PFLÜGER®S ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VoN MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND | NEUNUND FÜNFZIG. MIT 9 TAFELN UND 153 TEXTFIGUREN. BONN, 1914. VERLAG VON MARTIN HAGER. nee her we 4 Fu ee NT NER ra RE ee Fa Da Se A Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. ‚Ausgegeben am 3. August 1914. Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das Spermin als Oxydationsferment. (Pflüger’s Arch. Bd. 156 8. 330.) Von Prof. A. Loewy-Berlin. (Aus dem tierphysiol. Labora- torium -der kgl.-landw. Hochschule in Berlin) . Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. Von Dr. a. Toyojiro Kato. (Aus dem Do Institut der Universität Freiburg i. Br.). Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten. Von 7. von Kri lescsi (Aus dem physiologischen Institut Freiburg i. Br.) . Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. Von Dr. Th. Emile ter Kuile, Amsterdan. (Mit 1 Textfignr) . Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren de Haut durch verschiedene Temperaturen. Von Zahnarzt. Erwin Goldmann, cand. med. aus Cannstatt. (Mit 27 Textfiguren) . Über die Wirkung des Cholins” Kr en Dalaitenappaiht warmblütiger Tiere. Von Dr. med. J. W.Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität zu Moskau. (Mit 12 Textfiguren) ' DE Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. Teil. Von Prof. B. Bocei. (Übers. von Privatdozent D. Ph. Verderame, kgl. Univ.-Augenklinik in Turin.) (Mit 9 Textfiguren und Tafel I und II.) (Aus dem physio- logischen Institut der kgl. Universität in Siena) . Vıiertes, fünftes und sechstes Heft. Ausgegeben am 31. August 1914. Die akuten und die dauernden Folgen des Ausfalles der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. Von R. Magnus und W. Storm vanLeeuwen. (Mit 7 Textfiguren.) (Aus dem u) - logischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Seite 27 51 93 eg 157 16183 IV Inhalt. Zur Analyse der Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation beim Frosch. Von A. de Kleijn. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Sn Welche Teile des Zentralnervensystems müssen für das Zu- standekommen der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körpermuskulatur vorhanden sein? Von R. Magnus. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem Pe Institut der Reichsuniversität Utrecht) . x Über den Eiufluss der Kopfstellung auf phasische ae reflexe. Von Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen. (Mit 17 Textfiguren.) (Aus dem Da Institut der Reichsuniversität Utrecht) . TE Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. Von Dr. K. Schr eber (Aachen). (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Maschinenlabora- torium der techn. Hochschule Aachen) Quantitative pharmakologische Untersuchungen über die Reflex- funktionen des Rückenmarks an Warmblütern. II. Mit- teilung. Chloroformgehalt des Blutes während der Narkose- laufbewegungen der Katze. Von W. Storm van Leeuwen, Konservator des Institutes. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. Vorläufige Mitteilung. Von Gertrud Woker und Sophie Pecker. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem Institut für physik.-chem. Biologie der Universität Bern) . Über den Einfluss von Salzlösungen auf Colpodeneysten. Von Gertrud Woker. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Labora- torium für physik.-chem. Biologie der Universität Bern) Über die Natur des Winterschlafes. Bemerkungen zur Ant- wort Polimanti’s. Von Dr. Franz Mares, Professor der Physiologie. (Aus dem physiologischen Tnstiare der k. E böhmischen Universität in Prag) Siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 30: September 1914. Über die Belegzellen im Magen der Schildkröte. Von Otto Weiss. (Hierzu Tafel III.) (Aus dem ee Institut der Universität Königsberg i. Pr.). - SEN Seite 218 224 251 276 291 299 312 320 325 Inhalt. Quantitative experimentell-therapeutische Versuche zur Ermitt- lung der stopfenden Bestandteile im Opium. Von Dr. _Makoto Takahashi (Tokio). (Mit 22 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Die Abhängigkeit der ie one vom el des Nervensystems. Von Dr. Makoto Takahashi (Tokio). (Aus dem en Institut der Reichsuniversität Utrecht) Zur Physiologie der Schilddrüse und der ee I. Mit- teilung. Schilddrüse, Epithelkörperchen und Adrenalin- glykosurie. Von F. Blum und A. V. Marx. (Aus dem biologischen Institut zu Frankfurt a. M.) Nachtrag zu unserer Arbeit über den funktionellen Nachweis des N. depressor beim Frosch. (Pflüger’s Archiv Bd. 157 S. 117. 1914.) Von Dr. Yas Kuno (Mukden) und Prof. Des. Brücke, )., 5 AUE Experimentelle Untersuchungen über Autoimplantation von Nierengewebe. Von A. Katz (Wien) und R. Lichten- stern (Wien). (Mit Tafel IV und V). Ein praktisches Volumenometer für physiologische und klinische Zwecke (Körperdichte-, Lungenvolumenbestimmung). Von Dr. med. Willi Lange, Charlottenburg . Neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 30. Oktober 1914. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. Von R. Höber und R. A. Spaeth. (Mit 8 Text- figuren und Tafel VI.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel) . s a En a Borameisensäure als Katalysator beim ee ielesischen Stoff- wechsel. Von Privatdozent Dr. P. Köthner, Berlin. (Mit 16 Textfiguren) RE Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn bei Sn Von Privatdozent Dr. P. Köthner, Berlin . ö Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für EN Von Ernst Masing. (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg) ME Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskopische Bild der Glandula submaxillaris des Hundes. Von Dr. med. Seite 327 389 393 414 415 426 433 457 472 476 VI Inhalt. vet. Hans Hitzker (Wien). (Hierzu Tafel VII.) (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag). SR A a Weitere Untersuchungen über die Verkürzung des Muskels im Muskelpresssaft. Von Dr. Th. Birnbacher, Assistenten am Institute. (Aus dem physiologischen Institut der Uni- versität Graz) auder Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 27. November 1914. Über den zeitlichen Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion des Muskels. Nach Untersuchungen mit Dr. E. Lesser vom Jahre 1908. Von J. Bernstein (Halle). (Mit 4 Textflguren und Tafel VII). Die Verwendung von Kaliumzellen zur objektiven Vergleichung der Toontiefe farbiger Lösungen und zur Feststellung von Helligkeitsunterschieden. Von Emil Abderhalden nnd F. Wildermuth. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Über den Einfluss der Kopfstellung auf die vestibularen Re- aktionsbewegungen der Tiere. Von J. Rothfeld, Assistent an der Nervenklinik der Universität Lemberg. (Mit 6 Textfiguren und Tafel IX.) (Aus dem physio- logischen Institut der Universität Lemberg) Seite 487 514 521 585 607 (Aus dem tierphysiol. Laboratorium der kgl. landw. Hochschule in Berlin.) Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das Spermin als Oxydationsferment. (Pflüger’s Arch. Bd. 156 S. 330.) Von Prof. A. Loewy-Berlin. Die Anschauungen über die Art der chemischen Wirkung des Spermins und über seine Wirksamkeit im Tierkörper sind bis heute sehr widersprechend. Geht man die Arbeiten durch, die sich mit dem Einfluss des Spermins auf den Ablauf chemischer Prozesse be- fassen, so kann man als feststehend eigentlich nur den Effekt be- haupten, den sein Zusatz zu einem Gemisch von Magnesium und Metallchloriden in wässriger Lösung ausübt. Dabei geben letztere ihr Chlor ab und bilden sich unter Wasserzersetzung in Oxyde bzw. Hydroxyde um, meist unter gleichzeitiger Bildung von Magnesium- hydroxyd. Diese chemischen Umsetzung wird nun durch Spermin erheblich beschleunigt. Dazu kommt die von v. Poehl gemachte Beobachtung, dass mit verdünntem Blut versetzte Guajaktinktur nach Sperminzusatz sich unter Wasserstoffsuperoxydbildung bläut. Poehl schloss nun, dass man es beim Spermin mit einem Oxydationsferment zu tun habe, das, aus tierischen Organen her- gestellt, auch im Tierkörper die Oxydationsprozesse beschleunigen muss. Bis auf Reprew’s Untersuchungen ist eine Steigerung der Oxyda- tionsprozesse im Tierkörper, gemessen am Gesamtgaswechsel, nicht beobachtet worden, und Poehl dachte auch weniger an eine solche. als an eine Veränderung der intermediären Stoffwechselprozesse Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 1 2 A. Loewy: ud derart, dass der Abbau bis zu den Endprodukten vollkommener vonstatten gehen sollte. Inwieweit die klinischen Beobachtungen über erfolgreiche Ver- wendung des Spermins bei Kranken bzw. die chemischen Unter- suchungen der Ausscheidungen — die von Poehl in zwei umfäng- lichen Büchern zusammengestellt sind — in diesem Sinne zu ver- werten sind, soll hier nicht weiter erörtert werden. Reprew betont nun gegenüber Poehl, dass das Spermin nicht nur einen Aktivator für die Oxydationsprozesse abgebe, vielmehr auch für die synthetischen Vorgänge Das folgert Reprew aus Versuchen an Meerschweinchen, die unter Sperminzufuhr an Gewicht zunahmen. Diese Gewichtszunahme allein kann aber kaum die Reprew’sche Anschauung beweisen, da die Tiere zugleich erheblich mehr an Futter aufnahmen. — Auch die bessere Ausnutzung der Nahrung im Körper, von der Reprew spricht, lässt sich einfach aus der Abnahme des Gewichtes der Fäces, die Reprew findet, nicht erweisen. Um einen Einklang zwischen den von ihm angenommenen, zu- sleich die synthetischen wie die abbauenden Prozesse im Tierkörper fördernden Wirkungen des Spermins herzustellen, sieht Reprew sich genötigt eine Reihe von Hypothesen aufzustellen; d. h. also die Erklärung ist bis jetzt unsieher. Diese Unsicherheit ist um so erklärlicher, als bis jetzt die rein chemischen Grundlagen über die aktivierende Fähigkeit des Spermins nur eng begrenzt sind und, abgesehen von den erwähnten Beobachtungen Poehl’s am Blute, wenig geeignet sind auf die Prozesse im Tierkörper übertragen zu werden. Ich möchte deshalb einige Erfahrungen mitteilen, die ohne weiteres durch den Augenschein die Fähigkeit des Spermins, reine Oxydationsprozesse wie auch oxydative Synthesen zu beschleunigen, demonstrieren können. Macht man eine Lösung von Dimethylparaphenylen- diamin, sei es in destilliertem Wasser, sei es in Leitungswasser, sei es in physiologischer Kochsalzlösung, so färbt sich diese ursprüng- lich farblose Lösung allmählich rosarot. Die Intensität der Färbung nimmt nach und nach, entsprechend der Konzentration der Lösung, bis zu einem Maximum zu. Betrachtet man nun mehrere Proben, von denen ein Teil ohne Zusatz, ein Teil nach Zusatz einiger Tropfen Spermins stehen ge- Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das Spermin etc. 3 lassen wird, so beginnt die Rosafärbung stets früher in den sperminhaltigen Proben, und die Zunahme der Färbung schreitet: in ihnen weit schneller fort. Die Oxydationsprozesse, auf denen die Färbung beruht, werden duhre Spermin also beschleunigt. Ebenso ist es mit den oxydativen Synthesen, die vor sich gehen, wenn man Dimethylparaphenylendiamin und Toluylendiamin zusammen in Lösung bringt, oder ersteres zugleich mit «@-Naphthol. Aus Dimethyl-p-Phenylendiamin und Toluylendiamin bildet sich beim ruhigen Stehen allmählich Toluylenblau. Auch hier geht dessen Bildung, gleichgültig ob die Lösungen in Wasser oder physio- logischer Kochsalzlösung gemacht wurden, schneller in den sperminhaltigen Proben vor sich als in den sperminfreien: die Bläuung tritt früher in ersteren ein, das Maximum wird früher erreicht. Nach längerer Zeit — einigen Stunden — ist die Farb- intensität in allen Proben die gleiche geworden. «-Naphthol und Dimetbylparaphenylendiamin geben die bekannte Indophenolsynthese, auch eine oxydative Synthese. Das Ver- halten ist genau das gleiche: die Bläuung tritt, gleichgültig ob Wasser oder physiologische Kochsalzlösung als Lösungsmittel dienen, in den sperminhaltigen Proben früher ein und schreitet schneller vor. Hier ist der Versuch auch positiv in alkoholischer Lösung, und der Befund ist um so auffallender, als die Blaufärbung in Alkohol ohne Spermin gar nicht oder nicht in deutlich erkennbarem Maasse vor sich geht. Die Proben bleiben schwach rosa gefärbt, wenigstens . bei einer Beobachtung bis zu 24 Stunden. Dagegen erfolgt sie unter Bläuung in den mit Spermin versetzten Proben. Versuche mit Dimethylparaphenylendiamin + Dimethylanilin (Bindschedler’s Grün) und mit «-Naphthol + Nitrosoanilin hatten kein deutliches Ergebnis. Für die Anstellung der Versuche muss besonders hervorgehoben werden, dass sie bei vollkommen neutraler Reaktion ausgeführt werden müssen. Säuren beeinträchtigen oder hindern sie, Spuren von Alkali (Soda) befördern sie entweder an sich schon und beschleunigen sie so stark, dass die Wirkung des Spermins nicht mehr festzustellen ist, oder, wenn Laugen benutzt werden, tritt eine Änderung der Färbung auf. Die hier benutzte Sperminlösung selbst war vollkommen 1 * 4 A. Loewy: neutral nicht nur gegenüber Indikatoren, sondern auch bei Prüfung mit der Methode der Gasketten, die die Herren Michaelis und Rona freundlichst für mich vornahmen. Ferner müssen die Versuche am besten bei niedriger Temperatur angestellt werden. Bei hohen Temperaturen erfolgen die Oxydation des Dimethylparaphenylendiamins und die genannten Synthesen sehr schnell, schneller als bei Zimmertemperatur unter Sperminzusatz. Zuvoriges kurzes Erhitzen der Sperminlösung zum Sieden hebt ihre Wirkung nicht auf. Die mitgeteilten Befunde beweisen, dass in vitro wenigstens das Spermin einen Aktivator für gewisse Oxydationen und oxydative Synthesen darstellt. — Mit dieser Kenntnis - ist jedenfalls eine sicherere experimentelle Grundlage gegeben für die Annahme einer analogen Wirkung im Tierkörper, — Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung gegenüber einer von Biedl'!) in seinem bekannten Buche gemachten Angabe. Biedl zitiert Versuche, die ich mit Spermin vor einer Reihe von Jahren angestellt habe?). Ich hatte es Hunden, die auf der Tretbahn bis zur Ermüdung gelaufen waren, injiziert. Der Sauerstoffverbrauch der laufenden Hunde war allmählich für die gleiche äussere Arbeit gestiegen, wie das als Zeichen eintretender Ermüdung bekannt ist?). Wurde nach der Injektion des Spermins die Arbeit fortgesetzt, so konnte sie nun wieder unter geringerem Sauerstoffverbrauch ge- leistet werden. Biedl gibt an, dass ich Hodenextrakt benutzt hätte, was jedoch nicht zutrifft; es handelt sich um Spermin, das in meinen Versuchen eine positive Wirkung hatte. Die Wirkung kann aus Be- funden erklärt werden, die von mehreren Autoren [Kuliabko, Kakowski und besonders von Proshansky*)] erhoben worden sind, wonach Spermin auf die Funktion des Herzens — zumal des geschwächten Herzens — und der Blutgefässe einen deutlichen l) A. Biedl, Innere Sekretion, 2. Aufl., Teil 2 S. 285—288. Berlin- Wien 1913. 2) A. Loewy, Über Rückgängigmachung der Ermüdungserscheinungen usw. Berliner klin. Wochenschr. 1910 Nr. 19, 3) A. Loewy, Über die Wirkung ermüdender Muskelarbeit auf den Gas- wechsel des Menschen. Pflüger’s Arch. Bd.49. 1891. 4) N. Proshansky, Klin. therapeut. Wochenschr. 1910 Nr. 6. Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das Spermin etc, 5 Fffekt ausübt. — Biedl gibt an, dass er in eigenen Versuchen überhaupt keine Wirkung des Spermins auf Tiere gesehen habe, weder auf deren Zirkulation, noch Respiration, noch auf Stoffwechsel oder die Funktionen des Nervensystems. Ausser dieser summarischen Angabe finden sich keine Einzelheiten, so dass eine Kritik an seinen Angaben und eine Aufklärung der Ursachen seiner negativen Befunde unmöglich ist. 6 Toyojiro Kato: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. Von Dr. med. Toyojiro Kato. Inhaltsübersicht. en Einleitung... er ee a ee 6 Methodike. 0. rn rer Re a a a awatgee: 1) IMagendruck- und Konsistenz2der, Nahrung ee 11 Der Magendruck in verschiedenen Verdauungsstadien . .. 2... .... 16 Druck und Frequenz im Muskelmagen von Huhn, Gans und Ente .... 18 Masendruckzund. Muskelmassene se 19 Aktiver Magendruck und Wandspannung. ... ». 2. ... 2.0.0... 20 Magendrucks und Vasuse, Te 24 Zusammenfassung sr". So Ay 2 ee a ee 25 ‚Einleitung. Der Muskelmagen der körnerfressenden Vögel besitzt für die Physiologie ein bleibendes Interesse, seitdem Reaumur!) und Spallanzani?) durch ihre denkwürdigen Versuche an Truthühnern und anderen Vögeln zum ersten Male den Unterschied und das Ineinandergreifen der mechanischen und chemischen Verdauung aufs klarste erwiesen. Die beiden genannten und schon ältere Forscher haben auch bereits versucht, sich über die erstaunlichen mechanischen Leistungen des Muskelmagens nähere Auskunft zu verschaffen. So mass Borelli®), der die Wirkung dieses Organes mit der einer Weinpresse verglich, den im Magen von Truthühnern ausgeübten l) Reaumur, Sur la digestion des oiseaux. Premier memoire. Experiences sur la maniere dont se fait la digestion dans les oiseaux qui vivent principalement des grains et d’herbes et dont l’estomac est un gesier. Mem. de l’Acad. Roy. des scienc. 1752 p. 270. Second memoire. De la maniere dont elle se fait dans l’estomac des oiseaux de proie. Me&m. Acad. Roy. d. science. 1752 p. 461. 2) L. Spallanzani, Versuche über das Verdauungsgeschäft des Menschen und verschiedener Tierarten. Übers. v. Michaelis. Leipzig 1785. 3) Borelli, De motu animalium. 1748. Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 7 Druck an Haselnüssen und Glasstücken durch Vergleich mit der Kraft seiner eigenen Kiefer. Auch machte er den Versuch, den Druck des Hühnermagens mathematisch zu berechnen, wobei er auf einen Wert von 1350 Pfund kam. Redi und vor ihm bereits die Academia del Cimento untersuchten an lebenden Vögeln, in welcher Zeit feste Körper im Magen zerrieben wurden. So fanden Redi!) und Magalotti?), dass Hühner, Enten und Tauben in ihrem Magen Kristallkugeln in kleine Stückchen und zu Pulver zermalmen, — wenn sie hohl sind, schon in sehr kurzer Zeit, solche aus massivem Glas dagegen in einigen Wochen. In Spallanzani’s Versuchen wurden kleine Glaskugeln, die sich, ohne zu zerbrechen, gewaltsam auf den Boden werfen liessen, im Magen eines Kapaun oder einer Henne binnen 3 Stunden in sehr kleine Stücke zermalmt, „und diese waren nicht einmal mehr scharf, denn die Ecken waren so stumpf, als wenn sie mit Fleiss auf einem Schleifsteine abgerundet worden wären“. Je länger die Kugeln im Magen verblieben, um so feiner erwies sich das aus ihnen gemahlene Pulver, und bei den grösseren Vögeln, wie der Gans, eing die Zermalmung schneller vor sich als bei den kleineren, bei der Taube langsamer als beim Huhn. Der Truthahn- magen zerbrach zwölf Stahlnadeln in 11/s Tagen, in 16 Stunden sechzehn anatomische Lanzetten, die schon in 2 Stunden anfıngen zu zerbrechen. Ein Granat mit zwölf Ecken wurde im Taubenmagen in 1 Monat völlig abgeschliffen. Wie in Reaumur’s Versuchen wurden auch die Blechröhren, die die Nahrungsproben schützen sollten, verbogen. Reaumur suchte diesen Umstand bereits zur Messung des im Magen ausgeübten Druckes zu verwerten, inden er feststellte, ein wie grosses Gewicht erforderlich war, um Eisenblech- röhren ebenso wie im Magen einer Truthenne plattdrücken zu lassen. Er fand dazu eine Belastung von 437 Pfund notwendig. Seit jener, nun schon anderthalb Jahrhunderte zurückliegenden Zeit hat sich nur Mangold wieder mit den Druckverhältnissen im Vogelmagen beschäftist. Auch für die Säugetiere und insbesondere den Menschen liegt die Physiologie des Magendrucks noch in den ersten Anfängen und gründet sich bisher zum grossen Teil nicht auf systematische, sondern nur beiläufige Angaben. 1) Redi, Esperienze intorno a diverse cose naturali p. 74. Napoli 1867. 2) Magalotti, Saggio di naturali esperienze. Siehe Spallanzani, Ne p.9. Toyojiro Kato: [0 6) Mangold hat in einer ausführlichen anatomisch-physiologischen Studie!) über den Muskelmagen der körnerfressenden Vögel den eigenartigen Bewegungsmechanismus dieses mächtigen glattmuskeligen Örganes aufgeklärt und weiterhin bei Huhn, Krähe?) und Bussard ®) die Beeinflussung der Magenbewegungen durch ihre Innervation, durch die verschiedenen Phasen des Hunger- und Fresszustandes, durch die Härte des dargereichten Futters, durch mechanische und chemische Reize und durch die Narkose*) nachgewiesen. Exakte Druck- messungen hat Mangold indessen nur vom Raubvogelmagen®) ver- öffentlicht, während er sich sonst auf die Registrierung der Magen- bewegungen mittels der Ballonsondenmethode und Luftübertragung beschränkte. Beim Bussard betrugen die aktiven Drucksteigerungen im ver- dauenden Magen 8—26 mm Hg’); bei Schleierkäuzen ergaben sich in verschiedenen Versuchen höhere Werte von 34—84 mm Hg°). Gegenüber diesen Angaben vom Raubvogelmagen, der im wesent- lichen dem Magen der Raubsäuger gleicht und als ein „häutiger“ Magen bezeichnet wird, erschien es, zumal in anbetracht seiner er- wähnten Leistungen, von noch höherem Interesse, auch in dem „Muskelmagen“ der Körnerfresser die Grösse der durch die Magen- bewegungen bedingten aktiven Drucksteigerungen zu messen. Auf Vorschlag von Herrn Prof. Mangold unterzog ich mich daher der Aufeabe, derartige Bestimmungen vorzunehmen und die Grösse des normalen Magendruckes wie deren individuelle und persönliche Schwankungen und ihre Abhängigkeit vom Fütterungszustande, von der Konsistenz der Nahrung, von der Wandspannung, von der aktiven Muskelmasse und von der Innervation durch die Vaei zu unter- suchen. 1) E. Mangold, Der Muskelmagen der körnerfressenden Vögel, seine motorischen Funktionen und ihre Abhängigkeit vom Nervensystem. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 111 S. 165. 1906. 2) Derselbe, Die Magenbewegungen der Krähe und Dohle und ihre Beeinflussung vom Vagus. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S.1. 1911. 3) Derselbe, Die funktionellen Schwankungen der motorischen Tätigkeit des Raubvogelmagens. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 139 S. 10. 1911. 4) Derselbe, Die Lähmung des Magens durch die Inhalationsnarkose. Münch. mediz. Wochenschr. 1911. 5) ]. c. 6) Siehe Biedermann, Die Aufnahme, Verarbeitung und Assimilation der Nahrung. Winterstein’s Handb. d. vergl. Physiol. S. 1207. Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 9) Hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse meines Untersuchungs- objektes, seiner Muskulatur und Innervation, wie auch des Ablaufes seiner Bewegungen kann ich hier auf die ausführliche Arbeit von Mangold verweisen. Methodik. Da der Muskelmagen der Hühner schon durch Eröffnung des Peritoneums zum Stillstande gebracht wird und erst recht bei der Isolierung seine Bewegungen einstellt, wenngleich, wie Stübel?) gezeigt hat, auch über das herausgeschnittene Organ rhythmische Aktionsstromwellen hinlaufen, und da es dementsprechend bisher nicht gelungen, auch noch gar nicht versucht ist, den Hühnermagen als überlebendes Organ in Tätigkeit zu erhalten, so konnte es sich bei meinen Versuchen nur um solche in situ handeln. Die Methodik bestand darin, eine Ballonsonde per os in den Magen einzuführen und durch Verbindung mit einem Manometer die Drueksehwankungen zu registrieren. Es wurde daher nach der von Mangold?) für den Hühnermagen ausgearbeiteten Verfahrungsweise ein am unteren Ende mit einem birnenförmigen Gummiballon ver- sehener Schlauch aus diekem Kautschuk unter Führung einer darin befindlichen und mit ihrem Endknopf in der Ballonspitze sitzenden Fisehbeinsonde durch Schnabel, oberen Ösophagus, Kropf und Drüsen- magen vorsichtig soweit tiefer geführt, bis der Ballon im Muskel- magen lag. Der Ballon musste ebenfalls aus starkem Gummi ge- fertigt sein, da er sonst binnen kurzem zwischen den zahlreichen Steinchen, die sich stets im Muskelmagen befinden, regelrecht zer- . bissen und dadurch undicht wird. Die Füllung des Systems mit Flüssigkeit konnte natürlich immer erst nach der Einführung des Ballons erfolgen, da ein vorher ge- füllter Ballon sich nur unter Auspressung der Flüssigkeit durch den engen Eingang vom Kropf in den unteren Ösophagus bzw. Drüsen- magen hindurchzwängen lässt und dann doch nachgefüllt werden muss. Die Füllung lässt sich indessen auch so ganz gut und voll- kommen erreichen, wenn man vom freien Ende des Schlauches her an der darin befindlichen Fischbeinsonde entlang aus einer Pipette 1) H. Stübel, Der Erregungsvorgang in der Magenmuskulatur nach Ver- suchen am Frosch- und am Vogelmagen. Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 381. 1911. 2), 19062 12 c. 10 Toyojiro Kato: nach und nach Wasser herablaufen lässt. Es muss ides natürlich langsam geschehen, um die Luft aus dem System entweichen zu lassen und ihr nicht in dem immerhin engen Rohr durch Wasser den Weg zu versperren. Ist der Flüssigkeitsspiegel bis zum freien Schlauchende gestiegen, so muss bei der nächsten Magenkontraktion Wasser überlaufen. Wenn hierbei keine Luftblasen mehr kommen, so darf man mit grosser Sicherheit annehmen, dass alle Luft bereits verdrängt ist, wenn auch dadurch keine absolute Garantie dafür ge- währt wird, dass vielleicht an dem verensten Übergange aus dem Ballon in den Schlauch noch eine Luftblase festgehalten wird. Hierauf erfolgte immer, nach vorheriger Auffüllung des Schlauch- endes in einer Pause zwischen zwei Magenkontraktionen, die Ver- bindung des freien Schlauchendes mit der übrigen Apparatur, die in einem bereits vorher mit Wasser gefüllten Federmanometer und angeschlossenem He-Manometer bestand. Das Federmanometer, das vor Jahren nach Angaben von Herrn Geheimrat von Kries für das hiesige Institut angefertigt wurde, wurde vor jeder grösseren Versuchsreihe aufs neue mit dem Hg-Manometer geaicht und ver- zeichnete dann mit seinem Schreibhebel die von der im Magen steckenden Ballonsonde ausgehenden Druckschwankungen am Kymo- sraphion. Vor jedem Versuche wurde zunächst bei offenem Wege zum Hg-Manometer das ganze System auf den atmosphärischen Druck eingestellt und dann der dorthin führende Glashahn verschlossen , so dass die Registrierung bei abgeschlossenem Hg-Manometer und allein offener Verbindung zwischen Ballonsonde und Federmanometer vor sich ging. Bei den Versuchen, in denen absichtlich ein Überdruck von verschiedener Höhe in dem System erzeugt wurde, geschah dies jedesmal bei wiedergeöffnetem Anschluss zum Hg-Manometer mit Hilfe einer Stempelspritze von einer weiteren seitlichen Verbindung aus, die während der Reeistrierungen dann ebenfalls wieder ge- schlossen blieb. Ein eventueller „konstanter Anfangsdruck“, wie er z. B. beim Hunde von Moritz!) gefunden 9 cm H,O) und auch von Kirschner und Mangold?) registriert wurde, blieb bei der be- : 1) Moritz, Studien über die motorische Tätigkeit des Magens. I. Mitt. Uber das Verhalten des Druckes im Magen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 S. 352. 1895. 2) Kirschner und Mangold, Die motorische Funktion des Sphincter pylori und des Antrum pylori beim Hunde nach der queren Durchtrennung des Magens. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. Bd. 23 S. 446. 1911. Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 11 schriebenen Verfahrungsweise unberücksichtiet. Im Gegensatz zum Hundemagen zeigt der diekwandige Muskelmagen nur bei dyspnoisch verstärkter Atmung oder sehr starker Erschlaffung respiratorische Schwankungen seines Innendruckes (s. Mangold 1906 S. 190) und dementsprechend auch keine wesentliche Tendenz zu einem derartigen passiven Anfangsdruck, wie er beim Säugermagen besteht. Zu den im folgenden wiedergesebenen Druckwerten ist zu be- merken, dass bei jedem Versuche zunächst eine Reihe von Magen- kontraktionen ohne Überdruck registriert wurden, um erst die beim Huhne so leicht durch die Einführung der Sonde hervorgerufenen Hemmungserscheinungen vorübergehen zu lassen. Hatten die Magen- kurven dann eine konstante Höhe und Frequenz erreicht, so wurde später bei der Auszählung der Kurven aus einer Anzahl dieser nun als normal zu betrachtenden Kurven der Durchschnittswert gewonnen, wie er in den Tabellen verzeichnet ist. Magendruck und Konsistenz der Nahrung. Über den Einfluss verschiedenartiger Fütterung auf die Frequenz der Magenbeweseungen haben Mangold und Felldin') durch wochenlang täglich ausgeführte Registrierung bei einigen Versuchs- hennen gefunden, dass der Magenrhythmus von der verschiedenen Stärke des mechanischen Reizes bei verschiedenem Futter abhängig ist. Je härter das Futter, um so schneller folgten sich die einzelnen Magenkontraktionen. So betrug die Dauer einer Magenperiode bei reiner Kartoffelfütterung 26—30 Sekunden, bei gemischter Kartoffel- Körnerfütterung 22—25 Sekunden, bei ausschliesslicherWeizenfütterung dagegen 18—22 Sekunden und bei Gerste nur 15—18 Sekunden. Es galt nun für mich, zu untersuchen, ob auch die Grösse der aktiven Drucksteigerungen im Muskelmagen sich in ähnlicher Weise je nach den mechanischen Anforderungen, die die Nahrung an die Verdauung stellt, funktionell verändert. Für diese Versuche wurden aus einer grösseren Anzahl vier Hennen ausgewählt, die sich beim Schreiben der Magenkurven ruhig verhielten und bei denen daher die Registrierung ohne wesentliche Störungen durch Aufschreck- bewegungen und dergleichen Hemmungen vorgenonımen werden 1) Mangold und Felldin, Über den Einfluss verschiedenartiger Fütterung auf die Bewegungen des Hühnermagens. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23. 1909. Toyojiro Kato a Be 82 | 961 I 091 83 801 £2 | 981 82 | 9II 88 | Gel HIUOSIPAng=Jureson 7 GEBE RSS ee ToHGPFSeEHEFTEH Grm 1997 Tea kosEITG mer SEHE TEE EEE SeBeTheR ge } 08 26 | ° 'se-0el9T jean] “ Teros |2T 66 | “ 12708 [cz |ErT "g2-'05| ° ° wos Sunı s & -OLIISIIIANONAT "EG7'8l lszsı "Te-"81 “eg st|" ° "woa 97810) Is\TIL | © SsIertl2alzen| © SsImmrleaigaı © sI-rilreisee © 8I- Frl: : wor Zuna e -OLASIOIANONIT "ST-'EI « 'ST-'eI [1% "SI-'eT [1 "SI-'EI * UIOA uj9y0J18 4 St sei en “ eT-'TL|° ° woA upoy - -J0J1B)] + 948195 6T SeL| © TI [os 6er| ° TIL jesıime| © 11-9 IV leer) © IT-/9 |: > won Suns s -9LIJSISIANONACL © 17-"C ” "AONTI-F AOoNII-F | ° "woA 398.109) f 5 ON ON ON . 081'6@ .9er6Z | weyonsıonaodungg 86 | 961 ‘9-'8|22 | 091 '9-'8123|68 "12-"91|08 #8 '8s2-"I1|83 26 "8 I1|88 | 207 | © 87-8 | ° woa Sun -LISISIANONAT 291] '9="& -z0(] '9-"8 PIO'LS"ITL MO'SZ-"II| 710'867"T1 PO'8Z-8 | : wor uazraM BE Be ee ee ee er Dr RN Sn en | San lENERe F E wunyeq E 2 wungeq E 2 wngeq E 23 wnyeq Er Si weg | 3 wnyeq yruu E|8 | Ze Ze 2|& a Sunzoyug IA uyny A uynp AI uyug III uyny II uynp I uynpy "WUy991q SNIOMSIUTISTAN SE “usgasue uopunyyog ur opoladussen usufozurs dop done] oıp op “uojyezsnwugAyy arp puıs osusg “Ypnapaoqy) auyo Sunaorysısayg Tag USIOMSIUNOSYDAN UOYOLSE} uoUsUUoMmad (WUFELT 'S) UEPoLIKaT ueFugsIsZzag Aop puaıyem uop sne SEASNIUTOSTOANg puıs ‘aaqgesasue Sg ww u ‘oJ IOMNonıl Old "SUMLONMT AOUSPITTISTHA 19 UASELWLIDUUNM WI HLLOMAYON.LE TOLIIgET Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 13 konnte. Diese Tiere wurden nun eine zeitlang (12—21 Tage, s. Tab. I) ausschliesslich mit Weizen gefüttert. Dabei wurden sie im Stalle gehalten, und es wurde darauf geachtet, dass sie keinerlei andere Dinge, wie Holz, Stroh oder dergleichen, aufnehmen konnten. Wasser wurde ihnen, wie bei allen Versuchen, stets frisch zur Ver- fügung gestellt. Nach Einschaltung eines Hungerversuches, den wir besonders besprechen wollen, wurden die Tiere in grosse Käfige gesetzt und zunächst ausschliesslich mit Gerste ernährt, danach bekamen sie 3 Tage lang gemischtes Futter, d. h. Gerste und gekochte Kartoffeln, darauf folgte eine Periode ausschliesslicher Kartoffelfütterung und danach noch einige Tage Gerstendiät. Die Gerste stellt ein sehr hartes, Weizen ein schon viel weniger hartes Futter dar, während gekochte Kartoffeln als Weichfutter verwendet wurden. Der ganze Versuch ist in der Tabelle I (Huhn I bis IV) wieder- gegeben. Was zunächst die Frequenz der Magenbewegungen anbetrifft, so konnten die Befunde von Mangold und Felldin bestätigt werden. Es betrug der Rhythmus, d. h. die Dauer der einzelnen Magenperiode, bei Huhn I während der Weizenfütterung 28 Sekunden, beschleunigte sich durch Gerste auf 24 Sekunden, zeigte bei Kartoffeln die grösste Verlangsamung auf 34 Sekunden und beschleunigte sich bei erneutem Gerstenregime wieder auf 25 Sekunden. Auch bei den anderen drei Versuchstieren war der Rhythmus in beiden Gersten- perioden ausnahmslos am schnellsten; doch war hier gegen die Er- wartung der Weizenrhythmus im Vergleich zum Kartoffelrhythmus etwas verlangsamt (s. Tab. ])). Hinsichtlich der durchsebnittlichen Werte der aktiven Magen- drucksteigerungen ist nach der Tabelle I zunächst einmal fest- zustellen, dass dieselben in den vier Hauptfutterperioden (Weizen — Gerste — Kartoffeln — Gerste) recht erheblich voneinander verschieden sind. Zweitens erscheint von Bedeutung, dass diese Veränderung der Druckwerte von Periode zu Periode bei allen vier Versuehstieren eine vollkommen egleichsinnige ist. Diese ausnahmslose Übereinstimmung lässt den Mangel eines gleich- zeitisen Kontrollversuches an einem dauernd gemischt gefütterten Tiere weniger fühlbar erscheinen, von dem wegen der starken Zeit- beanspruchung der Versuche abgesehen wurde. Der ganze Versuch spricht jedenfalls dafür, dass es möglich ist, 14 Toyojiro Kato: den durchschnittlichen Druckwert der Kontraktionen des Muskel- magens experimentell in gesetzmässiger Weise zu beeinflussen. Aller- dings ist es nach unseren Erfahrungen offenbar keineswegs leicht, die Versuche so zu gestalten, dass nur ein einziger Faktor sich ver- ändert. Offenbar haben in den vorliegenden Versuchen noch andere Momente, wie die verschärfte Freiheitsberaubung bei dem Aufenthalt in Stall und Käfig, die einseitige Ernährung und lange Dauer der ganzen Versuchszeit, vor allem auch die täglich oder fast täglich vorgenommenen Experimente mit allen Manipulationen des Auf- bindens, der Sondeneinführung uud den stets angeschlossenen Ver- suchen mit künstlichem Überdruck im Registriersystem, mehr oder minder auf das Gesamtbefinden der Versuchshennen eingewirkt und die Versuchsresultate beeinträchtigt. Immerhin tritt die Tendenz zur Druckänderung bei verschieden- artiger Fütterung deutlich genug hervor. Am einleuchtendsten er- scheint die Veränderung des Magendruckes von der ersten (Weizen-) zur zweiten (Gersten-)Fütterungsperiode. Hier zeigt der Druck in allen vier Versuchen beim Übergang zum Hartfutter eine Zunahme von rund 50°o, eine Veränderung, die, ebenso wie die Frequenzzunahme der Magenbewesungen, jedenfalls wohl im Sinne funktioneller Anpassung an die gesteigerte Anforderung als Reaktion auf den stärkeren mechanischen Reiz des härteren Futters aufgefasst werden darf. Auch die danach beim Übergange von Gerste zu weichen Kartoffeln beobachtete Wiederabnahme des Magendruckes ist im gleichen Sinne verständlich. Doch macht sich hier nun ein Miss- verhältnis zwischen den Weizen- und Kartoffelzahlen geltend, welches der physiologischen Deutung nicht ohne weiteres zugänglich erscheint. Denn wenn die Annahme richtig ist, für die der Verlauf der Ver- suche bis dahin ja auch spricht, dass nämlich die Veränderungen des Macendrucks regulatorische sind und dass derselbe sich im gleichen Sinne mit der Härte des Futters verändert, so müssten natürlich die Kartoffelwerte niedriger liegen als die bei Weizen- fütterung. Das umgekehrte ist aber der Fall (s. Tab. D), und es bleibt einstweilen nur die Möglichkeit, das Eingreifen eines weiteren Faktors zu vermuten, der die Druckentwicklung im Magen hier be- einflusst hat. Ebenso unsicher muss leider für diese Versuchsreihen die Deutung des weiteren Absinkens des Magendruckes bei erneuter Gerstenfütterung (s. Tab. I) bleiben, wo doch ein erneutes Ansteigen Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 15 der Druckentwieklung im Muskelmagen zu erwarten gewesen wäre. Dass der Magenmechanismus noch regulationsfähig war, geht aus der bei der erneuten Gerstenfütterung einsetzenden Wiederbeschleunigung des Rhythmus der Magenkontraktionen hervor. Man muss aber doch vielleicht annehmen, dass die Tiere durch die lange Dauer der ganzen Versuchszeit und die nun schon fast 6 Wochen ununterbrochen fort- gesetzte experimentelle Behandlung, vielleicht insbesondere noch durch den während der ausschliesslichen Kartoffelfütterung regel- mässig bestehenden Durchfall, doch bereits eine Schwächung ihres Alleemeinzustandes wie besonders auch eine solche der Magen- muskulatur oder ihres Innervationsmechanismus erfahren hatten. Den Morphologen ist die funktionelle Anpassung der Magen- muskulatur an die verschiedene Nahrung, insbesondere bei den Vögeln, längst geläufig. So schreibt Wiedersheim!) in seiner vergleichenden Anatomie vom Muskelmagen, dass „dessen Entwicklung in gerader Proportion steht zu dem Konsistenzgrad der zu bewältigenden Nahrung“. Schepelmann 2) hat dem Gegenstande eine besondere, eingehende Untersuchung gewidmet. Schepelmann fand bei Gänsen, je nachdem sie nur mit Körnern oder Fleisch oder Brei und Nudeln gefüttert waren, erhebliche Unterschiede nicht nur hin- sichtlich der Grösse der sezernierenden Oberfläche des Drüsenmagens, sondern auch am Muskelmagen bezüglich der Grösse und Dicke der Reibeplatten und auch des Querschnittes und relativen Gewichtes der Hauptmuskeln (von Schepelmann noch als Seitenmuskeln bezeichnet). Bei den Körnergänsen waren diese Magenmuskeln ver- hältnismässig eineinhalbmal schwerer und ihr Querschnitt grösser als bei den Brei- und Nudelgänsen. Diese Feststellung einer funktionellen, im Sinne von Roux auf den funktionellen Reiz zurückgeführten Anpassung des Muskelmagens steht, wie man sieht, in engem Zusammenhange mit der hier physio- logisch behandelten Fragestellung. Der physiologische Nachweis einer funktionellen Anpassung des Muskelmagens ist für die Frequenz desselben von Mangold und Felldin erbracht; die vorstenend beschriebenen Versuche sprechen für eine gleichartige Beeinflussung auch der Druckleistung des Organes. 