeerscheinungen bei den überlebenden 6 Bernhard Aschner: Tieren, auch bei totaler Exstirpation, ist nicht zu verwundern, da ausgeprägte Vegetationsstörungen nach eigenen Versuchen nur an jugendlichen, noch in Entwicklung begriffenen Tieren beobachtet werden können. Mit Rücksicht auf die grosse Toleranz des Frosches gegen operative Eingriffe und auf seine ausgezeichnete Verwertbarkeit als Versuchstier besonders für Reizversuche am Nervensystem, ist der Frosch als Objekt für das Studium der Su und ihrer Um- gebung sehr zu empfehlen. An jungen Hühnern und Hähnen hat Fichera die Hypophyse exstirpiert. Sein Vorgehen dabei war folgendes: Das Tier wird auf den Rücken aufgespannt, der Hals nach rückwärts abgebogen und von den Federn befreit, hierauf wird der Boden der Mundhöhle längs des Unterkieferrandes durchtrennt und so nach Abhebung der Rachenschleimhaut auf retropharyngealem Wege bis zum Rachendach vorgedrungen. Das grösstenteils aus Spongiosa bestehende Keilbein wird nun mittels eines spitzen Thermokauters durchbohrt. Die Hypophyse wird durch diesen Akt zu gleicher Zeit zerstört. Es ist klar, dass durch Ausbrennen mit dem Thermokauter einer- seits Nebenverletzungen des Gehirnes nicht zu vermeiden sind, andererseits eine vollständige Zerstörung der Hypophyse dabei nicht gewährleistet werden kann. Dementsprechend wurde bei den Tieren, die nicht unmittelbar an der Operation selbst zugrunde gegangen sind, gefunden, dass bei einer Anzahl derselben die Hypophyse über- haupt nicht getroffen war. Bei der Mehrzahl der überlebenden Tiere war sie partiell geschädigt. Nur bei vier von 40 operierten Tieren war die Zerstörung eine vollständige. Zwei von diesen vier Tieren zeigten gegenüber Kontrolltieren Zurückbleiben im Körpergewicht (650 g gegen 720 g) und im Wachstum. Die übrigen Tiere zeigten zumindest vorübergehend die von den Autoren als Kachexia hypophysipriva bezeichneten, in Wirklichkeit aber auf Hirnverletzung zu beziehenden Zustände (Lähmungen, Krämpfe, Adynamie). Paulesco, der in seiner Arbeit auch über Fichera’s Ver- suche referiert, schliesst daraus, dass die Hypophyse beim Huhn zum Leben nicht unentbehrlich sei, widerspricht also damit seinen eigenen Erfahrungen am Hunde. Über die Funktion der Hypophyse. 7 In Wirklichkeit dürfte auch beim Huhn bei verbesserter Technik mit Schonung der Hirnbasis und guter Wundversorgung die Hypo- physenexstirpation sehr gut mit der Fortdauer des Lebens ver- einbar sein. Die Versuche, die Hypophyse bei Kaninchen zu exstirpieren oder zu zerstören, sind bisher vollständig misslungen. Gley hat sich dabei der transzerebralen Methode bedient, indem er von oben her die Hemisphären mit einer Kanüle durchbohrte und durch dieselbe in die Sella tureica eine ätzende Flüssigkeit einzu- flössen versuchte. Fast alle so operierten Tiere gingen an Hämorrhagien, Ver- letzung der Grosshirnstiele usw. zugrunde. Ein einziges Tier blieb am Leben, und gerade bei diesem war die Hypophyse intakt. v. Cyon’s Versuche am Kaninchen bezweckten nicht das Über- leben der Tiere nach Exstirpation oder Zerstörung der Hypophyse; denn er entfernte, um vom Rachendach aus zu derselben zu gelangen, vorher den ganzen Unterkiefer des Tieres. Kaninchen dürften sich zu Exstirpationsversuchen der Hypophyse mit längerem Überleben infolge der schweren Zugänglichkeit des Organes bei diesen Tieren überhaupt nicht eignen. Verhältnismässig am erfolgreichsten waren die Exstirpations- versuche an Katzen und Hunden. Horsley war der erste, der die Exstirpation der Hypophyse am Tier überhaupt versucht hat, um die Resultate dieser Operation mit denen der Thyreoidektomie zu vergleichen. Die Tiere sind aber kurze Zeit nach der Operation eingegangen. Dastre versuchte ebenso wie Horsley von der Mundhöhle aus mit einem trepanartigen Instrument die Hypophyse zu erreichen, aber auch seine Versuchstiere sind alle rasch zugrunde gegangen. Marinescu unternahm zur Nachprüfung der gemeinschaftlich mit P. Marie aufgestellten Hypothese, dass die Akromegalie auf einer Unterfunktion der Hypophysis beruhe, Exstirpationsversuche an acht Katzen. Er durchtrennte den weichen Gaumen mit dem Thermokauter, trepanierte dann die Schädelbasis zwischen den beiden Processus pterygoidei und zerstörte die blossgelegte oder von Dura bedeckte Hypophyse mit einem glühenden Eisenring. g Bernhard Aschner: Die Tiere gingen zum Teil während oder bald nach der Operation an Blutung, andere in den ersten Tagen unter Abmagerung und Temperaturabfall zugrunde. Ein Tier überlebte 18 Tage lang. Die Katzen mussten grösstenteils mittels Schlundsonde ernährt werden. Die Öffnung an der Schädelbasis vernarbte bald. Infektion des Gehirnes durch die Mundhöhle konnte niemals nachgewiesen werden. Marinesecu konnte sich mangels einer sichtbaren Ursache das Zu- srundegehen der Tiere nicht erklären und schliesst daraus, dass der Eingriff bei Katzen mit einer Lebensdauer von mehreren Wochen vereinbar ist. Nach dem oben Ausgeführten ist es klar, dass der Tod der Tiere in erster Linie auf die durch die Kauterisation herbeigeführte Ver- letzung der Hirnbasis zurückzuführen ist. Von letalem Einfluss war aber sicher auch die Durchtrennung des weichen Gaumens mit dem Thermokauter, wodurch eine dauernde Dehiszenz des Gaumensegels bedingt ist. Eine solche führt nach unseren Erfahrungen am Hunde immer nach Tagen oder Wochen unter Schluckpneumonie zum Tode des Tieres. Ebenfalls vom Rachendach her unternahmen 1892 Vassale und Sacchi ihre Versuche an 23 Hunden und 17 Katzen. Der Vorgang war hiebei folgender: Öffnen des Mundes, Vorziehen der Zunge, Durchschneiden des weichen Gaumens und Fixieren der beiden Hälften desselben mit vier Fäden; Umschneiden der Schleim- haut des Rachendaches und schiehtweise Entfernung des Knochens mit einem Hohlmeissel; die dabei auftreterde Blutung scheint öfters Schwierigkeiten bereitet zu haben. Nach Entfernung des Knochens wurde die Hypophyse mit dem Thermokauter oder mittels Chrom- säure zerstört. Die Knochenwunde wurde mittels Zement oder mittels eines in Mastixlösung getauchten Wattepfropfens verschlossen und der weiche Gaumen wieder vernäht. Die Tiere mit unvollständiger Entfernung der Hypophyse blieben zum Teil lange Zeit am Leben. Die Tiere mit annähernd voll- ständiger Zerstörung der Drüse eingen in den ersten Stunden oder Tagen unter einem charakteristischen Symptomenkomplex zugrunde. Man konnte folgendes Verhalten an den Tieren beobachten: Psy- chische Depression, Apathie, motorische Störungen, Dyspnöe, starker Abfall der Körpertemperatur, Muskelkrämpfe, fibrilläre Zuekungen, Polyurie, Polydipsie, Anorexie, rasche Abmagerung, Koma und Tod. Häufig wurde auch Einkrümmung des Rückens, schwankender Gang, Über die Funktion der Hypophyse. 9 tonische und klonische Krämpfe, ferner Erbrechen beobachtet. Solche Erscheinungen wurden in geringerem Grade überdies auch bei Tieren mit partieller Exstirpation beobachtet, hörten aber dann allmählich wieder auf. Von Tieren, bei welchen die Zerstörung der Hypophyse nicht gelang, gingen auch einige bald zugrunde, andere überlebten un- begrenzt lang. Dureh Injektion von Hypophysenextrakt bei operierten Tieren wollen die Autoren vorübergehende Besserung der geschilderten Krankheitserscheinungen bewirkt haben. Auf Grund ihrer Versuche kommen Vassale und Saecchi zu dem Schluss, dass die Hypophyse ein unbedingt lebenswichtiges Organ sei, dessen Zerstörung sicher zum Tode führe. Die dem Tode vorangehenden Erscheinungen fassten sie als Autointoxikationserscheinungen, ähnlich wie die nach der Schild- drüsenexstirpation sich zeigenden Symptome auf. Während also die Autoren den oben geschilderten von ihnen als Cachexia hypophysipriva bezeichneten Symptomenkomplex dem Hypophysenausfalle zur Last legen, müssen wir heute sagen, dass dieselben nur auf die Schädigung der Zwischenhirnbasis durch den Operationsinsult (Thermokauter, Chromsäure) zurückzuführen ist, da bei Schonung des Infundibulum und Tuber einereum und vollständiger Hypophysenexstirpation (eigene Versuche) diese Erscheinungen voll- kommen fehlen. Für die länger überlebenden Fälle muss man annehmen, dass die Schädigung der Hirnbasis erst später, vielleicht durch den Zug der sich ausbildenden Narbe an den lebenswichtigen Zentren des Hypothalamus erfolst. Die vorübergehende Wirkung von Hypophysenextraktinjektionen lässt sich am ehesten als stimulierende Wirkung auf das Herz er- klären, da ja einerseits Schädigung der Herztätigkeit dureh Alteration der Vagusbahnen im dritten Ventrikel eintritt und andererseits zu- mindest der Hinterlappenextrakt der Hypophyse als blutdrucksteigendes Mittel und Herzanaleptikum wirksam ist. Dass auch die Temperatur- senkung durch Hypophysenextrakt behoben wird, ist gleichfalls nicht zu verwundern, da ja alle Organextraktinjektionen mehr oder weniger Temperatursteigerung erzeugen. Nach dieser Methode ging noch eine Reihe anderer Autoren vor: 10 Bernhard Aschner: Gatta (1396) operierte an acht Katzen und bestätigte die Re- sultate von Vassale und Sacchi fast vollständig. Kreidl und Biedl unternahmen 1897 ebenfalls Versuche an Katzen und erklärten sich das rasche Zugrundegehen der Tiere aus den durch die Spaltung des weichen Gaumens bedingten Foleen. Biedl unternahm eine weitere Reihe solcher Versuche unter Anlegung einer temporären Tracheotomie und zog aus seinen Re- sultaten den Schluss, dass die Drüse nicht lebenswichtig sei. Pineles (1899) operierte ebenfalls an Katzen; seine Tiere starben bei annähernd vollständiger Exstirpation. v. Eiselsberg versuchte gleichfalls 1901 an neugeborenen Katzen die Hypophyse zu exstirpieren. Die Tiere lebten aber nicht lange genug, als dass trophische Störungen hätten beobachtet werden können. Verhältnismässig gute Erfolge hatten Friedmann und Mass 1900 und 1901 zu verzeichnen. Auch sie legten die Hypophyse vom Rachendach aus bloss, bedienten sich aber zur Beseitigung derselben nicht eines Thermokauters, sondern versuchten die Drüse mittels einer feinen Knopfsonde zu entfernen. Sie kamen zu dem Resultate, dass auch Tiere mit vollständiger Exstirpation der Hypophyse monatelang, und zwar ohne merkliche Folgeerscheinungen, am Leben bleiben können. Im Widerspruch zu Vassale und Sacchi behaupten die genannten Autoren, dass die Hypophyse kein lebenswichtiges Organ sei, und dass ihr Ausfall gar keine Erscheinungen hervorrufe. Caselli ging auf zweierlei Weise an die Lösung des Problems: 1. auf intrakraniellem Wege, indem er nach Resektion des Arcus zygomatieus und des Processus coronoideus die Fossa spheno- palatina trepanierte; dann wurde die Dura gespalten, der Schläfe- lappen des Gehirnes abgehoben und die Hypophyse mit einem spitzen Instrument entfernt. Die meisten der auf diese Weise operierten Katzen und Hunde gingen an Shock, Blutung und Infektion rasch zugrunde, so dass Caselli diese Methode bald verliess und in ähnlicher Weise wie Vassale und Sacchi auf buccalem Wege operierte. Er bediente sich dabei zur Blutstillung einer heissen Gelatine- lösung und entfernte die Hypophyse nach Spaltung der Dura mit zwei Löffelpinzetten. Die Knochenlücke wurde am Schlusse der Operation mit Jodoformparaffın verschlossen. Über die Funktion der Hypophyse. 11 Die Resultate waren aber keine ermunternden, die meisten Tiere gingen an Meningitis bald zugrunde. Caselli kam deshalb zu dem Schlusse, dass die Hypophyse ein Organ von grosser Lebens- wichtigkeit sei. Aus der Tatsache, dass er bei zwei jungen Hunden nach partieller Exstirpation der Hypophyse Zurückbleiben im Körpergewicht gegenüber den nicht operierten Kontrolltieren beobachtete (vgl. Fichera), schliesst er, dass der Hypophysendefekt eine Wachstums- verzögerung macht. Den Mechanismus der letzteren erklärt er sich so, dass die Hypophyse dureh ihre innere Sekretion und ihre Be- ziehungen zum Zentralnervensystem die toxischen Substanzen in der Zirkulation, durch deren Anhäufung Wachstumsstörungen entstehen, beseitige. Bei Abwesenheit der Hypophyse sollte infolgedessen Kachexie und Wachstumshemmung entstehen. Auch dieser Methode haftet der Mangel an, dass Verletzungen der Zwischenhirnbasis die Regel sind, und dass die Versorgung der Wunde mittels der Jodoformknochenplombe keinen dauernden Schutz gegen Infektion des Gehirnes gewährt. Caselli konstatierte ferner, dass Injektionen von Hypophysen- extrakt (wässerige und glycerinöse Auszüge von Rinderhypophysen) das Wachstum jugendlicher Tiere niemals im positiven Sinne, sondern eher im negativen Sinne beeinflussen, eine Tatsache, die weiter nicht zu verwundern ist, da fortgesetzte parenterale Einverleibung art- fremden Eiweisses immer mit Schädigung des Organismus verbunden sein muss. Von grösserem Interesse ist die genaue Beschreibung der von Caselli auf den totalen Hypophysendefekt bezogenen, in Wirklich- keit aber als Hirnverletzung zu deutenden Symptome, von denen wir besonders auf die Verlangsamung der Atmung, die Beschleunigung des Pulses, sowie in einem Versuche auch auf die vorübergehende Glykosurie aufmerksam machen möchten. Nach der buccalen Methode von Vassale und Sacchi ging auch Dallavedova vor und operierte unter Verbesserung der Operationstechnik 25 Hunde. Von diesen überlebten nur vier einige Wochen lang die Operation; aber es fanden sich bei diesen vier Fällen gelegentlich der Obduktion beträchtliche Drüsenreste vor. Bemerkenswert ist an Dallavedova’s Versuchen immerhin, dass offenbar infolge seines schonenden Vor- gehens bei der Exstirpation in der Regel keines der von Vassale 12 Bernhard Aschner: und Sacchi beschriebenen „hypophysipriven“ Symptome beobachtet werden konnte. Auffallende Wachstumsstörungen konnte Dallavedova aller- dings an den überlebenden Tieren nicht nachweisen, da die Beobach- tungsdauer zu kurz war und keine Kontrolltiere von gleichem Wurfe zur Verfügung standen. Lomonaco und Van Rynberk zerstörten die Hypophyse auf transzerebralem Wege, indem sie bei Katzen und Hunden auf der Scheitelhöhe eine Trepanationsöffnung anleeten, neben dem Sinus longitudinalis die Dura spalteten und in dieses Loch längs der Falx cerebri ein Instrument einstiessen, welches nach Durchbohrung des Balkens und des Infundibulums den Inhalt der Sella tureica zer- stören sollte. Die Tiere gingen teils an schweren Blutungen und Neben- verletzungen zugrunde, teils lebten sie nicht genügend lang, waren vielleicht auch nicht jung genug, als dass dauernde Veränderungen im Gefolge der Operation beobachtet werden konnten. Vorüber- gehend zeigte ein Teil der Tiere die von früheren Autoren als Cachexia hypophysipriva beschriebenen Symptome, und zwar auch solche Tiere, wo die Hypophyse ganz intakt war (Hirnverletzung). Andererseits beobachteten die genannten Autoren Tiere mit kompletter Zerstörung der Hypophyse ohne jedes charakteristische Symptom; es war offenbar in diesen Fällen die Hypophyse mit Um- sehung der lebenswichtigen Zwischenhirnpartien zerstört worden. Trotzdem liegt es auf der Hand, dass diese Art der Versuchs- . anordnung wegen der Unsicherheit des Erfolges und der unver- meidlichen Zerstörung anderer wichtiger Gehirnabschnitte keine günstige war. Nach der intrakraniellen Methode Caselli’s ging auch Pirrone vor. Es stellten sich während der Operation eine Reihe von Schwierig- keiten ein, wie Kollision mit den Nervi trigeminus und oculomotorius, sowie mit der Carotis. Die Beleuchtung der tiefgelegenen Sella tureica, die Blutung aus dem Knochen und die nach der Operation oft resultierende Hernia cerebri stellten weitere erhebliche Nachteile dieses Verfahrens dar. Die Wunde musste tamponiert bleiben, erst nach 12—24 Stunden konnte die Tamponade entfernt, und die Naht der Weichteile gemacht werden. Die Tiere bekamen einen umfangreichen Verband und Über die Funktion der Hypophyse. 13 mussten in den ersten Tagen mit dem Löffel oder der Schlundsonde ernährt werden. Die auf diese Weise operierten Hunde überlebten zum Teil die partielle Exstirpation. Die Tiere mit totaler Entfernung der Hypo- physe gingen unter den schon von Vassale und Sacchi be- schriebenen Symptomen zugrunde (Hirnverletzung). Pirrone unternahm auch elektrische Reizungen der Hypophyse und fand Pulsverlangsamung mit Beschleunigung der Atmung. Fr bezog diese Erscheinungen ebenso wie v. Cyon auf Erregung der Hypophyse selbst, während wir jetzt wissen, dass nicht die Hypo- physe selbst, sondern das Tuber einereum für den elektrischen Strom erregbar ist, und nur durch Übergang von Stromschleifen durch die Hypophyse hindurch auf die Hirnbahnen eine Erregbarkeit der Hypo- physe vorgetäuscht wurde. Pirrone schliesst aus seinen Versuchen, dass die Totalexstirpation der Hypopbyse unbedingt zum Tode führt, dass aber nicht alle auf die Hypophysenexstirpation sich einstellenden Symptome auf Rechnung des Hypophysenausfalles zu setzen sind, sondern durch das Operations- trauma (Hirnschädigung) hervorgerufen werden. Eine der eingehendsten Arbeiten über diesen Gegenstand wurde 1908 von Paulesco veröffentlicht. Auch er versuchte es zuerst mit der von Vassale-Sacehi und Caselli ausgearbeiteten buccalen Methode. Er verwirft sie aber wegen folgender Mängel: 1. Der Zugang durch die Mundhöhle führt nach seiner Ansicht unbedinet zur Infektion des Gehirnes. 2. Die Drüse sollte auf diesem Wege nicht genügend freigelegt und deshalb niemals vollständig exstirpiert werden können. 3. Die Zerstörung der Drüsen mit dem Thermokauter oder mittels ätzender Flüssigkeit verwirft er mit Recht. Die transzerebrale Methode (Lomonaco und Van Rynberk) mit Zerstörung des Balkens ist, abgesehen von den Nebenverletzungen und der Blutungssefahr, schon deshalb nicht zu akzeptieren, weil die Drüse bei der Operation nicht sichtbar wird, und demgemäss von einer isolierten Exstirpation des Vorder- und Hinterlappens der Hypophyse keine Rede sein kann. Er entschied sich daher für den Zugang von der Schläfen- grube aus, indem er auf beiden Seiten des Schädels nach Durch- trennung und Ablösung des Musculus temporalis seiner oberen 14 Bernhard Aschner: Insertion den Arcus zygomatieus resezierte und beiderseits eine 3—4 cm im Durchmesser betragende Knochenlücke anlegte. Nach Inzision der Dura wurde der Schläfelappen von der Basis ab- gehoben, wobei oft der Nervus oculomotorius abgerissen werden musste. Die Hypophyse wurde hierauf entweder im ganzen oder in ihren einzelnen Teilen mit einer Kurette entfernt. Nach Versorgung der Wunde wurde ein Verband über den Kopf angelest, welcher 10—15 Tage lang getragen werden musste. Um sich von der Einwirkung dieses zweifellos schweren opera- tiven Eingriffes auf das Gesamtbefinden der Tiere zu überzeugen, machte Paulesco zuerst drei Vorversuche, in welchen die ganze Operation ausgeführt wurde, ohne aber die Hypophyse zu exstirpieren. Einer von diesen drei Hunden starb nach 2 Monaten aus unbekannter Ursache, ohne jeden positiven Befund (offenbar Herztod durch Narben- zug am Infundibulum oder durch die Hirndislokation bedingte trophische Störungen). Paulesco führte nun totale, fast totale und partielle Fx- stirpationen der Hypophyse aus. Die totale Hypophysenexstirpation wurde an 22 Hunden und 2 Katzen gemacht. Sämtliche Tiere gingen unter Adynamie, Tem- peraturabfall und Somnolenz rasch zugrunde; keines derselben lebte länger als 48 Stunden. Bei der Obduktion der Tiere fand sich regelmässig der Hypo- physenstiel hoch oben durchtrennt, der Boden des dritten Ventrikels war mehr oder weniger weit eröffnet, und das Loch mit einem Blut- gerinnsel ausgefüllt. Die mikroskopische Untersuchung ergab auch dabei oft, dass rings um das Infundibulum herum noch geringe Reste von Hypophysengewebe (Pars intermedia) erhalten war. Das Infundibulum selbst war meistens gerötet, ödematös, die Kapillaren desselben waren hyperämisch, die Wand des dritten Ventrikels von interstitiellen Hämorrhagien durchsetzt; der Harn zeigte gelegentlich Reduktion. Paulesco zieht nun aus seinen Totalexstirpationen folgende Schlüsse: 1. Die totale Hypophysenexstirpation zieht in kurzer Zeit den Tod nach sich. 2. Die mittlere Lebensdauer beim Hunde ist 24 Stunden; wenn sie länger ist, sind grössere Hypophysentrümmer noch am Platze geblieben. Über die Funktion der Hypophyse. 15 3. Spezifische Symptome, wie Vassale und Sacchi sie beschrieben haben, konnte er bei dieser Versuchsreihe nicht beob- achten. Dazu ist zu bemerken: Paulesco behauptet, mit seiner Methode die Hypophyse wirklich vollständig entfernen zu können; er fand aber bei der Obduktion seiner an Totalexstirpation operierten Tiere fast immer Reste von Drüsensubstanz vor, so dass von einer Total- exstirpation auch hier nicht gesprochen werden kann. Fr ist ferner der Meinung, dass geringe Reste von Hypophysensubstanz die Tiere am Leben erhalten können, muss aber andererseits doch zugeben, dass viele Tiere trotz soleher Reste zugrunde gingen. Schuld am Misslingen ist, wie in den früheren Versuchen so auch hier, die Art der Lostrennung der Hypophyse von ihrem Auf- hängepunkt, ohne Rücksichtnahme auf die Verletzung der Hirnbasis, In einem Falle, wo der halbe Nervenlappen zurückgeblieben ist, daher auch das Infundibulum tiefer getroffen war, ist auch der Tod des Tieres bedeutend später erfolgt. Es geht ferner aus dieser Ver- suchsreihe hervor, dass je weiter gehirnwärts der Boden des dritten Ventrikels durchtrennt wurde, desto früher die Tiere zugrunde gehen. Die zweite Versuchsreihe Paulesco’s betrifft 15 Versuche mit fast totaler Exstirpation, wonach die Tiere teils monatelang über- lebten, teils unter ähnlichen Symptomen wie die Tiere mit Total- exstirpation (Adynamie, Krämpfe usw.) zugrunde gingen. Paulesco schreibt das Überleben der Tiere dem Vorhanden- sein von mehr oder minder bedeutenden Hypophysenresten zu. Bei kritischer Betrachtung dieser Versuchsreihe ergibt sich aber eben- falls, dass die Tiere um so eher zugrunde gehen, je höher das In- fundibulum abgetrennt ist, ohne Rücksicht auf die grössere oder geringere Masse von zurückbleibender Hypophysensubstanz. Auffallende dauernde funktionelle Störungen konnte Paulesco nicht beobachten. Unseres Erachtens deshalb, weil die Versuchs- tiere schon erwachsen waren und auffallende trophische Störungen sich nach unseren Versuchen nur in den ersten Lebensmonaten er- zielen lassen. Bei den nach Wochen und Monaten unter Krämpfen und Lähmungen verendeten Tieren fand sich regelmässig ein von der Sella tureica auf den dritten Ventrikel übergreifendes Narbengewebe, welches offenbar durch Zug (infolge Schrumpfung oder Wachstums- verschiebung) an den lebenswichtigen Zentren den Tod herbei- geführt hat. 16 Bernhard Aschner: Nach teilweiser Zerstörung des Vorderlappens, welche mit dem Thermokauter ausgeführt wurde, gingen viele Tiere unter Konvulsionen und Lähmungen in kurzer Zeit zugrunde. Andere Versuchstiere überlebten den Eingriff unbegrenzt lang; trophische Störungen wurden auch hier nieht beobachtet. Vorübergehend stellten sich auch bei den überlebenden Tieren Konvulsionen, Unregelmässigkeiten in Puls und Respiration, Mattigkeit, Apathie und ähnliche Symptome ein. Die totale Exstirpation des Vorderlappens gelang Paulesco mittelst der Kurette nicht, ohne dabei gleichzeitig den Nervenlappen abzureissen. Er begnügte sich deshalb damit, den Vorderlappen von beiden Seiten her mit dem Thermokauter zu bestreichen; dabei blieb das vordere Ende des Vorderlappens intakt (7 Versuche). Da auch hier die Tiere bei annähernd vollständiger Zerstörung des Drüsenlappens rasch zugrunde gingen, schliesst er daraus, dass dieser Eingriff der totalen Exstirpation der Drüse gleichkomme. Paulesco übersieht auch hier, dass die unvermeidliche Ver- sengung des Tuber cinereum oder zumindest das Übergreifen der reaktiven Entzündung von der Hypophyse auf die Hirnbasis offen- bar den letalen Ausgang herbeiführt. Der Hypophysenstiel wurde dabei tatsächlich auch verkohlt vorgefunden, was sehr gegen den Wert dieser Versuche spricht. Auch mikroskopisch fand Paulesco, dass die Hirnbasis selbst verbrannt und erweicht war. Ein einziges Tier, bei welchem dieser Eingriff gelang, ohne die Hirnbasis zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen, lebte 6 Monate und zeigte vermehrten Fettansatz, soll aber dabei an Gewicht nicht zu- genommen haben. Der vordere Anteil des Drüsenlappens war dabei erhalten geblieben. Es verlief also auch diese Versuchsreihe resultatlos, indem die Tiere bei starker Zerstörung des Vorderlappens an der gleichzeitigen Hirnverletzung zugrunde gingen, bei schwacher Zerstörung des Vorder- lappens aber (wie in meinen eigenen Versuchen) überhaupt keine sichtbaren Störungen erlitten. Totale Exstirpation des Nervenlappens (5 Versuche) ruft nach Paulesco vorübergehende nervöse Erscheinungen hervor (Paresen, Lähmungen, Konvulsionen, Schreien der Tiere, Abmagerung, Som- nolenz), die aber meiner Meinung nach alle auf Hirnverletzung zurück- zuführen sind. Der Eingriff beeinträchtigt aber die Fortdauer des Lebens auch nach Paulesco’s Erfahrungen nicht. Über die Funktion der Hypophyse. 7 Ein Versuch, die den Nervenlappen bekleidende intermediäre Epithelschicht isoliert abzutragen, misslang. Die von uns im Vorangehenden erhobenen Einwände gegen die Schlussfolgerungen Paulesco’s machte sich dieser Autor zum Teile selbst und suchte sie auch durch eine Reihe von Kontroliversuchen zu entkräften. Von diesen Kontrollversuchen können wir die Ausführung der ganzen Operation mit Intaktlassung der Hypophyse und die alleinige Lostrennung der Hypophyse von der Sella tureica als belanglos be- zeichnen, weil sie den springenden Punkt, die Verletzung des dritten Ventrikels, nicht tangieren. Ganz misslungen ist aber Paulesco’s Versuch, die alleinige Eröffnung des dritten Ventrikels mit Intaktlassung der Hypophyse als unschädlich hinzustellen. In einem solchen von ihm angeführten Fall (p. 111) stirbt das Tier am 5. Tage unter Konvulsionen und Koma. In einem zweiten Falle lebt das Tier zwar 2 Monate lang, geht aber schliesslich ebenfalls an schweren Krämpfen, Lähmungen, starkem Schreien und Temperaturabfall zugrunde. (Narbenzug an der Hirnbasis).. Drei weitere nicht genauer angeführte Kontroll- versuche sollen die Tiere überlebt haben; es kann sich aber dabei nur um geringe, den Ventrikel nicht breit eröffnende Verletzungen gehandelt haben. Es geht durchaus nicht an, aus diesen Versuchen zu schliessen, dass die Eröffnung des dritten Ventrikels bei der Hypophysenexstir- pation nicht den Tod der Tiere herbeiführt. Geringe Grade von Verletzung des dritten Ventrikels dürften wohl, wenn auch unter Auftreten nervöser Erscheinungen, überwunden werden; ausgedehntere Zerstörungen, wie sie bei querer Durchtrennung des Tuber einereum infolge undelikater Ausführung der Hypophysenexstirpation zustande kommen, müssen nach unseren Erfahrungen früher oder später zum Tode führen. Dem entsprechen auch diejenigen Versuche Paules- co’s selbst, in welchen er den Einfluss der Abtrennung der Hypo- physe von der Hirnbasis mittels Kurette oder Thermokauter unter- . sucht. Bei allen diesen Versuchen starben die Tiere in längstens 24 Stunden nach der Operation, und Pauleseco hat auch a priori angenommen, dass dieser Eingriff der totalen Exstirpation der Hypo- physe gleichkomme. In unserem Sinne betrachtet, besteht das Wesentliche dieses Eingriffes in der breiten Eröffnung des dritten Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 2 18 Bernhard Aschner: Ventrikels, wie sie allerdings auch bei Paulesco’s Totalexstirpationen immer zustande kommt. Endlich erzeugte Paulesco an der Hirnbasis in der Umgebung der Hypophyse mehrfache Verletzungen, ohne aber den wesentlichen Teil dieser Region, den dritten Ventrikel, zu schädigen. Es sind also auch diese Versuche für den zu erbringenden Beweis, dass die Schädigung des Tuber einereum belanglos sei, unzweckmässig gewählt. Paulesco gelangt auf Grund aller seiner Versuche zu folgen- dem Resumee: | 1. Die totale Hypophysenexstirpation hat in kurzer Zeit den Tod des Tieres zur Folge. Die mittlere Lebensdauer ist 24 Stunden. 2. Wenn die Tiere die Operation längere Zeit überleben, so handelt es sich um partielle oder fast totale Hypophysenexstirpation. 3. Der Ausfall der Hypophyse nach der partiellen oder fast totalen Exstirpation hat keine charakteristischen Symptome zur Folge; auch bei längerem Ueberleben hat Paulesco in seinen Versuchen keine trophischen Störungen beobachtet. 4, Die vollständige Abtragung des Vorderlappens kommt der totalen Hypophysenexstirpation gleich. 5. Die Entfernung des Nervenlappens macht keine Störungen. 6. Die Abtrennung der Hypophyse von der Hirnbasis ist tödlich. 7. Daraus wird gefolgert, dass die Hypophyse ein zum Leben unentbehrliches Organ ist, dessen Entfernung rasch zum Tode führt. Von seinen Teilen ist der Drüsenlappen der funktionell wichtige Anteil. Paulesco kommt also in seiner Arbeit fast ausschliesslich nur zu negativen Ergebnissen. Auch hier ist die nicht ganz zulängliche Methodik, sowie der Umstand schuld, dass seine überlebenden Ver- suchstiere schon zu erwachsen waren, um noch deutliche Wachstums- störungen zeigen zu können. Die vollständige Exstirpation gelang ihm nicht, weil er immer den dritten Ventrikel weit eröffnete, und nicht diesen Umstand, sondern den Hypophysenausfall für den Tod der Tiere verantwortlich machte. Seine Kontrollversuche sind nicht im- stande, diese Einwände zu entkräften. Ende September 1909) berichtete Cushing auf dem inter- nationalen Kongress in Budapest über partielle Exstirpationen der Hypophyse an Hunden, bei denen er auffallende trophische I\ Die frühere Mitteilung vom Mai 1909 siehe Literaturverzeichnis. Über die Funktion der Hypophyse. 19 Störungen beobachtet haben wollte. Er bediente sich dabei einer ähnlichen Operationsmethode wie Paulesco, gibt aber in seinen beiden ersten Mitteilungen keine genaueren Details seiner Versuchs- anordnung, auch nicht viel über das Alter und die Lebensdauer der von ihm operierten Tiere an. Doch ist aus dieser ersten Versuchs- reihe zu entnehmen, dass nach Exstirpation eines Teiles des Vorder- lappens bei Hunden Fettansatz und „Atrophie“ des Genitales resultieren soll. Die Exstirpation des ganzen Vorderlappens und der ganzen Hypophyse hält er für tödlich, und erklärt deshalb die Hypophyse für ein absolut lebenswichtiges Organ. In seiner letzten ausführlichen, mit zahlreichen Versuchs- protokollen ausgestatteten Arbeit vom Mai 1910 berichtet Cushing über 100 Versuche, bei welchen esihm nurin5 Fällen (!) gelunrgenist,trophische Störungen zu erzeugen und auch da, wie bald gezeigt werden soll, in durchaus nieht einwandfreier und charakteristischer Weise. Von den fünf gelungenen Versuchen betrifft nur einer ein junges Tier (ohne nähere Altersangabe). Die anderen vier gelungenen Ver- suche betrafen erwachsene Hunde. DerjungeHundüberlebte diepartielleHypophysen- exstirpation nur 2 Monate. Von trophischen Störungen wird dabei nur Kleinbleiben der Hoden gegenüber einem Kontrolltiere gleichen Alters (von gleichem Wurfe?) erwähnt. Die übrigen Organe werden als normal beschrieben. Auch für die drei erwachsenen Tiere Cushings gelten ähnliche Einwände. Sein Hund Nr. 34, ein erwachsenes Weibchen (ohne nähere Altersangabe) wird 6 Monate nach der partiellen Hypophysenexstir- pation getötet und hat in dieser Zeit 10 Pfund an Gewicht zuge- nommen. Brünstig war das Tier während dieser Zeit nicht; ausser- dem wird noch Fettsucht, fettige Degeneration der inneren Organe und Herabsetzung der Körpertemperatur vermerkt, sonst werden keine auffallenden trophischen Störungen angegeben; auch die Ovarien werden als „normal entwickelt“ beschrieben. Der erwachsene männliche Hund Nr. 54 zeigt bloss Fettsucht. Hund Nr. 55, ein erwachsenes Männchen, zeigt neben Fettsucht eine hochgradige Atrophie der Hoden, wie ich eine solche in meinen eigenen Versuchen niemals nach blosser Hypophysenexstir- pation, sondern nur nach schwerer Hirnschädigung oder schwerer I# 20 | Bernhard Aschner: allgemeiner Kachexie beobachten konnte. Auch der von Cushing angegebene mikroskopische Befund, betreffend das vollkommene Fehlen spermatogenetischer Zellelemente, widerspricht meinen Resul- taten nach einfacher Totalexstirpation der Hypophyse. Cushing bildet das äussere Genitale dieses Hundes ab und stellt zum Ver- gleich daneben die Abbildung eines Kontrolltieres auf, welches aber nicht von gleichem Wurfe stammt. Hund 98, Weibchen, von Cushing als erwachsen bezeichnet, muss gleichfalls entweder als nicht ausgewachsenes Tier betrachtet werden, sonst könnte man sich die Gewichtszunahme von 13'/a bis 24"/e Pfund in 9 Monaten nach der partiellen Exstirpation der Hypo- physe und die infantile Beschaffenheit von Uterus und Ovarien nicht erklären; es sei denn, dass auch hier die sekundäre Atrophie des Genitales ebenso wie die Fettsucht auf Hirnschädigung zurück- zuführen ist, für den Fall, als das Tier tatsächlich zur Zeit der Operation schon erwachsen war. Genauere histologische Details über die Beschaffenheit der Ovarien in diesem Falle fehlen; „ovaries underdevelopped“ ist alles, was darüber angegeben wird. Cushing gibt an, dass auf subkutane und intravenöse In- jektionen einer Emulsion von Rinderhypophysenextrakt Temperatur- steigerung bei hypopbysipriven Tieren auftritt, — eine Reaktion, die angeblich bei normalen Tieren ausbleiben soll, und die Cushing deshalb als charakteristisch für Tiere mit Hypophysendefekt ansieht. - Bekanntlich erzeust jedoch artfremdes Eiweiss, parenteral in den Organismus gebracht, auch bei normalen Tieren Fieber; um so mehr wird dies bei einem Organismus der Fall sein, dessen Abwehr- vorrichtungen durch Alteration der Blutdrüsen geschädigt sind. Fett- infiltration, fettige Degeneration und Nekrose der Leber im Gefolge dieser Injektionen werden häufig konfundiert. Der ausschlaggebendste Fehler ist aber wie bei vielen früheren Arbeiten so auch hier die Verkennung des Einflusses der zerebralen Schädigung. Dass die Operationsmethode Cushing’s gewiss keine empfehlens- werte sein kann, geht schon daraus hervor, dass es ihm unter hundert Fällen nur fünfmal gelungen ist, trophische Störungen zu erzeugen. Das einzige jugendliche Tier, an welchem man die trophischen Störungen bei weiterer Beobachtung am besten hätte sehen können, ist schon nach 2 Monaten zugrunde gegangen. Cushing’s Angabe, dass die Hunde nach Exstirpation des Hinterlappens allein keine trophischen Störungen, wohl aber in einigen Über die Funktion der Hypophyse. 3 Fällen erhöhte Reizbarkeit in allgemeiner und insbesondere in sexueller Beziehung („erotomania“) zeigen, möchte ich, da sie bei schonender Exstirpation des Hinterlappens in eigenen Versuchen niemals be- obachtet werden konnte, auf die Schädigung der Hirnzentren beziehen. Das auch in dieser Publikation Cushing’s beibehaltene Resumee, dass die Hypophyse ein absolut lebenswichtiges Organ darstelle, erscheint durch die zitierte Arbeit wohl nicht völlig eindeutig be- wiesen. In Biedl’s Handbuch der inneren Sekretion, 1910, werden Versuche von Bied]l und Silbermark erwähnt, in welchen die Autoren sich ganz den Ausführungen Cushing’s anschliessen; da auch sie nach Cushing’s Operationsmethode vorgingen, dürfte der tödliche Ausgang der Totalexstirpation der Methodik zur Last fallen. Von trophischen Störungen erwähnt Biedl Anhäufung von Fett im Abdomen und Genitalatrophie bei einer dreijährigen Hündin, deren Genitale infolge der partiellen Hypophysenexstirpation „denselben Aspekt ge- boten hat, wie das eines wenige Wochen alten Tieres“. Da ich in meinen eigenen Versuchen bei erwachsenen Tieren nach unkomplizierter totaler Hypophysenexstirpation niemals eine auch nur annähernd so starke Atrophie des gesamten Genitales beobachten konnte, so könnte in dem Versuch Biedl’s die Genital- atrophie sekundär durch Hirnläsion verursacht sein. Mit einer Verbesserung der Cushing’schen Methodik soll es 1910 Leiscehner und Denk gelungen sein, totale Exstirpationen der Hypophyse unter Ausbildung von trophischen Störungen aus- zuführen. Ein näherer Bericht über diese Versuche liegt noch nicht vor’). II. Eigene Exstirpationsversuche. A. Methodik der Versuche. Vollständig unabhängig von den Arbeiten Cushing’s konnte ich bald nach der ersten Mitteilung des genannten Autors am 3. Dezember 1909 dauernde Folgeerscheinungen nach totaler Hypo- 1) Nach Abschluss der vorliegenden Arbeit erschienen noch die Publikationen von Ascoli und Legnani, Münchener med. Wochenschr. 1912. Horsley und Handelsmann, ibid. 29 Bernhard Aschner: physenexstirpation an jungen Hunden mit Beibringung von Kontroll- tieren gleichen Wurfes demonstrieren. Meine Versuche waren damals schon fast 1 Jahr lang im Gange. Die operierten Hunde zeigten in ganz unzweideutiger Weise voll- ständige Wachstumshemmung mit Offenbleiben der Epiphysenfugen, Persistenz des Milchgebisses und der kindlichen Lanugobehaarung, Verfettung der Haut und der inneren Organe, Infantilismus des Genitaies, Herabsetzung der Körpertemperatur und charakteristische Stoffwechselstörungen. Von einer Kachexie konnte bei den gelungenen Versuchen nicht gesprochen werden. Der Plan der Versuche war, die zahlreichen Widersprüche, die sich in bezug auf die Lebenswichtigkeit der Hypophyse in den Arbeiten der früheren Autoren vorfinden, vor allem einer Klärung zuzuführen ; ferner an Tieren gleichen Wurfes zu beobachten, ob nach Ex- stirpation der Hypophyse, besonders im frühesten Lebensalter, sich Störungen ähnlich wie bei den Hypophysenerkrankungen des Menschen nachweisen lassen. Soviel war mir gleich von vornherein klar, dass die meisten Misserfolge früherer Autoren auf einer ungenügenden Technik be- ruhten. Von den zwei hauptsächlich betretenen Zugangswegen, dem intrakraniellen und dem buecalen, erschien mir letzterer einfacher, schonender und deshalb aussichtsreicher. Bei dem Zugang, wie ihn Paulesco, Cushing, später Biedl-Silbermark, Leischner-Denk wählten, ist der Eingriff der Trepanation mit Verdrängung beider Hirnhemisphären, mit den bleibenden Knochenlücken im Schädeldach, die Schädigung der Kau- muskeln und ihrer Ansatzpunkte, ein grosser Übelstand. Noch mehr aber muss es als unzweckmässig erscheinen, wenn man, um zum tiefsten Punkte der Schädelbasis, der Sella tureica, zu gelangen, erst das ganze in der mittleren Schädelgruppe liegende Gehirn abhebeln muss. Schwere Schädigung der Nerven, der Gefässe und des Ge- hirnes sind trotz grosser Vorsicht dabei oft kaum zu vermeiden (das Gehirn muss dabei durch die auf der Gegenseite angelegte Trepanationsöffnung ausweichen), schwächen die Widerstandskraft der Tiere und beeinträchtigen durch allerlei akute und chronische Nebensymptome die Reinheit und damit den Erfolg der Versuche. Dagegen erschien es mir aussichtsreich, die von Horsley, v. Eiselsberg, Friedmann und Mass, Vassale und Sacchi, Caselli u. a. benutzte buccale Methode, bei welcher das übrige Über die Funktion der Hypophyse. 233 Gehirn ganz unangetastet bleibt, auszugestalten. Ich schlug dabei folgende Technik ein. | Der mit Morphin und Chloroformäthermischung narkotisierte Hund wird in Rückenlage mit herabhängendem Kopf gebracht, das Maul wird mittels eines Mundsperrers (Uranoschismaspeculum nach Lane) möglichst weit geöffnet und die Narkose fortan durch ein Chloroformgebläse besorgt. Der Narkotiseur fixiert mit einer Hand den Kopf; weitere Assistenz ist nicht erforderlich. Die Zunge wird an einen Faden angeschlungen und möglichst weit vorgezogen. Nach trockenem Auswischen der Mundhöhle werden die vorderen zwei Drittel des weichen Gaumens median ge- spalten, die beiden Hälften des weichen Gaumens mittels Fäden seitlich abgezogen, worauf man das gesamte Rachendach überblicken kann (Fig. 1). Letzteres wird ebenfalls trocken ausgewischt, in die Choanen wird von rückwärts her ein an einem Faden befestister kleiner Tampon zum Schutze der Nasenhöhle eingeführt. Man sieht und tastet nun beiderseits den Processus pterygoideus, schneidet die Schleimhaut des Rachendaches ca. ?/ı cm vor und hinter ihm ein und verbindet am Seitenrande die beiden Schnitte miteinander. Das rechteckige Schleimhautstück wird dann mit dem Raspatorium so weit zurückgeschoben, bis man die vordere und hintere Grenze des Keil- beines als zwei bläulichweisse Knorpelfugen erkennen kann (Fig. 1). Nun wird der Raum zwischen beiden Keilbeingrenzen mittels Hammer und Meissel in seiner oberflächlichen Schichte (Lamina ex- terna) in feinste Vierecke zerlegt (Fig. 2). Die so aufgelockerte Lamina externa wird mit dem scharfen Löffel entfernt, so dass nun die blutrote Spongiosa zutage liegt (Fig. 3). Die Spongiosa wird hierauf mit dem scharfen Löffel so weit ausgekratzt, bis die weisse Lamina interna des Keilbeines freiliegt; der Hurd kat bekanntlich keine Keilbeinhöhle, sondern ein massives Os sphenoidale. Die dabei auftretenden Blutungen lassen sich leicht durch Tamponade stillen. Stärkere Blutungen, die pur aus den seitlichen Rändern vorkommen, stehen sofert durch Verklebung der blutenden Stellen mit heissem Guttapercha. Ist die Lamina interna des Keilbeines vollkommen freipräpariert (Fig. 4), so bemerkt man in der Mitte derselben eine lichte Er- höhung, die durchschimmernde Hypophyse (Hypophysenwulst), an 94 Bernhard Aschner: den vier Rändern eine dunkle Umrandung, die durchschimmernden venösen Sinusse der Sella tureica. Fig. 2. ig. 8. Fig. 4. Ist man so weit gekommen, so wird die jetzt entstandene Knochenhöhle vorsichtig mit Alkohol ausgetupft und von nun an be- w Über die Funktion der Hypophyse. 25 sonders sorgfältig darauf geachtet, dass die eingeführten Instrumente nirgends in der Mundhöhle anstreifen, um jede Infektionsmöglichkeit zu vermeiden !). In der Mitte der lichten Vorwölbung der Lamina externa (Hypo- physenwulst) wird mittels der Meisselspitze ein kleines Loch an- gebracht (Fig. 5), wodurch die weisse Dura mater zum Vorschein kommt. Von diesem Loch aus wird mittels eines sehr feinen scharfen Löffels die papierdünne Lamina interna nach Art einer Eierschale _ 5:$pR.P. . SWL. POSL. _tub Typ. Br N ‚.sir.laz. Fig. 5. Fie. 6. Fig. 8. rings herum so weit abgetraeen, bis die venösen Sinusse hinten und an beiden Seiten deutlich blossgelegt sind. Am vorderen Ende kon- fluieren die Sinusse nicht, sondern lassen einen kleinen Zwischenraum frei, vor welchem das Chiasma liest. Nun wird wieder mit Alkohol ausgetupft und hierauf mit einem sehr spitzen Messer das zwischen den Sinussen gelegene Feld der Dura mater median gespalten, ohne die Sinusse zu verletzen. Es fliesst dabei Liquor cerebrospinalis aus, und der gelbrötliche Vorder- lappen der Hypophyse tritt aus der Duralöffnung hervor (Fig. 7). 1) Vor und nach diesem Zeitpunkte wurden übrigens desinfektionsbedürftige Instrumente einfach in eine bereitstehende Sublimatlösung getaucht, reine und durch die Mundhöhle verunreinigte Instrumente und Tupfer sorgfältig auseinander- gehalten (häufiger Wechsel der Verbandmaterialien und Sonderung von septischen und aseptischen Instrumenten auf zwei verschiedenen Tischchen). 26 Bernhard Aschner: Mit einer sehr feinen Knopfsonde wird die Hypophyse an den beiden seitlichen Rändern, dann an ihrem vorderen Ende vorsichtig unterminiert und dabei ihre häutigen Verbindungen mit der Sella tureica und der Hirnbasis gelöst. Besonders sorgfältig muss dies am vorderen Pol der Drüse als dem Ort der stärksten Anheftung vor- genommen werden (vel. Fig. 11 und 12). Dieser Akt ist der delikateste der ganzen Operation und darf nicht mit einem scharfen Instrument vorgenommen werden (scharfer Löffel Cusking’s!). Dann seht man mit der Sonde an das hintere Ende der Drüse und trachtet den kugeligen Hinterlappen, der durch seine weisse Farbe auffällt, herauszuluxieren (Fig. 8). In diesem Momente kann man momentanes Aussetzen der Atmung uud des Herzschlages konstatieren; die Tiere schreien auch dabei, wenn sie nicht zu tief narkotisiert sind. Es gelingt nun leicht, die ganze Hypophyse ausserhalb der Dura zu verlagern und abzutragen, worauf reichlich durch die nunmehr frei gewordene und ganz zu überblickende Sella tureica Liquor cerebrospinalis abströnt. Man sieht in der Tiefe den Hypophysenstiel, umgeben von einem winzig feinen Kranze, der die Abtragungsstelle der Hypophyse vom Infundibulum darstellt (Fig. 9). Der dritte Ventrikel wird dabei nicht oder nur unwesentlich eröffnet, so dass der abfliessende Liquor grösstenteils aus den Zisternen der Schädelbasis stammt. Manchmal blutet es beim Abtrennen des Hinterlappens von seiner Anheftungsstelle am hinteren Ende der Sella tureica, doch steht diese Blutung schon auf kurze Tamponade. Nun wird die Wundhöhle trocken ausgetupft und ein der Form derselben annähernd entsprechendes Stück einer erhitzten Guttapercha- masse (provisorische Plombe der Zahnärzte)!) in die Wundhöhle eingeführt, so dass die Knochenlücke damit vollkommen hermetisch abgeschlossen wird. Die Ränder der Plombe werden mit einem erhitzten Instrument geglättet, so dass die Plombe unbeweglich in der Knochenhöhle sitzt. Dann wird der Tampon aus den Choanen entfernt und die beiden durchschnittenen Hälften des Gaumensegels mittelst drei bis fünf exakter durchgreifender Seidennähte ver- einigt. 1) Die Guttaperchaplombe wurde nach den Angaben von Karplus und Spitzer (l. c.) verwendet. Über die Funktion der Hypophyse. 97 [= Die ganze Operation dauert in der Regel 1 Stunde. Die Hunde bekommen in den ersten 3 Tagen nur Milch, am dritten Tage werden die Nähte entfernt, und gewöhnlich ist die Gaumenwunde um diese Zeit schon vollkommen linear verklebt. Es gelingt auf diese Weise nicht nur, die ganze Hypophyse, sondern auch isoliert den Vorder- oder Hinterlappen der- selben zu exstirpieren. Bezüglich der genaueren #9PF Topographie der Hypo- physe vgl. Fig. 10—12. MR» - Te. a b Fig. 11. V.P. vorderer Pol, Stellean welcher dieHypophyse am stärksten an der Hirnbasis, Fig. 10. Normaler Situs der Hypophyse. und zwar direkt am Tuber Hyp. V. Vorderlappen der Hypophyse. cinereum, adhärent ist. V.L. T.c. Tuber cinereum. Vorderlappen. H.L. Hinter- lappen. Fig. 12. Fig. 13. P Pons. Genauere Topographie der Hypophyse, des Infundibulum und Tuber cinereum. Junge Hunde überstehen den Eingriff in der Regel leichter als erwachsene, was auch schon Cushing aufgefallen ist. Während er aber keine richtige Erklärung dafür zu geben vermag, sehen wir den Grund dieser Erscheinung darin, dass bei jungen Tieren wegen 38 Bernhard Aschner: ad der noch zarten Pia und Arachnoidea die Loslösung der häutigen Verbindung der Hypophyse von der Hirnbasis viel leichter und mit geringerer Schädigung der Zwischenhirnbasis erfolgen kann als bei älteren Tieren. Blutungen aus dem Sinus sind bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu vermeiden und können gegebenenfalls sehr oft durch winzige Stückchen heisser Guttapercha zum Stillstand gebracht werden. Nur die Verletzung des hinteren Sinus pflegt gewöhnlich tödlich zu endigen. Wird bei der Operation unvorsichtigerweise das Tuber einereum stärker verletzt (geringe Verletzungen werden nach fremden und eigenen Kontrollversuchen unter Auftreten von bestimmten nervösen Störungen oft überwunden), und der dritte Ventrikel in erheblicher Ausdehnung eröffnet, so werden die Tiere oft sofort, manchmal aber erst nach einigen Stunden komatös, der Puls wird enorm beschleunigt, die Atmung sehr langsam und tief; die Tiere sind, wenn man sie aufsetzt, nicht imstande, den Kopf aufrechtzuerhalten. Meist tritt in wenigen Stunden der Tod ein. Manchmal, wenn die Verletzung nur gering ist, oder wenn sich im Anschluss an die Operation eine aufsteigende Entzündung oder Nekrose des Tuber cinereum ent- wickelt, so gehen die Tiere langsam, erst innerhalb der nächsten 3—8 Tage, zugrunde unter Erscheinungen, die dem von den früheren Autoren beschriebenen als Cachexia hypophysipriva be- zeichneten Symptomenkomplex entsprechen (sehr starker Temperatur- abfall, Apathie, Anorexie, Polyurie, Glykosurie, Adynamie, Schreien der Tiere, tonische und klonische Zuckungen usw.). Tritt diese Verletzung der Hirnbasis aber nicht ein, so machen die Tiere schon nach Verheilung der Gaumenwunde den Eindruck vollkommensten Wohlbefindens; von einer Kachexie könnte man nur insofern sprechen, als die Hunde in den ersten 4—6 Wochen etwas abmagern. Dabei haben die Tiere von ihrer früheren Lebhaftigkeit noch nichts eingebüsst. Erst gegen Ende des zweiten Monates nach der Operation werden die Hunde zusehends stupider und fettleibiger, bleiben aber im Wachstum bei totaler Hypophysenexstirpation fast vollkommen stehen. Wenn die Gaumenwunde nicht exakt verheilt war, so können die Tiere nach Tagen oder Wochen an Schluckpneumonie zugrunde gehen. Am besten eignen sich zu diesen Versuchen Hunde im Alter von 4—10 Wochen. Bei noch jüngeren Hunden dürften sich Schwierigkeiten daraus ergeben, dass die Tiere um diese Zeit noch Über die Funktion der Hypophyse. 39 gesäugt werden müssen. Eines Versuches wäre dieses Unternehmen allerdings wert, weil die Tiere gleichzeitig an der Mutterbrust bleiben können. Wird die Operation nach dem Alter von 10 Wochen vorgenommen, so sind die Wachstumsstörungen keine so auffallenden mehr wie nach Operation in den ersten Lebenswochen. Erwachsene Hunde zeigen überhaupt äusserlich bis auf mässigen Fettansatz fast gar keine auffallenden Erscheinungen nach der Hypo- physenexstirpation; auch die inneren Organe werden wenig betroffen. Deshalb kann, wie schon oben erwähnt, Cushing entweder keine erwachsenen Tiere vor sich gehabt haben oder die hochgradige Fettsucht samt Genitalatrophie sind durch zerebrale Schädigungen hervorgerufen worden. Die Operation selbst gestaltet sich bei er- wachsenen Hunden mit ihren härteren Knochen naturgemäss schwieriger als bei jungen Hunden. Es wurden nach dieser Methode im ganzen 63 totale und 16 partielle Hypophysenexstirpationen an Hunden ausgeführt. 50 Hunde wurden zu den verschiedensten Kontrollversuchen ver- wendet. Die Versuche begannen im Dezember 1908 und wurden 1910 abgeschlossen. Vor der Besprechung der Versuche selbst wird es erforderlich sein, eine Erörterung der Begriffe der „physiologischen“ und der „histologischen Totalexstirpation“ der Hypophyse vorauszuschicken. Von physiologischer Totalexstirpation spreche ich, wenn die Hypo- physe (unter möglichster Schonung des Infundibulum) und soweit dies mit dem freien Auge konstatierbar ist, restlos entfernt wird. Bei jungen Tieren muss dieser Eingriff von Wachstumsstillstand mit Offenbleiben der Epiphysenfugen und den übrigen bereits in meiner letzten Mitteilung genau abgegrenzten charakteristischen trophischen Störungen gefolgt sein. Cushing hat diesen Typus noch nicht herzustellen vermocht und hält deshalb die totale Exstirpation für unmöglich. Die histologisch vollkommene Totalexstirpation kann nicht immer mit Sicherheit erzielt werden, ist aber für das funktionelle Resultat ganz belanglos, da der öfters zurückbleibende, die vordere Wand des Infundibulum bis hoch hinauf bekleidende einschichtige Epithel- saum der Pars intermedia funktionell wohl nicht in Betracht kommen dürfte. 30 Bernhard Aschner: Auch gelegentlich zurückbleibende, mikroskopisch kleine Reste des Vorderlappens haben mit der Erhaltung des Lebens nichts zu tun, da die Tiere mit und ohne solche Reste sterben (Paulesco’s, Cushing’s und eigene Versuche), wenn das Infundibulum stark verletzt ist, und am Leben bleiben, wenn es geschont ist (eigene Versuche). Ebenso hindern solehe mikroskopisch kleine Reste das Auftreten der typischen trophischen Störung nicht. Erst wenn die zurückbleibenden Reste des Vorderlappens mit freiem Auge deutlich sichtbar sind, ist der Grad der Wachstumshemmung ein geringerer, und letztere bleibt schliesslich ganz aus, wenn zirka ein Drittel des Vorderlappens erhalten worden ist. Es wurden selbstverständlich auch im Laufe der vorliegenden Arbeit wiederholt Serienschnitte durch die Hirnbasis und die Sella tureieca nach Hypophysenexstirpation mikroskopisch untersucht, und dadurch die Möglichkeit der vollständigen Exstirpation des Vorder- und Hinterlappens, von geringen Resten der Pars intermedia abgesehen, bestätigt. Zur Erzielung des typischen physiologischen Fffektes ist die Totalexstirpation im streng histologischen Sinne aber durchaus nicht nötig. B. Der Einfluss der Hypophysenexstirpation auf den Organismus. I. Versuche an jugendlichen Tieren mit Ausbildung von deutlichen trophischen Störungen. Versuch 9 und 10. Zwei weibliche Hunde von gleichem Wurf, 2 Monate alt. Hund 9. 2500 g schwer, wird am 9. Juli 1909 operiert: Unvollständige Exstirpation der Hypophyse, indem der Hinterlappen und ein sehr kleiner Teil des Vorderlappens zurückbleibt. Hund 10. 2500 g schwer, bleibt Kontrolltier. Beim operierten Hunde glatter Heilungsverlauf, leichte Ab- magerung. 30. Juli. Beide Hunde bekommen je 2 ccm Adrenalin subkutan. Der normale Hund zeigt starke Tachykardie, Aufregungszustände, Erbrechen, Zittern, Steigerung der Reflexe, starken Durst und scheidet am nächsten Tage 109 ccm Harn aus, welche nur 1,5 g Zucker enthalten. Über die Funktion der Hypophyse. 31 Der operierte Hund, zu dieser Zeit noch von annähernd gleichem Gewicht, bekommt keine Tachykardie, erträgt die Injektion ganz ruhig und scheidet am nächsten Tage 83 eem Harn aus, welche 0,47 g Zucker enthalten. 4 Tage später zeigt der normale Hund an der Injektionsstelle eine kronengrosse Hautnekrose, der operierte Hund nur ein leichtes Infiltrat. 19. August. Die Untersuchung des Blutes ergibt beim operierten Hund leichte Vermehrung der eosinophilen Zellen. 1. Oktober. Der normale Hund verliert seine Milchzähne, die bleibenden Zähne rücken nach. Der operierte Hund hat keine Anzeichen von Zahnwechsel. 1. November. 4 Monate nach der Operation, also im Alter von 6 Monaten, erkranken beide Hunde an Staupe und werden getötet. Der operierte Hund ist 3400 g schwer, hochgradig abgemagert, zeiet starken Haarausfall, allgemeine Lymphdrüsenschwellung. Obduktionsbefund: Der Hinterlappen der Hypophyse und ein sehr kleiner Teil des Vorderlappens sind erhalten geblieben. Am Genitale ist mit freiem Auge schon zu erkennen, dass der Uterus von Hund 9 in der Entwicklung zurückgeblieben ist. Er ist schmäler und mehr platt. Auch die Ovarien sind etwas kleiner. Mikroskopisch zeigt der Uterus von Hund 9 spärlichere Drüsen- entwicklung und schwächere Muskulatur. Das Ovarium von Hund 9 enthält nur sehr kleine, wenig entwickelte Follikel, ungefähr einem dreimonatigen Hunde entsprechend. Das Kontrollovarium von Hund 10 enthält schon deutlich ent- wickelte Graaf’sche Follikel.e. Die interstitielle Drüse dagegen scheint beim operierten Hunde besser ausgebildet zu sein, trotzdem letzterer in schlechterem Ernährungszustand war. Der operierte Hund zeiet allerdings eine stärkere fettige Degeneration der inneren Organe. Möglicherweise sind die interstitiellen Zellen bei Hund 9 auch von den in grösserer Zahl zugrunde gegangenen Follikeln her- zuleiten. Hund 10 wiegt 4700 g. Die Epiphysenfugen sind bei beiden Hunden noch offen. 392 Bernhard Aschner: Versuch 2l, 22 und 23. Drei Hunde von elJeichem Wurf, 6 Wochen alt. Hund 23, Weibchen, 3400 & schwer, bleibt als Kontroll- tier übrig. Hund 21, Weibchen, 3600 g schwer. Am 13. August 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus nach 24 Tagen an Staupe. Gewichtsabnahme bis auf 2000 g. Obduktionsbefund: 6. September 1909. Hypophyse vollständig entfernt, Gaumen gut verheilt, enorme Abmagerung, Leber stark fettie degeneriert, ebenso die Nieren. Schilddrüse klein und blass, starke Anämie, Lobulärpneumonie. Trotz starker fettiger Degeneration der inneren Organe enthält das Ovarium gar kein Fett, was beim Vereleich mit den ÖOvarien des Kontrollhundes 23 besonders auffällt. | Hund 23. Kontrolltier, geht 3 Tage später ebenfalls an Staupe ein, ist aber nicht so abzemagert. Gewicht 3700 g. Ebenfalls fettige Degeneration der inneren Organe. Das Fett der interstitiellen Eierstockdrüse ist um vieles besser erhalten als beim operierten Hund. In der Follikelbildung besteht keine grosse Differenz zwischen beiden Tieren. Hund 22, Männchen, 3700 g@. Am 18. August Totalexstirpation der Hypophyse, Exitus nach 17 Tagen an Staupe. a, August. Wohlbefinden. 4. September. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig ent- fernt, Infundibulum an der Schädelbasis angewachsen, Lobulär- pneumonie. Bemerkenswert ist der fast vollständige Mangel des interstitiellen Fettgewebes im Hoden. Versuch 26, 27 und 28. Drei Hunde von gleichem Wurf, 6 Wochen alt. Hund 27, Männchen, 2700 & schwer, wird als Kontrolltier belassen. Hund 26, Männchen, 2600 g schwer. Am 31. August Totalexstirpation der Hypophyse. Nach 20 Tagen Exitus an Staupe. Bei der Obduktion findet sich nur am Genitale Bemerkens- wertes: Der Hoden ist in der Entwicklung etwas hinter dem des Kontrolltieres zurückgeblieben, das Fett daselbst ist nieht in normaler Über die Funktion der Hypophyse. 33 Weise angeordnet, sondern feinkörnig und gleichmässig über Samen- kanälchen und Zwischenzellen verteilt, während beim Kontrolltier das erobkörnige Fett in den Zwischenzellen, das feinkörnige in den Samenkanälchen vorherrscht. Hund 28. Weibchen, 3100 & schwer. Am 31. August Totalexstirpation der Hypophyse. Nach 26 Tagen Exitus an Staupe. Genitalbefund: Interstitielle Eierstocksdrüse fast vollkommen ge- schwunden, noch keine Anzeichen von Follikelreifung. Versuch 33, 34, 35 und 36. Vier Zwergrattlerhunde, 8 Wochen alt, von gleichem Wurf, zwei Männchen und zwei Weibchen. Männchen 34 und Weibchen 36 bleiben Kontrolltiere. Männchen 33. Am 26. August 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Nach 14 Tagen Exitus infolge von Dehiszenz der Gaumenwunde und Staupe. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, die Zwischen- zellen im Hoden zeigen mangelhafte Fettfärbung im Vergleich zum Kontrolltier 34, das wenige Tage später ebenfalls an Staupe ein- gegangen ist. Ferner finden sich beim operierten Tier Atypien in der Anordnung der Spermatogonien und zahlreiche Vakuolen in denselben. Weibehen 35. Am 28. August 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Nach 20 Tagen Exitus an Staupe. Das Kontrolltier 36 wird zu derselben Zeit getötet. Obduktionsbefund von 35: Hypophyse vollständig entfernt, Lobulärpneumonie, fettige Degeneration der inneren Organe. Der Uterus ist kleiner als der des Kontrolltieres 36. Er scheint in der Entwieklung vollkommen stehen geblieben zu sein. Am Ovarium fällt die geringere Grösse der Follikel und ins- besondere der hochgradige Schwund der interstitiellen Eierstocksdrüse auf. Die des Kontrollweibehens 36 erscheint dagegen vollkommen ausgebildet (vgl. Fig. 1 und 2 auf der Tafel I. An den übrigen Organen besteht fettige Degeneration. Die nun folgende Versuchsserie 38—45 bildet die erste Reihe, bei welcher es gelungen ist, auffallende charakteristische Dauerwirkungen nach FExstirpation der Hypophyse zu zeigen. Es Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 3 34 Bernhard Aschner: ist dies dem Umstande zu verdanken, dass die dabei verwendeten Hunde von interkurrenten Erkrankungen zum Teil verschont blieben, und dass auch die Gaumenwunde infolge der bereits verbesserten Technik glatt verheilte. Die Hunde waren auch jung genug, um bei Stehenbleiben auf der damaligen Entwicklungesstufe einen auffallenden Kontrast zu dem rasch heranwachsenden Kontrolltiere zu zeigen. Es handelte sich um acht Hunde von gleichem Wurf, welche am 23. Juli 1909 zur Welt gekommen sind und von denen sechs ungefähr im Alter von 8 Wochen operiert wurden. Hund 38. Männchen, 3400 g schwer. 1. Oktober 1909. Totalexstirpation der Hypophyse mit zu gründ- licher Abtragung des Infundibulums und Verletzung des dritten Ventrikels. Eine Stunde nach der Operation trat Erbrechen auf. Enorme Pulsbeschleunigung. Der Hund verfiel dabei in einen koma- tösen Zustand und ging einen Tag nach der Operation ohne jegliche Krampferscheinungen zugrunde. Obduktionsbefund: Der dritte Ventrikel deutlich er- öffnet, das Tuber ecinereum blutig suffundiert. Genital- befund: Normaler Hoden eines zweimonatigen Hundes. Das Lumen der Samenkanälchen ist fast ganz mit Epithel ausgefüllt. Körniges Fett in den Zwischenzellen deutlich, weniger deutlich in den Samen- kanälchen. Hund 39. Weibehen, 3600 g. 6. Oktober. Totalexstirpation der Hypophyse, auch hier Verletzung des dritten Ven- trikels. Nach der Operation starke Pulsbeschleunigung. Der Hund kann den Kopf nicht aufrecht erhalten, trotzdem er vollkommen aus der Narkose erwacht ist; prompte Kornealreflexe. Die Atmung ist tief und verlangsamt. Exitus in der Nacht nach der Operation. Obduktionsbefund: Hirnbasis wie bei Hund 38. Genitalbefund: normales infantiles Genitale eines zweimonatigen Hundes, spärliche Drüsenentwicklung im Uterus. Ovarien nur Ureier und noch keine Follikel enthaltend. Interstitielle Drüse mächtig entwickelt. Hund 44. Weibchen, 3200 g schwer. 11. Oktober. Totalexstirpation der Hypophyse. Am 12. Oktober anscheinend vollkommenes Wohlbefinden. Der Hund läuft herum, zeigt keine Pulsbeschleunigung und nimmt dar- gebotene Milch. Über die Funktion der Hypophyse. 35 13. Oktober abends. Plötzlicher Exitus ohne vorhergehende Symptome. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig fehlend. Vom Infundi- bulum geringe Reste vorhanden, keine Eiterung im Gehirn, in der Sella tureica spärliche Blutkoaeula, das Tuber einereum deutlich hyperämisch. Genitale analog Hund 39, nur ist das Fett der inter- stitiellen Eierstocksdrüse schon etwas vermindert. Hund 40. Männchen, 3300 g schwer. 1. Oktober 1909. Totalexstirpation der Hypoyhyse. 4. Oktober. Entfernung der Nähte, Gaumenwunde glatt verheilt. 3. November. 4500 g schwer. 27. November. 4500 g schwer. Der Hund ist auffallend plump, stillund bewegungsarm. 30. November. Der Hund schnauft stark, verweigert die Nahrungs- aufnahme, drückt sich scheu in eine Ecke und macht einen kranken Eindruck. Am 3. Dezember Exitus ohne auffallende Symptome, im Alter von 4 Monaten. Obduktionsbefund: Hochgradige Verfettung der inneren Organe, vollständiges Fehlen der Hypophyse, Infundibulum an der Schädel- basis angewachsen. Das Tier ist gegenüber dem Kontrollhund 43 auffallend an Grösse zurückgeblieben, hat noch Lanugobehaarung und ganz kleine zarte Zähnchen. Die Hoden, welche bei Hund 43 schon ganz deszendiert sind, stecken bei diesem Tiere noch hoch oben im Leistenkanal. Die Hoden sind bohnengross, während die von 43 schon über Haselnussgrösse erreicht haben. Der Mons veneris ist zum Unterschied vom Hund 43 noch nicht behaart. Der Penis ist etwas grösser als der des im Alter von 2 Monaten eingegangenen Hundes 38. Auch der Hoden hat dem des letzteren gegenüber etwas an Grösse zugenommen. Mikroskopisch zeigt er aber keinen Fortschritt gegenüber dem Stadium von 2 Monaten. Ausserdem kommen noch Degenerationserscheinungen an den Epithelien der ziemlich eng gebliebenen Samenkanälchen hinzu. An Sudanschnitten zeigt sich eine mehr gleichmässige Ver- teilung feinkörnigen Fettes über Zwischenzellen und Samenkanälchen, während bei Hund 38, wie auch normalerweise das grobkörnige Fett hauptsächlich in den Zwischenzellen eingelagert ist. Die Prostata entspricht der eines zwei- bis dreimonatigen Hundes. 3 * 36 Bernhard Aschner: Hund 45. Männchen, 3500 g schwer. Am 11. Oktober 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 2. Dezember 1909 unter ganz ähnlichen Umständen wie Hund 40. Am 3. November 4000 g schwer. Am 27. November 4900 g schwer. | Obduktionsbefund: Dem von Hund 40 vollkommen entsprechend. Hund 42. Männchen, 4000 & schwer. Schwarz. 8. Oktober 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. 11. Oktober. Entfernung der Fäden, Gaumenwunde gut verheilt. 3. November. 8300 g schwer. Das Kontrollmännchen 43, welches anfangs nur 3400 g gewogen hatte, wiegt jetzt schon 5600 g, also mehr als das operierte Tier. Am 3. Dezember 1909 werden der operierte Hund 42 und der Kontrollhund 43 in der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien demonstriert. Unter allen damals lebenden sechs Hurden dieses Wurfes ist der Kontrollhund 43 weitaus der grösste und lebhafteste. Er ist schlank und beweglich, bleibt keinen Augenblick ruhig sitzen, bellt und spielt, während die operierten Hunde plump, träge, be- wegungsarm sind und nicht bellen. Auch in der Behaarung zeigt sich schon ein auffallender Unter- schied. Das Kontrolltier 43 hat schon straffe Grannenhaare; die . operierten Tiere, am schönsten Hund 42, zeigen weiches, wolliges Lanugohaar, das bei den schwarzen Tieren einen Stich ins Rötliche hat, zum Unterschied gegen das rein schwarze Fell des Kontrolltieres. Das Gebiss ist, wie bei Hund 40 und 45 beschrieben wurde, noch ganz zart, bei Hund 43 schon kräftig ausgebildet. Die Temperatur des operierten Hundes beträgt 33,2, sein Gewicht 5200 g. Hund 43 wiest 7800 g, Temperatur 39,6. Die Temperatur des. operierten Hundes ist also fast um 1,5 herabgesetzt. Die Schmerzempfindung scheint bei den operierten Tieren be- deutend herabgesetzt zu sein, was sich schon bei der Blutentnahme aus der Ohrvene auffallend bemerkbar macht. Versuche mit elektrischer Reizung des Nervus ischiadieus, an. beiden Hunden vorgenommen, ergeben ein verschiedenes Resultat. Wenn man nämlich dabei auch den verschiedenen Einfluss des elek- trischen Leitungswiderstandes der Haut bei beiden Tieren in Betracht Über die Funktion der Hypophyse. em ziehen muss, so ist es doch immerhin auffallend, dass das operierte Tier mit seiner dünnen zarten Haut erst bei einem Rollenabstand von 11,5 em geringe, bei 11 em starke Zuckungen der unteren Extremitäten zeigt, während bei dem Kontrolltier 43 trotz seiner derberen Haut, schwache Zuckungen schon bei einem Rollenabstand von 13,25 em, starke Zuckungen bei 13 cm Rollenabstand auf- treten. Bei dieser Prozedur wimmert der normale Hund vor Schmerz und wehrt sich lebhaft, das operierte Tier liegt dabei still auf dem Tisch und schaut während der ganzen Zeit gleichgültig im Zimmer umher. 3. Februar 1910, also im Alter von 7 Monaten, zeigt der Kontrellhund 43 bei Berührung des Genitales deutliche Erektion, Hund 42, Hund 43. Fig. 14. Hund 42 und 43 im Alter von 8 Monaten. starke Anschwellung des Bulbus urethrae. Hoden deszendiert, wall- nussgross. Reiche straffe Behaarung des Mons veneris. | Der operierte Hund 42 zeigt nichts von alldem. 23. März 1910. Der operierte Hund hat eine Temperatur von 38,2, das Kontrolltier misst 39,2. Entnahme von Blutpräparaten aus der Ohrvene bei beiden Tieren. Der operierte Hund zeigt deutliche Vermehrung der eosino- philen Zellen. Die Temperaturmessungen werden in der Folge öfters wieder- holt und ergeben, dass der operierte Hund immer um 1—1,5 ° niedriger temperiert ist als das Kontrolltier. Hund 42 blieb in der Folge auf der damals erreichten Grösse und dem Körpergewicht von 4—5 kg stehen (vgl. Fig. 14, 15 und 16). 38 Bernhard Aschner: Mitte April 1910 werden beide Tiere (zusammen mit Hund 71 und 72) auf dem 39. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin demonstriert. | 18. Mai 1910. Während bei dem nichtoperierten Hunde der Zahnwechsel schon vor 3 Monaten vollendet war, brechen bei Hund 42 Hund 42. Hund 43. Fig. 15. Hund 42 und 43 im Alter von 3 Monaten. Hund 42. Hund 43. Fig. 16. Hund 42 und 43 im Alter von 8 Monaten. hinter den Milchzähnen mehrere winzig kleine bleibende Schneidezähne hervor, so dass es den Anschein hat, als ob der Hund eine doppelte 7ahnreihe bekäme. Die Milchzähne sitzen dabei noch ganz fest. 80. Mai 1910. Der operierte Hund 42 zeigt ganz vorüber- gehende Symptome von Läufigkeit mit geringen Erektionen. Im übrigen verbält er sich vor und nach dieser Zeit bei Anwesenheit von Weibchen vollkommen indifferent zum Unterschied zu Kontroll- Über die Funktion der Hypophyse. 39 hund 45. Auch sonst bekundet der Hund für seine Umgebung trotz vollkommenen Wohlbefindens nur wenig Interesse. Seine Intelligenz ist sichtlich unentwickelt. Ende August 1910 besteht noch immer das gleiche Missverhältnis in der Grösse zwischen beiden Hunden; nur scheint es, als ob Hund 42 ein wenig an Fett verloren hätte und dadurch propor- tionierter geworden wäre (vel. Fig. 17, 18 und 19). Hund 42 und 43 wurden Ende September 1910 auf dem inter- nationalen Physiologenkongress in Wien demonstriert. Hund 42. Hund 43. Fig. 17. Hund 42 und 43 im Alter von 12 Monaten. Am 3. Dezember 1910, also im Alter von 16 Monaten, und zwar 14 Monate nach der Operation, werden beide Hunde bei bestem Wohlsein in Narkose durch Verbluten getötet. Hund 42 wog damals 4300 8. Der Kontrollhund 43 wog 16300 e. Der Grössenunterschied war so ausgesprochen, dass man fast daran zweifeln konnte, dass die beiden Tiere von gleicher Rasse von gleichem Wurfe sein könnten. Es machte eher noch den Ein- druck, als ob das operierte Tier das Junge des Kontrolltieres wäre. Auch zu dieser Zeit hatte das operierte Tier noch seine weichen wolligsen Lanugohaare, während das Kontrolltier lange, straffe, glänzende Haare und einen buschigen Schwanz besass. 40 Bernhard Aschner: Das Gebiss des operierten Tieres bestand zum Teil noch immer aus festsitzenden Milchzähnen, zum Teil aus bleibenden Zähnen, so Hund 42. Hund 43. Fig. 13. Hund 42 und 43 im Alter von 12 Monaten. Hund 42. Hund 43. Fig. 19. Hund 42 und 43 im Alter von 12 Monaten. dass stellenweise noch die doppelte Zahnreihe zu sehen war (Fig. 20). Das Kontrolltier zeigt das kräftige Gebiss eines ausgewachsenen Hundes (Fig. 21). Das ganze Knochensystem von Hund 42 ist weich Über die Funktion der Hypophyse. 41 und zart. Die Epiphysenfugen an sämtlichen Knochen sind offen geblieben, während die von Hund 43 schon lange verstrichen waren Fig. 21. Schädelskelett von Hund 43 (16 Monate alt). 42 Bernhard Aschner: (vgl. Fig. 22, 23, 24 und die beiden Röntgenbilder in Fig. 25 u. 26). Der Schädel von Hund 42 ist kurz und rundlich und zeiet noch die infantile Form, während Hund 43 eine lange Schnauze und starke Muskelansätze am knöchernen Schädeldach aufweist (Fig. 22). Hund 42. Hnnd 43. Fig. 23. Femurkopf von Fig. 24. Femurkopf von Hund 42 (natürl. Grösse). Hund 43 (natürl. Grösse). Die mikroskopische Untersuchung der Epiphysenfugenknorpel ergibt Knorpelzellsäulen in paralleler Anordnung; keinerlei etwa an Rhachitis erinnernde Prozesse sind an ihnen wahrzunehmen (Fie. 23 und 24). Uber .die Funktion der Hypophyse. 43 Das Unterhautzellgewebe von Hund 42 besonders am Bauche und am Nacken zeigt enorm reiche Fetteinlagerung bis zu einer Dicke von 3—5 em. Mikroskopisch zeigt die Haut jedoch keine wesentlichen Unterschiede bei beiden Hunden. Anhaltspunkte für myxödemähnliche oder akromegalieähnliche Veränderungen oder für atrophische Zustände konnten, wie auch späterhin bei anderen Ver- gleichstieren, nicht gefunden werden. Fig. 23a. Knorpelzellen aus der Epiphysenfuge von Fig. 23, stark vergr.'). Nach Eröffnung des sehr dünnen Schädeldaches von Hund 42 wird das Gehirn vorsichtig herausgenommen. Die Hypophyse fehlt vollständig, das Infundibulum ist an der Schädelbasis angewachsen und in eine narbige Spitze ausgezogen (Fie. 27). | Das Loch in der Sella tureieca ist durch fibröse Massen, die nur wenig verkalkt sind, verheilt, die Plombe nicht mehr vorhanden. Der Inhalt der Sella tureica wurde samt der auskleidenden Dura mater herauspräpariert und in Serien geschnitten. Es fand sich dabei nur Glia und Narbengewebe, aber keine Spur eines Hypo- physenrestes. 1) Fig. 23, 23a und 24 photographiert von H. Hinterberger, Wien. 44 Bernhard Aschner: Die mikroskopische Untersuchung des Bodens des dritten Ven- trikels mittelst der Marchi-Methode ergab geringe Faserdegenerationen und vereinzelte von Rundzellen infiltrierte Stellen. Auch Unter- Fig. 25. Untere Extremität von Hund 42 im Röntgenbild!): offene Epiphysenfugen (im Alter von 14 Monaten). suchungen an anderen ähnlichen Gehirnen ergaben bis jetzt wenig posi- tive Ausbeute; weitere Untersuchungen darüber sind noch im Gange. 1) Die wiederholt vorgenommenen Röntgenuntersuchungen verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. M. Haudek, Assistenten am Holz- knecht’schen Röntgen-Institut in Wien. Über die Funktion der Hypophyse. 45 Die Schilddrüse des operierten Hundes zeigt mit freiem Auge gegenüber der des Kontrolltieres keine auffallenden Veränderungen; weder Hypertrophie noch Atrophie ist zu bemerken. Mikroskopisch Fig. 26. Untere Extremität von Hund 43 im Röntgenbild: Epiphysenfugen geschlossen (im Alter von 14 Monaten). kann man höchstens von einer lebhaften Kolloidproduktion der Schild- drüse sprechen, indem die Alveolen etwas erweitert und mit Sekret erfüllt sind, wobei die Drüsenzellen plattgedrückt erscheinen. Auch die Epithelkörperchen zeigen bis auf lebhafte Sekretion keine auf- fallenden Veränderungen. 46 Bernhard Aschner: Zunge, Kehlkopf und Luftröhre sind entsprechend dem infantilen Zustande von Hund 42 sehr zart. Die Thymus ist bei Hund 42 noch deutlich erhalten, bei Hund 43 dagegen grösstenteils durch Fettgewebe ersetzt. Die Aorta und auch die übrigen Blutgefässe von Hund 42 zeigen nirgends Degenerationserscheinungen oder gar Verkalkungen, wie dies bei thyreopriven Tieren beschrieben worden ist (v. Eiselsberg). An den Brustorganen ist mit Ausnahme der in- fantilen Zartheit derselben niehts bemerkenswert. Das Abdomen von Hund 42 zeist in allen seinen Teilen enorme Fett- einlagerung, besonders am Unterhautzellgewebe der Bauchdecken, an den Me- senterien der Nierenkapsel und dem Genitale. Die Leber des operier- ten Hundes ist hellgelb, die des Kontrolltieres röt- Fig. 27. Narbe am Infundibulum nach Tota- ]jiehbraun. Mikroskopisch exstirpation der Hypophyse. zeigt sich dies darin, dass bei Hund 42 in den Leberzellen selbst sich reichlich Fett findet. Mit Rücksicht auf die verschieden starke Adrenalinglykosurie bei hypophysipriven und normalen Tieren wurde die Leber beider Hunde nach der Pflüger’schen Methode auf ihren Glykogengehalt untersucht, wobei sich aber keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Tieren ergaben. Auch der Blutzuckergehalt wurde aus diesem Grunde bei beiden Hunden bestimmt und ergab ebenfalls keine wesentlich ln Werte. Es dürfte deshalb der Grund der verminderten Adrenalinglyko- surie konform mit der Herabsetzung der übrigen Sympathieus- Über die Funktion der Hypophyse. 47 erscheinungen nach Adrenalininjektion beim hypophysiprimen Tier auf eine verminderte Erregbarkeit des sympathischen Nervensystems zurückzuführen sein. Vergrösserung der Milz, wie sie von manchen Autoren nach Schilddrüsenexstirpation beschrieben wurde, war nicht vorhanden. Das Pankreas zeigte normale Struktur. Die Nebennieren wiesen Verbreiterung der Rinde auf, ähnlich wie nach Kastration oder bei Gravidität. Die Nieren entsprachen der Grösse des Tieres und zeigten auf dem Durchschnitt schon mit freiem Auge durch ihre auffallend weiss- liehe Färbung reichlichen Fettgehalt an, der auch durch die mikro- skopische Untersuchung bestätigt wurde. Die Urtersuchung des Blutes kurze Zeit vor der Tötung der Hunde ergab bei Hund 42 einen Hämoglobingehalt von 75 Fleisch] 2 u ae 5 105 r Die Zahl der roten Blutkörperchen betrug bei Hund 42 4200 000 5 „43 6000 000 Leukoeytenzahl von Hund 42 12000 3 2 „ 43 8300 Das mit Ehrlich’schem Triazidgemisch gefärbte Blutpräparat ergab bei Hund 42 leichte Vermehrung der mononuklearen Lympho- eyten und der Eosinophilen. Auch in der Blutgerinnung bestanden Unterschiede zwischen beiden Hunden. Bei den wiederholten Blutentnahmen aus der Ohr- vene erschien das Blut von Hund 42 stets dünnflüssiger und schwerer serinnbar. Bei der Tötung durch Verblutung wurde eigens zu diesem Zwecke Blut von beiden Hunden aus der Karotis in Petrischalen aufgefangen und ruhig stehen gelassen. Das Blut des operierten Hundes zeigte eine Gerinnungsverzögerung von 1!/s Minuten, derart, dass zu einer Zeit, wo das Blut von Hund 43 nicht mehr aus der Schale ausgegossen werden konnte, das des operierten Hundes noch leichtflüssig war. Das Genitale wurde im ganzen herauspräpariert. Es ist im Vergleich zu dem des Kontrolltieres ungleich zarter, wenn auch die Reifeerscheinungen nicht vollkommen ausgeblieben sind. Prostata 48 Bernhard Aschner: und Bulbus urethrae sind besonders klein geblieben. Erstere zeigt mikroskopisch nur schwache Ausbildung der Drüsenformation und geringe Sekretion in derselben. Die Prostata des Kontrollhundes enthält reich verzweigte Drüsenläppchen und Ausführungsgänge mit weiten sekreterfüllten Hohlräumen. Das äussere Genitale des operierten Hundes ist seit der Operation wohl in der Entwieklung etwas fort- » De et Mood Fa a Ser Fig. 23. Schnitt durch den Hoden von Hund 42. geschritten und hat dabei die übrigen Organe, insbesondere das Knochensystem, im Wachstum sichtlich überholt; es erreicht daber aber noch lange nicht dieselbe Grösse wie beim Kontrolltier, und auch die volle Ausbildung der sekundären Geschlechtscharaktere er- folgte nicht. Der Hoden von Hund 42 ist ungefähr halb so gross wie der von 43 und zeigt ein ganz atypisches Verhalten der Samenkanälchen (Fig. 28). Dieselben sind sehr weit, ihr Epithel ist niedrig und besteht nur aus 1—3 Reihen von Zellen. Wo überhaupt Sperma- Über die Funktion der Hypophyse. 49 tozoen vorhanden sind, liegen dieselben regellos durcheinander, so dass das grösstenteils leere Lumen der Samenkanälchen wie von einem unregelmässigen Netzwerk ausgefüllt erscheint. Die Zwischen- zellen von Hund 42 sind schwach ausgebildet, zeigen aber keine Verminderung ihres Fettgehaltes. Fig. 29. Schnitt durch den Hoden von Hund 43. Bei Hund 43 (Fig. 29) finden wir das reguläre mehrschichtige - Epithel, welches das Lumen der Tubuli seminiferi fast ganz ausfüllt und nach der Mitte zu die reifen Spermatozoen bildet. Hund 41. Weibchen, 2700 g schwer. Am 20. Oktober 1909. Exstirpation der Hypophyse im Alter von 3 Monaten, also ca. um 1 Monat später als bei den anderen Hunden des gleichen Wurfes. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 4 50 Bernhard Aschner: Infolge eingetretener Blutung musste ein Teil des Vorder- lappens der Hypophyse zurückgelassen werden. 10. Januar 1910. Glatter Heilungsverlauf. Der Hund beginnt Fett anzusetzen. Gewicht 4600 g, Temperatur 38,9. 27. Februar 1910. 5400 g schwer. 11. Mai 1910. Der Hund ist in der Grösse nicht so sehr zu- rückgeblieben wie die übrigen operierten Hunde des gleichen Wurfes, Hund 41. Hund 42. Hund 43. Fig. 30. Hund 41, 42 und 43 im Alter von 3 Monaten. Hund 41. Hund 42. Hund 43. Fig. 31. Hund 41, 42 und 43 im Alter von 3 Monaten. er hat aber auch nieht die Grösse des Kontrollhundes erreicht (Fig. 30 und 31). Dabei ist er plumper als der Kontrollhund, seine Be- haarung ist auffallend weich und buschig; der Hund sieht aus, als ob er von einer ganz anderen Rasse wäre. Sein Temperament steht in der Mitte zwischen dem von Hund 42 und 43, auch seine Temperatur ist nur ca. um einen halben Grad erniedriet. Das Gebiss ist ziemlich Über die Funktion der Hypophyse. 51 gut ausgebildet. Geschlechtstrieb fehlt um diese Zeit noch voll- kommen. | Mitte Mai 1910 wird ein Ovarium zum Zwecke histologischer Untersuchung exstirpiert, im Alter von 91/s Monaten. Dabei zeigt sich, dass der Uterus blass und etwas dünner ist, als es dem ge- schlechtsreifen Alter entsprechen sollte. An den Övarien besteht Kleinheit der Follikel. Die interstitielle Eierstocksdrüse ist dagegen sehr gut entwickelt. Kein Corpus luteum. 20. Mai 1910. Gewicht 9400 g. Das Aussehen des Hundes im August 1910 zeigt Fig. 32. Hund 41. Hund 43. Fig. 32. Hund 41 und 43 im Alter von 3 Monaten. Ende Februar 1911. Der Hund geht an Pneumonie zugrunde, hat also die Operation beinahe 1!/s Jahr überstanden. Obduktionsbefund: Hypophyse bis auf einen kleinen Teil (ca !/5) des Vorderlappens entfernt, Schilddrüse klein und blass. Lobulärpneumonie. Starke Verfettung der inneren Organe. Epiphysenfugen der Knochen teils offen, teils schon geschlossen, was eine deutliche Wachstumshemmung bedeutet, da normalerweise am Ende des ersten Lebensjahres bei Hunden die Epiphysenfugen schon geschlossen sind. Das Genitale ist in geringem Grade hypoplastisch, der Uterus etwas dünner, als es der Norm entspricht. Mikroskopisch zeigt sich schwache Ausbildung der oberflächlichen Drüsen (Krypten), in der Region der tiefen Drüsen einzelne mit Sekret gefüllte Lumina. Im 4* 52 Bernhard Aschner: Ovarium Andeutung von zystischer Erweiterung der Follikel; inter- stitielle Drüse mässig entwickelt. Ein Geschlechtstrieb oder brunstähnliche Erscheinungen wurden bei diesem Hunde niemals beobachtet. Die unvollkommene Entwicklungshemmung bei diesem Tiere ist einerseits auf das Zurückbleiben des geringen Hypophysenrestes, andererseits darauf zurückzuführen, dass das Tier einige Wochen später operiert worden ist als die übrigen, was bei dem raschen Wachstum junger Hunde schon sehr viel ausmacht. Versuch 53 und 54. Zwei Hunde von gleichem Wurf, 10 Wochen alt. Hund 53. Weibchen, Ende Oktober 1909. 2900 g schwer, wird als Kontrolltier belassen. Hund 54. Weibchen, 3400 g schwer. 26. Oktober 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. 14. Dezember 1909. Nach glattem Heilungsverlauf, Gewicht 5200 g. Das Tier ist fett und plump geworden und bedeutend kleiner geblieben als das Kontrolltier 53. Sein Gewicht beträgt um diese Zeit nur 5200 g@. 14. Dezember abends. Injektion von 3 cem Adrenalin subkutan. 15. Dezember abends. 93 cem Harn, 0,15 g Zucker enthaltend. Der Hund bot unmittelbar nach der Adrenalininjektion keinerlei Aufregungszustände dar, er bekam auch keine Nekrose an der In- jektionsstelle und überstand den Versuch ganz glatt. Hund 53 erhält am 13. Dezember abends ebenfalls 3 cem Adrenalin subkutan, Körpergewicht 8 kg. 14. Dezember abends. 135 cem Harn, 3,8 g Zucker enthaltend. Der Hund zeiete unmittelbar nach der Adrenalininjektion die typischen Reizzustände von seiten des Sympathikus. Am dritten Tage danach bildete sich eine über handflächengrosse Hautnekrose an der Injektionsstelle aus, an welcher das Tier am 20. Dezember zugrunde ging. Ein Vergleich der beiden Adrenalinversuche zeigt wieder die verminderte Reaktion des hypophysipriven Tieres auf Adrenalin, die diesmal sogar soweit geht, dass das gesunde Tier dem Versuch er- liegt, während das operierte Tier ihn anstandslos erträgt. Bei dieser Gelegenheit konnte auch beobachtet werden, dass der Stuhl des operierten Tieres bedeutend trockener und härter war als Über die Funktion der Hypophyse. 53 der des normalen Tieres, ebenso war die Diurese auch ohne Adre- nalininjektion eine viel geringere als beim gesunden Tier, auch im Verhältnis zum Körpergewicht. Die Temperatur des operierten Hundes betrug durchschnittlich 38,7 Grad, die des Kontrollhundes 39,5. Hund 37. i Hund 34. Fig. 33. Hund 37. { Hund 5. Hund 54 blieb im Wachstum fast vollkommen stehen und zeigte reichlichen Fettansatz (vgl. Fig. 33 und 34). Am 3. Mai 1910 ist der Hund ca 8!/a Monate alt und müsste sich normalerweise schon im Stadium der beginnenden Geschlechts- reife befinden. 54 Bernhard Aschner: Exstirpation eines Ovariums zur histologischen Untersuchung. Dabei zeigt sich, dass die Uterushörner noch sehr dünn sind. Mikro- skopisch zeigt das Ovarium Kleinheit und mangelnde Reife der Follikel, kein Corpus luteum. Dagegen ist die interstitielle Eier- stocksdrüse sehr gut entwickelt. Am 10. Februar 1911, 16 Monate nach der Hypophysenexstir- pation, im Alter von 18!/s Monaten, Exitus infolge rasch verlaufender Pneumonie. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen fehlend, Verfettung der inneren Organe. Das ganze äussere und innere Genitale in hypoplastischem Zustande. Uterus dünn, einem virginellen, kaum noch geschlechtsreifen Tiere entsprechend. Mikroskopisch zeigt der Uterus nur spärliche Kryptenbildung. Die Uterindrüsen in der Tiefen- schichte sind besser ausgebildet. In dem zurückgebliebenen Ovarium findet man einige zystisch erweiterte Follikel, kein Corpus luteum. Die interstitielle Drüse gut entwickelt. Der Geschlechtstrieb hat auch bei diesem Hunde stets gefehlt. Eine Konzeption hat trotz wiederholter Anwesenheit läufiger Männ- chen nicht stattgefunden. Es scheint in diesem Falle auch keine Brunst erfolgt zu sein. Versuch 61, 62 und 62a. Drei Zwergrattler, Weibehen, 6 Wochen alt. Hund 61. 2200 g schwer. Am 12. November 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. 17. November. Der Hund zeigt kein Zeichen von Kachexie. 20. Dezember. Der Hund ist plumper und fetter als das Kon- trolltier und zeigt schon den charakteristischen Habitus der hypo- physipriven Tiere. 2. Januar 1910. Exitus 7 Wochen nach der Operation an Staupe. Gewicht 2500 g@. Obduktionsbefund: Hypophyse fehlend, Verfettung der inneren Organe. Genitalbefund: Uterus strieknadeldünn, die Länge der Uterus- hörner beträgt 4 em, die des Uteruskörpers bis zur Portio 1V/e cm. An den Ovarien zahlreiche Ureier, Follikel kaum in Ausbildung be- griffen. Interstitielle Drüse fast geschwunden. Hund62. Kontrolltier, 1800 g schwer, ist immer das schwächste von den drei Tieren gewesen. Über die Funktion der Hypophyse. 55 Am 22. November 1909 geht das Tier im Alter von 3 Monaten an Staupe zugrunde. Genitalbefund: Der Uterus ist entschieden weiter entwickelt als derjenige des operierten Hundes 61, trotzdem er um 1 Monat jünger ist. Auch sind die Ovarialfollikel in ihrer Entwicklung schon weiter vorgeschritten, und die interstitielle Drüse ist, trotzdem auch dieser Hund an Staupe eingegangen ist, bedeutend besser erhalten. Hund 62a. Zweites Kontrolltier, 2700 g schwer, wird zu der- selben Zeit wie Hund 61 getötet und war ebenfalls an Staupe er- krankt. Endgewicht anfangs Januar 1910 3000 g. Genitalbefund: Der Uterus ist ungefähr doppelt so diek wie der von Hund 61. Länge der Uterushörner 6 cm (gegen 4 cm des operierten Hundes). Länge des Uteruskörpers 3 em (gegen 1!/2 em des operierten Hundes). Im Ovarium zahlreiche grosse, gut ent- wickelte Follikel.e. Die interstitielle Eierstocksdrüse trotz Staupe gut erhalten. Versuch 65—68. Vier Neufundländermännchen, 5 Wochen alt. Hund 65. 2300 g schwer. 17. November. Exstirpation der Hypophyse. Exitus 10 Wochen nach der Operation im Alter von 15 Wochen an Gaumendefekt und Lobulärpneumonie. Geringer Fettansatz. Ge- wicht 2400 g, Gewicht des Kontrolltieres zu dieser Zeit 5000 g. Die Hoden des operierten Tieres sind kleinbohnengross, also ungefähr der Grösse des 2 Monate alten Hundes Nr. 67 entsprechend. Pro- stata erbsengross. Penis etwas über bleistiftdick. Mikroskopisch fanden sich ausserdem noch Degenerationserscheinungen an den Epithelien der Samenkanälchen. Das Fett der interstitiellen Zellen zeigt normale Verhältnisse. Hund 67. 2600 g schwer. 20. November 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus nach 10 Tagen unter kachexieähnlichen Erscheinungen und Krämpfen. Obduktionsbefund: Hypophyse fehlend, Tuber einereum hyper- ämisch und nekrotisch erweicht. Keine Eiterung. Genitalbefund: Hoden kleinbohnengross, geringe Degenerations- erscheinungen an den Epithelien, normale Fettverteilung. Hund 66. 2600 g schwer, bleibt Kontrolltier. 56 Bernhard Aschner: Hund 68 2200 g schwer. 20. November1909. Exstirpation des Hinterlappens der Hypophyse. Der Hund magert in den nächsten Wochen deutlich ab, bleibt aber an Grösse hinter dem Kontrolltier kaum zurück. 11. Mai 1910 wiegt der Hund 9100 g, das Kontrolltier 10000 g. Im Alter von 7'/z Monaten, also um die Zeit der beginnenden Ge- schlechtsreife, konnte bei Hund 68 entgegen den Angaben Cushing’s eine stärkere geschlechtliche Erregbarkeit nach Ausfall des Hypo- physenhinterlappens nicht beobachtet werden. Beide Tiere werden um diese Zeit getötet und zeigen an den inneren Organen keine wesentlichen Unterschiede. Auch das Geni- tale ist in beiden Fällen gleich gut entwickelt, hat die Geschlechts- reife schon erlangt und zeigt auch mikroskopisch keine Differenzen. Versuch 69-72. Vier Hunde von gleichem Wurf, von denen Weibchen 70 und Männchen 72 Kontrolltiere bleiben. Hund 69. Weibchen 3800 g schwer. Am 11. Dezember im Alter von 3 Monaten FExstirpation der Hypophyse. Der Hund wird 4 Monate nach der Operation während seiner Erkrankung an Krätze und Staupe am 12. April 1910 im Alter von 7 Monaten getötet. Der Hund hatte sich in den ersten Wochen nach der Operation wohlbefunden und blieb in charakteristischer Weise hinter dem Kontrolltier 70 zurück. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen fehlend. Hochgradige Verfettung der inneren Organe. Am bemerkenswertesten ist die starke Hypoplasie des Genitales, wie sich aus einem Vergleich mit dem Genitale des zur gleichen Zeit getöteten Hundes 70 ergibt. Das Genitale des Kontrolltieres (Fig. 36) entspricht dem eines virginellen geschlechtsreifen Tieres; das des operierten Hundes (Fig. 35) entspricht dem eines ca. 3 Monate alten Hundes. Dem- entsprechend ist der Uterus von Hund 69 viel kürzer. Auch sein Querschnitt ist drei- bis viermal so klein als der von Hund 70. Mikroskopisch zeigt der Uterus von Hund 69 ein noch kleines Lumen, die Drüsen sind nur an der Oberfläche entwickelt, in der Tiefe noch nicht. Die Uterusmuskulatur zeigt infantile Verhältnisse. Über die Funktion der Hypophyse. 57 Der Uterus von Hund 70 hat dagegen ein deutliches, weites Lumen, zeigt starke Faltenbildung und kräftige Ausbildung der Muskulatur. Fig. 35. Hypeplastisches Genitale von Hund 69 (natürl. Grösse). Auch zwischen den beiden Ovarien ist der Abstand ein sehr grosser. Das Ovarium von Hund 70 zeigt reife Follikel (Fig. 38). Das Ovarium des operierten Hundes hat noch ganz kleine, un- reife Follikel (Ureier), einem infantilen Individuum entsprechend (Fig. 37). Die interstitielle Drüse bei Hund 69 ist spärlich entwickelt. 58 Bernhard Aschner: Fig. 36. Normales weibl. Genitale von Hund 70 (natürl. Grösse). Über die Funktion der Hypophyse. 59 Hund 69 ıum von ische Ovar tt durch das hypoplast i Schn . 37. 15 F EN Ra) itt durch das normale Ovarium von Hund 70. Schn Fig. 38. 50 Bernhard Aschner: Hund 71. Männchen, 4600 & schwer. 23. November 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. 17. Mai 1910. Nachdem das Tier die typische Wachstums- hemmung gezeigt hat (Fig. 39—42), erkrankt es an Pneumonie. Gewieht 4100 &. Der Hund wird im Alter von 9 Monaten getötet. Hund 71. Hund 72. Fig. 39. Hund 71 und 72 im Alter von 7 Monaten. Hund 71. Hund 72. Fig. 40. Hund 71 und 72 im Alter von 7 Monaten. Das Kontrolltier 72 (Fig. 39—42) ist um diese Zeit 16,7 kg schwer und wird ebenfalls getötet. Die Epiphysenfugen sind bei beiden Tieren noch offen. Auffallend ist der grosse Unterschied in der Ausbildung beider Hoden (Fig. 43). Das ganze äussere und innere Genitale von Hund 71 zeigt hoch- gradige Hypoplasie. Mangelhafter Descensus testieuli, spärliche Be- Über die Funktion der Hypophyse. 61 Hund 72, Hund 71. Hund 69. Fig. 41. Hund 69, 71 und 72 im Alter von 7 Monaten. Hund 71. Hund 69. Hund 72. Fig. 42. Hund 69, 71 und 72 im Alter von 7 Monaten. 62 Bernhard Aschner: haarung des Skrotums. Die Hoden des operierten Tieres (Fig. 43) sind haselnussgross, die des Kontrolltieres walnussgross (Fig.' 43). Der Penis von Hund 71 ist bleistiftdiek, der von Hund 72 fingerdick. Die Prostata von Hund 71 ist bohnengross, die von 72 walnuss- gross. Mikroskopisch zeigt letztere grosse von Sekret erfüllte Hohl- Hund 71. Hund 72. Fig. 43. Hoden von Hund 71 (hypoplastisch) und 72 (normal). Infundibularnarbe, mikroskopisch keine Drüsenreste nachweisbar, auch nicht in der Sella turcica. Fig. 44. Das in eine Spitze ausgezogene narbige Infundibulum von Hund 71. räume, die erstere vollkommen infantile Verhältnisse. Die Präputial- drüsen von Hund 72 zeigen mikroskopisch das Bild lebhafter Tätigkeit, während die von Hund 71 schwach entwickelt und inaktiv aus- sehen. Die Hoden des operierten Hundes zeigen die charakteristischen Merkmale des hypoplastischen Hodens. Die Kanälehen haben ein Über die Funktion der Hypophyse. 63 weites Lumen, im Zentrum des Organs hie und da spärliche Sper- matozoen. Das Epithel der Samenkanälchen ist vielfach nur 1- bis 2reihig, besonders an der Peripherie des Organs. In den Zwischen- zellen minimale Fettmengen, in den Samenkanälchen fast gar kein Fett. Demgegenüber ist die floride Spermatogenese bei Hund 72 und der reichliche Fettgehalt in Zwischenzellen und Samenkanälchen hervorzuheben. Versuch 82—892. Vier Hunde von gleichem Wurf, 6 Wochen alt. Hund 85. Männchen bleibt Kontrolltier. Gewicht 3400 2. Hund 32. Weibchen, 2600 g schwer. 26. Januar 1910. Totalexstirpation der Hypophvse. Exitus nach 3 Tagen unter Krämpfen, Lähmung des hinteren Körperendes und Koma infolge von Infundibulumverletzung. Am Ovarium ist bemerkenswert, dass die interstitielle Drüse in der kurzen Zeit von 3 Tagen schon einen stark reduzierten Fett- bestand aufweist (infolge der Hirnverletzung). Hund 84. Männchen, 3800 g schwer. Ende Januar 1910. Partielle Fxstirpation des Hypophysenvorder- lappens. Exitus nach 3 Wochen. Gaumendehiszenz. Pneumonie. Bemerkenswert sind nur Irregularitäten in Aussehen und An- ordnung der Spermatogonien im Hoden. Hund 83. Männchen, 3700 g schwer. 4. Februar 1910. FExstirpation des Hypophysenvorderlappens. Exitus nach 3 Monaten, am 3. Mai 1910 an Krätze (verminderte Widerstandsfähigkeit der hypophysipriven Tiere sogar gegen Haut- krankheiten). Gewicht um diese Zeit 4000 g. Gewicht des Kontroll- tieres 6200 8. Obduktionsbefund: Vollständiges Fehlen des Vorderlappens der Hypophyse, Verfettung der inneren Organe, am Skelett und Gebiss die typische Wachstumshemmung. Der Hoden über haselnussgross, der des Kontrollhundes 85 ist etwas grösser. Auch mikroskopisch sind die Anzeichen der Hypo- plasie deutlich ausgeprägt; weite Lumina, in der Peripherie nur mangelhafte Epithelauskleidung. Prostata kleinbohnengross; die von 85 haselnussgross. Die Zwischenzellen des Kontrolltieres enthalten bedeutend mehr Fett als die des operierten. 64 Bernhard Aschner: Versuch 86—91. Sechs Hunde von gleichem Wurf, ca. 2 Monate alt. Weibchen 91, 3600 g, bleibt Kontrolltier. Männchen 86, 3800 g schwer. Am 11. Februar 1910 Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 20. Mai 1910 an Pneumonie. Der Hund bietet den charakteristischen hypophysipriven Habitus. Das Epithel der Samen- kanälchen ist bedeutend geschädigt, das Fett im Hoden fehlt fast vollkommen. Hund 87. Männchen, 3800 g schwer. 11. Februar 1910. Kastration. 22. Mai 1910. Exitus im Alter von 5 Monaten an akuter Pneumonie. Zu dieser Zeit hat das Tier den Kontrollhund 91 an Grösse schon bedeutend übertroffen. Das Genitale zeigt die typische Kastrationsatrophie. Prostata klein, kaum über die Urethralwand prominierend, Penis kaum grösser als der von Hund 86. Hund 88. Männchen, 4100 g schwer. 11. Februar 1910. Kastration und Exstirpation der Hypophyse. Der Hund bleibt etwas weniger im Wachstum zurück als Hund 86, zeigt aber in bezug auf Zähne und Behaarung dieselben Auomalien. 7. Juni 1910. Der Hund wird im Alter von 6 Monaten getötet. Das Genitale ist noch mehr hypoplastisch geblieben als das von Hund 87. An den Blutgefässen keine Degenerationserscheinungen. Hund 39, Weibchen, 3700 g schwer. 12. Februar 1910. Nach Blosslegung der Dura wird die Gutta- perchaplombe bei Belassung der Hypophyse sehr weit in die Schädel- höhle vorgeschoben, um so einen Druck auf die Hirnbasis auszu- üben. Exitus nach 3 Monaten am 22. Mai 1910 an akuter Pneumonie im Alter von 5 Monaten. Obduktionsbefund: Der Hund zeigt dieselbe Entwicklungs- hemmung wie die Tiere mit totaler Hypophysenexstirpation. Die Hypophyse ist zugrunde gegangen, das Tuber einereum wird durch die vorspringende Plombe nach innen eingestülpt. Innere Organe hochgradig verfettet. Genitalbefund: Uterus stricknadeldünn, entsprechend dem Organe eines nur zwei- bis dreimonatigen Tieres. Der Uterus ist schlechter entwiekelt als der von Hund 90, bei welehem ungefähr zu gleicher ee U Über die Funktion der Hypophyse. 65 Zeit die Totalexstirpation der Hypophyse vorgenommen, wurde und der dabei ausserdem noch um einen Monat früher zugrunde gegangen ist. Die Uterindrüsen an der Oberfläche sind spärlich entwickelt‘; in der Tiefe sind überhaupt noch keine Drüsen zu sehen. Der Uterus des Kontrollhundes 91 ist ungefähr dreimal so dick. Auch das mikroskopische Bild der Ovarien entspricht nur einem ungefähr dreimonatigen Hunde: grössere Ureier, aber noch keine Follikel. Das Fett der interstitiellen Drüse sehr spärlich. Hund 90. Weibchen, 3600 g. 11. Februar 1910. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 11. Mai 1910, also 3 Monate nach der Operation im Alter von 4 Monaten an Pneumonie. Der Hund ist im Wachstum in charakteristischer Weise zurückgeblieben und zeigt allgemeine Verfettung. Die Hypoplasie des Genitales ist etwas geringer als bei Hund 89. Der Uterus zeigt gute Entwicklung der oberflächlichen, spärlichen Anlage der tiefen Drüsen. Die Ovarien haben eine gut entwickelte interstitielle Drüse, aber noch keine Anzeichen von Reifung der Follikel. Hund 91. Kontrollhund wird zur gleichen Zeit mit Hund 89 getötet im Alter von 5 Monaten. Nebst den übrigen Organen ist auch das Genitale dem Alter entsprechend ausgebildet. Der Uterus ist dreimal so dick wie der von Hund 89, zeigt deutliche Längs- riffung, gute Entwicklung der oberflächlichen und tiefen Drüsen. Das Ovarium ist nicht mehr so platt wie das von Hund 89, sondern mehr rundlich; zahlreiche reife Follikel. Interstitielle Drüse mässig entwickelt. Versuch 101—104. Vier Hunde von gleichem Wurf, Anfang Mai 1910, ca. 2!/2 Mo- nate alt. Hund 101. Weibchen, 4700 g. 6. Mai 1910. Partielle Exstirpation der Hypophyse, wonach ca. ein Drittel des Vorderlappens getrennt vom Infundibulum zurückbleibt. Fxitus am 8. September 1910, ea. 7 Monate lang an Pneumonie, Gewicht 9000 g. Das Tier ist in der Entwicklung nur teilweise zurück- geblieben, entsprechend der nur partiellen Exstirpation der Hypophyse. Obduktionsbefund: zirka ein Drittel des Vorderlappens ist ge- trennt vom Infundibulum noch erhalten geblieben. Mässige Verfettung Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. b) 66 Bernhard Aschner: der inneren Orcane, Gebiss ziemlich gut ausgebildet, vollständiger Zahnwechsel, Epiphysenfugen der Röhrenknochen noch offen. Das Genitale gleicht ungefähr dem eines Hundes von 3!/e Monaten. Auch mikroskopisch mangelnde Reife der Follikel und geringe Ausbildung der Uterindrüsen. Uterus kaum halbbleistiftdiek. Dieser Ver- such zeigt übrigens, dass man mit fast totaler Exstir- pation der Hypophyse (Cushing) lange keine so aus- gesprochenen Resultate bekommt wie mit vollkommener Exstirpation. Hund 102. Weibchen, 4600 g, bleibt Kontrolltier. 18. September. 15600 g schwer, wird getötet (vel. Fig. 45 u. 46). Obduktionsbefund: Das Tier befindet sich im Beginn der Ge- schlechtsreife (7 Monate alt). Der Uterus ist bleistiftdiek. Das Ovarium grösser als das des operierten Tieres. Mikroskopisch zeigt der Uterus deutliche Ausbildung der oberflächlichen und tiefen Drüsen. Das Ovarium hat zahlreiche grosse Graaf’sche Follikel. Die interstitielle Drüse weist gegenüber der des operierten Tieres keine wesentlichen Unterschiede auf. Hund 103. Männchen 5100 g. 6. Mai 1910. Totalexstirpation der Hypophyse. 18. Juli. 6100 g schwer, ziemlich fett (vgl. 45 u. 46). 8. August. Noch kein Descensus testieuli, mangelhafte Be- haarung des Skrotums, Bulbus urethrae nicht erektil. Kein Zahn- wechsel. Exitus am 23. August 1910 im Alter von 6 Monaten an Krätze. Gewicht 4560 g@. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen feklend, Verfettung der inneren Organe, Persistenz des Milchgebisses und der Lanugo- behaarung. dGenitale hypoplastisch, ungefähr einem Stadium von 3 Monaten entsprechend. Hund 104. Männchen, Kontrolltier, ist von Haus aus viel kleiner als die anderen Tiere dieses Wurfes, aber proportioniert gebaut. 18. Juli 1910. 5300 g schwer. Der Hund ist an Gewicht noch hinter dem operierten Tiere zurück. 8. September. Gewicht 7700 g. Hat das operierte Tier schon stark an Grösse überholt und ist bei weitem nicht so fett wie das erstere. Der Hund befindet sich schon im Zahnwechsel, auch die Über die Funktion der Hypophyse. 67 Hund 103. Hund 102. Fig. 45. Hund 102 und 103 im Alter von 6 Monaten. Hund 103. Hund 102. Fig. 46. Hund 162 und 103 im Alter von 6 Monaten. 5 63 Bernhard Aschner: Geschlechtsreife ist schon in Ausbildung: Hoden pflaumengross, Bulbus urethrae deutlich erektil. Anfang September 1910. 6"!/s Monat alt, Gewicht 7700 g, der Hund wird um diese Zeit getötet. Anfang August wird bei Hund 102, 103 und 104 der Stoff- wechsel in bezug auf Hungereiweissumsatz und Adrenalinglykosurie untersucht (s. das III. Kapitel). Versuch 107, 109, 111. Drei Hunde von gleichem Wurf, ca. 2 Monate alt. Hund 107. Männchen. Mitte Juni 1910. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 24. Juli 1910 an Pneumonie, im Alter von 5 Monaten. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen fehlend, der Hund zeigt den charakteristischen hypophysipriven Habitus. Skelett, Ge- biss, Behaarung und Genitale entsprechend einem Hunde von ea. 2!/2 Monaten, hochgradige Verfettung der inneren Organe. Hund 109. Weibchen. Mitte Juni. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus in der ersten Woche nach der Operation an Infundibulum- verletzung. Bemerkenswert ist der fast vollkommene Schwund des interstitiellen Ovarialfettes. Hund 111. Weibchen. Mitte Juni. Totalexstirpation der Hypophyse, Exitus am Tag nach der Operation an Infundibulumverletzung. Versuch 1153—123. Elf Hunde von gleicher Grösse, ziemlich gleichem Gewicht, gleichem Entwicklungszustand und gleichem Aussehen, angeblich alle von gleichem Wurf. 6 Wochen alt, und zwar: fünf Männchen, 113—117, und sechs Weibchen, 118—123. Bei diesen Tieren wurde Mitte Juli 1910 folgende Eingriffe vor- genommen: Hund 113. Kastration und Hypophysenexstirpation. Hund 114. Kastration. Hund 115. Hypophysenexstirpation. Hund 116. Hypophysenexstirpation. Hund 117. Kontrolltier. Über die Funktion der Hypophyse. 69 Hund11S. Schilddrüsenexstirpation und Hypopbysenexstirpation. Hund 119. Schilddrüsenexstirpation. Hund 120. Exstirpation des Vorderlappens der Hypophyse. Hund 121. Exstirpation des Hinterlappens der Hypophyse. Hund 122. Totalexstirpation der Hypophyse. Hund 123. Kontrolltier. Die Tiere 113—119 gingen alle innerhalb der ersten 3 Monate nach der Operation zugrunde. Am frühesten Hund 118, trotz Zurücklassung des oberen Schild- drüsenpoles beiderseits mit je einem Epithelkörperchen. Fxitus nach 3 Wochen unter Abmagerung ohne auffallende Er- scheinungen. Hund 119 überlebte den Eingriff 5 Wochen; auch er bot ausser Abmagerung und Kachexie keine auffallenden Symptome. Beide Hunde blieben im Wachstum und in der Genitalentwicklung voll- kommen stehen. Schwund des Fettes der interstitiellen Eierstock- drüse in beiden Fällen. Von Hund 113 und 114 blieb der erstere auffallend im Wachstum zurück und zeigte auch stets die infantile Lanugobehaarung, mit einem Stich ins Rötliche der sonst schwarzen Haarfarbe. Exitus von Hund 113 2 Monate nach der Operation. Hund 114 wird zur gleichen Zeit getötet. Hund 115 und 116 bleiben in gleicher Weise im Wachstum zurück; das Aussehen derselben unterscheidet sich nicht viel von dem des Hundes 113. Die beiden Hunde gingen 5 Monate nach der Operation ein, das Kontrolltier 117 wird zur gleichen Zeit getötet. Obduktionsbefund: Hypophyse in beiden Fällen vollständig fehlend, das Genitale des männlichen Kontrolltieres entspricht dem Zustand nahe der Geschlechtsreife, das von 115 und 116 ist ent- sprechend dem auch sonst gut ausgeprägten hypophysipriven Habitus infantil geblieben. Hund 121. Weibchen. Mitte Juli 1910. Exstirpation des Hinterlappens der - Hypophyse. Der Hund magert in der ersten Zeit ein wenig ab, bleibt aber an Grösse nicht zurück und gleicht später ganz dem Kontrolltier. Exitus Ende Februar 1911 an Pneumonie, ca. 10 Monate alt. Obduktionsbefund: Der Vorderlappen der Hypophyse ist gut er- halten, der Hinterlappen fehlt vollständig. An den übrigen Organen 70 Bernhard Aschner: normale Verhältnisse; insbesondere entspricht auch das Genitale dem eines normalen virginellen geschlechts- reifen Hundes. Abnorme geschlechtliche Reizbarkeit (Cushing) oder, wie B. Fischer aus theoretischen Gründen postuliert, Hypoplasie des Genitales nach Ausfall des Hinterlappens der Hypophyse, wurde nicht beobachtet, ebensowenig wie Verfettung. Hund 120. Weibchen. Mitte Juli 1910. Exstirpation des Vorderlappens der Hypophyse. Ein Jahr nach der Operation lebt der Hund noch. Gewicht 10000 e. Vorübergehende scnwache Brunsterscheinung. Im Mai 1911 Respirationsversuch. Hund 122. j Hund 123. Fig. 47. Hund 122, 4 Wochen nach Totalexstirpation der Hypopbyse. Hund 123 Kontrolltier. Hund 122. Weibchen. Mitte Juli 1910. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus 7 Monate nach der Operation an Pneumonie. Der Hund ist im Wachstum vollkommen stehen geblieben und entspricht in Grösse und Gewicht ungefähr einem 3 Monate alten Tiere. Auch das Genitale ist entsprechend infantil geblieben: Uterus halb blei- stiftdiek. Mikroskopisch keine reifen Follikel, Uterindrüsen noch wenig entwickelt. Hund 123. Weibehen, Kontrolltier. Wird 1 Jahr nach der Operation getötet. Gewicht 36000 g. Über die Funktion der Hypophyse. 71 Obduktionsbefund: Epiphysenfugen geschlossen, Gebiss voll- kommen ausgebildet. Genitale: Uterus fingerdick, voll entwickelt. Die Ovarien enthalten sprungreife Follikel und Corpora lutea der Brunst. Der Hund war zwischen dem 10. und 12. Lebensmonat der -Norm entsprechend läufig gewesen. Im Mai 1911 Respirationsversuch. Versuch 127—129. Drei Hunde von gleichem Wurf, 2 Monate alt. Ende September 1910 wird bei allen drei Tieren die Totalexstirpation der Hypophyse vorgenommen (Physiologenkongress). Hund 127. Exitus nach 3 Tagen an Infundibulumverletzung. Experimenti causa waren mechanische Reizungen der Hirnbasis vorgenommen worden. Hund 1238. Exitus 2 Monate nach der Operation an Pneumonie mit typischem hypophysiprivem Habitus. Hund 129. Exitus am 16. Mai 1911 im Alter von 9!/e Monaten, Gewicht 5900 g, hypophysipriver Habitus. 2. Versuche an jugendlichen Tieren, welche die Hypophysen- exstirpation nur so kurze Zeit überlebten, dass trophische Störungen sich noch nicht ausbilden konnten. Versuch 2. 6 Wochen altes Weibchen, 2100 g schwer. 24. Dezember 1908. Totalexstirpation der Hypophyse. FExitus 4 Wochen später an Pneumonie. Die Gaumenwunde dehiszent, sonst äusserlieh am Hunde keine Veränderungen zu bemerken, von einer leichten Abmagerung abge- sehen. Auch an den inneren Organen kein auffallender Befund. Mersch 8 Wochen alter weiblicher Hund, 2700 g schwer. Am 24. Mai 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus 6 Wochen später an Pneumonie. Am Tage nach der Operation leichte Glykosurie, 0,15 g Zucker. 72 Bernhard Aschner: 24. Juni. 3 eem Adrenalin subkutan. Der Harn des folgenden Tages zeigt minimale Reduktion. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, starker Gaumendefekt, der zu einer schleichenden Lobulärpneumonie die Veranlassung gegeben haben dürfte (vgl. Versuch 2). Versuch 8. 3 Monate alter Hund, Männchen, 3700 g schwer. 25. Juni 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus 8 Wochen später an Staupe. 8. Juli. 2 eem Adrenalin subkutan. 9. Juli. Reduktion kaum angedeutet. 22. Juli. 3 cem Adrenalin subkutan. 23. Juli. 0,3 g Zucker im Harn. 30. August. Der Hund war einige Zeit hindurch apathisch, ver- weigerte die Nahrungsaufnahme. Absonderung von Schleim und Eiter aus der Nase. Streckkrämpfe. In diesem Zustand wurde der Hund getötet. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, Infundibulum breit mit der Schädelbasis verwachsen, keine Anzeichen von Infektion des Gehirnes. Schilddrüse klein und blass, minimale T'hymusreste. Lobulärpneumonie, Leber verfettet. Das Genitale ist in der Ent- wicklung stehengeblieben und entspricht ungefähr demjenigen eines ömonatigen Hundes. Die Hoden sind bohnengross, die Samen- kanälchen sind weit und enthalten stellenweise besonders an der Peripherie ein bis zwei Epithelschichten. Spermatogonien sind ver- hältnismässig wenig vorhanden. Das Lumen der Kanälchen ist durch Sekretfäden und detritusähnliche Massen ausgefüllt, der Fettbestand ist reduziert. Prostata infantil. Ein normaler Hoden in diesem Stadium damit verglichen ist fast doppelt so gross, zeigt schon Bildung von Spermatozyten und intensivere Fettanhäufung in Zwischenzellen und Samenkanälchen. Versuch 12. 9 Wochen alter weiblicher Hund, 2500 g schwer. 23. Juli 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus 3 Wochen später an Staupe. 24. Juli. Das Tier ist munter, nimmt die dargebotene Milch. 1. August. Gaumenwunde gut verheilt, Wohlbefinden. Über die Funktion der Hypophyse. 73 10. August. Das Tier ist krank, Ausfluss von gelbem Eiter aus der Nase, Apathie. 12. August. Der Hund bekommt Streckkrämpfe, hält den Kopf konstant nach einer Seite. 14. August. Anscheinend deutliche Besserung. Der Hund frist wieder, ist aber noch ziemlich matt. 16. August. Der Hund geht unter Streckkrämpfen und Schreien zusrunde. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, Infundibulum an der Schädelbasis angewachsen, an Hirnhäuten und Gehirn keine Zeichen von Eutzündung. Lobulärpneumonie. An den inneren Organen niehts Auffallendes. Im Ovarium fehlt das interstitielle Fett gänzlich. Versuch 15. 8 Wochen altes Weibchen, 3500 2. 2. August 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus nach 12 Tagen an Lobulärpneumonie; Dehiszenz der Gaumenwunde nach mehrtägigem Husten. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen entfernt, Lobulär- pneumonie, allgemeine Abmagerung. Auch in den Ovarien ist das interstitielle Fett stark reduziert. Versuch 17 und 18. Zwei Hunde von gleichem Wurf, 2 Monate alt, beide 2800 g schwer. Hund 17. Männchen. 5. August 1909. Totalexstirpation der Hypophyse und beider- seitige Kastration. Exitus 25 Tage später an Staupe. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, Lobulär- pneumonie. Hund 18. Bleibt Kontrolltier. Erkrankt gleichfalls an Staupe, übersteht dieselbe jedoch und wird zum Vergleich getötet. An den inneren Organen, gegenüber dem Hund 17, kein bemerkenswerter Unterschied. Ergebnis: Die im vorstehenden Kapitel zusammengestellten Versuche zeisen einerseits, dass Störungen in der Verheilung der Gaumenwunde meist Siechtum der Tiere und Zugrundegcehen der- selben an Lobulärpneumonie herbeiführen. 74 Bernhard Aschner: Anderseits sind die Hunde durch die Hypophysenexstirpation in ihrer Widerstandskraft an sich geschwächt und erliegen Infektions- krankheiten viel leichter als die Kontrolltiere. Die häufigste Infektions- krankheit bei jungen Hunden ist die Staupe, die mit Erkrankungen der Luftwege, des Darmtrakts und Lähmungserscheinungen einher- gehen. Ob die bei einigen Versuchstieren aufgetretenen Streckkrämpfe auf Rechnung der Staupe zu seizen sind oder auf die nach der Hypophysenexstirpation sich entwickelnde Narbe zwischen Tuber einereum und Schädelbasis, muss vorläufig noch dahingestellt bleiben. Dass der Ausfall der Hypophyse allein in der Regel nicht zu Streckkämpfen führt (Cachexia hypophysipriva der Autoren) geht aus dem vorigen Kapitel hervor. Dagegen scheinen einige Versuche, bei denen eine Hirnschädigung direkt nachgewiesen werden konnte, zu beweisen, dass Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirnes selbst (Meningitis, Narbenzug) sehr leicht Streckkrämpfe auslösen können. ö. Trophische Störungen nach Hypophysenexstirpation an erwachsenen oder fast erwachsenen Tieren. Versuch |]. 6 Monate alter weiblicher Hund, 4000 g. 3. Dezember 1908. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus 8!/2 Monate später an Staupe, also im Alter von 14!/e Monaten. 7. Mai 1909. 5 cem Adrenalin subkutan. 8. Mai. Im Harn 0,7 g Zucker (Herabsetzung der Adrenalin- glykosurie). 20. Mai 1009. 3 cem Adrenalin subkutan, Gewicht 4800 g. 21. Mai. Nicht titrierbare Mengen Zucker im Harn. 50. Mai 1909. 2 cem Adrenalin subkutan, Gewicht 5000 g. 3l. Mai. Nur minimale Spuren Zucker im Harn. Anfang Juli 1909. Leichte Brunsterscheinungen, angeblich auch Begattung. 30. Juli. Blutpräparat aus der Ohrvene entnommen, zeigt deut- liehe Vermehrung der eosinophilen Zellen. 10. August 1909. Das Tier. geht nach achttägiger Erkrankung an Staupe zugrunde. Über die Funktion der Hypophyse. 75 Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, Infundibulum an der Schädelbasis angewachsen. Knochenwunde vollkommen ver- heilt. Schilddrüse klein und blass, geringe Thymusreste, frische Lobulärpneumonie, Leber stark fettig degeneriert, Epiphysenfugen der Knochen teils offen, teils geschlossen. Das Genitale unterscheidet sich nicht viel von dem eines normalen erwachsenen Hundes: Der Uterus ist fast bleistiftdiek, leicht injiziert. Mikroskopisch sind die Zeichen der abklingenden Brunst usw. im Stadium der Drüsenhypoplasie zu konstatieren. In den Drüsen ist jeduch nur wenig Sekret nachweisbar. Die Ovarien sind kleinbohnengross und enthalten mehrere Corpora lutea; die Follikel sind gut ausgebildet. Die interstitielle Drüse wenig entwickelt. Ergebnis: Bei einem schon nahe der Geschlechtsreife befindlichen Hunde erzeugte die Totalexstirpation der Hypophyse bis auf leichte Unterentwicklung des Genitales und verzögerten Verschluss der Epiphysenfugen keine sehr auffallenden trophischen Störungen. Funktionell scheint der Eintritt der Brunst, die sonst zwischen dem 10. und 12. Lebensmonat zum erstenmal sich einstellt, um einige Monate verspätet zu sein. Eine Gravidität kam trotz erfolgter Begattung nicht zustande, so dass die vorgefundenen Corpora lutea als Corpora lutea menstruationis aufgefasst werden müssen. Versuch 37. 7200 g schwerer weiblicher Hund, 7 Monate alt (fast geschlechts- reif), sehr lebhaftes Tier. 23. September. Totalexstirpation der Hypophyse. 1. Oktober 1909. Im Blutpräparat geringe Vermehrung der Lymphoeyten und der eosinophilen Zellen. 7 Uhr abends. 5 ccm Adrenalin subkutan. Der Hund wehrt sich nicht gegen die Injektion, macht keine Schmerzäusserung, be- kommt keinen Tremor, kein Erbrechen, macht auch keine Versuche, aus dem Käfig zu entkommen. 2. Oktober früh. 250 ccm Harn, 2,5 g Zucker enthaltend. Abends. 250 eem Harn, keine Reduktion. Der Hund zeigt also deutliche Polyurie, aber nur verhältnis- mässig geringe Glykosurie. Körpergewicht 6900 eg. 76 Bernhard Aschner: 1. Dezember 1909. 9800 ge. Der Hund zeigt mässigen Fett- ansatz am ganzen Körper, sein Temperament ist auffallend ruhig ge- worden, Temperatur 38,7. 13. Februar 1910. 4!/s Monate nach der Exstirpation des linken Ovariums und der halben linken Tube zum Zwecke histologischer Untersuchung im Alter von 11!/s Monaten. Uterus leicht injiziert, die Ovarien zeigen mehrere sprungreife Follikel, noch kein Corpus luteum. Interstitielle Eierstocksdrüse mässig entwickelt. 1!/a Jahre später, also im Alter von ungefähr 2'/« Jahren, wird der Hund getötet. Obduktionsbefund: mässiger Fettansatz im Unterhautzellgewebe und an den inneren Organen, dieHypophyse fehlt vollständig. Sonst nichts Bemerkenswertes. Epiphysenfugen der Knochen verstrichen, Infundi- bulum in eine Spitze ausgezogen und an der Schädelbasis adhärent. Genitalbefund: Uterus virginal, blass, mit deutlicher Längs- streifung. Das zurückgelasssene rechte Ovarium enthält ein etwa linsengrosses Corpus luteum; mikroskopisch zeigt der Uterus die Zeichen der abklingenden Brunst. Oberflächliche und tiefe Drüsen gut ausgebildet mit geringen Sekretionserscheinungen. Interstitielle Eierstoekdrüse mässig entwickelt. Der Hund hatte vorübergehend Anzeichen von Brunst gezeigt. Das im zurückgelassenen Ovarium vorhandene Corpus luteum muss wieder als Corpus luteum menstruationis gedeutet werden. Ergebnis: Bei einem 7 Monate alten, also fast erwachsenen Hunde hat die Hypophysenexstirpation ausser mässigem Fettansatz, leichtem Absinken der Temperatur, geringer Depression des Charakters und der Geschlechtstätigkeit, endlich leichter Herabsetzung der Adrenalinglykosurie keine auffallenden Störungen hervorgerufen. Versuch 9. Erwachsener männlicher Hund, 9700 g. 1. März 1910. Exstirpation der Hypophyse und eines Hodens. 27. Juni 1910. Gewicht 10000 g, geringer Fettansatz, der Hund wird getötet. Die Untersuchung des zurückgelassenen Hodens er- gibt, dass derselbe an Grösse eher zugenommen hat (vikariierende Hypertrophie), doch sind an der Peripherie des Organs leichte An- zeichen von Atrophie der Samenkanälchen mit Irregularitäten am Epithel derselben zu beobachten. Die Spermatogenese ist erhalten. Über die Funktion der Hypophyse. 77 Die Fettverteilung in der Pheripherie ist nicht so typisch wie bei den Kontrollhoden, in dem besonders die Zwischenzellen weniger grosse Fettkörper enthalten. Ergebnis: Ein erwachsener männlicher Hund zeigt 4 Monate nach der Totalexstirpation der Hypophyse nur leichten Fettansatz und geringe Schädigung des Hodens in seiner Peripherie als einzige erkennbare trophische Störung. Versuch 99. Weiblicher Hund, 6600 g. 1 Jahr alt. 20. April 1910. Totalexstirpation der Hypophyse und eines Ovariums. 25. Juni 1910. Der Hund wird getötet. Gewicht 7200 g. Obduktionsbefund: Hypophyse vollkommen fehlend, Infundibulum an der Schädelbasis angewachsen, mässiger Fettansatz. Innere Organe normal. Das Ovarium zeigt im Vergleich zu dem vor 2 Monaten exstirpierten Ovarium leichte Abnahme des interstitiellen Drüsen- gewebes; die Follikel sind leicht geschädigt. Versuch 106. Dackelweibehen, 4500g. 8 Monate alt, virginal, fast geschlechtsreif. 18. Mai 1910. Exstirpation des Hypophysenvorder- lappens und eines Ovariums. 4. Juli 1910. Exitus an rasch verlaufender Pneumonie. Obduktionsbefund: ganz analog dem vorangehenden. Ergebnis: Bei erwachsenen oder fast erwachsenen weiblichen Tieren ruft Hypophysenexstirpation ausser mässigem Fettansatz nur leiehte Schädigung der Ovarialfollikel hervor. Von einer Atro- phie des Genitales (Cushing) kann dabei nicht ge- sprochen werden. 4. Versuche an erwachsenen Tieren mit Hirnschädigung. Versuch 2. Erwachsener männlicher Hund, 8000 eg. Zur Bestimmung des Hungereiweissumsatzes und der Adrenalin- glykosurie hungert das Tier 5 Tage; am Abend des vierten Tages 5 eem Adrenalin subkutan (25. August 1909), worauf das Tier mit starker Glykosurie und anderen Sympathieus-Reizerscheinungen re- agiert (s. das VI. Kapitel). 78 Bernhard Aschner: 11. September 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. - Vom 15.—19. September Hunger, dann 5 ecem Adrenalin sub- kutan. Auffallend geringere Glykosurie und geringe Sympathieus- Reizerscheinungen. 22. September. An der Injektionsstelle ein geringes Infiltrat. Wohlbefinden. Der Hund ist munter und frisst. 26. Oktober. Der Hund hält den Kopf immer nach links seit- wärts und geht auch nach links herum im Kreis, starker Haarausfall, besonders in der linken Gesichtshälfte bemerkbar. 28. Oktober. Exitus unter Streckkrämpfen. Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, die Plombe fehlt; bei der Loslösung des angewachsenen Infundibulums von der Schädelbasis quillt reichlich Eiter aus dem 3. Ventrikel. (Sekun- däre Infektion durch vorzeitige Loslösung der Plombe?) An den inneren Organen sind die Zeichen hochgradiger Inanition zu bemerken. Be- sonders auffallend tritt die Atrophie der Hoden hervor. Schon mit freiem Auge ist am Durchschnitt derselben der Schwund des Paren- chyms und die Verdiekung der Bindegewebssepta zu erkennen. Mikroskopisch findet sich Schwund des Epithels der Samenkanälchen besonders in der Peripherie des Organs, so dass vielfach nur Sertoli’sche Zellen die Kanälehen auskleiden. Im Zentrum des Hodens finden sich Degenerationserscheinungen an den Sperma- togonien und Spermatocyten. Das interstitielle Gewebe, auch die Zwischenzellen, sind eher vermehrt und enthalten sehr viel Fett, nirgends mehr eine Spur von Spermatogenese zu sehen. Auch in den Samenkanälchen ist reichlich feinkörniges Fett enthalten. Ergebnis: Der an diesem Versuchstier am meisten auffallende Befund, nämlich die hochgradige Atrophie des Hodens ist teils auf die Hypophysenexstirpation, teils auf die Inanition, zum grössten Teil aber wahrscheinlich auf die Meningitis zurückzuführen, da ja auch aus klinischen Beobachtungen bekannt ist, dass Erkrankungen des Gehirnes sehr rasch zum Verfall des Genitales führen können. Versuch 31. Erwachsener Spitzhund, Männchen, 8300 g. Am 23. September 1909 Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 26. September an eitriger Entzündung des 3. Ven- trikels nach vorausgegangenen Streckkämpfen. Über die Funktion der Hypophyse. 79 An deu inneren Organen fällt nur die beginnende Degeneration an den Epithelien der Samenkanälchen auf. Versuch 58. Erwachsenes Weibchen, virginal, 7500 @. 4. November 1909. Um die Wirkung des Druckes auf die Hirnbasis zu beobachten, wurde dem Tier nach Freilegung der Dura mit Umgehung der Hypophyse ®/s ccm geschmolzenes Paraffin in die Gegend des Tuber einereum eingespritzt. 5. November. Der Hund ist apathisch geworden, Herzschlag etwas arhythmisch, Temperatur auf 37° gesunken. Im Harn kein Zucker. 28. November. Exitus nach vorangegangener Kachexie. Ge- wicht 6600 g. Obduktionsbefund: Hypophyse intakt. Das Paraffın hat sich unterhalb des Tuber ceinereum bis zum Pons hinüber ausgebreitet und deutliche Impressionen an der Hirnbasis hervorgerufen. Die inneren Organe bieten einen für Inanition charakteristischen Befund. Der Uterus zeigt fettige Degeneration und Atrophie der Muskulatur; das Ovarium zeigt Degenerationserscheinungen an den Follikeln. Grössere Follikel sind überhaupt nicht zu sehen. Die interstitielle Drüse ist fast vollkommen geschwunden. Kein Corpus luteum. Ergebnis: Der durch den künstlichen Paraffıntumor hervor- gerufene Druck auf die Hirnbasis erzeugt Erscheinungen von Atro- phie am Genitale, wie sie durch Hypophysenexstirpation allein nicht erzielt werden können. Versuch &. 5000 g schweres Weibchen. 13. November. FExstirpation der Hypophyse. Beim Abreissen der Hypophyse vom Infundibulum fiel besonders die lebhafte Schmerz- äusserung auf. Exitus in der Nacht nach der Operation. 14. November. Obduktionsbefund: Hypophyse fehlend, Tuber einereum stark gerötet, in der vorderen Wand des >93. Ven- trikels, dort, wo die Hypophyse fest angewachsen war, ist eine kleine Öffnung zu sehen, in der ein Blutgerinnsel steckt. Das Abdomen ist infolge des enorm geblähten Magens stark aufgetrieben, ein Befund, der nach dieser Todesart öfters beobachtet wurde. 80 Bernhard Aschner: Versuch 64. Männchen, 6260 g. 16. November. Verletzung des 3. Ventrikels an seiner hinteren Wand mit Belassung der Hypophyse. Puls. nach der Operation langsam und arhythmisch. 17. November. Der Harn reduziert deutlich, Puls sehr arhyth- misch und beschleunigt. 17. November abends Exitus. In der hinteren Wand des 3. Ventrikels findet sich eine zirka hirsekorngrosse, blutig suffundierte- Öffnung. Die Hypophyse zeigt normalen Situs. Versuch 77. Erwachsenes Weibchen, 7200 ke. 18. November 1909. Totalexstirpation der Hypophyse. Exitus am 20. November nach breiter Eröffnung des o. Ventrikels. 5. Über die Wirkung der Hypophysenexstirpation an graviden Hunden. Versueh 11. Erwachsener gravider Hund, 12000 ke. Um zu untersuchen, ob die Hypophyse, die ja von allen (extra- senitalen) Blutdrüsen die ausgesprochenste Schwangerschaftsreaktion zeigt, für die Gravidität unentbehrlich ist, wurde bei diesem graviden Hunde am 16. Juli 1909 die Hypophyse vollkommen exstirpiert. Am 20. Juli 1909 erfolgte Abortus, zirka der siebenten Woche: der Gravidität entsprechend. Fünf lebende 10 em lange Föten.. Der Hund befand sich wenige Tage später ganz wohl, die Milch- sekretion versiegte ungefähr nach Ablauf einer Woche. Exitus 6 Wochen später an rasch verlaufender Pneumonie. Obduktionsbefund: Die Haut des Hundes von Krätze stark be-- fallen, lobuläre Pneumonie höheren Grades, starke fettige Degeneration der Leber. Hypophyse vollkommen entfernt, am Gehirn sonst keine: Veränderung zu sehen. Gaumenwunde gut verheilt, Schilddrüse: klein und blass. Allgemeine Lymphdrüsenschwellung. Uterus in puerperaler Involution, die übrigens etwas verlangsamt erscheint. Die Ovarien enthalten mehrere in Rückbildung begriffene: Über die Funktion der Hypophyse. sı Corpora lutea; sehr wenig Follikel in den Ovarien, interstitielle Drüse spärlich. Ergebnis: Während erwachsene Hunde Krätze, Staupe und Pneumonie sorst meistenteils gut überstehen, zeigen die an Hypo- physenexstirpation operierten Hunde allen diesen Erkrankungen gegenüber eine auffallend verminderte Resistenz (Ausfall eines ent- giftenden Organs). Ob die Unterbrechung der Gravidität durch die Fxstirpation der Hypophyse unmittelbar bedingt ist, lässt sich nicht nach diesen Versuch mit Bestimmtheit sagen. Um auszuschliessen, ob nicht vielleicht der operative Eingriff als solcher den Abortus hervor- rufen könne, wurde der folgende Versuch unternommen. Versuch 15. Trächtiger Pudel, 12000 g. Am 20. Oktober 1909 wird die Dura mater der Hypophysen- gegend blossgelegt und mit einer Plombe wieder verschlossen. Am 27. Oktober wurde nach Entfernung der Plombe die Hypo- physe selbst exstirpiert. Am 30. Oktober trat Abortus ein, entsprechend zirka der fünften Woche der Gravidität. Zwei lebende und ein toter Fötus. Ergebnis: Durch diesen Versuch war wohl gezeigt, dass nicht der erste Akt dieser Operation, sondern erst der zweite die Schwanger- schaft unterbrochen hat. Auszuschliessen war freilich auch dabei nieht, dass nicht nur der Ausfall der Hypophyse, sondern vielleicht ‚auch der dadurch an der Hirnbasis gesetzte Reiz die Ursache der 'Schwangerschaftsunterbrechung war. Um dieser Frage näher zu treten, wurden späterhin Reizversuche am Tuber einereum bei graviden ‘Tieren vorgenommen (siehe das IV. Kapitel). Versuehr24: Hochträchtiger Spitzhund. Am 7. August 1909 totale Exstirpation der Hypophyse. 