1) R. Wiedersheim, Lehrbuch der vergl. Anatomie, 7. Aufl., S. 497. 1909, 2) E. Schepelmann, Über die gestaltende Wirkung verschiedener Er- nährung auf die Organe der Gans. insbesondere über die funktionelle Anpassung an die Nahrung. Arch. f. Entwicklungsmech. d. Organismen Bd. 21 S. 500. 1906. 16 Toyojiro Kato: Wieweit sich diese Verschiedenheiten sowohl der Muskelmasse wie auch des Magendruckes miteinander in Zusammenhang bringen lassen, darüber sollen weiter unten einige Angaben folgen. Der Magendruck in verschiedenen Verdauungsstadien. Des weiteren habe ich einige Versuche angestellt, um zu sehen, ob die Grösse der Druckleistung im Muskelmagen von den jeweiligen Verdauungsphasen abhängig ist. Die hierzu ausgeführten Hunger- versuche sind in der Tabelle II zusammengestellt. Während sonst immer im Zeitraum von 2—9 Stunden nach der letzten Fütterung registriert wurde, erfolgte die Registrierung in diesen Versuchen erst 24—50 Stunden nach derselben. In der Tabelle sind zum Vergleiche mit den Hungerwerten noch die Durchschnittswerte aus der vorher- gehenden Zeit und speziell noch der zuletzt vor dem Hungerversuch Tabelle 1. Druckwerte im Hühnermagen in verschiedenen Verdauungsphasen. Fahr Datum Letzte Fütterung Magendruck vor Stunden mm Hg I 8.—28. Oktober 2—9 Durchsehnitt 107 28. 5 2 129 3. en 25 140 30. 5 3 148 II 11.—28. N 3—8 Durcbschnitt 97 98. A 3 7126 30. r 24 121 30. N 34 134 III 11.—28. = 2—9 Durchschnitt 84 98. = Ss 37 4. November 234 193 5, x 41 186 IV 16.—27. Oktober 2—9 Durchschnitt 89 27. 9 78 4. November 25 181 58 E uam: 123 V 3.—6. Dezember 2—8 Durchschnitt 160 6. ® 7 176 rB 3 24 198 8. ee 49 212 VI 3.—6. Dezember 1—8 Durchschnitt 196 6. 5 6 212 7 i 24 238 8. „ 50 240 Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. jur gefundene Wert angegeben. Die Tabelle lässt erkennen, dass die Druckwerte im Hungerzustande ausnahmslos mehr oder minder, in einigen Fällen sogar sehr beträchtlich srösser waren als in den Stunden bald nach der letzten Fütterung. Wenn wir dieses Ergebnis zu deuten versuchen, so lässt es sich wohl nur in dem Sinne erklären, dass durch den Hungerzustand die Erregbarkeit des Organes bzw. seines Bewegungsmechanismus gesteigert wird und daher durch den mechanischen Reiz der Sonden- einführung eine verstärkte Kraftentfaltung des Magens ausgelöst wird. Normalerweise ist übrigens der Muskelmagen des Huhnes sonst kaum jemals leer, da er auch in den Fresspausen beständig aus dem Nahrungsreservoir des Kropfes neue Zufuhr erhält. Nach Mangold’s Erfahrungen (S. 195) braucht der Muskelmagen bei sehr reichlicher letzter Mahlzeit selbst 24 Stunden danach noch nicht immer völlig entleert zu sein, d. h. das aufgenommene Futter ver- daut zu haben. Vollkommen leer wird der Muskelmagen über- haupt niemals, da er stets eine grosse Anzahl von Steinchen zurück- hält. Dementsprechend steht er auch niemals still, verändert auf funktionelle Reize hin vielmehr nur seine Frequenz und, wie wir sehen, auch seine Druckwerte. Der Mangel einer völligen Entleerung sämtlicher von aussen aufgenommenen Inhaltskörper bedingt einen grundsätzlichen Unter- schied zwischen dem Muskelmagen und dem häutigen Magen der Raubvögel und der meisten Säugetiere. Dieser Unterschied findet u. a. auch darin seinen Ausdruck, dass die Druckleistung im Raub- vogelmagen, wie Mangold fand, nach der völligen Entleerung im Hungerzustande soweit herabsinkt, dass beim Bussard selbst nach der mechanischen Reizung durch die Einführung der Ballonsonde nur I—4 mm Hg erreicht wurden, während der verdauende Bussard- magen Drucksteigerungen von 8—26 mm Hg verzeichnete Die Frequenz der Magenbewegungen änderte sich dagegen beim Raub- vogel nicht unter dem Einfluss verschiedener Verdauungsphasen, während Mangold beim Hühnermagen eine Verlangsamung im Hungerzustande beobachtete. In meinen Versuchen ergab sich in dieser Hinsicht freilich als abweichendes Resultat eine in allen Fällen zu konstatierende geringe Frequenzsteigerung. Als drittes Ergebnis zu dieser Frage möchte ich noch die Angaben von Rossi erwähnen, der sogar eine enorme Frequenzsteigerung der Magenbewegungen beim hungernden Huhne um das zwei- bis fünffache fand. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 2 18 Toyojiro Kato: Druck und Frequenz im Muskelmagen von Huhn, Gans und Ente. Aus dem grossen Zahlenmaterial der während 6 Wochen in verschiedenartigen Fütterungsperioden bei sechs Hühnern (Hennen) durch die tägliche Registrierung (ohne Überdruck) gewonnenen täg- lichen Durchschnittswerte und aus den hieraus für die einzelnen Tiere gezogenen Durchschnittswerten (s. Tab. I S. 12) ergeben sich als Durchschnitt des Druckes bei der Magenkontraktion für das Huhn 1358 mm Hg, und 25 Sekunden als Durchschnitt von deren Dauer. Der letzte Wert stimmt gut mit Mangold’s Angaben überein, wonach der normale Rhythmus der Magenbewegungen 20—30 Sekunden beträgt. Versuche an zwei Gänsen und einer Ente, bei denen ich zur Registrierung einen entsprechend grösseren Ballon in den Magen einführte, ergaben als Durchschnittswerte für die Gans 257 mm Hg und 17 Sekunden, für die Ente 178 mm Hg und 19 Sekunden. Da hiernach die Dauer der einzelnen Magenperiode mit der Grösse der Tierart abnimmt, so steigt mit der Grösse der Tierart sowohl die Druckleistung als auch die Frequenz der Bewegungen des Muskelmagens. Auch innerhalb der in Tabelle I zusammengefassten Hühner- versuche lässt sich die gleiche gesetzmässige Beziehung zwischen der Veränderung von Druck und Frequenz nicht verkennen. Ausnahmslos geht bei allen Übergängen von einem Fütterungsregime zum anderen mit einer Erhöhung des durchschnittlichen Druck- wertes auch eine Zunahme der Frequenz einher (also Abnahme des „Rhythmus“, d. h. der Dauer der einzelnen Magen- periode). Bei den Gesamtdurchschnittswerten der einzelnen Versuchs- tiere verwischt sich freilich dieses Verhältnis (s. Tab. I). Auch beim Bussard entspricht dem grösseren Druckwerte die grössere Frequenz, wenngleich hier die Frequenzschwankungen überhaupt nur sehr gering waren. Die zwischen den verschiedenen Versuchstieren bestehenden individuellen Schwankungen lassen sich zur Genüge aus den Tabellen ersehen. Die Schwankungen des Magendruckes bei dem einzelnen Tiere zu verfolgen und in ihrer Abhängig- keit von verschiedenen Faktoren zu untersuchen, war das Ziel der Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 19 vorliegenden Arbeit. Bei der Ausführung derselben ergab es sich immer wieder, wie schwer es ist, ein Tier selbst zu gleichen Tages- zeiten und gleichen Verdauungsphasen auch im gleichen Magen- zustande anzutreffen, und dass offenbar noch verschiedene Faktoren dabei die Magentätigkeit beeinflussen; in erster Linie ist natürlich an die von Tag zu Tag nicht völlig gleiehzugestaltende experimentelle Behandlung zu denken und die damit verbundenen Hemmungs- wirkungen. Es gelang leider nicht bei jedem Versuche, die Ballon- sonde mit gleichmässig sicherer Vermeidung von Störungen, besonders von mechanischen Reizungen beim Durchschieben durch den Kropf, einzuführen, und schon hierdurch wie durch die dabei erfolgenden Schreckbewegungen des Versuchstieres werden Hemmungen von ver- schiedener Nachhaltigkeit auf das in seinem Regulationsmechanismus so empfindliche Organ ausgeübt. Daher zeigten die täglichen Durch- schnittswerte auch bei anscheinend völlig gleichen Bedingungen be- trächtliche Schwankungen, wie z. B. in einer Versuchsreihe: 62, 106, 72, 97, 76, 82, 134, 69, 87, und nur selten zeigten sie eine solehe Konstanz wie in einem anderen Versuche: 105, 106, 104, 102, 104, 107, 107, 80, 114, 104, 117, 110, 129 mm He. Magendruck und Muskelmasse. Bei den konstant bleibenden individuellen Verschiedenheiten des Druckwertes im Muskelmagen wie auch bei den Schwankungen zwischen verschieden grossen Tierarten wird man natürlich in erster Linie an Verschiedenheiten der tätigen Organmasse und des Quer- schnittes der wohl dabei besonders in Betracht kommenden „Haupt- muskeln“ des Muskelmagens zu denken haben. Auch zur Frage dieses Zusammenhanges habe ich einige Beobachtungen hier mit- zuteilen, wenngleich für sicher entscheidende Schlüsse ein grösseres statistisches Material erwünscht sein würde. Obwohl den in der Tabelle III, die hierüber orientiert, an- gegebenen Druckwerten bei den vier Hühnern eine ausserordentlich erosse Zahl von Einzeluntersuchungen zugrunde liegt, aus denen sie als Durchschnitt gewonnen sind, lässt sich doch bei einem Vergleich dieser Werte mit den Magengewichten kein gesetzmässiges Verhältnis erkennen. Es wurde natürlich nur das reine Muskelgewicht des Magens in Betracht gezogen; der Inhalt, insbesondere die Steinchen wie auch die den Muskelmagen auskleidende keratinoide Cutieula, 2% 20 Toyojiro Kato: waren entfernt worden, während die dünne, diese Cutieula als Matrix produzierende Schleimhaut von der Muskulatur untrennbar ist. Traeikresiie Druck und Masse des Muskelmagens. Magen total | Magen Druckwert | Letzte Druck- Tier Sektion | (mit Cuticula ne N ne Gesamt- messung am u. Steinchen) haut) durchschnitt g 8 mm He Datum Wert Huhn I | 27.Nov. 51,7 28.2 125 24. Nov. 152 I 43,2 26,0 116 24. „ 94 5 11101245 99,2 | 33,3 1.6 ale 125 a EL An 59,3 | 33,3 108 DAS 112 Ente... | 23. Dez 33,4 | 25,7 178 17. Dez.| 18 Gans . 20% —_ | 102,8 265 ERS 286 Die Zusammenstellung (Huhn I bis IV) ergibt, dass der durch- schnittliche Wert der aktiven Magendrucke bei gleichem Gewichte der aktiven Magenmuskulatur sehr verschieden gross sein kann (Huhn IN und IV), dass die Druckleistung des kleinsten Magens nicht die kleinste ist (Huhn ID), und dass die grösste Druckleistung bei verschiedenem Magengewichte gefunden wird (Huhn I und III). Besonders auffällig erscheint es weiter, dass sich bei der Ente, die einen weit höheren Druck als die Hühner reeistrieren liess, das Muskelgewicht des Magens als kleiner ergab, obgleich doch wohl kaum angenommen werden kann, dass die Muskulatur desselben eine soviel grössere spezifische Energie besitzt. Aktiver Magendruck und Wandspannung. Um den Muskelmagen zu grösseren aktiven Druckwirkungen zu bringen, habe ich noch in anderer Weise als durch die Ver- abreichung eines Futters, das an die mechanische Verdauung grössere Anforderungen stellte, versucht, eine gleichsinnige Beeinflussung zu erzielen, und zwar durch künstliche Erhöhung der intrastomachalen Spannung. Zu diesem Zwecke brachte ich mittelst einer seitlich an- geschlossenen Spritze in dem Registriersystem, das den Magen mit den Manometern verband, Druckerhöhungen von bestimmter Grösse hervor. Den Ausgangspunkt zu dieser Versuchsreihe bildete ein Zu- sammenhang, auf den mich Herr Prof. Mangold aufmerksam machte, Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. a nämlich derjenige zwischen Herztätigkeit und intrakardialem Druck. Auf diesen Zusammenhang hat wohl zuerst M. Foster!) hingewiesen, der auf Grund von Beobachtungen am Schneckenherzen zu dem Schlusse gelangte: „Frequenz und Energie der Schläge sind offenbar direkt von der Blutmenge abhängig, welche ihren Weg zum Herzen findet, kurz, von der Spannung der Herzwand.* Biedermann?) erbrachte dann als erster den exakten Nachweis dieser Tatsache für Helix, wie ihn auch Ransom?) für Octopus und Straub‘) für das Aplysienherz lieferten. Noch unlängst haben dann Frank und v. Skramlik°) in ihren Versuchen am Igelherzen den Beweis ge- liefert, „dass das Phänomen nicht etwa von einer Veränderung der Durehströmungsverhältnisse herrührt, wie man das noch bei den Froschherzversuchen [von K. Gross°)] annehmen konnte. Die Ur- sache kann nur in der primären Herabsetzung der Arbeitsleistung gesucht werden. Die Erscheinung würde also vollkommen der Treppe zu vergleichen sein“. Nach diesen Erfahrungen schien es interessant, auch bei dem diekwandigen muskulösen Hohlorgan, das der Muskelmagen darstellt, den gleichen Beziehungen nachzugehen und die aktiven Druckleistungen zu messen, zu denen der Magen etwa durch die Erhöhung des hydrostatischen Druckes, der auf seiner Innenfläche lastete, also ‘seiner Spannung [vgl. Frank”)], angeregt würde. Dass die Kon- traktionen des Muskelmagens bei dem Anfangsdruck 0 nicht auf- fällig schwächer werden oder gar aufhören, geht aus den oben bereits erwähnten Versuchsreihen, bei denen stets vor der Registrierung der Druck im System auf 0 eingestellt wurde, zur Genüge hervor. Der 1) M. Foster, Über einen besonderen Fall von Hemmungswirkung. Pflüger’s Arch. Bd.5 S. 192. 1872. 2) W. Biedermann, Beiträge zur allgemeinen Nerven- und Muskel- physiologie. XIV. Über das Herz von Helix pomatia. Sitzungsber. d. Wiener Akad., mathem.-naturw. KlassesBd. 89 Abt. 3 S. 19. 1884. 3) Ransom, On the cardiac rhythm of invertebrates. Journ. of Physiol. vol. 5. 1885. 4) W. Straub, Zur Physiologie des Aplysienherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 86 S. 504. 1901, und Bd. 103 S. 444. 1904. 5) O0. Frank und v. Skramlik, Beobachtungen am ausgeschnittenen Warmblüterherzen. Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Morph. u. Physiol. in München 1911. 6) K. Gross, Der Einfluss des Druckes auf die Herztätigkeit. Dissert. München 1913. 7) O0. Frank, Zur Dynamik des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 32. 1895. 22 Toyojiro Kato: Magen arbeitet dabei ja auch nie leer, vielmehr mit seiner normalen Steinchenfüllung und der eingeführten Ballonsonde als Inhalt. Die Versuche sind in der Tabelle IV zusammengestellt, wobei jedesmal bemerkt ist, aus wieviel Einzelversuchen die angegebenen Werte als Durchschnittswerte gewonnen wurden. Im übrigen be- deuten die Zahlen die den Kontraktionen des Muskelmagens ent- sprechenden, aktiven Erhebungen des Druckes über die durch den jeweils gegebenen und ebenfalls in der Tabelle verzeichneten Über- druck bestimmte Abszisse. Tabelle IV. a U Aktive Druckwerte bei Überdruck in mm Hg Tier 7 - ? Versuchen. Überdruck o | 30! 90 | 140] ı90| 230| 190| 90 | 30 | 0 Tr — — Huhn I 13 107. 136: 138) 2 18340 2) 2.170) 1902 107 ae 8 134 |145 | 139 | 188 | 129| — 159 | 160 | 165 ET 5 ea ee a SET 1 140 135 | 170 | 165 | 150 | — | — | 160 | 153 | 156 Tale 11 97 | 120 | 127 | 140 | 141 2103 1172108 RT 7 122 | 148 146 | 131 | 106 — | 134 | 139 | 137 nl 5 126 150 | 164 | 167 128 a CT 9 188 | 197 | 144 | 157 143 — | 156 | 150 | 129 „ m 10 84 | 110 122.|194|123| — | — [180133 | 99 . 5 or as a ee | ui 2 180: 1955 18 sg) U EN 6 salat 1202 Tor 109,1 NER 1 1503 173.160. 160. 2 a re Sy: 2 152) 148) 170 169 027622159 BV 5 160 | 182 1189| — | 184 | 175 | 169 | 180 | 179 | 161 N! 1 198 246 228 — | 260 1260| — | 258 | 243 | 222 EAN! 1 519112254 020), 2 9723 950, 2 gez FE Ber it 6 196 | 205 | 226, — | 246 | 223 | 216 | 211 | 217 | 189 SAVIL 1 240 | 250 | 280 | — | 292 | 295 | 310 | 250 | 262 | 240 Gans 3 865, "295. ass ee ee re 1 ae ee ee Durchschuitt | — [154 | 169 | 178 | 161 | 1722| — | — | 170. 166 | 164 Zur besseren Übersicht über die in der Tabelle IV zusammen- gestellten Resultate sind dieselben in der Tabelle V nochmals kürzer zusammengefasst, und zwar in der Weise, dass für die einzelnen experimentell geprüften Unterschiede des intrastomachalen Über- druckes angegeben ist, in wieviel Prozenten der Versuche (nach den in Tabelle IV verzeichneten Durchschnittswerten) nach der Erhöhung oder Herabsetzung der Spannung eine Steigerung oder ein Abfall der aktiven Druckleistungen eintrat. Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 23 Tabelle V. ne Veränderung des in Prozenten E & aktiven Drucks der Versuche in mm Hg von 0 auf 30 Steigerung 86 : „80 5 100 30140, A 100 ” 30 ” 30 ” 1 90 052140 5 60 909 5 50 j 0 2 Abfall 86 9 Steigerun 40 en { an 40 22230, 190 a 66 19027290 ; 36 „ a R 46 „ 90 „ 0 2 6 ee) 5 77 Die Versuche ergeben einen unverkennbaren, wenn auch quantitativ nicht sehr bedeutenden Einfluss des Überdruckes auf die aktiven Druckwerte der Magenkontraktionen. Dies lässt sich besonders daraus ersehen, dass bei der Erhöhung des Überdruckes von 0 auf 90 mm Hg in 100°/o der Versuche eine Steigerung der aktiven Druckleistung zu verzeichnen war (Tab. V). Der Kontraktionsdruck stieg dabei im Gesamtdurchschnitt von 154 auf 169 mm Hg, also um 10°/o (Tab. IV). Auch schon die Steigerung der Wandspannung von 0 auf 30 mm Hg hatte in den weitaus meisten Fällen, in 86°/o der Ver- suche, eine aktive Drucksteigerung zur Folge. Die weitere Erhöhung des Überdruckes von 30 auf 90 und von 90 auf 140 ruft ebenfalls noch, wenn auch nicht mehr so regelmässig, so doch noch in 71 bzw. 60° der Versuche, die Erhöhung von 90 auf 190 nur noch in der Hälfte der Fälle, Steigerung des aktiven Druckes hervor. Von 140 auf 190 gibt es keine Steigerung desselben mehr, vielmehr bereits in 86°/o Abnahme des Kontraktionsdruckes, von 190 auf 230 ebensooft Steigerung als Abfall. Hiernach würde das Maximum des aktiven Kon- traktionsdruckes im Muskelmagen einer Wandspannung von 90 mm Hg oder etwas mehr entsprechen (s. auch Tab. IV). Auch bei dem etappenweisen Wiedernachlassen des Überdruckes, wie es in jedem Versuche nach dem stufenweisen Anstiege bewirkt 24 Toyojiro Kato: wurde, zeigt sich der nun zu erwartende Abfall am regelmässigsten, in 86° der Versuche, beim Übergange von 90 auf 30 und 0. Bei dieser absteigenden Reihe ist es wohl nicht unwahrscheinlich, dass der Bewegungsmechanismus des Magens infolge der beträchtlichen Inanspruchnahme durch dis höheren Überdrucke einen etwas ver- änderten Zustand beibehalten hat. Es geht dies auch daraus hervor, dass bei dem schliesslich wieder erreichten Nulldruck in 69° der Versuche die aktiven Druckleistungen höher sind als bei dem anfäng- lichen Nulldruck. Magendruck und Vagus. Schliesslich möchte ich hier noch einen Versuch beschreiben, der sich auf den inotropen Einfluss des Vagus auf den Muskelmagen bezieht. Wenn man beim Huhne den einen Vagus durchschneidet, so wird die Tätigkeit des Muskelmagens erheblich herabgesetzt. Durch Reizung des peripheren Stumpfes kann man aber, wie Man- sold!) bei Hühnern und Krähen näher untersucht hat, grössere Serien von Magenkontraktionen hervorrufen, die nach einer längeren Hemmung oder Latenz einsetzen und bald in ihrer Frequenz und Stärke wieder abnehmen. Tabelle VI. Magendruck und Vagus. Druck in mm Hg Frequenz Huhn VI Znsm : Durch- a Maximum, schnitt | in Sek. Vor der Operation. ... . { ee nn a I = Vagusreizung vor der Durch- Schneidungs ar n " 2 iS 34 Ba 1 9: 16 Periphere Vagusreizung . | 16, i 99 88 = 16. 75 71 48 Spontane Magenbewegungen 5| 17. A 82 78 45 nach der Operation . . .}| 20. > 170 152 29 22 n 160 154 27 Es war nun der Ausfall der aktiven Drucksteigerungen mano- metrisch zu bestimmen und zu untersuchen, ob sich derselbe durch periphere Vagusreizung ausgleichen liesse, so dass dabei die Kon- U) IL & Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. 2 {>} [e} traktionsdrucke den normalen Wert erreichten. Der Gang des Ver- suches und die dabei erhaltenen Werte sind in Tabelle VI wieder- gegeben. Es zeigte sich, dass die periphere Vagusreizung, die übrigens bei verschiedenen Rollenabständen mit tetanisierenden Induktionsströmen ausgeführt wurde, weder vor noch nach der Durchschneidung des Nerven die gleichen Druckwerte ergab wie die normale, ungestörte Innervation; die Werte blieben vielmehr um rund 50°/o hinter dem des normalen Druckes zurück. Ferner ergab sich dabei, dass ebenso wie die Frequenz, von der dies Mangold beschrieben hat und wie es auch im vorliegenden Versuche (Tab. VI) der Fall war, so auch der Druckwert der Magen- kontraktionen erst im Verlaufe von einigen Tagen nach der einseitigen Vagusdurchschneidung wieder annähernd seine normale Grösse erreicht. Zusammenfassung. Die durchschnittliche Grösse der aktiven Drucksteigerung im Muskelmagen der Hühner während seiner Kontraktionen beträgt nach wochenlang täglich wiederholten Versuchen 138 mm Hg, bei einer durchschnittlichen Dauer der einzelnen Magenperiode von 25 Sekunden. Bei der Gans betragen diese Werte nach einigen Versuchen 257 mm Hg und 17 Sekunden, bei der Ente 178 mm Hg und 19 Sekunden. Innerhalb dieser Versuche steigen also Druck und Frequenz des Muskelmagens mit der Grösse der Tierart. Auch in den verschiedenen Versuchsreihen am Hühnermagen verändern sich Druck und Frequenz fast stets in gleichem Sinne. Die Grösse der den Magenkontraktionen entsprechenden aktiven Drucksteigerungen ist von verschiedenen Einflüssen abhängig: 1. von der Konsistenz der Nahrung und der dadurch an den Muskelmagen gestellten Anforderung. Bei einem wochenlang fort- gesetzten Parallelversuche an vier Hennen mit vier aufeinander- folgenden, verschiedenen Futterperioden (Weizen, Gerste, gekochte Kartoffeln, Gerste) erfolgten bei den Übergängen von einer zur anderen Nahrung bei allen vier Versuchstieren ausnahmslos gleich- sinnige Veränderungen des Kontraktionsdruckes im Muskelmagen. Beim Übergange von Weizen auf Gerste (mittelweich auf hart) trat gleichzeitig mit einer Frequenzerhöhung eine Steigerung der Druck- werte um rund 50%, beim Übergange von Gerste zu gekochten 36 Toyojiro Kato: Druckmessungen im Muskelmagen der Vögel. Kartoffeln (hart auf weich) wieder ein Absinken der Druckwerte ein. Diese Veränderungen werden als Reaktionen auf den stärkeren oder schwächeren mechanischen Reiz der Nahrung im Sinne einer funktionellen Anpassung aufgefasst; 2. von dem Stadium der Verdauung. Im Hungerzustande (24—50 Stunden nach der letzten Fütterung) ergaben sich in sechs Versuchen ausnahmslos höhere Werte als sonst; 3. Zwischen Magendruck und Muskelmaasse des Muskelmagens ergaben sich in den vorliegenden Versuchen keine gesetzmässigen Beziehungen; 4. von der Wandspannung. Erhöhung des intrastomachalen Druckes hatte auf die aktiven Druckleistungen des Muskelmagens einen regelmässigen Einfluss. Das Maximum des aktiven Kon- traktionsdruckes lag in allen Versuchsreihen bei einem Überdruck von etwa 90 mm Hg; 5. von der Innervation. Periphere Vagusreizung vor oder nach der Durchschneidung hatte nur etwa halb so grosse Kontraktions- drucke zur Folge wie die normale Innervation. Nach einseitiger Vagusdurehschneidung erreiehten die Druckwerte der spontanen Kontraktionen ebenso wie die Frequenz erst nach einigen Tagen wieder die normale Grösse. Zum Schlusse erlaube ich mir, Herrn Professor Mangold für die Anregung zu dieser Untersuchung wie für die bei ihrer Aus- führung gewährte Anleitung meinen herzlichen Dank auszusprechen. (Aus dem physiologischen Institut Freiburg i. Br.) Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten. Von J. von Kries. Seit lange ist bekannt, dass man durch mancherlei Eingriffe, am bequemsten und sichersten durch örtlich ungleiche Temperierung, Zustände des Herzens herbeiführen kann, bei denen die Schlag- frequenz eines Teiles einen Bruchteil von der eines anderen darstellt, z. B. die Kammer nur einen Schlag auf je zwei Vorhofschläge aus- führt. Vor einer Reihe von Jahren habe ich mitgeteilt), dass, wenn man solche Allorhythmien am Froschherzen durch örtliche Abkühlung erzeugt, dieselben einer eigenartigen Beschränkung unterworfen sind. Es gelingt nicht, die geringere Frequenz auf beliebige Bruchteile der höheren einzustellen, sondern man sieht den langsamer schlagen- den Teil nur in Halb-, Viertel-, Achtel-Rhythmus des schnelleren schlagen; das Verhältnis der beiden Frequenzen ist nicht einer be- liebigen ganzen Zahl, sondern stets nur einer Potenz von 2 gleich zu machen. Für diese Tatsache habe ich damals eine theoretische Erklärung oegeben, zugleich auch darauf hingewiesen, dass sie für unsere Vor- stellungen von der Erregungssleitung nicht ohne Bedeutung ist. Wie mir scheint, knüpft sich an diese Verhältnisse ein erhöhtes Interesse, seitdem es namentlich auf Grund der Experimentaluntersuchungen von Ganter und Zahn?) für mindestens sehr wahrscheinlich gelten darf, dass diese Regel für das Säugerherz nicht streng zutrifft. Freilich ist dieser Nachweis nicht ganz so einfach, als es auf den ersten Blick scheinen könnte. Denn es versteht sich, dass die mannig- faltigsten Erscheinungen möglich sind, wenn im Herzen überhaupt 1) v. Kries, Über eine Art polyrhythmischer Herztätigkeit. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1902 S. 477. 2) Dies Arch. Bd. 145 S. 389. 1912. 28 J. von Kries: und namentlich wenn in einzelnen Teilen desselben langsame Ände- rungen stattfinden, die gar nicht periodischer Natur sind: eine Stelle allmählich abstirbt, eine verletzte sich erholt, die Temperatur zu- oder abnimmt usw. Von einer Ungültigkeit der erwähnten Regel werden wir daher nicht schon dann reden können, wenn wir ein einzelnes Intervall zweier Kammerschläge antreffen, das den drei- oder fünffachen Wert von dem der Vorhofschläge hat, sondern nur wenn eine Anzahl solcher Intervalle aufeinanderfolgen, also mit einiger Regelmässigkeit und für eine gewisse Dauer die Kammer- frequeuz auf ein Drittel usw. der Vorhofsfrequenz eingestellt ist!). Dieser Forderung zu genügen stösst nun aber beim Säugerherzen auf Schwierigkeiten, schon weil die Bedingungen der Kühlung sich nicht mit voller Genauigkeit konstant halten lassen, wozu dann noch mancherlei Wechsel in bezug auf Durchblutung und anderes kommen werden. Im Gegensatz zu den eleganten, völlig regelmässigen Formen, in denen sich die Allorhythmien am Froschherzen leicht erhalten lassen, sieht man, dass beim Säugerherzen die Erscheinungen sich meistens sozusagen fortwährend ändern. Immerhin aber finden sich in den Kurven der genannten Autoren Fälle, in denen drei-, vier- selbst fünfmal hintereinander die Kammerschläge ein Intervall zeigen, das das Dreifache der gleichzeitigen Vorhofschläge ist. Kann hiernach, wie mir scheint, doch kaum daran gezweifelt werden, dass hier andere Verhältnisse als beim Froscehherzen bestehen, so wird es nicht überflüssig sein, auf die damals angestellten theo- retischen Erwägungen etwas eingehender zurückzukommen, um seo mehr, als ich damals nicht Anlass hatte, ein anderes als das von mir am Froschherzen beobachtete Verhalten in Betracht zu ziehen, die obengenannten Autoren aber in vorsichtiger Beschränkung auf die Tatsachen solchen Erörterungen nicht Raum gegeben haben. Die damalige Betrachtung knüpfte an die geläufige Theorie der Allorhythmien an, die ihrerseits wieder von wohlbekannten funda- mentalen Eigenschaften des Herzmuskels ausgeht. Wir wissen, dass ein Element des Herzmuskels, wenu es von einem Reize getroffen und in Tätigkeit versetzt worden ist, für eine gewisse, als Refraktär- stadium bezeichnete Zeit für einen neuen Reiz nicht empfänglich ist. 1) Ganz ausser Betracht bleiben selbstverständlich hier diejenigen Fälle, in denen die Vorhofs- und Kammertätigkeit im engeren Sinne dissoziiert ist, d. h. zwischen der einen und anderen Frequenz überhaupt kein rationales, durch eine ganze Zahl auszudrückendes Verhältnis besteht. Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten. 29 er Hieraus ergibt sich, dass. das Element, wenn es von rhythmisch wiederholten Anstössen beliebiger Frequenz getroffen wird, doch nieht mehr als eine bestimmte Zahl von Zusammenziehungen in der Zeiteinheit auszuführen vermag. FErhält es die Anstösse in einem Intervall, das kleiner als die Refraktärperiode ist, so wird es auf alle diejenigen nicht reagieren, die in die refraktäre Phase fallen; einen Erfolg wird vielmehr der erste Reiz auslösen, der nach Ablauf derselben eintrifft und das Element wieder reizbar findet. Je nach dem Verhältnis, das zwischen dem Intervall der Reizanstösse und der Dauer der refraktären Phase besteht, kann das Element auf jeden zweiten, jeden dritten, vierten, fünften usw. Reizanstoss reagieren. Die Frequenz wird daher einen beliebigen Bruchteil derjenigen betragen, mit dem die Reizstösse sich folgern, sofern das Intervall der Reize und das Refraktärstadium ganz unabhängig gegen- einander veränderlich sind, wie dies z. B. bei künstlicher (elektrischer) Reizung im Experiment der Fall ist. — Die Dauer der Refraktärphase wird nun durch Abkühlung jedenfalls verlängert. Wenn daher die Temperatur in der Richtung der normalen Reizleitung abnimmt, so kann es auch bei der spontanen Tätigkeit kommen, dass ein Element nieht mit derjenigen Frequenz zu schlagen vermag, mit der ihm von den höher temperierten Nachbarteilen die Anstösse zugehen. — Von den früher schon geläufigen Vorstellungen wich diese Betrachtung zunächst nur insofern ab, als eine solche Reduktion der Frequenz nieht nur für die Grenze zweier verschiedener Heizteile, wie zwischen Venensinus und Vorhof oder Vorhof und Kammer, sondern auch innerhalb desselben Herzteiles, also in der Kontinuität gleichartiger Gebilde, angenommen wurde. Auch lehrten die damals mitgeteilten Versuche gerade, dass diese Sprünge der Schlaefrequenz keineswegs an die Atrioventrikulargrenze gebunden sind, . sondern ganz ebenso gut auch durch Abkühlung in der Kontinuität der Kammermuskulatur hervorgerufen werden können, wobei dann ein Teil der Kammer in einer, ein anderer Teil in anderer Frequenz schlägt. Dazu kam dann als Hauptpunkt der folgende. Die Verteilung der Temperatur wird, auch wenn wir die Anerifispunkte der Abkühlung oder Er- wärmung möglichst klein machen, doch immer eine stetige sein. Wenn daber ein Element mit der Frequenz n schläet und dem- jenigen, das ihm in der Richtung der Reizleitung folet, n Impulse zugehen lässt, so kann es kommen, dass dies letztere, da es kälter ist, nieht mehr n Kontraktionen auszuführen vermag. Allein da der 30 J. von Kries: funktionelle Unterschied der benachbarten Teile nur sehr gering ist, so wird für das kältere, wenn es zwar n Schläge nicht mehr aus- zuführen vermag, doch die Grenze seiner Leistungsfähigkeit nur sehr wenig unter n und sicher noch über = liegen; es wird sich somit. auf er Kontraktionen, nicht aber auf 5 oder einen noch kleineren Bruchteil einstellen müssen. Mit anderen Worten: Da aneinander stossende Teile in der Temperatur nur sehr wenig verschieden sind, so werden die Schlagfrequenzen des kälteren wohl die Hälfte, nicht aber einen kleineren Bruchteil von der des wärmeren ausmachen können; die durch ungleiche Temperierung zu erhaltenden Frequenz- sprünge werden stets Halbierungen sein müssen. — Dass wir nun einen Abschnitt mit der halben, Viertel-, Achtel-Frequenz eines anderen schlagen sehen, ist hiernach leicht verständlich. Es wird n 8 schlagenden Teile nicht unmittelbar aneinanderstossen, sondern dass anzunehmen sein, dass die z. B. in den Frequenzen n und zwischen ihnen Stücke liegen, die auf die Frequenzen = und = eingestellt sind. Die Achtel-Teilung wird so als eine Anzahl hinter- einandergeschaltete Halbierungen aufzufassen sein. Da unter diesen Umständen eine ganze Anzahl verschiedener Schlagfrequenzen gleich- zeitig in verschiedenen Teilen des Herzens bestehen würden, habe ich diese Art der Tätigkeit eine polyrhythmische genannt. Um für die hier beobachtete Beschränkung der Frequenzverhältnisse auf solehe Zahlen, die Potenzen von 2 sind, eine kurze Bezeichnung zu haben, will ich im folgenden den Ausdruck des Halbierungs- sesetzes benutzen. Es könnte nun nach dieser Überlegung scheinen, als ob wir das. Halbierungsgesetz unter allen Umständen zu erwarten Anlass hätten, und eine Abweichung davon, die Einstellung eines Drittel- oder Fünftel-Rhythmus, ‘ganz unverständlich wäre. Indessen habe ich bereits in meiner damaligen Mitteilung hervorgehoben, dass Ver- hältnisse recht wohl denkbar sind, die das Halbierungsgesetz nicht ergeben würden, und dass demgemäss seine tatsächliche Geltung gerade insofern von Interesse ist, als sie das Bestehen solcher Ver- hältnisse mehr oder minder unwahrscheinlich macht. Daraus geht schon hervor, dass umgekehrt, wenn wir jene Regel nicht oder nicht Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten. 31 streng gültig finden, sich auch daraus gewisse Folgerungen über die allgemeine Einrichtung des Herzens mit Wahrscheinlichkeit er- seben werden. In der Tat ist es nicht schwierig, die Voraussetzungen zu bezeichnen, von denen bei der obigen Ableitung des Halbierungs- gesetzes ausgegangen wird. Die Abweichung von jenem Gesetz wird, ganz allgemein gesprochen, das Nichtzutreffen irgendeiner dieser Voraussetzungen dokumentieren. — Etwas leichter oder mindestens anschaulicher als durch eine ganz allgemeine Erwägung gelangen wir durch die Betrachtung einiger Fälle zum Ziel, in denen offenbar das Halbierungsgesetz nicht erwartet werden könnte. Ein erster Fall dieser Art wäre gegeben, wenn die Erregunssleitung nicht in den kontraktilen Elementen, sondern in Nervenfasern stattfäinde Es könnte dann sehr: wohl der Fall sein und würde nichts Auffälliges haben, wenn die nervösen Elemente überall, trotz der herabgesetzten Temperatur, befähigt wären, die an der Ausgangsstelle entstehende hohe Zahl von Erregungsvorgängen zu leiten oder in der entsprechenden Frequenz Ruhe und Tätigkeit wechseln zu lassen. Unter diesen Umständen würden die Muskelelemente überall eben diese Zahl von Anstössen erhalten, und sie könnten, je nach ihrer eigenen Tem- peratur und der Dauer ihres Refraktärstadiums, auf jeden zweiten, dritten, vierten, fünften usw. dieser Anstösse reagieren. Ein zweiter Fall wäre der, dass bei der normalen Fortleitung der Erregung Gewebe von spezifisch ungleieher Beschaffenheit direkt aneinanderstiessen und in diesem Sinne die Verhältnisse eine Un- stetigkeit enthielten. Offenbar könnte hierdurch wohl jene Dis- kontinuität bewirkt sein, wie sie als Erfolg lediglich der Temperatur- verteilung nicht wohl denkbar erscheint. Denken wir uns an ein Faserstück ein anderes stossend, dass von jenem spezifisch ver- schieden ist, so könnte das erstere zu n, das letztere aber, trotz nahezu gleicher Temperierung, zu höchstens 3 Kontraktionen be- fähigt sein. — Als einen dritten Fall können wir schliesslich den erwähnen, dass in demselben Gebilde die Vorgänge der Erregungs- leitung und der Kontraktion nicht in so enger Verbindung stünden, wie wir uns dies vorzustellen gewohnt sind. Könnten in demselben Gebilde, das nur 5 Kontraktionen ausführt, n Erregungsvorgänge entstehen und n Anstösse pro Zeiteinheit geleitet werden, so könnte i Ma n auch ein benachbartes, nur wenig tiefer temperiertes zu 5 Kontraktionen 32 J. von Kries: [> befähigt sein, und wird diese, da es n Impulse erhält, auch aus- führen. Es ist, wie gesagt, nicht schwierig, das Gemeinsame dieser ver- schiedenen Fälle anzugeben. Immer wird es darauf ankommen, dass ein Herzteil, der nach Maassgabe seiner refraktären Phase in maximo x Zusammenziehungen ausführen kann, eine von x stark verschiedene, und zwar auch über den Wert von 2x noch hinausgehende Anzahl von Reizanstössen erhält. Wenn in jedem Herzteil die Zahl der Reizanstösse, die er passieren lassen kann, mit der Zahl der Kon- traktionen, die er auszuführen vermag, übereinstimmt, so wird jene Möglichkeit nur dann gegeben sein, wenn Muskelelemente spezifisch verschiedener Art hintereinandergeschaltet sind. Ohne eine solche anatomische Diskontinuität werden dagegen Abweichungen vom Halbierungsgesetz denkbar sein, wenn jene beiden Maximalfrequenzen nicht übereinstimmen. Und dies kann wiederum der Fall sein, wenn jene beiden Leistungen verschiedenen anatomisch getrennten Ele- menten übertragen sind oder an verschiedene Vorgänge innerhalb desselben Elementes geknüpft sind. Die Nichtgeltung des Halbierunges- gesetzes weist also, wie man zusammenfassend sagen kann, entweder auf eine anatomische Diskontinuität oder auf eine Duplizität inner- halb des einzelnen Herzteiles hin, welche letztere wieder eine histo- logisch begründete (Nerv und Muskel) oder auch eine rein funktionelle sein kann. Anderseits wird die Geltung des Haibierungsgesetzes dann. und gerade dann verständlich erscheinen, wenn keinejener Verhaltungs- weisen verwirklicht ist. Ich darf schliesslich nicht unterlassen, hier noch ausdrücklich zu betonen, dass die einfache und summarische Betrachtung, mit der wohl diese Erscheinungen überwiegend aufgefasst werden, mir nicht angängig erscheint. Diese geht ja dahin, dass man in der Ab- kühlung (ähnlich wie in der Einengung der Bahn) eine „Verminderung der Leitungsfähigkeit“ zu erblicken geneist ist. Kann ein Element normalerweise 60 Reize übermitteln, so wird es nach einer Be- schränkung der Leitungsfähigkeit etwa nur 30, bei noch stärkerer Herabsetzung nur 20, 15, 12 usw. durchgehen lassen. Wie ich kürzlich schon an anderer Stelle betonte !), bedarf es einer gewissen Vorsicht, um uns nicht durch den vieldeutigen Ausdruck der Leitungs- fähigkeit irreführen zu lassen. Die Anzahl von Erregungen, die irgend- 1) Skandirav. Arch. f. Physiol. Bd. 29 S. 88. 1913 Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten, 33 ein Teil passieren lässt, ist nichts anderes als die Anzahl von Malen, die er in einen bestimmten Zustand versetzt werden kann. Immer also wird es darauf ankommen, mit welcher Geschwindigkeit sich an jeder einzelnen Stelle ein Zyklus von Vorgängen abspielt, was sich durch den an eben dieser Stelle bestehenden physiologischen Zustand bestimmen muss. Sobald wir hiervon ausgehen, gelangen wir ohne weiteres zu den obigen Erwägungen, denen zufolge die Abweichungen vom Halbierungsgesetz auf einen der vorhin angeführten Fälle hinweisen. : Welche jener Möglichkeiten die verwirklichte ist, darüber lässt sich wohl zurzeit kaum eine begründete Vermutung bilden. Die Annahme, dass (die Diskontinuität auf der Hintereinanderschaltung verschiedener Gewebe beruht, wird auf den ersten Blick vielleicht am ansprechendsten erscheinen; denn da die betreffenden Erscheinungen gerade am Übergangsbündel beobachtet worden sind, dessen Muskel- fasern sieh tatsächlich schon histologisch von den übrigen Teilen des Herzens unterscheiden, so ist es nicht fernliegend, eben hierin die theoretisch erwartete Aneinanderschliessung spezifisch verschiedener Elemente zu erblicken. Auch ist man ja geneigt, den Übergangs- gebilden eine langsamere Herstellung der Erregbarkeit, d.h. also ein längeres Refraktärstadium, zuzuschreiben !). Ob die histologisch verschiedenen Elemente direkt aneinanderstossen, so dass hierin die Grundlage einer funktionellen Diskontinuität gefunden werden kann, oder ob der Übergang sich mehr allmählich vollzieht, lässt sich wohl durch die anatomische Untersuchung nicht mit Sicherheit entscheiden. Wer aus anderen Gründen geneigt ist, die Leitung im Herzen als eine Funktion nervöser Elemente zu betrachten, wird in dieser Auf- fassung die nächstliegende Erklärung für ein Nichtzutreffen des Halbierungsgesetzes erblicken. Aber auch die dritte der vorhin erwähnten Möglichkeiten darf nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden, da ja eine An- zahl von Erscheinungen bekannt geworden sind, die auf eine gewisse Unabhängigkeit der in den elektrischen Phänomenen sich kundgebenden Erregung von dem mechanischen Kontraktionsvorgange hinzudeuten scheinen und in diesem Sinne auch vielfach aufgefasst worden sind. 1) Freilich kann diese Annahme, wie die unlängst mitgeteilten Beobachtungen Eckstein’s (dies Arch. Bd. 157 S. 541. 1914) lehren, wohl nur in recht bedingter Weise als zutreffend anerkannt werden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. b) 34 J. von Kries: Zur Theorie allorhythmischer Herztätigkeiten. ‘ Eine Erörterung der verschiedenen Möglichkeiten wäre meines Erachtens verfrüht und liegt ausser der Absicht dieser Bemerkungen. Diese war vielmehr nur, darauf hinzuweisen, dass die Abweichungen vom Halbierungsgesetz (Einstellungen auf Drittel- oder Fünftel- Frequenzen) keineswegs ein ohne weiteres durchsichtiges und ver- ständliches Verhalten bedeuten, sondern auf eine Reihe schwieriger und zurzeit wohl nicht mit Sicherheit beantwortbarer Fragen führen, während gerade die Gültigkeit des Halbierungsgesetzes auf Grund einfacher und geläufiger Annahmen erwartet werden kann. Das Halbierungsgesetz nebst den sich daran knüpfenden Erwägungen verliert also, wie mir scheint, nicht an Interesse und Bedeutung, wenn es sich als nicht überall gültig herausstellt. Vielmehr wird es von einiger Wichtigkeit sein, die Gebiete seines Zutreffens und Nichtzutreffens in grösserer Vollständigkeit zu übersehen. So wäre es von grossem Interesse, zu erfahren, ob jene Abweichungen im Säugerherzen auch danz vorkommen, wenn die Abkühlungen in der Kontinuität der Kammermuskulatur angebracht werden, eine Frage, deren Lösung leider wohl grossen technischen Schwierigkeiten be- gegnen wird. 39 Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. MR Von Dr. Th. Emile ter Kuile, Amsterdam. (Mit 1 Textfigur.) Pythagoras fand oder übernahm von den Chinesen: Konsonanzen haben einfache Zahlenverhältnisse. Er versteht unter Konsonanz: Einheit des Mannigfaltigen und Zusammenstimmung des Zwiespältigen [roAvyuıyeov Evwoıg nal dıy& PooVvEovIWv Ovugpoaoıg] ). Man hat in den paar tausend Jahren, die seither vergangen sind, keine Begründung oder Erklärung für jene Regel geben können?). Im folgenden will ich einen Versuch dazu machen und ferner eine zahlenmässige Bestimmung des Konsonanzgrades nicht nur der so- genannten Intervalle (Zweiklänge), sondern aller Akkorde überhaupt geben. Ich bilde vier neue Begriffe: 1. mittlere Tonhöhe (nämlich der Töne des Akkordes und loga- rithmisch genommen); 2. mittlere Tonperiode; 3. Akkordfrequenz; 4. Akkordperiode wie folgt: Sind a, ß, 7... die einfachsten Verhältniszahlen der p-Töne des Akkordes (p-Klanges), so kann man diese Töne vorstellen durch aD, $D, yD usw. Die mittlere Tonhöhe N wird dann so bestimmt: log N—-. (og@D + 1g8D + 1087 D+ or.) — 108 D + (log + log @+logy ++) 1) Vgl. C. Stumpf, Bayr. Akad., Phil. Klasse Bd. 21. 2) Sofern man mit Stumpf und Anderen Helmholtz’ Erklärung der Dissonanz mit Hilfe von Obertönen und Kombinationstönen nicht als eine solche oder jedenfalls nicht als eine Erklärung der Konsonanz anerkennen will. [2] {3} * 36 Th. Emile ter Kuile: IN — D Ya -ß-y- ... (mittlere Tonhöhe) re 1 D ist die Zahl, welche angibt, wievielmal pro Sekunde ein (mittlere Tonperiode). Satz von a, ß, y .. . ganzen Schwingungen auftritt. E Sekunde ist also eine neue Periode; diese nenne ich Akkordperiode, D die Akkordfrequenz. Diese letztere ist sozusagen ein Analogon (für den Akkord) der Schwingungszahl des einfachen Tones und gibt eine neue Qualitätenreihe. — Nun ist —; a (Akkordfrequenz) Va-ß-y---- = ae obs a 5" I (Akkordperiode). Ich stelle nun den Verschmelzungsgrad V (denn diese Theorie betrifft das positive Merkmal der Konsonanz: die Verschmelzung oder Einswerdung) eines Akkordes oder Mehrklanges umgekehrt proportional dem Quotient von Akkordperiode 3 und mittlerer Ton- periode —. li Nee 1 2m : 1 N A mittlere Tonperiode _Akkordfrequenz an : Akkordperiode mittlere Tonhöhe, grösser relativ die Akkordperiode ist, desto weniger ist die Seele imstande, dieselbe noch als eine (höhere oder neue) Einheit aufzufassen, und desto wenigerkann die Rede sein von einem konsonanten Akkorde oder einer zur Einheit gewordenen Tonmehrzahl. Für die Zweiklänge (musikalische Intervalle) ist der Konsonanz- grad dann umgekehrt proportional der Wurzel des Produktes aus den einfachsten Verhältniszahlen: v- Va-ß Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 37 Hieraus geht schon gleich hervor, dass man die Intervalle in bezug auf ihren Konsonanzgrad nach den Produkten aus ihren einfachsten Verhältniszahlen ordnen kann. Dabei kommt dann die Reihenordnung heraus, welche von den Musikern als die richtige betrachtet wird: 1 Intervalle @: >= | P V aß Ermessen. ısıl 1,0 Oktayemı em 102 0,71 Quintere-s areas 2:8 0,41 Quarter 3:4 0,29 Grosse Sext . .... 35 0,25 Grosse Terz . ... . 4:5 0,22 Kleine Bez . 2... 9:6 0,18 Kleine Set .. . .. | 5:8 0,16 Die Glieder der Terz-Sextengruppe, welche man immer schwer in eine bestimmte Reihe hat ordnen können, liegen nahe aneinander (0,25—0,15), die übrigen deutlich auseinander (1—0,25). Mit den Behauptungen moderner Psychologen stimmt die Theorie ausgezeichnet. Meinong gibt die Reihe der Terz-Sextengruppe genau wie nach meiner Formel geordnet. Er stellt die vollkommensten (Zweiklangs-) Konsonanzen innerhalb zweier Oktaven auch genau, wie es nach meiner Theorie der Fall ist: 1 Intervalle «@:Bß Ve:ß Oktaven ann 1:2 0,71 Daodezimer 2 20. : 1:3 0,58 Doppeloktave. ... . 1:4 0,50 Qumterme m. 2:3 0,41 Ganz merkwürdig ist die Übereinstimmung meiner Theorie mit den Resultaten der Verschmelzungsversuche von Stumpf und Faist, weshalb ich auch den Verschmelzungsgrad V am besten nicht nur 1 proportional, sondern einfach gleich Var stelle, wie es oben ge- et schehen ist. 38 Th. Emile ter Kuile: Be ee 1 Intervalle @:Bß =—— Faist | Va:ß Oktaven. ne er 12 0,71 zul (Qluunteggn er rar 2:8 0,41 41 Marten A ee 3: 4 0,29 23 Grosselulerzee ee: 4:58 0,22 13 RritonuSwe ee. 58 7 0,17 19 Grosse Sekunde. . . . » { o: 12 0110 \ Z Bei Faist!) beruht jede Zahl auf 768 Urteilen von Versuchs- personen, wobei eine solche Zahl jedesmal angibt, wievielmal per 100 ein angegebenes Intervall von zwei Tönen von der Versuchs- person für einen Ton gehalten wurde. Je öfter dies geschieht, desto grösser ist offenbar der Verschmelzungsgrad des betreffenden Intervalles. Es ist vielfach vergebens versucht worden, aus den Figuren, welehe man durch Zusammenstellung von «a-Perioden des tieferen und # des höheren Tones erhält, etwas mehr als eben die Pytha- goreische Regel der einfachen Zahlenverhältnisse herauszulesen. Die Sache stimmt weder, wenn man dem Grundtone mit der DEI MN /:2 oJ Va=ı4# ne We ZN a Dr 0 mm ri 1 N Fear ee ee ee we: Fig. 1. Ü Khordaerierlen fall. 1) Zeitschr. f. Psych. Bd. 15 S. 121. Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 39 Verhältniszahl 1 noch wenn man der durch Zusammenstellung der Einzelperioden zu erhaltenden Superpositionsperiode eine feste absolute Länge gibt. Dagegen ist es jetzt, nachdem wir den Begriff der mittleren Tonhöhe des Akkordes eingeführt haben, möglich, eine Fisur wie die eben gemeinte so zu zeichnen, dass die entstehenden Superpositionsperioden ohne weiteres durch ihre relative Länge (oder vielmehr Kürze) den Verschmelzungsgrad des betreffenden Akkordes (in casu Zweiklangs) verbildlichen. Wenn wir die Intervalle mit ihren Erweiterungen um eine Oktave nach ihrem aus meiner Formel berechneten Verschmelzungs- resp. Konsonanzgrade in eine Reihe ordnen und darin auch die Siebenergruppe aufnehmen, so bekommen wir folgendes: 1 @:Pß —— Helmholtz’ Einteilung / Ve = | teilung 1: 2. 0,707 | Oktave Oktave 1: 3 | 0,577 | Duodezime Duodezime ' K absolute 1: 4 | 0,500 | Doppeloktave Doppeloktave On 2: 3. 0,408 | Quinte Quinte 2: 5 | 0,316 | Erweiterte grosse Terz (grosse vollkommene Dezime) Konsonanzen 3: 4. 0,289 | Quarte Quarte ) 2: 7 | 0,267 | Erweiterte verminderte Septime 3: 5. 0,252 | Grosse Sexte Grosse N mittlere 4: 5 | 0,224 | Grosse Terz Grosse Terz $ Konsonanzen 3: 7 0,218 | Verminderte Dezime. 3: 8, 0,204 | Erweiterte Quarte (Undezime) 4: 7 0,189 | Verminderte Septime 5: 6 0,182 | Kleine Terz Kleine Terz 3:10 | 0,182 | Erweiterte grosse Sexte (Tre- dezime) unvollkommene 5: 7 0,169 | Verminderte Quinte Konsonanzen 4: 9| 0,167 | Erweiterte grosse Sekunde 5: 8, 0,158 | Kleine Sexte Kleine Sexte 6: 7 0,154 | Verminderte Terz 5: 9| 0,150 | Kleine Septime 7: 8 0,134 5:12 | 0,129 | Erweiterte kleine Terz 7: 9 | 0,126 | Übermässige Terz 7:10 | 0,120 8: 9 | 0,118 | Grosse Sekunde 5:16 0,112 | Erweiterte kleine Sexte 9:10 | 0,105 | Grosse Sekunde “Man sieht, wie in dieser Reihe jedes Intervall einen nach rein musikalischer Empfindung ganz richtigen Platz zugewiesen bekommt. Die von Helmholtz nach den Obertonschwebungen aufgestellte Reihenordnung bleibt nach meiner Formel, welche sich keiner Ober- töne bedient, dieselbe. Wie bei verschiedenen Problemen der Akustik 40 Th. Emile ter Kuile: beweist die Möglichkeit der Erklärung durch Obertöne noch nicht ihre Notwendiekeit.e. Helmholtz’ absolute Konsonanzen, welche durch das Verhältnis = Euklid’s Adyog molhenAdoros, ratio multiplex, gekennzeichnet sind und auch Ptolemäus’ homophone Intervalle, Oktave und Doppeloktave in sich begreifen, haben, nach meiner Formel betrachtet, dieses Besondere, dass sie die einzigen Konsonanzen sind, bei denen die Akkordperiode oder in casu Zweiklangsperiode D gleich ist der Periode eines der beiden, und zwar destiefsten Tones des betreffenden Intervalles. Wir haben ja den tiefsten Ton vorgestellt durch «D, und bei diesen Intervallen ist « immer eleich 1 und also a@D=D, d. h. Schwingungszahl des tiefsten Tones gleich Akkordfrequenz. Nur bei diesen Konsonanzen kann man vollauf sagen, dass der Akkord auf dem tiefsten Ton als Grundton aufgebaut ist. Von den Mehrklängen haben die Eigenschaft alle diejenigen, welche aus Grundton mit harmonischen Obertönen bestehen. Betrachten wir nur die Zweiklänge, welche nicht den Bereich einer Oktave überschreiten, so ist durch dieses Merkmal die Oktave von allen übrigen Konso- nanzen unterschieden. (Vgl. auch S. 43 unten.) Gehen wir nun zu den mehrstimmigen Akkorden über und betrachten zunächst den Dur-Dreiklang, so können wir diesen mit seinen Umlagerungen !) nach meiner Verschmelzungsformel wie folgt in eine Reihe ordnen: " Ordnung nach a:ß:Y 3 Ve-#-Y Helmholtz Grundton mit Obertönen . . 1:39 0,40 | 23 8: ö Ü 1l Quartsextakkord. . . . . - Den EEE 2 28 8:2 6 Ver 3 Stammakkord . ..... 4:792,6 020 an 4 DES 0,20%. Pan er 5) 3: 4:10 0,20 2 Sextakkord. ar ee 9.6: 8 VRR a: 6 3: 8:10 0,100. er 8 A522 0,162 2er g DES? Ola er 10 5: 6:16 DIS 11 9:12:16 U OR se 12 1) Innerhalb zweier Oktaven mit Hinzufügung des Akkordes 1:3:5 be- stehend aus Grundton mit harmonischen Öbertönen. Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 41 Helmholtz’ Rangordnung beruht hier auf den in und ausser der Harmonie liegenden (akkordfremden) ersten Differenztönen der einzelnen Zweiklänge, welche den Dreiklang zusammensetzen. 1 bis 6 (vollkommen wohlklingende Dreiklänge) haben keine akkordfremden ersten Differenztöne, 7 bis 10 nur die Septime, 11 und 12 aber noch unharmonischere. Dass diese Töne aus der Harmonie fallen, kann, sofern sie nicht schweben, nach Helmholtz’scher Auffassung die Konsonanz eigentlich nicht beeinflussen, und wenn sie es tun, so gehört dies gerade zu dem, was erklärt werden soll. Wir können auch noch einmal sehen, wie sich einige vier- stimmige Durakkorde, darunter auch die von Helmholtz aus je zwei vollkommen wohlklingenden dreistimmigen zusammengesetzten, nach meiner Formel ordnen. ; | R 1 Pednuns REN BL2=L0) | &-B-y —n nac | Ve-6°y:d. |Helmholtz Grundton mit Be 5 o a et a betonen 1:4:5: 6 120 0.302 = 3 Me 120 0,302 1 228.9: 6 180 0,273 2 WEB d5. 8 2340 0,254 4 DA 95:516 240 0,254 8 BEA 860 0,230 B) DEE 480 0,219 6 2 480 0.219 9 3:4:5:10 600 0,202 — Bene? 720 0,193 — 3:09:06: 8 1720 | 0,193 11 3:4:6:10 120 0,195 — 4:5:6: 8 960 OS 10 3:4:8:10 960 0,180 — 4:5:6:10 1200 0,170 3 A190 1440 0,162 — 8:6:8:10 1440 0,162 — 5.6.16 1920 0.151 a 9:6:8:10 23400 0,143 7 Wie stets, wenn nach meiner Formel geordnet wird, kommen die Akkorde, welche aus Grundton mit Obertönen be- stehen, obenan. Ferner haben die nächsten zwei, die zu den von Helmholtz angegebenen gehören, dieselbe Rangordnung wie bei ihm. Wo sie von ihm abweicht, ist die nach meiner Formel meistens richtiger, so schon 2:4:5:6, der Stammdreiklang mit nach der Tiefe verdoppeltem Grundton, welcher bei Helmholtz die 43 Th. Emile ter Kuile: _ Rangsnummer S trägt. Der Akkord 4:5:6:10, bei welchem die Terz verdoppelt ist, und 5:6:8:10, wo die Terz im Bass liegt, bekommen nach meiner Formel schlechtere Nummern, wie das nach musikalischen Regeln richtig scheint. Hierbei ist jedoch stets zu bedenken, dass in der praktischen Musik immer mit obertonreichen Noten gearbeitet wird, während meine Formel ohne weiteres sich auf einfache Töne bezieht. Wie Hinzufügung von Grundtönen (Verhältniszabl 27, p—=0,1,2,: - ) nach der Tiefe die Akkorde nach meiner Formel in Übereinstimmung mit der praktischen Musik verbessert, mögen noch folgende Beispiele zeigen: 3:4:5 1:] 60 — 0955 5 al 9:3:4:5 1:J120 — 0,302 9:3:5 1:30 — 038 1:3:4:5 1:[ 60. — 0,859 a 1:8:5 1:15 = 0205 0.3.20, | mit Obertönen En 1:30 — 0497 BEE 1:30 = 0,182 a 1: 120 — 0,203 en 1: 940 — 0,254 OA 1: 240 — 0,334 Akkorde aus Grundton mit gleichwertigen Obertönen aufgebaut, gibt, nach ihrem Verschmelzungsgrade geordnet, diese Tabelle: ER N ee on gie RE EN un 1:0 058 A en 1 a. I. on nm se 193 5 N 1:/120 — 0,384 dn OST re De 1:/720 = 0,334 fl ae... 1:) 5040 — 0,296 8 1:2:3:4:5:6:7:8. . 2. 1: 40320 = 0,266 gi erer ISA 1: 5760 — 0,290 Hieraus ist zu sehen, dass so ein Akkord aus fünf Partialtönen noch ungefähr den Verschmelzungsgrad der Quinte erhält und ein solcher mit sieben noch den der Quarte übertrifft (Quinte 0,408, Quarte 0,289); desgleichen der Akkord 1—8 ohne siebenten Partialton. Die Klänge Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 43 der weiten offenen Orgelpfeifen des Prinzipalregisters, welche nach Helmholtz die Obertöne bis zum dritten Partialton geben, erhalten nach obiger Tabelle den Verschmelzungsgrad 0,563, welcher der Oktave schon näher liegt als der Quinte. Bringen wir noch den Grundton doppelt in Rechnung, so steigt der Verschmelzungsgrad noch bis auf 0,639, womit er sich dem der Oktave nähert. Einen etwaigen Eindruck, nämlich über den Einfluss der. verschiedenen Stärke der einzelnen Töne in einem Akkorde, kann man an der Hand meiner Formel nämlich auch noch bekommen. Stelle ich mir etwa vor, dass ein bestimmter Ton statt von einem von zwei Instru- menten zugleich gegeben wird, so dass er mit doppelter Stärke in den Akkord eintritt; ich bringe ihn dann in der Formel zweimal in Rechnung, als ob einfach ein neuer Ton zu dem Akkord hinzu- gekommen wäre und von einem »-Klang ein (» + 1)-Klang geworden wäre. Die absolute Länge der Akkordperiode verändert sich dadurch nicht, wohl aber nehme ich an, dass die mittlere Tonhöhe durch den stärkeren Ton entsprechend stärker beeinflusst wird. Ein p-Klang, bestehend aus den Tönen « D, $D, y D usw., mit dem Verschmelzungsgrad : D D 1 Te ; — z N DYe-ß-y-- Va-ß-y-- bekommt dann, wenn z. B. der Ton £# D verdoppelt wird, den Verschmelzungsgrad il PS ern s "Va $ 82 Ye: Es ist deutlich, dass der Wert der Formel sich vergrössert, wenn die tieferen Töne mit kleiner Verhältniszahl verdoppelt werden, dagegen sich verkleinert, wenn die höheren Töne verdoppelt werden; unverändert bleibt sie, wenn der doppelte Ton gerade der mittleren Tonhöhe des Akkordes gleich ist und also seine Verhältniszahl B=Ve-B-y--. Dies letztere ist genau zu verwirklichen bei dem aus zwei aneinandergereihten Oktaven bestehenden Dreiklang IR 3 ,— N 1:/8 = 0,500 A REN ee 1: /16 = 0,500 Die Verdoppelung des Tones kann, wie hier geschehen, am einfachsten durch den Exponenten 2 bei der betreffenden Verhältniszahl an- 44 Th. Emile ter Kuile: gedeutet werden, besonders weil diese Verhältniszahl wirklich, zu der Potenz dieses Exponenten erhoben, in das Produkt unter dem Wurzelzeichen eintritt !). Wir können uns nun mit der erweiterten Anwendung unserer Formel eine Vorstellung machen über den Verschmelzungsgrad eines Klanges, bestehend aus Grundton mit einer Reihe von Obertönen mit nach der Höhe abnehmender Intensität, z. B.: a late Dental: 02 den = 15 Abnehmende Partialtöone .. .... 22a roale: 34560 — 0,498 Der Wert der Verschmelzungsformel steigt bei diesem aus fünf Partialtönen bestehenden Akkorde von etwas unter dem Wert der Quinte bis ungefähr an den Wert der Doppeloktave (0,500). Das obengenannte Beispiel des Prinzipalregisters der Orgel macht sich so: el Gleiche Pattialtöne . . . . . . 1:2.3 1:)6 0568 Ale Doppelter Grundton. ..... 12220 1:/6 — 0,639 5 Dreifacher Grundton. .... . SE ol: V6 — (0,699 Es ist öfter bemerkt worden, dass die Quarte sich besser macht mit Quinte verbunden als allein. Auch dies entspricht meiner Formel: une 2:3 el = a Quarter ee 3:4 1:/ı2 = 0,89 gie Quinte + Quarte .-..- 2:3:4 - 1:)24 — 0,85 Dagegen verkleinert sich der Verschmelzungsgrad, wenn statt Quinte + Quarte (z. B. d:g':c”) die Verbindung Quarte + Quinte (€:f :c”) gemacht wird: Quarte + Quinte .. 3:4:6 1: 72 — (0,24 Im Anfang des Abschnittes über die konsonanten Akkorde der Tonart sagt Helmholtz, dass die Akkorde c—c—g' und de —g—c" als Schlussakkorde gebraucht werden können, weil sie nur aus Be- standteilen der Tonica ce aufgebaut sind, dass dagegen c—-c—f’ oder 1) 1:22:4 ist also eine verkürzte Schreibweise für 1:2:2:4, d. h. einen Akkord von vier Stimmen, von denen zwei den gleichen Ton geben. Der Ex- ponent bedeutet also nicht eine Veränderung der Verhältniszahl des be- treffenden Tones. Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 45 ce —f—c" dazu ungeeignet sind, weil das f nicht Bestandteil des Klanges ce ist und deshalb im Schlusse neben dem Klange der Tonica etwas Fremdartiges stehenbleiben würde!). „Wahrscheinlich“, fügt Helmholtz hinzu, „ist in dieser Tatsache der Grund zu suchen, warum einige Theoretiker des Mittelalters die Quarte zu den Disso- nanzen rechnen wollten.“ Ich kann hinzufügen, dass die zwei letzt- genannten Akkorde auch noch. nach meiner Formel einen viel geringeren Verschmelzungswert bekommen als die erstgenannten. Rs 1:2:3° : 1:16 056 ee a are PEN 3:4:6 1:]72 — 0% ER 3:6:8 1: 144 0,19 Der übermässige Dreiklang bekommt einen sehr schlechten Ver- schmelzunesgrad, sowohl wenn man die beiden ihn zusammen- - stellenden grossen Terzen, als wenn man die kleine Sexte rein nimmt: gie en... 16:20:25 1:] 8000 — 0,050 Fe EEE 2 20:25:32 1:)16000 — 0,040 a ren. Se es 25:32:40 1:]32000 — 0,031 Es sei daran erinnert, dass _ — 475 — 64:80 64:81 (Pythagoreische grosse Terz) 5 769616381027 7647249,.90782 7222) und dass ein Strich unten bedeutet Erniedrigung, ein Strich oben Erhöhung um ein Komma in bezug auf das Pythagoreische oder Quintenzirkelintervall, von c ab gerechnet. 25:32 = 64:81, 92 ist also zwei Kommata grösser als das Intervall ce: fes. Auch die Molldreiklänge bekommen nach meiner Formel, entsprechend ihren grossen Verhältniszahlen, so schlechte Ver- schmelzungsgrade, dass sie nach diesem Prinzip nicht mit den konsonanten Akkorden auf eine Linie gestellt werden können. Folgende sind die von Helmholtz in Tonempfindungen erwähnten: 1) Tonempfindung, 5. Ausg., S. 471. 46 Th. Emile ter Kuile: . 1 ES 12:15:20 0,065 2 IR GE oB ao 10:212:215 0,082 3 RER A En 5:12:10 0,104 4 BO Nee 12:15:40 0,052 5 ESG NO ee ee 6:15:20 0,082 VE ee 15:20 : 24 0,052 DI ESESE OR TE Ee 6:10:15 0,104 BESTER NR MESZ 10:15:24 0,065 IEIN ACH IRTESI EIGEN TEE 50 0,130 LO ga ChB les 15:20:48 0,041 11 CE ES NE 15:40:48 0,035 TI rg res ce 15:24:40 0,041 In dieser Tabelle sind die Akkorde in Helmholtz’s Reihen- folge, welche durch die erste Kolumne bezeichnet wird, angegeben. Man sieht, wie die Molldreiklänge mit ihren aus meiner Formel berechneten Verschmelzungsindices sämtlich unter der Zahl der unvollkommensten Zweiklangskonsonanz (kleine Sexte —= 0,16) bleiben. Man kann also nach diesem Prinzip nur sagen: Die Moll- akkorde bilden keine einfachen höheren Einheiten wie die Dur- akkorde; wäre das Prinzip meiner Formel das einzig ausschlag- gsebende für Konsonanz, so müsste man sagen: Die Mollakkorde bestehen aus konsonanten Zweiklängen, welche jedoch zusammen keine konsonanten Einheiten bilden, im Gegensatz zu den Durakkorden, wo das -wohl der Fall ist. Dies könnte dann zur Erklärung des auseinanderstrebenden, verschleierten Charakters der Mollakkorde angeführt werden. Es ist auch klar, dass nie ein Pythagoras ein Gesetz der kleinen ganzen Zahlen für die Kon- sonanzen hätte aufstellen können, wenn Akkorde mit so grossen Verhältniszahlen, wie in obiger Molltabelle zu sehen sind, für das Ohr gleich konsonant wären wie die wirklich mit kleinen Verhältnis- zahlen versehenen Durakkorde. Wer die Mollakkorde einfach den Durakkorden in Konsonanz ebenbürtig zur Seite stellen will, muss also die Regel der Verhältnisse der kleinen ganzen Zahlen fallen lassen. Leicht kann man bei musikalischen Personen ohne musikalische Bildung feststellen, dass sie die Mollakkorde keineswegs als von gleichem Konsonanzgrade mit den Durakkorden betrachten. Auch Stumpf, der sonst in diesem Punkte Helmholtz bestreitet, er- wähnt das (vgl. Tonpsychologie Bd. 2 S. 378: ein auffallend musi- kalisches Kind von 5 Jahren war keinen Augenblick im Zweifel über die geringere Annehmlichkeit des Moll- gegenüber dem Dur- Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 47 dreiklang). Ob die Verschmelzung ohne Bezug auf Annehmlichkeit bei den Mollakkorden geringer ist als bei den Durakkorden, müsste man durch besondere Versuche festzustellen suchen. Helmholtz sucht den Grund des geringeren Wohlklangs des Molldreiklangs (obgleich dieser aus denselben konsonanten Zweiklängen wie der Durakkord aufgebaut ist, nur in anderer Reihenfolge) in den Kombinationstönen, welche Schwebungen hervorbringen können, wenn zwei Intervalle zusammengesetzt werden, deren jedes an sich keine oder wenigstens keine deutlich hörbaren Schwebungen gibt (Ton- empfindungen 5. Ausgabe S. 353). Die hier von Helmholtz ge- meinten (von Scheibler zuerst erwähnten) Schwebungen bilden nur einen besonderen Fall der von mir ausführlich beschriebenen Dreiklangsschwebungen; sie sind an rein gestimmten Instrumenten (Doppelsirene, Stimmgabeln), wie ich noch kürzlich auf dem Physiologen- Kongress in Groningen gezeigt habe, leicht zu hören und in der Tat der Grund der deutlichen Rauhigkeit des Molldreiklanges. So gibt der Molldreiklang 300:360:450, als verstimmter Durdreiklang (300: 375 :450) betrachtet, 2 > 15 —= 30 Schwebungen, der Moll- dreiklang 600:720:900, als verstimmter Durdreiklang 600: 750:900 aufgefasst, 2X 30 — 60 Schwebungen, wobei 15 resp. 30 die Anzahl der Schwingungen bedeutet, um welche die Terz verstimmt ist. Dass die Mollakkorde ursprünglich keineswegs als den Durakkorden ebenbürtige Konsonanzen betrachtet worden sind, führt Helmholtz deutlich aus. Er weist darauf hin, wie bis herab zu Sebastian Bach allgemein nur Durakkorde oder Akkorde ohne Terz im Schlusse gebraucht werden und wie selbst noch bei Haendel und Mozart sich zuweilen ein Durakkord als Schluss eines Mollsatzes. findet (Tonempfindungen 5. Auflage S. 356). In obigem soll nicht gesagt sein, dass ich den Einfluss der Schwebungen für die Dissonanz leugne. Im Gegenteil habe ich obige Theorie jahrelang unpubliziert gelassen, weil ich immer wieder meinte, Helmholtz habe recht; denn wenn es schwebe, so klinge es falsch, und wenn es falsch klingt, so hört man Schwebungen. Nun können jedoch sehr gut beide Theorien, sich ergänzend, nebeneinander be- stehen und richtig sein. Erstens geben die Schwebungen höchstens. nur eine Erklärung der Dissonanz, und man kann mit Recht fragen, ob das Fehlen von Dissonanz zur Erklärung der Konsonanz ausreicht. Gerade die musikalischen Akustiker (Stumpf, Abraham) haben immer auf ein positives Merkmal 48 Th. Emile ter Kuile: für die Konsonanz gefahndet. Auch scheint es wohl richtig, dass gerade die Verschmelzung (in welcher Stumpf eben dieses potitive Merkmal erblickt) und damit meine Formel den Urgrund der harmonischen Musik überhaupt bildet. Herr Otto Abraham (Berlin), mit dem ich über obige Theorie sprach, meinte, so etwas wie mittlere Tonhöhe wäre im Be- wusstsein gar nicht anwesend und könne daher auch bei der Konsonanz- empfindung keine Rolle spielen. Dieses Argument scheint mir. nicht stichhaltig. Erstens braucht sie gar nieht bewusst zu werden, damit die Gesamtempfindung bewusst wird. Es ist bei allen Sinnes- empfindungen sogar die Regel, dass die Komponenten der Emp- findung, ohne selbst ins Bewusstsein zu treten, nichtsdestoweniger den Charakter der Empfindung mitbestimmen. In dem Gebiete der Akustik denke man nur einen Augenblick an die Obertöne, welche auch bei musikalischen nicht experimentierenden Personen nie für sich bewusst werden. Wir brauchen gar nicht zu reden von höheren, ‘zahlreichen und nah aneinanderliegenden Obertönen, die man über- haupt nicht als solche aus einem Klang: absondern kann und welche dennoch ihren grossen Einfluss auf die Klangfarbe des betreffenden Klanges gelten lassen. Dass eine mittlere Tonhöhe im Sinne von allgemeiner Höhenlage einer Klanemasse in der Tat besteht, scheint mir unbestreitbar. Bei jedem noch so verworrenen Geräusch kann man sagen, ob es ein hohes, ein mittleres oder ein tiefes Geräusch ist; es hat eine be- -stimmte mittlere Höhenlage. Zweifellos wird auch ein jeder sagen, dass eine Handvoll nebeneinanderliesender Töne, z. B. auf dem Klavier zugleich angeschlagen, eine bestimmte Höhenlage hat, und man wird meistens wohl ohne Mühe sagen können, in der wieviel- gestrichenen Oktave die verworrene Klangmasse gelegen ist. Ein neues Licht wirft der Begriff der mittleren Höhenlage auch auf die geheimnisvolle Frage der verbotenen und verdeekten Quinten und Oktaven und auf die Regeln der Stimmführung überhaupt. Quintenparallelen sind an und für sich schon hässlich, d. h. ohne weiteres musikalisch unlogisch, weil sie sozusagen mit jedem Schritt ' aus der Tonart fallen. Dies hat mit unserer jetzigen Frage nichts zu tun. Fine andere Sache ist es schon mit den Oktaven. Oktaven- parallelen sind an sich durchaus nicht hässlich oder musikalisch unlogisch. Sie sind jedoch verboten in mehrstimmigen Sätzen, wo dann die übrigen Stimmen entweder liegen bleiben oder in Gegen- Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. 