19. August. Einschiessen von Milch in die Brustdrüsen, das ‘Tier wirft fünf fast reife Junge, dieselben gehen aber alle in den nächsten 2 Tagen zugrunde. 20. August. Fäden entfernt, Wohlbefinden. 3. September. Der Hund hustet. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 6 82 | Bernhard Aschner: 6. September. Exitus 20 Tage nach der Operation an Staupe (herabgesetzte Resistenz). ; Obduktionsbefund: Hypophyse vollständig entfernt, Gaumen- wunde gut verheilt, ausgebreitete Lobulärpneumonie. An den inneren Organen sonst nichts Auffallendes. Der über daumendicke Uterus zeigt verlangsamte Involution, da noch reichliche Deziduarreste vorhanden sind. Die Ovarien ent- halten mehrere Corpora lutea, aber nur sehr wenig interstitielle Drüse. Der Follikelapparat ist ziemlich gut erhalten. 6. Zusammenfassung der trophischen Störungen nach Hypophysenexstirpation. _ Es muss vor allem hervorgehoben werden, dass bei er- wachsenen Tieren die trophischen Störungen nur sehr geringe, oft kaum merkliche sind. Wurden ja auch bei der Thyreoidektomie, insoweit sie mehrere Monate lang überlebt werden konnte, an erwachsenen Tieren keine nennenswerten, charakteristischen und konstanten trophischen Störungen beobachtet. In unseren eigenen Versuchen stellte sich am ehesten noch ein mässiger Grad von Fettsucht ein, aber auch diese erreichte nie eine solche Höhe, wie dies Cushing angibt; Gewichtszunahmen bis etwa. auf ein Drittel des ursprünglichen Körpergewichts kommen bei er- wachsenen Tieren nach Hypophysenexstirpation nicht vor. Leichte Depression des Charakters, geringes Absinken der Tem- peratur unter die Norm, leichte Herabsetzung der Adrenalinglykosurie, Herabsetzung der allgemeinen Widerstandsfähigkeit und endlich leichte- Schädigung der Keimdrüsen ist alles, was die Hypophysenexstirpation. an erwachsenen Tieren zur Folge hat. Der von Cushing für charakteristisch gehaltene Haarausfall dürfte nach eigenen Versuchen darauf zurückzuführen sein, dass die- hypophysipriven Hunde vermöge ihrer herabgesetzten Widerstands- fähiekeit gegen alle Infektionen auch von der Krätze (Seabies, Tricho- phyton) stärker befallen werden. Nach ausgiebiger Behandlung mit Scehwefelsalbe verschwindet dieser Zustand bei hypophysipriven Tieren ebenso wie bei normalen Hunden, und die Behaarung stellt sich wieder ‘ein. Bestehen jedoch Komplikationen von seiten des Gehirns (Meningitis oder die das Gehirn sicherlich beeinträchtigende Dislokation. Über die Funktion der Hypophyse. 83 desselben nach der Cushing’schen Methode), dann kann dieser Haarausfall (idiopathischer) auf trophischer Störung beruhen. Zugleich mit der Depression des ganzen Charakters wird auch Herabsetzung des Geschlechtstriebes bei erwachsenen Tieren be- obachtet. Ganz unterdrückt wird derselbe jedoch nicht. Die von Cushing beschriebene „Erotomania“ nach Exstirpation des Hinter- lappens konnte nicht beobachtet werden. Zu auffallenden und charakteristischen Störungen führt die Hypophysenexstirpation nur bei jugendlichen Tieren. Wenn man am Ende des zweiten Monates nach der Exstirpation der Hypophyse die operierten Tiere mit den normalen Kontrolltieren vergleicht, so hat man auf den ersten Blick den Eindruck, als ob die Tiere gar nicht von derselben Rasse, geschweige denn vom gleichen Wurfe wären. Neben dem im Alter von 4 Monaten ge- wöhnlich sehr lebhaft beweglichen Kontrollhund nehmen sich die stillen, bewesungsarmen, fettleibigen und im Wachstum schon fast um die Hälfte zurückzebliebenen operierten Tiere wie kleine Bären aus, die anscheinend vom Gewicht ihres fetten Bauches beschwert, am liebsten in einer Ecke auf den Hinterbeinen sitzen. Sie kümmern sich wenig um ihre Umgebung, spielen und bellen nicht, zum Unter- schied gegen die Kontrolltiere. Die Temperatur der operierten Tiere ist konstant, um 1—1!/2° niedriger als die der Kontrolltiere (z. B. 38° gegen 39,5°). Auch bei näherer Betrachtung zeigen die Hunde gegenüber den Kontrolltieren grosse Unterschiede, die nun nach Organsystemen geordnet im Zusammenhang besprochen werden sollen. Behaarung und Haut. Das Kontrolltier ist nicht nur an Grösse und Gewicht (um diese Zeit schon gewöhnlich um das Doppelte) voraus, sondern hat auch besonders bei kurzhaarigen Rassen slänzende straffe Haare, während die operierten Tiere noch ihr weiches, krauses Wollhaar (Lanugo- behaarung) besitzen. Auch die Krallen der operierten Tiere sind bedeutend weniger entwickelt. Das Unterhautzellgewebe des ganzen Körpers, besonders aber des Bauches, ist von sehr starken Fettmassen bis zu einer Dicke von 4-5 cm durchsetzt. Mikroskopisch findet man an der Haut an keiner Stelle des Körpers irgendwelche Ver- änderungen, welche etwa ein Analogon zum Myxödem bilden würden; vielmehr zeist die Haut andauernd die zarte Struktur des Kindesalters. 6 * 84 Bernhard Aschner: An den Weichteilen der oberen und unteren Extremität, an der Schnauze und an den Ohren sind nirgends Verdickungen zu finden, wie sie von jenen Autoren erwartet wurden, die durch Exstirpation der Hypophyse akromegalieartige Störungen hervorrufen wollten, vielmehr sind alle diese Körperteile vollkommen proportioniert. Das Gebiss. Während bei normalen Hunden in der Regel im vierten bis fünften Lebensmonat der Zahnwechsel stattfindet, persistiert bei hypophysipriven Hunden das Milchgebiss zeitlebens; nur kommen segen Ende des ersten Lebensjahres hinter dem Milchgebiss einzelne dauernde Zähne (Schneide- und Eckzähne) hervor, so dass dann eine doppelte Zahnreihe entsteht (Fig. 20). Dabei sitzen die Milch- zähne vollkommen fest. Bei unvollkommener Hypophysenexstirpation tritt der Zahn- wechsel verspätet oder unvollständig ein. Knochensystem. Normalerweise tritt beim Hunde der Verschluss der Epiphysen- fugen gegen Ende des ersten Lebensjahres ein. Im Alter von 10 Monaten hat das Skelett gewöhnlich schon seine definitive Grösse erreicht; auch die Verkalkung der platten und Röhrenknochen ist um diese Zeit gewöhnlich schon abgeschlossen. Exstirpationen der Hypophyse an erwachsenen Tieren können in dieser Richtung auffallende Veränderungen des Knochensystems nicht hervorrufen. An Tieren in den ersten Lebensmonaten dagegen erzeugt die Hypo- physenexstirpation ein dauerndes Offenbleiben der Epiphysenfugen, wie dies für den echten Zwergwuchs des Menschen postuliert wird (A. Paltauf). Dabei behält das Skelett seine kindlich zarten Proportionen. Mikroskopische Schnitte durch die Epiphysenfugen zeigen, dass die Knorpelzellsäulen in paralleler Anordnung sind und keine auf- fallenden Veränderungen, wie etwa bei der Rhachitis oder beim Kretinismus erkennen lassen (vgl. Fig. 23 und 23a). Osteoporose oder irgendwelche osteophytenartige Wucherungen wurden niemals beobachtet. Partielle Exstirpationen der Hypophyse oder Hypophysen- exstirpationen im späteren Jugendalter verzögern wohl den Ver- schluss der Epiphysenfugen, heben ihn aber nicht ganz auf. Cushing Über die Funktion der Hypophyse. 85 konnte deshalb über solehe Beobachtungen nicht berichten, und es beweist anderseits die dauernde Persistenz der Epiphysenfugen in unseren Versuchen die gelungene Totalexstirpation der Hypophyse. Ähnliche Ossifikationsstörungen wurden an jugendlichen Tieren bekanntlich nach Schildrüsenexstirpation erzeugt (Hofmeister, v. Eiselsberg u. a.), ferner nach Exstirpation der Thymus; in letzterem Falle sollen die Störungen jedoch mit der Zeit wieder ausgeglichen werden (Vogt und Klose, Basch, Ranzi und Tandler). | Die Exstirpation des Hinterlappens der Hypophyse erzeugt wie auch an den übrigen Organen ebenso am Knochensystem keine Veränderungen. Zentralnervensystem. Bei der Obduktion wurde immer sorgfältig auf die Entnahme des Gehirns geachtet. Dasselbe wurde in 4°/o Formalin oder Müller- Formol fixiert und in einer Anzahl von Fällen auch mikroskopisch untersucht. Das Tuber einereum und Infundibulum waren fast immer in eine Spitze ausgezogen und mit der Sella tureiea verwachsen. Serien- schnitte durch diese Region ergaben bei Tieren mit ausgeprägtem hypophisiprivem Habitus das vollständige Fehlen von Hypophysen- resten, von den (funktionell belanglosen?) Epithelsaumresten der Pars intermedia abgesehen. Die Untersuchung auf degenerierende Faser- züge in der Gegend des dritten Ventrikels, im Pons, in der Medulla oblongata und im oberen Anteil des Rückenmarks mittelst der Marchi- Methode führten vorderhand zu keinem positiven Ergebnis. Auch an den Sinnesorganen und an den peripheren Nerven konnten trotz darauf gerichteter Aufmerksamkeit keine Störungen wahrgenommen werden. Blut und Gefässsystem. Die Blutgefässe wurden in allen Fällen von kindlich zarter Be- schaffenheit angetroffen. Die histologische Untersuchung zeigte nir- gends, auch nicht bei der Kombination von Hypophysenexstirpation und Kastration degenerative Veränderungen. oder gar Verkalkungen, wie solehe bei thyreopriver Schafen von v. Eiselsberg beschrieben worden sind. Die Lymphdrüsen wurden in vielen Fällen vergrössert gefunden, doch handelte es sich dabei immer um Komplikationen mit anderen 86 Bernhard Aschner: Infektionskrankheiten. Allerdings war die Drüsenschwellung bei den thyreopriven Tieren immer erheblicher als bei den gleichfalls er- krankten Kontrolltieren. Das Verhalten der innersekretorischen Drüsen. An der Zirbeldrüse konnten nach der Hypophysenexstirpation keinerlei Veränderungen wahrgenommen werden, trotz des von einigen älteren Autoren und neuerdings durch v. Cyon wieder postulierten Zusammenhanges zwischen Hypophyse und Zirbeldrüse. | DieSchilddrüse warin der Regel nicht vergrössert; mikroskopisch zeigte sie jedoch Erweiterung der Alveolen durch reichlich produ- ziertes Kolloid, durch welches die Alveolarepithelien plattgedrückt wurden. An den Epithelkörperchen war keine wesentliche Veränderung zu sehen. In manchen Fällen fand sich Vergrösserung der Schilddrüse bis auf das Sechsfache und kolloide Entartung derselben (Versuch 60). Es handelte sich dabei regelmässig auch um einen Inanitions- oder Intoxikationszustand der Tiere durch Hunger, Adrenalin oder In- fektionskrankheiten, so dass man annehmen muss, dass die Struma dureh Überbeanspruchung der entgiftenden Organe, verstärkt durch das Fehlen der Hypophyse entstanden ist. Dabei zeigten auch die Epithelkörperehen kolloide Degeneration. Die Thymus blieb bei den in jugendlichem Alter operierten Tieren abnorm lang persistent, was auch mit dem Verbleiben der übrigen infantilen Charaktere im Einklang steht. Von einer Hyper- trophie derselben kann jedoch nicht gesprochen werden. Die Milz zeigte makroskopisch und mikroskopisch normales Verhalten, ebenso das Pankreas. Die Leber fiel regelmässig durch ihre helle, gelbe Farbe auf, dabei war die Leber nicht besonders vergrössert und in ihrer Kon- sistenz nicht wesentlich verändert. Mikroskopisch zeigte sich hoch- gradigste Fettinfiltratione Der Gehalt an Glykogen zeigte keine besonderen Abweichungen von der Norm. | Die Nieren waren der Grösse des Tieres entsprechend und fielen auf dem Durchschnitt durch ihre besonders die Markschichte betreffende weissliche Farbe auf. Auch dieser Befund wies bei mikroskopischer Untersuchung auf hochgradige fettige Degeneration des Organs hin. Über die Funktion der Hypophyse. 87 Die Nebennieren waren an sich nicht vergrössert, zeigten jedoch deutliche Verdiekung der Rinde auf Kosten des Markes, ein Befund, der eine Analogie bildet zum Verhalten der Nebennieren nach Kastration, in der Gravidität, bei Intoxikationen usw. Besonders stark war diese Rindenverdiekung bei Kombination von Hypophysen- exstirpation mit Intoxikationszuständen. Das Genitale. Am männlichen Genitale erwachsener Hunde bewirkt die Hypophysenexstirpation pathologische Veränderungen an den Epithelien der Samenkanälchen und am Fettbestand derselben, weniger an den Zwischenzellen. Die Schädigung macht sich hauptsächlich an der Peripherie des Hodens bemerkbar und führt bei stärkeren Graden zum vollständigen Aufhören der Spermatogenese. Raschere und stärkere Schädigung der Keimdrüse tritt bei Prozessen auf, die das Gehirn selbst betreffen, so z. B. bei Vereiterung des 3. Ventrikels. Ähnliche Rückbildungserscheinungen kommen allerdings auch durch Inanition aus anderen Ursachen zustande. Bei jugendlichen Hunden ist die Wirkung der Hypophysen- exstirpation auf das Genitale eine viel eingreifendere. In dem Stadium von 6—S Wochen, in welchem die Operation gewöhnlich vorgenommen wurde, ist der Hoden des Hundes gewöhnlich kleinbohnengross und noch nicht deszendiert. Die Samenkanälchen sind von zwei Reihen Zellen ausgekleidet und haben ein sehr enges Lumen. Im Alter von 4—5 Monaten wird die Epithelschichte dicker, und es treten zu den Spermatogonien noch die Spermatozyten hinzu. Im Alter von 6—8 Monaten findet man schon ausgebildete Spermatozoen. Im Alter von 8—10 Monaten tritt die volle Geschlechtsreife ein, der Hoden wächst aber noch bis zum Ende des ersten Lebensjahres. Das Fett der Zwischenzellen ist normalerweise grobkörnig, das in den Samenkanälchen mehr feinkörnig. Nach der Hypophysenexstirpation bleibt der Hoden in Grösse und histologischer Entwicklung zurück. Das Lumen der Samen- kanälchen wird auffallend weit, und man sieht nur zwei Reihen von auskleidenden Epithelien; letztere sind stark vakuolisiert, ähnlich wie dies von Hofmeister für den Hoden thyreopriver Kaninchen be- schrieben worden ist. Das freie Lumen ist mit Fäden und Sekret- Ss Bernhard Aschner: körnchen zum Teil erfüllt. Das Fett der Zwischenzellen ist ge- wöhnlich nicht auffallend verändert; nur in den ersten Wochen nach der Operation ist meist eine Abnahme desselben zu verzeichnen, Die Spermatogenese, welche sich sonst im 6. Monate einstellt, tritt um einige Monate verspätet auf und auch da nur spärlich und ganz atypisch. Auch Penis, Prostata und Vas deferens bleiben bedeutend kleiner Die Prostata behält lange Zeit infantilen Charakter. Während nämlich in der reifen Prostata weite, reich verzweiste Alveolen und Drüsen- gänge mit viel Sekret bestehen, sind die Drüseneänge der infantilen Prostata wenig verästelt und enthalten nur spärliches Sekret. Dementsprechend ist auch der Geschlechtstrieb der hypophysi- priven Tiere auf ein Minimum herabgesetzt. Er tritt ebenso wie die Spermatogenese um einige Monate verspätet auf und dauert nur ganz kurze Zeit an. Ausserhalb der Brunstzeit verhalten sich die operierten Männchen den Weibchen gegerüber vollkommen in- üfferent. Ganz analog sind die Verhältnisse bei weiblichen Tieren. Auch hier finden sich bei erwachsenen Hunden leichte Degene- rationserscheinungen an den Ovanrialfollikeln und Abnahme des Fettes der interstitiellen Drüse in den ersten Wochen nach der Hypophysenexstirpation. Am Uterus sind kaum wesentliche Ver- änderungen nachweisbar, auch nicht im Sinne der Kastrationsatrophie. Das Auftreten der Brunst wird bei erwachsenen Tieren zwar nicht ganz gehemmt, aber doch deutlich abgeschwächt. Eine Gravidität kommt dabei niemals zustande. Eine bestehende Gravidität wird durch Hirpophysenexstirpation unterbrochen. Bei jugendlichen Weibchen sind die Genitalveränderungen wieder sehr auffallende. Das normale Hundeovarium enthält in den ersten 2 Monaten in seiner Rindenschichte noch keine reifen Follikel, sondern nur kleine unentwickelte Ureier. In der Marksubstanz ist reichlich inter- stitielles Fett enthalten. Im Alter von 3—4 Monaten wachsen normalerweise die Ureier zu Graaf’schen Follikeln heran. Im Alter von 4—6 Monaten findet man schon sehr grosse, im Alter von 6—8 Monaten schon sprungreife Follikel, im Alter von &—12 Monaten allenfalls auch schon Corpora lutea der Brunst. Über die Wunktion der Hypophyse. 80 Der Uterus ist in den ersten 4 Monaten sehr dünn, bei Hunden mittlerer Grösse ungefähr strieknadeldiek. In den nächsten 4 Monaten erreicht er allmählich Bleistiftdicke, bei grösseren Rassen Kleinfinger- bis Fingerdieke. Mikroskopisch sind anfangs nur oberflächlich ge- legene Drüsen und schwach ausgebildete Muskulatur vorhanden. Später kommen die tiefen Drüsen und die Krypten an der Oberfläche hinzu. Schliesslich gegen den 8. Monat werden die Erscheinungen der Brunst durch Hyperämie und stärkere Drüsenentwicklung ein- geleitet, wie sie Keller im Detail beschrieben hat. Nach Exstirpation der Hypophyse in den ersten 3 Lebensmonaten zeigt sich ungefähr innerhalb der ersten 6 Wochen eine starke Ab- nahme der interstitiellen Drüse, fast bis zum Schwund derselben. Die Entwicklung der Ureier zu Follikeln wird bei den operierten Tieren um vieles verzögert, auch bleiben die Follikel stets auffallend spärlicher als bei normalen Tieren. Eine vollständige Gleichwertig- keit der Keimdrüsen mit denen der normalen Tiere wird nie, auch nach vielen Monaten nicht erreicht. Trotzdem kann eine rudimentäre Brunst auftreten, die sich äusserlich in einer sehr spärlichen, schlei- migen, aber niemals blutigen Sekretion aus der Vulva äussert. Die Kongestion und Anschwellung des Uterus ist nur gering, die men- struelle Drüsenhyperplasie ist ebenfalls nur wenig ausgebildet. Sprungreife Follikel sind dann nur in spärlieher Zahl vorhanden. Während man normalerweise in jedem Ovarium zur Zeit der Brunst 2—5 sprungreife Follikel und später ebenso viele Corpora lutea findet, wird bei operierten Tieren gewöhnlich, wenn überhaupt so nur ein sprungreifer Follikel resp. Corpus luteum angetroffen. Alle diese trophischen Störungen werden in gleicher Weise durch die Exstirpation der ganzen tlypophyse ebenso wie durch die Exstirpation des Vorderlappens allein hervorgerufen. Der Hinterlappen der Hypophyse ruft diese Erscheinungen bei seinem Ausfall nicht hervor. In je jüngerem Alter der Eingriff vorgenommen wird, desto tiefgreifender fallen die Störungen aus; bei erwachsenen Tieren be- schränken sich dieselben auf ein Minimum, bei halbwüchsigen Tieren werden durch die Hypophysenexstirpation Mischformen erzeugt. 90 Bernhard Aschner: Anhang: Über die Wirkung von Hypophysenfütterung, Hypo- physenextraktinjektionen und Hypophysentransplantationen auf das Körperwachstum. Es dränset sich nun die Frage auf, ob man imstande ist, die durch Hypophysenexstirpation hervorgerufenen Ausfallserscheinungen durch Zufuhr von Hypophysensubstanz in ähnlicher Weise rückgängig zu machen, wie die thyreopriven Symptome durch Schilddrüsenzufuhr. Da bisher noch keine einwandfreien Hypophysenexstirpationen vorlagen und in dieser Arbeit solche Fütterungen oder Transplantationen an operierten Tieren nicht vorgenommen wurden, harrt diese Frage noch ihrer Lösung. Es haben wohl Vassale und Sacchi ebenso wie Cushing bei ihren Tieren mit sogenannter Kachexia hypophysipriva (= Zustand nach Hirnverletzung) anscheinend vorübergehende Besserung durch Injektion von Hypoyhysenextrakt gesehen, doch müssen wir diese Versuche als nicht stiehhaltig bezeichnen (vgl. I. Kapitel). Zahlreiche Beobachtungen liegen dagegen über den Einfluss von Hypophysenfütterung und Hypophysenextraktinjektionen auf das Wachstum des normalen Organismus vor (Caselli, Cerletti, Delille, Fichera, Franchini, Schäfer u. a.). Die Versuche ergaben aber widersprechende Resultate. In einigen Fällen wurde Fettansatz, Gewichtszunahme und leicht gesteigertes Knochenwachstum konstatiert; in anderen Fällen aber, besonders nach langen fort- gesetzten subkutanen Injektionen (Schädigung durch artfremdes Eiweiss) wurden die Tiere eher kachektisch und blieben im Wachs- tum zurück. Transplantationsversuche an normalen Tieren (Payr, Clair- mont und Ehrlich, A. Exner, Schäfer) zeigten, dass die Hypophyse zuerst wohl einheilt, aber nach einiger Zeit wieder voll- kommen resorbiert wird. A. Exner beobachtete übrigens bei seinen Tieren leichten Fettansatz und Zunahme des Körpergewichtes gegen- über den normalen Kontrolltieren. So wie in der Organotherapie der Schilddrüse sind auch bei der Hypophyse unzweideutige Erfolge nur im Zustande des Hypo- pituitarismus oder Apituitarismus zu erwarten. Eigene Fütterungs- versuche an einem hypoplastischen menschlichen Zwerg, bei dem eine Unterfunktion der Hypophyse angenommen worden war, ergaben nach Verabreichung mit Hypophysentabletten eine Wachstumszunahme Über die Funktion der Hypophyse. 91 von 7 em in 5 Monaten. Wenn das Individuum auch erst 16 Jahre alt war, so ist doch das geschilderte Längenwachstum als ein un- gewöhnlich rasches zu bezeichnen. Es dürften deshalb Versuche, das Wachstum durch Verabreichung von Hypophysensubstanz zu be- einflussen, an geeigneten menschlichen oder tierischen Material ihre Berechtigung haben; selbstverständlich kommt für die trophischen Wirkungen auch hier in erster Linie der Hypophysenvorder- lappen in Betracht. III. Über den Stoffwechsel der hypophysipriven Tiere. Mit Rücksicht darauf, dass den innersekretorischen Drüsen von Tag zu Tag ein immer grösserer Einfluss auf die Regulierung des Stoffwechsels eingeräumt wird, sollen in vorliegender Arbeit auch einige Grundzüge des Stoffwechsels der hypophysipriven Tiere unter- sucht werden, und zwar vorläufig das Verhalten der Tiere gegenüber experimentellen Glykosurien als ein Maassstab für den Kohlehydratstoffwechsel und der Hungereiweissumsatz. Ferner soll auch auf den respiratorischen Stoffwechsel, der in gemeinschaftlicher Arbeit mit OÖ. Porges an anderer Stelle aus- führlieher publiziert wird, hier kurz hingewiesen werden. Es sollen ‚diese Versuche auch eine Ergänzung zu dem von der v. Noorden’schen Schule aufgestellten Schema von der Wechselwirkung der inner- sekretorischen Drüsen bilden, da in letzterem die Einwirkung der Hypophyse auf den Stoffwechsel und auf das vegetative Nervensystem noch nicht berücksichtigt erscheint. 1. Der Hungerstoffwechsel der hypophysipriven Tiere. Nach dem Vorgang, welchen Eppinger, Falta und Rudinger zur Ermittlung der Grösse des Eiweissumsatzes bei schilddrüsenlosen Tieren eingeschlagen hatten, untersuchte ich auch an hypophysi- priven Tieren den Hungereiweissumsatz, wobei als ausschlaggebend für die Höhe desselben die Stickstoffausscheidung am dritten und vierten Hungertage pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht be- rechnet, angenommen wurde. Am Abend des vierten Hungertages bekamen die Tiere Adrenalin (Parke-Davis) subkutan, um die Unter- schiede in der glykosurischen Wirkung zu beobachten. Als Ver- gleichswerte für die normalen Verhältnisse diente die Grösse der Stiekstoffausscheidung unter gleichen Bedingungen an demselben Tier einige Zeit vor der Hypophysenexstirpation, soweit es sich um er- 93 Bernhard Aschner: [4 wachsene Tiere handelte. Bei jugendlichen Hunden wären diese Werte wegen der durch das Wachstum bedingten Gewichtszunahme und der daraus schon normalerweise erfolgenden relativen Abnahme des Eiweissumsatzes nicht in gleicher Weise verwendbar gewesen. Es wurden deshalb in diesen Fällen die Vergleichswerte von nicht- operierten Kontrolltieren gleichen Wurfes entnommen. Versuch 56. Erwachsener männlicher Hund, 6000 eg. Sam 3 1l=.|2% \ Nr Zeit == SE S Sol=5 es D 35 | merkungen | © |S° | | total |”. a 2 ) 5 at |, 2. ‚Nov. 6% abends bis \15 Hunger | 5,5 [39,6 |127 [3801 |o.ı198| = | — 1 | BR ar 9h früh bis & || "3, Nor. 74 abends hıo ; — | | 98 [1,386 lo 1a 0 1 ee ; 5,45[39,5| 116 [2,482 |0,106| — | — uud le \24,5 a 53 [39,3| 92 |1,sss | 0,080 | 0,362 | — h vf N 124 { ale: \5,25 38,8| 63 | 1,953 0,081 | 0372 | — a ee 14 | Hunger | — | — [121 [1,196 | 0,080 0,964 [3,184 1 7. Nov. 9h früh bis PN I ee. \ 9 t 5,3 [40,2] 55 [0,620 , 0,069 | 0,312 [0,196 Infolge der Adrenalininjektion lebhafte Schmerzäusserung, Auf- regungszustände, Adrenalinmydriasis. An der Injektionsstelle bildet sich eine kronengrosse Hautnekrose aus. 12. November 1909. Gewicht 5500 g. Totalexstirpation der Hypophyse. 1 o N = B-| ı © = Be- SS |&.:|5& in24Std. Nr. Zeit en Scls5 nd D 38 | merkungen 5 S°-|535[ total and K 107) gewicht en if h 1 | es N Hunger | 5,4 [39,1 [106 [2,017 0,14 — | — 122. Nov. 9h früh bis N 22. Nov. ar abends \ - » — | = [ 64 [0,962 [0,107 | °— Sm n{ an end is \o5 : 5,3 |ss,7| ss [1,722\0,069| — | — le en ; 525|33,9| s4 [1,114 |0,047 | 0214 | — 1 ıvf a Nee a! 38,5| 57 [1,017 |0,044 0208 | — 25. Nov. 6h abends bis R minim. „Nor. ah ha Hunger | — | — | 65 |0,678|0,048| 0232 num eh ° - Be era hs E 5,0 [39,7| 60 lo,568 0,044 0,210 | „ Über die Funktion der Hypophyse. 93 Der Hund ertrug die Adrenalininjektion ohne jede Schmerz- äusserung, nur geringe Sympathikusreizustände, Adrenalinmydriasis nur angedeutet. An der zweiten Injektionsstelle auch späterhin keine Nekrose. Versuch 60. Erwachsener weiblicher Hund, 8000 & Nr Zeit E- Be- S = =) & — ra D ; ES merkungen E SeIS$] total Br (ti | 1 a ande Die h15 | Hunger | 7,7139 I140 la1sıloam| — ana |}10 : | — | 68 |2043|0,204| — e j „23 Nor, 94 . hıa i | .[29-[91550,154| 2 a ee Yıo N — | — | 40. [0,975 0.098 — uf nes bie 124 i 14 138,6 72 |2,250 | 0,094 0,304 IV ! de $ un Dr 6h de = E _ | | 1. Dez. 6h abends } 2 { 5 ccm Adren. Yn,35 88,7 | 97 [0,997 | 0,111 | 0,362 v{ 1. os bis \o5 Hunger | 13 40,1| 185 Is '0,119| 0,391 [2,77 Nach Adrenalin starke Sympathikusreizzustände. Ausbildung einer Hautnekrose. 7. Dezember 1909. Gewicht 7950 g. Totalexstirpation der Hypophyse. E_ 2 el2.|28 E In2usta, Ne Zn E: en E EcH =3 total end R = N N le ee seine ee N : len 17. Dez. 64 30" abends h 2 » | ll = | 7 nd cs ul 23,5 e 7,45138,1| 54 | 1,927 |0,082 | 0,263 | — 18. Dez. 6h abends bis Q 5 2 1 nee Ei bis > 19. Dez. abds. F 1 a (| _19. Dez. 7h abends hıo { 5ccm Adren. I 38,1] 72 [0,604 | 0,060| 0,196 E en nes das lh24 | Hunger | 7,35139,0| 72 |1,004 |0,079| 0,2594] zur 94 Bernhard Aschner: Nach Adrenalin geringe Sympathikus-Reizerscheinungen. An der Injektionsstelle entsteht nur ein mässiges Infiltrat. Versuch %. Erwachsener weiblicher Hund, 7200 g. Zeit 5 _ Be E sie - in24 Std Nr. es = =. 85 stünd-| 7 Ds 1910 3S | merkungen | 5 | | | total”. De 7) 3 5 = lich en 8. April 6h abends bis Pr c er en abenae [1 24 | Hunger | 70 1394| 412 14084 0208| — | — 9. April 66 abends bis S N Rs an abends \ 95 & 6,85[ 39,8 | 317 [4,135 j0,125| 2 I 10. April Th abends bis g De, — | — | 140 [1,250 0,089 | 0315 | — II rüh 11. April 9b früh bis | 1 Ana lehehend. \ 11 6,8 [39,4| 98 | 0,935 | 0,085 | 0,301 | — 11. April 8h abends bis o SI12.April | < 8 | 12 apa» abenı. rn 116,75] 391 | 210 | 1,916 | 0,083 | 0,326 1a april > abend Hunger | | | 4071828] oe 000 er V 7 Yo ( }| 13. April 9% früh ee 6,7 | 40,2] 126 | 1,035 0,104 0,371 | 0,71 14. April 7b abends ” 4, Mai 1910. Totalexstirpation der Hypophyse. Ge- wicht 7800 g@. 5_ B = m.c.lä & N 2 Nr. Zeit 3= &= = 5° = = Sands in 24 Std. D See iltotali ee = S | merkungen 3 |a° [as] total Ten Körper NER | ‚| GE pie his Hunger | 7,6 138,5 | 124 |a,z87\0186| — | — en | I 1-| lm om] - | - Mai. a \23 ! 1,4 [38,2 150 l2213 0,096 — | — Tai ( ze > 7,25[38,2| 117 |1,928 0,079 0261 | — 12. Mai 65 30’ abends bis 13. Mai abds. e 6 IV | 18. Mai 6R 30" abends Yo A| dem Aaron. ft [379] 135 11,732 0,072 020 | — | a |t145| Hunger | — | — | 96 [1,173 0,080 0,275 |0,64 1114. Mai 9h früh bis : e minim. | nn Yıo t 6,9 139,9] 83 | 0,529 0,053 0,184 a Ergebnis aus Versuch 56, 60 und 9%. Bei erwachsenen Tieren wird die N-Ausscheidung am dritten und vierten Hungertage durch die Hypo- physenexstirpation um zirka ein Drittel gegenüber der Norm herabgesetzt. Es entspricht diese Versuchsanordnung Über die Funktion der Hypophyse. 95 ziemlich der von Eppineer, Falta und Rudinger an er- wachsenen thyreopriven Tieren, während den nun folgenden Ver- suchen an jugendlichen Tieren mit ausgesprochenem hypophysipriven Habitus noch kein Analogon in Form von Stoffwechselversuchen an myxödematösen Hunden gegenübergestellt werden kann. Von noch grösserem Interesse erschien die Untersuchung des Eiweissstoffwechsels bei Tieren, welche den höchsten Grad der hypo- physipriven Vegetationsstörung darboten, nämlich bei Hunden, die in Jjugendlichem Alter operiert worden waren. Als Vergleichs- tiere wurden nicht operierte Kontrollhunde gleichen Wurfes genommen (vgl. auch Kap. U, B. 1). Versuch 102, 103 und i04. Drei Hunde von gleichem Wurf, anfangs Mai 1910 ea. 2Y/a Mo- nate alt. Hund 102, Weibchen, 4600 g, bleibt Kontrolltier. Hund 103, Männchen, 4700 g, Hypophysektomie 6. Mai 1910. Hund 104, Männchen, 3200 g, von Haus aus abnorm klein geblieben, bleibt ebenfalls Kontrolltier. Versuch 102. Kontrolltier, Weibchen, anfangs Mai 1910 4600 ®, 21/2 Monate alt. 15. Juli. 12300 eg; Falk’sche Operation (Spaltung des Dammes). 18. August. 15200 e, 6 Monate alt. vj 22. Aug. 7h abends bis \ N „ _ = P=| - ı © N 2 — = >) = SS | li S Zeit -— 7 Be .— =) = S | tü d.| in 24 Std. ES | ‚stun pro kg 3 S | merkungen vo IS aeig= total | \. | Körper- = le lich | ! [0 9) a LEER YRS2 20 ER Re WEN 172" > ;|1 >. NER era en IR icht 15. Aug. 9b früh bis 19. Aug. 9h früh 19. Aug. 9b früh bis 20. Aug. 9h früh 20. Aug. 9b früh bis 21. Aug. 9h früh 21. Aug. 94 früh eh 24 Hunger 15,2] 39,7. | 742 | 6,627 10276 —— 24 $ 14,51 38,8 |337 [5,394 0,9255 — 24 > 14,01 38,7 |420 [3,618 0,150 | 0.258 22. Aug. früh Rn 24{ en HEX: »9,1[712 [3,550 0,148, 0,201 10 | Hunger | — [39,4 |724 | 1,626 0.163) 0,998 3,11 39,6 | 548 11,977 0141| 0,274 22. Aug. 9b früh 22. Aug. 9h früh bis 22: Aug. 7h abends 23. Aug. 9h früh — 2 6 ’ 96 Bernkard Aschner: Nach der subkutanen Adrenalininjektion treten Tremor, Mydriasis, Schmerzäusserung, Unruhe, Durst, Polyurie und starke Glykosurie auf. Nach einigen Tagen zeiet sich an der Injektionsstelle eine grosse Hautnekrose. Versuch 103. Männchen, 4700 g, anfangs Mai 1910 2!/g Monate alt. 6. Mai 1010. Totalexstirpation der Hypophyse. 18. Juli. 6100 g, typischer hypophysipriver Habitus; Adi- positas, allgemeiner Infantilismus, Hypoplasie des Genitales, träges Temperament. Der Hund ist um diese Zeit 6 Monate alt. Temperatur 37,9. I II III IV y | 13. Aug. 7h 30’ abds. U = = £ = N 2 Zeit SS Be- = asıE stünd. | 2 sd I © zZ -| pro kg 5S | merkungen & leela total lich | Körper- | = | gewicht 8. Aug. 7h abends bis : 5 9. Aug. Th abends 24 Hunger 5,9 [37,8 | 70 [2,726 |0,114| | — 9. Aug. 7h abends bis 10. Aug. St früh hıs le 2 1,7411,247.10,09610 7 10. Aug. Sh früh Bell 10. Aug. 64 30’ abds. 10,5 5,1 187,9 | 65 | 0,656 0,068 | — 10. Aug. 64 30’ abends bis 11. Aug. 9h früh |p 149 — | — | 67 |0,690 | 0,048 | 0,204 11. August 9b früh bis e e & en 30" abas |} 9,5 5,6 |37,9 | 49 [0,483 0,051 | 0,218 11. Aug. 6h 30’ abends E e = bis 12. Aue. Ih früh 1145 = — | 61 10,654 | 0,045 | 0,1% 12. August 9h früh bis 12. Aug. abds. : S 12. Aug. 7h 30’ abds. 1105 ccm Adren. 154 37,65] 47 | 0,639 | 0,061 | 0,271 12. Aug. 7» 30" abds. bis l13 Hunser | — 139,1 | 47 [0,981 | 0,073 | 0,324 13. Aug. Sh 30’ früh % >h D r co . 3 \ R 13. Aug. 5% 307 früh bis pi | E 38,8 (05 0,069 0,308 | ” Nach Adrenalin keine Polyurie, keine Sympathicus-Reizerschei- nungen, keine Hautnekrose. Versuch 104. Männchen, anfangs Mai 1910 3200 &, Kontrolltier, ven Haus aus abnorm geblieben. 18. Juli 1910. 5300 g (leichter als der operierte Hund). 8. August 1910. 7700 g, Temperatur 39,55; hat den hypo- physipriven Hund schon an Grösse und Entwicklung überholt. «Zahnwechsel, Anzeichen von beginnender Geschlechtsreife) Der Hund ist jetzt 6 Monate alt. 0,156 minin. | Spuren e Zei En Be- s ae) 2 = in 24Std. | (a 8. Aug. 7h abends bis ir ; Pen ce EN Sande bie IR \ N 185 R. u 5 . ee ai fh bis " & " 205 en nt > 10. Aug. 7h abends \ ” x ’ : ) = BU er a0’ abends 1235 2 725|39 |102|2,844 0,120 | 0,398 11. Aug. 65 30’ abends Br. > | nach an e 12. Aug. 7% 30’ abends ”" | 5ccm Adren. h, : ey: i 3 Rn Aug a0 = Hunger | — | — Jasolır1 En I ang 3hnachm. N 6,5 e 7,0 a 0,819 0,126 0,432 Über die Funktion der Hypophyse. 97 Nach Adrenalin normale Reaktion. Ergebnis aus Versuch 102, 105 und 104. Absolut genommen zeigt das hypophysiprive Tier 103 fast die- selbe Grösse des Hungereiweissumsatzes am dritten und vierten Tag wie der Kontrollhund 102. Da aber letzterer um mehr als das doppelte schwerer ist, kommt ihm de norma schon ein niedrigerer N-Wert, dem hypophysipriven als dem leichteren Tier ein viel höherer Wert zu (vgl. die Tabelle am Schlusse des Kapitels). Es entspricht also der gefundene Wert für das hypophysiprive Tier einer beträchtlichen Herabsetzuug des Eiweissumsatzes. Noch deut- licher tritt diese Herabsetzung gegenüber der Norm im Vergleiche mit dem kleiner gebliebenen Kontrollhund 104 hervor, welcher den hypophysipriven Hund an Gewicht nur wenig übertrifit. Hier be- trägt schon absolut genommen die Zahl für den Umsatz des normalen Hundes zirka das Doppelte von der des hypopbysipriven. Versuch 122 und 122. Zwei Hunde von gleichem Wurf, Mitte Juli 1910 6 Wochen alt. Weibchen. Hund 122, 4200 g, totale Hypophysektomie Mitte Juli 1910. Hund 123, 3900 g, bleibt Kontrolltier. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 7 98 Bernhard Aschner: Versuch 122. Mitte November 1910 ist der Hund 5!/sz Monate alt und wiegt nicht mehr als 43800 g. Temperatur 38,4°. Typischer hypophysi- priver Habitus (4 Monate nach der Hypophysenexstirpation). & = > N -_ > 70] o®— [5] m .| = = ; t SZ Be- 3 =o| = A in 24 Std. Nr. Zeit Ei een > S_ = total stünd-| pro kg D 2) lee ee Ina a | gewicht 14 14. Nov. 6% abends bis 95 | Hunger | 48 Iss#ls0lassıloıg|ı — | — 15. Nov. 7h abends ee: — 7 |xejl20s2 ass > ud N 1245 3 1,65 [38,6 | 42 | 1,127 0,046, 0241 | — 17. Nov. 7h abends bis 123 { 18. Nov. abds. 146 387158 |1.169 | 0.046. 0.238 ; { 18. Nov. 6h abends ZU Seen Adren. 2 = YF Nor or kan bis Yı5 Hunger | — | — [2 |o,834 | 0,056 | 0,297 021 19. Nov. 9h früh bis = Q | of minim. I I one \ 9 i 45 |38,8| 51 [0,708 | 0,079 0,013| Sn Versuch 123. Das ursprünglich (im Alter von 6 Wochen) kleinere und leichtere Kontrolltier überholt den hypophysipriven Hund rasch an Grösse und Gewicht. Mitte November 1910 (im Alter von 5!/e Monaten) wiegt das Kontrolltier schon 19500 g. Tem- peratur 39,3 °. 5 R= 5 ı © N on L =! Be- S SE = in24 Std. Ay Zeit = nanlumsen z ä- ‚= ® total | ‚stünd- pro kg D Z 5 m 2 =! lich | Körper- , gewicht 19. Nov. 6h abends bis 20. Nov. 7h abends 20. Nov. 7h abends bis I 5 Hunger 19,5 | 39,3 |1038] 9,442 | 0,7338] — En \ }e A| "1. Nov. 6% 30" abası |} 23 » a oa — | — Lu oe 1235 5 18,65[38,91 330] 4,893 | 0,208 | 0,263 | — ıv{ a \o5 | Ds hıs,7 38,7| 216|4,817 0,193 | 0,249 | — ) es bi 135] Hunger | — | — [1245[3,371 |0,250| 0,324 |452 | ee | 9,5 i 18,4 10: 418| 2,210, 0,233) 0,293 | 1,05 Ergebnis von Versuch 122 und 123. Der absolut genommen annähernd gleichgrosse Wert für den Eiweissumsatz beider Hunde bedeutet, in Anbetracht dessen, dass Über die Funktion der Hypophyse. 99 das Kontrolltier viermal so schwer ist wie der hypophysiprive Hund, einen abnorm niedrigen Hungereiweissumsatz für den letzteren (vgl. die Tabelle auf S. 100). Versuch 129. Ende September 1910 2 Monate alt, 2800 g, Männchen. Total- exstirpation der Hypophyse 30. September 1910. 23. Februar 1911. 4400 g, Temperatur 38,4°. Typischer hypo- physipriver Habitus. 7 Monate alt. Anfangs Mai 1911 9 Monate alt; 4700 g schwer, Temperatur 38,4°. Stoffwechselversuch: E = la N - = Be- Sue 3 in 24 Std. N R See! lea} (2) = . ın 5 Zen 3 8| merkungen | 2 3= E tota] Stünd- r 102) — = | lich gewicht h | | penis bis 124 Hunger | 47 Issal9e la1z6 oo) — | — h | a3 ; 465[38.2|93 [1,7118 0055| — | — h = in De nilles his 2 4,5 [38.4! 32 | 0.989 0,052 | o27s | — 11. Mai 12h mittags bis 12. Mai abds. "| e: Q 5 v{ 12. Mai 7h abends Yaıl 5 ccm Adren. Yu 38,5 | 63 | 1,587| 0,048 | 0,262 2 { 3 es — | | [#0 [082 0055| 0305 4| "ir I . h . . i Kin (ge un bie ul — 42 |393| 43 |0,508 0,046. 0,2644] m Ergebnis: Auch dieser Hund zeigt einen wesentlich herab- gesetzten Eiweissumsatz, da der Wert für einen normalen Hund von gleichem Körpergewicht zwischen 0,30 und 0,478 liegen müsste. (Herabsetzung um etwa ein Drittel gegenüber der Norm.) Ein Vergleich der gefundenen Werte für den Eiweissumsatz hypophysipriver Tiere mit den normaler und thyreopriver Tiere kann natürlich nur unter Berücksichtigung der Körpergewichts- differenzen stattfinden, indem von vornherein kleinere Tiere unter sonst gleichen Bedingungen den höheren Eiweissumsatz zeigen als grössere. Unter Heranziehung der in der Arbeit von Eppinger, Falta und Rudinger aufgestellten Tabellen ergeben sich, für die N-Aus- scheidung am dritten und vierten Hungertag in 24 Stunden pro Kilogramm Körpergewicht berechnet, folgende Werte: TIuEE 100 Bernhard Aschner: a) Normale Hunde. Ta . Sti ckstoff- Körpergewicht ; R des Hundes en Bemerkungen kg pro kg TO RER EEE >: . 2 DDR ar SE 22,0 0,202 Falta, Grote und Stähelin 18,7 0,20 E. Voit 18,7 0, ‚256 Eigener Versuch Nr. 123 16,5 0.254 Falta und Withney 14,0 0, 260 Eigener Versuch Nr. 102 80 0,312 Falta und Withney 7,2 0,30 E. Voit 7,25 0,404 Eigener Versuch Nr. 104 3,7 0.478 Falta und Withney b) Thyreoprive Hunde. ” ” ” ” Körpergewicht | Se Ss des Hundes ot den Eu Bemerkungen kg pro kg 20,7 0,135 | Falta, Eppinger und Rudinger 2 Dr | ” ” ” ” , 2: ec) Hypophysiprive Hunde. Körpergewicht a. | des Hundes an Stand a Bemerkungen kg pro kg 5,6 0,223 | Eigener Versuch Nr. 103 4,6 0,240 5 # Nr. 122 4,5 0,270 h, a Nr. 129 Aus den voranstehenden Tabellen ergibtsich, dass die hypophysipriven Hunde analog wie die thyreo- priven Hunde eine Herabsetzung desEiweissumsatzes um !/s bis gegen '/s der Norm zeigen. Bei jungen Hunden mit ihrer tiefergreifenden Stoffwechselstörung, ist die Herabsetzung stärker als bei erwachsenen. Versuche über die Herabdrückung des Hungereiweissumsatzes durch Fett- und Kohlehydratzufuhr wurden nicht unternommen. Auch Untersuehungen über die Beeinflussung des Hungereiweiss- umsatzes hypophysipriver Tiere dureh Einverleibung von Hypophysen- extrakt stehen noch aus. Über die Funktion der Hypophyse. 101 2. Über die Wirkung des Adrenalins bei hypophysipriven Tieren Von Eppinger, Falta und Rudinger wurde festgestellt, dass bei thyreopriven Hunden Adrenalin keine Glykosurie hervorruft. Es war demnach bei dem auch sonst weitgehenden Parallelismus zwischen Hypophyse und Schilddrüse ebenso naheliegend, die glyko- surische Wirkung des Adrenalins auch nach Hypophysenexstirpation zu untersuchen. Auch hier wurden einerseits Tiere verwendet, bei welchen die Hypophysenexstirpation im erwachsenen oder halberwachsenen Zu- stande gemacht wurde, und die infolgedessen nur geringe trophische Störungen und als eine Art Indikator dafür ein nur unbedeutendes Absinken der Temperatur zeigten. Zur Kontrolle wurden gleichaltrige normale Hunde von gleichem Gewichte untersucht. In einer zweiten Versuchsreihe wurden frühoperierte Tiere mit Hypothermie und ausgeprägtem hypophysipriven Habitus gewählt, und zum Vergleich nichtoperierte Kontrolltiere gleichen Wurfes genommen. Endlich wurden sowohl bei frühoperierten als bei spätoperierten Tieren in zwei weiteren Versuchsreihen (anlässlich der Bestimmung des Hungereiweissumsatzes, vgl. Kapitel III, 1) auch die Adrenalin- wirkung im Hungerzustand (nach 4 Hungertagen) untersucht. a) Adrenalin bei gutem Ernährungszustand. Hund Nr. 1. ar Zei Zeit = a Adrer EN. m EN llysen: nach der | “UM | wicht | nalin | “UC%er menge| Bemerkungen injektion |Operation| 1909 | kg | cem g cem 6 Monate |5 Monate| 7. Mai| 5,0 5 0,77 — c mınım. 20 | As 3| Sa Y_ € minım. 50 24 a N _ Hund Nr. 5, normales Vergleichstier zu Hund Nr. 1. Ge- | Adre- Zuck | Harn- Alter Zeit Datum | Yieht | nalin | “Ucker menge| Bemerkungen 1909 kg ccm g ccm 6 Monate — 9. Mai| 4,0 3 6,75 _ | I || | Men 392 5 air | 102 Bernhard Aschner: Hund 9 und 10. Zwei Tiere von gleichem Wurf. Hund 9 operiert: partielle Hypophysenexstirpation. Alter ae Zeit | D: Ge- | Adre- Zuck Harn- ynanlye en. | Wach der atum | wicht | nalin | “Ueker menge|l Bemerkungen injektion [Operation 1909 | kg | cem| 8 cem | 2 Monate | 1 Monat | 30. Juli] 2,7 2 0,47 S3 | Keine Sympathicus- Reizzustände, keine Hautnekrose Hund 10 normal. D | Ge- Adre-| k Harn- Alter Zeit atum | wicht | nalin | Zucker mengel Bemerkungen 1909 kg | ccm g ccm | | | 3 Monate _ 30. Julil 2,8 2 1,5 109 | Polyurie, stärkere Glykosurie , starke Sympathicus - Reiz- zustände, grosse Hautnekrose, die zu letalem Ausgange führt. Versuch 37. Totale HypophysenexstirpationimAltervon 7 Monaten. 1 Woche später (1. Oktober 1909) 5 ccm Adrenalin subkutan, 800 cem Harn, 2,5 g Zucker enthaltend. Gewicht 6900 g. Mässige Sympathieus-Reizerscheinunger. Das Tier befindet sich auch später andauernd wohl. Versuch 29. Normaler einjähriger Hund, Vergleichstier zu Hund 37, S100 g schwer. 9. September 1909. 5 cem Adrenalin subkutan, 155 cem Harn, 3,13 g Zucker enthaltend. Starke Sympathicus-Reizerscheinungen, der Hund geht infolge der Injektion zugrunde. Versuch 55 und 34. Zwei Hunde von gleichem Wurf. Im Alter von 10 Wochen wird bei Hund 54 die Hypophyse total exstirpiert. Es entwickelt sich der typische hypophysiprive Habitus. Hund 54 Im Alter von 17 Wochen (7 Wochen nach der Hypophyseninjektion) 3 cem Adrenalin subkutan, Gewicht 5200 g (14. Dezember 1909), 0,15 g Zucker im Harn (93 cem Harnmenge). Über die Funktion der Hypophyse. 103 Hund 53. Kontrolltier zur gleichen Zeit (13. Dezember 1909) 8000 g. 3 eem Adrenalin subkutan. 3,8 g Zucker im Harn (135 eem Harnmenge). Hund 53 bekommt infolge der Adrenalininjektion starke Sym- pathieus-Reizzustände und eine über handflächengrosse Hautnekrose, an der er in 6 Tagen zugrunde ging. Hund 54 übersteht die Jnjektion ohne auffallende Symptome. Keine Hautnekrose. Versuch 3. Bei einem 8 Wochen alten Hunde wird die Hypophyse total exstirpiert. 1 Monat später (24. Juni 1909) 3100 g, 3 cem Adrenalin sub- kutan, im Harn nur minimale Reduktion. Versuch 8. Bei einem dreimonatlichen Hunde wird die Hypophyse total exstirpiert. 2 Wochen später (8. Juli 1909) 38300 g, 2 ecem Adrenalin sub- kutan, im Harn Reduktion kaum angedeutet. 4 Wochen nach der Operation (22. Juli 1909) 3950 &, 3 eem Adrenalin subkutan, im Harn nur 0,3 g Zucker. Versuch 3%. !/sjähriger Hund. 4700 g schwer. 2. September 1909. 4,7 eem Adrenalin subkutan, darauf 1,78 g Zucker in 150 eem Gesamtharn. Sympathieus-Reizzustände. 6. September 1909. Partielle Exstirpation der Hypo- physe. 9. September 1909. 3800 g, wieder 4,7 eem Adrenalin subkutan, darauf nur 0,72 g Zucker in 125 ecm Gesamtharn. b) Die Adrenalinglykosurie bei hungernden Tieren. Die hier in Betracht kommenden Werte für die Adrenalin- glykosurie hungernder Hunde sind bereits in den einzelnen Tabellen gelegentlich der Feststellung des Hungereiweissumsatzes verzeichnet, der besseren Übersichtlickheit halber sollen dieselben hier eigens zusammengestellt werden. Die Tiere bekamen am Abend des vierten Hungertages Adrenalin subkutan. 104 Bernhard Aschner: Erwachsene Hunde. Versuch 56. Vor der Operation: 6. November 1909. 5300 2, 4 ceem Adrenalin — 176 cem Harn mit 3,37 g Zucker. 2 Wochen nach der Operation: 25. November 1909. 5200 g, 4 eem Adrenalin — 125 ccm Harn mit nur minimalen Spuren Zucker. Versuch 60. Vor der Operation: 1. Dezember 1909. 7500 ke, 5 ccm, Adrenalin — 185 eem Harn mit 2,77 & Zucker. 2 Wochen nach der Operation: 19. Januar 1910. 7400 g, 5 ccm Adrenalin — 72 ecem Harn mit Spuren von Zucker. Versuch %. Vor der Operation: 13. April 1910. 7200 g, 4 ccm Adrenalin — 531 cem Harn mit 2,7 g Zucker. 1 Woche nach der Operation: 13. Mai 1910. 7100 g, 4 cem Adrenalin — 173 eem Harn mit 0,64 g Zucker. Frühoperierte Hunde und Kontrolltiere gleichen Wurfes. Versuch 102—104. Drei Tiere von gleichem Wurf, Stoffwechselversuch im Alter von ca. 6 Monaten. Hund 105. Totalexstirpation der Hypophyse vor 31/2 Monaten. 12. August 1910. 5400 g, hypophysipriver Habitus. 5 ceem Adrenalin — 87 ecm Harn mit 0,156 & Zucker. Hund 102. Kontrolltier. 22. August 1910. 13600 eg, 5 eem Adrenalin — 1272 cem Harn mit 4,57 g Zucker. Hund 104. Kontrolltier, kleiner geblieben. 12. August 1910. 7200 g, 5 cem Adrenalin — 614 cem Harn mit 5,99 g Zucker. Versuch 122 und 123. Zwei Hunde von gleichem Wurf, Stoffwechselversuch im Alter von 5!/a Monaten. Hund 122. Totalexstirpation der Hypophyse vor 4 Monaten. Über die Funktion der Hypophyse. 105 18. November 1910. 4600 g, hypophysipriver Habitus.. 5 cem Adrenalin — 123 cem Harn mit 0,21 g Zucker. Hund 123. Kontrolltier. 23. November 1910. 18700 g, 5 cem Adrenalin — 1663 cem Harn mit 5,79 g Zucker. Versuch 129. Totalexstirpation der Hypophyse im Alter von 2 Mo- naten. Stoffwechselversuch im Alter von 9 Monaten. 12. Mai 1911. 4400 g, hypophysipriver Habitus.. 5 ccm Adrenalin — 103 cem Harn mit nur minimalen nicht titrier- baren Zuckermengen. 3. Die Wirkung des Phloridzins auf hypophysiprive Hunde. Versuch 59. Halbjähriges Weibchen, 6200 g@. 6. November 1909. Totalexstirpation der hs se 13. Nov. abends. 6400 g, Wohlbefinden. 1,5 g Phloridzin subkutan. 14. November früh im Harn 4,25 g Zucker; abends 1,85 g Zucker. Versueh 738. Fünfmonatliches Weibchen, 7500 g, hypophysipriver Habitus, totale Hypophysenexstirpation vor 3 Monaten. 23. November 1910 abends. 1,5 g Phloridzin subkutan. 24. November 1910 früh im Harn 11,09 g Zucker; abends 716 & Zucker. .... Die Phloridzinglykosurie ist bei hypo- physipriven Hunden ebensowenig wie bei thyreo- priven Hunden herabgesetzt. Es ergibt sich aus den mitgeteilten Versuchen, dass die Adre- nalinglykosurie durch die Hypophysenexstirpation bei früh- und spätoperierten Hunden bei normalem Ernährungszustand beträcht- lich herabgedrückt wird. Bei niedrigen Adrenalinwerten und hoch- gradiger Stoffwechselstörung kann sie unter Umständen ganz aus- bleiben. Als sehr bemerkenswert ergab sich dabei, dass normale Hunde mit Tremor, Steigerung der Reflexe, starker Mydriasis, Schmerz- 106 Bernhard Aschner: äusserung, Unruhe, Polyurie, Polydipsie und endlich mit der Ausbildung einer ausgedehnten Hautnekrose an der Injektionsstelle reagierten, die hypophysipriven Tiere hingegen diese Erscheinungen nicht oder nur in geringem Maasse boten. Als besonders auffallend muss es auch bezeichnet werden, dass die operierten Tiere keine oder nur ganz unbedeutende Hautnekrosen bekamen, so dass auch die lokale, ge- fässkonstringierende Wirkung oder die Art des Adrenalinabbaues eine andere zu sein scheint. Da das Leberglykogen bei hypophysipriven Tieren nicht ver- mindert zu sein scheint (vgl. Versuch 42 und 43), so dürfte die herabgesetzte Adrenalinglykosurie wahrscheinlich in einer verminderten Ansprechbarkeit des sympathischen Nervensystems beim hypophysi- priven Zustande zu suchen sein. Es wurdeu in diesen Versuchen in der Regel nieht so grosse Adrenalinmengen verwendet wie von Eppinger, Falta und Rudinger, welche ein Milligramm (=1 ceem) Adrenalin pro Kilo- sramm Körpergewicht injizierten, weil die normalen Tiere in unseren Vorversuchen bei Anwendung so grosser Adrenalinmengen meistens rasch zugrunde eingen und für einen Kontrollversuch nach erfolgter Hypophysenexstirpation nicht mehr am Leben erhalten werden konnten. Hypophysiprive Tiere hielten allerdings die Adrenalininjektion besser aus, was bei der im allgemeinen herabgesetzten Widerstands- fähigkeit dieser Tiere gegen Infektionen und Intoxikationen besonders auffallend ist. Sehr schön zeigten diesen Unterschied im Verhalten Versuch 53 und 54, in welchen schon bei Verwendung kleiner Adrenalinmengen (2 ccm) der normale Hund dem Versuch erlag (grosse Hautnekrose), während der hypophysiprive Hund den Versuch anstandslos überstand (nur geringes Hautinfiltrat). Die Herabsetzung der Adrenalinglykosurie besteht nicht nur in den ersten Tagen nach der Operation (wie dies in den Versuchen von Eppinger, Falta und Rudinger mit thyreipriven Hunden der Fall ist), sondern in ganz einwandfreier Weise bei den im jugend- lichen Alter operierten Tieren monatelang nach voller Ausbildung der hypophysipriven Vegetationsstörung. Über die Funktion der Hypophyse. 107 4. Über den respiratorischen Stoffwechsel hypophysipriver Hunde. In gemeinsam mit OÖ. Porges!) ausgeführten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass auch bezüglich des respiratorischen Stoffwechsels der Apituitarismus dem Athyreoidismus (Myxödem) analoge Verhältnisse bietet. Es wurde nämlich in wiederholten Sitzungen der Grundumsatz eines Hundes mit typischer hypophysipriver Vegetationsstörung mittels des Zuntz-Geppert’schen Respirationsapparates bestimmt. Der Hund war damals 10 Monate alt und wog 10000 g, seine Temperatur betrug 38,6°. Der Sauerstoffiverbrauch dieses Tieres betrug 46,49 cem pro Minute. Da die Werte bei den an verschiedenen Tagen vorgenommenen Untersuchungen immer gut übereinstimmten, können dieselben als massgebend für den Grundumsatz im hypophysipriven Zustande an- genommen werden. Da ein normaler Hund von annähernd gleichem Körpergewicht nach der Tabelle von Slowtzoff einen Sauerstoffverbrauch von 65,48 eem pro Minute zeigt, so bedeutet der in unseren Versuchen gefundene Wert eine beträchtliche Herabsetzung des respiratorischen Stoffwechsels gegenüber der Norm. Auch wenn man nicht das Körpergewicht, sondern die Körperoberfläche als Einheit annimmt, zeigt das hypophysiprive Tier einen erheblichen Unterverbräuch an 0. Im Zusammenhalt mit der diesen Tieren eigentümlichen Hypo- thermie, der herabgesetzten Erregbarkeit, dem ruhigen Temperament, dem Fettansatz ete. deutet dieser Befund auf einen herabgesetzten Allgemeinstoffwechsel der hypophysipriven Tiere überhaupt hin. 5. Die Beziehungen der Hypophyse zu den übrigen Blutdrüsen und zum vegetativen Nervensystem. Es soll nun versucht werden, auf Grund der gefundenen Tat- sachen die Hypophyse in das besonders von der v. Noorden’schen Schule ausgearbeitete System der übrigen innersekretorischen Blut- drüsen einzureihen und zwar einerseits hinsichtlich ihres Verhaltens zu den anderen Blutdrüsen und andererseits mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zum vegetativen Nervensystem. 1) Biochem. Zeitschr. 1912 Bd. 39. 108 Bernhard Aschner: In dem Schema, welehes Eppinger, Falta und Rudinger für die Wechselwirkung der innersekretorischen Drüsen aufgestellt haben, sind die Schilddrüse, das Pankreas, das chromaffine System und die Epithelkörperchen vertreten. Ek, P Cs intensiv Hemmung Fig. 48. Th Thyreoidea, P Pankreas, Cs Chromaffines System, Ek Epithelkörperchen. Die Hypophyse und auch die Keimdrüse fehlt darin noch. Auf Grund der in dieser Arbeit niedergelesten Tatsachen ist man wohl berechtigt, die Hypophyse an die der Schilddrüse analogen Stelle zu setzen, was näher ausgeführt ungefähr folgendermaassen ausgedrückt werden müsste: Ek,P intensiv Hemmung Fig. 48. Hyp Hypophyse. 1. Die Hypophyse hemmt durch ihren Ausfall (fördert also durch ihre Funktion) in gleicher Weise wie die Schilddrüse das chromaffine Über die Funktion der Hypophyse. 109 System, da durch die Hypophysenexstirpation die Adrenalinglykosurie und auch andere Sympathicus-Reizerscheinungen herabgesetzt werden. 2. Daraus geht hervor, däss die Hypophyse also auch fördernd auf den Sympathieus wirkt. (Verhinderung des Tremors, der Poly- urie ete. durch Hypophysenexstirpation.) 3. Es ergibt sich ferner daraus auch bis zu einem gewissen _ Grade der Antagonismus zum Pankreas, da der Hypophysenausfall wie der Schilddrüsenausfall die Pankreasglykosurie hemmt. Es soll an dieser Stelle auch gleich die Einreihung der weib- liehen Keimdrüse in das obige Schema versucht werden, wie dies auf Grund neuer Befunde auch von Cristofoletti und ' Adler zum grössten Teil schon geschehen ist. CGristofoletti fand, dass bei Osteomalazie, bei welcher ja höchst wahrscheinlich eine Überfunktion der Ovarien besteht, die Adrenalinglykosurie enorm herabgesetzt ist. | Wurden die Ostemalazischen kastriert, so trat mit dem Rück- gang der Krankheitserscheinungen auch ein Ansties der Adrenalin- giykosurie ein. Eine weitere Bestätigung erhielt dieser Befund durch die von Cristofoletti ausgeführten Untersuchungen an nicht osteomalazi- schen Frauen durch Beobachtung der Adrenalinglykosurie vor und nach der Kastration. Nach der Kastration war nämlich die Adrenalinglykosurie jedes- mal deutlich vermehrt. Mit grossen Adrenalinmengen und deshalb mit deutlicherem Ausschlag wurden diese Versuche an Hunden gemacht. Schliesslich wurde auch noch an Frauen in der Gravidität (Unterfunktion des Ovars) mehr oder minder erhöhte Adrenalin- glykosurie konstatiert. CGristofoletti schliesst auch mit Recht daraus, dass das Ovarium hemmend, sein Ausfall fördernd auf das chromaffine System und damit auf den Sympathicus wirkt. Es wäre also in obigem Drüsenschema an die Stelle des Pan- kreas und der Epithelkörperehen auch noch das Ovarium einzusetzen (s. Fig. 50). Für die männliche Keimdrüse ist ein solcher Nachweis noch nicht erbracht worden. 110 Bernhard Aschner: Th, Hyp. Ov, Ek, P Hemmung Fig. 50. Für die übrigen Teile des Stoffwechsels ist noch kein solches Schema aufgestellt worden, doch lassen sich die innersekretorischen Drüsen mit einiger Berechtigung in hemmende und fördernde Gruppen für bestimmte Teile des Stoffwechsels einteilen. Für den Eiweissstoffwechsel und für den Fettstoff- wechsel würde sich demnach ungefähr folgende Gruppierung ergeben: fördernd: hemmend: Thyreoidea. Pankreas. Hypophyse. Epithelkörperchen. Chromaffines System. Ovarium, Hoden. In Worten ausgedrückt: hemmen Pankreas und Epithelkörperehen den Fiweissumsatz und die Fettverbrennung; bei Pankreasdefekt (Diabetes) und Epithelkörperchendefekt (Tetanie) würde also erhöhter Eiweissumsatz und Abmagerung eintreten. Fördernd auf Eiweiss- und Fettstoffwechsel wirkt die gegen- überstehende Gruppe von Blutdrüsen. So bewirkt Überfunktion des chromaffinen Systems (Adrenalin- zufuhr) in dieser Hinsicht Analoges wie Unterfunktion von Pankreas und Epithelkörperchen ; ebenso Überfunktion der Schilddrüse (Fütterung mit Schilddrüsentabletten, Basedow). Bei Schilddrüsendefekt besteht herabgesetzter Eiweisumsatz, ver- langsamter respiratorischer Stoffwechsel (Myxödem) und Fettansatz. Die Hypophyse gehört ebenso wie die Keimdrüse oleichfalls der fördernden Gruppe an, da bei ihrem Ausfall Verfettung, Herab- Über die Funktion der Hypophyse. ill setzung der Körpertemperatur und des Fiweissumsatzes (respira- torischer Stoffwechsel bezüglich der Hypophyse) konstatierbar ist. Schwierig gestaltet sich mangels genügender Untersuchungen die Gruppierung der innersekretorischen Drüsen bezüglich des Mineralstoffwechsels. Eine provisorische Einteilung, die man in betreff des Kalkstoffwechsels versuchen könnte, würde ungefähr folgendermaassen aussehen. Den Kalkansatz fördernd: hemmend: Hypophyse. Keimdrüse. Thyreoidea. Epithelkörperchen. Wenn die Hypophyse durch ihre Tätigkeit nach dem oben Aus- geführten in die Reihe der sympathicusfördernden Blutdrüsen zu zählen ist, so muss ihr Ausfall eine vagusfördernde Wirkung, und damit eine Art von vagotonischen Zustand im Sinne von Eppinger und Hess hervorbringen. Nebst den bereits erwähnten zum hypophysipriven Habitus ge- hörigen Symptomen, würde im Sinne einer solchen Vagotonie auch noch die des Öfteren konstatierte Eosinophilie bei hypophysenlosen Tieren sprechen. Anhang: Über die Beeinflussung des Stoffwechsels durch Hypophysenextrakt. Die im Vorangehenden mitgeteilten Ergebnisse über die Be- einflussung des Stoftwechsels durch die Hypophysenexstirpation sind in vieler Hinsicht gut mit denjenigen Resultaten in Einklang zu bringen, welche andere Autoren auf dem entgegengesetzten Wege, nämlich durch Zufuhr von Hypophysenextrakt, erhalten haben. Am eindeutigsten sind wohl die Versuche von Magnus-Levy und Salomon, welche gefunden haben, dass Fütterung mit Hypo- physentabletten eine Steigerung des Gaswechsels bei gesunden Menschen zur Folge haben. Bei Akromegalischen soll dagegen der Stoffwechsel nur eine unwesentliche Erhöhung erfahren. Ferner erhielten Falta und seine Mitarbeiter nach Injektion von Pituitrinum infundibulare bei im Stickstoffgleichgewicht be- findlichen Hunden eine ausgesprochene Steigerung des Eiweissumsatzes. 112 Bernhard Aschner: Auch reagierten mit Pituitrin vorbehandelte Hunde auf Adrenalin mit auffallend grosser Zuckerausscheidung. L. Borchardt gelang es sogar nach subkutaner Injektion von Hypophysenextrakt bei Kaninchen Hyperglykämie und Glykosurie zu erzeugen. In bezug auf den Salzstoffwechsel liegen noch sehr wider- sprechende Angaben vor (Schiff, Moraczewsky, Oswald, Thompson und Johnson, Malcolm), indem die Ausfuhr von Phosphor, Caleium und Magnesium bald vermehrt, bald vermindert gefunden wurde. Übrigens geben Falta, Bolaffio und Tedesko an, dass der Einfluss des Pituitrinum infundibulare auf den Salzstoffwechsel der gleiche ist, wie der der Schilddrüsenstoffe, indem der Salzstoff- wechsel im allgemeinen gesteigert wird (zitiert nach Bied)). Allerdings wurde in den Versuchen von Falta und seinen Mit- arbeitern nur das Pituitrinum infundibulare (Hinterlappenextrakt) verwendet, während das Gegenstück zu den nach trophischen Störungen (hypophysipriver Habitus) erfolgenden Stoffwechselveränderungen eigentlich nur durch Zufuhr von Vorderlappenextrakt resp. Extrakt der ganzen Hypophyse erreicht werden kann. Es wäre noch zu versuchen, die Fettsucht, anstatt mit Schild- drüsentabletten, mittels der harmloseren Hypophysentabletten zu be- kämpfen. Mit Rücksicht auf die Versuche von Magnus-Levy und Salomon (Steigerung des Gaswechsels nach Zufuhr von Hypo- physensubstanz) ist a priori die Möglichkeit eines Erfolges nicht in Abrede zu stellen. IV. Über die Funktion des Infundibulum und Tuber cinereum und deren Bedeutung für die Physiologie und Pathologie der Hypophyse. Sowohl bei der experimentellen Erforschung der normalen Hypo- physenfunktion als auch bei der Beobachtung von Hypophysen- erkrankungen an Menschen begegnet man auf Schritt und Tritt der Tatsache, dass Funktionen und Symptome der Hypophyse zu- geschrieben werden, die von Rechts wegen den angrenzenden Hirn- teilen zukommen müssen. Die Aberenzung beider Wirkungsbereiche ist, trotzdem schon vereinzelte Autoren auf diese Verhältnisse hin- ‚gewiesen haben, bis heute noch ziemlich unklar. Über die Funktion der Hypophyse. 113 Es sollen nun zur Klärung dieser Frage die Tatsachen angeführt werden, die über die Funktion des Infundibulum bzw. Tuber einereum bekannt sind und später daraus die Nutzanwendung auf die Patho- logie gezogen werden. Als erster hat wohl v. Cyon die Behauptung aufgestellt, dass die Hypophyse elektrisch erregbar ist, und dass ihre Reizung Pulsverlangsamung und Blutdrucksteigerung hervorrufe. Biedl und Reiner sind dann dieser Behauptung entgegen- getreten, indem sie mit Recht geltend machten, dass die Hypophyse selbst elektrisch unerregbar sei, und dass v. Cyon’s Resultate durch Übergang von Stromschleifen auf die benachbarten Gehirnteile zu erklären seien. Dagegen ist die weitere Behauptung von Biedl und Reiner, dass man ähnliche Reizungseffekte von jeder beliebigen anderen Stelle der Hirnoberfläche auslösen könnte, nicht zutreffend. Die Unerregbarkeit der Hypophyse selbst wurde bald darauf von Gaglio, Pirrone, Lomonaco und van Rynberk und Livon bestätigt. Caselli dagegen behauptete, dass auch die der Hypophyse be- nachbarten Teile der Gehirnbasis die von v. Cyon der Hypophyse zugeschriebenen Reizeffekte geben. In zahlreichen daraufhin gerichteten eigenen Versuchen konnte ich folgendes Verhalten konstatieren: Weder die Dura mater noch die Hypophyse geben, mechanisch, chemisch, thermisch und elektrisch ge- reizt, markante Veränderungen von Puls, Blutdruck und Atmung. Zerrt man jedoch gelegentlich der Hypophysen- exstirpation den Stielder Hypophyseund wird derselbe gar durchschnitten, so kann man jedesmaldabei deut- liche Pulsverlangsamung, Kleinerwerden des Pulses,_ sogar Aussetzen des Herzschlages, ferner Schreien der Tiere oder mindestens verlangsamte Atmung mit Ver- tiefung der Inspiration (Schmerzatmung, Vagus- atmung) beobachten. Dieselben Effekte bekommt man, wenn nach Exstirpation der Hypophyse das Tuber cinereum mechanisch, chemisch, thermisch oder elektrisch reizt. Besonders die Pulsverlangsamung und das auf Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 8 114 Bernhard Aschner: Schmerzempfindung hindeutende Schreien der Tiere ist von aus- sesprochener Deutlichkeit; bei tiefer Narkose wird das Schreien durch vertiefte Atmung ersetzt. Es weisen diese Tatsachen darauf hin, dass das Tuber ecinereum (das grösstenteils aus Glia bestehende Infundibulum dürfte dabei weniger in Betracht kommen) sensible Bahnen und Vagusbahnen enthalten muss. : Wenn man daneben hält, dass es Kreidl und Karplus gelungen ist, in nächster Nähe des Tuber einereum ein Zentrum fürden Sym- pathieus nachzuweisen, so gewinnt dieser Befund an allgemeiner Be- deutung (für die Lehre von den vegetativen Funktionen des Gehirns). Dureh die vorliegenden, in kurzen Mitteilungen ja schon publi- zierten Untersuchungen wurde auch die Bedeutung des Hypo- physenstiels (Infundibulum + Tuber einereum) für die Beurteilung der Lebenswichtigkeit der Hypophyse ge- kennzeichnet. Unter Berücksichtigung der eben besprochenen, starken Beeinflussbarkeit von Herz, Atmung und Gefässsystem durch die erwähnten Hirnteile wird es plausibler erscheinen, dass ihre Ver- letzung oder Zerstörung den Tod herbeiführen kann. Eigens daraufhin gerichtete Versuche von Paulesco, in welchen er die Hypophyse von der Hirnbasis abtrennte, zeigten auch, dass die Tiere darauf ausnahmslos rasch zugrunde gingen. Kleinere, nicht die ganze Zirkum- ferenz des Ventrikelbodens betreffenden Verletzungen können unter Umständen überlebt werden (Paulesco, eigene Versuche); ebenso die Durchsehneidung des Hypophysenstieles innerhalb des grössten- teils aus Glia bestehenden Infundibulums selbst, wobei der 3. Ven- trikel nicht oder nur in geringer Ausdehnung eröffnet wird. Kürzlich unter der Leitung von Karplus ausgeführte publizierte Versuche Morawski’s am Affen zeigen dasselbe. Keiner der früheren Autoren hat sich aber klare Rechenschaft darüber gegeben, dass die Verletzung des Tuber einereum die Ur- sache des Misslingens der Hypophysenexstirpation in ihren Versuchen gewesen ist. | Damit ist auch die Frage von der absoluten Lebenswichtigkeit der Hypophyse endgültig im negativen Sinne entschieden. Als ein sehr wichtiges hierher gehöriges Resultat muss die durch zahlreiche eigene Versuche erwiesene Tatsache hingestellt werden, dass man durch Verletzung des Tuber einereum Glykosurie er- zeugen kann. Dieser Versuch gelingt jedesmal mit absoluter Sicher- heit und dürfte geeignet sein, ein neues Licht auf die mit Hypophysen- Über die Funktion der Hypophyse. 115 erkrankungen öfters einhergehende Glykosurie zu werfen, welche man, besonders bei der Akromegalie, aus der Hyperfunktion der Hypgfphyse erklären wollte. Die Versuche L. Borchardt’s, durch Injektion von Hypophysenextrakt Glykosurie zu erzeugen, würden, obwohl sie bloss bei Kaninchen positiv, bei Hunden nur sehr undeutlich ausgefallen sind und noch keine Bestätigung von anderer Seite erfahren haben, immerhin für die letztere Erklärungsmöglichkeit sprechen. Selbst zugegeben, dass Überfunktion der Hypophyse als solche ebenso wie Überfunktion der Schilddrüse bei Basedow unter Umständen Glykosurie erzeugen kann, so ist es doch durch das eben angeführte Experiment (Glykosurie nach Verletzung des Tuber eine- reum) viel wahrscheinlicher geworden, die Glykosurie bei Hypophysen- erkrankungen durch Reizung der Hirnbasis zu erklären. Es wird dies um so leichter fallen, als ja, wie erwähnt, Vagus- und Sympathicus- bahnen (vasomotorische) daselbst sich vorfinden und eine Reizung des Sympathieus ohne weiteres zur Erzeugung von Glykosurie aus- reichend erscheint. Die Vermutung nach einem in der Umgebung der Hypophyse gelegenen „Zuckerzentrum“ wurde ohne experimentelle Grundlage übrigens schon von Loeb u. a. ausgesprochen, und es wäre dieses hypothetische „Zuckerzentrum“ dem von Erdheim zur Erklärung gewisser Fälle von Dysplasia adiposogenitalis postulierten „trophischen Zentrum“ daselbst an die Seite zu setzen. Den experimentellen Beweis für Erdheim’s Behauptung zu erbringen, liegt im Plane weiterer im Gang befindlicher Untersuchungen, Es erübrigt noch diejenigen Effekte zu besprechen, welche man durch Reizung der Hypophysenregion (Tuber einereum) an den Baucheingeweiden beobachten kann. Auch dazu haben die Versuche v. Cyon’s den Anstoss gegeben, wenn sie auch in vieler Hinsicht einer strengeren Kritik nicht Stand halten können. v. Cyon gibt an, dass er durch Reizung der Hypophyse bei jungen männlichen Kaninchen Erektion des Penis hervorrufen konnte. Meine eigenen Nachprüfungen darüber an jungen Hunden und Kaninchen haben ein vollkommen negatives Resultat ergeben, indem weder Reizung des Tuber einereum, geschweige denn der Hypophyse selbst eine Erektion bei den Versuchstieren hervorrufen konnte. Da aber die Annahme einer Einwirkung auf die Eingeweide in Anbetracht der ermittelten Beziehungen des Tuber einereum zum 8*+ 116 Bernhard Aschner: Vagus und Sympathieus nicht von der Hand zu weisen war, wurden weitere Versuche in dieser Richtung vorgenommen und das Verhalten der Eingeweide bei geöffneter Bauchhöhle beobachtet. Die Bauch- eingeweide wurden dabei nach dem Vorgang von v. Frankl- Hochwart und Fröhlich durch eine in der Nähe angebrachte Glühlampe vor dem Auskühlen geschützt. Nach Reizung der Basis des 3. Ventrikels konnte man nebst Kontraktionen der Bauchpresse auch Kontraktionen der Blase, des Darmes und in geringem Grade mitunter auch des graviden Uterus an Katzen und Hunden zweifellos beobachten. Die Kontraktionen traten immer erst nach einer Latenz- zeit von mehreren Sekunden auf und schienen von der Stromstärke und der Tiefe der Narkose abhängig; bei starkem Strom und ober- flächlicher Narkose sind sie leichter auslösbar. Inwiefern dieses Phänomen von dem durch die Reizung gesteigerten Blutdruck ab- hängig ist, bedarf noch weiterer Untersuchungen. Über die Wirkung des Hinterlappenextraktes der Hypophyse (Pituitrinum infundibulare) )). Obwohl in vorliegender Arbeit keine eigenen Versuche über Injektion von Hinterlappenextrakt gemacht worden sind, erscheint es doch zweckmässig, im Anschluss an das vorangehende Kapitel die in der Literatur niedergelegten Erfahrungen über die Wirkungen des Hinterlappenextraktes kurz zu besprechen, weil dieselben zum Teil Ähnlichkeiten mit den Reizungseffekten an der Zwischenhirnbasis aufweisen (Wirkung auf Vagus, Sympathieus und Gefässsystem). Aus den Versuchen von Salvioli und Carrara, Dale, De Bonis und Susanna, Cramer, Borchardt und Pal geht hervor, dass das Pituitrinum infundibulare kontraktionserregend auf die glatte Muskulatur der Gefässe wirkt. Ferner, dass es die Froschpupille erweitert. v. Frankl-Hochwart und Fröhlich wiesen nach, dass auch die glatte Muskulatur der Beckeneingeweide, Blase, Uterus und deren Nerven, im Sinne von Kontraktion und Erreebarkeits- steigerung durch Injektion von Hinterlappenextrakt beeinflusst werden. Diese Versuche werden von Blair-Bell bestätigt. Franchini beobachtete auch Kontraktionen des Darmes dauach. 1) Die Literaturangaben in diesem Abschnitt zum grossen Teil zitiert nach Biedl, Innere Sekretion. Über die Funktion der Hypophyse. 7 Nach Magnus und Schäfer, Schäfer und Hering, Falta u. a. wird auch verstärkte Diurese durch Hinterlappen- extrakt hervorgerufen. Am Herzen wurde Verstärkung und Verlangsamung der Kon- traktionen teils durch direkte Wirkung des Pituitrins auf den Muskel- teils wahrscheinlich auch durch zentrale Erregung der herzhemmenden Nerven beobachtet (Hedboom und Allen, Cleghorn, Hering). Dass dureh intravenöse Injektion des Hinterlappenextraktes Blutdrucksteigerung ausgelöst wird, ist in Anbetracht der vaso- konstriktorischen Wirkung des Mittels sehr plausibel (Oliver und Schäfer, Howell, Schäfer und Vinzent, v.Cyon, Livon, Garnier und Thaon, Salvioli und Carrara, Pal, Lock- hardt-Mummery, Legge Hallion und Carrion). Weist nun das Pituitrinum infundibulare nach den eben an- geführten physiologischen Wirkungen und den Stoffwechselversuchen Falta’s und seiner Mitarbeiter die weitgehendsten Analogien mit dem Adrenalin auf, so scheint das Pituitrinum glandulare (Vorder- lappenextrakt) in entgegengesetztem Sinne auf das vegetative Nerven- system zu wirken, indem nach Versuchen von Falta und Iveovie intravenöse Injektion des Vorderlappenextraktes Blutdrucksenkung erzeugt. V. Anwendung auf die menschliche Pathologie. Die in den vorangehenden Kapiteln niedergelegten Tatsachen sind zwar durch drei kurze Mitteilungen in knappster Form bereits bekannt geworden und zum Teil auch in die Literatur übergegangen. Aber die Anwendung der betreffenden Tatsachen auf die menschliche Pathologie ist bisher noch nicht oder doch nur sehr unvollständig (zum Teil auch missverständlich) gemacht worden. Namentlich ein Moment, und zwar wieder die Abgrenzung der Hirnsymptome von den Hypophysensymptomen ist auch hier noch nicht genügend angestrebt worden, und es wird deshalb gerecht- fertigt sein, in kurzen Zügen die Entwicklung der menschlichen Hypophysenpathologie von dem neugewonnenen Standpunkt aus nochmals zu überblicken. 1. Geschichtlicher Überblick. Schon wenn man die älteste Hypophysenliteratur von Galen bis Pierre Marie betrachtet, so fällt es auf, dass den meisten 118 Bernhard Aschner: dieser Arbeiten weit mehr als den Beschreibungen anderer Organe ein phantastischer Beigeschmack anhaftet, welcher der Hypophyse auch in neuerer Zeit noch den Namen eines „Organ Enigmatique“ verschafft hat. Der Grund dafür ist zweifelsohne in der Verquickung der Funktionen der Hypophyse mit denen des Gehirns zu suchen. Den mehr spekulativen Beobachtern der ältesten Zeit boten dazu schon die rein topischen Beziehungen des Organs zum Gehirn den Anlass. So glaubten Galen, Vesal und noch manche Forscher des 17. Jahrhunderts, dass die Hypophyse den vom Gehirn abgesonderten Schleim (Pituitam) zu filtrieren und in die Nasenhöhle abzuleiten habe. Piecolhomini (1636) schreibt der Hypophyse die Rolle zu, das Infundibulum zu verschliessen und von da das Entweichen der Lebensgeister zu verhindern. Descartes stellte gar die These auf, dass die Hypophyse der vordere Winkel eines Parallelogrammes wäre, dessen Zentrum, die Zirbeldrüse, der Sitz der Seele sei. Lieutaud (1776) schreibt ihr nervöse Funktionen zu. Er be- hauptete, auch Nerven gefunden zu haben, welche die Hypophyse mit dem Trigeminus verbinden. Beziehungen der Hypophysisreeion zum Trigeminus oder doch zu sensiblen Bahnen sind nach den neueren experimentellen Unter- suchungen allerdings wohl kaum mehr von der Hand zu weisen. Daneben finden sich auch frühzeitig schon Ansichten über die Funktion der Hypophyse, die unseren heutigen durch das Experiment begründeten Anschauungen schon ziemlich nahekommen. So nimmt Diemerbroeck (1686) an, dass die Hypophyse ein Sekret erzeugt, welches sich in den 3. Ventrikel ergiesst. Willis (1665) stellte sich vor, dass das Sekret der Hypsphyse in die Blutbahn abgegeben wird. Vieussens (1885) und Murray behaupteten, dass die Hypo- physe ähnlich wie die Zirbeldrüse und der Plexus chorioideus den Liquor cerebrospinalis abscheiden sollten. Nach Monro, Boerhave und Silvius ist sie nur eine Art von Lymphknoten. Littr& glaubt, dass sie die Ventrikelflüssigkeit aufnimmt, sie mit ihrem eigenen Sekret vermengt und wieder in die Blutbahn abgibt. Über die Funktion der Hypophyse. 119 Im 19. Jahrhundert wurde die Hypophyse von Bock, Gall, Hirzel, Tiedemann, Carus, Breschet, Bazin, Bourggry, Luschka u. a. wieder als nervöses Organ aufgefasst. Burdach und Meckel bezeichnen sie als Drüse, Magendie beschreibt sie als Iymphatisches Organ, welches den Liquor rebro- spinalis absorbieren und in die Blutbahn bringen sollte. Eeker nennt sie eine Blutdrüse, an der er zwei differente Teile unterscheidet. : Liegois (1360) bezeichnet die Hypophyse als eine Gefässdrüse, welche dem Stoffwechsel unentbehrliche Produkte liefern und sie ins Blut ergiessen soll. Brown-Sequard (1869) betrachtet sie ebenfalls als Drüse mit innerer Sekretion wegen der Ähnlichkeit ihrer anatomischen ‘Struktur mit der der Schilddrüse, eine Analogie, die sich später auch in funktioneller Beziehung in weitgehendstem Maasse be- stätigt hat. Aber nicht nur Anatomen und Physiologen, sondern auch viele von den klinischen und pathologisch-anatomischen Beobachtern in der Zeit vor Pierre Marie liessen sich gern von dem eigentümlichen Reiz des Gegenstandes in dieselbe spekulative Richtung treiben. So kommt es, dass im 17. Jahrhundert Erkrankungen der Hypophyse mit Epilepsie, Hydrocephalus und Geisteskrankheiten in Zusammenhang gebracht wurden: Petit (1718), Greding (1781). Wenzel will dann tatsächlich in 20 von ihm beobachteten Fällen von Epilepsie hochgradige pathologische Veränderungen der Hypophyse gefunden haben. Er beschrieb auch schon die Erweiterung der Sella tureiea. Besonders eingehend hat Josef Engel, ein Schüler Roki- tansky’s, in dieser Richtung geforscht. Er weist auf die pathologische Korrelation der Hypophyse zur Schilddrüse und zur Zirbeldrüse hin und beschreibt das Vorkommen von Kolloidmassen, Degenerationen und Neoplasmen in den be- treffenden Organen. Während er allgemeine trophische Störungen niemals feststellen konnte, kennt er ausser den lokalen Symptomen des Hypophysentumors schon die Häufigkeit von Erkrankungen der Geschlechtsorgane im Gefolge von Hypophysenveränderungen und fasst die Hypophyse als sezernierende Drüse auf. 120 Bernhard Aschner: Er weist ihr aber auch einen Einfluss auf die Koordination der freiwilligen und unfreiwilligen Bewegungen, sowie eine gewisse Be- teiligung an den niederen psychischen Funktionen zu. (Vgl. die Ansieht von Parke Wells in der Einleitung zu dieser Arbeit). Alle diese höheren, die Wirkungssphäre einer innersekretorischen Drüse bereits überschreitenden Funktionen pflegen heute trotz der allseits eingehend betriebenen Erforschung der Hypophyse derselben nieht mehr zugeschrieben zu werden. Dagegen deuten viele klinische und experimentelle Momente darauf hin, dass die der Hypophyse angrenzenden Hirnteile mit den erwähnten Krankheitszuständen und Funktionen in einem gewissen Zusammenhang zu stehen scheinen, und es dürfte auch die künftige Forschung hier noch manches auf- zudecken haben. Durch die von Brown-S&quard inaugurierte Lehre von der inneren Sekretion ist dann endlich die Physiologie der Hypophyse selbst in exaktere Bahnen gelenkt worden, ebenso wie die Patho- logie der Hypophyse seit Pierre Marie festere Formen an- genommen hat. Bei der nun folgenden kurzen Besprechung der einzelnen Hypo- physenerkrankungen wird es sich ebenfalls zeigen, dass bis in die allerjüngste Zeit keine volle Klarheit in der Literatur darüber herrscht, welche pathologischen Erscheinungen durch einfache Über- oder Unterfunktion, durch gestörte Funktion der Hypophyse oder endlich durch Alteration der angrenzenden Hirnpartien hervor- gerufen werden. 2. Die Akromesgalie. Von den vielen Theorien, welehe über das Wesen der Akro- megalie aufgestellt worden sind, hat wohl die von der Überfunktion resp. Dysfunktion der Hypophyse weitaus am meisten für sich. Benda, M. Sternberg, Erdheim, B. Fischer, v. Frankl- Hochwart, Marburg u. a. haben genügende Argumente dafür erbracht. Die entgegengesetzte Theorie (Pierre Marie und Marinesco) von der Hypofunktion der Hypophyse als Ursache der Akromegalie, kann nach unseren Tierversuchen wohl endgültig als nicht zutreffend bezeichnet werden. Auch die hypogenitale Theorie von W. A. Freund, Verstraeten, Monteverdi und Torecchi, Stumme, E. Mayer hat weit Über die Funktion der Hypophyse. 121 mehr gegen sich als für sich, da bei aller Häufigkeit der Genital- symptome von akromegalischen Individuen und trotz des auch sonst vielfach bewiesenen Zusammenhangs zwischen Hypophyse und Genitale doch viele Akromegaliefälle ohne Genitalstörungen bekannt sind, so dass diese Theorie zum mindesten keine allgemeine Gültigkeit haben kann. Viele der zur Unterstützung dieser Theorie vorgebrachten Argumente können übrigens nach dem derzeitigen Stande unseres Wissens als nicht mehr stichhaltig bezeichnet werden. Die ebenfalls noch in Diskussion stehenden Theorien, welche Wachstums- und Stoffwechselstörungen, Anomalien der Thymus- oder Schilddrüsenfunktion als Ursache der Akromegalie annehmen, treten gegenwärtig in den Hintergrund. Nicht ganz auszuschliessen ist die Ansicht, dass Akromegalie oder akromegalieartige Erscheinungen durch primäre Erkrankungen des Nervensystems hervorgerufen werden können. Auf dem Boden der hyperpituitaristischen resp. dyspituitaristischen Theorie stehend, können wir uns einen Teil der Symptome als inner- : sekretorische Wirkung erklären, ein anderer Teil wird durch die lokale Einwirkung des Tumors auf die angrenzenden Hirnteile hervor- gerufen. Ein Symptom verdient eine besondere Besprechung, weil sich darüber diskutieren lässt, ob es durch lokale (mechanische) oder innersekretorische Einflüsse hervorgerufen wird, nämlich die bei Akromegalien häufige Glykosurie. Für die innersekretorische Erklärung spricht, dass Borchardt bei Kaninchen durch Injektion von Hypophysenextrakt Glykosurie erzeugen konnte, Versuche, die allerdings von anderer Seite noch nicht bestätigt worden sind und an Hunden bei Borchardt selbst negativ ausgefallen sind. Für die zerebrale Ätiologie der Glykosurie sprechen die im IV. Kapitel mitgeteilten Versuche, welche zeigen, dass man durch Verletzung der regio hypothalamica Glykosurie erzeugen kann; die Anwesenheit von Vagus- und Sympathieus-Bahnen in dem betreffenden Hirnabsehnitt macht diese Annahme noch plausibler, und es wäre damit einer von Loeb u. a. Autoren schon ausgesprochenen Ver- mutung nach einem „Zuckerzentrum“ in der Gegend des 3. Ventrikels eine experimentelle Grundlage geschaffen. Gleichfalls vorwiegend dem Einfluss der Hirnschädigung möchte ich die Genitalstörungen bei Akromegalie zuschreiben, da nach den Tierexperimenten selbst völliger Mangel der Hypophyse bei er- 122 Bernhard Aschner: wachsenen Tieren nur geringe Genitalstörungen hervorruft, dagegen selbst geringfügige Hirnschädigung im Tierexperiment hochgradige Genitalatrophie erzeugen kann. 3. Die Dysplasia adiposogenitalis. Die breitestee Anwendung der vorliegenden Experimente lässt sich auf die Dysplasia adiposogenitalis des Menschen machen. Die Tierversuche bestätigen die besonders von v. Frankl-Hoch- wart, A. Fröhlich und Marburg vertretene hypopituitaristische Genese dieser Erkrankung, jedoch wird diese Annahme hauptsächlich auf Individuen mit noch nicht abgeschlossenem Wachstum anzuwenden sein. Für die Entstehung der Dysplasia adiposogenitalis nach Ab- schluss des Wachstums müssen wir uns um eine andere Erklärung umsehen, da totale Hypophysenexstirpation an erwachsenen Tieren keine besonders hochgradige Fettsucht und keine nennenswerte Genitalatrophie hervorruft. Wir suchen diese Erklärung in der Erdheim’schen Hypothese, welche das Wesentliche dabei in einer Schädigung trophischer Zentren an der Hirnbasis durch einen raum- beengenden Prozess sucht und finden dafür auch zahlreiche, bisher noch wenig ausgenützte, weil unrichtig gedeutete Beweise aus der klinischen Literatur. Ein exakter experimenteller Beweis soll durch im Gang befindliche weitere Versuche in nächster Zeit erbracht werden. Eine Mittelstellung zwischen der hypopituitaristischen und der Erdheim’schen Theorie nimmt B. Fischer ein, der Schädigung des Hinterlappens der Hypophyse als Ursache für die Dysplasia adiposogenitalis annimmt. Er führt zum Beweise dafür zwei patho- logisch-anatomische Fälle eigener Beobachtung an, die aber nicht ausschlaggebend sein können, da nach isolierter Fxstirpation des Hinterlappens im Tierexperiment keinerlei erkennbare Wachstums- störung resultiert. Für die Möglichkeit einer rein zerebralen Genese der Dystrophia adiposogenitalis spricht das Vorkommen dieses Zustandes bei Tumoren an allen möglichen anderen Stellen des Gehirns, bei Hydrozephalus, ferner der Umstand, dass die Tumoren die allerverschiedenste mor- phologische Beschaffenheit haben können (Epitheliome, Angiome, Sarkome, Adenome, Kystome, Lipome, Echinokokkus, Hämatome, Aneurysmen, Gummen, Tuberkel usw.). Freilich wird von Marburg, B. Fischer, Marinesco, Goldstein, Neurath u. a. für solche Fälle geltend gemacht, Über die Funktion der Hypophyse. 123 dass durch Kompression des Hypophysenstiels, durch Kompression oder Dehnung des 3. Ventrikels die Hypophyse oder doch wenigstens ihre Gefässe, Nerven und Sekretabfuhrwege geschädigt werden, und solcherweise doch Hypopituitarismus in letzter Linie zur Ursache der Dysplasia adiposogenitalis wird. Es ist jedoch eine tatsächliche Schädigung der Hypophyse in den seltensten der hierher gehörigen Fälle erwiesen worden, und auch über den Einfluss der Ventrikel- resp. Infundibularschädigung auf die Hypophysentätigkeit selbst ist nichts Sicheres bekannt. Viel weniger gezwungen erscheint es, namentlich bei entfernt selegenem Sitz der Tumoren (Stirnhirn, Kleinhirn), die Adipositas und die Genitalstörungen ebenso wie bei der Akromegalie aus der Läsion der trophischen Hirnbahnen zu erklären. Der Erfolg der chirurgischen Behandlung der Hypo- physenerkrankungen (Schloffer, v. Eiselsberg, Hochen- egg, Kocher, Borchardt, OÖ. Hirsch u.a.) kann demnach bei der Akromegalie teils auf Verminderung des abnorm sezernierenden Hypophysenparenchyms, teils auf Druckentlastung der regio hypo- thalamiea durch die Verkleinerung des Tumors beruhen. Für die Dysplasia adiposogenitalis ist nur die letztere Erklärungsmöglichkeit zulässig. 4. Zwergwuchs und Infantilismus. Von der Dysplasia adiposogenitalis führen fiessende Übergänge zur gewöhnlichen Fettsucht einerseits, zum Zwergwuchs und In- fantilismus andererseits. Die beiden letzteren Wachstumsstörungen können allgemeine dystrophische Einflüsse, Einwirkung von Toxinen auf dem sich entwickelnden Organismus und insbesondere Mangel eines Hormons zur Ursache haben. Für den rhachitischen, chondrodystrophischen und für manche Formen des hypoplastischen Zwergwuchses müssen wir vorläufig Toxine oder allgemein dystrophische Einflüsse als Ätiologie annehmen. Das mangelnde Hormon kennen wir beim kretinischen Zwerg- wuchs in der defekten Schilddrüsenfunktion. Für den echten Zwergwuchs möchten wir als Ursache die mangelnde Hypophysenfunktion annehmen. Für diese Auffassung sprechen die Ergebnisse der Tierversuche, in welchen Wachstums- stillstand bei Erhaltensein der kindlichen Proportionen und Offen- 124 Bernhard Aschner: bleiben der Epiphysenfugen eintritt, denn so hat ja A. Paltauf die Kriterien des echten menschlichen Zwergwuchses definiert. Besonders beweisend erscheint es auch, dass in den einzigen vier Fällen von Zwergwuchs in der Literatur, von welchen ein genauer Obduktionsbefund vorliegt, jedesmal hochgradige Anomalien der Hypophyse vorgefunden wurden. So fand sich in dem Falle von Hutchinson ein Teratom, in dem Falle von Benda ein Fibrom, in dem Falle von Hueter ein Solitärtuberkel und in dem Falle von Kon Itaka ein Adenom der Hypophyse. Schädigungen anderer Blutdrüsen, insbesondere der Keimdrüsen als Ursache des echten Zwergwuchses anzunehmen, liegen noch keine Gründe vor. Primäre zerebrale Schädigung dagegen muss als Erklärungs- möglichkeit für manche Fälle immerhin noch berücksichtigt werden. Für den Infantilismus kommen qualitativ dieselben ätiologischen Momente wie für den Zwergwuchs in Betracht, daneben aber auch ° noch viele andere, da ja Infantilismus eine Teilerscheinung vieler anderer Vegetationsstörungen (z. B. des Riesenwuchses) ist. 5. Der Riesenwuchs. Für die Ätiologie des Riesenwuchses spielt die Hypophyse wohl die erste Rolle. (Pierre Marie, Langer, M. Sternberg, Launois, Roy u. a.), besonders die mit akromagalieähnlichen Veränderungen behafteten Riesen dürften wohl sicher eine abnorm funktionierende Hypophyse besitzen. Diesem Typus gegenübergestellt wird der infantile Riesenwuchs, der hauptsächlich auf Unterfunktion der Keimdrüsen zurückgeführt wird. Die Fälle von Hodensarkom im Kindesalter mit darauffolgendem Riesenwuchs sprechen ebenfalls für die Bedeutung der Keimdrüsen bei dieser Wachstumsstörung. Von anderen Blutdrüsenerkrankungen werden noch Tumoren der Nebenniere als veranlassende Momente für den Riesenwuchs bezeichnet. Eine eigenartige Sonderstellung nehmen die Fälle von Riesen- wachs mit vorzeitiger Geschlechtsentwieklung bei Zirbeldrüsentumoren ein (Oestreich und Slawyk, v. Frankl-Hochwart, Mar- burg u. a... Es ist vielleieht nicht ausgeschlossen, dass diese letztere Art des Riesenwuchses nicht so sehr, wie allgemein an- genommen wird, auf die gestörte Zirbeldrüsensekretion, sondern auf Alteration der nächstliegenden Gehirnpartien zurückzuführen ist. Über die Funktion der Hypophyse. 125 6. Die Rolle der Hypophyse bei anderen Wachstumsstörungen und Blutdrüsenerkrankungen. Zweifellos hängen ausser der Akromegalie, dem Riesenwuchs der Dysplasia adiposogenitalis, dem Zwergwuchs und manchen Formen des Infantilismus noch einige andere Vegetationsstörungen mit der Hypophysis zusammen, so insbesondere die Sklerodermie, welche v. Strümpell als das Gegenteil der Akromegalie aufgefasst hat, und bei der man anatomisch auch Hypophysenveränderungen be- schrieben hat. In vereinzelten Fällen wurde demgemäss auch Besserung oder Heilung der Krankheitssymptome durch Verfütterung von Hypophysentabletten erzielt. Die gewöhnliche Fettsucht (vgl. v. N aeilem: l. e.) und auch die Dereum ’’sche Krankheit (Adipositas dolorosa) wird mit der Hypo- physis in Zusammenhang gebracht, ebenso der partielle Riesenwuchs einzelner Teile des Körpers, ferner allgemeine Hyperostose des Skeletts. Dass beim Kretinismus, beim Myxödem, bei der gewöhnlichen Struma und bei der Basedow’schen Krankheit die Hypophyse in vielen Fällen mitbeteiligt ist, ist ebenfalls sichergestellt. Noch nicht genügend erforscht ist der nicht unwahrscheinliche Zusammhang zwischen Missbildungen des Schädels und der Hypophysis, namentlich des Uranochismas und der Anencephalie. 7. Über die Beziehungen zwischen Hypophyse und Genitale !). Dass die Hypophyse in vielfachen Wechselbeziehungen zu allen innersekretorischen Drüsen des Körpers steht, geht aus vielen ex- perimentellen und klinischen Tatsachen hervor; besonders innig sind diese Beziehungen zu den Keimdrüsen, welche deshalb eine von den übrigen Blutdrüsen gesonderte Besprechung erfordern. In der Gravidität geht die Hypophyse schon physiologischer- weise eine für diesen Zuwachs charakteristische Metamorphose ein (Comte, Launois und Mulon, Morandi, Guerrini, Cag- netto, Erdheim und Stumme), welcher auch klinisch akro- megalieähnliche Weichteilveränderungen am menschlichen Körper ent- sprechen (Halban, Tandler und Gross). Auch das gesteigerte Knochenwachstum jugendlicher Gravider wird auf die Gravidäts- veränderung der Hypophyse zurückgeführt. 1) Eine eingehendere Behandlung dieses Abschnittes findet demnächst im Arch. f. Geburtsh. u. Gynäk. statt. 126 Bernhard Aschner: Die besprochenen morphologischen Veränderungen der Hypophyse sind der Vergrösserung der Schilddrüse, der Nebenniere, ferner. den analogen Veränderungen der Leber, des Pankreas, der Epithel- körperchen, der Milz und des Corpus luteum in der Gravidität analog zu setzen. Die Kastration löst nach Versuchen von Fichera und Be- obachtungen von Tandler und Gross, Rössle und Jutaka, Kon, ähnliche, wenn auch schwächere Hypophysenveränderungen aus. Die der Kastration folgenden Anomalien des Knochenwachstums der Behaarung, der Fettverteilung und der Hautbeschaffenheit werden zum grossen Teil auch auf die nach der Kastration veränderte Funktion der Hypophyse zurückgeführt. Über das Verhalten des Genitales als ätiologischen Faktor einer- seits und andererseits als sekundär geschädigtes Organ wurde ge- legentlich der Schilderung der einzelnen hypophysären Wachstums- störungen gesprochen. Es sei hier nochmals mit besonderem Nach- druck darauf hingewiesen, dass Hypopituitarismus oder Apituitarismus allein nach den Ergebnissen der Tierversuche die schweren Genital- störungen bei den Hypophysenerkrankungen des erwachsenen Menschen nicht erklären können, und dass wir in diesen Fällen ge- zwungen sind, auf eine Mitbeteiligung des Gehirnes an der Er- krankung zu rekurrieren. Literaturverzeichnis. In nachfolgendes Literaturverzeichnis ist die experimentelle Literatur über die Hypophyse ziemlich vollständig aufgenommen, die klinische und rein morpho- logische Literatur dem Rahmen der Arbeit entsprechend nur in ihren wichtigsten Vertretern. Die Literatur über Beziehungen zwischen Hypophysis und Genitale wurde besonders eingehend berücksichtigt. Herrn Prof. v. Frankl-Hochwart bin ich dafür, dass er mir seine reiche Sammlung von Hypophysenliteratur in liebenswürdigster Weise zur Ver- fügung gestellt hat, zu herzlichem Danke verpflichtet. Aarons, Jeroiis L., Lancet p. 14556. 1910. 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Schaefer?) vorgetragene und von Köhler schon als Axiom zitierte Satz: ‚Das Trommelfel schwingt mit dem fortzuleitenden Tone oder Klange als resonierende Membran mit“ ... Ich habe diesen Satz nie als Axiom zitiert. Er kommt in meiner Erstlingsschrift®) nur als Darstellung der Helmholtz’schen Theorie der Mittelohrfunktion vor, von der ich ausging, als ich meine Versuche am Trommelfell begann, die ich aber so wenig als Axiom ansah, dass ich sie lange Zeit bezweifelte, als meine Versuche zu- nächst gegen sie zu sprechen schienen. *) II. S. 20 derselben Abhandlung heisst es: „Nebenbei wäre noch zu bemerken, dass, wenn Köhler aus seinen Versuchen zu einem Verwerfungsurteil über die Helmholtz’sche Klangfarbentheorie kommt, seine Methode zu solchem Urteil doch nicht ausreicht.“ Ich habe nirgends ein Verwerfunesurteil über die Helmholtz’sche Klangfarbentheorie ausgesprochen, vielmehr habe ich gezeigt, dass der Angrifti, den ein anderer gegen die Helmholtz’sche Klang- farbentheorie gerichtet hatte, ein Angriff mit untauglichen Waffen war, und dass meine Klangaufnahmen wie die jenes anderen Forschers vielmehr die Helmholtz’sche Lehre 1) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S.7ff. 1912. 2) Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 8. 553. 3) Akustische Untersuchungen. I. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 54 S. 241 ff. Diss. Berlin 1909. 4) 1. ce. 8.251. Diss, S. 11. 1055 148 W. Köhler: im ganzen bestätigten.!) — Ich verlange von niemand, dass er meine Schriften liest; doch sollte es sich von selbst verstehen, dass niemand sie kritisiert, der sie nicht kennt. II. Zimmermann vertritt seit Jahren die Meinung, von resonierenden Schwingungen des Trommelfelles könne keine Rede sein. Ich habe nun im Juni 1911 auf dem Otologenkongress in Frank- furt a. M. Schallkurven gezeigt, die ich vom Trommelfell ganz ebenso erhalten hatte, wie man sie sonst von Phonographenmembranen oder dergleichen bekommt, und danach I 0 © das resonierende Mitschwingen des Trommelfells für erwiesen er- klärt. Zimmermann ist anderer Meinung und glaubt meinen Schluss folgendermaassen widerlegen zu können: „Wenn man auf irgend- einen schallleitenden Körper einen Schall, z. B. einen Ton von 500 Schwingungen einwirken lässt, so werden durch den Körper 500 Anstösse in der Sekunde hindurch- geleitet und alle seine Schichten 500 mal bewegt. So natürlich auch seine Grenzfläche, und so wird, was noch niemand bestritten hat oder bestreiten wird, auch das Trommelfell sich verhalten. Ist die Bewegungsamplitude gross genug, so ist nicht sc erstaunlich, dass sie durch optische Apparate zur Darstellung gebracht werden kann.“ ?) — In diesen Sätzen wird versucht, meine Schallkurven als Registrierung von Molekularverschiebungen zu deuten, welche auftreten, wenn der Schall durch das Trommelfell „hindurchgeleitet“ wird. Schade, nun 1) In diesem Zusammenhang kann nur die berühmte Lehre gemeint sein, dass konstante Klangfarbe von Instrumenten durch konstantes Verhältnis der Partialtonamplituden zueinander, die einzelnen Vokale durch festliegende Ver- stärkungsgebiete physikalisch bedingt seien. Denn nur über diese Lehre konnte und sollte ein Verfahren physikalischer Schallregistrierung, wie meine Aufnahmen der Trommelfellschwingungen, entscheiden. Es entschied für Helmholtz. In der psychologischen Theorie der Klangfarbe kann ich mich auf Grund ganz andrer Untersuchungen allerdings Helmholtz nicht anschliessen. Doch davon ist hier nicht die Rede. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 19. Bemerkungen zu G. Zimmermann’s Aufsatz: „Zur Physik etc.“ 149 beweisen die Kurven also doch nichts!? Aber da fällt mir ein, dass unter Zugrundelegung der Zimmermann ’schen Annahme ja ohne weiteres berechnet werden kann, von welcher Grössenordnung jene Molekularverschiebungen sind, und so ergibt sich doch noch ein un- erwarteter Fortschritt in der Physiologie des Trommelfells! Die nebenstehende Zeichnung gibt uns den Weg zur Berechnung an: Das auffallende Licht trifft die äussere Schicht des auf dem Trommelfell befestigten Spiegels in der Lage I bei A, wenn diese Schicht am weitesten nach dem äusseren Gehörgang zu vorgerückt ist; in der Lage II bei Ü, wenn sie am weitesten nach innen ver- schoben ist. Der reflektierte Strahl trifft im ersten Fall auf den Punkt 1 des Aufnahmeapparates, im zweiten Fall auf den Punkt 2. (Die geometrische Konstruktion der Zeichnung ist berechtigt, solange keine Linse in den Strahlengang zwischen. reflektierender Spiegel- fläche und Aufnahmeapparat eingeschaltet ist; für das Beispiel, das wir der folgenden Berechnung zugrunde legen, trifft diese Voraus- setzung zu.) Damit ist, wenn der Einfallswinkel des Lichtes « und der Abstand von 1 und 2 d genannt wird: d sin 2a Fe oe sin 2« AD, die maximale Verschiebung der reflektierenden Fläche, ist danach d, dem Abstand der Extremlagen des reflektierten Strahles, proportional. Wir setzen dafür den bei lautem Schall beobachteten Wert von 6 mm ein!). — Ausserdem hängt der zu berechnende Wert von «, dem Einfallswinkel, ab, und zwar wird er, wie Rechnung oder Zeichnung erweist, kleiner, wenn der Einfallswinkel zunimmt. Wollen wir also ein Minimum des zu berechnenden Wertes bestimmen, so müssen wir den grösstmöglichen Wert des Einfallswinkels wählen, und dieser ist dadurch gegeben, dass der Einfallswinkel nicht über einen gewissen Betrag hinauswachsen kann; einfallender und reflek- tierter Strahl können bei der Länge des Gehörganges und der Enge seiner Öffnung höchstens 10 ° zwischen sich einschliessen ; der Einfalls- winkel kann also den Wert 5° nicht übersteigen ?). 1) Zeitschr. f. Psychol. Bd. 54 S. 266. Diss. S. 26. 2) Hier ist vorausgesetzt, dass die Achse des Gehörganges senkrecht auf der reflektierenden Fläche steht; jede andere Annahme macht das Resultat der obigen Berechnung nur noch ungeheuerlicher. 150 W. Köhler: Bemerkungen zu W. Zimmermann’s Aufsatz etc. Aus diesen Daten ergibt sich als Minimum des zu bestimmenden Wertes: Ap — Cm eos u | sin 10° Aus der Deutung, die Zimmermann meinen Versuchen eibt, folet also notwendig, dass die molekularen Verschiebungen bei „Hin- durchleitung“ von starkem Schall den Betrag von 3?!/z cm erreichen, d. h. dass die Oberfläche des reflektierenden Spiegels bald etwa 17 mm in den Gehörgang nach aussen, bald um ebensoviel in den Kopf hineingeschoben wird. Gewiss eine Entdeckung, die verdient er- staunlich genannt zu werden!) IV. Was die Zimmermann’schen Versuche mit Ausschaltung von Teilen der Gehörknöchelchenkette anbetrifft, so steht gegenwärtig Behauptung gegen Behauptung, so dass man weitere Nachprüfung abwarten muss. Die sonstigen Ausführungen des Verfassers mit ihm zu diskutieren, wird erst möglich, wenn beide Teile über die Lehre von der Resonanz einig sind. Zimmermann’s überraschende Be- hauptung, von Resonanz könne man eigentlich nur reden, wenn der erregende Ton mit dem Eigenton des mitschwingenden Körpers genau übereinstimmt, ?) zeigt mir, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Ich meinerseits weiss mich mit allen Physikern eins in der Konsta- tierung, dass sämtliche resonierenden Körper nicht allein auf ihre Eigentöne, sondern auch auf beiderseits benachbarte Töne (wenn auch gesetzmässig schwächer) mit Schwingungen ansprechen, die als resonierende wohl definiert und von molekularen „Durchleitungs- schwingungen“ wohl zu unterscheiden sind. 1) Wie sich (ebenfalls für d = 6 mm) die maximale Exkursion der Trommel- fellmitte unter Voraussetzung von Resonanzschwingungen auf !/ss mm berechnet, ist 1. c. S. 266 (Diss. S. 26) gezeigt worden. 2) Ib 8%. 11 151 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bonn.) Der Glykogenstoffwechsel der Weinbergschnecke (Helix pomatia) im Winterschlaf und beim Auskriechen. Vorläufige Mitteilung. Von Bernhard Schöndorff. Wegen der sich widersprechenden Angaben in der Literatur über den Glykogengehalt der Weinbergschnecke in den verschiedenen Jahreszeiten, die zum Teil wohl durch die Mangelhaftigkeit der analytischen Methodik, zum Teil aber durch grosse individuelle Schwankungen im Glykogengehalt der einzelnen Tiere bedingt sind, habe ich während der Monate November 1910 bis Mai 1911 in den einzelnen Monaten Glykogenbestimmungen sowohl bei eingedeckelten Schnecken wie bei solchen, die entweder künstlich zum Auskriechen veranlasst wurden oder im Frühjahr normalerweise auskrochen, ausgeführt, deren Hauptresultate ich im folgenden zunächst kurz mitteile. Die Glykogenbestimmung erfolgte nach der Pflüger’schen Methode. Die wässerige Glykogenlösung wurde invertiert und der Zucker gravimetrisch bestimmt und das Glykogen aus den nach Volhard titrierten Kupferwerten berechnet. Versuche, das Glykogen durch Polarisation zu bestimmen, scheiterten daran, dass es unmöglich war, eine farblose, zur Polarisation geeignete Lösung zu erhalten. Durch eine Reihe von Vorversuchen wurde zunächst festgestellt, dass mindestens 200 Tiere zur Analyse genommen werden mussten, um die individuellen Unterschiede auszuschalten und einen Mittel- wert zu erhalten. Ferner wurde in allen Versuchen auch die Trockensubstanz bestimmt und das Glykogen sowohl auf feuchte Substanz wie auf Trockensubstanz berechnet. 152 Bernhard Schöndorff: In einer Reihe von Versuchen wurde das Glykogen im Körper und in der Leber (Mitteldarmdrüse) getrennt analysiert. Die Zahlen beziehen sich alle auf Tiere ohne Schale. Tabelle 1. Eingedeckelte Schnecken, Gesamtglykogen- | Glykogengehalt des | Glykogengehalt der gehalt in Prozenten | Körpers in Prozenten| Leber in Prozenten Monat Feuchte | Trocken- | Feuchte | Trocken- | Feuchte | Trocken- Substanz | substanz | Substanz | substanz | Substanz | substanz Dezember . . . 1,736 9,11 — —_ — — n A 1,783 9,36 — — — — R 1,76 9,23 — — — — hs 1,754 — 15923 — 2,083 — 5 EL 1,91 9,99 1,85 9,48 2,324 9,45 Januar 1,855 9,56 — > = — Hebruarfa 2. 1,76 8,75 _ — — — März (28) (kurz vor dem Auskriechen) . 1,089 5,921 1,087 9,41 1,071 4,195 Um festzustellen, ob das Auskriechen der Schnecke den Glykogen- gehalt vermindere, wurden im Monat Januar 1911 ein Teil der Schnecken, die im Keller bei einer Temperatur von 8° aufbewahrt wurden, in einen Raum von 22—25 ° gebracht und durch häufiges Be- netzen mit Wasser frühzeitig zum Auskriechen veranlasst. Ein Teil wurde auch längere Zeit nach dem Auskriechen bei höherer Temperatur gehalten. Ein anderer Teil wurde nach dem normalen Auskriechen im Frühjahr (22. März 1911) längere Zeit im Freien gehalten und mit Salatblättern gefüttert. (Siehe Tabelle II auf S. 153.) Eingedeckelte Schnecken erhalten also im Winterschlaf während der Monate Dezember, Januar, Februar, März ihren Glykogen- gehalt konstant, und zwar beträgt derselbe im Durchschnitt 1,8 %/o in der feuchten Substanz und ca. 9° in der Trockensubstanz, die im Durchschnitt 20°%0 beträgt. Die Leber enthält ungefähr dieselbeMenge Glykogen wieder Körper der Schnecke. Es findet also in derselben keine Anhäufung von Glykogen statt. Beim durch hohe Temperatur und Feuchtigkeit bewirkten vor- zeitigen Auskriechen der Schnecken sinkt während des Auskriechens der Glykogengehalt nur wenig (6,6—7,2/o); bei längerem Aufenthalt in feuchter Wärme nimmt das Glykogen allmählich ab, aber auch 153 Der Glykogenstoffwechsel der Weinbergschnecke (Helix pomatia) etc. Ja9ynz93 urayyerqyepes yu woraıg WI Tepy ‘cz SIq Jady ‘07 WOA 1643 gL8V‘o Et 2820 £00°2 1882°0 uafegqes uoroıg wr [lady ‘CT SIq zıem "Sg wOA 1% 68980 809°T 61.20 cl 10580 uaj[eyos worarg wr judy ', SIq ZIem '8g WOA 8193 LEIro 7043 680 8197 gro uoeyas ualoay WI uopunyg FZ uogdoLiysny woyamınyeu WOPp YIeu 12 6339'0 669° er6r0 LOL 6EIE‘O uo[eyos IyonayF “urf 9505 UOQDEA1NOSSHE "URL a — IT Fr =e > == 18% rI0or 0 uoyfeya® Yyonoy “we ‘67 ZI UOgDoEANOISTNE URL "ZI "6 Sm == = =E 07 79580 uayjegos IJqanaF -urp ZI 6 UOWoAryaSSne ur 6), = rIcs‘o — 11890 srr 1999°0 uoeyos IyanaF ‚uerf 8 SIq ‘uog9oagossne "uep 'CI— ZI 67 8IE6 0 Grg Al) 63% 9820 5 == = = = 1099 3180 J1oIsATeuR (we ',—'Z) UOYIILINSNY WOP Y9eUu }10J0S —_ — = == LOS L 3%60 u9y99Ugag OJJoN9apaSuıg Ze == == == 946 GsgT zueIsqns zueJsqnS zue}sqns ZUBISAYNS ZUBISAQNS zueIsqnS -UONDOLT, a9yonaT -UOMOOLJ, oJy9n9 T -UONIOLT, Iyono d u9dunyIowuag u9Ju9zolg UI d9gaT A9p NeyaSuasoyAL) uoyu9zoag ur Saodaoy sap Ney9sussoykg -UHMIHUNIS AUALTIOANISSnY I 21129 L u9yu9zorg UI yeyasussoyKjsyuesen Te ndy adv (68) Ze “ ABNURF yeuon 154 B. Schöndorff: Der Glykogenstoffwechsel der Weinbergschnecke etc. bei 14tägigem Aufbewahren in feuchter Wärme beträgt der Glykogen- gehalt in der Trockensubstanz noch 2,96, in der feuchten 0,4 %o. Gegen Ende März, wenn die Schnecken anfangen, normalerweise auszukriechen, ist der Glykogengehalt auf 1,089 in der feuchten Substanz resp. 5,3210 in der Trockensubstanz gesunken. Nach dem Auskriechen sinkt er mehr und mehr und beträgt im April ohne Fütterung 0,41—0,32 %/o resp. 2,61—1,82 °/o. Auch bei Fütterung mit Salatblättern während eines Monats, bis Ende Mai, bleibt der Glykogen- gehalt auf diesem niedrigen Stande stehen (0,2881 °o resp. 2,003 %/o). In den beiden letzten Monaten enthält die Leber (2,75 /o und 2,59 %/o) etwas mehr Glykogen wie der Körper (1,6°/o und 1,84 /o). 155 Der Stannius’sche Versuch am Säugetierherzen. Bemerkungen zu der von H. E. Hering gegebenen Darstellung. Von H. Winterstein (Rostock). In einer kürzlich erschienenen Arbeit!), welche den Titel führt: „Über den Stannius’schen Versuch und seine Modifikationen am Herzen der Säugetiere und des Menschen“, schreibt H. E. Hering: S. 230: „Im Jahre 1903 veröffentlichte ich?) im Physiologischen Centralblatte einen modifizierten Stannius’schen Versuch am Hunde- herzen .... Dieser Versuch ... ist von den verschiedensten Autoren übersehen worden, so auch von Langendorff, der in seinem Essay vom Jahre 1905 . . . zwar in der Literaturangabe die Mitteilung anführt, aber bei seiner Besprechung der im Jahre 1904 erschienenen Abhandlung von Engelmann über den Stannius’schen Versuch meinen Versuch nicht erwähnt, wie auch nicht in seiner mit C. Lehmann im Jahre 1906 veröffentlichten Mitteilung über den ‘Versuch von Stannius an Warmblüterherzen.“ S. 232: „... 1903 habe ich ?) über einen Stannius’schen Ver- such an mit Ringer’scher Salzlösung künstlich durchströmten Hundeherzen berichtet. ‚Schneidet man am schlagenden Herzen die Vorhöfe weg, so stehen die Kammern nach dem letzten Schnitt trotz fortbestehender Durchströmung einige Zeit hindurch still und schlagen nach dieser Pause seltener als vor der Vorhofabtrennung.‘“ S. 234: „Im Jahre 1906 veröffentlichten OÖ. Langendorff und C. Lehmann?) die schon weiter oben erwähnte Mitteilung, betitelt: ‚Der Versuch von Stannius am Warmblüterherzen.‘ Diese Mit- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 229. 1912. 2) Physiol. Centralbl. H.1. 11. April 1903. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 352. 1906. 156 H. Winterstein: teilung brachte über diesen Versuch im Prinzip nichts Neues; wenigstens war mir alles Wesentliche darüber schon am Säugetierherzen bekannt. Langendorff und Lehmann haben mit dem Wegschneiden des ‚Venensinus‘ in Wirklichkeit nicht den Versuch von Stannius ausgeführt, sondern eine Modifikation desselben; es sei dies nur des- wegen erwähnt, weil es aus der Mitteilung von Langendorff und Lehmann nicht klar genug hervorgeht. Das Ergebnis stimmte mit den von mir vorher veröffentlichten modifizierten Stannius’schen - Versuchen am Hundeherzen überein.“ Wer ohne Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes diese Dar- stellung liest, muss etwa zu der folgenden Auffassung kommen: Im Jahre 1906 hat Langendorff Versuche veröffentlicht, die nichts wesentlich Neues brachten gegenüber solchen, die H. E. Hering bereits drei Jahre früher mitgeteilt hatte. Diese letzteren Versuche hat Langendorff überdies in seiner Arbeit mit keiner Silbe erwähnt. — Obwohl allen, die Oskar Langendorff näher gekannt haben, seine peinliche Exaktheit, gründliche Literaturkenntnis und neidlose Anerkennung fremden Verdienstes zur Genüge bekannt sein dürfte, fühle ich mich doch verpflichtet, dieser für viele irreführenden Dar- stellung entgegenzutreten. In seiner zitierten Arbeit schrieb Langendorff (S. 352): „Seit den Versuchen von v. Wittich, Wooldridge, Tiger- stedt, His jun. ist ja bekannt, dass die von den Vorhöfen ab- getrennten Kammern des Säugetierherzens nach einem flüchtigen Stillstand mit verlangsamtem und von dem der Atrien verschiedenem Rhythmus weiter pulsieren; welche bedeutsame Rolle bei dieser Iso- lierung das von His entdeckte Übergangsbündel spielt, ist besonders durch die schönen Arbeiten von H. E. Hering dargetan worden. Für uns handelte es sich aber um die Frage, ob und in welcher Weise die Tätigkeit des Herzens durch die alleinige Fortnahme des Venensinus verändert wird.“ Die Beobachtung, dass die Durchschneidung zwischen Vorhöfen und Kammern beim Säugetierherzen einen vorübergehenden Stillstand der letzteren zur Folge haben kann, ist also, wie ja auch aus einem von Hering selbst (S. 232) wiedergegebenen Zitat von Krehl und Romberg hervorgeht, schon längst vor Hering gemacht worden und selbstredend auch Langendorff wohl bekannt gewesen. Nun müsste man auf Grund der oben zitierten Sätze Hering’s meinen, dieser habe seine im Jahre 1903 veröffentlichten Beobachtungen Der Stannius’sche Versuch am Säugetierherzen. 157 als eine „Modifikation des Stannius’schen Versuches“ aufgefasst, sie etwa gar unter diesem Titel veröffentlicht. Das war keineswegs der Fall. Die Mitteilung trägt vielmehr den Titel: „Über die Wirksamkeit des Accelerans auf die von den Vorhöfen abgetrennten Kammern isolierter Säugetierherzen“, und in der ganzen Mitteilung ist das Wort „Stannius’scher Versuch“ nicht enthalten und auch mit keinem Worte auf irgendwelche Beziehungen zu diesem hingedeutet! Und mit Recht. Denn die Durchtrennung des Herzens an der Vorhofkammergrenze ist offenbar ein ganz anderer Eingriff als die erste Stannius’sche Ligatur und wäre höchstens mit der zweiten Ligatur vergleichbar, die ja bekanntlich gerade die entgegen- gesetzte Wirkung ausübt. Jetzt aber schreibt H. E. Hering (8.230): „Unter der Modifikation des Stannius’schen Versuches verstehe ich dementsprechend alle Umstände, welche es bewirken, dass das Herz dem Einfluss der nomotopen Ursprungsreize entzogen wird und daraufhin unterdem Einfluss hetero- toper Ursprungsreize zu schlagen anfängt.“ Nun kann man über die Deutung des Stannius’schen Ver- suches verschiedener Meinung sein, über den Versuch selbst aber gibt es keine Privatansichten. Denn der Stannius’sche Versuch ist keine Theorie, sondern ein wohlumschriebener experimenteller Eingriff; es ist eben der Versuch, den der Rostocker Physiologe Hermann Stannius zuerst im Jahre 1851 mitgeteilt hat!): „Wird genau diejenige Stelle unterbunden, woder Hohlvenensinus in den rechten Vorhof mündet, so stehtdas ganze Herz im Zustande der Diastole anhaltend stille“ Als eine Modifikation dieses Versuches mag man es bezeichnen, wenn man die Abtrennung des Venensinus vom Vorhof statt durch eine Ligatur durch einen Schnitt vornimmt; niemals aber kann man den Herz- stillstand, der nach Durchtrennung des Herzens zwischen Vorhöfen und Kammern auftritt, d. h. nach einem Eingriff, der in den Ver- suchen von Stannius gerade die entgegengesetzte Wirkung hatte, das durch die erste Ligatur zum Stillstand gebrachte Herz wieder zum Schlagen zu bringen, als eine „Modifikation des Stannius- schen Versuches“ bezeichnen. Ob beide Erscheinungen in letzter Linie auf der gleichen Ursache beruhen oder nicht, ist hierbei völlig gleichgültig. 1) Zwei Reihen physiologischer Versuche. Adler’s Erben, Rostock 1851. 158 H. Winterstein: Der Stannius’sche Versuch am Säugetierherzen. Nun weist H. E. Hering darauf hin, dass auch Langen- dorff’s Versuch am Warmblüterherzen nur eine „Modifikation des Stannius’schen Versuches“ war, und macht ihm zum Vorwurf, dies nicht genügend deutlich hervorgehoben zu haben. Mir ist nicht recht klar, wogegen sich dieser Vorwurf richtet. Die altübliche, schon 1858 von Eckhard eingeführte Modifikation, die Abtrennung statt durch eine Ligatur, durch einen Schnitt vorzunehmen, bedurfte wohl keiner Begründung; oder sollte noch nachdrücklicher betont werden, dass es sich bloss um die Entfernung des dem Sinus entsprechenden Teiles der Vorhofswand handelte? Eine solche Hervorhebung wäre wohl nur für jene notwendig gewesen, welche mit den Anfangsgründen der Anatomie des Säugetierherzens nicht vertraut sind; denn alle die anderen, welche wissen, dass das Säugetierherz einen gesonderten Venensinus überhaupt nicht besitzt, brauchte man wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, dass der Versuch hier nicht in der Entfernung eines gar nicht existierenden Herzabschnittes, sondern bloss desjenigen Herzteiles bestehen könne, der vergleichend-anatomisch und entwicklungsgeschichtlich dem Venensinus des Froschherzens entspricht. Die Entdeckung von Langendorffund Lehmann, dass diese Stelle sich nieht bloss dadurch wahrscheinlich „als Ursprungsort der normalen Herzreize und Ausgangspunkt der Herzbewegung beim Säugetierherzen“ dokumentiert, dass, wie die von Langendorff und Adam ausgeführten Versuche dargetan hatten, von hier aus der Rhythmus der ganzen Herztätigkeit beeinflusst werden kann, sondern auch dadurch, dass seine Entfernung einen vorübergehenden Herzstillstand herbeizuführen vermag, hat also in Wahrheit eine ganz neue und bedeutungsvolle Tatsache zutage gefördert. H. E. Hering kommt in seiner Arbeit zu der bemerkens- werten Schlussfolgerung (S. 248): „Der Stannius’sche Versuch (auch erste Stannius’sche Ligatur genannt) ist nur ein Spezialfall des Verhaltens des Herzens, wenn es dem Einflusse der nomotopen Ursprungsreize entzogen wird.“ Um so sonderbarer ist die voll- ständige Umkehrung des Sachverhaltes, die Hering vornimmt, wenn er von dieser Schlussfolgerung aus rückwärtsgehend die Bedeu- tung und Originalität jener Versuche zu schmälern sucht, auf die sich diese Schlussfolgerung in letzter Linie aufbaut. ne ee un De G % are Lith..Anst v.F.Wirtz Darmsiadt. 146. . D Pa > I. % >: 70 ger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd. SEN > | SER 28 ä Il N & ge RONS . Ts S Q Du IN Q' R SI = Sansaı Nadss “a SS N NS SSSSS 2, \ ) & SS S] w 2 = SS S S SS & Bi IN IS SUSE Sn SS 159 (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg.) Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. (Versuche an Blutzellen.) Von Otto Meyerhof. (Hierzu Tafel II.) Die vorliegende Arbeit schliesst sich in sachlicher und metho- discher Hinsicht eng an die Untersuchungen über die Wärmetönung der vitalen Oxydationsvorgänge am Ei und Samen des Seeigels und den Eiern und Larven der Aplysia an!). Die Benutzung von Vogel-Erythrocyten, die einen leicht messbaren Stoffwechsel haben, ergab sich aus verschiedenen Gesichtspunkten. Einmal waren die Beeinflussungen der Oxydationsgeschwindigkeit hier von O0. Warburg ebenso weitgehend studiert worden wie am See- igelei?), und es liessen sich einige in obengenannter Arbeit nicht oder ungenügend berücksichtigte Purkte dabei aufklären; ferner handelt es sich hier um einzellige keinerlei sichtbare Veränderungen ein- gehende, ihrem Wesen nach innerhalb gewisser Zeiten stabil erscheinende Organismen, bei denen unter normalen Verhältnissen als kalorischer Quotient?) (Anzahl von Grammkalorien pro Verbrauch von 1 mg O,) der Verbrennungswert von Eiweiss, Fett oder Kohlehydraten zu er- warten war. Es wurde ferner vorausgesetzt, dass bei dem grossen Sauerstoffvorrat im Hämoglobin die Ausschläge der. einzelnen Messungen 1) Otto Meyerhof, Untersuchungen über die Wärmetönung der vitalen Oxydationsvorgänge in Eiern. 1.—III. Biochem. Zeitschr. Bd. 35 S. 246. 1911. 2) O0. Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 59 S. 112, Bd. 69 S. 452, Bd. 70 S. 413, Bd. 76 S. 331. Verhandlungen des deutschen Kongresses für innere Medizin Bd. 23 S. 553. 1911. Münchener med. Wochenschr. 1911 Nr. 6. — Warburg und Wiesel, Pflüger’s Arch. Bd. 144 8.465. 1912. — Onaka, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 70 S. 433. 3) Siehe Biochem. Zeitschr. Bd. 35 S. 253. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 11 160 Otto Meyerhot: genügend gross sein würden, um die Genauigkeit der erhaltenen Konstante weit über die der früheren zu bringen, bei denen der geringe Sauerstoffvorrat der Versuchsflaschen vor allem an der ver- hältnismässig grossen Fehlerbreite von + 6°/o schuld erschien. Je- doch hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Erstens erwiesen sich die Wärmemessungen bei höheren Temperaturen als ungenauer wie um Zimmertemperatur; ferner war die Winkler’sche Sauerstoff- titration der hier benutzten Warburg’schen Bestimmung mit dem Barcoft’schen Blutgasmanometer, wenn auch nieht an Empfindlich- keit, so doch, worauf es in unserem Falle allein ankommt, an Fehler- genauigkeit überlegen. Endlich aber entstand durch die Wärme- tönung der Hämoglobingasbindungen eine erhebliche Unsicherheit, die nicht ganz vollständig behoben werden konnte. Es muss deshalb als ein nicht zu schlechtes Resultat angesehen werden, dass sämtliche gefundenen Werte auch nicht weiter voneinander abliegen als 15 °o, so dass hier die Fehlerbreite etwa + 7,5 °/o beträgt. Ehe ich die hier gewonnenen Resultate mitteile, muss eine Un- genauigkeit in der Berechnung der erwähnten kalorischen Grössen in der letzten Untersuehung berichtigt werden, die für das Gesamt- resultat in Betracht kommt, wenn sie auch unter die Genauigkeit der einzelnen Experimente fällt. Es war nämlich bei der Berechnung des Wasserwerts die spezifische Wärme des Meerwassers statt mit dem spezifischen Gewicht desselben (= 1,025) nur mit dem des Wassers multipliziert, und alle erhaltenen Grössen müssen deshalb unter Berücksichtigung des Wasserwertes des Gefässes auf eine Gesamtkapazität umgerechnet werden, die 2,2% grösser ist als die angenommene. Für die Versuche in hypertonischen Lösungen, wo dieser Fehler auch gemacht wurde, ist die Korrektur noch etwas grösser. Als Mittel der Versuche am Seeigelei bei normaler Furchung ergibt sich statt 2,73: 2,79, reduziert um 0,17 für die Wärmetönung der CO,-Bindung und -Lösung — 2,62; für Eier mit künstlichen Membranen statt 2,78: 2,84 (— 0,17) usw. Bei hypertonischen Lösungen beträst die Korrektur durchschnittlich 40, statt im Mittel 2,75 ergibt sich 2,86 (— 0,17). Für Samen von Seeigeln folgt statt 3,24 :3,31 (— 0,17); für Aplysiaeier statt 2,98: 3,05 (— 0,17), für Aplysialarven statt 3,08: 3,15 (— 0,17). Da der kalorische Koeffi- zient des Sauerstoffs für Eiweissverbrennung 3,2, für Fett 3,3, für Kohlehydrate 3,4—3,5 beträgt, so ist auf diese Weise der Wert für Samen dem Koeffizienten der Eiweissverbrennung annähernd gleich. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 161 I. Der kalorische Quotient für die Atmung der Vogelerythrocyten. Als Mittel sämtlicher Bestimmungen des kalorischen Quotienten ergibt sich ein Wert zwischen 3,2 und 3,3, und zwar für zehn Wärmemessungen und zwölf parallele Sauerstoffbestimmungen 3,26, für drei Wärmemessungen unter Durchleiten eines Sauerstoffstroms, wodurch die Wärmetönungen der Hämoglobinreduktion und Kohlen- säurebindung in Weefall kommen, und fünf entsprechende Sauerstoff- bestimmungen 3,20, für eine durch Äthylurethau um 35 %/o gehemmte Atmung bei einer Wärme- und zwei Sauerstoffbestimmungen 3,30. Die Vermutung, dass sich bei der Erythrocytenatmung ein „normaler“ Quotient ergeben würde, hat sich also bestätigt. Er liest zwischen Eiweiss- und Fettverbrennung. Das Messungsverfahren war im wesentlichen das gleiche wie bei der letzten Untersuchung'!). Im einzelnen waren Modifikationen erforderlich. Der Thermostat war auf 29° C. reguliert. Während einer mehrstündigen Versuchszeit bestand meist eine Konstanz von 0,02—0,03° C. Für die Mehrzahl der Wärme- versuche diente ein Dewargefäss (Protokollnummer D IV) von 190 cem Raum- inhalt, das einen Abkühlungskoeffizienten gegen Wasser von 5°o pro 1 Stunde hatte. Für einige Messungen diente das früher benutzte Gefäss (D II) von 240 ccm Inhalt, dessen Abkühlungskoeffizient pro 1 Stunde 3°o betrug; doch standen dafür meist nicht genügende Blutmengen zur Verfügung. Da bei hoher Thermostatentemperatur sich eine Auskühlung gegen das Zimmer längs des Thermometerrohrs geltend machte, so wurde an Stelle des auf dem Dewargefäss befestigten Glaszylinders eine sich nach oben verjüngende, oben offene Glasglocke benutzt, über die ein langer, um das Thermometer festgebundener Gummifinger gezogen war, so dass das Kalorimeter sehr tief, bis zum oberen Rand des Gummi- fingers in den Thermostaten versenkt werden konnte. Trotzdem und trotz einer längeren Vorwärmung der in der Glocke steckenden Watte war auch dann noch für die ersten 2 Stunden eine geringe Differenz’des Abkühlungskoeffizienten für über und unter dem Thermostaten gelegene Temperaturen bemerkbar, und zwar betrug derselbe 4,6—4,8°%0 für tiefere, 5,3—5,1°/, für höhere Temperaturen. Nach 2 Stunden hatte sich dieser Unterschied ausgeglichen. Da es untunlich war, so lange Zeit vor der Messung verstreichen zu lassen, wurden die Anfangszeiten in dieser Richtung korrigiert. Doch musste jedesmal 20—30 Minuten, vom Einhängen in den Thermostaten an gerechnet, gewartet werden, ehe ein regelmässiger Tem- peraturanstieg erfolgte; bei sehr genauen Messungen, bei denen kleine Aus- schläge zu erwarten waren, 40—50 Minuten; aber auch dann war die nächste Stunde aus den erwähnten Gründen noch nicht absolut genau. In den Versuchen, bei denen Sauerstoff während der Versuchszeit durch das Gefäss geleitet wurde, wurde eine von zwei Glasröhren durchbohrte Glasglocke 1) Vgl. Biochem. Zeitschr. Bd. 35 8.265. 1911. 11* 162 Otto Meyerhof: benutzt. An der einen Röhre war aussen das Zuleitungsrohr befestigt, in das der Sauerstoff aus einer Bombe durch mehrere im Thermostaten stehende Waschflaschen und eine lange „Wärmeschlange“ gelangte, so dass er genau auf Thermostaten- temperatur in die Blutkörperchenlösung kam, in die er durch ein vielfach durch- bohrtes Glasrohr strömte. Nach dem Passieren des Versuchsgefässes wurde der Sauerstoff durch das herausführende Rohr unter einen Messzylinder geleitet, so dass seine Menge berechnet werden konnte. Diese wurde so klein gehalten — etwa 1 Liter für 2Stunden —, dass die für die Wärmekapazität des Sauerstoffs anzubringende Korrektur ausser Betracht kam. — Für die Messungen wurden verschiedene Beckmann-Thermometer benutzt, zumeist ein geprüftes, in 0,01° ge- teiltes Thermometer, dessen Ablesungen nach dem Prüfungsschein korrigiert wurden; gelegentlich auch ein in 0,002° geteiltes Thermometer, das aber eine sehr langsame Einstellung zeigte und deshalb unbequem war. Die Ablesung geschah wie früher mit Lupenvergrösserung. Die Sauerstoff bestimmungen wurden nach dem Warburg’schen Verfahren mit dem Haldane-Barcroft’schen Manometer vorgenommen, unter Benutzung der Verbesserungen, die kürzlich beschrieben wurden). Es wurden meist Atmungsgefässe von 6,1—6,3 ccm, anfangs solche von 3,2 ccm benutzt; gelegentlich kamen auch solche von 10—12 ccm zur Ver- wendung. Stets wurde vor dem Versuch eine gleiche Menge luftgesättigter Ery- throcytensuspension zur Kontrolle mit 0,05 cem n-Cyankali vergiftet; und ebenso nach dem Versuch die Atmungsprobe mit der gleichen Menge Cyankali. Die Grösse der Atmung ergibt sich aus der Differenz der Ausschläge dieser beiden Proben, nach der Formel v, = De N Kubikzentimeter Sauerstoff unter P%Ml-+ ei) Normalbedingungen von Temperatur und Atmosphärendruck (v: Volumen des Ab- sorptionsgefässes plus Capillare minus eingefüllter Flüssigkeit in Kubikzentimeter. P Druckabnahme im Manometer, gemessen in Millimeter Wasser bezw. wässriger Lösung von gallensaurem Natrium (spez. Gew. 1,033), 9, Normaldruck in Millimeter der gleichen Lösung —= 10000, t = Absorptionstemperatur in °C). Die Grösse des Ausschlages ist vom Barometerdruck völlig unabhängig und daher direkt ein Maass für die Menge des verschwindenden Sauerstofis. Diese Menge wird also durch -Multiplikation mit 1,43 in Milligramm Sauerstoff erhalten. Da bei grossen Ausschlägen der Sauerstoffgehalt des Absorptionsgefässes erheblich ge- sunken ist und daher die Sättigung der Flüssigkeit durch den veränderten Partial- druck herabgesetzt ist, wurde für diese Fälle eine entsprechende Korrektur angebracht. Ehe mit den eigentlichen Messungen begonnen werden konnte oder diese ganz berechenbar waren, mussten eine Reihe von Vor- messungen vorgenommen werden. Diese betrafen 1. die Wärme- kapazitäten der Anordnung, insbesondere die spezifische Wärme von Vogel-Erythrocyten, 2. die Wärmetönungen der Gasbindungen des l) Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 76 S. 343. Siehe auch Bd. 69 S. 457. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 163 Hämoglobins, 3. für die nötige Korrektur bei dem Ansteigen der Temperatur in dem adiabatischen Kalorimeter die Kenntnis des Temperaturkoeffizienten der Erythrocytenatmung. Die Ermittlung des Wasserwerts der Gefässe geschah wie früher durch Heizung mit dem elektrischen Strom. Der Strom eines Akkumulators durchfloss — unter Einschaltung regulierbarer Vorschaltwiderstände — einen im Dewar- gefäss befestigten Manganinwiderstand von 2,92 Ohm, während das Gefäss mit einer genau bestimmten Menge Wasser gefüllt war. Spannung und Stromstärke wurden während der Versuchszeit dauernd mit geprüften Weston-Strom- und -Spannungsmessern kontrolliert. Aus dem Temperaturanstieg (7) berechnet sich dann die Wärmekapazität (O) nach der Formel 9 = (- T=0,239i- e-t g-cal. i: Am- pere, e: Volt, t: Sekunden). Da die Gefässe sich während des Versuchs aus äusseren Gründen nicht im Thermostaten, sondern statt dessen nur in einem wattegefüllten Kasten befanden, war die Auskühlung relativ beträchtlich und nicht ganz genau berechenbar, worunter die Genauigkeit der Versuche litt. Bei Füllung des Gefässes DIV mit 180 ccm Wasser ergab sich in zwei Versuchen eine Gesamtkapazität von 198,2 und 200,2, also als Wasserwert des. Gefässes 18,2—20,2. Im späteren wird 19,5 dafür genommen. Eine Wiederholung der Eichung des Gefässes DII ergab bei Füllung mit 200 ccm Wasser einen Wasser- wert von 22—23, während früher bei Füllung mit 230 ccm Wasser 24 in guter Übereinstimmung dazu gefunden war. Darauf wurde die spezifische Wärme einer bestimmten Kon- zentration von Gänse-Erythrocyten in 0,9 °/oiger NaCl-Lösung ermittelt, aus der für alle späteren Messungen die spezifischen Wärmen der benutzten Konzentrationen interpoliert wurden. Diese Interpolation geschah durch Messung des spezifischen Gewichts der betreffenden Lösungen. Da zu allen Versuchen in 0,9 /oiger NaCl-Lösung (spezifisches Gewicht 1006) gewaschene Erythrocyten gebraucht wurden, und man annehmen darf, dass die Erythrocyten im Mittel stets gleich schwer sind, kann das spezifische Gewicht als ein genügend sicherer Index der Menge der Erythrocyten und damit der nur von der Menge der Erythrocyten abhängenden spezifischen Wärme angesehen werden. Die Hämoglobinbestimmungen nach Sahli erwiesen sich für Ver- gleichszwecke erheblich ungenauer, während die N-Werte dem spezifischen Gewicht einigermaassen parallel zu gehen schienen !). ‚Für die Messung der spezifischen Wärme wurde eine dichte Suspension 1) Ausgeführt sind nur Messungen der spezifischen Wärme an Säugetierblut, die genauesten von Hillersohn und Stein-Bernstein. Engelmann’s Arch. f. Physiol. 1896 S. 249. Dieselben fanden für normales Kälberblut die spezifische Wärme von 0,87, für durch Zentrifugieren eingedicktes Blut 0,845. 164 Otto Meyerhof: von Gänse-Erythrocyten, annähernd doppelt konzentriert gegenüber Normalblut, vom spezifischen Gewicht 1,061 benutzt (N-Gehalt im Vergleich zu späteren Messungen relativ sehr hoch = 53 mg pro Kubikzentimeter). Da die anfänglichen Messungen erheblich von- einander abwichen, wurde die Bestimmung nach zwei verschiedenen Methoden vorgenommen. Die Heizung mit dem elektrischen Strom ereab in drei Bestimmungen 0,853, 0,370 und — offenbar fehler- haft — 0,83 als Wärmekapazität von 1 cem Suspension. Für die spezifische Wärme der Lösung wären diese Zahlen noch durch 1,061, dem spezifischen Gewicht, zu dividieren; doch wird, da auch später- hin das Volumen, nicht das Gewicht der Lösung berücksichtigt wird, im folgenden immer mit dieser Grösse: spezifische Wärmekapazität pro 1 eem = spezifische Wärme X spezifisches Gewicht — gerechnet. Auf andere Weise wurde durch Einwerfen von Kupferstücken aus strömendem Wasserdampf und dem darauf erfolgenden Temperatur- anstieg der Blutsuspension die spezifische Wärme derselben nach der Mischungsformel berechnet, nachdem zuvor durch Einwerfen in Wasser die spezifische Wärme der benutzten Kupferstücke bestimmt war. Für das Kupfer wurde gefunden als spezifische Wärme 0,0947, 0,0952, 0,0948, 0,0971, im Mittel 0,095. Unter Benutzung von 14,33 g desselben ergab sich für obige Suspension als Wärmekapazität pro Kubikzentimeter in drei Messungen 0,859, 0,356 und 0,378. Das Kupfer wurde in Spuren angegriffen, doch wird ein daraus entspringender Fehler unerheblich sein. Als Mittel aller Bestimmungen ergibt sich als Wärmekapazität pro Kubikzentimeter 0,858; im fol- genden ist sie mit 0,86 gerechnet. Über die Wärmetönung der Hämoelobingasbindungen liegen mehrere Experimentaluntersuchungen vor, die aber ausserordentlich abweichende Werte ergaben. Nach Berthelot!) treten für die Bindung von Img 0, an Hämoglobin 0,48 g cal. auf, nach Camis?) nur 0,323 g cal., nach Torup®°) offenbar noch weniger. Dagegen fanden neuerdings Barceroft und Hill‘) 1,75—1,98 eal. pro 1 g Hämoglobin, woraus sich für 1 mg O, 0,91—1,04, also etwa 1,0 cal. 1) Compt. rend. de l’acad. d. Science. t. 109 p. 778; vgl. Jules Lefevre, Chaleur animale p. 651. 1911. 2) Biochem. Zentralbl. Bd. 7 S. 550. 1908. 3) Biochem. Zentralbl. Bd. 5 S. 667. 1906. 4) Journ. of Physiol. vol. 39 p. 411. 1909/1910. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 165 berechnet. Noch widersprechender sind die Angaben über die Wärme- tönung der CO,-Hämoglobinbindung. Während Camis eine positive Wärmetönung von 0,12 cal. pro 1 mg CO, findet, stellte Torup eine negative Wärmetönung von 0,5 cal. pro 1 mg CO, fest. Die einfachste Methode, diese Unsicherheit fortzuschaffen, be- stand in der Durchleitung eines konstanten Sauerstoffstroms durch das Versuchsgefäss, da so die Reduktion des Oxyhämoglobins ver- hindert und hinsichtlich der CO,-Bindung ein stationärer Zustand geschaffen werden musste, indem die neugebildete Kohlensäure zum überwiegenden Teile entfernt wurde. Diese Messungen ergaben das unerwartete Resultat, dass die Grösse der Wärmeerzeusung dadurch nicht geändert wurde, d. h. dass sich die negative Wärmetönung der Hämoglobinreduktion und die positive der CO,-Bindung an- nähernd aufheben mussten. — Dass dies allerdings nicht ganz streng der Fall sein kann, zeigt schon die theoretische Überlegung, dass die Kurve der Oxyhämoelobindissoziation gerade umgekehrt verläuft wie die der CO,-Bindung, indem anfänglich der Sauerstoff grössten- teils aus der umgebenden Lösung, dann zu immer grösserem Bruch- teil aus dem Hämoglobin entnommen wird, während die anfänglich gebildete Kohlensäure annähernd ganz ans Hämoglobin und die Karbonate des Zellinnern gebunden wird, allmählich aber immer steigende Überschüsse in die umgebende Lösung treten. Ausserdem wurde eine Versuchsreihe zur Bestimmung der Wärmetönung bei der Bindung bestimmter Kohlensäuremengen an Erythrocyten durchgeführt. Wenn diese auch für die Gewinnung absoluter Werte zu ungenau ist, dürfte sie doch der Grössenordnung nach zutreffend sein und sei deshalb hier angeführt, obgleich auf das Resultat kein grosses Gewicht gelegt werden soll. Die Methode war folgende: Eine NaCl-Lösung von bekanntem Gehalt an Kohlensäure wurde in ein unten mit eingeschliffenem Glasstopfen verschlossenes weites Rohr gefüllt, welches oben mit doppelt durchbohrtem Korkstopfen versehen war. In dem Korkstopfen steckte fest ein Beckmann Thermometer und lose ein schrauben- förmiger Glasrührer. Diese ganze Anordnung wurde in ein weithalsiges kugliges Dewargefäss gehängt, in dem sich die Erythrocytensuspension befand, und war durch einen oben über das Thermometer gezogenen Korkstopfen in dessen Hals befestigt. Die meisten Messungen fanden nicht im Thermostaten, sondern in einem Wattekasten statt, obwohl, wie spätere Versuche zeigten, letzteres genauer gewesen wäre. Nachdem die Temperatur im Innern sich ausgeglichen hatte, wurde von aussen durch Druck auf den Glasrührer der eingeschliffene Glasstopfen aus dem Rohr herausgestossen. Infolgedessen vermischte sich die kohlensäurehaltige Innen- lösung mit der Blutkörperchensuspension, und ohne irgendwelche Wärmeverluste wurde die auftretende Wärmetönung am Temperaturanstieg in den folgenden Minuten gemessen. Gelegentlich wurde auch die Blutkörperchensuspension in das 166 Otto Meyerhof: Rohr, die Flüssigkeit aussen eirgefüllt. Als Erythrocyten wurden Rinderblut- körperchen benutzt, da Gänseerythrocyten durch Atmung Störungen ergeben hätten. Die Kohlensäurelösung wurde so hergestellt, dass in geschlossenem Messzylinder eine bestimmte Menge n HCl vorsichtig unter eine Lösung von Natriumbicarbonat geschichtet wurde, wodurch eine äquimolekulare Menge CO, freigemacht wurde. Nach kräftigem Vermischen unter luftdichtem Verschluss des Zylinders wurde die Lösung vorsichtig in das Versuchsgefäss übergehebert. Doch fand jetzt während der Wartezeit im Dewargefäss eine dauernde geringe Entgasung statt, so dass von dem berechneten CO,-Gehalt schätzungsweise 5—10°/, in Abzug zu bringen sind. Eine weitere Ungenauigkeit bestand darin, dass im allgemeinen nur gegen 1 Stunde für den Temperaturausgleich gewartet wurde, was etwas knapp ist. Der Hämoglobingehalt wurde nach Sahli bestimmt, das Sahli’sche Hämoglobino- meter durch eine maximale Sauerstoffzehrung einer abgemessenen Menge Gänse- erythrocyten und nachherige Sättigung im Barcroft’schen Manometer geeicht. Sahli 100 entsprach 0,246 ccm O0, im Kubikzentimeter oder (da nach Hüfner 1,34 ccm O,—=1 g Hämoglobin sind) 0,184 g Hämoglobin. In der folgenden Tabelle sind aus den benutzten Mengen HCl-Lösung (— 10°/o) und der eingefüllten Flüssig- keit die Anzahl Kubikzentimeter CO, ausgerechnet, die sich beim Vermischen auf die Blutkörperchensuspension in 240 ccm verteilen. Für die Berechnung der Wärmetönung pro Bindung von 1 ccm CO, ist in Betracht zu ziehen, dass die Kurve der CO,-Hämoglobinbindung sich auf die Tension der Kohlensäure bezieht!), also zum Vergleich für die Atmungsversuche, bei denen die Kohlensäure in 180 cem Flüssigkeit entsteht, eine um 25°/o geringere Menge Kohlensäure in Anschlag zu bringen ist und bei ähnlicher Hämoglobinmenge ungefähr dieselbe Wärme- tönung ergeben würde. Die gebundene Menge Kohlensäure und damit die Grösse der Wärmetönung hängt von den zwei Variabeln der anwesenden Menge Hämo- globin und der Kohlensäuretension ab, bei grösseren Kohlensäuremengen wesent- lich von der ersteren, weil dann der grösste Teil der Kohlensäure in der um- gebenden Lösung bleibt. So ersieht man aus der folgenden Tabelle, dass die IapreiileT: 5 . Berechnet | Berechnet | Temperatur- 2 Nr. 2 Arge obın Hämoglobin 101075 anstieg Base) nach Sahli g cem 06% glcal 1 32 14 50 0,035 8,5 2 58 25,9 20 0,05 12,0 3. 58 25,9 20 0. 045 11,0 4. 46 20 16 0, ‚03 7,0 >. 46 20 16 0,035 8,5 6.2) 19 ) 70 0, 026 6,9 1) Siehe Bohr, Nagel’s Handbuch Bd. 1 S. 71 und 103ff. Skand. Arch. Bd. 3 S. 66. 2) Diese Messung fand im Thermostaten von 29° statt und ist, abgesehen von dem Entgasungsfehler, die genaueste. Es befanden sich 38 cem Blutkörperchen im Glasrohr und 220 cem Kohlensäurelösung aussen. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 167 Wärmetönung im allgemeinen von der Menge des vorhandenen Hämoglobins, bei geringen Kohlensäuremengen aber auch von der Grösse dieser abhängig ist. Übrigens kommt die auch bei grossen Kohlensäuremengen stets auftretende Lösungswärme in der hier angegebenen Versuchsanordnung nicht zur Geltung, so dass diese mit dem Fall, wo die Kohlensäure durch Atmung entsteht, nicht streng vergleichbar ist. Bei den kleinsten Mengen Koblensäure, die, bezogen auf eine Flüssig- keitsmenge von 180 ccm, einer Tension von 12—14 ccm CO, entsprechen würden, treten also etwa 8 cal. auf. Wenn bei der Atmung annähernd 1 ccm CO; fürl ccm O, auftritt, so würde also pro 1 mg 0, 0,4 cal. für die Bindung der gleichzeitig gebildeten Menge Kohlensäure entstehen müssen. Aus der obigen Erwägung sieht man aber, dass die Wärmetönung mehr als doppelt so gross sein müsste, wenn man die Barcroft’sche Zahl für die Wärmetönung der Sauerstoffhämoglobin- bindung zugrunde lest und sich die positive Wärmetönung der Kohlensäurebindung gegen die negative der Hämoglobinreduktion aufhebt. Die Kenntnis des Temperaturkoeffizienten der Atmung wurde aus methodischen Gründen gefordert, weil zwischen dem Wärme- versuch und dem Sauerstoffversuch Unterschiede von einigen Zehntel- sraden schon wegen des im Dewargefässe statthabenden Temperatur- anstiegs unausbleiblich waren. Ausserdem hatte diese Grösse auch ein theoretisches Interesse. Sie ergab sich für 10° zu 2,0—2,1 zwischen 18,6° und 38,1°. Tabelle I. v Volumen des Absorptionsgefässes. p Druckverminderung in Millimeter Manometerlösung. it Temperatur des Absorptiongefässes. m benutzte Menge Blutkörperchen in Kubikzentimetern. 4 Milligramm O,, die 70 ccm Blut- körperchensuspension in 2 Stunden verbrauchen. B Temperaturkoeffizient, um- gerechnet auf 10° Temperaturdifferenz !). Thermo- statentemp. Zeit | ) 38,10 Ih —3' 30,7 134 | 160 6,1 2a Re, 29,00 >h 30,9 100 | 16° 6,3 0,688 | 9] Tees on 3" | 290 51 | 160 6.2 ala lrr> 1) Wenn die Atmungsgrösse bei der Temperatur = a und bei der Tem- peratur *+i= a, ist, so ist der Temperaturkoeffizient für 10° nicht = an 10 sondern = (=) 7. Umgekehrt ist bei einem Temperaturkoeffizienten von 2 auf 10° der Zuwachs pro 0,1° nicht 1%, sondern 0,7°/o. Siehe auch A. V. Hill, Journ. of Physiol. vol. 63 p. 383. 1911. 168 Otto Meyerhof: Bei den folgenden Experimenten und Berechnungen wurde so verfahren: Eine grössere Menge frisch entnommenen Gänsebluts (etwa 200 cem) wurde mehrmals in 0,9 °/oiger NaCl-Lösung ge- waschen, die Suspension in den Thermostaten von 29° gehänst und bei dieser Temperatur durch Schütteln mit Sauerstoff gesättist. Eine gemessene Menge wurde nach geeignetem Vorwärmen in das Dewargefäss gefüllt, so dass möglichst die Anfangstemperatur etwas unter der Thermostatentemperatur lag und diese überschneiden musste. Eine so genaue Regulierung gelang allerdings nicht jedes- mal. Nachdem das Gefäss etwa 20 Minuten im Thermostaten ge- hangen hatte und mehrfach umgeschwenkt war, wurde angefangen, den Temperaturanstieg zu notieren, der meist für jede Stunde oder kleinere Zeitabschnitte genau bestimmt wurde. Zur selben Zeit wurden Proben der gleichen Blutkörperchensuspension in ca. 6 ccm fassende Atmungsgläser gefüllt, eine Probe wurde vergiftet, eine oder mehrere andere in den Thermostaten gelegt und nach be- stimmten Zeiten vergiftet. Das spezifische Gewicht wurde mit einem Aräometer bei 19° oder einer nahegelegenen Temperatur bestimmt, gelegentlich auch der Stickstoff nach Kjeldahl und der Hämoglobin- gehalt nach Sahli. Da die spezifische Wärmekapazität von 100 cem Suspension vom spezifischen Gewicht 1,061 zu 86 gefunden wurde, 0,9°/oige NaCl-Lösung vom spezifischen Gewicht 1,006 aber die Wärmekapazität 100 hat, so ist z. B. die Wärmekapazität von 100 eem Erythrocytensuspension vom spezifischen Gewicht 1,050 — 1050 — 1006 7 mal kapazität der benutzten Flüssigkeitsmenge berechnet und dazu 19,5 für den Wasserwert des Kalorimeters addiert. An den abgelesenen Temperaturen wurden als Korrekturen angebracht: 1. die Gradwert- korrektur des Thermometers, die bei 29° 1,011 für abgelesen 1,000 betrug, 2. die Korrektur für die Differenz der Innentemperatur gegen den Thermostaten. Diese betrug für das Gefäss D IV bei Füllung mit 180 cem Wasser im allgemeinen 5,0, für die ersten beiden Stunden etwa 4,7, falls die Temperatur unter, 5,3 %o, falls sie über dem Thermostaten lag. Bei Füllung mit Blutkörperchen- suspension mussten diese Werte noch durch die Wärmekapazität der Suspension dividiert werden, weil bekanntlich die Auskühlungs- geschwindigkeit ceteris paribus der Wärmekapazität proportional ist. Für eine spezifische Wärmekapazität von 0,9 pro Kubikzentimeter x14=89. Auf diese Weise wurde die Wärme- Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 169 betrug also die Auskühlung 5,5 °/o, was sich auch ziemlich gut durch Kontrollen mit Ochsenblutkörperchen bestätigen liess. (Theoretisch sind auch noch die Abweichungen der Flüssiekeitsmengen von 180 cem für die Auskühlung von Wichtigkeit!), doch waren dieselben gering und wurden vernachlässigt.) 3. Endlich musste auf Grund des er- mittelten Temperaturkoeffizienten eine Korrektur der Atmungsgrösse vorgenommen werden, indem für je 0,1°C. Abweichung vom Thermo- staten 0,7 °/o des Gesamtausschlages addiert oder subtrahiert wurde. Über die Sauerstoffmethode ist das Nötige schon oben gesagt. Der Temperaturanstieg erfolgt unter Berücksichtigung aller Korrekturen für die erste Zeit annähernd gleichmässig; doch zeigt sich in Übereinstimmung mit genauen Sauerstoffbestimmungen nach 2—3 Stunden ein allmähliches geringes Absinken, das auf eine Schädigung durch die NaCi-Lösung oder durch Anhäufung von CO, bezogen werden kann. Kurve I auf Tafel II zeigt die Wärme- produktion für 8 Stunden. Sie entstammt dem Versuch 7. Ähn- liche Kurven ergaben sich bei den übrigen Versuchen. Der korrigierte Temperaturanstieg beträgt in diesem Fall für die 1. Stunde 0,099?) ae 2: 200962 0,096 ® 7008 OO 0,070 ° 2.005558 7200608 Bei anämischem Blut ist eine so lange Fortsetzung des Experi- ments nicht möglich, weil es auf den gleichen Sauerstofvorrat im Hämoglobin eine mehr als doppelt so grosse Atmung zeigt. Bei nicht anämischem Blut betrug der Temperaturanstieg bei ungefährer Konzentration von Normalblut 0,060 —0,065° pro Stunde oder 11—12 cal. auf 185 ccm. Pro Kubikzentimeter werden also etwa 0,06 eal. gebildet. Anderseits enthält 1 cem Erythrocytensuspension von Normalblutkonzentration 20—25 mg N. Auf 140 mg N ent- stehen also ungefähr 0,4 cal. pro 1 Stunde, halb so viel wie bei unbefruchteten Seeigeleiern. RN rw 1) Vgl. Hill, Journ. of Physiol. vol. 53 p. 265. 1911. 2) Berechnet aus 50 Minuten. 170 Otto Meyerhof: Die auf S. 171 befindliche Tabelle III enthält, abzüglich einiger ungenauer Vorversuche, alle zur Bestimmung des Quotienten ge- machten Experimente: zwölf Bestimmungen für unbeeinflusste tmung, fünf für Atmung unter Durchleitung eines Sauerstoff- stroms und zwei für Atmung in 3°/oigem Äthylurethan. Ausser den angeführten Versuchen fand noch ein Vergleich der Wärmebildung in der gleichen Blutkörperchensuspension mit und ohne Durchleitung von Sauerstoff statt. Zuerst wurde der Tem- peraturanstieg 2 Stunden 30 Min. im geschlossenen Gefäss verfolgt und betrug für diese Zeit 0,0910 —= 0,0365 in 1 Stunde. Dann wurde der Sauerstoff plötzlich zugelassen und strömte langsam für die nächsten 2 Stunden 20 Min. durch das Versuchsgefäss hindurch. In dieser Zeit betrug der Anstieg 0,086°, oder 0,037° in 1 Stunde, also ebensoviel. Ausserdem müsste sich ein Überschuss positiver Wärmetönung der Oxyhämoglobinbildung beim plötzlichen Einleiten von Sauerstoff in Blut, das längere Zeit geatmet hat, bemerkbar machen. In Wirklichkeit treten hierbei stets umgekehrt geringe Temperatur- senkungen ein. Doch ist ein Schluss hieraus nicht zu ziehen, weil durch das plötzliche Aufschäumen der Flüssigkeit Komplikationen entstehen. Dass bei der Atmungshemmung durch Narkotika der gleiche kalorische Quotient vorliegt wie bei gewöhnlicher Atmung, musste nach ähnlichen Versuchen am Seeigelei erwartet werden‘, dürfte aber doch Interesse erwecken. Diese Tatsachezeigt, dass an Stelle der gehemmten Oxydation nicht etwa andere energetische Prozesse einsetzen, dass also die Hem- mung sich nicht auf den Sauerstoffkonsum, sondern auf den Energieumsatz der Zelle bezieht. II. Wärmetönungen im Säugetierblut. Es wurden zahlreicbe Messungen mit Blut und Blutbestandteilen von verschiedenen Säugetieren angestellt, hauptsächlich, um zu ent- scheiden, ob hier Wärmebildung und Sauerstoffverbrauch ebenfalls parallel gehen, also ein bestimmter kalorischer Quotient nachweisbar ist oder nicht. Es zeigte sich dabei, dass gelegentlich Wärme- tönungen auftreten, für die ein erheblich zu kleiner Sauerstoff- verbrauch stattfindet. Das Umgekehrte, Sauerstoffverbrauch mit zu geringer Wärmetönung, wurde nicht gefunden bzw. liegen einzelne solche Feststellungen an Ungenauigkeiten im Beeinn der Wärme- il Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. -9q J SAany olp any (E Du csg N 051 —-SII urgopwourf (Z ‘09 ugopwowgp (9 "9-09 urgogsouem (G Su E‘0z Jopwıuazyıgqny oad N 'Z), urgopwowrg (T '89 urgojower (F 'Jugwrmmdx] soJzmu PäkS £68.0 oST 968 128 19 ‚08 us = = — = = = > Ei 8850 | oST | Lee | 1 | 89 | ‚08 u8 = =: = = = == LT aeg 1880 | 0oSI 8og | are ra‘) ‚00 u8 678 ak) £8 r77 (sTEOT | ‚08 uS | el oe | ae | u | ae | \ = = = = 75 = "g0L Lg r130 o91 765 i28 9 ‚08 ul 374 0660'0 083 DNS + 388 («6507 | „O8 ul | Ol SunyLojy9anpJFoJsaoaneg ; (soF0 oT 08% eor | se9 |,seusuW| — — — — == — 26 °8 0970 oSI 683 ‚LI c1‘'9 ‚08 ur IKS 08080 981 981 9E0L | ‚0g ug | 46 rg 720 oSI 608 | dıe 89 ‚08 u8 975 | 083810 981 981 (9801 | ‚08 us | %6 ueyjoanjÄy}y en zieh | sea Sog | Er &9 ‚de ur = = == = == = ‘p8 Se 0890 | oEcI | 898 Lıl s0I ‚00 ug = _ _ — = = 98 aeg 9.10 | vgl 608 er 89 ‚oe ul = — — - = == ‘a8 038 98.0 | vE] (usjIaz- pun ur H wo) ul 119Z a ws ul r und ur |061 PA y19Z uaguau Yuassout ? "TOA E uoLıoJe) -dwaTL | MOMIISSE IqIIMIH | srronsı r Fhonsrane| 200 duo | -syonsaoA 110] uesad) 99UoMN zadg sqansıoA| AaW Y9UTI9A19FUN) -wuN 3uo1yond UINSA9AFFOISIONES yIns19A9wIg M "II oTI24eL 172 Otto Meyerhof: versuche. Anderseits fand sich wiederholt auch ein gutes Zusammen- treffen beider Werte, und des öfteren sind Abweichungen schwer von Versuchsfehlern zu unterscheiden, weil, wie im hiesigen Institut gezeigt wurde, einzelne atmende Elemente durch die Art der Behandlung, z. B. Schütteln, geschädigt werden und in der Zeit stark veränderlich sind !), aber beide Parallelversuche hierin nie genau übereinstimmen. Wenn man noch in Betracht zieht, dass die atmenden Bestandteile bei verschiedenen Säugetieren eine verschiedene Rolle spielen und enorme Blutmengen zur Anstellung der Versuche erforderlich sind (für einen Versuch musste ein grosses oder zwei mittelgrosse Kaninchen, oder ein mittelgrosser Hund ganz ausgeblutet werden), so mag es verständlich sein, dass die hier angestellten Versuchsreihen ab- gebrochen wurden, ehe über alle Punkte Klarheit erzielt worden ist. Wärmetönungen, für die keine entsprechende Sauerstoffzehrung ge- funden wurde, wurden gelegentlich im Blute aller untersuchten Tiere gefunden; doch fand sich beim Kaninchen zumeist annähernd Über- einstimmung beider Werte, so dass gelegentliche Abweichungen auf den angeführten Versuchsungenauigkeiten beruhen können. Diese Wärmetönungen ohne Sauerstoffzehrung scheinen an den Erythro- cyten zu hängen, denn sie fanden sich auch in gewaschenen Blut- körperchen, das Plasma allein dagegen gab sie nicht. Die Atmung der Erythrocyten ist beim Menschen und Kaninchen bestimmt von O. Warburg?’), die der Blutplättehen beim Hund und Kaninchen von M. Onaka°). Im folgenden ist eine Übersicht über die Versuche bei den einzelnen Tierarten gegeben. Bei der Berechnung der gebildeten Kalorien ist als spezifische Wärme von Normalsäugetierblut der Wert von Hillersohn und Stein-Bernstein = 0,57 zugrunde gelegt, was einer Wärmekapazität des Kubikzentimeters Blut von 0,91 entspricht, für zusammenzentrifugierte Blutkörperchen die spe- zifische Wärme 0,84 — 0,89 Wärmekapazität pro Kubikzentimeter. Als Gefässe dienten neben den bisherigen noch ein dem Gefäss D II genau entsprechendes Gefäss DI von gleichem Rauminhalt und gleichem Abkühlungskoeffizienten. Wo das in 0,002 ° geteilte Thermo- meter benutzt wurde, wurde der Wasserwert um 2,0 wegen des grossen Quecksilbergefässes des Thermometers erhöht. 1) Siehe Onaka, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 71 S. 19. 2) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 59 S. 112. >) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 71 S. 193. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 7% 1. Kaninchen. 1. 165 cem Blut eines sehr grossen Kaninchens in 10 ccm Hirudinaufschwem- mung aufgefangen, 10 Minuten nach Ausblutung des Kaninchens in DIV ein- gefüllt. Beginn der Messung 5 Minuten später (unter diesen Umständen ist die erste Stunde um mehrere Tausendstelgrad ungenau). de Temperaturanstieg: -erste Stunde 0,045°, zweite „ 0,051°, dritte „ 0,0490. Wasserwert 150. Im ganzen sind in 3 Stunden 26 cal., pro Kubikzentimeter unverdünnten Blutes in 3 Stunden 0,163 cal. erzeugt, nicht viel weniger wie im Gänseblut. 2. 210 ccm Blut von zwei mittelgrossen Kaninchen in 25 ccm Hirudin- aufschwemmung aufgefangen, 139 ccm eingefüllt in DIV. Versuch begonnen eine halbe Stunde nach der Entblutung. Temperaturanstieg: erste Stunde. . - . » . 0,0299, ZWEITE ee... 200 00 dritte und vierte ‘Stunde je 0,0345, fünfte Stunde zur Hälfte . 0,017°., Wasserwert 193. In 4!/s Stunden 28,2 cal. erzeugt. Pro 1 ccm unverdünnten Blutes etwa 0,135 cal. Der Sauerstoffversuch ist wegen zu grosser Kohlensäure- menge ungenau, ergibt aber der Grössenordnung nach den normalen Quotienten. 3. Blut eines mittelgrossen Kaninchens unter Nachspülen von NaCl-Lösung in Hirudin aufgefangen. Verdünnt ungefähr um die Hälfte. Das Blut 'gerinnt während des Versuchs. Temperatur: erste Stunde... .... 0,0149 C., zweite, Stunde. = .'. .. : 0,012° C., vierte und fünfte Stunde je 0,020° C., sechste Stunde . .... - 0,022° C., siebente Stunde... .. . 0,0199 C. DIV 164 ccm. 4. 95 ccm eines mittelgrossen Kaninchens in Na-Citrat aufgefangen und mit 105 eem NaCl-Lösung versetzt. 186 ccm in DIV gefüllt. Brster Stunde. : . ... 0,011°, zweite Stunde . . .... 0,008°, dritte und vierte Stunde je 0,017°. Im ganzen sind in 4 Stunden 10,3 cal. gebildet; Sauerstoffverbrauch (p=16 mm, .v—=31 cem, t= 16°, Menge —= 16,2 cem, Zeit 4 Stunden) um ein Drittel zu gering, so dass W)—=5 entstünde. Wärmeerzeugung in 4 Stunden pro Kubikzentimeter unverdünnten Blutes 0,12 cal. 5. 152 ccm Blut in 20 ccm Natriumeitrat aufgefangen. Blutkörperchen in NaCl-Lösung gewaschen, auf 225 ccm aufgefüllt. 180 ccm davon (DIV) ergeben einen Temperaturanstieg von 0,042° in 3 Stunden = 0,014° pro 1 Stunde, vierte Stunde 0,021°, zusammen in 4 Stunden 0,063°. Wasserwert 193. 12,15 cal. (pro 1 cem unverdünnten Blutes 0,10 cal. in 4 Stunden). Sauerstoffverbrauch (p = 50,5, v—48,8, t=15°, m—=11,7, Zeit 4 Stunden) gibt den Quotient 2,5, annähernd 174 Otto Meyerhof: „normal“, zumal bei sehr kleinen Temperaturanstiegen die erste Stunde stets einen zu kleinen Wert gibt. 6. Geschlagenes Blut. 130 ccm Blut + 170 ccm NaCl-Lösung. Erste Stunde 0,008, zweite Stunde 0,007° dritte und vierte Stunde je 0,0155°. 185 ccm Blut. Wasserwert 193. 1 ccm unverdünnten Blutes in 4 Stunden 0,09 cal. Bezüglich der absoluten Grösse der Ausschläge ist zu sagen, dass die erheblich höhere Wärmetönung bei in Hirudin und Natrium- eitrat aufgefangenem gegenüber gewaschenem und geschlagenem Blut jedenfalls durch die Atmung der Blutplättchen bedingt ist. Die Abweichung des kalorischen Quotienten vom normalen Wert könnte angesichts der Kleinheit der Ausschläge auf ein verschiedenes Ver- halten der Blutplättchen in den Parallelversuchen bezogen werden. 3. Mensch. 7. Blut eines Nephritikers, '/a Stunde nach der Venesektion eingefüllt in DIV. (Anämisches Blut, Sahli 45), Na-Citrat. erste: Stunde. ne nat Re 2535.05: VOR 0,099, zweite, dritte und vierte Stunde zusammen 0,037° je 0,012°, fünfte und sechste Stunde zusammen 0,021° . . . je 0,015°. Die ersten 4 Stunden 30 Minuten (1.—4'!/e. Stunde) 0,050°, die letzten 4 Stunden 30 Minuten (2V/2.—6. Stunde) 0,056° entsprechend 10,0 und 11,1 cal. 190 ccm, Wasserwert 199. In den letzten 4 Stunden 30 Min. p=27, v=3l. t=16, m= 6,1; 0,11 mg O,, oder 3,6 mg O0, in der Merge des Wärmeversuchs, Q0=3,1. 8. Arteriosklerose. Blutkörperchen in Natriumeitrat aufgefangen, gewaschen, aufgefüllt aufs ursprüngliche Volumen, 1'/z Stunden nach Venesection eingefüllt. In 3 Stunden 30 Min. Temperaturveränderung + 0,000°. 9. Nephritis. Blut %« Stunde nach Venesektion eingefüllt. Na-Citrat. Temperatur-Anstieg Y/s Stunde. . . . 0,0349, HER 2 0,0245 oe 0,010 1’!/a Stunden . . . 0,0755° Hämoglobin Sahli 73, 190 ccm. Wasserwert 192. In 1Y/a Stunden 14,5 cal. erzeugt; in unverdünntem Blut per ccm 0,055 cal. in 1 Stunde, d. h. ebensoviel wie im Gänseblut. Sauerstoffversuch p=13, v=30, t=15°, m=6,2, Zeit 1"/s Stun- den) gibt noch nicht ein Drittel des erforderlichen Wertes. 10. Pneumonie. Blut in Natriumeitrat aufgefangen, 255 ccm. Zweimal in NaCl-Lösung gewaschen, auf 230 ccm gebracht, eingefüllt 1V/e Stunden p. v. 1 Stunde 10 Minuten 0,035°, pro 1 Stunde 0,030 °; dann 1 Stunde 20 Minuten 0,032°, pro 1 Stunde 0,024°. 3 Hund. 11. 600 ccm Blut in Na-Citrat aufgefangen; davon 190 Y/, Stunde nach der Entblutung eingefüllt in DIV. In 2 Stunden 40 Minuten 0,044° — 0,018° pro 1 Stunde. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 175 1 Stunde 50 Minuten 0,039° — 0,0205° pro 1 Stunde, 190 ccm. Hämoglobin 75. Wasserwert 194. 0,021 cal. pro 1 ccm in 1 Stunde, Die übrigen 410 ccm eingedickt auf 2338 ccm Blutkörperchen geben in 2 Stunden 50 Minuten 0,107° oder 0,038° C. in 1 Stunde. (Hämoglobin 115; DII. Wasserwert 237. 0,0375 cal. pro ccm in 1 Stunde). Dann 3 mal in NaCl-Lösung gewaschen: in 1 Stunde 0,033°. Umgerechnet auf die Konzentration der Blutkörperchen des Normalblutes ergibt sich für die eingedickten Blutkörperchen im Serum ebenfalls pro 1 ccm 0,0215 cal. Die Wärmeproduktion findet also ausschliesslich in den Blutkörperchen statt. 12, Hundeblut in Hirudin aufgefangen (165 ccm Blut +15 Hirudin) gibt pro 1 Stunde 0,030°. Nach häufigem Zentrifugieren schliesslich nur noch 0,0215 ° pro 1 Stunde. Alle diese gefundenen Wärmetönungen dürften grösstenteils auf Rechnung der Atmung der relativ kernreichen Hundeerythrocyten zu setzen sein, 4. Rind. Gewaschene Ochsenblutkörperchen lassen im allgemeinen nicht die geringste Wärmebildung erkennen. Dagegen zeigt frisches geschlagenes Ochsenblut eine steil abfallende Wärmebildung, die teilweise auf Blutplättchenatmung beruhen könnte. 13. Defibriniertes frisches Ochsenblut gibt (DII) erste Stunde 0,028°, zweite Stunde 0,014°, dritte und vierte Stunde je 0,008°. 14. DII. Temperaturanstieg in 3/2 Stunden 0,0595° oder 0,0165° pro 1 Stunde. i 15. DIV. Frisches defibriniertes Ochsenblut. 1, Stunde‘. .”. . 0:030°, dann 1!/a Stunden 0,021° oder 0,014° pro 1 Stunde, dann 2 Stunden . 0,022° oder 0,011° pro 1 Stunde. III. Die Energieverhältnisse bei Sauerstoffabschluss. Es wird allgemein angenommen, dass bei höherer Temperatur der Energieumsatz Bedingung des Lebens von Zellen ist. Bei Ab- wesenheit von Nährstoffen erschöpft die Zelle zunächst ihr eigenes Reservematerial und geht dann zugrunde. Bei Abwesenheit von Sauerstoff nimmt man auch für die aeroben Zellen an, dass dieselben, solange sie den Abschluss von Sauerstoff ertragen, ihren Energie- bedarf aus Spaltungsvorgängen decken und auch ohne Sauerstoff- aufnahme Kohlensäure ausscheiden. Daher wird allgemein ein Versiegen der Kohlensäureausscheidung als Zeichen des Todes an- gesehen. „Wird lebenstätigen Aeroben durch Wasserstoff oder Evakuation der Sauerstoff entzogen, so fahren sie zunächst fort, Kohlensäure zu produzieren, und das Erlöschen dieser Exhalation ist ein sicheres Zeichen des Todes,“ sagt Pfeffer!'). 1) Pflanzenphysiologie Bd. 1 S. 543. 1897. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 12 176 Otto Meyerhof: Eigene Versuche an zwei verschiedenen Objekten, den kern- haltigen Erythroeyten der Gans und dem obligat aeroben Vibrio Metschnikoff werfen auf die energetische Seite des Problems ein merkwürdiges Licht. Es liessen sich zwei Tatsachen feststellen, deren Vereinigung Interesse erwecken dürfte. 1. Durch mehr- stündigen Abschluss von Sauerstoff bei 29° wird der Vibrio Metschnikoff für die darauf folgende Zeit weder in der Grösse der Atmung noch im Wachstums- vermögen nachweisbar geschädigt, dieGänse-Erythro- eyten in der Atmung nur unerheblich. 2. Während der ZeitdesSauerstoffabschlusses ist eine Wärmebildung, also ein Energieumsatz, nicht nachweisbar. Die Ge- nauigkeitsgrenze der Versuche für diese letztere Feststellung ist bei den Erythrocyten aus methodischen Gründen dergestalt, dass wenige Prozent der normalen Wärmebildung der Beobachtung hätten ent- gehen können; auch bezieht sich die Feststellung bei diesen nur auf die zweite Hälfte der Zeit des Sauerstoffabschlusses. Bei den Ver- suchen mit Vibrio Metschnikoff war die Genauigkeit erheblich grösser, so dass hier keinesfalls 1° des gewöhnlichen Energieumsatzes er- reicht wurde. 3. sei noch hervorgehoben, dass die spätere Atmung ceteris paribus nicht grösser ist als vorher, dass also. die Ver- brennungen für die Zwischenzeit nicht etwa nachgeholt werden. Bei Bakterien ist die Atmung bei Beginn des Wiederzutritts von Sauerstoff ebenso gross wie vorher zum Schluss beim Absperren, steigt aber dann dem Wachstum entsprechend an. Während des Sauerstoffabschlusses hat ein Wachstum also nicht stattgefunden, dagegen setzt dies unmittelbar nach Zutritt von Sauerstoff wieder ungeschwächt ein. Bei den Vogel-Erythrocyten wurde so verfahren, dass die Blut- körperchensuspension nach vorangegangener Atmung maximal mit der Wasserstrahlpumpe ausgepumpt und sofort Paraffin überschichtet wurde. Das Blut wurde dann in das Dewargefäss unter Paraffın übergehebert und noch einige Zeit sich selbst überlassen, um etwaige Spuren von Sauerstoff durch Atmung fortzuschaffen. Da bei der Überheberung die Temperatureinstellung nicht genau zu regulieren war, fanden Abweichungen um einige Zehntelgrade vom Thermo- staten statt. Hierdurch und infolge einer empfindlichen Störung des Temperaturausgleichs durch das oben schwimmende Paraffın erklären sich die in den beiden ersten Fällen über die normale Korrektur Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. lt noch stattgehabten Temperatursenkungen. Wie gesagt, beziehen sich die Messungen nur auf die zweite Hälfte der Zeit des Sauerstoff- abschlusses, weil in der ersten die verschiedensten Manipulationen erforderlich waren und eine genaue Temperatureinstellung im Thermostaten abgewartet werden musste. Eine anfängliche Wärme- bildung musste hier also der Feststellung entgehen. Alle diese Umstände lagen bei den Versuchen mit Bakterien erheblich besser. Tabelle IV. Gänse-Erythrocyten. Atmung vorher Sauerstoffabschluss Atmung nachher Nr. : 2 i korr. Zeit des | korr. Tem- h korr. Zeit. Anstieg Abschlusses en Zeit Anstieg ; — nicht gemessen | 5& 10” | —0,010% | 15 20’ 0,099 , on an e 0,154 2 | 2u207 | 08820 | 3n307 | —oome | mn L akkrenhf) 3. 2h 50’ 0,189° 2h 0,000° | 1520” | 0,081° (Ih 0,067) (1b 0,061 °) Mehrere Kubikzentimeter einer dichten Bakterienemulsion, die auf Agarplatten gezüchtet und in Bouillon aufgenommen war, wurde mit in Kochsalzpeptonlösung (1°/o Pepton) gewaschenen Ochsenblutkörper- chen versetzt und diese Mischung in das Dewargefäss gehängt. Wenn der gesamte Sauerstoff aus dem Hämoglobin veratmet ist, so steht den Bakterien keiner mehr zur Verfügung, zumal wenn oben eine Parafın- schicht gegen die Luft abschliesst. Indes konnte, falls das Gefäss bis ganz oben gefüllt war, diese auch fortgelassen werden, weil die mini- malen Sauerstoffspuren, die dann durch Diffusion in den schmalen Spalt zwischen Thermometer und Gefässhals hineingelangen können, ganz ausser Betracht kommen. Wenn dann nach mehreren Stunden das Gefäss entleert wird, die Flüssigkeit kräftig an der Luft geschüttelt und wieder zurückgefüllt wird, so ist nunmehr wieder genügend Sauerstoff für die Atmung vorhanden. Dabei zeigt sich folgendes: Im ersten Abschnitt steigt die Temperatur rapide, und zwar wie sich für jeden kleinen Zeitabschnitt (z. B. von 10 Min.) zeigen lässt, mit wachsender Geschwindigkeit an, letzteres wegen der stattfindenden Vermehrung der Bakterien. Dieser rapide Anstieg lässt innerhalb einiger Minuten schnell nach und ist nach kurzer Zeit ganz erloschen.!) 1) Während dieser Anfangszeit könnten natürlich auch anaerobe Um- setzungen stattfinden. Es dauert etwa !/g Stunde von dem Nachlassen des Temperaturanstiegs bis zur Konstanz der Temperatur. 12* 178 Otto Meyerhof: Von jetzt an für mehrere Stunden verändert sich die Temperatur annähernd so viel, als der berechneten Korrektur für den Thermo- staten entspricht. Diese Genauigkeit ist um so grösser, je kleiner die Abweichung vom Termostaten ist, besonders wenn kein Paraffın aufgeschichtet ist. In einem Falle (auf Kurve II Taf. II abgebildet), betrug die gemesseneVeränderung in 3Stunden +0,013°, während sich als Korrektur für diese Zeit 0,010 bis 0,012 ° berechnet, also nur 0,002 ° Unterschied. Dabei betrug der Anstieg für die Zeit der Atmung vorher in 1 Stunde 0,392°. Davon in den letzten 10 Minuten 0,069°. Hinterher verging Ya Stunde mit Schütteln und Neuein- stellen der Temperatur, während welcher Zeit bereits ein Wachstum stattfinden konnte. Deshalb betrug der Anstieg in den ersten 10 Minuten der Messung nachher bereits korr. 0,081°; im ganzen in 45 Minuten 0,372°. Jetzt wiederholte sich dasselbe. Der Sauerstoff versagte und die Temperatur blieb konstant. Wenn in den 3 Stunden der Sauerstoffentziehung der korr. Temperaturanstieg 0,011° betragen hätte, so wäre er nur 1°/o desjenigen bei Sauerstoffgegenwart; tat- sächlich betrug er aber nur + 0,002° (innerhalb der Fehlergrenze). In einem zweiten Versuch wurde so verfahren, dass zuerst die Bakterienaufschwemmung in Peptonkochsalz ohne Blutkörperchen — unter Überschichten von Paraffın — eingefüllt wurde. ‘Der vor- handene Sauerstoff wird hier sofort restlos aufgezehrt (bei Zusatz von Methylenblau schlägt die Lösurg aus Blau in Weiss um, und nach dem Winkler-Verfahren ist keine Spur Sauerstoff mehr nach- weisbar). Die Lösung wurde 2 Stunden so gehalten. Innerhalb der lstündigen Messungszeit fiel die Temperatur korr. um 0,007°. Dies liest an der durch das Paraffın bewirkten Unregelmässigkeit, Etwa die Hälfte der benutzten Bakterienaufschwemmung, mit Blut- körperchen versetzt, ergibt in I Stunde nachher 0,126 ° Temperatur- anstieg. Die ganze Menge hätte also 0,25° ergeben, während die Veränderung in 1 Stunde bei Sauerstoffabwesenheit — 0,007 ° betrug. (Übrigens fanden in allen Fällen nur Blutkörperchen Verwendung, die für sich keine Wärmebildung zeigten.) Ein dritter Versuch entsprach dem ersten. Nur war er wegen der Überschichtung von Paraffın und einem sehr starken Abweichen der Temperatur viel ungenauer. In 80 Minuten betrug der korr. Temperaturanstieg 0,517°. Davon in den letzten 10 Minuten 0,074 °. Darauf fiel die Temperatur in 3 Stunden 20 Minuten um 0,028 °, während sie entsprechend der Korrektur um etwa 0,045° hätte fallen Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 179 müssen. Nach weiteren 20 Minuten wurde die Lösung wieder an der Luft geschüttelt. Jetzt betrug der Temperaturanstieg in 40 Minuten + 0,337 °, Tabelle V. Bakterien.!) Atmung vorher Sauerstoffabschluss Atmung nachher Nr. | - | Dr 3 Ekorr: Zeit des korr. > korr. Zeit ' Anstieg [Abschlusses an en wei Temperatur | | 1 | 1500” | 0,3929 3b 00’ | + 0,0029 Oh 45’ 0,3729 2 — _ 2b 00’ | — 0,0070 15 00’ 0,25° 3 1% 20’ | 0,5170 | 3u 20’ | +0015° | or 40° | 0,8370 1) Die Messungen des kalorischen Quotienten der Sauerstoffatmung des Vibrio Metschnikoff sind unter dem Titel „Über den Energiewechsel von Bakterien“ in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (1912) publiziert. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit sind folgende: Bei Auf- schwemmung der Vibrionen in Kochsalz (0,5 /oige)-Pepton (1%/oige)lösung unter Zugabe gewaschener Rindererythrocyten ergab sich im Mittel von neun Wärme- und zwölf zugehörigen Sauerstoffbestimmungen der kalorische Quotient 3,95; im Mittel von fünf Wärme- und sieben zugehörigen Sauerstoffmessungen, in denen durch Zufügung von 0,5—0,7 °/o Isobutylurethan Atmung und Wachstum auf etwa die Hälfte herabgesetzt war, ebenfalls 3,95. Dies bestätigt die obige Feststellung, dass für die Aufhebung der Sauerstoffatmung durch Narkotika keine andern Energie liefernden Prozesse eintreten. Da die so ausgeführten Versuche eine sehr grosse Fehlerbreite zeigten, etwa 25° (also die Genauigkeit der einzelnen Versuche nur 10—15°/o betrug), ausserdem das Milieu für die Vibrionen ungünstig war, wurde als Nährlösung eine Mischung von 5 °o Bouillion, 0,4°/o Asparagin, 0,2% Kaliumbiphosphat, 0,5 °/o NaCl, alkalisch gegen Phenolphthalein, in doppelt -destilliertem Wasser benutzt, in der ein rapides Wachstum stattfand. Blutkörper- chen wurden nicht zugegeben, sondern die Lösung maximal mit Sauerstoff ge- sättigt und der Sauerstoffverbrauch nach Winkler titriert. Es ergab sich in diesem veränderten Milieu in sieben Parallelversuchen ein cal. Quotient von 4,1, bei einer Fehlerbreite von weniger als 10°o. Endlich gelang es, unter Be- nutzung der gleichen Methode, den kalorischen Quotienten bei aufgehobenem Wachstum zu bestimmen. Bei unzureichender Zufuhr von Nährstoffen, d. h. bei Benutzung von nur 0,5°o Bouillion und Weglassung von Asparagin, findet nämlich bei Fortbestand der Atmung keinerlei erkennbare Vermehrung mehr statt, sondern der Sauerstoffverbrauch in der Zeiteinheit. bleibt für mehrere Stunden annähernd konstant, bzw. sinkt ganz langsam ab. In allen Fällen dieser Art fand sich ein höherer kalorischer Quotient, gegen 4,5; doch fielen einige Messungen aus unbekannten Gründen ganz heraus. Als gemeinsames Resultat ergibt sich, dass bei Bakterien jedenfalls zu den Oxydationsvorgängen noch andere wärmebildende Reaktionen hinzukommen, die zwar durch den Oxydations- prozess angeregt werden, aber nicht selbst chemisch ihm angehören, etwa Neutrali- 180 Otto Meyerhof: IV. Über Wärmetönungen beim Eindringen von atmungs- hemmenden Substanzen in lebende Zellen. OÖ. Warburg hat gefunden, dass die oxydationshemmenden Substanzen sich hinsichtlich ihrer Wirkungsweise in mehrere Gruppen teilen lassen. Die indifferenten Narkotika wirken nicht unmittelbar nach ihrer chemischen Konstitution, sondern nach dem sogenannten Gesetz der „homologen Reihen“. Demgegenüber fand Warburg zwei andere davon deutlich unterschiedene Gruppen, deren Wirkungsstärke direkt mit ihrer chemischen Konstitution in Verbindung steht, erstens die Aldehyde und zweitens die substituierten Ammoniake. Die Aldehyde wirken ausserordentlich viel stärker, als es ihrem Teilungsverhältnis in den Lipoiden entspricht und ausserdem durchaus nicht stärker beim Aufsteigen in der homologen Reihe; die Ammoniake nur nach der Stärke ihrer Basizität, also der Konzentration der OH-Ionen, unabhängig von der Natur des Kations, im ganzen also nach ihren Eigenschaften in wässeriger Phase. Zu diesen beiden Gruppen kommen endlich noch andere Stoffe, die ebenfalls erheblich stärker wirken, als ihrer Lipoidlöslichkeit bezw. ihrer Löslichkeit in den Zellen entspricht, wie Blausäure und arsenige Säure. Es schien von Interesse, zu untersuchen, ob beim Eindringen von Stoffen der genannten Gruppen in Zellen Wärmetönungen auftreten. Ist doch zu erwarten, dass bei solchen Körpern, deren Wirkungsstärke durch ihre chemische Konstitution direkt bestimmt wird, sich chemische Verbindungen bilden, wobei mehr oder weniger grosse Wärmetönungen auftreten könnten. Bei rein physikalisch wirkenden Stoffen schien dies dagegen sehr unwahrscheinlich. Sieht man von allen basischen oder sauren Substanzen ab, die weecen der unvermeidlichen Neutra- lisationswärme beim Vermischen mit Zellen für eine genaue Prüfung unbrauchbar sind, so ergab sich bei sämtlichen geprüften Substanzen, sowohl den indifferenten Stoffen wie den Aldehyden, dass dieselben sation gebildeter Säuren oder fermentative Spaltungsprozesse. Für die Art und Grösse dieser Wärmetönungen scheint das Milieu weitgehend in Betracht zu kommen. Ferner erscheint es möglich, dass bei dem Aufbau der Bakterien ein Teil des Sauerstoffs in chemische Bestandteile des Bakterienleibes übergeht, wo- bei dann pro Einheit verbrauchten Sauerstoffs weniger Wärme als bei totaler Verbrennung des Nährmaterials entstehen würde. Auch könnte die Bildung von Stoffen mit höherer Verbrennungswärme beim Aufbau des Leibes an dem kleineren Quotienten der wachsenden Bakterien gegenüber den nicht wachsenden schuld sein. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 181 beim Eindringen keine messbaren Wärmetönungen zeigen, mit allei- niger Ausnahme des Formaldehyd, das schon in reversibel-atmungs- hemmenden Konzentrationen beim Eindringen eine beträchtliche positive Wärmetönung ergibt, während beim Thymol eine kleine innerhalb der Fehlergrenze zelegene auftrat. Die Methodik hat natürlich einen bestimmten Grenzwert der Genauigkeit, der in Kontrollmessungen festgelegt wurde. Als nicht messbare Wärme- tönung gilt solche, wo beim Vermischen von 36 eem ganz konzen- trierter Erythroeytensuspension mit 215 eem Lösung eine Tem- peraturveränderung von weniger als + 0,005° oder —0,01° auf- trat, während Temperaturveränderungen über + 0,005° bis 0,015° nur dann als sicber gelten können, wenn sie regelmässig beobachtet werden. In dem ersten Fall der nicht messbaren Wärmetönung sind also weniger als 1,4 cal. gebildet. Zu dieser Gruppe gehören: Amylalkohol !) (1 Vol.-Proz.), Phenyl- urethan (gesättigte Lösung, weniger als 0,2 Proz., Chloralhydrat (0,4 Proz. und 1,6 Proz.), Propylaldehyd (gesättigt, weniger als 0,48 Vol.-Proz.), Isobutyraldehyd (gesättigt, weniger als 0,36 Vol.-Proz.), Isovaleraldehyd (gesättigt, weniger als 0,15 Vol.-Proz.), Acrolein (ver- schiedene Konzentrationen bis zur Sättigung). Während im all- semeinen Konzentrationen gewählt wurden, die eine ganz oder teil- weise reversible Atmungshemmung bewirkten (im allgemeinen letzteres, um etwas mehr Substanz verwenden zu können), erschien es darauf- hin wünschenswert, zu wissen, ob sich ein Unterschied zwischen reversibler und irreversibler Hemmung geltend macht, ob insbesondere bei einer nach dem Eindringen sofort irreversiblen Hemmung, d. h. bei dem Tode der Zelle, eine Wärmetönung auftritt, die bei rever- sibler Hemmung nicht stattfindet. Dieser Frage, ob der Tod von Zellen eine Wärmetönung hat, war schon in der vorherigen Arbeit nähergetreten und dieselbe verneint worden, weil beim Abtöten des Spermas mit Blausäure (erkenntlich an dem Unbeweglichwerden der Spermätozoen) keine Wärmetönung nachweisbar ist. Jedoch konnte dies deshalb angefochten werden, weil die Vergiftung mit Blausäure m allgemeinen reversibel und ein Wiederbeleben der Spermatozoen vielleicht nur aus technischen Gründen nicht ausführbar ist. Es wurde anstatt dessen diesmal auf den Vorschlag OÖ. Warburg’s Acrolein gewählt. Wird dasselbe in genügend hoher Konzentration 1) Alle Konzentrationen gelten vor der Vermischung. 182 Otto Meyerhof: zu lebenden Zellen zugesetzt, so tritt eine totale Atmungshemmung ein, die bei einem wenige Minuten später stattfindenden Wegwaschen des Giftes nicht mehr zurückgeht. Bis zu diesem Wegwaschen ist aber die Temperatur beobachtet. Da in dieser Zeit das „Irre- versibelwerden der Hemmung“, also der Tod, stattgefunden hat, so hätte eine grössere hierbei auftretende Wärmetönung der Feststellung nicht entgehen können. Indes bestätigt der Versuch das frühere Resultat: Auch bei Zusatz von Acrolein intödlicher Kon- zentration zu lebenden Zellen tritt keine messbare Wärmetönung auf. Wenn also in der Sprache vieler Physiologen beim Tode „lebende Moleküle zerfallen“, so findet dabei kein mit obiger Methode messbarer Energieverlust statt. Dieser Feststellung, dass ein Energiepotential des Lebensprozesses nicht erkennbar ist, könnte als Einwand die relativ grosse Unempfindlichkeit des Messungs- verfahrens entgegengehalten werden, da ja die „Bedeutung“ der fraglichen energetischen Grösse nichts mit ihrem absoluten Maasse zu tun zu haben brauchte. Indes dürfte sich durch die Versuche jeden- falls eine Idee ausschliessen lassen, die kürzlich von Zuntz im Anschlusse an den Befund des so sehr kleinen kalorischen Quotienten beim Seeigelei erörtert wurde‘. Zuntz hält es im Anschluss an die Liebig-Pflüger’sche Lehre für möglich, dass beim Oxydations- prozesse im Seeigelei der aus dem Sauerstoffverbrauch berechnete Verlust an chemischer Energie der Eisubstanz deshalb nicht voll- ständig als Wärme frei wird, weil ein Teil derselben zur Bildung belebten Eiweisses aus unbelebtem verwendet werden könnte. Diese im lebenden Eiweiss aufgestapelte Energie müsste dann aber im Tode als Wärme frei werden. Berechnet man nun aus den früher angegebenen Daten, ein wie grosser Bruchteil der chemischen Energie innerhalb der gemessenen 14 Stunden bei der Furchung des Seeigeleis in das Eiweiss investiert sein müsste, so findet man, dass pro 140 mg N schon in dieser Zeit etwa 30—35 cal. nicht erschienen sind. Wenn man nun auch nicht die Annahme machen will, dass das Eiweiss in lebenden Zellen in seiner „Belebtheit“ ganz gleichwertig ist, so wird man doch jedenfalls den Grad derselben nach der Atmungs- erösse abschätzen dürfen. Nun atmet allerdings 1 mg N der Gänse-Erythrocyten in der Zeiteinheit nur etwa !/so von Img N der sich furchenden Seeigeleier im Mittel. Aber auch dann müssten noch 1) Handb. d. Biochemie von Oppenheimer Bd. 4 (1) S. 831. Über Wärmetönungen chemischer Prozesse in lebenden Zellen. 183 beim Tode von 140. mg N von Vogel-Erythroeyten 1,5 cal. auf- treten. 1 cem der hier benutzten Erythroeyten-Suspension enthält ungefähr 56 mg N, 36 cem demnach 2016 mg N. Beim Tode dieser Zellenmenge hätten also 23 cal. bzw. 0,085° Temperaturerhöhung auftreten müssen. Die Methode ist im wesentlichen dieselbe, wie sie bei den Versuchen über das Eindringen der Kohlensäure in Rinder-Erythrocyten benutzt wurde. Doch fanden sämtliche Versuche im Thermostaten von 29° statt. Die Erythrocyten- suspension befand sich stets im inneren Glasrohr. Vor dem Herausstossen des Glasstöpsels zum Vermischen der Aussen- und Innenflüssigkeit wurde in allen Fällen mindestens 2 Stunden gewartet, was sich in Vorversuchen für einen totalen Temperaturausgleich als nötig erwies. Diese Zeit ist deshalb noch länger wie bei den oben beschriebenen Versuchen, weil infolge der Atmung der Erythrocyten eine sich nur sehr langsam und nicht immer total ausgieichende Temperatur- differenz vorhanden ist. Aus diesem Grunde ist auch die Genauigkeitsgrenze nach unten weiter angegeben als nach oben, weil oft infolge des durch die Atmung bedingten Temperaturgefälles im Gefäss die Innenlösung 0,002 bis 0,005 wärmer ist als die Aussenlösung. Andererseits können durch kräftige Rührung, wie sie für ein sofortiges Vermischen nötig ist, Temperaturanstiege um 0,003 ° stattfinden. Den Grad der beabsichtigten Atmungshemmung konnte man nicht aus der wirksamen Konzentration der Stoffe entnehmen, weil sich die Mehrzahl der Substanzen stark in der Zelle anhäuft und sich dadurch die Konzentration beim Vermischen mit Blut stark vermindert. Durch die neuen Verteilungversuche von Warburg (zum Teil nach nicht veröffentlichten Versuchen) waren hierfür Anhaltspunkte gegeben. Im übrigen kam es bei Stoffen ohne Wärmetönung nicht darauf an, etwas zu viel zu nehmen. Im allgemeinen wurde etwa die doppelte Menge genommen, als sie sich für eine Atmungshemmung um 50/0 berechnen liess. Versuche. Thymol: drei Versuche mit 0,015°0, zweimal um + 0,010°, einmal unter +0,005°; zwei Versuche mit 0,06°/o, einmal + 0,012°, einmal 0,00°. Formaldehyd (nach Versuchen von Warburg löst sich Formaldehyd etwa zehn bis zwölfmal so stark in Gänse-Erythrocyten wie in der umgebenden Lösung). 1. 0,012 Vol.-Proz. gibt + 0,01 bis 0,02° (ungenauer Versuch). 2. 0,024 Vol.-Proz. gibt + 0,030°. 3. 0,024 Vol.-Proz. gibt + 0,035—0,040°. Die Atmungshemmung ist teil- weise reversibel. 4, Versuch in anderer Anordnung. Zu 200 cm Blutkörperchensuspension, deren Sauerstoff durch Wasserstoffdurchleiten grösstenteils entfernt ist, 2 ccm 40 °/oiger Formaldehydlösung zugesetzt. Temperaturanstieg gemessen + 0,11°, + Korr. ungefähr 0,03°, zusammen ca. 0,14°. 5. Formaldehyd 0,05% zu Gänseserum gesetzt, desgleichen 0,1°/o; es ergibt sich in beiden Fällen ein Temperaturanstieg um + 0,005°. Möglicherweise 184 0. Meyerhof: Über Wärmetönungen chem. Prozesse in lebenden Zellen. findet also eine geringe Wärmebildung mit Serum statt. Da beim Einfliessen von Formol in Kochsalzlösung keine Temperaturveränderung erfolgt, wäre sie auf eine chemische Einwirkung auf das Eiweiss zurückzuführen. Acrolein. 1) Zu 150 ccm Enten-Erythrocyten (in DIV) in Phenyl- urethan wird 0,02 cem 33°oige Lösung von Acrolein gefügt. Es findet keine Temperaturänderung statt. 2) Zu 60 ccm Erythrocytensuspension, auf 240 ccm verdünnt, wird nachein- ander 0,04, 0,05 und 0,06 cem 33oiger Acroleinlösung gefüst. Die Wärme- bildung (Atmung) wird durch jeden weiteren Zusatz stärker herabgedrückt, aber selbst durch die Gesamtmenge 0,15 cem nicht aufgehoben. Beim Einspritzen keine Temperaturveränderungen. (Kontrollversuche zeigen, dass in gleichen Mengen- verhältnissen die Sauerstofizehrung äbnlich beeinflusst wird, wie dies an den Wärmeversuchen gefunden ist). 3) Gewöhnliche Anordnung: 36 cem konzentrierte Gänse-Erythrocyten, ver- mischt mit 215 ccm gesättigter Lösung (annähernd 0,03 /o) von Acrolein. Temperatur- veränderung beim Durchstossen 0,000°, ebenso bei 10 Minuten Warten. 12 Minuten nachher ist das Acrolein aus einer Blutkörperchenprobe weggewaschen, während eine andere in der Acroleinlösung auf das entsprechende Volumen gebracht wird. Beide werden in Atmungsgläschen von 6,3 cem gefüllt und 4 Stunden im Thermo- staten bei 29° gelassen. Die Sauerstoffzehrung beträgt für das ungewaschene Blut in dieser Zeit v—=31, m = 6,2, t=17°, p= 11mm. Für das gewaschene v, m, t, desgl. = 6 mm, während sich aus einem vorher gemachten Kontrollversuch für die gleiche Menge der gleichen Suspension nicht behandelten Blutes in derselben Zeit p= 215 mm ergibt. Daraus folst, dass die Erythrocyten getötet sind. 4) Eine Wiederholung des Versuches ergibt eine Temperaturveränderung von + 0,001° und ebenfalls eine total irreversible Atmungshemmung. Zum Schlusse möchte ich Herrn Dr. Otto Warburg für die vielfache freundliche Beratung herzlichen Dank sagen. 185 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung im motorischen Frosch- nerven. Von Georg Ganter. (Mit 7 Textfiguren.) Vant’Hoff!) hat 1898 das Gesetz der Abhängigkeit chemischer Reaktionen von der Temperatur ausgesprochen. Dieses Gesetz be- sagt, dass die meisten chemischen Reaktionen durch Steigerung der Temperatur um 10° C eine doppelte bis dreifache Geschwindigkeit ( Tr N Aristides Kanitz?), der eine Reihe von verschiedenartigen Lebensvorgängen auf dieses Gesetz hin untersucht hat, bezeichnet es als „RGT.-Regel“. Es gibt allerdings eine Reihe sicher chemischer Umsetzungen, für die der Quotient bedeutend grösser als 3 ist. Es sind dies die Vorgänge, bei denen Enzyme mitspielen. Anderseits ist dieser Quotient bei einigen chemischen Reaktionen niedriger gefunden worden. Für rein physikalische Vorgänge ist der Einfluss, den die Temperatur ausübt, bei weitem nicht so gross; der Wert dieses Quotienten ist bei physikalischen Vorgängen nur um wenig grösser als 1, im Maximum 1.2. erfahren oder Reaktionsverlauf bei 1) J.H. van t’Hoff, Vorlesungen über theor. und physikal. Chemie. Heft 1. 1895. Die chemische Dynamik. 2) Aristides Kanitz, Der Einfluss der Temperatur auf die pulsierenden Vakuolen der Infusorien und die Abhängigkeit biologischer Vorgänge von der Temperatur überhaupt. Biol. Zentralblatt Bd. 27 S. 14—26. 1907. 186 . Georg Ganter: Das verschiedene Verhalten physikalischer und chemischer Prozesse gegenüber Temperaturänderungen wurde nun mit Erfolg herangezogen, um zu entscheiden, ob ein physiologisches Geschehen physikalischer oder chemischer Natur sei. Hertwig!) fand bei seinen Versuchen über den Einfluss der Temperatur auf die Entwicklung der Froscheier, dass Temperatur- steigerung um 10° C. die Entwicklungsgeschwindigkeit um das 2,86fache beschleunist. Ähnliche Werte fand Peters?) für die Entwicklung der Seeigeleier. J. Loeb°) konnte diesen Wert bestätigen. Er fand aber, dass der Temperatureinfluss auf die Lebensdauer der Seeigeleier von sanz anderer Ordnung ist, indem nämlich eine Temperaturerniedrigung um 1°C. die Lebensdauer verdoppelt, was einem @,, von ca. 1000 entspricht. Loeb schliesst daraus, dass die chemischen Vorgänge, welche die Lebensdauer bedingen, anderer Art sein müssten, als diejenigen, welche bei der Entwicklung sieh abspielen. Abegg*) hat aus Pflüger’schen’) Versuchen berechnet, dass der Wert für die vermehrte Kohlensäureproduktion (für Kaninchen) bei Temperatursteigerung der RGT.-Regel folst. Auch bei den Lebensprozessen der Pflanzen, speziell der Kohlen- säureausscheidung, wurden Zahlen zwischen 2 und 3 für Q,, berechnet. - Aber auch für kompliziertere Prozesse, für rhythmisch ver- laufende Lebensvoreänge hat die Regel ihre Bestätigung gefunden. Besonders ausführliche Versuche in dieser Richtung liegen über die Reizbildungsfähigkeit des Kalt- und Warmblüterherzens vor von Snyder‘) und Kanitz’). 1) 0. Hertwig, Über den Einfluss der Temperatur auf die Entwicklung von Rana fusca und esculenta. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 51. 1898. 2) K. Peters, Der Grad der Beschleunigung tierischer Entwicklung durch erhöhte Temperatur. Arch. f. Entwicklungsmechanik Bd. 20. 1905. 3) J. Loeb, Über die Temperaturkoeffizienten für die Lebensdauer kalt- blütiger Tiere und über die Ursache des natürlichen Todes. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 124 S. 411. 1908. 4) Abegg, Zeitschr. f. Elektrochemie 1905. 5) Pflüger, Über Wärme und Oxydation der lebenden Materie. Pflüger’s Arch. Bd. 18 S. 247. 1878. 6) Snyder, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1907 S. 118. 7) Kanitz, Auch für die Frequenz des Säugetierherzens gilt die RGT.-Regel. Pilüger’s Arch. Bd. 118 S. 601. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 187 Aus den Arbeiten von Snyder über den Temperaturkoeffizienten der Frequenz von Schildkröten-, Krebs-, Hund- und Katzenherzen ergibt sich, dass der Quotient nur innerhalb gewisser Temperaturen konstant ist; bei niedrigen Temperaturen wird er sehr gross, bei höheren sehr klein. Bei Warmblütern, für die Kanitz nach Versuchen von O. Frank!) Werte berechnet, liest die untere Temperaturgrenze bei ca. 20°, unterhalb welcher die Herztätigkeit überhaupt erlischt, der Quotient also den Wert unendlich annimmt. Die entsprechende Temperatur- grenze liegt für Kaltblüter bei 0°, Die obere Grenze ist bei un- eefähr 40°. Ein günstiges Versuchsobjekt, um einen Einblick in die Vor- gänge im Zentralnervensystem zu erhalten, bot das rhythmisch tätige Atemzentrum. Versuche über den Einfluss der Temperatur sind von Bethe°) an Haifischen ausgeführt worden. Dabei ergab sich, dass bei Temperaturen über 25° eine wesentliche Frequenzzunahme nicht erfolgt. Bei niedrigen Temperaturen ist der Frequenzsturz um so rascher. Bethe findet dabei einen Unterschied der Frequenz bei verschiedenen Arten sowohl als auch bei verschiedenen Individuen derselben Art. An Fröschen konnte Robertson?) feststellen, dass sich der Temperaturkoeffizient für den Atemrhythmus zwischen 2,2 und 2,4 bewest. Edward Babäk und J. Rotek*) beobachteten, dass die Temperaturkoeffizienten der Atemrhythmusfrequenz Q,. bei Libellen- larven grossenteils zwischen 1,5 und 2,4 fallen. Sie finden einen Unterschied bei Sauerstoffreichtum und bei Sauerstoffmangel. Bei Sauerstoffmangel sind die Temperaturkoeffizienten regelmässig höher (2,2) als bei reichlicher Sauerstoffversorgung (1,8) des äusseren 1) Otto Frank, Einfluss der Herztemperatur auf die Erregbarkeit des beschleunigenden und verlangsamenden Nerven. Zeitschr. f. Biol. Bd. 49 S. 392 bis 420. 1907. 2) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903, 3) T. Robertson-Brailsford, Sur la dynamique chimique du systeme nerveux central. Arch. intern. de physiol. t. 6 p. 397. 4) Edward Babäk u. J. Rotek, Über die Temperaturkoeffizienten des Atemrhythmus bei reicher und bei ungenügender Versorgung des Atemzentrums mit Sauerstoff. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 477. 1909. 188 Georg Ganter: Mediums. Dei niedrigen Temperaturen ist das verschiedene Ver- halten am deutlichsten ausgeprägt. Bei höheren Temperaturen gehen die Temperaturkoeffizienten für Sauerstoffreichtum und Mangel mehr und mehr parallel. Aus diesem merkwürdigen Verhalten schlossen die Autoren, dass sich das chemische Lebensgeschehen in dem Atem- zentrum je nach den Bedingungen der Sauerstofizufuhr qualitativ abweichend gestalte. Aber auch am Warmblüter, nämlich am Murmeltier, hat Snyder!) aus Versuchen von Dubois berechnet, dass Q,, für den Atem- rhythmus zwischen 11° C. im tiefen Winterschlaf und 31° bei voll- ständiger Munterkeit des Tieres — 2,5 war. Dass die Prozesse in den Ganglienzellen chemischer Natur sind, darüber bestand längst kein Zweifel mehr, da der grosse Sauerstoff- bedarf und die Ermüdbarkeit des Zentralnervensystems schon seit langer Zeit bekannt sind. Anatomisch ist bekanntlich die graue Hirnsubstanz, die ja hauptsächlich von den Ganglienzellen gebildet wird, auch besonders reich mit Blutgefässen versorgt. Für die Vorgänge im Nerven selbst, bei der Reizleitung, war die Entscheidung, ob es sich um ein physikalisches oder chemisches. Geschehen handelt, bedeutend schwieriger, denn der Nachweis eines Stoffwechsels stiess auf grosse Schwierigkeiten; anderseits hatten alle Versuche, die auf Feststellung einer Ermüdbarkeit des Nerven durch die Reizleitung gerichtet waren, lange Zeit nur negativen Erfolg. Es war daher naheliegend, den Leitungsprozess im Nerven als einen rein physikalischen Vorgang aufzufassen. Wenn auch die ursprünglichen Vorstellungen der nee hnnfachen Nervenleitung längst aufgegeben sind, so ist doch ein Vergleich der Erregungswelle mit der Fortpflanzung des Stosses durch eine Reihe von elastischen Körpern, wie ihn Uxküll?) aufgestellt hatte, von Sutherland?) zu stützen gesucht worden. Berechnungen, die Sutherland anstellte über die Zunahme der Viskosität des Wassers bei Erniedrigung der Temperatur, und die nach seiner Theorie von 1) Charles D. Snyder, A comparative study of the temperature coefficients of the velocities of various physiological actions. Americ. journ. of physiol. vol. 22 p- 309. 2) Üxküll, Zur Methodik der mechanischen Nervenreizung. Zeitschr. f. Biol. Bd. 31 S. 148. 1894. 3) Sutherland, The nature of the propagation of the nerve impulse. Americ. journ. of physiol. t. 112. 1905. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 189 der Viskosität abhängige Fortpflanzungsgeschwindigkeit postulierten einen nur geringen Einfluss der Temperatur auf die Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Reizes im Nerven. Sutherland glaubt dabei eine Erfahrung, die G. Weiss!) bei der Bestimmung der Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung von der Temperatur gemacht hat, als Stütze seiner Theorie heranziehen zu dürfen. Weiss gibt an, dass der Temperatureinfluss auf die Leitungs- geschwindigkeit im Nerven ein nur scheinbarer sei und sich nur - dann zeige, wenn der Muskel an der Temperaturänderung teil- nehme. Die von G. Weiss angewandte Pouillet’sche Methode ist von zu vielen Fehlerquellen behaftet, so dass Resultate, die damit gewonnen wurden, nur mit Vorsicht verwendet werden dürfen. Übrigens sind seither von Snyder?) mit anderer Methode und unter Vermeidung von Temperaturänderung des Muskels Versuche an- gestellt worden, die sicherstellen, dass die Temperatur wirklich einen deutlichen Einfluss auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Er- regung im Nerven ausübt. Seit einigen Jahren ist aber auch fest- gestellt, dass der Nerv zu seiner Tätigkeit Sauerstoff bedarf. v. Baeyer?) konnte, indem er den Nerven in ein indifferentes Gas brachte, das vollkommen frei von Sauerstoff war und nun stunden- lang reizte, zeigen, dass von einem bestimmten Moment an die Reiz- barkeit rasch sinkt, aber sich ebenso rasch erholt, sobald Sauerstoff zugeleitet wird. Seine Befunde sind wiederholt modifiziert und be- stätigt worden. Eine ganze Reihe von Forschern, die den Nerven auf Ermüd- barkeit untersuchten, waren zu negativem Resultate gekommen. Pflüger) leitete aus theoretischen Gesichtspunkten heraus eine sichere Ermüdungsfähigkeit der Nerven ab, und in der Tat ist es gelungen, einwandfrei die Ermüdung des Nerven bei seiner Tätigkeit nachzuweisen. Zuerst konnte Garten’) am marklosen Hechtolfactorius eine 1) G. Weiss, Compt. rend. de l’acad. d. Sciences t. 1350. 1900. 2) Charles D. Snyder, The temperature coefficient of the velocity of nerve conduction. Americ. journ. of physiol. vol. 22 p. 179. 1908. 3) von Baeyer, Das Sauerstoffbedürfnis des Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 3 S. 169. 1903. 4) Pflüger, Einige Erklärungen betreffend meinen Aufsatz: „Die Quelle der Muskelkraft“. Vorläufiger Abriss. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 50 S. 337. 1891. 5) Garten, Beiträge zur Physiologie des marklosen Nerven nach Uuter- suchungen am Riechnerven des Hechtes. Fischer, Jena 1905. 190 Georg Ganter: Ermüdbarkeit zeigen; indem Garten mit Induktionsschlägen gleicher Stärke diesen Nerven in kurzen Intervallen reizte, fand er, dass die mit dem Kapillarelektrometer gewonnenen Ausschläge des Nerven- aktionsstromes schon nach wenigen Reizungen eine Abnahme erfuhren. Auch am markhaltigen Nerven konnte Fröhlich!) Ermüdungs- symptome nachweisen. Neuere Untersuchungen von W. Thörner?) haben gezeigt, dass Nerven, die in Stiekstoffatmosphäre gebracht sind, bei längerer tetanischer Reizung früher an Erregbarkeit und Leitungs- fähigkeit einbüssen als solche, die nicht gereizt werden. Thörner konnte weiter das Anfangsstadium der Ermüdung auch in der atmo- sphärischen Luft nachweisen bei länger dauernder tetanischer Reizung. In späteren Versuchen hat Thörner dargetan, dass auch in sauer- stofffreier Atmosphäre die Erholung sehr rasch vor sich geht, dass sie bloss ea. 10 Sekunden beansprucht. In der Fähiekeit der raschen Erholung lag wohl der Grund, warum der Nachweis der Nerven- ermüdbarkeit so lange nicht gelungen ist. Dass trotz Sauerstoff- mangel in der Umgebung des Nerven eine Erholung eintritt, wird dadurch erklärt, dass der Nerv imstande sei, Sauerstoff zu speichern. Dieser gespeicherte Sauerstoff soll zum Ersatz des bei der Tätigkeit verbrauchten herangezogen werden. Ganz neuerdings hat L. Haberlandt?) Versuche über die Er- müdbarkeit des markhaltigen Nerven veröffentlicht. Haberlandt untersuchte speziell die Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Nervenerregung bei länger dauernder Tätigkeit. Er fand, in verschiedenen Versuchen wechselnd, nach 200—300 Reizungen eine Abnahme der Fortpflanzungsgeschwindigkeit um ca. ein Viertel der ursprünglichen. Nach einer kurzen Ruhepause von ca. 15 Se- kunden hatte sich das Leitungsvermögen schon wieder auf den ur- sprünglichen Wert eingestellt. 1) Fröhlich, Ermüdung des markhaltigen Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 3 8. 468. 1904. 2) W. Thörner, Die Ermüdung des markhaltigen Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 7 8.530. 1908. — W. Thörner, Weitere Untersuchungen über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven: Die Ermüdung in Luft und die scheinbare Erregbarkeitssteigerung. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 29. 1909. — W. Thörner, Weitere Untersuchungen über die Ermüdung des mark- haltigen Nerven: Die Ermüdung und Erholung unter Ausschluss von Sauerstoff. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 351. 1910. 3) L. Haberlandt, Versuche über die Ermüdbarkeit des markhaltigen Nerven. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd 137. 1911. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 191 Auffallend sind in den Versuchen von Haberlandt die hohen Werte für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, die sich bei Zimmer- temperatur zwischen 52 und 57 m pro Sekunde bewegen bei nicht ermüdeten Nerven, während von anderen übereinstimmend viel geringere Werte bei Zimmertemperatur angegeben werden. Der Nachweis, dass bei der Tätigkeit des Nerven Sauerstoff verbraucht wird einerseits, anderseits, dass der Nerv bei seiner Funktion ermüdbar ist, lässt keinen Zweifel darüber obwalten, dass es sich bei der Nervenleitung um einen chemischen Vorgang handelt; denn nur bei chemischen Vorgängen findet ein Stoffumsatz statt, und es ist noch bei keinem physikalischen Geschehen eine Ermüdbarkeit festgestellt worden. Es wurde nun aber auch auf einem anderen Wege versucht, der Natur des Leitungsvorganges im Nerven näherzukommen, indem man nämlich das Verhalten der Nervenleitungsgeschwindigkeit bei verschiedenen Temperaturen untersuchte. Helmholtz und Baxt!') fanden bei Versuchen am Menschen auf- fallend verschiedene Nervenleitungsgeschwindigkeiten. Es schwankten die Werte bei den ersten Versuchen zwischen 30 und 33 m pro Sekunde; bei späteren Bestimmungen fanden sie ea. 60 m. Es traf sich, dass die ersten Versuche im Winter und die späteren im Sommer durchgeführt worden waren, und es lag nahe, eventuelle Temperaturverschiedenheiten in den Extremitäten zur Sommer- und Winterzeit als Ursache dieser grossen Abweichungen anzunehmen. Nun beträgt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im zweiten Fall gerade doppelt so viel wie im ersten, und wenn die R.G.T.-Regel auch auf die Leitungsgeschwindigkeit einigermassen anzuwenden ist, so würde dieses Verhältnis einer Temperaturdifferenz von ca. 10°C. entsprechen. Ob so grosse Temperaturdifferenzen in der Tiefe der menschlichen Extremitäten vorkommen, ist doch sehr zweifelhaft. Wenn Versuchs- fehler auszuschliessen sind, so würde wohl noch die Möglichkeit be- stehen, dass die Leitungsseschwindigkeit von den zu verschiedenen Jahreszeiten etwas geänderten Lebensbedingungen abhängig wäre. Nun hat neuerdings Piper?) mit einer anderen Methode viel höhere, 1) Helmholtz und Baxt, Neue Versuche über die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Reizung im motorischen Nerven des Menschen. Monatsber. d. Kgl. Preuss. Akademie d. Wissenschaft 1870 S. 184. 2) H.Piper, Über die Leitungsgeschwindigkeit in den markhaltigen mensch- lichen Nerven. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 591. 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 11 192 Georg Ganter: aber unter sich gut übereinstimmende Zahlen für die Leitungs- geschwindigkeit im menschlichen Nerven bekommen, nämlich ca. 120 m. Diese Feststellung, die mit vollkommeneren Hilfsmitteln ausgeführt ist, macht es wahrscheinlich, dass die Werte von Helmholtz und Baxt nicht die wirklichen Fortpflanzungsgeschwindigkeiten darstellen; desswegen ist die Erklärung der wechselnden Befunde, als von der Verschiedenheit der Extremitätentemperaturen herrührend, wohl nicht stichhaltig. Dass übrigens die tiefe Temperatur wirklich die Reizleitungs- geschwindigkeit des Froschnerven herabsetzt, hat Helmholtz zuerst festgestellt, indem er die Reizleitungsgeschwindiekeit des auf Eis liegenden Nerven bestimmte. Ausgedehntere Versuche stellte Nicolai!) am Hechtolfactorius an, v.Miram ?) am Froschnerven. Beide fanden einen wesentlichen Ein- fluss der Temperatur auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes. Charles D. Snyder?) hat aus den Werten, die Nicolai und v. Miram gefunden haben, den Temperaturkoeffizienten be- rechnet und diesen herangezogen zur Entscheidung, ob der Fort- leitungsprozess des Reizes im Nerven ein physikalisches oder che- misches Geschehen wäre. Es zeigte sich bei den Versuchen von Nicolai, dass zwischen 3 und 25°C. der Quotient durchschnittlich 2,55 war, bei v. Miram zwischen 15 und 35° 2,1. Bei den Ver- suchen, die Snyder selbst ausführte, war das Gesamtmittel für Om 256: Am Moluskennerven (Ariolimax columbianus) fand Maxwell den Temperaturkoeffizienten für die Leitungsgeschwindigkeit im Mittel 1,78. Fast denselben Wert 1,79 gibt K. Lucas‘) an für den Frosch- nerven bei einer ausserordentlich ausgearbeiteten Technik. Die Ver- suche von K. Lucas erstrecken sich aber nur über die Tempera- turen S—9° C. einerseits und 18—19° C. andererseits. 1) 6. F. Nicolai, Über die Leitungsgeschwindigkeit im Riechnerven des Hechtes. Pflüger’s Arch. Bd. 85 8. 65. 1901. 2) v. Miram, Über die Wirkung hoher Temperaturen auf den motorischen Froschnerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1906 S. 533. 3) Charles D. Snyder, Der Temperaturkoeffizient der Geschwindigkeit der Nervenleitung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1907 S. 113. 4) K. Lucas, The temperature-coefficient of the rate of conduction in nerve. Journ. of physiol. vol. 37 p. 112. 1908. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 193 Der Zweck der nachstehenden Untersuchung ist der, an einer grösseren Zahl von Bestimmungen, die die Temperaturen von 0 bis 30°C. umfassen, festzustellen, ob die RGT.-Regel ihre volle Gültig- keit hat. Es sollte ferner geprüft werden, ob zwischen Feld- und Wasserfröschen ein greifbarer Unterschied vorhanden wäre, einerseits in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes selbst, andererseits in der Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes von der Temperatur. An Feldfröschen suchte ich dann festzustellen, ob lange Ge- fangenschaft und damit verbundenes Hungern der Tiere den Nerven in seiner Funktion auf irgend eine Weise beeinflusst. Zur Beant- wortung dieser Frage machte ich die in der ersten Gruppe verzeich- neten Versuche an Fröschen, die über Winter bei niedriger Temperatur im Keller des hiesigen Institutes gefangen gehalten waren. Die zweite Versuchsgruppe ist an Fröschen durchgeführt worden, die frisch eingefangen waren und sich in einem vorzüglichen Ernährunes- zustande befanden. Alle übrigen Versuche wurden an weiblichen Wasserfröschen ge- macht. Die Wasserfrösche, speziell die weiblichen, haben den Vorzug, dass sie durchschnittlich grösser als die Feldfrösche sind; dann steht zu erwarten, dass, wenn überhaupt grössere Abweichungen in der Leitungsgeschwindigkeit des Nerven bei derselben Art vorkommen, diese sich bei weiblichen Exemplaren deutlicher ausprägen als bei männlichen; denn wenn man so ein Froschweibehen zur Laichzeit betrachtet, vergeht einem jeder Zweifel, dass der weibliche Organis- mus während der Bildung und Ausreifung der Eier gegenüber dem rein vegetativen Dasein der übrigen Zeit „in anderen Umständen“ ist. In der dritten Gruppe verwandte ich daher nur weibliche Frösche, die frisch eingefangen waren und mächtig entwickelte Eierstöcke auf- wiesen. Zum Vergleich hierzu wurden in der folgenden Gruppe Wasserfrösche gebraucht, die gelaicht hatten. In einer letzten Gruppe fanden Sommerfrösche Verwendung, die, nachdem sie eingefangen, gleich in einen Eisschrank gesetzt wurden. Die niedrige Temperatur, die im Eisschrank herrschte, setzte den ganzen Stoffwechsel der Tiere in hohem Grade herab, so dass sie nur. geringe und ganz träge Bewegungen ausführen konnten, nach Art der Kröten. Bei der Ausführung der Versuche über die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit des Reizes im motorischen Nerven wird das prinzipielle Ver- 2} 3*+ 194 Georg Ganter: fahren immer dasselbe sein, wie es Helmholtz angegeben hat. Dies beruht darin, dass man nacheinander an zwei möglichst weit auseinanderliegenden Stellen des Nerven Reize von genau gleicher Wirkung gibt und feststellt, um wieviel früner der Reiz von der unteren Reizstelle an einem bestimmten Punkte unterhalb dieser Reizstelle eintrifft als derjenige von der oberen Reizstelle. In der Art und Weise, wie der Reizerfolg messbar manifest ge- macht wird, gibt es eine Reihe von Methoden. Zunächst kann der Aktionsstrom des Nerven mit Hilfe des Saiten&alvanometers oder Kapitallarelektrometers registriert werden, was das einzige Verfahren bei sensiblen Nerven ist; dann können am Muskel die elektrischen Erscheinungen mit den gleichen Hilfsmitteln verwendet werden. Die meisten Bestimmungen wurden aber so ausgeführt, dass die Verkürzungen des Muskels aufgeschrieben und aus dem Abstand der beiden sich entsprechenden Kurven die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ermittelt wurde. Auch meine Versuche führte ich mit der letzt- genannten Methode durch. Ich bediente mich dabei derselben Apparate, wie sie v. Miram verwendet hat, benützte auch wie v. Miram die Kurven der vom Muskel ausgeführten Kontraktionen nicht zur Ausmessung: diese Kurven dienten einzig zur Kontrolle der Kontraktionshöhe und des Kontraktionsverlaufes. Sie gaben das Kriterium dafür, ob der Versuch brauchbar war oder nieht; denn ausgesprochene Ungleichheiten der Kontraktionshöhen und gar Ver- schiedenheiten in der Form des Kontraktionsverlaufes bei Reizung der zentralen und peripheren Nervenstelle müssen einen falschen und unbrauchbaren Wert für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ergeben. Die im Verlaufe der Versuche auftretenden Veränderungen der Kon- traktionshöhen konnten durch entsprechende Variierung der Reiz- stärken ausgeglichen werden. Selbstverständlich musste die Änderung der Reizstärke immer so geschehen, dass von der zentralen und peripheren Reizstelle aus maximale Muskelkontraktionen ausgelöst wurden. Dabei war darauf zu achten, dass die Reizstärken von oben und unten nicht allzu ungleich wurden. Denn je stärkere Ströme verwendet werden, um so weiter breiten sich die wirksamen Strom- schleifen in die benachbarten Nervenpartien hin aus. Wenn daher oben eine wesentlich andere Reizstärke als unten benutzt wird, so entspricht die Entfernung der Elektroden nicht mehr derjenigen der praktisch gereizten Punkte: Ist oben der Reiz stärker, so ist der wirkliche Abstand der Reizpunkte kleiner, ist der Reiz unten stärker, Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 195 so ist dieser Abstand grösser als derjenige der beiden Platinelektroden. Wird nun der Reizstrom an beiden Orten gleichstark gewählt, so gehen die Stromschleifen, wenn der Nerv auf beiden Elektroden gleichmässig aufliezt und der Widerstand in beiden Nervenabschnitten derselbe ist, an beiden Elektroden gleichweit gegen den Muskel hin: der Abstand der tatsächlichen Reizpunkte ist gleich demjenigen der Elektroden. Ich verwandte eher übermaximale Reize, hielt mich aber möslichst an die maximale Reizstärke. Reizstärken, die dem Rollen- abstand 110 mm entsprachen, wurden nicht mehr verwendet. Natür- lich wurden Präparate dann nieht mehr zu Versuchen benützt, wenn auf oben beschriebene Weise sich keine annähernde Übereinstimmung der Kontraktionshöhen erzielen liess. Diese Ungleichheit der Kon- traktionshöhen bildete fast bei jeder Versuchsreihe den Grund zum Abschluss. Präparate mit ungleichem Kontraktionsverlauf bei Reizung oben und unten wurden von vornherein verworfen. | Um möglichst exakt die Kontraktionshöhen in Übereinstimmung bringen zu können, wurde das Verhältnis der Schreibhebellänge zur Länge des Hebelarms, an dem der Muskel angreift, möglichst gross gewählt, und zwar wie 157 zu 24. Die Kontraktionen wurden also mit 6,54fach vergrösserter Kontraktionshöhe aufgeschrieben. Zur Registrierung des zeitlichen Abstandes der beiden zugehörigen Muskelkontraktionen benutzte ich anfänglich dieselbe Vorrichtung, wie sie v. Miram angewandt hatte. Der Moment des Kontraktions- beginnes wurde dadurch angezeigt, dass ein Strom, in dessen Kreis ein Pfeil’sches Signal eingeschaltet war, unterbrochen wurde. Am Ende der Entmagnetisierungszeit, die den Wert von !/scı Sek. hat, schnellt dann die Feder des Pfeil’schen Signals in die Ruhelage zurück, was mit Hilfe eines Schreibhebels auf die Reeistrierfläche übertragen wird. Bei dieser Art der Registrierung ist grosses Gewicht darauf zu legen, dass der Muskelhebel vor Beginn der Kontraktion die Unter- stützung eben bloss berührte und so den Stromkreis schloss. Diese Einstellung ist äusserst heikel und gelingt nur schwer. Liegt der Hebel nur eine Spur zu stark auf, so ist die nun ausgelöste Zuckung eine Überlastungszuckung; die Kontraktion hat schon be- sonnen, bevor der Schreibhebel bewegt und der Strom unter- brochen wird. - Doch besteht neben dieser Fehlerquelle noch eine andere. Denkt man sich die Muskelkontraktionskurve von der Abszissen- 196 Georg Ganter: achse eines Koordinatensystems aus gezeichnet und benennt man die Abszissen mit x, die Ordinaten mit y, dann wird im Besinne der Muskelkontraktion . nur sehr lanssam vom Werte 0 zu einem positiven Werte übergehen. So wird während einer relativ langen Zeit der Abstand an der Unterbrechungsstelle derart sein, dass Funken den Luftwiderstand noch überwinden können. Dadurch erfährt einmal der Stromabfall eine Verzögerung; ausserdem werden kleine Unebenheiten der Kontaktstelle einen wesentlichen Einfluss auf den Zeitmoment der Stromunterbrechung ausüben. Es schien mir aus diesen Gründen zweckmässiger, nicht den Beginn der Muskelkontraktion, sondern einen anderen Zeitpunkt zur Unter- brechung des Reeistrierstromkreises zu verwenden. Der Kontraktionsverlauf des Muskels wird dargestellt dureh die aufgeschriebene Kurve. Bezeichnen wir in dieser Kurve die Zeit als Abszisse, die Kontraktionshöhen als Ordinaten, so lässt sich. die Kontraktionshöhe als Funktion der Zeit betrachten und die Richtung k dy_. £ der Tangente an die Kurve, d.h. = misst die momentane Zunahme der Kontraktionshöhen. Diese Zunahme erfolst zuerst langsam, dann rascher, bis sie ein Maximum erreicht. Darauf erfährt die Zunahme wieder eine Verzögerung: z nimmt erst rasch, dann langsam ab bis zum Werte Null. In diesem Moment ist das Maximum der Kontraktionshöhe erreicht. Der absteigende Schenkel der Kurve durchläuft entsprechende Phasen. Aus dem geschilderten Verlauf der Kontraktionskurve geht hervor, dass zwei Gegenden besonders ungeeignet sind, den Registrier- Aldldye = ? i d strom unterbrechen zu lassen: Dies sind die Gebiete, in denen — den kleinsten Wert hat, d. i. im Beginn und auf der Höhe der Kontraktion. Der günstigste Zeitpunkt liest aber dort, wo = den höchsten Wert hat. Man wird also zweckmässig die Unterbrechung des Registrierstromes durch den Schreibhebel dann herbeiführen, wenn die Inflexionsstelle erreicht ist. Wenn diese Inflexionsstelle nun in der Mitte der Kontraktions- höhe oder sogar darüber liest, dann stellt sich eine andere Fehler- quelle ein. Eine absolute Übereinstimmung der Kontraktionshöhe Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 197 ist nämlich nie mit Sicherheit zu erreichen, und es ist leicht ein- zusehen, dass der Abstand der beiden Kurven, der bei vollkommener Kongruenz überall konstant ist, unter diesen Verhältnissen entweder nach obenhin wächst, wenn die zweite Kurve niederer ist, oder ab- nimmt, wenn die zweite Kurve höher ist als die erste. Nun kommen bei allen meinen Versuchen solche Höhen gar nicht in Betracht, da die Inflexionsstellen bei allen Muskelkontraktionen im unteren Drittel liegen. Überdies sind die Werte schon dann viel zu- verlässiger, wenn die Unterbrechung in der Nähe der Inflexionsstelle erfolgt. In meinen Versuchen war die Unterbrechung fast immer in ca. 2 mm Höhe der Ordinate. Die Unterbrechung des Stromkreises erreichte ich mit einer Einrichtung, wie sie in Fig. 1 dargestellt ist. Auf einem Metall- blättehen sind zwei Messingstäbchen vertikal befestigt, deren eines A oben ein Platinblech aufgelötet hat. Das andere Stäbchen B trägt, mit diesem durch ein Doppelscharnier verbunden, ein dünnes horizontales Stäbchen. Dieses liest mittelst eines eingelassenen Platinstiftes auf der Platinfläche des Stäbcehens A auf. Nicht weit vom Scharnier geht von dem Querstäbchen ein Platindraht ab, der in ein Quecksilbernäpfehen taucht. Dieses Quecksilbernäpfehen und das Stäbchen B sind von dem Metallblättchen isoliert. Vom Queck- silber und vom Stäbchen A geht je ein Draht ab. Mit Hilfe dieser Drähte wird der Unterbrecher in einen Stromkreis, bestehend aus drei Akkumulatoren und dem Pfeil’schen Signal eingeschaltet. Es wurde vorgezogen, drei Akkumulatoren zu nehmen und einen Wider- stand einzuschalten, da auf diese Weise kleinere Widerstandsänderungen in der Kontaktstelle weniger Einfluss auf die Stellung der Pfeil’schen Signalfeder haben. H in der Figur stellt den Hebel dar, an dem der Muskel an- greift und der auch die Feder trägt, mit Hilfe deren die Muskel- kontraktionen auf der Schreibfläche aufgeschrieben wurden. Mittels einer Schraube konnte der ganze Unterbrecher so verstellt werden, dass der Schreibbebel 7 in beliebige Enifernung von dem Quer- stäbehen gebracht werden konnte. Wenn also der Muskel sich kontrahierte und den Schreibhebel hob, so wurde erst in einer be- stimmten Höhe das Querstäbchen erreicht und gehoben und in dem- selben Moment der Platinkontakt unterbrochen, was vom Pfeil’schen Signal angezeigt wurde. Zwischen zwei zueinandergehörigen Muskel- kontraktionen durfte natürlich keine Versehiebung des Schreibhebels 198 Georg Ganter: gegen das Querstäbchen des Kontaktes erfoleen. Um ein Anzeichen dafür zu haben, dass der Muskelhebel immer von derselben Ruhe- lage ausgehoben wurde, behielt ich die Einrichtung, wie sie von Miram zur Registrierung des Zuckungsbeeinns verwendet hatte, bei. Nach jeder Muskelkontraktion wartete ich, bis der Kontakt sich von selbst geschlossen hatte, was durch das Geräusch eines eingeschalteten Elektromagneten angezeigt wurde; dann hatte der Muskel seine „normale“ Länge erreicht, und es konnte eine neue Kontraktion ausgelöst werden. Als Reeistrierfläche diente die mit Papier überzogene Platte eines Helmholtz’schen Pendelmyographions. Die Schwingungen des Pendels wurden so eingestellt, dass die grösste Geschwindigkeit der Platte, während welcher auch der Elektromagnet aufzeichnete, ca. 1200 mm in der Sekunde betrug. Die Zeitschreibung erfolgte mittels einer Stimmgabel von 30 Schwingungen in der Sekunde. Bei dieser relativ grossen Geschwindigkeit war auch der Ausschlag des Pfeil’schen Signals auf der Kurve nicht so steil, wie er zu einer leichten und sicheren Ablesung erwünscht ge- wesen wäre. Es erwies sich ein Kunsteriff, wie ihn Engelmann!) 1) Th. W. Engelmann, Graphische Untersuchungen über die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung. Arch. f. Anat. u. Pysiol., physiol. Abteil. 1901. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 199 schon für die Muskelzuckung vorgeschlagen hat, auch hier sehr zweckmässig: Ich liess den Ausschlag des Magneten nicht senkrecht zu der Grundlinie erfolgen, sondern stellte den Magneten etwas schief, so dass die zeichnende Spitze sich in derselben Richtung wie die Schreibfläche beweste; dadurch konnte die Steilheit der Kurve beliebig gross gemacht werden. Von grosser Wichtigkeit ist eine vollkommen erschütterungsfreie Aufstellung der Apparate. Der Tisch, auf den die Apparate gestellt waren, stand frei auf einer erschütterungsfreien Steinplatte. Die Basis der Apparate bildete ein schwerer Fuss. Um eventuellen Schwin- gungen der Apparate vorzubeugen, wurden vom höchsten Punkte des- selben aus nach vier Richtungen hin Saiten straff gespannt. An einem Seitenarm des Stativs war die Temperiervorrichtung für den Nerven angebracht. Es musste dafür gesorgt werden, dass die ganze Nervenstrecke einschliesslich der beiden Reizstellen gleich schnell und gleichmässig temperiert wurde. Der Nerv ruhte auf einem seiner Länge entsprechenden Metallkästchen, das ausser seiner Oberseite ganz von isolierendem Hartgummi umgeben war. Die Oberseite war mit einer Lackschicht überzogen, damit der Nerv nicht direkt mit Metall in Berührung kam. In dieser T,ackschicht lagen zur Reizung nach oben frei zwei Paar Platinelektroden. Der Weg, den der Reizstrom im Nerven zu durchlaufen hatte, betrug an beiden Elektroden ca. 1,5 mm. Der Abstand der beiden Elek- troden war 47 mm. Der Nerv wurde durch ein ähnliches Metall- kästehen bedeckt. Zur Vermeidung einer Nervenquetschung wurde die Unterwand des Deckels herausgebrochen und durch eine Membran von dünnstem Gummi ersetzt. Die Membran legte sich dem Nerven eng an. Die temperierende Flüssigkeit durchfloss zuerst das untere, dann das obere Gefässchen. Der Nerv war so nach allen Seiten hin von der Temperierflüssigkeit umgeben, ohne von ihr berührt zu werden, und vermochte dem Temperaturwechsel der Flüssigkeit rasch zu folgen. Zur Bestimmung der Temperatur war im unteren Kästchen ein Thermometer eingelassen, der es erlaubte, auf den Grad genau abzulesen und Zehntelgrade zu schätzen. Die Versuche wurden jedesmal erst dann begonnen, wenn der Thermometer ca. 1—2 Minuten denselben Stand beibehalten hatte. Es war anzunehmen, dass wäh- rend dieser Zeit ein vollkommener Temperaturausgleich zwischen Nerv und Temperaturgefäss stattgefunden hatte. Nach jeder Ver- suchsserie, die aus 2—6 Einzelversuchen bestand, wurde die 200 Georg Ganter: Temperatur nochmals abgelesen. Meistens war die Temperatur vollkommen konstant geblieben. Bei Temperaturänderungen um mehr als 1° blieben die Versuche zur Ausmessung unbenutzt. Ge- wöhnlich begann ich mit Versuchen bei niederer Temperatur. Jedes- mal wurde eine grössere Flüssiekeitsmenge in einem besonderen Reservegefäss zu einer bestimmten Temperatur gemischt, und erst aus diesem Gefässe wurde die Flüssigkeit dem Präparate zugeführt. Zu jeder folgenden Serie wurde die Temperatur um 5 bis 10° oe- steigert bis gegen 30°, wo sich gewöhnlich eine Ungleichheit der Kontraktionshöhen einstellte, die sich nur durch Verminderung der Temperatur beheben liess. Die Werte, die sich beim Übergang von höherer zu niederer Temperatur ergaben, zeigten eine genügende Übereinstimmung mit denjenigen, die gefunden wurden beim Über- gang von niederen zu höheren Temperaturen. Zur Herstellung des Nervmuskelpräparates wurde der Frosch dekapitiert. Um den Teil des Plexus ischiadicus, der im Rücken- markskanal verläuft, nicht zu zerstören, wurde das Rückenmark nicht ausgebohrt, sondern die Wirbelsäule etwas über der Aufspaltung des Rückenmarkes querdurehtrennt. Die Erhaltung des Plexus ischia- dieus bis zu den Ganglienzellen, wie sie schon von H. Munk!) empfohlen worden ist, hat sich sehr vorteilhaft erwiesen, da auf diese Weise der „Querschnitt“ weiter entfernt von der oberen Reizstelle zu liegen kam; dann erreichte der Absterbeprozess sehr viel später die obere Reizstelle, wodurch dasselbe Präparat zu einer grösseren Anzahl von Einzelversuchen verwendet werden konnte. Durch Fest- stecken des Präparates wurden die sonst bei der Präparation sehr störenden Reflexzuckungen verhindert. Die Freilesung des Nervus ischiadieus und des Gastroenemius geschah in der allgemein üblichen Weise. Die Haut des Unterschenkels wurde so abgelöst, dass sie nach der Präparation des Musculus gastroenemius wieder über diesen gezogen werden konnte zum Schutze gegen Austrocknen. Der Nerv war während des ganzen Versuches in physiologischer Kochsalzlösung oder Ringerflüssigkeit eingebettet. Nach Abschluss des Versuches wurde am unteren Platindraht der oberen und unteren Elektrode mit Hilfe einer mit Tinte benetzten Pinzette der Nerv gequetscht und die Stelle der Quetschung dann als Marke zur Messung der Nerven- 1) H. Munk, Untersuchungen über die Leitung der Erregung im Nerven. Arch. f. Anat. u. Physiol. u. wissensch. Med. 1860. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 201 länge benutzt. Da in der oberen und unteren Elektrode der Reiz- strom gleichgerichtet war und jedesmal der untere Platindraht die Kathode, so ging bei jeder Reizung von ihr die Erregung aus, und der Abstand dieser Punkte am Nerven gemessen gab die Nervenlänge. Nun besteht eine grosse Schwierigkeit bei der Bestimmung der Nervenlängen. Infolge der Dehnbarkeit des Nerven ist die Länge, die man misst, abhängig von der Spannung. Bekanntlich hat Helm- holtz bei seinen Versuchen die Dehnung bei der Messung so weit getrieben, bis die Querstreifung des Nerven verschwand. Es erschien mir zweckmässig, die Dehnung des Nerven durch Anhängen eines Gewichtes herbeizuführen, das eine Funktion der Grösse des Frosches darstellt, so dass ein dieckerer Nerv durch ein relativ grösseres Gewicht ebenso stark gedehnt wurde wie ein dünnerer Nerv mit geringerer Be- lastung. Das dehnende Gewicht schwankte zwischen 8 und 12 g. Ausmessung der Kurven. Da die Geschwindigkeit der Schreibfläche des Pendelmyographions im allgemeinen ca. 1,2 m pro Sekunde betrug, so wurden die auf- geschriebenen Längen, die der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes entsprachen, ziemlich gross. Nur bei den höchsten Temperaturen, die ich anwandte, wurde die Strecke kleiner als 1 mm. Ich begnügte mich daher mit einer Glasmessplatte, die in halbe Millimeter geteilt war, die Längen auszumessen. Bei einiger Übung liessen sich bei Anwendung einer Lupe die Zehntelmillimeter mit ziemlicher Sicherheit schätzen. Da zudem immer das Mittel aus mehreren Versuchen bei derselben Temperatur genommen wurde, so geben die in der Tabelle angeführten Zahlen genügende Genauigkeit. In einer Anzahl von Versuchen habe ich einen besonders kon- struierten Kurvenmessapparat verwendet, der es ermöglicht, auf 0,05 mm genaue Ablesungen zu machen. Der Apparat ist auf meine Angaben hin von Wilhelm Petzold in Leipzig ausgeführt worden. Ich werde eine Beschreibung davon an anderem Orte geben. Die Resultate der Versuche sind in den folgenden Protokollen zusammengestellt. Dabei gibt die erste Kolumne die Temperatur; die zweite zeigt an, wie viele Einzelbestimmungen bei dieser Tem- peratur gemacht worden sind; dann folgt das Mittel aus dem Kurven- abstand der Einzelbestimmungen. Die letzte Reihe ist die berechnete Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven. 202 Georg Ganter: Um eine leichte Übersicht über die Versuche jeder Gruppe zu geben, habe ich am Ende jeder Gruppe eine Kurve abgebildet, die das Mittel aus allen in der Gruppe angeführten Bestimmungen dar- stellt. Das Mittel wurde auf folgende Weise bestimmt: Die Resultate jeder Versuchsserie, d. h. aller Einzelversuche am selben Nerven, wurden auf Millimeterpapier aufgezeichnet, so dass die Abszissen die Temperaturen, die ÖOrdinaten die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten des Reizes im Nerven in Metern darstellten. Aus diesen Kurven wurden nun die Werte für die Temperaturen von 5 zu 5° abgelesen und zur Berechnung des Mittels verwendet. Aus den in den Kurven zur Darstellung kommenden Mittel- werten wurden die Quotienten Q für 10° berechnet. Alle die Werte Q,, sind am Ende der Protokolle in einer Tabelle zusammengestellt. Gruppe I. Feldfrösche, längere Zeit in Gefangenschaft. ug Versuch am 14. Dezember. Zahl der : 7) T che Mittel F. 6. 1,9 3 SB) 16,6 35 15 5 2,5 92.0 . 19,5 6 2,0 27,4 25 6 1,7 32,2 30 31 5 1,2 45,8 5 Versuch am 15. Dezember. 5 3 34 17,3 11 3 2,1 21,75 e 19 4 1,55 37,8 0 13 3 2,4 94,5 7 4 3,07 1 2 4 5,4 10,9 45 Versuch am 20. Dezember. 10 11 | 2 | 2,9 | 22,4 h} 3 4,2 11,8 15 | 4 23,1 96,7 5 21 1 1,2 46,8 Versuch am 15. Februar. 5) | 3 | 9,9 10,5 o o 2 12 DROE : 5 10 IT 17 e ol n Kurve 1. Feldfrösche vom 14. Dez. bis 21,3 4 1,62 36,7 27.Febr. Längere Zeit in Gefangenschaft. 26 7 1,13 | 52,9 Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 203 Versuch am 27, Fehruar. T. | ne | Mittel | F. 6. 3 2 3,9 14,6 10 3 2,8 20,3 14 2 2,2 25,7 19 3 1.68 33,7 E) 4 1,6 35,4 27,5 3 1,07 53 Gruppe II. Frischgefangene Feldfrösche. Versuch am 14. März. Versuch am 18. März. Zahl der - Zahl der - : EL, Mittel F. G. Ver Mittel ERIG ST IE Re 0 3 3,89 39 3,9 2 4,25 13,7 7,5 4 3,32 17,4 13,5 2 2,45 23,7 11,75 3 2,4 24 16 2 22, 26,9 18 4 1,87 20,8 19 2 1,8 32,3 23,5 2 17, 3 22 2 1,55 37,5 27 2 1,1 52,4 27 2 1,05 55,3 E z 16 2 2,4 24,4 Versuch am 15. März. 7 9 3,85 | 153 5 2 4,5 13,15 5 3 4,40 13,2 10 2 2,55 23,15 15 2 2,0 29,6 Versuch am 18. März. II. 20 2 1,7 34,7 5.5 2 3,75 15,9 24,5 2 a 293 | 203 25 2 1,5 39,4 17,5 5 2,1 28,4 3 1 13 45,9 23 4 1,9 31,3 B) 2 1,33 3, 29 3 1,5 39,7 16,5 2 1,75 3,8 17,5 4 2,15 27,8 10 2 2,5 23,6 13,5 2 2,5 23,9 4 3 4,5 13,6 7 4 3,35 17,8 3 2 5,5 10,7 4 3 4,54 13,2 12,5 2 3,0 19,7 13,5 3 2,6 23,5 21 2 1,85 31,9 20,5 | 3 2,07 29,2 Bessuch am 15. März. II. ö Versuch am 20. März. 5 3 3,47 17,3 9 =.05 2 1. | | = ee 13 2 1,95 30,25 165 51 19 300 25 2 1,6 369 22 5 1,7 33,6 14 3 2,1 28,2 965 5 135 493 10,5 3 2,933 | 20,2 20 3 1,6 35,7 2 4 365 | 16,2 5,5 3 3,9 14,6 10 2 2,85 20,7 15 2 2,35 25,1 Versuch am 20. März. II. Versuch am 16. März. E 2 2 14,5 | 2 ee. 2 3 a 6,5 3 4,27 13,4 & 55 Er 11 | B) 3,0 19,1 Auf 26° erwärmt 20 2 En 32,7 Sn 275,205 204 Georg Ganter: 3 5,07 11,3 3 92,63 222 4 1,95 29,8 3 17 33,6. 5 1,44 40,4 8 1,35 43 Versuch am 21. März. Il. 6 4,13 14,3 4 2,53 23,4 B 7 34,8 &y)) +5 %0 JE 30 25 co 15 40 T GT 170% Zahl der : Versuche Mittel 3 2,33 3 1,6 3 1.57 3 282 2 4,4 Versuch am 21. März. 1% 3,75 7 Versuch am 22. März. 30° Zahl der Versuche DOPrPWVIUOPITPUDD 35 Mittel &= o Suanıoa DM 7 D@O-I [JUAN DDH-DVPRPODHHDD RDOQAADODOT—I—I 0 o 30 Kurve 2. Frischgefangene Feldfrösche vom 14. März bis 1. April 1911. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 205 Versuch am 31. März. Versuch am 1. April. Zahl der | yitteı | F. 6. r. |Zablder| yittel | F. @. Versuche Versuche en | 3 7.67 | 7.6 1 3 4,85 12 6,7 3 3.53 164 10,3 2 2.9 20 12,5 3 2.67 231.8 17 3 22 26.5 18 Sen 33 o3 | ul 155 37.5 Versuch am 31. März, II. e Ban en i a 15 3 4,9 12 3 22 20, 11 4 | 2,85 | 20,7 12 4 2,52 23 15,5 4 2,5 Er 21 5 | 2.05 988 Gruppe III. Frischgefangene Wasserfrösche in der Laichzeit. Versuch am 25. April. Versuch am 1. Mai. Zahl der | 17: 0 Zahl der . ep | Mittel | Fe. % 7 a Mittel | F. @. —0,5 3 5,9 10,8 2 3 4,3 13,4 1,5 4 4,8 12,4 8 2 3,05 er 6,0 3 3,17 18,7 14 2 2,35 24,8 12 4 2,82 25.6 20 3 1,9 13,4 15,5 3 haar! 33,6 26 % 1,47 39,3 20,5 3 BIER, 540,8 30 5 1,47 39,3 i 32 3 1,27 45,3 Versuch am 28. April. 35 3 1,23 47 Ver 3 12,4 4,7 21 3 1,9 30,3 25 3 4.6 13,5 16 3 2,43 23,7 13,5 3 3,3 17.6 1,5 2 3,69 15,7 17,5 4 2,42 24 2 b) 5,4 10,7 21 3 ET 34 24 2 1,55 37,4 Versuch am 3. Mai. 2 > x ale 2,5 4 4,0 14,7 Versuch am 28, April. I. 10,5 3 2,53 23,3 5.0 3 | 3,47 17,0 Y ! ee 8,8 5 2,76 21,3 2 i = 5: 28 3 1.28: 47,8 15,0 4 1,88 31,2 29 4 1. 1 53 5 21,8 2 1,5 39,2 5 ee 2 29° 5 1,1 a, 2 115 | 336 z 2 15,3 4 2,05 28,7 3 3 1,47 40 7 5 2713 18.8 13,6 4 2,62 | 22,4 < SS ” = - 5 un Versuch am 4, Mai. Versuch am 29. April. 0,2 4 52 11,6 N) 4 52 113 7,5 | 3 2,77 21,8 —1 3 6,5 9,6 13 3 1,97 30,7 —2 5 6,3 9,2 19,5 6 1,9 40,05 N 3 5,6 10,9 25,25 3 1,27 47,6 6 4 3,7 15,7 28 2 1,3 46,3 11 b) 2,84 20,3 10 3 2,37 25,9 17,8 3 2,1 28,4 3 3 | 4,6 13,1 206 Georg Ganter: Versuch am 4. Mai. I. Zahl der : IE a | Mittel | F.G 0 3 4,87 12,3 —_ 7 6,1 9,9 9 5 3,06 19,7 15 2 2,4 25,2 20 3 | 1,93 31,0 24 | 4 1,6 37,8 0 007000202 7.25273/0% Kurve 3. Leipziger Wasserfrösche (ungelaicht) frisch vom 25. April bis 4. Mai 1911. Gruppe IV. Frische Wasserfrösche nach der Laichzeit. Versuch am 30. Mai. PERNBIERG Zahl der 0 Mittel | F. @. gr |Zeilde| wite|lre - | Versuche 1 Versuche 3 marTstiggn | 97 1 1,4 43 3 | 3 Si | 11,8 2,3 3 64 9,4 11,5 3 3.33 181 11,6 3 39 155 19 | 2 5 | 25 185 3 217 | 29 Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 207 Versuch am 31. Mai. Versuch am 30. Mai. II. Zahl der 2 Zahl der a che Mittel F. 6. ar Veränche Mittel Bau 4,6 2 4,5 13,2 a 3 | 5,0 | 11,8 14 2 2,59 23,3 2 3 3.38 17,8 3 1 4,6 13 18,8 3 2,2 26,7 12 3 DIT zile 31 4 1,0 59 2 2 4 is u Versuch am 20. Juni. 16,5 3 2,07 29 3 | 2 | 8,6 | 1! I 5 5,65 10,3 E S 20. er 12,8 4 2,69 DD ® BIeP | We nee 60 65 50 Y4S 2] 35 30 45 30 45 A0 [2 97.400. AO 30° Kurve 4. Leipziger Wasserfrösche (gelaicht) frisch vom 30. Mai bis 20. Juni 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 14 208 Georg Ganter: Gruppe \V. Wasserfrösche, die längere Zeit im Eisschrank waren. Versuch am 11. Juli. T. es Mittel | De Zahl der | yitteı | F. G. Versuche 0 | 3 | 4,96 12,8 11,5 4 2,38 25,5 2 3 5,70 10,3 20,5 3 1.60 38 9,75 3 2,85 20,6 85 3 3.20 18,7 17 3 1,78 32,9 01 3 1.43 49 23,5 1 1,45 40,3 29 1 1.05 57,2 38 1 0,85 68,9 1 9 1.43 49,9 Versuch am 12. Juli. Versuch am 12. Juli. II. 2,5 3 4,93 en 13,5 3 2,25 26,6 13 2 2,37 25, 21,5 5 1,67 37,8 20 3 1,70 35,9 11 4 3.02 19,8 6 3 3,65 16,5 3 5 4.89 12,2 13,2 4 246 | 244 , 215 1 1,35 44,5 I? 710° 415? 20° 25° 30° Kurve 5. Wasserfrösche, die längere Zeit im Eisschrank waren, vom 11. Juli bis 24. September 1911. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung etc. 209 Versuch am 17. Juli. Versuch am 24. September. Zahl der . ; Zahl der - y ER Mittel EIG dk: ech Mittel 18. (6 + | 2 4,45 | 13,4 a ; 3 | 7,93 7,9 10,5 | 4 2,91 20,4 +9 3 5,82 10,6 15,5 2 1,97 | 30,2 9 3 3,08 20,5 [5] Versuch am 18. Juli. > i I EIS 2 4 5,15 11,3 3 3 1,65 385 9 1 3,99 16,3 13,5 B 2,68 22,8 17 2 2,28 25,4 2 3 6,65 9,4 2,5 3 7,02 8,3 > 3 1 In Versuch am 24, September. I. 15 2 2,35 | 198 Versuch am 23. September 9 5 5,75 10,2 2 3 | 3,19 10, 3 11 Z 2,18 20,3 11 3 2,85 20, 8 18 b) 1,82 32 19 3 1,78 33, 4 25 3 1,43 40,7 27 1 1,25 471,3 30 3 1,33 43.7 2 £65 | 128 21 3 188 | 31 Zusammenstellung der Q,.-Werte. Kurve 1 Kurve 2 Kurve 3 Kurve 4 | Kurve 5 Mittel IP. Ba BE. G. BE | EG: | So 8 6-| So [F- F.G. Qıo E. G. Qıo Qı1o F. G. Qıo F.G. Qıo Baer | 8512355 | 113 | 1,86 EN en a RE ns | 17 | een. b) 15,1 | 203 | 145 | 179 | 15,4 | 1,79 | 12,8 | 197113 | 2,09] 14,1 | 1,87 7,5 | 16,5 | 1,82 | 17,3 | 1,64 | 18 1,65 | 15,4 | 1,95 | 19,9 | 1,51 | 16,9 | 1,77 10 1193 | 1,79 | 20 1,6 21 1,57 113 | 1,35 | 22,4 | 1,59 | 19,9 | 1,71 12,5] 23 1,66 | 22,9 | 1,53 | 23 1,62 | 22,2 | 1,81 | 24,8 | 1,75 | 22,6 | 1,64 15 26,5 | 1,59 | 26 1,48 | 26 1,55 | 25,3 | 1,77 | 27,3 | 1,67 | 26,3 | 1,61 17,5 130,0 | — [285 | — 1 29,7 |15 [30 1,68 | 312) — ]|30,1| — 20 34,6 — 132 —_ 32,9 | 1,47 | 35 1,611 35,5| — ]34,1| — 22,91383 | — ]|35 — | 371) — [409 — 140,4) — |] 37 — 25 143 — 138353 | — | 9,5 | — ]47| — 1853| — [424 2751 — — E= — | 453| — I5021| — I —|ı — | — | — eier: 1482| — Fear nz Aus vorstehenden Versuchen geht hervor, dass bei den einzelnen Tieren derselben Art ziemlich beträchtliche Schwankungen in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven vorkommen. Bei Feldfröschen liess sich kein Unterschied feststellen in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven, ob nun die Tiere vor dem Versuche längere Zeit in Gefangenschaft, also hungern. gehalten worden waren, oder ob diese frisch eingefangen und in gutem Ernährungszustande zu den Versuchen verwendet wurden. 14 * 210 Georg Ganter: Weiter zeigte bei weiblichen Wasserfröschen die Ausreifung der Eier auf die Nervenleitungsgeschwindigkeit keinen fassbaren Einfluss; ebensowenig boten Wasserfrösche, die wochenlang im Eisschrank bei wenig Graden über dem Gefrierpunkt gehalten worden waren, einen Unterschied gegenüber den nicht vorbehandelten Tieren. Eine Abhängigkeit der Nervenleitungsgeschwindigkeit von der Jahreszeit konnte nicht gefunden werden. Schliesslich hat sich her- = ausgestellt, dass auch zwischen den beiden Froscharten Rana 2% esculenta und Rana temporaria Verschiedenheiten in der Er- > reeungsleitung im Nerven nicht bestehen, die grösser wären als 30 | die Schwankungen, die bei In- dividuen derselben Art vor- 25 kommen. In jedem Fall war die Fort- 20 pflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven eineFunk- 45 tion der Temperatur. Von 0 bis 30 ° nimmt die Fortpflanzungs- 40 geschwindigkeit dauernd zu. Um einen Überbliek über 5 den Einfluss zu gewinnen, den die Temperatur ausübt, habe ich die Werte für Q,, für die verschiedenen Gruppen zu- sammengestellt. Aus dieser Übersicht gehthervor, dass der Quotient Q,., fast durchweg kleiner ist als 2, aber immer grösser bleibt als 1,5, dass sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven bei 10° Temperaturerhöhung fast nie verdoppelt. Das Ge- samtmittel aller meiner Q,o-Berechnungen beträgt 1,75. Dieser Wert stimmt annähernd überein mit dem von Keith Lucas!) für Temperaturen von 8--9° zu 18—19° C. angegebenen Wert 1,79 und mit dem von Maxwell?) für die Leitung im Moluskennerven ge- ET LTE 99 Kurve 6. Gesamtmittel aus allen Versuchen. 1) Keith Lucas, loc. cit. 2) Maxwell, ioc. cit. Über den Temperaturkoeffizienten der Erregungsleitung ete. 2a! fundenen 1,78. Mein Wert steht aber mit demjenigen von Charles D. Snyder!), Qjo —= 2-3, nicht im Einklang. Woher der Unter- schied rührt, weiss ich nicht anzugeben. Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass die Q,, von niederen Temperaturen zu höheren in jeder Gruppe nach und nach abnehmen. Ein Blick auf die gezeichneten Kurven lässt erkennen, dass ihr Ver- lauf weniger demjenigen einer Exponentialkurve gleicht, als vielmehr einer Geraden. Eine Gerade, die aber einen bestimmten Winkel gegen die Abszisse einnimmt, zeigt an, dass die Ordinaten proportional den Abszissen wachsen, und so scheint es, dass zwischen der Temperatur und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven zwischen 0 und 30°C. eine annähernde Proportionalität besteht. Ob aus dem Verhalten herauszulesen ist, dass es sich bei der Nerven- leitung um einen rein chemischen Vorgang handelt, erscheint mir zweifelhaft. Dies Verhalten erweckt vielmehr den Eindruck, als wäre die Fortpflanzung der Erregung im Nerven eine Erscheinung, die sich aus mehreren chemischen und physikalischen Prozessen zusammensetzt. Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Geheimrat Professor von Kries für die Überlassung des Themas, sowie für die Hilfe bei der Ausführung dieser Arbeit meinen Dank aussprechen. 1) Charles D. Snyder, loc. cit. 312 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Upsala.) Der osmotische Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung nach dem Ausschlüpfen der Embryonen. Von E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundbersg. (Hierzu Tafel III.) Im Jahre 1909 berichtete der eine von uns (E. Louis Backman) zusammen mit J. Runnström über die ersten Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen über das Verhältnis des osmotischen Druckes während der Embryonalentwicklung!). Backman und Runnström setzten diese Untersuchungen fort und veröffentlichten 1911 weitere Ergebnisse ?), die in Kürze sich folgenderweise zusammenfassen lassen: infolge der Befruchtung wird eine plötzliche Veränderung in der physikalisch-chemischen Konstitution der Eizelle des Frosches hervor- gerufen, eine Veränderung, die eine erhebliche Reduktion des os- motischen Druckes der Eizelle bedinet: der Druck von 4 — 0,48 wird zu einem solchen von / = 0,045 reduziert. Während der ersten Embryonalentwicklung, während des Blastulastadiums und des ersten Teiles der Gastrulation, wo die ursprüngliche runde Gestalt noch beibehalten wird, besitzt der Embryo einen konstanten osmotischen Druck, der dem letztgenannten (/ = 0,045) entspricht und mit dem umgebenden Süsswasser isotonisch ist. Während des späteren Teiles 1)E. Louis Backman und J. Runnström, Physikalisch - chemische Faktoren bei der Embryonalentwicklung. Der osmotische Druck bei der Ent- wicklung von Rana temporaria. Biochem. Zeitschr. Bd. 22 S. 290. 1909. — Compt. rend. de la Soc. de Biol. t. 67 p. 414. 1909. 2)E. Louis Backman och J. Runnström, ÖOsmotiska tryckets för- hällande hos Rana temporaria under embryonalutvecklingen. Upsala Läk: fs Förh. t. 16 p. 350. 1911. Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 287. 1912. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 213 der Gastrulation, wenn die Keimblattdifferenzierung fortgeschritten ist und die Längsstreckung begonnen hat, tritt eine plötzlich ein- setzende Steigerung des osmotischen Druckes bei dem Embryo in die Erscheinung; der osmotische Druck erreicht die halbe Höhe des für das erwachsene Tier charakteristischen Druckes, der / = 0,465 ist. Dieser Druck wird nachher während der ganzen Zeit, so- lange die Entwicklung sich noch innerhalb der das Ei umgebenden Gallerthüllen vollzieht, beibehalten. Wenn die Embryonen die Gallerthüllen durchbrochen haben und ins Wasser ausgeschlüpft sind tritt abermals eine Steigerung des osmotischen Druckes ein. Mit dem 20. bis 25. Entwicklungstage hat der Embryo den für den er- wachsenen Frosch charakteristischen osmotischen Druck beinahe erreicht. | Diese Ergebnisse beruhen auf verschiedenen Untersuchungen von Baekman und Runnström, u. a, auf direkten Gefrierpunkts- bestimmungen an Eiern und Larven. Von den Stadien, während deren die Entwicklung noch innerhalb der Gallerthüllen vor sich geht, wurden verschiedene Stadien bis zum 5 Tage alten Embryo mit kleiner Schwanzknospe und beginnender Abgrenzung des Kopfes untersucht. In dieser Periode der Entwicklung weist der Embryo einen osmotischen Druck auf, der 4 = 0,230 entspricht. Von den folgenden Stadien der Entwicklung wurde nur die 20—25 Tage alte Kaulquappe untersucht. Die Kaulquappen, die unmittelbar vor der Untersuchung in einem Süsswassersee eingefangen wurden, zeigten einen Gefrierpunkt von 0,405. Die Verfasser schlossen: „Es erscheint wahrscheinlich, aass der osmotische Druck nach dem Ausschlüpfen der Froschembryonen ins Wasser den endgültigen Wert nur langsam erreicht. Die 20—25 Tage alten Kaulquappen besitzen einen 0s- motischen Druck, der nur ganz unbedeutend hinter dem endgültigen Druck zurückbleibt.“ Sie haben damals auf die zeitgebende Über- einstimmung hingewiesen, die zwischen ihren Ergebnissen und denen von Davenport!) und Schaper?) über die Wasser- aufnahme beim Froschei während der Embryogenese besteht. Aus 1) C. B. Davenport, The role of water in growth. Proc. of the Boston Soc. of Nat. Hist. vol. 28 p. 73. 1897. — €. B. Davenport, Experimental Morphology. Part II p. 2831. 1899. 2) A. Schaper, Beiträge zur Analyse des tierischen Wachstums. Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 14 S. 306. 1902. 214 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: den Untersuchungen von Davenport und Schaper geht hervor, dass, wie der endgültige osmotische Druck ungefähr am 20: Ent- wicklungstag beinahe vollständig erreicht ist, so damit zugleich auch der für das larvale Leben endgültige Wassergehalt des Organismus erreicht wird. Es war nun von besonderem Interesse, wie sich der innere osmotische Druck der Froschembryonen während derjenigen Periode (Embryonalentwicklung) verhält, die ausserhalb der Gallerthüllen vor sich geht, und wie schnell dieser osmotisehe Druck ansteigt, ob ein Parallelismus zwischen der Steigerung des osmotischen Druckes und den Ergebnissen von Schaper und Davenport über den Wassergehalt, den Gehalt an festen Bestandteilen und an Asche wirklich vorhanden ist, und schliesslich, ob der normale für den er- wachsenen Frosch charakteristische osmotische Druck vor oder viel- leicht erst mit der eintretenden Metamorphose erreicht wird. Auf diese Probleme haben wir nunmehr unsere Untersuchungen aus- gedehnt. Die Untersuchungen wurden an Larven von Rana temporaria ausgeführt. Sie verteilen sich auf drei Serien. Serie I bezieht sich auf die Untersuchung von Embryonen, die von Eiern stammten, die in einem so frühen Stadium ein- sesammelt wurden, dass sämtliche Eier eine abgesetzte Schwanz- knospe und die beginnende Abgrenzung des Kopfes darboten. Ihr Alter konnte auf 5 Tage geschätzt werden. Diese Embryonen schlüpften auch ganz richtig am 6. oder 7. Tage aus den Gallert- hüllen. Die erste Bestimmung wurde an ihnen vorgenommen, wo sie — vom schätzungsweise festgestellten Tage der Befruchtung an gerechnet — 8 Tage alt waren. Serie II umfasst Kaulquappen, die frei im Wasser herum- schwommen und deren äussere Kiemen reduziert waren. Bei den meisten von ihnen waren die Kiemen auf einer Seite schon voll- ständig geschwunden (die Länge der Kaulquappen betrug 10—11 mm). Ihr Alter wurde dementsprechend auf 13 Tage geschätzt [Schaper), Morgan?)]. 1) Schaper,.a. a. O. 2) T. H. Morgan, Die Entwicklung des Froscheies. Leipzig 1904. — T. H. Morgaü, The origin of the organ forming materials in the Frogs embryo. Biol. Bull. of Woods Holl. vol. 11. 1906. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 215 Serie III bestand aus Embryonen, die im Laboratorium ge- züchtet wurden. Sie waren seinerzeit in einem Stadium eingefangen, wo eben erst die ersten Zellteilungen vor sich gegangen waren. Sämtliche Embryonen wurden in Leitungswasser gehalten und mit zerschnittenen Froscheiern und -embryonen, Muskeln von er- wachsenen Fröschen und verschiedenen Wasserpflanzen gefüttert. Die Gefrierpunktsbestimmungen an den Kaulquappen wurden in folgender Weise ausgeführt. Eine grössere Anzahl von Kaulquappen wurde eingefangen, auf Filtrierpapier ausgebreitet und zwischen Lagen von Filtrierpapier mehrmals abgetrocknet, wobei die Tiere ziemlich kräftie gedrückt wurden. Erst wenn sie so trocken waren, dass trockenes Filtrierpapier nicht mehr feucht wurde, wurden die Kaul- quappen (die die genannten Manipulationen stets sehr gut zu ver- tragen schienen) auf ein Uhrglas gelegt und in wenigen Minuten fein zerschnitten, bis sie einen ziemlich homogenen Brei von dickflüssiger Konsistenz bildeten. Unmittelbar darnach wurde die Gefrierpunkts- bestimmung mit dem Beckmann’schen Apparate ausgeführt. Das Kühlbad bestand in einer Kältemischung von — 3°. Es wurde stets eine Unterkühlung bis zu '/° unter dem berechneten Gefrierpunkt vorgenommen. Mit ziemlicher Sicherheit darf man von derjenigen Fehlerquelle der Gefrierpunktsbestimmung absehen, die in einer Verdünnung durch das den Kaulquappen anhaftende Leitungswasser gegeben sein könnte. Auch die Annahme, dass in dem Zeitraum, der vom Beginn der Manipulation der Zerschneidung bis zur Gefrierpunktsbestimmung vergeht, eine Autolyse innennenswertem Grade vor sich gegangen sein könnte, bei der die grösseren Molekülkomplexe in kleinere, aber osmotisch wirksamere zerlegt würden, wäre nicht gerechtfertigt. Eine andere Fehlerquelle, von der man nicht so leicht absehen kann, liegt darin, dass die Kaulquappen vom 14. Eintwicklungstage an Nahrung aus der Umgebung zu sich nehmen und so mit einem mehr oder weniger grossen Darminhalte zur Untersuchung kommen. Man könnte sich vorstellen, dass dieser Umstand auf das Ergebnis einer Gefrier- punktsbestimmung von Einfluss wäre. Dass das aber nicht der Fall ist, geht aus einem Versuche hervor, in dem die /-Bestimmung an Kaul- quappen ausgeführt wurde, aus denen die Därme mit ihrem Inhalt vorher entfernt waren. Die Kaulquappen waren 25—30 Tage alt, und ihr osmotischer Druck wurde 4 = 0,38 gefunden. Unsere Untersuchung wurde im Physioloeischen Institut der 216 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundbers: Universität Upsala ausgeführt. Dem Direktor des Instituts, Herrn Professor Hj. Öhrvall, sei hiermit unser bester Dank ausgesprochen. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen sind wie folgt: Tabellezt: Serie I. Froscheier, vom fünften Entwicklungstage an im Laboratorium gezüchtet. Alter in Tagen nach Anmerkungen A der Befruchtung 6) Soeben ausgeschlüpft 0,27 10 0,28 12 Die Reduktion der äusseren Kiemen beginnt 0,30 15 Die Kaulquappen nehmen Nahrung auf und 0,33 16 scheiden Kot aus 0,36 19 0,37 21 0,38 24 0,41 28 0,43 Tabelle II. Serie Il. Froschlarven, im Laboratorium vom Stadium mit teilweise ge- schwundenen äusseren Kiemen, 10—11 mm lane, 15 Tage alt, an gezüchtet. Alter in Tagen nach Anmerkungen 41 der Befruchtung 13 Äussere Kiemen teilweise geschwunden 14 Die Kaulquappen scheiden Kot aus un or EIS DOODrn un m © eeeeeeeoe Er Tabelle Il. Serie III. Froscheier, im Laboratorium vom frühen Morulastadium an gezüchtet. in Tagen nach der Befruchtung Alter Anmerkungen | 92] Sl 22—24 mm lang 34 0,42 0,45 Die Vermutung, dass der osmotische Druck der Froschlarven nach dem Ausschlüpfen aus den Gallerthüllen nur allmählich bis zum endgültigen Wert ansteigt, die ja schon in der oben erwähnten Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 217 Abhandlung ausgesprochen sind, wird durch diese Ergebnisse be- stätigt. Sie sprechen aber nicht für die ausgesprochene Annahme, dass am 14. Entwicklungstage, wo das Dottermaterial verbraucht ist und die Nahrungsaufnahme von aussen beginnt [Morgan')], eine kurzdauernde Steigerung des osmotischen Druckes auftritt, der wieder eine Senkung folst. Unsere Versuche zeigen einen allmählichen Anstieg des osmotischen Druckes der Embryonen an; der für den erwachsenen Frosch ceharakteristische, osmotische Druck wird etwa am 930. bis 35. Entwieklungstage nach der Befruchtung erreicht. Sowohl Serie I als II weisen eine beträchtliche Übereinstimmung zwischen den gewonnenen Werten auf, was unseres Erachtens mit grosser Bestimmtheit dafür spricht, dass die Fehlerquellen, die ja mit der angewandten Methode unzweifelhaft verknüpft sind, nichts- destoweniger ziemlich bedeutungslos sein müssen. Die ganz un- bedeutenden Differenzen, die zwischen den Werten der Serie I und denselben der Serie II vorhanden sind und die in keinem Fall 0,05° übersteigen, dürfen mit grosser Wahrscheinlichkeit kaum als auf der Methode selbst beruhend angesehen werden. Es sei daran erinnert, dass die Embryonen sich nicht alle gleich schnell entwickeln. Die verschiedene Schnelligkeit, mit der dieselben an Grösse zunehmen, ist wohl ein Ausdruck für ungleiche Nahrungsaufnahmen [wie das aus den Versuchen von Higginbotton?) hervorgeht], sowie für einen davon abhängigen ebenso verschieden schnellen Anstieg des osmotischen Druckes. Die Gefrierpunktsbestimmung wird nun an einem Brei von Larven vorgenommen, die mit Bezug auf ihren osmotischen Druck ungleichwertig sind. Dadurch ist eine Fehlerqueile gegeben. Dass diese Annahme wohl gerechtfertigt ist, haben uns einige Unter- suchungen gezeigt, die wir unternommen haben, ohne aber aus Mangel an Material sie zu Ende führen zu können. Wir wollten mit diesen Untersuchungen feststellen, welche Bedeutung für den osmotischen Druck bei den Froschlarven Nahrungsaufnahme und Hunger haben. Die ausgeführten, allerdings nicht zahlreichen Versuche scheinen darauf hinzuweisen, dass Nahrungsmangel einen Stillstand oder wenigstens 1) T. H. Morgan, Die Entwicklung des Froscheies. Leipzig 1904. 2) J. Higginbotton, Infiuence of physical agents on the developement of the tadpole of the Triton and the Frog. Philosoph. Trans. of the Roy. Soc. vol. 2 p. 431. London 1850. 218 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: eine auffallende Verlangsamung im Anstieg des osmotischen Druckes bewirkt. Wir hoffen, durch weitere Untersuchungen dieser Frage näher zu kommen. Die Serie III stimmt vollkommen mit den beiden anderen überein und zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der endgültige Druck am 30. bis 35. Entwicklungstage erreicht wird. Die verschiedenen Tabellen zeigen ausserdem, dass, wenn im umgebenden Medium ge- nügend Nahrung vorhanden ist, dem für die Embryogenese der Froschlarven so wichtigen und bedeutungsvollen Entwicklungstag, dem 14., wo das Dottermaterial, die vom Muttertiere stammende Reservenahrung, vollständig aufgebraucht ist und die Nahrungs- aufnahme von aussen beginnt, eine hervorragende oder gar ent- scheidende Rolle mit Bezug auf den Anstieg des osmotischen Druckes der Embryonen nicht zukommt. Die graphischen Dar- stellungen zeigen deutlich, dass die Zunahme des osmotischen Druckes einer während der ganzen Zeit gleichmässig ansteigenden Kurve ent- spricht. Vergleiehen wir die Resultate, die sich aus diesen unseren Untersuchungen ergeben, mit denjenigen, die früher (Backman und Runnström) mitgeteilt sind, so ist die Übereinstimmung augenfällig. Tabelle IV. A-Bestimmungen an Eiern und Embryonen von Rana temporaria. [Backman und Runnström!?)]. Alter in Tagen | (Stunden) nach Anmerkungen A der Befruchtung | | 0 Befruchtete, ungeteilte Eier 0,045 24 Stunden Halbmondtörmig entwickelter Urmund 0,042 30 & Ringförmig entwickelter Urmund (beginnende 0,215 Längsstreckung) 36 5 Noch nicht geschlossene Medullarwülste 0,215 5 Tage Kleine Schwanzknospe und beginnende Ab- 0,230 20—25 Tage grenzung des Kopfes 0,405 Die Werte des ältesten unter den von Backman und Runn- ström untersuchten Entwicklungsstadien, wo die Embryonen 20 bis 25 Tage alt sind, zeigt vollständige Übereinstimmung mit den Werten, die wir jetzt für die entsprechenden Stadien gefunden haben, und unsere 3 Tage alten Embryonen weisen einen osmotischen Druck 1) E. Louis Backman und J. Runnström, |. c. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 219 auf, dessen Wert den für die 5 Tage alten Embryonen der früheren Untersuchungen nur ganz unbedeutend überragt. Wir (Backman und Runnström) schlossen damals, dass der osmotische Druck während der Entwicklung innerhalb der Gallerthüllen nach dem ersten Anstieg, der mit der beginnenden Längsstreeckung zusammenfällt, ungefäbr konstant bleibt, um erst nach dem Ausschlüpfen aus den Gallert- hüllen die endgültige Höhe allmählich zu erreichen. Dieser Schluss wird nun durch die neu ausgeführten /-Bestimmungen bestätigt. Stellen wir die Resultate Backman’s und Runnström’s mit den unserigen aus den Tabellen I, II und III zusammen (wobei für den 19. Entwicklungstag der mittlere Wert zwischen den beiden in Tabelle I und II angegebenen gesetzt wird), so bekommen wir eine Kurve, wie sie auf Tafel III wiedergegeben ist. Auf der Abszisse sind die Tage nach der bei B eingetretenen Befruchtung eingetragen. Die Ordinate zeigt den Wert des Gefrierpunktes in Graden Celsius, sowie den prozentischen Wassergehalt an. Im Jahre 1894 stellte Driesch!) seine Theorie von dem Zu- wachse und dessen Abhängigkeit von gewissen inneren und äusseren Faktoren auf. Auf seine Schlusssätze gestützt, machte Driesch den Vorschlag, den Zuwachs in zwei verschiedene, aus prinzipiell andersartigen Bedingungen erwachsende Phasen einzuteilen. Die eine nannte er aktiven Zuwachs, weil sie aus der Assimilation erwächst, die zweite passiven Zuwachs, durch Wasserimbibition bedingt. Davenport?) ist der erste, dem es gelungen war, zu zeigen, dass wenigstens für den Frosch (der Verfasser nennt leider nicht, mit welcher Froschart er experimentierte) die Wasseraufnahme eine für den Zuwachs ebenso entscheidende Rolle spielt, wie für eine Anzahl von Pflanzen, von denen das schon lange bekannt war. Seine Untersuchungen sind an Embryonen ausgeführt, die schon aus den Gallerthüllen ausgeschlüpft waren. Seine erste Bestimmung ist an 3 Tage alten Larven gemacht®). Er bestimmte das mittlere 1) H. Driesch, Analytischbe Theorie der organischen Entwicklung. Leipzig 1894. 2) Davenport, l.c. 3) In dieser unseren Abhandlung betrachten wir die Davenport’sche Unter- suchung als an Rana temporaria ausgeführt. Wie weiter unten erwähnt wird, stimmt der prozentige Wert des Wassergehaltes, den Wetzel (Wassergehalt 2320 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: Gewicht der Larven, sowie ihren Gehalt an Trockensubstanz und Wasser. Die Resultate gehen aus der folgenden, in Davenport’s Abhandlung mitgeteilten Tabelle hervor. Tabelle V. Froschembryonen (Davenport). ie a der En Trocken- Wasser- Wasser- nach dem | in Tagen | Gewie Aus- nach der Be- Embryonen u gen sam schlüpfen | fruchtung?) mg me, > mg 0% 1 8 1,83 0,50 1,03 96 2 9 2,00 0,83 1,17 59 b) 12 3,43 0,80 2,68 77 Ü 14 9,05 0,54 4,51 89 9 16 10,40 0,74 9.68 93 14 21 23,92 1,16 22,36 96 41 48 101,00 9,9 91,1 90 34 91 1989,9 2479 400 | 8 Mit Bezug auf seine Ergebnisse sagt Davenport: “exactly as in plants, there is a period of slow growth accompanied by abundant cell division—the earliest stages of the egg. Then follows after the first few hours a period of rapid growth due almost exelusively to imbibed water, during which the percentage of water rises from 56 to 96; lastly comes the period of histological differentiation and deposition of formed substance, during which the amount of dry substance inereases enormously, so that the percentage of water falls to 83 and below ... The period of most rapid growth of organisms growth is effeected by water more than by assimilation.”’ Aus den Untersuchungen Davenport’s geht also hervor, dass der maximale Wassergehalt der Embryonen am 21. Tage oder an einem anderen zwischen dem 21. und dem 48. Entwicklungstage gelegenen Tage nach der Befruchtung erreicht wird. Das Maximum der Wasseraufnahme, das Davenport gefunden hat, fällt also im grossen und ganzen mit dem Zeitpunkt des fertigen Froscheies und der Mechanismus der Bildung seiner Hülle im Eileiter. Arch. f. Entwicklungsm. Bd. 26. 1908) für das unbefruchtete Ei von Rana temporaria gefunden hat, gleich 52%, mit dem von Davenport für Embryonen 1 Tag nach dem Ausschlüpfen gefundenen, gleich 56°%0, überein. Wir haben darum in der Tabelle V eine Kolumne: „Alter in Tagen nach der Befruchtung“ angebracht, die in der Davenport’schen Tabelle nicht enthalten ist und für welche unsere hier gemachte Annahme zu Grunde liegt. 1) Siehe Anmerkung 3 auf S. 219. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 22] zusammen, wo entsprechend unseren Untersuchungen der maximale osmotische Druck von den Embryonen erreicht wird. Schaper!) untersuchte 1902 unter anderen Volumen, Gewicht, Gehalt an organischer Substanz und Wassergehalt von Embryonen von Rana fusca in verschiedenen embryonalen Entwicklungsstadien. Aus den Ergebnissen von Schaper sei folgende Tabelle mitgeteilt: Tabelle VI. Embryonen von Rana fusca (Schaper). S5 s5 Se® Alter in Tagen E 32 |825|2=s 25 2 nach der Befruchtung = = |22s|e32|s=|. £ E = |5: ar |5| N SS N cbmm mg mg mg Yon. 0/0 6 (Kopf abgegrenzt, Schwanz- 50 39 12 26 | 30,77 | 66,67 knospe) 50 3 13 29 | 30,23 | 67,44 8 (Ausgeschlüpft. Kiemen klein) 50 41 12 23 | 29,27 | 68,29 I 63 53 13 39 | 24,53 | 73,58 10 63 63 14 48 | 22,22 | 76,19 11 (Höchste Entwickl. d. Kiemen) 88 3 13 79 | 13,98 | 84,95 12 (Die Larven fressen u. scheiden 150 154 12 141| 7,79 | 91,56 Kot aus. Die äusseren Kiemen beginnen zu schwinden) 17 (Aussere Kiemen vollständig 310 308 18 2885| 5,84 | 93,51 geschwunden) 390 362 18 342| 4,97 | 94,48 3 526 >08 26 4738| 5,12 | 94,10 27 726 698 3 662| 4,36 | 94,84 32 968 644 42 896 | 4,45 | 94,92 40 ‘Hintere Extremitätenknospen | 1750| 1726 74 1640| 4,29 | 95,02 deutlich) 4 3200| 3320| 212 | 3076| 6,39 | 92,66 78 6327| 6250| 410 | 5760| 6,56 | 92,16 Etwa 5 Jahre 300000 | 268940 | 52390 | 205460 | 19,50 | 76,40 Über die Ergebnisse seiner Untersuchungen sagt Schaper, dass man annehmen müsse, dass regulatorische Funktionen innerhalb des Organismus während der fortschreitenden Entwicklung ausgelöst werden, die eine weiter progrediierende Wasserimbibition verhindern. Der Verfasser meint, dass vier Möglichkeiten zur Erklärung dieser regulatorischen Funktionen in Betracht kommen können, nämlich: 1. eine allmählich vor sich gehende Verminderung osmotisch wirksamer Substanzen innerhalb des Organismus; 1) Schaper, l.c 393 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberge: 2. eine vermehrte Elimination osmotisch wirksamer Stoffe aus dem Organismus; | 3. das Einsetzen eines mechanischen Widerstandes, der trotz eines osmotischen Überdruckes das Eindringen von Wasser ver- hindere; 4. eine Veränderung in der Fähigkeit der einzelnen Zellen oder gewisser Zellflächen, von Wasser durchdrungen zu werden. Der Verfasser betont ganz speziell die Bedeutung der unter 2 angeführten Annahme: „Spiegelt sich doch tatsächlich in der patho- logischen Erscheinung des Hydrops infolge von Nierenerkrankungen die durch Retention osmotisch wirksamer Stoffe bedingte progressive Wasserimbibition wieder, die in früher Entwicklungsperiode ein nor- males Geschehen ist?!).