49 bewegung sind. Bewegt sich die ganze Stimmenmwäasse in paralleler Richtung, so sind weder die Quinten- noch die Oktavenparallelen störend und werden sie auch in der Instrumentalmüsik keineswegs vermieden. Wann sind denn eigentlich die parallelen Bewegungen zweier Stimmen unschön in mehrstimmigen Sätzen? Die Antwort fällt zusammen mit jener auf die Frage, wie sie vermieden werden. Ver- mieden resp. verbessert werden sie durch Gegenbewegung (motus contrarius). Bei dieser aber bleibt die mittlere Tonhöhe der Klang- masse möglichst gleich, während sie bei Parallelbewegung eines Teiles der Stimmen verändert. Ich betrachte nun das Gleichbleiben der mittleren Höhenlage der Klangmasse als das für die Seele Ein- fachere und Leichterfassliche im Gegensatz zu dem Wechseln der mittleren Höhenlage, ebenso wie der Stammakkord das Einfachere und Leichterfassliche (der Ruhezustand) ist im Gegensatz zu den anderen Akkorden der Tonart, wie das Liegenbleiben einzelner Töne bei der Stimmführung im Gegensatz zu dem Fortschreiten aller Stimmen zugleich in verschiedener Richtung, wie die konsonanten Akkorde gegenüber den dissonanten. Findet nur eine dieser Zustands- veränderungen statt, so ist die Veränderung einfacher und leichter fasslich als wenn zwei zugleich stattfinden; einfacher, wenn zwei als wenn noch mehr Zustandsveränderungen zumal platzgreifen. Daher u.a. die Regel, dass möglichst eine der Stimmen liegen bleiben soll; es wird dadurch der Stimmenschritt leichter fasslich. Bewegen sich die Stimmen sämtlich in einer und derselben Richtung, so ist in dieser Hinsicht die Stimmführung einfacher und leichter fasslich, als wenn die verschiedenen Stimmen unabhängig voneinander in verschiedener Richtung fortschreiten; diesenfalls ist die Höhenlagen- änderung der Klangmasse sozusagen die einzige durch die Seele aufzufassende Veränderung und damit der Stimmenschritt in diesem Falle trotz der Parallelbewegung der Stimmen einfach und leicht fasslich. Dasselbe trifft zu, wenn überhaupt nur zwei Stimmen vor- handen sind, welche sich dann ruhig in Parallelen bewegen können, ohne für die Auffassung eine besondere Schwierigkeit zu formen. Das Einfachbefriedigende der Gegenbewegung der Stimmen überhaupt liegt also darin, dass sie eines der Momente ausmacht, welche die Stimmführung durchsichtig und leichtfasslich machen, und zwar in diesem Fall der Moment der möglichsten Konstanterhaltung der mittleren Höhenlage der ganzen Klangmasse. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 4 50 Th. Emile ter Kuile: Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis. Für das naive Gemüt, für die Anfänge der Ästhetik ist nun das Einfache und Leichtfassliche zugleich das Schöne. Daher hat die Mehrstimmigkeit logischerweise nach den obenerwähnten Stimm- führungsregeln ihre Anfangsschritte richten müssen. Und ebenso- wenig wie sie in ihrer Entwicklung bei der Homophonie oder bei einer Haupttonart mit ihren einfachsten Modulationen oder bei den konsonanten Akkorden hat stehenzubleiben brauchen, ebensowenig brauchte sie auch bei ihrer weiteren Entwicklung an den alten Regeln krampfhaft festzuhalten, sobald das Gegenteil ästhetisch indiziert erschien. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut durch verschiedene Temperaturen. Von Zahnarzt Erwin Goldmann, cand. med. aus Cannstatt. (Mit 27 Textfiguren.) Die Aufgabe des Blutkreislaufes besteht darin, den Organen Ernährungsmaterial und Sauerstoff zuzuführen, und dieselben von den Abfallstoffen zu befreien. Dieser Austausch zwischen Blut und Geweben findet in den Kapillaren statt, und so stellen diese zweifellos einen wichtigen Abschnitt des Gefässsystems dar. Deshalb ist es auch von Bedeutung, über die Kreislaufsverhältnisse in den Kapillaren ebensogut unterrichtet zu sein wie über die in den grösseren Ge- fässen. Aus diesem Grund folgte ich gerne der Aufforderung von Herrn Professor Basler in Tübingen, Untersuchungen auszuführen über den Blutdruck in den kleinsten Gefässen und dessen Be- einflussung durch verschiedene Temperaturen. Bisherige Kenntnisse. Wenn man den Druck in den verschiedenen Gefässen des Körpers misst, dann findet man, dass der Druck in der Aorta am grössten und in den grossen Venen am kleinsten ist, dass er also kontinuier- lich sinkt. Aus dem Umstande, dass die Kapillaren zwischen diese beiden Gefässgebiete eingeschaltet sind, folgerte man von jeher, dass der Druck in den Kapillaren zwischen dem arteriellen und venösen liegen muss. Poiseuille!) glaubte, dass in den Kapillaren die Blutbahn eingeengt wird; deshalb war es das Nächstliegende, anzunehmen, dass in ihnen der Hauptverbrauch an Energie stattfindet. Seitdem wissen 1) Poiseuille, Sur la pression du sang dans le systeme arteriel. Compt. rend. de l’Acad. t. 66 p. 886 (889). 1868. 4* 52 Erwin Goldmann: wir aber, dass in den Kapillaren die Bahn für den Blutstrom nicht kleiner, sondern im Gegenteil viel grösser wird. Der durch die zahl- reichen Berührungspunkte hervergerufene Reibungswiderstand übt keinen allzu grossen Einfluss auf die Druckverhältnisse aus, da die Geschwindig- keit ausserordentlich klein ist. Daher verlegte Campbell!) den grössten Druckabfall und den grössten Widerstand in die kleinen Arterien; eine Annahme, zu der auch Benno Levy?) auf Grund einer mathematischen Ableitung gelangte. Dass der hauptsächliche Druckverbrauch in den Arterien stattfindet, kann man aus dem Umstande schliessen, dass das Lumen der kleinsten Arterien das der Kapillaren nicht erheblich über- trifft, während die Geschwindigkeit in den ersteren eine viel grössere ist, da es bedeutend mehr Kapillaren als kleinste Arterien gibt. Aber trotzdem ist aus diesen Erwägungen heraus schwer zu sagen, welchen Druck man dem Blute in den Kapillaren zuschreiben darf. Auf welche Abwese man bei solchen rein theoretischen Kalkulationen kommen kann, . geht daraus hervor, dass ‘ein so hervorragender Forscher wie Fick°) den grössten Druckabfall in die kleinsten Venen verlegte in der Annahme, dass in den Kapillaren ein Blutdruck von nahezu der Höhe des arteriellen bestehe und ein Sinken erst in den Anfängen des venösen Abschnittes erfolge. Dieser Ansicht widerspricht aber von vornherein die allbekannte Tatsache, dass auch die kleinsten Venen nicht spritzen ®). Deshalb ist es als bedeutender Fortschritt zu begrüssen, dass N. v. Kries°) die Bestimmung des Druckes in den Kapillaren dem Experiment zugänglich gemacht hat. Im Jahre 1875 hat derselbe unter Ludwig’s Leitung eine Methode zur Messung des genannten Druckes ausgearbeitet. Er legte eine kleine Glasplatte auf die Haut und belastete dieselbe so lange, bis die Stelle gerade blass wurde. Kennt man nun die Grösse der Platte, dann lässt sich der auf die Flächeneinheit ausgeübte Druck berechnen; der Druck auf die Haut war dann offenbar etwas grösser als der in den Kapillaren, denn sonst wären dieselben nicht zusammengepresst worden. Der Methode haften aber gewisse Mängel an, die schon v. Kries selbst richtig erkannte. Einmal muss die Epidermis durch die Glasplatte deformiert werden; die Deformationsarbeit ist im Verhältnis zum (hydrostatischen) Druck um so grösser, je kleiner die gedrückte Fläche, also je kleiner die Glasplatte ist, denn die Epidermis erfährt ja nur am Rande der 1) H. Campbell, On the resistance offered by the blood capillaries to the eirculation. Lancet vol. 1 p. 594 (595). 189. 2) B. Levy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 8. 447 (467). 1897. 3) A. Fick, Über den Druck in den Blutkapillaren. Pflüger’s Arch. Bd. 42 S. 482. 1883. Gesammelte Schriften Bd. 3 S. 633 (640). 4) Vel. hierzu @. F. Nicolai, Die Mechanik des Kreislaufes. Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 1 S. 661 (778). 5) N. v. Kries, Über den Druck in den Blutkapillaren der menschlichen Haut. Verhandl. d. Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch., math.-phys. Klasse Bd. 27 S. 149. 1875. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 53 drückenden Platte eine Gestaltsveränderung. Ausserdem war es, wie v. Kries ebenfalls hervorhebt, oft recht schwer, einen geringen Farben- unterschied zu konstatieren. Bei seinen Untersuchungen fand er am Fingerrücken einen Druck von 513 mm Wasser — 37,7 mm Quecksilber !). Bei dieser Gelegenheit machte er eine Beobachtung, die sich auch weiter namentlich bei den Versuchen v. Recklinghausen’s?) bestätigte, nämlich die, dass der Druck in den Kapillaren nicht direkt abhängig ist vom hydro- statischen Druck des Blutes. Befand sich die Hand in der Höhe des Scheitels, dann betrug der Kapillardruck im Durchschnitt 328 mm ‘Wasser, in einer Höhe von 490 mm unter dem Scheitel 513, und 3840 mm unter dem Scheitel 738 mm Wasser. Wären die hydrostatischen Druckverhältnisse maassgebend, dann ergäben sich für den Kapillar- druck der drei Stellungen folgende Werte: 328, 818 und 1168. Also in Wirklichkeit ändert sich der Kapillardruck viel weniger, als es nach den Gesetzen der Hydrostatik zu erwarten wäre. Zur Erklärung dafür lassen sich zwei Momente anführen, welche als Ursachen in Betracht kommen können: nämlich ein mechanisches, indem durch Senken der Hand die Gefässbahn?) oder wenigstens der venöse Teil derselben *) erweitert wird, und zweitens eine reflektorisch hervorgerufene Ver- engerung resp. Erweiterung der zuführenden Arterien beim Senken oder Heben?°). Ausserdem bemerkt v. Kries®), er habe wiederholt den Versuch gemacht, die Steigerung des Kapillardruckes durch arterielle Hyper- ämie nachzuweisen. Die Finger wurden zu diesem Zwecke in heisses oder kaltes Wasser getaucht, die Haut durch Induktionsstrom gereizt usw. Aber selbst bei ziemlich lebhafter Rötung der Haut liess sich keine Vermehrung des Blutdruckes feststellen. Man müsse also annehmen, dass die Grösse, um welche der Blutdruck in den Kapillaren bei mässig starker arterieller Hyperämie steigt, ganz innerhalb der Fehler- grenzen seiner Untersuchungsmethode liegt. Natanson’), der unter Hermann’s Leitung arbeitete, suchte den Einfluss der Massenumschnürung auf den Kapillardruck genauer zu ermitteln. Er fand, dass bei einer Umschnürung, die mit einer Belastung bis zu etwa 1650 g ausgeführt wurde, der Kapillardruck steigt, dann bleibt er stehen, und wenn man noch stärkeren Druck zum Abschnüren anwendet, sinkt er (Esmarch’sche Binde). Die Kompression der Haut erfolgte aber bei so hohem Druck (945,7 mm Wasser — 70,5 mm Quecksilber), dass man nicht mehr von der Be- I) N. v. Kries, l. c. S. 154. 2) H. v. Recklinghausen, Unblutige Blutdruckmessung. III. Arch. f£. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 55 S. 463 (495). 1906. 3) N. v. Kries, |. c. S. 156. 4) H, v. Recklinghausen, |. c. S. 501. 5) H. v. Recklinghausen, |. c. S. 499. 6)N. v. Kries, l. c. S. 159. 7) G. Natanson, Über das Verhalten des Blutdruckes in den Kapillaren nach Massenumschnürungen. Königsberger Dissertation. 1886. 54 Erwin Goldmann: stimmung des Druckes in den Kapillaren sprechen kann, sondern des Druckes in den Arterien. „Um von den Bestimmungen der belastenden Fläche für die Um- rechnung des Gewichtsdruckes in hydrostatischen (wie sie bei der v. Kries’schen Methode nötig sind) unabhängig zu werden, und um mittels mikroskopischer Betrachtung den Füllungsgrad der Blutgefässe überwachen zu können“, komprimierten Roy und Brown!) einen transparenten, Blutgefässe enthaltenden Körperteil (Schwimmhaut und Mesenterium des Frosches) zwischen einer Glasplatte und einem Luft- kissen. Letzteres bestand aus einer durchsichtigen, feinen Membran, welche auf der einen Öffnung einer zylindrischen Kapsel aufgebunden war. Der Druck in dem zylindrischen Gefäss konnte an einem Mano- meter abgelesen werden und wurde durch die zarte Membran hindurch auf das Gewebe übertragen, wobei das Verhalten der Gefässe durch das Mikroskop verfolgt wurde. Bei langsamer Druckerhöhung wurde zuerst der Blutstrom in den kleinsten Gefässen pulsatorisch ungleich, d.h. systolisch schneller, diastolisch langsamer. Bei weiterer Druck- steigerung trat während der Diastole eine rückläufige Blutbewegung in den Arteriolen und dem arteriellen Teil der Kapillaren ein und endlich eine völlige Entleerung des in den Kapillaren vorhandenen Blutes sowie ein Zusammenfallen der Kapillaren. Eine der Methode von Roy und Brown ähnliche Versuchs- anordnung verwendete Lapinsky?) bei seinen Studien über die lokale Blutzirkulation im Bereiche gelähmter Nerven. Der gleichen Methode wie v. Kries bedienten sich H. und B. Ballantyne®), während v. Basch*) ein Glasgefäss mit Fischleim auf die Haut klebte und in diesem einen solchen Druck erzeugte, dass er gerade ausreichte, um die Hautgefässe blutleer zu machen. Rotermund?°) gebraucht eben- falls die v. Kries’sche Methode, doch wurde der Druck nicht durch Gewichtsbelastung, sondern Federspannung hergestellt. Der dazu ver- wendete, nach dem Vorschlag von v. Frey konstruierte Apparat, der als Kapillarmanometer bezeichnet wird, ist dem Fick’schen Ophthal- motonometer nachgebildet. Damit wurde zunächst ein hoher Druck 1) Ch. S. Roy und G. Brown, Neue Methode, den Blutdruck in den kleinen Arterien, Venen und Kapillaren zu messen. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. S. 158. 1878. — Ch.S. Roy and G. Brown, The blood pressure and its varia- tions in the arterioles, capillaries and smaller veins. Journ. of Physiol. vol. 2 p. 323. 1879/80. 2) M. Lapinsky, Studien über die lokale Blutzirkulation im Bereiche ge- lähmter Nerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899 Supplbd. S. 477 (487). 8) H. and B. Ballantyne, Journ. of Boston Soc. of med. science vol. 3 p- 330. 1899. 4) S. v. Basch, Über die Messung des Kapillardruckes am Menschen und deren physiologische und klinische Bedeutung. Wiener klin. Rundschau Bd. 14 S. 549. 1900. 5) H.Rotermund, Über den Kapillardruck, besonders bei Arteriosklerose nebst Bemerkungen über den Blutdruck bei Arteriosklerose. Inaug.-Diss. Mar- burg 1904. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 55 hergestellt, welcher dann so lange verringert wurde, bis die erblasste Haut wieder die normale Farbe annahm. Die Versuche wurden an der Stirn des auf dem Rücken liegenden Patienten vorgenommen, Bei 43 Personen männlichen Geschlechts wurde ein Kapillardruck zwischen 20 und 42 mm Quecksilber festgestellt; beim weiblichen Geschlecht schwankte es zwischen 17 und 40 mm Quecksilber. v. Recklinghausen!) benutzte einen flachen Gummibeutel, der aus zwei kreisförmig geschnittenen, dünnen Gummiplatten bestand, welche rings am Rande miteinander verklebt waren. Über den Gummi- beutel leste er eine Glasplatte parallel der Hautoberfläche in möglichst geringem Abstand. In den Beutel führte seitlich ein Schlauch hinein, durch den der Innenraum einerseits mit einer Pumpe und andererseits mit einem Manometer in Verbindung stand. Er erhöhte nun_den Druck in dem Beutel so lange, bis die Haut blass wurde, und liess hierauf den Druck wieder abnehmen, bis eine deutliche Rötung der Haut wahr- senommen werden konnte. Sehiller?) verwendete wie Rotermund das zu diesem Zwecke umgeformte Fick ’sche Ophthalmotonometer. Bei den Messungen wurde der linke Mittelfinger in ein Gefäss getaucht, in dem sich Wasser von einer. bestimmten Ausgangstemperatur befand, und so lange darin be- lassen, bis sich weder mit dem Auge eine Verfärbung, noch mit dem Ophthalmotonometer eine Druckveränderung feststellen liess. Dann wurde er rasch herausgezogen und in ein zweites Gefäss mit Wasser von bestimmter höherer oder niedrigerer Temperatur getaucht und nach 2 Minuten wieder der Kapillardruck bestimmt: Dabei zeigte sich der Druck im allgemeinen nur abhängig von der Temperatur, bei der die Untersuchung stattfand, und unabhängig von der Ausgangstemperatur, zum Unterschied von der Temperaturempfindung, die vorwiegend von der Ausgangstemperatur abhängt. Das Maximum des Druckes herrschte näherungsweise bei 35° C. In neuester Zeit hat Lombard°) aus dem physiologischen Institut Würzburg eine höchst bemerkenswerte Arbeit veröffentlicht. Nach seinen Beobachtungen lassen sich mit einem Mikroskop bei 24facher Ver- srösserung die Gefässe der Cutis in der Haut erkennen, wenn man auf den Finger eine Glycerinschicht bringst und für genügende Be- leuchtung sorgt. Die Versuche wurden an der Basis eines Finger- nagels und am Handrücken angestellt. Die Hand wurde etwa 10 cm unterhalb des unteren Herzrandes bei einer Temperatur. von 20° C. gehalten. Wird der Versuchsfinger verschieden stark durch aufgelegte Gewichte komprimiert, während gleichzeitig die Gefässe beobachtet werden, so kann man feststellen, dass bei allmählicher Erhöhung des Druckes der Reihe nach verschiedene Gefässe zusammengedrückt werden. So werden die Gefässe des subpapillären Venenplexus bei einem Druck 1)H. v. Recklinghausen, |. c. S. 490 und 468. 2) W. Schiller, Über den Einfluss der Temperatur auf den Druck in den Kapillaren.der Haut. Physiol. Zentralbl. Bd. 24 S. 391. 1911. 3) W. P.Lombard, The blood pressure in the arterioles, capillaries and small veins of human. skin. American Journ. of Physiol. vol. 29 p. 335. 1912. 506 Erwin Goldmann: von 10—15 mm Hg, oberflächliche, kleinste Venen bei 15—20 mm Hg verschlossen; leicht komprimierbare Kapillaren verschwinden bei 15 bis 25 mm, mittlere Kapillaren bei 35 —45 mm Hg nnd schwer komprimier- bare Kapillaren sowie Arteriolen bei 60—70 mm Quecksilberdruck. Der Druck des Blutes fällt also auf seinem Weg von den Arteriolen durch die Kapillaren zum subpapillären Venenplexus um 40—50 mm Hg. Was ist unter Kapillardruck zu verstehen, und was für ein Druck wird gemessen? Die Kapillaren sind, anatomisch betrachtet, Schläuche aus einer endothelartigen, dünnen Haut von einem Durchmesser von 4,5—13 u und von verschiedener Länge. Sie unterscheiden sich wesentlich von den grösseren Arterien und Venen, aber der Übergang ist nach beiden Seiten hin ein ganz unmerklicher. Wenn die Verschiedenheit der Kapillaren unter sich in anatomischer Hinsicht schon so gross ist und sie sich ohnedies schwer von den kleinsten Arterien und Venen unterscheiden lassen, so gilt das Gesagte in noch höherem Maasse für die physiologischen Verhältnisse. Es ist anzunehmen, dass in den einzelnen Kapillaren verschiedener Druck herrscht, was auch experimentell zu zeigen ist. Lässt man nämlich auf die Schwimmhaut desFrosches einen allmählich wachsenden Druck gleichmässig wirken, dann kann man mit Hilfe des Mikro- skopes erkennen, dass sich bei einem bestimmten Druck nicht alle Kapillaren zugleich schliessen, sondern zunächst nur einzelne. Wird der Druck erhöht, dann schliessen sich wieder andere und so fort, bis bei einer bestimmten Stärke der Kompression alle Kapillaren verschlossen sind, wobei sicher noch manche andere Gefässe un- durchgängig geworden sind, die im anatomischen Sinne nicht zu den Kapillaren gerechnet werden dürfen. Ähnliche Beobachtungen konnte Lombard?) an der menschlichen Haut machen. Wir müssen also annehmen, dass in den zuerst geschlossenen Kapillaren von vorn- herein der Druck geringer war. Wird der Kapillardruck nach dem Druck beurteilt, den man anwenden muss, um die Haut in toto blass werden zu lassen, dann weiss man erst recht nicht, ob man in streng anatomischem Sinne nur Kapillaren komprimiert oder auch grössere Gefässe; denn in der 1) V. v. Ebner, in A. Koelliker’s Handb. d. Gewebelehre d. Menschen Bd. 3 S. 666. 1902. 2) W. P. Lombard, l. c. S. 359. (Vgl. das auf S. 55 Gesagte. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut ete. 57 Haut liegen ausser den Kapillaren noch kleinste Arterien und kleinste Venen. Sie alle sind dem einwirkenden Druck ausgesetzt. Presst man die Haut nur ganz leicht, dann werden natürlich die Gefässe mit dem geringsten Druck verschlossen; es ist dies, wie Lombard!) zeigen konnte, der subpapilläre Venenplexus; durch seine Kompression wird die Haut eine Spur blässer. Bei etwas stärkerem Drücken werden die Gefässe mit höherem Druck verschlossen, und die Folge ist, dass die blasse Farbe der Haut zunimmt. Dass je nach dem Druck eine verschiedene Farbe der Haut zu beachten ist, beschreibt v. Recklinghausen?) wie folgt: „Wenn wir, nachdem wir zuvor durch hohen Druck die Haut völlig anämisch gemacht haben, den Druck allmählich absinken lassen, so beobachten wir, dass sich die Haut nicht etwa mit einem Schlage rötet, sondern dass bei einem bestimmten Druck ein leichter roter Ton der weiss- sraugelben Farbe der anämischen Haut sich beimischt. Bei weiterem Sinken des Druckes nimmt die Rötung mehr und mehr zu, bis schliess- lich die intensive Purpurfarbe der arteriell-hyperämischen Haut er- reicht ist, die sich dann bei noch weiterer Druckverminderung nicht mehr ändert.“ Das was gemeinhin als Kapillardruck bezeichnet wird, ist also etwas durchaus Komplexes. Unter diesen Begriff fällt erstens der Druck in den eigentlichen Kapillaren (im streng anatomischen Sinne), der, wie erwähnt wurde, selbst in den einzelnen Kapillarschlingen durchaus verschieden ist. Zweitens gehört dahin der Druck in den allerkleinsten Arterien und Venen. Man hat also unter dem sogenannten Kapillardruck den Druck in den kleinsten Gefässen zu verstehen, und wenn im folgenden kurz- weg die Bezeichnung Kapillardruck gebraucht wird, so ist damit keineswegs der Druck in den Kapillaren allein gemeint. Was der Druck, den wir messen, zu bedeuten hat, davon gibt v. Recklinghausen?) eine eingehende Darstellung. Er sagt unter anderem: „Der Druck, bei welchem eben die ersten Kapillaren sich schliessen, ist gleich dem Druck, welcher normalerweise im nächst- höheren Gefäss, d. h. also in den die Kapillaren speisenden Arteriolen DENE Br Kombardı. lc. S. 359. 2) H. v. Recklinghausen, |. c. S. 490. 3) H. v. Recklinghausen, |. c. S. 494. 58 Erwin Goldmann: herrscht. Wir messen also hier den Druck in den allerkleinsten Arterien.“ Ob jedoch die geistvollen Ausführungen v. Reckling- hausen’s noch volle Gültigkeit besitzen, nachdem wir aus den Untersuchungen Lombard’s wissen, dass durch den geringsten Druck die kleinsten Venen komprimiert werden, ist schwer zu sagen: Eigene Untersuchungen. Methode. Zur. Ausführung meiner Versuche bediente ich mich des von Herrn Prof. Dr. Basler!) angegebenen Apparates, den er unter dem Namen Ochrometer beschrieben hat. Argur T. Aufstellung für die Vornahme der Untersuchungen. A Ochrometer, a, und Ag Gummigebläse. (die schwarzen Linien bedeuten die zur Verbindung dienenden Gummischläuche), 9 Manometer. Zwei Finger einer Hand werden unter je ein an der Unterfläche mit Goldschlägerhaut überspanntes, rechteckiges Kästchen b, und b, (Fig. 1) gesteckt; die Kästchen besitzen oben ein Fenster, so dass man durch den Tubus d auf die unter der Goldschlägerhaut liegenden 1) A. Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blut- gefässen der menschlichen Haut. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 147 8. 395. 1912. Über die Beeinflussung des Blutdruckes iu den Kapillaren der Haut et. 59 Finger sehen kann. Durch Einpressen von Luft mittels der Gebläse ad, und a, lässt sich der Luftdruck über beiden Fingern beliebig er- höhen. Der eine Finger dient dabei als Vergleichsobjekt, während über dem anderen der Druck so lange erhöht wird, bis sich die Haut gerade zu verfärben beginnt. Da die beiden zu vergleichenden Haut- flächen nicht unmittelbar nebeneinanderliegen, so werden sie durch zwei Fresnel’sche Prismen, die in den Teil ce des Apparates ein- gebaut sind, einander scheinbar genähert. Für gute ‚Beleuchtung der sichtbaren Fingerflächen sorgt ein an der hinteren Seite des Apparates angebrachter Spiegel f. Der Druck über dem untersuchten Finger wird an dem Manometer g abgelesen. Der ganze obere Teil des Apparates, ce und d, welcher die optische Einrichtung enthält, lässt sich mitsamt dem Gestell e, auf welchem er aufgebaut ist, und dem Beleuchtungsspiegel f von den Kästchen, die zur Kompression der Haut dienen, abnehmen. Es empfiehlt sich, die zu betrachtenden Hautpartien mit einer Glyeerinschicht zu überziehen, so dass der Zwischenraum zwischen Goldschlägerhaut und Finger mit Glycerin angefüllt ist. Dadurch lest sich die Goldschlägerhaut besser an, und die rötlichen, durch die Fingerhaut gefärbten Flächen erscheinen gleichmässiger. Da die Goldschlägerhaut immer ihre Struktur erkennen lässt und deshalb die sichtbaren Teile der Haut nie als gleichmässige Flächen er- scheinen, so versuchte ich die Kästchen mit durchsichtigem Gummi zu überziehen, wie er von der Firma Fr. M. Daubitz in Rudow bei Berlin geliefert wird. Leider erwies sich Gummi für diese Zwecke als unbrauchbar, weil die Kästchen sich mit Gummiplatten nicht luftdicht überziehen liessen. Übrigens würde auch der gelbe Farbton der letzteren die Beurteilung der Fingerfarbe sehr erschweren. Ferner habe ich versucht, die Goldschlägerhaut durch Fischblase zu ersetzen, doch bin ich davon bald wieder abgekommen, da sich die Goldschlägerhaut viel besser anschmiegt und die Sichtbarkeit der zu untersuchenden Hautpartien nur wenig beeinträchtigt. Zu meinen ersten Untersuchungen benützte ich ein Quecksilber- manometer. Es fiel mir aber bald auf, dass es schwer möglich ist, die in Betracht kommenden Druckunterschiede mit Sicherheit an einem Quecksilbermanometer abzulesen, denn es handelte sich bei meinen Versuchen .oft um die Ermittlung von sehr geringen Druck- werten. Deshalb verwendete ich in der Hauptsache, wie dies auch 60 Erwin Goldmann: Basler!) getan hat, nur Manometer, die mit Wasser gefüllt waren. Ein zweites Manometer zur Messung des Druckes über dem Ver- gleichsfinger habe ich der Einfachheit halber weggelassen. Bei meinen Untersuchungen war ich Versuchsperson und Ex- perimentator in einer Person. Es war deshalb ziemlich schwierig, mit der einzigen Hand, die mir zur Verfügung stand, das Gumni- gebläse nur so wenig zu komprimieren, dass der Druck nicht zu hoch wurde. Deshalb benützte ich zur Kompression des Gebläses eine besondere Einrichtung, die sich als ausserordentlich empfehlens- wert erwies. Sie besteht aus einem ungefähr 25 em langen und 8 cm breiten Brettchen a, auf dem zwei Holzklötze b, und b, be- festist sind, deren Höhe nicht viel kleiner ist als der Durchmesser des Gummigebläses ce. An dem einen der- selben ist durch ein Scharnier c ein Fig. ne a dien due Brettehen d befestigt. Durch samen Kompression des Gebläses. Niederdrücken seines freien Endes hat E en 2 man die Möglichkeit, das zwischen b, und db, gelegene Gummigebläse ce nur bis zu einem gewissen, von der Höhe der beiden Klötze d, und b, abhängigen Grad zu verkleinern und dadurch regelmässige Steige- rungen des Druckes zu erzielen. Um das häufig lästig werdende Anlaufen der Glasfenster (vgl. S. 58) des Apparates zu vermeiden, schraubte ich jede Woche die beiden Kästchen ab und rieb die Scheiben mit einem Lasinstift ein, wie man ihn gebraucht, um das Anlaufen von Brillengläsern zu ver- hindern, und der bei jedem Optiker zu kaufen ist. Wenn die Gläser sich trotzdem einmal beschlugen, so war dies so minimal, dass die Beobachtungen in keiner Weise gestört wurden. Bei meinen Versuchen habe ich stets, wenn nichts anderes an- gegeben ist, den linken Mittelfinger als Vergleichs- und den linken Zeigefinger als Versuchsfinger benützt. — Selbstverständlich muss auch eine gleichmässige Differenz zwischen der Höhe des Herzens und der Versuchshand eingehalten werden, da sonst die Ergebnisse verschieden ausfallen. Deshalb habe ich die Hand immer sitzend bequem auf den Tisch aufgelegt; dabei ist eine Kompression der Blutgefässe durch die Tischkante zu vermeiden. Zu diesem Zweck 1) A. Basler, ]. c. S. 400. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut et. 61 empfiehlt es sich, einen weichen Gegenstand, etwa ein mehrfach zusammengelegtes Tuch, unter die Hand zu legen. Ausserdem ist darauf zu achten, dass die Messung nicht sofort nach dem Einstecken der Finger in den Apparat erfolst, da der Druck infolge der Be- wegung des Armes beim Einstellen der Beleuchtung usw. leicht etwas stärker werden kann. Der Druck über dem Versuchsfinger wurde bei den Beobachtungen su lange erhöht, bis sich dem Vergleichsfinger gegenüber ein leichtes Blasswerden zeigte. Dabei werden, wie man annehmen kann, nur diejenigen Gefässe komprimiert, in denen der geringste Druck herrscht. Zur Kritik des Apparates. Die wichtigste Frage ist die, inwieweit die mit dem Ochrometer gefundenen Werte wirklich dem in den Kapillaren herrschenden Druck entsprechen, denn es muss berücksichtigt werden, dass die Bestimmung des Kapillardruckes mit dem beschriebenen Apparate eine indirekte ist, d. h. die kleinsten Gefässe der Haut werden unter so starken Druck gesetzt, dass sie zusammengepresst werden, was man wieder an der Farbe der Haut erkennen kann. Es ist deshalb nur zu berechtigt, wenn über die Genauigkeit einer solchen Methode Zweifel entstehen, die eine eingehende Kritik geboten erscheinen lassen. So wäre es denkbar, dass auch die allerkleinsten Gefässe eine gewisse Wandspannung besitzen, die überwunden werden muss. Weiter kommt in Betracht der Widerstand, den die Epidermis und das die Kapillaren umgebende Gewebe der Deformation entgegen- setzt, und schliesslich wirft sich noch die Frage auf, ob man durch ein Vergleichen der Farben genügend feine Unterschiede erkennen kann. Für die Kapillaren der Froschschwimmhaut haben Roy und Brown!) gezeigt, dass die blutgefüllten Kapillaren einer abgeschnittenen Frosch- pfote sich entleerten, wenn von aussen ein Druck von nur wenigen Millimetern Wasser einwirkte. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass hier wesentlich andere Bedingungen vorhanden sind als in der menschlichen Haut. v. Recklinghausen?) ist der Ansicht, man könne mit Recht die Annahme machen, dass die kapillare Wand und die umgebenden Gewebe keinen wesentlichen offenhaltenden oder zusammendrückenden Einfluss auf das kapillare Lumen ausüben, da 1) Roy and Brown, The blood pressure and its variations e. c. Journ. of Physiol. vol. 2 p. 323 (328). 1879/80. 2) H. v. Recklinghausen, |. c. S. 494. 62 Erwin Goldmann: für die grossen Arterien und grossen Hautvenen in der Tat diese Voraussetzung zutreffe. — Der Epidermiswiderstand kann sich, wie schon v. Kries!) auseinandergesetzt hat, nur auf die Umrandung der gedrückten Fläche beziehen, denn nur da wird die Haut deformiert. Will man den dadurch entstehenden Fehler möglichst klein machen, muss die gedrückte Fläche sehr gross werden. Bei Anwendung einer Glasplatte kann man aber nie über eine bestimmte Grösse hinaus- gehen, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Platte nicht mehr überall gleichmässig anliegt. Anders ist es aber, wenn mit einer weichen Substanz gepresst wird, also etwa mit einer durchsichtigen Membran, welche sich der Haut überall gleichmässig anschmiegt. Eine solche Membran kann, wie das beim Ochrometer der Fall ist, so gross gemacht werden, dass der Epidermiswiderstand praktisch gleich Null ist. Was die Beurteilung der Farbenveränderung anlangt, so sind bei dem Ochrometer die Chancen insofern die denkbar günstigsten, als man stets zwei gleichzeitig dargebotene Färbungen vergleicht. Dass die Farbe im allgemeinen richtig beurteilt wird, geht daraus hervor, dass auch ein geringes Hellerwerden bei ein und demselben Druck von verschiedenen Personen wahrgenommen wurde. Trotz- dem schien es aber wünschenswert, das Resultat der Ochrometer- untersuchungen auch noch in anderer, möglichst objektiver Weise zu prüfen. Zu diesem Zweck benützte ich einen ebenfalls von Herrn Prof. Basler?) konstruierten Apparat, den er kürzlich unter dem Namen „Hautmanometer“ beschrieb. Es war mir zwar infolge Zeitmangels nicht möglich, viele Versuche damit anzustellen, doch überzeugte ich mich davon, dass bei Zimmertemperatur die mit beiden Apparaten vorgenommenen Bestimmungen höchstens um wenige Millimeter Wasserdruck voneinander abwichen. Kapillardruck unter normalen Umständen. Ehe ich dazu übergehe, den Einfluss verschiedener Temperaturen auf den Kapillardruck zu beschreiben, sei ein Versuch mitgeteilt, bei dem ich den Kapillardruck längere Zeit beobachtete, um zu sehen, 1)N. v. Kries,l. c. S. 132. 2) A. Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. U. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 345 (352). 1914. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 63 wie gross die normalen Schwankungen dieses Druckes sind, solange kein äusserer Reiz einwirkt. Ich bestimmte den Kapillardruck meines Zeigefingers 20 Minuten lang von Minute zu Minute und erhielt Werte, wie sie aus unten- stehender Tabelle zu ersehen sind. Tabelle Il. Kapillardruckmessung unter normalen Umständen. 29. Mai 1913. Ver- suchsperson: E. G. Zimmertemperatur 20,50% C. : Druck in . Druck in Zeit Millimeter Wasser Zeit Nelken Vz: gn 40’ 90 gh 51’ 80 Ih Ay’ 90 gh 527 80 g9h 49 80 gn 537 90 Ih 48" 70 9h 54 80 Ih 44 80 gu 55’ 70 9h 45’ 70 9h 56’ 90 9h Ag’ 60 gh 57° 70 9h 47 70 gh 58’ 80 9n 48’ 90 On 59’ 70 gu 49’ 70 10h 00’ 90 9h 507 70 Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden die Ergebnisse dieses Versuches in Kurvenform dargestellt. 92 10% Abweichungen in der Bestimmung des Kapillardruckes im Verlaufe von 20 Minuten. (Die Abszissen bedeuten die Zeiten, die Ordinaten die Druckwerte in Milli- meter Wasser.) Aus dem mitgeteilten Versuche ersieht man, dass die einzelnen Bestimmungen des Druckes in den Kapillaren meines Fingers im 54 Erwin Goldmann: Verlauf von 20 Minuten ziemlich bedeutenden Schwankungen unter- worfen waren. Sie bewegten sich zwischen den Werten 70 und 90 mm; einmal betrug der Druck sogar nur 60 mm Wasser. Diese Reihe stimmt vollkommen überein mit der von Basler!) veröffent- lichten Tabelle. Wie mir Herr Prof. Basler mitteilte, beträgt nach seinen Beobachtungen der niederste Kapillardruck bei normalen. Menschen 80—120 mm Wasser. Demnach ist der bei mir gefun- dene Druck als normal zu betrachten, doch muss er als ziemlich niedrig bezeichnet werden. Einfluss der Temperatur auf den Druck in den kleinsten Hautgefässen. Da in der Literatur verhältnismässig wenig über den Einfluss- verschiedener Temperaturen auf den Blutdruck in den kleinsten. Gefässen der Haut bekannt ist, so habe ich versucht, durch ein- gehende Beobachtungen die Abhängigkeit dieses Druckes von ver- schiedenen Temperaturen festzustellen. Dabei ging ich in folgender Weise vor: Mit Hilfe des Ochrometers wurde zuerst der Kapillar- druck unter gewöhnlichen Umständen bestimmt. Nach dieser ersten Beobachtung werden die beiden Versuchsfinger !/s Minute lang in Wasser von bestimmter Temperatur gesteckt und der Druck wieder gemessen. Die Ergebnisse einiger Versuche dieser Reihe sind in Tabelle II (S. 65) wiedergegeben und in Fig. 4 als Kurve dargestellt. Figur 4%. 0 50H 20 25 2035 w 45 50° Celsws. Abhängigkeit des Kapillardruckes von der Wassertemperatur. (Die Abszissen bedeuten die Wassertemperaturen in Celsiusgraden, die Ordinaten die dadurch bedingten Kapillardrucke in Millimeter Wasser.) 