“ Das früheste, von Schaper untersuchte Entwicklungsstadium ist das des 6 Tage alten Embryos mit abgegrenztem Kopf und deut- licher Schwanzspitze, dem 5 Tage alten Entwicklungsstadium ent- sprechend, an dem Backman und Runnström die A-Bestimmung ausgeführt haben (beeinnende Längsstreckung, nach Eintritt der ersten Steigerung des osmotischen Druckes). Scehaper’s drei ersten Entwicklungsstadien (6. bis 8. Tag) weisen mit ziemlich grosser Wahr- scheinlichkeit einen konstanten osmotischen Druck auf, in Über- einstimmung mit den von Backman und Runnström und von uns untersuchten Stadien (5. bis 6. Tag). Es ist darum von grossem Interesse, dass, gemäss der Schaper’schen Tabelle, diese drei Stadien wirklich auch einen konstanten Wasser- gehalt aufweisen. Ganz in Übereinstimmung mit den von uns gefundenen Werten für den osmotischen Druck der Embryonen, 1) Es dürfte doch zweifelhaft sein, ob ein solcher Vergleich zwischen der Wasseraufnahme während der Embryonalentwicklung des Frosches und dem Hydrops, der in einigen Nierenkrankheiten vorkommt, richtig oder überhaupt be- rechtigt ist. Von allen übrigen Störungen im Status des physiologischen Organismus abgesehen, wollen wir u. a. hervorheben, dass bei der chronischen parenchymatösen Nephritis, die von einer vermehrten osmotischen Konzentration des Blutes nur selten begleitet ist, der Hydrops zur Regel gehört, während er bei der chronischen interstitiellen Nephritis am öftesten bei eintretender Herz- insuffizienz vorkommt, ungeachtet dass das Blut in der Regel osmotisch mehr konzentriert ist als unter physiologischen Verhältnissen. Klinische Untersuchungen machen es auch wahrscheinlich, dass die Ursache der Entstehung vom Hydrops bedeutend kompliziert sein muss und dass derselbe nicht ausschliesslich oder gar hauptsächlich durch einer osmotischen Konzentration bewirkt wird. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 223 sowie in Übereinstimmung mit dem langsamen und flachen Anstieg des osmotischen Druckes bis zur endgültigen Höhe, die am 30. bis 35. Entwicklungstage erreicht wird, sehen wir bei Schaper eine langsame und flach ansteigende Zunahme sowohl des absoluten als des relativen Wassergehaltes, bis der höchste absolute Wert des Wassergehaltes zwischen dem 32. und 40. Entwicklungstage er- reicht wird. Die grosse Übereinstimmung zwischen den Ver- hältnissen des osmotischen Druckes während der embryonalen Entwicklung des Frosches und den von Davenport und Schaper gefundenen Werten für den prozentischen Wassergehalt und den Gehalt an orga- nischer Substanz spricht mit grosser Wahrscheinlich- keit für die Annahme, dass der embryonale Zuwachs in nieht geringem Grade vom osmotischen Druck ab- hängig ist und von ihm reguliert wird. Dass die Nahrungs- aufnahme von aussen nicht früher eintritt als nach dem 14. Ent- wicklungstage, scheint sehr deutlich aus der Scehaper’schen Tabelle hervorzugehen. Der absolute Gehalt an organischer Substanz ist während der ersten 14 Tage konstant und zeigt später, in Über- einstimmung mit der nach diesem Zeitpunkt einsetzenden Nahrungs- aufnahme, einen langsamen Anstieg. Der prozentische Gehalt an organischer Substanz nimmt dagegen während der früheren Stadien der Embryogenese ab, genau im Verhältnis zum vermehrten Wasser- gehalt. Trotzdem nun aber dieLarven nach dem 14. Tage zu fressen anfangen, bleibt die Nahrungsaufnahme hinter der Wasserimbibition zurück. Aus diesem Grunde finden wir auch jetzt noch eine prozentische Abnahme des Gehaltes an organischer Substanz. Erst nachdem zwischen dem 32. und dem 40. Entwicklungs- tage der höchste prozentische Wassergehalt und der höchste osmotische Druck erreicht sind, beginnt der prozentische Gehalt der organischen Substanz zu steigen. Das beweist, dass, solange der endgültige osmotische Druck noch nicht erreicht ist, die Wasseraufnahme von ausschlag- gebender Bedeutung für den embryonalen Zuwachs ist. Erst nach dem 30. bis 35. Entwicklungstage tritt die Bedeutung der Wasser- aufnahme für den Zuwachs hinter der der Nahrungsaufnahme zurück. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 15 394 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: Auch die Nahrungsaufnahme trägt zu einer Erhöhung des osmo- tischen Druckes bei, ein Moment, das noch fortwirkt, nachdem schon der maximale Druck erreicht ist. Man muss darum annehmen, dass die Produktion osmotisch wirksamer Stoffe noch weiter fortdauert — in voller Übereinstimmung mit den Verhältnissen bei den höher organi- sierten Tieren, wo, wie wir wissen, die Nahrungsaufnahme eine, wenn auch vorübergehende, Steigerung des osmotischen Druckes des Blut- serums hervorruft [Koeppe!)]. Grössere Bedeutung aber muss der vermehrten Elimination osmotisch wirksamer Stoffe zugesprochen werden, die durch die Nieren in den späteren Stadien der Entwicklung vor sich geht. Wir werden später auf diese Frage zurückkommen, möchten aber schon hier hervorheben, dass die Beziehungen der Nieren kaum genügen, um zu erklären, warum der Organismus einen maxi- malen Überdruck erreicht. Die Froschlarven sind für Salzlösungen sehr empfindlich, und einer von uns (L. Backman) hat in noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen gefunden, dass die Froschembryonen in Salz- und Zuekerlösungen leben können, die isotonisch oder selbst etwas hypotonisch im Verhältnis zum osmotischen Drucke sind, der für die Larven in ihren verschiedenen Entwieklungsstadien charakte- ristisch ist; während sie binnen ungefähr derselben Zeit in solchen Lösungen sterben, die hypertonisch, sonst aber relativ indifferent sind (wie NaCl, Rohrzucker, Traubenzucker usw.). Diese Ergebnisse stimmen mit den spärlichen Angaben überein, die de Varigny°) macht. Dass die Wasseraufnahme vom osmotischen Druck abhängig, ja vornehmlich durch ihn bedingt wird, dürfte wohl sichergestellt sein. Aber es fragt sich, welche Momente es sind, die den endgültigen konstanten osmotischen Druck bedingen, und warum der innere osmotische Druck der Embryonen nicht so schnell als möglich bis zur vollständigen Isotonie mit der Umgebung ausgeglichen wird, wo doch eine nicht unbeträchtliche Wasserimbibition vor sich geht? Die erste von Schaper erwähnte Möglichkeit, dass die Produktion os- motisch wirksamer Stoffe abnähme und verminderte Wasserimbibition herbeiführe, kann abgelehnt werden. Denn der osmotische Druck erreicht ja schliesslich einen endgültigen Wert, der höher ist als ihn 1) H. Koeppe, Physik. Chemie in der Medizin. Wien 1900. 2) H. de Varigny, Influence exercee par les principes contenus dans l’eau de mer sur le developpement d’animaux d’eau douce. Compt. rend. de l’Acad. des Scienc. de Paris t. 97 p. 54. 1883. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 295 Schaper und Rondeau-Luzeau!) über diese Dinge angeben. Für den Frosch während der früheren Stadien der Entwicklung müssen wir nach alledem annehmen, dass die Durchgängigkeit von Haut, Kiemen und Darm für Wasser von innen nach aussen uneingeschränkt ist, während die Durchgängigkeit von aussen nach innen nur in be- schränktem Grade vorhanden ist. Man könnte nun annehmen, dass diese Tatsache, da sie nicht durch eine etwa eingetretene osmotische Ruhe bedingt ist, auf einer „relativen“ Impermeabilität der er- wähnten Zellschiehten für Wasser in der letztgenannten Richtung beruht. Doch solehe Voraussetzungen wären unberechtigt. Dagegen könnte man sich wohl vorstellen, dass die Durchgängigkeit der Flächenschicht für Wasser in der Richtung von aussen nach innen während der fortschreitenden Entwicklung immer mehr vermindert würde, und dass dank der Arbeit der Nieren die durch die Wasser- imbibition bedingte osmotische Verdünnung, sobald sie einen gewissen Wert erreicht hat, durch Regulation beibehalten würde. Es ist noch, wie Schaper angedeutet hat und Backman und Runnström näher ausgeführt haben, ein anderer Faktor vorhanden, dem man hier eine gewisse Bedeutung zuschreiben könnte, nämlich die Elasti- zität der embryonalen Flächenschicht, die bis zu einem bestimmten Grade ein Hindernis für die durch die Wasseraufnahme bedingte Volumenzunahme setzt, und dieses Hindernis würde um so stärker, je mehr die Spannung zunähme. Schliesslich müsste ein Gleich- gewichtszustand eintreten, wo‘ der osmotische Druck innerhalb des Organismus dem durch die Spannung der umgebenden Flächenschicht auf den Organismus ausgeübten gleich würde. Da aber die embryo- nale Entwicklung des Frosches während der früheren Stadien durch einen allmählich ansteigenden inneren osmotischen Druck charakteri- siert ist, so folgt, dass der Elastizitätskoeffizient für die Flächen- schicht des Embryos wahrscheinlich parallel dem inneren osmotischen Drucke ansteist. Denn wenn die Widerstandsfähigkeit der Flächen- schicht gegen die Spannung vor dem 30. bis 35. Tage und später gleich gross wäre, so würde wahrscheinlich kein Zuwachs durch vermehrte Wasserimbibition zustande kommen können. Denn nachdem das Dottermaterial zersetzt ist und Nahrung von aussen aufgenommen wird, findet eine fortgesetzte Steigerung des osmotischen Druckes 1) Rondeau-Luzeau, Action des chlorures en dissolution sur le deve- loppement des ceufs de Batraciens. - These de Paris. Lille 1902, 19% 2236 E Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: statt, und ein passiver Zuwachs im Sinne von Driesch würte durch die Elastizität der Flächenschicht verhindert werden. Man muss darum annehmen, dass die Elastizität der Flächenschicht während der fortschreitenden Entwicklung parallel mit der Wasseraufnahme und dem osmotischen Drucke ansteigt. Warum hört nun die osmotische Drucksteigerung, nachdem ein bestimmtes Maximum erreicht ist, auf; warum schreitet sie nicht weiter? Um diese Erscheinung zu erklären, könnte man in erster Linie an ein Maximum der Elastizität der Flächenschicht denken. Der innere, durch die Nahrungsaufnahme vermehrte osmotische Druck würde dann jedesmal durch die Nierenarbeit reguliert werden. Man könnte sich auch das Verhältnis so vorstellen, dass die Nierenarbeit in demselben Maasse zunimmt, als der Gehalt des Organismus an Stoffwechselprodukten über einen gewissen Wert hinaus zunimmt. Wir möchten jedoch hervorheben, dass wir keineswegs der Meinung sind, dass die Verhältnisse hier so einfach liegen; ausser den Nieren spielen hier ganz gewiss auch noch andere Organe bei der Regulation der osmotischen Konzentration des Organismus mit. Der eine von uns |L. Backman!)] hat zeigen können, dass ein grosser Teil der normalen organischen Stoffwechselprodukte einen erheblichen Einfluss auf das isolierte Säugetierherz in der Riehtung ausübt, dass die Herzarbeit vermehrt wird, was nach Baglioni?) auch für das Selachierherz und nach Lambert?) für das Froschherz zutrifft. Eine gesteigerte Herzarbeit führt — jedenfalls unter gewissen Ver- hältnissen — zu vermehrter Nierentätigkeit; die Diurese ist ausser- dem von den Verhältnissen der Gefässe, in erster Linie der Nieren- gefässe, abhängig. Die verschiedenen Umstände, die auf die Nieren- tätigkeit einwirken, werden noch durch die regulierende Einwirkung der nervösen Organe kompliziert. Dass die Froschembryonen am 1) E. Louis Backman, Die Einwirkung des Harnstoffes auf das isolierte und. überlebende Säugetierherz. Zeniralbl. f. Physiol. 1906 S.1. Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1906 p. 3. — E. Louis Backman, Influence des produits physiologiques de renouvellement organiques et azotes sur le caur isole et sur- vivant des mammiferes. Festschrift für OlofHammarsten. I. Upsala Läk: fs Förh. vol. 11 Suppl. p. 1. 1906. — Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 20 S.5. 1907. 2) S. Baglioni, Die Bedeutung des Harnstoffes bei den Selachiern. Zentralbl. f. Physiol. 1905 S. 385. 3) Lambert, Röle favorable de l’uree ajoutee aux liquides de circulation artificielle du cur de la grenouille. Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1905 p. 460. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 227 30. bis 35. Entwicklungstage einen maximalen osmotischen Druck er- reichen und denselben auf einem konstanten Niveau, das von der Assimilation unabhängig ist, erhalten, könnte man sich daher in erster Linie durch das koordinierte Zusammenarbeiten aller derjenigen Funk- tionen erklären, von denen anzunehmen ist, dass sie im Organismus des Frosches an der Aufrechterhaltung der osmotischen Konzentration des Blutes, mit anderen Worten an der Regulation des osmotischen Druckes beim Frosch beteiligt sind. Man könnte nun einwerfen, dass die Organe des Froschembryos während der Zeit vor dem 30. Tage nicht in derselben Weise reagieren, wie nach dem 30. bis 35. Tage, wenigstens nicht auf chemische Reizmittel. Das würde den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Denn man muss be- denken, dass der osmotische Druck im Blute und in den Zellen des erwachsenen Frosches grösstenteils durch die im Serum und in den Zellen vorhandenen anorganischen Salze bedingt wird. Aus Back- man’s und Runnström’s Untersuchungen aber wissen wir, dass das Froschei seinen osmotischen Druck mit der Befruchtung bis auf etwa ein Zehntel des ursprünglichen herabsetzt, und dass der osmotische Druck erst bei der eintretenden Organdifferenzierung bis zur halben Höhe des endgültigen osmotischen Druckes ansteigt, um dann nur ganz allmählich den endgültigen osmotischen Druck zu erreichen. Das gibt eine Grundlage für die eben erwähnten Möglichkeiten. Wir haben damals auch hervorgehoben, dass der einzige Erklärungsgrund für diese eigentümliche Erscheinung sein könnte, dass durch die Be- fruchtung eine Gelumwandlung der Kolloide der Eizelle und der Furchungszeilen hervorgerufen wird, die noch während der ersten Entwicklungsstadien vorhanden ist. Damit ginge vielleicht Hand in Hand eine Adsorption in erster Linie der anorganischen Salze. Wenn die Längsstreckung beginnt (etwa am 5. Entwicklungstage), tritt eine Reversion der Gele in Sole ein, und die Salze werden aus der Ad- sorption frei. Es fragt sich nun, warum denn der endgültige osmotische Druck nicht schon am 14. Entwicklungstage erreicht wird, wo das Dottermaterial verbraucht ist, bevor noch die Nahrungsaufnahme von aussen begonnen hat. Wenn schon von Anfang an die osmotische Druckreduktion als ausschliesslich durch Gelumwandlung und Kristalloidadsorption bedingt angenommen wird, so könnte man ein- wenden, dass der endgültige Druck schon vor dem 14. Tage zustande kommen müsste. Zu diesem Zeitpunkt ist ja die ursprüngliche Kristalloidmenge schon wahrscheinlich frei, um osmotisch wirksam zu 2398 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: sein. Backman und Runnström haben gezeigt, dass unbefruchtete Froscheier, die 3 Stunden in Leitungswasser gelegen hatten, ihren osmotischen Druck von A=0,48 auf A—= 0,350 bei gleichzeitiger Schwellung — also unter Aufnahme von Wasser — reduzieren. Dass dabei ein Hinausdiffundieren von Kristalloiden vor sich geht, dürfte nicht ganz unwahrscheinlich sein. Jedenfalls kommt die Befruchtung des Eies nicht früher zustande, als 1 Stunde nach dem Ablegen der Eier ins Wasser. Es ist von Interesse, dass der osmotische Druck vonA=0,34, den, wie wir gezeigt haben, die Froseh- larven am 14. Entwicklungstage erreicht haben, gerade demselben Wert entspricht, den das unbefruchteteEi nach Backman und Runnström aufweist, nachdem es 3 Stunden in Leitungswasser gelegen hat. Man kann darin vielleicht eine Bestätigung unserer Annahme sehen, dass die bei der Befruchtung auftretende osmotische Druckreduktion zwar hauptsächlich auf einer Gelumwandlung und Adsorption beruht, abeı, wenn auch in geringem Grade, auch durch Hineindiffundieren von Wasser und ein Herausdiffundieren von Kristalloiden mit bedingt wird. Jedenfalls könnte eine unbedeutende Verminderung des pro- zentischen Gehaltes an anorganischen Substanzen hier mitspielen. Darum muss auch später die Nahrungsaufnahme am Anstieg zum endgültigen osmotischen Druck mitbeteiligt sein. Jedenfalls steht fest, dass während der Embryogenese bis zum 30. bis 35. Entwieklungstage die in Zellen, Gewebsflüssig- keiten und Blut vorhandenen freien und physiologisch wirksamen anorganischen Stoffe in verschiedenen Mengen vorkommen, von einem Minimum bis zu der für den erwachsenen Frosch charakteristischen Menge ansteigend. Hieraus ersehen wir, dass die verschiedenen Organe des Embryos während der früheren Stadien der Entwicklung in einer (in physiologisch-chemischer Beziehung) anderen Weise reagieren müssen als nach dem 30. bis 35. Tage. So wird die oben aus- gesprochene Vermutung, dass die Nieren und die übrigen Organe der 30—35 Tage alten Froschlarve in einer mit den Verhältnissen bei dem erwachsenen Frosche mehr übereinstimmenden Weise funk- tionieren, verständlicher. — In diesem Zusammenhang möchten wir an die Untersuchungen von Harrisson!) über das Hervorwachsen von 1) R. G. Harrisson, The outgrowth of the nerve fiber as a mode of protoplasmic movement. Journ. of exp. Morphology t. 9 p. 787. 1910. Der osmot. Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung etc. 229 Nervenfibrillen aus dem isolierten Rückenmark des Froschembryos erinnern. Harrisson hat gefunden, dass das isolierte Rückenmark sich in 0,7 /oiger NaCl-Lösung oder in Locke’s Serumsalzlösung nicht entwickelte und abstarb. Dagegen gedieh das Rückenmark von 4—5 Tage alten Embryonen in 0,4°/oiger NaCl-Lösung sehr gut. Diese Lösung dürfte in der Tat mit solehen Embryonen iso- tonisch sein, weil die 0,4°/oige NaCl-Lösung einem Drucke von A—= 0,245 entspricht und Backman und Runnström für das erwähnte Embryonalstadium A == 0,215 gefunden haben. Schlusssätze. I. Der osmotische Druck von Rana temporaria während der Embryonalentwicklung steigt nach dem Ausschlüpfen aus den Gallert- hüllen langsam und regelmässig an, um, nachdem das Ei schon bei der ersten Längsstreckuug einen osmotischen Druck besitzt, der der halben Höhe des endgültigen Druckes entspricht, den endgültigen Wert des osmotischen Druckes zu erreichen. 2. Der endgültige osmotische Druck wird erst am 30. bis 35. Ent- wicklungstage erreicht. 3. Bei zureichender und passender Nahrung bleibt die Schnellig- keit der Zunahme des osmotischen Druckes auch nach dem 14. Ent- wicklungstag unverändert. 4. Die Werte für den osmotischen Druck und die von Daven- port und Schaper für den Wassergehalt der Embryonen steigen parallel an. Ihr Maximum wird gleichzeitig erreicht. 5. Der Zuwachs der Froschembryonen ist während der ganzen Entwicklung bis zum 30. bis 35. Tage in erster Linie der Wasser- imbibition zuzuschreiben und vom osmotischen Drucke abhängig, der die Wasserimbibition reguliert. 6. Das Erreichen eines konstanten Druckes und das Beibehalten desselben trotz der Nahrungsaufnahme dürfte wahrscheinlich abhängig sein von einer Verschiedenheit in der Elastizität der den Organismus begrenzenden Flächenschicht, die eine der Drucksteigerung parallel gehende Zunahme erfährt, und von einer verschiedenen Reaktions- fähigkeit der Organe des Embryos in verschiedenen Entwicklungs- stadien. Diese Fähigkeit wird erst mit dem 30. bis 35. Tage der des erwachsenen Frosches gleich. 330 .E. L. Backman und C. G. Sundberg: Der osmot. Druck etc. Erklärung der Tafel. Die Tafel III enthält: 1. Die von Backman und Runnström gefundenen A-Werte der Eier und Embryonen bis zum 6. Entwicklungstage; dann bilden die von uns gelundenen Werte die Grundlage für die Fortsetzung der Kurve. 2. Die von Schaper gefundeneu Werte für den prozentischen Wasser- gehalt der Embryonen während der fortschreitenden Entwicklung. Hierbei ist zu bemerken, dass, da Schaper’s Untersuchungen an Rana fusca ausgeführt wurden und der 6. bzw. 8. Entwicklungstag derselben sich embryogenetisch als dem 5. bzw. 7. Tage bei Rana temporaria beinahe vollständig gleichwertig erwiesen hat, die Abszisse in Schaper’s Kurve mit der unsrigen nicht gleichwertig ist. Der 6. Tag bei Rana fusca entspricht dem 5. bei Rana temporaria usw. 3. Die von Davenport gefundenen prozentischen Werte für den Wasser- gehalt von Froschembryonen. Die Werte sind also für Rana temporaria geltend eingezeichnet. Das erschien uns zulässig, denn der von Wetzel gefundene pro- zentische Wert für den Wassergehalt unbefruchteter Eier von Rana temporaria beträgt 52%o, und Davenport als den niedrigsten Wert 56°o angibt. („Tage nach der Befruchtung [7]“ bezieht sich auf die Kurven von Backmän, Runn- ström und Sundberg, sowie von Davenport, „[II]*“ auf Schaper’s Kurve.) B = Eintritt der Befruchtung. D (WU) ER Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. I. Mitteilunse. Von Dr. Paul Kaufmann in St. Petersburg. (Mit 1 Textfigur.) I. Die Annahme der Existenz von zentripetalen Blutgefässnerven, welche reflektorisch den Blutdruck regulieren, wurde zuerst von Latschenberger und Deahna') im Jahre 1876 ausgesprochen. Genannte Forscher behaupteten, dass zwei Kategorien von zentripetalen Nerven in den Blutgefässen enthalten seien: solehe, welche durch das Sinken des allgemeinen Blutdruckes erregt würden und letzteren reflektorisch erhöhten und solche, bei denen dasselbe, nämlich eine Erregung , eintrete beim Steigen des Blutdruckes und die auf dem- selben Wege ein allgemeines Sinken desselben hervorriefen. Grund zu dieser Hypothese gab das beim Kaninchen beobachtete Steigen des allgemeinen Blutdruckes beim Zuklemmen der Femoralarterie und das Sinken desselben beim Öffnen der letzteren. Um den mechanischen Einfluss der Ausschaltung eines Teiles des gesamten Blutstromgebietes auszuschalten, wurde gleichzeitig mit dieser Mani- pulation die Arterie des anderen Beines, an dem die Nerven durch- sehnitten waren, jeweilig geöffnet oder geschlossen. Die Entdeckung Latschenberger’s und Deahna’s wurde von Heger?) bestätigt, welcher feststellte, dass bei Hunden bei Injektion von Silbernitrat in das periphere Ende der A. ceruralis 1) J. Latschenberger und A. Deahna, Beiträge zur Lehre von der reflektorischen Erregung der Gefässmuskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 12 S. 157. 1876. 2) P. Heger, Einige Versuche über die Empfindlichkeit der Gefässe. Beitr. z. Physiol. C. Ludwig gewidmet 1837 S. 193. 232 Paul Kaufmann: eines amputierten Beines, welches nur vermittels der Nerven mit dem Rumpfe verbunden war, ein reflektorisches Steigen des all- gemeinen Blutdruckes beobachtet werden kann. Die Existenz von zentripetalen Blutgefässnerven fand eine weitere Bestätigung dank den Versuchen Delezenne’s!), welche unter ganz eigenen, jeden Zweifel an der Natur dieser Nerven ausschliessenden Umständen ausgeführt wurden. Delezenne verband das zentrale Ende der Femoralaterie und -vene eines Hundes mit dem peripheren Ende der gleichnamigen Gefässe des amputierten Beines eines anderen, dessen Körpers nur vermittels der Nerven mit dem Beine verbunden war. Jede Blutdrucksteigerung beim ersten Hunde, welche dank der all- gemeinen Blutzirkulation den Blutgefässen des Beines des anderen Hundes übermittelt wurde, rief sofort bei diesem letzteren gleichfalls ein Steigen des allgemeinen Blutdruckes hervor. Diese Versuche be- wiesen einwandsfrei, dass die lokalen Schwankungen des Blutdruckes reflektorisch den allgemeinen Blutdruck zu beeinflussen imstande sind. Drei Jahre später wandte Pagano?) zu demselben Zweck gleichfalls verschiedene chemische Reizmittel an, hauptsächlich Blau- säure; er führte sie in das periphere Ende verschiedener Gefässe ein ohne Isolierung der Organe vom allgemeinen Kreislauf. Seine Experimente bestätigten die von Heger gewonnenen Facta. Ausser diesen Untersuchungen, die direkt zum Studium der Empfindlichkeit der-Gefässe vorgenommen wurden, existiert noch eine Arbeit von Köster und Tschermak°). Bei der Bestimmung (mit dem Galvanometer) der negativen Stromschwankung am peripheren Ende des durchschnittenen N. depressor Cyon’s, bewiesen diese Forscher, dass eine Drucksteigerung in der Aorta eine Erregung dieses Gefässes hervorruft. Mit den angeführten Untersuchungen ist die ganze ziemlich spärliche Literatur über die Frage von den zentripetalen Nerven der Gefässe erschöpft. Sie haben alle zum Gegenstand nur die Existenz soleher Nerven im allgemeinen festzustellen und, von wenigen Aus- 1) C. Delezenne, Demonstration de l’existence de nerfs vaso-sensibles regulateurs de la pression sanguine. Compt. rend. de l’Acad. de scienc. t. 125 p- 700. 1897. 2) G. Pagano, Sur la sensibilite du caur et des vaisseaux sanguins. Arch. ital. de biol. t. 33 p. 1. 1900. 3) G. Köster und A. Tschermak, Über den Nervus depressor als Reflexnerv der Aorta. Pflüger’s Arch. Bd. 93 S. 24. 1903. Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. I. 233 nahmen abgesehen, von denen später die Rede sein wird, erläutern sie nicht die Frage, ob solche Nerven in allen Gefässarten vorkommen oder nur in einigen. Einen gewissen Hinweis darauf gibt die Arbeit von Köster und Tschermak über die Aorta; ihre Ver- suche beziehen sich jedoch nur auf ein begrenztes Gebiet, welches anatomisch und physiologisch eigenartig mit dem Herzen ver- bunden ist, und können darum nicht auf die übrigen Gefässe aus- gedehnt werden. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, diesen Mangel aus- zugleichen und zu ermitteln, ob genannte Nerven den Arterien zu- kommen, oder ob die konstatierten Erscheinungen durch eine Erregung der Kapillaren bedingt werden. Die Lösung dieser Frage hat einen grossen Wert auch für die Beweisführung der tatsächlichen Existenz dieser Nerven. In bezug auf alle Experimente, bei denen Kapillaren gereizt werden, kann immer der Einwand erhoben werden, dass das Reizmittel, besonders ein chemisches, so oder anders auf die Gewebe einwirke, wogegen in Arterien, dank der festen undurchdringlichen Wand, die Wirkung desselben sich nur auf die innere Oberfläche der Arterie selbst beschränken wird. Es sei bemerkt, dass Heger den Versuch gemacht hat, diese Frage aufzuklären und zum Schluss gelangt ist, dass Nerven nur in den Kapillaren vorkämen, nicht aber in den Arterien und Venen; übrigens drückt er sich vorsichtig aus, indem er sagt, dass der Reflex von kleinen Gefässen, welche sich zwischen den Arterien und Venen befinden, ausgelöst werde. Er bemerkte, dass bei der Injektion von Nikotin in das periphere Ende einer Arterie oder Vene ein Effekt nur in dem Fall eintritt, wenn die Substanz so weit eingeführt wird, dass sie das kapillare Gebiet erreicht (1. e. S. 195). Behufs genauerer Aufklärung dieser Frage injizierte er einige Tropfen einer 1°/oigen Silbernitratlösung in einen 4 cm langen, an beiden Enden ab- geklemmten Abschnitt der Femorarlaterie bei dem Poupart’schen Bande, so dass das Reizmittel in andere Teile der Arterie nicht ge- langen konnte. Alle Seitenäste waren in diesem Bereich gleichfalls abgebunden. Unter solehen Umständen wurden keine Veränderungen des allgemeinen Druckes beobachtet. Resultatlos blieb gleichfalls die direkte Reizung der entblössten und unverletzten Arterie ver- mittelst des Induktionsstromes. Alle diese Facta gestatteten Heger mit Sicherheit zu schliessen, dass die grossen Arterienstämme nicht empfindlich seien (S. 199). 334 | Paul Kaufmann: Es ist nieht schwer auf Grund einfacher Überlegung zum Schluss zu gelangen, dass die von Heger angeführten Erklärungen die Frage nicht erschöpfen. So ist beispielsweise die Behandlung der Frage, ob die injizierte Lösung bis zu den Kapillaren gelangt, nicht exakt — bis zu denjenigen, welche von den längsten Arterienästen stammen, kann das Mittel nicht gelangen, wohl aber bis zu anderen von kürzeren Ästen abgehenden. Richtiger wäre der Gedanke, dass ausschlag- gebend die Menge der gereizten Gefässe ist. Der Versuch mit dem isolierten Abschnitt der Cruralarterie entbehrt jeder Bedeutung. Die Ligatur einer Arterie muss die Nervenverbindung zerstören. Bekanntlich verbreiten sich die sympathischen Nerven längs den Gefässen, indem sie deren Stämme. mit ihrem Geflecht umhüllen. Ausserdem zeichnet sich die Cruralarterie au der bezeichneten Stelle durch reichliche Verästelung aus. Eine Unterbindung der Zweige hebt überhaupt alle ihre Verbindungen mit den unterliegenden Ge- weben auf. Da ist es nicht verwunderlich, dass ein solcher Abschnitt, dessen Nervenverbindung vom Experimentator selbst sorgfältig ver- nichtet worden ist, keine Anzeichen von Empfindlichkeit offenbart. Bezüglich der Reizung der Arterie durch den Induktionsstrom sei hervorgehoben, dass bekanntlich die Empfindlichkeit der verschiedenen Nerven, beispielsweise der Gefässnerven, zu der Stärke und dem Charakter der elektrischen Reizung ausserordentlich verschieden ist. Deshalb gestattet die alleinige Anwendung der elektrischen Reizung nicht sichere Schlussfolgerungen zu machen. Einen anderen Hinweis auf die Existenz von Nerven in den Arterien, und zwar einen positiven, finden wir bei Pagano, welcher fand, dass die chemische Reizung der Carotis communis reflektorisch eine Verlangsamung des Herzschlages und manchmal eine Erhöhung des Blutdruckes hervorrufen. Einen das Herz betreffenden Refiex erhielt er gleichfalls bei Injektion von defibriniertem Blut unter hohem Druck in die Carotis. Es werden folgiich die Nerven- endigungen auch durch Drucksehwankungen erregt. Die Untersuchungen von Pagano wurden ohne Isolierung der zu untersuchenden Teile von dem übrigen Gefässsystem ausgeführt ; das Reizmittel konnte sich darum über den ganzen Körper ausbreiten. In Anbetracht dieser Möglichkeit sagt Pagano, dass nur der sofortige Effekt auf Rechnung der Empfindlichkeit der Gefässe gesetzt werden kann; alle späteren Erscheinungen hätten keine Bedeutung. Zur Kontrolle entfernte er jedoch die Ganglia cervicalia und stellata des Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. I. 2335 Sympathieus, wobei sowohl bei dieser als auch bei anderer Reizung der anfänglich beobachtete Effekt, nämlich eine Verlanssamung des Herzschlages, ausfiel. Eine solehe Kontrolle beweist gar nichts, da bekanntlich beim Hunde der Halsteil des Vagus und Sympathicus in einen Nerven- stamm vereinigt sind, während das Ganglion super. dicht. verbunden ist mit dem Gangl. nodosum des Vagus!). Es ist darum bei Exstir- pation der sympathischen Ganglien eine unwillkürliche Verletzung der Vagi kaum zu vermeiden. Diese Annahme ist um so gerecht- fertigter, als der Autor den Versuch einige Stunden nach Exstirpation der Knoten ausführte, als in dem gezerrten Nerven eine restitutio al integerum noch nicht eingetreten sein konnte. Die Blutdruck- steigerung, welche Pagano zuweilen beobachtete, dürfte ihren Ursprung wohl einer unmittelbaren Reizung des vasomotorischen Zentrums durch das injizierte Mittel verdanken. Pagano behauptet jedoch, dass auch bei einseitiger Entfernung der Knoten der Reflex gleichfalls verschwinde, und dass er nach Unterbindung der Carotis interna erhalten bleibe. Ferner hätte die Injektion, welcher er zur Kontrolle in alle Zweige. der Carotis communis machte, keinen Effekt ergeben, während die Unterbindung dieser Zweige den für gewöhnlich beobachteten Reflex nicht im geringsten beeinträchtigt hätte. Dies alles soll, nach dem Autor, beweisen, dass die Ursprungsstelle des Reflexes ausschliesslich in der Carotis com. liege. Alle diese Erscheinungen können jedoch auf andere Weise er- klärt werden. Nach Unterbindung der Car. interna kann das Reiz- mittel sehr leicht in das Gehirn gelangen durch die Anastomosen aus der Carotis externa. Das Ausbleiben einer Reaktion nach Injektion in die Zweige der Carotis com. zeigt nur, dass diese Zweige mit den Hirnarterien nicht anastomosieren, was übrigens in Anbetracht ihrer verhältnismässig weiten Entfernung vom Gehirn leicht ver- ständlich ist. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, dass alle diese An- nahmen in betreff dieses Einflusses der Kollateralen durch das Ver- schwinden des Reflexes nach einseitiger Exstirpation der Knoten wider- legt werden. Jedoch muss dieser Versuch von Pagano berechtigtes Staunen hervorrufen, da infolge der Anastomosierung aller Hirnarterien 1) W. Ellenberger und H. Baum, Anatomie des Hundes S. 526. 1891. 236 Paul Kaufmann: miteinander eine Injektion in eine Karotis auf das ganze Gehirn hätte einwirken müssen. Sogar wenn man annimmt, dass die Exstir- pation der Knoten, wie Pagano glaubt, die Empfinaliehkeit der Carotis vernichtet habe, so kann man sich doch nicht vorstellen, dass. das unmittelbare Passieren der Blausäure, welche er zu den Injektionen verwandte, und die ein äusserst stark auf das Atmungs- und vaso- motorische Zentrum einwirkendes Mittel vorstellt, durch das Gehirn nicht sofort durch den Vaeus der anderen Seite auf die vaso- motorischen Nerven eine entsprechende Reaktion hervorgerufen habe. Die Pagano’schen Versuche mit Injektion von defibriniertem Blut können gleichfalls durch Übermittelung des Druckes auf Gehirn- zentren erklärt werden). Überhaupt kann man nicht umhin zu behaupten, dass infolge der Nähe der Halsschlagader zum Gehirn und bei Anwendung von Blausäure, eines starken Reizmittels für das Gehirn, das ganze Experiment, welches sich bei Differenzierung der vom Gehirn und den Arterien erhaltenen Erscheinungen auf den verschiedenen zeitlichen Eintritt derselben stützt, äusserst ge- wagt erscheint und nicht auf genügende Beweiskraft Anspruch er- heben kann. II. Alle angeführten Überlegungen über die Untersuchungen von Heger und Pagano beweisen, dass die Lösung der Frage über die-zentripetalen Nerven der Arterien einer besonderen Untersuchungs- methode bedarf, welche von den früher angewandten abweicht. Als unumgänglich notwendiges Postulat’ einer solchen Methode muss die Forderung gelten, dass der Reiz nur die Arterie und nicht die mit ihr ein untrennbares Ganzes bildenden Kapillaren betreffen soll. Was die Art des Reizes betrifft, so ist natürlich derjenige als der beste zu betrachten, welcher dem normalen entspricht, d. h. in einer Schwankung des intraarteriellen Druckes besteht. Die Aufgabe der Untersuchung würde im folgenden zu bestehen haben: es ist not- wendig, in einem begrenzten Abschnitt der Arterie ein künstliches Steigen und Fallen des Blutdruckes zu erzeugen, wobei diese Druck- veränderungen sich nicht unmittelbar dem übrigen Blute mitteilen dürfen, dabei soll die betreffende Arterie nicht irgendwelchen Mani- pulationen ausgesetzt werden, welche die Kontinuität der Nerven- elemente der Arterienwand zerstören könnten. 1) Francois-Frank, Travaux de laboratoire de M. Marey. 1877. Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. I. 237 Alle diese Forderungen wurden dank einer besonderen Versuchs- anordnung erfüllt. Das Wesentliche derselben bestand darin, dass in die Arterie eine an dem einen Ende festverschlossene Gummiröhre eingeführt wurde. Die Röhre wurde durch das andere Ende mit Wasser gefüllt und der Druck der in ihr befindlichen Flüssiekeit nach Wunsch verändert. Bei Steigerung des Druckes erweiterte sich die Röhre und übte infolgedessen einen Druck auf die innere Arterien- wandung aus. So war das Prinzip der bei der gegenwärtigen Untersuchung angewandten Methode. Es ist klar, dass es zum Versuch notwendig war, eine Arterie zu wählen, die bei genügender Länge ein gleich- mässiges Kaliber aufwies. Auf die Art konnte ein festes Anliegen der Röhre an die Arterienwand erzielt und die Bildung von schäd- lichen Zwischenräumen vermieden werden. Einzig passend zu diesem Zweck erwies sich die Carotis, welche zwischen ihrem Ursprunge und der Abzweigung der A. thyreoidea sup. alle geforderten Kigen- schaften aufweist, und auf deren reflektorische Empfindlichkeit Pagan o hingewiesen hat. Alle übrigen Arterien haben wegen ihrer starken Verästelung, eine konische Form und sind für solche Ex- perimente unbrauchbar. In Anbetracht aller dieser Umstände wurden zu den Versuchen nur sehr grosse Hunde benutzt (ca. 30 ke). Zur Einführung in die Arterie dienten Röhren aus weichem schwarzem Gummi von verschiedenem Kaliber. Die am häufigsten benutzten Dimensionen waren folgende: 1. Der innere Diameter 1,5 mm, die Stärke der Röhrenwand 0,75 mm; 2. innerer Diameter 2 mm, Wand- stärke 0,75 mm; 3. innerer Diameter 3 mm, Wandstärke 0,5 mm; 4. innerer Diameter 4 mm, Wandstärke 0,5 mm. Das Ende der Röhre wurde vermittelst Ligatur fest verschlossen, wobei die zu unterbindende Stelle vorher gedehut und dicht bei der Ligatur ab- geschnitten wurde. Gewöhnlich wurde in Entfernung von einigen Millimetern von der ersten Ligatur eine zweite angelegt. Die zwischen den beiden Ligaturen befindliche Luftblase sollte infolge ihrer Elastizität einer Übertragung des Röhrendruckes auf die an- erenzende Blutsäule entgegenwirken. Die Arterie wurde entweder am Halsansatz oder an der Abgangs- stelle der Art. thyreoidea eröffnet, wobei der Gewebschnitt möglichst klein gemacht wurde, damit die Arterie allseitig bedeckt und über- haupt nach Möglichkeit in natürlichen Bedingungen bliebe. Die Röhre wurde mit Wasser gefüllt in die Arterie eingeführt. Die Ein- 235 Paul Kaufmann führung war bei grosser Tiefe und Enge der Wunde keine sehr leichte Sache. Um dieselbe leichter auszuführen, wurde in die Röhre ein weicher, vorher gebogener Aluminiumdraht gesteckt; mit dessen Hilfe gelang dann auch die Einführung der mit Vaselin eingefetteten Röhre verhältnismässig leicht. Hierauf wurde der aus der Arterie hervorragende Teil der Röhre abgeschnitten. In die Röhre und folg- ii a> Al Su MDRUDDNNDUDANRAAONIGRTENGLDEN U RS ) 72 SS & 7 1 | „HEIENENIERTESEEITIEITITTDET J A) N 2 Sy Fig. 1. Horizontale Strichelung bedeutet Quecksilber, schräge — Gummi. lich also auch in die Arterie wurde eine Kanüle eingeführt, und vermittels einer Ligatur, welche Arterie und Röhre zusammen um- fasste, befestigt; der nach Herausziehen des Drahtes fehlende Teil des Wassers wurde ergänzt; eventuelle Luftblasen wurden entfernt usw. Die gemeinsame Ligatur der Arterie und der Röhre ist von Wichtig- keit, weil sonst bei Erhöhung des Druckes die Röhre aus der Arterie herauskommt. Die Kanüle wurde mit dem Apparat verbunden, ver- mittels dessen man die Druckschwankungen hervorrief. Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. 1. 239 Der Apparat / bestand aus dem Quecksilbermanometer M, welches durch ein Glasrohr mit: dem Gefäss % verbunden wurde, von welchem die diekwandige Gummiröhre a abging. Diese letztere Röhre wurde mit der graduierten in vertikaler Richtung verschieb- baren Bürette A verbunden. Das Gefäss R und die Bürette ent- hielten Quecksilber. Das Reservoir N versorete alle Teile des Systems mit Wasser, worauf die unter ihm befindliche. Klemme ge- schlossen wurde und derselbe keine weitere Rolle mehr spielte. Aus der beigegebenen Zeichnung ist zu ersehen, dass der Apparat im wesentlichen aus der Verbindung von zwei Manometern bestand, dem unbeweglichen M und dem beweglichen A a R, welche miteinander kommunizierten. Hebt man die Bürette A bis zu einer bestimmten Höhe, so wird das in ihr befindliche Quecksilber ins Gefäss R fliessen; der dadurch erzeugte Druck wird sich dem Mano- meter M mitteilen, und das Quecksilber im inneren Teil seines Röhrenknies wird sich so lange senken, bis die Niveaudifferenz den von A herseleiteten Druck nicht aufhebt. Es zeigt folglich, das Manometer den durch Erheben der Röhre A erzeugten Druck. Da das ganze System mit Flüssigkeit gefüllt ist und aus nicht elastischen Röhren besteht, so wird der Druck gleichmässig nach allen Punkten geleitet, unter anderem auch in die Röhre 5, welche mit der auf obice Art in die Arterie eingeführten Kanüle verbunden ist. Bei Erhöhung des Druckes erweiterte sich die in der Arterie befindliche Röhre und drückte infolgedessen auf die innere Wand der Arterie. Die Angaben des Manometers M zeigten allerdings nicht den absoluten von der Arterie durch die Röhrenausdehnung emp- fundenen Druck an. Freilich, wenn die Arterie an und für sich nicht Elastizität besessen hätte, so würde der ganze in der Röhre herrschende Druck sich vollständig den Arterienwandungen mit- geteilt haben. Die Arterie erweiterte sich jedoch infolge eigener Elastizität, und deshalb wurde ein Teil der Kraft auf die Dehnung der Röhre bis zum neuen Volumen der Arterie verschwendet, und nur der übrig gebliebene Teil des Druckes übt eine Wirkung auf die Arterie aus. Die Grösse dieser Kraft musste bestimmt werden, um einen richtigen Begriff von der Stärke des angewandten Druckes zu haben. Theoretisch war eine Bestimmung derselben ganz un- möglich, da sie von dem Elastizitätsgrade der Röhre einerseits, der Arterie andererseits und dem gegenseitigen Verhältnis ihrer Volumina abhing. Experimentell war sie jedoch auf Grund einfacher Reflexionen für jeden einzelnen Fall leicht zu bestimmen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 16 240 Paul Kaufmann: Wenn die Röhre in die Arterie nicht eingeschlossen wäre, so würde sie sich bei gegebenem Druck noch stärker dehnen, so lange bis ihre elastische Kraft den inneren Druck aufwöge. Bei Vorhanden- sein der Arterienhülle ist die Dehnung eine geringere, da zum elastischen Widerstande der Röhre die Elastizität der Arterie hinzu- kommt. Der Grössenunterschied bei freier und bei behinderter Dehnung der Röhre entspricht der Stärke des Widerstandes der Arterienwand, mit anderen Worten, dem Druck, welcher auf letztere von innen einwirkt. Aus diesem Grunde wurde behufs Bestimmung der wahren Grösse des Druckes in der Arterie die Zunahme ihres Volumens während des Versuches gemessen. Dies war nicht schwer auszuführen. Zu diesem Ende wurden auf die Röhre A Teilstriche angebracht. Gewöhnlich wurde eine auf Hundertstelsteile eines Kubikzentimeters graduierte Röhre benutzt, und nur in einigen Fällen, wo die Kapazi- tät der Arterie besonders gross war, gebrauchte man eine andere mit Teilungen von !/so eem, da für kleine Teilungen die Röhre eng sein muss und ihre Kapazität in diesem Falle nur eine geringe sein kann. Die Kapazität einer Röhre mit Hundertstelteilstrichen betrug 7 eem bei einer Länge von 108 cm. Vor Beginn des Versuches wurde die Röhre A so weit gesenkt, dass das obere Ende des graduierten Abschnittes auf einem Niveau mit dem Quecksilber im Gefäss R sich befand. Um bei dieser Stel- lung einen normalen Druck und ein gleichhohes Niveau des Queck- silbers in A und A zu erhalten, wurde das System mit der nötigen Menge Wasser aus N gefüllt. Danach bestimmte man den Teilstrich, unter welchem der Meniskus des Quecksilbers lag. Bei Erheben dieser Röhre strömte das im Apparat befindliche Wasser sowohl in die Arterie wie auch in den Manometer. Einer Bestimmung unter- lae nur die in die Arterie eingedrungene Wassermenge. Zu diesem Zweck wurde bei geschlossener Klemme (5) vermittelst Verschiebung von A der Druck bis zur gewünschten Höhe gebracht. Das Queck- silberniveau in A zeigte hierbei an, wieviel Wasser in den Mano- meter M eingeflossen war (V,). Danach wurde die Klemme auf b geöffnet, ein Teil der Flüssigkeit strömte in die Arterie, und beide Quecksilbermenisken senkten sich infolgedessen ein wenie. Um den Druck auf die frühere Höhe zu bringen, musste die Röhre A etwas gehoben werden. Es ist klar, dass hierbei die Menge der ver- drängten Flüssigkeit (V,;) grösser sich erwies als früher, da ein Teil Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. I. 241 ja in die Arterie eingedrungen war. Die Kapazität der Arterie (w) ist gleich der Differenz zwischen der ersten (V,) und der zweiten (V,;) Angabe der Bürettenskala. Ich führe ein Beispiel einer solchen Bestimmung aus Versuch Nr. 7 an. Bei Druck (7) = 650 mm. 6.175, V2 — 6,900, ergo: w = 0,723. Zur Bestimmung des Widerstandes der Arterienwand, d. h. der wahren Druckgrösse in der Arterie, wurde der auf der Figur (Zeich- nung II) dargestellte Apparat benutzt. Dieser Apparat bestand aus dem Glasgefässe P, welcher vermittels der Röhre e mit dem Gummiballon © und dem Manometer M verbunden war. Die aus der Arterie herausgenommene Röhre (7) wurde zusammen mit der Kanüle (m) durch eine Öffnung im Pfropfen des Gefässes in das Gefäss (P) ge- steckt, worauf das ganze System mit Wasser angefüllt wurde. Die Kanüle (n) blieb wie früher in Verbindung mit dem Druckapparat. Es ist begreiflich, dass, wenn man den Druck in der Röhre r auf dieselbe Höhe bringt wie früher, als sie sich noch in der Arterie befand, ihr Volumen gleichfals ein viel grösseres sein wird, da sie jetzt von den Wänden der Arterie nicht behindert wird, sich auszu- dehnen. Um das frühere Volumen zu erhalten, muss von aussen auf die Röhre ein Druck ausgeübt werden. Diesen Druck erhält man durch Quetschung des Ballons © vermittels der auf der Zeichnung abgebildeten Schraube (X). Die Grösse des hierbei entwickelten Druckes wird am Manometer (M,) bestimmt. Dabei wird derselbe so lange verstärkt, bis das Volumen der Röhre die früher bestimmte Grösse w (bei Druck in M — H) erreicht. Der äussere Druck (h) im Manometer M stellt die wahre Grösse des von der Arterienwand empfundenen Druckes vor. Ich werde ein Beispiel einer solchen Bestimmung anführen. In Versuch Nr. 7 (s. oben) beträgt die Volumenzunahme w — 0,725 eem bei H = 650 mm. Um dieselbe ins Gefäss P gebrachte Röhre bei H = 650 auf das gleiche Volumen w zu bringen, erwies es sich notwendig, von aussen auf sie einen Druck von 344 mm auszuüben. Folglich sind 344 mm die Druck- grösse, welche durch die Röhre der Arterienwand mitgeteilt wird. Im Besitze der beschriebenen Methode konnte an die Unter- suchung der gestellten Fragen geschritten werden. Die zu den Ex- perimenten benutzten Tiere wurden ceurarisiert, ‘da die geringsten Zuckungen der Halsmuskeln die Grösse w verändern können. Die Schenkelarterie wurde nach allgemeinen Regeln mit dem Kymographion verbunden, und in die Carotis wurde eine Röhre eingeführt. Der 19 = 242 | Paul Kaufmann: Druckapparat wurde so hingestellt, dass seine Quecksilbermenisken auf einem Niveau mit der zu untersuchenden Arterie sich befanden. Bei Einführung der Röhre wurde darauf geachtet, dass ihr Ende sich genau in der Karotis befand und nicht weiter in die Anonyma gleiten konnte, da in letzterem Falle infolge des grösseren Lumens bei Drucksteigerung das Gummi sich blasenförmig hätte dehnen können. Es wurde ferner berücksichtigt, dass bei Steigerung des Druckes in der Röhre dieselbe unfehlbar sich dehnen und vorwärts gleiten musste. Die Kontrolle dieser Erscheinung vermittelst Abtastung des Röhrenendes durch den eröffneten Brustkorb zeigte, dass das Vor- wärtsgleiten äusserst gering ist und bei H= 650 mm nur 3 mm beträgt. Diese Grösse zu kennen war sehr wichtig, da sie eine nutzlose Vergrösserung des Röhrenvolumens bedeutete und die Genauigkeit der Bestimmung beeinträchtigte, da letztere sich auf die Annahme stützte, dass die ganze Vergrösserung des Volumens ausschliesslich auf den seitlichen Druck geht. Die Ursache dieser geringen Dis- lozierung des Röhrenendes bestand darin, dass letzteres einen Wider- stand in der Reibung gegen die Arterienwand und einen Gegendruck von seiten der Blutsäule im zentralen Endes des Gefässes fand. Es wurde trotzdem für alle Fälle die Röhre derart eingeführt, dass ihr Ende um 3—4 cm von dem Ursprung der Arterie abstand. Die Länge der eingeführten Röhre betrug im Mittel 16 cm, in einem Falle sogar 18,7 em. Es betrug somit die Verlängerung um 3 mm nur "/ss, mit anderen Worten, eine äusserst geringe Grösse. Bei der Einführung der Röhre entstand die Frage, in welcher Richtung sie einzuführen wäre, ob der Einschnitt am zentralen oder peripheren Ende der Carotis commun. zu machen sei. Diese Frage hing zusammen mit der Frage vom Verlauf der Nervenelemente der Arterie. Diese Nervenelemente bilden bekanntlich Geflechte, welche die Arterie ihrer ganzen Länge nach einhüllen. In welchen Beziehungen sie zum Rückenmark stehen, ob sie zum Sympathicus mehr vom zentralen oder peripheren Abschnitt ziehen, ist nicht voll- kommen aufgeklärt. Wenn der Verlauf dieser Nerven von dem peripheren zum zentralen Ende der Arterie geht, so wird eine Unter- bindung des Ursprunges der Arterie den ganzen mehr peripher gelegenen Teil von den Rückenmarkszentren trennen und umgekehrt. Über den Verlauf der gefässverengenden Nerven liegen Untersuchungen von Langley vor, auf deren Grund man annehmen muss, dass genannte Nerven entweder in das verlängerte Mark oder in den Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. 1. 343 dorsalen Teil der Medull. spinal. ziehen. Diese Untersuchungen be- ziehen sich jedoch nur auf die zentrifugalen Nerven, über die zentri- petalen, deren Existenz Gegenstand vorliegender Untersuchungen ist, ist in dieser Beziehung nichts bekannt. Das Grundprinzip unserer Untersuchung war möglichst eine Läsion des Verlaufes der Nervenverbindungen der Arterie zu ver- meiden, es wurde darum angesichts des Fehlens faktischer dies- bezüglicher Kenntnisse jede Möglichkeit in Betracht gezogen. Aus diesem Grunde wurde bei der Hälfte der Experimente der Einschnitt in die Arterie in der Nähe ihres Ursprunges gemacht und die Röhre gegen das periphere Ende vorgeschoben, bei der anderen wurde sie an der Peripherie angeschnitten, d. h. bei der A. thyreoidea, und die Röhre in zentraler Riehtung eingeführt. Bei allen Versuchen, wie gesaet, blieb die Arterie auf ihrer sanzen Ausdehnung vollkommen intakt und bewahrte alle ihre normalen Verbindungen und Beziehungen zu den umgebenden Ge- weben. Die Volumenzunahme der Arterie (w) war je nach dem Kaliber des Gefässes und der Grösse des ausgeübten Druckes ver- schieden und schwankte zwischen 0,15—1,15 cem. Bei zentraler Einführung der Röhre wurden 13 Beobachtungen ausgeführt. Die wahre Grösse des Druckes auf die Arterie schwankte bei diesen Versuchen zwischen 55 mm und 261 mm. Aus Gründen, die aus der Beschreibung der Untersuchungsmethode erhellen, wurde während des eigentlichen Versuches nur der Druck in der Gummi- röhre nach dem Manometer M notiert, die wahre Grösse des Druckes auf die Arterie konnte nur nach Beendigung des Versuches durch eine spezielle Messung bestimmt werden. Bei peripherer Einführung der Röhre wurden neun Beobachtungen vorgenommen, wobei die Druckgrösse von 134—360 mm betrug. Wie in dem einen, so auch im anderen Falle konnten im Gegensatz zu Pagano nicht die seringsten irgendwie bemerkbaren Veränderungen weder von seiten des Blutdruckes noch von seiten des Herzen konstatiert werden. Die an den Kurven beobachteten winzigen Schwankungen nach dieser oder jener Seite wurden genau ebenso auch ausserhalb der Reizungs- periode konstatiert. Da bei einigen Versuchen die gewöhnlichen Druekschwankungen, respiratorische und pulsatorische, durch Wellen dritter Ordnung kompliziert wurden, so untersuchte man die Kurven behufs Entdeckung eventueller Veränderungen in denselben ver- mittelst des polaren Planimeters von Amsler. Untersuchungen der 244 Paul Kaufmann: letzteren Art wurden auch bei regulären Kurven angestellt, um selbst schwache, aber konstante Druckschwankungen zu erhaschen. Alle hierbei erhaltenen Grössen des Mitteldruckes wiesen keine gesetz- mässigen Schwankungen auf. Ein negatives Resultat wurde gleich- falls erhalten bei Bestimmung der Herzpulsationen, während bei Pagano die der Arbeit beigefügten Kurven eine starke Verlangsamung derselben erkennen lassen. Um den Einfluss irgendwelcher Nebenumstände, welche das Resultat der Versuche hätten verändern können, auszuschalten, wurde auf alle Details der Versuchsanordnung sorgfältigst achtgegeben. Die reflektorische Erregbarkeit der Zentren, auf der der ganze Versuch fusste, wurde jedesmal vermittelst Reizung irgendeines zentripetalen Nerven kontrolliert. Die Kontrolle wurde unbedingt nach dem Versuch vorgenommen, um Veränderungen zu vermeiden, die möglicherweise bei der Ausführung ersterer hätten entstehen können, da ein jeder künstliche Reiz unendlich viel stärker als der natürliche ist. Die Curarisierung wurde gleichfalls äusserst vorsichtig ausgeführt, da das Curare in grossen Dosen die herzhemmende Wirkung des Vagus paralysiert. Die Vaguswirkung auf das Herz wurde vermittelst kurz- dauernder Sistierung der künstlichen Atmung kontrolliert. Dessen- ungeachtet konnte konstatiert werden, dass ein Tier, welches im allgemeinen lebhafte Gefässreflexe zeigte, absolut nicht auf eine bedeutende, jedoch isolierte Drucksteigerung in der A. earotis communis reagierte. Hierbei war es gleichgültig, ob der Druck plötzlich oder langsam anstieg, ob die Steigerung 1—2 Sekunden oder 5 Minuten dauerte oder endlich der Druck auf 0 fiel. In einem Versuch wurde das Tier nicht curarisiert, trotzdem trat weder eine Veränderung des Blutdruckes noch eine solche des Herzens ein. Dieser Fall bewies ausserdem, dass die Dehnung der Arterie mechanisch auf den nebenanliegenden Vagus nicht einwirkt. Ausserdem zeigte es sich, dass die Reizung der Arterie keine Schmerz- empfindung hervorruft, im Gegensatz zur Behauptung Pagano’s!). Noch ein Umstand musste berücksichtigt werden. Die Röhre ver- stopft das Lumen der Arterie, die Ligatur verschliesst das eine Ende. Konnte dadurch nicht die Ernährung der Gefässwände und folglich auch der Nervenendigungen leiden? Diese Annahme ist unwahr- scheinlich, da die Vasa vasorum von aussen in die Arterie eindringen 1) Ebenda S. 33. Zur Frage über die zentripetalen Nerven der Arterien. 1. 245 und die peripheren Nervenelemente bekanntlich sich durch grosse Widerstands- resp. überlebende Fähigkeit auszeichnen!). Unsere Versuche zeigten gleichfalls, dass dieser Umstand keine Rolle spielt, da, ob wenige Minuten, ob geraume Zeit nach Einführung der Röhre aus- geführt, die Reizung in beiden Fällen gleichermaassen resultatlos blieb. Alle beschriebenen Versuche wurden an der Carotis communis ausgeführt, welche Pagano für besonders empfindlich hielt. Ein Versuch wurde jedoch auch an der A. axillaris gemacht. Die Aus- führung desselben ist jedoch aus obenangeführten Gründen recht unbequem. Das Resultat dieses Versuches war gleichfalls ein nega- tives. Es ruft somit eine Drucksteigerung in der Carotis und der Axillaris bis zur zweifachen Höhe (360 mm) der normalen Grösse gar keinen Reflex hervor, weder auf den allgemeinen Blutdruck noch auf das Herz. Es könnte hierauf jedoch erwidert werden, dass dieses Ergebnis eine Geltung nur für diejenigen Versuche der früheren Autoren hat, bei welchen als Reizmittel Drucksteigerung angewandt wurde, und nicht ohne weiteres auf die Versuche von Pagano mit Verwendung von chemischer Reizung bezogen werden kann. Ob eine chemische Reizung sich von einer solchen durch Druck- wirkung. wesentlich unterscheidet, wurde durch Injektionen von Silber- nitratlösung in die Car. communis entschieden. Die Pagano’sche Methode, welche Fehlerquellen in sich schliesst, wurde hierbei ver- worfen. Um ein sofortiges Eindringen des Reizmittels ins Gehirn zu verhindern, wurde die Karotis beim Abgange der thyreoidea unterbunden und die Silbernitratlösung zentralwärts von der Ligatur eingeführt folelich also in den Stumpf, in welchem keine Zirkulation bestand. Eingeführt wurde nur eine geringe Menge des Reizmittels, welches somit unmittelbar in die Anonyma und durch dieselbe in den allgemeinen Kreislauf nicht gelangen konnte. Nur mit Blut sich mischend konnte es allmählich dahin dringen. Die Experimente ergaben gleichfalls, im Gegensatz zu Pagano, ein negatives Resultat. Während der ersten 6 Sekunden zeigte sich keine Veränderung, hierauf trat infolge Eindringens von AgNO, in den Blutstrom als allgemeiner Reizeffekt Sinken des Blutdruckes ein. Wurde eine so 1) P. Kaufmann, Über den Einfluss der künstlichen Ernährung nach Locke auf die Erregbarkeit der Nervenelemente. Bolnitschnaja gaseta Botkina 1902 (russ.) 246 Paul Kaufmann: erosse Quantität des Mittels eingeführt, dass die Arterie sie nicht fassen konnte (10 ccm), so trat das Sinken des Blutdruckes früher ein. Um die Frage von der Erregbarkeit der Arterien vollkommen zu erschöpfen, erübrigte die Anwendung von noch zwei Reizarten: der elektrischen und der mechanischen. Zum Behufe der ersten wurde die Arterie mitten durchgeschnitten, um Schleifenbildung des Stromes zu vermeiden, worauf beide Enden, das periphere und das zentrale, gereizt wurden. Ungeachtet der Anwendung starker Ströme (bis zu 10 em Rollenabstand bei 2 Volt im primären Strom- kreise) wurde kein Blutdruckreflex erhalten. Berühren der benach- barten Muskeln mit den Elektroden ergab Steigen des Blutdruckes. Eine mechanische Reizung fand, genau genommen, bei jedem Versuche mit Drucksteigerung statt. Als solche konnte beispiels- weise das Einschieben der Röhre in die Arterie betrachtet werden. Hierbei konnte kein einziges Mal irgendeine Veränderung konstatiert werden. Doch könnte man hier einwenden, dass eine solche Reizung nicht genügend sei. Es wurde darum noch auf andere Art geprüft. In die Arterie (carotis, iliaca und abdominalis) wurde nach ‘beiden Richtungen hin eine an einem Draht angebrachte, aus harten Borsten gefertigte Bürste eingeführt und hin und her bewegt. Die Reizung war in diesem Falle eine so starke, dass das Endothel abgekratzt wurde. Trotzdem blieb sie ohne Einfluss auf den allgemeinen Blut- druck. Es haben somit unsere Versuche etwas ganz anderes ergeben als das, was Pagano beschrieben hat. Alle oben angeführten theo- retischen Hinweise auf die Mangelhaftigkeit der von ihm angewandten Methode haben somit eine auf Tatsachen gestützte Bestätigung in dem negativen Ergebnis unserer Versuche erhalten. Es ist klar, dass die von ihm beobachteten Erscheinungen von der Reizung anderer Elemente einschliesslich des Gehirnes, aber in keinem Fall von der Empfindlichkeit der Arterien hervorgerufen worden sind. Es ist verständlich, dass die vorliegende Untersuchung unver- meidlich auch ein anderes Gebiet berühren musste, welches seiner physiologischen Bedeutung nach für die Gewebsernährung eng mit den Arterien verbunden ist, nämlich die Venen. Da jedoch, sowohl was die Ausgestaltung der Untersuchungsmethode als auch die Zahl und Verschiedenartigkeit der ausgeführten Versuche betrifft, den Arterien eine prävalierende Stelle eingeräumt worden ist, auf die Venen sich jedoch nur wenige Experimente beziehen, so sind letztere Zur Frage über die centripetalen Nerven der Arterien, 1. 247 in dem Titel dieser Arbeit nicht zusammen mit den Arterien ar- geführt worden. Es liegen ausserdem bezüglieh der Venen Versuche von Pagano vor, denen, trotz der Anfechtbarkeit der Pagano’schen Methode im allgemeinen, in diesem besonderen Falle eine Bedeutung nicht abgesprochen werden kann. Wegen der Länge des Gefässes und der geringeren Geschwindigkeit des Blutstromes muss nach der Injektion ein längerer, schon messbarer Zeitabschnitt verstreichen, bevor das Reizmittel bis zum Herzen gelangen und eine allgemeine Reaktion hervorrufen kann. Pagano gelangte hierbei zur Überzeugung, dass Venen absolut keine Empfindlichkeit besitzen !). Es ist klar, dass eine Reizung durch Druckwirkung für Venen, deren Wände ausserordentlich dehnbar sind und keine genügende Widerstandsfähigkeit besitzen, nicht anwendbar ist. Es wurde darum ihre Reaktion nur auf zwei Reizarten untersucht, auf elektrische und mechanische Reizung. Geprüft wurden die Vv. jugularis und iliaca. Mechanischer Reizung wurde ausserdem die V. cava vermittelst einer durch die V. cruralis eingeführten Bürste mit undichten Haar- ringen unterworfen. Die Haare dieser Bürste wurden beim Durch- schieben derselben durch die engere V. eruralis an die Achse gedrückt und richteten sich in der breiteren Cava wieder auf. Infolge ziemlich grosser Zwischenräume riefen sie keine Verstopfung der Vene hervor. Diese Versuche zeigten gleichfalls, dass bei Reizung der Venen keine Reflexe ausgelöst werden. Alle angeführten Untersuchungen bezogen sich nur auf die Carotis resp. Axillaris und einige Venen, jedoch im Hinblick auf die volle Identität der Struktur und der Funktion aller grossen Gefässe können selbige mit vollem Recht auf alle ähnlichen Gefässe ausgedehnt werden. Diesem Schluss widerspricht scheinbar die von Köster und Tscher- mak erhaltene Erregung des Depressors bei Druckreizung der Aorta. Der Ursprung der letzteren hat jedoch, wie in der Physiologie längst bekannt, ganz eigene Beziehungen zur Regulierung der Herz- tätiekeit und besitzt darum wahrscheinlich ganz besondere Innervations- verhältnisse. Es kann darum die Behauptung aufgestellt werden, dass die grossen Arterien und ebenso die Venen keine Nerven besitzen, welche reflektorisch auf das Gefässsystem einzuwirken imstande sind, und dieselben im Organismus nur die Rolle reflektorisch innerer zu- DACH S5 21: 348 P. Kaufmann: Zur Frage über die zentrip. Nerven der Arterien. 1. und abführender Röhren spielen. Es muss folglich der Ursprung der reflektorischen Erscheinungen, welche eine ganze Reihe von Autoren beobachtet haben, bei anderen Gefässen gesucht werden. Bei welchen denn? Die unmittelbare Antwort auf diese Frage würde natürlich lauten: bei den Kapillaren; da jedoch sich die kleinen präkapillaren, der direkten Untersuchung unzugänglichen Arterien sowohl ana- tomisch durch die besondere Entwicklung ihrer Muskulatur als auch physiologisch durch ihre Bedeutung bei Regulierung des Blutdruckes von den übrigen Arterien unterscheiden, so spreche ich nur mit einer gewissen Reserve meine Meinung dahin aus, dass die gesuchten Gefässe am wahrscheinlichsten wohl die Kapillaren sein dürften. Tef.ll. HH ESaBEEESSHREE: = ( 8 \ H H FH i FEEEHH b Ehe EFEEKEFEREFFFEPREREREFFFEFFERE FERFEHE En ei sdas -H F H HH H H SHlih H 5 H Er H — H H ’ Eh FH PER H + FEFEEREFEN H EHEHEHFEEH + H HH FEEEFFEFFEHE H g Fr 4 Fer ei + rn EEEREEEHEE EREEFERREFEFEEEN EHE HERE Basssunssen 4 H EHER A s H . = H H H FEEFEEEE EEFEEEH H : + H H eilt ' E H & - E3 H H H + PFEFFER HEEEEFEEEE H EFH H HE + FEEEREEE . i EEEEFHEER BEEHEHS HERR FE E H H je H 8 5 Es HE HHEEFFEE e FrH HH A FH be H EEE ei HH A H S, IHBEBHITGE| NH ! HIENBIHE: EEE = H EHE Hi & H FH + + FE H Imunanı FE] FH H H { } H HH HEHE FH H $ H H H i FEEHH = FH Hin t FR HEEFER H 2 FH Hab H IHH Inannsamı H H F H FEB + EHER F FH 5 +E Sg w FREE FH H H Eh a e -H ee EH FEHHHHH - FEH FH Ei Selb Ps ; ; Fr H SH H H ausnsnı FH FRE KEE H IFEH H H HH HEREESHEGER # HER HE H Ennsassns, H HEBEN | - j H Ei EHFFHH 5 snnnzs HH + H HE H H H4 : EHI E Ä HHFRREEEEES HHEHERRi H HEEBEHE EH | E E F H H FH i HHt Be ! EHE | FEEBSSHEEH ü & H EHEN HHEEHER H i i - - H FEH + : i H 8 ” EHEN H EFEH ! H EFEH H HH +2 Hr FE FEEHH : Hr> H EEFEHFH “ HH H i 4 FFrH i FH Su i : 3 5 & ysiologie Ba 148. 30 il) 30 12 r il) 920 E =: PN Kerl N 25 z i x DR BA RR ur y } fe h f N r ER N Y 1. Jahn \ Da | h g, ee Ran ER EU DUH » j } 2 e x Ä u , h i (! N . . - { Ä - a et r REN. { B ” | . . [% Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie Ba 146. BZ ; Ben H Banzaarı Bus jE SEEHNFER SH N ESES ESENEEF SEE SIEH ESS EN EB -H BEreangan EB DB ie BEI un 5 lan Ta Some aa as 75 160 17:48 19 2112 U SS EI BB AH BE AHSSE ET BB U OO HM MM HG HM HE HD OU 3 MM 50 51 52 53 Tagenschd.Befr.(l) OHREN Fe 414 20 23 27 32 40 54 Tage nach d. Befr. (iD = Gefundenes A f Eier und Embryonen von RANA TEMPORARIA (eBeekolan u Runneirän)) --- - --- = % Wasser bei Embryonenvon RANA FUSCGA (Schaper). X—X—x—x = % Wasser bei Embryonen von RANA (TEMPORARIA®).(Davenport) Backman u. Sundberg E. Louis Backman u. Carl Gustaf Sundberg Verlag v Martin Hager, Bonn Lith_Anst.v-F.Wirtz Darmstadt “ en » v “ 24 u sch A: * 3 « : Y EREr 2 irn | CE, uch 249 (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. Mit einem Anhang über Reflexionstöne usw. Von L. Hermann. (Mit 2 Textfiguren.) Nach einigen neueren Veröffentlichungen, insbesondere von F. A. Schulze!) und von K. L. Schaefer?), welche sich haupt- sächlich auf die sorgfältigen Untersuchungen von Schaefer & Abraham?) stützen, könnte es scheinen, dass die von R. König*) entdeckten, später namentlich von Dennert studierten Unter- breehungstöne gar nicht als besondere Erscheinung existieren, sondern teils durch Nebenumstände der Versuche bedingte objektive Töne sind, teils sich als Differenztöne der Variationstöne mit dem unter- brochenen Tone erklären lassen. Im folgenden teile ich einige von mir im letzten Jahre ausgeführte Versuchsreihen mit, welche ergeben, dass die Frage der Unterbrechungestöne durch die angeführten Arbeiten keineswegs erledigt ist. Meine Versuche sind grösstenteils mit dem Telephon als Hör- mittel angestellt, welches eine grosse Mannisfaltigkeit unterbrechender Einwirkungen auf Töne zulässt. Irrtümlich wird in den beiden ein- gangs erwähnten Abhandlungen Zwaardemaker°) als Urheber dieser Methode bezeichnet; ich habe sie schon 10 Jahre vor ihm verwendet und kurz mitgeteilt °). 1) Ann. d. Physik (4) Bd. 26 S. 217. 1908. 2) Charite-Annalen Jahrg. 36. Sep.-Abdr. 1910. 3) Dies Archiv Bd. 83 S. 207, Bd. 85 S. 536, Bd. 88 S. 482. 1901. Ann. d. Physik (4) Bd. 13 S. 996. 1904. 4) Ann. d. Physik Bd. 157 S. 228. 1876. 5) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1900. Suppl. S. 60. 6) Dies Archiv Bd. 47 S. 385. 1890. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 17 350 L. Hermann: Im folgenden werde ich der Kürze halber durchweg denjenigen Ton, welcher periodisch unterbrochen oder in seiner Amplitude ver- ändert wird, als den Hauptton oder die Hauptschwingung bezeichnen. 11 In der ersten Versuchsreihe bestand die Hauptschwingung in Wechselströmen verschiedener Stromquellen, welche auf das Telephon wirkten. Um aber, was noch nie versucht zu sein scheint, Amplitudenschwankungen des Haupttons einzuführen, welche dem Ver- laufe eines beliebigen akustischen Vorgangs folgen, verwendete ich das Mikrophon), und zwar im Nebenschluss zwischen Wechsel- stromquelle und Hörtelephon, weil die beiden letztgenannten Vor- richtungen erhebliche Widerstände haben, so dass hier die Widerstands- schwankungen des Mikrophons, auf welchen dessen Wirkung beruht, im Nebenschluss ungleich vorteilhafter einwirken als im Hauptkreise. Um dies näher darzutun und zugleich die Wirkung des Mikro- phons zu übersehen, diene folgende Betrachtung. Ist X sin pt?) die oszillierende elektromotorische Kraft des Wechselstromes, und wirkt auf ein im Hauptkreise befindliches Mikrophon ebenfalls eine Sinusschwingung sin gt (von deren Phasenverhältnis hier abgesehen werden kann), so ist der Widerstand des Kreises von der Form w“=4+ b sin gt. Hierin ist notwendig a > b, da w nicht 0 oder negativ werden kann; bei unserer Anordnung wäre aber wegen der beiden im Kreise befindlichen widerstandsreichen Telephonspulen ®) «a sehr viel Bee als d, so dass die Stromstärk Esin pt a ©. ((l) 1) Es wird kaum nötig sein, hervorzuheben, dass hier das Mikrophon eine ganz andere Rolle spielt als in vielen bereits bekannten Versuchen (Zwaarde- maker; Schaefer & Abraham), in welchen es als Haupttonquelle diente (wie auch unten S$. 258). 2) Die Schwingungszahlen (hier p) sind immer für 2 zz Sekunden gemeint. 3) Als Hörtelephon diente stets ein sog. Präzisionstelephon von Siemens & Halske, Widerstand über 1000 Ohm; das den Wechselstrom liefernde Schneiden- telephon (s. unten) hat ca. 550 Ohm. Die verwendeten Mikrophone, durchweg von der Firma Mix & Genest, haben in der Ruhe Widerstände von wenigen Ohm (sog. Stentor-Mikrophon) bis fast 300 Ohm (neuere Kohlenkugelmikrophone). Durch Schall steigt der Widerstand bis zum 4fachen, durch hohe Pfeifen bis zum 25fachen des Ruhewertes. Alle Widerstandsmessungen an Mikrophonen während des Schalls sind begreiflicherweise äusserst ungenau. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 251 fast gar nicht von der g-, sondern nur von der p-Schwingung be- einflusst wird. Ist dagegen das Mikrophon im Nebenschluss zum Hörtelephon eingeschaltet, und sind W, w die Widerstände des Hauptkreises und der Hörleitung, und wieder «+ 5 sin gt der Widerstand im Mikrophon, worin nun 4 nur wenig grösser zu sein braucht als db, so ist die Stromstärke im Hörkreise Au Esinpt (a+ bsin gt) (2) Ww+(W+w)(a+bsingt) ° ° °' Da aber W und w gross sind im Verhältnis zu «a und 5, so kann man ohne Fehler schreiben = 7 sinpt(a+Dsingt) Se le) Hier also entsteht das für die Bildung von Unterbreehungstönen massgebende Produkt zweier Sinusschwingungen. Im Prinzip sind übrigens die Fälle (1) und (3) nicht wesent- lich verschieden; bei (1) schwankt die Amplitude der p-Schwingung zwischen den Grenzwerten FE und — = zes bei (3) zwischen den Grenzen Wi (@a+b) und I (@— b), d. h. in beiden Fällen be- trägt die relative Amplitudenschwankung a +b:a—b. Nur ist bei (1) diese Schwankung wegen des relativ sehr beträchtlichen «a sehr viel geringer als bei (3). Dass ferner auch bei (1) Produkte zweier Sinusfunktionen auftreten, sieht man, wenn man die Division ausführt, wodurch die konvergierende Reihe entsteht: 4 Be. DR: bes ı—— sin pt (1 sinat+ 5 sn +.) welche bei der Entwicklung auch die Produkte sin pt cos 2 98 u. S. w. enthält, also, falls Unterbrechungstöne entständen, ausser q auch dessen Obertöne liefern müsste, während in (3) nur q zu entstehen braucht. Als Wechselstromquelle wurde meist die von mir schon vielfach benutzte Telephonsirene!) verwendet, d. h. eine mit Elektro- motor und Vorgelege rotierende Eisenscheibe mit tiefen Einfraisungen, deren Stirnrande nahe ein einpoliges Telephon ohne Eisenmembran, am zweckmässigsten das von der Firma Siemens & Halske für 1) Dies Archiv Bd. 91 S. 135. 1902, Bd. 122 S. 421f. 1908. 10“ 352 L. Hermann: mich hergestellte Schneidentelephon !), befestigt ist. Die so erzeugten kräftigen Töne lassen sich von weniger als 80 bis über 2000 Sehwin- gungen p. sek. abstufen, ebenso in weitem Bereich die Tonstärke durch Veränderung des Telephonabstandes mittels eines Kurbelstativs. In anderen Versuchen wurden die Wechselströme eines kleinen Schlitteninduktoriums verwendet, dessen Wagner’scher Hammer mit der Helmholtz’schen Modifikation versehen war (Ersatz der Öffnungen durch Kurzschlüsse behufs annähernder Auseleichung der beiden Induktionen). Das Hörtelephon muss sich begreiflicherweise stets in einem entfernten Zimmer befinden. Aber auch das Mikrophon wird zweck- mässig von der Wechselstromquelle getrennt und in ein drittes Zimmer verlegt, weil sonst die Geräusche derselben direkt auf das Mikrophon wirken können. Am Hörtelephon wurde kein Transformator verwendet, weil sich derselbe als völlig überflüssig erwies. Gleich bei den ersten Versuchen ergab sich die bemerkenswerte Tatsache, dass das gegen das Mikrophon Gesprochene auch bei dieser Anordnung vernommen und unter einigermassen günstigen Umständen auch verstanden wird; letzteres wurde, wie in meinen anderen Versuchen über Sprachverständnis?), dadurch gesichert, dass der Hörer über die ihm unbekannten Worte, Zahlen, Vokale ein Protokoll zu diktieren hatte. Wie man erwarten wird, Klingt die Sprache stark verändert und ist nie so deutlich wie beim gewöhn- lichen Mikrophonbetrieb. Zu den günstigen Umständen gehört, dass der Ton des Wechselstromes (der „Hauptton“, S. 250) so schwach wie möglich, ja an sich unhörbar ist, wozu bei der Telephonsirene das induzierte Telephon oft um 1—2 cm von der Eisenscheibe ab- gerückt, beim Induktorium ?) die sekundäre Spule oft bis 200 mm von der primären entfernt werden muss. Die Versuche mit dem Induktorium können in jedem Laboratorium leicht wiederholt werden. Bei ihnen klingt die Sprache, offenbar wegen der Tiefe des Haupt- tones oder vielmehr -Geräusches, eigentümlich tonlos, wie geflüstert. 1) Dies Archiv Bd. 91 S. 145 Anm. 1902, Bd. 121 S. 422. 1908. In Er- manglung des Schneidentelephons kann man von einem Siemens’schen Hufeisen- telephon die Eisenmembran und den einen Polschuh nebst Spule entfernen. 2) Hierüber vgl. dies Archiv Bd. 141 S. 12 und ‚die dort zitierten früheren Stellen. 3) Gemeint ist hier die in physiologischen Instituten übliche Grösse, bei getrieb mit einem Tauchelement. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 2353 Im übrigen hat die Höhe des Haupttones zwar Einfluss auf das Verständnis (s. unten), aber keinen so prinzipiellen, dass es nötig wäre, schon an dieser Stelle ausführlich darauf einzugehen. In vielen dieser Versuche kam beim Diktieren langer Reihen von Worten, mehrziffrigen Zahlen oder blossen Vokalen (abgesehen von Ver- wechselungen zwischen E und /, oder O und U im letzteren Falle) kein einziges Missverständnis vor. Am schwersten ist, wie immer, das Erkennen einzelner Vokale; hier wird zweckmässig der Vokal so oft wiederholt, bis der Hörer durch ein Fernsignal zu erkennen gibt, dass er ein Urteil gewonnen hat. Erwähnt sei noch, dass selbstverständlich nicht das mindeste gehört wird, wenn die Sirene, resp. der Wagner’sche Hammer, stillsteht oder die Leitung zwischen Wechselstromquelle und Mikrophon geöffnet wird. Als bemerkenswert bezeichne ich die angeführte Tatsache nicht deswegen, weil ein Mikrophon auch im Nebenschluss wirksam ist; ich habe dies natürlich auch festgestellt, indem ich statt des Wechsel- stroms einen Gleichstrom einführte; aber auch ohnedies würde es niemand bezweifeln. In der Praxis freilich hat man zur Anbringung des Mikrophons im Nebenschluss keine Veranlassung, und sie wäre unzweckmässig, weil seine Widerstandsoszillationen im Hauptkreis eines Elements weit wirksamer sind, namentlich wenn, wie gewöhnlich, in diesen statt des Hörtelephons die widerstandsarme Primärspule eines kleinen Transformators eingeführt ist. Das Bemerkenswerte liegt vielmehr darin, dass die Sprachschwingungen hier nicht als Ordinaten eines Gleichstromes, sondern als Amplitudenschwankungen eines Wechselstroms auf das Hörtelephon und das Ohr wirken. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn durch den Versuch ein ekla- tanter Beweis für die tonartige Wirkung von Amplitudenschwankungen geliefert wäre, worauf dann unmittelbar das Hören von Kombinations- tönen, Unterbrechungstönen und dgl. zurückgeführt werden könnte. Indessen lag es nahe, und erschien vor der theoretischen Ver- wertung unerlässlich, auch musikalische Schalle auf das im Nebenschluss zu einem Wechselstrom geschaltete Mikrophon ein- wirken zu lassen. Als solche wurden benutzt: König’sche Stimm- gabeln, deren Resonanzkastenmündung vor den Mikrophontrichter gehalten wurde, ferner Lippenpfeifen, Glocken und die menschliche Stimme. Am Hörtelephon befand sich stets ein Harmonium zur Feststellung der gehörten Noten. Die Ergebnisse dieser Versuche, 954 L. Hermann: welche mit zahlreichen Personen als Hörer Monate hindurch an- gestellt wurden, waren in mancher Hinsicht sehr überraschend. In sehr vielen Fällen wurde die einwirkende Tonhöhe aus- gezeichnet und richtig erkannt; in vielen anderen war statt eines einfachen Tones eine Art von Tongewirr vorhanden, aus welchem nur unsicher, trotzdem aber oft richtig, der einwirkende Ton heraus- gehört wurde. Bemerkt sei übrigens, dass grundsätzlich der Hörer von dem Tone keine Vorkenntnis hatte. In vielen Fällen wurde aber eine ganz andere Note herausgehört als die einwirkende. Die Abweichung betrug in solchen Fällen meist nur Y/g Ton, aber hald nach oben, bald nach unten; Abweichungen von einem ganzen Ton sind seltener; aber oft wird die Note in eine ganz andere Oktave verlegt, mit oder ohne Abweichung. Nicht selten hört man statt des einwirkenden Tones, oder neben ihm, den Hauptton, oder eine tiefere oder höhere Oktave desselben, welche dem einwirkenden Tone nahe- liegt. Es wurde sicher festgestellt, dass Variationstöne, von denen überhaupt nichts zu bemerken ist, an den Abweichungen nicht beteiligt sind. Am seltsamsten nehmen sich die Abweichungen aus, wenn eine Tonleiter gesungen wird; während einzelne Noten richtig er- scheinen, weichen andere um halbe Töne, ja bis zu einer kleinen Terz ab, wodurch ein ungemein unmusikalischer, fast komischer Ein- druck entsteht. Eine Vorstellung geben folgende Versuchsbeispiele mit besonders grossen Abweichungen: Hauptschwingung (Sirene) c®. Gesungen: ei de wei... g!- V\asıahlaec: Gehört: a a a, Hauptschwingung (Sirene) gis®. Gesungen: ce. ya rer 9" Valle: Gehört: draw reiange it ar Tegiscnch Hauptschwingung (Sirene) g°. Gesungen: CA Re. umması ch Gehört: ce Sersnal—disu. 72, dislesnsen olzach Ähnliche Abweichungen kommen übrigens auch dann vor, wenn das Mikrophon sich im Hauptkreise des Wechselstroms befindet. Beim gewöhnlichen Mikrophonbetrieb mit Gleichstrom (z. B. am Post- telephon zwischen Haupt- und Nebenstelle im gleichen Hause) habe Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne, 255 ich nur sehr selten, und stets weit weniger ausgesprochen, besonders bei Stimmgabeln und kräftigen weiblichen Stimmnoten, unharmonische Abweichungen zwischen Einwirkung und Gehörtem sowie klirrende Beimischungen beobachtet. Dagegen tritt nie etwas derartiges ein, wenn man nur von Telephon zu Teiephon Gesang oder Stimmgabeln wirken lässt; die Ursache aller Abweichungen liegt also im Mikrophon im Nebenschluss zu den Wechselströmen. Eine statistische Zusammenstellung aller Ergebnisse mit den verschiedensten Haupt- und Mikrophontönen ergibt noch folgendes: Unverkennbar ist für die Sprachlaute ein tiefer Sirenenton oder das Induktorium (stets mit Helmholtz’scher Einrichtung) günstiger als frequente Wechselströme. Für den musikalischen Schall ist es nahezu umgekehrt: die Töne werden im allgemeinen besser und richtiger gehört, wenn ihre Noten tiefer liegen als der Hauptton, der also hierzu am besten sehr hoch zu wählen ist. Jedoch. ist dies keineswegs ein strenges Gesetz. Das in mancher Beziehung Rätselhafte dieser Erfahrungen ver- anlasste mich zu neuen Versuchen über die eigentlichen Unter- brechungstöne. II. Vor allem schien es wünschenswert, ohne jede Rücksicht auf theoretische Erwägungen weiteres experimentelles Material über die Bedingungen zu gewinnen, unter welchen Unterbrechungstöne auf- treten oder nicht. In den nicht sehr zahlreichen Arbeiten über diesen Gegenstand sind z. B. die Unterbrechungsfrequenzen meistens wenig varliert und ihr Einfluss auf das Zustandekommen der Unterbrechungs- töne fast gar nicht berührt. In einem Teil der Versuche über Unterbrechungstöne waren, wie Schaefer & Abraham nachgewiesen haben, objektive Töne von einer den Unterbrechungen entsprechenden Schwingungszahl nieht ausgeschlossen, so dass in solchen Fällen der vermeintliche Unterbrechungston durch seinen Resonator verstärkt wurde. Namentlich bei rotierenden Löcherscheiben, welche die Löcher an einer nahen Röhrenmündung oder auch nur an einer nahen Stimmgabel vorüber- führen, sind „Scheibentöne“, wohl durch die Luftwirbel an den Löchern erzeugt, kaum zu vermeiden. Aber diese Ursache vermeint- lieher Unterbrechungstöne kann man nicht dergestalt verallgemeinern, wie es Schaefer tut, indem er König und seinen Nachfolgern 256 L. Hermann: die Unterlassung der Prüfung mit dem Resonator zum Vorwurf macht und hinzufügt, man würde mit dieser Prüfung „gar wicht darauf gekommen sein, aus ihrer (der Unterbrechungstöne) Existenz der Helmholtz’schen Resonanzhypothese sozusagen einen Fallstrick zu drehen“!). Vielmehr sind Scheibentöne ein Ausnahmefall, den man in prinzipiell massgebenden Versuchen zu vermeiden hat. Eine andere Ursache objektiver Unterbrechungstöne, auf welehe namentlich Schulze hinweist, liegt jedesmal vor, wenn die Unterbrechung Perioden von gleicher Beschaffenheit be- wirkt; denn dann lässt sich der Vorgang, wie er auch beschaffen sein möge, durch eine Fourier’sche Reihe darstellen, deren Grundton einen Unterbrechungeston ergibt. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Löcherscheibe mit periodischen Lücken oder Lochgrössenwechseln an- geblasen oder Zahnräder mit periodischen Lücken angestriehen werden. Es ist aber, abgesehen von Zufälligkeiten, ausgeschlossen, wenn der unterbrochene Ton von der Unterbrechungsfrequenz unabhängie ist, also bei rotierenden Stimmgabeln, beim Hören von Gabeln durch rotierende Löcherscheiben und bei Unterbrechungen oder mikro- phonischen Amplitudenschwankungen im Telephonkreise. Versuche ersterer Art sind also ebenfalls prinzipiell zu vermeiden. Es ist übrigens stets im Auge zu behalten, dass weder der Nachweis eines physikalischen Unterbrechungstones mit dem Resonator, noch vollends die zuletzt erwähnte theoretische Begründung der Existenz eines solchen, dazu berechtigen kann, die Koexistenz eines subjektiven König’schen Unterbrechungstones zu bestreiten. Alles wird hier auf eine unbefangene Würdigung der quantitativen Ver- hältnisse ankommen. Bei kräftigen Unterbrechungstönen wird wenig darauf zu geben sein, wenn sie einen Resonator, noch dazu für ein sehr geübtes Ohr, ansprechen. Ferner kann der Grundton der Fourier’schen Reihe, durch die sich ein periodischer Vorgang dar- stellen lässt, ungemein schwach sein, wie man von den Vokalkurveu her weiss. Fast bei allen bisher veröffentlichten Versuchen war die Unter- breehungszahl erheblich kleiner als die Schwingungszahl des Haupt- tones. Hauptsächlich um auch den entgegengesetzten Fall zu ver- wirklichen, habe ich die folgenden Versuche angestellt. Stets wurde 1) Ein Seitenstück zu diesem etwas starken Ausdruck ist der an andrer Stelle vorkommende: König und seine Anhänger hätten die nächstliegende Er- klärungsmöglichkeit übersehen „oder ignoriert“. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 357 je die Telephonmethode benutzt (S. 249). Das Telephon wurde auch hier durch Wechselströome zum Tönen gebracht, welche entweder von der Telephonsirene oder von einem Induktorium mit Helm- holtz’scher Einrichtung geliefert wurden. Als Unterbrecher verwendete ich zunächst, wie Zwaardemaker, eine König’sche elektromagnetische Stimmgabel von 64 Schwin- gungen, welche ungemein regelmässig spielte und bei jeder Schwingung eine von ihr isolierte Stahlspitze in eine enge, mikrometrisch verstellbare Quecksilberröhre eintauchte "). Die Tauchzeiten müssen möslichst kurz im Verhältnis zu den Pausen sein. Ein Kurzschluss sestattete jeden Augenblick, den Hauptton ohne Unterbrechung zu hören. Es wurde unzweifelhaft festgestellt, dass man mit den ver- schiedensten Sirenentönen, von der eingestrichenen bis zur vier- gestrichenen Oktave, sehr schön den Unterbrechungston ( (64) hört; man muss nur den Sirenenton möglichst abschwächen. Zwaarde- maker’s Angabe, welche von Schaefer als ungenau bezeichnet wird, kann ich also nur bestätigen; Näheres hierüber s. unten. Trotz der befriedigenden Wirkung des Stimmgabel-Unterbrechers reichte derselbe zu den beabsichtigten Versuchen nicht aus, weil die Unterbrechungsfrequenz nicht variiert werden kann, während andrer- seits die Haupttöne kaum unter diese Frequenz hinuntergehen können. Daher stellte ich einen Stanniol-Unterbrecher her, bestehend aus einer dicken Glasscheibe, welche auf einer äusserst soliden Achse mit Elektromotor und Vorgelege in schnelle Rotation versetzt werden konnte. Der Randteil der Scheibe ist mit Stanniol beklebt, welcher gegen die Achse hin 18 dreieckige Fortsätze hat; von zwei weichen Drahtbürsten schleift die äussere beständig auf Metall, die innere abwechselnd auf Glas und Metall. Auch hier muss man die Kontakt- zeiten relativ kurz machen, d. h. die innere Bürste nahe an die Spitzen der Stannioldreiecke rücken; ferner empfiehlt es sich auch hier, den Hauptton möglichst abzuschwächen ?). Die Unterbrechungs- 1) Ohne Hauptton hörte man am Telephon vom Stimmgabelton absolut nichts. 2) Von diesen beiden Vorschriften erklärt sich die letztere wohl einfach aus dem Umstande, dass das Mithören des Haupttons stets eine für den Unter- brechungston störende Beimengung ist. Die erstere beruht nicht etwa auf den unten S. 263 anzuführenden theoretischen Erwägungen, welche im Gegenteil gleiche Schluss- und Öffnungszeiten als günstigste Bedingung erscheinen lassen, soudern, wie auch die Vorschrift kurzer Tauchzeit für Quecksilberkontakt 358 L. Hermann: zahl kann mit dieser Vorrichtung leicht und sicher bis etwa 600 p. sek.., für kurze Zeiten noch weit höher getrieben werden. Immer aber hat das Gehörte eine gewisse Geräuschbeimenguns, welche offenbar von unvermeidlichen Ungenauigkeiten des Unterbrechungsvorganges herrührt '). In einem Teil der Versuche wurde zur Produktion des Haupt- tones statt der Sirene (ähnlich wie bei Zwaardemaker) ein Mikro- phon benutzt, an welchem Stimmgabeln, Pfeifen oder die menschliche Stimme einwirkten. Im Mikrophonkreise befand sich ein Akkumulator- element und die primäre Spule eines kleinen Bell’schen Trans- formators, dessen sekundäre Spule im Unterbrecherkreise war. Um jederzeit die Wirksamkeit des Unterbrechers kontrollieren zu können, konnte durch blosses Umlegen einer Wippe ein konstantes Element, statt der Wechselstromvorrichtung, mit Unterbrecher und Hörtelephon verbunden und so die Unterbrechungsfrequenz direkt als Ton gehört werden, eine Kontrolle, welche in keinem Versuch versäumt wurde. Besonders nützlich ist diese Einrichtung, weil man damit während der eigentlichen Versuche durch Hin- und Herlegen der Wippe den gehörten Ton unmittelbar mit dem direkten Unter- brecherton vergleichen kann). (s. oben), einfach darauf, dass beide Kontakte durch Biegung und Anschmiegung der Bürste, beziehungsweise durch Bildung eines Quecksilberfadens beim Aus- tauchen, länger dauern, als es den Anschein hat. 1) Das Problem, absolut exakte rasche Unterbrechungen herzustellen, ist bekanntlich noch nicht gelöst. Auf Grund langjähriger Erfahrungen muss ich behaupten, dass es bisher nicht möglich ist, einen Strom exakt in der Form ILII_ intermittieren zu lassen. Die überall verwendeten Bürstenkontakte genügen nur den Zwecken der Starkstromtechnik vollkommen, nicht aber für das Schleifen auf Unterbrechungswalzen oder dergl., wenn es auf die erwähnte Form genau ankommt. Am wenigsten exakt sind Quecksilberkontakte, da die Spitze nicht allein beim Austauchen einen fortwährend wechselnden Quecksilberfaden bildet, sondern auch die Oberflächenform des Quecksilbers beständig verändert; beides muss bei grösseren Frequenzen die Tauchzeiten unregelmässig machen. Schaefer & Abraham haben in der Arbeit von 1904 u. a. Bernstein’sche Unterbrecher in der Weise verwendet, dass der eine durch seine selbständigen Stromunterbrechungen auf einen zweiten gleichgestimmten sekundär wirkte, der den Telephonkreis unterbrach; sie haben so Unterbrechungsfrequenzen bis 400 erreicht. Es wäre von Interesse, zu erfahren, ob die so unterbrochenen Schalle von Geräuschcharakter frei waren. 2) Die Anordnung war meist folgende: 1. Akt: Hören des Haupttons für sich durch Kurzschluss zum Unterbrecher; Wippenlage zur Tonquelle. 2. Akt: Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 2359 Auch bei diesen Versuchen, welche sich über eine lange Zeit erstreckten, waren namentlich Herr Dr. Sokolowsky und Fräulein Coranda so gütig, mich als Hörer von sicherem Urteil zu unter- stützen, wofür ich hier meinen besten Dank ausspreche. Die Er- gebnisse lassen sich folgendermassen zusammenfassen. 1. Ist die Unterbreehungsfrequenz grösser als die Schwingungszahl desHaupttons(q>p), sotrittniemals ein Unterbrechungston auf, sondern es ist stets nur der Hauptton p zu hören. Diese namentlich für die Theorie wichtige Tatsache wurde unter den verschiedensten Modifikationen des Verfahrens mit der grössten Sicherheit festgestellt. König hat (a. a. O. S. 229) auf Grund einer nicht ganz über- zeugenden Überlegung die Ansicht ausgesprochen, dass im Falle q > p kein Unterbrechungston auftreten kann, hat aber anscheinend über diesen Fall keine Versuche angestellt. Schaefer & Abraham führen in der Arbeit von 1904 (Tab. II, S. 1003) eine Anzahl hierher- gsehöriger Versuche an, in denen q ein ganzes Vielfaches von p war, und nur p» gehört wurde; indessen lag ihnen ein Schluss in dem hier angegebenen Sinne fern. 2. Ist p=g, d. h. Hauptschwingungszahl und Unterbrechungs- frequenz gleich, so hört man nur den entsprechenden Ton. 3. Ein zweifelloser Unterbrechungston tritt nur auf, wenn q<{p, und zwar muss der Abstand einen gewissen Minimalwert überschreiten, welcher in den mittleren Lagen von q (ungestrichene oder eingestrichene Oktave) einen ganzen Ton bis eine Terz beträgt, mit dem Hinaufrücken von q zunehmend. Unter- halb dieses Abstandes hört man nur p, und oberhalb desselben zu- nächst p neben q. Erst wenn der Abstand eine weitere Grenze überschritten hat, für die tieferen Lagen etwa eine Quint, hört man nur den Unterbrechungston q. Auch diese letztere Abstandsgrenze wird unverkennbar mit zunehmender Höhe von q grösser, dergestalt dass wenn q im oberen Teil der eingestrichenen Oktave liegt, selbst mit den höchsten p» (bis c*) kein einfacher Unterbrechungston zu Hören des Unterbrechertons für sich durch Umlegen der Wippe zum Elemente. 3. Akt: Eigentlicher Versuch durch Umlegen der Wippe zur Haupttonquelle. 1. und 2. Akt kurz, 3. Akt lang. Dies Verfahren gewährt eine grosse Sicherheit für die Beurteilung des im 3. Akt Gehörten. 260 L. Hermann: erreichen ist, sondern neben demselben immer p gehört wird. Rückt endlich q in die zweigestrichene Oktave, z. B. auf d?, so konnte überhaupt kein sicherer Unterbrechungston erhalten werden, sondern man hörte stets nur den hohen Hauptton. Die Angabe von Schaefer & Abraham, dass der Unterbrechungston nur dann erscheint, wenn p ein ganzes Vielfaches von g ist, kann ich nicht bestätigen. Auf die Arbeit dieser Autoren, in welcher ausser Bernstein ’schen Federn (S. 258, Anm.) auch rotierende Unterbrecher (bis 1800 p. sek.) benutzt wurden, gehe ich unten näher ein. Weiter zeigte sich folgende merkwürdige Erscheinung, welche sehr an das im ersten Teil Gesagte erinnert. Es kommt nicht selten vor, dass statt des Unterbrechungstones ein um einen halben Ton höher oder tiefer liegender Ton vollkommen zweifellos und von jedem der hinzugezogenen Hörer wahrgenommen wird. Zuweilen wird diese Abweichung durch einen Einfluss des Haupttones herbei- geführt, indem der sozusagen falsche Ton mit einer tieferen Oktave des Haupttones zusammenfiel; aber in vielen anderen, sicher kon- statierten Fällen trifft dies durchaus nicht zu. Ein anderer, eben- falls nicht seltener Umstand ist, dass, namentlich an den Grenzen des Auftretens des Unterbrechungstones, eine tiefere Oktave desselben eehört wird. Etwas Ähnliches kommt auch hinsichtlich des Haupt- tones vor, wenn dieser statt eines Unterbrechungstones oder neben demselben gehört wird; zum mindesten konnten manchmal die Hörer nicht sicher entscheiden, dass der Ton in der richtigen Oktave gehört wurde. Um aber keinen falschen Eindruck zu erwecken, muss hervorgehoben werden, dass alle genannten Abweichungen im Ver- hältnis zum richtigen Hören selten waren. Ich konnte nicht feststellen, dass etwa an diesen Abweichungen die Variationstöne erster oder höherer Ordnung beteiligt waren, welche Schaefer & Abraham in bewunderungswürdiger Weise mit blossem Ohre aus dem Telephonklang (wenigstens teilweise) herausgehört haben, und welche erst später von Schulze theoretisch begründet worden sind. III. Die Vorgänge, durch welche man Unterbrechungstöne zu produ- zieren gesucht hat, lassen sich, in etwas anderer Weise, als es bereits Schaefer getan hat, folgendermassen gruppieren: 1. kontinuier- | Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 261 liche Amplitudenschwankungen eines gehörten Tons, 2. gänzliche Unterbrechungen, also diskontinuierliche Amplitudenschwankungen. Die vollkommenste Art des ersteren Vorgangs erhält man durch Rotation einer tönenden Stimmgabel um ihre Achse (Radau, Beetz, Stefan, Mach). Aber zu umfassenden Versuchen eignet sich dies Verfahren nicht, weil man nur sehr mässige Tourenzahlen erreichen kann!), und weil, wenn man in der Nähe der Gabel ihren Reso- nator aufstellt, was unerlässlich ist, die Wirbel an den scharfen Rändern der Mündung störende Geräusche und Töne verursachen. Trotzdem kann man auf diesem Wege, z. B. mit Gabeln der zwei- gestrichenen Oktave, zweifellose Unterbrechungstöne darstellen, freilich keine höheren als etwa G7s, bis B,. Wie schon Stefan angibt, verschwindet der im Beginn der Drehung schwebungsartig inter- mittierende Gabelton, sobald der Unterbrechuneston auftritt, und kehrt, wenn die Drehung allmählich verlangsamt wird, zurück, falls die Gabel dann noch schwingt. Über die Stefan’sche Modifikation des gleichen Prinzips (Rotation einer fächerartigen Scheibe über einer angestrichenen Klangplatte) besitze ich keine eigenen Erfahrungen. Eine wesentlich unvollkoınmnere Verwirklichung einer kontinuier- liehen Amplitudenschwankung erreichte König durch Anblasen eines rotierenden Löcherkranzes mit periodisch wechselnder Lochgrösse. Dass dies Versuchsverfahren objektive Unterbrechungstöne nicht aus- schliesst, ist oben S. 256 erwähnt. Eine dritte, wie ich glaube, sehr leistungsfähige Form stellen die hier unter I. mitgeteilten Versuche dar, in welchen ein Ton auf ein Mikrophon wirkt, das im Nebenschluss zwischen einer Wechsel- stromquelle und einem Hörtelephon eingeschaltet ist. An dieser Stelle möge kurz erwähnt werden, dass ich auch versucht habe, den von mir zu anderen Zwecken ?) konstruierten „Sinusunterbrecher* für die vorliegende Aufgabe zu verwenden; derselbe führt 12 radial begrenzte viereckige Öffnungen einer rotierenden Scheibe zwischen zwei runden Löchern derart vorüber, dass die frei werdenden Durchgänge sich nach dem Gesetze 1 + singt 1) Am: besten eignet sich zu dem Versuche die Drehbank, welche schon W. Weber benutzte; ich konnte aber eine solche durch einen "/» pferdigen Elektromotor mit Vorgelege nur bis etwa 25, selten bis 23 Touren p. sek. bringen, d. h. 50 resp. 56 Amplitudenschwankungen p. sek. 2) Vgl. dies Archiv Bd, 141 S. 54. 1911. 262 L. Hermann: ändern. Der Apparat liefert, mit Motor und Vorgelege betrieben und zwischen einem Gebläse und einer durch mehrere -Räume gehenden Röhrenleitung eingeschaltet, schöne Töne, welche sich leicht bis in die dreigestrichene Oktave hinauftreiben lassen. Aber diese Töne waren auch ohne Anblasung, durch die blossen Luft- wirbel an den Löchern, ziemlich kräftig hörbar. Wurde eine tönende Stimmgabel an die Stelle des Gebläses gebracht, so ver- stärkte dies den „Scheibenton“ nicht nachweisbar; daneben war stets der Stimmgabelton deutlich zu vernehmen. Zur Produktion von Unterbrechungstönen ist also die Vorrichtung unbrauchbar. Bei weitem die meisten aller veröffentlichten Versuche sind mit wirklichen Unterbrechungen ausgeführt, sei es, dass ein Ton inter- mittierend produziert, sei es, dass die Zuleitung eines kontinuierlichen Toues zum Ohre periodisch unterbrochen wurde. Zu ersterem Zwecke wurden meist Zahnräder mit regelmässigen Zahnlücken angestrichen oder Scheiben mit gruppenweise angebrachten Löchern angeblasen ; zu letzterem liess man Scheiben mit grösseren Löchern vor einer tönenden Stimmgabel rotieren, oder man liess einen Ton auf ein Telephon wirken und unterbrach den Kreis periodisch. In Wirklichkeit ist aber der Unterschied zwischen kontinuier- licher und diskontinuierlicher Amplitudenschwankung in ihrer Wirkung nicht ganz so gross, wie es auf den ersten Blick scheint, worauf schon Seebeck!), dann Stefan?) und besonders Schulze (a. a. O.) hin- gewiesen haben. Bei jeder Art von periodischer Amplitudenschwankung eines Tones sin pt muss sich der Verlauf der Amplitude durch eine Fourier’sche Reihe darstellen lassen. Im einfachsten Falle, nämlich dem einer sinusartigen Schwankung, beschränkt sich die Reihe auf zwei Glieder, nämlich 1 + sin gt. In allen übrigen Fällen kommen hierzu noch Glieder nach 2q, 3q usw. Bei vollständigen Unter- brechungen ist das Verhältnis der Glieder folgendes: Ist auch hier die Anzahl der Perioden (in 27z Sekunden) g, wie im Falle sin gt, und wechselt in allen Fällen die Amplitude y zwischen 0 und %; ist ferner für vollkommene Unterbrechung die Tonzeit !/n der Periode, so ist der Ausdruck der Amplitudenschwankung für den ersteren Fall k ; -y—5 (+ singe), Rn 2 eh) 1) Ann. d. Physik Bd. 63 S. 365 £. 1844. 2) Sitzungsber. d. österr. Akad., math.-naturw. Klasse 1866 Abt. 2 S. 701 Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 263 und für den Fall vollständiger Unterbrechungen !) Ban #2 7C 1 Dt —=— + — [sin — gt + — sin — 2gt Ni, = = (sin & eos = 5 sn c0s2q 17 En +5 eossgt+...), Re 5) welcher Ausdruck für n —= » (gänzliches Schweigen) in 0 und für n=— 1 (beständiges Tönen) in % übergeht. Subtrahiert man diesen Ausdruck von k, so erhält man den Vorgang bei Vertauschung der Ton- und Schweigezeiten (für einen um eine halbe Periode verschobenen Anfangspunkt), d. h. diese Vertauschung ändert nichts an der Zu- sammensetzung der Periode. Ist Ton- und Schweigezeit gleich, d.h. n = 2, so fallen die geraden Glieder fort, und es entsteht Ar; 1 ? 1! r =, + (sat geossgt + zewögt—+...), (6) oder mit Verschiebung des Anfangspunktes um eine halbe Periode 1v-5+=(s a | ee 5gt-+ ) (7 Ho (sing 5, sin ögt , insg er ) Diese Ausdrücke gelten sehr annähernd auch für den Fall, dass n nicht genau — 2 ist, aber 2 nahe liegt. Selbstverständlich genügen die Ausdrücke (5) bis (7) der Bedingung, dass y für einen Teil der Periode (in beiden letzten Gleichungen die Hälfte) = 0, für den Rest = % wird. Der Fall der Halbunterbrechung (n —= 2) er- scheint nicht allein deswegen am günstigsten, weil bei ihm die Grundsehwingung absolut grösser ist als bei jedem andern Werte von n, und am meisten über die aufgesetzten Schwingungen über- ragt?), sondern auch deshalb, weil hier nur die ungeraden Ober- schwingungen auftreten. Noch günstiger freilich ist die kontinuier- liche Amplitudenschwankung (4), bei welcher gar keine Oberschwingung 1) Das folgende ist wesentlich eine etwas vollständigere und vielleicht über- sichtlichere Entwicklung des schon von Schulze Angeführten. 2) Für gewisse Betrachtungen ist es von Interesse, die Koeffizienten der Partialschwingungen in Gleichung (5) numerisch darzustellen. Sie betragen für n = 2: il 0 I 0 0,20 0 . 88 0,588 0,475 0,317 0,147 0 0,096 „ n= 10: 0,309 0,294 0,270 0,238 0,200 0,159 und ihre Verhältniszahlen n— 2: 100 0 33 0 20 0 n=5: 100 &l 54 25 0 16 n = 10: 100 95 87 17 65 Sl 264 -L. Hermann: sich einmischt; der Umstand, dass die Amplitude von sin gt in (4) etwas kleiner ist als in (7) (im Verhältnis 2:4), hat keine Be- deutung, da er leicht durch ein grösseres % ausgeglichen werden kann. Alle vorstehenden Werte von y sind nun mit sin pt zu multi- plizieren, um die ganze Bewegung bei der Einwirkung eines Haupt- tones k sin pf anzugeben. In allen Fällen tritt zum mindesten ein Produkt von der Form «a sin pt sin gt und daneben in der Regel auch Produkte von der Form 5 sin pt sin rgt auf, worin r unter ab- nehmender Grösse des Faktors b alle ganzen, in günstigem Falle nur die ungeraden Zahlen durchläuft. Da jedes dieser Produkte sich nach dem Schema sin pt sin gt— > cos B-)t— 4 cos (p-+g)t als die Summe zweier pendelartiger Schwingungen darstellen lässt, so kann unzweifelhaft jeder derartige Vorgang akustisch als ein Gemisch aus dem Hauptton selbst — wegen des konstanten Gliedes in (4) bis (7) — und einer Anzahl sogenannter Variationstöne auf- gefasst werden. An diese Auffassung knüpft nun die von Schaefer & Abraham aufgestellte, von Schulze unterstützte Theorie der Unterbrechungs- _ töne an. Soweit diese Töne nicht etwa objektive, durch ihren Reso- nator sich verstärkende Beimengungen sind (hierüber s. oben S. 255), ollen sie Dif ferenztöne sein, welehe der Hauptton mit den Varia- tionstönen erster Ordnung bildet; auch je zwei Variationstöne, welche zwei sukzessiven Ordnungen angehören, können, ausser in dem oben angeführten Fall » —= 2, den Unterbrechungston als Differenzton liefern. Ausserdem können neben dem Tone qg auch die Töne 29, 3g ete. auf gleichem Wege entstehen, welche den Unterbrechungs- ton zu einem Klange ausgestalten würden. Für die Differenzton- natur führen Schaefer & Abraham auch gewisse Lokalisations- empfindungen an, welchen eine entscheidende Bedeutung wohl kaum beizulegen ist. So elegant auch diese Theorie ist, zur Erklärung der wirklichen Erscheinungen erscheint sie unzureichend, auch abgesehen davon, dass die Zurückführung auf Differenztöne nur eine Einreihung in eine an sich noch ungeklärte Erscheinungsgruppe sein würde; denn auf dem Gebiete der Differenztöne besteht ja noch heute eine ganz analoge Verschiedenheit der Auffassungen wie auf dem der Unter- brechungstöne. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 265 Vor allem muss es auffallend erscheinen, dass Schaefer & Abraham (1904) Unterbrechungstöne nur hörten, wenn p ein ganzes Vielfaches von q. Offenbar verlangt doch ihre eigene Theorie einen Unterbrechungston auch für alle übrigen Fälle, wie u. a. ein Blick auf die numerischen Beispiele unten S. 266 lehrt. Der Fall p=nqg (n eine ganze Zahl) zeichnet sich doch nur dadurch aus, dass er als Variations- und Differenztöne nur Obertöne von q ergibt. Ebensowenig wird aufgeklärt, warum alle gehörten Unter- brechungstöne, obwohl angeblich nur Differenztöne, objektiv waren. Das Telephon kann schwerlich als Ursache angesehen werden; bisher wenigstens hat Schaefer nur vom sog. Stentortelephon an- gegeben, dass es bei gleichzeitiger Einwirkung zweier Töne einen objektiven Differenzton erzeugt; hier aber wurde ein gewöhnliches Telephon verwendet. Möglicherweise rührte der objektive Unter- brechungston davon her, dass bei 9» — ng der ganze Vorgang periodisch ist und q zum Grundton hat (s. oben S. 256). Gewisse Bedenken, welche sich bei quantitativer Betrach- tung ergeben, und von denen schon Schulze einiges diskutiert, mögen hier unerörtert bleiben. Weiter erscheint es nach dieser Theorie unverständlich, warum nicht ebensogut im Falle 9 >p ein Unterbrechungston entstehen sollte wie im Falle 9<{p. Denn die beiden Variationstöne erster Ordnung sind in beiden Fällen genau dieselben, wenn man p und q vertauscht, also müsste in beiden Fällen der Unterbrechungston erscheinen, während er nach den oben mitgeteilten Erfahrungen immer nur in dem einen auftritt. Wie mir scheint, ist dies als eine Widerlegung dieser Theorie anzusehen. Eine andere Konsequenz der Theorie ist ihren Urhebern an- scheinend entgangen; wenigstens wird sie nirgends erwähnt und ist auch an den Tatsachen nicht geprüft worden. Ist nämlich g>p, so würde von den beiden Variationstönen nur der Summationston p-+g mit p als Differenzton q geben, der Differenzton g—p dagegen den Differenzton 2» —q oder g— 2», je nachdem 9 grösser oder kleiner ist als Y2g. Es müssten also zwei verschiedene Unterbrechungs- töne von wesentlich gleicher Stärke nebeneinander auftreten, während nach meinen Versuchen in diesem Falle überhaupt keiner vorhanden ist. Ist gr». q=324 p=128 l. Variationstöne : 1. Ordnung 196 (g—p) 452 (g+ pP) 2. & *520 (29 —p) "776 (29+P) 2% n 844 (39g—p) 1100 &q+Pp) 2. Differenztöne der Variationstöne: ‘a) zwischen p und Variationstönen 1. Ordnung 68 (g—2p) 324 (q) 2. 5 *392 (29 — 2») 648 (2g) 38 5 716 89—2p) 972 (39) b) zwischen Variationstönen untereinander 1. u. 2. Ordnung *324(g) *68(ga—2») *580 (g+2p) *324(g) 2 dm 824g) 768 2m) "580g 29) 2a) 1.,3. 5 ....648(29) 392 Q@g—2p) 94A(2g+2p) 648 (2q) Im vorstehenden sind diejenigen Töne, welche in Wegfall kommen, wenn Ton- und Schweigezeit ganz oder nahezu gleich sind, mit einem vorgesetzten * bezeichnet, ferner die aus Variationstönen erster Ord- nung hervorgehenden, also stärksten Differenztöne durch starken Druck hervorgehoben. In vielen Fällen ferner, in welchen ein zweifelloser Unter- brechungston gehört wird, liegen die Variationstöne so, dass es fast ausgeschlossen ist, den ersteren als ihren Differenzton aufzufassen. So wurde z. B. in mehreren der oben S. 257 ff. angeführten Versuchs- Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 2367 ui reihen am Mikrophon die Gabel d! (288) bei einer Unterbrechungs- frequenz von 192 (g°) verwendet; der Ton 9° wurde kräftig ge- hört. Die Variationstöne sind hier 96 und 480 (@ und A). Von diesen gibt 7: mit d! am Harmonium oder mit Stimmgabeln zwar den Differenzton g°, aber so schwach, dass schon ein sehr geübtes Ohr dazu gehört, ihn zu erkennen. @ gibt mit d! keinen hörbaren Differenzton; auch würde er, wie überhaupt in allen Fällen, wo g Zn 2 = oder 2sin pt singt —= cos (p—g)t— cos (p+Nt, cosat— cosbt—=2sin Z resp. deren Analoga für die übrigen denkbaren Fälle von Produkten und Summen von cos- und sin- Funktionen. Man kann also folgende zwei Sätze aufstellen: 1. der Zusammenklang zweier einfacher Töne (Primärtöne) ist mathematisch identisch mit einer Amplituden- schwankung ihres Mitteltones2), dergestalt, dass so viel Maxima der Amplitude erfolgen, wie die Differenz der beiden Schwingungszahlen beträgt (Schwebung, Differenzton). 2. Jede derartige Amplituden- schwankung eines Tones ist umgekehrt identisch mit dem Zusammen- klang zweier Variationstöne, deren Schwebungs- resp. Differenz- tonfrequenz die halbe Anzahl der Maxima ist. Diese Analogisierung der Unterbrechungs- und Differenztöne oder der Variationstöne mit den Primärtönen ergibt freilich die Oktave des Unterbrechungstons: dies ist aber ein Umstand, der bekanntlich durch das Hinzukommen des unterbrochenen Tones selbst beseitigt wird; dies hängt damit 1) Dies Archiv Bd. 56 S. 485. 1894. 2) Als Mittelton habe ich in der angeführten Arbeit das arithmetische Mittel der beiden Primärschwingungszahlen bezeichnet. Die Frage der Hörbar- keit eines Mitteltons, die ich damals zweifelhaft gelassen habe, tut hier nichts zur Sache. Offenbar entspricht der Mittelton unserem Hauptton, der dann das arithmetische Mittel der beiden Variationstöne ist Yv(p—q +p+q)=p. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 275 zusammen, dass fast alle Methoden zur Verwirklichung des Unter- brechungsvorgangs es mit sich bringen, dass die Amplituden nicht zwischen einer positiven und einer negativen Grösse, sondern zwischen zwei positiven Grössen oder zwischen O0 und einer solchen stattfinden. Fig. 1. Eine Veranschaulichung durch einige Kurven (Fig. 1) dürfte nicht ganz überflüssig sein. In Schema I, welches meiner eben erwähnten Arbeit von 1894 entnommen ist, stellt die starke Linie A den Vorgang dar: cos 10 E— cos 8t— — 2sintsin9t, dessen linke Seite durch die Einzelkurven m und n angedeutet ist. Von den beiden Faktoren der rechten Seite ist — sin ? durch die punktierte Linie g dargestellt; den andern sin 9 deutet die feine 276 L. Hermann: Linie ö in Schema II an. Die starke Linie 5 in II stellt den Vor- gang dar: 2 sin 92 (L— sint) = cos 10t— cos 8t+ 2sind9t, und zeigt nur ein Maximum für die Strecke, welche in I zwei solche enthält. Man erkennt leicht. dass man aus Kurve A die Kurve D erhält, wenn man auf erstere die Kurve p superponiert. Der Faktor 1—sin 2 ist auch hier durch die punktierte Linie qg angedeutet, welche aber hier um ihre Amplitude nach oben verschoben ist. Während es für Schema I gleichgültig ist, welche von den beiden Zahlen 1 und 9 als p betrachtet wird, ist in II offenbar p = 9 und q = 1 genommen. Im umgekehrten Falle, p=1 und g=9, erhält man die Kurve C. in III, welche also den Vorgang darstellt: 2 sin? (L— sin 92) = cos 1lOt— eos St + 2 sint. Hier bedeutet die punktierte Linie » den ersten, die feine q den zweiten Faktor der linken Seite. Man erkennt, dass hier die raschen Schwingungen gleichsam die punktierte Sinuskurve zur Achse haben !) und die eigentliche Nulllinie nur mit ihren Gipfeln berühren, in der ersten Hälfte mit den unteren, in der zweiten mit den oberen. Physikalisch ausgedrückt stellt Schema I den Zusammenklang der beiden Primärtöne m und » dar, und »» und » sind zugleich die beiden Variationstöne, welche entstehen, wenn eine Stimmgabel, die den Mittelton zwischen m und », d. h. p gibt, so um ihre Achse rotiert, dass die Periode der punktierten Kurve einer Um- drehung entspricht. Man hört das, was man im ersteren Falle als Differenzton, im zweiten als Unterbrechungston bezeichnet, d. h. einen Ton von so viel Schwingungen, wie Amplitudenmaxima vorhanden sind. Die Vertauschung von Stimmgabel- und Rotationsfrequenz müsste eigentlich ohne Einfluss auf die Erscheinungen sein; aus- führbar ist sie kaum. Anders ist es in II und III, wo zwar ebenfalls die Amplitude eines Haupttons nach einem Sinusgesetz oszilliert, diese Sinus- schwingung aber immer auf derselben Seite der Achse bleibt. Hier ist eine Vertauschung von p und q von Einfluss; die beiden Varia- tionstöne bleiben zwar dieselben, es kommt aber, wie oben gezeigt ist, zu ihnen noch ein dritter Ton p hinzu, und zwar bei Vertauschung ein anderer. Ganz streng verwirklicht wird auch dieser Fall niemals, weil statt 1 + sin qt fast stets zu setzen ist «+ b sin gt, worin 1) Selbstverständlich darf dies nicht als eine Superposition auf die punktierte Kurve bezeichnet werden. ; Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. DT, a>b, so dass die Kurven q die Achse nicht berühren, wodurch auch 5 und © eine andere Form annehmen; der objektive Hauptton wird dadurch begünstigt. Nach der exklusiven Resonatorentheorie !), wie sie neuerdings besonders von einer Anzahl von Physikern vertreten wird, kann nun das Ohr bei allen diesen Vorgängen, wenn nichts hinzukommt, nichts anderes wahrnehmen als die darin steckenden pendelartigen Schwin- gungen, also in Schema I m und », in II und III ausserdem p. Dass die Periodik der Amplitudenschwankungen des Gesamtvorganges in Gestalt von Differenz-, resp. Unterbrechungstönen empfunden wird, beruhe darauf, dass stets ein Gebilde von asymmetrischer Elastizität mit im Spiele ist, welches objektive Töne von einer der Amplituden- periodik entsprechenden Schwingungszahl hervorbringt. Man hat zwar vor kurzem versucht, jene unbequeme Asymmetrie als eine entbehrliche Annahme zu beseitigen ?); ich habe aber gezeist?), dass mit ihr die Helmholtz’sche Theorie der Kombinations-, also auch die K. L. Schaefer’sche der Unterbrechungstöne steht und fällt. Man wird zugeben müssen, dass die von mir erhobenen quan- titativen Einwände gegen diese Theorie nicht endgültig beseitigt sind, wenigstens wenn man die asymmetrischen Gebilde im Ohre selbst sucht; und so erscheint immer wieder die Frage berechtigt, ob denn wirklich gar keine anderen Gehörempfindungen existieren, als die durch das Resonatorensystem vermittelten. Auf dem Gebiet der Geräusche, anscheinend der lebenswichtigsten und phylogenetisch ältesten Hörleistung, reicht ganz sicher die Resonatorentheorie in keiner Weise aus. Schon dies sollte zu denken geben. Aber man darf fragen, ob die alte Idee von Young, Lagrange und König, dass Tonempfindungen auch durch blosse schwebungsartige Amplituden- schwankungen von Tonfrequenz entstehen, wirklich definitiv widerlegt ist. Eine Verneinung dieser Frage würde selbstverständlich durchaus kein Aufgeben der resonatorischen Erklärung der Wahrnehmung objektiver Töne bedeuten, welche ich im Gegenteil nach wie vor 1) Als exklusive Resonatorentheorie sei es im Interesse der Kürze ge- stattet die Ansicht zu bezeichnen, dass Tonempfindungen durch physikalische Vorgänge nur dann hervorgebracht werden können, wenn die letzteren auf die Ohrresonatoren wirken. 2) Vgl. Cl. Schaefer, Ann. d. Physik (4) Bd. 33 S. 1216. 1910, und F. A. Schulze, ebendaselbst Bd. 34 S. 817. 1911. 3) Ann. d. Physik (4) Bd. 37 S. 425. 1912. 2378 L. Hermann: als die allein durchführbare betrachte), obwohl ich alle bisherigen anatomischen Lokalisationen, so sicher sie auch vorgetragen werden ?), für mehr als anfechtbar halte. Im Laufe der Jahre habe ich selbst gegen die Lagrange- Young-König’sche Idee gewisse Umstände geltend gemacht, welchen ich aber nach reiflicher Prüfung keine entscheidende Be- deutung mehr beilegen kann. Eine kurze Erörterung dieses Punktes muss hier eingeflochten werden. Ich hatte darauf hingewiesen®), dass das Ohr keineswegs jede Periodik als Ton wahrnimmt. Bei Zusammenklängen, in welchen mehrere Schwebungen auf die Periode fallen, wird immer nur der der Schwebungsfrequenz entsprechende Differenzton, und nie ein Periodenton gehört. Solche Fälle treten ein, wenn die kleinsten Verhältniszahlen der beiden Schwingungszahlen um mehr als eine Einheit voneinander abstehen, z. B. bei der kleinen und der grossen Sext (5:8, 3:5) und bei der kleinen und der grossen Septime (5:9, 8:15); in allen solchen Fällen kommen auf die Periode so viel 1) Ich möchte darauf hinweisen, dass gerade in den Variationstönen eine der besten Stützen für die Resonatorentheorie liest. Ohne Resonatoren erscheint es undenkbar, aus den starken Kurven der Schemata I bis III die Kurven m und n, welche in allen stecken, herauszuerkennen, während das Ohr es, wenigstens unter günstigen Umständen, sehr wohl kann. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass der Resonatorentheorie noch immer eine Anzahl unerledigter Bedenken entgegenstehen. So ist der von M. Wien 1905 erhobene gewichtige Einwand durchaus noch nicht beseitigt. Ferner wäre es für die Theorie eine grosse Schwierigkeit, wenn, wie Lord Rayleish und andere englische Beobachter finden, die Phasen der Töne für ihre seitliche Lokalisation eine Rolle spielen. Weiter ist ein von mir mitgeteilter Versuch mit der Theorie vorderhand schwer vereinbar; er besteht darin, dass ein Zahnrad, dessen Zähne nach je 4 in der Phase verschoben sind, neben dem Unterbrechungston auch den dem Zahn- abstand entsprechenden Ton hören lässt (vgl. dies Archiv Bd. 56 S. 492 und das Schema C in Fig. 6 S. 490. 1894); man kann sich kaum einen Resonator vor- stellen, der durch einen fortwährend phasenumkehrenden Ton angesprochen werden würde. 2) Wie wenig zuweilen beachtet wird, dass die Idee von der Funktion der Radialfasern der Basilarmembran eine blosse Hypothese ist, gegen welche noch dazu schwere Bedenken sprechen, ersieht man u. a. daraus, dass Waetzmann einer an sich ganz berechtigten Diskussion des Dämpfungsgrades, den man den hypothetischen Resonatoren im Ohre zuzuschreiben hat, den sehr anfechtbaren Titel gibt: „die akustischen Eigenschaften der Basilarmembran“. (Verhandl. d. deutschen otolog. Gesellsch. 1910 S. 56.) 3) Dies Archiv Bd. 122 S. 425. 1908. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 279 Schwebungen, wie die Differenz der beiden Verhältniszahlen beträgt, also bezw. 3, 2, 4, 7. Ich habe seitdem solche Versuche mit grösster Sorgfalt auch für andere als den damals angeführten Fall angestellt und stets mit demselben Ergebnis (bei den Septimen sind übrigens Differenztöne nur andeutungsweise und unsicher vernehmbar). Aber mit Unrecht habe ich damals den Umstand, dass nicht jede Periodik einen Ton gibt, als Einwand gegen die Young-König’sche Auf- fassung angesehen. Es genügt, die letztere so zu formulieren, dass jede hinreichend hervortretende periodische Amplitudenschwankung als (Amplituden-) Ton empfunden werde. Um dies inbezug auf die erwähnten Fälle begreiflich zu finden, braucht man nur für die- selben die Kurve des Zusammenklangs herzustellen, und zwar mehrere Perioden im Zusammenhang; für das Auge tritt dann die Einteilung in die wirklichen Perioden wenig hervor, dagegen sehr die Einteilung in Amplitudenperioden von der angegebenen Zahl. Als einen zweiten Einwand gegen die Young’sche Auffassung hatte ich an gleicher Stelle die Tatsache angeführt, dass man bei Tonpaaren, wenn die Differenz ihrer Schwingungszahlen zwischen etwa 50 und 170 ist, nebeneinander die Stösse und den entsprechen- den Differenzton hört!). Allein auch dieser Umstand verliert sehr an Gewicht, wenn man in Erwägung zieht, dass einfache tiefe Töne überhaupt etwas Schwirrendes an sich haben und dieses Schwirren im Charakter dem hier in Rede stehenden sehr ähnlich ist. Als ich neuerdings meine Aufmerksamkeit auf diese wohlbekannte Erschei- nung richtete, war ich überrascht, zu finden, dass die Schwirrempfin- dung bis ziemlich in die Mitte der ungestrichenen Oktave hinauf- reicht, also ähnliche Grenzen hat, wie ich für das Schwebungs- schwirren gefunden hatte. Auf diese Grundlage kann man also schwerlich eine endgültige Entscheidung über die Young-König- sche Auffassung der Differenz- oder Amplitudentöne stützen, und ich bekenne, dass ich im Irrtum war, als ich mich durch sie bestimmen liess, die Ableitung der Differenztöne aus Verschmelzung von Stössen als unmöglich zu erklären. In gewissen Frequenzbereichen scheint eben 1) Erst aus einer Bemerkung Waetzmann’s (Ann. d. Physik, 4. Folge, Bd. 28 S. 1074. 1908) habe ich ersehen, dass K. L. Schaefer ähnliche Be- obachtungen in Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 527. 1905 mitgeteilt hat. Obwohl ich selber noch ältere Angaben von Stumpf (1890) angeführt hatte, hielt Waetzmann die Bemerkung für nötig, dass das von mir Beobachtete „schon vorher bekannt“ war. 280 L. Hermann: die „Verschmelzung“ der akustischen Eindrücke, selbst derjenigen bei einer einfachen Schwingung, zu einer glatten Empfindung nicht vollkommen zu sein, so dass man bei einem tiefen Tone nicht ent- scheiden kann, ob man nebeneinander zwei Empfindungen hat, die des Tones und die von Stössen, oder letztere Empfindung ein Teil der Tonempfindung selbst ist. Die von Waetzmann (a. a. O.) hervorgehobenen vermeint- lichen Unklarheiten oder Widersprüche in meiner Arbeit von 1908 bezüglich meiner Stellung zur Theorie der Differenztöne zeugen nur von meinem Bemühen, der Helmholtz’schen Theorie so weit wie irgend möglich gerecht zu. werden, unbekümmert um Festhaltung eines einmal von mir eingenommenen Standpunktes in einer theore- tischen Frage; es wird jetzt erst recht leicht sein, mir Vorhaltungen dieser Art zu machen, die ich aber gern über mich ergehen lasse. Auch bezüglich der Resonatorentheorie habe ich oben S. 278 Gründe für und wider hervorgehoben und muss darauf gefasst sein, dass mir Unklarheit meines Standpunktes vorgehalten wird. Nach allem Gesagten muss ich also die Lehre von der Existenz von Amplitudentönen sowohl für die Unterbrechungs- wie für die Differenztöne als zum mindesten nicht widerlest erklären. Un- bestreitbar hat es etwas Widerstrebendes, neben den von den Resonatoren ausgehenden Tonempfindungen gewissermassen noch eine zweite Art der letzteren anzunehmen. Aber abgesehen von dem nie aus den Augen zu lassenden Umstande, dass die Resonatoren im Ohr eine Hypothese sind, würde man bei dem Grade unsrer Einsicht in den Mechanismus des Sinnesorgans viel zu weit gehen, einen befriedigenden inneren Zusammenhang beider Erzeugungsarten von Tonempfindungen als undenkbar anzusehen. Ich habe sogar ein denkbares Schema dieses Zusammenhangs angegeben !), dem ich allerdiugs wenig Wert beilege, wie überhaupt allen Schematisierungen auf diesem Gebiet. Aber, wie schon bemerkt, Mangel einer Auf- klärung ist kein Einwand, und besser als eine nur scheinbare. Ich möchte hier daran erinnern, dass es ausser den Differenz- und Unterbrechungstönen noch eine andere Erscheinung gibt, welche be- weist, dass es auch Tonempfindungen gibt, welche durch Resonatoren nicht vermittelt sein können, nämlich die Baumgarten’schen Reflexionstöne, auf welche ich im Anhange eingehe. 1) Dies Archiv Bd. 56 S. 493£. 1904. Neue Versuche zur Frage der Unterbrechungstöne. 381 Wie oben gezeigt worden ist, sird die Bedingungen für das Auftreten der Variations- und der Unterbrechungstöne in dem Grade verschieden, dass sich beide Erscheinungen eher ausschliessen, als die eine durch die andere -bedinet erscheint. Kurz ausgedrückt erscheinen die Variationstöne nur bei Unterbrechung oder Variation sanfter einfacher Töne, die Unterbrechungstöne hauptsächlich bei möglichst ausgesprochenen Unterbrechungen irgendeines nicht zu schwachen Schalles mit Einscehluss der Geräusche und haben nur zur ‘Voraussetzung, dass die Unterbrechungszahl nicht grösser ist als die Schwingungeszahl des unterbrochenen Tones, ferner nicht allzuweit von dieser absteht, endlich auch absolut nicht allzu gross ist. Die Schaefer’sche Theorie kann meiner Ansicht nach diesem Sach- verhalt nicht genügend Rechnung tragen, während die Theorie der Amplitudentöne (so habe ich hier der Kürze halber die Young-König’sche Auffassung bezeichnet) ungezwungen sich mit den Tatsachen abfindet, freilich, ohne sie auch nur annähernd in dem Grade zu erklären wie die Helmholtz’sche Theorie die Wahrnehmung physikalischer Töne. Von allgemeineren Regeln kann man vorläufig und mit allem Vorbehalt höchstens herauserkennen, dass das Ohr nur die hervorragendsten Amplitudenschwankungen als Amplitudenton wahrnimmt, z. B. bei II (S. 275) nur g, bei III nur p, dass ferner die Höhenbeurteilung der Amplitudentöne weit unsicherer und Täuschungen mehr ausgesetzt ist als diejenige physikalischer Töne. Eine weitere Aufklärung liegt wahrscheinlich noch in weiter Ferne. Schliesslich muss noch auf die im ersten Teil dieser Mitteilung angeführten Versuche eingegangen werden. Die interessanteste Tatsache war dort die, dass die Sprache verstanden wird, weın man gegen ein Mikrophon spricht, das im Nebenschluss zu einem Tele- phon das unhörbar leise Geräusch eines Induktoriums beeinflusst. Den Vorgang kann annähernd Fig. 1, III veranschaulichen, wenn man sich die Kurve » fast bis zur Abszissenachse niedergedrückt denkt, und statt der Kurve q die Sprachsehwingungen. Diese werden dann ebenfalls sehr niedrige, da sie immer nur zwischen der Achse und dem Doppelten der jeweiligen Kurvenhöhe sich erstrecken können. Dass unter diesen Umständen die Sprache gehört und verstanden wird, wo nur äusserst winzige Elongationen stattfinden können, ist vor allem ein gutes Beispiel für die enorme Empfindlichkeit des Telephons. Zur Frage der Unterbrechungstöne steht aber die Tat- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 19 389 L. Hermann: sache höchstens insofern in einer gewissen Beziehung, als sie zeigt, dass das Niehthören des g-Tones im Falle q > p nicht auf Geräusche und Sprachschwingungen sich erstreckt. Dass für die Sprachüber- tragung der Wechselstrom an die Stelle des gewöhnlich verwendeten Gleiehstroms treten kann, scheint mir eine Bestätigung des von mir vielfach gefundenen Umstands?!), dass es für die Sprache durchaus nicht auf das Verhältnis der pendelartigen Bestandteile, sondern nur auf die zeitliche Verteilung der Hin- und Hergänge oder der Gipfel ankommt, welche direkt durch den Zeitsinn des Ohres verfolgt wird, und dass eben durch diesen Umstand die Sprache sozusagen „nicht umzubringen“ ist, sonst wäre auch der Telephonverkehr mit seinen verwickelten induktiven Umgestaltungen des Partialtonverhältnisses gar nicht möglich. Dass es nun ziemlich gleichgültig ist, ob die raschen und rasch wechselnden Sprachoszillationen sich auf eine der Achse sehr nahe Gerade (Gleichstrom) oder auf eine Sinuskurve von minimaler Amplitude aufsetzen, erscheint nicht befremdend. Hinsichtlich der musikalischen Einwirkungen besteht in einem Punkte ein Unterschied gegen die Ergebnisse der späteren Versuche. Zwar zeigte sich auch hier eine entschieden bessere Wahrnehmung der q-Töne, wenn g r Re E Elektro- kardio- gramm ie der Herzkammern vom Anfang des ersten Tones bis zum Ende des zweiten, so befindet sich die Zacke R immer ausserhalb dieses Zwischenraumes. Eine Reihe von Tatsachen, hauptsächlich aber unsere (Hoffmann) Versuche an Froschherzen und Judin’s 1) A. Hoffmann, Zur Deutung des Elektrokardiogramms. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 133. 1910. Elektro- kardio- gramm 310 Aug. Hoffmann und WI. Selenin: Versuch am M. gastroenemius haben mit voller Klarheit gezeigt, dass die Zacke R des Elektrokardiogramms und der ihr entsprechende Aufstieg im Elektromyogramm in die Latenzzeit des Reizes des Muskels fallen. Der Ausdruck „Latenz“ klingt bei einer elektrischen Registrierung wie ein Anachronismus, da das, was früher geheim war, jetzt durch die galvanometrische Aufzeichnung offenbar wird. In der zitierten 1/50 Sek. Töne A,carot. Fig. 3. Arbeit schrieben wir (Hoffmann): „Jedenfalls wird das Elektro- kardiogramm uns verständlich, wenn wir wenigstens für den instanten Teil, die Gruppe R, den Ablauf eines Reiz- oder Erregungsvorganges durch den Herzmuskel als Ursache ansehen.“ Diese Definition kommt dem oft gebräuchlichen, obgleich ziemlich unklaren Begriff über die Ausbreitung eines Impulses zur Kontraktion sehr nahe, welchem ka Zeitmessende Versuche über die elektrische Registrierung etc. 311 physiko-chemische Prozesse, deren elektrisches Äquivalent die Zacke R vorstellt, zugrunde zu liegen scheinen. Somit muss seinem eigentlichen Wesen nach dieser Prozess der Muskelkontraktion, d. h. dem mechanischen Akt, oder — wenn es sich um das Herz handelt — der Systole der Herzkammern voran- sehen, was mit den oben angeführten Tatsachen vollkommen über- einstimmt und die von Brücke ausgesprochene Voraussetzung, dass die Zacken AR und 7 zwei verschiedene Stoffwechselvorgänge aus- drücken, bestätigt. Zur Beurteilung der systolischen Phase (resp. der E Muskelkraft des Herzens) ist \ demnach nur der Abschnitt \ des Elektrokardiogramms vom ziexktro- P 3 | - 5 = kardio- Ende von R bis T inklusive gramm vn zu erwarten. Man darf aber 1} \ 1} ) I nicht übersehen, dass das Säugetierherz zwei Herz- Töne_ | kammern besitzt, die in bezug I | auf die von ihnen ausgehenden elektrischen Ströme sich in _. Ha 5 ; Spitzen- einem ganz bestimmten Konnex :t°°°- miteinander befinden. Dieses wurde in unserer [Selenin] !) | Arbeit dargelegt, soll aber in des UN einer weiteren Arbeit?) einer senaueren physikalischen Ana- Fig. 5. Schema. lyse unterworfen werden. Zunächst mögen die Suspensionskurven in den Kreis der Be- trachtung gezogen werden, die durch dasselbe Verfahren, d. h. mittels einer galvanometrischen Registrierung erhalten wurden. Vor allem müssen einige Worte über die Versuchsbedingungen, welche die Öffnung des Thorax begleiteten, gesagt werden. Wir haben den ge- wöhnlichen Apparat zur Einleitung der künstlichen Atmung durch das Volhard’sche Verfahren, welches in der Münchener med. 1) Dr. med. Wlad. Ph. Selenin, Das Elektrokardiogramm und die pharmakologischen Mittel aus der Gruppe des Digitalins und des Digitoxins. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143. 2) Siehe dieses Aıchiv. Selenin, Zur physikalischen Analyse usw. 312 Aug. Hoffmann und WI. Selenin: Wochenscehr. 1908, Nr. 5, beschrieben ist, ersetzt. Ausser dem Interesse , welches die Vermehrung der Beobachtungen über die Wirksamkeit dieser physiologischen Methode bot, war es auch noch deshalb interessant, sie anzuwenden, weil man schon a priori gewisse Vorteile davon speziell für die Aufzeichnung des Elektrokardiogramms erwarten konnte. Es müssen hier zwei Momente unterschieden werden: 1. die Erschütterung des Thorax durch den Akt der künst- lichen Atmung, welche einen Einfluss auf den Charakter der Suspen- " sionskurve, welche mittels eines so empfindlichen Apparats erhalten wird, ausüben kann; 2. wirkt das Vorhandensein eines elektrischen Motors, der den Apparat zur Herbeiführung der künstlichen Atmung in Bewegung setzt, nachteilig auf die galvanometrischen Registrie- rungen wie übrigens eine jede Quelle sekundärer, auf die Saite ein- wirkender Ströme ein. Dabei muss bemerkt werden, dass in unseren Versuchen die grösste Sorgfalt angewandt wurde, die für das physiologische Experi- ment notwendigen Bedingungen zu schaffen. Die Temperatur des ÖOperationszimmers fiel nicht unter 17° R. Der Hund wurde während der ganzen Dauer des Versuchs mit warmen Tüchern beleet, die so- bald sie abgekühlt waren, gewechselt wurden. Wir geben hier das Protokoll eines solchen Versuchs. Hund von 6 kg Gewicht. Nach der subkutanen Injektion von 5 cem Sol. Morphii muriat. 4% und der intravenösen Eingiessung von 3 ccm Curarin (l ccm führt den Tod von 50 Mäusen herbei) wurde das Tier tracheotomiert und durch die Wunde bis zur Bifurkation der Bronchien (man stösst auf Widerstand) ein feiner Nelaton’scher Katheter eingeführt, der durch ein System von Gummi- und Glasröhren mit einem Sauerstoffbehälter verbunden war. Der anfänglich schwache Gasstrom (wird beständig durch einen Nebenschlauch kontrolliert) wurde nach der Öffnung des Thorax bedeutend verstärkt, so dass die Lungen fortwährend einen gewissen Grad von Aufblähung besassen). Infolge des reflektorischen Reizes des Vagus ist in diesem Stadium der Puls etwas verlangsamt, während das allgemeine Profil der elektrischen Kurve unverändert bleibt. Die Herz- tätigkeit ist befriedigend. Das Tier lebt nicht weniger lange, als es in solchen Fällen gewöhnlich ist (im beschriebenen Versuch 1 St. 40 Min... Nach der Spaltung des Herzbeutels wurden beide Herzkammern folgendermaassen mit dem Registrierapparat verbunden. Mit einer Serre-fine aus Neusilber wurde eine Stelle des rechten Ventrikels nahe an der Basis in der Nähe des Auriculum und eine Stelle des linken nahe der Spitze ergriffen. Die Fäden an den Serre- fines gehen zu kleinen Hebeln mit angehängten Magneten, die bei dem Fort- rücken der der Registrierung unterworfenen Stelle des Herzmuskels sich in das Innere einer Induktionsspirale senken und auf solche Weise in derselben elek- - trische Ströme induzieren, die ihrerseits zum Galvanometer abgeleitet werden. Die auf diese Art vermerkten Kurven sind hier dargestellt. Fig. 6. Zeitmessende Versuche über die elektrische Registrierung etc. 213 Bevor wir an die Analyse derselben herantreten, muss bemerkt werden, dass hier verschiedene Kombinationen möglich sind, und zwar: 1. die Suspensionskurven des rechten und linken Ventrikels; 2. das Elektrokardiogramm und die Suspensionskurve des rechten Ventrikels; 3. das Elektrokardiosramm und die Suspensionskurve des linken Ventrikels. Infolge der Art der Einschaltung der Induktionsspirale in das Galvanometer sind die systolischen Aufstiege der Kurve nach unten gerichtet. Schon der erste Blick zeigt eine bedeutende Verspätung der Zacke, welche die Höhe der Systole der linken Herzkammer aus- drückt, im Vergleich zu der entsprechenden Phase der rechten. Diese Verspätung entspricht einem Zeitraum von 0,07 ”—.0,08”, Durch die Untersuchungen von Frederique und Stassen und Schmidt-Nilson ist festgestellt, dass beide Herzhälften sich nicht absolut gleichzeitig kontrahieren, sondern der rechte Ventrikel soll 0,03—4” seine Kontraktion früher beginnen als der linke. Rothberger und Eppinger°) bezweifeln aber die Richtigkeit der Versuchsergebnisse. Es geht hier bei unserm Tier, wie aus den vor- liegenden Versuchen herzuleiten ist, die Systole des rechten Ven- trikels der des linken um eine kurze Zeit voraus. Allerdings handelt es sich bei der Systole nicht um eine einfache Muskelzuckung, sondern um eine peristaltische Bewegung, deren erste Anzeichen in den Papillarmuskeln gefunden werden. Die Versuche der genannten Autoren sind ebenso wie die unsrigen an Tieren gemacht, deren Herzen durch Thoraxeröffnung usw. bereits in ihrer Vitalität beeinträchtigt waren. Jedenfalls ist ein an solchen Tieren gewonnenes Ergebnis bei der von einem von uns (Selanin) nachgewiesenen Empfind- lichkeit des Herzens für allerlei Eingriffe nicht absolut einwandfrei. Es ist, da in der Norm die Differenz beider Ventrikel nach Stassen 0,03 Sekunden beträgt (d. i. die Differenz zwischen Systole des linken und rechten Ventrikels), die veränderte Differenz unserer Versuche, vielleicht durch die immerhin mannigfaltige Manipulation an Thorax und Herz des Hundes sowie durch die Narkose usw. zu erklären. 1) Fredericque, La pulsation du ceur du chien. Arch. intern. de Physiol. t.4. 1906 et 1907, 2) Stassen, L’ordre de succession des differentes phases de la pulsation cardiaque chez le chien. Arch. intern. de Physiol. t.5. 1907. 3) Centralbl. f. Physiol. 1911 Nr. 23. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 146. 21 314 Aug. Hoffmann und WI. Selenin: Das am Anfang des Versuches verzeichnete Elektrokardiogramm hat nun das normale Aussehen (Fig. 7). Die auf Fig. 8 dargestellte Kurve wurde gleich nach der mechanischen Registrierung (Fig. 6) erhalten. Von dem ersteren ist es durch einen Zeitraum von 40 Minuten getrennt, während dessen der Hund morphinisiert, kura- risiert, unter Anwendung der Volhard’schen Methode tracheotomiert, der Öffnung des Thorax und Mani- pulationen am Herzmuskel selbst unterzogen, — kurz einer ganzen Reihe von Momenten unterworfen wurde, die in der physiologischen Methodik für unvermeidlich ge- halten werden, die aber für ein so zartes Organ wie das Herz nicht spurlos vorüberzugehen scheinen. Das Bild der galvanometrischen Darstellung spricht darfür, wie ein Vergleich der beiden Bilder zeigt, dass der Charakter der Herztätig- keit in etwa verändert ist. Nach der von einem von uns [Selenin]!) vorgeschlagenen Theorie des Elektrokardiogramms zeigt eine Kurve, wie die in Fig. 3 dargestellte,einerhythmischeLängs- dissoziation mit Verspätung der Erresung und Kontraktion gerade des linken Ventrikels an; für welche als elektrisches Äquivalent die Zacken $ und 7 nach Eint- hoven’s Nomenklatur anzusehen sind, während die Zacke R und die der Zacke T vorangehende negative Welle (7, nach Selenin) der Tätigkeit des rechten Ventrikels entsprechen. Zieht man in Betracht, dass schon dem normalen Elektrokardio- gramm, in dessen ventrikularem Abschnitt nur zwei Zacken (R und 7) deutlich ausgeprägt sind, eine gewisse, so zu sagen physiologische Längsdissoziation zugrunde liegt, so darf man erwarten, dass das r.Ventr. \ 1. Ventr. : Fig. 6. Suspensionskurve. 1) Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143 S. 137. Zeitmessende Versuche über die elektrische Registrierung etc. 315 Elektrokardiogramm erst beim Vorhandensein einer Dissoziation, welche die physiologischen Verhältnisse übersteigt, ein atypisches - Bild liefern wird. Wie oben ausgeführt wurde, bleibt die „Höhe“ der Systole des linken Ventrikels gegen die entsprechende Fhase des rechten um 0,07—0,08” zurück. Zieht man davon 0,03” ab, welche die Autoren für eine normale Inkoinzedenz der entsprechen- .den Phasen ansehen, so zeigt das Elektrokardiogramm eine Ver- spätung der mit der Tätigkeit des linken Ventrikels verbundenen elektrischen Prozesse den analogen Momenten des rechten gegenüber um 0,04—0,05”, was dem Zeitraum zwischen dem höchsten Punkt der Zacke R und demjenigen der Zacke $ sowie dem Zeitraum Kig. 7. zwischen 7 und 7, vollkommen entspricht. Was das Verhältnis der Suspensionskurve zu dem Elektrokardiogramm anbetrifft (gleich- zeitige Registrierung), so ist darüber zu bemerken, dass die Höhe der Systole des rechten Ventrikels in den Abschnitt A—T7,, das gleichnamige Moment der Tätigkeit des linken zwischen 5 und 7 fällt; beide Aufstiege der mechanischen Kurve liegen näher der ersten Zacke (R oder 8), während die Welle der A. carotid., wie schon erwähnt, sich mehr der zweiten nähert. Bei Benutzung derselben Methode ist es uns gelungen, folgen- des nicht uninteressante Bild zu erhalten (s. Fig. 9). Dasselbe zeigt ein Elektrokardiogramm, welches aus lauter isolierten „Extrasystolen“ vom linken Typus besteht. Es bestand agonale Hemisystolie. Eine gleiehzeitig registrierte Suspensionskurve des rechten Ventrikels, 21 = 316 Aug. Hoffmann und WI. Selenin: welcher vollständig in Ruhe blieb, zeigt nur leichte Schwingungen, die offenbar vom linken Ventrikel zugeleitet wurden. Aus letzterem Versuch geht hervor, dass bei Hämosystolie, d.h, bei nur Schlagen eines Ventrikels, in diesem Falle am linken sich ähnliche Kurvenbilder, finden wie sie Eppinger und Rothberger erhielten bei Durchschneidung des rechten Tawara’schen Schenkels. Es ist also dem linken Ventrikel, auch wenn er allein schlägt, eine, besondere zunächst nach abwärts, dann nach aufwärts gerichtete diphasische Schwankung eigen. Durch diesen Versuch ist zum ersten Male das Elektrokardiogramm des linken Ventrikels absolut rein dargestellt, während in sonstigen Versuchen ja immer noch Kontra- Fig. 8. linien des rechten Ventrikels, wenn auch nachträglich, noch hinzukamen. Das Elektrokardiogramm gleicht ausserordentlich dem Typus 5 der Extrasystolen, deren Ursprung ja auch nach den experimentellen Versuchen von Kraus und Nicolai und Rehfisch und anderen dem linken Ventrikel zugeschrieben wird. Es lässt sieh nun nach dem oben Dargelegten, durch die neue und ohne Zeitverlust arbeitende Registrierung der mechanischen Herz- tätigkeit im Vergleich zum Elektrokardiogramm im weitgehenden Maasse ein Rückschluss auf die Beziehungen des Elektrokadiogramms zu den Bewegungsverhältnissen des Herzens ziehen. Die ungleich- zeitige Zusammenziehung der beiden Ventrikel, die sich besonders gut bei dem schon in seiner Lebensfähigkeit geschädigten Herzen zeigt, findet sich auch im Elektrokardiogramm deutlich ausgedrückt. Es zeigt dies nun, dass wir eine Zunahme der physiologischen Längs- Zeitmessende Versuche über die elektrische Registrierung etc. any dissoziation im Elektrokardiogramm nachweisen können, dass hiermit eine einwandfreie Erklärung für Veränderungen des Elektrokardio- sramms, welche ohne Lageveränderung vorkommen, gegeben ist. Alles das spricht dafür, dass der sogenannte instante Teil des Elektrokardiogramms, welcher durch die Zacken Qu RS gegeben Fig. 9. wird, dureh derartige zeitliche Dissoziationen geändert werden kann. Auch die Zacke 7 kann dadurch verändert werden, und zwar in dem Sinne, dass sie nicht mehr eine einfache Erhebung, sondern eine anscheinend diphasische Schwankung darstellt. Nach den Feststellungen des einen von uns (Hoffmann) ist zwar die Zacke T mit dem Kontraktionsablauf im Herzmuskel eng ver- bunden — sie lässt sich durch Verlangsamung der Kontraktionswelle der Kammern hinausschieben und ihre Grösse beeinflussen — während 318 Aug. Hoffmann und WI. Selenin: Zeitmessende Versuche etc. im Gegensatz dazu Q R S davon unbeeinflusst stets der Kontraktion vorausgehen, unter Umständen auch längere Zeit vor dem Beginn der mechanischen registrierbaren Kontraktion. In den Grössen- verhältnissen der Wellen R und $ ist niemals ein Ausdruck für das Maass der Kontraktilität oder Kraft des Herzens zu suchen. Es sind wahrscheinlich zeitliche Dissoziationen beider Ventrikel, welche in erster Linie die Grösse dieser Ausschläge bestimmen. 319 * (Aus dem Laboratorium der akademischen medizinischen Klinik zu Düsseldorf und dem pharmakologischen Institut der Universität Moskau.) Zur physikalischen Analyse des Elektro- kardiogramms. Von Dr. med. W. Ph. Selenin (Moskau). (Mit 25 Textfiguren.) Die Anwendung des Saitengalvanometer hat schon ihre Ge- schiehte. Das Auflodern des allgemeinen Interesses für den von Einthoven konstruierten Apparat schien darauf hinzuweisen, dass die Aufmerksamkeit sich hauptsächlich auf die Methode selbst kon- zentrieren würde, die mit demselben, ja mit noch grösserem Recht in das Gebiet der reinen Physik wie in dasjenige der Physiologie gehört. Und wirklich, anfänglich wurden dem Bau des Apparates und der theoretischen Betrachtung seiner Eigentümlichkeiten Schriften und Arbeiten gewidmet. Insbesondere war es die Physiologie der Nerven, die in demselben einen Halt bei der Lösung der mit der Leitung der elektrischen Energie verbundenen Fragen fand. Nach der Aufzeichnung des Elektrokardiogramms gelangte die Frage in eine neue Phase ihrer Entwicklung. Diejenigen, die es beobachteten, wie immer weitere medizinische Kreise von der neuen Registrierungsmethode ergriffen wurden, werden sich wahrscheinlich auch der Erwartungen erinnern, die dieselbe in bezug auf die Lösung komplizierter diagnostischer Fragen erregte. Anfänglich schien es, als würde es die Biologie sein, die von der neuen Strömung den grössten Nutzen davontragen werde, dass alle oder wenigstens die meisten Untersuchungen auf das Studium der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Quellen der elektrischen Energie und den Bedingungen ihrer Verbreitung, welche schon von vornherein als sehr kompliziert und verwickelt gedacht werden mussten, gerichtet werden würden. Es genügte aber, einige Tat- 320 W. Ph. Selenin: sachen zu verzeichnen, die das Recht zu geben schienen, von der Elektrokardiographie für die klinische Beurteilung der Herztätiekeit brauchbare Resultate zu erhalten, damit der Schwerpunkt der Ex- perimente, der Beobachtungen, Untersuchungen und der Tendenz der Frage selbst aus dem Gebiet der Biologie im allgemeinen in die Klinik, an das Krankenbett versetzt wurde. Mit fieberhafter Eile wurden Theorien geschaffen, die sich oft gegenseitig ausschliessen. Die einen davon beschäftigen sich mit der Analyse, dem Gruppieren und detaillierten Beleuchten der schon gewonnenen Tatsachen; die anderen suchen mit der ganzen Kraft der Intuition in das Wesen der feinsten Prozesse einzudringen; bei allen aber macht sich das Bestreben fühlbar, eine für den Klinizisten verständliche Sprache zu finden, mit der funktionellen Diagnostik der Herztätigkeit verknüpfte allgemeinere oder, im Gegenteil, spezielle Fragen zu lösen. Infolge einer solchen Tendenz der Untersuchungen, bei welcher die Bestimmung des praktischen Wertes der Methode deren all- gemein-biologische Bedeutung in den Schatten stellte, wurde die Literatur über das Elektrokardiogramm von unzähligen Aufzeichnungen der elektrischen Herzkurve unter den verschiedensten Umständen, in Verknüpfung mit dem Alter, dem Geschlecht, der Lage des Patienten auf einer oder der anderen Seite, der Muskelspannung, dem Einfluss thermischer, pharmakologischer und andere Agentien auf das Herz überflutet. Es dürfte keine solche Kombination geben, die man nicht schuf, um nur das Elektrokardiogramm aufzuklären (resp. zu komplizieren), zu erraten. Das grosse klinische Material zeugt dafür, dass auch die Praktiker sich bestreben, zur Lösung der Rätsel beizutragen, welche das Eiektrokardiosramm aufeibt. Trotz dieser Anspannung der Kräfte des kollektiven schöpferischen Geistes fehlt uns bis jetzt eine befriedigende Erklärung der sich im Herzen abspielenden elektrischen Prozesse, eine Erklärung, die eine selbst nicht sehr strenge Kritik zufriedenstellen könnte. Meiner Ansicht nach hängt dies hauptsächlich davon ab, dass die Autoren sich nicht aufmerksam genug mit der physikalischen Seite der Frage be- schäftigten. In der Tat: es ist eigentlich ganz einerlei, was als Quelle der Elektrizität dient: ob chemische Prozesse in den gal- vanischen Elementen, oder die von einer Dynamomaschine ausgehende elektrische Energie, oder diejenige eines Muskelorgans, wenn nur der entstandene Strom denselben, zum Teil von der Physik schon fest- gesetzten Gesetzen unterworfen ist. Natürlich müssen hier auch die Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 321] Komplexe und wunderlichen Charaktere der Wechselbeziehungen bei den verschiedenen Lebensvorgängen in Rechnung gezogen werden, welche auch bei der Entwicklung der elektrischen Energie im Zentral- organ des Blutumlaufs statthaben, — doch ist dies das Schicksal alles Lebenden und auch das Schicksal des Biologen! Vor allem wirft sich die Frage auf, was das Elektrokardiogramm eigentlich ist, ob wir das Recht haben, bei der Anwendung dieses Ausdruckes die vom Galvanometer aufgefangenen Ströme auf das ganze Herz zu beziehen, mit anderen Worten, ob das Elektrokardiogramm die Registration der summaren Tätigkeit der verschiedenen Abtei- lungen des Zentralorgans des Blut- umlaufs vorstellt. Die meisten For- scher, besonders diejenigen der klinischen Richtung, scheinen zu einer positiven Antwort geneigt zu sein, da eine negative den klini- schen Wert der Methode bedeutend herabsetzen würde. Wir müssen jedoch gestehen, dass es uns im allgemeinen kaum jemals gelingen wird, ein wirkliches Elektrokardiogramm aufzuzeichnen, d. h. die ganze Summe der elektrischen Prozesse, welche die Ursache oder die Wirkung der eigentüm- lichen Funktionen des Her- zens sind, zu erfassen. Unterwerfen wir einer genaueren Kritik, als dies gewöhnlich geschieht, die drei verbreitetsten von Einthoven eingeführten Methoden der Einschaltung eines Tieres (resp. Menschen) in die Kette des Galvanometers, die sogenannten Ableitungen I, II und II. Ich benutze das Waller’sche Schema der isopotentialen Linien mit der konventionellen Bezeichnung des Potentials nach Nicolai. 1) Ich sehe von der etwas verschiedenen Konstruktion dieses Schemas ab, das meinen Vorstellungen besser entspricht. Siehe weiter unten. Abl. III Abl.I 322 W. Ph. Selenin: Fig. 1 zeigt, dass wir bei den verschiedenen Ableitungen gleich- sam Schnitte durch das Herz führen, wobei die ungleichen Abschnitte desselben sich miteinander durch Leiter, zu denen auch das Galvano- meter selbst, d. h. dessen Saite eehört, verbunden erweisen. Bei der I. Ableitung (der rechte und der linke Arm) sind die Abschnitte verbunden, welche der Basis und dem unteren Drittel des Herzens entsprechen; die Differenz der Potentiale wird durch die algebraische Summe—=6 ausgedrückt. Bei der II. Ab- leitung (der rechte Arm — der linke Fuss) können wir schon eher von einem Elek- trokardiogramm reden, da die elektrischen Ströme der entferntesten Herz- abschnitte abgeleitet wer- den. Die algebraische Summe der Potentiale =[1. Etwas abgesondert steht die III. Ableitung (der linke Arm — der linke Fuss) da: diese gibt die vom gewöhn- lichen Typus am meisten abweichenden Kurven so- wohl bei Personen mit nor- malem Herzen als besonders bei Kranken. Schon aus dem angeführten, ziemlich groben Schema ist ersicht- lich, dass die Elektroden an solche Zonen angelegt werden, die fast bis zu einem und dem- selben Potential geladen sind (die algebraische Bedeutung des Potentials ist bloss 1). Wenden wir uns nun den elektrischen Kurven zu, so sehen wir in der Tat, dass bei der II. Ableitung (Fig. 3) alle Zacken, be- sonders aber S und T, im Vergleich mit denjenigen der I. Ab- leitung (Fig. 2) grösser sind. Bei der III. Ableitung (Fig. 2) ist 8 noch deutlicher ausgedrückt, während R fast bis zur Abszisse ge- Eig. 2. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 323 sunken ist. Was die soeben erwähnte Veränderung der Grösse der Zacken anbetrifft, so dürfte sie Einthoven’s „Regel“ (die man, beiläufig gesagt, eher eine Ausnahme nennen sollte) I+ IT = II am besten entsprechen. Aus dem angeführten Schema erhält man dieselbe Gleichung: 6+ 1 —= 717. Selbstverständlich darf hier keinerlei Gesetzmässigkeit erwartet werden, da in Abhängiekeit von der Lage des Herzens im Brustkasten (es gibt ja keine zwei Herzen, die sich in identischen topograpischen Bedingungen befinden) der unter den „Sehnitt“ geratende Teil des Herzmuskels ein anderer ist. Die Ab- leugnung irgendeiner „Regel“ ergibt sich somit aus apriorischen Betrachtungen, wern man das Herz sogar als ein einkammeriges Organ ansieht. Noch komplizierter er- weisen sich die Bedingungen, wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass das Herz der Säuger aus zwei Ventrikeln besteht, die offenbar in einem gewissen Maasse als selb- ständige Quellen elektrischer Energie auftreten, wobei ein jeder für sich bei den verschiedenen Ableitungen die Bilder der galvanometrischen Aufzeichnungen beeinflusst. Das ganz eigentümliche Aussehen der Fig. 3. Kurve bei der III. Ableitung kann in dem Sinne gedeutet werden, dass in den „Schnitt“ ein grosser Teil des linken Ventrikels und ein verhältnismässig unbedeutender des rechten geraten ist (s. Fig. 1). Die scharf ausgeprägten Zacken & und 7 dienen meiner Theorie noch, die ich in einer früheren Arbeit !) darlegte und in vorliegender weiter entwickle, als Ausdruck der vorherrschenden Rolle gerade des linken Ventrikels. Es wäre sehr wünschenswert, solche Ableitungspunkte zu finden, welche es möglich machen würden, sich ein Urteil über den funktio- nellen Zustand eines bestimmten Herzabschnittes zu bilden. Auf Grund der erwähnten Theorie würde die vorherrschende Bedeutung 1) W. Ph. Selenin, Das Elektrokardiogramm und die pharmakologischen Mittel aus der Gruppe des Digitalins und des Digitoxins.. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143. 1911. Abl. IT 324 W. Ph. Selenin: des rechten Ventrikels sich durch die Verkleinerung (bis zum voll- ständigen Verschwinden oder sogar bis zur negativen Richtung) der Zacke T und der Vergrösserung der Zacke R (wenn es keine aus- Fig. 4. Sagittale Ableitung. geprägten @ und 5 gibt) kundgeben. Da der rechte Ventrikel mit seiner Hauptmasse dem Sternum anliegt, so hoffte ich beim Anlegen der einen Elektrode an dieses, der anderen an das Rückerat auf Fig. 5. derselben Höhe (Sagittalableitung) hauptsächlich die Ströme des rechten Ventrikels aufzufangen. Untenstehend ist eine von einem gesunden Menschen auf diese Weise erhaltene Kurve (Fig. 4). Zum Vergleich gebe ich ein bei der II. Ableitung aufgezeichnetes Elektrokardio- Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 395 gramm (Fie. 5). Die erste Kurve ist durch die beinahe vollständige Abwesenheit von 7 charakterisiert (stellenweise unterscheidet man die negative Welle 7). Der Aufstieg von R wird durch die gleich- zeitig vorhandene Zacke @ markiert. Ohne der beschriebenen Ab- leitung!) eine endgültige Bedeutung zuzuschreiben, möchte ich hier jedoch auf die Unsicherheit der den meisten Autoren innewohnenden Tendenz, auf Grund des (kombinierten) ?) Elektrokardiogramms sich ein Urteil über die Verbreitung des Reizes im Herzen selbst bilden zu wollen, hinweisen. Dies ist der Grund der vielen widersprechenden Meinungen. So glaubt z. B. MaeWilliam, dass der Reiz an der Spitze entsteht und sich nach der Basis hin verbreitet. Waller verficht die diametral entgegengesetzte Ansicht. Gotch nimmt an, dass die elektrische Welle an der Einmündunssstelle der grossen Venen in das Herz entsteht, sich gegen die Spitze und von dort gegen den Conus arteriosus wendet und auf diese Weise eine Schlinge macht. Bayliss und Starling sind geneigt, anzunehmen, dass der Reiz gleichmässig an verschiedenen Stellen entsteht und ver- schiedene Dauer hat. Auf demselben Prinzip beruht hauptsächlich auch die gegenwärtig besonders interessierende Erklärung Eint- hoven’s: die Zacke @ wird demnach deshalb erhalten, weil die Teile des rechten Ventrikels und der Spitze zuerst den Reiz er- halten; dann erhalten ihn der linke Ventrikel und die Basis, was durch die Zacke R ausgedrückt wird; weiter wird die Zacke S von den übrigen, mehr oberflächlich gelegenen Teilen des linken Ven- trikels, welche in der Nähe der Spitze liegen, gebildet. Zwischen & und 7 schweigt das Galvanometer, was die gleichzeitige gleichmässige Kontraktion aller Teile des Herzens bedeutet. Schliesslich soll der Aufstieg der Zacke 7 die nichtgleichzeitige Beendigung der Kon- traktionen beider Ventrikel bedeuten. Erschlafft der rechte Ventrikel früher, so geht die Zacke 7’ nach oben, bei dem umgekehrten Ver- hältnis geht sie nach unten; die gleichzeitige Beendigung der Systole beider Ventrikel bedinet das vollständige Verschwinden der Zacke T. Alle diese Meinungen habe ich nur angeführt, um zu zeigen, auf welche Irrwege wir geraten würden, wenn wir die angeführten 1) Mir ist das Streben einiger Autoren ganz fremd, immer wieder neue Ableitungsarten zu schaffen oder frühere zu kombinieren und damit den ohnehin verwickelten Lauf der elektrischen Welle noch mehr zu komplizieren. 2) Siehe weiter unten. 326 W. Ph. Selenin: zwei Kurven (Fig. 4 und 5) vom Standpunkt irgendeiner dieser Theorien analysieren wollten: wir würden, man darf wohl sagen, eine volle Verwirrung der elektrischen Wellen erhalten. Einthoven’s Meinung beitretend, müssten wir zulassen, dass im ersten Fall (Fig. 4) der Reiz im Gebiet des rechten Ventrikels und der Spitze entstanden und gleichzeitig in beiden Ventrikeln geschwunden ist; im zweiten Fall (Fig. 5) würden zuerst der linke Ventrikel und die Basis gereizt werden, der Reiz aber früher in dem rechten aufhören. Ich möchte an diesem Ort einige Worte über die sogenannte „Ge- rade“ zwischen $ und 7 sagen. Es ist schon a priori schwer zu verstehen, was für Mechanismen das volle gegenseitige Auslöschen der Ströme in dem aktivsten Stadium der systolischen Phosis der Ventrikel herbeiführen könnten. Man erwartet immer, dass die eine oder die andere Gruppe von Fasern die Oberhand gewinnen und auf die Geradliniekeit der Aufzeichnung störend wirken werden. Eigentlich ist dem auch so. Nach dem Abfalle der Zacke R bis zur Abszisse biegt sich die Kurve mehr oder weniger nach unten (5) und geht dann entweder allmählich in den Aufstieg der Zacke T über oder wird auf dem Weece zu diesem Aufstieg von einer ab- schüssigen negativen Welle (7, nach Selenin) unterbrochen. Siehe die obenstehenden Figuren. Zu der Ableitungsfrage zurückkehrend, muss ich erwähnen, dass ausser der Bedeutung, welche die Richtung der Herzachse für das Elektrokardiogramm hat, auch die Nähe dieses oder jenes Ventrikels zur Anlegestelle der Elektroden eine gewisse Rolle spielt. In einer Arbeit von Grau!) aus der Klinik von Prof. Aus. Hoffmann, finden wir folgende Daten: „Da ergab sich denn folgendes: 5 war unter meinen Fällen am erössten in der Ableitung I; bei querliegendem Herzen, bei Vergrösserung des Herzens nach links, beim Übergang in die linke Seitenlage bei beweglichem Herzen, bei nach links verzosenem Herzen. Andererseits war in folgenden Fällen die Zacke S am grössten bei Ableitung II: 1. beim geradstehenden Herzen, 2. bei dem nach rechts verzogenen Herzen.“ a Ci 1) Über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektrokardiogramms. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69 H.3 und 4. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 397 Diese empirisch gewonnenen Tatsachen sind leicht zu verstehen, wenn man sich erinnert, dass meiner Theorie nach die Zacke 5 dem linken Ventrikel angehört. In der Tat: bei der ersten Ableitung (von beiden Armen) nähert sich der linke Ventrikel der Anlegestelle der Elektroden in allen drei angezeigten Momenten: 1. Die Querlage des Herzens (hoher Stand des Diaphragma während der Gravidität) bedingt eine Ortsveränderung der Spitze (resp. des linken Ventrikels) nach links infolgedessen, dass das Puncetum fixum sich in der Herzbasis (die grossen Gefässe) befinde. 2. Die Verziehung des Herzens nach links und 3. die Lage auf der linken Seite bedingen eine noch grössere Näherung des linken Ventrikels an eine der Ab- leitungsstellen. Die Lage der Dinge ändert sich ganz, wenn das Elektrokardiogramm bei der II. Ableitung (rechter Arm, linker Fuss) aufgezeichnet wird. Das Herz muss bedeutend nach rechts ver- zogen werden, damit der linke Ventrikel nach dem linken Bein ge- richtet sei (s. Schema Fig. 1). Noch verständlicher ist von diesem Standpunkt aus eine scharf ausgeprägte $ bei Ableitung unmittelbar von der Stelle des Spitzenstosses, welcher, wie bekannt, von dem linken Ventrikel ausgeht (Fig. 6 der zitierten Arbeit. Hypertrophie des linken Ventrikels. Ableitung: der rechte Arm-Spitzenstoss). Die mittlere Herzlage ist vom genannten Autor nicht ausführlich unter- sucht worden; daher halte ich es nicht für überflüssig, in meiner Sammlung befindliche Elektrokardiogramme, die von einem Kranken der medizinischen Klinik zu Düsseldorf aufgezeichnet wurden, wieder- zugeben. Ein Röntgenbild zeigte bei diesem Patienten die mittlere Lage des Herzens (Tropfenherz), welches in jeder Hinsicht gesund war, d. h. der Kranke klagte nicht über Symptome von Herzschwäche, und keine der gewöhnlichen Untersuchungsmethoden gab irgendeinen objektiven Anhalt zu der Behauptung, dass das Herz dieses Patienten in irgendeiner Beziehung in Uncerdnung war. Die Richtung der klinischen Untersuchungen, derer ich früher erwähnte, leitete Kraus, der das Elektrokardiogramm solcher Patienten aufzeichnete und die unbedeutende Höhe aller Aufstiege der Kurve und eine verhältnismässig scharf ausgeprägte Zacke $ gewahrte, zu der Überzeugung, dass dieses Bild als Zeichen von Schwäche des Myokardiums in genetischer Verbindung mit der all- semeinen Konstitution solcher Personen (Habitus asthenieus) steht. In Wirklichkeit ist an allem die Topographie des Herzens schuld. Von den komplexen Bedingungen in der Genesis und Verteilung der 328 W. Ph. Selenin: elektrischen Ströme, welche infolge des vielkammerigen Baues des Zentralorgans des Blutumlaufes bei den Säugern entstehen, absehend, will ich die obenbeschriebene Erscheinung analysieren, indem ich das Waller-Nicolai’sche Schema benutze, welches, wie auf Fig. 6 gezeigt ist, entsprechend abgeändert wurde. Bei dessen Betrachtung müssen wir schon a priori annehmen, dass die I. Ableitung solche Teile des Herzens in das Galvanometer einschaltet, welche ungefähr bis zu einem und demselben Potential (— 2 und — 2) geladen sind (von mathematischer Genauiekeit kann hier natürlich nicht die Rede sein), weshalb die Zacken der elektrischen Kurve in derselben möglichst klein sind, während alle übrigen Kom- binationen der Extremitäten die auf ein bedeutend grösseres Potential geladenen Stellen (die algebraische Summe — 6, anstatt — 0 bei der I.. Ableitung) zum Galvanometer ableiten werden. Das Schema zeigt auch, dass alle diese Kombinationen, d. h. rechter Arm — linker Fuss (II. Ableitung), linker Arm — rechter Fuss (Ableitung Ila), linker Arm — linker Fuss (II. Ableitung) und rechter Arm — rechter Fuss gleich- wertig sind (in allen Fällen ist die Differenz der Potentiale — 6). Hier weiter folgen Kurven, welche das a priori Angenommene vollkommen bestätigen (Fig. 7, 8, 9, 10). Ich kann hinzufügen, dass analoge Resultate von mir bei der künstlichen Veränderung der Herzlage beim Hunde (Öffnung des Brustkastens) erhalten wurden. Somit fällt der klinische Wert des Rlektrokardiogramms des mediangelegenen Herzens, des Tropfenherzens, sobald die Erscheinung aus dem Bereich der Klinik in die Sphäre der Kompetenz der Physik gelangt. wre Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 329 Alle oben angeführten Registrie- rungen, Analysen und Betrachtungen bringen uns der Lösung: der Frage keineswegs näher, der Frage nämlich, auf welche Weise denn die in dem Herzen selbst sich abspielenden Pro- zesse sich auf der Oberfläche des Körpers widerspiegeln. ob hier die Übertragung der elektrischen Ladung mittels des Blutumlaufes stattfindet, oder ob die Ströme, die verschiedenen Abl. III Abl.I ! Abl. II Fig. 8. BIENEN Fig. 9. Linker Arm — rechter Fuss. Fig. 10. Rechter Arm — rechter Fuss. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 22 330 W. Ph. Selenin: Teile der Herzmuskulatur durchlaufend, sich „verzweigen“ und so die Extremitäten erreichen. Um diese Frage zu lösen, führte ich folgende Experimente aus: Wenn die Ströme sich verzweigen, d. h. von dem Herzen, der Quelle der elektrischen Energie, aus nach verschiedenen Geweben und Organen hinfliessen, so kann ihnen offenbar ein Hindernis entgegen- gestellt werden, und zwar dadurch, dass das Herz mit einem der eewöhnlichen Isolatoren von den umliegenden Geweben isoliert wird. Ich benutzte zu diesem Zweck einen feinen, ganz elatten, mit Gummi durehtränkten Stoff, den ich vorsichtig unter das vom Herzbeutel Fig. 11. Normal. befreite Herz eines Hundes (welcher natürlich vordem narkotisiert worden war) brachte, so dass es von den umliegenden Geweben nirgends berührt wurde. Die grossen Gefässe traten aus diesem isolierenden Futteral durch einen Ausschnitt heraus. Folglich waren die Extremitäten, von denen die Ströme zum Galvanometer abgeleitet wurden (II. Ableitung), mit dem Herzen nur durch das Blutgefäss- system verbunden. Wie Fig. 11, 12, 13 zeigen, erreichte die Isolierung ihren Zweck: die Ströme gingen nicht über den Gummi- sack hinaus (Fig. 12), und nur nach längerem Liegen des Herzens auf der Unterlage erhielt man Spuren eines Elektrokardiogramms (Fig. 13). Hier spielt wahrscheinlich die Durchnässung des Gewebes und das Heruntergleiten der Ströme eine Rolle; die Kontraktionen dauern mit unveränderter Kraft und Regelmässigkeit fort, und das Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 331 Herz gibt nach wie vor der Isolation eine und dieselbe elektrische Kurve, wie Fig. 11 zeigt. An die Oberfläche unseres Körpers ge- raten somit sich verzweigende Ströme, die natürlich bestimmten,®von a Fig. 12. Isoliertes Herz. der Physik festgestellten, Gesetzen unterworfen sind (Ohm, Kirch- | hof). Ist dies der Fall, so sollte man den Verlauf des Stromes an Fig. 13. Isoliert nach 7 Minuten. der Herzoberfläche (von der Basis zur Spitze oder umgekehrt) auf experimentellem Wege zustande bringen können, das Tier aber auf gebräuchliche Art mit dem Galvanometer verbinden. Dies führte DE Abl. II Abl. I 332 TE Din, Sallemin: ich auch nach folgendem Plan aus: Von zwei mit der Ringer ’schen Flüssigkeit befeuchteten Elektroden aus dieckem Baumwollendocht leste ich die eine an der Herzbasis, neben dem rechten Herzohr, die andere an der Spitze an. Die erste Schnur war mit dem zum positiven Pol eines galvani- schen Elementes, die zweite mit dem zum negativen Pol leitenden Draht verbunden. In der Strombahn brachte ich einen Ausschalter an. Bei zeschwinder Arbeit des Ausschalters kann man eine Kurve nach dem Typus einer monophasigen Welle erhal- ten, die folglich von der Basis nach der Spitze des Herzens geht. Infolge des Zweigwider- standes (Rheostat) werden zum Galvanometer nur sehr schwache (5—6 m. v.), für die Saite ungefährliche Ströme gesandt. Hier folgen die auf diese Weise aufgezeichneten Kurven (Fig. 14 u. 15). Es wurde hier eine sehr inter- essante Erscheinung beobach- tet, die zwar ihr Analogon in einer Reihe klinischer Be- obachtungen und experimen- teller Befunde hat, deren rationelle Erklärung ich aber nicht zu geben wage. Die Kurven (Fig. 14), welche bei der I. und II. Ableitung ge- wonnen wurden, sind ganz identisch; die bei der III. Ableitung (linker Vorder- und Hinterfuss) erhaltene (Fig. 15) dagegen ist das umgekehrte Bild der ersten, welebes vielleicht als eine kaum er- klärliehe Veränderung des Verhältnisses der Pole der Saite des Galvanometers (resp. der Extremitäten) zu der Richtung der sich Fig. 14. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 333 verzweigenden Ströme zu deuten wäre. Zur Illustration desssen, wie die Bilder der galvanometrischen Aufzeichnungen in Abhängiskeit von der Ableitungsart sich verändern, lasse ich hier gleich die von einem mit Digitoxin vergifteten Hunde erhaltenen Flektrokardio- Abl. III Abl. I Fig. 15. gramme (Fig. 16) folgen. Wir sehen hier (in bezug auf die Zacke R) ungefähr dieselbe entgegengesetze Abhängigkeit zwischen der I. und der III. Ableitung wie in unserem Versuch mit der Durchleitung des Stromes durch das Herz. (Ich möchte beiläufig darauf auf- merksam machen, dass auch in dieser Kurve, wie in den in meiner ersten Arbeit angeführten Beispielen, die von mir für eine und die- Abl. I ABLIIII 334 W. Ph. Selenin: selbe Ableitung aufgestellte Regel sich geltend macht, nämlich, dass mit dem Fallen der Zacke R die Zacken $ und T steigen.) Es ist natürlich unmöglich, einer Erklärung des Charakters der Verzweigungen der elektrischen Ströme im Thorax und den übrigen Fig. 16. Teilen des Organismus näherzukommen. Nur eins kann man auf Grund der Beständigkeit des Elektrokardiogramms bei einem und demselben Individuum behaupten, nämlich, dass unter normalen Be- dingungen die Bahnen, auf denen die Ströme sich im Körper ver- breiten, ihr gegenseitiges Verhältnis nicht verändern. Bei der Analyse anormaler Bilder darf nie die Möglichkeit krankhafter Prozesse, » Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 335 welche das Leitungsvermögen der das Herz umgebenden Gewebe verändern, ausser acht gelassen werden. Es ist interessaut, hier auf eine Tatsache, die man bei der Öffnung des Thorax beobachtet, hinzuweisen. Trotz der Zerstörung des Mediastinum und der ganzen Vorderwanrd des Thorax sind im Elektrokardiogramm keine wesent- lichen Veränderungen wahrzunehmen. Dies erklärt sich ohne Zweifel dadurch, dass die die elektrischen Ströme zu den Extremitäten oder zu den inneren Organen (bei der Ösophagusableitung) leitenden Bahnen unverletzt bleiben. Unter diesen Umständen wird es natürlich niemand in den Sinn kommen, die Ströme z. B. vom Rückgrat oder vom abseparierten Sternum (Sagittalableitung) abzuleiten. Somit befindet sich in dem von allen Seiten ge- sehlossenen Brustkorbe eine Quelle elektrischer Energie, welche durch die ihn anfüllenden, die elek- trischen Ströme leitenden Gewebe nach allen Seiten und in allen Richtungen Ströme aussendet; infolge rein physikalischer Bedingungen erreichen diese Ströme verschiedene Spannungen, die vom Galvano- meter bei allen möglichen Ableitungen, welche Diffe- renzen ergeben, registriert werden. Die merkwürdige Tatsache, dass die entsprechenden Phasen der von Kraus und Nicolai beschriebenen Typen der Extrasystolen entgegengesetzte Richtungen haben, bedarf der Analyse. Rehfisch!), der sich mit dieser Frage zuerst beschäftigte, nimmt an, dass die positiv nach oben gerichtete Zacke als Ausdruck der Bewegung der elektrischen Welle von der Basis nach der Spitze dient, und um- gekehrt. Der Autor bemerkt jedoch, dass man die besten Kurven bei der Reizung der rechten Herzkammer an der Basis und der linken an der Spitze erhält. Kraus und Nicolai haben die Ent- gegensetzung der Herzbasis der Herzspitze verworfen und sprechen von dem rechten und linken Ventrikel. Es bleibt, wiederhole ich, unklar, warum ein im rechten Ventrikel entstandener Reiz eine posi- tive erste Phasis, ein im linken entstandener eine negative erste Phasis gibt. Es ist nicht angängig anzunehmen, dass während der Systole des Herzens die elektrische Welle im rechten Ventrikel von der Basis zur Spitze, im linken von der Spitze zur Basis läuft. Das 1) E. Rehfisch, Die experimentellen Grundlagen des Elektrokardiogramms. Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 21 u. 22. 396 W. Ph. Selenin: unten analysierte Schema Fig. 17 zeigt, dass die Richtung des Stromes tatsächlich ganz identisch ist; nur infolge rein physikalischer Bedingungen verzeichnet das Galvanometer diametral entgegengesetzte Kurven. ; RV rechter Ventrikel; LV linker Ventrikel; + Herzbasis; — Apex. Fig. 17. @ Saite des Galvanometers; RA rechter Arm; LA linker Arm Nehmen wir an, dass anfänglich z. B. die linke Herzkammer sich isoliert zusammenzieht, und dass die Welle nach dem Typus des monophasigen Stromes (von der zweiten Phase gilt dasselbe) von der Basis zur Spitze läuft. Ausser einem Kurzschluss im Herzen selbst und in den umliegenden Geweben entstehen unzählige sich Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 337 verzweigende Ströme; ein Teil davon gerät in die Extremitäten (Einfachheit halber analysiere ich nur die I. Ableitung) und wird durch die Saite des Galvanometers geschlossen. Wie das Schema zeigt, erreicht der Strom (die unterbrochene Linie), nachdem er in den linken Arm geraten ist, durch die Leiter die Saite, durchläuft sie von oben nach unten, und strebt durch neue Leiter und den rechten Arm dem negativen Pol zu. Es ist möglich, dass diese letzte Bahn durch die rechte Herzkammer geht. Rehfisch’s!) Versuche haben gezeigt, dass, wenn der rechte Ventrikel eereizt und die mechanische Kurve des linken registriert wird, die Periode des latenten Reizes gegen die Norm verlängert ist, was der Zeit, welche der Strom braucht, um durch den rechten Ventrikel in den linken zu kommen, entspricht: folglich ist der rechte Ventrikel ein Leiter. Nehmen wir jetzt die umgekehrten Verhältnisse: der rechte Ven- trikel zieht sich zusammen, der linke verbleibt in Ruhe. Die sich verzweigenden Ströme (die ununterbrochenen Linien) durchlaufen die Saite des Galvanometers in der entgegengesetzten Richtung, obgleich die Bahn im Herzen selbst auch von der Basis nach der Spitze geht (dies ist natürlich konventionell. Somit liegt der Grund dieser auf den ersten Blick paradoxen Erscheinungen in den physikalischen Bedingungen der Verzweigung der Ströme. Nach dem Ohm ’schen Gesetz (die Stromstärke ist umgekehrt proportional dem Widerstand, im gegebenen Fall der Entfernung der Extremitäten vom Ventrikel) geht der Strom beim aktiven Zustand der linken Herzkammer vom rechten Arm zum linken, beim aktiven Zustand der rechten Herzkammer in der um- gekehrten Richtung. Was geschieht nun, wenn beide Herzkammern sich nahezu gleich- seitig zusammenziehen (normale Systole)? Offenbar können zwei Ströme von entgegengesetzter Richtung nicht durch einen und den- selben Leiter laufen; der stärkere wird die Oberhand behalten und die Saite des Galvanometers wird nur die Differenz in der Stärke der zwei Ströme vermerken. Deshalb sind die Zacken des normalen (kombinierten) Elektrokardiogramms bedeutend kleiner als diejenigen der „Extrasystole“, bei der die Ventrikel nacheinander sich erregen. Unser aus zwei Ventrikeln bestehendes Herz gleicht in dem Sinne der Entwicklung der elektrischen Energie zwei galvanischen Ele- 1) Der zitierte Artikel S. 13. 338 W. Ph. Selenin: menten, deren eins dem anderen gegenüber eingeschaltet ist (+ mit +, — mit —, wie der zentrale Teil des Schemas zeigt). Im Innern des Herzens und in den dasselbe umgebenden Geweben ist beständig ein Kurzschluss vorhanden, in das Galvanometer gerät dagegen nur die Differenz der sich verzweigenden Ströme. Selbstverständlich können wir nach der Differenz nicht über die Summanden urteilen, d. h. wir kennen nicht die absolute Menge der elektrischen Energie, die von diesem oder jenem Ventrikel entwickelt wird. Anders verhält sich die Sache, wenn der frühere Zustand sich verändert hat (in Abhängigkeit von irgendeinem pathologischen Prozess, oder in Verbindung mit einem physiologischen Zustand, z. B. mit Muskelarbeit); dann zeigt das Hlektrokardiogramm eine Gleich- gewichtsstörung an. Überhaupt ist, wie ich schon im Jahre 1910!) schrieb, die elektrokardiographische Methode für die Registrierung nicht der Statik, sondern der Dynamik wichtig: die Veränderung des Elektrokardiogramms bei einem und demselben Indivi- duum muss als Zeichen einer veränderten Mechanik der Herz- tätigkeit angesehen werden, falls nicht die Lage des Herzens oder die Leitfähigkeit der Gewebe Veränderungen erlitten hat. Aus dem oben Dargelesten ist ersichtlich, dass die Ventrikel in bezug auf die Entwicklung der elektrischen Energie voneinander gewissermaassen unabhängig sind. Ganz natürlich erscheint der Wunsch, aus dem Gebiet der Schemata in dasjenige der Tatsachen überzugehen. Ist die erwähnte Voraussetzung, dass das normale Elektrokardiogramm der Ausdruck ist für die algebraische Summe der von beiden Herzkammern ausgehenden Ströme, richtig, so.dürfen wir bei einer partiellen Entladung Veränderungen in dem Bilde der elektrischen Registrierung erwarten. Ich stellte folgendes Experiment an. Zwei Elektroden aus mit physiologischer Kochsalzlösung ge- tränkter Watteschnur wurden durch einen dicken Draht verbunden (geringer Widerstand) und dabei eine der Elektroden an eine durch die Tracheotomie beim Versuchshunde verursachte Wunde, die andere abwechselnd an den rechten und den linken Ventrikel des bloss- gelegten Herzens gelegt. Die Fig. 18, 19 und 20 beziehen sich auf dieses Experiment. Obgleich der Charakter der Tätigkeit des ganzen 1) W. Selenin, Das Elektrokardiogramm, dessen Bedeutung für die Physiologie, allgemeine Pathologie, Pharmakologie und allgemeine Klinik. Milit. med. Journ. Bd. 8. 1910. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 339 Herzens und seiner einzelnen Abteilungen sich nicht verändert (und sich auch nicht hat verändern können), so weisen doch die Elektro- kardiogramme eine grosse Ab- weichung von der Norm auf, welche offenbar nur durch partielle Ab- leitungen der Ströme vom rechten oder linken Ventrikel sich er- klären lässt. Bei einer solchen Anstellung des Experimentes ist es schwer, den verschiedenen Charakter der Entladung aufzuklären; die Tat- sache einer solchen kann aber nicht bestritten werden. Bisher habe ich nur eine Ableitung analysiert. In bezug auf die zweite müssten dieselben Be- trachtungen wiederholt werden. Man kann die Verhältnisse , Fig. 18. (Normal.) die ich in bestimmte Schemata gebracht habe, synthetisch reproduzieren. Unter der Mitwirkung Fig. 19. Partielle Entladung des linken Ventrikels. des Elektrotechnikers Herrn Gröpe: Fig. 20. Partielle Entladung des rechten Ventrikels. in Düsseldorf gelang es mir, einen Apparat zu konstruieren, welcher es möglich macht, zum Galvano- meter elektrische Ströme vom Typus zweiphasiger „Extrasystolen“ 340 W. Ph. Selenin: zu senden. Die Einrichtung und Anordnung dieses Apparates ist ziemlich kompliziert, das Prinzip dagegen einfach. Die elektrische Energie von vier Elementen wurde nach Vor- schlag von Prof. Hoffmann mit Hilfe von Rheostaten (Zweigwider- Fig. 21. „Extrasystole“ vom rechten Typus. ständen) in bestimmten (geringen) Mengen (4—8 m. v.) abgenommen und mittels eines Kommutators, der zugleich auch als Unterbrecher Fig. 22. „Extrasystole* vom linken Typus. dient, in ein gewisses Strombett geleitet. In der obengenannten Arbeit !) wies ich darauf hin, dass die erste Phase des rechten Typus über 1) Das Elektrokardiogramm und die pharmak. Mittel usw. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. 341 die entsprechende Phase des linken vorherrscht; die zweite Phase dagegen ist bei dem linken grösser. Fig. 21 und 22 zeigen diese Ver- hältnisse. Mittels Stöpselvorrichtung kann man paarweise beide ersten Fig. 23. „Normales“ Elektrokardiogramm (der Ventrikel). und beide zweiten Phasen kombinieren. In solch einem Falle mussten verkleinerte Schwingungen der Saite und ihrer Bilder in Nr. 24. Dextrokardia (Abl. I). der ealvanometrischen Registrierung erwartet werden, welche an die- jenige des ventrikularen Teiles des normalen (kombinierten) Elektro- kardiogrammes erinnern. Fig. 23 bestätigt dies. Ich will ein Beispiel anführen, welches sozusagen die Lebens- fähiekeit meiner Schemata veranschaulichen soll. Wenn bei einem Menschen in Ableitung I trotz der richtigen Aufstellung des Galvano- 942 W. Ph. Selenin: meters alle Zacken nach unten gerichtet sind (Fig. 24), so gibt sich folgende Erklärung. Er charakterisiert die Zacke R, die Tätigkeit hauptsächlich des rechten Ventrikels. Unter normalen Bedingungen läuft der Strom (in unserem Schema) von unten nach oben; bei dem erwähnten Patienten dagegen von oben nach unten; es muss daher angenommen werden, dass der rechte Ventrikel mit dem linken den Platz gewechselt hat. Wie paradox eine solche Behauptung auf den ersten Blick auch scheinen mag, sie entspricht der Wirklichkeit. Das auf Fig. 24 dargestellte Elektrokardiogramm gehört J., einem Patienten der Düsseldorfer Klinik mit situs viscerum inversus: das Herz ist in der rechten Seite, wobei der rechteVentrikel näher zum linken Arm liegt (s. auch Schema Fig. 25). Der Grössenunterschied der Pha- sen beider „Extrastolen“ ist bis jetzt unaufgehellt. Sich darauf stützend, dass der rechte Zweig des His- schen Bündels kürzer und einfacher gebaut ist als der linke, nimmt A. Hoffmann an, dass der Reiz (Impuls?) sich früher im rechten Ven- trikel verbreiten und daher zunächst stärkere Schwingung der Saite verur- sachen kann (die erste Phase, Zacke R). Die zweite Phase dagegen, die schon in die Periode der Kontraktion fällt, muss stärker in dem linken Ven- trikel mit seiner kräftig entwickelten Muskulatur sein (Zacke 7). Ich schliesse meine Mitteilung mit der Antwort auf die Frage, die sich jedem Klinizisten aufwirft, nämlich, welche diagnostische Bedeutung denn das Elektrokardiogramm hat, und wie der praktische Arzt es zu seinen speziellen Zwecken benutzen kann. Bei den Einschränkungen, deren Sinn oben ausführlich erklärt wurde (der Einfluss der Lage des Herzens, der Ableitung usw.), kann die Methode als Hilfsmittel zur Charakteristik der Herzfunktion, namentlich bei Irregularitäten, dienen. Wie schon früher erwähnt, können wir auch wertvolle Schlüsse beim Studium der Ver- Fig. 25. Zur physikalischen Analyse des Elektrokardiogramms. a änderungen der galvanometrischen Registrierungen bei einem und demselben Individuum erhalten. Auf Grund einer Abweichung von dem für die gegebene Person gewöhnlichen Elektrokardiogramm dürfen wir, wenn keine Lageveränderung stattfand, behaupten, dass irgendeine Abweichung der Herztätigkeit von der Norm stattgefunden hat. Ich will ferner nur auf die Anschaulichkeit der galvanometrischen Bilder beim unvollständigen „Herzblock“, d. h. bei der erschwerten Leitung des Impulses von den Vorhöfen zu den Herzkammern hin- weisen (die Verlängerung des Abschnittes P—R, z. B. beim Über- sang zum toxischen Stadium der Wirkung von Mitteln aus der Digitaliseruppe). Ferner, wenn auch Querdissoziation durch die Registrierung des Venenpulses konstatiert werden kann (was übrigens nicht immer leicht ist), so gibt ausser der Elektrokardiographie keine andere Methode die Möglichkeit, so sicher über die Koordination der Tätigkeit der verschiedenen Abteilungen des Herzens (rhythmische Längsdissoziation, Veränderung der Kraft der Kontraktion eines der Ventrikel) ein Urteil zu fällen. 344 Russell Burton-Opitz: (Aus dem physiologischen Institute der Columbia Universität zu New-York, College of Physicians and Surgeons.) Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V% Die Blutversorgung des Pförtners und Pankreas. Von Russell Burton- Opitz. (Mit 1 Textfigur und Tafel IV.) Die Ausführung der Versuche. Um in Fortsetzung früherer Versuche !) einige Anhaltspunkte über die Blutfülle des Pankreas zu gewinnen, versuchte ich zuerst die diesem Organe zugeführte Blutmenge durch Eichung der Strö- mung in der Vena pancreatica zu bestimmen. Mehr als annähernde Werte konnten auf diese Weise jedoch nicht erhalten werden, denn das Blut dieses Organes entstammt drei Gefässgebieten, welche eng miteinander durch Anastomosen verbunden sind. Aus diesem Grunde konnte eine Begrenzung des Feldes der Pankreasvene nicht ohne Verursachung starker Störungen unternommen werden. Da sich die Verhältnisse auf der arteriellen Seite weit günstiger gestalten, habe ich nun versucht, obige Frage durch Bestimmung des arteriellen Zuflusses zu entscheiden. Aus der Tiefe emporstei- gend, wendet sich die Leberarterie zuerst nach rechts gegen die Porta hepatis hin, gibt an dieser Stelle drei Zweige für die ver- schiedenen Teile dieses Organes ab, und kehrt sich sodann der Gegend des Pförtners zu. Peripher von dem letzten Leberaste führt der übriggebliebene Stamm der Arteria hepatica den Namen Arteria gastro-duodenalis. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 469. 1908; Bd. 129 S. 189. 1910 und Bd. 135 S. 205. 1910. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 345 Letzteres Blutgefäss wird zuerst links von dem Rande der Pfort- ader und neben dem Duetus choledochus in mässiger Tiefe sichtbar. Von hier gelangt es an die Kante der Pankreasvene und längs dieser in die Gegend .des oberen Duodenums. Noch ehe es den Darm er- reicht, wird es eng von Pankreasgewebe umhüllt, so dass nur eine etwa 2 cm lange Strecke seines zentralen Teiles verhältnismässig frei verläuft. An dem Darme angelangt, teilt sich das genannte Blutgefäss in zwei Teile, nämlich in die Arteria pancreatico-duodenalis und die Arteria gastro-epiploica dextra.. Die Lage der Teilung schwankt mit der Grösse der Hunde, jedoch kann man dieselbe leicht durch geringe Zerrung des darüberliegenden Pankreasgewebes frei präparieren. Die Entfernung zwischen dieser und der Strietura pylorica betrug 3 bis 7 em, je nach der Grösse des Tieres. Die Arteria pancreatico-duodenalis verläuft nun an dem Rande des Duodenums entlang und erreicht zuletzt das eigentliche Caput des Pankreas. Dieser frei im Mesenterium liegende Abschnitt des genannten Organes wird zum Teile von einem Zweige der Arteria mesenterica versorgt, die als Arteria pancreatico-duodenalis inferior bezeichnet werden kann. Hier in dem rechten Schenkel des Pan- kreas stossen also zwei verschiedene Arteriengebiete zusammen. Ein drittes Gebiet trifft man in dem linken Schenkel, in der Cauda pan- creatica, an, und zwar kommen hier die Rami pancreatiei in Betracht, welche der Arteria lienalis entspringen. Alle drei Systeme anastomo- sieren miteinander. Auch muss vermerkt werden, dass sowohl die obere wie die untere Pankreasarterie verschiedene kurze Zweige abgibt, welche hier und da an den Flächen des Duodenums emporsteigen. Die Arteria gastro-epiploica dextra wendet sich peripher von der Teilungsstelle der Arteria gastro-duodenalis sofort im Bogen gegen den Magen hin. Dicht an den Rand des oberen Duodenums an- geschmiegt, passiert sie den Pförtner und gelangt zuletzt an die grosse Kurvatur des Magens, wo sie mit der Arteria gastro-epiploica sinistra in enge Verbindung tritt. Noch ehe der Magen selbst er- reicht wird, entspringen dem genannten Blutgefässe drei bis vier kleine und kurze Zweige, welche den Pförtner sowie die diesem anstossenden Teile mit Blut versorgen. Gewöhnlich gibt dieses System keine wichtigen Zweige an das Pankreasgewebe ab. Ebenso wie das Pankreas wird also auch das Duodenum von drei Arterien versorgt. Die Gegend des Pförtners erhält ihr Blut Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 23 Russell Burton-Opitz: 346 ‘SIreuaponp-onsed ıy op offogssdunge, F !toeoiued ımey 7% !sıpeuor euoA TA :eoneaaurd wuoA TA ‘syedog 21104 7 J |wnaejıod wuo‘ 0 7A :eoLıajuosow ay zu y :sıpeuoponp-oopeonued Jay LAY :eyxap woropdrde-ogsed My Hy ‘AynmoAng Op 9][E9SSFUnZYOSUT ] “Sıpeusponp-omses ıy ([HY :eoıyedog eniogay 77 y :Ssmeomued epneg) 9 !syeomurd mdeg TO ‘mmtıoJuosopt Zw :wnuoponggt (7 :esrtopkd wanypıyg 7 :sagopojoyd snpnq Ha !0lewu vanyeamg 779 :uasen 25 'T "SL Ge man“ Si nn ? von der Arteria gastro-epiploica dextra, sein mittleres dem Pankreas anliegendes Stück von der Arteria pancreatico-duodenalis und sein Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 347 unterer Teil von der Arteria pancreatico-duodenalis inferior. Während aber im Falle des Pankreas, eben wegen der Anastomose, die ver- schiedenen Gebiete nur mit Schwierigkeit begrenzt werden können, kann man das Duodenum leicht mittels schmalen Klemmpinzetten in drei mit der Art der Blutversorgung übereinstimmende Abschnitte teilen. Von besonderer Wichtigkeit für diese Versuche ist die Tatsache, dass der Pförtnerteil ohne Mühe von dem mittleren Stücke des Duodenums durch Anlegung. einer Klemmpinzette gesondert werden kann. Auch bietet sich meist Gelegenheit, eine weitere Vereinfachung zu treffen. Gewöhnlich steigt das Gewebe des Pankreas ziemlich weit an den Flächen des mittleren Abschnittes des Duodenums in die Höhe, und zwar gibt hierbei nicht die Grösse des Tieres, sondern das Volum des Pankreasgewebes den Ausschluss. Zuweilen liegt letzteres nur leicht der Kante des Darmes an, so dass sämtliche an den Flächen desselben emporstrebenden Blutgefässe nahe ihrem Ursprunge unterbunden werden können. In zwei der hier benutzten Hunde kam sogar eine völlige Sonderung dieser Organe vor, so dass die Abbindung der genannten Zweige überhaupt keine Schwierigkeiten darbot. Um obige Gefässgebiete der Stromuhr zugänglich zu machen, verfuhr ich zuerst auf folgende Weise: Nach Eröffnung der Bauch- höhle in der Linea alba und der Anlegung zweier Querschnitte wurden die Rippenbogen etwas nach vorn gezogen. Die Eingeweide wurden sodann mit durch erwärmte Kochsalzlösung befeuchteten Tüchern bedeckt. Die Arteria hepatica wurde darauf an der Stelle in das Gesichtsfeld gebracht, wo sie sich zwischen dem Ganelion eoeliacum und der Leber ventral vorbiegt. Die diesem Blutgefässe dicht angeschmiegten Fasern des Plexus hepaticus wurden sorsfältig: auf eine 2 bis 2,5 em lange Strecke von diesem gesondert und in Gummielektroden gelest. Die Stromuhr!) wurde nun an dieser Stelle in den Stamm der Leberarterie eingebunden. Um jedoch die den peripher von der Leber gelegenen Organen zuerteilte Blutmenge bestimmen zu können, war es nötig, die ver- schiedenen Zufuhrwege des erstgenannten Organes zeitweilig abzu- klemmen. Letzteres gelang leicht, indem ich eine lange und 1) Die von mir beschriebene Stromuhr wurde bei diesen Versuchen ver- wandt. Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 150. 1908. 23 * 348 Russell Burton-Opitz: schmale Klemmpinzette unter der Pfortader einführte und die hier in Betracht kommenden Zweige nahe dem Stamm der Leberarterie ab- klemmte. Die Ausschaltung der Leber bewerkstelligte ich ein anderes Mal auch, indem ich die zentrale Kanüle der Stromuhr in den Stamm der Leberarterie einführte, die periphere Kanüle da- gegen in die Arteria gastro-duodenalis. Die hier in Betracht kommenden Versuche sind in den Proto- kollen als Versuche Nr. 1 und 2 bezeichnet worden. In dem einen Falle registrierte die Stromuhr bei einem arteriellen Drucke von 98,6 mm ein Stromvolum von 1,54 cem in der Sekunde, und bei dem anderen Tiere bei einem Drucke von 82,0 mm He, ein solches von 0,85 eem pro Sekunde. Im Vergleiche mit den durch eine weitere Reihe von Versuchen festgestellten Werten, auf welche ich später näher eingehen will, zeigt die Strömung in diesen Fällen einen allzu hohen Wert. Ohne Zweifel muss dieses Resultat auf die durch die Ausschaltung der Leber bedingten Veränderungen des Blut- laufes bezogen werden. Ich lege daher weiter keinen Wert auf diese Vorversuche, wenigstens nicht insofern; als die rein quantitativen Daten in Betracht kommen; jedoch möchte ich noch auf ein Fr- gebnis hinweisen, welches das Vorhandensein von Gefässnerven in den diesbezüglichen Organen ausser Frage stellt. Die Fasern des Plexus hepaticus waren zu Anfang dieser Messungen in Elektroden gelegt worden, so dass eine Reizung dieser zu irgendeiner Zeit während der Stromeichung vorgenommen werden konnte. Verfolgen wir nun an der Hand der Protokolle die Werte der Strömung, so ist zuerst ersichtlich, dass das Stromvolum sich im Verlaufe einer jeden Nervenreizung merklich verringerte. Zu eleicher Zeit weist der Druck in der Leberarterie, sowie der all- gemeine Blutdruck, eine beträchtliche Erhöhung auf. Ohne hier weiter auf Einzelheiten einzugehen, beweisen diese Veränderungen, dass die Nervenreizung periphere Hindernisse bedingt hat, welche nur auf Gefässverengerungen bezogen werden können. In Anbetracht der Tatsache, dass die Leber ausgeschaltet worden ist, beweist dieses Resultat, dass der Plexus hepatieus Fasern ent- hält, welche an der Porta hepatis!) vorbeiziehen und sich peripher gelegenen Organen zuerteilen. Sowohl das Pankreas sowie das 1) Betreffs der Gefässnerven der Leber siehe: Burton-Opitz, Quarterly Journ. of Exp. Physiol. vol. 3 and 4; 1910 and 1911. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 349 mittlere Duodenum und die Pförtnergegend können diese Gefäss- mechanismen enthalten. Durch die nun folgenden Versuche Nr. 3 bis 10 sollen die Gewebsmassen, in welchen die Strömungsverände- rungen hervorgebracht werden, näher bestimmt werden. Diesbezügliche das Pankreas betreffende Versuche sind bisher nur von Francois-Frank und Hallion!) ausgeführt worden, jedoch mit einer Methode, welche von der von mir beschriebenen sehr ver- schieden ist. Da hierüber in der eben angeführten Arbeit nur sehr spärliche Angaben enthalten sind, lasse ich diese am besten hier im ganzen folgen: La methode volumetrique nous parait seule applicable A cette exploration, & la condition que le panereas soit isol& de ses con- nexions eireulatoires avec le duodenum et completement libere. Dans ce but, nous lions une & une toutes les branches arterio-veineuses qui relient le duodenum au panereas et nous resequons le duo- denum de facon & &viter toute action sur l’appareil volumetrique. La paner&as est ensuite saisi entre deux valves exploratrices formant un eoussin & air dons la cavit€ communique avee celle d’un tambour & levier de petite capacite. Da bei dieser Untersuchung vermutlich Hunde gebraucht worden sind, wäre es in Anbetracht der verwickelten anatomischen Verhält- nisse von Wichtiekeit zu wissen, ein wie grosser Teil des Organes in den Onkometer eingeschlossen worden ist. Auch wären genauere Angaben über die hierbei geübte Technik sehr erwünscht. Auf Reizung des Nervus splanchnicus erfolgte eine Verringerung des Volums des Pankreas, welche Veränderung beweisen soll, dass dieses Organ gefässverengernde Nerven von diesem Systeme erhält. Betreffs der Nervi vagi wird angegeben, dass diese erweiternd wirken. Ich möchte an dieser Stelle wiederum darauf aufmerksam machen, dass volumetrische Schwankungen eines Organes nicht immer durch vasomotorische Unterschiede in der Grösse der Durchblutung be- dingt sind. Das Volum eines Organes weist nicht immer dem Blutlaufe parallele Veränderungen auf. Ehe ich auf die in dem Protokolle als Nr. 3 bis 10 bezeichneten Versuche näher eingehen kann, ist es erforderlich, die nun ausge- führten Eingriffe etwas näher zu beschreiben. Da es galt, die Strom- uhr peripher von den Leberzweigen in den Stamm der Art. gastro- 1) Archives de ‚Physiol., norm. et path. t.9 p. 661. 1897. 350 Russell Burton-Opitz: duodenalis einzuführen, wählte ich grössere Hunde; jedoch ist es nicht ausgeschlossen, auch bei kleineren Tieren ein Blutgefäss vor- zufinden, welches gross genug ist um Kanülen von etwa 3 mm Durchmesser aufzunehmen. Die Einführung der Stromuhr bietet keine besonderen Schwierigkeiten, denn die genannte Arterie verläuft an dieser Stelle ziemlich oberflächlich und verfelgt einen geraden Weg nach der Gegend des Pförtners. Die Arterie muss jedoch mit grösster Sorgfalt frei präpariert werden, denn sie wird von einer Anzahl von Nervenfasern rings umgeben, welche diesen Weg auserlesen, um von dem Plexus portae hepatis nach der Teilungsstelle dieses Blutgefässes zu gelangen. Dieses Geflecht, welches ich hier als Plexus arteriae gastro-duodenalis bezeichne, wird am besten von der Arterie ohne Verletzung ab- geschält, indem man zwei ventral gelegene Fasern der Länge nach voneinander sondert. Die Arterie kann dann emporgezogen werden, während die verschiedenen Fasern nun leicht in Ludwig’sche Elektroden gelegt werden können. Wie in den Protokollen näher angegeben ist, habe ich diese Nervenkette auch vorerst durch- schnitten und nur ihr peripheres Ende für die Reizungen benutzt. An der Teilungsstelle der Arteria gastro-duodenalis angelangt, folgen die Fäserchen entweder der Arteria gastro-epiploica dextra und gelangen auf diesem Wege in die Gegend des Pförtners, oder sie begleiten die Arteria pancreatico-duodenalis bis tief in das Gewebe des Pankreas. Auch sieht man, wie die feinsten Endzweige den Arterien entlang an den Flächen des Duodenums emporsteigsen. Für mich von Wichtigkeit ist also die Tatsache, dass die an der oben angegebenen Stelle isolierten Nervenfasern direkt bis in ihre peripheren Gebiete verfolgt werden können, und dass ihre Felder genau abgegrenzt sind. Um nun ebenfalls die Verteilungsgebiete der Arteria gastro- duodenalis zu begrenzen, verfuhr ich wie folgt: Etwas peripher von der Teilungsstelle dieses Blutgefässes befreite ich die Arteria pancreatico- duodenalis genügend, um eine Fadenschlinge anlegen zu können. Die Zahl der Nervenfasern ist ja hier geringer geworden; auch schmiegen sich diese nicht mehr so dicht an die Arterie an. Ferner benutzte ich eine lange und schmale Klemmpinzette, welche ich auf solche Weise am Duodenum anbrachte, dass ihr Ende in die Gabelung der Arteria sastro-duodenalis zu liegen kam. Während also die Stromuhr den Blutlauf zentral reeistrierte, war ich in den Stand gesetzt, die Pankreasarterie abzuklemmen und Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 351 die der Pförtnergegend zugeführte Blutmenge zu bestimmen. Anderer- seits konnte durch eine geringe Beiseiteschiebung der Klemmpinzette die Arteria gastro-epiploica dextra zeitweilig abgeklemmt werden, so dass nun nur das Blut des Pankreas und des mittleren Abschnittes des Duodenums die Stromuhr durchlief. In den Versuchen Nr. 8 und 9 waren die diesem Darmstücke zuerteilten Blutgefässe vor An- fang der Messung unterbunden worden, so dass nur die dem Pankreas zugeführte Blutmenge bestimmt werden konnte. Im allgemeinen verliefen die Versuche jeweils so, dass das periphere Gebiet der Arteria gastro-duodenalis im Verlaufe der Messung begrenzt wurde und nach der Aufzeichnung des Normal- volumens die Fasern des Plexus gastro-duodenalis einer Reizung unterworfen wurden. Da die Strömung in diesem Blutgefässe ziem- lich gering ist, war die Zahl der Stromuhrphasen, welche ohne irgend- welche Anzeichen der Blutgerinnung aufgezeichnet werden konnten, gewöhnlich klein. Aus diesem Grunde konnten meist nur ein oder zwei Reizungen im Verlaufe eines Versuches ausgeführt werden. Wie in den Protokollen angegeben ist, wurden die Versuche aber ‘oft mehrere Male wiederholt. Etwa 10 Minuten sind für die Reinigung der Stromuhr erforderlich. Die mittels eines Du Bois-Reymond’schen Schlittenapparates ausgeführten Nervenreizungen waren von verschiedener Länge und Stärke. Nähere Angaben hierüber enthalten die Protokolle. Auch muss vermerkt werden, dass die Fasern des Plexus gastro-duodenalis erstens im ganzen gereizt wurden, und zweitens auch nur das peri- phere Ende desselben. Die Durehschneidung war in letzteren Fällen vor Anfang der Eichung geschehen. Der allgemeine Blutdruck wurde in allen Versuchen durch ein mit der Arteria cruralis verbundenen Quecksilbermanometer auf- gezeichnet. Den Druck in der Arteria gastro-duodenalis registrierte ein Membranmanometer, welches mit der zentralen Kanüle der Strom- uhr in Verbindung stand. Die Zeit wurde durch ein Chronometer in Sekunden markiert und die Dauer der Reizungen durch einen Elektromagneten. Die von diesem aufgezeichnete Linie diente als Abszisse für den Blutdruck. Die Atembewegungen wurden mit Hilfe eines Stestographen aufgeschrieben. Nach Ablauf eines jeden Versuches wurde das durehströmte Gefässgebiet von der Bauchaorta aus mit Paraffın injiziert. Durch diese Injektionen sollte festgestellt werden, dass die experimentellen 392 | Russell Burton-Opitz: Eingriffe richtig ausgeführt worden waren. Auch dienten sie dazu, das Gebiet der Arteria gastro-duodenalis innerhalb des Pankreas und Duodenums näher zu begrenzen. Quantitative Angaben. Gemäss der vorhergehenden anatomischen Angaben erhalten sowohl das Caput sowie die Cauda des Pankreas eine gewisse Menge Blut aus anderer Quelle. Die Wägungen ergaben, dass etwa ein Drittel der Organmasse ausserhalb des Gebietes der eben genannten Arterie liegt. In der hier folgenden Tabelle I habe ich sowohl das Gewicht des ganzen Pankreas, sowie dasjenige des von der Arteria gastro- duodenalis versorgten Teiles angegeben. Tabelle]. Gewicht (g) des Gewicht Länge (cm) des Versuch des Pankreas Duodenums Nr. Hundes ganzes mittlerer | mittleres | Pylorus- Pylorus- | mittleren. kg Organ Teil Stück | abschnitt | stückes | Duoden. 1 20,0 47,0 32,0 43,9 IS Dal 16,3 2 20,0 68,0 44,0 40,8 19,2 2,8 15,4 3 25,0 995,0 36,0 49,0 25,0 7,8 10,6 4 17,5 41,0 28,0 35,0 16,0 4,6 12,4 b) 12,5 66,0 44,0 20,0 9,0 4,5 10,0 6 15,3 34,0 22,0 20,0 8,0 2,6 10,6: 7 20,5 50,0 34,0 38,0 12,0 25) 13,5: 8 17,0 49,0 32,0 _ _ — — 9 26,0 51,0 34,0 — — — - 10 26,2 42,0 28,0 26,2 10,8 4,1 10,1 Die Daten über die Länge sowie über das Gewicht des Duo- denums umfassen erstens den Pförtnerabschnitt, d. h. dasjenige Stück desselben, welches zwischen der Strietura pyloriea und der Gabelung der Arteria gastro-duodenalis liegt. Zweitens betreffen sie auch das- jenige Stück, welches von hier bis zu der Stelle verläuft, wo das Pankreas sich seitwärts abwendet und frei im Mesenterium zu liegen kommt. Im Vergleiche mit diesem mittleren Abschnitte wiegt das Pylorusstück bedeutend mehr. In Tabelle II wird das Gewicht der einzelnen Teile dieses Gefässgebietes mit der Grösse der Blutversoreung verglichen. Die verschiedenen Werte müssen jedoch einzeln verfolgt werden, denn die Gewinnung eines mehr als annähernden Mittelwertes ist hier wegen der durch die Anastomose bedinsten Störungen nicht gut möglich. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 358: Tabelle Il. Die Blutfülle des Pylorus und Pankreas. Gewicht 5 Wersuch| lutzufubr | der einzelnen Gesamt, Blutzufuhr | Allgemeiner Nr der folgenden Organe gewicht Blutdruck ) Organe g g cem/sek mm Hg Pankreas | 32,0 18 Duodenum 43,9 89,0 1,54 98,6 Pylorus 13,1 Pankreas 44,0 2 Duodenum 40,8 104,0 0,85 “82,0: Pylorus 19,2 3 Pylorus 25,0 25,0 0,42 92,8 ( Pylorus 16,0 16,0 all 91,2 4 J Pankreas 28,0 | Duodenum 35,0 79,0 0,68 104,3 L Pylorus 16,0 ( Pankreas 44,0 Duodenum 20,0 73,0 0,50 80,5 b) Pylorus 9,0 Pankreas 44,0 : E ee on = SB Pankreas 22,0 f an: . { Duodenum 20,0 } a. Del 2u2 Pylorus 12,0 12,0 0,44 104,6 7 Pankreas 34,0 oO 2 { Duodenum 38,0 \ ea) = 29 8 Pankreas 32,0 32,0 0,34 92,6 9 Pankreas 34,0 34,0 0,68 126,5 10 Pylorus 10,8 10,8 0,47 84,2 Dass die Anastomose störend wirkt, kann aus den quantitativen. Angaben leicht ersehen werden. Fassen wir z. B. Versuch Nr. 3- näher ins Auge, so ist erkenntlich, dass das Stromvolumen der Arteria gastro-epiploica dextra bei einem arteriellen Drucke von 92,5 mm Hg 0,42 cem in der Sekunde beträgt. Dabei wiegt der Pförtneransatz aber nur 25 g. Ein Minutenvolumen von 25 cem für 25 g Substanz ist in diesem Falle jedoch entschieden zu hoch; denn es ist von mir gezeigt worden!), dass das Minutenvolumen für je 100 g Substanz: des Macens und des Darmes nur 21 resp. 31 cem beträgt. Obgleich wahrscheinlich ein Unterschied besteht, kann derselbe jedoch nicht so bedeutend ausfallen. Diese Angaben zeigen nur, dass ein Teil: des Blutes dieser Arterie in das Gebiet der Arteria gastro-epiploica Sinistra entweicht und dem rechten Magenende zugeführt wird. Ähnliche Störungen kommen auch bei der Berechnung des- Mittelwertes der Blutfülle des Pankreas vor. Erstens anastomosiert Duloczeit. 354 Russell Burton-Opitz: die Arteria pancreatico-duodenalis superior im Caput dieses Organes mit der Arteria pancreatico-duodenalis inferior, einem Zweige der ersten Mesenterialarterie und am Duodenum mit dem Duodenalzweige .des gleichen Blutgefässes. Eine dritte Anastomose entsteht mit Hilfe der Rami pancreatiei der Milzarterie!). Trotz dieses Einwandes möchte ich jedoch versuchen, wenigstens ‚ein annäherndes Resultat über die Blutfülle des Pankreas zu ge- winnen. Versuche Nr. 8 und 9 haben ein Stromvolumen der Pan- kreasarterie von 0,34 resp. 0,68 eem in der Sekunde ergeben. Der ‚allgemeine Blutdruck betrug 92,6 resp. 126,5 mm Hg und das Ge- wicht des von der Arteria gastro-duodenalis versorgten Teiles dieses -Organes 32 resp. 34 g. Auf je 100 g Substanz bei einem arteriellen Drucke von 100 mm Hg berechnet, würde das Sekundenvolumen einesfalls 1,12 ceem und anderenfalls 1,56 cem betragen, und das Minutenvolumen 67,2 und 93,6 cem. Demnach ist die Blutversorgung des Pankreas eine ziemlich be- .deutende. Ich wiederhole hier die von mir schon früher angegebene Tabelle, in welcher verschiedene Organe gemäss ihrer Blutfülle an- geordnet sind. Das Minutenvolumen für je 100 g Organsubstanz beträgt für: Elinterer Extremität em: 5 cem?), Sikelettmuskeller, Ars eems,): Kopf ni a ee Se an eemu). 1) Auf der venösen Seite sind die Anastomosen ebenso vollkommen aus- gebildet. Von besonderem Interesse wären wohl die bei Hund Nr. 2 vorgefundenen Verhältnisse. Der Stamm der Milzvene war bei diesem Tiere vollkommen zu- gewachsen, jedoch so, dass das Darmblut auf normalem Wege zur Leber gelangte. Das Blut der Vena coronaria ventriculi sinistra, sowie dasjenige der Milz, drang rückwärts in die längs der grossen Kurvatur verlaufende Vene ein und von hier über den Pförtneransatz in die Vena pancreatica und die Pfortader. Diese voll- kommene Reversion des venösen Blutlaufes war dadurch ermöglicht, dass die ‚normalerweise „verödeten“ anastomosierenden Venen am Pylorus hier mit der ‚Zeit eine bedeutende Weite angenommen hatten. Wenn sich solche Verhältnisse ausbilden können, ist es auch wahrscheinlich, dass eine Abschnürung der Pfortader zwischen den Einmündungsstellen der Vena pancreatica und der Vena gastro-lienalis unter Umständen ohne Erzeugung schwerer Symptome ausgeführt werden kann. Mit Hilfe der angegebenen Anasto- ‚mosen sollte mit der Zeit eine vollkommene Ableitung des Darm- und Milzblutes ‚in die Vena pancreatica und das Leberende der Pfortader möglich sein. 2) Tschuewsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 97 S. 386. 1903. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 355 Magen . 3 Ale cem>)} Irehera(arteriellers strom) 22 772725 Zeem), allen Biortaderorsane . .» 77723277230,6 2ecm3)) Dar ned una... eat Scem!®), DIN Ze ls SER Icem:>), Leber (venöser Strom) . - . . ...597 ecem?), Bankreass a ae. al es ÜRRICEM, Iheberz hotalerStrom) 2 nr. ar sAgzeem)), Gehen ee en nealoa6ohe eems)), Nieren ee... ee war cemE): Schilddrüse au. 0. SS rsolrzcemu): Die den Blutdruck betreffenden quantitativen Resultate haben ergeben, dass der Druck in der Arteria hepatica um 3—4 mm Hg niedriger ist als der in der Arteria cruralis obwaltende. Jenseits der Leber, in der Arteria gastro-duodenalis, tritt eine weitere Er- niedrigung von etwa 2 mm Hg ein. Die Gefässnerven des Pylorus, Pankreas und Duodenums. Durch die Versuche Nr. 1 und 2 ist erwiesen worden, dass der Plexus hepaticus auch Fasern enthält, welche, ganz abgesehen von der Leber, die Blutfülle des peripheren Verbreitungsgebietes beherrschen. In den diesen folgenden Versuchen Nr. 3—10 wurde das Gefässfeld der Arteria gastro-duodenalis, welche ja die Fortsetzung der Leber- arterie bildet, auf verschiedene Weise beschränkt. Durch die Reizung des dieses Blutgefäss begleitenden Plexus konnte sodann festgestellt werden, dass diese Fasern wenigstens zum Teil die Funktion der zentral gelegenen Nervenkette übernehmen. Von hier ziehen diese Gefässnerven weiter nach der Peripherie, indem sie sich entweder dem Plexus gastro-epiploieus dexter oder dem Plexus pancreatico- duodenalis einverleiben. Auf dem erstgenannten Wege erreichen sie 1) Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 205. 1910. 2) Burton-Opitz, Quarterly Journ. of Exp. Physiol. vol. 3 p. 300. 1910. 3) Burton-Opitz, Quarterly Journ. of Exp. Physiol. vol. 4 p. 117. 1911. 4) Burton-Öpitz, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 495. 1908. 5) Burton-Opitz, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 129 S. 189. 1908. 6) Jenson, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 103 S. 195. 1904. 7) Burton-Opitz u. Lucas, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 123 S. 553. 1908. 8) Tschuewsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 97 S. 386. 1903. 356 Russell Burton-Opitz: den Pförtneransatz und auf letzterem Wege das Pankreas und mittlere Duodenum. ; Das Vorhandensein von Gefässnerven für das Gebiet des Pylorus wird durch die Versuche Nr. 3, 7a und 10 ausser Frage gestellt. Die Resultate dieser Messungen sind in Tabelle III zusammengestellt ; jedoch sind hier nur jeweils die maximalen Veränderungen der Strömung und des Blutdruckes mit den normalen Werten verglichen worden. Die von Periode zu Periode erscheinenden Abänderungen müssen in den Protokollen verfolgt werden. Tabelle II. Die Reizung des Plexus gastro-duodenalis auf die Blutzufuhr des Pförtners. Rei Stromvolumen Allgem. Blutdruck Versuch | Prüfung u cem/sek mm Hg Nr. Nr. = z = Dauer | Stärke während während Sek. cm some Reizung uocmnl Reizung 0 { 1 30 12 0,42 0,19 92,8 120,6 e 2 21 12 0,44 0,17 95,8 121,0 1 43 10 0,44 0,25 104,6 112,8 TR 2 39 10 0,42 0,23 102,3 108,6 | 3 52 8 0,30 0,12 100,5 107,2 ( 4 15 8 0,41 0,11 100,2 107,0 10 1 3 10 0,47 0,04 84,2 88,1 Diese Versuche verliefen in folgender Weise. Die Arteria pancreatico-duodenalis wurde entweder vor Anfang der Eichung der Strömung der Arteria gastro-duodenalis, oder kurz nachher, ab- geklemmt, so dass nur das dem Pförtneransatze zukommende Blut die Stromuhr durchlief. Während der Strommessung wurde nun der Plexus gegenüber der Stromuhr gereizt. Wie die Protokolle zeigen, trat jedesmal bald nach Anfang der Reizung eine ausgeprägte Verringerung des Stromvolumens ein. Diese Veränderung kann nur durch Hindernisse bedingt worden sein, welche sich peripher in den Gefässen des Pylorus entwickelt haben. Die hier ausgeführten Reizungen haben also zu Verengerungen des Gefässgebietes des Pförtners Anlass gegeben. Die das Pankreas betreffenden Versuche Nr. 5, 6, 7b, 8 und 9 umfassen zuerst die dem Pankreas und dem diesem anliegenden Duodenalabschnitte zugeführte Blutmenge. Unter Ausschluss des Pförtnerblutes mass die Stromuhr in diesen Fällen nur das den Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 357 eben genannten Teilen zugeführte Blut. Wie Tabelle IV lehrt, führten auch die während dieser Strommessungen vorgenommenen Reizunsen des Plexus gastro-duodenalis ohne Ausnahme merkliche Herabsetzungen der Strömung herbei — ein Beweis, dass auch das Gebiet der Arteria pancreatico-duodenalis von Gefässnerven be- herrscht wird. Tabelle IV. Die Reizung des Plexus gastro-duodenalis auf die Blutzufuhr des Pankreas. Rei Stromvolumen Allgem. Biutdruck Versuch [Prüfung en cem/sek mm Hg Nr. Nr. E 2 Fe E Dauer | Stärke während während Sek. ccm aommal Reizung mosıal Reizung 5 1 13 12 0,32 0,25 80,5 80,5 i! 14 10 04 | 029 87,2 91,5 6 2 10 10 0,43 0,28 96,2 98,4 3 18 10 0,46 0,19 96,0 97,5 7b 1 49 8 0,43 0.35 90,5 —_ 2 3 8 0,45 0,25 %0,5 95,4 8 1 50 10 0,34 0,17 92,6 oz 2 50 10 0,36 0,17 110,0 122,0 9 F BB} 12 0,68 0,36 126,5 138,2 2 75 12 0,76 0,29 124,1 143,8 Bei Versuchen Nr. 5, 6 und Sb wurde das periphere Ende des Plexus gereizt. Auf Grund der hier ausgeführten Eingriffe erlauben die zuerst genannten Versuche Nr. 5, 6 und 7b durchaus nicht die Schluss- folgerung, dass solche Mechanismen in dem Pankreas selbst ent- halten sind; denn es wurde eben die diesem Organe sowie die dem mittleren Duodenum zugeführte Blutmenge insgesamt bestimmt. Um diese Gefässreaktion näher zu lokalisieren, wurden die Versuche Nr. 3 und 9 unternommen. Nach der Abklemmung der Pförtnerarterie wurde auch das mittlere Duodenum durch Abbindung der verschiedenen Zweige ausgeschlossen, so dass die Arteria pancreatico- duodenalis nun in eine wahre Pankreasarterie verwandelt worden war. Die während dieser Stromaichungen ausgeführten Nervenreizungen verursachten wiederum starke Abnahmen der Blutzufuhr dieses Organes. Somit ist auch erwiesen worden, dass die dieser Drüse zuerteilten Gefässnerven dem Systeme des Plexus hepaticus und Plexus gastro-duodenalis entspringen. Die hier angetroffenen anatomischen Verhältnisse erlauben jedoch nicht, auf ähnliche Weise durch Ausschliessung des Pankreasblutes 358 Russell Burton-Opitz: das Vorhandensein von Gefässnerven im mittleren Duodenum ausser Frage zu stellen. Da das Volumen des Pankreas bedeutenden Sehwankungen unterworfen ist, hoffe ich, in Zukunft ein Tier anzu- treffen, in welchem eine Abtrennung dieses Gewebes von der Arterie vorgenommen werden kann. Unter Ausschluss des Pankreas könnte ja in der oben beschriebenen Weise die Blutzufuhr des mittleren Duodenumabschnittes direkt bestimmt werden. Indessen kann wohl aber das Zugesensein solcher Nerven in diesem Stücke des Darm- kanals als sehr wahrscheinlich erachtet werden; denn gemäss dieser Stromuhrversuche ist der Pylorusabschnitt im Besitze eines solchen Mechanismus und im Einklange mit früheren Messungen des Strom- volumens der Vena mesenterica!) auch der übrige Teil des Darmes. Der dem Pankreas anliegende Teil besitzt eine Länge von 5—10 em. Aus diesem Grunde wäre es sehr gewagt, anzunehmen, dass dieser kurze Duodenalabschnitt keine Gefässnerven besitze. Die durch die Reizung des Plexus gastro-duodenalis und dessen peripheren Verzweigungen erzielten Veränderungen der Blutzufuhr stehen in engem Zusammenhange mit gewissen Abänderungen in dem arteriellen Drucke. Jedoch müssen die durch Reizung des ganzen Plexus von den durch Reizung seines peripheren Endes verursachten genau unterschieden werden. Die letzteren sind von einfacherer Deutung und sollen hier zuerst zur Sprache gebracht werden. _ Wurde das periphere Ende der vorher durchschnittenen Nerven- kette benutzt, so trat jeweils eine nur unmerkliche Erhöhung des allgemeinen Blutdruckes auf, und zwar stand die Grösse dieser meist in einem direkten Verhältnisse zu dem Stromvolumen. Bei der Be- stimmung der Blutzufuhr des Pförtnerabschnittes waren die Druck- zunahmen im allgemeinen weit weniger stark gekennzeichnet als wie bei der Messung des Pankreasblutes. Es besteht also ein Zusammen- hang zwischen der Grösse des Durchströmungsgebietes und der Er- höhung des systemischen Druckes. An zweiter Stelle muss vermerkt werden, dass auch der Druck in der Arteria eastro-duodenalis jeweils eine Erhöhung erlitt, und auch hier war ein direktes Verhältnis zwischen der Grösse des Ver- teilungsfeldes und der Druckzunahme unverkennbar. Von Wichtig- keit ist ferner die Tatsache, dass der Druck in der genannten Arterie diese Erhöhung immer etwas früher als der allgemeine Blutdruck 1) Burton-Opitz, loc. eit. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 359 erkennen liess. Der Zeitunterschied betrug im Mittel etwas mehr als 1 Sekunde. Auf Grund dieser Tatsachen muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die geringe Erhöhung des allgemeinen Blutdruckes in diesen Fällen durch die Ausschliessung eines Teiles des peripheren Gefässgebietes bedingt worden ist. Obgleich ja im Vergleiche mit anderen Gebieten dasjenige des Pförtners oder des Pankreas als nur- unbedeutend erachtet werden muss, genügte der Abschluss des einen oder des anderen dennoch, um eine erkennbare Zunahme des arteriellen Druckes zu verursachen. Wir haben es hier also mit einer Aufstauchung des arteriellen Blutes vor den sich zusammen- ziehenden Gefässen des Pankreas oder Pylorus zu tun. Wurde der unversehrte Plexus einer Reizung unterzogen, So: traten ebenfalls Erhöhungen des arteriellen Druckes ein, jedoch konnten diese leicht von den eben beschriebenen unterschieden werden. Erstens waren sie meist von bedeutender Höhe und Länge, und zweitens war ihr Anfang ein viel plötzlicherer. Kurz nach dem Anfange der Reizung zeigte der allgemeine Blutdruck zuerst eine mehrere Sekunden dauernde Erniedrigung von mässigem Grade, welche von einer unverkennlichen Abnahme des Druckes in der Arteria gastro-duodenalis begleitet wurde. Die Latenzperiode betrug etwa 0,5—1,0 Sekunde, jedoch konnte jetzt kein Zeitunterschied in dem Auftreten der Druckveränderungen in dem genannten Blutgefässe- und der Arteria eruralis verzeichnet werden. Diese zu Anfang der Reizung auftretende Druckabnahme wurde: bald von einer Zunahme gefolst, welche, wie die Protokolle lehren, oft einen erstaunlichen Wert erreichte. Die Erhöhung nahm einen dem Stromvolumen parallelen Verlauf, so dass der maximale Wert dieser mit dem geringsten Blutlaufe zusammenfiel. Nach Ablauf der Reizung stellten sich die normalen Strömungsverhältnisse wieder langsam ein.. Wurde die Reizung während längerer Zeit fortgesetzt, so ver- schwanden die eben beschriebenen Abänderungen wenigstens zum Teile trotz der Reizung. Es tritt sodann wahrscheinlich eine Er- müdung der motorischen Gefässelemente auf. Von besonderem Interesse ist der Einfluss der Reizung auf die Atembewegungen. Bei Benutzung des unversehrten Plexus gastro- duodenalis bedingte die Reizung eine nahe sofortige Hemmung der Atmung, welche zuweilen 3—5 Sekunden dauerte. Die dann wieder auftretenden Bewegungen waren zuerst von höchst geringem Um-- 360 Russell Burton-Op tz: fange, nahmen jedoch stetig an Amplitüde zu, so dass dieselben zu- letzt einen weit tieferen Charakter aufwiesen. Auch ihre Frequenz war um ein weniges vermehrt. Nach Schluss der Reizung nahmen -sie langsam ihren früheren Umfang an. Die zu Anfang der Reizung auftretende Erniedrigung des Blut- .druckes fällt mit der Stockung der Atmung zusammen, und ich bin geneigt, anzunehmen, dass die Drucksenkung hierin ihre Haupt- ursache hat. Auch wird durch diese Beeinflussung der Atmung er- wiesen, dass der Plexus gastro-duodenalis. sensorische Fasern um- fasst, welche von dem Pankreas, Pförtner und Duodenum auf diesem Wege in den Plexus hepatieus und das Ganglion coeliacum gelangen. Jenseits dieses Ganglions wählen diese Erregungen wahrscheinlich die Vagusverbindungen aus, um zentrale Teile zu erreichen. Wurde nur das periphere Ende des vorher durchschnittenen Plexus gereizt, so verliefen die Atembewegungen in völlig normaler Weise. Somit darf auch angenommen werden, dass die genannten Nervenketten die einzige Verbindung zwischen dem Plexus solaris und der Pförtner- gegend nebst Pankreas bilden. Wie schon hervorgehoben worden ist, waren die durch die ‚Reizung des unversehrten Plexus erzielten Erhöhungen des arteriellen Druckes besonders stark gekennzeichnet. Die Zunahmen sind zu bedeutend, als dass sie durch die Zusammenziehung der hier zur ‚Sprache gekommenen Gefässgebiete allein erklärt werden könnten. Vielmehr muss vermutet werden, dass bei diesen Druckerhöhungen zwei Faktoren im Spiele sind. Die peripheren Kontraktionen der -Gefässe verhüten einesfalls den Ablauf einer gewissen Menge arteriellen Blutes. Es kommt somit eine Aufspeicherung des Blutes in den bezüglichen Arterien zustande, welche auch einen der Grösse des abgeschnürten Gefässfeldes gemässen Einfluss auf den allgemeinen Blutdruck ausübt. An zweiter Stelle handelt es sich hier um Gefäss- verengerungen in anderen Körperteilen, welche reflektorisch ausgelöst werden. Diese Tatsache dient wiederum dazu, den sensorischen Charakter des Plexus gastro-duodenalis und seiner Verzweigungen zu beweisen. Zum Schlusse möchte ich noch in Kürze auf die in Tafel IV enthaltenen Figuren verweisen: Fig. 1 gibt einen Teil des neunten Versuches wieder, nämlich die Perioder Nr. 7—14. Der Druck in der Arteria eruralis ist mit den Buchstaben AC und der in der Arteria gastro-duodenalis obwaltende Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 361 mit den Buchstaben AG bezeichnet worden. Die Stromuhr- und Atmungskurven sind durch die Buchstaben St und R gekennzeichnet. Die Zeit ist in Sekunden markiert. Die Linie des Elektromagneten, S, diente zugleich als Abszisse für den allgemeinen Blutdruck. In diesem Versuche wurde das periphere Gefässgebiet vorerst so begrenzt, dass die Stromuhr nur das dem Pankreas zuerteilte Blut messen konnte. Unter Bezugnahme der in dem Protokoll dieses Versuches angegebenen Werte betrug das Stromvolumen während der zehnten Periode der Stromuhr 0,76 cem in der Sekunde, Der allgemeine Blutdruck erreichte den Wert 124,1 mm Hg und der Druck in der peripheren Arterie 118 mm Hg. Die Atmunses- kurven wurden bei % durch den Einlass von Luft in die Schreibe- trommel absichtlich etwas vergrössert. Bei B wurde der unversehrte Plexus gastro - duodenalis einer 75 Sekunden dauernden Reizung unterzogen. Ersichtlich sind nun erstens die Hemmung der Atmung und zweitens die mit dieser zu- sammenfallende Erniedrigung des arteriellen Druckes. Nach einem Zeitintervalle von etwa 3 Sekunden treten die Atembewegungen mit stetig zunehmendem Umfange wieder auf, während der Druck in den beiden Arterien lanesam zu steigen anfängt. ‘ Während der Reizung prägen sich diese Veränderungen immer stärker aus. Das Stromvolumen ist mittlerweile durch die in dem Pankreas auftretenden Gefässverengerungen stark verringert worden, so dass während der 13. Periode nur 0,29 cem die Stromuhr in der Sekunde durchlaufen. Nach Schluss der Reizung, bei D, ist zu erkennen, wie sich die Strömung langsam vergrössert, um schon wieder während der 14. Phase einen ansehnlichen Wert zu gewinnen. Auch der arterielle Blutdruck hat sich mittlerweile seiner normalen Höhe wieder zugekehrt. Fig. 2 ist eine Abbildung der 3.—7. Stromuhrperioden des Ver- suches Nr. 10. Nur das dem Pförtnerabschnitte des Duodenums zugeführte Blut wurde hier bestimmt. Bei einem allgemeinen Drucke von 84,2 mm Hg betrug das normale Stromvolumen im Mittel 0,47 cem in der Sekunde. Der Reizung des Plexus gastro-duodenalis foleten (bei DB) wiederum zuerst eine Senkung und sodann eine Steigerung des Blutdruckes. Das Stromvolumen wurde auf 0,04 cem in der Sekunde herabgesetzt. Nach Schluss der Reizung kamen normale Strömungsverhältnisse wieder langsam zum Vorschein. Die Atmungsbewegungen sind hier nicht besonders wohl gezeichnet, jedoch ist die zu Anfang der Reizung auftretende Hemmung unverkennbar. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 24 (dB) (op) DD Russell Burton-Opitz: Protokolle. Versuch Nr. 1, den 13. Januar 1911. Reizung des Plexus hepaticus. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in den Stamm der Arteria hepatica eingebunden. Die Leberzweige dieses Blutgefässes wurden mit Hilfe einer Klemmpinzette abgeklemmt. Der Plexus hepaticus wurde gegenüber der Stromuhr in bedeckte Gummielektroden gelegt. Da das periphere Gebiet hier nicht begrenzt worden ist, betreffen die Strömungswerte das Pankreas sowie das Duodenum und die Gegend des Pförtners. Äthernarkose. 2. Gewicht: des Hundes 20 kg; des Pankreas 47 g; des Duodenums mit Pförtneransatz 57 g; des Pylorus allein 13,1 g; 3. Länge: des Duodenums mit Pförtner 19 cm; des Pförtneransatzes 2,7 cm. : rom- Blutdruck Perioden Dan DL en Strom- Ei die der Pericde währ. jeder | yolumen Bemerkungen Stromuhr Hanke Art, Art. Sek. ccm ccm/sek. hepatica cruralis 1 11,6 17,0 1,46 95,0 98,6 Kein Eingriff 2 lot 16,8 1,43 u 3 12,0 16,8 1,40 — — 4 10,5 17,0 1,61 = _ 5 12,8 20,0 1,56 _ u 6 | 109 18,0 1,65 _ — 7 10,8 18,4 1,70 —— — Mittel 1,54 95,0 98,6 8 13,8 19,2 1,39 — — Reiz. des Plexus 9 | 18,0 1,39 97,0 — hepatie. 10 cm, 10 12,1 16,5 1,360 — Z 50 Sek. ul 15,2 17,8 1,17 100,0 102,8 12 16,8 I) 1,06 =. 0 3 13,6 17,9 1,31 _ u Kein Eingriff 14 13,8 18,0 1,30 — == 15 12,4 18,0 1,45 95,0 98,0 16 12,5 17,9 1,43 => — Versuch Nr. 2, den 2. November 1911. Reizung des Plexus hepaticus. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde auf solche Weise in die Arteria hepatica eingeführt, dass ihre zentrale Kanüle zentral von der Leber und ihre periphere Kanüle peripher von dem letzten Leberzweige zu liegen kamen. Die Leber ist somit ausgeschlossen. Da keine Begrenzung des Ver- teilungsgebietes ausgeführt worden ist, wird auch in diesem Versuche die Blut- zufuhr des Pankreas sowie des Duodenums und Pylorus gemessen. Der Plexus hepaticus wurde vis-A-vis der Stromuhr in Elektroden gelegt. Äthernarkose. 2. Gewicht: des Hundes 20 kg; des Pankreas 68 g; des Duodenums mit Pförtner 60 g; des Pförtners allein 19,2 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pylorus 18,2 cm; des Pylorus allein 2,3 cm. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 363 > Strom- Perioden ee ae Strom- ne der Jede | währ. jed. volumen | __ Bemerkungen Periode | Periode . K Stromuhr Art. rt. Sek. ccm | ccm/sec |hepatica| cruralis [ 1 19,5 16,8 0,86 18,0 | 82,0 Kein Eingriff 2 19,3 16,8 0,87 E= — 3 19,2 16,5 0,85 _ = 4 20,1 16,8 0,83 E— — Mittel 085 | 780 | 820 | 3%) 9,1 89 0,933 | 81,0 u Reizung des Plexus 5b 18,4 84 045 | 823,5 86,0 hepaticus, 12 cm, | 12 Sek. 6 32,8 17,0 0,51 — — Kein Eingriff 7 20,8 15,9 0,76 78,0 82,0 8 19,8 16,6 0,83 — — 9a 1,4 5,4 0,75 80,0 _ Reizung des Plexus 9b 33,1 4,7 0,14 33,0 87,9 hepaticus, 12 cm, 15 Sek. Ic 18,2 5,4 0,29 —_ — 10 22,5 15,8 Se 80,0 11 20,1 15,8 0,78 — — 1. Eingriffe vor dem Versuche: Leber in die Art. gastro-duodenalis eingesetzt. Versuch Nr. 3, den 1. Dezember 1911. Reizung des Plexus gastro-duodenalis. Die Stromuhr wurde peripher von der Der benachbarte Plexus wurde in Elektroden gelest. Die Art. pancreatico-duodenalis wurde abgeklemmt, so dass in diesem Versuche nur das dem Pförtneransatze zuerteilte Blut gemessen wurde. Äthernarkose. 2. Gewicht: des Hundes 25 kg; des Pankreas 55 g; des Duodenums mit Pförtner 74 g; des Pförtners allein 25 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pförtner 18,4cm; des Pförtners allein 7,8 cm. Perioden der Stromuhr sprpoODH [orKer) cd Dauer jeder Periode Sek. 40,4 39,5 40,1 34,8 34,1 Strom- volumen. währ. jed. Periode Strom- volumen cem/sec Blutdruck mın Hg R Bemerkungen t. | a: Art. duodenails| cruralis | 86,0 92,8 Kein Eingriff | 86,0 | 92,8 | 98,0 — Reizung des Plexus | 105,0 120,6 gastro-duodenalis, | 12 cm, 30 Sek. 24 * 364 Russell Burton-Opitz: R Strom- Perioden Di Be Sonn a der Ir währ.jed.| yolumen Bemerkungen Periode | Periode Art. Stromuhr te) Afte Sek. ccm cem/sec |auodenalis cruralis 7 49,9 14,2 0,28 95,4 | Kein Eingriff 8 32,2 14,4 0,44 — = 9 34,0 15,2 0,44 86,0 95,3 10a | 148 72 048 | 95,0 | — | Reizung des Plezus 10b 46,83 4 0.17 102,0 121,0 gastro- duodenalis, | | 12 cm, 21 Sek. 11 48,9 15,6 0,31 84,0 90,0 | Kein Eingriff Versuch Nr. 4, den 19. Dezember 1911. Reizung des Plexus gastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde peripher von der Leber in die Art. gastro-duodenalis eingebunden. Der diese umgebende Plexus wurde in Elektroden gelegt. Die Art. pancreatico-duodenalis wurde zuerst ab- geklemmt, jedoch nach der Periode 3a geöffnet, so dass nach dieser Periode das dem Pankreas, Duodenum und Pförtnerteile zugeführte Blut gemessen wurde. Äthernarkose, 2. Gewicht: des Hundes 17,5 kg; des Pankreas 41 g; des Duodenums mit Pförtner 51 g; des Pförtners allein 16 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pförtner 17 cm; des Pförtneransatzes 4,6 cm. 3 » | Strom- Perioden ns e Strom- re der er ; en währ.jed., volumen - Bemerkungen erio i Be Stromuhr Keule on | A Sek. ccm cem/sec |duodenalis cruralis 1 47,4 15,5 0,33 86,0 91,2 | Kein Eingriff. Art. 2 49,8 16,2 0,32 — — pancr.- duodenalis 3a 9,4 2 0,28 —_ == ist abgeklemmt Mittel 0,31 36,0 91,2 3b 21,4 12,6 0,46 —_ —_ Art. pancr. - duod. 4 24,0 16,5 0,68 — _ wurde geöffnet 5) 27,5 16,8 0,61 — 94,0 6 29,4 19,0 0,64 — — 7 27,6 19,0 0,68 96,0 | 104,3 sa 9,4 6,3 0,67 130,0 | 135,0 | Reizung des Plexus Sb 9,8 3,4 0,34 _ 136,0 gastro-duodenalis, | 12 cm, 10 Sek. Sc Karl) 55 0,38 — = Kein Eingriff 9) 38,8 16,9 0,43 104,0 | 110,0 Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. Perioden ee d jeder St % h Periode romuhr Sek. 10a 10,8 10b 9,6 10e 26,2 11 48,0 Strom- volumen währ.jed. Periode ccm Strom- volumen | eem/sec 365 Blutdruck mm Hg ” Bemerkungen Art, Art. | gastro- e duodenalis| eruralis 130,0 — Reizung des Plexus 130,0 ;ı 180,2 sastro-duodenalis, 10 cm, 8 Sek. 109,0 | 114,0 | Kein Eingriff Versuch Nr. 5, den 5. Januar 1912. Reizung des peripheren Endes desPlexusgastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingeführt. in Elektroden gelegt. Das periphere Ende des Plexus gleichen Namens wurde Die Art. gastro-epiploica dextra wurde nach der Periode 6a abgeklemmt, so dass sodann nur das dem Pankreas und mittlerem Duodenum- stücke zugeführte Blut gemessen wurde. 2. Gewicht: des Hundes 12,5 kg; des Pankreas 66 g; des Duodenums mit Pylorus 29 g; des Pylorusstückes allein 9 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pylorus 14,5 cm; des Pylorusabschnittes allein 4,5 cm. Äthernarkose. Blutdruck R D Strom- Perioden nn volumen |, Strom- mm Hg der Ir währ.jed. | yolumen — Bemerkungen Periode | Periode I Art: Art Stromuhr Bigastro) | rel Sek. ccm cem/sec |auodenalis eruralis 1 37,4 18,1 0,48 | 75,0 80,5 Kein Eingriff 2 38,8 18,0 Bee 3 39,0 18,3 DA — 4 35,0 18,2 | — — 5 30,5 16,8 Va er 6a 8,3 4,6 N SSR — Mittel 0,50 75,0 80,5 an 43,1 13,0 B — | Die Art. gastro-epipl. 7 59,6 18,0 VB _ dextra wurde ab- 8 57,0 17,9 0,31 — == geklemmt 9 54,0 18,2 0,33 = — Mittel 032 | 750 | 805 10a S1 2,6 0,32 — — Reizung des periph. 10b 40,8 10,6 0,25 —_ 80,5+ Endes des Plexus | gastro-duodenalis, | | 1% om, 6 Sal 10 c 16,7 5,2 0,31 — — Kein Eingriff 11 52,6 18,4 0,34 75,0 80,0 366 Russell Burton-Opitz: Versuch Nr. 6, den 12. Januar 1912. Reizung desperipheren Endes des Plexus gastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingeführt. Der gleichnamige Plexus wurde durchschnitten und sein peripheres Ende für die Reizung zurechtgelegt. Die Art. gastro-epiploica dextra wurde abgeklemmt, so dass hier nur das dem Pankreas- und mittlerem Duodenum abschnitte zugeführte Blut gemessen wurde. Der Versuch wurde wiederholt. Äthernarkose. 2. Gewicht: des Hundes 15,3 kg; des Pankreas 34 g; des Duodenums mit Pylorus 28 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pylorus 13,2 cm; des Pylorus allein 2,6 cm. > Strom- Blutdruck Eerioden volumen Strom- im Hg der ar währ. jed. | yolumen Bemerkungen Periode | Periode Art. EL Stromuhr gastro- on Sek. ccm cem/sec |duodenalis; Cruralis ıl 37,0 17,8 0,48 81,5 87,2 Kein Eingriff 2 35,9 17,8 0,50 — — 3 34,8 17,9 0,51 Se 4 43,0 | 17,9 0,41 _- -_ Mittel | 0,47 Se 5 58,2 17,2 029 | 85,0 | 91,5 | Reizung des periph. Endes des Plexus gastro-duodenalis, 10 cm, 14 Sek. 6 43,2 us: 00 Bar euren Eingriff 7 41,0 17,5 0,42 80,0 84,4 il 43,8 18,5 0,42 90,0 96,2 Kein Eingriff 2a 4,2 1,8 0,43 — _ 2b 21,3 | Du ne 93,0 98,4 | Reizung des periph. | Endes des Plexus gastro-duodenalis, 10 00]40 em, 10 Sek. 10 Sek. 2C 14,4 11,6 0,47 — — | Ken Ent 0 Eingriff 32 10,3 4,8 0,46 90,0 96,0 3b 26,1 9,2 0,19 92,0 97,9 Reizung des periph. Endes des Plexus gastro-duodenalis, | 10 cm, 18 Sek. 3e | 10 70 0,37 | 900 | 96,0 | Kein Eingriff Versuch Nr. 7, den 19. Januar 1912. Reizung des Plexus gastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingesetzt. Der gleichnamige Plexus wurde in Elektroden gelegt. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 367 Die Art. pancreatico-duodenalis wurde zeitweilig abgeklemmt, sodass nur das dem Pförtnerabschnitte zugesandte Blut gemessen wurde. Äthernarkose. Nach Reinigung der Stromuhr wurde der Versuch wiederholt, jedoch so, dass nun unter Abklemmung der Art. gastro-epiploica dextra nur das dem Pankreas und Duodenum zuerteilte Blut gemessen wurde. 2. Gewicht: des Hundes 20,5 kg; des Pankreas 50 g; des Duodenums mit Pylorus 46 g; und des Pylorusstückes allein 12 g. 3. Länge: des Duodenums mit Pylorus 77 cm; des Pylorusabschnittes allein 3,5 cm. r Strom- Stromuh Perioden 2 a Strom- ns der De lwährsjed. ,olnmen Bemerkungen En Periode Art. A Stromuhr gastro ccm cem/sec duodenalis) ceruralis ei, es ae) 104,6 ‚nem hingmir 2 re > 0,44 —_ | | Mittel 0,44 98,0 ' 104,6 3 48,5 18,4 | 0,42 105,5 | 112,3 | Reizung des Plexus | gastro-duodenalis, 10 Bann 43” Sek. 4 | a 6) 41,5 17,0 0,41 — 6 | 41,0 172 042) 96,0 | 1028 Ta 6,4 2,0 Var 2 — | Reizung des Plexus 7b 34,0 8,0 0235411025 108, 6 gastro-duodenalis, 10 er 35 Sek. Tec 37,4 10,0 0,26 — Kein in 8 46,0 18,0 0,30 94,0 100, h) 9a 57,4 7,0 | 0,12 _ | | Reizung des Plexus 9b 45,0 Son 722019 1005 107, 2 gastro-duodenalis, | | 8 cm, 52 Sek. 10 61,6 20,0 0,30 Kein Eingriff he IE] 80 0,41 94,0 100, 2 11b 25,1 32 0,11° | 101,07,21070 Reizung des Plexus gastro- duodenalis, | & em, 15 Sek. ke 31,5 5,8 0,18 — _ Kein Eingriff 12 57,8 18,5 0,32 92,0 98,5 1 38,0 17,4 045 | 84,0 9, 5 | Kein Eingriff 2 38,6 16,5 042.1. — Mittel 0,43 84,0 90,5 368 .: Russell Burton-Opitz: ; Strom- Blutdruck Perioden en volumen Strom- mm Hg der I \währjedil volumen - Bemerkungen x Periode | Periode Ar Art Stromuhr gastro- as Sek. ccm ccm/sec duodenalis| eruralis 3 46,2 16,5 0,35 — Reizung des Plexus | gastro-duodenalis, 8 cm, 49 Sek. 4 36,5 17,2 0,47 — Kein Eingriff 3a 18,3 8,4 0,45 — 5b 39,4 10,2 0,25 88,0 95,4 Reizung des Plexus gastro-duodenalis, ee 8 cm, 30 Sek. 6 | 49,2 18,0 036 | 840 | 905 | Kan wein Kein Eingriff Versuch Nr. 8, den 25. Januar 1912. A. Reizung des Plexus gastro-duodenalıs. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingeführt und die Fasern des gleichnamigen Plexus in Elektroden gelegt. Sämtliche Darmzweige der Art. pancreatico-duodenalis wurden unter- bunden. Ebenso die Art. gastro-epiploica dextra. Nur die Blutzufuhr des Pankreas kommt daher hier in Betracht. Äthernarkose. Der Versuch wurde wiederholt, jedoch wurde dann das periphere Ende des durchschnittenen Plexus gereizt. 2. Gewicht: des Hundes 17 kg; des Pankreas 49 g. - r | Strom- Blutdruck Perioden Be | oe Strom- an He der JeCeT | währ.jed. volumen Bemerkungen Periode | Periode Art. Art Stromuhr | gastro- ER Sek nlnacem cem/sec |duodenalis| cruralis 1 524 182 | 034 | 850 | 9%6 | Kein Eingriff 2 53,8 18,0 | 083 _ — 3a a | 8,0 0,37 — — Mittel | 0,34 85,0 92,6 3b 61,4 10,5 Oz 0 | 1 | Reizung des Plexus gastro-duodenalis, | 10 cm, 50 Sek. se 184 | . 0,31 90,0 | 95,0 | Kein Eingriff B. Reizung des peripheren Endes des Plexus gastro-duodenalis. 1 | 48,3 18,2 | 0,37 | 104,0 | 110,0 | Kein Eingriff 2a 17,6 6,2 0,35 | = Mittel | 0,36 | 104,0 | 110,0 Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. V. 369 > Dauer | Strom- Blutdruck sarıtar volumen | Strom- mm Hg der 5. riode währ. jed.| volumen Bemerkungen Stromuhr Kanals N Art. Sek. | ccm ecm/sec duodenalis| eruralis 2b 58,6 10,3 0,17 116,0 122,0 | Reizung des periph. Endes des Plexus gastro-duodenalis, | 10 cm, 50 Sek. 2e is 30 9,21 gs — | Kein Eingriff 3 62,5 19,0 0,30 106,0 | 102,5 Versuch Nr. 9, den 2. Februar 1912. Reizung des Plexus gastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingeführt und der Plexus gleichen Namens in Elektroden gelegt. Die Art. gastro-epiploica dextra wurde abgeklemmt, ebenso auch alle zum mittleren Duodenumstücke aufsteigenden Zweige. kommt hier in Betracht. Äthernarkose. Nur das dem Pankreas zuerteilte Blut 2. Gewicht: des Hundes 26 kg; des Pankreas 51 g. Perioden der Stromuhr we vu 13 14 Dauer jeder Periode Sek. Strom- | volumen währ. jed. Periode ccm Strom- volumen cem/sec 0,67 0,69 0,64 0,68 Blutdruck mm Hg Art. gastro- duodenalis 120,5 120,5 132,0 Bemerkungen Art. eruralis 126,5 | Kein Eingriff 126,5 138,2 | Reixung des Plexus gastro-duodenalis, 12 cm, 53 Sek. Kein Eingriff Reizung des Plexus gastro-duodenalis, 12 cm, 75 Sek. Kein Eingriff 370 Russel Burton-Opitz: Über die Strömung des Blutes etc. Versuch Nr. 10, den 9. Februar 1912. Reizung des Plexus gastro-duodenalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde in die Art. gastro- duodenalis eingeführt und der gleichnamige Plexus in Elektroden gelegt. Die Art. pancreatico-duodenalis wurde abgeklemmt; somit kommt hier nur die der Pförtnergegend zuerteilte Blutmenge in Betracht. Äthernarkose. 2. Gewicht: des Hundes 26,2 kg; des Pankreas 42 g; des Pförtnerabschnittes 10,3 g; mit mittlerem Duodenumstücke 37 g. 3. Länge: des Pylorusabschnittes 4,1 cm und mit mittlerem Duodenum 14,2 cm. : .» | Strom- Blutdruck Perioden En | linear Strom- mm Hg der ee wahrljede| volen Bemerkungen Periode | Periode Erb SEE nenn Stromuhr gastro- 2 Sek. | cem ecm/sec |duodenalis) cruralis 1 ob, 2 u1,S 0,46 32,0 36,5 | Kein Eingriff 2 36,4 16,6 0,45 — — 3 35,6 16,8 0,47 —_ — 4 29,3 16,5 0,56 79,9 84,2 5 40,6 low —. (I. — Mittel | 0,47 75 53 | 10 I 32 | oa = | lFReizung des Plexus 6b 44,0 2022004 8540 ı 881 gastro-Juodenalis, | | 10 cm, 36 Sek. Ge 591 00 0,18 | 775 | 824 | Kein Eingriff 7 588 16,5 0,28 — — 6) 41,8 16,6 0,38 77,0 S1,8 37l (Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses am Urban, Berlin.) Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. II. Von Peter Rona und Paul Neukirch. (Mit 9 Textfiguren.) I. In einer früheren Mitteilung!) konnten wir zeigen, dass die motorische Tätigkeit des überlebenden Dünndarms von Kaninchen durch d-Glukose und d-Mannose mächtig angeregt wird, während d-Fruktose und d-Galaktose sich als ganz unwirksam erwiesen haben. Das elektive Verhalten der Darmmuskelzellen gegen Körper so verwandter Konstitution führte zunächst zur Aufgabe, eine grössere Reihe physiologisch wichtiger Körper, die verschiedenen chemischen Gruppen angehören, daraufhin zu untersuchen, ob sie befähigt sind, die Bewegung des Darmes anzuregen bzw. zu unter- halten. Untersucht wurden in dieser Riehtunz zuerst verschiedene Kohlenhydrate: von den Hexosen noch die Sorbose, dann einige Pen- tosen, Di- und Polysaecharide, ferner zu den Kohlenhydraten in Be- ziehung stehende Verbindungen: «- und 8-Methylglukosid, die Alkohole Glycerin, Mannit, Duleit, dann von Säuren die Zuckersäure und Schleim- säure; von stickstoffhaltigen Körpern Witte-Pepton, verschiedene Ei- weissspaltprodukte (Aminosäuren, Polypeptide), ferner Harnstoff, Krea- tin und das zwischen den Kohlenhydraten und Aminosäuren stehende Glukosamin. Von den Säuren wurden geprüft ausser den niederen Fett- ‚säuren von der Ameisensäure bis zur Valeriansäure die Oxysäuren: Glykolsäure, Milehsäure, «&- und 8-Oxybuttersäure, Weinsäure, von den Ketosäuren die Brenztraubensäure, Lävulinsäure und die Oxalessig- säure; von den Alkoholen, ausser den oben erwähnten, Methyl-, Äthyl- und Amylalkohol. Alle Säuren wurden in Form ihrer Natrium- salze angewendet, bei alkalisch reagierenden Körpern die Reaktion mit Salzsäure bis eine gegen Lackmus neutrale abgestumpft. Eine 1) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 555. 1912. 372 Peter Rona und Paul Neukirch: Grenze in der Auswahl der zu prüfenden Stoffe bildete die Be- dingung, dass die betreffenden Stoffe in Wasser, resp. physiologischer Kochsalzlösung so weit löslich sein mussten, dass sie in genügender Konzentration der von Tyrode angegebenen Nährlösung zugesetzt werden konnten; sie durften auch das physiologische Ionengleich- gewicht der Nährlösung nicht stören. Im ganzen wurden über 50 verschiedene Körper untersucht, an denen gegen 200 Reeistrier- versuche ausgeführt wurden. Die Anordnung der Versuche war wie in der ersten Mitteilung. Die Darmstücke befanden sich in 100 cem Tyrode-Lösung bei 33°; während des ganzen Versuches perlte Sauerstoff durch die Flüssickeit. Die Zufuhr der Stoffe, die auf ihre Wirkung geprüft werden sollten, wurde so bemessen, dass die ganze Lösung 0,5—1 ooig: in bezug auf die Konzentration des zugefüsten Stoffes war. Nur in einzelnen Versuchen wurden noch schwächere Konzentrationen ge- prüft. Nähere Angaben hierüber sind in der tabellarischen Zusammen- stellung der Versuche zu finden (vgl. Tabelle I). Genau wurde ferner darauf geachtet, dass die neutrale Reaktion der Nährlösung infolge der fremden Beimengung keine Änderung erfuhr. Tabelle ]. Die zur Prüfung Kon- Wirkung auf die gelangte Substanz !) zentration Darmbewegung IArabınoseme wre | 1 %oo keine RXylsern. Haie 1 %00 keine d=Sorbosein ara 1 %/oo keine SalccHaroSeH 1 %/oo keine Malteser net 1 %oo keine Baktoset ze ne er 1 9/00 keine Ikattınose se ME 1 co keine Stachyoses. re den. 1 °/o0 keine IKoslicher Starken sm 1 9/00 keine e-Methylglukosid. . . . . . 1 °%/oo keine ß-Methylglukosid ... .. . 1 °/oo keine Glukosamin-HCl . ..... 1 °/oo keine Dilemma ee 0,5 9/oo keine d-Mannıtee A a 0,5 %/00 keine 1) Wenn nicht anders vermerkt, sind die benutzten Präparate von Kahl- baum bezogen. Raffinose, Stachyose und Oxalessigsäure (Schmelzp. 146°) ver- danken wir der Güte von Herrn Prof. C. Neuberg. Die Dipeptide, Alanyl- glyein, Alanylalanin, Glycyl-I-tyrosin ferner das Tripeptid Diglycylelyein wurden nach den Vorschriften von E. Fischer dargestellt. (Vgl. Liebig’s Annalen Bd. 340 S. 123. Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 38 S. 2375, Bd. 36 S. 2982.) Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. II. 373 Die zur Prüfung gelangte Substanz | Konzentration Nee Darm. Zuckersaures Natrium . ..... 0,5 %/oo keine Schleimsaures Natrium. . ... . 0,5 %/oo keine Ehukokellart. ee. 0,5—1 °/oo keine ENGINE 2er 1/0 keine «-Aminovaleriansaures Natrium . . 0,5 %/oo keine Asparaginsaures Natrium. . .. . 0,5 %/oo keine Glutaminsaures Natrium . . .. . 0,5 oo keine Pikmylelyeme a... 020. 0% 1/0 keine Manylalanın .. -.... ... | 0,5 %/00 keine eiyeyi-Kiyrosin . »... ... £ 0,5 %/00 “keine Bielveylelyein. =... ....21:.% 0,5 %/00 keine Ekimstoib.. .... . - a a 0,5—1 °/oo keine ea .... .. EEE 1/00 keine BeERomaWitter 9.2... .0..20.0 20. 0,3 %/00 keine Aminosäurengemisch!). ..... —_ keine Merbylalkohol.... . .. 2... 0,5 %/00 keine (resp. Lähmung) Athylalkohol.. ... .. ... . Re: 0,5 9/00 keine Anilalkohol®...:: ..... 2.2... 0,5 °/00 Lähmung TESTEN N or er 0,5 °/oo keine Monacetin a Eee EL 0,2%00 keine Acetessigester. . - - 2... 0,5 °/oo keine, resp. lähmende Acetessigsaures Methyl. NEUN 0,5 °/00 keine, resp. lähmende ABO. & ee 0,5 n/00 keine, resp. lähmende Weebylacetlone 22... ua 0,5 °/o0 keine, resp. lähmende Ameisensaures Natrium . .... 0,5 %/00 keine Essigsaures Natrium. . .»..... 0,2—0,5 %/o0 anregend Propionsaures Natrium. .... . 0,5 %/00 keine n-Buttersaures Natrium. . ... . 0,3 9/00 schwach anregend 'iso-Valeriansaures Natrium. . . . 0,5900 keine Glykolsaures Natrium . . ... . 1°/oo keine Milchsaures (i-«-oxypropionsaures) \ 0,5% keine, resp. sehr schwach LEHIEDIT ee N N anregend «-Oxybuttersaures Natrium (inakt.). 0,5 °/o0 keine $-Oxybuttersaures Natrium (inakt.). 0,5 %/00 schwach anregend Weinsaures Natrium (neutral). . . 1%o keine Weinsaures Kalium-Natrium . . . 0,5. %00 keine Traubensaures Natrium . .... 0,5 %/o0 keine Brenztraubensaures Natrium . . . 0,2—0,5%/oo sehr stark anregend Oxalessigsaures Natrium . . . . . 0,2—0,5 9/00 schwach anregend Lävulinsaures Natrium. . .... 0,5 °/00 keine Glycerinphosphorsaures Natrium . 0,5 0/00 keine 1. Das hauptsächlichste Ergebnis all dieser Versuche war, dass mit ganz wenigen Ausnahmen, die weiter unten angeführt sind, die unter- suchten Stoffe in den angewandten Konzentrationen ganz unwirksam auf die Darmbewegung waren. Die bereits schwächer gewordene Darm- bewegung wurde durch das Hinzufügen fast der ganzen Serie der ge- prüften Körper in keiner Weise günstig beeinflusst, und erst der nach- trägliehe Zusatz von Traubenzucker zeigte mit seiner mächtig an- 1) Das Aminosäurengemisch wurde durch fermentativen Abbau von Rindfleisch gewonnen. Es enthielt 13,50% N und 9,45°/o NH;-N. — Zugefügt wurde der Tyrode-Lösung eine 16,34 mg NH,-N entsprechende Menge des Gemisches. 374 Peter Rona und Paul Neukirch: fachenden Wirkung an, dass wir es hier mit Darmstücken zu tun hatten, die auf Stoffe, auf die sie „eingestellt“ sind, zu reagieren wohl befähigt waren '). Unwirksam wurden alle die zu den Kohlenhydraten gehörenden Verbindungen (bis auf Traubenzueker und Mannose) gefunden. So die Ketose Sorbose, dann die Pentosen ]-Arabinose und 1-Xylose (vgl. Fig. 1), die Disaccharide: Saccharose, Maltose, Laktose, das Tri- saccharidRaffinose, das Tetrasaecharid Stachyose, ferner Dextrin und (lösliche) Stärke. Besonders hervorgehoben muss die Unwirksamkeit der Disaccharide werden, was mit der bekannten Tatsache, dass diese ee ! ; — Fig. 1. Um 1h 00’ wird (bei Marke 1) der Flüssigkeit Xylose (ca. 1/oo) hin- zugefügt. Kein Effekt. 1 Kontraktionen um 1h 45’. Um 1h 47’ (y) wird der Lösung Glukose (zu 1°/oo) hinzugefügt. Sofort starker Ausschlag. 1 Fig.2. Um 1h 30’ (bei der Marke 1) wird der Nährlösung Glykokoll (zu 1°oo) hinzugefügt. Ohne sichtbaren Effekt. 1 Kontraktionen um 25 00'. Um 25 05’ (x) wird der Lösung Glukose (zu 1°/oo) hinzugefügt. Sofort mächtiger Ausschlag. gewöhnlich erst gespalten werden, bevor sie im Organismus zur Verwertung gelangen, in gutem Einklang steht. Die chemische Untersuchung der mit Saecharose, Maltose und Laktose versetzten Tyrode-Lösung (zu je 1°/oo), wobei Darmschlingen von 12 bis 15 & auf 150 eem der Nährlösung verwendet worden sind, ergaben auch 1) In den mitgeteilten Figuren 1, 2 und 3 sollen nur einige Beispiele ge- geben werden, wie das Verhalten der Darmkontraktionen ist, wenn solche un- wirksamen Stoffe der Nährlösung zugefügt werden. Bei dem gleichartigen Verlauf dieser Versuche ist eine vollständige Wiedergabe der Kurven überflüssig. Sehr deutlich ist an den Beispielen die mächtige Förderung der Darmbewegung nach Zusatz von Traubenzucker ersichtlich. Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. II. in vollkommener Übereinstimmung mit bekannten Tatsachen bei Saccharose und Maltose eine Invertierung, während bei der Laktose keine durch denDarm bewirkte Änderung der Konzentration der Lösung an diesem Stoff während des Versuches nachgewiesen werden konnte. In den Registrierversuchen kann das arbeitende kleine Darmstück von etwa 2 em Länge "natürlich auch bei den Versuchen mit Saccharose und Maltose keine nennens- werte Spaltung hervorrufen, so dass wirk- same Glukosemengen nicht entstehen. Erst nach Hinzufügen von Glukose (bis zu 1 °/oo) beobachtet man einen mächtigen Anstieg der Bewegung. — Unwirksam waren ferner folgende Verbindungen, die mit den Kohlenhydraten chemisch ver- wandt sind: «- und ß-Methylglukosid, Glukosaminchlorhydrat, dann von den Alkoholen: Glycerin, Mannit, Duleit, von Säuren: Zuckersäure, Schleimsäure (als Natriumsalze). Gar keine Wirkung zeigten ferner eine grosse Reihe mit den Eiweissstoffen in Beziehung stehende Körper: Harnstoff (vgl. Fig. 3), Aminosäuren (Glykokoll (vgl. Fig.2), Alanin, aminovaleriansaures-, asparaeinsaures-, glutaminsaures Natrium), die Dipeptide Alanylelyein, Alanylalanin, Alanyltyrosin, das Tripeptid Dielyeyl- elyein. Ebenfalls unwirksam wurden ferner gefunden Witte-Pepton wie auch ein Aminosäurengemisch, das durch totalen fermentativen Abbau von Fleisch gewonnen worden ist. Die untersuchten Alkohole, Methyl- Äthyl-Amylalkohol, Aceton, waren in den angewandten Konzentrationen entweder IT 2 Fa "an, m a) HN | | = E (8) I [er | g. Keine Einwirkung auf die Bewegung bemerkbar. Bedeutende Förderung der Bewegun 1/00) hinzugefügt. ‚>°/oo) hinzugefügt. Bei x wird der Flüssigkeit Glukose (zu 3 Kontraktionen um 2h 00”. Fig.3. Um 11h 30 wird bei L der Nährlösung Harnstoff (zu 0 1 Kontraktionen um 12h 30, 376 . „Peter Rona und Paul Neukirch: ganz unwirksam, oder sie zeigten bereits in ganz geringen Mengen eine Jähmende Wirkung auf den Darm. Dasselbe lässt sich auch von den wenigen untersuchten Estern Monacetin, Acetessigsauresmethy], Acetessigsauresäthyl aussagen. Über die Wirkung der niederen fett- sauren Salze wird noch weiter unten die Rede sein. Fig. 4 Um 11h 05’ wird der Nährlösung brenztraubensaures Natrium zugefügt (zu 0,25 /00). Sofort mächtiger Ausschlag. 71 Kontraktionen um 11h 07’. 2 um 11h 15". Fig.5. Um 105 05’ wird der Nährlösuug brenztraubensaures Kalium (zu 0,25 %/oo) hinzugefügt. Sofort mächtiger Ausschlag. 1 Kontraktionen um 105 07’. 2 um 10h 10’. 3 um 10% 20. 2. Der einzige Körper von den untersuchten, der von aus- gesprochener Wirksamkeit ist, und dessen Einfluss auf die Bewegung des Darmes einigermaassen mit dem des Traubenzuckers sieh ver- gleichen lässt, ist die Brenztraubensäure in Form ihres Natriumsalzes. Aus den Figuren 4, 5, 6 ist es ersichtlich, wie schnell und stark der Darm auf den Zusatz des Brenztraubensaurensalzes reagiert. Die günstige Wirkung hält auch längere Zeit (2—3 Stunden) an, nur muss man stärkere Konzentrationen der Verbindung meiden, sonst 317 Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. II. I0ET STE LIEZEN DESU TRUE LEN TEHUOMNET : -9FLgET FSU SEM UEPIEM UEUOHNTEAUONWAEL Ol Inzosnzumg NONSISSUT Op (00/,7'0 NZ) yeryoeummyen Pam ‚66 yOI un 2'814 ° 6 ne } N ö . $ i Jundanag ® um u9uoNeaJuoy & °,<40.) Dieses Verhalten ist in Fie. 1 und 2 illustriert. Fig. 1 ist dem Versuche vom 21. Februar (Zeile 1) entnommen. Es besteht atrio- ventrikuläre Automatie, wobei die Vorhöfe um 0,02” vor den 29 = 396 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Kammmern schlagen. Eine durch den sich auch im E. K. markierenden Schliessungsschlag an der Herzspitze ausgelöste E.S. verkürzt die Normalperiode von 0,33 auf 0,25”, während sie selbst eine Dauer von 0,41” besitzt. Der Bigeminus misst also 0,66”. Das ist genau die doppelte Normalperiode. Die E.S. geht auf den Vorhof nicht über, derselbe schlägt vielmehr in unverändertem Rhythmus weiter. Ganz ähnliche Verhältnisse zeigt auch Fig. 2 aus dem Versuche vom 14. Februar Tab. I Zeile 1. Dieselbe ist insofern übersicht- licher, als die Deutung der Suspensionskurve des Vorhofs in diesem Falle keiner Schwierigkeit begegnet. Vorhöfe und Kammern kontra- hieren sich hier fast absolut gleichzeitig. Neben diesen vollständigen und echten kompensatorischen Pausen begegnen wir in Tab. I auch mehr oder weniger hochgradigen Ver- kürzungen derselben, so im Versuche vom 29. Dezember Zeile 7 und im Versuche vom 21. Februar Zeile 2 und 4. In allen diesen Fällen wurde nicht nur eine einzelne, sondern eine grössere Anzahl von E.S. (2—3) ausgelöst. Unter diesen Bedingungen können aber auch E.S. der in Abhängigkeit vom Sinusknoten schlagenden Kammern rückläufig das Gebiet desselben erreichen und so zu einer bleibenden Verschiebung der Rhythmik führen. Auch einzelne E.S. von grösserer Vorzeitigkeit, wie z. B. in Tab. I Versuch vom 21. Februar Zeile 6, treffen manchmal den Tawara’schen Knoten so frühzeitig, dass es nieht zur Ausbildung einer kompensatorischen Pause kommt. Um so auffallender war es deshalb, dass wir nicht selten auch bei den höchsten Graden von Vorzeitiekeit, die mitunter mehr als 50 °/o der Normalperiode betrug, sowie auch dann, wenn mehrere E.S. aufeinanderfolgten, dennoch vollständige oder doch nur ganz wenig verkürzte kompensatorische Pausen auffinden konnten. So sehen wir in Fig. 3, welche die Zeile S des Versuches vom 29. Dezember in Tab. I repräsentiert, zwei linksseitige E.S. aufein- anderfoleen. Die erste verkürzt die Normalperiode von 0,44 auf 0,25” und wird nach 0,54” noch vor der nächsten atrioventrikulären Erregung durch eine zweite offenbar von dem früher gereizten Punkte ausgehende E.S. unterbrochen. Der so entstandene Trigeminus misst 0,25 + 0,54 +0,52 —=1,31” gegenüber 1,32” der dreifachen Normal- periode. Wir begegnen also auch hier einer vollständigen Kompen- sation, was weiter nicht wunderbar wäre, wenn uns die Abbildung nieht zeigen würde, dass die zuerst ausgelöste E.S. rückläufig auf die Vorhöfe übergegangen ist. Es wird dabei die Verkürzung der Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 397 Reizperiode, welche im Ventrikel 0,19” beträgt, zwar bis auf 0,08” reduziert. Da aber die rückläufige Welle noch vor dem Beginn der Vorhofsystole das sekundäre Reizbildungszentrum passiert, so wäre, wenn der daselbst in Bildung begriffene Reiz in diesem Momente vernichtet würde, zu erwarten, dass der Trigeminus zu mindest um 0,08” verkürzt sein müsste. In Wirklichkeit beträgt aber die Differenz nur 0,01”, d. h. sie liest innerhalb der Fehlererenzen der Messungs- methode. Die gleiche Beobachtung, nämlich Ausbildung einer vollständig kompensierenden Pause trotz rückläufig auf die Vorhöfe übergehender Fig. 3. Versuch vom 29. Dezember 1911. (Tab. I.) Atrioventrikuläre Automatie. Zwei aufeinanderfolgende Extrasystolen von der Herzspitze, die erste rückläufig auf die Vorhöfe übergehend. Fast vollständig kompensierende Pause. (25 +54+52 = 131. 3x4 — 132.) E.S., haben wir nicht nur in diesem, sondern auch in anderen Experimenten wiederholt gemacht. Die Deutung derselben machte uns anfangs grosse Schwierigkeiten, weil der vorzeitige Durchgang der rückläufigen Extrawelle durch den Tawara’schen Knoten mit der Erhaltung der atrioventrikulären Reizperiode nicht gut in Ein- klang zu bringen war. Wir dachten schon daran, ob aus diesem Verhalten 'nicht der Schluss gezogen werden müsse, dass die atrio- ventrikuläre Reizbildungsstelle abseits von der eigentlichen Leitungs- bahn gelegen sei. Es war aber auch möglich, dass die Erregungswelle an dem bereits refraktären Reizbildungspunkte vorbeilaufen und den Vorhof 398 C. J. Rothberger und H. Winterberg: zur Kontraktion bringen könnte, eine Ansicht, welche selegentlich einer Aussprache mit Prof. Hofmann von diesem geäussert wurde. Weitere Erfahrungen brachten uns jedoch zu der Erkenntnis, dass die wirkliche Ursache dieses im ersten Momente überraschenden Phänomens in der von Hofmann und Holzinger beschriebenen Hemmungswirkung der E.S. auf die spontane Rhythmik gelegen ist. In Tab. I kommt diese Hemmungswirkung gelegentlich in einer Verlängerung der postextrasystolischen Periode zum Ausdrucke, die (Versuch vom 14. Februar Zeile 4) zu bedeutend ist, um aus dem Sinken der Schlagfrequenz bei abklingender Acceleranswirkung allein erklärt werden zu können. Wenn durch diese Hemmung nur die Dauer der Extrasystole selbst verlängert wird, und wenn die Ver- längerung gerade soviel beträgt, wie die Verkürzung der Reizperiode, so entsteht eine Pause im Sinne der ursprünglich von Marey ver- tretenen Auffassung, der in derselben eine kompensatorische Ruhe erblickte, während welcher sich das Herz von der ihm aufgezwungenen Mehrleistung erholt. Unter welchen näheren Umständen aber dieser Mechanismus ins Spiel kommt, und inwieweit er die Störung der Rhythmik durch E.S. auszugleichen vermag, werden unsere weiteren Versuche lehren. b) Einfluss von Extrasystolen der rechten Kammer bzw. der Herzbasis auf dieatrioventrikuläre Rhythmik. Wir finden hier im wesentlichen dieselben Verhältnisse wie bei den von der Herzspitze ausgehenden E.S., obwohl man vielleicht hätte erwarten können, dass wegen der grösseren Nähe des atrio- ventrikulären Zentrums vollständig kompensierende Pausen nicht zustande kommen würden. In Tab. II sind drei diesbezügliche Versuche in ähnlicher Weise dargestellt wie in Tab. I. Die Experimente vom 14. Februar und 21. Februar beziehen sich in beiden Tabellen auf dieselben Versuchs- tiere; dasselbe gilt auch im folgenden für gleichdatierte Versuche. In den drei Experimenten, insbesondere in dem zweiten, ist sehr schön zu sehen, dass fast nach jeder E.S. die Periodendauer der atrioventrikulären Schläge wächst; ohne die eingeschalteten E.S. würde die Schlagfrequenz wegen der abklingenden Aceeleranswirkung natürlich auch abfallen, aber dieser Abfall würde ganz allmählich und nicht ruckweise wie hier unter dem hemmenden Einfluss der E.S. erfolgen. Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 399 Tabelle I. Atrioventrikuläre Automatie und Extrasystolen von der rechten Basis. I Pag | Dauer | f Dauer der | le la so: der Reizperiods Normalperiode und Extra- Datum ee | und der folgenden nach der | perioden zu dem | Bemerkungen reizung in | Extraperioden in Extrareizung ln 0,01 Sek. 0.01 Sekunden in 0,01 Sek. | Normalperiode > ‚Jan. 26 | 24, 28 26 32:52 26 18, 30 27 48:32 27 Dt 27 | 33:94 DR 11, 3% 28 49:54 23 17.18, 207 37 29 15:84 93 3.32 29 57:58 14. Febr. 40 24, 44, 50 40 | 118:120 Vagi erhalten 41 24, 46, 48, 45 41 I 1632164 siehe Fig. 6 42 233032 45 125 : 126 46 24, 64 48 | 83:92 48 28, 68 52 96:96 21. Febr. 31 20, 28, 45 32 93:93 siehe Fig. 4 3 | 27, 41 23 68:64 36 | 21,51 38 72:72 | siche Fig. 5 39 24, 24, 58 43 106 :117 HH IMABERBHRRARESSHUCHBARERDLERENSANGN Fig.4. Versuch vom 21. Februar 1912. (Tab. Il.) Atrioventrikuläre Automatie. Zwei aufeinanderfolgende Extrasystolen von der Herzbasis. Vollständige kompen- satorische Pause. 20 +233+5 = 9. 331 = 9.) In allen Fällen, in denen die vom Konusteil der rechten Kammer ausgehenden E.S. nicht rückläufig wurden, kam es zu echten, voll- ständig kompensierenden Pausen, so z. B. in Fig. 4 aus dem Ver- suche vom 21 Februar (Zeile 1) in Tab. II. Wir haben hier einen 400 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Trigeminus von 0,93” vor uns, der genau der dreifachen Normal- periode (0,31”) entspricht. Dagegen finden sich mehr oder weniger verkürzte Pausen bei sehr vorzeitigen E.S. (Versuch vom 3. Januar Zeile 2 und 4) oder nach Erzeugung mehrerer E.S., namentlich wenn dieselben sehr rasch aufeinander folgen (Versuch vom 3. Januar Zeile 5 und Versuch vom 21. Februar Zeile 4). Aber auch dann kann durch die erwähnte hemmende Wirkung der E.S. trotz ihrer Rückläufigkeit auf die Vorhöfe noch immer eine vollständige Kompensation der Rhythmusstörung zustande kommen. , [EEE TEUUETERUERUUEUERTEREITELTEREN EULUEEEELE LEERE SER URL LIESS IE EEZERET (ERBBEURRBEREBENSBEEEEBSENERDENEÄREHDENEHKKAENLARBERUSRBERDBEBFRRZBERBERZENBERKERHAR] Fig. 5. Versuch vom 21. Februar 1912. (Tab. II.) Atrioventrikuläre Automatie. Extrasystole von der Herzbasis. Vollständige kompensatorische Pause. (21 +51 = 2x 36.) Fig. 5 ebenfalls aus dem Versuche vom 2. Februar (Zeile 3) in Tab. II zeigt einen Bigeminus, bei welchem die Kompensation wenigstens bezüglich der präextrasystolischen Perioden vollständig ist. In Fig. 6 (Versuch vom 14. Februar Zeile 2 Tab. II) gehen wir sogar drei E.S., von denen die erste sehr vorzeitig auf den Vorhof übergeht, aufeinanderfolgen, und dennoch bleibt die atrio- ventrikuläre Reizperiode erhalten. Der Quadrigeminus dauert 1,63”, während die vierfache Normalperiode 1,64” messen würde. B. Aurikuläre Extrasystolen bei atrioventrikulärer Automatie. Bei bestehender atrioventrikulärer Automatie haben wir sowohl vom rechten als auch vom linken Herzohre E.S. ausgelöst. In bei- Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 401 den Fällen war der Einfluss auf den Rhythmusderselbe. Und zwar ergab sich, wie ja vorauszusehen war, dass alleE.S., die nicht auf die Kammer übergehen, eine vollständige kompensatorische Pause besitzen. Wird da- gegen durch die E.S. der Vorhöfe auch eine vorzeitige Kammer- systole erzeugt, so ist in einem Teile der Fälle schon diese Kon- traktion von normaler Periodendauer, wäh- rend sie in einem anderen Teile mehr oder weniger bedeu- tende Verlängerungen aufweist. Die folgenden Ab- bildungen dürften zur Beleuchtung dieser Verhältnisse ausrei- chen. Fig. 7 aus einem Versuche vom 11.Jan. 1912 zeigt zwei auri- kuläre E.S., die eine vollständig kompen- sierende Pause be- sitzen. (0,26 + 0,26 + 0,38 = 0,90 = drei- fache Normalperiode 0,30”. Keine der auri- kulären E.S. geht auf die Kammern über. Dieselben werden schon vor dem Eintreffen der Extrawellen durch die im früheren Rhythmus gebildeten atrioventrikulären Ursprungsreize erregt. Es wird dadurch wie auch schon früher durch die Fig. 1, 2 und 4 jener Teil der Theorie von Wenckebach sehr anschaulich illu- striert, welcher besagt, dass die kompensatorische Pause immer Fast Drei aufeinander- (Tab. Il.) Atrioventrikuläre Automatie. (24 +46 +48 +45 = 163. 4><41 —= 164.) 1912. vollständig kompensierende Pause. Versuch vom 14. Februar folgende Extrasystolen von der Herzbasis, die erste rückläufig auf die Vorhöte übergehend. 8. 6. ‘1 4023 C. J. Rothberger und H. Winterberg: dann vollständig ist, wenn eine E.S. den Reizbildunesort erst nach dem Momente erreicht, in dem daselbst der physiologische Reiz Fig. 7. Versuch vom 11. Januar 1912. Atrioventrikuläre Automatie. Zwei auf- einanderfolgende aurikuläre Extrasystolen, ohne Übergang auf die Kammern. .. Vollständig kompensierende Pause. 26+26+33 = W%. 3x30 — MW.) MEUHREUENENUEERHERERERFEEET FOUHENERUFNUNCTHNE Fig. 8. Versuch vom 21. Februar 1912. Atrioventrikuläre Automatie. Eine am rechten Vorhof ausgelöste Extrasystole geht auf die Kammern über. Die Extra- periode der Kammer ist gleich der Normalperiode. wirksam wird. Denn das Wirksamwerden der Ursprungsreize, welches Wenckebach für das primäre Zentrum nur indirekt erschliessen konnte, ist bei atrioventrikulärer Automatie durch die im alten Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 403 Rhythmus erfolgenden Vorhof- (Fig. 1, 2, 4) bzw. Ventrikelsystolen (Fig. 7) deutlich markiert. Die vorstehende Fig. 8 realisiert dann auch den zweiten Teil jener geistvollen Annahme. Derselbe lautet mutatis mutandis dahin, dass beim Eintreffen der Extrawelle an dem Bildungsorte der Herzreize vor dem Momente, in welchem daselbst der physiologische Reiz wirksam wird, in gleichem Augenblicke das hier schon gebildete Reizmaterial vernichtet wird, worauf es wieder die Dauer einer spontanen Periode bis zum Anwachsen des Ursprungsreizes zu wirk- MERERZEZHZEI EEG iss 111 EEFRIERESKHARHER TE BER Fig. 9. Versuch vom 14. Februar 1912. Atrioventrikuläre Automatie. Eine aurikuläre Extrasystole geht auf die Kammern über. Verlängerung der Extra- periode der Kammer und der folgenden Perioden durch die Hemmungswirkung der Extrasystole. samer Höhe kostet. „Es wird dann“, sagt Wenckebach, „die kompensatorische Pause um so viel kürzer sein, als die Extrawelle vor dem Moment der spontanen Kontraktion ankommt.“ In Fig. 3 (Versuch vom 21. Februar 1912) geht eine aurikuläre E.S. auf die Kammer über. Die beim Passieren des atrioventri- kulären Zentrums bewirkte vorzeitige „Molekularexplosion“ wird mit einer kleinen Verspätung durch die entsprechende Ventrikelsystole nachweisbar. Letztere hat tatsächlich die normale Periodendauer (0,34”). Auch die der aurikulären E.S. folgende As erfolgt noch etwas vorzeitig, so dass die Dauer des Vorhofbigeminus zu der des Kammerbigeminus nicht in direkte Beziehung gebracht werden kann. In anderen Fällen, ein solcher ist in Fig. 9 (Versuch vom 404 C. J. Rothberger und H. Winterberg: 14. Februar 1912) dargestellt, hat aber die vom Vorhofe übergeleitete Kammerextrasystole nicht die Dauer einer spontanen Periode, sondern sie ist mehr oder weniger verlängert, im vorliegenden Falle um 0,08” (0,52:0,44”), und auch die folgenden Systolen sind verlangsamt. Es handelt sich hier abermals um den schon wiederholt erwähnten hemmenden Effekt der E.S., der in Fig. 9 so bedeutend ist, dass eine vorübergehende Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern zustande kommt. Die ersteren erlangen infolge der längeren Pause früher ihre Reaktionsfähigkeit und reagieren vorübergehend auf supra- ventrikuläre, vielleicht vom Sinusknoten ausgehende Reize, während die Kammern in Abhängigkeit vom sekundären Zentrum bleiben. Durch diese hemmende Wirkung erklärt sich wohl auch die sehr häufige Beobachtung, dass die atrioventrikuläre Automatie nach künst- lichen oder spontan entstandenen E.S. urplötzlich und bleibend in die normale Sukzession umschläst. Gewiss fehlt auch in Fig.9 nicht mehr viel zu dieser Wendung, die tatsächlich nach der nächsten Extra- reizung eintrat. Auch in manchen klinisch beobachteten Fällen von atrioventri- kulärer Automatie bzw. Tachykardie geschieht der Übergang in die normale Schlagfolge nicht selten jäh unter Einschaltung von Extra- systolen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es sich dabei prin- zipiell um denselben Hemmungsvorgang handelt. ll. Extrasystolen bei ventrikulärer Automatie. Die Untersuchung des Einflusses von E.S. auf den Rhythmus ventrikulärer Schläge s. str. gestaltete sich deshalb schwieriger, weil es nicht leicht gelingt, Ventrikelautomatie von solcher Regelmässigkeit der einzelnen Schläge zu erzeugen, wie sie für unsere Zwecke ge- fordert werden muss. Mit dem in der Versuchsanordnung an- gegebenen Verfahren ist gewöhnlich nur Automatie der linken Kammer zu erzielen, da rechtsseitige Kammerautomatie meist erst nach grossen, schon zu Arhythmie führenden Digitalisdosen eintritt. Schon bei der Barytvergiftung und anderen mit Kammerautomatie einhergehenden Intoxikationen ist uns die Tatsache aufgefallen, dass die abnorme Reizbildung im Anfange der Vergiftung von der linken Kammer bzw. von der Herzspitze und erst bei höheren Vergiftungsgraden auch von der rechten Kammer bzw. von den an der Basis gelegenen Teilen des Herzens auszugehen pflegt. Dasselbe Verhalten finden wir nun bei der Digitalisintoxikation wieder, und wir sehen darin eine Bekräf- P EEE Extrasystolen ısit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 405 tigunz unserer Ansieht, dass die reizbildenden Stellen in den Kammern nieht beliebige der Giftwirkung gleiehmässig ausgesetzte Muskelzellen sind. sondern besondere Gebilde, die ebenso wie das pıimäre und sekundäre Zentrum verschiedene Grade von Reiz- bildungsfähiskeit besitzen. Das nicht nur gegen Gifte, sondern auch gegen nervöse Einflüsse empfindlichste dieser tertiären Zentren ist wahr- seheinlich an einer nicht näher bekannten Stelle der linken Kammer bzw. der Herzspitze gelegen. Es zeichnet sich auch durch ein besonderes E.K. aus, dem wir in ähnlicher, wenn auch im einzelnen etwas variieren- der Form in den verschiedensten Fällen (Fig. 10—15) immer wieder bezesnen. Dass die Gestalt des E.K. einen wichtigen Anhaltspunkt bietet, um zu erkennen, ob man es nur mit einem oder mit einer Mehrzahl reizbildender Punkte zu tun hat, ist aueh von uns an an- derer Stelle!) hervorgehoben worden. Ein Wechsel der E.K.-Formen ist fast immer mit entsprechenden Rhythmusstörungen verbunden und umgekehrt. Deshalb bietet auch die Wiederkehr derselben E.K.- Form nach einer längeren Reihe eingeschalteter, von einem anderen Punkte auszegangener Kontraktionen einen wichtigen. ja oft den ein- zigen Anhaltspunkt, um feststellen zu können, in weleher Weise die primäre Reizperiode beeinflusst worden ist (z. B. Fig. 12). Nachdem wir aus den erwähnten Gründen über eine grössere Anzahl verwertbarer Versuche von rechtsseitiger Kammerautomatie nicht verfügen, so soll im folgenden nur über den Einfluss von E.S. auf die Automatie der linken Kammer berichtet werden, was ja auch zur Beantwortung des Wesentlichen der aufgeworfenen Frage vollständig ausreichend ist. a) Linksseitge Kammerautomatie undE.S. vom Konus- teil der reehten Kammer. Wir gingen zunächst von der Kombination: Automatie der linken Kammer und E.S. vom Conus a. pulmonalis aus, weil wir erwarten durften, dass eine wenn auch verkürzte kompensatorische Pause noch am ehesten auftreten würde, wenn der Extrareiz möglichst entfernt von dem automatisch tätigen Punkte angreift. Zu unserer Überraschung fanden wir nun in einer grossen Anzahl von Reiz versuchen nicht nur ver- 1) Rothberger und Winterberg, Über die experimentelle Erzeugung extrasystolischer ventrikulärer Tachykardie durch Acceleransreizung. Pflüger’s Arch. Bd. 142 5.461. 1911. 4096 C. J. Rothberger und H. Winterberg: verkürzte, sondern häufig auch vollständig kompensi erende Pausen. In Tabelle III sind die Ergebnisse von drei Versuchen in derselben Anordnung wie in Tabelle I und II zusammengestellt. Die Ver- siftung mit Strophantin erfolgte bei den in den früheren Tabellen unter dem gleichen Datum geführten Tieren erst nach Beendigung der dort beschriebenen Versuche. Das Versuchstier vom 29. Dezember hatte ein Gewicht von 15 kg und erhielt in drei Dosen zusammen 1,3 mg Strophantin eristall. Thoms, worauf sich spontan linksseitige ventrikuläre Automatie ent- wickelte. Die Periode der automatischen Ventrikelsystolen variiert im Verlaufe des Versuches von 0,36—0,39”; die Frequenzänderungen geschehen aber so allmählich, dass sie die Exaktheit der einzelnen Reizversuche nicht beeinträchtigen. Die Bigemini messen entweder genau die doppelte Normalperiode. oder sie differieren von derselben so wenig, dass die vollständige Kompensation der verkürzten Reiz- periode durch die folgende verlängerte Extraperiode ausser Frage steht. Tabelle II. Rechtsseitige Extrasystolen bei Automatie der linken Kammer. Dauer Dauer der | Verhältnis der der Normal- Dauer der Reizperiode DDr | Snume aller ge x : perioden störten Perioden Datum | . ne und der folgenden nechWaer onlenE Bemerkungen vor der Extra- Extraperioden Extra- sprechenden Viel- } reizung in 0.01 Sekunden reizung in fachen der in 0,01 Sek. 0,01 Sek. | Normalperiode 29. Dez. | 36, 36 25, 45 34, 36 70:72 SE Of Of 9% i SY2 | c mit 1,3 mg Stro- 36, 36, 39 | 29, 43 | 36 12 12 phantin (Hund 36 126, 43 35, 94 | 69:72 von 15 kg) 31, 86 | 27, 45 36, 36 12:78 38 33, 43 39 76: 76 Rn 39, 38 32, 44 38 76 : 77 = 37 131, 38, 43 37, 37 112: 111 siehe Fig. 11 3. Jan. | 27, 27 21, 23, 34, 30 27 108: 108 (4><27) nd 1 KB: G < < Da: x Rn. or :oph. 27,27,27,27| 21,23, 31,34, 26, 24,30 | 28, 26 |189:189(7><27)| 11,05,.02 11. Jan. |39, 40, 39 |32, 44, 42 39, 40 118: 118 Hund I Ma 89, 40, 39 80, 48 40, 39 78:79 astasra 39, 39 31, 26, 28, 45, 34 39, 39 161:4 1 39,3 29, 50 39, 40 0IE2I8 Fig. 10 illustriert Zeile 5 und 6 des Versuches vom 29. Dezember in Tabelle III, Fig 11 die folgende letzte Zeile 7. In Fig. 10 wird durch einen Öffnunesschlag und bald darauf durch einen Schliessungsschlag je eine Extrasystole an der Herzbasis Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 407 ausgelöst. Beide zeigen eine vollständige kompensatorische Pause. In Fig. 11 ruft der Reizstrom zwei aufeinanderfolgende E.S. hervor; auch hier ist die Kom- pensation vollkommen me. P PS PBI2=:1,11”). 35 Aus dem Versuche EN vom 3. Januar bilden = n wir den zweiten Reiz- Fe versuch in Fig. 12 ab. ++ Ras Maker) Derselbe ist ein ze- radezu klassisches Bei- spiel für die Erhaltung der Reizperiode, ob- wohl durch den wirk- samen Öffnungsschlag eine ganze Reihe von E.S. bedingt wird. Die Normalperiode beträgt in diesem Falle kon- Stant: -0,27”, die Summe aller gestörten Perioden—=1,89", also genau das siebenfache (0,27><7) der Normal- periode. Interessant ist hier auch der Um- stand, dass, wieinden meistendieserFällemit dein Wiedereinsetzen des alten Rhythmus auch das für den be- treffenden Reizbil- dungspunkt charakte- ristische E.K. zurück- kehrt. Dieselbe E.K.- Figur erscheint aber schon einmal früher bei dem eingezeich- neten Kreuze, und man könnte daher vermuten, dass schon an diesem Punkte der eigentliche durch den Fxtrareiz gestörte Kammerautomatie ‚(linke Kammer bzw. ılıls (Allan 3BUG) Strophantin. Zwei Extrasystolen von der Herzbasis. Vollständig kompensierende Pausen. ( 9. Dezember c [4] Fiese. 10. Versuch vom fo} 408 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Rhythmus durchbrieht. Wir müssten dann auch bis zu dieser Stelle ein ganzes Vielfaches der Normalperiode finden, und die Ausmessung ergibt nun tatsächlich bis dahin einen Wert von 1,35”, d. i. das Fünffache der 0,27” betragenden Normalperiode. Dass aber nicht jedesmal vollständige Kompensation nach ge- häuften E.S. eintritt, zeigt der Versuch vom 11. Januar. Hier finden wir einmal bei einer Normalperiode von 0,39” als Summe der ge- störten Perioden die Zahl 1,64, die kleiner als das Fünffache (1,95), aber grösser als das Vierfache (1,56) der Normalperiode ist. Die En { a, ' era j DER SEBEENIE DERERTEIN Fr El Fig. 11. Versuch vom 29. Dezember 1911. (Tab. III.) Automatie der linken Kammer. Zwei aufeinanderfolgende Extrasystolen von der Herzbasis mit voll- ständig kompensatorischer Pause 31+38+43= 112. 3x 37 = 111.) Automatie der linken Kammer war in diesem Falle nach Injektion von 1 mg Strophantin bei einem 13,7 kg schweren Hund nicht spontan, sondern erst nach Reizung der linken Accelerans aufgetreten, dann aber bestehen geblieben. B. Linksseitige Kammerautomatie und Extrasystolen von der linken Spitze. Die Bedingungen für das Erhaltenbleiken der (physiologischen) Reizperiode liegen offenbar am ungünstiesten, wenn der Extrareiz diejenige Kammer direkt trifft, von der die Reizbildung ausgeht. Trotzdem haben wir auch bei Automatie der linken Kammer nach linksseitig ausgelösten E.S. sowohl mehr weniger verkürzte als auch vollständige kompensatorische Pausen beobachtet. 409 Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. ‚0AIOU Snw -mÄgyg oyoısunadsan 19p puronep (1 X 15 — 68T — 08 +75 + GgI) Pponodjew.ion uoyorzusgais op yozu ‘Puoyodrsqnioa (GET — EX 1Z GEL = IErFErIEt+ ES + Te) + 9q 1 opousdjeunon uoyseyyuny dp YOBN 'SISEqZAON Aop uR Fejyossdunugg) uauto yoamp uofogsÄseuyxg] uoA 9ddn.ın 19um Sunsopsny 'unuvydoys Sur [‘T yoeu dowmmeyyp uoyum A9p onewomy (III 'ABL) "ZIGT enurp 'g wor yonsaay ‘zI 14 n N mn m nn nn nn x — nn m nn nn ne —n n u \ en a nn nn nn a | BL 7 RER IEEBERZST AT ET SER REREETIT EA TEE rn Mauss: 2 Eupen: e. NE REES ARPAPANFANSPPANANSNSANNNAN Zu1g > a Bd. 146. Pflüg’er’s Archiv für Physiologie. 410 C. J. Rothberger und H. Winterberg: | 25} ; 1 } n ne . ' KArAREHH LER LIE ER ii basıyyy i BEE ET HI a Fr MHHHTITPNLOI RER PLIIIET ER IE | . = , 2 . Fig. 13. Versuch vom 11. Januar 1912. (Tab. IV.) Automatie der linken Kammer nach 1 mg Strophantin. Extrasystole (von der Herzspitze. Vollständig kompen- sierende Pause. 29 + 43 = 2 x 36.) Tabelle IV. Extrasystolen von der Herzspitze bei Automatie der linken Kammer. D e der Her B D ‚ Verhältnis der re Das der ne Sans aller ge- Dat perioden vor F = Tr a perioden nach | ° En B E atum | er Extra. , wand der Zen en Ahr Dsimz nesterden emerkungen reizung in Extraperioden reizung Vielfachen einer 0.01 Sek. in 0,01 Sek. in 0.01 Sek. | Normalperiode 3. Jan. 2a, ZU 20, 26, 31 27, 28 11:82 28, 27 14, 29, 31 Zur, ZU 74:82 2, 27 20,.20,.83, 3l 28, 27 104 :109 DI 2n 3, 21, 80 DIT, ZU 80:81 28, 26 22, 82 DON 2 54:54 11. Jan. 36, 36 | 30, 40, 38 3 108 :108 36, 36 25, 44, 40, 32 36 141: 144 siehe Fig. 14 36 24, 43, 39 36 106 : 108 36 29, 43 3 12:72 siehe Fig. 13 36, 37 27, 44, 40, 32 36, 87 143: 146 36, 37 | 23,38,39,38,35 | 35 ee 36 26, 44, 37, 34 3 141 : 144 36 28, 44 36 Tas U 3 26,31,42,40,28 | 36 Te Starken Verkürzungen der kompensatorischen Pause begegnen wir in dem in Tabelle IV eingetragenen Versuchen vom 3. Januar, Zeile 2, und im Versuch vom 11. Januar, Zeile 6 und 9. Im ersteren Falle handelt es sich um eine sehr vorzeitige E.S. (50°); im Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 411 letzteren folgt der Reizung eine längere Reihe von E.S., wodurch das Rückläufigwerden der extrasystolischen Kontraktionswellen bis zu dem Reizbildungspunkte besonders begünstigt wird. Eine Extrasystole Etwas verkürzte kompensatorische Pause. 144.) Automatie der linken.’Kammer. 22 — 141; 36 4 € e (Tab. IV.) (25 + 44 + 40 + Versuch vom 11. Januar 1912. von der Herzspitze gefolgt von zwei weiteren Extrasystolen. ip. 14. In Fig. 13 und 14 bilden wir die in Tabelle IV Zeile 4 und Zeile 2 enthaltenen Einzelreizungen aus dem Experimente vom 11. Januar ab. Die Zunahme der Schlagfrequenz gegenüber der in Tabelle III von demselben Tiere aufgenommenen Versuchsperiode ist eine Folge der noch wachsenden Strophantinwirkung. Fig. 13 ist ein 297% 412 0. J. Rothberger und H. Winterberg: [2 schönes Beispiel absoluter Kompensation, aber auch Fig. 14 zeigt nur eine verhältnismässig geringfügige Störung der Reizperiode in Anbetracht dessen, dass auf die E.S. der Spitze noch zwei andere E.S. folgen, von denen die letzte in der Gegend der Kammerbasis entspringt. Aurikuläre Extrasystolen bei Automatie der linken Kammer. Wie wir früher gesehen haben, sind aurikuläre E.S. bei atrio- ventrikulärer Automatie niemals von einer echten kompensatorischen Pause gefolgt, sobald sie auf die Kammern übergehen, da sie ja auf dem Wege dahin unfehlbar das sekundäre Reizbildungszentrum passieren müssen. Es war deshalb von Interesse zu prüfen, ob nicht auch die tertiären Zentren von einer auf dem physiologischen Leitungswege laufenden Kontraktionswelle getroffen werden müssten, wenn diese eine vorzeitige Kammersystole auslöst. Es wollte uns aber nicht gelingen, durch einzelne Induktions- schläge vom Vorhofe aus E.S. der automatisch schlagenden Kammern zu erwecken. Wählten wir schwächere Ströme, so fiel der Reiz entweder in die refraktäre Periode des Vorhofs oder in die der Kammer. Starke Induktionsschläge wiederum verursachten lange Zeit hindurch anhaltende, nieht mehr unensallinıe Störungen, manchmal sogar Anfälle von Vorhofflimmern. Es war uns daher sehr wertvoll, Beobachtungen zu besitzen, bei denen das angestellte Experiment ohne weiteres Zutun spontan zustande gekommen war. Dieselben stammen aus anderen noch nicht abgeschlossenen Versuchen, bei welchen wir den Einfluss der Digitaliskörper auf die Erregbarkeit der tertiären Zentren studieren. Hier sei vorläufig nur erwähnt, dass auch durch Digitalis manchmal eine hochgradige Steigerung der Erregbarkeit der tertiären Zentren gegenüber einer Reizung der Accelerantes eintritt. Nach Dosen, die an sich auf die normale Sukzession ohne jeden Einfluss sind, kann bisweilen durch Acceleransreizung ventrikuläre Automatie hervor- gerufen werden. Besteht gleichzeitig Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern, ohne dass die Leitung vollständig aufgehoben ist, so gehen mitunter einzelne Vorhofssystolen auf die automatisch schlagenden Kammern über und erzeugen gelegentlich im Verhältnis zum autochthonen Kammerrhythmus vorzeitige Kontraktionen. Wir geben im folgenden in einer Serie von Abbildungen den ganzen in seinen Details sehr interessanten Ablauf einer solchen Be- Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 413 obachtung wieder, Wir müssen uns natürlich dabei auf die Reproduktion sanz kleiner Kurvenausschnitte beschränken. Fig.15a zeigt das charakte- ristische E.K. bei vollständiger nervöser Isolierung des Herzens. Die Sukzession ist normal, die Minutenfrequenz beträgt 117. Nach Reizung der Accelerantes entsteht in diesem Falle, nach- dem der 8 kg schwere Hund 0,5 mg Strophantin intravenös erhalten hatte, jedesmal ventri- kuläre Automatie, diein Fig. 15b auf der Höhe ihrer Ausbildung zu sehen ist. Die Minuten- frequenz ist bis auf 187 ge- stiegen, Vorhöfe und Ventrikel schlagen in gleicher Frequenz, die Führung hat aber die linke Fig. 15a. Versuch vom 10. Oktober 1911. Suspensionskurven und E.K. nach Vagus und Acceleransdurchschneidung. Minuten- frequenz 117. Kammer, und die Vorhöfe schlagen rückläufig. In der nächsten Ab- bildung Fig. 15e macht sich bereits das Nachlassen der dromotropen Fig. 15b. Nach 0,5 mg Strophantin und Acceleransreizung (links) ventrikuläre Automatie; Schlagumkehr. Minutenfrequenz 137. Acceleranswirkung bemerkbar. Die Ventrikelfrequenz ist unverändert geblieben (187), aber es findet keine Rückleitung mehr statt, und die 414 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Vorhöfe schlagen in ihrem eigenen langsameren Rhythmus (Minuten- frequenz 176). Es besteht also schon jetzt zwischen Vorhöfen und Kammern volle Dissoziation, die an der Phasenverschiebung der Fig. 15c. Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern. Die Vorhöfe schlagen langsamer (176), (Wandern der P-Zacke) die Kammern in gleicher Frequenz (157) wie in Fig. 15b. Suspensionskurven, besonders schön aber im E.K. durch das Wandern der auffallend gut ausgeprägten P-Zacke zum Ausdrucke kommt. Fig. 15d. Vorhoffrequenz 133, Ventrikelfrequenz 182 pro Minute. Einzelne Vorhofschläge werden auf die Kammern übergeleitet. Im weiteren Verlaufe (Fig. 15d) klingt auch die chronotrope Wirkung der Acceleranswirkung rapid ab, doch betrifftdie Verlangsamung Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 415 der Schlagfrequenz hauptsächlich die Vorhöfe, deren Minutenfrequenz bereits auf 133 gesunken ist, während die Kammern noch eine solche von 182 aufweisen. Jeder dritte Vorhofschlag fällt nun so, dass er auf die Kammern übergeleitet werden kann und daselbst eine Systole fast genau in dem Momente erzeugt, in welchem eine automa- tische Kammerkontrak- tion erfolgt wäre. Der normal übergeleitete Schlag hebt sich im E.K. überaus scharf dadurch ab, dass er bis ins Detail die Form des normalen E.K. (Fig. 15 a) aufweist. Die kleine Vorzeitickeit des ersten dieser über- geleiteten Schläge wird zwar durch eine ent- sprechend längere Pause ausgeglichen. Da aber kleine Unregelmässig- keiten auch sonst vor- kommen, lässt sich aus Figs. 15d noch nicht die Überzeugung ge- winnen, dass es sich dabei um eine kom- pensatorische Pause handelt. Tinzelne auf die Kammern über- yensatorischen Pausen gefolgt. pro Minute, Vorhoffrequenz 120, Ventrikelfrequenz 182 geleitete Vorhofschläge sind von komj Dies geht nun aber S aus der folgenden Ab- ® bildung (Fig. 15e) mit e3 absoluter Sicherheit hervor. Die Vorhoffrequenz ist fast zur Norm zurückgekehrt (120 :117), während die Kammern noch immer die frühere Minutenfrequenz von 182 festhalten. Die Interferenz der beiden Rhythmen ist nun eine solche, dass einzelne Vorhofschläge 416 C. J. Rothberger und H. Winterberg: mit grösserer Vorzeitiekeit auf den Ventrikel übergehen, so dass durch den normalen Leitungsreiz Extrasystolen der automatisch schlagenden Kammer hervorgerufen werden, welche natürlich den Umständen entsprechend wiederum das normale E.K. aufweisen. Diese E.S. sind von einer vollständigen kompensatorischen Pause gefolgt, ja, es beträgt sogar der Zeitwert des Bigeminus (0,67) etwas mehr als die zweifache Normalperiode (0,66). Da diese Abweichung der kompensatorischen Pause, so oft sie auftritt — und zwar auch in den hier nicht dargestellten Fällen —, immer dasselbe Vorzeichen Fig. 15f. Vorhoffrequenz 120, Ventrikelfreguenz 176 pro Minute. Die über- geleiteten Vorhofsystolen fallen so ein, dass die Rhythmik der Kammern nicht gestört wird. träet und bisweilen bleibende, wenn auch geringe Verlängerungen der Periodendauer, wie z. B. in der besprochenen Fig. 15e, einleitet, so erkennen wir in derselben wohl mit Recht die schon früher bei atrioventrikulärer Automatie beschriebene Hemmungswirkung der E.S. im Sinne von F. B. Hofmann. Da diese Hemmungswirkung nur von der Vorzeitigkeit abhängig ist, fehlt sie natürlich bei recht- zeitigem Fintreffen des übergeleiteten Schlages, wie in Fig. 15d und in der folgenden Abbildung (Fig. 15f). Im weiteren Verlauf wird mit dem nun auch rascher erfolgenden Sinken der Ventrikelfrequenz die Anzahl der vom Vorhof übergeleiteten Schläge immer zahlreicher, es entstehen je nach der Interferenz der beiden Rhythmen ver- schiedene Formen von Allorhythmie (Fig. 15g.) Endlich kommt es zu kontinuierlicher Bigeminie, wobei aber schon der Vorhofrhythmus :telen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 417 dominiert, so dass nun- mehrdie kompensatorische Pause nicht auf die normal übergeleiteten, sondern auf die automatischen Ven- trikelsystolen folgt, bis sich schliesslich die nor- male Schlagfolge herstellt. Durch wiederholte Acce- leransreizung konnte der ganze Ablauf der hier ge- schilderten Erscheinungen noch mehrmals hervor- gerufen werden. Wir verfügen noch über eine zweite ähnliche Beobachtung (Versuch vom 20. Dezember 1911) bei einem Hunde von 7,7 kg Gewicht, bei dem nach Injektion von nur 0,4 mg Strophantin Auto- matie des linken Ven- trikels spontan einsetzte. Die Minutenfrequenz der automatischen Kammer betrug in diesem Falle 146, während die Vorhöfe in ihrem Tempo von 107 pro Minute unverändert weiter schlugen. Auch hier interferierten die beiden Rhythmen so miteinander, dass vorübergehend jeder dritte Vorhofschlag eine vorzeitige Kammersystole mit normalem E.K. provo- zierte, die dann von einer vollständigen kompensa- Hemmungswirkung der übergeleiteten Vorhofsystolen. ig. 15g. Allorhythmie durch Interferenz der Vorhof- und Kammerschläge. 418 0. J. Rothberger und H. Winterberg: torischen Pause gefolgt war. In der Reihe 41, 35, 47, 41 sind 41 die Normalperioden des Ventrikels, 35 ist die dureh einen vom Vorhofe übergeleiteten Reiz verkürzte Periode, auf welche die genau um den Betrag der Verkürzung verlängerte Extraperiode folgt. Wir können also dahin resumieren, dass bei bestehender Kammer- automatie auch vom Vorhof ausgehende E.S. von einer vollständigen kompensatorischen Pause gefolet sein können. Daraus geht weiter hervor, dass diese E.S. zum Unterschiede von jenen bei atrioventri- kulärer Automatie den Ursprungsort der automatischen Herzreize auf ihrem Wege zu den Kammern nicht passieren müssen. Vergleich der Ergebnisse der eigenen Untersuchungen mit den in der Literatur vorliegenden. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass nach E.S. sowohl bei atrioventrikulärer als auch bei ventrikulärer Automatie eine vollständige oder nur wenig verkürzte kompensatorische Pause folgen kann. Sie stehen somit in direktem Widerspruch zu den von W oo0d- worth, Hering und Hofmann und Holzinger erhobenen Be- funden. Da an der tatsächlichen Richtigkeit der von uns wie auch der von den genannten Autoren erhaltenen Resultate mit Rücksicht auf die beigebrachten Dokumente nicht gezweifelt werden kann, so drängt sich die Frage auf, auf welche Weise die gegensätzlichen Befunde zu erklären sind. Und da ist es wohl von vornherein klar, dass die dem verschiedenen Ausfall der betreffenden Experimente zugrunde liegende Ursache nur in der Verschiedenheit der Versuchsanordnung gelegen sein kann. } Untersuchen wir zunächst die Einwände, welche möglicherweise gegen die Einrichtung unserer Experimente erhoben werden könnten. Gegen jeden Einwurf gesichert sind hier vor allem die bei atrio- ventrikulärer Automatie gewonnenen Ergebnisse. Dieselben wurden unter Umständen erhalten, bei welchen das Herz als eigentliches Untersuchungsobjekt keinen eröberen Eingriffen ausgesetzt war und bei denen die atrioventrikuläre Schlagfolge auf eine physiologischen Verhältnissen am nächsten kommende Art und Weise erzeugt wurde. Dagegen wäre zu erwägen, ob unsere Methode zum Hervorbringen ventrikulärer Automatie nicht erst die Bedingungen schafft, welche zum Auftreten einer kompensatorischen Pause führen. Die Digitalis- körper besitzen eine elektive Wirkung auf die Fasern des Reiz- Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 419 leitungssystems, und es wäre denkbar, dass durch die Vergiftung die Leitfähigkeit jener Verbindungen geschädigt würde, durch welche die tertiären Zentren mit der eigentlichen Kammermuskulatur zusammen- hängen. Abgesehen davon, dass ein solcher Einwand schon eine prinzipielle Annäherung an unseren Standpunkt in sich schliessen würde, dass diese Zentren präformierte, den Hauptreizbildungsstellen analog gebaute Gebilde seien, scheinen uns folgende Gründe gegen diese Annahme zu sprechen. Wir haben stets mit möglichst kleinen Giftdosen gearbeitet, die gerade genügten, um die Automatie nur eines einzigen Punktes wachzurufen. Wir haben ferner, wie z. B. in Fig. 13 u. 14 E.S. mit vollständiger kompensatorischer Pause bei Umkehr der Schlagfolge beobachtet, also unter Umständen, welche eine Reizleitungsstörung geradezu ausschliessen. Denn es ist bekannt, wie schwer im allgemeinen eine solche Schlagumkehr ein- tritt, und Hering bezeichnet (l. e. S. 113) auch bei relativ seltener Schlagfolge das Rückläufigwerden einer Ventrikelextrasystole durchaus nicht als Regel, sondern als Ausnahme. Dazu kommt weiter, dass kompensatorische Pausen auch in den Fällen zustande kommen, bei welchen die ventrikuläre Automatie sich nieht spontan, sondern erst nach Acceleransreizung (z. B. Fig. 15e) einstellte, während wir aus eigenen noch nicht mitgeteilten Versuchen wissen, dass selbst stark ausgesprochene durch viel grössere Digitalisdosen bedingte Über- leitungsstörungen durch Acceleransreizung sehr häufig aufgehoben werden. Wir halten es daher aus den angeführten Gründen nicht für wahrscheinlich, dass die toxische Komponente das ausschlaggebende Moment für den Ausfall der zweiten Gruppe unserer Experimente bildet. Prüfen wir nun umgekehrt, ob nicht das Fehlen der kom- pensatorischen Pause in den Versuchen der anderen Autoren durch die speziellen Bedingungen, unter welchen experimentiert wurde, veranlasst sein kann. Woodworth arbeitete an der abzeschnittenen, nach der Methode von Porter künstlich durchströmten und spontan schlagenden Spitze des Hundeherzens. Hering hat die Kammern von den Vorhöfen durch Abschneiden oder Abscehnüren mit einem seölten Faden abgetrennt und ebenso sind die Experimente von Hofmann und Holzinger an der nach Abtrennung an der Atrio- ventrikulargrenze automatisch schlagenden Kammer bzw. an dem nach Abtrennung vom Sinus spontan pulsierenden Vorhof-Kaminer- präparate angestellt. 420 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Nun hat schon Engelmann!) darauf hingewiesen, dass es zu den wesentlichen Bedingungen für das Zustandekommen der kompensa- torischen Pause gehört, dass die Reizbildung rhythmisch erfolst bzw. rhythmisch unterbrochen wird. Er führt weiter aus, dass bei kon- tinuierlicher Reizung des Ventrikels zwischen einer E.S. und der nächsten Kontraktion nur so viel Zeit verläuft, als zur Rückkehr der Anspruchsfähigkeit für den angewandten konstanten Reiz nötig ist, und dass diese im allgemeinen nicht länger ist als die zwischen zwei gewöhnlichen Systolen. S. 329 ]. e. teilt er ein für unsere Betrachtung besonders inter- essantes Beispiel mit, „in welchem der kontinuierliche Reiz nicht ein elektrischer war, sondern durch Verletzung gesetzt wurde. Es wurde nämlich der Ventrikel unmittelbar an der Vor- hofgrenze abgeschnitten und geriet infolge hiervon, wie gewöhnlich, in regelmässiges Klopfen“. Extrareize an der Ventrikelspitze waren von Pausen gefolgt, die nur ein klein wenig verlängert waren. Dass nach einer so schweren Verstümmelung des Herzens, wie sie durch das Abschneiden der Herzspitze durch Porter-Wood- worth oder durch Abquetschen bzw. Abschnüren an der Atrio- ventrikulargrenze in einem Teile der Versuche von Hering gesetzt wurde, kontinuierliche Reize erzeugt werden können, ist sehr wahr- scheinlich. Woodworth hat auch an diesen Umstand gedacht (S. 237 ]1. &.), legt aber auf denselben kein grösseres Gewicht und sieht vielmehr das tertium comparationis in seinen Versuchen an der spontan schlagenden Herzspitze und in den Versuchen von Fehlen der kompensatorischen Pause nach E.S. des Sinus darin, dass in beiden Fällen „the rhythm of a piece of heart is developed within that piece“. Aber auch das Abtrennen der Ventrikel durch einen Sehnitt ist in dieser Beziehung nicht ganz unbedenklich. Den mechanischen Verletzungen direkt an die Seite zu stellen sind schwere chemische Gewebsalterationen. So hat z. B. Hering in einigen Versuchen flimmernde Herzen durch Magnesiumsulfat wieder zum Schlagen gebracht. Dieses Mittel ist aber nur sicher 1) Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. Dritte Abhandlung. Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe am suspen- dierten Herzen. Pflüger’s Arch. Bd. 59 S. 309. 1895. Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 42] wirksam, wenn es in so grossen Mengen ins Herz gebracht wird, dass vorübergehend voilständiger Herzstillstand erfolst. Die Vorhöfe bleiben dann dauernd oder doch längere Zeit hindurch gelähmt, während die Kammern automatisch schlagen. Es kommt nun ganz darauf an, welcher Natur die dabei wirksamen Herzreize sind, ob es sich um ganz abnorme, durch die chemische . Läsion verursachte und dann wohl kontinuierliche Reize oder um in letzter Linie doch physiologische, diskontinuierliche Reizbildungs- vorgänge handelt. Darüber ist aber nichts Näheres bekannt. Derselbe Einwand gilt auch gegenüber der von Hofmann und Holzinger geübten Erweckung der spontanen Schlagfolge des Froschherzens durch Ammoniak oder Adrenalin. Ein weiterer Umstand, der für das Eintreten einer vollen kom- pensatorischen Pause sehr ungünstig sein muss, ist eine stärkere Bradykardie. Sobald das Intervall zwischen Extrareiz und Bildung des nächsten spontanen Herzreizes so gross ist, dass die Extrasystole die Reizbildungsstelle erreicht, bevor sie noch durch eine neue von ihr ausgehende Kontraktionswelle geschützt ist, kann eine kom- pensatorische Pause nicht mehr unverkürzt sein. Sowohl die Ex- perimente von Hering als auch die von Hofmann und Holzinger beziehen sich zum grössten Teile auf sehr langsam schlagende Herzen. Umgekehrt könnte gegen unsere Versuche vorgebracht werden, dass ihre Ergebnisse durch die relativ hohe Frequenz der auto- matischen Kammerschläge bedingt wären. Dieser Einwand hat aber deshalb keine Berechtigung, weil es sich in vorliegender Untersuchung um die prinzipielle Feststellung handelt, ob die gegenwärtig ganz uneingeschränkt geltende Lehre, dassE. S. an spoutan schlagenden Herzteilen keine kompensatorische Pause haben können, in dieser allgemeinen Fassung zu Recht besteht. Nach unseren Erfahrungen scheint es vielmehr, dass das Fehlen bzw. Auftreten der kompensatorischen Ruhe in erster Linie durch das zeitliche Verhältnis bzw. durch die örtlichen Beziehungen der automatisch gebildeten Reize und der Extraerregungen bestimmt wird, während die Tatsache, dass automatisch schlagende Herzteile die Reize in sich selbst bilden, nur für eine grob anatomische Betrachtungsweise gilt und eine mehr untergeordnete Rolle spielt. Dass die Lage des Reizpunktes zum Bildungsorte der automatischen Reize von grosser Bedeutung ist, ist selbstverständlich; es muss nur die Meinung fallen gelassen werden, dass ein so umfangreicher Herz- 422 C. J. Rothberger und H. Winterberg: abschnitt, wie die Ventrikel, die, abgesehen vom Tawara’schen Knoten, auch anderes differenziertes Gewebe von ähnlicher Dignität enthalten, sobald sie spontan pulsieren, dem reizbildenden Sinus direkt vergleichbar sind. Wo der Bildungsort der automatischen Kammerreize liegt, ist zurzeit noch unerforscht, und seine Lage kann höchstens mit Hilfe des E.K. in einzelnen Fällen in ganz grober Weise bestimmt werden. Nun sind aber in neuerer Zeit im enesten Anschlusse an die beiden Schenkel des Reizleitungssystems Anhäufungen von Ganglien- zellen beschrieben worden, welche nach den Befunden von Engel (l. e.) namentlich im linken Schenkel besonders zahlreich sein sollen. Der Gedanke liegt nahe, diese nervösen Elemente mit der Reizbildung in Zusammenhang zu bringen, wenn auch ein sicherer Beweis für diese Annahme nicht erbracht werden kann. Gewiss aber wäre, falls diese Stellen die automatischen Kammerreize erzeugen, leicht zu ver- stehen, dass bei manchen Formen von Ventrikelautomatie Extrareize, welche an dem äusseren Muskelmantel angreifen, die Reizbildungs- stelle so verspätet treffen, dass eine längere unter Umständen sogar kompensierende Pause zustande kommen kann, während sie in anderen Fällen, wo der Ort der Extraerregung nahe bei dem auto- matisch tätigen Punkte liegt, vollständig fehlt. So haben z. B. die bei dem Adam-Stokes’schen Symptomen- komplex nicht selten vorkommenden E.S. fast immer annähernd die Dauer der automatischen Perioden, was abgesehen von der hierbei sehr trägen Reizbildung auf eine nahe Nachbarschaft der Bildungs- stellen für die automatischen und für die Extrareize hinweist. Endlich wäre noch zu bemerken, dass nicht nur das Vorhandensein eines konstanten Reizes, sondern auch die Existenz multipler Reizbil- dungsstellen das Auftreten einer kompensatorischen Pause hindern muss. Fig. 16 (Versuch vom 17. Januar 1912) stellt dar, wie schon durch einen zweiten automatisch tätigen Herd die kompensatorische Pause verkürzt wird. Durch die vorangegangeue Reizung des linken Accelerans wurde in diesem Falle neben dem sekundären auch ein tertiäres Zentrum in der linken Kammer in Funktion gesetzt; doch wird die Tätigkeit des letzteren zunächst durch das sekundäre Zentrum unter- drückt. In der Pause nach einer Extrareizung an der rechten Basis hat nun das tertiäre Zentrum Gelegenheit, ungehindert einen wirk- samen Reiz zu erzeugen, durch welchen die kompensatorische Pause verkürzt wird. Nachdem aber einmal dieses tertiäre Zentrum zu Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 493 arbeiten begonnen hat, bildet es weitere rhythmische Reize in solcher Frequenz, dass sich dieselben durch längere Zeit neben den vom Tawara’schen Knoten ausgehenden Erreeungen, die nur die Vor- höfe weiter beeinflussen, zu behaupten vermögen. In Fig. 16 hat es allerdings noch den Anschein, als würden Vorhöfe und Kammern gleichzeitig schlagen, weil die Schlagfrequenzen nur wenig differieren. Das Auseinandergehen beider wird erst bei Betrachtung eines längeren, hier nicht mehr abgebildeten Kurvenstückes klar. Es ist sehr be- Fis. 16. Versuch vom 17. Januar 1912. Atrioventrikuläre Automatie. Extra- systole durch Reizung der Herzbasis. Verkürzung der kompensatorischen Pause durch automatische von einem zweiten in der linken Kammer gelegenen Reiz- bildungspunkte ausgehende Systolen. merkenswert, dass in dem Stadium von Automatie der linken Kammer bei diesem nicht mit Digitalin vergifteten Tiere eine an gleicher Stelle wie in Fig. 16 erzeugte E.S. der rechten Kammer von einer vollständig kompensierenden Pause gefolgt war. Leider ist das diesbezügliche Kurvenstück für eine Reproduktion ungeeignet. Fälle von Fehlen der kompensatorischen Pause von der Art, wieihn Fig. 16 zeigt, sind natürlich ohne Mitverzeichnung des E.K. schwer oder gar nicht zu analysieren. Werden durch ausgedehntere mechanische oder ehemische Gewebsalterationen nicht nur an zwei, sondern an multipleu Stellen Kontraktionsreize er- zeust, soisteinleuchtend, dass uuntersolchen Verhält- nissen, selbst wenn es sieh nicht um kontinuierliche Reizehandeln würde, dieLänge der Extraperiode fast nur noch von der Reaktionsfähigkeit des Herzens ab- hängig sein dürfte. 494 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Das Vorhandensein mehrfacher Reizbildungsstellen verrät sich gewöhnlich deutlich durch die Mischung verschiedener E.K.-Formen und durch eine mehr oder weniger ausgesprochene Arhythmie. Tat- sächlich haben wir unter solehen Verhältnissen niemals eine kom- pensatorische Pause nachweisen können. Es genügt z. B. eine relativ geringfügige Erhöhung der früher angegebenen Strophantin- dosen, um die vorher regelmässig beobachteten kompensatorischen Pausen vollständig zum Verschwinden zu bringen, wobei man dann gewöhnlich gleichzeitig das Erscheinen in ihrer Gestalt vielfach variierender E.K. feststellen kann. Endlich fehlt die kompensatorische Pause auch bei gleich- bleibenden E. K.-Formen regelmässig, wenn eine stärker aus- gesprochene Arhythmie vorhanden ist. Der Mechanismus der Hemmungswirkung von Extrasystolen. Hofmann und Holzinger, die den hemmenden Fiufluss von E.S. auf die Rhythmik spentan schlagender Herzteile in ihrer wieder- holt erwähnten Arbeit sehr eingehend behandeln, sahen sich durch die Unbeständigkeit und durch das sehr schwankende Ausmaass der von ihnen beobachteten Hemmungseffekte an der weiteren theoretischen Verwertung ihrer Resultate gehindert. Auch unsere Experimente haben zum Teil eine Hemmungswirkung der E.S. hervortreten lassen, und es ist vielleicht möglich, aus den Umständen, unter welchen dieselbe auftrat, Anhaltspunkte zu ge- winnen, welche Bedingungen für das Erscheinen der Hemmungs- wirkung maassgebend sind. Da unsere Versuche nicht aus dem Gesichtspunkte der Hemmungs- wirkung geordnet sind, lässt sich aus denselben ohne nähere Be- sprechung vielleicht kein genügender Überblick gewinnen. Wir möchten deshalb als wichtigstes Moment die Tatsache hervorheben, dass wir regelmässige und ausgesprochene Hemmungs- wirkungen der E.S. nur dann sahen, wenn die Frequenz der auto- matischen Schläge, zwischen welche E.S. eingeschaltet wurden, spontan in rascherem Absinken begriffen war. Das war z. B. der Fall, wenn der durch Acceleransreizung erzeugte atrioventrikuläre Rhythmus zu einer Zeit durch E.S. unterbrochen wurde, zu der sich das Ab- klingen des chronotropen Reizeffektes schon stärker accentuierte. Die Hemmungswirkung der E.S. äussert sich unter diesen Um- ständen in verschiedener Weise. Bei geringer Vorzeitigkeit der E.S. Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 425. und bei Erscheinen einer echten kompensatorischen Pause kann sie sanz fehlen oder durch die Pause vollständig verschleiert werden, was sich natürlich objektiv nicht feststellen lässt, sobald die erste postextrasystolische Systole schon wieder die normale Periodendauer besitzt. Ist letztere aber verlängert, so kann man wohl mit Recht annehmen, dass die Hemmungswirkung an der Pause einen gewissen, wenn auch nicht abgrenzbaren Anteil hat. In vielen Fällen tritt aber die Hemmungswirkung dadurch deutlich hervor, dass sich nach jeder E.S. der atrioventrikuläre Rhythmus merklich verlangsamt. (Tab. II. Versuch vom 3. Januar.) Besonders beweisend sind jene Fälle, bei denen die Verlangsamung des ersten postextrasystolischen Schlages sich während der nächsten Systolen zum Teile oder auch gänzlich zurückbildet. (Fig. 4 und 9 und Tab. I. Versuch vom 21. Februar Zeile 2.) Da wir in unsere Tabellen der Übersichtlichkeit wegen in der Regel nur den ersten postextrasystolischen Schlag aufgenommen haben und auch bei der Kurvenreproduktion Raum sparen mussten, können wir nur auf diese wenigen Beispiele für diese überaus häufige Erscheinung hinweisen. Da die Intensität der Hemmungswirkung ceteris paribus mit der Vorzeitigkeit der F.S. wächst, so ist es leicht verständlich, dass E.S., die so früh erfoleen, dass sie auch jenseits der Atrioventrikular- serenze noch eine Kontraktion auszulösen vermögen, stärkere Hemmungseffekte zeigen, welche die Pausenverkürzung teilweise oder vollständig ausgleichen können. Auf diese Weise kann ohne Berücksiehtigung der Vorgänge in beiden Herz- abteilungen sehr leicht eine echte kompensatorische Pause namentlich dann vorgetäuscht werden, wenn schon die nächste Spontanerregung wieder normale Periodenlänge besitzt (Fig. 3, 6). Die stärksten Hemmungswirkungen haben wir gesehen, wenn sehr vorzeitige E.S. kurz vor dem spontanen Erlöschen der atrio- ventrikulären Schläge bei sehr niedriger Frequenz derselben erzeugt wurden. Um zu verhindern, dass bei abklingender Accelerans- wirkung die Sinusreize allzu früh die Oberhand gewinnen, haben wir in einigen Versuchen (z. B. im Versuch vom 14. Februar 1912, Tab. I und II, Fig. 2, 6 und 9) nur die Accelerantes durchschnitten und die Vagi unversehrt gelassen. Infolge des durch Morphinisierung noch gesteigerten Vagustonus war die Frequenz der Sinusreize so herab- gesetzt, dass die einmal erweckte atrioventrikuläre Automatie relativ Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 146. 28 436 C. J. Rothberger und H. Winterberg: lange bestehen blieb. Es zeigt sich nun das folgende interessante Verhalten. In Fig. 2 folgt auf eine wenig vorzeitige, den Vorhofrhythmus nieht störende E.S., die relativ bald nach der Acceleransreizung ausgelöst wird, eine echte kompensatorische Pause ohne Verlängerung der postextrasystolischen Perioden. In Fie. 6 wird ebenfalls im ersten Stadium nach Accelerans- reizung nach einer diesmal sehr vorzeitigen E.S. schon ein sehr deutlicher Hemmungseffekt erzielt. Kompensation der Rhythmus- störung durch Hemmung aber ebenfalls noch ohne bleibende Ver- langsamung. In Fig. 9 und in den korrespondierenden schon in die Zeit der rascher abklingenden Acceleranswirkung fallenden Experimenten der Tab. I und II bedingt die Hemmungswirkung stark vorzeitig über- gehender E.S. nicht nur annähernde (Fig. 9) oder vollständige Scheinkompensation, sondern überdies bleibende in Fig. 9 allerdings noch teilweise rückbildungsfähige Frequenzabnahme. Während die Hemmuneswirkung der E.S. auf die durch Acceleransreizung provozierten atrioventrikulären Schläge, wenn auch in einer je nach Umständen wechselnden Stärke, so doch regelmässig nachgewiesen werden kann, fehlt sie ebenso konstant bei der nach Strophantinvergiftung spontan entstandenen Kammerautomatie. Wenigstens sieht man (Tab. III und IV), von kleinen auch sonst vorkommenden Variationen der Periodendauer abgesehen, nach ein- geschalteten E.S. niemals eine Verlangsamung auch nur des ersten postextrasystolischen Schlages. Für die Genese der Hemmungswirkung ist nun sehr bemerkens- wert, dass letztere unter bestimmten Bedingungen auch bei ventri- kulärer Automatie zutage tritt, und zwar dann, wenn die Automatie der Kammern nach schwacher Strophantinvergiftung erst durch Acceleransreizung ausgelöst wird, und charakteristischerweise auch hier erst in dem Stadium, in welchem die Frequenz der automatischen Kammerschläge rapide zu sinken beginnt. In den früher reproduzierten Fig. 15a—g haben wir den ganzen Ablauf eines solchen Falles vor uns. Nach Acceleransreizung tritt ventrikuläre Automatie ein, die sich langsam wieder zurückbildet. Die Schlagfrequenz der Kammern geht anfangs nur ganz allmählich zurück, und die in den Kammerrhythmus als Fxtrareize einfallenden normalen Ursprungsreize zeigen dementsprechend keine stärkere Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 427 Hemmungswirkung. Doch ist dieselbe in Fig. 15e immerhin schon angedeutet, indem der Zeitwert der Bigemini um ein kleines Zeit- teilchen (0,01”) grösser ist als die zweifache Normalperiode und durch eine geringfügige, aber persistierende Verlängerung der post- extrasystolischen Systole (Fig. 15f). Im weiteren Verlaufe stellten sich gleichzeitig mit dem nun rascher erfolgenden Absinken der Ventrikelfrequenz eigentümliche Allorhytlmien ein. Dieselben waren offenbar durch die Interferenz der vom Vorhof und von der Kammer ausgehenden Erregungen bedinet, liessen sich aber unter Zugrunde- legen der beiden Rhythmen trotz aller Mühe nicht erklären, bis wir in dem hemmenden Einfluss der normalen Vorhofssystolen auf den ersterbenden Ventrikelrhythmus den Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens fanden, welches in Fie. 15g zum Teil dargestellt ist. Bei einer ziemlich regelmässigen Dauer der Vorhofsperioden von 0,52” sehen wir im Ventrikel Perioden in folgender zeitlicher Auf- einanderfolge: 0,36, 0,30, 0,48, 0,39—0,37, 0,30, 0,49, 0,39, auf welche noch eine dritte in Fig. 15g nicht mehr enthaltene Gruppe von 0,39, 0,29, 0,50, 0,40 folgte. Mit Zuhilfenahme des E.K. lässt sich nun der Aufbau dieser Allorhythmie in folgender Weise deuten, Die erste Periode von 0,36” entspricht dem gegenüber der Fig. 15f weiter verlangsamten automatischen Kammerrhythmus; die nächste spontane Systole der Kammer wird nach 0,30” durch einen normalen Ursprungsreiz vor- zeitig unterbrochen. Dadurch wird die Erregbarkeit so stark gehemmt, dass noch vor dem Wirksamwerden der nächsten Spontanerregung der Kammer ein zweiter Leitungsreiz vom Vorhofe auf die Ventrikel übertreten kann. Inzwischen hat sich die Reaktionsfähigkeit soweit erholt, dass er wieder, wenn auch noch etwas träger (0,39), auf einen automatischen Kammerreiz anspricht, welcher jedoch scnon mit einer vom Vorhof kommenden Erregung interferiert (s. E.K.). Der nächste automatische Schlag kommt schon fast nach dem nor- malen Intervall (0,37), aber unmittelbar auf ihn (0,30) folgt wieder ein normal herabgeleiteter Schlag, welcher die Reaktionsfähigkeit der Kammer noch etwas tiefer herabdrückt als das erstemal. Es tritt zwar nochmals eine gewisse Erholung derselben ein, aber nicht ohne eine weitere bleibende Verlangsamung (0,39”) der Schlag- frequenz. Dieser Vorgang wiederholt sich noch mehrmals in ähnlicher Weise, bis schliesslich nach einem Übergangsstadium von kontinuier- lieher Bigeminie der Sinusrhythmus dominiert. 28* 428 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Es ergibt sich demnach aus diesen und ähnlichen Beobachtungen, dass der Hemmunsseffekt der E.S. auf die Rhythmik spontan schlagender Herzteile von einem bestimmten Zustande abhängig ist, der darin besteht, dass der hemmend beeinflusste Rhyth- mus schon spontan im Erlöschen begriffen ist. Lest man sich die Frage vor, ob durch die E.S. die Reizbildung oder nur die Reaktionsfähickeit des Herzens beeinträchtiet wird, so lässt sich einwandfrei nur eine Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit nachweisen. Denn wir haben Hemmungswirkungen in Form ver- längerter postextrasystolischer Perioden auch nach echten kompen- satorischen Pausen gesehen. Da in diesen Fällen der Reizbildungs- punkt von der Extraerregung überhaupt nieht getroffen wird, so kann. es sich nur um eine Schädigung der Reaktionsfähiekeit handeln. Es ist aber durchaus nicht auszuschliessen, ja sogar nicht unwahr- scheinlich, dass bei stärkerer Vorzeitiekeit der E.S. die Reizbildung: selbst beeinträchtigt wird, so dass dann beide Momente zusammenwirken. Aleock und H. Meyer!) haben an ähnliche Vorstellungen von v. Kries anknüpfend die Annahme gemacht, dass die normalen Herzreize stärker sind, als sie zur Auslösung der Systole zu sein brauchten. Sie erblicken in einem solchen „energetischen Reiz- überschuss“ nicht nur ein von zufälligen Umständen bedingtes. Phänomen, sondern eine mit Rücksicht auf gelegentliche Schwankungen der Erregbarkeit des Herzens zweckmässige physiologische Einriehtung. Auf Grund dieser Theorie wäre es ganz verständlich, dass unter normalen Verhältnissen die hemmende Wirkung der E.S. zwar auch zu einer Herabsetzung der Erregbarkeit und selbst zu einer Ver- minderung des Reizüberschusses führt, dass derselbe aber trotzdem. noch immer gross genug bleibt, um innerhalb der normalen Reiz- periode zureichende Impulse zu bilden. Ist dagegen unter anderen Verhältnissen auf der einen Seite der Reizüberschuss, auf der anderen die stetig sinkende Erregbarkeit so gering, dass nur gerade noch Schwellenreize gebildet werden, so müssen hemmende Einflüsse, wo: immer sie angreifen, zu einer Herabsetzung der Schlagfrequenz führen. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass bei abklingender Accelerans- wirkung eine progrediente Abnahme des Reizüberschusses und eine: immer raschere Verminderung der Erregbarkeit Hand in Hand gehen, 1) Alcock und H. Meyer, Über die Wirkung des Carpains auf die Herz- tätigkeit. Arch. f. Anat. und Physiol., phys. Abt. 1903 S. 225. Extrasystolen mit kompensatorischer Pause bei Kammerautomatie etc. 429 so dass infolge davon im geeigneten Momente einfallende E.S. den Rhythmus hemmend zu beeinflussen vermögen. Dagegen befindet sich im Beginne der durch Strophantin direkt erzeugten Kammerautomatie das Herz in einem Zustande, in welchem noch die Tendenz zu weiterer Zunahme der Schlagfrequenz vor- herrscht. Das gegenseitige Verhältnis von Reizgrösse und Reaktions- fähigkeit ist hier viel günstiger und lässt die Hemmungswirkung der E.S. nicht zum Vorschein kommen. Auch die Experimente von Hofmann und Holzinger fügen sich gut in die entwickelte Auffassung ein. Diese Forscher experimen- tierten hauptsächlich an dem vom Sinus und Vorhof abgetrennten, frei suspendierten Froschventrikel, also unter sehr ungünstigen Ernährungs- bedingungen des Herzens. Unter diesen Umständen ist wohl von vornherein weder mit einem wesentlichen „Reizüberschuss“ noch mit einer grösseren Anforderungen gewachsenen Erregbarkeit zu rechnen. Gleichwohl war in manchen Versuchen im Beginne der- selben ein Einfluss der E.S. nicht nachweisbar, trat aber im weiteren Verlaufe in typischer Weise auf. Ferner nahm die Grösse der Hemmungswirkung auch in den Fällen, in welchen sie von Anfang an vorhanden war, im Laufe des Versuches häufig zu. Endlich kehrte manchmal nach Einschaltung von E.S. der Ventrikel überhaupt nicht mehr zur früheren Schlagfolge zurück, und gerade diese Beob- achtung betraf meist Präparate, deren Schlagfrequenz von selbst langsam absank und bei welchen nach einigen Extrareizungen schliesslich vollständiger Stillstand auftrat. Zusammenfassung. Sowohl bei atrioventrikulärer als auch bei ventrikulärer Auto- matie im engeren Sinne können E.S. von einer echten kompen- satorischen Pause im Sinne Engelmann’s gefolet sein. Unter besonderen Umständen ist eine mehr oder weniger voll- ständige Scheinkompensation der extrasystolischen Rhythmusstörung durch die Hemmungswirkung der E.S. nachweisbar. Die Hemmungswirkung der E.S. hängt von dem Zustande des Herzens ab und beruht auf einem Missverhältnis zwischen der Erregbarkeit des Herzens und der jeweils disponiblen Reizgrösse. 430 E. Wilke und E. Atzler: Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. Von E. Wilke und E. Atzler. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V.) Seit den ältesten Zeiten beschäftigt das Problem der Reizleitung im Nerven die physiolögischen Forscher. Bevor Helmholtz durch seine klassischen Untersuchungen gezeigt hatte, dass die Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Reizes weit hinter der des Schalles zurückbleibt, hahm man wohl hauptsächlich eine einfache elektrische Leitung an; mit dem Momente des Erscheinens der Helmholtz’schen Arbeiten musste diese Erklärung des, Leitungsvorganges fallen und musste einer Reihe von Auffassungen Platz machen, von denen hier nur kurz die Kernleiter- Theorie erwähnt sei. Es waren in erster Linie Matteucei und später Hermann, welche das Phänomen am Kern- leiter auf den Vorgang am reizleitenden Nerven anwendeten und zu einer für den ersten Augenblick geradezu bestechenden Theorie ausbauten. Die immer mehr verfeinerten Beobachtungs- und Mess- methoden einerseits und die durch das Fortschreiten der physikalisch- chemischen Forschungen erbrachte Möglichkeit für mathematische und gar rechnerische Betrachtungen haben aber eine Reihe von Tatsachen gezeitict, welche mit dieser Theorie im entschiedenen Widerspruch stehen. Hierher gehört in erster Linie die gleichbleibende Fort- pflanzungsgeschwindigkeit, der biphasische Aktionsstrom, die mecha- nische Reizbarkeit !). In einer früheren Mitteilung?) hat nun der eine von uns ver- sucht, das Problem der Reizleitung von einem ganz neuen Gesichts- 1) Die Annahme von primären Läsionen durch mechanische Reize und dadurch bewirkte Demarkationsströme, welche dann ihrerseits reizend wirken. sollen, erscheint sehr erzwungen. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 35. 1912. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 481 punkt aus zu betrachten. Danach ist das reizleitende Prinzip eine pseudo-akustische Welle. Die vorliegende Arbeit hat den Zweck, durch geeignete Versuche am herausgeschnittenen Nerven und an toten Substanzen die Wahrscheinlichkeit der Theorie zu erhöhen. In dem folgenden theoretischen Teil werden alle notwendigen Be- rechnungen vorweggenommen, um dann bei der Besprechung der Experimente möglichste Klarheit erzielen zu können. Theoretischer Teil. I. Schon in der Veröffentlichung über die Versuche zur Sichtbar- machung der Reizwelle durch Interferenz !) ist auf die ausserordent- liche Kleinheit der beim Reize eines Nerven in Frage kommenden elektrolytischen Veränderungen hingewiesen worden. In der vor- liegenden Arbeit kam es aber zunächst hauptsächlich darauf an, einen Überbliek über die zur Verfügung stehenden mechanischen Energien, wenn solche überhaupt vorhanden sind, zu bekommen. Es ist hier natürlich nur möglich, über den maximalen möglichen Wert etwas auszusagen. Bei der elektrischen Reizung wird die elektrische Energie des Reizstromes in erster Linie in zweierlei Weise auf- gebraucht: 1. der grösste Teil derselben verwandelt sich in Joule’sche Wärme; 2. der übrige in elektrolytische Arbeit (Konzentrations- verschiebungen). Alle anderen möglichen Energiewege, wie etwa kataphoretische Vorgänge oder Kondensatorwirkungen, sind wohl mehrere Grössenordnungen kleiner und deshalb zu vernachlässigen. Wir wollen nun die Energieverteilung für den speziellen Fall in unseren Experimenten zahlenmässig berechnen, um daraus zu ersehen, welche maximale Wirkung auf die Beobachtungsapparate zu erwarten sein wird. Als Reizstrom wurde Batteriestrom von 80 Volt angewandt, bei einem Abstand der Reizelektroden von 10 mm. Das entspricht bei einem Nerv von 0,5 mm Durchmesser einer Erwärmung von 0,06° C., wenn die Dauer des Stromschlusses zu 0,01 Sek. an- gesetzt wird. Nehmen wir jetzt die maximale Polarisationsspannung von 2 Volt an?), dann ist die grösste denkbare Arbeit, welche aus dem elektrolytischen Vorgang resultiert 0,000016 Watt-Sek. Das ist I) Pflüger?s Arch. Bd. 142 S. 372. 1911. 2) Polarisationen wesentlich über 2 Volt sind von naturwissenschaftlicher Seite noch nicht beobachtet worden. 432 E. Wilke und E. Atzler: jene Arbeit, welche wir erhalten, wenn wir ein Milligramm 1,3 m herunterfallen lassen. Dies ist schon eine sehr kleine Energie, und davon kann nur ein ganz geringer Teil in mechanische Arbeit um- gesetzt werden. Die Wirkung, die man auf Apparaten erkennen wird können, wird also mikroskopisch klein sein. Da der Vorgang nun noch sehr rasch verläuft, so mussten die Apparate derart konstruiert sein, dass die Wirkung auf dieselbe längere Zeit andauert. Wir verwendeten, wie später noch ausführlicher besprochen werden wird, _ _ -—- Pd — -————_—.-o. = — _——- Fig. 1. feine Glas- oder besser Quarzfaden, welche durch die Stosswirkung der ankommenden Reizwelle in Oszillationen versetzt wurden, welche längere Zeit anhielten und so dem Auge sichtbar waren. Die Theorie der schwingenden Saiten und Stäbe lässt hier aber einige Schwierigkeiten erkennen, welche man auf den ersten Blick leicht übersehen kann, und welche wir bei unseren Versuchen recht unangenehm empfunden haben. Die Deutlichkeit der Vibrationen des Oszillometerfadens ist nichts weiter als die Amplitude seiner Schwingungen und bis zu einem ge- wissen Grade auch eine Funktion seiner Schwingungsgeschwindigkeit. Beide Grössen ebenso wie die Art der Schwingungen hängen von der Form und der Amplitude des Impulses ab und zwar wird im allgemeinen die Amplitude des Oszillometers um so grösser sein, je Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 433 grösser die Amplitude des Impulses ist. Die Form der Oszillometer- schwingung aber, d. h. die Anzahl der Knotenpunkte (Fig. 1) hängt auch davon ab, an welcher Stelle des Fadens der Impuls erteilt wird. Denken wir uns nun die Form des Impulses durch eine Fourrier’sche Reihe dargestellt: % —= A, Sin nt + a, sin nt + a; sin Int . und ebenso die Form der Oszillometerhauptschwingung % —b,a, Sin nt+b, sin Ant-+ b, sin Int dann wird die optimale Wirkung eintreten, wenn das Verhältnis der Fourrier’schen Koeffizienten nn 2, konstanseise d. h. wenn das Oszillometer und der Impuls dieselbe Schwingungsform haben. Es tritt Fall 3 (Fig. 1) ein. Je mehr sich obiges Verhältnis ändert, um so ungünstiger wird der Erfolg werden. Wenn aber der Grundton a, sin nt des Impulses nicht vorhanden ist, sondern die Reihe mit dem zweiten, dritten usw. Gliede beginnt, dann tritt Fall 2, 1 usw. ein. Dann aber ist es sehr wesentlich, (den Impuls an der richtigen Stelle angreifen zu lassen. Man sieht leicht, dass eine totale Interferenz beider Schwingungen eintreten kann, d. h. dass das Oszillometer den Impuls verschluckt; dann fällt der beobachtete Punkt mit einem Knotenpunkt überein. Aus dem oben Gesagten ist zu ersehen, dass der Erfolg von einer Reihe von Momenten abhängt, welche nicht vorauszuberechnen sind; man ist auf den Zufall angewiesen, ein geeignetes Oszillometer zu er- halten und dann einen günstigen Angriffspunkt für den Impuls zu finden. Damit die oben überschlagsweise berechneten Energien auch ‚ausreichen, muss natürlich in weitem Maasse Sorge getragen werden, dass das Oszillometer keine allzugrosse Masse hat bei genügender Elastizität. Die letztere hängt sehr von den Abkühlungsgeschwindig- keiten ab. Es sei hier erwähnt, dass wir unter ca. 50 Fäden vielleicht 5 gefunden haben, welche für unsere Beobachtungen geeignet waren. II. Dass die Nervenfasern, im speziellen die Achsenzylinder, imstande sind, mechanische Impulse fortzuleiten, steht ausser Zweifel, denn jeder elastische Körper ist dazu befähigt. Inwieweit aber solche mechanistische Vorgänge aus den am Nerven wirksamen Reizarten entstehen können, ‚darüber ist in der ersten Abhandlung nur vermutungsweise gesprochen 434 E. Wilke und E. Atzler: worden. Der elektrische, wie auch der rein chemische Reiz lässt sich dann im ersten Moment schwer erklären. Und so müssen wir die Eigenschaften der Gallerten etwas näher ins Auge fassen. In erster Linie ist es der Einfluss der Elektrolyte auf die Gallerten, auf welchen wir das Augenmerk richten müssen. Eine Konzentrationsänderung der Elektrolyten bewirkt immer eine Änderung der Rlastizitätskoeffizienten und Quellungen der Gallerten. Leick!) hat darüber eingehende Versuche gemacht. Diese Tatsache gibt direkt eine Erklärung, wie durch elektrische oder chemische Reize meschanische Vorgänge (Stösse) entstehen können. Beim Nerven sind nun in der Tat an den Elektroden sowohl Formveränderungen als auch Elastizitäts- änderungen nachgewiesen worden ?). Bei gleichen Konzentrations- änderungen werden gleiche Flastizitätsänderungen hervorgerufen. Somit ist der Anschluss an das Nernst’sche Quadratwurzelgesetz ge- geben. Es sei schon hier erwähnt, dass wir auch an Gelatinezylindern durch elektrische Reizung stossweise Bewegungen beobachtet haben. Nun sei noch der Störungen im Leitungsvorgang gedacht, z. B. der Narkose. Wie soll man sich die Unterbrechung bzw. Hinderung der mechanischen Welle durch geringe Mengen gewisser Körper er- klären? Wie die Blockwirkungen beispielsweise an der Anode? Die Antwort darauf ist rasch gegeben: Änderung des Elastizitäts- koeffizienten in einer Strecke der Reizleitung oder Änderung der Maxwell-Reiger’schen®) Relaxationszeit setzen immer die Ampli- tude herab, oder letztere macht den Vorgang aperiodisch. Darüber sehe man die nächsten Abschnitte. III. Das du Bois-Reymond’sche Gesetz der Erregung und die akustische Theorie. Das du Bois-Reymond’sche Gesetz lautet bekanntlich dahin, dass nicht der absolute Wert der Stromdichte in jedem Moment für die Grösse des Reizes maassgebend ist, sondern die Geschwindigkeit, mit welcher sich dieselbe ändert. Mathematisch lautet dasselbe: 1) Leick, Drud. Ann. Bd. 14 S. 139. 1904. Siehe auch Reiger, Phys. Zeitschr. Bd. 2 S. 213. 1901. 2) Munk, Untersuchungen über das Wesen der Nervenerregung. — Her- mann, Pflüger’s Arch. Bd. 67 S. 242. 1897. 3) loc. eit. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 435- . 3 14 Darin bedeutet 7 — Reizgrösse, = der Stromdichte, {= Zeit und F eine Funktion, von welcher man nicht viel aussagen kann. Dieses Gesetz ist von verschiedener Seite *) angezweifelt worden, wohl deshalb, weil man es in seiner Voll- kommenheit nicht erkannt oder missdeutet hat. Solange über die Funktion F' nicht bestimmt verfügt wird, kann n ja jeden Wert an- nehmen. F kann dann auch so gewählt werden, dass ) ein Maximum. oder Minimum durchläuft. — Geschwindigkeit der Änderung Die vergleichenden Beobachtungen, welche Fick am Schliess- muskel und am Froschnerven gemacht hat, stehen deshalb noch nicht: im Widerspruch mit dem Gesetz. In einem scheinbaren Widerspruch steht dieses Gesetz mit der Nernst’schen Theorie der Nerven- reizung, nach welcher es hauptsächlich auf den absoluten Betrag der: Stromeichte ankommt. Doch ist dieser Widerspruch nur scheinbar. Das Nernst’sche Quadratwurzelgesetz sagt nur aus, dass für D Yn aber nichts darüber, in welchem Zusammenhang % mit dem du Bois- Reymond’schen n steht. Die akustische Theorie nun gestattet gerade hier interessante Betrachtungen anzuknüpfen. Die Gallerten im allgemeinen, im besonderen, wie sie im Nerven vorkommen (Achsenzylinder), sind keine absolut elastischen Körper, sondern in gewissem Sinne verhalten sie sich wie Flüssigkeiten; durch ihre: eigene Schwere fliessen sie noch nicht, aber bei Anwendung von Drucken deformieren sie sich und beeinnen zu fliessen. Wenn man in solehen Körpern Wellenbewegungen erzeugt, dann sind die Be- wegungen eines Punktes darin gedämpfte Schwingungen, und es gelten. in diesem Fall die aus der Akustik wohlbekannten Formeln. Die: Gleichungen für die gedämpften Schwingungen lauten: gleiche Werte von k = gleiche Reizerfolge auftreten; es sagt WEHR dx ul integriert; er... 1) Pflüger, Untersuchungen über die Physiologie des Elektrotonus. — Fick, Beiträge zur vergleichenden Physiologie der irritablen Substanzen. — Fick, Untersuchungen über die elektrische Nervenreizung. 1864. 436 E. Wilke und E. Atzler: Darin bedeuten x den von einem Punkt zurückgelegten Weg. 2 f ist der Koeffizient der inneren Reibung, welcher sich durch die Maxwell-Reiger’sche Relaxationszeit bestimmen lässt, und o? ist der reziproke Wert des Elastizitätskoeffizienten !). Wenn nun f=0 ist, d. h. die innere Reibung — 0, dann ist .der Vorgang ein rein periodischer, d. h. die fortschreitende Wellen- bewegung hat kein Dekrement. Wenn aber f>o wird, dann wird der Vorgang rein aperiodisch. Graphisch lässt sich das durch Fig. 2 und 3 darstellen. Fig. 2. Fig. 3. Für die gedämpfte fortschreitende Welle gilt eine partielle Differentialgleichung, deren Integration ausserordentlich kompliziert ist?). Praktisch kann man sich aber auch durch folgende Annahme helfen: Wir können den Einfluss der inneren Reibung auf die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit zunächst vernachlässigen und setzen die Fortpflanzungsgescehwindigkeit —— = — ee) ee. 1) Inwieweit man berechtigt ist, für 2 direkt die innere Reibung zu setzen, ‚darüber liegen in der Literatur noch zu wenig Angaben vor. Jedenfalls ist dieselbe für die Grösse 2f weitgehend maassgebend. Für obige Betrachtungen genügt es, ‚wenn man die innere Reibung. direkt einsetzt, dasselbe gilt für o. 2) Reiger, Wiedemann’s Ann. [IV] Bd. 31 S. 51. 1910. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 437 Darin bedeutet z den von der Welle zurückgelegten Weg und d die Dichte der Substanz. In (2) eingesetzt erhält man z—=ae”" Veröa sin Ve2—f? 2 Vde -? Dabei ist aber zu bedenken, dass 2 der von dem Wellenmaximum. zurückgelegte Weg ist, dass also nur jene Momente in Betracht ge-- zogen werden, in denen sin Yoi—f? z Ve ” —=1 ist. Die Abnahme der Welle mit fortschreitendem Weg lässt sich: also durch die Gleichung a N) B— Me ausdrücken. Beim Vorgang im Nerven können run alle Fälle Anwendung finden. Im allgemeinen aber wird der Vorgang vorwiegend periodischen Charakter haben und nur in einzelnen Fällen, und zwar hauptsächlich bei den langsam leitenden (grosser Elastizitätskoeffizient) Nerven wie beim Olfactorius des Hechtes oder dem Anodonta-Nerv kann der Fall annähernder und totaler Aperiodizität eintreten. Dann kann es aber vorkommen, dass die Reizwellenlänge mit der Distanz. zwischen reizausübender Elektrode und Erfolgsorgan kommensurabel wird (Fig. 3); es gelangt nur noch ein ganz kleiner Teil der ab-- klingenden Welle in das Erfolesorgan. Wie man leicht einsehen wird, hängt dann die Reizgrösse nicht mehr von ab, sondern d a hauptsächlich von der Amplitude des Stromes und nicht zuletzt von. der Zeitdauer derselben. Somit wären die beobachteten Abweichungen vom du Bois-Reymond’schen Gesetze!) begründet. IV. Der Einfluss der Temperatur. Wie aus den oben abgeleiteten Gleichungen hervorgeht, wird der Einfluss der Temperatur ein doppelter sein: 1. wird durch die Änderung der Temperatur sich die Elastizität und somit die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit ändern und 2. wird sieh die innere Reibung I) Siehe hierzu: Schott, Pflüger’s Arch. Bd. 48 S. 354. 1891. — Bürker, Über die Erzeugung und physiol. Wirkung schnell und langsam verlaufender magnet-elektrischer Ströme. Dissert. Tübingen 1897. — Plavec, Bull. intern. de Pacad. de Boheme. 1897. — Hoorweg, Pflüger’s Arch. Bd. 52 S. 104, Bd. 53 S. 587, Bd. 57, 427. 438 E. Wilke und E. Atzler: ändern. Der Einfluss auf die Elastizität wird nicht gross zu erwarten ‚sein, hingegen jener auf die innere Reibung wird um so grösser sein. Somit hängt das Maass der Absorption der Wellen weitgehend von der Temperatur ab und zwar wird Temperaturerhöhung fast immer ‘eine Herabsetzung der inneren Reibung, also auch eine Herabsetzung der Absorption zur Folge haben). Snyder?) hat nun in einer Arbeit, welehe an experimenteller Exaktheit nichts zu wünschen übrig lässt, gezeigt, dass bei Zunahme der Temperatur um 10° C. die Leitungsgeschwindiekeit auf den 2—3fachen Wert ansteigt. Der scheinbare Widerspruch mit der Theorie liest nun aber darin, dass Snyder nicht nur die Ver- änderung der Fortpflanzungsgeschwindiekeit gemessen hat, sondern gleichzeitig die Veränderungen der Latenzzeiten des Muskels durch Variation der Reizgrössen, welche durch die bei verschiedenen Temperaturen verschiedenen Wellendekremente gegeben sind. Die cesamte Zeit, welche zwischen zwei Muskelkurven in der Arbeit ‘von Snyder verläuft, ist 0,001 bis maximal 0,002 Sek. Nach den Versuchen von Tigerstedt?) und Biedermann) aber kann ‚die Latenzzeit bis 0,008 Sek. ansteigen. Nach Biedermann nimmt sie deutlich zu, wenn sich der Reiz dem Schwellwert nähert. Sehr charakteristisch für die durch Temperaturänderung hervor- gerufene Änderung der inneren Reibung ist das Verhalten der Aktions- ströme. Aus den von Burch’) erhaltenen Aktionsstromkurven ist deutlich zu ersehen, wie der Prozess des Zurückfliessens der Gallerten bei niederen Temperaturen langsamer vor sich geht. (Siehe den experimentellen Teil.) V. Narkose. Es ist bereits erwähnt worden, dass die Erscheinungen der Narkose durch die Veränderungen der inneren Reibung, im all- 1) Poiseuille, Compt. rend. t. 15 p. 1167. 1842. — O. E. Meyer, Wiedemann’s Ann. Bd. 2 S. 387. 1877. — Reiger, loc. cit. — Garrett, Diss. Heidelberg 1904. 2) Snyder, Americ. Journ. of. Physiol. vol. 22 p. 179, 310. 1908. 3) Arch. f. Physiol. Suppl. S. 111—265. 1885. 4) Biedermann, Elektrophysiologie S. 186. Wiener Sitzungsberichte Bd. 79 (3) 27. 1879. 5) Burch, Proced. Roy. Soc. vol. 70 p. 19. Pflüger’s Arch. Bd. 84 -8. 407. 1901. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 439 gemeinen durch Erhöhung derseiben, ungezwungen erklärt werden können. Es bleibt nun noch zu erörtern, wie sich diese Deutung mit den bisherigen Befunden und Theorien vereinigen lässt). Nach den Untersuchungen Verworn’s und seiner Mitarbeiter ist ein- wandfrei festgestellt, dass gewisse Substanzen im Nerven sich in normalem Falle dauernd verändern und dabei ein hohes Sauerstoff bedürfnis zeigen; bei Einwirkung von Narkotika wird die Erregbarkeit und das Sauerstoffbedürfnis herabgesetzt. Der Sauerstoff lässt also nach der Leitungstheorie Substanzen entstehen, welche die innere Reibung erniedrigen, während die in der Narkose entstehenden Stoffe und vielleicht auch das Narkotikum selbst die innere Reibung erhöhen. Nach Gleichung 5 muss die FErregbarkeit nach einer Exponential- (logarithmischen) Kurve mit zunehmender innerer Reibung sinken ’?). Experimenteller Teil. I. Studien an Gelatinezylindern. In der ersten Abhandlung wurde das Zustandekommen der Aktionsströme aus dem Phänomen der elektrischen Aufladung der Gallerten durch einseitigen Druck theoretisch abgeleitet. Um aber zu zeigen, wie leicht solche aktionsstromartigen Kurven entstehen können, haben wir dahingehende Versuche gemacht und zwar an Gelatinezylindern.. Es wurden Gelatinezylinder von ca. 1,5—2 cm Durchmesser und ca. 25 cm Länge gegossen. Am geeignetsten er- wiesen sich solche aus 20—30°/o Gelatine. Es wurden dann an diese Zylinder zwei Metallelektroden im Abstand von ca. 3—4 em leicht angelegt, aber immerhin schon so, dass ein guter elektrischer Kontakt gesichert war, und mit einem Edelmann’schen Saitengalvanometer mit einer Empfindlichkeit von 1- 10° direkt verbunden. Da die Elektroden identisch waren, floss zunächst kein Strom durch das In- strument; wenn man nun aber in dem Gelatinezylinder durch schwaches Klopfen auf eine der beiden Stirnflächen eine Stosswelle erzeuste; dann zeigte das Instrument deutlich einen Strom an, dessen Verlauf aber mit dem Auge nicht genau genug beobachtet werden konnte. 1) Die Literatur über Narkose ist zu gross, um hier detailliert wiedergegeben zu werden; ich verweise deshalb auf den Vortrag, gehalten von M. Verworn auf der „Harvey Society“ in New York, erschienen 1912 bei Gustav Fischer, Jena. 2) Lodholz s. Verworn, Narkose. Jena 1912. A440 E. Wilke und E. Atzler: Deshalb und um mit den auf gleiche Weise erhaltenen Aktionsstrom- kurven am lebenden Nerven vergleichen zu können, schritten wir zur: photographischen Registrierung. Die erhaltenen Photogramme sind in den folgenden Tafeln wiedergegeben. Wie man sieht, sind die ab- steigenden Äste der Kurven fast immer sehr langgestreckt und er- reichen dieselben die Abszisse erst nach sehr langer Zeit. Dies illustriert die schon in der ersten Abhandlung flüchtig erwähnten Nachwirkungen der Gallerten. | Nach der oben weiter ausgebauten Theorie rühren diese Ver- zögerungen von der inneren Reibung her. Die Aufnahmen wurden bei Zimmertemperatur gemacht; wären dieselben bei höheren Temperaturen gemacht worden, dann wäre diese Verzögerung nicht so gross gewesen. Wenn wir diese Resultate mit den von Burch!) erhaltenen Kurven vergleichen, dann sieht man, dass die mit fallender Temperatur zu- nehmende innere Reibung die Aktionsströme verlangsamt, d. h. die Kurven abflacht. Die Kurven sind, mit Ausnahme von XVII, XVII, XIX und XX, alle von rechts nach links zu lesen. Die zeitschreibende Stimmgabel machte 500 doppelte Schwingungen in der Sekunde. In den Kurven XV—XX sind die reflektierten Wellen noch registriert worden. Als Typus eines reinen biphasischen Aktionsstromes kann Kurve XXIV angesehen werden. Es kann nun noch der Einwand ge- macht werden, dass bei dem Nerven keine Metallelektroden nötig sind, wie in unseren Versuchen. Um demselben auch noch zu be- gegnen, führen wir in folgendem eine Reihe von Versuchen an, welche jeden Zweifel in dieser Richtung beseitigen werden. II. Versuche an zweiphasigen elektrolytischen Ketten und das Verhalten gedrückter Gallerten. Schon vor längerer Zeit haben wir in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Siebeck Versuche an zweiphasigen Ketten gemacht. Wir haben damals die Resultate nicht mitgeteilt, da es uns nicht ge- lungen ist, die Potentialdifferenzen unter gleichen Bedingungen zu reproduzieren. Im Prinzip ist das Problem der zweiphasigen Ketten zwar schon von Nernst und seinen Mitarbeitern gelöst worden. Immerhin erschien es interessant, auch solche Konzentrationsketten zu konstruieren, in welchen nur die im Organismus vorkommenden Ionenarten vertreten sind. Als zweite mit Wasser nicht mischbare 1) Burch, loc. eit. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 441 Fhase verwendeten wir Caleium-Barium-Maenesiumseifen in Chloro- form und Ammoniumseifen in Äther gelöst. Die folgenden Tabellen sollen einen Überblick über die gewonnenen Resultate und über die ‘Grössenordnung der so erhaltenen Potentialdifferenzen geben. Tabelle I. konz. | Caleium- verd. Normalelektrode I | wässrige seife in wässrige | Normalelektrode II Lösung Chloroform Lösung Seh Konzentrations- | Potentialdifferenz verhältnis in Millivolt 1: 1000 90 Ne 1:100 82 1:10 44 1:10 46 KO... 1:100 12 10: 100 23 Ode en ER 1: 100 20 EI 3 a Re 1:100 | 6 Tabelle Il. konz. Ammonium- verd. Normalelektrode I | wässrige seife wässrige | Normalelektrode II. Lösung in Ather Lösung Salz Konzentrations- | Potentialdifferenz verhältnis in Millivolt 118 1: 1000 | Y 108 NEU Se 88 1: 100 N Y% 74 1: 100 { 62 1:10 20 Naeer.... 1:100 { 48 \ Die Neoldysen 1: 100 24 | mi NH, Seife gesättigt- Wie zu entnehmen ist, hängt die elektromotorische Kraft, ab- gesehen von der Konzentration der wässrigen Lösungen, auch in weitem Maasse von der Beschaffenheit und den Eigenschaften der zweiten Phase ab. Es ist uns deshalb bisher noch nicht gelungen, halbwegs reproduzierbare Werte zu erhalten; für die nächsten Be- trachtungen aber genügen die oben wiedergegebenen qualitativen Ergebnisse. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 29 442 E. Wilke und E. Atzler: —_ Erwähnt sei noch, dass man solehe Grenzflächen zwischen”zweü Phasen leicht polarisieren kann, indem man eineu Strom hindurch- schickt; genauer ausgedrückt, kann man eine symmetrische zwei- phasige Kette asymmetrisch machen, indem man in irgendeiner Richtung einen Strom hindurehschiekt. Wir haben so mit Leichtiekeit Ströme über 100 Millivolt erhalten. Es bleibt nun noch zu erörtern, wie sich eiue Grenzfläche: Gallerte-Ätherphase bei. Kompression verhält. Nach unseren Ver- suchen in dieser Richtung tritt, ebenso wie bei den Versuchen mit: Metallelektroden eine neue Potentialdifferenz auf. Es scheint, als. ob sich in der zusammengepressten Gallerte Konzentrationsvektoren ausbilden würden, d. h. dass die Konzentration in der Richtung des. Druckes grösser ist als in der Richtung normal zu der Druckrichtung !). III. Oszillationen in Gallerten hervorgerufen durch den Strom.. Um zu zeigen, dass an einer Grenzfläche Gallerte-Äther-Chloro- formphase beim Durchgang des Stromes mechanische Stösse auftreten, welche sich dann in der Gallerte wellenförmig fortpflanzen, haben wir folgenden Versuch gemacht: An einem Gelatinezylinder von den oben angeführten Dimensionen wurden zwei napfförmige Elektroden derart angelegt, dass das eine Ende des Zylinders in den einen. Napf, welcher mit Kochsalzlösung gefüllt war, hineinhing, während der Zylinder über den anderen Napf, weleher die Äther-Ammonium- seifen enthielt, gelegt war. Mit Hilfe eines Wattebausches, welcher: mit dieser ätherischen Lösung getränkt war, wurde der Kontakt mit dem Zylinder hergestellt. Das andere Ende desselben wurde mit dem unten noch genauer besprochenen Oszillometer in Berührung‘ gebracht. Die beiden Näpfe wurden mit den Polen einer Batterie ver- mittels eines Tastkontaktes in Verbindung gebracht. Beim Schliessen des Stromes und beim Öffnen desselben oszillierte der Faden. IV. Oszillationen am lebenden Nerven durch elektrische Reizung. Nach diesen Modellversuchen und den oben ausführlich behandelten. theoretischen Betrachtungen gehen wir zu den Versuchen am über- lebenden Froschnerven über. Es bestand die Aufgabe, die äusserst feinen Oszillationen des Nerven, wenn solche überhaupt existierten,. 1, Verhandl. d d. phys. Gesellsch. Bd. 14 S. 398. 1912. Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 443 auf einen sehr empfindlichen Apparat derart zu übertragen, dass ein einzelner Impuls einen relativ langen Ausschlag an demselben hervor- rief. Am einfachsten und vielleicht auch am zweckmässigsten dafür erwiesen sich feine Glas- oder besser Quarzfäden, welche in Oszillationen versetzt wurden, wenn der Nerv gereizt wurde. Es sei hier nochmals wiederholt, dass es nicht leicht war, einen geeigneten Faden zu er- Fig. 4. halten. Wenn wir aber einen solchen hatten, dann glückte der Versuch fast immer. Die Oszillationen des Fadens wurden mit einem Mikroskop beobachtet. Da eine solche Vorrichtung ausserordentlich empfindlich war, so wurden alle Erschütterungen im Hause, durch blosses Gehen auf den Korridoren oder durch laufende Maschinen hervorgerufen, von denselben wiedergegeben. Wir waren auf diese Weise ge- zwungen, unsere endgültigen Versuche nachts bei vollkommener Ruhe Zn 444 E. Wilke und E. Atzler: fortzusetzen. Um die Koinzidenzen der Reizmomente mit dem Beginn der Oszillationen genauer beobachten zu können, bedienten wir uns der photographischen Registrierung. Fig. 4 zeigt die Anordnung des Öszillometers. A und A, sind die den Reizstrom vermittelnden Klemmschrauben, von welchen aus der Strom durch zwei Messinglamellen den beiden Tonröhren @ und @,, welche mit physiologischer Kochsalzlösung getränkt waren, zu- geführt wurde. D ist ein Hartgummideckel, welcher den Glas- kasten X abschloss, und an welchem sowohl die Elektroden als auch das eigentliche Oszillometer O befestigt war. Durch Heben des Deckels konnte die ganze Vorrichtung aus dem Kasten gehoben werden. Der Oszillometerfaden # bestand aus Quarz; er war 60 mm lang, am festen Ende, welches mit Siegellack an einem Glasstab befestigt war, 0,06 mm und an der Spitze 0,04 mm dick. Der Nerv wurde über die beiden Elektroden a und a, gelegt und in der Ent- fernung ein Sechstel der Fadenlänge am Faden durch seine eigene Klebrigkeit befestigt. Der Glaskasten hatte den Zweck, den Faden vor Luftströmen und den Nerv vor Austrocknung zu schützen; am Boden des Kastens befand sich ein wenig Wasser. Um den Nerv auch noch vor übermässiger Belichtung und Erwärmung durch die Pro- jektionslampe zu schützen, war an der Rückseite des Kastens ein Stück Filz befestigt. M ist das Mikroskop (es wurde durch die Glas- wand betrachtet). C ist der Kondensor der Projektionslampe. Dieser ganze Apparat stand auf einem Stativ ganz unabhängig von dem Registrierapparat und der Projektionslampe, welche beide je auf einem separaten Tische standen. Auf dem Tisen des Registrier- apparates befand sich noch die zeitschreibende Stimmgabel, das Signal und der den Reizstrom (und gleichzeitig das Signal) schliessende Taster. Von dem Taster aus wurde der Strom durch eine ca. 10 m lange Litze, welche teils lose gerollt dalag, teils befestigt war, auf die Klemmen A und A, übertragen, so dass eine eventuelle Fort- leitung der Erschütterungen durch das Tasten ausgeschaltet war. Die Mikroprojektion der Fadenspitze wurde auf den Schlitz des Registrierapparates fallen gelassen, ebenso wie der Schatten der Stimmgabelspitze und des Sienals. Der Nerv wurde nicht ganz knapp am Muskel abgeschnitten, sondern einige Millimeter davon entfernt; ebenso am Rückgrat. In der folgenden Tafel sind einige solche Aufnahmen wieder- gegeben. Die oberste Kurve bedeutet das Signal, die mittlere die Experimentelle Beiträge zum Problem der Reizleitung im Nerven. 445 Oszillometerschrift, die unterste die Zeitschreibung (500 doppelte Schwingungen pro Sekunde). Die Buchstaben $ und Ö!) bedeuten Sehliessung und Öffnung des Stromes. Die charakteristischste Auf- nahme ist Kurve II. Man sieht, dass sowohl Schliessung als auch Öffnung des Stromes eine Oszillation zur Folge hat. Bei II., zweite Schliessung, wurde das bereits in Schwingungen befindliche Oszillo- meter durch die ankommende Schliessungszuckung zum Stillstand gebracht, während die darauffolgende Öffnung dasselbe wieder in Schwingungen versetzt. Bei IIL., dritte Öffnung, wollte der Zufall, dass sich die Wirkung von Schliessung und Öffnung addierten, daher die starke Schwankung. Leider hatte der Faden eine zu langsame Eigenschwingung, und deshalb ist der Beginn derselben nur ungenau festzustellen. Es wäre auf diese Weise möglich gewesen, die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Stosswelle zu messen. Wenn dann diese Fortpflanzungsgeschwindigkeit mit jener der Reizleitung überein- gestimmt hätte, dann wäre die Wahrscheinlichkeit der Theorien wohl sehr erhöht worden. Vielleicht gelingt es durch derbe mechanische Reize und durch rasch reagierende Apparate, die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der elastischen Wellen zu messen und dieselben dann zu vergleichen mit den auf anderem Wege erhaltenen Werten. Immerhin scheint es von einigem Interesse, dass der Nerv durch elektrische Reize in mechanische Bewegung versetzt wird. Dass die im theoretischen Teil besprochene Erwärmung durch den Strom Anlass zu diesen Bewegungen gegeben hat, erscheint äusserst un- wahrscheinlich, denn dann könnte die Öffnung des Stromes keine solche Wirkung haben, wie sie in den Photogrammen deutlich zu sehen ist?). Schluss. Nach dem oben Gesagten wird die neue Theorie vielleicht doch so viel Wahrscheinlichkeit erhalten haben, dass sie zu einigen Arbeiten auf dem Gebiete Anlass geben wird. Es wäre vielleicht nieht ganz undankbar, wenn von rein physiologischer Seite die Elasti- zitätskoeffizienten der verschiedenen Nerven bestimmt werden würden. 1) Sämtliche vier Aufnahmen sind von links nach rechts zu lesen. 2) Über mechanische Veränderungen der Nerven beim Reizen siehe auch Rose, Comparative Electro-Physiology. New York, Bombay und Caleutta 1907 Chap. vol.35 p.530. — Harless, Abh. d. Bayer. Akad. B.3 S.549. 1858. Kronthal, Zentralbl. £. Physiol. Bd. 7 S.5. 446 E. Wilke und E. Atzler: Experimentelle Beiträge zum Problem etc. Es müssten dann die Fortpflanzungsgeschwindiekeiten umgekehrt proportional den Quadratwurzeln aus den Elastizitätskoeffizienten sein. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass nur die Elastizität des reiz- leitenden Teiles interessiert. Man müsste also nicht pro gesamten Querschnitt des Nerven berechnen, sondern pro Summe alle Quer- schnitte der Achsenzylinder. Zusammenfassung. 1. Es wurde in einem theoretischen Teil neben einigen Be- rechnungen die akustische Theorie der Reizleitung im Nerven in mathematische Formen gebracht. 2. Die Abweichungen vom du Bois- Reymond’schen Gesetz wurden durch die Theorie erklärt. 3. Der Einfluss der Temperatur aber, sowie die Erscheinung der Narkose lassen sich durch die Änderung der inneren Reibung erklären. 4. In dem experimentellen Teil wurden Studien an Gelatine gemacht, und zwar a) Aufnahme von Aktionsströmen; b) es wurden Oszillationen an Gelatine wahrgenommen, wenn man den Strom in geeigneter Weise applizierte. 5. Es wurden Studien an zweiphasigen elektrolytischen Ketten gemacht und Polarisationsversuche an der Grenzfläche zweier hetero- gener Phasen. 6. Es wurden Versuche an überlebenden Froschnerven gemacht und gefunden, dass elektrische Reizung mit sogenannten unpolarisier- baren Elektroden feine Oszillationen im Nerven zur Folge hat. 447 (Aus dem physiologischen Institut des University College, London.) Der Einfluss des Vagus auf die Apnöe. Von Dr. W. Eisenhardt, Berlin. (Mit 2 Textfiguren und Tafel VI.) Seit Rosenthal’s Entdeckung der Apnöe haben die Ansichten ‚über die Ursachen dieses Phänomens mannigfache Wandlungen -durchgemacht. Die verschiedenen Anschauungen und Versuche in dieser Frage bis zum Jahre 1885 hier im einzelnen anzuführen, er- ‚übrigt sich. Ich verweise auf Miescher-Rusch'), der einen vollständigen Überblick gibt; nur so viel sei erwähnt, dass der von Rosenthal vertretene Standpunkt, der Sauerstoff-Überschuss führe zur Apnöe, sehr bald verlassen wurde. Spätere Arbeiten von P. Hering?) und Ewald°) bewiesen, dass der Sauerstoff bei noch fortdauernder Apnöe nicht vermehrt sei, im Gegenteil, der Gehalt des Blutes an Sauerstoff hinter der Norm zurückbleibe; gleichzeitig wurde aber eine Herabminderung der Kohlensäuremenge festgestellt, ‘und diese Tatsache hat ihre Bestätigung durch die Arbeiten von Haldane und Priestley‘*) gefunden. Letztere erblicken in dem :Sinken des Kohlensäure-Partialdruckes die alleinige Ursache für das Zustandekommen der Apnöe und wollen nicht zu- ‚geben, dass Sauerstoff-Überschuss gleichfalls eine Rolle spiele, oder dass gar der Vagus einen Einfluss habe auf das Zustandekommen der Apnöe, wie es von Gad?) behauptet worden war. 1) Miescher-Rusch, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1835. 2) P. Hering, Zusammensetzung der Blutgase während der Apnöe. Dissert. ‘:Dorpat 1867. 3) Ewald, Pflüger’s Arch. f. Physiol. 1873. 4) J. S. Haldane and J. G. Priestley, Journ. of Physiol. vol. 32. 1905 5) Gad, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1880 und Über Apnöe., 1880. Erschienen bei Stahl, Würzburg. 448 W. Eisenhardt: Bei Gad’s Experimenten gelang es nicht, eine Apnöe an Kanin- chen nach Vagotomie am Ende einer foreierten Lungenventilation zw erhalten, zum mindesten war die Dauer der Atempause stark ver- kürzt. Auf Grund dieser Befunde zog er die Schlussfolgerung, dass- Summierung von Reizen, die bei der wiederholten Lungendehnung die Vagusendigungen treffen, zur Apnöe führe, indem der Vagus- diese Reize auf das Atemzentrum fortpflanze und so zeitweise in- spirationshemmend einwirke. Als Bestätigung dieser Ansicht konnten die Versuche von Hering und Breuer über die Selbststeuerung der Lungen dienen. Auch Brown-Sequard!) behauptete, dass es nicht gelinge,. nach doppelseitiger Vagusdurehschneidung Apnöe zu erzeugen, und: Filehne?), Rosenbach°) und Knoll*) vermochten zu bestätieen,. dass es entweder überhaupt unmöglich sei oder nur unvollkommen. gelänge, Atemstillstand für einige Zeit hervorzurufen. Während nun. Hoppe-Seyler?°) sogar so weit geht, nur mechanische Ursachen. der Apnöe gelten zu lassen und chemische Einflüsse von der Hand weist, spricht Miescher-Rusch, der im übrigen der Ansicht zu- neigt. dass Kohlensäurewirkung zur Apnöe führe, und diesen Zustand: als Apnöa vera bezeichnet, von der Möglichkeit des Vaguseinflusses- auf das Atemzentrum im Sinne der Gad’schen Ausführungen und: sondert als einen speziellen Begriff die Apnöa spuria s. Vagi ab. Dass eine Apnöea vera oder, wie sie Haldane und Priestley bezeichnen, „chemische“ Apnöe ohne Mitwirken der Vagi zustande kommen kann, ist jetzt allgemein anerkannte Tatsache und wurde besonders schlagend bewiesen durch Fr&d&riegq’s®) Versuch an Hunden. mit gekreuzter Blutversorgung der Zentren; dagegen widersprechen sich noch die Befunde und Ansichten der verschiedenen Autoren über das Zustandekommen einer Apnöe nach Durchtrennung der Vagi. Im Gegensatze zu den oben Genannten (Anm. 5, S. 1, 1—4S. 2): war es Head’) nicht nur nicht möglich, Ga d’s Resultate zu bestätigen, sondern er konnte sogar bei wiederholter Vornahme von ent- 1) Brown-Sequard, Compt. rend. de la societe de biol. 1871. 2) Filehne, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1873. 3) Rosenbach, Studien über den N. vagus. Berlin 1877. 4) Knoll, Wiener Sitzungsber. Bd. 85, 86, Abt. 3. 5) Hoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 3.. 6) Leon Fredericgq, Arch. de biol. t.17. 1901. 7) Head, Journ. of Physiol. vol. 10. 1889. Der Einfluss des Vagus auf die Apnöe. 449: sprechenden Versuchen oft eine verlängerte Apnöe nach Durch- trennung der Vagi konstatieren. Haldane und Priestley stehen gleichfalls Gad’s Ansichten sehr skeptisch gegenüber und Frede&ricq betont, dass es ihm trotz doppelseitiger Vagotomie bei Hunden ge- _ lungen sei, eine deutliche Apnöe zu erzeugen. Auf einen Umstand muss jedoch aufmerksam gemacht werden,. dass auch diesen letzteren Autoren bei Kaninchen die häufige Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit auffiel, nach Vagotomie Apnöe zu erhalten. Somit bleibt noch immer die Frage offen, ob mit Recht von einer Apnöea vagi gesprochen wird, oder ob andere Einflüsse, die nach Vagusdurchschneidung das Auftreten einer Apnöe ver- hindern, den Ausfall der Vaguswirkung vortäuschen. Gad schaltete am Ende der künstlichen Ventilation der Lungen die Vagi durch Gefrieren aus. Ich halte dieses Vorgehen zur Be- antwortung der Frage nicht für geeignet. Einerseits wird bei dieser‘ Versuchsanordnung nicht vermieden, dass während der foreierten Atmung die Reize von den Vagusendigungen dem Zentrum zugeführt werden und so auch nach der Ausschaltung der Vaei sich Einflüsse- von seiten dieser Nerven möglicherweise geltend machen können, andrerseits weiss man ja, dass sofort nach Vagotomie in den ersten Augenblicken angestrengtere tiefe Inspirationen auftreten, d. h. nach Fortfall der inspirationshemmenden Wirkung der Nn. Vagi die ganze- aufgespeicherte Kraft des Atemzentrums ungehindert ihren Einfluss auf die Atemmuskulatur ausüben kann, bis nach einiger Zeit infolge von Ermüdung ruhigere vertiefte Atmung eintritt. Es wäre also denkbar, dass bei der Gad’schen Versuchsanordnung die Folgen des plötzlichen Ausfalles der Vagussteuerung das Bild der Apnöe ver-- schleierten. Daher schien es ratsam, nach Anstellung der Vorver- suche mit intakten Vaeis, diese erst auszuschalten, ruhige gleich- mässige Atmung abzuwarten und nun zu den weiteren Versuchen zu schreiten. Einen wichtigen Faktor zur Gewinnung einer klaren Übersicht über die Verhältnisse stellt auch die Art und Weise der Registrie- rung der Atmung dar. Wie bereits Head ausführte, sind die „pneumatischen“ Methoden nicht zu verwenden, weil sie Schwan- kungen jeder Art des Luftvolumens in den Lungen zum Ausdruck bringen, dagegen bietet die graphische Darstellung der Kontraktionen des Zwerchfells ein klares Bild über die einzelnen Phasen der Atmung. Die von Head angegebene Methode zur Registrierung der 450 W. Eisenhardt: Kontraktrionen der Zwerchfellschenkel, die zum Processus xiphoideus gehen, bietet grosse Vorteile gegenüber den sonstigen bestehenden Methoden und wurde deswegen auch anfänglich bei meinen Experi- menten angewandt. Abgesehen nun davon dass es zuerst ‚grosse Schwierigkeiten macht, die Operation so vollkommen auszuführen, dass die Schenkel sich wirklieh rhythmisch kontrahieren, tritt sehr oft der Fall ein, dass die Schenkel bald ermüden und ihre Tätigkeit immer schwächer wird, während das übrige Diaphragma sich kräftig zusammenzieht; und noch ein weiterer Übelstand macht die Methode für meine Versuche ganz unbrauchbar, es trat nämlich am Ende der Apnöe häufig allmählich zunehmende Diaphragmakontraktion oder rhythmische Atmung ein, lange bevor die Diaphragmaschenkel wieder in Bewegung kamen. Da der Rosenthal’sche Phrenograph auch nicht für meine Zwecke geeignet erschien, so versuchte ich es, auf eine andere Art die Exkursionen des intakten Diaphragmas zu ver- zeichnen. Zu diesem Bedarfe konstruierte ich mir nach dem Systeme des Marey’schen Tambours einen Empfänger, der durch Luft- übertragung die Bewegungen des Zwerchfells auf einen Kolbenschreiber fortpflanzte. Dieser Empfänger besteht aus einem Metallrohr «a von ca. 1 mm Wanddicke und ca. 10 mm innerem Durchmesser. An dem einen Ende kurz vor der Mündung ist das Rohr durch einen ca. 3 mm breiten Ring b verstärkt, auf dem eine ca. 25 mm hohe, spitz zu- laufende Spiralfeder e ruht. Feder und Ring werden von einer dünnen Gummimembran überzogen, die einen luftdichten Abschluss nach dieser Seite des Rohres darstellt. Der Empfänger wurde an einem Stativ befestigt, durch eine kleine Öffnung in den Bauchdecken unterhalb des Processus xiphoideus unter diesen geschoben und leicht gegen das Zwerchfell angedrückt. Man achte darauf, dass der Empfänger nicht in die Herzgegend ge- bracht werde, um das Verzeichnen von Herzbewegungen zu ver- meiden. Die auf diese Weise hergestellten Kurven sind sehr klar und bringen jede kleinste Kontraktion deutlich zum Ausdruck. Be- sonders gut werden auch Eigenbewegungen des Zwerchfells in der Kurve wiedergegeben, die während der Lungenventilation manchmal auftraten, vornehmlich in den Fällen, in denen Apnöe gar nicht oder nur schwer zu erhalten war. Was nun die Brauchbarkeit dieser Art der Registrierung im Hin- blick auf spontane Bewegungen des Tieres betrifft, so wurden. solche Der Einfluss des Vagus auf die Apnöe. 451 durchaus nicht störend empfunden, weil sofort nach Beruhigung des Tieres auch wieder normale Verzeichnung der Bewegungen vor sich seht, während bei Head’s Methode die Zwerchfellschenkel leicht gezerrt werden, was die Registrierung sehr beeinträchtigen kann. Ein weiterer Vorteil, der nicht zu gering einzuschätzen ist, liest darin, dass man nur einer kleinen Öffnung in den Bauchdecken be- darf, die über dem eingeführten Metallrohre mit einer Klemmpinzette abgeschlossen werden kann. Dadurch wird die Temperatur- erniedrigung und Eintrocknung des Zwerchfells, ein Übelstand, der der Head’schen Methode stark anhaftet, vermieden. Fig. 1. Einzelteile des Fıg. 2. Durchschnitt durch Empfängers. den Empfänger. Da sich also auf einfachere Weise zufriedenstellende Kurven er- zielen liessen, habe ich im weiteren Verlauf meiner Untersuchungen von der Verzeichnung der Bewegungen der Diaphragmaschenkel Abstand genommen. Es sej darauf aufmerksam gemacht, dass in den Kurven der aufsteigende Schenkel stets eine Diaphragmakontraktion, der ab- steigende Schenkel ein Erschlaffen der Zwerchfellmuskulatur bedeutet. Als zweckmässig zur Ausschaltung der Vaei erwies sich das Überleiten von Ätherdämpfen über die Nerven. Der Vagus ruht in einem Glasrohr, zu dem die Ätherdämpfe durch ein zuleitendes Rohr zuströmen, aus dem sie durch ein zweites Rohr entweichen können. Sobald danach die Aufblähung der Lungen keinen Atemstillstand mehr ergab (Hering und Breuer), war man berechtigt, von einem Ausfall der Vagusfunktion zu sprechen. 452 W. Eisenhardt: Bevor ich nun zum Bericht über die eigentlichen Versuchs- ergebnisse übergehe, möchte ich kurz erörtern, wie lange es zweck- mässig sei, die künstliche Ventilation der Lungen auszudehnen, ohne ein. unklares Bildzuerhalten. Head gibt an, dass er künstliche Atmung nur für sehr kurze Zeitdauer anwendete. Erstens hielt er es für seine Ver- suche nicht für nötig, die Atmung fortzusetzen, sobald das Zwerchfell die- rhythmischen Kontraktionen eingestellt hatte, zweitens aber zeigten sich ihm bei „lange fortgesetzter Ventilation üble Folgen“. Yandell Henderson!) fand, dass bei sehr lange fortgesetzter künstlicher Atmung die Apnöe so lange anhielt, dass Herzschwäche aus Sauer- stoffmangel eintrat. Es erschien mir zur Lösung meiner Frage für durchaus genügend, die künstliche Atmung nie länger als 2 Minuten auszudehnen, und ich variierte die Zeiten von !/ı bis 2 Minuten, wo- bei sich stets eine Apnöe von ausreichender Dauer zur Erlangung. von Vergleichswerten einstellte. Als Versuchstiere wurden Kaninchen gebraucht, Katzen erwiesen sich häufig als unbrauchbar wegen unliebsamer Schwankungen in der Atmung, wofür wahrscheinlich die schlecht vertragene Chloralnarkose verantwortlich zu machen ist, die bei Kaninchen gerade sehr brauch- bar war, während mit Chloroform und Äther keine genügend tiefe Narkose erzielt wurde. War diese aber nicht tief genug, z. B. auch infolge ungenügender Chloralgaben, so trat sehr häufig schon bei in- takten Vagis ein Zustand von Tachypnöe ein, der es unmöglich machte, Apnöe hervorzurufen. In solchen Fällen konnte am selben Tiere die Atmung durch kleine Gaben von Morphium (0,2 mg) zur Norm gebracht werden. Diese Tatsache, dass bereits durch geringe Dosen von Morphium die Atemfrequenz sinkt, zeigte A. Fränkel?) an Kaninchen. Der Eintritt der Tychypnöe, die vollständig unabhäneig ist von Vagus- reizungen, wird sehr wahrscheinlich bedingt durch Erregung von. Zentren, die höher gelegen sind als das Atemzentrum. Dass bei der Unmöglichkeit, vor der Vagotomie Apnöe zu er- zeugen, diese natürlich auch nach der Nervenausschaltung nicht eintrat, bedarf kaum der Erwähnung. Interessant aber ist es, dass. durch abwechselnde Gaben von Morphium und Strychnin nach Aus- 1) Yandell Henderson, 'The Americ. Journ. of Physiol. vol. 25 p. 5. 2) A. Fränkel, Münchner med. Wochenschr. 1899 Nr. 46. Der Einfluss des Vagus auf die Apnöe. 453 schaltung der Vagi Apnöe nach Morphium zu erhalten, nach Strychnin (0,4 mg) und am selben Tiere nicht zu erreichen war. In der Mehrzahl der Experimente trat nach der Vagotomie keine Änderung der Form und Länge der Apnöe ein, einmal nur war nach der Nervenausschaltung eine geringe Verkürzung der Atempause und in drei Fällen nur nach Durchtrennung der Vagi keine Apnöe mehr zu verzeichnen, doch war, wie ich oben bereits erwähnte, nach Gaben von Morphium auch in diesen Fällen Apnöe zu erhalten. Gad’s, Knoll’s und der anderen Behauptungen, dass nach Ausschaltung der Vagi Apnöe nicht mehr eintrete, kann ich nach dem Ergebnisse meiner Untersuchungen nicht bestätigen. Es bleibt nur noch die Frage offen, warum in einigen seltenen Fällen es so schwierig oder unmöglich ist, die Apnöe nach Vagotomie zu be- kommen. Ich gab schon durch die Erwähnung meiner Versuche mit Morphium- und Strychnin-Injektionen zu erkennen, dass ich mir dieses Vorkommnis als eine Folge zu geringer Gesamtnarkose vor- stelle. Bereits Knoll erklärte seine zwei Fälle von Apnöe nach Vagusausschaltung durch Herabsetzung der Irritabilität des Zentrums, tut sie mit dieser Erklärung aber als unbrauchbar ab. Yandell Henderson weist darauf hin, dass Schmerz und Angst bei vollem Bewusstsein sowie bei ungenügend tiefer Narkose die Atmung so alterieren, dass selbst vermehrte Atemzüge, die unter gewöhnlichen Umständen Atemstillstand verursachen würden, nicht zur Apnöe führen. Will man also einigermaassen klare Resultate erlangen, so ist man gezwungen, störende Einflüsse, wie Angst und Schmerz, durch Narkose auszuschalten. In den Fällen von ungenügender Narkose, bei denen nach Vagotomie keine Apnöe mehr auftritt, lässt sich dieser Zustand voll- kommen befriedigend dadurch erklären, dass vor der Nerven- durehtrennung die Kraft des Vagus gerade noch ausreichte, um den verstärkten Inspirationsimpulsen des Zentrums das Gegengewicht zu halten. Über die inspirationshemmende Wirkung des Vagus unter gewöhnlichen Bedingungen besteht ja heute kein Zweifel mehr. In den Fällen, in denen nach Vagustrennung noch normale Apnöe ein tritt, also in der überwiegenden Mehrzahl, kann dieser Zustand durch folgenden Versuch zeitweilig geändert werden. Nach foreierter CO ,-Einatmung, also nach Überladung des Blutes mit Kohlensäure, vermochte ich oftmals nach einer Pause von 3 Minuten noch keine 454 W, Eisenhardt: Der Einfluss des Vagus auf die Apnöe. Apnöe zu erzeugen. Eine energische Ventilation mit atmosphärischer Luft stellte dann aber den früheren Zustand wieder her, Damit glaube ich bewiesen zu haben, dass das Zustandekommen der Apnöe lediglich abhängig ist von den chemischen Erregern, die das Atemzentrum treffen und von der Erregbarkeit desselben. Apnöea vagi, d. h. ein die forcierte künstliche Ventilation überdauern- der Stillstand der Atmung, besteht nicht, man müsste dann den Atemstillstand im Hering-Breuer’schen Selbststeuerungsversuch als Apnöe bezeichnen. Dass bei intakten Vagis einer gesteigerten Fxeitabilität des Zentrums durch die Nerven ein Gegengewicht gesetzt wird, kann nicht als Beweis dafür angeführt werden, dass die Vagi einen Faktor für das Zustandekommen der Apnöe darstellen. Tafelerklärungen. Kurve I. Apnöe mit Head’s Methode registriert. Kurve IH. Apnöe mit dem Tambourempfänger aufgenommen. Kurve III. Tachypnöe. Eigenbewegungen des Diaphragmas als Extrazacken auf‘ die Kurve der künstlichen Atmung aufgesetzt. Kurve IV. Apnöe bei intakten Vagis. „v. e. +“ Atemstillstand nach Lungen- aufblähung (Vaguseffekt). Kurve V. Apnöe .bej ausgeschalteten Vagis am selben Tier wie bei IV. „v. e. —“ Atmung geht trotz geblähter Lunge fort. Trotz etwas kürzerer Dauer der künstlichen Atmung als in IV ist die Apnöe ebensolang wie dort. Kurve VI. Keine Apnöe, bei „v. e. —* Aufblähung der Lungen, Atmung geht trotzdem weiter, also Vagi ausgeschaltet. Kurve VII. Apnöe bei demselben Tier wie bei VI bei ausgeschalteten Vagis nach Gabe von Morphium. Kurve VIII. Keine Apnöe nach Vagatomie. Dass die Vagi nicht intakt sind, zeigt die Fortdauer der Atmung bei der Blähung der Lungen. Kurve IX. Apnöe bei ausgeschalteten Vagis am selben Tier, wie in VIII, nach Gabe von Morphium, Kurve X. Nach Strychningabe keine Apnöe am. selben Tier wie in VIII und IX. Vagi ausgeschaltet. Kurve XI. Obere Kurve: Apnöe bei zerstörten Vagis. — Untere Kurve: Keine Apnöe am selben Tier bei zerstörten Vagis, 3’ nach Überladung des Blutes mit CO, Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie Bd4.146 RE UENERUNSURDOSTEEBET COLOR UEEEEEERTEREEERE N | url Mm lat TITEETNSSTITITTTITITT U Hl! hl IN hl ll! U | \ U Jul, u UL UUUULUSUUULUUUUU U se \# | ANANNMENNKHRH | al Im PAR IN) INN u NN | HN NN u IN ih IN INN AN) u IM UNTER DA NEN N, hi il | ih MON I af IN) I " Wi iM Ih JUNI m PN In) NN) a" nr FA iin I FIR Bo NN E ® x 5 WW ANA IWW NVA AAN MA AA ANKTOTm AAMMAANMA un MAMMA ARRÄRRK AKA KA KARA KAMM A AAN UA M UMMAAMAAMAAAMAMLU AARAU ARAAALANA AARAU ARAAAAMAAMUMANAAAAARARANL ANKARA AA UVA MAAAR AKA MAR NAAR A AARAU AA ANL NUM akku IHTRITFIITTT E : | St l | | ’ BRENNEN RATEN Ann NUN IRINA AN ANTAN RA NA nn. PREHFINEITIFRTEITETRINN D Ss a nn TAN mon a ARENA SH N DD LU LET IUTATTTAHUENNN / 5 IB 7 j WLI IA KAU LA LAW LAUL SUN LITUINTONRINNUNTEIRANIRIHNNTIRRINNTERTMNTNTNTINN DARM | Zar al Il I il I] I ” wrr% AA KAHN MAMMA UULHLU 2 RER hir Lith_Anst vF.Wirtz, Darmstadt Verlag v: Martin Hager ‚Bonn u 4 L? U Erz ar N En 8 5 » N “ w - 1 1 r s L R = © 3 3 N “f - . N5 Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 146. Taf. V. Signal — Gerllamelen | Gr REITDTTIEITTTETTITTETTITTTEITTTETTTTIITTTITTTTITTITTTTDTTPEITITTIITTIÄPTLTTITIEEITITIITIIDDTITDIIILITTDEE Stimmgabel ANVimVVVVWWVV Oscillometeraufnahme V. Verlag v: Martin Hager ‚Bann vw xl. AEERBENEUNGN) AmwunnnmimmmmnnanAadVVVVvV XW. vum XV. a Wo SEE N Te INVVWV MM WUWVVWVVVVWWVVVUVUVVVVV VW VVVVVVVUVVVYVVVVVVVVVVVU VVVVVUUVLV WU VVVVVVVVVVVWVYVVVVYVVVVVVVVVVVVYVVVVVVMZAUNWVUVVVVVVUVVVVVVVVVVVUVVVVVYVVVUVVVVVVUVVVUVVVWVW/WVVUWUYVVVUVYUVVVVWVVVVVV WW VVVVVVVUUVVVUVVVUVVVVVVVVVVVUVAMYANA WAHREN NAAR ANVVVVVVVVVVVVWVVWVVWWVVVVVWWWVWVWV IV. —————————_ —— — — eh hm hmmm m ZZ — — — XIX. XX. IX. WVWVWVVVVWVVVVVWVVVVVVVVUMMAAAAANAVAAAAN VUN XXl. xx. Lith_Anst.v F_Wirtz Darmstadt fie Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie Bd.146 Künstliche Atmung — Kurve |. Kurve Ill. — Künstliche Atmung Kurve VII. Kurve VIII. = ___ Künstliche Atmung N/ VaYR N X NG \ RD EEE IN en Kurve X Kurve XI. erlag v Martin Hager ‚Bonn EEE ee 455 (Aus dem Institut für Tierphysiologie der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf.) Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. Von Prof. Dr. ©. Hagemann. Die Untersuchungen von Hans Aron und Karl Frese!) haben durch zwei Reihen von je drei Stoffwechselversuchen dargetän, dass der Organismus des wachsenden Hundes seinen Kalkbedarf ebenso- gut aus dem schwer löslichen anorganischen tertiären Kalkphosphat wie aus dem mit organischer Substanz verbundenen Milchkalke zu decken vermag. Die Resorption der Kalksalze, des anorganischen Kalkes wie des organisch verbundenen Milchkalkes, war eine sehr weitgehende und betrug auch für den anorganischen Kalk sicher über 80 °/o der zugeführten Menge. Wenn beim Fleischfresser mit seiner hervorragenden Magen- tätigkeit und seiner starken Salzsäure-Einwirkung auf den Futterbrei diese Resultate erzielt werden, so dass es gleichgültig ist, ob an- organischer Futterkalk oder mit dem Futter chemisch verbundener Kalk verabreicht wird, so ist es doch noch nicht gesagt, dass bei Pflanzenfressern insbesondere beim Wiederkäuer dieselben Verhältnisse vorliegen, sondern hier kann vieles anders sein. Wir wissen, dass die Eiweisskörper bei der Verdauung ganz ausserordentlich weit abgebaut werden, dass die einzelnen Bausteine des Eiweisses zur Resorption gelangen, und zum Aufbaue von Eiweiss, wie es im Körper gebraucht wird, wie es die einzelnen Gewebe und Zellen des Körpers brauchen, verwandt wird; teilweise werden dabei die anorganischen Substanzen wie Phosphorsäure, Kalk, Chlornatrium usw. die Rolle von Hilfssubstanzen übernehmen, teilweise aber werden sie 1) Die Verwendbarkeit verschiedener Formen des Nahrungskalkes zum Ansatze bei wachsenden Tieren. Biochem. Zeitschr. Bd. 9 S. 185 u. ff. 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 30 456 O0. Hagemann: mit als Bausteine verwandt werden müssen; hierbei dürfte es gleich- gültig sein, ob das Kalkmolekül als anorganische Substanz (also als dem Futter grob mechanisch beigemengter Futterkalk) oder als vor- her mit Eiweiss irgendwie verbundene Substanz in den Verdauungs- traktus hineingekommen ist; die Hauptsache wird sein, dass das Kalkmolekül überhaupt vorhanden ist, dass es in demjenigen Augen- blicke, in dem es gebraucht wird, da ist. Diese Anwesenheit des Kalkmoleküles im Augenblicke der Verwendbarkeit oder der Ver- wendungsnotwendigkeit scheint, sofern das Futter überhaupt ein zweckmässig zusammengesetztes ist, beim Fleischfresser garantiert zu sein, ob das aber auch beim Pflanzenfresser der Fall ist, erscheint zum mindesten fraglich. Eine andere Frage, die auch noch hier mitspielt, ist die, ob der Dünndarm bei seiner alkalischen Reaktion imstande ist, beliebig ver- bundenes Caleiumoxyd in irgendeiner Weise aufzunehmen, oder ob der Kalk, nur durch Säure gelöst, resorbierbar ist. Hierüber sind in meinem Institute schon seit einiger Zeit Untersuchungen im Gange; dieselben sind aber noch nicht abgeschlossen; es wird seiner- zeit darüber berichtet werden. Aus praktisch landwirtschaftlichen Rücksichten sowohl wie auch aus wissenschaftlichem Interesse habe ich die Frage über den Einfluss des Kalkzusatzes zu der Nahrung erneuert einer Prüfung unterzogen, derart, dass ich Kleie nach dem Finkler’schen Verfahren nass vermahlen liess, aber statt mit reichlich Kochsalz mit einer viel geringeren Beigabe von Kochsalz und mit einem entsprechenden Zusatze von Ätzkalk und phosphorsaurem Kalke. Dieses so ge- wonnene Produkt, welches sich bei dem eigenartigen Mahlprozesse notwendig in der vollkommensten Art und Weise vermischt hat, so dass jede kleinste Menge des Mahlgutes auch ihren entsprechenden Anteil an Kalk und phosphorsaurem Kalk enthält, muss die bei dem Verdauungs- und Resorptions- resp. Assimilationsprozesse etwa nötigen Kalk- und Phosphorsäure-Moleküle enthalten und infolge- dessen mit dem höchsten Nutzeffekt arbeiten, insofern die anorganischen Substanzen auf diesen Nutzeffekt einen bestimmenden Einfluss haben. \ Ich verwandte zu diesen Versuchen zwei junge wachsende Hammel und einen jungen wachsenden Stier. Die Tiere erhielten absichtlich in einer ersten Periode ein an Kalk sehr armes Futter, in der Hauptsache Kleie, dann bekamen sie in einer weiteren Periode ein sonst gleiches Futter, aber statt gewöhnlicher feiner Kleie solche, 457 Beitrag zur Wirkung .der Mineralsubstanzen im Tierkörper. die mit Kalk vermahlen war und von mir „Antirachin“ genannt worden ist; in einer dritten Periode bekamen sie wieder dasselbe Futter wie in der ersten Periode, aber unter Zusatz eines gewissen Quantums an beigemengtem anorganischem phosphorsaurem Kalke. Es war be- absichtiet, dass die Tiere in der zweiten und dritten Periode gleichviel Mineralsubstanz bekommen sollten; diese Absicht wurde aber irrtüm- licherweise nicht durchgeführt; infolgedessen sind diese Versuche nach der Richtung, nach welcher sie zwingendes Beweismaterial liefern sollten, nicht völlig beweisend; sie geben aber nach einer anderen Richtung hin ein interessantes Resultat, nämlich nach der Riehtung des Stickstoffansatzes bei der Anwesenheit des Kalkes und der Phosphorsäure; deswegen will ich sie hier jetzt schon veröffentlichen. In der ersten Versuchsperiode erhielten die drei Versuchstiere ein an Kalk- und Phosphorsäure sehr armes Futter, nämlich die beiden Hammel je 100 g Strohhäcksel und 400 g feine Kleie; das Kalb 200 Strohhäcksel, 1000 g Hafer- schrot und 1000 g feine Kleie; das Wasser der beiden Hammel wurden jeden Tag zugemessen; das Kalb erbielt konstant täglich 8 1 Wasser. Der Hammel „Plisch“ wog vor dem ersten Versuche zwischen dem 2. und 16. November 1911, als er schon das Versuchsfutter erhielt, mit geringen Schwan- kungen im Mittel 33,38 ke. Die Sammlung des Kotes und Harnes begann am 16. November derart, dass die ersten an diesem Tage beobachteten Entleerungen von Harn um 7h 55’ und Tabelle. Serie 1. Hammel „Plisch“. Futter: 400 & feine Kleie, 100 g Strohhäcksel. a Tetend, Nee Kotdaten in g Harndaten 1911 nahme cs Gewicht Spez. | Volumen 8 RE frisch trocken 8 eeyicht ' eem 17. Nov. | 33,46 1,82 637,3 147,63 930,97 i —. 18 9% 33,16 1,98 725,66 165,70 | 1231,25 Ss — IE — 1,82 742,23 171,98 | 1009,86 235 gr 2052, 32,83 2,00 695,59 166,76 | 1040,03 ae) — aa 23.20 | 1,86 | 804,01 "| 190,35 119665 (227 u Zr 32,85 1,94 765,97 184,58 | 1150,00 os — De ty 32,78 2,00 616,63 | 151,58 | 1327,90 SE=#= — DA, 33,02 2,00 564,50 | 141,97 | 1247,20 BE 7 — Be 205 |, 197 | 569,56 | 146,75 | 19100 || 232 u 26. 32,92 2,00 830,94 | 203,83 | 1271,30 Summe 296,87 | 19,39 | 6952,40 | 1671,13 |11676,16 — — Mittel . . | 32,99 1,94 695,240 | 167,113 | 1167,616 | 1,0156 | 1149,681 Korrekturen . — —. 0,723 | — 23,024 | — — 1,993 Korr. Mittel . | x | En | 698,246 | 167,836 | 1165,59 = 1147,69 81,69 81.89 £0'6L 151, 16.98 03:%8 81.79 SL LT 20°G &119 " * uOJU9ZONLT UT INEPaoA orerel | errel | EHr6 FL6Ll er sl Lvg 19'298 I77 EI 616895 | WWEAN ur osqe JurpaoA FE'sgL LUEL 088 ggzL 20'08 yrr az 0208 6673 IESLIT | SON U9UON90A} 9 9E8‘L9T :AUL UHP9ITDSIISNE U9PAnA SH [4 Ä „i [7 1 | f yroscı | 61'861 | SF6 II | 3u’085 | 09'89 | 16°6 | 14'607 | IT | 1898 a euunssu spssct | IrLeT | Harın | 71'208 0'785 898 13.006 8661 66.61 ssp re | ° ° "um Droıy oury 5 007 gebe | 8207 6ag'0 08% Gy'gE es 1 1788 76°% 602 18806 | ° ° TPsperyong 3 001 = NW UHWWOUENE WWEID UT OS[e uopanm SH Ss E 5 6687 | Gg68 | E26HT | I08'Er | 088°68 | cH'7 | SoT'gs | el S68TL a m voreor | rar | o9reg | 26909 | r9z01 | arcz 1.876 689'% 69% es |; © Sera eurad Ss Were | 260er | Bno | zrros | seorz | @9ET 08T'36 118'9 088°, L3806 | 9° Pspeggong "[e9g-34 9yase Es jun | SE | | | a | | zuujsqus -O18.19UrJ -u9]yoy INS -yog -19U}V BIN zue}squns -UONIO.LL, -[eI9ulp] B19aJ-°90) 9Taay-N -u9ZurIsqnS A9saLp IJEQUIOISAHUM OIMOS ‘Y0Y] pun Jon T UOA ZURIsSqnsugN901], Aop SunzyosuswwesnZ Hy9sıJuszoLd *‚yosı[g‘‘ [pwwen MU TIGT PquwoAoN °95 SIq *IE WOA T "IN YOnSIT9ASsSunZzynusny ‘cs o119gEL 458 Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 459 von Kot um 8h 14’ früh verworfen wurden; danach aber wurde alles bis zum 26. November früh gesammelt; der letzte Harn wurde an diesem Tage um 85 20’ uud der letzte Kot um 7h 12’ entleert und gesammelt. Infolge der Zeitdifferenzen zwischen dem Anfange und der Beendigung der betreffenden Aufsammlung sind die Kot- und Harndaten mit + "/assı und — !/sıı zu korrigieren. Die übrigen auf den Versuch bezüglichen Daten geben die vorstehenden Tabellen 1 und 2 (S. 457 und 458). Der Stickstoffgehalt des Harnes betrug im Durchschnitt täglich 10,370 g; der Kohlenstoffgehalt 13,69 g; der Aschegehalt des Harnes betrug 0,710°o; die Harnasche wiederum enthielt 3,945°%/o Calciumoxyd und 22,835°%/0 Phosphorsäure- anhydrid. Der lufttrockne Kot dieser Periode enthielt 14,042%0 Rohasche, und diese Rohasche wieder enthielt 8,735°/o Caleiumoxyd und 39,220°/o Phosphorsäure- anhydrid. Die in dieser Periode verfütterte feine Kleie enthielt auf W,455%/0 Trocken- substanz bezogen 5,414°/o Rohasche, und in dieser Rohasche wieder fanden sich 3,50°/0 Caleiumoxyd und 50,105°o Phosphorsäureanhydrid; das verfütterte Stroh- häcksel enthielt bei 90,327 %o Trockensubstanz 7,441°/o Rohasche, und in dieser Rohasche wieder fanden sich 4,135°/o Caleciumoxyd und 4,335 °/o Phosphorsäure- anhydrid. Das Tränkwasser enthielt nach einer mittleren Analyse pro Liter 0,522 g Caleiumoxyd. Aus diesen hier angegebenen Daten berechnet sich die Stickstoff-, Kohlenstoff-, Kalk- und Phosphorsäureanhydridbilanz wie folgt: N C CaO Ps0-; Aummahmenın oa... 3211,95% 1982 1,95 10,12 ImwRoter nett. 2,51 73,8 2, 9,94 Merdaute inloz 9,44 124,4 — 0,26 0,18 Inelarnesin ee 103 13; 0,32 1,89 Ansatz ing ...-—0 d07)) —058 —1,ıl Der Hammel „Plumm“ wog vor dem ersten Versuche zwischen dem 3. und 16. November 1911, als er schon das Versuchsfutter erhielt, mit geringen Schwan- kungen im Mittel 27,26 kg. Die Sammlung des Kotes und Harnes begann am 16. November derart, dass die ersten an diesem Tage beobachteten Entleerungen von Harn um 8h 17’ und von Kot um 85 5’ früh verworfen und danach alles gesammelt wurde bis zum 26. November früh, wo der letzte Harn um 8h 5’ und der letzte Kot um 7h 35’ entleert und gesammelt wurden. Infolge der Zeitdifferenzen zwischen Anfang und Beendigung der betreffenden Aufsammlung sind Kot und Harndaten mit + !/ars und + "/ı200 zu korrigieren. | Die übrigen auf den Versuch bezüglichen Daten geben die nachstehenden Tabellen 3 und 4 (S. 460 und 461). 1) Diese Kohlenstofizahl ist deswegen eingeklammert, weil sie keinen Ansatz darstellt, sondern denjenigen Kohlenstoff angibt, welcher für die Unterhaltung der Lebensprozesse des Körpers disponibel ist; ob dieser Kohlenstoff ausreichte oder nicht, ob Fett oder Glykogen angesetzt wurde, entzieht sich gänzlich jeder Beurteilung, weil keine Respirationsversuche gemacht worden sind. 460 O0. Hagemann: Tabelle 3. Serie 1. Hammel „Plumm“. Futter: 400 g feine Kleie III, 100 g Strohhäcksel. „[Wasser-| Kotdaten i Harndat Re Leben. A Xotdaten in g arndaten 1911 nahme R 1 Gewicht | Spez. | Volumen kg kg tisch "|| trocken g Gewicht ccm is 800 07.202 1720005 Sen oe oe 198% 71980, eo ne iss, 2191365 w = 2. „ | 2675 | 1380 | 465.02 | 157,36 | 1225,10 Er 12 21. „ | 26,95 | 1930 | 43641 | 149,79 | 941,30 = 2 22. „. | 2714 | 1820 | 53774 | 17327 | 895,00 —. _ 607,15 | 187,67 670,43 | 212,96 520,338 | 179,11 1013,54 = ; 1415,00 1247,00 | 327351600 24. „ | 27,02 | 2000 5.5 | 2225. | 1750 | | | 17. Nov. | 27,50 | 2000 H ee DER aaa le | ne Nele Summe . [243,98 |17650 |5287,72 |1729,28 |[12549,57 — — Mittel... | 27,11 | 1765 | 528,772 | 172,928 1254,975 | 1,0140 | 1237,630 Korrekturen 3 — en + 1,104 | 0,361 1,046 | — + 1,032 Korr. Mittel. | — | — | 529,876 | 173,289 | 1256,00 | — | 1238,66 Der Stickstoffgehalt des Harnes betrug im Durchschnitt täglich 10,519 g; der Kohlenstoffgehalt 12,40 g; der Aschegehalt des Harnes betrug 0,6090; die Harn- asche wiederum enthielt 2,16°/o Caleiumoxyd und 36,405 °%/0 Phosphorsäureanhydrid. Der lufttrockne Kot dieser Periode enthielt 11,533°o Rohasche, und diese Rohasche wieder enthielt 10,435%o Calciumoxyd und 38,05% Phosphorsäure- anhydrid. Das Futter war dasselbe wie in der ersten Periode mit „Plisch“, also auch der Gehalt an Mineralsubstanz derselbe; der des Tränkwassers weicht etwas ab; die Stickstoft-, Kohlenstoff-, Kalk- und Phosphorsäureanhydridbilanz ist die folgende: N CO CaO P:0,; Autnalmenine er O9 1,87 10,12 Im: Kotet tan Dec: 2,75 80,6 2,22 8,11 Verdaut? Sinsor wege: 920 117,6 —0,35 2,01 ImYHarneW Se 12,4 0,17 2,78 Ansatz 0 in era 822 052 N Das Kalb „Drickes wog vor dem ersten Versuche zwischen dem 5. und 29. November 1911, als es schon das Versuchsfutter erhielt, mit geringen Schwan- kungen im Mittel 137,6 kg. Die Sammlung des Kotes und Harnes begann am 30. November derart, dass die ersten an diesem Tage beobachteten Entleerungen von Harn um 10h 30’ und von Kot um 8h 12’ früh verworfen wurden; danach wurde alles bis zum 9. De- zember früh, und zwar der letzte Harn um $h 36’ und der letzte Kot um 8h 12’ gesammelt. Infolge der Zeitdifferenzen zwischen dem Anfange und der Beendigung der betreffenden Aufsammlung sind die Harndaten mit + "/ıss zu korrigieren. Es blieb ein Futterrest von 428,3 g (absolut trocken) Hafer und Kleie übrig, 461 ralsubstanzen im Tierkörper. ine A Beitrag zur Wirkung der \ gg’Lg 8,6% 86 94 7469 94:67 a 739 11:28 2003 L8°64 " * UDJUBZOAT Ur Juepaoı Or sHIL | 9ELIT | 2676 recıl 1608 800 - 03'863 E68 854 gzs'stz | WWeIg ur Jnjosgqe mepıoA ge'geg £9‘08 1:13 SF9L cos 766 98.5591 oe 68ZEL1 | ° 407 WUy902} 9 687811 :yıu UOPOIyosaäsSng UopanMm SH 166 | ı1esor | res | 1898 | sis/er | vwung un > | 2561 | 3661 ssrIrg | ° ° "IIT OIOIy aursr & 007 76°9 60% L38'06 ° OSYORyyoNS 3 001 yLUL UOWWOUISNE WWEID UL OS[E UOPAnM ST sroscı | 61er | srett | araea | 049 Ge 9YLSı | 9EHTT 61'208 ‘268 &1‘0F 8%0 0867 Ggo's8r | 08C‘97 | ELSCT | 99877 | ers'Le | ver’g | ggs'ıs | Unsere | 105 76 | real F91 c9r 11T 97 ‚09H 649'09 796.01 cr49 12876 609% 6098 GL8'G8 er AD ER 95 Fer L60'6 61,0 LPL08 Sc0 LE cIEL 05T 76 IC 9 0554 L8°06 EEE TSEUUDS RO ELIA 840 4038 7038 er JOSLF YNLIIXO | ZURIsqnS el U ZUrISsqnS yjeyur -AUMBIIXH B De er: -uojyoy | -1Png -yoy -a9yy [EaSTUBSIg zuegsuns -UONDOAL, -TeroutN Er 10)6) -91O.OUF RLGRTEINE "U9ZURISNUS AOSOLP EUUTOISIOUNT 9IMOS Joy pun doyyu,T UoA SunzjosuswwvsnZz 9y9SIFU9ZO.AT *„WWmfd* [pwuep ur JfEL "AoON 95 SIq "LT WOA BL "IN YonSsToAssunznusny 7 SUEERR 462 O0. Hagemann: welcher je zur Hälfte auf Hafer und auf Kleie verrechnet wurde; auch bezüglich der Mineralsubstanzen. Die Daten des Versuches geben die Tabellen 5 und 6. Tabelle 5. Serie 1. Kalb „Drickes“. Futter: 1000 g feine Kleie III, 1000 g Hafer und 200 g Strohhäcksel. ae Lasmi- er Kotdaten ing Harndaten at > nahme EN £ Gewicht Spez. | Volumen k kg frisch yoden g Gewicht cem | r 30. Nov.