1) A. Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blut- gefässen der menschlichen Haut. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 393 (401). 1912. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut ete. 65 Tabelle I. Eiuwirkung verschiedener Wassertemperaturen auf den Kapillardruck. Versuchsperson: E. G. Dauer der Einwirkung: !/s Minute. : Druck Durch- Sun. en in Millimeter Wasser | schnitts- Datum Zeit : = : 5 an : werte vor dem | nach dem des 1913 °C, 00, |Eintauchen | Eintauchen| Druckes | 90 8 11804 | 14 a { a \ ws 85 130 a 14 15 —_ 120 130 i 140 20. Mai 200 l 11h 43’ 14 0 — 190 193,3 190 er | 180. 546 | 17 5 x | 190 183,3 N 180 I (| mis | 14 = 90 2 90 150 I1h 16’ 14 ‚10 — 160 150 ° 140 : SU fe r 2rt20 | 21. Mai 3m 991 I 00 = 1 > 130 1 90 4h 49’ 16 25 — 80 83,9 ( 80 (| 8555’ 13 _ 80 — 80 90 9h 00’ 13 80 — 80 86,6 Fa 90 J Far, 110 22. Mai? 9h 45' 13 39 — 110 106,6 l 100 11h 10° 16 — 90 — 90 : : f 140 : HERE 16 40 — 140 140 | | (| 10% 50’ 15 — 80 = 80 | 160 10h 51’ 15 45 — 150 156,6 ‚23. Mai 160 180 12h 00’ 15 50 — 180 183,3 \ ER, 190 Aus Tabelle II und Figur 4 lässt sich ersehen, dass der Druck in den kleinsten Gefässen nach vorausgegangenem Eintauchen der Hand in Wasser von 25—30°C. sich nicht nachweisbar veränderte, dass er aber nach Einwirkung sowohl kälteren wie auch wärmeren Wassers eine Steigerung erfuhr. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. b) 66 Erwin Goldmann: Die Kurve zeigt uns ohne weiteres, dass die Beeinflussung des Druckes zwar nicht genau, aber doch angenähert der Temperatur- empfindung parallel geht; denn Wasser von 30° verursacht ja beim gewöhnlichen Adaptationszustand der Haut nur eine geringe Kälte- empfindung. Je weiter sich aber die Temperatur des Wassers nach oben oder unten von der Indifferenztemperatur entfernte, um so stärker wurde die Beeinflussung, und zwar im Sinne einer Drucksteigerung. Dieses Ergebnis ist ein durchaus anderes, als ich nach den bisher vorliegenden Untersuchungen erwartet hatte. Schiller hatte ge- funden, dass durch erhöhte und verminderte Temperatur der Um- gebung der Kapillardruck niedriger wird als der normale. Dieses abweichende Verhalten lässt sich nur durch die verschiedenartige Ausführung der Versuche erklären. Abgesehen davon, dass meine Ergebnisse in einem gewissen Widerspruch zu denen Schiller’s stehen, war noch ein Umstand im höchsten Maasse merkwürdig, nämlich der, dass der Druck nach Erwärmung wie nach Abkühlung scheinbar anstieg, während doch die einfache Besichtigung lehrt, dass im ersteren Falle die Haut ein rotes, im letzteren ein blasses Aussehen zeigt. Auf die Erklärung dieser Erscheinung werde ich weiter unten eingehen. Einfluss der Wirkungsdauer einer veränderten Temperatur auf den Kapillardruck. Bei den bisher beschriebenen Versuchen wurde der Finger immer ı/ Minute lang einer neuen Temperatur ausgesetzt. Es schien nun nicht ohne Interesse, festzustellen, ob der Kapillardruck unter Um- ständen in irgendeinem Verhältnisse zur Dauer der vorherigen Temperatureinwirkung steht. Zunächst bestimmte ich den Einfluss der Dauer einer höheren Temperatur und tauchte deshalb eine Hand in Wasser von 37° C., welches deutlich warm erschien. Dieser Versuch ist auf S. 67 in Form einer Tabelle wiedergegeben. Fig, 5 (S. 67) zeigt ihn graphisch dargestellt. Aus dieser Versuchsreihe ersehen wir, dass es für die durch Eintauchen in warmes Wasser bedingte Kapillardrucksteigerung gleich- gültig war, wie lange das warme Wasser einwirkte. Derselbe Versuch wurde auch mit kaltem Wasser angestellt. Nach Eintauchen der Hand in Wasser von 10° C. war wieder der Druck, der nötig war, um ein deutliches Erblassen der Haut zu er- zielen, erhöht, und die Grösse der Druckzunahme war unabhängig 0 Mrz 4 Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut ete. 67 Tabelle II. Kapillardruck nach verschieden langer Einwirkung einer und derselben Temperatur. Versuchsperson: E. G. Druck in er Dauer Um- mer-| Wasser-| der Ein- _—— Br Durch- | gerechnet Datum Zeit tem- | tem- | wirkung | 3.2 55 | schnitts- | in Milli} peratur | peratur des > 3 = = werte des a SS = | Druckes ASSET- i Wassers |e= | Ss (N) {1} B=! .— 1913 C. C. Ze eich Eu e kurzes 2 oh 45’ | 16 37 f a \_ 316,9 17, Mai} sh 15’ 16 87 1/4! — 312,8 3h 45’ 16 D co DD Ke) {eV} Ilh 15’ 13 19.Mai\| 11h 20’ 13 4h 00’ 16 co | w Se) [> ul un ul Nam DDDd DoOoD D Se) wo 15 11 00'| 14 ar | = 12 02 2377. |) 1999 15 22 16.Mai}| 11R 00 | 14 37 10 1 3.1 22,7 |. 808,7 23 20 IM a5'| 14 37 5' -| 23 | 22,0 | 299,2 23 | | 24 7 BET. 2% 5MRuL. Einlauos” Abhängigkeit des Kapillardruckes von der Dauer einer Erwärmung. (Die Abszissen bedeuten die Zeiten, während deren die Hand eingetaucht blieb, in Minuten, die Ordinaten den dadurch bedingter Kapillardruck in Millimeter Quecksilber.) ' von der Zeit, während welcher die Hand in dem kalten Wasser steckte, was aus der folgenden Tabelle hervorgeht. 5* 68 Erwin Eolimanı- Tabelle IV. Kapillardruck nach verschieden langer Einwirkung von Wasser von 10° C. Versuchsperson: E, K. Druck in Um- Zimmer-|Wasser-| Dauer _mm Hg Durch- | gerechnet = = 9 = Pe Dana. | Zeus ln geus A tens wen Eee ratur t rn = {=} le = - S = | Druckes Wasser- 1913 Br re ee kzenlee | .E. 0: > s|®5 uck ( 15 8h 00’ 13 = = 6 15,0 204,0 14 sn04| 18 10 kurzes IL __ 2 237 | 3293 Eintauchen 93 ’ 16. Mai } 93 9n 08’ 13 10 1! na 93,3 316,9 23 24 10h 15’ 14 10 1/g! 13 24,0 326,4 L 23 23 | 9n 03’ 14 10 i —2I| 94 23,3 316,9 | 23 24 17. Mai 9 9h 50’ 14 10 BF eu 005 93,7 322,3 24 33 11h 05’ 15 10 5 | 25 94,0 326,4 L 24 Auch dieser Versuch wurde als Kurve dargestellt. o Murzes% 7% 1 2% 5MnuF ” Einfauch. Abhängigkeit des Kapillardruckes von der Dauer einer Abkühlung. (Die Abszissen bedeuten die Zeiten, während deren die Hand eingetaucht blieb, in Minuten, die Ördinaten den dadurch bedingten Kapillardruck in Millimeter Quecksilber.) Bei diesen Versuchsreihen dürfte der Umstand auffallen, dass ich im Vergleich zu anderen Beobachtungen und zu meinen eigenen späteren Ergebnissen ausserordentlich hohe Druckwerte fand. Dies Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 69 erklärt sich daraus, dass diese Bestimmung meine erste Untersuchung war, die ich vornahm; infolgedessen konnte ich aus Mangel an Übung noch nicht die allergeringste Verfärbung mit voller Sicherheit erkennen und erhielt so etwas zu hohe Werte. Ausserdem ver- wendete ich zur Bestimmung des Druckes ein Quecksilbermanometer, wodurch ohnedies leicht zu hohe Werte abgelesen werden (vgl. S. 59). Das Gesamtergebnis dieser Reihe, dass die Dauer des Eintauchens keinen Einfluss hat auf die Höhe des Kapillardruckes, ist nichts- destoweniger richtig, wie aus zahlreichen später angestellten Kontroll- versuchen hervorgeht. So sieht man z. B., dass bei dem auf Seite 70 mitgeteilten Versuch der Kapillardruck in einer Höhe von 150—160 mm gefunden wurde, ganz gleichgültig, ob der Finger !/ı oder 3 Minuten eingetaucht wurde. Wie lange bleibt die durch Eintauchen in kaltes Wasser hervor- gerufene Druckveränderung in den Kapillaren bestehen ? Um diese Frage beantworten zu können, habe ich Bestimmungen bei Abkühlung mit einer konstanten Temperatur, nämlich 13° C., gemacht. Zur Feststellung, ob die Dauer der vorherigen Temperatur- einwirkung, die ja, wie gezeigt wurde, auf die Grösse der Kapillar- druckveränderung keinerlei Einfluss hat, nicht vielleicht die Dauer der Nachwirkung beeinflusst, wurden Untersuchungen in folgender Art ausgeführt. Ich liess das Wasser von konstanter Temperatur (allen C.) zuerst ganz kurz und dann immer länger auf die Hand einwirken und beobachtete mit dem Ochrometer den Druck so lange, bis er wieder zu der Höhe zurückkehrte, die er vor dem Eintauchen gehabt hatte. en. ' Als Beleg dienen drei meiner Versuche, die in Tabelle V (S. 70) mitgeteilt sind. | Aus diesen Versuchen lässt sich entnehmen, dass es nach einer Einwirkung von Wasser von 13° C. ungefähr 6—7 Minuten dauerte, bis der Kapillardruck wieder die normale Höhe erreicht hatte, und dass es keinen Unterschied bedingte, ob das Wasser länger oder kürzer einwirkte; denn die kleinen Schwankungen können wir wohl den immer auftretenden Fehlerquellen zuschreiben. Mitunter dauerte es auch trotz den gleichen Bedingungen 8—9 Minuten, bis der normale Kapillardruck wieder erreicht war. 70 Erwin Goldmann: Tabelle V. Dauer der Veränderung des Kapillardruckes in Wasser von 13° C, nach verschieden langem Eintauchen der Hand, D STATE Dane na en ee , nor | Diik der Ver- _ Druck in mm Wasser ann Versuchs- |wirkung|der Be-|der Be-| ände- |\ordem| sofort am Ende von bach- | obach- [rung des nach |der Be- neeen kaltem in tun ruckes Ein dem Ein-| obach- 1913 Wasser 5 5 |in Sek. |tauchen tauchen tung kurzes P r ß N \ 3101’) 3n07’| 6 so | 150 | a 4' | 3h557| a2’ 7 — 150 80 1/g! 4h38’| 4h44’ 6 90 160 80 8/4’ | 116 10’ 11% 17’ = 90 150 90 27.Mail E. G. 1’ | 11h 52’| 11h 58° 6 150 80 alla! 3h25’| 3h31' 6 80 160 80 kurzes ' a Non 12’) 10h > 6 80 | 150 | ; 1/a' | 11h 24’ 11h 31 7 90 160 90 28.Mai.| Prof.Dr.B. 1/g ' Sh36ß' 2h43’ 7 a 160 90 Say 3h 19’! 3h 925’ 6 90 150 80 | 3' 4h42'| Ah48’ 6 = 160 90 Lange fortgesetzte Beobachtungen der durch Temperatureinwir- kungen bedingten Veränderungen des Kapillardruckes. Bei den bisherigen Beobachtungen, die sich über 6—7 Minuten erstreckten, fiel mir auf, dass der Kapillardruck nach Ablauf dieser Zeit häufig niedriger war als vor dem Eintauchen. Es schien mir nicht ausgeschlossen, dass dieses Sinken unter die Norm auch noch eine Nachwirkung der Temperaturbeeinflussung darstellt. Aus diesem Grunde setzte ich die Messungen in einer neuen Versuchsreihe viel länger fort. Einer dieser Versuche sei in folgender Tabelle mitgeteilt. Tabelle VI. Längere Beobachtungen über den Kapillardruck nach Eintauchen der Hand in Wasser von 13°C. Versuch vom 29. Mai 1913. Versuchsperson: E. G. Vor dem Versuch betrug der Kapillardruck 90 mm Wasser. 45 13’ wurde die Hand !/4’ lang in Wasser von 13°C. getaucht. Zimmertemperatur 21°C. - Druck in £ ; Druck in : Druck in Zeit | mm Wasser Zeit mm Wasser Zeit mm Wasser 4h 14’ | 160 . 4h 23’ 80 4h 32’ 90 4h 15’ 160 4h 24' 70 4h 33' 90 4h 16’ | 150 4h 25’ 80 4h 34' 80 4h 17’ 150 4h 26’ 100 44 35' 90 .4h 18’ 140 4h 27' 100 4h 36’ 0. 4h 19’ 120 4h 28' 110 4h 37' 80 4h 20’ 120 4h 29! 110 4h 38’ 80 4h 21’ 110 4h 30’ 110 4h 39! 90 4h 29’ 90 4h 31’ 90 Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Hautete. 71 Eine graphische Darstellung dieses Versuches ist in Fig. 7 ge- geben. Die Kurven der Fig. 8 und 9 stellen zwei weitere Versuche der gleichen Art dar. Sie seien nur deshalb veröffentlicht, damit man sich von der Regelmässigkeit des Verlaufs überzeugen kann. I HEHE TE IT WM TR HMI? HE IT NE MM 22 23 24 25 26. Versuch vom 29. Mai 1913. Versuchsperson: E. G. Zimmertemperatur 21° C. Wassertemperatur 13°C. Abszissen = Zeiten in Minuten (1 entspricht der Zeit 4h 14’). Ördinaten = Druck in Millimeter Wasser. Die gestrichelte Linie be- zeichnet einen Druck von 90 mm Wasser. NO I 2 3 4 5 ET EI MT TI TIHHE IT HE 9 20 2 22 23 24 25 26. Versuch vom 380. Mai 1913. Versuchsperson: E. G. Zimmertemperatur 19° C. Wassertemperatur 13°C. Abszissen — Zeiten in Minuten, Ordinaten = Druck in Millimeter Wasser. O3 AS E TA JS Mm HR 3 ZIERT, 1718 19 20 21 22 23 24 25 26. Versuch vom 31. Mai 1913. Versuchsperson: E. @. Zimmertemperatur 21°C. Wassertemperatur 13°C. Abszissen — Zeiten in Minuten, Ordinaten = Druck in Millimeter Wasser. Bei diesen Versuchen lässt sich sofort nach der Temperatur- einwirkung ein Steigen des Druckes beobachten, dann ein langsames Zurückgehen bis zum ursprünglichen Druck, meistens sogar unter ihn. Hierauf folgte stets noch eine zweite Erhebung, die kleiner war als die erste, die aber bald verschwand, indem sich der Druck, abgesehen von den gewöhnlichen Schwankungen, wieder auf die Null einstellte.e Diese zweite Erhebung lässt sich wohl als die Folge einer neuerlichen Gefässveränderung betrachten. Es war nach den bisherigen Beobachtungen zu vermuten, dass die Dauer der Nachwirkung je nach der Stärke des thermischen Reizes 72 Erwin Goldmann: beeinflusst wird. Um mir hierüber Gewissheit zu verschaffen, steckte ich die Hand je '/ı Minute lang in Wasser von verschiedener Temperatur und bestimmte von Minute zu Minute die Höhe des Kapillardruckes. Die Ergebnisse einiger meiner Versuche sind umstehend mitgeteilt. Tabelle VI. Allgemeines Zeit D 5 un un Bemerkungen Versuch v. 3. Juni 1913. 11h 15’ 90 Vor dem Eintauchen Wassertemper. 0° C. 11h 16’ 220 Zimmertemper. 22° C. ER 210 Graphische Darstel- 11h 18° 180 - lung: Fig. 10 - 11h 19’ - 2.2160 : 11h 20’ 140 - 11m 21! -110 - 115.221 - 100 11h 237 100 11h 24’ “00 11h 257 80 11h 26’ 80 11n227! 100 11h 28’ 110 11h 29’ 90 11h 30’ 100 11h 31’ 120 11h 32’ 100 11h 33' 90 11h 34' 70 11h 35’ 90 11h 36’ ‚80 11% 37" 90 11h 38' 80 11h 39’ 70 11h 40' 90 Versuch v. 2. Juni 1913. 3h 20’ 90 Vor dem Eintauchen Wassertemper. 5° C. 3h 26’ 190 Zimmertemp. 21,5° C. 3b 27' 190 Graphische Darstel- sh 28' 180 lung: Fig. 11 | 3h 29’ 130 3h 30’ 170 3h 31’ 170 3h 32’ 150 sh 33’ 140 3h 34’ 140 3h 35’ 120 3h 36’ 90 3h 37' 80 3h 38’ 100 3h 39' 130 3h 40’ 120 3h 41’ 100 3h 42’ 120 3h 43’ 110 3h 44’ 90 3h 45’ 80 3h 46’ 90 3h 47' 90 3h 48’ 90 3h 49' 80 3h 50’ 80 Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut ete. 73 Druck in Milli- Allgemeine Zeit = 5 meter Wasser Versuch vom 9.Juni 1913. 114 21’ 90 _ Wassertemper. 10°C. 11h 26’ 160 Zimmertemper. 18°C. 11h 27’ 150 Graphische Darstel- 11h 28’ 140 lung: Fig. 12 11h 29’ 130 11h 30’ 120 11h 31’ 120 11h 32’ 110 11t 33° 100 11h 34’ 90 11h 35’ 80 11h 36’ so 11h 37’ 100 11h 38’ 120 11h 39' 110 11h 40’ 90 11h 41’ s0 11h 42’ 90 11h 43’ 80 11h 44’ 80 Versuch vom8.Juni1913. 11h 30’ 90 Wassertemper. 15°C. Ibn Sp 130 Zimmertemper. 19°C. 11h 32’ 120 Graphische Darstel- It SB" 120 lung: Fig. 13 11h 34' 110 11h 35’ 110 11h 36’ 100 11h 37’ 80 11h 38’ 90 11h 39’ 120 11h 40’ 110 11h 41’ 100 11h 42’ 90 11h 43’ 80 11h 44' s0 11h 45’ 90 Versuch vom 2.Juni 1913. ze, 80 - Wassertemper. 20°C. u IT 130 Zimmertemper. 20°C. un 18 n 120 Graphische Darstel- Lin 19, 120 lung: Fig. 14 11b 20, 100 11% 21 100 ‚IR 29! 90 11h 23’ 80 11h 24’ 110 11h 25’ 110 11h 26’ 80 11h 27’ 90 11h 28’ 70 11h 29’ 80 11h 30’ 90 11h 317 70 11h 32' 90 Bemerkungen Vor dem Eintauchen Vor dem Eintauchen Vor dem Eintauchen 74 Erwin Goldmann: Allgemeines | Zeit Druck in Milli- Bemerkungen meter Wasser Versuch v. 8. Juni 1913. 10h 12’ 90 Vor dem Eintauchen. Wassertemper. 25°C. 10h 15’ 100 Zimmertemper. 19° C. 10h 16° 80 Graphische Darstel- 10h 17’ 70 lung: Fig. 15 10h 18’ 70 10h 19’ 90 10h 20’ 100 10h 21’ 110 10h 22’ 100 10h 23’ 90 10h 24’ 90 10h 25’ 80 10h 26’ 90 Versuch v. 30 Mai 1913. 11h 09’ 90 Vor dem Eintauchen Wassertemp. 27,5° C. 11h 16’ 90 Zimmertemper. 20°C. ilh 17’ 80 Graphische Darstel- 11h 18’ 90 lung: Fig. 16 11h 19’ 100 11h 20’ 100 100 90 11h 22’ 90 11h 23’ 90 Wassertemper. 30° C. 10h 32’ 100 Vor dem Eintauchen Zimmertemp. 20,5° C. 10h 33’ 90 Graphische Darstel- 10h 34’ 100 lung: Fig. 17 10h 35’ 110 10h 36’ 120 10h 37' 120 10h 38’ 100 105 39’ 80 10h 40’ 90 10h 41’ 80 10h 42° 80 Versuch v. 5. Juni 1913. 9h 03° 80 Vor. dem Eintauchen Wassertemper. 35° C. Zimmertemp. 20,5°C. Graphische Darstel- lung: Fig. 18 11h 24' 80 11h 25’ 80 Versuch v. 5. Juni 1913. 10h 29' 90 Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 75 Druck in Milli- Allgemeines Zeit B ku : re meter Wasser ee Versuch vom4.Juni 1913. 11h 04’ 90 Vor dem Eintauchen Wassertemper. 40° C. 11h 08’ 140 Zimmertemp. 21,50 C. 11h 09’ 140 Graphische Darstel- 11h 10’ 13 lung: Fig. 19 11h 11’ 120 11h 12’ 120 1lb 13’ 120 11h 14’ 110 11h 15" 100 an 90 11h 17’ 80 ul sl 90 11h 19’ 100 11h 20’ 110 non 110 11h 92° 90 11h 23’ 90 11h 24’ so 11h 25’ 90 11h 26’ 90 Versuch vom3.Juni 1913. 4h 44' 100 Vor dem Eintauchen Wassertemper. 45° C. Ah 47' 170 Zimmertemper. 21°C. 4h 48’ 160 Graphische Darstel- 4h 49' 150 lung: Fig. 20 4h 50’ 140 4h 51’ 130 4h 52' 130 4h 53’ 110 4h 54' 100 4h 55’ 90 4h 56’ 80 4h 57' 110 4h 58’ 110 4h 59' 100 5h 00° 70 5h 01’ 90 5h 02’ 90 5h 03’ 80 5h 04’ 70 5h 05’ 80 Versuch vom4.Juni1913. 55h 40° 90 Vor dem Eintauchen Wassertemper. 50°C. ah 43’ 200 Zimmertemper. 22°C. 5h 44’ 170 Graphische Darstel- 9h 45’ 130 lung: Fig. 21 5h 46’ 110 öh 47' 100 oh 48’ 100 oh 49’ 90 5h 50’ 120 oh 51’ 110 ah 52' 110 ah 53' 100 5h 54’ 100 oh 557 120 5h 56’ 110 -5h 57’ 100 76 Erwin Goldmann: Allgemeines Zeit Druck in Milli- Bemerkungen meter Wasser Fortsetzung des Ver- 5h 58’ 120 suches v. 4. Juni 1912. 5h 59’ 90 6h 00’ 80 64 01’ 80 6h 02’ 90 6h 03’ 80 Auch von den in Tabelle VII mitgeteilten Versuchen seien graphische Darstellungen gegeben. Die Abszissen bedeuten die Zeiten in Minuten, die Ordinaten den entsprechenden Kapillardruck in Millimeter Wasser. Der normale Kapillardruck, wie er jedesmal vor dem Eintauchen gefunden wurde, ist durch eine gestrichelte Linie angedeutet. ONE S3S HS CGCHTTE IT HTRAHUH—,HSHENT 18 14 WM 4 22 23 24 25. Einfluss von Wasser von 0° ©. 789 00 N 2 DB NM WS WE 7 W193 0 U 22 23 24 25. Einfluss von Wasser von 5° C. Agur NR. 56078 93 WM 12 73 Ih 1% 16 717 48 99. Einfluss von Wasser von 10° C. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. Ze 7 ge OE 72273, 442,755: Einfluss von Wasser von 15° C. Agor Ih. ER Er A az Gr BL re ee A EEE Einfluss von Wasser von 20° C. Figur 75 DE 2 EEE LIION N 12° Einfluss von Wasser von 25° C. Figur 46. DZ cher gern Einfluss von Wasser von 27,50 C, Figur 7. DIENEEZININE ES DEZE YO TE Einfluss von Wasser von 30° C. 17 78 Erwin Goldmann: EIN ZT ESEITION RE I REIN: Einfluss von Wasser von 35°C. Agur 19. 02:92 3. Mn ig, mM TRITT WAT TE 19 Einfluss von Wasser von 40°C. Figur 20. o I 2 3 AS CE TE IT DOT HMM NT IT 1 TT 18 19. Einfluss von Wasser von 45°C. Agur 21. 04 2 3 AS CETEIGIG TO NMME TB IETBS WETTE UDO Einfluss von Wasser von 50°C. Betrachtet man insbesondere die graphischen Darstellungen der Untersuchungsergebnisse, so fällt vor allem die Tatsache auf, dass durch die verschiedenen Temperaturen nicht nur die Höhe des Kapillardruckes beeinflusst wird, sondern auch die Dauer der Nach- wirkungen. Die Grösse beider Veränderungen ist abhängie von der Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 79 Stärke des Hautreizes, d. h. von dem Temperaturunterschied zwischen der Temperatur des einwirkenden Wassers und der Indifferenz- temperatur. Weiter sehen wir aus den Versuchen, dass der normale Kapillardruck nicht momentan wieder erreicht wird, sondern erst nach gewissen Schwankungen. Besprechung der Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen. Überblicken wir die bisherigen Versuche, dann kann man als hauptsächliches Ergebnis hervorheben, dass bei einer Wassertemperatur, welche ungefähr der Zimmertemperatur adäquat ist, keine Be- einflussung des Kapillardruckes gefunden wurde, dass aber sowohl bei höheren wie auch niedrigeren Temperaturen ein grösserer Druck angewendet werden musste, um ein eben merkliches Blässerwerden der Haut hervorzurufen. Es handelt sich jetzt darum, dieses Er- sebnis, das mich einigermaassen verblüffte, zu erklären. Wie man sich die Abhängigkeit des Kapillardruckes von der Kaliberweite der verschiedenen Gefässe vorzustellen hat, haben Bayliss und Starling') eingehend erörtert. Die Kapillaren sind zwischen dem peripheren Widerstand, den Arteriolen und den Venen, eingeschaltet. Es unterliest keinem Zweifel, dass die kleinen und kleinsten Arterien kontraktionsfähig sind. Ob die Venen sich aktiv kontrahieren, darüber ist bis jetzt eigentlich nichts Sicheres bekannt; manche Angaben sprechen eher dafür, dass sich die Venen nicht aktiv verengern. Dass _die Kapillaren ihr Lumen selbständig ver- ändern können, ist durch die Untersuchungen von One und Kahn?) unzweifelhaft erwiesen. Wenn also die Haut unter dem Einfluss von Wärme einen höheren Kapillardruck besitzt, so rührt dies wohl in erster Reihe daher, dass die kleinen Arterien und wahrscheinlich auch die Kapillaren sich erweitern. Dadurch wird der Gesamtquerschnitt der Arteriolen, die dem Blutstrom den grössten Widerstand bieten, weiter, und jenseits desselben, also in den Kapillaren, muss der Druck steigen. Da die kleinsten Gefässe mit Blut reichlicher gefüllt sind, wird auch die Haut röter, und gleichzeitig geht das Blut rascher durch sie 1) W. M. Bayliss and E.H. Starling, Observations on venous pressures and their relationship to capillary pressures. Journ. of Physiol. vol. 16. p. 159. 1894. 1) E. Steinach und R. H. Kahn, Echte Kontraktilität und motorische Innervation der Blutkapillaren. Pflüger’s Arch. Bd..97 S. 105. 1903. [0,8] 0 Erwin Goldmann: hindurch, wie aus den Versuchen von Pick!) hervorgeht, welcher die Ausflussgeschwindigkeit des Blutes aus der zugehörigen Vene bestimmte. Die Versuche von Pick beweisen auch, dass .es sich bei der Wärmehyperämie nicht um eine passive Drucksteigerung infolge: von Verengerung der zuführenden Venen handelt, wie es die Winternitz’sche Schule?) annimmt, denn dabei müsste eine Vver- langsamung des Blutstromes auftreten. | Schwieriger ist die Erklärung dafür, dass auch bei Ahkahinne der Haut ein stärkerer Druck angewendet werden musste, um sie heller werden zu lassen. Wirkt Kälte auf die Haut, dann kon- trahieren sich die Arteriolen, was ein Steigen des arteriellen Blutdruckes zur Folge hat; gleichzeitig: wird die Haut blässer,- da weniger Blut in ihr enthalten ist, und der venöse Abfluss wird verlangsamt?). Wenn bei unseren Messungen trotzdem ein höherer Druck angewendet werden musste, um die Haut blässer zu machen, so gibt es dafür zwei Möelichkeiten. Es ist einmal denkbar, dass die Kapillaren und namentlich auch die kleinsten Venen sich gleichzeitig mit den Arteriolen, und zwar- sehr stark, kontrahieren. Dadurch wird am Ende der Kapillarbahn. ein neuer Widerstand geschaffen, und der Druck in den Kapillaren steigt infolgedessen. Dass bei Einwirkung von Kälte die Haut blass- wird, würde dieser Auffassung nicht widersprechen; denn wenn die: Verengerung der Gefässe aktiv erfolgt, so kann trotzdem der in. ihnen herrschende Druck grösser werden; denn die Weite der Ge-. fässe gibt der Haut die Farbe und nicht der Druck. Ausserdem gibt es aber noch eine zweite Erklärungsmöglichkeit. Nach den Untersuchungen von Hueter*) und Nicolai’), der eine recht instruktive Zeichnung ®) veröffentlichte, wissen wir, dass nie: alle Kapillaren gleichzeitig mit Blut gefüllt sind. Kontrahieren sich. die Arteriolen und Kapillaren eines Gefässgebietes, dann strömt in. 1) F. Pick, Über den Einfluss mechanischer und thermischer Einwirkungen auf den Blutstrom und Gefässtonus. Zeitschr. f. Heilkunde Bd. 24 (N. F. Bd. 4) Abt. f. interne Medizin S. 49 (63). 1903. 2) W. Winternitz zit. nach F. Pick, |. c. S. 60. DER Bick, ]2.c# 8.09: 4) C. Hueter, Mitteilungen über globulöse Stase und globulöse Embolie. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie Bd. 4 S. 330 (332). 1874. 5) @, F. Nicolai, Die Mechanik des Kreislaufess. W. Nagel’s Handbuch d. Physiol. Bd. 1 S. 661 (767). 1909. 6) G. F. Nicolai, |. c. S. 762. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut ete.- 8I den dazugehörigen Kapillarbezirk weniger Blut. Es werden also mehr Kapillaren blutleer werden als vorher, und zwar zunächst die- jenigen Kapillarschlingen, in welchen ohnedies der geringste Druck herrscht. In diesem Falle sind der Hauptsache nach nur noch solche Gefässschlingen gefüllt, in denen das Blut schon vor der Kälte- einwirkung unter höherem Druck stand. Bei der Untersuchung mit dem Ochrometer werden also in der Kälte ganz andere Gefässe komprimiert als bei Zimmertemperatur. Um zu entscheiden, welche dieser beiden Auffassungen die richtige ist, habe ich einen Versuch mit dem Hautmanometer. (vel. S. 62) ausgeführt. Dabei ergab sich bei Abkühlung ein geringerer Kapillardruck als unter normalen Umständen, so dass damit die an zweiter Stelle mitgeteilte Erklärung bewiesen sein dürfte. Es sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich mit dem Haut- manometer nur einen einzigen Versuch ausführen konnte. Beeinflussung des Kapillardrucks durch Temperatureinwirkungen auf entfernt gelegene Hauptpartien. Bei den bisherigen Versuchen wurde die Hand abgekühlt oder erwärmt und nachher der Kapillardruck des Zeigefingers, d.h. einer Hautstelle des thermisch gereizten Bezirkes bestimmt. Jetzt ging ich dazu über, zu untersuchen, wie sich der Kapillardruck des Fingers während einer entfernteren Temperatureinwirkung verhält. Zu diesem Zweck brachte ich die Ellenbogengegend mit dem oberen Teil des Unterarmes in Wasser von verschiedener Temperatur und beobachtete gleiehzeitig die Veränderungen des Druckes in den Fingerkapillaren. Die Lage des Armes war bei diesen Untersuchungen naturgemäss eine ziemlich gezwungene, so dass zunächst zu befürchten war, dass. dadurch der Kapillardruck infolge einer gewissen venösen Stauung - verändert werden könnte. Diesen möglichen Fehler suchte ich durch Ausführung der Kontrollbestimmungen in derselben Lage zu be- seitigen. Es wurde also bei jedem Versuch zuerst ein grösseres. leeres Gefäss entsprechend aufgestellt, der Ellbogen hineingelegt und die beiden’ Finger im Ochrometer zurechtgerückt. In dieser Lage erfolgte die erste Bestimmung des Kapillardruckes. Dann wurde, während Hand und Arm in derselben Lage blieben, das warme oder kalte Wasser in das Gefäss gegossen, und jetzt erfolgten die Ab- lesungen. Das Ergebnis von zwei solchen an mir selbst angestellten Versuchen ist aus Tabelle VIII zu ersehen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 6 223 Erwin Goldmann: Tabelle VII. Einwirkung einer entfernten Temperaturveränderung auf den Kapillardruck. Versuchsperson: E. G., Ellbogengegend im Wasser. Temperatur Zimmer- des Del Datum Zeit temperatur U TRNHlIimeter Bemerkungen 1913 C. oc Wasser 18. Juni 10h 10’ 19,5 — 90 . ö Vor dem (Fig. 22) N Eintauchen 10b 16’ 13 100 10h 17’ 120 105 18’ 130 10h 19' 130 10h 20’ 140 10h 21’ 140 10h 22°’ 140 10h 23’ 130 10h 24' 130 10h 25’ 140 10h 26’ 120 10h 27' : 120 10h 28’ 130 10h 29’ 120 10h .30' 120 10h 31’ 120 10h 32’ 120 10h 33’ 120 10h 34’ 120 19. Juni 10h 45’ 19 — a \ Vor dem ; Eintauchen (Fig. 23) | jon 55° 45 90 10h 56’ 110 10h 57' 120 10h 58’ 130 10h 59’ 130 11h 00’ 140 11 01’ 150 11h 09’ 150 11h 03’ 130 11h 04’ 130 11h 05’ 130 11h 06’ 140 11h 07' 130 11h 08’ 130 11h 09’ 130 11h 10’ 130 11% 11’ 140 11h 19 130 11h 13’ 130 Auch diese Versuche habe ich graphisch dargestellt. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 83 DEI EEE TERN TO 2» 3 TS WITT 18 49: Einwirkung von Wasser von 13° C. auf den Arm. Die Abszissen bedeuten die Zeiten in Minuten, die Ordinaten den Druck in Millimeter Wasser. : Agur 23. 01 2 356 7 38 I MW MIR RB TI SS 16 I #8 49. Einwirkung von Wasser von 45° C. auf den Arm. Die Abszissen bedeuten die Zeiten in Minuten, die Ordinaten den Druck in Millimeter Wasser. Aus diesen Versuchen geht jedenfalls unzweifelhaft hervor, dass der Kapillardruck auch durch Temperatureinwirkungen auf entfernt gelegene Körperteile beeinflusst werden kann. Dabei handelt es sich wohl in erster Reihe darum, dass von den thermisch gereizten Stellen aus die Veränderung des Kapillardrucks in den Fingern auf reflek- torischem Wege herbeigeführt wird. Dass die durch Wärme bedingte Rötung der Haut zum grössten Teil an die Anwesenheit von .Gefäss- nerven gebunden ist, geht aus den Untersuchungen von Schiff!) und Luchsinger?) hervor. Bei der gewöhnlichen Art meiner Unter- suchung, bei welcher der Temperaturreiz auf den beobachteten Finger selbst wirkte, handelte es sich allerdings wohl gleichzeitig noch um eine direkte Reizung der Gefässwände. Dass eine solche möglich ist, lässt sich aus den Untersuchungen von Lewaschew?), Goltz und Ewald‘) u. a. entnehmen, bei denen auch nach Unterbrechung der nervösen Leitung das Gefässlumen durch Temperatureinwirkungen 1) M. Schiff, Legons sur la physiol. de la digestion t.1 p. 233. 1867. 2) B. Luchsinger, Fortgesetzte Versuche zur Lehre von der Innervation der Gefässe. Pflüger’s Arch. Bd. 14 S. 391. 1877. 3) S. Lewaschew, Über das Verhalten der peripheren vasomotorischen Zentren zur Temperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 26 S. 60 (76). 1881. 4) F. Goltz und J. R. Ewald, Der Hund mit verkürztem Rückenmark. Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 362 (391). 1896. 6* 84 Erwin Goldmann: zu beeinflussen war. Ferner berichtet Pick!), dass an Extremitäten, deren Vasomotoren durch vorherige Durchschneidung gelähmt waren, die Einwirkungen differenter Temperaturen deutlich zutage traten. Bestimmung des Kapillardrucks während des Eintauchens. Der Ochrometer ist in der eingangs (S. 58) beschriebenen Form. nicht dazu geeignet, Bestimmungen auszuführen, solange sich die Haut unter Flüssigkeit befindet; deshalb musste ich mich auch darauf be- schränken, die direkten Nachwirkungen von Temperatureinflüssen zu. untersuchen. Um jedoch wenigstens einige Bestimmungen ausführen. zu können, solange die Haut dem warmen oder kalten Wasser aus-- gesetzt war, musste ein besonderes Verfahren angewendet werden. Zur Kompression des Fingers benützte ich Wasserdruck, indem ich: die Hand — es handelte sich um die rechte — in ein tiefes Gefäss- tauchte, in welches so lange Wasser eingefüllt wurde, bis die ge- wünschte Höhe des Wasserspiegels und somit des Druckes erreicht: war. Da ich auch wieder zwei Finger vergleichen wollte, einen, der unter Druck stand, und einen anderen nicht gepressten, so waren zwei Gefässe nötig, für jede Hand ein besonderes, weil es sich in. diesem Falle selbstverständlich nicht um die Benützung zweier Finger: derselben Hand handeln konnte. Die Gefässe erhielten die Form,. wie sie im folgenden beschrieben ist (Fig. 24 S. 85). Der für die rechte Hand bestimmte Kasten ist in Fig. 24 dar- gestellt. Er ist 27 cm hoch, 30 em lang und 11'/e em breit und besitzt an seiner vorderen Seite zur Aufnahme der Hand einen ent- sprechend gebauten Ansatz hgfee, der aus zwei nebeneinander- liegenden Teilen A und 2 (Fig. 24 11) besteht. Inden Teil A ist oben ein. Glasfenster wasserdicht eingesetzt; er dient zur Aufnahme des Zeige- fingers. Der Arm, in der Skizze durch eine punktierte Kontur an- gedeutet, wird von oben hereingebracht. Die Höhe des Kastens vom 27 cm war nötig, um auch, wenn es sein müsste, einen stärkeren Druck auf die Hand ausüben zu können. Für die linke Hand, deren. Zeigefinger nur zum Vergleich diente, war diese Höhe nicht not- wendig; es kam nur darauf an, dass der ganze Finger sich unter- Wasser befand. Im übrigen war der für die linke Hand gebaute: Kasten, der in Fig. 25 abgebildet ist, dem schon beschriebenen ganz ähnlich. 1) F. Pick, I. c. 8. 67. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 85 L— - ES . ZB 7 rm um a4 Fig. 24. Kasten zur Aufnahme des Armes. I von der Seite und ZI von oben gesehen. - Aigur 25. Fig. 25. Kasten zur Aufnahme der linken Hand. I von der Seite und II von oben gesehen. Beide Kasten bestanden aus Zinkblech. An dem grösseren war, wie aus der Zeichnung 24 ersichtlich ist, ein Wasserstandglas W mit einer Skala angebracht. Bei den Versuchen stellte ich beide Kasten 86 Erwin Goldmann: dicht nebeneinander, so dass also die mit Glas bedeckten Vorsprünge A und 4’ sich berührten, in denen der rechte bzw. linke Zeigefinger lag. Die Daumen brachte ich unter die Hände und die noch übrigen Finger in die breiteren vorderen Kästehen B und 5’. Nun wurde von dem Beobachter so viel Wasser von einer bestimmten Tem- peratur auf beiden Seiten eingegossen, dass die Zeigefinger gerade bedeckt waren; bei unseren Versuchen stand dabei das Wasser 5!/a cm über dem Boden der Kasten. Über A und A’ wurde nun der ab- nehmbare Teil des Ochrometers gebracht, der im wesentlichen aus dem Tubus d, den Fresnel’schen Prismen und dem das Ganze tragenden Gestell besteht (s. S. 58). Beim Hindurchblicken durch den Tubus sah man dann die beiden in den Kästehen A und A’ liegenden Finger unter den sie bedeckenden Gläsern, und zwar auch wieder durch die Wirkung der Fresnel’schen Prismen dicht zusammen- gerückt. Auch hier war ein Hin- und Herschieben der Hände nötig, um solche Stellen zu finden, dass beide dem beobaehtenden Auge erkennbaren Gesichtsfelder in der Farbe genau übereinstimmten. War dies erledigt, so wurde unter ständiger Kontrole der Fingerfarbe in den rechten Kasten langsam so viel Wasser nachgeschüttet, bis sich ein eben merklicher Farbenunterschied feststellen liess. Die Tem- peratur des nachgeschütteten Wassers war Ya—1° C. höher als die- jenige, deren Einfluss untersucht werden sollte, weil bei dieser Mani- pulation immer viel Wärme verloren ging. Nach dem ersten Er- blassen des rechten Fingers wurde die Höhe der Wasserschicht über dem Fingerrücken in der Glasröhre W abgelesen. Das Unangenehme bei dieser Methode ist, dass man sitzend den rechten Arm nicht in das hohe Gefäss bringt. Die Untersuchungen mussten also im Gegensatz zu meinen früheren Bestimmungen in halbstehender Haltung ausgeführt werden, und der untersuchte Finger lag deshalb etwas tiefer unter der Herzhöhe. Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle (S. 87) enthalten. In der letzten Kolumne sind die Werte, welche ich bei meinen vorhergehenden Versuchen für die entsprechenden Temperaturen erhalten hatte, zum Vergleich an- geführt. Vergleicht man die beiden letzten Kolumnen- der Tabelle, dann erkennt man, dass für alle Temperaturen die jetzt gefundenen Werte um 15—20 mm Wasser höher sind als die früher mit dem Ochro- meter bestimmten. Dieser Unterschied ist relativ klein im Ver- hältnis zu der grossen Verschiedenheit der Untersuchung und erklärt Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut et. 87 Tabelle IX. Versuchsperson: E. G. Wasser- | Wasserstand Druck N nach Datum Zeit temp. in in Millimeter | Qchrometer- 1913 00. Millimetern Wasser messung a nase 855 1 en \ 115 ca. 100 DEN, sn15 | 180 [ | ca. 155 a 391 | 430 { Be \ 165 ca. 150 sich wohl zur Genüge aus dem verschiedenen Abstand des unter- suchten Fingers von der Herzhöhe bei den beiden Methoden; im allgemeinen stimmt also das Ergebnis dieser Versuche auffallend gut überein mit den Werten, die nach der Erwärmung resp. Abkühlung gefunden wurden. Nur aus diesem Grunde wurde die eben erwähnte: Versuchsreihe — trotz mancher theoretischen Bedenken, die sich gegen sie anführen liessen — veröffentlicht. a rnche mit Buck silber und Luft von verschiedenen Temperaturen. Die bisherigen Versuche wurden mit Wasser ausgeführt, weil grössere Mengen von warmem und kaltem Wasser von bestimmter Temperatur am leichtesten zu beschaffen sind. Ausserdem kommt im praktischen Leben als Ursache für eine ausgedehnte Erwärmung. oder Abkühlung der Haut hauptsächlich Wasser in Betracht. Ich erinnere nur an die Anwendung in der Hydrotherapie. Da aber längeres Verweilen der Haut in Wasser, wie auch Hering!) hervor- hebt, die Epidermis erweicht und aufquellen lässt, so schien es mir wichtig, auch Temperatureinwirkungen zu untersuchen, bei denen die Haut nicht mit Wasser in Berührung kommt. Zu diesem Zwecke kamen hauptsächlich in Betracht Quecksilber und Luft. Bei den Versuchen mit Quecksilber galt es, vor allem zu ver- meiden, dass durch die Schwere des Quecksilbers allein schon der Kapillardruck beeinflusst wird, wie dies bei Eintauchen des ganzen 1) E. Hering, Der Temperatursinn in Hermann’s Handb. d. Physiol. Bd.3 Abt. 2 8. 415 (429). 1879. 88 Erwin Goldmann: Fingers der Fall wäre. Aus diesem Grunde stellte ich mir eine ziemlich grosse Quecksilberfläche her, auf die ich die Rücken der beiden in Betracht kommenden Finger bequem legen konnte. Das Gefäss mit Quecksilber stellte ich, je nachdem, in eine Kältemischung oder in warmes Wasser. Die Temperatur wurde durch Ablesen an der Quecksilberoberfläche mittels Thermometer bestimmt und durch Erwärmen auf gleicher Höhe erhalten. Um warme Luft einwirken zu lassen, benützte ich folgende Methode: An einem Brutofen, wie er für Zwecke der mikroskopischen Technik verwendet wird, verschloss ich die Röhre, die von warmer Luft erfüllt ist, an der Vorderseite (statt des Türchens) mit einer ziemlich dicken Korkplatte, in der eine Öffnung angebracht war von der Grösse, dass man gerade zwei Finger hindurchstecken kann. Daneben befand sich ein kleines rundes Loch für einen Thermo- meter. Die Fingeröffnung konnte durch eine entsprechende Kork- platte geschlossen werden, bis das Thermometer die gewünschte Temperatur anzeigste. Für Einwirkungen von kalter Luft, deren Temperatur also niedriger war als die des Versuchszimmers, ver- wendete ich einen etwa 10 cm hohen und 6 cm weiten Becher aus Blech, der oben ebenfalls durch eine Korkplatte mit den nötigen Öffnungen für Finger und Thermometer abgeschlossen war. Dieses - Gefäss wurde in eine Kältemischung gestellt, und es konnten auf diese Weise verhältnismässig tiefe Temperaturen der im Becher ent- haltenen Luft erzeugt werden. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus der folgenden Tabelle zu ersehen. | Tabelle X. Beobachtungen der Kapillardruckveränderungen nach Einwirkung von Luft und Quecksilber verschiedener Temperatur. Versuchsperson: E. G. Dauer der vorherigen Einwirkung: !/A Minute. ; Temperatur Druck Durch- Zimmer ruc UTC! : der 2 eyes schnittlicher Datum Zeit temp. Luftkammer [12 Millimeter Wert 1913 °C. °C. Wasser | des Druckes 1. Versuche mit Luft von verschiedener Temperatur. KORE: vor Einwirkung 90 \ | 9h 40 18 { d.warmen Luft \ 80 2 10. Juvi 9 Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut et. 89 F Temperatur Druck Durch- Zimmer- Br Datum Zeit temp. en ör in Millimeter RE 1913 °C °C, Wasser | des Druckes ee r 105 30’ 18 30 100 103,3 100 120 11h 55’ 18 35 | 120 116,7 10. Juni 110 “ 130 3h 15’ 19 40 110 120 120 130 4h 40’ 19 45 140 130 120 der warmen 90 90 N vor Einwirkung 11h 15’ 17 resp.kalten Luft 11h 17’ 17 50 140 11. Juni 12h 01’ il —$ 3h 20’ 17 0 4h 02’ 17 +5 N 115 20’ 18 10 12. Juni 12h 05’ 18 15 4h 43’ 19 N) und a D DW oO oo m [9%] en = (Graphische Darstellung: Fig. 26.) 2. Versuche mit Quecksilber von verschiedener Temperatur. Temp. d. Quecksilbers IE vor Einwirkung le! z { d. Quecksilbers 20 al 110 11h 33’ 19 30 120 113,3 110 ; 180 on 9a 19 45 180 176,7 170 140 2h 57’ 19 35 140 136,7 130 160 35h 36’ 19 40 150 153,3 | 150 90 : Erwin Goldmann: Zimmer- | Temperatur Druck Durch- Datum Zeit temp. | des Nueck- Jin Millimeter | "Chnittlicher 1913 °C. or) Wasser | des Druckes Div | vor Einwirkung na - { d. Quecksilbers \ u 0 j 220 9h 24' 18 — 5 200 219,3 U 20 200 10h 05’ 18 0 200 200 200 14. Juni 190 11h 32' 18 +5 200 193,3 190 160 4h 20' 19 10 160 166,7 | 180 140 ah 02’ 19 15 140 133,3 130 110 16. Juni 11h 10’. 19 20 120 116,7 20 ' vor Einwirkung ah 07 20 { dl’ @neckeilbers \ 30 30 17. Juni 100 | 4h 09' 20 25 | | en 93,3 j Graphische Darstellung: Fig. 27. hur 26. -5 0+5 90.15 0 25 90 35 w 45 M’esus Figur de -5 045 075 20 25 20 35 40 nbTewius Fig. 26. Veränderung des Kapillardrucks nach Einwirkung von ver- schieden warmer Luft. Die Abszissen bedeuten die Temperaturgrade, die Ordinaten den ent- sprechenden Druck in Millimeter Wasser. Fig. 27. Veränderung des Kapillardrucks nach Einwirkung von ver- schieden warmemQueck- silber. Die Abszissen bedeuten die Tempera- turgrade, die Ordinaten den entsprechenden Druck in Millimeter Wasser. Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapillaren der Haut etc. 9] Wenn wir die eben mitgeteilten Versuche überblicken, fällt sofort auf, dass die Temperatur, durch welche der Kapillardruck der Haut keine Veränderung erfährt, für Luft 15—20 ° C. und für Queck- silber etwa 25° C. beträgt. Bei den früheren Versuchen hatte ich ge- funden, dass Wasser dann keinen Einfluss auf den Kapillardruck aus- übt, wenn es eine Temperatur von 25° C., in manchen Fällen 30° C. hatte. Es ist dies auch ganz verständlich, denn Luft von 15—20° C. kanı keine Abkühluug der Haut verursachen, so wenig wie sie eine Erwärmung zur Folge hat, da wir uns ja beinahe immer in einer solchen Temperatur befinden. Wasser von derselben Temperatur entzieht aber der Haut eine grössere Wärmemenge als Luft. Gleich- temperiertes Quecksilber müsste eigentlich noch mehr abkühlen als Wasser; denn Quecksilber entzieht bekanntlich mehr Wärme; doch ist der Unterschied offenbar zu gering, als dass er sich in’ meinen Versuchen fühlbar machte. | Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse. 1. Unter normalen Umständen betrug der kleinste Kapillardruck meines linken Zeigefingers 70—90 mm Wasser; der Mittelwert lag bei etwa 85 mm Wasser. 2. Wirkte auf die Haut eine abnorme Temperatur ein, so wurde dadurch der bestimmbare Kapillardruck erheblich verändert; die Dauer der Temperatureinwirkung hatte aber keinen Einfluss. 3. Durch eine Wassertemperatur von 25-—30° C. wurde der Kapillardruck so gut wie nicht verändert. Je höher aber die Tem- peratur über 30° C. stieg, desto mehr Druck fand man in den kleinsten Gefässen der Haut. 4. Bei Einwirkung von Wasser, dessen Temperatur unter 25° C. lag, stieg der messbare Kapillardruck ebenfalls, und zwar um so höher, je kälter das Wasser war. Es besteht jedoch die Wahrscheinlich- keit, dass die kleinsten Kapillaren sich derartig kontrahieren, dass wir bei der Kompression zur Erzielung eines eben merklichen Farben- unterschiedes nur den Druck in etwas grösseren Gefässen messen. 5. Nach der Temperatureinwirkung stieg der Druck schnell bis zu seinem Maximum an. Im Laufe der folgenden 10 Minuten fiel er langsam ab zu einem Wert, der häufig unter dem ursprünglichen Kapillardruck lag, um sich dann zu einem zweiten, allerdings etwas niedrigeren Maximum zu erheben. Und hierauf folgte nun unter Schwankungen die Rückkehr zur normalen Höhe. 9% Erwin Goldmann: Über die Beeinflussung des Blutdruckes etc. 6. Auch die Nachwirkung eines thermischen Reizes war um so länger, je stärker der Reiz war; sie wurde jedoch durch die Dauer des Reizes nicht beeinflusst. 7. Wirkte die abweichende Temperatur nicht auf den unter- suchten Finger selbst ein, sondern nur auf Ellenbogen und Unter- arm, dann trat ebenfalls eine Erhöhung des Kapillardruckes am Finger ein, die aber einen etwas langsameren Verlauf hatte als bei der direkten Einwirkung thermischer Hautreize. 8. Bestimmungen des Kapillardruckes während des Eintauchens der Hand führten im wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie die früheren Versuche, bei denen der Kapillardruck erst sofort nach der Einwirkung des Wassers gemessen werden konnte. Zum Sehlusse erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Professor Dr. Adolf Basler für die Überlassung der Arbeit sowie für die Unterstützung durch Rat und Tat bei ihrer Ausführung meinen ver- bindlichsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Professor Dr. Paul von Grützner bin ich für sein freundliches Entgegenkommen zu Dank verpflichtet. 95 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Moskau.) Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat warmblütiger Tiere. Von Dr. med. 3. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität zu Moskau. (Mit 12 Textfiguren.) Was die Frage über die Wirkung des Cholins auf das Herz: warmblütiger Tiere betrifft, so herrschen darin, wie man sich bei Durchsicht der einschlägigen Literatur leicht überzeugen kann, bedeutende Widersprüche, die bereits unter den ersten Forschern. entstanden sind. Gaehtgens!) beobachtete beim Cholin eine muskarinartige Herabsetzung des Blutdruckes, Brieger?) aber nur kaum merkliche Erscheinungen dieser Wirkung, während Böhm?) lediglich eine unbeträchtliche und schnell vorübergehende Erhöhung des Blutdruckes feststellte, weshalb er es mit Brieger?) für eine verhältnismässig wenig giftige Substanz hielt. Die darauffolgenden Untersuchungen verschiedener Autoren haben nicht nur zu keiner einheitlichen Anschauung gebracht, wovon später noch eingehender’ die Rede sein wird, sondern sie gingen noch weiter auseinander in der Ansicht über die Wirkung des Cholins, so dass man auch bei der Mehrheit der Forscher, die ihm bloss depressorische Eigen-- schaften zuschreiben, schwerlich etwas Gemeinsames feststellen kann. Demgemäss drängt sich eine Fortsetzung der Untersuchungen über die Cholinwirkung an Warmblütigen fast von selbst auf, nach Mög- lichkeit mit Elimination derjenigen Fehler, die der eine oder andere- Forscher bei den Versuchen noch begangen haben mochte. Dabei benutzte ich hauptsächlich genau dasselbe Präparat — das Merk’sche Cholin. hydrochlorie. — wie bei den Fröschen *). Als. 1) Dorpater mediz. Zeitschr. 1870 S. 185. 2) Über Ptomaine. Berlin 1885. 3) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 19 S. 90 ff. 1885. 4) Pflüger ’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 157 8. 136. Untersuchungsobjekte dienten Hunde und Katzen. Fig. 1 stellt die Kurve J. W. Golowinski: s 1 dar des Versuche 1) Hund, 2,4800,0 g. Tracheotomia. (Fig Versuch 1. Der Künstliche Atmung Curare. ne N 5 sn = © —i o ©) = SI =} = man > oo = («b) E.&o a Ss & 5) = a8 = ee joe.) in die rechte Vena wurde dorsalis pedis eingeführt. stanz aserq -uIgH.I9p uoyyeayuoy pun ympejstodunree 97yıBIsI9A °UOLJOLNOS 0/, 998 un 0/,08 un 0/79 um -U9UEL], pun -[oyoradg w.Iougaeın) uLIOUITEIN] wIOUIIEIN) 9199199598 ZUnyaLM aIp U999D aIP U9008 aIp U9008 a9p oyof Op JFuY| Sunzessorsua‘ | Sunwesduepio‘ Junyoyay SIUITMID -10dA9y7] sap 0‘ oad <-01:3 Iy201p&y "unogg 66 09 sel ‚07 u6 SIQDIM9SIAdIOY SEP 07 oad „07:9 areıny 8 071 y8 ‚LE u uoN 9 | 981 96 ‚08. u2 wur ul omumpyy [ o1d Sy wu ur . Ernie opnypdwesing | zuonbauspng yonıpynıq (1197 ‘IT 14 TITTEN LITT FIT ETNTTIFTTNFTTEEITLLTIITILFLA SUITE nn n WIN Mae UN N, N zul un ereın) dieser Kurve geht deutlich dass nach Einführung von Aus hervor, ION FIT LUST INITIALEN 1) Aufnahme der Kurve. Über die Wirkung des Cholins auf den ‚Zirkulationsapparat etc. 95 Cholin der Blutdruck stark gestiegen ist, der Puls langsamer ‘und der Ausschlag der Pulswelle grösser wurde. Ähnliche Resultate — Erhöhung des Blutdruckes mit Verlangsamung der Herztätigkeit — erlangten auch Cervello!), Formänek?, und Asher und Wood°); Modrakowski*) hingegen, der im Laboratorium von Prof. Popielski (Lemberg) gearbeitet hat, gelangt auf Grund seiner Untersuchungen ebenfalls zum Schlusse, dass das Cholin den Blut- druck steigert, jedoch nur unbeträchtlich und vorübergehend, ohne dabei eine Verlangsamung oder Beschleunigung des Pulses hervor- zurufen?). Daher betrachtet er jede Abweichung von dieser Wirkung als Folge einer Beimischung irgendwelcher muskarinartiger Stoffe, die, wie er annimmt, entweder von vornherein zusammen mit dem Cholin vorhanden waren oder aber sich als Produkte dessen Zer- setzung gebildet hatten, und glaubte als Hauptursache davon das Neurin zu erkennen. Um derartige Einwände fernzuhalten, stellte ich Versuche mit demselben Merk’schen salzsauren Cholin an, das aber zuerst einer speziellen Reinigung unterworfen wurde. Das Merk’sche salzsaure Cholin unterlag namentlich folgender Be- arbeitung: Cholinum hydrochloricum wurde bei gewöhnlicher Tempe- ratur in absolutem Alkohol aufgelöst. Die gewonnene spirituöse Lösung wurde dann mit Äther vermengt, bis sich der grösste Teil des salzsauren Cholins ausschied. Der weisse gleichmässige ‚kristallinische Bodensatz wurde dann rasch abgesaugt und in einen Vakuumexsikkator gebracht. Während der Verdunstung scheidet ‚das Filtrat noch eine gewisse Menge von Kristallen aus, die eben- falls abfiltriert und im Vakuum getrocknet wurden. Wir bekamen endlich Kristalle von salzsaurem Cholin, die mit einer minimalen Menge einer dicken farblosen Flüssigkeit durchtränkt waren. Auf ‚diese Weise war das käuflich vorhandene Präparat des salzsauren Cholins in drei Fraktionen zerlegt, deren jede ebenfalls einer pharma- kologischen Prüfung unterworfen wurde. Diesen — chemischen — Teil meiner Arbeit übernahm in freundlicher Weise Herr Dr. phil. W.A.Smirnoff‘), dem ich hier meinen herzlichen freundschaftlichen 1) Arch. ital. de Biol. t.7 p. 172 et 232. 1886. 2) Arch. intern. de pharmac. et de therapie t. 10. 1902. 3) Zeitschr. f. Biol. Bd. 37 S. 261—306 u. 307. 1899. 4) Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 124 S. 601. 1908. 5) Diese beobachtete Erscheinung wurde jedoch von ihm nicht näher analysiert. 6) Assistent am Laborat. für organ. Chemie an der Universität zu Moskau. 96 J. W. Golowinski: Dank ausspreche. Fig. 2 stellt die Blutdruckkurve eines Hundes unter Einwirkung von salzsaurem Cholin dar, welches nach vorher bereits erwähnter Methode gereinigt wurde. Norm Curare Cholin u NER, Fig. 2. Versuch 2. (Fig. 2.) Hund, g, 4500,0 g. Versuch ebenso wie in 1 angestellt. Puls- Puls- Zeit!) ‚Blutdruck frequenz amplitude Bemerkungen in mm Hg - : pro 1 Min. in mm 6b 1’ '15 126 5 Norm Gh 23 gt u 132 35 |Curare 5-10-7 pro 1,0 D=46,5 des Kö ich ® S—60 es Körpergewichts 65h 23'302) Hl Da \ 36 26 Cholin. hydrochl. (erste = Fraktion) 2,5 - 10-5 Blntdruck- Ver- Ver- pro 1,0 des Körper- veränderung langsamung | grösserung gewichts. Gesteigerte gegen die gegen die | gegen die Speichel- und Tränen- Curarenorm Curarenorm | Curarenorm sekretion, verstärkte Mittl=— 3 % um 72% | um 644% Darmperisialtik und S= + 12,8% Kontraktionder Harn- D=—26 °% blase Die Resultate der Injektion der ersten Fraktion sind, wie man sieht, qualitativ im allgemeinen dieselben wie in Versuch 1. Nach Injektion der zweiten Fraktion entstand eine bedeutende Blutdrucksteigerung (Fig. 3, Versuch 3), jedoch ohne Verlangsamung: des Pulses, dafür mit Vergrösserung der Pulsamplitude. 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 97 Versuch 3. (Fig. 3 auf S. 98.) Hund, &, 4100,0 g. Versuch ebenso wie in 2 angestellt. : Puls- Zeit?!) sun Eukirenuenz amplitude Bemerkungen mm Hg pro 1 Min. in mm 12h 3’ 130 138 b) Norm 12417" 101 144 2 Curare 10-6 pro 1,0 des Körpergewichts 12h 17’ 24''2) 163 180 3 Cholin. hydrochl. (zweite Erhöhung Be- Ver- als nn 5 gegen die | schleunigung | grösserung m: ht rer Curarenorm gegen die gegen die En um 61% Curarenorm | Curarenorm um 25/0 um 50°%0 Hier war erstens weniger Substanz genommen als bei der ersten Fraktion, zweitens wurde mehr Curare injiziert, welches, worauf später hingewiesen wird, in dieser Hinsicht als nicht ganz indifferente Substanz erscheint. Bei Injektion der dritten Fraktion (Fig. 4 Versuch 4) war die erlangte Wirkung die nämliche wie bei der weiten, wohl aber etwas schwächer. Versuch 4. (Fig. 4 auf S. 98.) Hund, 2, 4000,0 g. Versuch ebenso wie in 3 angestellt. Puls- Zeit!) Blutdruck Pulsfr SAusnz amplitude . Bemerkungen inmm Hg | pro 1 Min. in mm 2h 131 120 5) Norm 2h 14’ 91 132 2 Curare 10-6 pro 1,0 des Körpergewichts 2h 14'422) 140 168 2,3 Cholin. hydrochl. (dritte Erhöhung Be- Ver- Fraktion) 2,5 : 10-5 gegen die | schleunigung | grösserung En En des Körper: Curarenorm gegen die gegen die N um 53° Curarenorm | Curarenorm um 27°%o um 25%o Somit zeigte das einer speziellen Reinigung unterworfene salz- sauere Cholin dasselbe Resultat wie das käufliche. Die letzte Fraktion aber, in der man gewisse Beimischungen voraussetzen konnte, zeigte auch eine geringere Wirkung, der geringeren Menge des in ihr enthaltenen Cholins entsprechend, hervorgerufen durch Beimengung direkter Zersetzungsprodukte desselben, namentlich des 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. nl 98 J. W. Golowinski: Äthylenglykols, da ja das Cholin, das bei der Zersetzung Trimethyl- amin ausscheidet, dessen Geruch stets leicht zu konstatieren ist, Cholin u Cholin Curare Curare Norm Äthylenglykol ergeben muss, keinesfalls aber Neurin, wie Modra- Daraus ist es nunmehr klar, dass durch das Norm kowski!) annimmt. 1). c. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 99 pharmakologische Experiment die Reinheit des Merk’schen — Chol. hydrochl. — Präparates in chemischer Beziehung vollständig erwiesen wurde. Die voneinander abweichenden Resultate verschiedener Autoren sind daher vielleicht mehr durch die besonderen Be- dingungen ihrer Versuchsanordnung zu erklären, die oft schwer ist irgendwie vorauszusehen und zu bemerken. Auf eine derselben möchte ich hier besonders aufmerksam machen, da sie auch in meinen Versuchen zu ungleichen Resultaten geführt hat. Bei Be- nutzung eines und desselben Präparates, dessen Lösungen jedesmal ex tempore unmittelbar vor dem Versuche zubereitet wurden, und namentlich wenn das Tier mittels Curare bewegungslos gemacht wurde, erschienen zuweilen unerwartet ungleiche Resultate, so in einem Falle (Fig. 1) Erhöhung des Blutdruckes bei verlangsamtem Pulse, ein anderes Mal — Versuch 5, Fig. 5 — Erhöhung des Blut- druckes bei beschleunigtem Pulse. Versuch 5. (Fig. 5 S. 100.) Katze, 4, 2500,0 g. Tracheotomie. Curare. Künstliche Atmung. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die rechte Jugularvene injiziert. I Blutdruck | Pulsfrequenz | Pulsamplitude ze) in mm Hg| pro 1 Minnte in = Bemelusen 4h 8’ 126 216 3 Norm 4h 97' fele) 174 2 Curare 10-6 pro 1,0 des Körpergewichts 4h 27' 13’) — — — Cholin. hydrochl. 2-10—5 pro 1,0 des Körper- gewichts 4h 29' 173 228 39 Gesteigerte Speichel- u. Erhöhung | Beschleunigung | Vergrösserung ee 2 gegen die gegen die gegen die ee H: } DES 12.1100 Curare- Curarenorm Curarenorm a LN.SE norm um 31/0 um 75°o um 96%o Somit war in dem Wirkungsbilde, trotz der proportionellen Einführung der Substanz pro 1,0 des Körpergewichts, eine Differenz eingetreten. Die Verschiedenheit der Tiere kann hier jedenfalls nicht als Einwand gelten, da, wenn die Tiere, z. B. mittels Chloralhydrat, bewesungslos gemacht werden (Versuch 6, Fig. 6), 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. 7 * mESVEEWOELEENWOUSWDNDEZERUSUZEZELESESERUZSEIZERZUEREZEZEUNZEZESEUEENSWLWUW.EEEWEWWNSEOWENUEOHENGNE Ka ED El BI EL EI BE EEE IE BEE Er En 2 WE 2 WS En WE En a Wu Mn Mn ME u a Ks a a Pe} o = ANTILLEN : HEN RRNN AD Da Sa =] 2 > EHE E 5 SOME = o 5 {do} nf Am BER N SEEN —_. UMON grapkgfexorgg uoug gaunjogure Sunwgy oyorgsuny "urdoayy °G OL JEW: BEBEEEBEREBEBEBEBIEEZEREZULEZEREZEZEZEREEEZEREZELEEFZFSFZESEZEENZEENZWSUSESNENENENEEENEHENEN WER WwnEongoRne on ennueonnunee MLTTE EARANSNNAAAANAUU Se PEN ENIDNDR DENE Wr, van | Fand WION rund umoun Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 101 Katzen qualitativ ganz analog wie Hunde auf Einführung von Cholin zu reagieren vermögen, sogar bei geringeren Quantitäten. Versuch 6. (Fig. 6 S. 100.) Katze, &, 3000,0 g. Chloralhydratnarkose. Tracheotomie. Die Atmung wurde durch Seitenableitung von der tracheotomischen Röhre mittels eines Mäarey’schen Tambours registriert. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die rechte Jugularvene eingeführt. Blut- I Puls- Atmungs- Zeit!) druck in en, a amplitude frequenz Bemerkungen mm Hg | P" ae in mm pro 1 Min. 3h 47' 109 216 1,5 42 Norm 3h 55’ 36...) 192 30 Chloralhydrat | - 2.10-% pro 1,0 des Körperge- £ wichts 3h55'20"”?) 101 36 T 24 Cholin.hydrochlor. Erhöhung Ver- Ver- Ver- 2 R en DD 1,0 gegen die | langsamung | grösserung | langsamung he ae ‚Chloral- | gegen die gegen die gegen die Hr "x = ae hydrat- Chloral- Chloral- Chloral- en norm hydratnorm | hydratnorm | hydratnorm IE S B EL um 32% | um 50% um 250% |um 20%, all-| en ne tion, verstärkte | ns Darmperistaltik stand. Künst- liche Atmung eingeführt Sh 57' 166 222 39 Atropinum sulfuric. Erhöhung Be- Ver- ne Q ee gegen die schleunigung minderung DETSEWICHIS Cholin- gegen die gegen die kurve Cholinkurve | Cholinkurve um €4%o° um 131%, um 50%, gegen die Ver- Chloral- grösserung hydratnorm gegen die um 15/0 Chloral- hydratnorm um 75°/o In dem Versuche 5 muss somit, wie es scheint, mit der Menge des eingeführten Curare gerechnet werden — die nämlich doppelt soviel war als beim Hunde. Im Versuche 1 war ich absichtlich sehr 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. 102 J. W. Golowinski: vorsiehtig mit der Injektion des Curare, da ja wohl bekannt ist, dass dieses Präparat überhaupt in der Konzentration seines Wirkungs- stoffes sehr unbeständig ist. In der Tat konnte man sich noch bei Versuchen an Fröschen überzeugeu, dass dasselbe für die Resultate nicht ganz indifferent erscheinen kann, da bei curaresierten Fröschen einmal eine Verlangsamung der Herztätigkeit als Folge des Cholins zu verzeichnen war, ein anderes Mal aber nicht. Aus der Pharmakologie dieser Substanz (Curare) wissen wir aber, dass letztere, wenn gewisse Grenzen überschritten werden, was, wie man sich durch Prüfung mittels elektrischen Stromes überzeugt, äusserst leicht der Fall ist, bereits auch die Endigungen des Nervus vagus anecreifen kann [|Schmiedeberg!), Wundt?), Cyon°)], indem sie deren Erreg- barkeit herabsetzt resp. lähmt. In diesem Versuche scheint nun gerade eine solche Herabsetzung der Erregbarkeit stattgefunden zu haben, da ja bei Anwendung anderer Mittel (Fig. 6) das Bild sich sofort verändert hat. Demzufolge kann man schon aus diesem Ver- suche eine gewisse Abhängigkeit der Verlangsamung der Herztätigkeit warmblütiger Tiere beim Cholin vom Nervus vagus annehmen, ent- sprechend dessen Wirkung auf das Herz kaltblütiger Tiere. Ferner selangte Cervello*) z. B. bei seinen Untersuchungen zu dem Schlusse, dass das Cholin hauptsächlich die Atmung verändere, während die Erscheinungen seitens des Zirkulationsapparates, wie Erhöhung des Blutdruckes und Verlangsamung der Herztätigkeit, bloss sekundäre Erscheinungen seien. Man braucht ja kaum speziell darüber viel zu diskutieren, dass dieser Forscher vollständig. recht hat in der Be- hauptung, dass die Veränderung der Atmung zweifellos auch den Blutkreislauf beeinflusst; daraus lässt sich jedoch noch nicht folgern, dass das Cholin nieht auch unabhängig von der Atmung eine ähnliche Wirkung hervorrufen könnte, was auch durch die Kurve des Ver- suches 1 (Fig. 1) anschaulich gezeigt wird. Was die Einwirkung des Cholius auf die Atmung überhaupt betrifft, so hat bereits Gaehtgens*) bei Cholin den Tod durch Atmungsstillstand fest- gestellt. Müller?) beobachtet bloss eine kurzdauernde Sistierung 1) Grundriss d. Pharmakol. 1909 S. 113. 2) Verhandl. d. naturhist.-mediz. Vereins zu Heidelberg 1860. 3) Die Nerven des Herzens S. 83. 1907. 4) 1. c. 5) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 239. 1910. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 103 bei Injektionen desselben. Böhm), Cervello!), Wood?) loka- lisieren bereits die Wirkung des Cholins peripherisch auf die Endigungen der motorischen Nerven der Atmungsmuskulatur. In der Tat bleibt das Cholin, wie Fig. 6 zeigt, nicht ohne Einfluss auf die Atmung, indem es dieselbe schwächt und vollständig zum Stillstand bringt. Die Frage aber, weleher Art in Wirklichkeit der Mechanismus (dieser ‚Wirkung sei, bleibt zurzeit noch offen. Jedenfalls sprechen meine Beobachtungen?) am Nervenmuskelpräparat des Frosches gänz- lich gegen die Behauptung von Böhm!), Cervello!) und Wood?) betreffs Paralyse der Endigungen der motorischen Nerven der Atmungsmuskeln, um so mehr, als nach Einführung von Atropin die Tiere wieder selbständig zu atmen beginnen. In seinen Unter- suchungen gelangt Müller!) sogar zu dem Schlusse, dass das Cholin selbst „die Curarelähmung durchbricht“. Richtiger vielleicht wird die andere Meinung sein, die Wood*) gemeinsam mit Asher?), und früher schon Gaehtgens!), ausgesprochen haben, nach der das Atemzentrum selbst betroffen wird, — immerhin müssen das weitere spezielle Untersuchungen zeigen. Somit erscheint das Wirkungsbild des Cholins auf das Herz der Warmblütigen dem Wirkungsbilde auf das Herz der Kaltblütigen analog, wo es dem Atropir als antagonistisch erscheint, und ent- _ spricht darin vollständig seiner chemischen Verwandtschaft mit dem Muskarin. Übrigens ist seine Wirkungsstärke auf die Endigungen der Nervi vaci, wie wir gesehen haben, geringer als die des Muskarins und besitzt ausserdem noch eine andere Wirkung auf das Herz. Somit entsteht die Frage, ob auch das Wirkungsbild auf das Herz der Warmblütigen solche Einzelheiten aufweist. In der Tat, wie die Verlangsamung der Herztätigkeit bei Fröschen unter dem . Einflusse des Cholins nach Atropinwirkung verschwunden ist, so bewirkt Atropin bei Warmblütigen genau dasselbe, wie man aus dem Versuche 6 (Fig. 6) sieht, wobei noch zu bemerken ist, dass ausser erhöhtem Blutdruck und beschleunigtem Puls auch noch eine Vergrösserung der Pulsamplitude eingetreten ist, was auf eine Energiesteigerung jeder einzelnen Herzkontraktion hindeutet, im Vergleich mit der Chloralkydratnorm. Diese Atropinreaktion muss »elze. 2) Philadelphia montly med. Journ. July 1899. 3) Pflüger's Arch, f. d. ges. Physiol. Bd. 157 S. 136. 4) Zeitschr. f. Biol. Bd. 37 S. 261 | 307. 18399. 104 J. W. Golowinski: zweifellos auf eine Ab- h ur hängiekeit der Herzver- langsamung der Warm- blütigen bei der Cholin- wirkung auch vom Nervus vagus zurück- geführt werden, was den Behauptungen von Müller‘) direkt widerspricht, nach wel- chem das Cholin die Herztätigkeit unabhän- eig vom Nervus vagus verlangsamt. Gegen die Behauptungen des letzteren spricht auch die umgekehrte An- ordnung des Ver- suches 7 (Fig. 7) mit vorhergehender Atro- pinisierung. Curare u Atropin i 7 Fig. 7. Versuch 7. (Fig. 7.) Hund, 2, 7800,0 g. Tracheotomie. Üurare. Künstliche Atmung. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die Vena dorsalis pedis eingeführt. Cholin Y / E N, JR, ERTRR, ER r, r u a 4 ER AR, RR s I) IL © Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 105 Zeit!) Blutdruck Pulsfrequenz Pulsamplitude Bemekansen in mm Hg pro 1 Minute in mm ’ 5u.9 113 108 11 Norm 5h 14’ 117 138 1,5 Curare 10-6 pro 1,0 des de; Körpergewichts 9b 20’ 167 270 1 Atropinum sulfuric. R © . 2.10-6 pro 1,0 des Erhöhung | Beschleunigung Verminderung zn EL gegen die gegen die . gegen die Körpergewichts Curare- Curarenorm Curarenorm norm um 95/0 um 33 °/o um 42 %o 5520'16”?) 253 288 1,5 Cholin. hydrochl. 2.105 Erhöhung | Beschleunigung | Vergrösserung Pro be cn Loer gegen gegen gegen 5 Atropin- | Atropinkurve | Atropinkurve kurve um 6,60 um 50°/o um 510 Wie aus diesem Versuche hervorgeht, war durch Einführung von Cholin, nach Ausschaltung der peripherischen hemmenden Vor- richtungen, eine Erhöhung des Blutdruckes um 51/0, eine geringe Beschleunigung des Pulses (6,60) und eine Vergrösserung der Puls- amplitude um 50 °/o eingetreten, was auch hier somit die Verstärkung der Herzkontraktion als Folge der Cholinwirkung bestätigt, die bereits früher von mir an Fröschen festgestellt wurde”). Diese erregende Wirkung des Cholins auf das Herz, die in einer Steigerung der Tätiekeit des letzteren besteht, folgt aus den Experimenten der meisten Forscher auch der entgegengesetzten Richtung. So haben z. B. Mott und Halliburton®), Osborne und Vincent’), die beim Cholin lediglich eine Senkung des Blutdruckes sehen und dieselbe durch eine lähmende Wirkung auf den Nervenmuskelapparat der Darmgefässe erklären, trotzdem nach vorhergehender Atropini- sierung nicht eine Senkung, sondern eine Erhöhung des Blutdruckes beobachtet. Die antagonistische Wirkung des Cholins in bezug auf das Atropin erscheint nach meinen Versuchen als sicher festgestellt. Sie muss besonders an der Kurve 7 hervorgehoben werden, wo das Cholin anfänglich nach Einführung die Wirkung des Atropins auf die Hemmungsapparate zu durchbrechen versucht, nachdem bereits 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. \ 3) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 157 S. 136. 4) Transact. of the royal Soc. of London serie B vol. 191. 1399. 5) Journ. of Physiol. vol. 25 p. 283. 1899—1%00. 106 J. W. Golowinski: die steigernde und beschleunigende Wirkung des Cholins auf das Herz erfolgt war. Das erklärt nun hinreichend, warum bei Müller?) nach geringen Dosen von Atropin die verlangsamende Wirkung des. Cholins noch immer anhalten konnte, genau so wie auch das Muskarin noch eine Pulsverlangsamung hervorruft, falls die Atropin- dose nicht genügend ist, um die Erregbarkeit der Endigungen des Nervus vagus zu beseitigen |Schmiedeberg?)]. Daher ist es kaum nötig, wie es Müller!) tut, jene Hypothese heranzuziehen, nach der das Cholin „an Gebieten angreift, die vom Vagus un- abhängig sind und durch kleine Atropindosen nicht beeinflusst werden“, und an anderer Stelle — „dass Cholin bei Katzen ... . auf Gebiete im Herzmuskel lähmend wirkt, die peripherer als Vagusendigungen liegen“, wo doch bei ihm selbst auf Kurve 3 nach vorhergehender Atropinisierung eine Erhöhung des Blutdruckes fast um 50°/o und eine deutliche Vergrösserung der Pulsamplitude bemerkbar sind. Naturgemäss führen derartige Beobachtungen vor allem zu dem Ge-. danken, ob nicht auch die bei warmblütigen Tieren von verschielenen Autoren beobachtete Senkung des Blutdruckes, Pulsverlangsamung und Vergrösserung der Pulsamplitude [die Versuche von Gaehtgens'), Brieger!), Mott und Halliburton!), Osborne und Vincent), Lohmaun?®), Dezgrez und Chevalier‘), Mendel und Underhill’), Fürth und Schwarz®), Fr. Müller!)], und nicht lediglich durch Einwirkung des Cholins — genau so wie des Muskarins — auf die Endigungen der Nn. vagi resp. Ganglion Ludwigi bedingt sind, indem sie vorherrscht und schon dadurch die zweite Wirkungsweise dieser Substanz auf das Herz verhüllt, was natürlich von vielen prädisponierenden Bedingungen abhängen kann. Dieser Modus agendi erscheint — wie wir weiter unten sehen werden — mehr als wahrscheinlich, indem es in anderen Fällen unter entsprechend günstigen Bedingungen ein bereits von beiden Wirkungsarten zusammengesetztes Bild ergibt, jedoch mit Vorherrschen des die Kontraktion steigernden Einflusses, wofür meine oben- erwähnten Versuche 1 und 6 und die von Cervello!), Formänek!) nlage: 2) Grundriss der Pharmakologie, 6. Aufl., S. 177. 1909. 5) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 118 S. 215. 1907. . 4) Compt. rend. de l’Acad. de sciences t.2 p.-90. 1908 5) Zentralbl. f. Physiol: Jahrg. 24 Nr. 7. 1910. 6) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 361. 1908. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 107 und Asher und Wood!) sprechen, oder aber es entsteht das gleiche Wirkungsbild, jedoch mit ausbleibender Wirkung auf den Nervus vagus (Versuche 5, 3, 4). Endlich infolge gewisser besonderer Versuchsbedingungen oder einer uoch geringeren Menge der ein- seführten Substanz kann irgendeine Art der zweiten Wirkung hervor- treten: bald Erhöhung des Blutdruckes mit beschleunistem Pulse [manche Versuche von Vincent und Osborne!), Mott und Halliburton!), Dezgrez und Chevalier!)], bald Erhöhung mit blosser Steigerurg der Herzkon- traktion [Versuche von Modra- kowski?)]l. Was übrigens die detailliertere Lokalisierung der Cholinwirkung auf Nn. vagi der Warmblütigen betrifft, so gehen die Meinungen der Forscher darüber etwas auseinander. So behauptet Formänek!), dass er beim Cholin nach Durchschneidung der Nn. vagi = keine Verlangsamung des Pulses E beobachtet hat und bei Durch- schneidung des Rückenmarkes bald eine positive, bald eine negative Wirkung, — dass ledielich eine Er- regung des Zentrums dieser Nerven stattfinde. In der Tat war auch in unseren Untersuchungen, wie Ver- such 8 (Fig. 8) zeigt, nach der Aus- sehaltung des Zentrums keine Ver- lanugsamung des Pulses eingetreten. Rückenmark-u. Nn.vagi-Durchschneidung Norm T——ö6r ee TEE rm rerirtertrerirtrirtnrenger Fig. 8. Versuch 8. (Fig. 8.) Hund, 9, 6800,0 g. Durch- schneidung des Rückenmarkes. Durchschneidung der Nn. vagi. Murten ara arnaranannaraHaaretrrerrernrartrrtrrrr Delze: 2) Modrakowski hat Cholindosen 20—30mal geringer als ich angewandt. 108 J. W. Golowinski; Künstliche Atmung. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die Vena dorsalis pedis eingeführt. Zeit!) 6h 6h 23’ 6h 23’ 19""?) Blutdruck in mm Hg 104 74 194 Erhöhung gegen Rückenmark- durch- schneidungs- kurve um 1890 Puls- frequenz pro 1 Min. 95 108 150 Be- schleunigung gegen Rückenmark- durch- schneidungs- kurve um 33% Puls- amplitude in mm 14 5 6 Ver- grösserung gegen Rückenmark- durch- Schneidungs- kurve um 20%0 Bemerkungen Norm Durchschneidung d. Nn. vagi und des Rücken- markes sub medullam oblongatam. Zerstö- rung des KRücken- markes bis zur Cauda equina mit nachfol- gender Tamponierung Cholin. hydrochl. 5.106 pro 1,0 des Körper- gewichts. Gesteigerte Kontraktion der Harn- blase, Speichel- und Tränensekretion Hier muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass die Menge des eingeführten Cholins fast viermal geringer war als in den Ver- suchen 1 und 6. Es ist also möglich, dass diese Substanz un- zureichend war, um die Endigungen der Nn. vagi zu erregen. Doch die im Versuche 9 (Fig. 9) verwendete zweimal so grosse Menge ergab sofort ein anderes Bild. Inn, meta 1” % ln. Se ! N Nm, ; Al) Cholin u Rückenmark u. Nn. vagi-Durchschneidung nn men MW ” I ya WWW z vn Norm engen gerne en nnnrtonnneenrtnretinannnarerananennreernnnnerrernnmnmrtenmnenen = > Fig. 9. Versuch 9. (Fie. 9.) Hund, &, 7280,0 g. Hohe Durchschneidung des Rückenmarkes und Zerstörung desselben bis zur Cauda equina mit nachfolgender 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat ete. 109 Tamponierung. Durchschneidung der Nn. vagi. Künstliche Atmung. Unterbindung der Blutgefässe, die zum Darmkanal abgehen. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die Vena dorsalis pedis eingeführt. Blutdruck Puls- Puls- Zeit!) in frequenz amplitude Bemerkungen mm Hg pro 1 Min. in mm 10h 3’ 121 111 7 Norm 105 40’ 18 120 4,5 Durchschneidung des Rückenmarkes u. Zer- störung desselben. Durchschneidung der Nn.vagi,Unterbindung der Darmgefässe 10h 40'22'"2) 207 138 7,9 Cholin. hydrochl. 10-5 Erhöhung Be- Ver- ea gegen die schleunigung | grösserung ie ki * Ei Rückenmark- | gegen die gegen die en durch- Rückenmark- | Rückenmark- ee es Zaun. schneidungs- durch- durch- ZaDENSEATEHON kurve schneidungs- | schneidungs- um 165°/o kurve kurve um 15°o um 66 °/o In der Tat ist es sehr bezeichnend, zu beobachten, wie hie und da auch die Endigungen der Nn. vagi betroffen werden. Diese Tatsache wird bereits durch die Versuche von Cervello°?) und Asher und Wood?) vollständig bestätigt, wo bei Einführung grösserer Quantitäten nach erfolgter Durchschneidung der Nn. vaei die Wirkung, d. h. Verlangsamung, unverändert geblieben ist und nur nach darauffolgender Atropineinführung verschwindend, wie in den Wood’schen?) und auch in meinen Versuchen. Schon aus meinen Versuchen mit dem isolierten Froschherz *) ist es ersichtlich, dass das Cholin ausser dem muskarinartigen Einflusse auf das Herz auch noch eine Steigerung der Herztätigkeit bedingt, die nur von der direkten Wirkung des Cholins abhängt und in der Gesamtheit der Wirkung dieser Substanz prävalierend bleibt. Ob schliesslich diese steigernde Wirkung auch noch auf irgendeinem anderen indirekten Wege zustande kommen kann, z. B. durch Er- regung des vasomotorischen Zentrums oder durch Verengerung der 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. 8)1. c. 4) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 157 S. 136. 110 J. W. Golowinski: Blutgefässe — peripherischer Ursprung — verschiedener Gebiete, ist in bezug auf Frösche schwer a priori mit Bestimmtheit zu sagen. Ein ganz analoges Bild der allgemeinen Wirkung auf den Zirkulationsapparat habe ich auch an warmblütigen Tieren beobachtet. Doch in bezug auf Blutdrucksteigerung bei denselben gelangen Asher und Wood!) zu der Ansicht, dass sie lediglich von einer Erregung des vasomotorischen Zentrums abhängig ist, da nach Anwendung grosser Mengen von Chloralhydrat diese Wirkung nicht mehr beobachtet wurde. Eine derartige Erklärung ist kaum anzunehmen, ebenso wie überhaupt eine jede Anschauung von der Erregung des zentralen Nervensystems, natürlich was eine ausschliessliche Lokalisierung dieser Wirkung anbelangt, da die Versuche S und 9 anschaulich beweisen, dass nach der Ausschaltung der Zentren der Medulla oblongata und der sukzessorischen Vasomotoren, die im. Rückenmarke lokalisiert sind, dennoch eine bedeutende Erhöhung des Blutdruckes auftritt. Das- selbe wurde in den Versuchen von Formänek!).beobachtet. Daraus geht allenfalls klar hervor, dass, wenn auch in der Wirkung des Cholins auf Warmblütige eine Erregung der Zentren nieht überhaupt geleugnet werden kann, die letztere doch nicht als Hauptursache der Blutdrucksteigerung gelten kann. Als Formänek!) das Splanchnieus- gefässsystem aus dem Blutkreislauf ausgeschaltet hat, fand er unter diesen Bedingungen den Blutdruck ebenfalls erhöht, obzwar schon etwas weniger, und deshalb hielt er an dem Schlusse fest, dass der- selbe nur von der Reizung der peripherischen vasokonstriktorischen Gefässapparate abhängig sein kann, teils des Splanchnicusgebietes, teils anderer Gebiete. In der Tat zeigt zum Teil schon der Ver- such 9, wo eine vorhergehende Unterbindung der Blutgefässe, die zum Darmkanal hingehen, stattfand, dass auch hier eine beträchtliche Blutdrucksteigerung erfolgt. Um aber jede Möglichkeit eines peri- pherischen Einflusses des Cholins auf die Vasokonstriktoren des Splanchnieusgebietes ganz auszusehliessen, wurden die Versuche 10 (Fig. 10) und 11 (Fig. 11) angestellt, wo an einer Katze und einem Hunde, ausser Durchschneidung des Vago-sympathieus, Durch- schneidung des Rückenmarkes unterhalb der Medulla oblongata und Zerstörung desselben bis zur Cauda equina, noch eine Eventration vorgenommen wurde. 1). c. 111 Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. ut Nun ee genen boden ee elvın) urdonyy ' UOTEIJUOAM "Sunplaum)s -TIINAT- -TIUA "un u IWTWUUNINY JUNZIEAISNITA OYOSTIINEIT a nV en HE nummer: 57 Dr Feren PIBMNI uorgeayueAg “urdoryy + "urds “IInpopt "P Zunprouyosyoang OL "OL en ’ 112 J. W. Golowinski: Versuch 10. (Fig. 10 S. 111.) Katze, 2, 3200,0 g. Tracheotomie. Curare. Durchschneidung- und Zerstörung des Rückenmarkes bis zur Cauda equina mit nach- folgender Tamponierung. Künstliche Atmung. Durchschneidung des: Vagosympathieus. Atropinisation. Eventration. Der Blutdruck wurde in. der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die rechte: Jugularvene eingeführt. Blutdruck Puls- Puls- Zeit!) in frequenz amplitude Bemerkungen mm Hg pro 1 Min. in mm 4h 29" 76 174 2 Curare 5: 10-7 pro 1,0: des Körpergewichts ah 93’ 16,5 186 1 Durchschneidung des Vagosympath., med. spin. sub. med. oblong.. und Zerstörung des- selben bis zur Cauda equina. Eventration,. Atropin. 2-10-6 pro 1,0 d. Körpergewichts. Hr il) 78 186 1,5 Cholin. hydrochlor. Erhöhung Be- Ver- - Ban x en des. gegen die | schleunigung | grösserung SOIPSTESWLC Rückenmark- | gegen die gegen die durch- Rückenmark- | Rückenmark- schneidungs- durch- durch- kurve schneidungs- | schneidungs- um 372% kurve kurve um 0°%o um 50%o Versuch 11. (Fig. 11 S. 111.) Hund, &, 5420,08. Tracheotomie. Curare. Künstliche Atmung. Durehschneidung und Zerstörung des Rückenmarkes. Durchscehneidung des Vagosympathie. Atropinisation. Eventration. Der Blutdruck wurde: in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die Vena dorsalis pedis eingeführt. | (Siehe Tabelle S. 113.) Aber auch unter diesen Versuchsbedingungen ist die Blutdruck- steigerung so gross, dass die Frage entsteht, ob dabei die vom Nervus splanchnieus innervierten Gefässe überhaupt betroffen werden, wie es Formänek®) und Pal?) behaupten. Mott und Halli- 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. SE 4) Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 S. 1. 1910. Uber die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 113 Blutdruck Puls- Puls- Zeit!) ..in frequenz amplitude Bemerkungen mm Hg pro 1 Min. in mm sh 7 114 126:::: Ai Curate 9.107 pro 1,0 des Körpergewichts’ 3h 48’ 30 180 1 ; Durehschneidung des 2 | Vagosympath., des Rückenmarkes mitder Zerstörung desselben bis-zur Cauda equina, Eventration. Atropin. 2.10-6 pro 1,0. des Körpergewichts 3h 48° 26°) 165 ‚276 1,5 Cholin. hydrochlor. -- Erhöhung Be- Auf der Höhe 1 1052 Do ‚des - gegen die | schleunigung | der Wirkung SEDSEWIEZS Rückenmark- | gegen die eine Ver- "; dureh- _ | Rückenmark- | , grösserung schneidungs-. durch- _ |. um .50%o, . - - kurve schneidungs- | obwohl von um: 400 %o kurve kurzer Dauer un: um 55/0 burton®) und Müller?) gelangten auf Grund ihrer Experimente mit plethysmogräphischen Messungen zu ganz entgegengesetzten Resultaten, indem sie behaupten, ‘däss durch’ das Cholin eine Er- weiterung der Darmgefässe entsteht, wodurch auch, ihrer Ansicht nach, die Herabsetzung “des Blutdruckes bedingt wird. Der letzte Autor glaubt: sogar, dass auch andere Gefässe an dieser Wirkung beteiligt sind. Und doch, wenn wir seine eigenen Kurven zusammen- stellen, ist es schwer zu- begreifen, wie er zu einem solchen Schlusse gelangen konnte. In der Tat, als er mit künstlicher Durchblutung der Organe experimentierte, beobachtete er, zwar, wie betont werden muss, mit sehr unbeständigem Erfolg, eine Gefässerweiterung durch das Cholin (Kurven 9, 15, 19), was ihm auch als Bestätigung seiner Beobachtungen erschien; so z. B. die Kurven 6, 7, wo der Plethys- mograph wirklich eine Volumvergrösserung der Extremitäten gezeiet. hat, die aber nicht mit der Herabsetzung der Herztätigkeit, sondern mit der Steigerung derselben synchronisiert, wie z. B. aus der Kurve 6*) zu sehen ist; da der diastolische Druck obwohl gesunken, jedoch der systolische sogar gestiegen ist und die Pulsamplitude um 1) Aufnahme der Kurve. 2) Injektion des Cholins. 3,1 c. . 4) Die Kurve wurde mittelst Gad-Cowl- Blutwellenschreiber aufgenommen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 8 114 J. W. Golowinski: 166 %/o!) grösser wurde, was zweifellos für eine Energiesteigerung einer jeden einzelnen Herzkontraktion spricht. Daher muss die Volumvergrösserung der Extremitäten und ebenso die des Gehirns (Kurve 14) als erhöhte Blutanfüllung infolge der gesteigerten Herz- tätigkeit betrachtet werden, und dementsprechend vollzieht sich auch die Vergrösserung der Pulsamplitude innerhalb dieser Organe. Dafür spricbt auch deutlich die umgekehrte Erscheinung, die man auf seiner eigenen Kurve 4 beobachten kann, wo das Cholin besonders typisch das Bild einer muskarinartigen Wirkung entfaltet hat, in dem Sinne, wie ich sie auch oben erwähnt und im Versuch 2 be- obachtet habe. Der Blutdruck war hier (in Müller’s Versuch) nur um 22/0 herabgesetzt, der Puls aber um 66 °/0 langsamer; dabei war die Pulsamplitude um 125 °/o vergrössert, obwohl der systolische Druck, wie man aus der Kurve sieht, etwas über die Norm erhöht ist, was auch hier auf energischere einzelne Herzkontraktionen hinweist. Aber infolge der grossen Pulsverlangsamung ist die in der Zeiteinheit heraus- geworfene Blutmenge sichtbar geringer als in der Norm, wodurch eben eine unzureichende Blutanfüllung bedingt wurde.: Diese hat aber sich sofort in einer Volumverminderung der Extremitäten ge- äussert. Das kann also nur zur Annahme führen, dass die Gefässe peripherisch durch das Cholin nicht berührt werden. Diese Wirkung wurde auch nicht in den Experimenten mit der künstlichen Durch- blutung von S. Samelson?) beobachtet, von mir aber nicht mit der künstlichen Durchblutung des Kaninchenohres nach der Methode von Prof. Krawkow°), wie der Versuch 12 zeigt. Versuch 12. Kaninchenohr wurde isoliert ®/s Stunde nach dem Tode. Nähr- flüssigkeit: Ringer-Locke 16° C. : Normal Cholin. hydrochl. 0,02° in Ringer-Locke Zeit |Tropfenzahl inlMin. Zeit |Tropfenzahl in1 Min. 3h 6’ 17 3h 14' 16 ah 7! 17 3h 15’ 16 33h 8’ 17 3h 16’ 17 a Y 17 3h 17’ 17 3h 10’ 17 3h 18’ 17 1) Leider ist es nicht möglich, die Pulszahl aus der Kurve zu ersehen und der mittlere Blutdruck nicht angegeben ist. 2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 66 S. 347-351. 3) Pisemski, Zur Methodik der Untersuchung der gefässverengernden und gefässerweiternden Substanzen. (Russisch) Russki Wratsch Nr. 8 S. 264. 1912. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc, 115 Was den Einfluss auf die Endigungen des Nervus splanchnicus anbelangt, so war er, wie schon früher aus einigen Versuchen [9 (Fig. 9) und 10 (Fig. 10)] hervorging, entweder nur sehr gering oder blieb ganz aus. Abderhalden und Müller!) haben den- noch nach Einführung von Cholin eine Erhöhung des Blutdruekes beobachtet, wobei der Plethysmograph eine Volumverminderung der Gedärme anzeigte, was nach ihrer Meinung auch die Ursache der Blutdrucksteigerung war, als Folge der primären Gefässverengerung des Splanchnicusgebietes. Jedoch in anderen Versuchen von Müller tritt auch eine Gefässerweiterung ein, nachdem das Cholin nach vorhergehender Atropinisierung auch eine Erhöhung des Blutdruckes mit Vergrösserung der Pulsamplitüde hervorgerufen hat. Dann erscheint es ganz unbegreiflich, wie er bei Erklärung sowohl dieser Erscheinung wie auch der Blutdrucksteigerung durch Cholin nach darauffolgender Atropineinführung („Atropinumkehrung der Cholin- wirkung“) annehmen konnte, dass das Cholin bald die Vasomotoren, bald die Vasodilatatoren der Gefässe errege. Die Sache verhält sich scheinbar viel einfacher: beim Cholin kann, wie wir gesehen haben, sowohl eine Erhöhung wie auch eine Herabsetzung des Blutdruckes eintreten; die Blutdrucksenknng wird durch die vorwiegende Wirkung des Cholins auf die Endigungen der Nn. vagıi bedingt, und sie ver- schwindet sofort, wenn diese Wirkung durch Atropin aufgehoben wird. Das Volum der Gedärme aber hat sich durch die Einführung des Cholins nach vorhergehender Atropinisierung deshalb vergrössert, weil wegen der gesteigerten Herztätiekeit sich auch die Blutanfüllung derselben vermehrte, obschon der Wirkung auf den Nervus splanchnieus freier Raum gelassen wurde, während in einem anderen Falle ohne Atropin die Volumverminderung durch starke Kontraktion der Darmmuskulatur möglich ist, deren typische Beeinflussung in unseren Versuchen beobachtet wurde, aber jedesmal nach der Atropinisierung verschwand. Somit ist auch hier eine peripherisch erregende Wirkung auf denselben N. vagus als den motorischen Nerv des Darmkanals sichtbar. Diese Wirkung auf den Darmkanal wird, wie aus der ein- schlägigen Literetur zu ersehen ist, fast von sämtlichen Autoren bestätigt, was wiederum gegen jene Forscher spricht, die ihm eine erregende Wirkung auf den Splanchnieus zuschreiben, da doch letzterer, falls er erregt wird, bekanntlich nicht eine steigernde, sondern hemmende 1) Berliner physiol. Ges. Mai 1910. g* 116: i J. W. Golowinski: die Wirkung die Funktion des Darmkanals ausübt. Es kann auch kaum eine gleichzeitige Wirkung desselben auf die Endigungen dieser Darm- kanalnerven, vorwiegend bloss auf den Nervus vagus; angenommen: werden. Gegen diese Annahme, wie überhaupt auch” gegen die Ge- fässverengerung anderer Gebiete, spricht folgende Versuchsanordnung. Mu en) f m DT N = Versuch 13. (Fin. 12) zZ x Katze, ©, 4000,0 g. Tracheotomie.Chloralhydrat- narkose. Künstliche Atmung. Der Blutdruck wurde in der Arteria carot. sin. gemessen. Die Substanz wurde in die Ey] | =” A . .. El rechte Jugularvene eingeführt. Sf \ 5 on Lo = Ale a1 Ba re =y) “am zeo3 © oo» sap tel) za = © = Ran 59 =} BE SI 5 a Sa no» En =o ma S eo en =) Se Bag © = = & = E Eu E 590 353 A © iS) . a ae en =8 .-_ ea El o 0) .g Sen £ gr D, = at I- NS . | 5 8a a au a oe oO © & = — um | — En ‚ 4.60 HA - = = Ne) so S m = X == = = = En - © © = op) op) = ae a N aa a :1) Aufnahme der Kurve. Über die Wirkung des Cholins auf den Zirkulationsapparat etc. 117 ; Hier wurde, wie man sieht, eine grosse Dose von Chloralhydrat angewendet, dieses aber wirkt in solchen Mengen herabsetzend auf den Blutdruck, dann aber nicht mehr durch die Lähmung des vaso- motorischen Zentrums, sondern durch die Herabsetzung der Erreg- barkeit der motorischen Ganglien und selbst des Herzmuskels. Und in der Tat reagierte das Herz in diesem Versuche beim Druck auf die Aorta nicht mit einer Blutdrucksteigerung, sondern mit einer Herabsetzung desselben. Infolge dieser Wirkung von grossen Chloral- ‚hydratmengen sinkt auch stark die Arbeitsfähigkeit des. Herzens, wie der Blutdruckzustand beweist. Das Herz war nicht einmal im- stande, auf die Cholineinführung zu reagieren. Das völlig indifferente - Verhalten des Biutdruckes in diesem Versuche weist einerseits darauf -hin, dass der Herzmuskel infolge der Schwächung durch Chloral- hydrat nicht mehr imstande ist, auf den direkten Reiz der verschieden- artigen Akzeptoren mit einer gesteigerten Tätigkeit zu erwidern; andererseits dient es als indirekter Beweis dafür, dass keine Gefäss- verengerung eintritt, sowohl im Gebiete des Nervus splanchnieus wie auch in anderen, da im entgegengesetzten Falle das bereits geschwächte Herz den Widerstand, der ihm von diesen oder jenen Gefässen von der Peripherie aus geboten wird, nicht aushalten könnte. Es müsste auch mit einer weiteren Arbeitsverminderung antworten, wie es auch beim Druck auf die Aorta in der Tat der Fall war. Ebenso war auch in den Cholinversuchen von Asher und Wood!) nach grossen Mengen von Chloralhydrat keine Änderung des Blutdruckes eingetreten. Somit gelangen wir endlich auf Grund einer ganzen Reihe von experimentellen Beobachtungen und theoretischen Überlegungen zu dem Schlusse, dass die Wirkung des Cholins auf das Herz der Warmblütigen sich bloss in Erregung verschiedener sogenannter intrakardialer Zentren äussert: der hemmenden — Ganglion Lud- wigi resp. Endigungen der Nn. vagi —, der beschleunigenden — Remak’s Ganglion resp. Endigungen der Nn. accelerant. — und der verstärkenden — Bidder’s Ganglion resp. Endigungen der Aktionsnerven (Nervus Wooldridge [Pawlow?)], Ram. annul. Vieussini, [Cyon°®), Bowditsch*#, Schmiedeberg?’), Nele. 2) Arch. f. Physiol. v. du Bois-Reymond 1887. 3) Die Nerven des Herzens S. 99. 1907. 4) Arbeiten aus d. physiol. Anstalt von Ludwig in Leipzig 1872. 5) Arbeiten aus d. physliol. Anstalt von Ludwig in Leipzig 1871. 118 J. W. Golowinski: Über die Wirkung des Cholins etc. Langley!)]) —, was genau mit meinen Beobachtungen an Fröschen übereinstimmt.?) Die prävalierende Wirkung des Cholins auf dieses oder jenes Zentrum und die gegenseitige Beziehung dieser Zentren untereinander macht es unter entsprechend günstigen Bedingungen möglich, dass beim Cholin jenes mannigfaltige Wirkungsbild entsteht, welches von verschiedenen Autoren beobachtet und von mir mit Hilfe entsprechender Experimente gekennzeichnet wurde. Es ist mir eine angenehme Pflicht, zum Schlusse Herrn Professor Statkewitsch für das stets bewiesene Interesse an meiner Arbeit und für die vielseitige Unterstützung meinen herzlichsten Dank zu sagen. Einige Blutdruckversuche waren von mir noch während -meiner Assistenzzeit im pharmakologischen Institut zu Moskau aus- geführt. 1) Journ. of Physiol. vol. 27. 2) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 157 S. 136. 119 “ (Aus dem physiologischen Institut der kgl. Universität in Siena.) Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. Teil). Von Prof. B. Bocei. (Übers. von Privatdozent Dr. Ph. Verderame, kgl. Univ.-Augenklinik in Turin.) (Mit 9 Textfiguren urd Tafel I und II.) I. Über die Frage, ob in der Harnblase des Meerschweinchens der innere glatte Sphinktermuskel physiologisch nachweisbar ist. Wir haben (I. Teil) bereits auseinandergesetzt, dass der Tod des Meerschweinchens durch Entblutung sowie die Kältewirkung die Harnblase, die sich spontan oder künstlich ihres Inhalts entledigt hat, oft in einem Zustand übertriebener und anhaltender Zusammen- ziehung antreffen lassen. Unter diesen Bedingungen zeigt sich die auch in ihrer urethralen Verlängerung blossgelegte Harnblase in Form eines kleinen, unregelmässig gestalteten, am Halse sowie am entgegengesetzten Pole leicht zugespitzten Körpers mit seitlichen Hervorragungen, entsprechend den Ureterenmündungen. Ein Metall- katheter, der in das Innere der Urethra vorgeschoben wird, scheint durch die Wandung des dünneren Blasenhalses immer etwas durch; zieht man den Katheter zurück und macht man an jener Stelle eine Inzision, so findet man, dass die Wandungen nicht gerade aneinander- liegen. | Nachdem ich mich von diesem Befunde überzeugt hatte, frug ich mich: Vergesellschaftet sich die starke Retraktion der ganzen Muskelwandung der Blase auch zu derjenigen des äusseren, quer- 1) I. Teil im Bd. 155 S. 168—192 (Pflüger’s Arch.). Hierzu die Text- figuren 1, 2, 3, 4, 5, 6. 120 B. Bocei: gestreiften Sphinkters? Gesellt sich die Zusammenziehung der muskulösen Urethra zu derjenigen des Blasenhalses oder des urethro- vesicalen Ringes, wo nach Ansicht einiger Autoren, und unter ihnen besonders von Versari!), ein innerer, aus unabhängigen glattgestreiften Fasern bestehender Sphinkter vorhanden ist? Diese kritische Erwägung wies mir verschiedene Untersuchungs- wege, unter denen ich die hauptsächlichsten und die diese kompli- zierte Frage am direktesten lösenden wählte. — Wenn man annimmt, dass an der fortdauernden Zusammenziehung der Blase auch die Sphinkteren teilnehmen, so müsste der in die Urethra eingeführte Katheter bei seinem Durchtritt Hindernisse antreffen, die durch den einfachen Tasteindruck des Sondierens schwerlich messbar wären; die Sonde jedoch hätte die ganze Urethra passieren und gerade in die Blasenhöhle eintreten oder sie hätte in dem äussersten Halsring stecken bleiben können, oder aber in der Mitte der muskulösen Urethra, oder endlich vollständig ausserhalb dieser letzteren. Nach der in gewohnter Weise vorgenommenen Herstellung der Kommunikation des mit einer dreiwegigen Röhre versehenen Katheters mit dem Manometer und mit der Bürette?), fragte es sich, welchen Druck hätte man ausüben müssen, um den totalen oder partiellen Widerstand des äusseren Sphinkters und ferner denjenigen des inneren Sphinkters zuüberwinden?2 Nach Überwindung dieses Widerstandes und nach Übertritt von etwas Wasser in die Blase sowie nach Wiederher- stellung des manometrischen Nullpunktes, welcher negativer Druck hätte ausgeübt werden müssen, um das Organ in den verschiedenen Sonden- stellungen zu entleeren? Wäre es bei einem so kleinen Tiere möglich gewesen, einen der Ureteren zu sondieren und vermittelst einer Wassersäule einen Gegendruck auf die schräge Blasenein- mündung des Ureter auszuüben, welche infolge des positiven Druckes offenbar geschlossen ist, der sich unter jenem Zustand permanenter Zusammenziehung ausgebildet hat? Falls auf diese Weise etwas Wasser in die Blase eingedrungen wäre, hätte die Retention des- selben stattgefunden, wenn sich der Urethralkatheter ausserhalb des Halses und ferner ausserhalb des äusseren Sphinktermuskels der Urethra befunden hätte? : 1) W. Nagel, Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 2. 1. Hälfte: Anatomie der Blasenwand S. 308—309. i 2) Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 175 Fig. 2 (I. Teil). Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 121 Nach: Tötung eines männlichen Meerschweinchens durch Ent- blutung und nach Blosslegung der Gegend führt man eine Sende in die Urethra, ohne bis zum äusseren Sphinktermuskel vorzudringen, und verbindet dann den Dreiweghahn mit dem Metallmanometer und der Bürette (I. Teil Fig. 2). Man benützt lauwarmes Wasser (30—32° C.), das von Zeit zu Zeit gewechselt wird; die zur Aus- räumung und Reinigung der männlichen Harnwege- fast immer notwendigen Operationen werden unterlassen. Nach Einstellung des manometrischen Nullpunktes (1) stellt man die zweifache Verbindung zwischen Bürette und Manometer her und hebt die erstere so lange in die Höhe, bis man in letzterem einen Druck von 19 mm hat. Jetzt dreht man den Hahn in diesem Sinne (-{), und man findet, dass der Wasserstand in der Bürette sich nicht verändert hat. In derselben Weise gelangt man von Probe zu Probe zu einem Druck von 20—30—60 mm und erreicht erst bei letzterem, dass etwas Wasser in die Blase hineingelangt. . Nach einer Viertelstunde führt man den Katheter bis ungefähr zur Mitte der muskulösen Urethra (äusseren Sphinkter) ein. Man stellt den manometrischen Nullpunkt wieder her und wiederholt das Experiment; dieses Mal dringt Wasser in die Blase bei 30 mm Druck ein. x Nach Verlauf einer halben Stunde passiert man mit dem Katheter die ganze muskulöse Urethra. Nach Einstellung des Nullpunkts kann man einen Druck von 5—10 mm erreichen, ohne dass Wasser in die Blase gelangt; bei 13 mm jedoch sinkt das Wasser etwas. Hierauf kehrt man auf den Nullpunkt zurück und nachher auf 10 mm Druck, und man sieht dann, dass die Blase immer bedeutend zusammen- gezogen, halberigiert, mit einem vorderen, entsprechend dem Urethral- ring gelegenen Einschnitt verbleibt: dieser Einschnitt verschwindet, wenn man die Blase niedriger stellt und sie am entgegengesetzten Ende zieht; in diesem Punkt tritt noch etwas Wasser in die Blasen- höhle über. Man hat also bereits im Zustand vollständiger Zusammen- ziehung oder Halberektion und daraus resultierender Flexion des Halses des Organs ein Hindernis für den Übertritt der Flüssigkeit, und zwar ohne Anwendung besonderer Verschlussmechanismen. Nun bläht man die Harnblase wieder auf und lässt in dieselbe ‚6,2 ccm Wasser einfliessen. Indem man die Sonde in den Blasen- eingang hält, gelingt es, das Organ durch Senken der Bürette voll- ständig zu leeren. Nun füllt man es wieder und zieht den Katheter 123 B. Bocci: zurück, ausserhalb der Wirkung des äusseren Sphinktermuskels; hier- bei kommt man auch durch wiederholten negativen Druck nicht dazu, das Organ zu entleeren, und dies gelingt nur, indem man es zwischen den Fingern drückt. Ich präpariere nun den linken Ureter nach der Niere zu frei und führe in denselben eine feine Kanüle ein, deren Lumen nur um wenig "/s mm übersteigt, und binde sie darin fest. Ich binde einen Faden um das freie Ende dieser Kanüle, hebe die Verbindung zwischen der dreiwegigen Röhre und dem Urethralkatheter auf, schiebe den letzteren bis zum Blaseneingang vor und verbinde die im Ureter liegende Kanüle mit dem dreiwegigen Rohr. Erst bei einem Druck von 15 mm wird der Ureter deutlich prall gefüllt durch das Wasser, das in denselben, nicht aber in die Blase gelangt. Man kommt zu demselben Resultat mit einem Druck von 20, 30, 50 mm; bei 55 mm Druck dringt Wasser ein, das aus dem Urethralkatheter heraussickert; verschliesst man den letzteren mit der Beere des rechten Daumens, so faltet sich die Blase auseinander und bläht sich wieder auf. Zieht man den Katheter bis zum äussersten Ring des Blasenhalses zurück, so findet keine Retention von Flüssigkeit statt, welche im Gegenteil weiter heraustropft. Inzwischen lese ich den Druck ab und finde, dass er auf 34 mm gefallen ist; ich ziche nun den Katheter zurück und lasse damit die muskulöse Urethra frei; die Blase bläht sich nun sofort wieder auf. Unter den oben auseinandergesetzten Versuchsbedingungen ist also die Tätigkeit der Muskelwandung. der Blase derjenigen des äusseren Sphinktermuskels koordiniert. Die übermässig aktive Re- traktion des Organs sowie des Sphinkters bewirkt eine Aneinander- legung der respektiven Wandungen, so dass es zu deren Verschluss kommt. Es ist ein starker Druck notwendig, um den von dem äusseren Sphinkter entgegengesetzten Widerstand zu überwinden; es genügt auch ein schwacher Druck, um die nicht ganz gegen den Hals an- einandergelegten Blasenwandungen zu überwinden, besonders dann, wenn man die Flexion des Halses vermeidet. Das durch den Ureter eingelassene Wasser sickert ohne Schwierigkeit durch das am Blasen- eingang stets etwas durchlässige Schleimhautgewebe hindurch; falls daher in diesem letztern mächtigere Schichten glatter Zirkulärfasern bestehen, gelingt es ihnen nicht, nach Art eines Sphinkters zu wirken. Es kommt jedoch zu einer Retention von Flüssigkeit, sobald der Katheter nicht bis zur muskulösen Urethra des äusseren Sphinkters reicht. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 123 Nach diesem Versuch prüft man methodisch die Elastizität der Blase und findet sie in Ordnung; nach Verlauf von 48 Stunden ist die Blase leichter dehnbar geworden, ihre Elastizität jedoch verhält sich gleich derjenigen der Harnblasen in den Tabellen III und IV (I. Teil); die kontraktile Funktion ist vollständig verschwunden. Schon bei 0 Druck bläht sich die Blase durch Wasser auf, das sie durch den mehr oder weniger weit eingeführten Katheter erhält, und zwar ohne wahrnehmbare Unterschiede bei den verschiedenen Lagen. Es genügt schon ein Druck von 20 mm, um Wasser aus dem Ureter in die zusammengefallene Blase einzulassen; es beweist dies, dass der vorgeschrittene Verschlussmechanismus des Ureters zum grossen Teil auf die kontraktile Tätigkeit der glatten Fasern zurückzuführen war. Endlich habe ich ein letztes, noch entscheidenderes Experiment ‘“ für zweckdienlich erachtet, welches die Überzeugung beibrinet, dass man in der Blase eine Flüssiekeitsretention haben kann, auch wenn der angenommene innere Sphinktermuskel vollständig entfernt worden ist, indem man ihn tatsächlich zusammen mit einem grossen Teil des äusseren Sphinkters herausschält. Dies habe ich ohne jede -Schwierigkeit bei einem weiblichen, eben getöteten Meerschweinchen ausführen können, bei welchem ich die Blase sowie die Urethra freigelegt hatte. Nachdem ich in letztere den Katheter eingeführt und fixiert hatte, bediente ich mich desselben als Stütze und Weg- leiter, um an einer beschränkten Stelle alle Schichten der musku- lösen Urethra bis zu der submukösen zu durchschneiden. Mit einer Pinzette zog ich die durch den Schnitt erhaltenen Lappen von aussen nach innen und ein wenig auch von unten nach oben (nach der Blase zu), so dass letztere unmittelbar oberhalb ihrer Einmündung in die Urethra von abgetrennten, fibrösen Bündeln umgeben blieb, welche eine Verbindung oder Brücke mit einer darunterliegenden kleinen Rinne bildeten. Das eingelassene Wasser (5 ccm) blähte die Blase und ein wenig auch den Schleimhautsack der Urethra auf und wurde vollkommen zurückgehalten, trotz des durch Senken der Bürette bewirkten negativen Druckes. Es genügte jedoch schon, den Katheter in gerader Richtung zu ziehen, indem man die Urethra anspannte, um die Blase allmählich zu entleeren, wodurch dann das Zusammenfallen der umgebenden Gewebe an der inneren Ein- mündung des Katheters zum Verschwinden kam. Dieser Versuch sowie die anderen wollen dartun, dass die Harnretention beim Menschen sowie beim operierten Tiere bei eingeführtem und stark aa e.2is. B. Bocei: -nach innen vorgeschobenem Katheter auch ohne die Mitwirkung eines besonderen, als innerer Sphinkter funktionierenden Muskels statt- finden könnte. II. Der Tonus des äusseren Sphinktermuskels der Urethra; _ der Tonus der Harnblase. | Nach meiner 1908 erschienenen Arbeit!), in der ich dargetan zu haben glaube, dass es unnütz und sogar schädlich sei, wegen der dadurch entstehenden Verwirrung, fortzufahren, auf Grund des Ver- suchs von Broudgeest?) von retraktivem Rückenmarkstonus der Gliedmassenmuskeln zu sprechen; ferner nach den von mir ersonnenen und dargelegten Versuchen, durch welche ich hervorhob, dass man mit ebensoviel Recht in anderen Fällen einen vorwiegend extensiven Rückenmarkstonus annehmen könnte; nach der kurzen Hindeutung endlich, die ich bei derselben Gelegenheit auf einige Untersuchungen von mir machte, die von Bickel?) vergessen worden sind und durch welche der Begriff der Rückenmarksladung vermittelst von zuführenden Impulsen und der proportionalen Rückenmarksentladung durch abführende Impulse aufgeklärt wird (wobei Ladung und Ent- ladung die eine sowie die andere Art von Tonus, die in die Er- scheinung treten können, erklären); nach alledem also scheint es mir, dass ich unterlassen kann, weiter über den Wert des Wortes Tonus und die geringe wissenschaftliche Strenge, womit es an- genommen worden ist, zu sprechen. Dies bedeutet aber allerdings nicht, dass man auf diesen Aus- -druck verzichten solle; es ist sogar vollkommen zulässig, darauf zurückzugreifen, wenn man auf den tonischen Reflex von Ranae temporariae oder aesculentae [|Verworn?), Bocei’), Brunacei®)], 1) B. Bocci, Studi critici e sperimentali intorno ad alcune questioni controverse di fisiologia.. Parte I. Fisiologia del sistema nervoso Cap. IV p. 33—39. Tip. Lazzeri, Siena 1908. 2) W. Nagel, Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 4 1. Hälfte S. 327—328. 3) A. Bickel, Über einige Erfahrungen aus der vergl. Physiologie des ‚Zentralnervensystems der Wirbeltiere. Pflüger’s Arch. Bd. 83 S. 162. 4) M. Verworn, Tonische Reflexe. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 68—80. 5) B. Bocei, Studi critici e sperimentali etc. Cap. VII p.59 e segg. 6) B. Brunaceci (Aiuto nel Labor. di fisiol. di Siena), Sul riflesso tonico diffuso. Nota preventiva. Bull. d. Sc. med. di Bologna. Anno 79, Ser. 8 vol. 8. 1908. — B. Brunacci, Sul riflesso tonico diffuso e le soluzioni saline ipertoniche. - Autoriassunti del Riva vol. 6 no. 11 p. 673—674. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 125 oder auf den tonischen Einfluss des Kleinhirns auf die Muskeln der‘ Glieder. und des Rumpfes [Luciani!), Bocei?)], oder auf die tonische Wirkung des Rückenmarkes auf den äusseren Sphinkter der Urethra und die Blasenmuskulatur anspielt. Für letztere jedoch ist kein Grund vorhanden, immer auf eine tonische, wenn auch reflexe Wirkung des Rückenmarkes seine Zuflucht zu nehmen, da zur Er- klärung vieler Tatsachen das Eingreifen lokaler Mechanismen genügt. Die Beweisführung des Vorhergehenden kann erreicht werden, indem man vergleicht: erstens das Verhalten des äusseren Sphinkters‘ von normalen Meerschweinchen mit demjenigen’ von wenig oder stark entbluteten, oberflächlich oder tief narkotisierten - Meer- schweinchen; zweitens das Verhalten der ganzen Blasenmuskulatur bei entbluteten oder narkotisierten Meerschweinchen. Gesetzt, man habe zwei Meerschweinchen, das eine männlichen, das andere weiblichen Geschlechts (5-2). Nach deren Einspannen in die Halteapparate sondiert man die Urethralkanäle, ohne bis zum äusseren Sphinkter zu gelangen, und befestigt die Sonder, indem man sie mit dickem Faden bindet, der auf die Gewebe wohl drückt, aber sie nicht durchschneidet. Man setzt die Sonde des 5 Meer- schweinchens mit dem Ast c des dreiwegigen Hahns (Fig. 2 I. Teil) in Verbindung; die Bürette, das Manometer und das ganze System sind mit auf ungefähr 35° erwärmtem Wasser gefüllt. Durch ge- eignete Manipulationen auf das Hypogastrium und bei negativem Drucke entleere ich die Blase, lese den Stand der Bürette ab, suche den manometrischen Nullpunkt und übe einen positiven Druck von 10, 15 aus, ohne dass Flüssigkeit in die Blase eindringt, wenn ich von der Stellung T des Hahns in die Stellung — übergehe;, bei 18 mm dringen 1,5 cem Wasser in die Blase ein. Bei Ausführung desselben Versuches beim 2 Meerschweinchen gelangt Flüssigkeit ‘in die Blase ein bei einem Druck von 810 und ı von 2,8 bis 4,0 eem Wasser. Grosses @ Meerschweinchen. ‘Man erblickt die, Harnblase zwischen den unter Schonung weniger Muskelbündel und des Peri- toneums unten durchgeschnittenen ‘und auseinandergezogenen Bauch- wänden. Man führt den Katheter ein, ohne die Muskelurethra l) L. Luciani, Il cervelletto. Nuovi studi di fisiologia normale e pato- logica p. 800-311. Succ. Le Monnier, Firenze 1891. 2) B. Boceci, Studi critici e sperimentali etc. Cap. V p. 43 e segg. 126 je BB. Bocei: irgendwie zu erreichen, fixiert ihn und geht wie oben vor. Bei einem Druck von O0 geht kein Wasser in die Blase hinein; bei 10 mm Druck dringen innerhalb von 2 Minuten 5,4 ccm ein. Von der Stellung — des Hahns geht man zur Stellung _L über; der Druck sinkt. | Man wartet 9 Minuten ab. Mit einem starken negativen Druck gelingt es nicht, Flüssigkeit aufzunehmen. Man schiebt den Katheter bis zum inneren Ring des Blasen- halses vor; man nimmt bei negativem Drucke ungefähr die Hälfte des eingelassenen Wassers wieder auf. Nun stellt man den manometrischen Nullpunkt wieder her und zieht den ‚Katheter zurück unter vollständiger Freimächung der muskulösen Urethra; man entnimmt aus der Jugularis 4 eem Blut. Man muss nun 40 mm Druck erreichen, damit die Flüssigkeitssäule nach der teilweisen Entblutung den Sphinkter überwinden könne und Flüssigkeit in die Blase eindringe. Chloroformiertes, 2 Meerschweinchen; tiefer Schlaf. Kanüle kaum 1 cm weit in die: Urethra eingeführt. 