| 137,6 | 8,00 | 2442,05 | 442,14 5477 1,0120 | 5412 1. Dez. | 138,1 | 800 | 2748° | 54944 | 2997 : | 1.0202 | 2938 Da 397 I 800 | 2435 | 559,77 | 4072 | 1,0207 | 3989 Se — 8,00 | 2878 | 670,01 2552 1,0252 | 2489 AN 141,7 8,00 | 3068 757,45 3392 1,0235 | 3314 BE, 1484 | 800 | 2702 | 589,75 3362 1,0200 | 3296 nt — 800 | 2600 | 857,17 2818 1,0222 | 2757 Laen 143, 8.00 | 3898 |. 679,87 4771 1,0150 | 4701 5 er | ze || Ts 1,0167 | 4008 I 146,0 | 8,00 | 2791 | 624,46 4040 1,0177 2.3970 Summe. . [1135, 80,00 | 26955,05 | 5842,78 | 37556 10,1932 136874 Mittel .| 141,9 8,00 | 2695,505 584,278 | 3755,6 1,01932 | 3687,4 Korrekturen . — —- — — +80, = + 29,6 Korr. Mittel . | = | — | - — 3785,6 — 3717,0 Der Stickstoffgehalt des Harnes betrug im Durchschnitt täglich 37,806 g; der Kohlenstoffgehalt 44,23 g; der Aschegehalt des Harnes betrug 1,061 %0; die Harnasche wiederum enthielt 0,35°/e Calciumoxyd und 44,815 °/o Phosphorsäure- anhydrid. Der lufttrockene Kot dieser Periode lieferte 8,359 °/o Rohasche, welche ihrerseits wieder 11,635°/o CaO und 22,30 %/o P;0- enthielt. Die in dieser Periode verfütterte feine Kleie und das Strohhäcksel waren das- selbe Material wie in den beiden vorhergehenden Perioden. Der Hafer, welcher hier noch hinzugereicht wurde, enthielt bei 94,012% Trockensubstanz 3,265 %/o Rohasche, und in dieser Rohasche fanden sich 4,16°/o Calciumoxyd und 30,405 °/o Phosphorsäureanhydrid. Hieraus berechnet sich die Stickstoff-, Kohlenstoff-, Kalk- und Phosphorsäureanhydridbilanz wie folst: N C Ca0 P,0; Aufnahme ing . . . . 90,2 869,3 7,92 393,13 ImYKotel el: 280,9 6,01 11,52 iVerdaut Sin em 222.29959 988,4 1,51 22,21 Imp Hannes ae 44,2 0,09 20,82 Ansatz Into er. leqe (544,2) 1,42 1,39 In der zweiten Versuchsperiode erhielten die drei Versuchstiere nun an Stelle der feinen Kleie eine solche, welche nach Finkler zu Finalmehl, aber unter Zusatz von phosphorsaurem Kalk, vermahlen war. Sonst war das Futter genau so wie in der ersten Periode bemessen; auch war die zum Final- 463 Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 6899 8919 IESL IP Leer u ao SL’ 708 | 16'681 8178 018 94'887 ssTI ORal 89'665 | WweıH ur ynjosgqe nepıoA IT'L9L are 209% EL9L sy'er 169 SsCarl seıl 68.18 28897 | ° 901 10uN901} 3 FLS'ggT :pIW UOPIIYISIHSNE UHPANM SH org | 29208 | gerer | 01098 | 1789 | 10H | HvUoer | Hase | mes | seser | ewuns u 99T | 808, I 96,F8 | sEsT | 06, EI | 8898 aaa || > An eerlaner > (02 geiz | or | ze | 0er I wre | vo’E8 Te 7 E06 | ° ° PRrrugons 3 001 PU UOWWOUIE WWEAL) UT OSTE UHPINM SH re1’89r | sc8rr | 6L8€1 | 66H‘97 | 969'95 | 0168 | 60018 | LO9OT 166'21 | 19776 EEE OM rIorep | SIach | 296TE | c086s | 8976 E95 1856 ScTL Saw? | AN Mena a9erer | 2607 | 6L2Eo | ZrTog | soorLE | YET 08126 T2g‘9 082 1806 |: PSpRugoms -[eg-34 ayIs® 0 038 33038 240° AoSvF yeayxoa | Zzuejsang 23 AN zuveIsqns yequt ALEX mer ern -oıStaung -u9]YUOM -NIS STOAy-N -yoy -19y4y Joydstuwdig zuwsans -U9MIOLL, SUN 91d 409 "U9ZUTISqUg AOSOIp IEqUIOLDAOUFT OIMOS YO] pun don UOA ZURISqnSUOND0L]L Kap SunzyosuswuesnZ HUOSTTUOZOLT *„umumpd“ [PWwweg JUL [I6T AOqWOZIA "97 SIq *2 WOA eG "IN YOnSsIoAssunzynusmy LE a 468 7 O0. Hagemann: Der lufttrockne Kot dieser Periode enthielt 12,281:%/o Rohasche und diese Rohasche wieder enthielt 17,27 /o Caleiumoxyd und 40,11 /o Phosphorsäureanhydrid. Das Futter war dasselbe wie in der vorhergehenden Periode mit Hammel „Plisch“. Die Stickstoff-, Kohlenstoff-, Kalk- und Phosphorsäureanhydrid-Bilanz berechnet sich wie folgt: N 6 CaO P,0, Nutnahmerinseer sr 12,32 207,7 4,10 11,68 ImaKote 260 73,9 SE 8,97 Vierdaub. AS a T2 134,2 0,41 3,11 Ims@rlarner er 7.00 10,60 0,05 2,12 Ansatz Fl IR 2,72 (123,6) 0,36 0,29 Das Kalb „Drickes“ war in seinem Körpergewichte etwas zurück gegangen; es wog im Mittel zwischen dem 9. und dem 21. Dezember nur 146 kg. Offenbar spielte bei diesem, gegenüber den beiden Schafen mit einer vielfach grösseren Wachstumsenergie ausgestatteten Tiere, der Mangel an Mineralsubstanz eine relativ viel grössere Rolle wie bei den Schafen bzw. machte sich viel stärker bemerkbar; vielleicht aber war das Tier auch krank. Die Sammlung des Kotes und Harnes begann am 20. Dezember derart, dass die ersten an diesem Tage beobachteten Entleerungen von Harn um 10h 3’ und von Kot um 7h 35’ früh verworfen wurden und danach alles gesammelt wurde bis zum 30. Dezember früh, an welchem Tage der letzte Harn um 8h 15’ und der letzte Kot um 7h 55’ entleert und gesammelt wurden. Infolge der Zeit- differenzen zwischen Anfang und Beendigung der betreffenden Aufsammlung sind ! 1 Bi die Kot- und Harndaten mit — 51 und + = zu korrigieren. [374] Die übrigen auf den Versuch bezüglichen Daten geben die nachstehenden Tabellen I1 und 12. Tabelle 11. Serie 2. Kalb „Drickes“. Futter: 1000 g Hafer, 1000 g Finalmehl und 200 g Strohhäcksel. Data Lebend- I Kot:laten in g Harndaten icht ; 1911 |SeMIeAt]| nahme 5 i Gewicht Spez. | Volumen ke kg frisch | trocken R Cosiche an 21. Dez. 146,1 8 1399 | 427,49 3943 1,0152 3884 N 143,8 8 2806 | 863,28 4792 1,0170 4712 BR N — 8 2418 721,19 4883 1,0173 4800 24. ., 143,0 3 2802 | 794,57 4738 1,0177 4656 ZI — 8 1807 521,00 4304 1,0173 4231 DO — 8 3098 875,29 3799 1,0202 3724 DU EES 143, 8 2208 619,45 3600 1,0196 3531 2ER 143,7 8 3362 864,54 4042 1,0165 3976 DOlaER 1448| 8 1660 | 451,46 3840 | 1,0165 3778 SUR 144,7 8 3012 773,76 4837 | 1,0142 4769 Summe . | 1009,3 so 24572 |6912,03 42778 | 10,1715 42061 Mittel . . 144,2 8 2457,2 | 691,203 4277,8 | 1,01715 4206,1 ALLAN WISE 1 | ai Be I be | el Korr. Mittel. | — | — | 24538 | 690,244 | 4310,2 — | 42380 469 Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 1869 60.79 sL9L | 288 6L’@T 6a,0L | 9499 EE/9P | “ ’ uajuazorg Ur InepaoA LLTSLE | 20's8e | ocHor | 19'606 796€ 69'238 cgFTal g8'6F 68°08 77 S0gI | Umead ur Jnjosqe mmepıoı LEISEEE | IULZE era | ee 06'018 080, 76.089 DJRIKE 00°09 76069 | ° 304 Hu9y901} 3 774069 :yıu UOPOLyISISSNE U9panM SH vr°csos | eszre | 60L’28 | ET'aEal | yrosz | 68 | street | 2I'LOL 6EOLT | SP'C66L | vuung up 80/6617 | 9er | 2osiea | 00asc 6818 rec | aeg 08°69 08.9 | 60'826 | ° AT ypwpeung 2 0001 10 | 00FIR | scıge | Feiese 9196 66°98 | 21'198 <6'68 130g | eures | ° © © zogen 30001 er, I Ts |. HR01 64'06 68'99 97% Lr‘99T LSTI sıerr I Host 1° ° PSPEUgoNg 3 005 :JIUL UHWWMOUIFNE WUWBAS UT OSfe uopınM SM I86’38r | sp Lr | von“ | sax'or | r == = £0.9 £0'9 809 * yeydsoydummjesig 8 €‘, E9LTIF 2617 179% 87'98 ssIL 32 »7'98 rer sEF 38'06 er OO qY gerıess | Er6ss | 292 TE | &626LL | S90S cT19 e'segı 88'68 0836 G1’96T | guumg up 031168 | 99'868 194'80 O8'LIG Ey 18 0LIZ 99.608 90'87 90'857 sLess | ° ° ° * orapy} SuraF 3 000 x E10 | 00FIR | SeTaa| H46se 91.96 6698 21.198 “6.68 19,08 SLT6B | ° " ° ° © © open 8 0001 = FB LH IS #70 64°06 68'99 g7°5 17'991 IS'IT SIHI cgo8T | ' * ' PSPEIgENS 3 005 2 :JIm UHWWOUHHTNE WWEAK UT OS[eE UOPAnM SH [eb] = 09999p | 127 | 9a | TIo‘9r 62018 | ll 610'88 re Tl 1S6°TL | 809'66 EN ® — = = = = = = = = 0F7 08 “ + ey Joanesiogdsoyg S »oregr | TıLar | o9ree | z<909 | F9zor | res | 12876 689,8 a ee | > a eine an 186.667 | ver9% | Lrsro | 801.9 ssLoL | SPLr 89496 64E8 GEHE SLT'68 Be ES IaJU 295 rer | 260° | 62280 | 2r1°08 | sz0 LE | 2987 0°1'26 11.89 0881 L38°06 De Tasrgeugons e9-84 aydsu 0 7038 308 nn JOSE] Jyeyx9 | zuejsqng -uroy Dt zueIsquns yrequr -AYNEAIXY u ne ul u -orZ tour] -uojyoy | Oug Oraay-N -yoy ıoyJy Jeyasıuwsig zuejsqns -UONIOLT, -[er9um 91917-°09 "uU9ZUrIsqnS A9SIIP Eyuralsaaumg 9IMoS Io] pun don] UOA ZueJsqnsuay904], A9p SunzyosuauwesnZz Agqasıyu9zolg “& °„SONILIA“ gIEM JIW ZIG Tenuep °05 SIQ IE WOA qE& IN YOnSsT9ASSunzynusnYy S "st 9[[eqeL Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 477 N (6) CaO P,0, Aufnahme.in @7 .. .- „ .' 49,33 847,2 9,89 35,98 IRBKOe runs 985 225,2 6,29 21,29 Merdaueseineo °. 2.2.272.258950 622,0 3,60 14,69 IaBElarnelet se 3 36,6 0,08 10,21 Ansatz Te oe (585,4) 3,92 4,48 Wenn wir uns die vorstehend aufgeführten Versuchsprotokolle ansehen, so erkennen wir nach verschiedenen Richtungen hin eine gewisse Regelmässigkeit in den Ergebnissen der Untersuchungen; auf einzelne Unregelmässigkeiten und Abweichungen werde ich noch zurückkommen. Da wären zunächst die Verdauungsquotienten bei den beiden Hammeln und dem Kalbe bezüglich der Rohfaser, des Stick- stoffes, des Kohlenstoffes und der Energie zu betrachten, und zwar die der beiden Hammel am besten zusammengenommen in ihren Mittel- werten. Tabelle 19. Verdauungsquotienten. Rohfaser Stickstoff | Kohlenstoff Energie Mittel der beiden Hammel: EerBerinder..... 2... 28,2 78,0 61,0 60,3 2. 2 33,1 79,6 64,6 . 684 3. a... 26,8 76,3 61,9 60,7 Beim Kalb: lrReniode sr .. .,.. 33,9 78,4 67,7 66,9 2. 15,8 76,7 64,1 63,3 3. =, 2 2 (43,0) (80,1) (73,4) (72,2) Bezüglich der Daten für das Kalb, bemerke ich, dass dieselben für die dritte Periode eingeklammert wurden, weil sie offensichtlich zu hoch sind, dies hängt damit zusammen, wie ich schon auf Seite 473 erwähnt habe, dass hier eine Unregelmässigkeit bei der Aufsammlung bzw. Wägung des Kotes passiert sein muss, oder aber, dass da noch andere Umstände mitspielen. Man sieht ohne weiteres, dass die Verdauungsquotienten der zweiten Periode bei den Hammeln durchgängig höher sind wie in der ersten und dritten; dies ist darauf zu beziehen, dass hier nieht die gewöhnliche gemahlene Kleie, sondern das nach dem Ver- fahren von Finkler hergestellte Finalprodukt (Antirachin) ver- 478 O0. Hagemann: füttert wurde; dass die Verdauungsquotienten hier bei der Energie um 3°/o, bei dem Kohlenstoff um etwa 4°/o und bei der Rohfaser um etwa 5°o erhöht sind, bietet also durchaus nichts Bemerkenswertes dar; im übrigen halten sich die Verdauungsquotienten alle durchaus im normalen Rahmen. Bei dem Kalbe sehen wir in der zweiten Periode bedenklich herabgesetzte Verdauungsquotienten; das ist merkwürdig; es hängt aber, wie schon gesagt, wahrscheinlich auch mit irgendeiner Störung des Gesundheitszustandes zusammen. Die verfütterten und verdauten Energiemengen stellen sich bei den neun Versuchen in Calorien wie folgt: Tabelle 20. „Plisch“ verfüttert | verdaut „Plum“ verfüttert | verdaut „Drickes“ verfüttert | verdaut InBerioder 2. 1951 1242 1981 1145 8659 9792 2. 5 DH 2072 1380 2072 - 1304 | 9085 5752 3. 5 Er: 1981 1236 1981 1169 8440 6090 Ich mache besonders darauf aufmerksam, dass die beiden Hammel in der dritten Periode rund genau soviel Energie verdauten wie in der ersten Periode; in der zweiten Periode verdauten sie allerdings mehr wegen der höheren Verdaulichkeit des Antirachins gegenüber der gewöhnlichen Kleie und wegen einer um 91 Cal. —=4,5 lo er- höhten Ration. Wenn wir nun zunächst die prozentische Verdaulichkeit der Zulagen an Kalk und Phosphorsäure in den Perioden zwei und drei ableiten, so sehen wir, dass beim Hammel „Plisch“ auf eine Zulage von 2,145 g Kalk in der zweiten Periode gegenüber der ersten Periode 1,705 g Kalk gleich 79,5 /o der Zulage im Kote erscheinen. Beim Hammel „Plumm“ haben wir auf eine Zulage von 2,238 & Kalk im Futter 1,467 g— 65,60 der Zulage mehr Kalk im Kote. Beim Kalb „Drickes“ stellen sich die betreffenden Zahlen so: bei der Zulage von 5,649 g Kalk im Futter 4,385 g Kalk mehr im Kote, das sind 77,6 o. Vergleichen wir die dritte Periode mit der ersten, so haben wir beim Hammel „Plisch“ auf 0,817 g Kalk Futterzulage 0,544 g mehr im Kote, das sind 66,6%; beim Hammel „Plumm“ für 0,656 & Kalkzulage im Futter 0,430 g Kalk mehr im Kote, das sind 65,6 °/o und beim Kalb „Driekes“ für eine Futterzulage von 2,376 g Kalk, Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 479 im Kote ein Mehr von 0,275 g, das sind 11,6°o. Diese letzteren Zahlen werden aber aus den schon mehrfach erwähnten Gründen nieht ganz riehtig sein. Hieraus könnte man folgern, dass der anorganische, auf das Futter gestreute Kalk besser verdaulich wäre wie der mit dem Finalprodukte vermahlene Kalk, von dem ich gerade eine viel grössere Wirksamkeit bzw. Verdaulichkeit erwartet hatte. Dieser Schluss wäre aber ganz und gar unberechtigt, denn bekanntlich findet, namentlich auch beim Pflanzenfresser. eine mehr oder weniger starke, aber auf jeden Fall sehr ergiebige Sekretion von Kalk und Phosphorsäure während der Verdauungestätigkeit in den Darm statt, so dass das vorliegende Material vorläufig nur einfach als statistisches Material behandelt werden muss und erst später vielleicht eingehend wissen- schaftlich behandelt werden kann (vgl. G. v. Wendt, Mineralstoff- wechsel. Handbuch der Biochemie 4. Bd. S. 561—6957). Bezüglich der Phosphorsäure liegen die analogen Verhältnisse so, dass in der Periode zwei gegenüber der Periode eins bei dem Hammel „Plisch* 1,564 & Phosphorsäurezulage im Futter mit einer Minderausscheidung von 1,054 g im Kote beantwortet wurde. Beim Hammel „Plumm“ wurden 1,564 g Phosphorsäurezulage im Futter mit einer Mehrausscheidung von 0,462 g im Kote = 29,5 lo beant- wortet; bei dem Kalbe „Drickes“ führten 4,745 g Futterzulage eine Mehrausscheidung, von 3,889 g im Kote —= 82,0 °/o der Zulage herbei. Betrachten wir die dritte Periode gegenüber der ersten, so haben wir bei dem Hammel „Plisch“* für eine Zulage von 1,217 g Phosphorsäure im Futter 0,531 g mehr Phosphorsäure im Kote, das entspricht 42,6°/o der Zulage. Beim Hammel „Plumm“ sehen wir bei einer Zulage von 1,247 g Phosphorsäure im Futter 0,051 g im Kote weniger. Beim Kalbe „Drickes“ für 2,257 g Phosphorsäure- zulage im Futter 9,765 g im Kote, das sind 432,6 °/o der Zulage. Diese letzteren Zahlen sind ja vorläufig nur als kasuistisches Material zu nehmen. Es bleibt noch aufzuklären, wie die Resorption und die Sekretion von Kalk und Phosphorsäure sich gestellt hätten, wenn von diesen Agentien in der zweiten und dritten Periode gleiche Mengen gereicht worden wären, und dies soll baldigst geschehen. Wenn wir uns nun unter Berücksichtigung der Harnausschei- dungen die Gesamtkalk- und Phosphorsäurebilanz betrachten, so ergibt diese nicht viel Anderes, als wir nach dem eben Gesasten er- warten dürfen. Auffallend ist es nur, dass so grosse Verschieden- 480 O0. Hagemann: heiten zwischen den im Harne erschienenen Phosphorsäurenmengen bestehen; beim Hammel „Plisch“ finden wir in der ersten und dritten Periode annähernd die gleichen Mengen P,O, im Harn, während in der zweiten Periode eine grosse Mehrausscheidung davon statt- fand; bei dem Hammel „Plumm“ stuft sich die P,O,- Harnaus- scheidung von der ersten zur zweiten Periode ein wenig ab, und beide sind erheblich grösser wie die der dritten Periode; beim Kalbe „Drickes finden wir im Harne in der ersten und zweiten Periode annähernd gleichviel Phosphorsäure, während in der dritten Periode nur gerade die Hälfte dieser Menge erscheint. Ganz anders aber stellt sich die Stickstoffbilanz. Die folgende Tabelle 21 ergibt die Daten für die drei Versuchstiere und für die drei Perioden. Tabelle 21. Bilanz des Ansatzes von N, CaO und P;0-. Namerdesitieres Phrieden Stickstoff Kalk Phosphorsäure g g g Hammel „Plisch* . | Periode 1 — 1,11 — 0,59 — 1,74 5 2 + 2,86 + 0,16 — 0,08 5 3 — 0,11 — 0,16 — 1,18 Hammel „Plumm“ . | Periode 1 —132 — 0,52 — 0,77 „ 2 + 2,72 + 0,36 + 0,29 % 3 — 0,11 — 0,21 + 1,36 Kalb „Drickes“ . . | Periode 1 1529 + 1,42 + 1,39 " 2 + 8,74 + 2,70 + 3,80 5 B) (+ 6,15) (+ 3,52) (+ 4,48) Wir sehen, dass bei den beiden Hammeln in der ersten Periode, trotzdem es junge wachsende Tiere waren, doch Stickstoff vom Körper abgegeben wird, ganz abgesehen von demjenigen Stick- stoff, weleher in Form von Hautgebilden (Haar) deponiert ist, und welcher bei Schafen nicht zu vernachlässigende Mengen darstellt. In der dritten Periode ist ebenfalls noch eine Abgabe von Stickstoff zu konstatieren, wenn auch in geringerem Maasse. Demgegenüber haben wir in der zweiten Periode einen ganz beträchtlichen Ansatz von Stiekstoff, nämlich 28Y/a%o des verdauten Stickstoffes. Weder die verfütterte noch die verdaute Kalorienmenge kann diese auffällige Erscheinung bedingen, weil, wie in der Tabelle 20 Seite 478 nachgewiesen worden ist, in der dritten Periode rund eben- soviel Energie wie in der ersten Periode eingeführt bzw. verdaut Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 481 wurde. Es muss dementsprechend in der ersten und dritten Periode ein Moment vorhanden sein, welches es veranlasst, dass soundso- viel Stickstoff, welcher unter Umständen hätte angesetzt werden können, im Harne erscheint, wohingegen in der zweiten Periode ein Moment vorhanden ist, welches diesen Stickstoff vor dem Untergange rettet; mit anderen Worten, es muss in der zweiten Periode ein stark wirkender Faktor tätig sein, welcher die stickstoff haltigen Verdauungsprodukte zu assimilieren gestattet oder zwingt, resp. dieser Faktor muss in der ersten Periode fehlen und in der dritten weniger wirksam sein. Wir kommen naturgemäss darauf, diesen Faktor in der Mineralsubstanz, insbesondere in dem Kalke und in der Phosphorsäure zu suchen und zu sehen. Möglicherweise ist der Unterschied in der Menge des Kalkes und der Phosphorsäure hier bedeutungsvoll, so dass wir in der dritten Periode einen ähnlich grossen Ausschlag zugunsten des Stick- stoffansatzes gehabt hätten, wenn wir mehr Futterkalk gegeben hätten. Wahrscheinlich aber stellt die im Antirachin vor- genommene, oben erwähnte ausserordentlich feine Verteilung desKalkes und der Phosphorsäure auf die sanze Menge der organischen Bestandteile den wirk- samen Faktor dar. In Übereinstimmung damit sehen wir, dass auch in der ersten Periode bei den Hammeln sehr viel Kalk und auch sehr viel Phos- phorsäure vom Körper abgegeben wird; in der zweiten Periode wird bei beiden Hammeln Kalk angesetzt; bei dem einen geht noch etwas Phosphorsäure verloren, hingegen wird diese bei dem andern schon angesetzt, und in der dritten Periode ist die Kalkabgabe sehr gering bei beiden Hammeln, wohingegen wir bezüglich der Phosphorsäure bei dem einen Hammel noch eine bedeutende Abgabe, bei dem anderen aber einen beträchtlichen Ansatz naben. Dieses letztgenannte Ergebnis ist wohl die einzige Unstimmigkeit in der ganzen Reihe mit den beiden Haımmeln. Es war aber nicht möglich, diese Un- stimmigkeit aufzuklären. Ich bemerke noch ausdrücklich, dass die erhaltenen Resultate derart überraschend für mich waren, dass ich mich nicht begnügt habe, die Analysen des Stickstoffes, des Kalkes und der Phosphorsäure in meinem Institute allein vornehmen zu lassen, sondern ieh habe sie auf der hiesigen landwirtschaftlichen Versuchs- station infolge des Entgegenkommens des Leiters derselben, Prof. Dr. Neubauer, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich meinen 483 O0. Hagemann: Dank ausspreche, wiederholen lassen. Die Resultate, welche dort gefunden sind, stimmten mit den Resultaten meines Institutes so genau, wie man erwarten durfte, überein, d. h. genau bis auf ganz geringfügige Abweichungen, welche sich beim Harne z. B. auf die zu verschiedenen Zeiten hergestellte Mischung aus den aufbewahrten sterilisierten Harnmengen der einzelnen Tage beziehen, und welche bedeutungslos sind. ?) | Auch beim Kalbe „Driekes* sehen wir, dass wir in der ersten Periode nur einen Stiekstoffansatz von 1,79 g, bei einem solchen von 1,42 g Kalk und 1,39 g Phosphorsäure haben. Diese Daten harmo- nieren gut miteinander. In der zweiten Periode steigt der Stick- stoffansatz auf 8,74 g, der Kalkansatz auf 2,7 g und der Ansatz der Phosphorsäure auf 3,80 g. Das ist übereinstimmend im Sinne der vorher bezüglich -der Hammel gemachten Ausführung. In der dritten Periode geht, trotzdem hier wahrscheinlich allerlei nicht in Ordnung ist, trotzdem diese Periode nicht normal ist, der Stickstoff- ansatz herunter. Ein Fehler in der Kotbestimmung bei dieser Periode konnte vorliegen, die Stickstoffbestimmune im Harne aber ist jedenfalls als sicher gestellt zu betrachten, und deswegen dürfte die Zahl „6,15 g Stickstoffansatz“ im wesentlichen richtig sein. 1) Ich führe hier die Stickstoffbestimmungen im Harne als Beispiel auf: Tagesausscheidung an Stickstoff ‘Namen der Tiere | Perioden in Gramm, bestimmt mit den Analysen | meines Institutes | Dr. Neubauer’s Hammel. „Plisch“ . . Periode 1 10,3699 9,8448 = 2 7,0423 6,8368 a 3) 9,1030 8,8823 Hammel „Plumm* . . Periode 1 10,5187 | . 9,8882 = 2 6,9987 6,9311 y 5) 9,3478 8,8617 Kalb Drickes 7.7. Periode 1 37,8060 35,6237 CHR: u 2 31,7059 30,2939 R 3 33,3493 32,6405 Wie ersichtlich, sind’meine Stickstoffzahlen alle in gleichem Sinne. gegenüber den Analysen der Versuchsstation etwas kleiner; da die Futtermittel und der Kot aber auch hier mit den Stickstoffbestimmungen meines Institutes berechnet worden sind, so war es angezeigt, nur mit den Zahlen meines Institutes zu rechnen. Bei den Kalk- und Phosphorsäurezahlen dahingegen sind Mittelwerte aus beiden Reihen von Bestimmungen angewandt worden, bei diesen waren auch die Aschen der Futtermittel und des Kotes in beiden Instituten untersucht worden. Beitrag zur Wirkung der Mineralsubstanzen im Tierkörper. 483 Ausden vorstehend aufgeführten Untersuchungen möchte ich nun den Schluss ziehen, dassbeimwachsendenHammelderReichtum derNahrunganMineralsubstanzen,vornehmlichankalk und Phosphorsäure, eine sehr grosse Rolle spielt, so dass bei einem Mangelandiesensogardie Assimilation der stickstoffhaltigen Substanzen erheblich leidet; es kommt aber auch auf die Art der Vermengung resp. Verteilung der Mineralsubstanz im Futter aan, derart dass eine sehr feine Verteilung, wiesie z.B. durch den Finkler’schen Vermahlungsprozessgewährleistet wird, oder wie sie durch das natürliche Verwachsensein iin an Mineralsubstanz reichen Futtermitteln gegeben ist, ganz beträchtlich wirksamer wie eine grobe Ver- mengung ist. Inwieweit diese Schlüsse auch bei anderen Pflanzen fressenden Haustieren Gültiekeit haben, müssen weitere Versuche erweisen. Nachtrag. Während der Drucklegung des vorstehenden Aufsatzes wurde die erneuert mit dem Jungstiere „Drickes“ angestellte Versuchsserie beendet und soweit durch analytische Bearbeitung geklärt, dass ich das Ergebnis quoad Stiekstoffansatz noch mitteilen möchte. Das Tier erhielt in den drei Perioden dieser Serie je 1500 g Hafer + 500 g Strohhäcksel; dazu in der ersten Periode 1500 g Finalprodukt, in der zweiten Periode 1500 & Antirachin und in der dritten Periode 1500 g Finalprodukt plus soviel Kalkphosphat und Kalkkarbonat, dass in der zweiten und dritten Periode die Mineral- substanzmengen praktisch gleich waren. Die Stiekstoffbilauz stellt sich in diesen drei Perioden wie folgt: Periode I II III Stickstoff im Futter 74,014 & 76,745 g 79,757 8 : Rote. 22310... 223172314, Mexdauts 2772727581020 7 54,114205 755.883. 0 Stickstoff. im Harne 42,575 „ 39,437 „. 43,578 „ - Stiekstoffansatz . . 9129. 14,677 g- 12,305 g Dieses Resultat geht konform mit den Ergebnissen der Hammelversuche und bestätigt die obigen Aus- führungen vollkommen. 484 Franz Bubanovic: (Aus dem Nobel-Institut für physikalische Chemie zu Experimentalfältet bei Stockholm.) J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks) Dr Von Dr. Franz Bubanovic (Kroatien). (Mit 1 Textfigur.) Einleitung. In einer Reihe von theoretischen und experimentellen Ab- handlungen hat J. Traube?) eine auf den Kapillaritätserscheinungen begründete Theorie der Lösungen befürwortet, welche den sogenannten Haftdruck oder Oberflächendruck als Hauptfaktor nicht nur der ÖOsmose, sondern auch anderer energetischer Eigenschaften der Lösungen hervorhebt. Diesen Faktor brachte auch J. Traube in Zusammenhang mit vielen anderen physiologischen Erscheinungen °), und in dieser Hinsicht gab er folgende Äusserung: „Es wäre endlich Zeit, dass die Physio- logie und Pathologie sich von dem Irrtume befreite, dass Gefrier- punktsbestimmungen und Bestimmungen des elektrischen Leit- vermögens ausreichen, um die osmotischen Vorgänge der lebenden Zelle aufzuklären. Diese Erkenntnis wäre der Anfang zu einer neuen Entwicklung.“ *) Es ist an dieser Stelle nicht nötig, näher darauf einzugehen, inwieweit dieser Vorwurf berechtigt ist. Vielmehr wird es von 1) Diese Abhandlung wurde kurz mitgeteilt am Il. Mendelejeff’schen Kongresse für allgemeine und angewandte Chemie und Physik in St. Petersburg am 5. Januar 1912. 2) Zusammengefasst in „Der Haftdruck“, Beitrag zur Theorie der Lösungen. Verhandl. der Deutschen physik. Gesellsch., 10. Jahrg., Nr. 22 S. 880—930. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 541 u. 559. 1904; Bd. 123 S. 419. 1908; Bd. 132 S. 511. 1910; Bd. 140 S. 109. 1911. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 130. 1911. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 485 Interesse sein, die Grundlagen der Traube’schen Theorie einer näheren Betrachtung zu unterziehen. — Die Theorie geht aus von den Unterschieden in der Oberflächen- spannung der Lösungen. Der Haftdruck ist nichts anderes als (wörtlich ausgedrückt) die Differenz zwischen der Öberflächenspannung der Lösung und der Öberflächenspannung des Lösungsmittels. Wenn z. B. zwei wässerige Lösungen dieselbe Oberflächenspannung zeigen (sie werden dann „isokapillar“ genannt), so besitzen sie auch den gleichen Haftdruck. Gerade der Umstand, dass äquimolekulare und isoosmotische Lösungen nicht zugleich isokapillar sind, bringt diesen Faktor zur besonderen Geltung. Deswegen werdeich versuchen, auf Grund der Oberflächenspannung- bestimmungen der wässerigen Lösungen zwei Fragen zu erörtern: 1. Geben die Resultate auf diesem Gebiete eine sichere Basis für Bestimmung der Differenz der Oberflächenspannungen äqui- molekularer und isoosmotischer wässeriger Lösungen ? 2. Repräsentiert diese Differenz eine ausreichende Grösse, um bei osmotischen und anderen Eigenschaften der wässerigen Lösungen eine besondere Rolle zu spielen ? I. Die Oberflächenspannung der wässerigen Lösungen. A. Wässerige Salzlösungen. Seit den grundlegenden Arbeiten von Quincke!) bis in die neueste Zeit, als das Kapillarstudium der Lösungen von vielen Forschern besonders in Anspruch genommen ist, waren die wässerigen Lösungen der Salze in bezug auf die Veränderung der Oberflächenspannung vielfach untersucht. Man hob drei folgende allgemeine Gesetzmässigkeiten hervor: 1. Die in Wasser gelösten anorganischen Salze erhöhen die Oberflächenspannung des Wassers; sie werden deswegen im Gegen- satz zu denjenigen Substanzen, welche die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigen, als oberflächeninaktiv gekennzeichnet. 2. Die Oberflächenspannung der Salzlösungen ändert sich fast genau proportional dem Salzgehalt. 3. Äquivalente Mengen einiger Salze (z. B. verschiedener Chloride mit gleichem Chlorgehalt) geben Salzlösungen von gleicher Oberflächen- spannung. 1) Poggendorf’s Annalen Bd. 160 S. 337, 560. 1877. 486 Franz Bubanovic: Es wird von Interesse sein zu betrachten, wie sich die Messungen verschiedener Forscher an diese allgemeinen Folgerungen anschliessen. Schon Quincke!) (1877) fand, dass sich seine Beobachtungen an den Chloriden durch die Gleichung = 17,35 + 0,1783y (wo y die Kapillaritätskonstante, y die Zahl Salzäquivalente auf 100 H,O bedeutet) darstellen lassen. Aber er hob zugleich hervor, dass diese Gleichung nur für verdünnte Lösungen gültig ist. Dieses Verhalten “wurde später unter anderen auch von Volkmann?) (1882), Rother?) (1884) und Whatmough®) (1902) studiert. Während die beiden erstgenannten Forscher ziemliche Abweichungen in der Konstante (— 0,1783 bei Quincke) für die wässerigen Lösungen der Chloride von Alkalien und alkalischen Erden erhielten, fand dagegen W. H. Whatmough, dass man mit Hilfe der linearen Gleichung y— 7,557 + 0,1857 y die Werte für verschiedene Konzentrationen be- rechnen kann, die mit Ausnahme der vierfachnormalen Lösungen Abweichungen _von weniger als 0,1°/o zeigen, wie das aus den an- geführten Daten ersichtlich ist: Konzentration y berechnet x beobachtet !/a norm. 7,603 7,608 Ua. 7,649 7,650 17% 7,740 7,740 DEN 7,924 1,924 Al, 3,290 8,268 Darauf fügt er hinzu, dass man mit voller Berechtigung aus diesen Zahlen schliessen darf, dass die Konstante für alle Chloride (aus- genommen NH,Cl und CaCl,, die abnorme Werte geben) dieselbe ist, nämlich 0,1575). Auch fand er für wässerige Lösungen der Sulfate die Konstante gleich 0,1585 und der Nitrate gleich 0,1535. Weiter ist sehr charakteristisch für die Sachlage dieses Problems die von Forch°®) (1905) gegebene übersichtliche Darstellung und 1) Loc. cit. 2) Volkmann, Wiedemann’s Annalen Bd. 17 S. 353. 1882. 3) Wiedemann'’s Annalen Bd. 21 S. 176. 1884. 4) Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 39 S. 129. 1902. 5) Bei der Nachrechnung erwies sich, dass die Konstante 0,1827 sein soll, während die in Originalabhandlung (0,1857) sicher mit einem Druckfehler be- haftet ist. 6) Annalen der Physik Bd. 17 H.4 8. 753. 1905. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 487 Diskussion der Daten über die Oberflächenspannungen der wässerigen Salzlösungen. Sowohl aus seinen eigenen, wie auch aus den Zahlen I B es 2 ()) - 0 anderer Beobachter rechnete er die Grösse Sm 10°? aus, wo w die Differenz zwischen der Oberflächenspannung der Lösung und der Öberflächenspannung des Wassers bedeutet und m den Gehalt an Grammäquivalent im Liter der Lösung Gr ist also molekulare Erniedrigung der Oberflächenspannung). Die Ausrechnungen fasste er in die folgende Tabelle zusammen. Tabelle. = 103 der anorganischen Salze nach Forch. {= 18°C. Ba | | = | (0)! | NO, | 1/2 SO, | !/a CO, NH,. Wo) 2 145 | zen En an Dres... 150 | = — = Eeh. Bl.) 5 153 | 124 133 — Na. To 164 35 —_ wo... Te er 106 Eich Hr): zei 122 | 132 — Ech- Bl) . 175 | 136 | 137 136 ln) 7 ae 205 38 | 162 — K Be. . 172 a a Re em. ... 169 1 137 140 ReheBld), . . . . 144 | 120 123 138 ai... To Be 155 156 = Bei der Diskussion der in dieser Tabelle deutlichen Abweichungen in den Resultaten verschiedener Forscher fügt C. Forch?°) noch hinzu, dass sogar einige Messungen nach der Methode der Ober- 1) Ro. = Rother, Wiedemann’s Annalen Bd. 21 S. 586. 1884. 2) Vo. = P. Volkmann, Wiedemann’s Annalen Bd. 17 S. 374. 1882. 3) Wh. = W. H. Whatmough, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 39 S. 154. 1902. 4) Fch. Tr. = (C. Forch, Wiedemann’s Annalen Bd. 67 S. 310. 1899; Tr. = Tropfmethode; Bl. = Blasenmethode. 5) Loc. eit. S. 760. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 32 488 Franz Bubanovic: flächenwellen nicht einmal in die Tabelle aufgenommen werden konnten. Denn z. B. ist bei W. Ochse&!) die ÖOberflächenspannung der Salzlösungen von Chloriden des Na, K, NH,, Ca, Ba und Mg stets kleiner als bei reinem Wasser. So findet auch A. Brümmer?) nur bei MnSO,, NiSO, und (NH,)SO, die Oberflächenspannung mit der Konzentration stetig zunehmend; bei Na,SO, ist sie fast un- abhängig von dem Salzgehalt, bei CuSO,, FeSO,, ZnSO, nimmt sie zuerst ab, erreicht ein Minimum und wird dann erst grösser als die des reinen Wassers, bei MgeSO, ist sie anfangs unabhängig vom Gehalt und nimmt dann zu, bei K,SO, und CaSO, nimmt sie stets ab. Bildet man in der oben angeführten Tabelle von C. Forch innerhalb der horizontalen Reihen die Differenzen zwischen den Chloriden und zwischen den anderen Salzen, so zeigen sich gewisse Regelmässigkeiten. Über die Bedeutung dieser Regelmässiekeiten äussert sich C. Forch?) folgendermaassen: „Man darf aber wohl vorläufig, so lange nicht ein grösseres und vor allem ein durchaus einwandfreies Beobachtungsmaterial vorliegt, hier nieht mit Schluss- folgerungen einsetzen, die sich womöglich doch nicht aufrecht er- halten lassen. Denn je mehr man sich in die bis jetzt über die Oberflächenspannung vorliegenden Zahlen vertieft, um so mehr erkennt man, dass wir hier weit — vielleicht weiter als auf irgendeinem anderen Gebiet der Physik — von einem sicheren Wissen entfernt sind. Solange noch zwei Methoden, die beide theoretisch scheinbar einwandfrei sind — Kapillarwellen und Blasen an scharfen Kanten —, © mit verschiedenen Vorzeichen ergeben, ja, solange eine und dieselbe Methode in den Händen verschiedener Beobachter dieses merkwürdige Resultat ergibt, ohne dass sofort von anderer Seite darauf hingewiesen wird, können wir von einer befriedigenden Lösung auch nur der grundlegenden Fragen nicht reden.“ — Diese Abweichungen im Beobachtungsmaterial über die Ober- flächenspannung der wässerigen Salzlösungen haben, inwieweit es sich nur um die Öberflächenwellenmethode handelt, eire gewisse Er- klärung durch die besonders von H. Freundlich) in die Kapillar- 1) Exner’s Rep. Bd. 26 S. 641. 18%. 2) Dissertation. Rostock 1902. S)llioe.Jcit-ESIM10l u. 1702: 4) Siehe H. Freundlich, Kapillarchemie S. 68. Akademische Verlags- geselischaft, Leipzig 1909. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 489 chemie eingeführten Ideen über dynamische und statische Oberflächenspannung erhalten. Dieser Ideengang ist folgender. Auf Grund eines Theorems von W. Gibbs, welches zuerst für ein Gasgemisch und später auch für die Lösungen entwickelt wurde, soll die Konzentration an der Oberfläche verschieden sein, als im Innern des Gemisches oder der Lösung. Die sogenannte ober- flächenaktive Substanzen, und so werden diejenigen genannt, welche die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigen, sammeln sich in grösserer Konzentration an der Oberfläche, während die oberflächeninaktive (z. B. anorganische Salze) sich in einer geringeren Konzentration an der Oberfläche der Lösung befinden. Die ersten werden positiv adsorbiert, die zweiten negativ. Aber dieser Konzentrationsunterschied an der Oberfläche und im Innern der Lösung stellt sich beim Auflösen einer Substanz erst allmählich ein, bis endlich ein konstantes Gleichgewicht herrscht. Deswegen soll auch die Oberflächenspannung der Lösung in frisch bereitetem Zustande oder bei Bildung neuer Flächen einer zeitlichen Veränderung unterworfen sein. Das ist die dynamische Öber- flächenspannung, während diejenige von der Lösung in oben er- wähnten konstanten Gleichgewichte als statisch bezeichnet ist. Aus dem geht hervor, dass man gerade bei Oberflächenspannungs- bestimmungen mit der Methode der Öberflächenwellen mit frisch bereiteten Lösungen, also mit frischen Oberflächen, Abweichungen gegenüber anderen Resultaten erhalten soll. Deswegen ist H.Freundlich !) der Meinung, dass die Messungen über wässerige Salzlösungen von verschiedenen Beobachtern im grossen und ganzen befriedigend übereinstimmen. Wegen des nahezu gerad- linigen Verlaufes der Oberflächenspannung-Konzentrationskurven lassen sich nach ihm dieselben durch die Gleichung 0, — ow (1 + ke) darstellen, in der o, und ow die Oberflächenspannungen der Lösung und des reinen Wassers sind, wobei er für sehr verdünnte Salz- lösungen wegen der Beobachtungen von Heydweiller?) (1908) ein Bedenken über geradlinigen Verlauf der Kurve ausspricht. Andere Abweichungen [wie z. B. diejenige von A. Brümmer?)] führt H. Freundlich auf die Erscheinung der dynamischen Ober- 1) Loe. cit. S. 61 u. 62. 2) Berichte der deutschen phys. Gesellsch. Bd. 6 S. 245. 1908. 3) Loc. eit. 32 * 490 Franz Bubanovie: flächenspannung, obwohl nicht alle in demselben Sinne!) zu deuten sind. — Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass das Studium der wässerigen Salzlösungen in bezug auf die Oberflächenspannung derselben noch nicht zu einem befriedigenden Abschluss gebracht ist. Welche Stellung demgesenüber die von J. Traube aufgestellten Haftdruck- reihen der Kat- und Anionen einnehmen, wird weiter unten gezeigt. B. Wässerige Lösungen organischer Stoffe. Von den organischen Substanzen wurden besonders die wässerigen Lösungen der fetten Alkohole und Säuren vielfach der Untersuchung über das Verhalten der Oberflächenspannung unterworfen, und zwar deswegen, weil dieselben die Oberflächenspannung des Wassers be- deutend verändern. Es ist J. Traube’s Verdienst?), den Begriff der molekularen Oberflächenspannungserniedrigung in dieses Studium eingeführt zu haben; auch stammen von demselben Forscher zahl- reiche Messungen auf diesem Gebiete, welche schon frühzeitig mit theoretischen Auseinandersetzungen und mit Hinweisung auf gewisse Regelmässigkeiten begleitet waren. So stellte J. Traube den Satz auf?): „In homologen Reihen kapillaraktiver Stoffe verhalten sich die konstanten Endwerte der Molekularkohäsionen für hinreichend ver- dünnte Lösungen, wie 1:3:3°:3°°.... oder: „Der Druck, welchen die auf die Einheit der Fläche wirkenden gelösten Moleküle ausüben, wächst in homologen Reihen kapillaraktiver Stoffe beim Eintritt einer CH,-Gruppe im Verhältnis 1:3:3?:32 . . .“ Diese Gesetzmässiekeit, dass nämlich die Einführung einer CH,;-Gruppe in homologen Reihen der fetten Alkohole und Säuren : ne . R () . die molekulare Oberflächenspannungserniedrigung (2) verdreifacht, wurde auch von anderen Forschern bestätigt *) und ist als Kapillar- gesetz von Traube auch bei der Erklärung von physiologischen Einwirkungen der oberflächenaktiven Substanzen benutzt (z. B. F. Czapek loc. cit.). 1) Kapillarchemie S. 69. 2) Annalen der Chemie Bd. 265 H.1 8.27. 1891. 3) Loc. eit. S. 45. 4) C. Forch, Annalen der Physik u. Chemie Bd. 65 H. 3 S. 813. 1899. Siehe auch Fr. Czapek, Über eine Methode zur direkten Bestimmung der Ober- flächenspannung der Plasmahaut von Pflanzenzellen. G. Fischer, Jena 1911. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 491 Aber es sei hier bemerkt, dass die Untersuchungen von C. Forch!) zeigten, dass bei höheren Fettsäuren kein konstanter Wert der Molekularoberflächenspannung besteht, sondern, dass mit E EIER: i zunehmender Verdünnung „an Maximum erreicht und alsdann wieder abnimmt, wie dies aus den beiliegenden graphischen Dar- stellungen (Fig. 1) für Valeriansäure (1), Capronsäure (2) und Oetyl- säure (3) ersichtlich ist. Auch hat C. Forch dabei die Vermutung ausgesprochen, dass man dasselbe durch Analogie auch für die An- fangsglieder der Reihe annehmen kann, nur entzieht sich das wegen des alsdann sehr klein werdenden Wertes von der Beobachtung. 50 45 40 ms — 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 Dies ist auch bei anderen stark oberflächenaktiven Substanzen der Fall, wie z. B. aus den Daten für die wässerigen Lösungen von Isoamylalkohol, welche ich den Messungen von Fr. Czapek (loc. eit. 5. 30) entnommen habe, ersichtlich ist: r 2 Oberflächen- (0) Normalität | ee | er 0,0 1,0000 | — 0,01153 0,9785 1,865 0,01844 0,8223 9,636 0,02306 0,8387 (2) 6,994 0,03689 0,7265 1,413 0,04612 0,6881 6,762 0,05534 0,6626 6,096 0,09224 0,5748 4,609 0,18448 0,4590 2,933 1) Loe. eit. 493 Franz Bubanovic: Ferner sind mehrere Versuche gemacht, um die Beziehung zwischen Oberflächenspannungserniedrigung und Konzentration der wässerigen Lösungen von sogenannten oberflächenaktiven Substauzen analytisch darzustellen. So z. B. benutzt B. Szyszkowski!) bei wässerigen Lösungen der Fettsäuren und des Isoamylalkohols die Gleichung A j® ) y=1-—.b log (+1 in der y das Verhältnis der Steighöhe der Lösung zu der des Wassers, a und b Konstanten, sind. Mit derselben Gleichung konnten auch die Resultate, erhalten mit der Metnode von W. C. M. Lewis’), für wässerige Lösungen von Buttersäure (Normal) und Chloralhydrat berechnet werden®). Auch hat H. Freundlich®) auf Grund der Betrachtung des charakteristischen starken Abfalles der Oberflächen- spannung im Gebiete kleiner Konzentrationen der oberflächenaktiven Substanzen eine für dieses Gebiet ziemlich übereinstimmende all- gemeine parabolische Gleichung aufgestellt. Die Gleichung lautet: 1 nn 04 - 01 ==5S°:C, wo 0 die Spannung des reinen Lösungsmittels, o, die der Lösung, s und = Konstanten sind. Als Beispiel für einen gut stimmenden Fall führt er nach dieser Formel berechnete Werte für die Lösungen von Allylamin in Wasser nach den Versuchen von J. Traube°): s — 22,6; A Ode n € co beobachtet co berechnet 0,0313 74,7 74,6 0,0625 13,9 73,4 0,1250 zu,ı ale 0.2500 67,4 67,8 0,5000 62,1 61,9 1) Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 64 S. 385. 1908. 2) Phil. Mag. (6) H. 15 S. 499. 1908. 3) F. Bubanovid, Meddelanden fran K. Vetenskapsakademiens Nobel- Institut Bd. 2 Nr. 17. 1911. 4) Kapillarchemie S. 65 fi. 5) Liebig’s Annalen Bd. 265 S. 27. 189]. In der Tat ist die Be- rechnung nach der Formel von H. Freundlich für Allylamin mit den Konstanten s — 22,6 und — 0,777 nicht so befriedigend; man bekommt nach dieser Formel für ce — 0 unter Benutzung von o-berechnet die Werte: 76,1 — 76,0 — 75,8 — 755 — 75,1. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 493 Aber alle diese Gleichungen besitzen einerseits zwei Konstanten, anderseits beziehen sie sich auf ein beschränktes Konzentrationsgebiet, so dass die ausgedrückten Beziehungen nur angenähert und em- pirisch sind. Man ist wohl aus dieser Betrachtung berechtigt zu schliessen, dass die wässerigen Lösungen der organischen, besonders sogenannten oberflächenaktiven Substanzen in bezug auf die Oberflächenspannung noch einer einheitlichen und allgemeinen Erklärung harren. — II. Haftdruckreihen und Haftdruckdifferenzen. Nun ist der Haftdruck repräsentiert durch die Differenz zwischen der Oberflächenspannung der Lösung und der Oberflächenspannung des Lösungsmittels.. Nach der Grösse dieser Differenz lassen sich nach J. Traube sowohl Kationen, wie auch Anionen in eine be- stimmte und feste Reihe einordnen, welche Einordnung in einem Zusammenhange sowohl mit ebemischen und physikalischen, wie auch physiologischen Eigenschaften der Kat- und Anionen steht. Darin liegt die Bedeutung des Haftdruckes für die Theorie der Lösungen wie auch für die Erklärung physiologischer Einwirkungen der Lösungen. Die Reihenfolge der einwertigen Kationen ist die folgende: P(C3H,)a — N(C5H;), — H— TI — Cs — Rb— NH, — Lifhydrat.) —K — Ag — Na — Lifwfr.). Während sich aus der Gesamtheit der Zahlenwerte für die Ver- bindungen der Alkalimetalle folgende Reihenfolge der Anionen ergibt: - &C130; — (;01,H0,;, — C,CIH,;0,;, — C;H;0, (hydrat.) — CIO, — CNS —J, ClO;— CN —NO,, CNO — CHO, — NO, — C], Br—OH-—-F, SeO,; urn CrO, Zu Fr C,H,O, Da SiO; Fue SO,, Be, 50,, CO; — C,H,0, — TeO;, SnO, — M0o0, — WO.. Diese Reihenfolge hat J. Traube aufgestellt auf Grund seiner eigenen Bestimmungen der Öberflächenspannung der wässerigen Lösungen, wobei allerdings in manchen Fällen eine Extrapolation erforderlich war, um die molekularen Haftdrucke zu berechnen !). 1) J. Traube, Der Haftdruck. Loc. cit. S. 888 ft. 494 Franz Bubanovic: In der Betrachtung über die Resultate der Oberflächenspannungs- bestimmungen ‘der wässerigen Salzlösungen wurde gezeigt, wie schwache Übereinstimmung auf diesem Gebiete bei verschiedenen Forschern sogar unter Benutzung einer und derselben Methode herrscht; daraus folgt, wie wenig Sicherheit bei der Aufstellung einer bestimmten Reihenfolge waltet. Am meisten sprechen für eine Reihenfolge die Messungen von Röntgen und Schneider. Bekanntlich haben W. C. Röntgen und J. Schneider!) die Beziehungen zwischen Oberflächenspannung und Kompressibilität der wässerigen Lösungen studiert. Aus ihren Oberflächenspannungs- bestimmungen folgt das additive Verhalten der Ionen in bezug auf die Oberflächenspannung der wässerigen Lösungen, welches als „Gesetz der Modulen“ bekannt ist. Ich habe aus Resultaten von Röntgen und Schneider die von Traube als Haftdruck bezeichnete Grössen ausgerechnet. Auch habe ich durch Interpolation (weil Daten für 0,7 und 1,5 normale Lösungen vorliegen) die molekularen Haftdrucke erhalten und mit denjenigen von J. Traube kompariert. Die Zahlen sehen folgender- maassen aus: 0 normale Oberflächen- Differenz | Mol. Haftdruck | Mol. Haftdruck 16 R spannung gegenüber | nach Traube | nach R. u. Sch. Sy || Tal 180. Wasser bei 15°C. bei 18° C. HNO, 74,7 —.0,6 — 0,11 — 0,08 Bin. 0 us 74,9 — 0,4 — 0,075 — 0,05 BIOS 75,1 — 0,2 — 0,05 — 0,03 IEIOEIE ee 75,3 0,0 0,00 0,00 HsSO, 75,4 + 0,1 + 0,04 + 0,05 N 75,8 + 0, — + 0,08 NH,NO; 76,1 + 0,8 —_ +0,11 NH,Br 76,3 + 1,0 + 0,14 +0,13 NEMO... 76,4 il + 0,13 + 0,14 NMOHE 74,8 —0,5 er 02 (NH,)SO,. . . 77,0 + 1,7 _ + 0,25 Iunle as 0 as 75,9 + 0,6 —— + 0,08 LiNO; 76,2 + 0,9 + 0,09 + 0,12 I Br 76,3 +10 + 0,14 +0,13 iO: 76,5 +12 +0,15 + 0,16 BO a 76,5 +12 en ro LisSO, 71,2 + 1,9 + 0,30 + 0,28 Ke: 76,0 +0,7 + 0,06 + 0,095 KNO, 76,1 + 0,8 + 0,125 + 0,11 KBrianen 76,2 + 0,9 + 0,16 + 0,145 1) W. C. Röntgen und J. Schneider, Annalen der Physik u. Chemie Bd. 29 H. 2 S. 165 ff. 1886. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 495 17 mike Oberfächen- Differenz Mol. Haftdruck | Mol. Haftdruck Be spannung gegenüber nach Traube nach R. u. Sch. er von bei 180 C. Wasser bei 15° C. bei 180 C. Kopan.... 76,5 | +12 + 0,14 | + 0,15 IKOJEL.S are 76,7 SL 141 + 0,165 + 0,18 K,S0, (77,1) (+ 1,8) + 0,34 — K,C0, 78,0 om — + 0,305 Ne 76,0 07 - 0,045 + 0,107 NaNO, 76,3 0) + 0,14 I. es Naben. 76,4 +11 — | + 0,148 Nall. 23 76,5 lo + 0,16 le NaOH BR: 76,6 +1,3 — + 0,199 Na5S0, > rail +18 + 0,38 — N3,C0, er). | 18,1 + 2,8 + 0,274 Auf Grund der Differenzen gegenüber Wasser bei 0,7 normalen Lösungen der Salze von Alkalien lassen sich die metallischei Ionen dieser Gruppe, wie auch Anionen der untersuchten Salze folgender- maassen einordnen: | J | NO, | Bı | cı | so, | co, NH,. 0,5 0,8 1,0 1,1 17 3 IR, 0,6 0,9 1,0 1,2 1,9 a A 0,7 0,8 0,9 1,2 18 9,7 Na 0,7 1,0 1,1 1,2 1,8 2,8 Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Reihenfolge der Anionen CO, > SO, > Cl > Br > NO, > J übereinstimmend ist, während dies für die Kationen Na >K >Li>NH, nicht vollkommen erscheint. Günstiger sprechen für eine feste Kationenreihe die nach den Daten von Röntgen und Schneider ausgerechneten Werte für normale Lösungen (a), wie dies aus folgender Tabelle (S. 496), welche auch die molekularen Haftdrucke von Traube (b) entbält, ersichtlich ist. — Angenommen, dass diese Differenzen die Berechtigung geben, gewisse Reihenfolgen in bezug auf die Oberflächenspannungsverände- rungen aufzustellen, drängt sich weiter die Frage, welchen Druck repräsentieren diese von Traube als Haftdruck bezeichnete Differenzen. Kann man die Grösse desselben mit osmotischem Druck van’t Hoff ’s komparieren ? 496 Franz Bubanoviec: J NO, Br a | b a b a b ee TR — | —0,08 | —0,11 | 0,05 | — 0,08 Na. oe a ern | TE NR SE none == 70.122 .20094 | 20 Bea Keen. 0.095 2.006 | 0,11 200058 1.0.1250. 2086 Na 20.1070 20.045, 20.150 2 — | Ol | Sy | CO, | a b | a | b | a b EINEN NEN — 0,03 | — 0,05 | +0,05 | +00 en nn NASE Lo) LOB || 0 — = Ti I at a re en OR Neon ee — Na N) = rel an H. Freundlich!) hebt bei einem Anstreifen der osmotischen Theorie der Lösungen hervor, dass sich nach Tammann durch Schätzungen schon bei mässig verdünnten Lösungen (bis zu 0,5 normal) die Änderungen des sogenannten Binnendruckes von einigen Hundert Atmosphären ergeben, während die osmotische ändernde Wirkung etwa 20—24 Atmosphären beträgt. Nun ist die Frage, kann man in diesem Sinne auch die ändernde Wirkung der als Haftdruck bezeichneten Grösse betrachten ? J. Traube?) selbst äussert sich für eine Parallelität zwischen Oberflächenspannung und Binnendruck und fügt noch dazu, dass die Schlüsse, ob sie sich auf die Oberflächenspannung oder auf den Binnendruck beziehen, jedenfalls qualitativ gleichlautend werden. Dagegen betrachtet Tammann?) als sicher festgestellt, dass zwischen A K (Binnendruckdifferenzen) und A «@ (Öberflächen- spannungsdifferenzen) verschiedener Salze, welche die Oberflächeu- spannung des Wassers erhöhen, Proportionalität nicht besteht. Es liegt also kein Grund vor, um auf dieser Basis gewisser- maassen die von Traube als Haftdruck bezeichnete Grösse mit der Grösse des osmotischen Druckes einer Lösung komparieren zu können. 1) Kapillarchemie S. 53 u. 54. 2) Haftdruck, loc. cit. S. 883. 3) 6. Tammann, Über die Beziehungen zwischen den inneren Kräften und Eigenschaften der Lösungen $. 178. Voss, Leipzig 1907. J. Traube’s Theorie des Haftdrucks (Oberflächendrucks). 497 Überhaupt kann man diese zwei Grössen in nähere Beziehung nicht setzen. Wenn man z. B. einen Tropfen reinen Wassers von 1 cem mit sleicherossem Tropfen einer normalen NaCl-Lösung in bezug auf die Energieänderung betrachtet, so kann man sagen, dass bei 15° C die Oberflächenspannung (nach Röntgen und Schneider loe. eit.) dyn Sn und die Oberflächenspannung des Salz- des Wassertropfens 75,3 lösungstropfens 76,8 an beträgt; also die Oberflächenspannung ist 1,0199 mal grösser geworden. Oder mit anderen Worten, um die Oberfläche des Tropfens der Salzlösung um 1 qem zu vergrössern, würde jetzt die Arbeit nötig, welche nur 1,0199 mal grösser ist als bei reinem Wassertropfen. Dagegen ist der osmotische Druck des reinen Wassertropfens gleich Null. Denkt man sich aber den erwähnten Salzlösungstropfen mit einer semipermeablen Membran umhüllt, auf welcher Membran sich ein langes, offenes Kapillarrohr aufgekittet befindet und legt man jetzt diesen Tropfen in reines Wasser, so wird infolge des osmotischen Druckes, der bei einer normalen NaCl-Lösung bei 13° C ungefähr 23,81 Atmosphären beträgt, das Wasser im Kapillarrohr bis zu 23,81 X 10,3 — 245,243 m in die Höhe getrieben. Während aber die totale Energieänderung in bezug auf den osmotischen Druck unabhängig von Oberfläche des Tropfens ist, so hat dagegen die Änderung der Oberflächenenereie bei kleinen oder grossen Tropfen nicht dieselbe Bedeutung für die totale Energie- änderung. Je kleiner der Tropfen ist, desto grösser ist die Bedeutung der Veränderung der Öberflächenenergie, und umgekehrt kann dieselbe bei genügender Grösse des Tropfens ganz ausser Acht gelassen werden. Deswegen kann man sich die richtige Grösse des Traube’schen Haftdruckes, wie auch diejenige Kraft desselben, welche nach Traube „die treibende Kraft der Osmose“ repräsentieren soll, nicht vorstellen. Es liegen dafür auch keine mathematischen Ausdrücke vor. Zusammenfassung. Auf die in der Einleitung aufgestellten zwei Fragen kann man folgende Antwort geben: 1. Die Daten über die Öberflächenspannung der wässerigen Lösungen zeigen eine zu grosse Diskrepanz, als dass die daraus 498 Franz Bubanovic: J. Traube’s Theorie des Haftdrucks etc. entwikelten theoretischen Ableitungen zu einem befriedigenden Ab- schluss gebracht werden können. 2. Die von J. Traube als Haftdruck bezeichnete Differenz zwischen der Oberflächenspannung der Lösung und der Oberflächenspannung des Lösungsmittels hat bei der Veränderung des totalen Energie- inhaltes der Lösung eine vom Volum abhängige Bedeutung. Ob und wie diese Grösse ausreicht, um als Hauptfaktor der Osmose aufzu- treten, ist nicht ersichtlich. — Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. Mitteilune. Sind die endogenen Purinkörper Produkte der Tätigkeit der Verdauungsdrüsen ? Von Dozent Dr. V. ©. Siven, Helsinsfors (Finnland). MareS hat vor mehr als 20 Jahren die Ansicht verfochten, dass die Harnsäure Produkt und Ausdruck der Tätigkeit der Verdauungs- drüsen sei. Diese Theorie hat jedoch wenig Anklang gefunden, wenigstens in der Form, in der sie zuerst aufgestellt wurde. In einigen Abhandlungen sucht MareS!) neuerdings wieder die Gründe hervorzuheben, die zugunsten seiner Theorie sprechen, und sucht auch zu zeigen, dass die Forschunssresultate der letzten Jahre sich gut in den Rahmen dieser Theorie einpassen lassen. Da in diesen Arbeiten aus dem Prager- Laboratorium Ansichten verfochten werden, die den Forschungsresultaten der letzten 10 Jahre diametral entgegengesetzt sind, und da es speziell Burian’s und Schur’s sowie meine Arbeiten sind, die den Gegenstand der MareS’schen Kritik bilden, so eibt mir dies Gelegenheit, die Halt- barkeit der Schlüsse, zu denen Mares gelangte, einer Diskussion zu unterwerfen. Ich tue dies um so lieber, da mir dadurch Ge- lesenheit geboten wird, das Ergebnis einer Reihe sehr sorgsam aus- geführter, diesbezüglicher Untersuchungen mitzuteilen, die von meinem Freund Fellman ausgeführt wurden und unser Wissen in bezug auf die endogene Purinbildung in einigen Punkten weiter ergänzen. Dr. Fellman, der mir freundlichst seine Untersuchungs- protokolle zur Verfügung stellte, gestatte ich mir hiermit meinen warmen Dank auszusprechen. 1) F. Mares, Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 59. 500 V. ©. Siven: In einem Übersichtsartikel unterwirft Mare$ die moderne Au- schauung über den Purinstoffwechsel einer eingehenden Kritik. Wenu ich ihn recht verstanden habe, so ist er der Ansicht, dass die Nahrung, auch wenn sie purinhaltig ist, die Harnpurinmenge nicht direkt ver- mehrt. Die Steigerung der Harnsäureausscheidung nach dem Ver- zehren, z. B. von Fleisch, beruht nach Mares därauf, dass die Verdauungsdrüsen durch die Extraktivstoffe des Fleisches zu er- höhter Tätigkeit angeregt werden, was sich in der vermehrten Harnsäureausscheidung zu erkennen gebe. Exogene Purine existierten somit nicht, sondern sei die Purinausscheidung ganz und gar endogener Natur. Um dies zu stützen, verweist MareS auf Pawlow’s Unter- suchungen über die erregende Einwirkung verschiedener Nahrunges- stoffe auf die Verdauungsdrüsen. „Auf Grund dieser Tatsachen“ — schreibt MareS — „erhebe ich also meinen Gegeneinwand: die grosse Harnsäurevermehrung nach Fleisch- oder Bouilloneinnahme rührt von der sehr intensiven Tätiekeit der Verdauungsdrüsen her, welche gerade durch diese Stoffe in viel höherem Grade angeregt wird als durch die blossen Proteine der Milch-, Eier- und Mehlspeisen.“ Diese Behauptung erscheint jedoch MareS selbst allzu kate- gorisch, und er gibt daher zu, dass gleichwohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sei, dass auch ein Teil der Purinstoffe der Nahrung in den Harn übergehen könne. Wie hieraus ersichtlich, vertritt MareS Ansichten, welche fast diametral der Lehre entgegengesetzt sind, welcher die meisten Forscher der Gegenwart huldigen, und deren Grundprinzipien in folgende zwei Sätze zusammengefasst werden können: 1. Der Purinstoffwechsel verläuft unabhängig vom Eiweissstoffwechsel, und 2. die Purinstoffe, welche bei gewöhnlicher (purinhaltiger) Kost mit dem Harn aus- geschieden werden, stammen teils aus den Purinstoffen der Nahrung, teils aus dem Organismus selbst und sind — wie man sagt — sowohl exogenen als endogenen Ursprungs. Mares ist der Ansicht, dass die Untersuchungen, welche zu den obigen Schlüssen führten, unrichtig angeordnet waren. Zur Lösung des Problems müssen nach MareS folgende zwei Fragen beantwortet werden. Die erste und, wie er sagt, wichtigste sei, ob die Nahrung und speziell das Eiweiss eine Vermehrung der Harn- säureausscheidung erzeuge, „und zwar als ein die Tätiekeit der Ver- Über den Purinstoffwechsel des Menschen. I. 501 dauungsdrüsen anregender Reiz“. Die zweite Frage sei, „ob ein Verhältnis bestehe zwischen der Menge des Nahrungseiweisses und der Menge der ausgeschiedenen Harnsäure“. MareS behauptet nun, alle zur Lösung dieser Fragen aus- geführten Untersuchungen seien so angeordnet gewesen, dass sie nur die zweite Frage beantworten konnten, aber nicht die erste. Als Stütze seiner Theorie zieht Mares sowohl seine früheren Arbeiten als die experimentellen Untersuchungen heran, welche kürzlich vof Smetänkat) in seinem Laboratorium ausgeführt wurden. Ehe ich daran gehe, diese Theorie und die Tatsachen, auf denen sie ruht, näher zu prüfen, sehe ich mich genötigt, einige irreleitende Behauptungen von MareS und Smetänka über meine Arbeiten zurechtzustellen. In seinen „Schlussbetrachtungen“ sagt nämlich Mare$: „Siven, welcher an Stelle der abgeschafften Leukocytosetheorie keine andere wahrscheinlichere gefunden hat, weil er die Herkunft der Harnsäure aus dem Stoffwechsel der Verdauungsdrüsen aus- schliessen zu können glaubte, betrachtete auch sehr skeptisch Burian’s Versuche über die Muskelquelle der Harnpurine, obgleich er selbst zuerst diese Möglichkeit ausgesprochen hatte, und suchte in der Nierentätiekeit die endogene Quelle der Harnsäure.“ Auch Smetänka bürdet mir dasselbe auf, nämlich, dass ich die endogene Purinbildung für ein Produkt den Nierentätiekeit halte. Dies ist jedoch ein völliger Irrtum, und ich verstehe eigentlich nicht, wie MareS und Smetänka meine Äusserungen so miss- verstehen konnten, denn etwas Derartiges habe ich nie behauptet. Da aus meinen ersten Versuchen hervorging, dass die Purin- produktion in der Nacht viel geringer war als am Tage, so wollte ich erforschen, ob dies vielleicht auf verminderter sekretorischer ‘ Tätigkeit der Nieren im Schlafe beruhen könnte. Bekanntlich nat Rosemann gezeigt, dass die N-Ausscheidung im allgemeinen zu dieser Tageszeit geringer sei. Hiervon ausgehend versuchte ich durch Vermehrung der harntreibenden Stoffe im Blute zur Nacht die Nieren zu erhöhter Tätigkeit anzuregen, um dadurch zu erfahren, ob nicht vielleicht auch eine Vermehrung der Purin- 1) F.Smetänka, Zur Herkunft der Harnsäure beim Menschen. Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 217. 902 V..O. Siven: ausscheidung die Folge würde. Das beste die Harnsekretion be- fördernde Mittel ist bekanntlich der Harnstoff. Die Versuchsanordnung lag somit klar. Das Experiment musste so ausgeführt werden, dass zur Nacht Harnstoff in reiehlicher Menge in der Blutbahn zirkulierte. Ich nahm daher am Abend eine eiweissreiche Mahlzeit ein mit dem Ergebnis, dass in der Tat sowohl der Gesamt-N als der Purin-N zur Nacht im Harne vermehrt wurde. Der Zweck des Experimentes wurde also erreicht. Aber weder war die Absicht noch die Deutung des Versuches, die Nieren als Sitz der endogenen Purinbildung hinzustellen. Dies dürfte auch mit voller Deutlichkeit aus dem Bericht über den Versuch hervor- gehen. Von einer Purinbildung ist gar nicht die Rede, sondern nur von einer Purinausscheidung durch die Nieren, und hierin liegt ein wesentlicher Unterschied. MareS$’ und Smetänka’s Missverständnis beruht offenbar darauf, dass sie zwei Beeriffe vermengen, die streng voneinander zu trennen sind. — Welche Verwirrung entstehen kann, wenn man sich die strikte Bedeutung der Ausdrücke, die man anwendet, nicht klar macht, dafür liefern frühere Untersuchungen in diesen Fragen einen ekla- tanten Beweis, den ich hier anführen will, da er für die MareS’sche Theorie über den Purinstoffwechsel von gewisser Bedeutung ist. Früher wurden die Ausdrücke „Eiweiss“ und „Fleisch“ als Synonyme angewandt. Dies hatte zur Folge, dass einige Forscher — unter ihnen MareS — eine deutliche Harnsäurevermehruug nach dem Verzehren von „Eiweiss“ nachweisen zu können meinten. Nun hatten die Forscher, welche nach Verzehren von „Eiweiss“ gesteigerte Harnsäurewerte gefunden hatten, dieses in ihren Ver- suchen in Form von Fleisch gegeben. Wie ich später gezeiet habe, beruht diese Steigerung darauf, dass die Extraktivsstoffe des Fleisches an und für sich diese Steigerung veranlassen, während das purinfreie Eiweiss eine solche Wirkung nicht hat. Die Verwirrung, welche vorher in dieser Frage herrschte, beruhte somit darauf, dass die Worte „Fleisch“ und „Eiweiss“ als gleichbedeutende Begriffe an- sewandt wurden. In seiner letzten Arbeit macht sich MareS wieder eines ähn- lichen Mangels an Präzision der Ausdrucksweise schuldig, wenn er keinen Unterschied zwischen den Begriffen Harnsäurebildung und Harnsäureausscheidung macht. Infolgedessen hat er mir Ansichten Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 503 aufeebürdet, die ich durchaus nicht anerkennen kann und auf das bestimmteste zurückweisen muss. Hiermit will ich somit betonen, dass ich, im Gegensatz zu den Behauptungen von MareS und Smetänka, der Nierentätigkeit durchaus keinen Einfluss auf die Purinbildung im Organismus habe zuschreiben wollen. Was ich meinte, dürfte auch mit völliger Deutlichkeit daraus hervorgehen, dass ich in unmittelbarem Anschluss an den Versuch den Unterschied hervorhebe, der zwischen der Purip- bildung und der Purinausscheidung gemacht werden muss. In meinem Versuch handelt es sich nur um einen sekretorischen Prozess. Auf dieselbe Weise, wie die Harnstoffausscheidung vermehrt wird, steigert sich auch die Harnsäureausscheidung in der Nacht, wenn reichlich Harnstoff in der Blutbahn zirkuliert. Mares und Smetänka hätten mit gleichem Recht meinen Versuch so deuten können, dass auch der Harnstoff durch die Nierentätigkeit entstehe, d. i., dass die Nieren Sitz der Harnstoffbildung im Organismus seien (!). In bezug auf die Untersuchungen von Burian und Schur, Hess und Scehmoll, Kauffmann und Mohr und mir behauptet MareS ferner, sie seien so angeordnet gewesen, dass sie keine Antwort auf die Frage geben konnten, ob die Nahrung und speziell das Eiweiss eine Vermehrung der Harnsäureausscheidung erzeuge, „denn die Versuchsanordnung besteht nur in Variationen der Menge, vornehmlich des Eiweisses in der regelmässig eingenommenen, an sich schon eiweisshaltigen Nahrung“. Die Anmerkung kann in bezug auf einige Arbeiten scheinbar ihre Richtigkeit haben. Tatsächlich aber ist sie völlig unberechtigt. — Denn wenn die Nahrung, wie in meinen Versuchen, die kleinstmögliche Menge Eiweiss enthält, mit der ein Mensch längere Zeit (mehrere Wochen) auskommen kann, und diese Menge dann plötzlich um etwa das Fünfzehnfache erhöht wird, so kann man nicht sagen, die Ver- suchsanordnung sei derart gewesen, dass sie keine Antwort auf die aufgestellte Frage habe geben können. In meinem Versuch !) Serie I, der 17 Tage währte, enthielt die Kost pro die 2,88 g N —= ca. 15 g Eiweiss, wovon nur etwa 10 g aus reinem 1) Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 11. 1900. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 33 504 V. O0. Siven: Eiweiss bestanden, der Rest aus Asparagin u. a. m. Hierbei betrug die Harnsäuremenge 0,433 g pro Tag (Minimum 0,307, Maximum 0,498). Die Stickstoffmenge in der Kost wurde hierauf auf 22,79 — ca. 145 Eiweiss erhöht (Serie IV, 6 Tage), dessenungeachtet steigt aber die Harnsäuremenge nicht höher als auf 0,478 g pro Tag (Min. 0,430, Max. 0,536). In diesem Versuch haben wir somit das eine Mal fast eiweissfreie Kost, das andere Mal reichlich (über normal) Eiweiss in der Nahrung. Trotz dieser Veränderung ist keine Einwirkung auf die Harnsäureproduktion zu spüren. Ich möchte nun fragen: Ist Mares der Ansicht, dass man aus einem solchen Versuchsresultat den Schluss zu ziehen habe, dass das Eiweiss eine grosse Rolle bei der Harnsäureproduktion spiele? Ich wage zu bezweifeln, dass MareS einen derartigen Schluss ziehen würde. Mares hatte früher gefunden, dass das Eiweiss in der Nahrung in hohem Grade die Harnsäureproduktion vermehrte, und war der Ansicht, dies beruhe darauf, dass das Eiweiss eine anregende Wirkung auf die Verdauungsdrüsen ausübe. In den Zellkernen dieser Organe trete eine lebhaftere Tätigkeit ein, und den sichtbaren Ausdruck der- selben bildete die Vermehrung der Purinstoffe im Harne. Wie oben erwähnt, hatte MareS jedoch unglücklicherweise seiner Versuchsperson Eiweiss in Form von Fleisch gegeben, weshalb sein Versuch, wie ich hervorhob, nicht als Beweis dafür angeführt werden kann, dass das reine, purinfreie Eiweiss wirklich eine erhöhte Purinproduktion erzeugen könne. Öbgleich MareS selbst nunmehr die Richtigkeit dieses Einwandes zugibt, so hält er doch noch immer an seiner früheren Ansicht fest und führt als Stütze derselben Smetänka’s kürzlich veröffentlichte Untersuchungen an, aus denen der Einfluss des Eiweisses auf die Purinproduktion hervorgehen soll. Eine nähere Prüfung der Arbeit Smetänka’s ist daher von nöten. Um die Rolle zu studieren, welche das Eiweiss bei der Harn- säurepröduktion spielt, ordnet Smetänka seine Versuche derart an, dass die Versuchsperson nach 9—20 stündigem Fasten reichlich purin- freies Eiweiss in der Nahrung erhält. Die Harnsäure wird stündlich bestimmt. Als Resultat der Versuche ergibt sich — nach Sme- tänka —, dass die Harnsäureproduktion 3 Stunden nach Verzehren des Eiweisses am stärksten ist. Nun trifft aber etwas vom allgemein physiolosischen Gesichtspunkte aus höchst Bemerkenswertes ein, Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 505 vorausgesetzt bloss, dass die Beobachtung richtig ist. Das oben Ge- sagte gilt nämlich nur, wenn das Eiweiss früher am Tage verzehrt wird. Geschieht dies am Abend, so wird die Harnsäureproduktion in dem Grade verlangsamt, dass eine Steigerung erst am folgenden Tage vormittags zustande kommt. „Damit“ — sagt Smetänka — „ist die in der Literatur mehr- fach angegebene Tatsache erklärt, dass in den Vormittagsstunden am meisten Harnsäure ausgeschieden wird. Diese Erscheinung ist über- einstimmend angeführt in den Arbeiten von Sive&n, Pfeil, Leathes, Hirsehstein und Kenneway.“ Indessen scheint Smetänka mit gewissen Zweifeln einem der- artigen Resultat gegenüberzustehen, wenn er sagt: „leh will nicht behaupten, dass die hohen Harnsäuremengen in den Vormittagsstunden einzig und allein von dem abendlichen Speisen- genuss abhängen. Der Versuch II selbst spricht deutlich dagegen; obgleich die Versuchsperson abends nichts genossen hatte, waren doch in den Morgenstunden die stündlichen Harnsäuremengen etwas grösser als in den Nachtstunden, was vielleicht auf die mit dem Erwachen beginnende Muskeltätigkeit zurückzuführen ist.“ Nach den Ergebnissen dieses Versuches II hätte Smetänka allen Grund gehabt, sich nieht mit einer derartigen Reservation zu begnügen, sondern seine ganze Arbeit umzuarbeiten und zu revidieren. Denn dieser Versuch wirft mit einem Schlage seine Hypothese um, dass das Eiweiss der Nahrung die Ursache der Steigerungen der Harnsäureproduktion sei, welche an gewissen Zeiten des Tages fest- gestellt werden können. Der Verlauf der endogenen Purinproduktion während der 24 Stunden des Tages ist nämlich ausserordeutlich regelmässig und an und für sich bemerkenswert. Sie erreicht am Vormittage ihr Maximum, sinkt des Nachmittags, um in der Nacht ihr Minimum zu erreichen. MareS und Smetänka sind nun der Ansicht, die Vormittags- steigerung würde durch eine vorhergegangene eiweisshaltige Abend- mahlzeit veranlasst. Schon der Umstand, dass diese Steigerung am Vormittage hervortritt, ganz unabhängig davon, ob die Nahrung 3 oder 15—18 Stunden vorher eingenommen wurde, macht es unglaublich, dass sie von der Nahrung beeinflusst sein kann. Kommt hierzu noch, dass eine derartige Steigerung auch während vollständigen Hungerns konstatiert werden kann, so ist hiermit die Unhaltbarkeit San 506 V. 0. Siven: von MareS und Smetänka’s schon a priori wenig wahrschein- lichen Schlüssen nachgewiesen. In folgenden von Fellman ausgeführten Versuchen tritt der Verlauf der Purinproduktion während der Stunden des Tages, so- wohl beim Verzehren purinfreier Kost als bei vollständigem Hungern, auf prägnante Weise hervor. Fellman’s Versuch, Nr. 1. Die Versuchsperson ein gesunder Mann von 31 Jahren. Die Nahrung, die um 7 Uhr vormittags, 12 Uhr mittags und 6 Uhr nachmittags eingenommen wurde, bestand aus Milch, Butter, Brot, Käse, Kartofieln, Eiern und Reisgrützenbrei. Etwa 3 Monate lang hatte er, mit kleinen Unterbrechungen in den Weihnachtsfeiertagen, von dieser Kost gelebt. Die Purinstoffe wurden nach Camerer mit der Arnstein’schen Modifikation bestinmt; die Harnsäure nach Ludwig-Salkowski, mit Bestimmung des N nach Kjeldahl. Der Purinbasen-N wurde als Differenz zwischen dem gesamten Purin-N und dem Harnsäure-N berechnet. Der Urin wurde sorgfältig gesammelt, des Tages in 3stündigen Perioden, nachts in einer Periode von 9 Uhr nachm. bis 6 Uhr vorm. Tabelle 1. one 1 Te Purin- Datum SER Bi basen-N An- 1901 Da en unrorstae: merkungen g g g 9. März 6-9h vorm. 0,006 0,005 0,001 Purinfreie Kost 9—12h ,„ 0.011 0.010 0.001 12—3h nachm. 0,009 0,008 0,001 3—6h % 0 009 0,008 0. 001 6—9h 0,007 0,006 0,001 Von 9% nachm. bis 6h vorm. „bis)6 Baron. 2] 720,000] RRO, 0 O-FBRE] RER 0 DO EEBER] ZEE 005 0.004 0,001 | InW2ASStnnlenwe | 0,171 10. März 6-91 vorm. 0,009 0,007 0,001 Purinfreie Kost 9—12h 0,012 0,010 0.002 12—3h nachm. 0, ‚009 0, 008 0,001 3—6h 5 v. 008 0, ‚007 0,001 69h 0,007 0, 005 Von 9b nachm. bis 6h vorm. 0.004 0.003 In-24 Stunden 2... | 0,176 FB 0,139 0,005 0,010 0,008 0.007 - 0,005 0,004 0,139 0,001 Purinfreie Kost DIE 0,007 Von 9b nachm. bis 6R vorm. 0,005 IMm2AFStunlenep ee 0,174 | 0,141 = elelel 0.027 0, 085 Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 507 Purig-N Ur-N Purin- Dat 2 ne pro Stde. | pro Stde. pro Side Anmerkungen Vase Sl Bee REN Nr Su g g ST To ER En 12. März 6—9h vorm. 0,008 0,006 0,002 Purinfreie Kost 9—-12h „ 0,012 0.010 0.002 12—3h nachm. 0,010 0,008 0,002 36h „ 0,0083 0, 006 0, 002 69h „ 0,007 0, 005 0, 002 von 9b nachm. bis 6h vorm. 0,004 | 0,005 0. ve Beestuinden ...: „2 | 0,183 0,136 0,047 13. März 6—9h vorm. 0,008 0,006 0,002 Keine Nahrung 9—12h „ 0,007 0, 005 0,002 12—3h nachm. 0,007 0. 006 0,001 3—6h „ % 005 0,004 % 001 69h „ 0,006 0,005 0, 001 von 9b nachm. bis 64 vorm. 0, 005 0. 003 % 002 N Siimden: \ ... .... 0,142 0,111 a 0,031 14. März 6-9h vorm. 0,007 0,006 0,001 Keine Nahrung 9—12h „ 0, ‚007 0,006 0,001 12—3h nachm. 0, 007 0,005 0,002 3—6h „ 0,006 0,004 0,002 6—9h 0,006 0,004 0,002 von 9b nachm. bis 6 h’ vorm. 0,004 0, 002 0,002 Beasinnden).......= | 0136 | 0,093 D807 700857 Prosa per 0,043 | Fellman’s Versuch Nr. 2. Die Versuchsperson ein 21 jähriger gesunder Mann. Dieselbe Diät und dieselbe Anordnung wie im vorhergehenden Versuche. Tabelle 2 Gesamt- = Purin- Datum Purin-N Ur-N basen-N | 1901 pro Stde. pro Stde. pro Stde. Anmerkungen g g | g 27. Mai 69h vorm, 0,010 0,008 0,002 | Purinfreie Kost 9—12h „ 0,014 0,011 0,003 12—3h nachm. 0,012 0,010 0,002 36h, 0,010 0,008 0,002 6—9h 0,012 0,010 0,002 von 9b nachm. bis 6h’ vorm. 0,007 0,006 0,001 BE smden. .. ... | 0,240 0,198 0,042 28. Mai 6—9h vorm. 0,010 0,008 0,002 Purinfreie Kost 9—12h 0,014 % 012 0, 002 12—-3h nachm. 0,012 0,010 0,002 36h, 0, 911 0, 009 0,002 69h „ 0,012 0,010 0, 002 von 9b nachm. bis 6h vorm. 0,007 0 ‚006 0,001 stunden‘... .. 0,232 | 0,198 0,034 Tan Sean 508 V. ©. Siven: Gesamt- = Purin- | Datum Purin-N Ur-N basen-N 1901 pro Stde. pro Stde. pro Stde. Anmerkungen RE EL g et ee ee 99. Mai 6—9h vorm. 0,011 0,009 0,002 Purinfreie Kost 9—12h ,„ 0.014 0.011 0.003 12—3 nachnm. 0, "013 0,010 0,003 36h „ 0, 012 0, 009 % 003 6—9h % 010 0,008 .o, ‚002 von 9b nachm. bis Gh vorm. 0,008 0, 006 v, 002 Inl22 Stunden 2 0,251 ee... 0,191 0,060 30. Mai 6-9h vorm. 0,010 0,006 0,004 Purinfreie Kost 9—12h 0,014 0,009 0,005 123 nachm. % 013 v, 010 0, 003 36h „ 0,012 0,009 0, ‚003 6—9h „ 0,010 0, 008 0,002 von 9h nachm. bis 6h vorm. 0,007 0 006 0,001 DS Stunden | 0,242 so. 1] 0.0508 Een 3l. Mai 6—9h vorm. 0,010 0,008 0,002 Keine Nahrung 9—12h 0, 911 % 007 0, ‚004 I SR nachm. % 009 0,006 0, 003 36h „ 0.007 0.005 0,002 6—9h „ 0,008 0,005 0,003 von 9h nachm. bis 64 vorm. 0. ‚005 0,004 van nnachm. Bis) 6 Aänarım.3 RB DD 37] 2320, 0DE 3 zu. E a HERE 0. 001 malSnaon Saas. - DA Stunden eos la os 00 rE 0,128 0,050 1. Juni 6-—-9h vorm. 0,007 0,004 0,003 Keine Nahrung 9—12h „ 0,008 0,007 0, ‚001 12—3h nachm. 0,007 0. 004 0, ‚003 36h, 0. 005 0, 004 0, 001 6—9h 0,007 0,004 0,003 von 9h nachm. bis Gh’ vorm. 1,93, nachm.gBisp6 "ira em: g 00005 JH] MED, DD pp] RERD 10 u RE 0,005 v. 003 0, ‚002 In 24 Stunden . . „0. ne ee 0,154 | 0099 | 0,055 | In diesen beiden Versuchen findet man, wie regelmässig die endogene Purinproduktion während des Tages verläuft. Nach dem Maximum am Vormittage, der Abnahme am Nachmittage erreicht sie ihr Minimum in der Nacht. Denselben Verlauf beobachtet man auch an den Hungertagen. Wenn man auch behaupten könnte, dass die vormittägige Steigerung am ersten Hungertage vielleicht auf der Speiseaufnahme des vorhergehenden Abends beruhen könnte, so fällt dieser Einwand bei einer Prüfung des zweiten Hungertages fort. Denn auch an diesem ist der Verlauf der endogenen Purinproduktion der gleiche. Hieraus ergibt sich die Unhaltbarkeit der Ansicht Smetänka’s, dass diese Steigerung durch das Eiweiss der am vorhergehenden Ahend verzehrten Kost verursacht sei. Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 509 Smetänka sagt, dass keine derartigen Steigerungen festgestellt werden können, wenn 18 Stunden seit der letzten eiweisshaltigen Mahlzeit verflossen sind, kann aber als Stütze hierfür nur einen einzigen seiner Versuche (X) anführen. Andererseits findet man in seiner Arbeit solche Versuche, in denen nach dem Verzehren von Eiweiss gar keine Steigerungen vorkommen oder dieselben nur sehr klein sind. Z. B. wurde in Versuch V und Versuch VI am Abend eiweisshaltige Kost verzehrt. Die Harnsäurevermehrung am folgenden Vormittage ist höchst unbedeutend. Meines Erachtens hat Smetänka durch diese Untersuchungen keine genügende Stütze für seine Ansicht beigebracht, dass das Ei- weiss in der Kost die Harnsäureproduktion vermehre. Am allerwenigsten kann man auf Grund so widersprechender Versuchsresultate und so unvollständiger Untersuchungen wie diese so weitgehende Schlüsse ziehen, wie MareS es tat. Ich habe versucht die Arbeit Smetänka’s näher zu analysieren, um dadurch vielleicht den Grund zu entdecken, weshalb seine Ver- suchsresultate in mehrerer wichtiren Punkten von denen anderer Forscher abweichen, musste aber leider davon abstehen, da notwendige Primärangaben fehlen. So z. B. gibt Smetänka nicht an, welche Art Eiweiss er seinen Versuchspersonen gab, und man weiss daher nicht, ob die Nahrung wirklich purinfrei war. — Es fällt auch auf, dass die Schwankungen in der Harnsäureausscheidung, selbst bei derselben Person, bedenklich gross sind. Ich nehme beispielsweise die Versuche II und VI, die Sme- tänka an sich selbst ausführte. Versuch II. 23. Okt. 1909. Versuch VI. 2. Febr. 1910. Zeit Ur in Gramm Ur in Gramm 6—7h nachm. 0,0096 0,0215 78h 2 0,0117 0,0235 8—9h e 0,0122 0,0192 So grosse Unregelmässigkeiten pflegen bei demselben Individuum nicht vorzukommen. Dies zeigt z. B. Fellman’s Versuch. — Smetänka meint, dass die starke Steigerung im Versuch VI darauf beruhte, dass er von 3Y/„—6 Uhr nachmittags auf einem Konzert- podium gestanden hatte, eine Muskelanstrengung, die die Vermehrung der Harnsäureproduktion hervorgerufen habe. Angenommen, dies wäre riehtig. Hätte nicht eine derartige Beobachtung den Experimentator 510 V. ©. Siven: zu besonderer Vorsicht bei der Anordnung der Versuche mahnen sollen und zu noch grösserer Vorsicht beim Ziehen der Schluss- folgerungen ? Auf Grund eigener Untersuchungen kann ich jedoch versichern, dass eine derartise Muskelanstrengung wie die, der Smetänka bei erwähnter Gelegenheit ausgesetzt war, keinen merkbaren Einfluss auf die Harnsäureausscheidung ausübt. Bei der Ausführung meines ersten Selbstversuches war ich den ganzen Tag (etwa 10 Stunden) mit Laboratorienarbeit beschäftigt, ohne dass Spuren dieser Muskel- anstrengung in den Versuchsresultaten zu merken waren. In einer späteren Arbeit, wo die Frage nach dem Einfluss der Muskelarbeit auf die Purinproduktion speziell untersucht wurde, waren keine charakteristischen Differenzen nach starker Muskel- anstrengung oder nach Ruhe zu merken. In Fellman’s Versuchen beobachteten die Versuchspersonen ear keine Vorsicht in bezug auf die Muskelarbeit, und dessen- ungeachtet verläuft die endogene Purinproduktion während ver- schiedener Tage in den Stunden des Tages ausserordentlich regel- mässig. Dies dürfte doch wohl kaum der Fall sein, wenn so unbedeutende Muskelanstrengungen, wie Smetänka sie anführt, diese Produktion beeinflussen sollten. Nun lässt sich fragen, worauf es beruht, dass Smetänka in seinen Versuchen zu teilweise anderen Resultaten gelangte als frühere Forscher. Auch er selbst sucht die Ursache zu ergründen. In einer längeren Kritik sucht er zu zeigen, dass alle früheren. Versuche un- richtig angeordnet seien, und führt als Beispiel meine Untersuchungen an. Der Fehler liest nach Smetänka’s Meinung darin, dass die Versuchsperioden in meinen Versuchen zu lang waren, 3—5 Stunden anstatt 1 Stunde, wie Smetänka verlangt und in seinen Versuchen angewandt hat. Hierdurch wurden die Steigerungen verdeckt, die nach dem Verzehren von Eiweiss vorkommen. Smetänka führt als Beispiel meine ersten Versuche (ausgeführt vom 9.—12. Dezember 1899) an. Wie aber aus den Versuchen hervorgeht, haben sie nicht den Zweck und sind auch nicht völlig Jazu geeignet, ein richtiges Bild der endogenen Purinproduktion Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 511 im Laufe des Tages und ihrer etwaigen Abhängigkeit von den Mahl- zeiten (der Verdauungsarbeit) zu liefern. Dagegen bieten meine späteren Versuche!) ein richtiges Bild des Tatbestandes. In diesen Versuchen habe auch ich Versuche mit zweistündigen Perioden angeordnet, was genüst, um sichere Resultate zu liefern. Ich kann daher die Anmerkung Smetänka’s über ungeeignete Versuchsanordnung als unbefugt zurück weisen. Da diese Versuche der Aufmerksamkeit Smetänka’s völlig entgangen zu sein scheinen, nehme ich mir die Freiheit, einige der- selben (siehe Versuch Nr. I, III und IV aufS. 512) von neuem an- zuführen. Dies sind die Versuche, die Smetänka zum Vergleich mit den seinen hätte heranziehen müssen. Ebensowenig, wie eine Vermehrung der Purinproduktion in 24 Stunden zu spüren ist, wenn das Eiweiss in der Kost von 10 auf 145 g erhöht wird, ebensowenig ist in diesen Versuchen mit kürzeren Perioden ein Einfluss der Mahlzeiten auf diese Produktion im Ver- laufe des Tages zu merken. Oben sind die Mängel hervorgehoben worden, welche den Ver- suchen Smetänka’s anhaften. Sie sind daher nicht geeignet, die _ von der Mehrzahl der Forscher gehegte Ansicht zu erschüttern, dass purinfreies Eiweiss in der Kost gar keinen oder einen höchst ge- ringen Einfluss auf die endogene Purinproduktion ausübt. Smetänka untersucht auch die Wirkung der Kohlehydrate auf diese Produktion. Die Versuchsanordnung ist dieselbe wie in den Eiweissversuchen. Kohlehydrate werden teils als Kartoffeln, teils als Honig gegeben. Als Resultat ergibt sich, dass auch Kohlehydrate die Verdauungsdrüsen zur Harnsäureproduktion anregen, wenngleich in geringerem Grade als das Eiweiss. Im Gegensatz zu dem, was man erwartet hatte, findet Smetänka, dass die Glykose im Honig die Harnsäureausscheidung in höherem Grade vermehrt als die Stärke in den Kartoffeln. Eine eingehendere Prüfung dieser Versuche zeigt jedoch, dass diese Vermehrung höchst unsicher ist. Von diesen fünf Versuchen scheint mir nur einer (Versuch XXII) vielleicht im Sinne Smetänka’s gedeutet werden zu können. In den übrigen findet gar keine Ver- 1) Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 16. 1906. a eds || BT =E == 96 0,88 <8 Sunsanag ul 83 97 0 001 8 9°C] 08 SFRYIULIOA ya —GL opumg [ 89 ergas 90 rag 94 SıL 29 izal 7 Al 07 asıadg my9eu gg :dundomag ur 271 9'E 34 ‘GT r9 361 08 oe oyny = 52: = = 46 s6l 09 . 418 astedg "you gg -Hoqıy oyaıuyoneg | 70 80 89 981 &L vr GL R 19-8 ‘um OT Opunyg ‘yasıepy AOyaseı 91 SE 59 vol Bl g'cL 001 < 1&—1 Noqıy oyaruyomds == 2 N >= all 708 001 ssepiugoeu yT— II ostadg "unoA yOT “Naqıy oyaırayomas IS 89 96 2'61 al 777 0, De Jundomag UI 1 ve 78 ‘91 96 661 09 SFeyIuoA y6—L “AT yansıaA S FeIIPS = er => SE vv vs 09T | won „ST w2 Sg upen a7 . 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II. 513 mehrung statt (Versuch XV), oder sie ist höchst unbedeutend (Ver- such XIII, XVI und XVII), weshalb es mir doch recht kühn scheint, die erwähnten Schlüsse auf solche Versuche zu basieren. Um gleichwohl aus diesen Versuchen die Resultate zu erhalten, die er wünscht, räsoniertt Smetänka folgendermaassen. — Ich führe den Wortlaut an, da er charakteristisch ist für die Art, auf welehe im allgemeinen in dieser Arbeit Schlüsse gezogen werden. „Auf den ersten Blick scheint es, als ob der Kartoffelgenuss auf die Harnsäureausscheidung fast gar keinen Einfluss hätte, solange man nicht den Verlauf der Harnsäureausscheidung bei derselben Person im rein nüchternen Zustande zum Vergleiche heranzieht. Denn in den ersten Nachmittagsstunden, wo nach Analogie mit den Versuchen über den Einfluss der Proteine eine Vermehrung der Harnsäure eintreten sollte, zeigt sich keine solche auffallend und deutlich. Und doch kann man hier von einer erhöhten Harnsäure- ausscheidung sprechen. Denn die vormittägigen Harnsäuremengen, mit welchen wir die Mengen nach dem Kartoffelgenuss vergleichen, sind ziemlich hoch. Um nämlich der Versuchsperson das Ertragen der Versuchsbedingungen zu erleichtern, wurde ihr am Abend vor dem eigentlichen Versuchstage ein Abendbrot gewährt; und dieses bewirkt, wie wir schon aus den angeführten Versuchen wissen, eine Harnsäurevermehrung noch in den Vormittagsstunden des Versuchs- tages. Es kann also die nach dem Kartoffelgenusse eintretende ge- ringe Harnsäurevermehrung gegenüber den Vormittagsmengen nicht deutlich hervortreten. Dass eine solche Harnsäurevermehrung tat- sächlich hier eingetreten ist, zeigt ein Vergleich mit den in rein ‚nüchternem Zustande von derselben Versuchsperson zu gleicher Nachmittagszeit ausgeschiedenen Harnsäuremengen.“ Nach dieser Deduktion gelangt Smetänka zum Schluss, „dass der Einfluss des Honigs nicht weit hinter dem des Proteins zurück- bleibt“. Es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden, wie will- kürlich eine solche Art Schlüsse zu ziehen ist. Wenn Smetänka der Ansicht ist, dass eine eiweisshaltige Abendmahlzeit noch am folgenden Morgen die Harnsäureausscheidung vermehrt, so hätte er den technischen F ehler, den er in diesen Ver- suchen macht, vermeiden müssen, was sehr einfach gewesen wäre. Wie er selbst zugibt, verwirrt seine eigene Versuchsanordnung das Resultat, und daher erfüllen diese Versuche nicht die Ansprüche, Sala V. O0. Siven: die man mit Recht an eine exakte wissenschaftliche Forschung stellen kann. Ich habe diese Untersuchungen Smetänka’s vielleicht etwas zu ausführlich kritisiert. Es geschah nur, um zu zeigen, wie unsicher der Grund ist, auf welchem MareS versucht, seine Theorie, die Purinstoffe seien ein Arbeitsprodukt der Verdauungsdrüsen, wieder- herzustellen. Gegen diese Theorie lassen sich jedoch viele andere Einwände erheben. Ich möchte hier einige berühren. MareS$’ Behauptung, dass die exogenen Purine (zZ. B. die Purin- basen in Bouillon) bloss die Verdauungsdrüsen zu erhöhter Arbeit anregten, und dass die Vermehrung der Harnsäure nach dem Genuss von Bouillon darauf beruhe, ist wenig überlegt. Es lässt sich fragen: Wohin verschwinden die Purinstoffe, die mit der Nahrung ein- genommen wurden? Wenn sie die Verdauungsdrüsen anregen können, so sind sie ja resorbiert worden? Ist MareS der Meinung, dass sie hierauf im Organismus gänzlich zerstört worden sind? Auf diese Fragen gibt die MareS’sche Arbeit keine Erklärung. Ist es nun nicht sehr viel einfacher und einleuchtender, die Sache so aufzufassen, dass die Vermehrung der Purinausscheidung nach dem Genuss von Bouillon darauf beruht, dass die in der Bouillon enthaltenen Purinkörper zum erossen Teil in den Harn übergehen. Ich wage zu glauben, dass MareS$ bei reiflicherer Erwägung eine so eigentümliche Ansicht, wie die, zu deren Vertreter er sich in seiner letzten Arbeit gemacht hat, aufgeben wird. Als Stütze für seine Theorie führt MareS ferner den Umstand an, dass die Purinproduktion im Hunger geringer ist als bei purin-. armer Kost. Die Tatsache ist riehtig und von mehreren Forschern beobachtet worden (Schreiber und Waldvogel, Hirscehstein, Cathcart). In den oben referierten Versuchen von Fellman tritt dies auch sehr prägnant hervor, wie aus nachfolgender Tabelle (S. 515) ersichtlich. Im Versuch Nr. 1 ist die Gesamt-Purin-N-Menge im Hunger um 0,036 g, der Ur-N um 0,037 & herabgesetzt; im Versuch Nr. 2 sind die betreffenden Zahlen bzw. 0,075 g und 0,079 g. | Soll man nun annehmen, dass diese Verminderung auf dem Ausfall der Verdauungsarbeit beruht? So will Mares. Burian hat jedoch behauptet, dass beim Hungern der Orga- nismus sich auf einen ausserordentlich strengen ökonomischen Haus- Über den Purinstoffwechsel des Menschen. II. 515 Versuch Nr. 1 Versuch Nr. 2 Gesamt- | Tr Gesamt- T,y h Brand VEN ER Pan U N Anmerkungen in g für 24 Stdn. in g für 24 Stdn. 9. März |. 0,168 | o,1a1 | 27. mai | 0240 | o,1es en 1020; OaIoe 2.0.1397 17285 | 0,232 0,198 a h BIST rS 0,174 VASE I BEN | 0,251 0,191 5 5 122 -S,, 0,183 | 0,136 | 30. „ ı 0,242 ı 0,18 " ’ Im Mittel | 0,175 | 0,139 | Im Mittel | 0,241 | 0,193 13. März | 0,142 | 0111 |31. Mai | 0178 | 0:198 | Hunger 4 „ | o1s6 | 0098 | 1. Juni | 0154 | 0.089 } "Im Mittel | 0,139 | 0,102 | Im Mittel | 0,166 | 0,114 halt einstellt, und dass man diesen Zustand kaum mit dem normalen vergleichen kann. Diese Bemerkung scheint mir völlig richtig. Schon a priori ist zu erwarten, dass der Stoffwechsel, der in so be- deutungsvollen Gebilden wie den Zellkernen vor sich geht, und dessen sichtbaren Ausdruck die endogene Purinmenge im Harne bildet, bei Hunger auf das kleinstmögliche Maass beschränkt sein wird. Diese Verminderung braucht deshalb kein siehtbarer Beweis dafür zu sein, dass selbst ein Teil der endogenen Purine durch die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen entstehen sollte. Wollte man jedoch von diesem Einwand Burian’s absehen, so könnte man den Purinstoffwechsel beim Hunger als Beweis dafür an- führen, dass der grösste Teil der endogenen Purine gebildet wird, ohne dass eine Verdauungsarbeit im gewöhnlichen Sinne vor sich geht. Stellt man sich nämlich auf den MareS’schen Standpunkt, so kann man die Feliman’schen Versuche derart deuten, dass nur eine verhältnismässig geringe Menge der endogenen Purine bei der Verdauung gebildet wird. Im Versuch Nr. 1 beträgt der Gesamt- Purin-N bei purinfreier Kost 0,175 & und sinkt im Hunger auf 0,139 oder um etwa 20°. Im Versuch Nr. 2 betragen die betreffenden Zahlen 0,241 und 0,166, somit eine Verminderung um etwa 32%. Nur 20—30°/o der endogenen Purine würden also durch die Ver- dauungsarbeit entstehen. Aber — wie zesagt — es ist unsicher, ob die Hungerversuche ‘ohne weiteres mit den Versuchen mit purinfreier Kost verglichen werden können. Die Frage nach dem Nukleinstoffwechsel beim Hungern ist noch recht wenig geklärt und sicher zu komplizierter 516 V. O0. Siven: Der Purinstoffwechsel beim Menschen. II. Art, als das man wagen könnte, sich mit Bestimmtheit in der einen oder anderen Richtung auszusprechen. Aber selbst so gedeutet, wie MareS es will, erweisen diese Untersuchungen beim Hungern, dass die endogene Purinbildung zum überwiegenden Teil von der Tätigkeit der Verdauungsdrüsen un- abhängig ist. Ich habe in früheren Untersuchungen hervorgehoben, dass diese Tätigkeit keinen Einfluss auf die endogene Harnsäurebildung aus- zuüben schien. Und ich wage zu behaupten, dass es MareS$ nicht geglückt ist, in seiner letzten Abhandlung zu beweisen, dass die Harnsäure (die Purine) ein Ausdruck dieses physiologischen Pro- zesses sei. — Hiermit will ich keineswees leugnen, dass auch die Zell- kerne der Verdauuugsdrüsen ihren Beitrag zur endogenen Purin- produktion liefern können. Im Gegenteil ist dies nicht nur möglich, sondern höchst wahrscheinlich. Aber dies ist etwas anderes als die Mares’sche Theorie. Auch auf die Gefahr hin, fortfahrend beschuldigt zu werden, einen nur negativen Standpunkt einzunehmen, muss ich dabei bleiben, dass wir über die endogene Purinbildung nichts weiter sagen können, als dass sie ein Ausdruck gewisser physiologischer Prozesse in den Zell- kernen ist, ohne dass wir bisher näher präzisieren können, welche Organe oder welche physiologische Verrichtungen vorzugsweise Ur- heber derselben sind. 917 Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. Von Fritz Uhlmann, prakt. Arzt, aus Trub. (Mit 14 Textfigaren.) Die Ermüdung und Erholung isolierter Froschmuskeln hat H. Kronecker!) gründlich untersucht. Er fand schon vor 40 Jahren : 1. Die Ermüdungskurve (Verbindungslinie der Hubgipfel) des in gleichen Zeitintervallen mit gleich starken (maximalen) Induktions- schlägen gereizten „überlasteten“ (Helmholtz) Muskels ist eine gerade Linie. 2. Die Differenz der Ermüdungsreihe (Steilheit des Abfalles) nimmt ab, wenn die Reizintervalle wachsen. 3. Die Steilheit des Ermüdungsabfalles ändert sich nicht mit den Belastungen. Kleine Gewichte werden zwar höher gehoben als grosse, aber die verschiedenen Ermüdungslinien verlaufen einander parallel. In Übereinstimmung mit anderen Physiologen zeigte Kronecker, dass Blutzirkulation die Ermüdung verzögert. Angelo Mosso?) hat vor 20 Jahren mittels seines Ergographen am Menschen die Ermüdung der Muse. flexor. digit. sublimis et profundus aufzeichnen lassen und damit die Anregung zu zahlreichen physiolo- gischen und psychologischen Versuchsreihen gegeben. Er konnte bei ergographischen Versuchen mit Adueco und Maggiora durch elektrische Reizung des N. medianus nicht so starke Kontraktion des Mittelfingerbeugers erzielen wie durch will- kürliche Aktion. Kronecker fand bei seinen Ermüdungsversuchen (0. C. S. 261), dass, wenn die Wadenmuskeln eines unversehrten 1) Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. Jahrg. 1871. Leipzig 1872. 2) Arch. ital. de Biol. t. 13 p. 124. Turin 1890. Les Lois de la fatigue etudiees dans les muscles de l’homme. 518 Fritz Uhlmann: Frosches durch 1!/sstündige Reizfolee (720 Zuckungen) fast voll- ständig erschöpft waren, das freigelassene Tier sich nicht will- kürlich zu bewegen vermochte. Nach 21 Stunden war es noch sehr lahm. Die Gastroenemii machten hiernach, auch wenn sie maximal elektrisiertt wurden, nur noch 320 niedere Zuckungen. Das Tier war noch nach 2 Tagen, gleich einen: kuraresierten, zusammen- gesunken, unfähig zu willkürlicher Bewegung. Die ergographischen Versuche von Mosso und seinen Schülern (a. a. OÖ.) ergaben, wie schon oben erwähnt, dass der Mittelfinger willkürlich noch ein grosses Gewicht wiederholt zu heben vermochte, nachdem elektrische Reizung des N. medianus unwirksam ge- worden war. Mosso schloss daraus, dass auch die Ermüdung durch inten- sive Gehirnarbeit wesentlich die peripheren Muskeln betreffe (S. 156). R. Müller!) meint, dass die willkürliche Anregung die Museuli iuterossei in Tätigkeit versetze, während künstliche Reizung des N. medianus die Flexores digit. communes ermüde. Grützner?) nimmt an, dass bei den manniefaltigen natürlichen Muskeltätiekeiten stets einzelne Fasern verschiedener Muskelindividuen innerviert und zur Zusammenziehung gebracht werden. Er vermochte auch durch künstliche Reizmittel verschiedene flinke oder träge Fasern in demselben Muskel getrennt zu erregen. Schwache Induktions- ströme erzeugen im Froschsartorius durch Reizung der dünnen, trägen Fasern sehr niedrigen, glatten Tetanus; starke Induktions- ströme verursachen in den dicken, flinken Fasern intermittierende Kontraktionen (Zittern). Willkürliche Bewegungen sollen mannigfache Erregungen verschiedener Fasergruppen auslösen, Als Mosso?°) einen N. medianus von Herrn Aduceo rhythmisch elektrisierte, ermüdeten die Fingerflexoren nicht für willkürliche Reize. Aber „während der Muskel willkürlich arbeitete, rehabilitierte er sich nieht wieder für den Nervenreiz“. Die willkürlichen wie auch die auf elektrischen Reiz erfolgenden Zusammenziehungen der Muskeln des lebenden Menschen waren nie- mals maximal. 1) Über Mosso’s Ergographen mit Rücksicht auf seine physiologischen und psychologischen Anwendungen. Wundt’s Philosoph: Studien 1901. 2) Bericht über den VI. internationalen Physiologenkongress zu Brüssel. Arch. intern. de Physiol. de Frederic et Heger 1904—1905 p. 37. 3) Über die Gesetze der Ermüdung. Du Bois-Reymond’s Arch. 1890 8. 128. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 519 ' Tiegel!) fand bei untermaximal gereizten Froschmuskeln folgenden Unterschied in der Ermüdung, gegenüber der maximal gereizten: „Während der Muskel bei irgendeinem untermaximalen Reize arbeitet, erholt er sich für jeden grösseren Reiz, mag derselbe nun maximal oder unmaximal sein. Wenn der Muskel aber maximal zuckt, so kann nie, in keinem Stadium seiner Ermüdung, durch Reizverstärkung eine Erhöhung der Zuckungen erreicht werden“ (Kronecker). Maggiora?) hatte gefunden, dass man durch geeignete Kom- bination der Arbeitsgrössen (3 kg) und Erholungspausen (10 Sek.) einen Muskel unermüdet behalten kann. Broca und Richet?) fanden für den willkürlich kontrahierten Flexor indieis maximale Arbeitswerte bei Hebung von etwa 1600 & in Intervallen von 1 bis 2 Sekunden. L. Treves*) vermochte mit gebeugtem Mittelfinger das Maximum zu leisten: wenn er 6 kg 28mal in 1 Minute hob. Er erreichte damit den Arbeitswert von 243 kg/m in 1 Stunde. Er kommt zum Schlusse: „Pour un m&äme poids, l’energie qu’on peut atteindre dans le travail rythmique est d’autant plus grande que le rythme est plus lent.“ Um die teilweise widersprechenden Angaben zu kontrollieren, mussten die Versuche mit exakten Methoden wiederholt werden’). Mir diente hierzu folgendes Verfahren : 1) Über den Einfluss einiger willkürlich Veränderlichen auf die Zuckungs- höhe des untermaximal gereizten Muskels. Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig Bd. 10 S.19. 1875. Ber. der math.-phys. Klasse der kgl. sächs. Gesellsch. der Wissensch. zu Leipzig Bd. 27 S. 99. 2) Les lois de la fatigue etudiees dans les muscles de ’homme. Arch. ital. de Biol. t. 13 p. 199. 18%. 3) Ergographie. Dictionnaire de Physiol. t. 6 p. 5381. 4) L’energie de contraction dans le travail musculaire volontaire et la fatigue nerveuse. Arch. de fisiol. da Fano t. 1 p. 190/192. 5) Die früher üblichen Ergographen, nach Angelo Mosso’s Modell, ver- zeichnen die Bewegungen des gebeugten Mittel- oder Zeigefingers (Dubois- Schnyder), bei festgestellter Hand. Von der gebeugten Anfangsstellung aus wurde der weitere Flexionsakt registriert. Die Fingerbeuger arbeiteten also mehr oder weniger belastet. Im gespannten Zustande vermochten sie grössere Gewichte zu tragen (3—8 kg). Unser horizontal gelagerter Vorderarm spannte den Bizeps immer in gleicher sehr geringer Weise. Daher arbeitet er wesent- lich überlastet, und so vermag daher die mächtige Muskelgruppe nur geringe Gewichte (1—4 kg) zu heben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 34 DON N Fritz Uhlmann: ‘ „Die Ermüdung meines M. biceps brachii registrierte ich ver- mittels einesErmüdungsschreibers, den wir „Kamatograph“ nennen. Derselbe ist nach den Angaben von Professor Kronecker in.den Werkstätten des Herrn Bandagisten Schenk konstruiert und in- der Telegraphenwerkstätte Hasler A.-G. Bern, vervollkommnet worden. . Herr Cutter!) (aus New York) hat im Jahre 1900 die Ermüdung sowie die Trainierung am gleichen Apparate in. dessen primitiver Form untersucht. Er fand, dass mässiges Gehen-oder leichtes Steigen (300 m) 25—40 Minuten ohne Stock (also ohne Gebrauch der Armmuskeln) seinen Biceps brachii weder ermüdete noch stärkte. Ruhiges Bergsteigen während 1 bis 2 Stunden stärkte seine. Arme ein wenig. Ermüdende Besteigungen um 300 m und mehr während 10 bis 14 Stunden minderten für 2'bis 3 Tage die Hubfähigkeit seines Armbeugers. Am vierten Tage nach der Anstrengung war dagegen die Kraft seiner Arme derart vermehrt, dass die erste Versuchsreihe bis S0 Hebungen ergab. / Beschreibung des Kamatographen. Die Versuchsperson sitzt, wie Fig. 3 illustriert, auf einem Dreh- sessel neben dem Apparate oder liegt auf einem Operationstische. Im ersten Falle ist die dem Apparate zugewendete Achselhöhle durch eine gepolsterte Krücke A gestützt, die, entsprechend der Länge des Oberarms, eingestellt wird. Vel.1 und 2. Der horizontal gerichtete Vorderarm ruht auf einer gepolsterten Rinne B. Ein passend einzustellender Holzblock C fixiert den Oberarm. Wenn die Versuchsperson horizontal gelagert ist, so ruhen Oberarm und Vorderarm auf der Rinne. Um das Handgelenk ist eine Leder- manschette D geschnallt. Von dieser geht ein Strick E£ zu einem schienenförmigen Doppelhebel 7, der um die Achse @ drehbar ist. Auf dieser eisernen Schiene ist ein Gewicht 4 verschiebbar, das den Arm mit 500 g bis zu 4 kg belasten kann. Damit der Angriffs- tpunkt in konstanter Entfernung vom Handgelenke gehalten werde, läuf die Schnur in einer bogenförmigen Rinne /. Der Radius dieser Rinne ist gleich der Entfernung des Hebelendes von seinem Drehpunkte. 1) Effets du travail de certains groupes musculaires sur d’autres groupes qui ne font aucun travail. Compt. rend. de Academie des sciences. Paris, 3. Sept. 1900. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 521 Wenn der Gewichtshebel F' gedreht wird, so rotiert auf gleicher Achse ein Zahnrad X. Die Zähne dieses Randes greifen in diejenigen eines zweiten Ä, von gleichem Durchmesser (12 em). Um die Hebung des Gewichtes auf das Papier P zu notieren, ist mit der Achse des Rades X, (Fig. 2) der Winkelhebel Z, ZL, verbunden, Q Fig. 1. (Von vorne gesehen.) dessen vertikal geführter Schenkel /, den Bleistifthalter an der vier- kantigen Leitstange O hinaufführt. Der Schieber M sichert den vertikalen Gang. Der Bleistift % (federnd an die 35 cm lange und 15 em hohe Schreibfläche ? gedrückt) verzeichnet die Hubhöhen der Hand. Das Verhältnis der wirklichen Hubhöhen des Gewichtes zu denjenigen, welche auf die Schreibfläche gezeichnet werden, ändert sich mit der Entfernung des Gewichts vom Drehpunkte. Für die DAX (3) 522 Fritz Uhlmann von uns verwendeten Gewichte von 1, 2, 3 und 4 kg verhilelten sich die wirklichen Hubhöhen zu den verzeichneten wie folet: für Re — a, ie 9 eh, ir Ska rs, me 2 ka ln. Bei den folgenden Tabellen ist diesen Maassverhältnissen Rech- nung getragen. Es sind die auf der Sehreibfläche verzeichneten Fig. 2. (Von hinten und seitlich gesehen.) Hubhöhen in die wirklichen umgerechnet. Wenn der Bleistifthalter N zurückfällt, so greift der auf seinem Rande befestigte Sperrzahn in ein Sperrad im Gehäuse e (Fig. 1) ein. Dieser ist konaxial mit einem Triebe verbunden, der auf einer langen Zahnstange Z rollt. Ein kleines Zuggewicht 7, das den Schreibflächerahmen rückwärts hält, verhindert, dass das Sperrad bei jedem Hube mehr als einen Zahn der Stange springen lässt. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 523 Um auch die Arbeit des linken Armes aufzeichnen zu können, ist ein drittes Zahnrad angebracht, das gleich dem zweiten vom Mittelrade getrieben wird. Es wird für diesen Fall das Schieb- gewicht auf die andere Hälfte des Doppelhebels gesetzt und das untere Ende des Winkelhebels mit der Achse des letzten Rades verbunden. Auf diesem Ende des Hebels kann die zweite Kreisrinne den Strick aufnehmen, welcher danı von der linken Handwurzel gehoben wird. Methodik. Zunächst mussten wir die Versuchsbedingungen sichern: in erster Linie die Intensitäten der Muskelreize. Wenn wir die Willens- reize durch genau messbare elektrische ersetzen wollten, waren die in Fig. 3 photographierten Apparate erforderlich. I. Arten elektrischer Reizung. Schliessung wie Öffnung galvanischer Ströme bewirkte, auch bei schmerzhafter Intensität, keine Muskelkontraktion von merklicher Höhe. Auch lange Funken (bis 20 em) einer Influenzmaschine waren 594 Fritz Uhlmann: motorisch unwirksam, während sie schmerzten und Brandwunden gaben. Intermittierende Induktionsströme hatten Erfole. Um- genau bestimmbare Reize zu erhalten, verwendeten wir ein grosses Schlitten- induktorium!), dessen primäre Spirale den sehr konstanten Strom einer Gülcher’chen Thermosäule (G) von 66 Elementen aufnahn. Dieselbe liefert, bei mitilerem Gasdrucke, eine Spannung von 3 Volt und bewahrt dieselbe, was wesentlich ist, bei gleichmässiger Er- wärmung tagelang. Den Gasdruck kontrollierten wir mittels eines neben die Gasleitung eingeschalteten Wassermanometers (m). Der Gasdruck wurde auf 30 em Wasser gehalten. Das Schlitteninduk- torium war nach Stromeinheiten graduiert. Die Unterbrechungen des Primärstromes konnten innerhalb der Frequenzen 25 bis 100 in der Sekunde variiert werden. Ein Spül- kontakt hielt die Widerstände im primären Stromkreise konstant. Wenn wir seltene Interruptionen zu erhalten wünschten, so ver- wendeten wir Kronecker’s Unterbrecher. In diesem Apparate schwingt ein eisernes Lineal, durch 'Elektromagneten in Bewegung erhalten. Ein verschiebbarer Halter ermöglicht die Länge des schwingenden Linealabschnittes zu ändern. Die Schwingungszahlen waren von 4 bis 60 in 1 Sekunde veränderlich. II. Die Applikation der Ströme auf den Biceps brachii. Wir versuchten den M. biceps brachii zunächst direkt bipolar zu elektrisieren: mittels bepolsterter, angefeuchteter Metallknopfpole, welche durch zwei Leinenstreifen auf den Muskelbauch geschnallt wurden. Diese Anordnung genügte nicht; daher stachen wir zwei versilberte Nähnadeln tief in meinen zweiköpfigen Armmuskel ein. -. Auch diese schmerzhafte Zuleitungsart hatte nicht den gewünschten Erfolg. Wir bemerkten (gleich Mosso), dass sich nur diejenigen Muskelbündel kontrahierten, welche in der Verbindungslinie der beiden Elektroden oder nahe daran lagen. Die erzielte Leistung des Muskels war unter diesen Umständen sehr gering. Wir ver- suchten dann mittels unipolarer Reizung zu wirken. Die mit feuchter Leinwand umwickelte kupferne Knopfelektrode war über die Mitte des Bizepbauches gebunden, während die indifferente, plattenförmige bepolsterte Elektrode auf der Bauchhaut in der Nabelgegend lag. Auch bei dieser Anordnung blieb schmerzhafte 1) Beschreibung siehe Zeitschrift für Instrumentenkunde 1902. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 595 Reizung ohne genügende Muskelwirkung. Wir gelangten so schliess- lich zu der Überzeugung, dass es nicht möglich sei, durch direkte Reizung den gesamten Muskel zur Kontraktion zu bringen. Daher wandten wir uns zur Nervenreizung. Wenn die Elektrode in der Medianusrinne lag, litt ich während der Reizung heftige Schmerzen, sobald die Ströme zu erwünschter motorischer Kraft gesteigert wurden. Wir suchten endlich die zwei sogenannten „motorischen Punkte“ (Duchenne)!) über dem Bizeps, entsprechend der oberen Teilung des N. musculocutaneus, und erhielten mit intermittierenden Induktionsströmen sehr kräftige Tetani. Günstig erwies sich der etwas oberhalb der Mitte des Muskelbauches gelegene Punkt. Der höhere und mehr nach der Achsel zu gelegene war nicht gut zu gebrauchen, weil von hier aus häufig der Stamm des N. musculo- eutaneus mit seinen sensiblen Fasern gereizt wurde. Der brauch- bare Punkt musste also gut eingehalten werden: Nachdem ich den best-motorischen und mindest-sensiblen Reizpunkt hatte, suchten wir die günstigste Form und Grösse der wirksamen Elektrode. Am besten bewährte sich als Reizelektrode ein kreisförmiges ver- nickeltes Kupferblech von 15 mm Durchmesser und 0,5 mm Dicke. Eine in der Mitte angelötete Klemmscehraube nahm den Leitungs- draht auf. Ein darunter gelestes nasses Wattebäuschchen hielt die Reizstelle feucht. Zur Anfeuchtung benutzten wir schwach an- gesäuertes Wasser. Fixiert wurde dieses Plättehen durch gekreuzte Heftpflasterstreifen. Die indifferente Elektrode: ein rechteckiges Zinkblech von 9:12 em Seiten lag mit angefeuchtetem Polster, durch den Beinkleidergurt fixiert, auf der Nabelgegend. Die Reiz- elektrode, mittels Pipette jede Viertelstunde angefeuchtet, blieb während langer Versuchsreihen oft tagelang auf den Arm geklebt. So sparte ich die Zeit zur Aufsuchung des Reizpunktes. Auch die indifferente Elektrode musste von Zeit zu Zeit in Versuchspausen frisch angefeuchtet werden. Mit dem Bizeps kontrahierte sich stets auch der M. brachialis, weil beide Muskeln von dem gereizten N. museuloceutaneus versorgt werden. III. Dauer und Rhythmus der tetanisierenden Reize. Wir machten die Reizkombinationen, bei weleher der Muskel am meisten arbeitet. 1) Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden, 4. Aufl., 8. 833. 1905. 526 Fritz Uhlmann: . 1. „Reizdauer“: die Zeit, welche verstreicht vom Beginne der tetanisierenden Reizung bis zur maximalen Kontraktion. 2. Als „Intervall“ bezeichnen wir die Zeit zwischen den Tetani. 9. Unter „Ruhepause“ verstehen wir die Erholungsfristen des Muskels zwischen den Reizgruppen. Zur rhythmischen Reizfolge half uns folgendes Verfahren: Die Metalltrommel eines Lud wig’schen Kymographions liessen wir mit vertikalen Streifen isolierenden Asphaltlackes bemalen. In Fig. 4 sieht man die abgestuften Streifen angedeutet, wenn man sich den Zylindermantel des Kymographions (vel. T Fig. 3) abgerollt vor- stellt. Die Trommel hat einen Umfang von 50 em, und es befanden A B Fig. 4. (Breitedimensionen natürl. Grösse.) sich 25 solcher Streifen darauf, so dass die Strecke A B 2 em betrug. da 4 mm; G&e— 8 mm Did 127mmEr Pe lognme Der eine Pol der den Biceps reizenden sekundären Spirale des Induktoriums war mit den Metallteilen des Kymographions verbunden, während der andere Pol mit der Metallbürste Z über die rotierende Trommel strich. Solange die Bürste über freie Metallabschnitte des Zylinders ging, waren die tetanisierenden Induktionsströme durch metallisebe Nebenschliessung vom Arme abgeblendet, während die Bürste aber über die isolierenden Streifen glitt, war der Strom in der zweiten Leitung, welche durch den Körper ging, frei. Die Ab- blendung des Stromes war so vollständig, dass ich, während die Bürste auf den Metallteilen des Zylinders Nebenschluss machte, nicht: das geringste fühlte. Der besseren Übersicht wegen seien hier noch kurz die Verbindungen schematisiert. Vel. Fig. 5. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 527 Wir prüften zunächst die Reizdauer von 0,5 Sek, und regulierten daher die Geschwindigkeit der Trommel derart, dass die Bürste 0,5 Sek. über. die Strecke Aa (Fig. 4) strich. Da die Strecke Aa !/; von AB und AB wieder !/ess vom ganzen Umfang der Trommel, so musste letztere einen Umgang in 1 Min. und 2,5 Sek. vollenden. Auf diese Weise erhielten wir folgende Kombination: 0,5 Sek. Reiz, 2 Sek. Intervall. Wurde nun die Trommel höher gestellt, während die Bürste stehenblieb, so dass letztere die Zonen II oder III oder Fig. 5. (Schema der Versuchsanordnung.) @ Thermosäule. J Schlitteninduktorium. K Indifferente Elektrode. E Reizelektrode. 7 Trommelinterruptor. 3 Metallbürste. IV bestrich. So erhielten wir, bei gleicher Rotationsgeschwindiekeit, vier Kombinationen von Reizdauer und Intervall. Durch Veränderung der Umlaufszeit kann man die Kombinationen beliebig vervielfältigen. Versuchsgruppe A. Die Versuchsanordnung ist durch Fig. 3 veranschaulicht. Ober- arm vertikal, Unterarm horizontal. Überlastung mit 3 kg. Tatani- sierung des Biceps brachii mit Strömen von 7250 E. (Einheiten). 50 Unterbrechungen in 1 Sek. des Primärstromes vom Schlitten- induktorium, das mit einer grossen Gülcher’schen Thermosäule (66 Elemente) armiert war. Die rhythmische Abblendung (Intervall) der tetanisierenden Ströme wird besorgt durch die oben erwähnten 528 ii Fritz Uhlmann: Trommelstreifen. (7 Fig. 3). Die indifferente Elektrode auf der Nabelgegend. Beide Elektroden waren stets gut befeuchtet. In- duktionsströme von nahezu maximaler. Reizwirkung. Ruhepausen zwischen den Gruppen: je 5 Min. Nur zwischen Gruppe VII und VIII 10 Min. Während: jeden Hubes ruht die Schreibtafel. Der Schreib- stift schiebt bei jedem Abfalle den Rahmen um je einen Zahn vor. Nummer Reiz- Höhe der Hube A Zr 2 der dauer | Intervall en um (Millimeter) Bemerkungen Reizperiode Sek. Sek. ee erster | letzter I 0,5 2,0 6 99 93 vgl. Fig. 6 II 1,0 1,5 6 115 100 II 1,5 1,0 6 125 94 IV 2,0 0,5 1 114 _ V 1,5 2,0 7 108 100 VI 1,0 1,5 8 112 90 VII 0,5 2,0 8 18 69 VIII 0,5 2,0 9 84 sl IX 1,0 1,5 9 115 18 x 1,5 1,0 8 120 &l AAN 42442444\ 07444444 4464444 Ur 1044424 44440 2 EN 424 16 inan 3< IX VII VII VI V IV Il I Sr. Fig. 6. (Etwa !/s der ausgewerteten Hubhöhen.) Versuchsgruppe B. Anordnung wie bei Gruppe A; nur werden hier die Reizungen bis zur völligen Ermüdung fortgesetzt. Nummer Höhe des Intervall der Reiz. | Reizdauer Anzahl [ersten Hubes =; periode Sek. Sek. der Hube | mm | merkungen I 0,5 2,0 22 106 vgl. Fig. 7 II 1,0 1,5 24 101 III 1,0 1,5 18 108 IV 1,5 1,0 26 100 V 0,5 2,0 33 78 Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 529 v Iv € IM i I I Fig. 7. (Ca. 1/s der ausgewerteten Hubhöhen.) Versuchsgruppe C. Anordnung wie bei Gruppe A und B: Nummer ; Maximale der Reiz. | Reizdauer | Intervall Anzahl Höhe Bemerkungen gruppe Sek. Sek. der Hube mm I 0,5 2,0 38 94 It 1,0 1,5 36 114 II 1,5 1,0 3 124 IV 1,5 1,0 3l 107 V 1,0 1,5 32 111 VI 0,5 2,0 41 52 Die Reizelektrode war nicht ganz feucht Resultate der Versuchsgruppen A, BundC. Die günstigste Kombination ist folgende: 1,5 Sek. Reiz, 1 Sek. Intervall. Dieses Verhältnis gilt aber nicht für jedes Gewicht und jede Stromstärke. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen. Taskinen!) fand bei einem Reizintervall von 2. Sek. den blutdurehströmten Froschmuskel ungefähr gleich schnell ermüdet wie den blutleeren. Zur vollständigen Erholung waren 3—6 Stunden Ruhe erforderlich. IV. Bestimmung der maximalen Reize. Die meisten Experimentatoren auf diesem Gebiete klagen darüber, dass es infolge der grossen Schmerzhaftigkeit unmöglich sei, irgend- wie starke Muskelreizungen anzuwenden. Auch mir waren die Ver- suche anfänglich ein Martyrium, aber auch hier half die Selbst- 1) Beiträge zur Kenntnis der Ermüdung des Muskels. Skandin. Arch. £. Physiol. Bd. 23 S. 1. 530 Fritz Uhlmann: überwindung und Gewöhnung. Anfänglich empfand ich Reize von 3000 E. schon als sehr schmerzhaft, während ich nach 3 Monaten Schläge von 13000 E. (die maximale Spannung eines grossen In- dduktoriums) ertragen lernte. VersuehsgruppeD. Anordnung wie bei Versuchseruppe A. Ruhepausen 1 Min., Reizdauer 1,5 Sek., Intervall 1 Sek. Nr. der | Strom- Reiz- ein- periode | heiten An- | Hub- |Nr. der Strom- | An- | Hub- ein- H höhen E R er Hube | mm heiten | Hube |; mm | Bernerkungen I 6000 4 10000 1 90 | Die Kontraktions- u 7250 4 9000 1 84 werte sinken mit III 8500 4 8000 1 so zunehmender IV 9000 | 4 7000 1 69 Ermüdung (vgl. V 10000 5 13000 1 112 Fig. 8). vI 11000 5 12000 1 8 vll 10000 5 11000 il 8 VII 12000 5 10000 1 80 IX 11000 5 9000 ıl 78 x 13000 3 8000 l 50 XI 12000 1 108 XXI 7000 ll 46 ıl 94 I XXIV 6000 1 0 X | 11000 el aka, 18 122 2.100 111029228726 Fig. 8. (Etwa "/s der ausgewerteten Hubhöhen.) Versuchsgruppe E. Anordnung wie bisher. 50 Unterbrechungen reizten. Gewicht 3 kg, Reizdauer 1,5 Sek., Intervall 1 Sek; Ruhepausen bis SUR V: je 2 Min., dann keine neh, Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 531 u en er ee ee 1 EN I 17 EEE N ummer | Stroms | Ansakl | Höhe der Hube der Reiz- a ka a in Millimetern Bemerkungen B einheiten er SR periode | n erster letzter I 8000 25 124 9 vgl. Fig. 9 1 8000 20 117 1) III 8000 22 102 7 IV 8000 21 72 6 V 8000 22 63 7 VI 10000 4 27 8 VII 11000 4 22 10 VII 12000 4 17 5) IX 15000 1 0 0 Sehlussfolgerung: Auch zunehmende Stromstärken ver- mögen die Ermüdung nicht zu überwinden. } PADBRREFUDDD UL U UAVEULLUAILLLLEEN AA ADUIUAVAIYA00202049440040 24404 2424444444444 4444424494 WINWWDUAAUUD 090242004 VIII VII VI \F IV III 1 I Fig. 9. (Etwa !/s der ausgewerteten Hubhöhen.) Versuehsgruppe F. Der ganze Arm horizontal gelagert (Bizeps etwas gedehnt). Es werden durch Öffnen des Primärstromes Einzelreize gegeben und zwar in Intervallen von je 0,5 Sek. Schliessungsschläge sind, auch bei höchstmöglicher Intensität (13000 E.), motorisch unwirksam und nur mässig fühlbar. Gewicht 1 ke. IH YYVAARAAAAAANIR Höhe Höhe ‚Tee u des Hubes Nummer ROT des Hubes des Reizes einheiten mm des Reizes | einheiten mm I 6000 3 VI 11000 12 II 7000 6 VII 9000 7 III 8000 s) VIH 6000 3 IV 9000 10 IX 4000 2 V 10000 12 x 5000 2 Reizung mit 3000 E ergab keinen Hub mehr. 532 ee Fritz Uhlmann: Resultate der letzten Versuchsgruppen D, E und F. 1. Der. maximale Effekt wird ausgelöst: durch Einzelreize der Intensität 10000 E., bleibt aber gering. 2. Auch stärkste Reize werden bald unwirksam. 3. Ströme von 7000—8000 FE. lösten hohe Leistungen aus, ohne schnell zu ermüden. 4. Intensivere Reize sind schmerzhaft, ohne die Leistung wesentlich zu erhöhen. | 5. Gruppe F zeigte, dass erst Öffnungsinduktionsschläge von 4000 E. minimale Zuckungen meines Bizeps auslösten. 6. Die Zuekungen wuchsen mit den Reizen, bis diese 9000 E. erreicht hatten; sie werden dann nicht mehr höher, wenn man die Reize verstärkt. 7. Die geleistete Arbeit der Zuekungen ist sehr klein, da nicht mehr als 1 kg gehoben wurde. Später werden wir noch über Versuche berichten, bei denen durch eigentümliche Reizbarkeitsänderungen auch schwächere Reize wirksam werden. Einzelne Schliessungsschläge, auch der stärksten uns zu Gebote stehenden Intensität, blieben mechanisch wirkungslos. Gleichwohl haben wir dieselben später bei anderen Versuchen abgeblendet, um ihren etwaigen Einfluss auf die Reizbarkeit auszuschalten. V. Über die günstigste Reizfrequenz. Um diese Frage zu studieren, mussten wir unsere Methodik etwas modifizieren. Zunächst wurde in die Bahn der primären Spirale des Induktorium Kronecker’s Interruptor eingeschaltet, der 2- bis 60 mal in der Sekunde den Strom unterbricht und zugleich eine - Vorriehtung besitzt, um die Schliessungsschläge abzublenden. Um den Verlauf der Kontraktionen zu registrieren, wurde eine berusste Kymographiontrommel an den Bleistift gebracht. Ein Zeitschreiber markierte 0,1 Sekunde unter die Kurven. Versuchsgruppe G. Der Bizeps des horizontal gelagerten Oberarmes wurde mittels tetanisierender Öffnungsinduktionsströme verschiedener Erequenz ge- reizt. Die Schliessungsschläge waren durch Nebenschliessung am Unterbrecher abgeblendet. Die Tetanisierung wurde fortgesetzt, bis die Zusammenziehung nicht mehr zunahm (zuweilen auch etwas Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 533 länger.) Diese Zeit ist im Tabellenkopfe als Summationszeit bezeichnet. Gewicht 1.kg. Grössere Gewichte wurden bei geringer Reizfregquenz vom Biceps nicht. merklich gehoben. Ruhepausen zwischen den Reizperioden: 3 Min. Drei Unterbrechungen des Primär- stromes ergaben kleine Zuckungen, aber noch keine Summation. : Summationszeit Maximale Höhe Nummer | on. es Reiz- | (Sekunden) in Millimeter der Reiz-| . . 2 dauer | bis zur |biszum| der des perioden einheiten | Unterbre- ersten | Maxi- | ersten | Kurven- chungen Sek. |Erhebung| mum [Erhebung I 7000 3 10 _ — _- — 1 7000 4 10 — 10 _ 15 III 7000 4 10 — ) — 14 IV 7000 6 7 — 4 _ 16 V 7000 6 6 — 3 _ 16 VI 7000 8 13 0,3 11 8 30 vu 7000 8 12 0,3 10 8 33 VII 9000 8 4 0,3 4 18 3 IX 7000 13 10 0,4 10 15 47 x 9000 13 4 0,3 5) 25 5l XI 7000 15 5 0,4 5 35 45 Xu 9000 15 6 0,5 5 3 5l XIII 7000 20 3 0,5 3 43 52 XIV 9000 20 3 0,5 3 47 58 XV 7000 3 12 0,3 5 19 43 XVI 7000 25 3 0,8 3 46 54 XVII 7000 50 4 0,9 2,5 5l 59 XVvIil 7000 50 3 0,9 2 50 57 XIX |. 7000 25 4 0,8 3 42 58 Versuchsgruppe H. Anordnung wie bei Versuchsgruppe F. Reiz 7000 E. Nr. der| Fre- [Summa-| Maxi-{Nr. der| Fre- [Summa-| Maxi- Reiz- ER tions- | male | Reiz- zz tions- | male Bemerkungen peri- | Unter- | zeit | Höhe f peri- | Unter- | zeit | Höhe oden | brech. | Sek. | mm | oden | brech. | Sek. | mm I 12 10 18 BT 20 4 22 | Die Summations- 1 15 5 20 x. 705 3 23 zeit gilt bis zum II 15 6 21 a 3 26 höchsten Kur- IV 18 4 22 xy 2 237 vengipfel v 18 5 20 xv| 1,5 5 VI 18 5 19 on A 1,5 26 vi 15 6 18 I XVII | 40 1,5 25 vIm 15 6 16 IXVIm | 50 1 25 1% 12 in 13 | IB | 18 6 In x 18 5 534 Fritz Uhlmann: Dass die Werte für die Kurvenhöhen in den Gruppen H und I niedriger sind als in der Versuchsgruppe G, rührt daher, dass die Versuche in H gemacht wurden, nachdem ich schon einen halben Tag gearbeitet hatte. i Versuchsgruppel. Anordnung wie für Versuchsgruppe H. Reizung mit verschiedenen Stromstärken. Nummer Frequenz Summations- | Maximale der der Unter- S Tun zeit Höhe Reizperioden | brechungen einheiten Sek. | mm I 12 7000 9 23 I 12 10000 6 26 III 15 7000 b) 29 IV 15 10000 2 ol V 15 11000 0,5 33 VI 15 12000 0,3 38 vn 0 10000 1,0 32 Zur Raumersparnis lasse ich nur einige der 50 Kurven reproduzieren, welche den Effekt verschiedener Reizfrequenzen auf die Kurvenform und Höhe zeigen (siehe Fig. 11 u. 12). Resultate der Versuchsgruppen G, Hundl. 1. Die Summation der Einzelreize beginnt bei der Frequenz 4 pro 1 Sek. 2. Bei grosser Reizfrequenz (von acht Unterbrechungen in 1 Sek. an) bemerkt man einen Anfangsruck (Initialerhebung). 3. Mit steigender Frequenz wächst die Höhe sowohl der Initial- erhebung als der ganzen Kurve. 4. Mit steigender Frequenz wächst die Geschwindigkeit der Summation. | 5. Die Zeit der Summation bis zum Maximum der Kontraktion ist für jede Frequenz gleich starker Reize konstant. 6. Die Kurvengipfel nehmen mit den Reizstärken zu. Die Initialerhebung wächst bedeutend rascher als die Maximalhöhe. 7. Die Summationszeit nimmt ab mit steigender Reizstärke. VI. Eine seltsame Wirkung dauernder Reize. Ich lag auf einem Operationstische und hatte den rechten Arm (Oberarm und Vorderarm gestreckt) wie gewöhnlich, aber ohne dass er mit einem &@ewichte verbunden war, in die Rinne gelegt. Einzelne 939 Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. "H oddnadsypnsioA SnE TAX “AIX IIX ‘IIX ‘IX ‘X “IIIA uoponadzroy aıp y8toz (uOgoygup usyarpparm ; "opunyPS I o1d ussungserqiegun :- ‚09 07 08 2er 08 sT “opoIm 9 oddnassygonszoA op sne AT “TIL ‘I uoporıadzray Hp II) (uoyoggny uayoıpyarm OP 8/ BAIH) *opunyos [ O1d usdunyoerqaogun 8 9 I9P 8/, EAIH) GT v ‘SI "Sg "IT SA 325) < e Bd. 146. Pfltiger’s Archiv für Physiologie, 536: Fritz Uhlmann: Induktionsschläge von 2000 E dem M. biceps zugeleitet, hatten keinen motorischen Effekt, verursachten nur leises Kribbelgefühl. Nachdem aber Induktionsschläge von gleicher (2000 E) Intensität in der Frequenz von 20 pro 1 Sek. mehrere Sekunden lang ein- gewirkt hatten, begann der Arm sich langsam zu ergeben. Wir notierten die Zeit, welche verstrich, bis. der Vorderarm sich auf den Oberarm legte. So finden wir für die erste Reizung eine Summa- tionszeit von 108 Sek. Nach einer Pause von 2 Sek. fanden wir, bei gleicher intermittierender Reizung 15 Sek. Summationszeit, dann immer kürzere: 3 Sek., 7 Sek. usw. Zahlenmässige Angaben zeigt folgende Tabelle. Zwischen den Reizreihen wurden längere Ruhe- zeiten gewährt. VersuchsgruppeK. Nummer | Fre- | Ruhe I bis XV Reizperioden in Intervallen von 2 Sek. der | quenz | zwisch. Summationszeiten in Sekunden Versuchs-| der den reihe -| Reize |Reihen| I | |jm/jw|v In mim x Im | ausm] | 20 oo 108115 \ 8 5 oe II 20 30" 2 283 |2ı ee — II 20 ea IV 20 Arad ae ni V 20 8217166) 102 70 56.42 539 9 1 Tee vI 20 10221098 1222.53 es] 221 219 Toon SI et vu 20 1227717100) 16: 58215 32|3|92 29) 210, 270016) Sin se vor vn 40 15221250] .92 39252 E32 Bo] eo) sr a IX 40 30” a aan ee | — x 40 10 aaa one — | —|— RT 40 aaa nel —|— xII 40 202 518)1992 58255 32] 22 ran Eee XII 40 6' "a0 1° | 2.2. 152 le | | Anmerkun g: Die horizontalen Striche bedeuten Zeitwerte unter 1 Sek., die wir nicht genauer bestimmen konnten. Versuchsgruppe L. Sofort nach der XV. Reizung der XIII. Reihe in der Versuchs- gruppe K, wurde eine Dauerreizung von 10 Sek. gemacht bis zu vollendeter Beugung des Vorderarms. Nach Zurückfallen desselben in die Strecklage wurde von neuem 3 Sek. lang gereizt, bis der Vorderarm wieder überklappte. Diese Nachwirkung war erst nach 15 Min. vollständig verschwunden. a ren Seen Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. 537 Resultate der Versuchsgruppen K und L. 1. Intermittierende Induktionsströme von 2000 Einheiten und 1/40” bis "/2o” Intervall, dem N. Museulocutaneus zugeleitet, lösen während langer Summationszeit (30 bis 108 Sek.) eine allmählich zunehmende: Bewegung des Vorderarms aus. 2. Die summierten Erregungen wirken während der Ruhepausen bis zu 15 Minuten nach, derart, dass die Summationszeiten kürzer bleiben als nach längerer Ruhe. 3. Die Summationszeit wird kürzer, wenn die Reizfrequenz ge- steigert wird. 2 | 4. Die Erregbarkeit bleibt kürzere Zeit vermehrt, wenn die Reize frequenter waren (40 pro 1 Sek.), als wenn sie seltener folgten, 20 pro 1 Sek. Versuch M. Es war wichtig zu wissen, an welcher Stelle des Nervensystems die Erregbarkeit erhöht wird. Zu diesem Zwecke mussten Tier- experimente dienen. Einem Kaninchen wurde die Kniesehne des Quadriceps femoris mit einem Schreibhebel verbunden. Die Haut über dem Muskelbauche wurde von Haaren befreit, ebenso eine grössere Fläche auf dem Rücken des Tieres. Die Eintrittsstelle des Astes vom Zentralnerven, der den Rectus femoris versorgt, fixierten wir, ähnlich wie über meinem Biceps brachii mittels zirkulären Heft- pflasterstreifens eine kleine Knopfelektrode und befestigten die plattenförmige, indifferente Elektrode auf die freigelegte Rückenhaut des Tieres. Mittels Induktionsströmen von 2 bis 300 E in der Frequenz von 50 pro 1 Sek. folgend, erhielten wir Tetani, deren Summationszeit sich bei jeder folgenden Reizung zu verkleinern schien. Diese Pause zwischen den Reizungen betrug 2 Sek. Leider war es unmöglich, demonstrable Kurven zu erhalten, da das Tier fortwährend willkürliche Zuckungen machte. Wir suchten diese da- durch auszuschalten, dass wir den N. ceruralis des gereizten Schenkels durehschnitten. Wohl verhielt sich das Tier nun ruhig, aber dann war die Steigerung der Erregbarkeit nicht mehr zu sehen. Dieser freilich nicht beweisende Versuch lässt immerhin an- nehmen, dass die Tonisierung im Zentralnervensystem (Spinalganglien oder Rückenmarksgrau) geschehe. Ar Ähnliche Wahrnehmungen machten vor mir schon mehrere Forscher, auf die ich kurz verweisen möchte: 35 * 538 Fritz Uhlmann: Minot!) fand in Boston kurze Tetani frischer Muskeln zu- erst an Höhe zunehmend, dann abnehmend.. Ermüdete Muskeln erreichen sogleich das Maximum und verlängern sich allmählich. Hall und Kronecker?) beobachteten in Berlin an erregbaren Frühlingsfröschen, dass tetanisierte Muskeln bis 15 Sek. lang nach- wirkende Erregung bewahren derart, dass danach ein Induktions- reiz viel höhere Zuckung auslöst als zuvor ein gleicher. Ähnliches sah Sewall®) in Baltimore: „A tetanie stimulus, the excitement due to which has not been allowed to shorten the muscle, leaves the muscle in a state of greater irritability toward succee- ding stimuli than does a simple stimulus under the same eircum- stances; moreover the influence of the tetanie stimulation lasts longer than that of the simple one.“ VII. Über den Einfluss der Massage auf die Ermüdung. Da wir mölicherweise in späteren Versuchen zur Abkürzung der Erholungszeiten dieses Mittel bedürfen, so wollten wir es nicht ungeprüft lassen. Darüber haben schon Versuche von Kronecker®), Tablu- dowsky°’) und Maggiora°) aufgeklärt. Hamel’”) hat den Nutzen der Stösse vom arteriellen Blutstrome untersucht und kommt zu dem Schlusse: Der Herzpuls vermittelt eine passive Gymnastik der Arterien und erhält ihre Kohäsion Elastizität und Kontrakti- bilität. | Wir wünschten den Einfluss der Massage auf die Summations- effekte kennen zu lernen. 1) Experiments of tetanus. Journ. of Anat. and Physiol. vol. 12 p- 297—339. 2) Die willkürliche Muskelaktion (du Bois-Reymond’s Arch. 1879, Suppl. S. 45.) 3) On the effect of two succeeding stimuli upon muscular contraction. (The Journ. of Physiol. vol. 2 p. 178. 1879—1880.) 4) Kronecker: Ermüdung und Erholung quergestreifter Muskeln. Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig S. 189. 1871, Ber. der math.-phys. Klasse der Gesellsch. der Wissenschaft zu Leipzig Bd. 23 S. 713. 5) Über die physiologische Bedeutung der Massage. Centralbl. f. d. med. Wissensch. S. 242 u. 243. 1883. 6) Action physiologique du massage sur les muscles de ’homme. Mosso Arch. ital. de Biol. t.13 p. 225. 1891. | 7) Die Bedeutung des Pulses für den Blutstrom. Zeitschr. f. Biol. 1839 Bd. 7 S. 495. (Neue Folge.) Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. Versucehsgruppe N. Anordnung wie bisher. Der in Ruhe gestreckte Arm, mit 1 kg belastet, schreibt die Vorderarmbeugungen auf die berusste Trommel. Reizstärke 7000E. Ruhepausen 3 Min., während deren der Arm wiederholt massiert wird. Die Massagen sind in der Tabelle durch Punktlinien markiert. Bee re oo ı 3 Re: = = - He: Br i9O:00© er 2 (ap) Nm: na: nn: aa — S ‘ & H =. || = | = —| : s|s AR: = = H:OoANXN em :n : mx = &) mA: mu I = : : =Ei - h : . “ E an : B =] : R 3 KA ! : ’ B 33 © | 2Z:223:922:2:S% = ! B nn ! - N x sa.» : v3 f 25-5 2m EI OD :CO CI: : Ua 3 3 Rn: mM mm mTmmMm:mMi:i Prim = : = I oo :im imo Reizdauer Sek. 8 9 8 6 Nummer der Reizung VII VII = Versuchsgruppe ÖO. Anordnung wie bei Gruppe A mit Schlitteninduktorium; 7000 E, 50 Strom- unterbrechungen in der Sek. Reizinter- valle durch die Isolierstreifen auf der 599 IX VIII VII VI (Etwa ?/s natürlicher Grösse.) Fig. 13. 540 - Fritz Uhlmann: Trommel geordnet. Der ganze Arm horizontal gelagert. Gewicht 3 kg. Ruhepausen je 10 Min. Zwischen III und IV Massage. Versuch bis zur völligen Ermüdung fortgesetzt (siehe Fig. 14, Tab. auf S. 541.) Wi [Klar aaa4au4a ji (Etwa Vs der ausgewerteten Hubhöhen ) AV AAAARMAAANMIY | W444 44442944 | A A | MAMA W; MAMA RN ILL W; 14444914474 IV 4 441493244444441444 24 2 E Fig. 14. (Etwa 1/a der ausgewerteten Hubhöhen.) il nd. Resultate der Versuchsgruppen,N unjd OÖ. 1. Massage beschleunigt die Summationswirkung, ähnlich wie Steigerung der Frequenz (vgl. Fig. 13). 2. Massage vermag nicht nur die Ermüdung aufzuhalten, sondern die Ruhe über die vom unermüdeten Biceps ermöglichten zu bringen. Über Ermüdung willkürlich oder elektrisch gereizter Muskeln. ° 541 Höhe des N ummer | Reizdauer Intervall Anzahl ersten der der Hube re Bemerkungen Reizung Sek. Sek. mm I 1,0 125 35 122 II 15 1,0 22 125 SUBr ne Blnn., |..2. 1000 SD SS ee a 12 IV 1,0 1,5 35 124 V 0,5 2,0 49 56 Die Elektroden wa- ren fast getrocknet | | | | || YA \ MIA MIN WANAAAAAAANAANAAAAAHARA AAMAMAANAAAALAAHAAAMAAP AHA ANA AAA A AA AAAAAMAAAN NAAR Aa AnAARAARARAAHOA W; E; w; Ey W; 3 Eie. 14b. (Auf !ja der ausgewerteten Hobhöhen) I VAN AMANDA AAAAAAAARURAAAÜRRMAVAMAAAAAAARNAAAAAERROAAAAAAMARAMAAAMAA LARA W Ez Ws E, Es Fig. 14c. (Auf !/sa der ausgewerteten Hubhöhen.) VIII. Die Wechselbeziehungen zwischen willkürlichen und künst- lichen Reizen. Zuerst wurde der M. biceps willkürlich ermüdet, bis er das Gewicht nicht mehr zu heben vermochte, dann erst wurde der Muskel, ohne Zeitverlust, elektrisch gereizt: durch Öffnung der Nebenschliessung der sekundären Spirale des Induktoriums. Die 542 F. Uhlmann: Über Ermüdung willkürl. oder elektr. gereizter Muskeln. Reizung wurde so lange fortgesetzt, bis der Biceps völlig ermüdet war: hierauf wurde ohne Pause willkürliche Hebung des Vorderarms versucht. VersuchsgruppeP. Vollständige Ermüdungsreihen. Abwechselnd willkürliche und elektrische Reizung. Willkürlich : jede zweite Sekunde ein Hub. (Nach dem Schlage des Metronoms). Elektrisch: 1,5 Sek. Reiz, 1,0 Sek. Intervall. Keine Ruhepausen zwischen den Ermüdungsperioden. Gewicht 2 kg. Strom 7000 E. Frequenz 50 Unterbrechungen. Anzahl| Hubhöhe | Anzahl| Hubhöhe Reihe] Reizart der _ (Millimeter) Reihe| Reizart der _ (Millimeter ) Hube | erster letzter Hube | erster | letzter irn W, willkürlich | 44 127 11 W, |willkörlich| 33 93 ) E, |elekttisch 26 102 ) E, elektrisch | 20 90 10 W, |willkürlich| 41 110 i) W, |willkürlich| 30 94 1l E, |elektrisch 39 99 9 Es; |elektrisch | 38 77 7 W,;, |willkürlich| 27 103 8 W- |willkürlich| 36 82 10 Es; |elektrisch 23 94 7 E, |elektrisch 26 66 9 W, |willkürlich | 30 93 13 W; |willkürlich] 30 78 9) E, |elektrisch 30 93 13 E;, |elektrisch 19 56 10 W,; |willkürlich 1 70 _ Resultate der letzten Versuchsreihe. 1. Nach einer Reihe von willkürlichen Huben, bis zur völligen Ermüdung (Leistungsunfähigkeit), vermögen elektrische (inter- mittierend tetanisierende) Reize ("/so Sek. Intervall) eine lange Hub- reihe anzuregen. Sogleich danach vermochte ich willkürlich fast gleichviel zu leisten wie vor der elektrischen Arbeitsperiode usw. 2. Die Anfangshöhe jeder folgenden Gruppe gleicher Reiz- art ist niedriger als die frühere. 3. Willkürlich vermochte ich den Arm etwas höher und meist öfter zu heben als mittels elektrischer Reizung. 4 Die Ermüdungsreihe der Hebungen auf elektrische Reize ver- läuft regelmässiger als diejenigen bei willkürlichen Hebungen. 5. Während elektrischer Reizung vermochte ich den Vorderarm willkürlich nicht zu beugen. 948 Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV. Mitteilung. Subjektive Farbenerscheinungen. Von c. Baumann. (Mit 11 Textfiguren und Tafel VII.) Die subjektiven Farbenerscheinungen, welche sich mit rotierenden Seheiben hervorbringen lassen, sind wenig bekannt, obgleich schon G. T. Fechner im Jahre 1838 (Poggendorff’s Annalen, Bd. 45 S. 227) darüber berichtet hat. Fechner stellte nach Talbot’s Vorschlag (Poggendorff’s Annalen, Jahrgang 1835, S. 457, „Be- trachtungen über ein von Herrn Talbot vorgeschlagenes photo- metrisches Prinzip von Herrn Plateau in Brüssel) Versuche mit einer schwarzweissen Scheibe an und berichtete darüber wörtlich: „Es ist zur Genüge bekannt, dass man durch Drehung einer mit Farben in angemessener Weise bemalten Scheibe Weiss oder Grau erzielen kann. Seltsam scheint es mir, dass man ein Phänomen noch nicht wahrgenommen, was gewissermaassen die Umkehrung des vorigen ist. Dreht man rasch eine mit einer Abwechslung von Weiss und Schwarz bedeckte Scheibe, so entstehen Farben.“ Im Handbuche der Physiol. Optik von H. v. Helmholtz (II. Abschnitt, Die Lehre von den Gesichtsempfindungen, S. 530—532) erwähnt dieser der Erscheinungen des farbigen Abklingens bei rotie- renden Scheiben mit schwarzen und weissen Sektoren, während diese nicht so rasch umlaufen, dass ein ganz kontinuierlicher Eindruck im Auge entsteht. Ferner hat sich Ingenieur Th. Schwartze in seinem Werkchen „Grundgesetze der Molekularphysik“ (Leipzig, J. J. Weber, 1896) damit beschäftist, und in der Broschüre „Wann und warum sehen wir Farben“ von Carl Weidlich (Leipzig, J. J. Weber, 1901) bemüht sich letzterer die Goethe’sche Farbenlehre auf diesen Er- scheinungen mit zu begründen. 544 C. Baumann: Ungeachtet dieser verschiedenen Veröffentlichungen ist das Auf- treten dieser Farbenerscheinungen wenig beachtet worden. Um die Beobachtungen zu erleichtern, bediene ich mich einer Vorrichtung, mit welcher man die Geschwindigkeit der Umdrehung beliebig hervorzubringen vermag, welche sowohl Rechts- wie Links- drehung gestattet und ausserdem für andere Versuche verwendbar ist; Fig. 1 bringt sie zur Anschauung. Eine runde Metallscheibe von 12 em Durchmesser ist an den Rändern ein wenig umgebordelt Big. l. und bildet auf diese Weise einen Behälter für die zu benutzende Zeichnung. Rückseitig ist die Scheibe an einer 18 em langen horizontalen Achse von 2 mm Stärke befestigt. Die Achse ruht in zwei Lagern und trägt an dem der Scheibe entgegengesetzten Ende eine kleine Rolle von 32 mm Durchmesser, welche als Seilscheibe dient. Ausserdem befindet sich auf dem Brettehen, auf welchem die Lager aufgeschraubt sind, auch noch eine Seilscheibe von ca. 130 mm Durchmesser, welche auch in einem Lager ruht und vermittels einer Kurbel drehbar ist. Die über beide Scheiben laufende Schnur über- trägt die Bewegungen von der grösseren Scheibe auf die kleinere und zwar im Verhältnis von 1:5,6. Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV, 545 Die Fig. 2, 3 und 4 zeigen die von Helmholtz benutzten Anordnungen; sie lassen aber die Erscheinung schwächer hervortreten als Fig. 5. — Fig. 6 zeigt die Fechner’sche Figur aus Poggen- dorff’s Annalen. — Deutlicher wird die Farbenerscheinung bei der von Schwartze angegebenen Anordnung (Fig. 7). — Instruktiver = © Fig.2 Fig.3 Fig. Fig.5 Fig.? Fig.8 Fig 9 Fig.10 scheint die von mir benutzte Anordnung mit drei breiteren Kreis- teilen in Fig. 3, während Fig. 9 und 10 einen grösseren Reichtum an Farben entfalten. Bei Fig. 2 erscheinen die Farben wenig wahrnehmbar und bei Fig. 4 stört das scheinbare Hervortreten oder Zurückweichen der Spirale die Beobachtung. Besser eignet sich schon Fig. 3; Helm- holtz sagt darüber (Phys. Optik S. 531): „Wenn die Scheibe mit ewiss er Schnelligkeit rotiert, hat man auf dem. innersten Felde die 546 C. Baumann: überwiegend grünliche Färbung des Weiss, im mittleren die rosarote, im äusseren das feingesprenkelte Flimmern. Bei grösserer Ge- schwindiekeit zeigt das innere Feld die rosarote Färbung, das mittlere das feingesprenkelte Flimmern, das äussere das mit Violett gewässerte Grau.“ Er folgert, dass, wenn ein Punkt der Retina in schneller Abwechslung von weissem Licht getroffen und wieder verdunkelt wird, so dass die Netzhaut im Zustande abwechselnd steigender und sinkender Erregung sich befindet, dieZeit der Maximader Erregung nicht für alle Farben auf denselben Augen- blick fällt, sondern die Erregung für Rot. und Violett früher eintritt als für Grün. — Ferner heisst es: „Es treten diese Farbenerscheinungen ge- wöhnlich nicht im ersten Augenblick des Hinsehens ein, sondern erst nach einiger Zeit, und werden dann allmählich immer glänzender. Es scheint also ein gewisser Grad von Ermüdung des Auges durch das flimmernde Licht dafür notwendig zu sein. Ausserdem verbinden sich damit nun noch andere Erscheinungen, welche von einer ver- schiedenen Empfänglichkeit verschiedener Stellen der Netzhaut für diese Art von Reizung herzurühren scheinen. Es werden nämlich in dem flimmernden Licht gewisse Muster sichtbar, die zum Teil in Beziehung zu bestimmten Stellen der Netzhaut stehen.“ Für meine Augen treten die erwähnten Muster bei Fig 3 am stärksten auf bei 5—6 Umdrehungen pro Sekunde und zwar in gelblicher Farbe in dem nach dem äusseren Rande hin liegenden Teile, welcher das Zentrum umgibt; das Zentrum selbst zeigt die rosenrote Farbe. Auf die Farbenerscheinungen ist bei den Fig. 2, 3 und 4 die Drehungsriehtung ohne Einfluss. Bei Fig. 4 scheint bei Rechtsdrehung, Drehung im Sinne des Uhrzeigers, die Spirale zurück- zutreten, bei Linksdrehung herauszutreten. Bei Fig. 5 macht sich die Richtung der Drehung bemerklich. Bei Linksdrehung zeigen die durch die vorstehenden Ecken hervor- gerufenen Kreise nur schwache Farben ausser der Rosafärbung des ersten inneren Kreises, während bei der Rechtsdrehung ausser dieser Färbung den Ecken entsprechende violettumsäumte Kreise entstehen, welche nach innen zu grau abklingen. Fig. 6 gibt die Fechner’sche Zeichnung in Poggendorff’s Annalen wieder. Fechner hatte sich, um nach Talbot’s Vor- schlag durch Drehen einer Scheibe verschiedene Abstufungen von Grau zu erzeugen, „eine Pappscheibe von 18 par. Zoll Durchmesser Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV. 547 anfertigen lassen, welche in 18 gleiche konzentrische Kreisringe geteilt war. Der innerste war ganz schwarz, der nächste enthielt 20°, der folgende 30° weisse Fläche usf., so dass also der äusserste 18. ganz weiss war. Fig. 6 stellt diese Anordnung dar, wie sie für. bloss sieben Kreisringe sein würde. Der Umriss der schwarzen Figur ist, wenn man von den Ecken absieht (bei Einteilung in unendlich viele Kreisringe), der einer archimedischen Spirale.“ — Fechner schreibt nun weiter: „Als nun diese Scheibe gedrebt wurde, war ich erstaunt, anstatt Abstufungen reinen Graues allerhand von der Mitte nach dem Umfange, sowie nach Beschaffenheit der Drehungsgeschwindigkeit sich verändernde Farben wahrzunehmen, die für mein Auge zwar nicht von starker Intensität, aber doch nicht ohne Lebhaftigkeit waren.“ — „Ich habe dieses Phänomen vielen Personen gezeigt und dabei gefunden, dass es von ihnen mit sehr ungleicher Deutlich- keit gesehen wurde. Einige meinten die Farben brillant, andere vermochten kaum etwas davon zu sehen.” — „Gesetzt die Scheibe (Fig. 6) bewege sich in der Richtung des Pfeils (Zacken nach vorwärts), so tritt für das unbeweglich voraus- gesetzte Auge bei a Schwarz an die Stelle des Weiss, welches einen Augenblick vorher dort erblickt wurde. Der Eindruck des soeben erblickten Weiss verschwindet nun sofort im Auge, und zwar nimmt er nicht für alle Farbenstrahlen, welche das weisse Licht zusammen- setzen, eleich schnell ab, wie sich auch durch andere Tatsachen (namentlich das Farbenverklingen im geschlossenen Auge nach dem Verschwinden heller Bilder) genügend dartun lässt. Die Farben er- löschen nun nacheinander im Auge mehr oder weniger, dass bei fortgesetzter Drehung der Rand 5b an die Stelle von a kommt und neues weisses Licht mit sich führt. Sowie aber der Eindruck der verschiedenen Farbenstrahlen verschieden schnell verschwindet, scheint er sich andererseits auch bei Eintritt von Licht und Dunkelheit mit verschiedener Schnelligkeit wieder geltend zu machen, so dass hier- durch ein neuer Grund zu Farbenerscheinungen entsteht. Je nach der Disposition des Auges, dem Abstand zwischen a und 5b und der Schnelligkeit der Drehung muss natürlich schon ein grösserer oder geringerer Anteil von Farben im Auge erlöscht sein, bis neues Licht das Auge trifft und die neu eintretende Farbenerscheinung sich mit der partiell erlöschten zusammensetzt, und dies bedingt die Ver- änderlichkeit der Erscheinung.“ — Fechner hat also schon erkannt, dass es sich um rein subjektive Farbenerscheinungen handelt. Zum 548. C. Baumann: Schluss spricht er sich dahin aus, wenn @oethe diese Erscheinungen wahrgenommen hätte, so würde derselbe sofort eine Bestätigung seiner Hypothese über die Entstehung der Farben darin gefunden haben. Diese Erscheinungen sprächen jedoch keineswegs zugunsten der Goethe’schen Ansicht, denn man könne sie sehr gut durch die Newton’sche Hypothese erklären. — In der Broschüre „Wann und warum sehen wir Farben? Ein Beitrag zur Farbenlehre von Karl Weidlich (J. J. Weber, Leipzig 1904)“ ist ihr Verfasser dadurch mit veranlasst worden, die Goethe’sche Farbenlehre weiter auszu- bauen. Gemäss seiner Erklärung über die Tätigkeit des Auges wird durch Lichtreiz in den Stäbchen und Zapfen der Netzhaut grösserer Blutandrang erzeugt, durch den die Stäbchen verlängert, die Zapfen aber verdickt und verkürzt werden. „Verlängern sich nun die Stäbchen, so treten die weissen Enden ihres Tastkörpers nach aussen und werden auf der . Pigmentschicht sichtbar, wodurch der Eindruck erweckt wird, als ob die Pigmentschicht tief in die Stäbchen- und Zapfen- schicht eingedrungen und der Sehpurpur gebleicht worden wäre‘. — Vorher erklärt er die Bleichung des Sehpurpurs für Täuschung. Auf welche Beobachtungen sich der Verfasser stützt, ist nicht angegeben. Nach den Beobachtungen von W. Kühne und von Genderen Stort (Helmholtz, Physiol. Optik $ 18 Seite 268 und 269) ist zwar ein Anschwellen der Aussenglieder der Stäbchen durch Lichtwirkung beobachtet worden, auch dass sich hierdurch die Innenglieder der Zapfen zusammenziehen, kürzer und dicker werden nach einer Einwirkung von 10 bis 15 Minuten bei mässigem Tages- licht; aber dies kann doch für das Sehen des lebenden Menschen schwerlich in Betracht kommen. Die Schwartze’sche Fig..7 zeigt bei Linksdrehung die beiden innersten Kreise schwarzblau, die beiden äussersten braun- gelblich, die beiden mittleren Kreise blaugrau mit gelblichen Flimmer- mustern. Die weissen Zwischenräume der innersten Kreise sind hellrosenrot, die der äusseren Kreise grünlich gefärbt. Bei lang- samer Rechtsdrehung erscheinen die zwei innersten Kreise oliv- farbig, die zwei äussersten schwarzblau, die zwei mittleren blaugrün mit Flimmermuster; beim rascheren Drehen, sechs Umdrehungen in der Sekunde, dagegen die zwei innersten Kreise braunrot, die zwei äussersten schwarzblau, die mittleren etwas heller als beim langsamen Drehen mit stärkerem rosafarbigem und gelblichem Muster. Die zwei innersten weissen Flächen sind dabei rosenrot, die zwei weiteren grünlichblau, die äussersten undeutlich grau gefärbt. Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV. 549 Bei Fig. 8 sind nur drei, jedoch 9 mm breite Teilkreise an- gebracht. Die farbige Wirkung ist in Fig. 1 (Tafel VII) für rechts- läufige, in Fig. 2 (Tafel VII) für linksläufige Drehung wiedergegeben.) Eine völlig genaue Wiedergabe ist der fortwährend schwankenden Eindrücke wegen wohl nicht möglich. Die Kreise erscheinen in Wirkliehkeit minder scharf begrenzt als in der Skizze, die Färbungen selbst geben gleichsam eine. Summe von Beobachtungen zusammen- gefasst wieder. Die in dem Mittelkreise auftretenden Flimmerer- scheinungen, in der Farbe zwischen rötlich und gelblich, im Muster zwischen netzförmig und moireartig schwankend, sind gar nicht an- gegeben, während die in allen Kreisen auftretenden hellen Mittelpartien wiedergegeben sind. Die andauernd schwankenden Erscheinungen, die durch den Wechsel von hell und dunkel stetig in Tätigkeit gehaltene Akkommodation der Augen, die die Beobachtung anstrengend gestaltet, verhindern eine ruhige Wirkung beim Beobachter; ausserdem machen sich Beleuchtungsunterschiede und Verschiedenheit in der Disposition des Auges geltend. Eine allmähliche Steigerung der Umdrehungs- geschwindigkeit bewirkt zunächst Aufhellung der Farben, die bei weiterer Steigerung endlich in unbestimmtes Grau übergehen. In Fig. 9 sind die Kreisteile 4 mm breit, also etwa halb so breit wie in Fig. 8. Die Farbenerscheinungen von Fig. 9 sind in Fig. 3 und 4 (Tafel VII) wiedergegeben, aber die Flimmermuster sind darin auch nicht angegeben. In Fig. 3 (Tafel VII) erscheinen letztere in dem zweitinnersten grünen Ring gelblich, in dem folgenden dritten Ringe rötlich, im vierten und fünften undeutlich. In Fig.4 (Tafel VII) erscheint auch der grünliche Ring, jetzt der zweitäusserste Kreis, mit gelblichem Flimmermuster, der folgende weiter nach innen liegende Kreis mit rötlichem Muster und die beiden folgenden weiter nach innen liegenden Kreise mit unbestimmtem Muster; diese Flimmermuster führen sich wohl auf das häufiger wirkende Weiss zurück. Man be- obachtet bei allmählicher Steigerung der Drehungsgeschwindigkeit, dass die Farben der Flimmermuster sich so stark ausbreiten, dass der grünliche Ton ins Gelbe, der bläuliche ins Rotviolette übergeht, die Muster sind nicht mehr erkennbar. — Färbungen, in den weissen Kreisen sind schwer erkennbar, am besten in den innersten Kreisen, welche in einem Falle rot umsäumt, im andern blauumsäumt er- scheinen, während die Kreisflächen an sich zart grau erscheinen. 1) Die farbigen Kreise sind auf Tafel VII nur zur Hälfte wiedergegeben. Der geehrte Leser wolle sich die farbigen Halbkreise als geschlossene volle Kreise ergänzt denken. 590 333 300 283 200 150 C. Baumann: Beim Vergleichen von Fig. 3 und 4 (Tafel VII) fällt der Farben- unterschied der rötlichen Kreise auf; derselbe entsteht durch die Fig. 11. grössere Geschwindigkeit, mit welcher ein Punkt des äussersten Kreises von Fig. 9 sich bewegt im Vergleich zu einem Punkte des innersten Kreises. Fig. 11 gibt die durchlaufenen Bahnen der Kreise der Fig. 9 im Mittel wieder, :des- gleichen das Verhältnis der durchlaufenen hellen und dunklen Strecken. Die Bahn des innersten Kreises ist danach etwa !/s so gross wie die des äussersten Kreises, und im gleichen Verhält- nisse stehen die Geschwindigkeiten zueinander. Die Beobachtungen in unmittelbarer Sonnen- beleuchtung ergeben keine Farben; diese kommen bei dem starken Lichte gar nicht zur Wirkung. In dieser Beziehung verhalten sich die subjek- tiven Farben gerade wie die objektiven. Be- trachtet man nämlich einen Gegenstand, z. B. einen menschlichen Kopf im direkten Sonnen- lichte, so nehmen wir nur starke Schatten- und starke Lichtpartien wahr, zarte Töne kommen gar nicht zum Vorschein. Beobachtet man den- selben Kopf aber bei etwas verdeckter Sonne in einer seitlichen Vorderlichtbeleuchtung, so ist man erstaunt über die grosse Menge von zarten Farben- und Lichttönen, die in einer Fülle von Abstufungen und geradezu überraschender Schönheit auf- treten, und die in gleicher Vollendung wiederzugeben leider noch keines Meisters Pinsel vermocht hat. — Bei abnehmendem Lichte bleiben die roten Töne zuerst aus, also auch entsprechend den objektiven Farben. — Erwähnen will ich noch, dass die Farbenwirkung so stark auftritt, dass die- selbe auf der.Mattscheibe der photographi- schen Kamera deutlich erkennbar ist. Dagegen ergab der im Atelier Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV. Dank Stüting vorgenommene Versuch, die Farben durch selbstfärbende (Lumiere’s Autochrom) Platten festzuhalten, kein anderes Bild als das auf gewöhnlichen Bromsilberplatten hergestellte, was auch vor- auszusetzen war. Weitere Versuche mit Zeichnungen, welche wie Fig. 10 aus- geführt waren, jedoch in den Farben: Chromgelb, Preussisch-Blau, Zinnober und Grün sowie Grau (blasse Tusche), ergaben auch Farbenerscheinungen, welehe jedoch besser erkennbar wurden, als der farbige Halbkreis durch einen schwarzen ersetzt wurde und nur die Kreisteile farbig hergestellt waren. Im letzteren Falle ergab sich für: Gelb: Kaum wahrnehmbare Änderung. Blau, Rechtsdrehung: Mitte ganz hellfarbig mit Rot um- säumt, der zweite Kreis heller als das Original mit roter Flimmer- erscheinung, der dritte Kreis unverändert, der äusserste dunkler blau. Linksdrehung: Der innerste Kreis dunkelblau, der zweite unver- ändert mit rotem Flimmer, der dritte hellblau rosa umsäumt, der äusserste fast unverändert; bei rascher Drehung werden die beiden äussersten Kreise heller und scheinen beide rot umsäumt. . Rot, Rechtsdrehung: Mitte gelblich, zweiter Kreis blassrot, dritter Kreis kräftiger rot, wenn auch minder als das Original, der äusserste Kreis etwas heller als Original. Bei Linksdrehung: Der innerste Kreis kräftig rot mit etwas Karmin, der zweite Kreis blassrot, die beiden äussersten brillantrot mit Gelb verstärkt. | Grün, Rechtsdrehung: Mitte gelb. zweiter Kreis lebhaft grün mit etwas rötlichem Flimmer, der dritte Kreis etwas dunkler als Original, der äusserste etwas heller. Linksdrehung: Mitte dunkel blaugrün, der zweite Kreis lebhaft erün mit etwas rötlichem Flimmer, der dritte Kreis heller grün als Original und in der Mitte deutlich rosa Flimmer, der äusserste vierte Kreis etwas heller grün als Orieinal. Bei raseherem Drehen wird der dritte Kreis fast ganz rosenrot, der vierte wird hellgrüngelblich. Grau, Reehtsdrehung: Farben schwer erkennbar, haupt- sächlich die Helligkeit der Kreise verschieden. Linksdrehung: Der innerste Kreis dunkel, der zweite Kreis dunkler grau mit rosa Flimmer, der dritte gelb, der äusserste Kreis graugelbgrünlich. Aus den Versuchen ergibt sich deutlich, dass wir beim raschen Wechsel von Hell und Dunkel Farben wahrnehmen, und zwar wenn Dunkel an die Stelle von Hell tritt, dunkelviolette und blaue Töne, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 36 559 C. Baumann: Beiträge zur Physiologie des Sehens. IV. im umgekehrten Falle braunrote und rote Töne. Für gelbe und grüne Töne genügen Wirkungen, welche weniger eindrucksvoll sind, als die für blaue und rote Töne. In der Natur finden wir Erscheinungen gleicher Art. Das Blau der Gebirge und der Ferne, das Blau des Himmels, der rotbraun erscheinende schwarze Qualm der Schornsteine werden hervorgerufen dadurch, dass in den ersteren Fällen ein helles Bild auf dunklem Grunde auf die Netzhaut fällt, im letzten Falle ein dunkles mit hellem Grunde. Das Auge nimmt gleichzeitig mehrere Bilder wahr, welche nicht in Wettstreit miteinander treten, sondern sich ergänzen, ähnlich wie ich dies bei den von mir früher mitgeteilten Stereoskop- versuchen (Bd. 95, 1903, S. 357 u. f.) beobachten konnte. Für die Beobachtung der Blauwirkung sind auch die drei schwarzen Kreise auf den gelben Automobilwarnungstafeln an den Strassen geeignet. Bei staub- und dunstfreier Atmosphäre sehen diese Kreise rein schwarz aus; sobald aber Staub oder Dunst in der Luft schweben, erscheinen sie mehr oder minder schwarzblau, wie man beim Vorübergehen wahrnehmen kann. Selbst wenn für das Auge der Staub in der Luft noch nieht wahrnehmbar ist, wird dessen Anwesenheit durch die Blauwirkung verraten. Der Widerstand, den das von den schwarzen Kreisen ausgehende Licht bein Durchgang dureh die staubige oder dunstige Atmosphäre findet, ist schuld an der Färbung. Das gleiche ist bei dem durch die Russschicht hin- . durchgehenden Lichte der Fall, welches vom hellen Himmel her- kommt und infolgedessen rotbraun erscheint. Ob die Intensität des Lichtes oder die Widerstandskraft der durchlaufenen Schicht die vermehrte oder verminderte Ablenkung verursacht, lässt sich nicht ohne weiteres erkennen; wir sehen aber die Wirkung, die sich optisch bemerkbar macht. Die von den rotierenden Scheiben her wirkenden Strahlen folgen so rasch aufeinander, dass sie auf die Netzhaut dieselbe Wirkung ausüben, als wenn sie eleichzeitig einwirkten, wie dies bei den erwähnten Naturbildern der Fall ist. — Dass beiın Beobachten der rotierenden Scheiben Ermüdungserscheinungen mitwirken, ist bei der starken Inanspruchnahme der Akkommodationstätigkeit leicht erklär- lich, und dass manche Menschen in den ersten Augenblicken der Beobachtung noch keine Farben wahrnehmen, rührt daher, dass die Alkommodation in dieser Zeit rascher vor sich geht als nachher. 995 (Aus dem physiologischen Laboratorium an der Universität Kiew.) Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. Von Dr. Baron E. Maydell. (Mit 5 Textfiguren.) Die Frage von der Ermüdung der Nervenzentren behandelt ver- hältnismässig wenig Arbeiten. Indessen erscheint diese Frage sehr interessant und letzteres um so mehr, da die Forscher, welche sich mit derselben in Kliniken sowohl wie in Laboratorien beschäftigten, völlig entgegengesetzte Resultate erzielt haben.. Während z. B. Max Verworn?), Sternberg?), Scheven?°) und in letzter Zeit Klarfeld*), Jotejko*) u. a.°) eine Ermüdung der reflektorischen Tätigkeit feststellten, bezweifelten Langendorf°), Fano’) dieselbe und behaupteten das Gegenteil. Wie bekannt, muss man bei Untersuchungen von Reflexen bei Tieren, im besonderen bei Fröschen, in der Mehrzahl der Fälle die reflektorische Reizbbarkeit künstlich erhöhen. So benutzten Verworn!), Langendorf‘), Fano’) u. a. Strychnin. — Andere aber benutzten dazu niedrige Temperatur ®). Der Aufforderung des Herrn Prof. W. J. Tsehagowetz folgend, versuchte ich, diese Frage auf anderem Wege zu lösen. Wie be- 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1900. Suppl.-Bd. S. 152. 2) Sitzung d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1891 S. 100. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 108. 1907. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 404. 1907. 5) Beehterew, Über Ermüdung des Sehnenreflexes. Neurol. Zentralbl. Bd. 1902. — Weiler, Untersuchungen des Kniesehnen-Reflexes bei Menschen. Zeitschr. f. ges. Neurol. u. Psychiatrie 1910. 6) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1880 S. 552. 7) Arch. ital. de biol. lib. 39 p. 122. 1902. 8) Tarchanow, Bull. Acad. imp. d. Science de St. Petersburg t. 16 p. 283. 1871. 36 * 554 Baron E. Maydell: kannt, bewies Leduc!) im Jahre 1902, dass beim Durchfliessen eines unterbrochenen galvanischen Stromes von bestimmter Häufig- keit der Schwingungen und Stärke durch den Körper eines Tieres (Katze, Hund, Kaninchen) und des Menschen bei diesen Tieren wirklicher Schlaf mit unberührten Reflexen, geschwächtem Schmerz- gefühl, normalem Herzschlag und Atmung eintritt, wobei man diesen Schlaf unbestimmt lange erhalten kann. Nach der Unterbrechung eines solchen Stromes gelangt das Tier sofort zu sich, und keine Spuren irgend einer Ermüdung sind nach diesen Versuchen an ihm bemerkbar. Nun kann man aber bei einem solchen, an einem Frosche in einem bestimmten Stadium desselben angestellten, Versuche eine ziemlich grosse Erhöhung der Reflexe erhalten’). Es genügt, die Haut eines solchen Frosches mit irgend etwas zu berühren, das Brettehen, auf dem ein solcher Frosch angebracht ist, in ein leichtes Schwanken zu bringen, oder auf den Frosch zu blasen, um starke Konvulsionen aller Muskeln hervorzurufen, wie dies bei Strychninvergiftung der Fall ist 2): Bei einem solchen Zustande des Frosches ist es sehr leicht möglich, die reflektorischen Kontraktionen des M. gastrocnemius durch Reizungen vermittelst Induktionsschläge des N. ischiadieus auf der anderen Seite aufzunehmen. Es wurde nun beschlossen, an solehen Fröschen die graphische Verzeichnung einer ganzen Reihe aufeinanderfolgender reflektorischer Kurven zu versuchen und die Latenzzeit solcher Kurven, d. h. die Latenzzeit des Reflexes, zu definieren. Der Versuch wurde, wie aus dem beigegebenen Schema zu er- sehen ist, folgendermaassen angestellt: Man befestigt den Frosch mit Korkstreifen und Stecknadeln auf ein Brettehen. An einer der hinteren Extremität präpariert man den M. gastroenemius und verbindet ihn mit dem Myo- graphen M; an der anderen Extremität präpariert man den N. ischiadieus. In die Kette des elektrischen Stromes E& (5 Volt) führt man die Stimmgabel Xm mit bestimmter Schwingungszahl, den Schlüssel X, und den Reostat A mit beweglichem Kontakt (Schieber) 1) Compt. rend. de l’Acad. de Science de Paris t. 75. 1900. 2) Prof. W. J. Tschagowetz, Über die Veränderung der reflektorischen Erregbarkeit bei Einwirkung des intermittierenden galvanischen Stromes auf das Zentralnervensystem. Pflüger’s Arch. Bd. 146 S. 567. 1912. Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. 555 ein, wodurch man einen Strom von gewünschter Stärke in die zweite Kette RAK,, welche mit zwei Elektroden in Form von Blechstücken von der Grösse eines Quadratzentimeters endigt, ableiten kann. Fig. 1. Diese Elektroden bedeckt man mit einer dünnen Schicht von mit physiologischer Kochsalzlösung durchtränkter Watte und legt letztere so auf, dass der positive Pol (+) auf dem Kreuzbein des Frosches, 556 Baron E. Maydell: der negative Pol (—) aber auf seinem Schädel liest. In dieser zweiten Kette ist zum Zwecke der Regulierung des Verlaufs des Versuchs und der Verzeichnung der Stärke des aufsteigenden Stromes der Milliamperometer A und der Schlüssel X, angebracht. Was den Induktionsapparat betrifft, so verbindet man die primäre Spirale desselben mit der Elektrizitätsquelle #, dem Schlüssel X, und dem Zeitmesser Z, der den Moment der Schliessung und Öffnung des Stromes in der primären Spirale anzeigt. Von der sekundären Spirale ZI führt man ebenfalls eine Kette, in welche der Schlüssel K, eingeführt ist, und welche mit zwei Elektroden endigt, die unter den präparierten N. ischiadicus geführt sind. Als Richtung des Induktionsschlages wurde immer die aufsteigende gewählt, um der Wirkung des Anelektrotonus vorzubeugen. Mit Hilfe der oben be- ° schriebenen Vorrichtungen ist es möglich, einen aufsteigenden Strom von beliebiger Schwingungsanzahl und Stärke durch den Frosch durch- zulassen und, wie auf einer Klaviatur, auf den nebeneinander auf- gestellten Schlüsseln X,—X, spielend, den N. ischiadieus mit Schliessungs- und Öffnungsschlägen zu reizen; dadurch eben ist es möglich, eine Kontraktion des M. gastroenemius auf der entgegen- gesetzten Seite hervorzurufen. Dabei wird die Regelmässigkeit der Intervalle zwischen den einzelnen Reizungen leicht durch die Schläge eines Metronoms reguliert. Wie aus der Fig. 1 zu ersehen ist, wird die Bewegung des Myographen M und des Reizungsanzeigers auf einer berussten Trommel aufgezeichnet, auf welcher ebenfalls der Zeitmesser von Jaquet jede "/s Sekunde anmerkt. Auf eine solche Art wurde eine ganze Reihe Tabellen von Kurven erhalten und die Latenzzeit summiert. Ich erlaube mir, wenn auch nur in kurzen Umrissen, die Pro- tokolle einiger von mir angestellten Versuche zu beschreiben, wobei in allen angeführten Protokollen die erste und dritte Reihe der Zahlen die Latenzzeit in Sekunden, die zweite und vierte die Höhen der Kurven in Millimetern anzeigt. | Frosch R. esculenta, E — des aufsteigenden Stromes 5 Volt, Häufigkeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Stromes 0,55 Milliamp., Rollenabstand der Induktionsspiralen 17, Belastung des Muskels 10 g. Es wurden sieben Kurven mit einem Intervall von 5 Sekunden notiert 997 Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. 280 alt) 038 0L'68 [3 0L6 0 0L'LE gu v ojjpqeL :T 9Aıuy 130 c20 00'3L 00'9L (6L°0 0LL'O 0477 oL’Er LET 00'9F 00'83 0L'8PL OLE 09'%9 558 Baron E. Maydell: Tabelle A. ER Höhe B Höhe Latenzzeit der Kurven Latenzzeit der Kurven Sek. je mm Sek. mm 0,15 46,50 0,27 12,00 0,20 45,20 0,29 8,20 0,22 23,00 0,32 1,50 0,25 16,00 Nach einer Ruhepause von 15 Minuten notierte derselbe Muskel unter denselben Bedingungen zehn Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Tabelle B. Rn Höhe AR Höhe Latenzzeit der Kurven Latenzzeit der Kurven Sek. mm Sek. mm | 0,10 60,50 0,15 30,20 0,11 | 48,20 0,15 25,90 0,12 | 35,10 0,20 12,70 0,15 | 30,60 Va 26,00 0,16 22,10 0,25 1,10 15. Februar. Frosch R. eseulenta. Aufsteigender Strom Z=5\., 250 Unterbrechungen in der Sekunde, Stärke des Stromes 0,75 Milliamp., Rollenabstand 10 em, Belastung des Muskel 10 ge. Tabelle III. Neun Kurven mit Intervallen von 3 Sekunden. Höhe Höhe Latenzzeit der Kurven Latenzzeit der Kurven Sek. mm , Sek. mm 0,10 75,10 0,12 | 41,10 0,12 64,50 0,15 16,20 0,15 3870 0,17 11,10 0,15 42,00 0,10 27,20 0,05 | 56,90 Tabelle IV folete der Tabelle III nach 15 Minuten, und der- selbe Frosch notierte unter denselben Bedingungen zehn Kurven mit Intervallen von 3 Sekunden. Ilölıe - Höhe Latenzzeit der Kurven Latenzzeit der Kurven Sek. mm - Sek. nm 0,05 63,50 0,20 2,00 0.10 59,10 0,15 3,10 0,12 41,70 | 0,15 4,00 0:5. 29,00 : VE) f 0,17 = 12,10 0,20 11,0U -q no oPqgeL :z 9Alny 08T'0 \ 0210 00T'0 N a TER ge OREELE RN OSTSEITE ATTTTTTTTTTTTTTTTETTITTTTTTTT] 00'9% i 09°G 08 09°08 = & Par De. =] {eb} S [= ® > - {eB} A = [eB) ge) on a >} rS s =) | 63 = {eb} rS [>| [e} > {eb} on S _ FE ee = N 560 Baron E. Maydell: 24. Februar. Frosch R. temporar. Aufsteigender Strom E=5\.. Häufiekeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Stromes 0,45 Milliamp.., Belastung des Muskels 10 ’z, Rollenabstand 4 em. Tabelle VI von vier Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. : Höhe Latenzzeit Kae mm mm 0,17 38,10 0,20 26,00 0,25 8,50 0,15 10,70 4. März. Frosch R. temıporar. Aufsteigender Strom ?=5\., Häufigkeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Strones 0,50 Milliamp.. Rollenabstand 10 em, Belastung des Muskels 10 eg. Tabelle VII von sieben Kurven mit Intersallen von 4 Se- kunden. ! Höhe R Höhe Latenzzeit er Rnen Latenzzeit der Kurven mm mm Sek. mm 0,12 85,00 0,22 20,00 015 718,50 0,25 22,00 0.22 52,50 0,32 100 0,20 32,70 Nach einer Ruhepause von 15 Minuten wurde unter denselben Bedingungen eine Reihe von Kurven und nach einer neuen Ruhe- pause von 15 Minuten noch eine Reihe von Kurven, die in den Tabellen A und B verzeichnet sind, notiert. Tabelle VIIIA von sieben Kurven mit einem Intervall von 4 Sekunden. . Höhe F | Höhe Latenzzel der Kurven zz | der Kurven Sek. mm Sek. mm 0,15 78,50 0,19 81,70 0,17 73,10 0,20 12,50 0,15 71,10 0,17 27,70 0,17 60,70 Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. 561 Tabelle VIII B. Acht Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 84,00 83,00 77,00 32,00 Latenzzeit Sek. 0,15 0,12 0,20 0,12 Höhe der Kurven mm 40,10 69,10 4,10 72,50 Frosch R. temporar. Aufsteigender Strom ZE—=5 V., Häufigkeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Stromes 0,45 Milliamp., Rollen- abstand 10 cm, Belastung des Muskels 10 ©. Tabelle IX A. Neun Kurven mit Intervallen von 5 Sekunden. Latenzzeit Sek. 0,12 0,15 0,15 0,15 0,17 Höhe der Kurven mm 65,50 51,10 48,70 46,00 43,10 Latenzzeit mm Höhe der Kurven mm 44,50 37,10 39,10 35,20 Nach einer Ruhepause von 10 Minuten wurden wiederum neun Kurven mit Intervallen von 5 Sekunden notiert. Latenzzeit Sek. 0,12 0,15 0,09 0,16 0,17 Höhe der Kurven mm 64,70 42,10 58,00 34,10 27,00 Latenzzeit Höhe der Kurven mm 26,70 24,10 29,10 21,10 Nach einer Ruhepause von 15 Minuten wurde von demselben Frosch eine Reihe von Kurven notiert, und nach einer wiederholten Ruhepause von 10 Minuten zeichnete derselbe Frosch eine ganze Reihe von Kurven auf, deren Daten in Zahlen die Tabelle X anführt. Tabelle X A. Zehn Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 55,50 44,10 43,00 33,50 31,70 Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 34,70 40,50 15,00 97,10 26,50 962 Baron E. Maydell: Tabelle X B. Zehn Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Latenzzeit Sek. 7. März. R. esculenta. Höhe der Kurven mm 45,10 40,70 41,70 34,00 39,00 Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 34,00 310 49,70 20,00 31,10 Aufsteigender Strom E = 5 V., 250 Schwingungen in der Sekunde, Stärke des Stromes 0,6 Milliamp., Rollenabstand 10 cm, Belastung des Muskels 10 g@. Tabelle XIIA. Zehn Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Latenzzeit Sek. Tabelle XIIB. Höhe der Kurven mm 24,00 23,00 ° 21,50 20,00 19,10 Latenzzeit Sek. 0.12 0,07 0,10 0,12 0,12 Höhe der Kurven Zehn Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden. Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven ccm 22,50 20,50 19,70 19,70 22,00 R. esculenta. Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 18,50 18,70 18,70 18,10 18,00 Aufsteigender Strom E = 5 V., Häufigkeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Stromes 0,75 Milliamp., Belastung des Muskels 10 g. Tabelle XV1. kunden. Sechs Kurven mit Intervallen von 3!/2 Se- e Höhe ® Höhe Latenzzeit der Kursen Latenzzeit dern Sek. mm Sek. mm 0,13 37,50 0,16 5,00 0,14 28,10 0,17 4,00 0,15 8,10 0,18 2,50 Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. 563 Nach einer Ruhepause von 10 Minuten notierte derselbe Muskel sieben Kurven mit Intervallen von 31/a Sekunden. 5 Höhe : Höhe Latenzzeit deräkkurren Latenzzeit Aa Ken Sek. mm Sek. mm 0,15 22,10 0,21 16,00 0,17 26,10 0,22. 15,00 0,18 20,10 0,22 7,50 0,20 11,10 - Tabelle XVIII wie auch Tabelle XVII wurde von demselben Frosche nach einer Ruhepause von 15 Minuten notiert; unter den- selben Bedingungen wurden zehn Kurven mit Intervallen von 3!/2 Se- kunden notiert. Latenzzeit Sek Höhe der Kurven mm Latenzzeit Sek Höke der Kurven . . mm 0,26 0,27 0,28 0,29 0,30 29,10 26,00 23,00 25,10 26,00 Nach 10 Minuten notierte derselbe Frosch unter denselben Be- dingungen noch drei Kurven mit Intervallen von 3!/e Sekunden. Latenzzeit Höhe der Kurven mm Frosch R. eseulenta. Aufsteigender Strom E —= 5 V., 250 Unter- brechungen in der Sekunde, Stärke des Stromes 0,90 Milliamp., Rollenabstand 10 cm, Belastung des Muskels 10 g. Tabelle XX von fünf Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden: Latenzzeit Sek. Höhe der Kurven mm 40,50 88,00 40,00 Latenzzeit Sek. 0,34 0,44 Höhe der Kurven mm 6,00 6,00 964 Baron E. Maydell: Nach 10 Minuten wurden noch sechs Kurven mit Intervallen von 4 Sekunden erhalten: : Höhe . Höhe Latenzzeit daran Latenzzeit der Ken Sek. nm Sek. mm 0,20 15,10 0,26 7,00 0,17 10,70 0,51 9,10. 0,24 6,00 0,71 4,10 6. April. Frosch R. temporar. Aufsteigender Strom #=5\., Häufigkeit der Unterbrechungen 250, Stärke des Stromes 0,6 Milli- ampere, Rollenabstand 10 em, Belastung des Muskels 10 g. Tabelle XXIV von zehn Kurven mit Intervallen von 4!/2 Se- kunden: : Höhe i Höhe Latenzzeit der Kurven Latenzzeit der Kurven Sek. mm Sek. mm 0,20 9,00 0,22 11,00 0,22 14,00 0,28 10,00 0,15 15,00 0,33 7,00 0,22 13,00 0,32 11,10 0,27 9,00 0,32 9,50 Nach einer Ruhepause von 15 Minuten notierte derselbe Muskel fünf Kurven mit Intervallen von 3Y2 Sekunden. Tabelle XXV: F Höhe ; Höhe Latenzzeit derkursen Latenzzeit Derukenven Sek. mm mm mm 0,07 18,00 0,15 24,70 0,12 20,50 0,17 22,00 0,17 14,70 Aus allen hier angeführten 22 Tabellen (die Zahl aller Tabellen überschreitet 40) kann man zwei Gruppen bilden. Erste Gruppe. Hierher gehören jene Tabellen (solcher Tabellen gibt es hier neun), in denen die Höhen einzelner Kurven sich regelmässig oder fast regelmässig vermindern, d.h. es gibt hier keine starken Schwankungen zwischen den Höhen der Kurven. Zweite Gruppe. Hierher gehören jene Tabellen, in denen nach zwei, drei oder einer ganzen Reihe der Höhe nach ab- Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. 565. uehmender Kurven ein starker Sprung aufwärts bemerkbar ist, d. h. eine oder mehrere Kurven sind ihrer Höhe nach bei weitem grösser als die vorhergehenden Kurven (solcher Tabellen gibt es hier 13). Als allgemeines Gesetz gilt in allen erhaltenen Tabellen ein all- ınähliches Abnehmen der Höhe der Kurven, welche mehr oder weniger rasch und mehr oder weniger scharf bis auf Null abnelımen. Beim Summieren der Latenzperiode des Reflexes, das auf solche Art er- folgt, dass dem Nonius nach der Zeitraum zwischen dem Momente der Reizung und dem Anfang der Kurve definiert wurde, erklärte sich eine sehr interessante Erscheinung, nämlich, dass die Latenz- periode bei jedem folgenden Zusammenziehen zunahm. Hierbei ist die Gesetzmässiekeit zu bemerken, dass je mehr die Höhe der Kurven abnimmt, die Latenzperiode desto mehr zunimmt und um- gekehrt. Zur Bekräftigung des Obengesagten führe ich hier zwei Tabellen an, wobei die unteren Zahlen der Tabellen die Latenz- periode vor jeder reflektorischen Kurve angegeben, die oberen Zahlen aber die Höhen der Kurven in Millimetern anzeigen. In ‚len anzeführten Tabellen A und B nahm die Latenzperiode auf zehn Kontraktionen fast dreifach zu. Aus den Tabellen C und D, wo die unteren und oberen Zahlen dieselbe Bedeutung wie in den Tabellen A und B. haben, sind nach einer Reihe abnehmender Kurven viel grössere als die vorhergehenden Kurven und alsdann nach ihnen eine Reihe wiederum abnehmender Kurven zu bemerken. Beim Summieren der Latenzperiode solcher Tabellen (als Beispiel dienten die angeführten Tabellen C und D) erklärte sich die Eigentümliehkeit, dass eine jede solche Kurve — wollen wir sagen anormale Kurve — stets eine im Verhältnis zu den vorhergehenden mehr oder weniger stark verringerte Latenzperiode besitzt. Falls einer solchen stark zusenommenen Kurve wiederum eine Reihe abnehmender Kurven folet, so verlängert sich wiederum auch die Latenzperiode. Aus den in den Tabellen für die Latenzperiode angeführten Zahlen ist zu ersehen, dass die Anfangszahlen, d. h. die Zahlen am Anfang der Reihe der Kurven in den Grenzen zwischen 0,05-—0,07 bis 0,15—0.20 Sekunden schwanken. Die Endzahlen, d. h. die Zahlen, die man erhält, wenn die Kurven bis zur Null abnehmen oder der Reflex schon überhaupt nicht mehr erfolgt, schwanken in den Grenzen zwischen 0,15—0,17 bis 0,20—0,32 Sekunden, wobei einmal die Zahl 0,44 und einmal die Zahl 0,71 vorkam. 566 Baron E. Maydell: Zur Frage von der Ermüdung der Nervenzentren. Was den Wert der von mir benutzten Methode im Verhältnis zu anderen Methoden, die bei der Erörterung derselben Frage be- nutzt wurden, anbelangt, so hat unsere Methode einige Vorteile. So wählten Fano!), Verworn!) u. a. als Stelle zur Erhaltung des Reflexes die Haut, wobei einige Forscher dieselbe unmittelbar berührten, andere dagegen, wie z. B. Fano, dieselbe mit sehr kurzen Tetanus reizte. Auf diese Weise wurden die Bedingungen für eine Summierung der Reize erhalten. Die von mir benutzte Methode gestattet die Möglichkeit, diese Frage auf etwas anderem Wege zu entscheiden, nämlich, sie macht es möglich, eine ganze Reihe reflektorischer Kurven von Einzelinduktionsschlägen zu erhalten. Diese Methode gestattet ferner die Möglichkeit, die Frage von der Ermüdung der reflektorischen Tätigkeit auf etwas anderem Wege anzugreifen, als dies bisher erfolgte, und führt zu be- merkenswerten Resultaten, die zugunsten dem reden, dass die reflektorischen Zentren des Frosches hinsichtlich einzelner Induktions- schläge unbedingt Ermüdung aufweisen. Zum Schlusse dieser meiner vorläufigen Arbeit spreche ich hier meinen tiefsten Dank dem Herrn Prof. W. J. Tschagowetz aus, für das mir vorgeschlagene, so interessante Thema und die wert- vollen der von mir bei der Lösung der gestellten Aufzabe benutzten Hinweise. Dale: Über die Veränderung der reflektorischen Erregbarkeit bei Einwirkung des inter- mittierenden galvanischen Stromes auf das Zentralnervensystem. Von Dr. W. Tsehagowetz, Professor der Physiologie an der Kais. St. Wladimir-Universität in Kiew. Als ich, bald nachdem Leduc seine Versuche mit dem „elek- trischen Schlafe“ veröffentlicht hatte, der bei Tieren dadurch hervor- gerufen wird, dass man den intermittierenden galvanischen Strom in aufsteigender Richtung durch Rückenmark und Gehirn hindurch- gehen lässt!), mit der Nachprüfung dieser Erscheinungen beschäftigt war?), lenkte eine interessante Erscheinung meine Aufmerksamkeit auf sich, und zwar — eine bedeutende Erhöhung gewisser Formen der reflektorischen Erregbarkeit, die in besonders scharf ausgeprägtem Grade beim Frosche hervortritt. Da diese in vieler Hinsicht sehr interessante Erscheinung — so- weit mir bekannt — in der physiologischen Literatur noch nicht behandelt worden ist, so möchte ich hier einige von mir bei der Wiederholung der Leduc’schen Versuche gemachten Beobachtungen mitteilen. Versuche an Warmblütern. Meine Versuche wurden an Hunden, Katzen und Kaninchen angestellt. Am anschaulichsten gestalten sich die Versuche an Katzen, weil sich dieselben während des Versuches stets sehr unruhig ver- halten, weshalb die Momente des „Einschlafens* und „Erwachens“ nach der Öffnung des Stromes besonders in die Augen fallen. Ich habe denn auch die Mehrzahl meiner Versuche an Katzen angestellt. 1) Compt. Rend. de l’Acad. de Paris t. 35 p. 199. 1902. — Compt. Rend. de la Soc. de Biol. t. 54 p. 1297. 2) Obosrenie Psychiatrii 1906 (russisch). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 37 568 W. Tschagowetz: Nach vorausgegangenem Scheren des Haares am Kopfe und in der Kreuzbeingegend wird das Tier in der Rückenlage am Operations- tisch festgebunden. Auf Kopf und Kreuzbein werden zwei längliche Blechplatten gesetzt, die als Elektroden dienen, wobei man zwischen. Körper und Blech eine Lage mit 1—2°/oiger Kochsalzlösung an- sefeuchtete Watte lest. Als Stromunterbrecher dienten mir ent- weder Stimmgabeln mit 100 und 240 Schwingungen in der Sekunde, oder für weniger frequente Unterbrechungen der Neff’sche Hammer eines Schlitteninduktoriums, wobei der Körper des Tieres als Seiten- kette an den in die Hauptkette, in der sich die Stimmgabel befand, eingeschaltete Rheochord oder den Rheostaten angeschlossen wurde. Indem man den Widerstand des letzteren ändert, kann man leicht einen Strom von gewünschter Stärke in den Körper des Tieres ab- zweigen. Die Stärke desselben wurde nach der Ablenkung des Zeigers des Amperemeters bestimmt, der in die gleiche Kette mit dem Tierkörper eingefügt wird. Die weiter unten angeführten Zahlen, die die Stromintensität in Milliamperen ausdrücken, beziehen sich auf die Ablenkung des Zeigers während der Stromunterbrechungen. Bei dauernder Stromsehliessung erhielt man in den entsprechenden Fällen bei der Stimmgabel von 100 Schwingungen in der Sekunde zwei- bis viermal grössere Ablenkungen und bei der Stimmgabel von 240 Schwingungen vier- bis achtmal grössere. Wenu man unter solchen Bedingungen den intermittierenden galvanischen Strom in der Weise schliesst, dass er in aufsteigender Richtung durch den Tierkörper geht, und, beginnend mit Ye—1 Milli- ampere, allmählich seine Intensität erhöht, so gelangt die folgende Aufeinanderfolge von Erscheinungen zur Beobachtung. Anfangs zeigt das Tier keinerlei Anzeichen von Beunruhigung während des Durch- sehens des Stromes, es zuckt nur leicht beim Öffnen und Schliessen desselben zusammen; sodann (bei 2—5 Milliamp.) sind die Kenn- zeichen starker Unruhe während der ganzen Zeit der Strom- schliessung zu bemerken, wobei jedoch das Tier augenscheinlich kein anderes Gefühl empfindet ausser dem gewöhnlichen unangenehmen Gefühl, das der intermittierende Strom hervorruft. Wird die Strom- stärke noch mehr erhöht (gesen 10 Milliamp.), so tritt bei jeder Schliessung desselben eine kurze Zeit andauernder tonischer Krampf aller Muskeln des Körpers ein, der aber nach einigen Sekunden spontan aufhört. Wenn mıan schliesslich einen noch stärkeren Strom (15—20 Milliamp.) nimmt, so ruft jede Schliessung desselben einen Uber die Veränderung der reflektor. Erregbarkeit bei Einwirkung etc. 569 starken, allgemeinen. tonischen Krampfzustand mit Stillstand der Atmung hervor, der während der ganzen Schliessungszeit anhält und schliesslich in den Tod übergehen kann. Wenn man nun, nachdem das Tier zuerst in einen solchen alleemeinen tetanischen Krampfzustand versetzt worden ist, den Strom so weit abschwächt, dass der Tetanus aufhört, so tritt im Zustande des Tieres eine stark ausgeprägte Veränderung auf. Der fortdauernde Strom (5—10 Milliamp.) ruft keine Muskelbewegungen mehr hervor; das Tier liest völlig ruhig da, gleichsam als wäre es von Schlaf oder einer Art von allgemeiner Hemmung befangen; Atmung und Puls sind augenscheinlich normal, obwohl die Atmung in der Mehrzahl der Fälle etwas beschleunigt ist. Die losgebundenen Extremitäten bleiben die ganze Zeit über ohne jede Spur von will- kürlichen Bewegungen, sie befinden sich aber nicht im Zustande völliger Prostratione Wenn man der Extremität irgendeine un- bequeme Lage gibt, so kann dieselbe langsam spontan die normale Lage annehmen, ganz so, wie das bei schlafenden Menschen und Tieren beobachtet wird. Eine von meinen Katzen gab hierbei während des Versuches schnurrende Laute von sich, die denen ähr- lieh waren, die diese Tiere öfters beim Einschlafen ertönen lassen. Äusserst eigenartige Veränderungen beobachtet man in bezug auf die Schmerz- und taktilen Reflexe. Wenn man eine Hautfalte erfasst und sie vorsichtig, d. h. ohne starke Bewegung, mit einer Nadel durchsticht, so ruft das von seiten des Tieres nicht die geringste Reaktion hervor. Umgekehrt bemerkt man, wenn der Stich mit gewisser Kraft geführt wird (Hinzutreten der taktilen Empfindung ?), eine Kontraktion in den nächstgelegenen Muskel- gruppen oder sogar in der ganzen Extremität; dasselbe erfolgt beim Beklopfen, Kneifen uud dergleichen kurzdauernden und zu- gleich starken Reizungen. Ebenso lässt sich leicht eine beträcht- liche Erhöhung der Sehnenreflexe, z. B. des Kniereflexes beobachten, wobei der Umstand in die Augen fällt, dass diese Erhöhung in enestem Zusammenhange mit der Stärke des verwendeten Stromes steht: am deutlichsten tritt dieselbe bei solehen Stromstärken hervor, die unmittelbar denjenigen voraufgehen, bei denen bereits allgemeine Krämpfe auftreten. | Der einmal eingetretene Schlaf kann bei fortdauerndem Strome .lange Zeit hindureh unterhalten werden, wobei die Stromintensität im Verlaufe des Versuches vorsichtig bis auf 1-2 Milliamp. ab- = 570 W. Tschagowetz: geschwächt werden kann, ohne dass das Tier aufwacht. Nach Unter- brechung des Stromes lässt sich das Tier sofort in «den normalen Zustand zurückversetzen. Ich habe jedoch im Gegensatz zu Ledue nur in seltenen Fällen die Beobachtung machen können, dass das Tier unverzüglich nach dem Aussetzen des Stromes erwachte und von selbst auf die Füsse sprang; in der Mehrzahl der Fälle bleibt es eine gewisse Zeit lang unbeweglich liegen, indem es sich gleich- sam in einem Zustande der Erstarrung befindet, aus welchem es aber unverzüglich zu sich kommt, wenn man es anruft, ihm einen Stoss versetzt usw. Nach dem Erwachen sind sogar bei einer langen Versuchsdauer keinerlei Besonderheiten, die auf irgend eine schäd- liche Wirkung des Stromes, eine Betäubung usw. hinweisen, zu bemerken, wenn nur hierbei keine langandauernde oder wiederholte Anwendung sehr starker Ströme erfolgte, die Krämpfe hervorrufen. Im letzteren Falle ist nach dem Erwachen eine gewisse Betäubung des Tieres und nicht selten ein paretischer Zustand (schwankender Gang) und mitunter eine vollkommene Paralyse der Extremitäten, insbesondere der hinteren, zu bemerken. Doch alle diese Er- scheinungen verschwinden nach kurzer Zeit völlig. Bei der Wiederholung der Versuche habe ich auch keinerlei schlimme Folgen beobachtet. Gemäss den Beobachtungen von Leduc gelingen die Ein- schläferungsversuche am besten bei einer Unterbrechungsfrequenz von 150 und 200 in der Sekunde. Leider stand mir keine genügende Anzahl von Stimmgabeln mit verschiedener Schwinguneszahl zur Verfügung, so dass ich nicht die Möglichkeit hatte, die Richtigkeit dieser Beobachtung nachzuprüfen. Doch bei der mir zugänglichen Gradation der Frequenz, mit der ich experimentierte (Stimmgabeln von 100 und 240 Schwingungen in der Sekunde und der Neff’sche Hammer, mit dessen Hilfe man die Frequenz von 70 bis auf zwei- bis dreimal in der Sekunde variieren konnte), vermochte ich keinen besonderen Unterschied in der Schnelligkeit und Leichtiekeit, mit denen der Schlaf bei verschiedener Frequenz eintritt, zu bemerken; ausgenommen waren nur die sehr Jangsamen Unterbrechungen (weniger als 20 in der Sekunde), bei denen stärkere Ströme schon keinen andauernden Tetanus, sondern nur einzelne Zuckungen des ganzen Körpers hervorrufen. Bei einer Frequenz von 30—-40 mal in der Sekunde tritt der Schlaf aber ziemlich leicht und vollkommen ein. Ich habe auch die Wirkung des konstanten Stromes in der Über die Veränderung der reflektor. Erregbarkeit bei Einwirkung etc. 571 gleichen Richtung geprüft. Zu diesem Zwecke brachte ich genau ebenso wie bei den Versuchen mit dem intermittierenden Strome zuerst rasch die Stromstärke auf solch eine Höhe, bei welcher all- gemeine Krämpfe auftreten (20—40 Milliamp.), liess den Strom im Verlauf von einigen Sekunden in solch einer Lage geschlossen, worauf ich seine Stärke bis zum Verschwinden der Krämpfe abschwächte. Das Tier blieb eben unbeweglich und in den gleichen „Schlaf“ ver- sunken wie beim intermitterenden Strome, wobei sich genau ebenso die Schmerzempfindlichkeit als herabgesetzt und die Sehnenreflexe als erhöht erwiesen. Doch der Schlaf zeichnete sich stets durch geringere Tiefe aus, so dass öfters ein spontanes Erwachen erfolgte, während der Strom geschlossen blieb. Der Schlaf erweist sich als tiefer, wenn vorher ein stärkerer Strom im Laufe einer längeren Zeit hindurchgeleitet wurde; hierbei kann aber der Tod eintreten. Anderseits ist, wenn nach Eintritt des durch den intermittiereuden Strom hervorgerufenen Schlafes derselbe durch den konstanten er- setzt wird, dieser letztere imstande, das Tier lange Zeit im schlafenden Zustande zu erhalten. Versuche an Fröschen. Leduce beschreibt in seiner Arbeit Versuche, die ausschliesslich an Warmblütern angestellt wurden. Um eine allseitigere Beleuchtung der Frage vom theoretischen Standpunkt zu ermöglichen, habe ich eine Reihe von gleichen Versuchen an Fröschen angestellt. Die Versuchsanordnung bleibt im allgemeinen dieselbe wie bei den an den Warmblütern angestellten Versuchen. Der Frosch wird rück- linss auf einem Korktäfelehen mit Hilfe von dicken, durch das Täfelehen durchgesteckten und auf der unteren Seite desselben ver- knüpften Bindfadenschlingen fixiert. Die letzteren müssen derartig angelest sein, dass sie alle vier Extremitäten an ihren Abgangs- stellen vom Rumpf sowie Brust und Bauch umfassen. Man kann das Tier auch mit Hilfe von dünnen Korkstreifen, die dasselbe an das Täfelchen andrücken und mit ihren Enden durch Stecknadeln an das letztere festgesteckt sind, fixieren. Zum Hindurchleiten des Stromes dienen die gleichen Blechelektroden, deren jede eine gegen 2 gem haltende Fläche aufweist; diese Elektroden werden mit einer dünnen Schicht von mit physioloeischer Kochsalzlösung getränkter Watte bedeckt und unter den Kopf und den unteren Teil des Rückens appliziert. 972 W. Tschagowetz: Wenn man nun beginnt, durch den Frosch den aufsteigenden intermittierenden Strom hindurchgehen zu lassen, so gelanet bei allmählicher Verstärkung desselben die gleiche Reihe von Er- scheinungen zur Beobachtung wie bei den Warmblütern, d. h. zuerst Unruhe des Tieres, sodann Krämpfe, die nur im Moment der Schliessung und Öffnung des Stromes auftreten und während seines Hindurchgehens fehlen, und schliesslich ein alleemeiner andauernder Tetanus. Die Gradation der Stromstärken, bei denen diese Er- scheinungen auftreten, ist entsprechend den geringeren Dimensionen des Frosches annähernd zehnmal schwächer als die bei den Versuchen mit den Warmblütern beobachteten, d. h. sie schwankt zwischen 0,1—1,0 Millianp. Wenn man, nachdem der Frosch bis zum allgemeinen kontinuier- lichen Tetanus gebracht worden. die Stromintensität bis zu derjenigen Grenze abschwächt, wo derselbe dem Ruhezustande Platz macht, so erweist sich das Tier als völlig unbeweglich, in demselben Zustande allgemeiner Depression daliegend, in den auch die Warmblüter ver- fallen. Allein hierbei fällt sofort die übermässige Erhöhung der taktilen Reflexe in die Augen, die, wie bereits oben erwähnt, bei den warmblütigen Tieren allerdings auch, jedoch weitaus nicht in solchem Grade beobachtet wird. Das beim Frosch unter solchen Bedingungen zur Beobachtung gelangende Bild erinnert vollkommen an das der Strychninvereiftung: es genügt, wenn man den Körper des Tieres mit dem Finger berührt, wenn man es anbläst, mit der Hand auf den Tisch schläst u. dgl., damit ein starker Anfall von allgemeinen tonischen Krämpfen von genau derselben Art und dem gleichen Charakter wie beim Strychnintetanus erzielt werde. Stärke und Dauer dieser Anfälle sowie der Grad der Erregbarkeitsänderung hängen sowohl vom Allgemeinzustand des Frosches (Beweglichkeit, Fehlen von Ermüdung und Erschöpfung) als auch insbesondere von der Stärke des zur Verwendung gelangenden Stromes ab. Die Tetanusanfälle werden um so leichter und stärker hervorgerufen, je näher sich die Stromintensität derjenigen Grenze befindet, über die hinaus bereits ein dauernder Tetanus erhalten wird. Nach Maassgabe des Abrückens des Rheochordschiebers sinken die Dauer und Stärke der Tetanusanfälle und die reflektorische Erregbarkeit sehr schnell. In soleh einem Zustande von allgemeiner Depression mit Ver- lust jeder willkürlichen Bewegung und mit Erhöhung der reflektorischen Über die Veränderung der reflektor. Erregbarkeit bei Einwirkung etc. 573 Erreebarkeit verharrt der Frosch die ganze Zeit über, solange der Strom geschlossen bleibt. Allein dieser Zustand bleibt nicht die ganze Zeit über stationär, sondern ändert sich in dem Sinne, dass die Grenze der erhöhten Reizbarkeit (über die hinaus der all- gemeine dauernde Tetanus eintrat) allmählich immer höher hinauf- rückt, so dass, wenn z. B. zu Beginn des Versuches das Reizbarkeits- maximum bei 0,4 Milliamp. lag, sich dasselbe weiterhin, z. B. bis auf 0,5—0,6 Milliamp., verschieben kann usw. Grad und Schnellig- keit des Sinkens der Erregbarkeit sind in den verschiedenen Fällen recht verschieden, im allgemeinen aber nicht sehr beträchtlich, und die Stromgradation schwankt hierbei gewöhnlich in den Grenzen von einigen Zehnteln eines Milliampere. Deshalb erweist sich ein ge- wöhnlicher Amperemeter als untauglich zur präzisen Graduierung des Stromes bei derartigen Versuchen, weshalb man einen empfind- licheren Galvanometer benutzen oder sich einfach mit der Benenuung der Stromstärke in Millimetern der Länge des eingeschalteten Rheochorddrahtes begnügen muss, wie das in den weiter unten auf- geführten Versuchsprotokollen geschehen ist. Übrigens ist es leicht, dadurch, dass man auf solche Weise die Erregbarkeit erhöht, einzelne reflektorische Muskelkontraktionen (M. gastroenemius) auf der einen Seite bei Reizung des Nerven (N. ischiadieus) der anderen Seite durch einzelne Induktionsschläge zu erhalten und aufzuzeichnen, was beim normalen Zustand fast niemals gelingt und gewöhnlich in dem Sinne gedeutet wird, dass die Nervenzentren nur auf summierte Impulse zu reagieren vermögen. Ausser dem intermittierenden Strome versuchte ich auch den aufsteigenden konstanten Strom und erhielt dabei die gleichen Resultate wie bei den Warmblütern, d.h. es wurde, wenn auch ein positiver, so doch kein so deutlich ausgeprägter und dauernder Effekt erreicht. Es erschien theoretisch zur Aufklärung des Wesens des ganzen oben geschilderten Bildes der hemmenden Wirkung der inter- mittierenden Ströme im höchsten Grade wichtie, die Beteiligung dieser oder jener Abschnitte des Zentralnervensystems hieran klar- zustellen. Zu diesem Zwecke habe ich an Fröschen eine Reihe von Versuchen mit der Entfernung einzelner Teile des Kopf- und Rücken- marks, wie z. B. der Hemisphären und der Sehhügel, des ganzen Kopfmarkes mit dem verlängerten Mark und endlich von Teilen des Rückenmarks, angestellt. In allen diesen Fällen blieb der allgemeine 57A W. Tschagowetz: Charakter der Wirkung des intermittierenden Stromes ein und der- selbe, d. h. es wurde eine starke Erhöhung der reflektorischen Er- regbarkeit erhalten. Dabei ruft die Entfernung der Hemisphären allein und auch mit den Sehhügeln fast keinen Unterschied im er- haltenen Resultat hervor, und nur nach der Entfernung des ver- längerten Markes und eines Teiles des Rückenmarkes gelangt bei bleibender Erhöhung der reflektorischen Erreeharkeit eine Abnahme der Dauer und Stärke des reflektorischen Krampfes zur Beobachtung, der einer Einzelzuckung aller Körpermuskeln ähnlich zu werden beginnt. Alles oben bezüglich der Erhöhung der reflektorischen Erregbar- keit bei Einwirkung des aufsteigenden intermittierenden Stromes Gesagte bezieht sich auf die taktilen Reize. Da nun gemäss all- gemein verbreiteten physiologischen Anschauungen eine gewisse Un- ähnlichkeit zwischen den taktilen und den Schmerzreflexen existiert, so habe ich auch eine Reihe von Versuchen mit der Messung der reflektorischen Erregbarkeit nach der Türck’schen Methode an- gestellt. Hierbei konnte ich mich davon überzeugen, dass der inter- mittierende Strom auch hier genau ebenso in stimulierender Weise wirkt, wobei, wie aus den weiter unten aufeeführten drei Versuchs- protokollen ersichtlich, in einigen Fällen deutlich zu bemerken ist, wie die Reflexzeit bei grösserer Stromstärke abnimmt. Zugleich kann man aus allen Versuchen die Schlussfoleerung ziehen, dass bei langdauernder Wirkung des Stromes allmählich eine Abnahme der Erregbarkeit eintritt und dass überhaupt nach der Anwendung des Stromes oft unregelmässige Schwankungen der Reflexzeit erfolgen, die beträchtlicher sind, als das in normalen Fällen der Fall zu sein pflegt. In den weiter unten ausgeführten drei Protokollen sind die Resultate der Messung der reflektorischen Erregbarkeit nach dem Türck’schen Verfahren an drei Fröschen bei Entfernung der Hemisphären allein, der Hemisphären und Sehhügel und endlich des sanzen Kopfmarkes mit Einschluss des verlängerten Markes ver- zeichnet. Bestimmungen der Reflexzeit bei fenlendem und vor- handenem Strome wechseln miteinander ab, wobei die Zwischenzeit zwischen zwei Bestimmungen 1!/s—2 Minuten betrug. Die Intensität des durchgeleiteten Stromes ist in Zentimetern der Länge des ein- geschalteten Rheochorddrahtes ausgedrückt, wobei bei der in diesen Versuchen erfolgten Verteilung der Widerstände die Stromintensität Über die Veränderung der reflektor. Erregbarkeit bei Einwirkung etc. 575 ungefähr der Länge des Drahtes proportional war; jeder Zentimeter des letzteren entsprach annähernd 0,01 Milliamp. Wie aus den aufgeführten Zahlen hervorgeht, ergaben oft sehr geringfügige Schwankungen der Stromintensität bereits deutliche Erfolge im Sinne der Veränderung der reflektorischen Erregbarkeit. Versuch I. 12. Mai 1905. Frosch ohne Hemisphären, die 4 Stunden vor dem Versuch entfernt worden waren. Der Strom wird mit Hilfe einer Stimmgabel von 100 Schwingungen in der Sekunde unterbrochen. Zu Beginn des Versuches treten die Krämpfe bei einem Abstande des Rheochords von 11 cm ein, was einer Stromstärke von un- gefähr 0,1 Milliamp. entspricht. Die Säure war eine 0,1%oige SOyHz3. Zu Beginn des Versuches vor der Anwendung des Stromes tritt der Reflex nach Verlauf von 22 Sekunden seit dem Eintauchen in die Säure ein. Nach der Schliessung des Stromes auf 11 cm erfolst eine Reihe von unregelmässigen Schwankungen der Reflexzeit in den Grenzen von 29—50 Sekunden. Sodann er- weist sich die Erregbarkeit ohne Strom als stark herabgesetzt, so dass der Reflex sogar nach 1 Minute nicht eintritt. OhnNERStLomb ee N > 60’ Sek. Siromwauie Diamar he Le ee I LANE SR ER ae ONNEHStrommee ee ee la 20 „ E EEE NEN 2 ee lee DDR n El a DE N SAME PO StEDmWauahlecm ers ze oe IB Bun a BE TERN DENT DE 14 „ ORDER STROMN. ee er es 19). Nach einstündiger Pause: ÜhneLStLONE RS El Slyr, = ER Mae ech 9” SR ER Re 33, Strom aufe LIr emp gr ee ne, Ale: OhneR Strom a ne N: 2) Strom Faut 10% em ee ee Zoe Ohne Strom... a ee A ee 3 * a EEE ER EEE, 208, = ED UL Ra ee 2a Sirom ame leentoro eo eo oe 1%, LIU. 2200. 7 Se enegs pege 0), oe ee 100 30 BR Ta cr O5 OnNERStLOMS 9.8.8 ae ae sense then erde ee DS 27, nn RS Sr NE EEE REERNE OLG SEEOMR AU ern ee Dies 576 W. Tschagowetz: StEomWKaurz ONE I a ee 14 ® VERS) HH EN ER, 0 2 5 AR 10 Ohner strom EN: 19 Pause von 8 Minuten. Ohne=Strom na 19 x VB ee a ne 19 ss N a Nur Er Kal BRENZ 18 SETOIN SAUER INEINT ER Eee OA REER 10 5 SE ca BEE WERN Era ea AS SR Srae 17 a TORI DEREN eh aa DRS 17 H IE VE ER Tom ST ERS 10 5; Ba BO BT CHR weh, DS rS Tao Sp ser hre 16 OhnezStromen, ua Nee. 28 5 Ba KR EN IR RE LN ERINE DEENER TEE he 25 STOMZAULOL ET 3 ® BO ve ae al ER 50 OhneuSstromi. ze an en nor Re m Lnc 40 SHONIA URS ee ee ra 28 OhnesStroms aa na Se s0 StnomeautwelncmeR 30 S BEER EURO 1 AR ARE BE era ds 6 ic a7 SICHT en er a a Re 30 OhneStnoms ee 37 5 RE RL DEREN REGEN 50 = ee RER EM 45 StEOoMF a1 OCT 45 “ A U) Da AR N En a 58 5 De SE 55 a BET URN SEA EN EEE 40 ee Le ES Rare 35 a SEE RER re are Ne 2 Ohne?Stromast a m ee N 60 5 a a a ner et a RR Re 55 StromrautelAN em 235 “ ER ER a NR ee le da 0.o 3 > A a en 24 Ohne Strom. es a a > 60 Versuch II. 13. Mai 1905. Frosch ohne Hemisphären und Sehhügel. Die übrigen Versuchsbedingungen wie im vorhergehenden Versuch. Ohne Strom tritt der Reflex sogar nach 1 Minute noch nicht ein. Ohnexstrom 7. m. 0a 2 ee > 60 Sek. StromBaut 1a cm = en LO oe: Zoe Über die Veränderung der reflektor. Erresbarkeit bei Einwirkung etc. 577 Saram ae CHoonlare oa oo 60 Sek. H ) 5 N ER; Hosen Pause von 5 Minuten. Ohne@strom 12. an One Ne SD Benomraun 10" cm Wer 65 „ e SOLL Yos em ee U 45 „ Er. ., 2 ICHS EN erg gel. OhmesStrome.. sen 2 Ha N ge > Versuch III. 14. Mai 1905. Frosch mit dem Rückenmark allein. Stromstärke und das übrige wie in den beiden vorstehenden Versuchen. Stärke der Säure 0,010. Ohner strom ne: nach 30 Sek. schwacher Reflex » ZI PR EL AN ATS 2 30 2 n 2 ” Stromsauf 102em 27, 230777 stärkerer: B Ohne2Siromer an 52 Sliern schwacher, Stroms auf lem. 2, 210% 2eestärker b; 2 ” 11 ” 2 ie ” 10 ” e)] ” Olnes strom m „25, “schwacher Sromwaussllicm.. = 0,3029 7%, stärkerer E ” ” 11 2 ae ” 25 ” ” ” ” ” 12 » Erie ” 30 ” ” ” Ohne Strom. . .”. . Eos, Bschwacherzees: Stromlaut-lareme.. a, la n ” 13 ” eg ” 17 „ Ohne Strom... .. ka, Pause. Ohne Strom. .. . . ie ulterse; a A N Stromhantı 12 em aaa Ohne Strom2 2 0. Er Kae » ae Te en, Stromwaufzlie cm. la ” ” 12 e)] Bas ” 7 ” Ohne, Strom. „2. 2: 2a: Was nun die Erklärung dieser komplizierten Erscheinungen an- belanet, so wäre es bis zur detaillierten Erforschung derselben vielleicht am einfachsten, sie als das Resultat einer gewissen Art von Hemmung oder von parabiotischeım Zustand im Sinne von Wedenski zu betrachten, wobei sich neben der völligen Unterdrückung der Gehirnfunktionen, die durch die Wirkung der auf den Schädel applizierten Kathode hervorgerufen wird, eine erhöhte Erregbarkeit auf dem Wege der Stromschleifen durch das Rückenmark herausbildet. 578 R. H. Kahn: (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Weitere Studien über die Nebennieren. Von Prof. Dr. R. H. Kahn. (Mit 7 Textfiguren.) (Mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) I. Nebennieren und Glykosurie bei Hund und Katze. Exstirpiertt man beim Kaninchen eine Nebenniere, macht den Zuckerstich und exstirpiert einige Zeit nach dem Auftreten der Glykosurie die andere Nebenniere, so erweist sich beim Vergleiche beider das Mark des an zweiter Stelle exstirpierten Organes hoch- gradig verändert. Seine Chromierbarkeit ist zum grössten Teile ge- schwunden, seine Zellen sind arm an Granulis und reich an Vakuolen, seine feineren Gefässe sind grösstenteils erweitert, und sein Adrenalin- gehalt hat sehr abgenommen. Vor diesen Veränderungen nach dem Zuckerstiche aber schützt die von ihm versorgte Nebenniere die Durehsehneidung eines Nervus splanchnieus. Diese Tatsachen, welche ich!) in früheren Untersuchungen auf- zufinden in der Lage war, haben eine willkommene Erweiterung gefunden. Starkenstein?) gelang es nämlich zu zeigen, dass die von mir nach dem Zuckerstiche beim Kaninchen beschriebenen Ver- änderungen im chromaffinen Anteile der Nebenniere sich auch bei der Kohlenoxyd- und Asphyxieelykosurie nachweisen lassen und dass auch in diesen Fällen die Durchschneidung eines Splanehnieus das 1) R. H. Kahn, Zuckerstich und Nebennieren, Pflüger’s Arch. Bd. 140 8.209, 71911. 2) E. Starkenstein, Der Mechanismus der Adrenalinwirkung. Zeitschr. f. experim. Pathol. Bd. 10 S.78. 1911. Weitere Studien über die Nebepnieren. 579 von ihm versorgte Organ vor den beschriebenen Folgen zu schützen vermag. Besonderen Wert besitzen die Versuche Starkenstein’s nun weiter durch den Nachweis, dass nicht nur Kaninehen, sondern auch Versuchstiere anderer Art die gleichen Erscheinungen aufweisen. Bei Hunden sowie bei Hähnen konnte im Verlaufe der nach Leucht- gas- bzw. reiner Kohlenoxydvergiftung die Gültigkeit der von mir beim Kaninchen nach dem Zuckerstiche erhobenen Befunde, geringe Chromierbarkeit, geringer Adrenalingehalt, ebenfalls festgestellt werden. Den Anstoss zu meinen oben erwähnten Untersuchungen hatte die zuerst von Andre Mayer!) gefundene und von mir?) und Starkenstein°) näher untersuchte Tatsache gegeben, dass der Zuckerstich beim Kaninchen nach Exstirpation der Nebennieren, auch wenn lange Zeit (bis zu einem Jahre) nach dem Eingriffe verstrichen war, wirkungslos bleibt. Auch bezüglich der bei Kaninchen regel- mässig nach Kohlenoxydveregiftung auftretenden Hyperglykämie konnte Starkenstein zeigen, dass diese an Tieren, denen vor Monaten die Nebennieren exstirpiert worden waren, ausbleibt. Bei diesen Versuchen kam die von mir*) angegebene einfache Methode des Nachweises einer vorhandenen Hyperglykämie zur Verwendung, welche darin besteht, dass das vor dem Versuche entnommene Kammer- wasser des einen Auges mit dem nachher gewonnenen des anderen Auges bezüglich seines Zuckergehaltes verglichen wird. Starken- stein hat diese Methode dadurch verbessert, dass er mit den Kammerwässern die quantitative Bestimmung nach Bang durchführte. Meine, aus den eingangs erwähnten Befunden gezogenen Schlüsse, die Zuekerstichwirkung beruhe auf einer durch zentralen Reiz aus- gelösten, auf dem Wege des Splanchnicus vermittelten abnormen Adrenalinsekretion aus dem Nebennierenmarke und die durch Splanch- nieusreizung auslösbare Glykosurie sei in demselben Sinne eine Adrenalinglykosurie, hat nun Starkenstein weiter ausgeführt. l) Andre Mayer, Sur le mode d’action de la pigüre diabetique. Compt. rend. Soc. de Biol. 1906 p. 1123. 2) R. H. Kahn, Zur Frage nach der inneren Sekretion des chromaffinen Gewebes. Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 519. 1909. 3) R.H.Kahn undE. Starkenstein, Über das Verhalten des Glykogens nach Nebennierenexstirpation. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 181. 1911. 4) R. H. Kahn, Eine Methode, sich rasch und einfach über das Verhalten des Blutzuckers zu orientieren. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 Nr. 3. 1911. 580 R. H. Kahn: Es erscheint heute allgemein angenommen und durch eine Reihe hier nicht weiter zu erörternder Befunde hinreichend gestützt, dass der Angriffspunkt des Adrenalins für seine spezifischen Wirkungen an den sympathischen Nervenendigungen zu suchen ist. Indem man nun annimmt, dass das Adrenalin hier die physiologische Funktion dieser Endorgane steigert, und indem man nun also diese Fähiekeit auf unseren Fall bezieht, kann man mit Starkenstein vermuten, dass die durch zentralen Reiz (Zuckerstick, Kohlenoxydvergiftung, Asphyxie) auf direktem Wege erregten sympathischen Nervenenden in der Leber durch das gleichzeitig zur überstürzten Ausscheidung gebrachte, auf dem Blutwege zugeführte Adrenalin eine derartige Erregbarkeits- oder Erregungssteigerung erfahren, dass es zu hoch- sradiger Hyperelykämie mit Glykosurie kommt. Es wird also zunächst für das Kaninchen auf Grund der vor- liegenden Tatsachen anzunehmen sein, dass die auf dem direkten Wege erzeugte Reizung der sympathischen Nervenenden in der Leber weder bei der Piaüre noch bei der CO-Vergiftung hochgradig genug ist, um zur plötzlichen und überstürzten Glykogenmobilisierung zu führen. Erst das Hinzukommen des Adrenalins bringt die hier nötige Erregungserösse zuwege. Daher fehlen die Erscheinungen nach Nebennierenexstirpation bei diesem Tiere. Es erscheint aber gar nicht ausgeschlossen, dass gelegentlich aus irgendwelchen Gründen die Erregungsgrösse der sympathischen Lebernervenenden, auf direktem Wege hervorgerufen, gross genug werden könnte, um zu Hyperglykämie und Glykosurie zu führen. Das ist für das Kaninchen weder beim Zuckerstich noch bei den anderen zentral bedingten Glykosurien beobachtet worden. Hier genügt die direkte Erregung nicht, denn das nebennierenlose Tier zeigt keine Erscheinungen. Nur eines Versuches von Starken- stein!) wäre hier zu gedenken, welcher darin bestand, dass nach langdauernder zentraler Vagusreizung auch beim nebennierenlosen Kaninchen deutliche Hyperglykämie erzielt werden konnte. Es liesse sich annehmen, dass in diesem Falle der zentral gesetzte Reiz ein besonders hochgradiger gewesen ist, und daher schon der direkt hervorgerufene Erreguneszustand der Lebernervenenden zur Glykogen- mobilisierung, wenn auch nicht in sehr hohem Maasse, genügt hätte. Jedenfalls ergibt sich die Möglichkeit, dass bei anderen Tier- IA 8% (OL IS DT % Weitere Studien über die Nebennieren. 581 arten insofern andere Verhältnisse vorhanden sein könnten, als der direkt hervorgerufene Reizzustand der sympathischen Nervenenden in der Leber der Erhöhung durch Adrenalin in verschiedenem Maasse zur Auslösung von Hypergelykämie und Glykosurie bedürftig wäre. Es könnte also z. B. beim Hunde oder der Katze auch nach Aus- schaltung der Nebennieren (von der Rolle des ausserhalb der Neben- nieren liegenden Teiles des chromaffınen Systems wissen wir Nichts) Hypergelykämie oder gar Glykosurie auftreten. Dadurch würde aber keineswegs erwiesen, dass nicht zugleich bei normalen Tieren eine überstürzte Adrenalinsekretion statt hat. Denn eine solche ist zwar beim Kaninchen für die Zuckerstichwirkung erforderlich, bei Hund und Katze könnte aber die direkte Nervenerregung allein bereits die Schwelle überschreiten und das Adrenalin sodann eine weitere Steigerung des Erregungszustandes bewirken. Daraus ist also zu ersehen, dass die Beziehungen zwischen Glykogenmobilisierung in der Leber und den Nebennieren viel weniger durch Versuche an Tieren ohne Nebennieren als durch sorefältige Untersuchung der Nebennieren selbst und der Abgabe von Adrenalin aus denselben klargelegt werden können. In dieser Hinsicht ist also zu prüfen, was an Tatsachenmaterial aus Versuchen an anderen Tieren gewonnen werden kann. Bezüglich des Hundes wissen wir aus den Untersuchungen Starkenstein’s!), dass im Gefolge der Kohlenoxydvergiftung, welche Hyperglykämie und Glykosurie zur Folge hat, ganz dieselben Erscheinungen am Nebennierenmarke zu konstatieren sind, wie ich sie beim Kaninchen nach dem Zuckerstiche beschrieben habe. Aus denselben Gründen, wie ich sie seinerzeit angeführt habe, werden wir also annehmen müssen, dass auch beim Hunde nach zentraler Reizung eine überstürzte Abeabe von Adrenalin aus dem Neben- nierenmarke stattfindet, und dass das im Blute zu den sympathischen Nervenenden der Leber gelangende Adrenalin deren Erregungszustand in gleicher Weise steigert, wie beim Kaninchen. Von sonstigen hierher gehörenden Versuchen am Hunde ist mir nur eine vor kurzem erschienene Arbeit bekannt. Macleod und Pearce?) haben gefunden, dass die beim Hunde nach Splanchniecus- N)EA- 2.20.8831. fi. 2) J.J. R. Macleod and R. G. Pearce, Studies in experimental Glyko- suria.. — VIII. The relationship of the adrenal glauds to sugar production by the liver. Americ. Journ. of Physiol. vol. 29 p. 419. 1912. 582 R. H. Kahn: reizung gewöhnlich auftretende Hyperglykämie nach Exstirpation der zugehörigen Nebenniere ebenso ausbleibt, wie nach Unterbindung der Nebennierenvenen. Ferner stellten sie fest, dass nach Durch- schneidung des zur Leber führenden Nervenplexus (mit Unterbindung der Art. hepatica) die Reizung des Splanchnicus nur gelegentlich wirksam ist, weiter, dass die Reizung des Leberplexus nur bei intakten Nebennieren wirksam, nach deren Fxstirpation aber unwirksam ist, und endlich, dass Adrenalininjektion in die Vena portae (12 ccm 1: 5000) auch nach Durchschneidung des Leberplexus Hyperglykämie verursacht. Man sieht, dass diese Befunde unserer Ansicht ganz gut ent- sprechen. Das Wesentliche derselben scheint mir darin zu be- stehen, dass der Erfolg der Splanchnieusreizung an das Intaktsein der Nebennieren geknüpft ist. Indessen sind die anderen Befunde sicher sehr komplizierter Natur. Denn die Exstirpation der Neben- niere beim Hunde ist ein sehr schwerer, in kurzer Zeit sicher tödlicher Eingriff, dessen konstante und rasche Folge das völlige Schwinden des Leberglykogens ist!),,. Nach Durchschneidung aller zur Leber ziehenden Gebilde, mit Ausnahme der Vena portae, aber ist die Leber kein intaktes Organ mehr. Immerhin spricht aber für die oben erörterte Ansicht, dass der durch direkte Reizung geschaffene Erregungszustand der Nervenenden in der Leber zu überschwelliger Grösse durch gleichzeitig zugeführtes Adrenalin geführt wird, der Umstand, dass nach Durchschneidung des Lebenplexus die Splanchnieusreizung meist wirkungslos bleibt. Denn in diesem Falle werden ja die Nervenenden nicht direkt erregt, und das aus dem Nebennierenmarke zugeführte Adrenalin allein genügt nicht zur Auslösung der Glykogenmobilisierung. Wohl aber wird der trotzdem bestehende geringe Erreguneszustand (Tonus) der Endorgane durch intravenöse Injektion einer so hohen Dosis von Adrenalin genügend gesteigert. Man sieht also, dass die vorliegenden Befunde dazu berechtigen, anzunehmen, dass auch beim Hunde die auf dem Splanchnieuswege auszulösende Hyperelykämie und Glykosurie in dem oben erörterten Sinne einer Adrenalinämie durch überstürzte- Abgabe der Substanz aus dem Nebennierenmarke zuzuschreiben ist. 1) O0. Porges, Über den Einfluss der Nebennierenexstirpation bei Hunden auf den Blutzucker. Wiener klin. Wochenschr. 1908 S. 1798. — Siehe auch: Zeit- schrift f. klin. Med. Bd. 69. H. 3/4 1909, und Bd. 70 H. 3/4 1910. — (Ferner Kahn und Starkenstein, a. a. O. 8.191. Weitere Studien über die Nebennieren. 583 Was nun weiter die Katze anlangt, so ist die Zahl der hier in Betracht kommenden Untersuchungen eine grössere. Wir beschäftigen uns zunächst mit einer Arbeit, welche das Verhalten der Zuckerstichfolgen am nebennierenlosen Tiere zum Gegenstande hat. Wertheimer und Battez!) haben in sieben Fällen bei der Katze beide Nebennieren exstirpiert und sogleich den Zuckerstich angeschlossen. Bei drei Versuchstieren trat nach ent- sprechender Zeit Zucker im Harne auf. Es hat also den Anschein, als würde bei der Katze gelegentlich die auf nervösem Wege der Leber zugeleitete Erregung genügen, um die Zuckerstichfolgen auszulösen. Indessen über die Beziehungen zwischen dem Nebennierenmarke und der überstürzten Glykogen- mobilisation bei der Katze geben solche Versuche aus den oben an- geführten Gründen keinen Aufschluss. Bloss das eine wäre hervor- zuheben, dass nur in drei von sieben Fällen die Pigüre nach Neben- nierenexstirpation zur Glykosurie führte. Man könnte geneigt sein, daraus zu schliessen, dass bei der Katze das Zustandekommen der Zuckerstichfolgen in hohem Grade durch das Fehlen der Nebennieren erschwert sei. Indessen sind solche Schlüsse nur mit grosser Vorsicht zu ziehen. Denn einerseits ist die Exstirpation der Nebennieren ein umständ- licher und schwerer Eingriff, mit starker peritonealer Reizung ver- bunden, von welcher wir durch die Untersuchungen von v. Fürth und Schwarz?) wissen, dass sie imstande ist, in dem Sinne eine Schädigung der Nierentätickeit hervorzuführen, dass selbst gut harn- fähige Substanzen, Kochsalz und Harnstoff, sowie auch der Blut- zucker in sehr vermindertem Maasse durchgelassen werden. Anderer- seits aber kommt es bei der Katze auch nach allerlei Eingriffen, so auch nach Exstirpation der Nebennieren allein, gelegentlich zu einer Hyperglykämie, welche so hochgradig werden kann, dass Zucker im Harne erscheint. Unter solehen Verhältnissen wird man den Untersuchungen der 1) E. Wertheimer et G. Battez, Sur les nerfs eco urn Arch. intern. de Physiol. t.9 p. 363. 1910. 2) ©. v. Fürth und C. Schwarz, Über die Hemmung der Adrenalin- glykosurie durch Pankreaspräparate. Wiener klin. Wochenschr. 1911 S. 115. — 0. v. Fürth und €. Schwarz, Über die Hemmung der Suprareninglukosurie und der sekretorischen Nierenleistung durch peritoneale Reize. Biochem. Zeitschr. Bd. 31 8.113. 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 146. 38 384. R&H. Kahn: Zuckerstichfolgen nach Eingriffen an den Nebennieren, ebenso wie beim Hunde, auch bei der Katze kein zu grosses Gewicht beilegen, sondern vielmehr das Verhalten der Organe selbst der Untersuchung unterziehen. Wir gehen nun daran, dieses Verhalten nach eigenen Unter- suchungen zu schildern. Die Methode derselben war die gleiche wie früher beim Kaninchen. Es wird mit möglichster Schonung eine Nebenniere exstirpiert, sodann der Zuckerstich ausgeführt und nach Eintritt der Folgen die andere Nebenniere entfernt. Die beiden Organe werden bezüglich ihres histologischen Verhaltens und ihres Adrenalingehaltes miteinander verglichen. Was zunächst die Konstatierung der Zuckerstichfolgen anlangt, so wurde das Verhalten des Blutzuckers nach meiner Methode der Untersuchung der Kammerwässer, der Zuckergehalt des Harnes durch Reduktion von Fehling kontrolliert. Die Nebennieren selbst wurden zur Untersuchung ihres histo- logischen Verhaltens in Kal. bichrom.-Formol fixiert, ungefärbt in Paraffin übertragen und die Schnitte mit Alaun-Cochenille nachgefärbt. Zur Untersuchung des Adrenalingehaltes wurden die Organe mit Kochsalzlösung verrieben, extrahiert, zentrifugiert, entsprechend mit Ringer-Lösung verdünnt und bezüglich ihrer vasokonstrik- _torischen Fähigkeit am Laewen’schen Präparate in der Modifikation von Trendelenburg geprüft. Selbstyerständlich wurden beide Nebennieren genau gleichmässig behandelt. Auch die nötigen Kontrollversuche wurden angestellt, welehe darin bestanden, dass die beiden Nebennieren in Intervallen von etwa 2 Stunden exstirpiert und miteinander verglichen wurden. Hierfür ein Beispiel: 21. März 1912. Katze 2, ohne Narkose, sorgfältig gewärmt. 8h 35’. Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Augen- kammer. sh 50’. Exstirpation der linken Nebenniere. 10h 20’. Deutliche Reduktion im Harne. Punktion der linken Kammer. 10h 25’. Exstirpation der rechten Nebenniere. Die Reduktionskraft der beiden Kammerwässer war deutlich verschieden. Das an zweiter Stelle entnommene reduzierte stärker. Weitere Studien über die Nebennieren. 535 Die beiden Nebennieren wurden chromiert. Ein Unterschied war nicht zu konstatieren. ' Bei diesem Tiere hatte also die Fesselung oder Abkühlung eine deutliche Hyperglykämie und Glykosurie verursacht, ohne dass eine Veränderung des Nebennierenmarkes zu finden gewesen wäre. Aus solchen Versuchen geht ferner hervor, dass ohne sonstigen Eingriff die blosse zweizeitige Exstirpation der Nebennieren keinen Unter- schied im Verhalten der beiden Organe hervorruft. Wir schieken nun gleich voraus, dass bei der Katze ebenso wie beim Kaninchen nach dem Zuckerstiche die zweitexstirpierte Neben- niere Veränderungen erkennen lässt. Auch hierfür seien Beispiele angeführt: 19. März 1912. Katze 2, ohne Narkose. 9h 25°. Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Kammer. 9h 40’. Exstirpation der linken Nebenniere. 9h 55’. Zuckerstich. 12h 05°. 21/a eem Harn, Reduktion +. Punktion der linken Kaınmer. 12h 10’. Exstirpation der rechten Nebenniere. Die Reduktionskraft der beiden Kammerwässer zeigt einen sehr grossen Unterschied. Bedeutende Hyperglykämie. Die beiden Nebennieren werden chromiert. Während makro- skopisch oder bei ganz schwacher Vergrösserung betrachtet, das Mark der zuerst exstirpierten Nebenniere einen stark braungelben Farbenton aufweist, ist das Mark der Nebenniere nach dem Zuckerstiche nur sehr blass gefärbt. Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man in dem ersteren Organe breite, mit braungelben Körnehen vollgepfropfte Zellbalken, im letzteren nur spärliche blassgelbe Inseln. Es ist also die Chromierbarkeit des Nebennierenmarkes nach dem Zuckerstiche bei der Katze ebenso vermindert, wie beim Kaninchen. 20. März 1912. Katze 2, ohne Narkose. 8h 35’. Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Kammer. 8h 50'. Exstirpation der linken Nebenniere. 9b 25’. Zuckerstich. 11h 15’. Harn reduziert +. Punktion der linken Kammer. 11b 20’. Exstirpation der rechten Nebenniere. Die Reduktionskraft der beiden Kammerwässer ist sehr ver- schieden. 38 * 586 R. H. Kahn: Die Nebennieren werden mit je 4 eem NaCl-Lösung zerrieben und sogleich mit je 6 ceem Ringer-Lösung verdünnt. Extraktion durch 7 Stunden. Sodann werden die Extrakte zentrifugiert und am 5—7 Stunden alten Laewen’schen Präparate geprüft. Fig. 1 zeigt ein Beispiel der auf diese Weise erzielten Resultate. Die ausgezogene Linie, deren Ordinaten Tropfenzahlen in der Minute bedeuten, zeigt den Verlauf der Vasokonstriktion nach Injektion von 0,3 cem des im Verhältnis von 1:30 eem Ringer-Lösung verdünnten Extraktes der vor dem Zuckerstiche exstirpierten Nebenniere. Die ge- strichelte Linie entspricht der Wirkung genau der gleichen Menge des gleich verdünnten Extraktes der Nebenniere nach dem Zuckerstiche, b) 10 15 20 Min. Fig. 1. Man erkennt beim Vergleiche sofort den bedeutenden Unter- schied in der Wirkung der beiden Extrakte, welcher anzeigt, dass der Adrenalingehalt der nach dem Zuckerstiche exstirpierten Neben- niere ein viel geringerer ist, als der der vor demselben entfernten. Bezüglich einiger Details bei der Verwendung des Laewen’schen Präparates wird an späterer Stelle noch die Rede sein. Es geht also aus solchen Versuchen unzweifelhaft hervor, dass ebenso wie beim Kaninchen auch bei der Katze im Verlaufe der Zuckerstichfolgen eine Abnahme der Chromierbarkeit und des Adre- nalingehaltes der Nebenniere auftritt, welche nur so erklärt werden kann, dass das Organ sekretorisch tätig ist. Wir finden also hier denselben Funktionszustand, wie an der Nebenniere des Kaninchens und des Hundes bei zentral ausgelösten Glykosurien. II. Nebennierenexstirpation beim Affen. Die beiderseitige, wenn auch zweizeitige Exstirpation der Neben- nieren ist bekanntlich für die meisten Versuchstiere ein in kürzester Weitere Studien über die Nebennieren. 587 Zeit tödlieher Eingriff!),,. Nur Ratten und Kaninchen machen hier eine bemerkenswerte Ausnahme. Die ersteren überstehen die zwei- zeitige Entfernung der Nebennieren, ohne besondere Krankheits- erscheinungen zu zeigen, bis zu 3 Wochen. Indessen findet sich hier die Besonderheit, dass der Glykogenbestand des Tieres auf ein Minimum reduziert ist?). Kaninchen überstehen die zweizeitige Operation bei genügender ÖOperationstechnik dauernd, d. h. es gelang, diese Tiere auch bis zu einem Jahre bei voller Gesundheit am Leben zu erhalten (Kahn). Die Gelegenheit, an Affen zu experimentieren, benützte ich dazu, an zwei Exemplaren die Folgen der beiderseitigen zweizeitigen Fx- stirpation der Nebennieren zu erheben. Das Schicksal der beiden Tiere verlief völlig gleich, so dass ich vorläufig darauf verzichten konnte, noch weitere Tiere zu opfern. Beim Affen erleichtert die Lage der Nebennieren die Operation in hohem Grade. Sie ist hier zwar technisch nicht wesentlich ein- facher, aber für das Tier nicht so gefährlich wie bei Katze, Hund und Kaninchen. Das liegt daran, dass vornehmlich die rechte Nebenniere keine so innigen Beziehungen zur Vena cava hat, wie bei den anderen Laboratoriumstieren. Die Organe liegen vielmehr lateral, die linke Nebenniere etwas medial vom oberen Nierenpol, die rechte mehr gegen die Vena cava zu, aber von dieser doch ge- nügend abgegrenzt. Während bei Hund, Katze und Kaninchen die Operation am zweckmässigsten mit breiter Fröffnung der Bauchhöhle von der Linea alba her vorgenommen wird, empfiehlt sich beim Affen vielmehr ein seitlicher Schnitt unter dem Rippenbogen. Auch die relative Derbheit der Organe und ihrer Kapsel erleichtert die Prä- paration bei diesen Tieren in hohem Maasse, während es jedem, der sich mit solchen Dingen beschäftigt, bekannt ist, wie zart und un- berührbar beispielsweise die Nebennieren des Kaninchens sind. Bevor ich nunmehr die beiden Versuchsprotokolle folgen lasse, möchte ich einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. Die Tiere wurden zusammen mit den zu anderen Versuchen bestimmten Affen in Käfigen gehalten, welche ihnen genügend Bewegungsfreiheit gestatteten. Viel besser als an anderen Laboratoriumstieren ist an 1) Literatur bei A. Biedl, Innere Sekretion S. 133. 1910. 2) 0. Schwarz, Über Stoffwechselstörungen nach der Fxstirpation beider Nebennieren. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 259. 1910. 588 R. H. Kahn: Affen das körperliche Befinden zu beurteilen. Während man bei ersteren immer wesentlich darauf angewiesen ist, ob das Tier frisst oder nicht, spiegelt sich bei Affen in den lebhaften Ausdrucks- bewegungen, in der Fülle ihrer Beschäftigungen usw. das körperliche Befinden sehr deutlich wieder. Die Tiere wurden rein vegetarisch gefüttert. Reis, Rüben, Nüsse usw. mit Ausschluss von Milch und Fleisch. Als Getränk nur Wasser. do 9. November 1911. Makakus 2, ca. 2000 eg. Tiefe Äthernarkose, seitliche Lagerung auf die linke Körperseite. Flankenschnitt im Winkel zwischen Wirbelsäule und letzter Rippe beginnend nach abwärts und medial in der Ausdehnung von 8&—9 cm. Eröffnung des Peritoneums nach sorgfältiger Blutstillung. Die vom oberen Nierenpol zur Leber ziehenden Ligamente werden durch- schnitten, die Leber nach oben geklappt, die Niere nach unten ge- drängt und das Operationsfeld gegen die Bauchhöhle mit steriler Gaze abgestopft. Die rechte Nebenniere wird stumpf präpariert und von der Umgebung losgelöst. Sie ist etwa von Kaninchennebennieren- grösse, eher kleiner. Kleine arterielle Gefässe ziehen von verschiedenen Seiten in das Organ, eine starke Vene von demselben gegen die Vena cava. Der Stiel mit der Vene wird ligiert und durchschnitten. Vollständige Exstirpation des Organes. Reinigung des Operations- feldes, kurze Tamponade zur Stillung der geringen Blutung aus den durchrissenen kleinen Gefässen. Naht in Etagen. Xeroform, Kollo- dium. Dauer der Operation 1!/e Stunden. Das Tier erwacht sehr rasch aus der Narkose und ist nach kurzer Zeit völlig munter. Am 2. und 3. Tage etwas traurig, bei geringem Appetit. Vom 4. Tage an völliges Wohlbefinden. Die Wunde heilt per primam. Entfernung der Hautnähte am 12. Tage. 4. Dezember 1911. 25 Tage nach der Operation. Völliges Wohlbefinden. 1850 g. Lagerung auf die rechte Seite. Tiefe Äthernarkose. Schnitt wie bei der ersten Operation auf der linken Seite. Eröffnung des Peritoneums. Die Nebenniere liegt etwas über und wenig medial vom linken oberen Nierenpol. Stumpfe Auslösung, Ligatur des Stieles, Exstirpation ohne Rest. Ftagennaht, Kollodium. Das Tier erwacht rasch und ist sehr munter. 5. Dezember. Sehr munter, frisst mit grösstem Appetit. Weitere Studien über die Nebennieren. 589 | 6. Dezember. Verhält sich ganz normal, frisst mit Appetit, be- wegt sich lebhaft. Leichtes Ödem des unteren Wundrandes. Das Tier wird eingefangen, sträubt sieh kräftig. 7. Dezember. Völlig normales Verhalten. 8. Dezember. Ebenso, Appetit etwas geringer. 9. Dezember. Früh 9% ziemlich matt, legt sich häufig der Länge nach ausgestreckt auf den Boden des Käfigs nieder; kein Appetit. Die Wunde in bestem Zustande. Von 9% bis 12% nimmt die Mattiekeit rapid zu. Elektrische ‚Reizung des entblössten Ischiadieus ist wirkungslos, direkte Muskel- reizung noch wirksam.. Das Tier ist ganz apathisch, hat aber die Ausen weit geöffnet und schaut umher. 1& 45’ wird es durch Chloroform rasch getötet, die Leber (50 ©) sofort in heisse 60 °/oige Kalilauge geworfen. Die Sektion ergibt leichte Verwachsung der Darmschlingen rechts mit der seitlichen Bauchwand, ohne jede Kniekung oder Ver- engerung des Darmes. Links leichte Adhäsionen des Darmes an die Niere. Sonst bis auf das völlige Fehlen der Nebennieren keinerlei pathologischer Befund. Kein Zeichen einer Infektion. In der Leber fand sieh nur eine Spur Glykogen. b. 29. November 1911. Makakus 9, 2550 g Vollständige Exstirpation der rechten Nebenniere in tiefer Äther- narkose. Verlauf der Operation wie im ersten Falle. Keine Blutung, Rasches Erwachen. 7. Dezember. Völliges Wohlbefinden, Wunde per primam geheilt. 16. Dezember. 2500 g.. Bei völligem Wohlbefinden Exstir- pation der linken Nebenniere. Leicht, ohne Blutung. Der weitere Verlauf gleicht völlig dem im ersten Falle. Das Tier wurde wieder ganz munter und lustig, frass mit bestem Appetit, war beweglich und kräftig. Wundheilung tadellos. 21. Dezember. Zeitlich früh ein kurz dauernder Schwächeanfall Gleich nachher frisst das Tier all sein Futter, sitzt aufmerksam im Käfige. Von da ab verschlechtert sich in den nächsten Stunden sein Befinden rapid. Mattigkeit, das Tier liegt schlaff ausgestreckt am Boden des Käfigs. Mittag wird es bei völliger Apathie durch Chloro- form getötet. 590 R. H. Kahn: Die Sektion ergab wiederum leichte Verwachsungen in den Operationsgebieten, sonst keinerlei pathologischen Befund. Die Leber enthielt eine ganz geringe Menge Glykogen, etwas mehr als im ersten Falle. Wie man sieht, verliefen die Erscheinungen bei beiden Tieren ganz gleichmässig. Nach 4 Tage andauerndem völligen Wohlbefinden setzte am 5. Tage plötzlich Mattigkeit und Muskeischwäche ein, welche binnen weniger Stunden rapid zunahm und mit dem Tode endete. Hervorzuheben ist zunächst die Leichtigkeit, mit welcher diese Tiere die immerhin schweren Eingriffe vertragen. Während die Katze und der Hund, ja selbst das Kaninchen, fast stets zugleich nach der zweiten Operation körperliches Übelbefinden verraten, ist das beim Affen nur in sehr geringem Maasse ausgeprägt. Und weiter zeigten die Tiere ohne Nebennieren keinerlei Krankheitssymptome in den 4 Tagen ihres Überlebens. Sie waren von gesunden in keiner Weise zu unterscheiden. Es hätte wohl gar keinen Zweck gehabt, das im Käfig umherkletternde Tier einzufangen, um einen Versuch einer Blutdruckmessung zu machen, um nach einem Absinken des Blutdruckes zu fahnden. Jedenfalls hatte man bei der Beobachtung der Tiere nicht den Eindruck, es sei nach Exstirpation der zweiten Nebenniere irgend etwas Lebenswichtiges plötzlich weggefallen. Vielmehr macht das tagelange symptomlose Überleben und die plötzlich einsetzende und rasch fortschreitend zum Tode führende Prostration den Eindruck einer Vergiftung. Man wird auf Grund solcher Beobachtungen zur Annahme geneigt sein, dass es sich hier um den Ausfall einer ent- giftenden Funktion handelt. Als entgiftendes Organ käme dann wohl die Nebenrierenrinde in Betracht. Die Lebenswichtigkeit der Rinde wird ja von Bied] seit jeher besonders betont, während gegen die Lebenswichtigkeit des Markes eingewendet werden kann, dass ja diesem äquivalentes Gewebe, die übrigen Paraganglien (Biedl’s Adrenalsystem), auch sonst noch regelmässig im Tierkörper vorhanden ist. Indessen ist über die relativen Mengenverhältnisse und die Funktionsgleichheit desselben mit dem Marke nichts Sicheres bekannt. Hierauf soll an anderem Orte genauer eingegangen werden. Der Umstand, dass die Leber der Tiere elykogenfrei befunden wurde, hat wohl nichts Spezifisches an sich. Er hängt mit der Art des Todes ebenso zusammen, wie beim Hunde I): 1) Kahn und Starkenstein, a. a. O. S. 191. ar BrEN SEE EEE VE Weitere Studien über die Nebennieren. 591 Es ist gewiss wünschenswert, diese Versuche unter gewissen „ Variationen zu wiederholen. Dass soll geschehen, wenn dieses kost- bare Material wieder zur Verfügung steht. III. Nebennieren und Erstickungsglykosurie beim Affen. Wir haben im ersten Abschnitte dieses Aufsatzes gezeigt, dass ebenso wie beim Kaninchen und beim Hunde auch bei der Katze bei zentral ausgelöster Glykosurie ein veränderter Funktionszustand des Nebennierenmarkes (geringe Chromierbarkeit, verminderter Adrenalingehalt) nachweisbar ist. Nun gehen wir dazu über, die Resultate ähnlicher Untersuchungen an Affen zu erörtern. Nach dem früher geschilderten Versuchsplane wurden gelegent- lich anderer Untersuchungen, von deren Resultaten andernorts die Rede sein wird, die zweizeitig exstirpierten Nebennieren dreier Affen untersucht, indem zwischen die Exstirpationen fünf- bis sechsmaliges Ersticken bis zur schlaffen Lähmung und zum Verschwinden der Kornealreflexe durch eine bis anderthalb Stunden eingeschaltet wurde. Die Erstickung erfolgte einfach durch Verschluss der vor dem Ver- suche eingesetzten Trachealkanüle. Ich lasse zunächst die Versuchsprotokolle folgen. ds 3. Februar 1912. Makakus Z, klein. 4b 40’, Der Harn reduziert nicht. 4b 45’. Punktion der rechten Kammer. 45 15’, In leichter Äthernarkose wird die linke Nebenniere unter möglichster Schonung des Organes ohne jede Blutung durch einen Flankenschnitt exstirpiert. 6®. FExstirpation von Karotis, Vagus usw. der einen Seite zu anderen Untersuchungszwecken. 6% 05’ bis 7& 15’ fünfmalige Erstiekung durch erzehlne der Trachealkanüle, jedesmal bis zur völligen schlaffen Lähmung. Kornealreflexe geschwunden. Es genügen einige rhythmisch aus- geübte Thoraxkompressionen, um die Atmung wieder in Gang zu bringen. REN 7% 20'. Der Harn reduziert wenige, aber deutlich. Exstirpation der rechten Nebenniere in leichter Äthernarkose, Punktion der linken Kammer. 592 EearlaKtanhin?: Die Untersuchung der beiden Kammerwässer ergibt einen sehr deutlichen Unterschied in der Reduktionskraft. Während das erst entnommene kaum reduziert, findet durch das zweite erhebliche Reduktion von Fehling statt. Die beiden Nebennieren werden in Kal. bichrom.-Formot fixiert. Die später vorgenommene Sektion des Tieres ergab reichliche Verkäsung in den Lappen der rechten Lunge. b. 10. Februar 1912. Makakus 2, mittelgross. 10% 50’. Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Kammer. 11h 40’. Exstirpation der linken Nebenniere. 12h 15’. Exstirpation der Karotis, Vagus usw. einer Halsseite. 12h 30° bis 1h 35’. Sechsmalige Erstickung durch Verschluss der Trachealkanüle. 1h 40’. Hochgradige Reduktion im Harne. Punktion der linken Kammer. Exstirpation der rechten Nebenniere. Die beiden Kammerwässer zeigen sehr verschiedene Reduk- tionskraft. Die Sektion ergibt keinerlei pathologische Verhältnisse. Die beiden Nebennieren werden zerrieben und mit je Scem NaCl-Lösung extrahiert. C 4. März 1912. Cynocephalus 9, mittelgross. $h 20’. Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Kammer. sh 50'. Exstirpation der linken Nebenniere. Leicht, ohne Blutung. 9h 35’. Exstirpation von Karotis, Vagus usw. einer Halsseite, dabei eine Blutung, welehe durch Tamponade gestillt wird. 10h 05’ bis 11h 30’. Sechsmalige Erstickung. Im Harne eine Spur Reduktion. 11h 30’. Exstirpation der rechten Nebenniere. Punktion der linken Kammer. Das erstgewonnene Kammerwasser reduziert gar nicht, das zweite sehr deutlich. Die Nebennieren werden genau halbiert. Je eine Hälfte wird in Kal. biehrom.-Formol fixiert. Die anderen Hälften werden mit je 4 ccm NaCl-Lösung zerrieben und extrahiert. Es wäre gewiss wünschenswert gewesen, zwischen der Exstir- pation der beiden Nebennieren den Zuckerstich einzuschalten. In- Weitere Studien über die Nebennieren. 593 dessen ist diese Operation bei Affen offenbar kein Experiment, welches ohne weiteres sicher gelingt. Denn bei diesen Tieren über- deckt das Kleinhirn fast völlig den vierten Ventrikel, und zur Frei- legung des letzteren in solchem Ausmaasse, dass der Zuckerstich unter Leitung des Auges ausgeführt werden kann, gehört sicherlich sehr viel Übung, welche wohl nur mit Aufopferung einiger Tiere zu erlangen ist. Daher habe ich von der Ausführung des Zuckerstiches abgesehen und ein einfaches Verfahren gewählt, welches den glück- lichen Ausgang des Versuches nicht in Frage stellen konnte. Es hat ja Starkenstein!) am Kaninchen gezeigt, dass im Laufe der Erstickung die Nebenniere ebenfalls die von mir beim Zuckerstiche beschriebenen Veränderungen aufweist, und dass Durch- schneidung des zugehörigen Splanchnieus die Nebenniere vor diesen Veränderungen zu schützen imstande ist. Damit erschien bewiesen, dass einerseits die Asphyxie-Hyperelykämie und Glykosurie die Folge einer zentralen Sympathikusreizung sei, andererseits die auftretende Mobilisierung des Leberglykogenes auch im Falle der Erstiekung ebenso wie nach dem Zuckerstiche und der CO-Vergiftung mit durch das den Nebennieren in hohem Maasse entströmende Adrenalin ver- ursacht werde. Damit war also auch die Grundlage dafür gegeben, beim Affen nach einem veränderten Funktionszustande des Nebennierenmarkes nach der Erstickung zu fahnden. Was nun noch einige Einzelheiten in den Experimenten anlangt, so wäre zu bemerken, dass die Punktion der vorderen Augenkammer beim Affen (Makakus) verhältnismässig sehr wenig Kammerwasser fördert. Während selbst beim Kaninchen, welches von den für solche Untersuchungen” gebräuchlichen Laboratoriumstieren am wenigsten Kammerwasser liefert, bis zu 0,3 eem zu erhalten sind, beträgt die beim Affen zur Verfügung stehende Menge etwa die Hälfte. Auch reduziert das Kammerwasser des Affen, wenigstens in den bisher von mir untersuchten Fällen, äusserst wenig, ein Umstand, welcher übrigens bei der Anstellung der Vergleichung der beiden Kammer- wässer nicht ungünstig in Betracht kommt. Die Gewinnung des Harnes ist wohl nur auf die Weise möglich, dass man die Blase durch die Bauchdeeken ausdrückt, was durch den Umstand sehr erschwert wird, dass die sehr lebhaften Tiere DNA 0L 397. 594 R. H. Kahn: die Bauchmuskeln anspannen und vermutlich die Sphinkteren fest verschliessen. Mit dem Katheter gelang es mir wegen «der Enge der Wege weder bei männlichen noch bei weiblichen Tieren in die Blase zu kommen. Was die Exstirpation der Nebennieren anlanet, so ist es ein für unsere Versuche sehr erwünschter Umstand, dass der Eineriff zur Freilegung und Entfernung der Organe, wie schon oben aus- führlich geschildert wurde, ein viel leichterer ist, als bei Hund, Katze oder Kaninchen. Die Kapsel ist so derb, dass man sie gut in die Pinzette fassen kann. Dadurch ist es möglich, das Organ zu isolieren und zu exstirpieren, ohne es berühren zu müssen. 40 5 10 15 Min. Fig. 2. Was nun die Resultate unserer Versuche anlangt, so beginnen wir mit der Prüfung des Adrenalingehaltes. Die Nebenniere des Versuches b, mit je Scem NaCl-Lösung zerrieben, wurden 7 Stunden extrahiert. Sodann erfolgte die Prüfung der vasokonstriktorischen Wirkung am 24 Stunden alten Laewen’schen Präparate. Dazu ist zu bemerken, dass in diesem wie in allen anderen Fällen die In- jektionen oftmals wiederholt wurden, da ja Flüssigkeit in hinreichen- der Menge zur Verfügung stand. In Fig. 2 ist ein Beispiel der so gewonnenen Kurven zu sehen. Es wurden in dem Versuche 0,3ccm der im Verhältnisse von 1: 60cem Ringer-Lösung verdünnten Extrakte injiziert. Die gestrichelte Linie zeigt die durch das Extrakt der vor der Erstickung exstirpierten Nebenniere verursachte Gefässverengerung, die ausgezogene Linie die Wirkung des Fxtraktes der nachher exstirpierten. Der Unter- schied zeigt an, dass im Verlaufe der Erstickung der Adrenalin- gehalt des Nebennierenmarkes sehr abgenommen hatte. Die übrigen mit Weitere Studien über die Nebennieren. 595 den Extrakten in verschiedenen Verdünnungen angestellten Versuche zeigten das gleiche Resultat. Die Extraktion der mit je 4cem NaCl-Lösung zerriebenen Neben- nierenhälften des Versuches e währte ebenfalls 7 Stunden. Sodann erfolgte die Prüfung der Extrakte auch am Laewen’schen Präparate, welches seit 6'/s Stunden durchspült worden war. Fig. 3 zeigt das Resultat einer Injektion von je 0,3 cem der im Verhältnisse von 1:120 Ringer-Lösung verdünnten Extrakte. Die ausgezogene Linie zeigt die Wirkung des Extraktes vor der Er- stickung, die gestrichelte die des Extraktes nach der Erstiekung. Ebenso wie im vorigen Versuche zeigt also die Nebenniere im Verlaufe der Erstickung des Tieres ein Schwinden ihres Adrenalingehaltes. b) 10 15 20 25 Min. Fig. 3. Welches sind nun die Resultate bezüglich des histologischen Verhaltens des Nebennierenmarkes vor und nach der Erstickung? Die Nebennieren des Falles a wurden in Paraffın geschnitten und ungefärbt und gefärbt untersucht. Die Unterschiede im Ver- halten des Nebennierenmarkes sind sehr gering. Das Mark nach der Erstickung ist etwas weniger gelb gefärbt als das vor derselben; an gefärbten Präparaten (Alaun-Cochenille) erkennt man den etwas geringeren Grad der Chromierung an der etwas stärkeren roten Fär- bung. Bei stärkerer Vergrösserung ist, abgesehen von den eben erwähnten Verschiedenheiten, kaum ein besonderer Unterschied wahrzunehmen. Leider ist in diesem Falle die erstexstirpierte Neben- niere überdies, was den feineren Bau des Markes betrifft, nicht so gut erhalten wie die zweite, ein Umstand, der in den Manipulationen bei der Exstirpation seinen Grund hat. Diese Unterschiede sind für sich allein genommen nicht gross genug, um sie als Veränderungen nach der Erstickung zu deuten. 596 | R. H. Kahn: Im Falle e ist der Unterschied in der Struktur der Markteile der beiden Nebennieren charakteristischer. Vor allem ist am un- gefärbten Präparate der Unterschied in der Chromierung deutlicher, wenn auch nicht so hochgradig, wie man es bei Katze und Kaninchen nach Zuckerstich, Co-Vergiftung und Asphyxie regelmässig zu sehen bekommt. Das gefärbte Präparat der zweiten Nebenniere zeigt bei stärkerer Vergrösserung, dass die Balken und Ballen chromaffinen Gewebes in hohem Grade von Vakuolen durchsetzt sind, eine Fr- scheinung, welche bei dem erstexstirpierten Organe völlig fehlt. Diese Erscheinungen im histologischen Bilde des Falles e sind gross genug, um ansich als Besonderheiten nach der Asphyxie aufgefasst zu werden. Berücksichtigen wir dabei, dass im Falle a und e der Adrenalin- gehalt des Markes nach der Asphyxie geringer befunden wurde als vor derselben, so ist der Schluss berechtigt, dass auch beim Affen im Verlaufe der Folgen der durch die Erstiekung gesetzten zentralen Reizung eine sekretorische Funktion des Nebennierenmarkes zu konstatieren ist. Die Chromierbarkeit nimmt ab, es treten reichlich Vakuolen auf, der Adrenalingehalt wird geringer. Zugleich tritt Hyperglykämie und Glykosurie auf. Wir setzen diese Erscheinungen miteinander in Beziehung und nehmen also für den Affen nach der Erstickung die gleichen Ver- hältuisse an, wie sie eingangs für Kaninchen, Hund und Katze erörtert worden sind. Es wird nun noch weiter nötig sein, am Affen die hier in Betracht kommenden Verhältnisse nach einseitiger Splanchnicus- durehschneidung zu studieren sowie Experimente mit dem Zuekerstiche anzustellen. Auch hierzu hoffe ich später noch Gelegenheit zu haben. IV. Adrenalinämie nach dem Zuckerstiche. Die Versuche, eine Adrenalinämie nach dem Zuckerstiche fest- zustellen, sind bisher resultatlos geblieben. Weder im Karotis noch im peripheren Venenblute konnte man mit Sicherheit ein nachweisbares Auftreten von Adrenalin erheben. Bei den Bemühungen um dieses Problem haben die gebräuchlichen Methoden des biologischen Adrenalinnachweises bisher völlig versagt!). 1) Literatur hierüber findet sich bei: R. H. Kahn, Zur Frage der Adrenalin- ämie nach dem Zuckerstiche.e Pflüger’s Arch. Bd. 144 Se ae — R. H. Kahn, Weitere Untersuchungen zur Adrenalinämiefrage. Pflüger’s Arch. Bd. 144 8.306. 1911. — J. Negrin y Lopez, Zur Frage nach der Genese der Pigüre-Glykosurie. Pflüger’s Arch. Bd. 145 8.311. 1912. Weitere Studien über die Nebennieren. 597 Indessen finden sich in den Publikationen ausländischer Autoren in der letzten Zeit Mitteilungen über besonderes Verhalten des Blutes der Vena cava bezüglich seines Adrenalingehaltes nach verschiedenen Eingriffen. So haben Cannon und de Paz!) das Verhalten des Cavablutes der Katze untersucht, welche längere Zeit stark in Auf- regung versetzt worden war (Emotional-Stimulation). Dabei benützten sie zur Gewinnung des Cavablutes eine ganz neue Methode. Von der Vena femoralis aus wurde. ein dünner, biegsamer Katheder bis in die Cava vorgeschoben, so dass einige Kubikzentimeter Blut aus der Gegend der Einmündung der Nebennierenvenen gewonnen werden konnten. Auf diese Weise stand defibriniertes Blut, vor und nach dem . Experimente entnommen, der Untersuchung zur Verfügung. Die Untersuchung des Blutes selbst erfolgte nach der Methode von Magnus°), indem die hemmende Wirkung auf den überlebenden Darm beobachtet wurde. Als Resultat ergab sich, dass die geringe hemmende Wirkung des Cavablutes durch die künstlich hervor- gerufene starke Erregung des Tieres sehr gesteigert wurde. Daraus schliessen die Autoren auf einen vermehrten Adrenalingehalt, zumal der Effekt an nebennierenlosen Tieren ausblieb. Es lässt sich also aussprechen, dass die bei der Katze infolge der Erregung auftretende Glykosurie mit einer vermehrten Adrenalin- sekretion aus dem Nebennierenmarke einhergeht, welch letztere in dem eingangs erörterten Sinne als Ursache der Glykogenmobili- sierung zu betrachten ist. Gestützt wird eine solche Anschauung vielleicht durch die Versuche von Cannon, Shohlund Wriecht?), welche fanden, dass eine „Emotional Glycosuria“ der Katze, der Fesselungsdiabetes von Böhm und Hoffmann“) verhindert wurde, wenn den Tieren die Nebennieren exstirpiert worden waren. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, dass in den auf S. 584 dieser Arbeit erwähnten Kontrollversuchen wohl eine deutliche Hyper- 1) W. B. Cannon and D. de la Paz, Emotional stimulation of adrenal secretion. Americ. journ. of Physiol. vol. 28 p. 64. 1911. 2) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123. 1904. — V. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 108 S.1. 1905. 3) W. B. Cannon, A. T. Shohl and W. S. Wright, Emotional Glyco- suria. Americ. journ. of Physiol. vol. 29 p. 280. 1911. 4) R. Böhm und F, A. Hoffmann, Beiträge zur Kenntnis des Kohle- hydrat-Stoffwechsels. II. Abteilung. Arch. f. exp. Pathol. Bd. 8 S. 295. 1878. 598 A Kahn: elykämie, aber keine Veränderung an den Nebennieren konstatiert werden konnte. Diese Erscheinung ist wohl so aufzufassen, dass bei vorsichtiger Behandlung — die Tiere wurden während der Experimente stets eingehüllt, gewärmt und vor äusseren Einflüssen nach Möglich- keit behütet — eine Abgabe von Adrenalin, die mit nachweisbaren Veränderungen der Organe einhergeht, nicht eintritt. Vermutlich würde eine wenig schonende Behandlung der Tiere allein schon zu nachweisbaren Veränderungen führen. Die Autoren !) haben dann weiter ihre Versuche auf die Asphyxie und auf Reizung sensibler Nerven ausgedehnt. Sie gingen nach dem- selben Versuchsplane vor, indem sie die Prüfung des Cavablutes am Kaninchendarm nach der Methode von Hoskins?) vornahmen. Es ergab sich bei der Katze bedeutende Hemmung der Darmkontraktionen durch das Blut der Vena cava nach der Asphyxie und nach Reizung sensibler Nerven, während Blut: aus der Vena femoralis solche Wir- kung vermissen liess. Endlich wurde diese Methode der Untersuchung des Cavablutes auch von Ott und Scott?) benützt, welche fanden, dass nach intra- venöser Einverleibung von Extrakten verschiedener Drüsen mit: innerer Sekretion bei Katzen deutliche Hemmung der Darm- bewegungen (Magnus) durch das Cavablut zu erzielen sind. Unter diesen Umständen lag es nahe, das Verhalten des Cava- blutes vor und nach dem Zuckerstiche beim Kaninchen zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurde folgendermaassen verfahren. Die Versuchstiere wurden ohne Narkose gefesselt, mit Glühlampen ge- wärmt. Die Bauchhöhle wurde durch einen in der Linea alba vom Nabel bis zur Symphyse reichenden Schnitt eröffnet, die Vena cava vorsichtig möglichst tief unten präpariert und abgebunden. Sodann wurde ein Glaskatheter mit abgeschrägter breiter Endöffnung in das eröffnete Gefäss eingeschoben, bis seine Spitze in jenem Teile der Cava lae, welchem die rechte Nebenniere anliest. Durch Öffnung 1) W. B. Cannon and R. G. Hoskins, The effects of asphyxia, hyper- pnoe, and sensory stimulation on adrenal secretion. Americ. journ. of Physiol. vol. 29 p. 274. 1911. 2) R.G. Hoskins, A consideration of some. biologie testes for epinephrin. Journ. of Pharmakol. vol. 3. p 93. 1911. 3) J. Ott and J. C. Scott, Note on the effect of the internal secretions upon the secretion of adrenalin. —. Bulletin no 2. ae Lab. of. the Med. College of Philadelphia, March. 6. .1912. Weitere Studien über die Nebennieren. 599 des aus der Bauchhöhle herausragenden Katheterendes wurden einige Kubikzentimeter Blut entnommen und sodann der Katheter vorsichtig wieder entfernt, indem das Einführungsloch des Gefässes verschlossen wurde. Diese Manipulationen wurden der Einführung eines elastischen Katheters von der Femoralis aus deshalb vorgezogen, weil dabei die Lage der Katheterspitze viel genauer kontrolliert werden konnte. | Nun wurde das Tier entweder sorgfältig gewärmt und vor sonstigen äusseren Einflüssen behütet liegen gelassen, oder es wurde der Zuckerstich ausgeführt. Sodann folgte die zweite Entnahme des Cavablutes mit dem Katheter. Die beiden Blutproben wurden der spontanen Gerinnung überlassen, die Sera abgezogen, zentrifugiert und am Laewen’schen Präparat bezüglich ihrer vasokonstriktorischen Wirkung miteinander verglichen. In den ganzen hier beschriebenen Untersuchungen wurde das Laewen’sche Präparat vielfach verwendet. Bezüglich der Prüfung von Nebennierenextrakten liefert es bei sorgfältiger Behandlung ohne weiteres brauchbare Resultate. Hier kommt der sehr günstige Um- stand in Betracht, dass infolge des hohen Adrenalingehaltes der Nebennieren die Verdünnung der Extrakte eine sehr hochgradige ist. Die Lösungen, welche injiziert werden, sind 60—120 fache Verdünnungen der gut zentrifugierten Extrakte von einer Neben- niere in See NaCl-Lösung, so dass eigentlich Ringer-Lösungen zur Verwendung gelangen, welche kaum noch andere in Betracht kommende Bestandteile der Organe enthalten als Adrenalin. Bei fortgesetzter Verwendung der Präparate werden, wohl in- folge grösserer Erfahrung und Übung, die mit ihnen erzielten Resul- tate immer gleichmässiger und das Urteil über die Stichhaltigkeit der Versuche immer sicherer. Die Prüfung des Adrenalingehaltes des Blutes, welche nur hier vorgenommen wurde, erfordert noch einige Bemerkungen. Das Blutserum enthält, worauf O’Connor!) zuerst aufmerksam gemacht hat, zweifellos vasokonstriktorisch wirkende Substanzen, welche erst während oder nach der Gerinnung entstehen und sicher mit Adrenalin nieht identisch sind. Aus diesem Grunde ist ÖO’Connor 1) J. M.O’Connor, Über Adrenalinbestimmung im Blute. Münchner med. Wochenschr. 1911 S. 1439. — 3. M.O’Connor, Über den Adrenalingehalt des Bjutes. Arch. f. exp. Pathol. Bd. 67 8.195. 1912. -Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 146. 39 600 R. H. Kahn: der Meinung, man müsste die Versuche der Prüfung des Adrenalin- gehaltes des Blutes mit Blutplasma anstellen. Indessen trage ich auf Grund eigener diesbezüglich angestellter Versuche!) ein gewisses Bedenken dagegen, in solchen Fällen, in denen es wesentlich auf relative Werte, auf die Feststellung von Differenzen im Adrenalingehalte an- kommt. Denn vor allem scheint es, wie ich schon früher angegeben habe, und wie vor mir auch Trendelenburg?) festgestellt hat, dass ganz gleich behandelte Sera des gleichen Tieres gleiche Aus- schläge am Laewen’schen Präparate geben. Weiter zeigt Blut- plasma durchaus nicht immer die gleichen Wirkungen. Ich finde vielmehr die Unterschiede in der vasokonstriktorischen Wirkung „normalen“ Plasmas recht gross. Das mag vielleicht neben anderen auch die hier naheliegende Ursache haben, dass trotz des Zusatzes von Zitrat oder Hirudin doch gelegentlich in verschiedenem Aus- maasse kleine Gerinnungen auftreten, welche dann zu sehr verschieden starker vasokonstriktorischer Wirkung solcher Plasmen Veranlassung geben. Ich ziehe es also für derartige Fälle, wie der in Rede stehende. vor, das Blut gerionen zu lassen und unter der Annahme, dass gleichmässig behandelte Sera auch gleiche Wirkungen entfalten, Unterschiede in der Wirkung auf verschiedenen Adrenalingehalt zu beziehen. Natürlich müssen solche Unterschiede konstant auftreten und erheblich sein. Man wird gewiss zugeben, dass die Methode keine ideale ist, aber über eine bessere verfügen wir vorläufig nicht. Wir gehen nun dazu über, die Resultate von Versuchen zu be- sprechen, die nach dem vorhin erwähnten Plane ausgeführt worden waren. 26. Februar 1912. Kaninchen 3, mittelgross. 10b 20°. Harn reduziert nicht. 10h 25°. Punktion der linken Kammer. 10h 35°. Entnahme von ca. 4 cem Cavablut. 11h 25°. Punktion der rechten Kammer. Der Harn reduziert vielleicht eine Spur. Entnahme von Cavablut Das rechte (zweite) Kammerwasser reduziert etwas stärker als das linke. 1) Vgl. meine auf S. 596 zitierten Arbeiten. 2) P. Trendelenburg, Zur Bestimmung des Adrenalingehaltes im Blut. Münchner med. Wochenschr. 1911 Nr. 36. Weitere Studien über die Nebennieren. 601 Prüfung der Seraam 5haltenLae wen schen Präparate (je 0,3cem des unverdünnten Serums). Fig. 4 zeiet, dass in diesem Falle (bei leichter Hyperglykämie( die beiden im Verlaufe von nicht ganz einer Stunde entnommenen Blutproben aus der Vena cava einen erheblichen Unterschied in der vasokonstriktorischen Wirkung nicht aufwiesen. (Erstes Blut ge- striehelt, zweites ausgezogen.) b) 10 15 Min. 3 Fig. 4. 17. Februar 1912. Kaninchen 9, mittelgross, 9h 45’, Harn reduziert nicht. Punktion der rechten Kammer. 105 05°. Entnahme von Cavablut. 10h 25'. Zuckerstich. 11b 05’. Entnahme von Cavablut. Sehr wenig Harn. Spur Reduktion. Punktion der linken Kammer. Das zweite Kammerwasser reduziert viel stärker als das erste. Starke Hyperglykämie. Prüfung der Sera am 5® alten Laewen’schen Präparate. 40 30 .. 20 10 5) 10 15 20 Min. Fig. 5. Fig. 5 zeigt die Wirkung der Injektionen von je 0,3 cem der beiden unverdünnten Seren des Cavablutes. Die gestrichelte Linie 33% 602 R. H. Kahn: zeigt die Wirkung des Serums vor dem Zuckerstiche, die ausgezogene Linie die des nachher entnommenen Serums. Der ganz erhebliche Unterschied zugunsten des letzteren war bei allen Injektionsversuchen vorhanden. 20. Februar 1912. Kaninchen 3, über 2000 g. 10h 15'. Harn reduziert nicht. 10h 20’. Punktion der rechten Kammer. 10h 30’. Entnahme von Cavablut. 10h 50”. Zuckerstich. 11% 45'. Entnahme von Cavablut. Punktion der linken Kammer. Der Harn reduziert sehr stark + +. Der Unterschied in der Reduktionskraft der beiden Kammer- wässer ist sehr gross. Starke Hyperelykämie. b) 10 15 20 Min. Fig. 6. Die beiden Sera werden am 7® alten Laewen’schen Präparate geprüft. Die Wirkung der Injektion von je 0,3 cem des unverdünnten Serums zeigt Fig. 6. Auch hier sieht man wiederum einen erheb- lichen Unterschied in dem Effekte von seiten des ersten Serums (ge- strichelt) gegenüber dem zweiten (ausgezogen). Das Resultat zeigte sich bei allen Injektionsversuchen, von denen in Fig. 7 ein zweiter (bei anderer Empfindlichkeit des Präparates zu einem anderen Zeit- punkte) vorgeführt wird. Hierzu sei noch bemerkt, dass jenes Serum, von welchem eine stärkere Wirkung erwartet wurde, gelegentlich als erstes, dann wieder als zweites injiziert wurde. Aus solchen Versuchen lässt sich wohl der Schluss ziehen, dass der Adrenalingehalt des Cavablutes nach dem Zuckerstiche ge- steigert ist. Weitere Studien über die Nebennieren. 603 Damit erscheint ein Postulat erfüllt, welehes an den Umstand geknüpft ist, dass man nach dem Zuckerstiche in der Lage ist, einen veränderten Zustand der Nebennieren nachzuweisen, welcher darin besteht, dass Chromierbarkeit und Adrenalingehalt sich ver- mindert zeigen. Und mit dem geschilderten Befunde hat die ein- gangs erörterte Anschauung, es werde die Glykozenmobilisierung nach dem Zuckerstiche dureh das den Nebennieren in reichem Maasse ent- strömende Adrenalin ausgelöst, eine neue Stütze gefunden. Im peripheren Venenblute und im Blute der Arterien ist aber nicht derartiges nachweisbar. Das liest vermutlich weniger an der schnellen Zerstörbarkeit, als an der hochgradigen Verdünnung des 5 10 15 Min. Fig. 7. Adrenalins, welches sich an diesen Orten dem Nachweise mit den uns heute zur Verfügung stehenden Methoden entzieht, während es an Organen (Nervenenden) zu denen es eine spezifische Beziehung hat, zur Wirksamkeit gelangt. Überblickt man nun die Resultate der im vorstehenden vor- getragenen und der übrigen den Gegenstand betreffenden Unter- suchungen, so lässt sich folgendes aussprechen: Bei jener über- stürzten Mobilisierung des Leberglykogens, welche durch zentrale Reizung ausgelöst wird, welehe Hyperklykämie und Glykosurie zur Folge hat, besteht eine rege Tätigkeit des Nebennierenmarkes. Als Anzeichen einer solchen findet man Abnahme der Chromier- barkeit, Verlust der Granula, Auftreten von Vakuolen nach dem Zuckerstiche beim Kaninchen und der Katze (Kahn), nach der CO-Vergiftung beim Kaninchen und dem Hunde (Starkenstein) nach Asphyxie beim Kaninchen (Starkenstein) und Affen (Kahn) Ferner konstatiert man in allen diesen Fällen eine Verminderung des Adrenalingehaltes des Organes. Auch die mit der regen Tätig- 604 R. H. Kahn: Weitere Studien über die Nebennieren. keit des Markes zusammenhängende Adrenalinämie lässt sich. nach- weisen, wenn man das Blut der Vena cava untersucht. Man: fand dieselbe nach psychischer Erregung, sensibler Reizung und Asphyxie bei’ der Katze (Cannon und a nach dem Au beim Kaninchen (Kahn). : Das auf diesem Wege durch das Blut den sympathischen Nerven- enden in der Leber in reichlichem Maasse zugeführte Adrenalin wirkt nun auf diese, indem es entweder ihre Erresebarkeit erhöht und sie für die auf nervösem Wege eintreffenden Reize zugänglicher macht, oder indem ‘es deren auf nervösem Wese erzeugte uaglis durch Reizung steigert. Dieser Vorgang scheint zur Auslösung der Eiykosenmabiltienee bei manchen Tierarten (Kaninchen) unbedingt nötig zu sein, während er bei anderen (Katze) stark unterstützend wirkt. Das lässt sich aus dem Umstande schliessen, dass die Exstirpation der Nebennieren bei einer Tierart das Zustandekommen der Hyperglykämie verhindert, bei anderen nur erschwert. Die nächste wichtige Frage scheint nun die nach der funktio- nellen Identität des Nebennierenmarkes mit den ausserhalb der Nebenniere liegenden ehromaffınen Organen, den übrigen Paraganglien, zu sein. . Darüber hoffe ich in kurzem einiges berichten zu können. Pierersche Hofbuchäruckerei Stephan Geibel & Co. in’ Altenburg. Berichtigung zur Arbeit: Der osmotische Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung nach dem Ausschlüpfen der Embryonen. Pflüger’s Arch. Bd. 146 S. 212. Von E. Louis Backman und Carl Gustav Sundberg3. Es muss heissen: Seite 224, 18. Zeile von unten: Diese Ergebnisse stiminen mit den spärlichen Angaben überein, die Le Varigny?) und Rondeau- Luzeau!' [Fussnote S. 225]) über diese Dinge machen. Seite 224, 6. Zeile von unten: Denn der osmotische Druck erreicht ja schliesslich einen endgültigen Wert, der höher ist als in allen früheren Stadien der Embryogenese. Seite 225, 1. Zeile von oben, fällt weg: „Schaper und Rondeau- Luzeau!) über diese Dinge angeben.“ ‚aagegrdant 1b h Fir art Kir . ef | ae 208 Re A ER ae Bros.ban, (* m Oo ir 12 A “ 5 a“ e AS | B: on 2 $ \ t Teig BIN } x I E ARE h Pr, [5 vd Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd.146. Taf. VI. Fig. %. Verlag von Martin Hager ‚Bomn. Lith..Anst v.F.Wirtz ‚Darmstadt. [ we Ale ar . j NEAR, END m 17 19 il IR m — ö IN m | R —— | Ir — A——— m Mi — —