0 Druck — kein Wasser in die Blase — Hahn in dreif. Verbindung 1 0 ser) ” ” ” Me ” ” » n ” 20 ” 3 cem ” N ” ” ” ” » ® » 3 0 ” 2 I 5 = n $)] ” ” ” n 2) » 39 $)] 2 ” n ” $)] ” ” ” » ”» Das Tier fängt an zu erwachen und Bewegungen auszuführen. Ich senke die Bürette und nehme bei negativem Drucke 4 ccm Flüssigkeit wieder auf. Ich warte nun eine Viertelstunde ab, während der die Wirkung der Chloroformierung fast verschwunden ist; nicht einmal bei 30 mm. Druck gelangt Wasser in die Blase. Nun nehme ich wieder die beiden zuerst benutzten Meer- schweinchen (28), töte das zweite von ihnen durch Entblutung (Sehnitt durch die Halsgefässe), disseziere vollständig den urethro- veseicalen Apparat, unter alleiniger Schonung der Prostataadhärenzen, und experimentiere in dem feuchtwarmen Raum (ungefähr 36° C.) eines geeigneten, doppelwandigen und nur oben soviel als nötig ge- öffneten Kastens. Die Blase ist in der gewohnten Weise mit dem dreiwegigen Rohr verbunden; die Einführung einer kleinen Menge lauwarmer Flüssigkeit (physiolog. Kochsalzlösung) vermag nicht, den Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 127 leichten: Zustand tonischer Zusammenziehung zu überwinden. Ich sehe mit einer Lupe nach, in der Annahme, es könnten Zusammen- ziehungen stattfinden; da ich solche nicht erkennen kann, versuche ich, sie durch mechanische und dann durch elektrische Reize hervor- zurufen. Ich erhalte nur wenige positive Resultate. Nach Herstellung der Kommunikation zwischen Blase und drei- wegigem Rohr töte ich das andere Meerschweinchen durch verlängerte Chloroformnarkose, und: es gelingt mir, die auf Fig. 1 abgebildeten kleinen Kontraktionen aufzuzeichnen. Dieselben sind regelmässig und beinahe rhythmisch; man zählt deren mindestens acht: drei in der ersten, drei in der zweiten und zwei in der dritten Linie oberhalb der Abszisse. Fig. 1. Nach breiter Eröffnung des Abdomens gewahrt man sehr lebhafte, wurmförmige Bewegungen des ganzen Darms und durchaus teilweise Zusammenziehungen sowie Aufblähungen der Blase, welche da und dort unaufhörlich stattfinden. Sie nehmen dann allmählich (vierte Linie derselben Fig. 1) ab nach der Exstirpation und fast völligen Isolierung der Harnblase und der Urethra; demnach muss man an- nehmen, dass für das Eintreten dieser leichten und teilweisen Zu- sammenziehungen ein gewisses Überleben der Rückenmarkszentren notwendig sei. Immerhin sind dieselben so gering, dass man sie bei der __-Stel- lung des Hahns nicht aufzeichnen kann; dazu ist es notwendig, diesen letzteren so zu drehen H- und oft auch die Empfindlichkeit der mit dem Manometer in Verbindung stehenden Marey’schen 128 B. Bocei: Schreibkapsel zu erhöhen. Meist ist es nötig, den Katheter bis zum Blaseneingang vorzuschieben. Diese Zusammenziehungen unter- scheiden sich von den kleinen, aber echten Blasenkontraktionen, die wir in der Folge beschreiben werden, durch die grosse Schwierigkeit, der man begegnet, wenn man sie graphisch sichtbarer machen will, sei es, dass man in die ‚Blase eine grössere Menge Flüssigkeit- ein- führt, sei es, dass man ‘den Druck derselben vermehrt; sie differen- zieren sich ferner durch die Unmöglichkeit, den Rhythmus wach- zurufen, womit sie sich zu erkennen geben, und endlich durch die leichte Rückkehr des absteigenden Astes jeder Kurve auf der: "Abszisse. Ich möchte vorschlagen, sierhythmische Tonusschwankungen zu benennen. Fig. 2. Dieselben können sich ausnahmsweise auch bei einem lebenden, normalen, tief narkotisierten Tiere zeigen. Fig. 2 stellt die Blasenkontraktionen eines 2 Meerschweinchens dar: die erste Linie über der Abszisse zeigt Tonusschwankungen, welche mit den vorher- gehenden vollkommen verglichen werden können und nur wegen der. Atmungsbewegungen etwas wellig verlaufen. Letztere charak- terisieren fast ausschliesslich die zweite Linie, wobei man Sorge ge- tragen hat,. den übermässigen Kontakt der aufzeichnenden Feder zu vermindern. Der zweifache Pfeil (2?) zeigt eine deutliche Blasen- kontraktion an. Man beachte, dass die erste Linie über der Abszisse mit einem Inhalt von 3,5 eem Ringer’scher Lösung bei 10 mm Druck er- halten wurde; die zweite und die dritte unter Nachfüllen von weiteren 2 cem und bei 20 mm Druck; die Temperatur der RO UBS Denn ungefähr 36°C. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 129 III. Die Tonusschwankungen und die atypischen Harn- blasenkontraktionen.: Dieses Kapitel beansprucht unser grösstes Interesse, weil es darnach trachtet, das schwierige Thema der Harnblasenfunktion von einer Reihe VERLENEINSE LE zu befreien, welche keine ernste Grundlage besitzen. Wie es über allem Zweifel steht, dass man bei Meerschweinchen mit normalen Zirkulations- und Atmungsverhältnissen und ohne zur Narkose zu greifen, ausgezeichnete Blasenkontraktionen bekommen kann, ebenso sicher ist es, dass die männlichen Tiere beim Experi- ment sich als ungeeignet erweisen, nicht so sehr wegen des schwierigeren Harnröhrenweges, durch den man mit biegsamen Sonden ziemlich gut hindurchkommen kann, als vielmehr wegen ‘einer Anhäufung von aus den Adnexen sezernierten Stoffen, welche nur zu oft die Kanülen mit ihren Detritusmassen zu verlegen vermögen. ' Aber auch wenn man weibliche Tiere wählt, trifft man manch- mal Blasen an, die im Augenblick des Versuches zu funktionieren unfähig sind, oder solche, die unregelmässig "und unter fortwährenden Tonusschwankuneen funktionieren. | In allen diesen Fällen nun, die nicht so selten vorkommen, ist es unmöglich, sich eine exakte Idee von der typischen Kontraktion der Blase zu bilden — d.h. jener Kontraktion, welehe in vollkommener Weise dem Miktionsbedürfnis Genüge leistet —, und man läuft dann Gefahr, Hypothesen und Theorien anzuhäufen, welche in der Folge durch wenige, bei geeigneten Tieren angestellte Versuche über den Haufen geworfen werden. Man betrachte die Aufzeichnung auf Fig. 3, die von einem nicht. narkotisierten und daher nicht übermässig ruhigen, 2 Meerschweinchen gewonnen wurde; nur bei einigen Kurven erkennt man die ausser- ordentlich leichten Atmungsschwankungen. In der ersten Linie über der Abszisse sowie in vielen anderen Punkten. der Aufzeichnung sieht man in 0, 0, 0 jene Tonusschwankungen, welche nach unserer Ansicht als rhythmisch betrachtet werden müssen: bringt man den. Hahn in die Stellung |, ändert sich der Stand der Bürette ganz unmerklich; stellt man die dreifache Kommunikation her, so bleibt. die Schreibkapsel, die mit dem Metallmanometer in Verbindung steht, unbeweglich; dreht man den Hahn in diesem + Sinne, so zeichnen sich die erwähnten Schwankungen deutlich auf. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 9 130 B. Bocei: Dem Pfeil in der zweiten Linie entspricht eine starke Depression des Tonus, der sich dann stetig und fast regelmässig hebt; bei e, g, s vermutliche Blasenkontraktion unter Schreien und Zuckungen; man hatte den linken Hinterfuss stark gekniffen. Es folgt eine Abnahme des Tonus bei w; die Linie setzt sich nur wenig fort und wurde unterbrochen, damit sie sich nicht der vorhergehenden aufsetzen könne; in x wird sie wieder aufgenommen, und sie zeigt mit dem Pfeil die oben erwähnte Abnahme an. Bei e, g, s dieser Linie, bei c, 9, Ss der vorletzten Blasenkontraktionen, Schreien, Zuckungen; man hatte zu- erst die Haut der Unterlippe, dann die Nase gekniffen; bei s, r wieder- holte Zuckungen und Atmungs- bewegungen. Also keine einzige typische Kontraktion, auf die man eine ernste Untersuchung hätte sründen können; ausserdem starke Unruhe des Tieres infolge des Reizes und Hervorrufen variabler und un- regelmässiger Kurven durch dieselbe. Die Blase hatte 4 cem Ringer- sche Lösung bei 10 mm Druck auf- genommen (die erste Gruppe von drei Linien über der Abszisse); dann weitere 2,38 ccm bei 20 mm Druck. Die Temperatur der Lösung war kaum lauwarm; man hatte vergessen, sie zu bestimmen. Die Blasenparästhesie (falls man sie so bezeichnen darf), die man nicht einmal durch die Chloroform- narkose aufhalten kann, wird durch Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. die Fig. 4 ausgezeichnet dargestellt. Die Kanüle lag diesseits der muskulösen Urethra (2); sie hatte also nichts mit dem äusseren Sphinktermuskel zu tun. Die Blase hatte 7,5 ccm Wasser von der gleichen Temperatur wie der umgebende Raum, der nicht über 16° C. ging, auf- genommen. Die drei unteren Linien auf der ersten Abszisse zeigen die Blasen- kontraktionen an, welche atypisch sind, weil sie mit starken Tonusschwankungen sowie mit Bewegungen des Tieres kom- pliziert sind (a, a, a). Bei + senkt man den Zylinder, um ein Zusammentreffen der Kurven zu ver- meiden; bei x x ist die Linie aus demselben Grunde unterbrochen. Charakteristisch sind die allmähliche Zu- und Abnahme des Tonus in der breiten oberen Kurve c>c, welche eine typische, äusserst langsame Blasen- kontraktion vortäuschen könnte: der Hahn war in diesem Augenblick so + gedreht, daher war ein Zurückfliessen der Flüssig- keit in die Bürette, entsprechend dem Miktionsbedürfnis, unmöglich ; daher rührte die so abnorm protrahierte Überanstrengung sowie das folgende Nachlassen. Aber für uns sind auch atypisch ge- wisse andere Summationskurven der Blase, weil sie von dem unbefriedigten Miktions- bedürfnis hervorgerufen werden; es genügt in der Tat bei Stellung |- des Hahnes, d. h. wenn die Blase nur mit dem Mano- meter kommuniziert, der Anstoss einiger weniger Kubikzentimeter Flüssigkeit, um den Druck bedeutend zu vermehren und dem Schreibhebel die entsprechende Be- wegung zu geben. Es ist klar, dass die sehr geringe, auf diese Art abgelassene nennen en fl A & > 131 Pig. 4. 132 N U IR } u _ ES rn a EL, N 5 Ne ee er N I ET ee 3 - N. „ : us ArnnnnmnmennenmnmmARmAnnmmnnn AmmmmmAnAnmmInAnNAmARMAAmAAnnAnANmAmmAAmmANMmnAHnSmmAnAnAnAnAmmNNnAnm Rn menmmnnnRRnnnnAnMmnnmAnAAAnnn, wummnnnnen nenmnnmannnnnnnnnnnnnn Fig. 5. B. Bocei: Flüssigkeitsmenge eine lächerlich ge- ringe Austreibung darstellt, verglichen mit derjenigen, die bei Offenlassen der- Ausflussmündung in der Bürette er- folgt wäre, Wenn die Bürette, das Mano- meter und die Blase in Kommunikation sich befinden, sieht man in der Tat nicht selten, dass bei jeder Zusammen- ziehung der ganze oder fast der ganze Inhalt des Hohlorgans in jene zurück- fliesst. Es ist daher vollkommen natürlich, dass das letztere unter ent- gegengesetzten Verhältnissen seine Tätigkeit durch eine Reihe aufeinander- folgender Kontraktionen kundeibt, oft. ohne dass es sie vervollständigt. Gerade: deswegen sind sie alle voneinander verschieden und eignen sich gar nicht. zur Kenntnis der echten, isolierten. Blasenkontraktionen, die dem Miktions- bedürfnis vollkommen entspricht. Fig. 5 klärt die Tatsachen auf, auf die angespielt wird. Es handelte sich um ein seit 1 Stunde an dem Apparat festgebundenes Meerschwein- chen (2), bei dem der Katheter dies- seits der Muskelurethra eingeführt worden war (unter Freilassen des: äusseren Sphinktermuskels). Bei einem. Druck von 10 mm waren 4,5 cem Wasser in die Blase eingelassen worden;. die Wassertemperatur war gleich der- jenigen des Raumes (15° C.). Um. zu vermeiden, dass alles Wasser in die Bürette zurückgedrängt würde, wurde der Hahn aus der Lage — so- fort in die Lage H- gedreht; man be- rechnete ein Hineinfliessen von 2,5 ccm. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 133 in die Blase, und man unterliess eine neue Kontrolle des Mano- meterdruckes. Die erste Linie über der Abszisse zeigt eine deutliche Kontraktion bei c, gefolgt von Tonusschwankungen; bei s, s kleinste Zuckungen des Tieres; bei m, r, s durchaus leichte Atmungsbewegungen und stärkere Zuckungen. Die drei folgenden Linien wurden bei wiederum geleerter Blase aufgenommen, worauf sie dann mit 5 cem Wasser gefüllt wurde, wovon beim Übergang von —| zu H- nur 1 cem zurück- getrieben wurde. Die letzte Linie wurde unter denselben Ver- hältnissen aufgezeichnet; nur wurde der Katheter bis zum Blasen- eingang vorgeschoben. Es fallen sofort die verschiedenen Gruppen von Kontraktionen auf, welche durch mehr oder weniger lange Ruheabschnitte von- ander getrennt sind. Mit vollem Rechte kann man sagen, dass keine Kontraktionskurve der anderen gleiche; stets ist ihr Erhebungs- oder Erniedrigungsstand auf der Abszisse verschieden, sehr verschieden auch die Öffnung an der Basis, in der Mitte, im Höhepunkt des aufsteigenden und absteigenden Astes jedes Myogramms. Man könnte uns einwenden: es ist nieht möglich, dass vielfache Kontraktionen dieses Typus auch in normalen Blasen erfolgen, und dass nicht auch vereinzelte, sehr verlängerte Kontraktionen erfolgen wie diejenige bei c>c auf Fig. 4 und die von uns eher zu den grossen Tonusschwankungen gerechnet wird ? Ich meine sogar, dass solche tatsächlich erfolgen; wenn sich jedoch der Hahn in dreifacher Verbindung befindet unter leichter Behinderung des Zurückfliessens des Wassers in die Bürette (was wir in kurzem sehen werden) und sich der Katheter im Anfang der Harnröhre befindet, dann wird man auch begreifen, dass die multiplen Kontraktionen zu verschmelzen trachten; dass ferner, wenn diese Fusion vollkommen oder fast vollkommen ist, man den falschen Ein- druck einer einzigen verlängerten Kontraktion bekommt; dass endlich bei dem ungestörten Eintreten einer einzigen expulsiven Anstrengung der Blase das Myogramm derselben sich deutlich mit allen ihm inne- wohnenden Eigenschaften zu erkennen gibt, vorausgesetzt, dass man hierbei von Atmungsmodifikationen und von möglichen Zuckungen des Tieres absieht. Fig. 6 (Taf. I) zeigt in der Tat bei ab, bc, cd drei unvollständige, noch gut erkennbare Blasenkontraktionen, bei ab’, b’c', c'’d’ dieselben Kontraktionen, verschmolzen in eine einzige verlängerte Kontraktion; 134 B. Bocei: bei @«f das charakteristische Myogramm,-auf das man anspielte und welches kleine Atmungsschwankungen sowie eine etwas stärkere Zuckung bei s aufweist. Im folgenden Kapitel werden wir erfahren, wie man die leicht steigenden Linien beurteilen soll, welche a, a und « vorausgehen, und dann auch die absteigenden, welche auf d, d’ und ß folgen. Nachdem man den Ursprung der langen, sehr langen Kontraktionen aufgeklärt hatte, blieb noch übrig, diejenige der kurzen Kontraktionen zu erklären, wofür Fig. 7 bei «, ß, y, d, e uns ein sehr schönes Beispiel gibt. Da man zu deren Gewinnung die Harnröhre ver- mittelst einer gewaltsam bis zur Blaseneinmündung vorgeschobenen Kanüle rigide machen musste, bleibt die Art ihrer Entstehung ohne weiteres erklärt. Es handelte sich um dasselbe (2) Meerschweinchen, das die Aufzeichnung auf Fig. 6 (Taf. I) geliefert hatte und welches bei jener Gelegenheit ebensowenig narkotisiert worden war wie jetzt. IV. Die typischen Blasenkontraktionen. Es sind das diejenigen, welche dem Miktionsbedürfnis genügen und daher einen grossen Teil des Blaseninhalts auszutreiben ver- mögen. Mit unseren Versuchsmitteln müssen sie dargestellt werden, indem man die dreifache Verbindung herstellt, d. h. bei in diesem _L Sinne gedrehtem Hahn und mit im Anfang der Harnröhre befindlichem Katheter. Um eine genügende Beeinflussung der mit dem Marey- schen Manometer in Verbindung stehenden Schreibkapsel zu er- möglichen, wird man mit einer Schraubenklemme das Kautschukrohr mehr oder weniger zusammendrücken, welches den Ast a (Fig. 2 I. Teil) des dreiwegigen Hahns mit der Bürette verbindet: wir legen diese Klemme gerade in der Nähe des Astes a an. Man achte darauf, dass man beim Zuklemmen des Rohres nie- mals das Zurückfliessen ‘der Flüssigkeit in die Bürette zu sehr be- hindere; in diesem Falle nämlich würde der Zweck der Miktion ausbleiben, und die Blase, welche sich unbedeutender Mengen Flüssig- keit entledigen würde, würde durch das Weiterbleiben derselben un- unterbrochen gereizt und zu unregelmässigen Kontraktionen ge- zwungen werden. ER Wenn dagegen die Abk smoelichkeit genügend ist, wird die Blase ihre Kontraktion ganz bequem ausführen können unter Nach- lassen des Drucks und Rückkehr zur Ruhelage, so dass eine detaillierte und sichere Untersuchung ihres Myogramms ermöglicht wird. Es Die Harnblase als Expulsivorgan. wäre unnütz, auf diese Vor- sichtsmaassregeln näher einzugehen, wenn wir nicht gerade ihretwegen zu Re- sultaten geführt worden wären, welche von den in.den Büchern sowie in den wissenschaftlichen Mo- nographien aufgenomme- nen bedeutend differieren; diese Resultate fordern uns auf, die Auslegung des Myogramms der Harn- blase zu korrigieren und erneut zu untersuchen sowie weiter zu überlegen, ob die glatten Fasern der Hohlorgane, nach strengen Methoden untersucht, nicht fast in jedem einzelnen Fall ihre Tätigkeit in vollkommen entsprechen- der und analoger Weise äusssern. Man betrachte die Fig. 8 (Taf. D: sie zeigt eine Aufzeichnung, die unter den vorherge- nannten Verhältnissen er- halten wurde sowie un- ter Benützung desselben Meerschweinchens , wel- ches die multiplen und fortdauernden Kontrak- tionen geliefert hatte; dasselbe zeigte die äussere Harnröhrenmündung noch entzündet wegen der er- littenen Ligatur. Nach Die glatte Muskelfaser. II. 135 Fig. 7. 136 B. Bocei: Entleerung der Blase hatte man in dieselbe 3 ccm Wasser von 28° C. Temperatur eingelassen. Abgesehen von den durch Be- wegungen und Zuckungen des nicht narkotisierten Tieres ver- änderten (und durch einen doppelten Pfeil angezeigten) Kontrak- tionen, zählt man im ganzen 26 regelmässige Zusammenziehungen, und zwar beginnend mit den der Abszisse aufliegenden, um weiter bis zu den anderen, weiter oben gelegenen, zu gelangen: jede von hnen ist durch einen Pfeil und einen Punkt gekennzeichnet. Bei Betrachtung z. B. der acht Kontraktionen der vorletzten Linie und auch der anomalen mit zwei Pfeilen gekennzeichneten entnimmt man, dass sie von a bis a in runder Zahl 150 Sekunden begreifen ; unter sich sowie mit allen anderen verglichen, geht deutlich hervor, dass bei allen ein gewisser, hier und dort durch die Bewegungen und Zuckungen des Tieres veränderter Rhythmus besteht. Die Dauer jeder Kontraktion beträgt 19 Sekunden, die ungefähr zu gleichen Teilen auf den auf- und absteigenden Ast jedes Myogramms entfallen. Es wäre unrichtig, die Linie, welche zwischen Myogramm und Myogramm im eigentlichen Sinne des Wortes liegt — d. h. die der Abszisse mehr oder weniger entlang verlaufende Linie —, voll- ständig dem absteigenden, vorhergehenden Kontraktionsast zuzu- teilen. Man sieht deutlich, dass diese Linie auf ungefähr der Hälfte ihres Verlaufs allmählich ansteigt und eine Tonuszunahme anzeigt, welche nach unserem Dafürhalten als ein 4 bis 5 Sekunden dauerndes Vorbereitungsstadium für die Kontraktion oder als semilatente Periode derselben betrachtet werden muss. Aber da bei jedem Nachlassen der Blase in diese ungefähr die- selbe Menge Flüssigkeit zurückgelangt, da ferner auf diese periodische Wiederkehr eine elastische Reaktion folgt, warum hätte diese letztere die Tonuszunahme, auf die angespielt wird, nicht erklären können? Die Antwort auf diesen Einwand findet sich in den Auf- zeichnungen (Fig. 7), die man bei an der Blaseneinmündung liegendem . Katheter aufgenommen hat, wobei die elastischen Reaktionen zu keiner Tonusvermehrung Anlass geben, wie sie doch an den Kurven deutlich hervortraten, die bei am Harnröhreneingang fixiertem Katheter erhalten wurden, während der äussere Sphinktermuskel vollkommen freigelassen wurde (Fig. 6 auf Taf. ]). Diese Fig. 6 zeigt jedoch, ausser des Myogramms «ß, distinkte multiple Kontraktionen (ab, bc, cd) und verschmolzene Kontraktionen (a b’, bc’, c'd‘); wie kommt es nun, dass sich die ersten wenig und Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 137 die zweiten gar nicht auf der Fig. 8 zeigen? Man muss nicht ver- gessen, dass das Meerschweinchen, welches diese Aufzeichnung lieferte, eine Hyperästhesie in der wegen der fortgesetzten Ligatur ent- zündeten Urethra aufwies; da das Tier die bei jedem Einfliessen von Wasser hervorgerufenen Blasenkontraktionen nicht vermeiden konnte, wich es allen anderen aus, die ein sehr schmerzhaftes Komplement der ersteren gewesen wären. Der Vergleich der Kurven auf Fig. 7 und 8 mit den besten, von Buresti durch den Reiz von Induktionsströmen mit der Meer- schweinchenharnblase erhaltenen lässt keinen Zweifel über ihre Ähn- lichkeit aufkommen: hierbei darf man nicht vergessen, dass sie photographisch auf ein Drittel ihrer natürlichen Grösse verkleinert worden waren (Fig. 1 I. Teil, und Fig. 3, 4, 5, 10, 11, 13 II. Teil). Der Vergleich auch aller dieser Kurven mit derjenigen der isotonischen Kontraktion des quergestreiften Muskels (v. Helm- holtz, 1890) lässt die Unterschiede nicht erkennen, die man in Anbetracht der über den glatten, der Blase oder einem anderen intakten oder verletzten Organ gehörigen Muskel erhaltenen gra- phischen Daten mit gutem Recht hätte erwarten können. Man kann wohl, ohne irre zu gehen, sagen, dass zwischen den klassischen, mit dem Froschgastroenemius erhaltenen Resultaten und denen, die die Blase des Meerschweinchens liefert, keine grosse Formdifferenz besteht: weiter oben gaben wir die Gründe an, warum wir die Dauer eines jeden Myogramms auf 19 Sekunden berechnet haben. Der Unterschied zwischen diesen Myogrammen und denen, die Stewart mit der Harnblase der Katze erhielt, ist bedeutend. Aus einer von Grützner!) angeführten Tabelle entnimmt man, dass Stewart für das Myogramm der Harnblase bei der Katze eine Dauer von 40—41 Sekunden bekam, und zwar entfielen 5—6 Se- kunden auf den aufsteigenden und 35 Sekunden auf den absteigenden Ast. Während Stewart das Stadium der latenten Reizung auf 0,25 berechnet, finden wir, da wir in dieses Stadium auch das andere, vorbereitende der Kontraktion, das so häufis von einer Tonuszunahme charakterisiert wird, miteinberechnen, eine Dauer der latenten Periode, die mehrere Sekunden beträgt. Aus diesem allem kann man folgendes schliessen : 1) P. Grützner, Die glatten Muskeln. Ergebn. usw. S. 56. 138 B. Bocei: Die Kontraktion des Detrusor veseicae ist, wenn sich sich unter guten Versuchsbedingungen vollzieht, weniger langsam, als man bis jetzt angenommen hat; das Latenzstadium ist lang, und werden wir die Gründe dafür nächstens kennen lernen. Das durch die ansteigende Linie dargestellte Stadium der zunehmenden Energie muss logischer- weise mit dem anderen vorbereitenden der einfachen Tonuszunahme vereinigt werden; diese letztere würde dann das Stadium der halb- latenten (nicht latenten) Energie darstellen, weil sie durch geeignete Maassregeln in den Aufzeichnungen erkennbar ist. Das Stadium der halblatenten Energie, vereinigt mit demjenigen der zunehmenden Energie, woraus sich nach unserer Meinung die ganze Phase der Kontraktion zusammensetzt, äussert sich auf dem Myogramm durch eine Kurve, welche, auf der Abszisse gemessen, ungefähr dieselbe Dauer aufweist wie das Stadium der abnehmenden Energie oder Nachlassungsphase. Es handelt sich also um unerwartete Resultate, welche all in wunderbarer Weise vereinfachen und deren allgemeine Auslegung kein Hindernis finden kann in den ebenso regelmässigen und rhyth- mischen graphischen Darstellungen, welche diese vorbereitende. Tonuszunahme. nicht zeigen oder aber ein echtes und eigentliches Sinken des Tonus aufweisen (Fig. 7). Solche erhielt man in der Tat mit dem bis zum Blaseneingang vorgeschobenen Katheter. Man wird vielleicht einwenden: wie ist es möglich, in der Linie x, x die Tonuszunahme, von der die Rede ist, zu erkennen sowie die Tonusabnahme in der Kurve «’, « auf der Fig. 8 nicht zu sehen ? Man erinnert sich, dass das Meerschweinchen nicht narkotisiert war und dass von Zeit zu Zeit auf dem Diagramm die verstärkten Atmungsbewegungen sowie die Zuekungen des ganzen Tierkörpers zum Ausdruck kamen, die, wenn auch selten, doch unmittelbare und mittelbare, die typischen Myogramme mehr oder weniger ver- ändernde Wirkungen hervorbrachten. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist (Fig. 9 auf Taf. II, erhalten von einem unter den gleichen Versuchsbedingungen sich befindlichen, aber sehr ruhigen Meer- schweinchen), lassen sich die genannten Erhöhungen des Tonus mit der grössten Deutlichkeit erkennen und werden von den höheren, auf die Abszisse gefällten Vertikallinien angegeben; die zwei Pfeile geben die Kontraktionen an, welche gegen das Ende sowie die Mitte der absteigenden Äste der respektiven Myogramme aufgetreten sind.. Dem aufmerksamen Beobachter zeigt sich der identische Fall auf Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 139 Fig. S, wo manchmal die multiplen, deutlichen Kontraktionen der Fig. 6 wiederkehren. Die zweite Serie von Kurven auf der Abszisse (siehe dieselbe Fig. 8 auf Tafel I) ist bei y deutlich unterbrochen, weil das Meer- schweinchen sehr unruhig und zwar unruhiger war als bei 9; nie- mand könnte wohl in Abrede stellen, dass die Folgen einer solchen Unruhe auf den Myogrammen zum Ausdruck kommen müssen als Abweichungen von der Norm des Tonus, der das latente oder besser, wie wir es lieber bezeichnen, das semilatente Stadium bildet. | Dies genügt jedoch nicht und soll auch nicht der wissenschaft- lichen Analyse sowie der Überlegung genügen, die sich auf dieselbe gründet. Man denke einen Augenblick an die Wirkung der Senkung der Klemmsehraube, und man wird zugeben müssen, dass wegen des Zusammendrückens der Röhre ein unbedeutendes Zurückfliessen von Flüssigkeit in die Bürette, in die Blase sowie in das Manometer stattfinden muss, unter Zunahme des Druckes in: dem letzteren. Diese Zunahme wird allerdings einen kleinen, nicht erkennbaren Bruchteil eines Millimeters Hg betragen, aber dennoch genügend sein, um in der Blase eine wirklich auffallende Reaktion hervor- zurufen. Mit einem geringen peripheren Hindernis erhält man Folgen, die man nie hätte erwarten können, durch die Einführung nicht nur von einem, sondern sogar von mehreren Kubikzentimetern Flüssigkeit. Der Versuch hat uns nun dargetan, dass die Harnblase richtig funktioniert, d. h. unter regelmässigen Zusammenziehungen, sobald man dieses periphere Hindernis mit der grössten Sorgfalt abmisst und man es dem Detrusor ermöglicht, sich, um so zu sagen, auf die Myogramme durch von ihm wahrscheinlich unabhängige Tonus- zunahmen vorzubereiten. Die Fig. 10 lässt sechs Serien von Kurven sehen; die vescicalen bei Y, die kardio-respiratorischen bei CR (so genannt, weil sie von einer 2 mm im Durchmesser haltenden Kanüle übertragen werden, welche in die Speiseröhre eingeführt ist und mit einer Schreibkapsel in Verbindung steht [Esploratore esofageo nach Ceradini]). Die Harnblase des (2) Meerschweinchens enthielt 5 eceem Ringer’sche Lösung. Alle Kurven weisen Atmungsschwankungen auf; dieselben sind jedoch von «@ bis a’ fast vollständig verschwunden und ermög- lichen damit, die mässige, zur Kontraktion vorbereitende Tonus- erhöhung zu erkennen. 140 B. Bocei: Man kann also über die Richtig- keit der von uns gegebenen Aus- legung der Myogramme der Harn- blase nicht zweifeln, sondern man muss zugeben, dass, um den regel- mässigen Typus derselben zu fassen, man sich nicht von der Methode sowie von den Vorsichtsmaassregeln und der Sorgfalt entfernen darf, die man ihnen zuwenden muss. NINE NN i ER me IND TUN UN LRTUTD ZU N UT V. Reflektorische Erregbarkeit der Harnblase. Über die Frage, ob eine Summation von zwei oder mehr Kontraktionen für zwei oder mehr direkte Reizungen des Or- gans möglich sei. Der Tetanus. ee zur AAN TE 7 ent pNDNMMMNANAN NNNNENANANANNANANIANMNNMHn mr w' Man hat behauptet, dass die Harnblase auf reflektorischem Wege leicht erregbar sei, und man hat, um dies zu beweisen, sehr ver- schiedene Wege eingeschlagen: so hat einer einen der Nerven gereizt, welche zu den Extremitätenmuskeln verlaufen (zumeist den Ischiadieus), ein anderer den Vagus, ein dritter die Haut an verschiedenen Stellen, ein vierter endlich das Seh- oder das Hörorgan. nannten te ann u E07 EEE 7 EEE u N REES IM INNÄAUNNANNNAMNNI Fig. 10. wann TLLESIE III FTISUTUPLFLFL UFER" Pr afnnmarunm Lem Ma TAETENTLPLT UNE ELITE LUFT ET [e} NNIWU Sein ee r mm / a ! \ \ N | NDS PU S \ nen NENNE Een ae Man hat auch nicht daran gezweifelt, beim Tiere irgendein psychisches Phänomen hervorrufen zu können, infolgedessen die Harnblase ihre bestehenden (mit der graphischen Methode auf- gezeichneten) Kontraktionen ver- mehrt oder vermindert oder auch dieselben vorübergehend unter- Fi nt FE NET Kin NV NA mu N Ds HN Nenn , 72 K IE u. u DATA AN Ms ni WERUNENEFOWEEUWIN, a MY WN DArEy‘ ca Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 141 drückt hätte, um sie ebenfalls infolge von bewussten Impulsen wieder aufzunehmen. Ich will bei dieser Gelegenheit durchaus nicht wiederholen, was ich über die Reflexphänomene im allgemeinen sowie über die Mög- lichkeit, sie aufzuheben oder sie zu unterstützen, geschrieben habe !). Ich will mich bloss darauf beschränken, zu sagen, dass es keinen grossen Nutzen hatte, bei Tieren Versuche anzustellen, welche wir mit oder ohne unseren Willen tagtäglich an unserem eigenen Körper oder in unserer Denksphäre ausführen. Ich glaube, dass es jeder- mann bekannt ist, dass ein plötzliches Geräusch, die unerwartete Wahrnehmung eines Gegenstandes die Harnentleerung erschweren können; eine heftige Aufregung kann in manchen Fällen die Urin- funktion erleichtern, in anderen wiederum sie behindern. Und man sieht ein, dass man unausbleiblich zu letzterem Ergebnis kommt, indem man jemand beim Urinieren kitzelt oder ihm auf ein Hühnerauge tritt. Viele unter uns, die gewohnt sind, Öffentlich zu sprechen, fühlen einige Minuten vorher ein Bedürfnis zum Urinlassen; dies gelingt fast uns allen nicht oder nur mit einiger Schwierigkeit bei rigidem Penis und nur mit grosser Mühe gleich nach einem Koitus. Wir können das Bedürfnis des Urinierens, auch wenn es sehr dringend ist, nur schwer befriedigen, wenn eine oder mehrere Per- “sonen neben uns stehen; endlich bedeutet Wollen bei dieser Ver- richtung nicht immer auch Können. In den Tierversuchen äussert sich die Blasenfunktion insofern regelmässig, als wir es ermöglichen, Flüssigkeit unter entsprechendem Drucke auszutreiben. Auf eine erste Zusammenziehung folgt die zweite, die dritte, die vierte, wobei diese häufig in mehr oder minder erkenubarer Weise in den absteijgenden Ast der ersten Kontraktion einschieben. Ein sensibler Reiz muss, woher er auch herrühren mag, nach einer Latenzperiode Kontraktionen hervorrufen oder deren graphische Form oder deren Rhythmus verändern, damit man sagen könne, dass er die Harnblase beeinflusst habe. Falls weder das eine noch das andere eintritt, kann man nicht behaupten, dass der Reiz wirklich auf die Harnblase eingewirkt hat. Fig. 10 zeigt bei ® die kardio-respiratorische Unterdrückung, hervorgebracht durch Reizung des nicht durchschnittenen rechten 1) B. Boceci, Studi critici e sperimentali etc. Cap. X p. 81 e segg. {1 P k Vu : | e- 2 2 z 2. 2 | n | 2 : Br; UNSSNSNNSNNANAANN —nnnNEANANANAN ANNÄNSANNN NANNSANNNANSSSÄÄRRÄNOSANAANANANNANNANANANNAANNAANANV ur. € . ISÄNAAHANANANNDANAANNANNAN IR | | HYVILLUVVANINANNSN. IS NINNNNS NN N INNNNNNSNNNSN ANNEÄÄÄARANNANANAN SAUISSSNN Fig. 11. B. Bocei: Vagus mit einem Induktionsstrom; die voraufgehende (>) sowie die nach- folgende (+) Kontraktion differieren nicht von den anderen. Der Rhythmus ist nicht verändert, wenn man be- denkt, dass das Kymographion im An- fang seiner Bewegung stets etwas träge ist; bei o hat eine kleine Zuckung des Tieres stattgefunden. Dieselbe Figur zeigt bei w die Wirkungen des Reizes auf den rechts- seitigen (ebenfalls nicht durchgeschnit- tenen) N. femoralis; die Zuckungen bei o' sind multipel, ausserdem ist es unmöglich, sie mit den Veränderungen der Blasenmyogramme und ihres Rhyth- ınus zu verwechslen. Fig. 11 gestattet ausserdem (und zwar in der vorletzten Serie von Kurven, wenn man sie von der Abszisse aus aufsteigend zählt, und zwar gerade bei w), die Hemmung des linken Vagus auf den auch hier durch das Ösophaguskatheter übertragenen Pneumogrammen festzu- stellen, wobei in dem absteisenden Ast des darüberliegenden Myogramms £ keine wahrnehmbaren Resultate zu er- kennen sind; ebenso treten beim Reiz des N. femoralis bei © sowie in der ganzen darüberliegenden Wellenlinie keine Veränderungen auf, die man auf Blasenkontraktionen beziehen könnte, nach dem Myogramm 9, das unmittel- bar voraufgeht. Dieselbe Reizung des rechten N. femoralis wird (immer mit dem Induk- tionsstrom) bei g in der dritten Linie über der Abszisse wiederholt; in f kommen jedoch nur die Zuckungen des Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 143 ganzen Tierkörpers zum Ausdruck; die Hemmung des linken Vagus (7) lässt nichts Besonderes (?) entdecken. In der doppelten Kurvenserie über der Abszisse endlich, d.h. in den Punkten p, p, s (Kneifen des linken Hinterfusses), p, ® (Kneifen an der Vulva), ?, !, © (Kneifen an der unteren Mundlippe, und zwar zweimal wiederholt) kann man, wenn man von den unvermeidlichen, von der Atmung und von den Bewegungen des ganzen Tierkörpers hervorgerufenen Veränderungen absieht, merkliche Harnblasenmyo- gramme nicht erkennen. Und dennoch war das Meerschweinchen leicht eingeschlafen und die Empfindlichkeit der Blase ausgezeichnet, was schon im Beginne daraus hervorging, dass beim Drehen des Hahnes von der __-Stellung in die H-Stellung man sofort eine maximale Kontraktion (4 rub. -) erhielt. Falls nun jemand eine Veränderung der Harnblasenmyogramme infolge von ähnlichen oder analogen Reizen beobachtet hat, so hat es sich dabei sicherlich um nicht autochthone Veränderungen gehandelt; das Organ hätte also seine typischen Kontraktionen trotz der Reizung beschrieben, wenn nicht die Unterleibsaktion und die Körperkontorsionen auf eigene Rechnung gewirkt und reagiert und so den normalen Gang der Kurven gestört hätten. Dies alles jedoch bedeutet durchaus nicht, dass man auf den verschiedensten reflexen Wegen bedeutende Wirkungen bei der Harn- blase erzielen könnte; die tägliche Erfahrung an uns selbst belehrt uns des Gegenteiligen. Aus diesem allem geht hervor, dass der Reiz der Flüssigkeit, welche abwechselnd unter geeignetem Druck ein- gelassen und herausbefördert wird, so stark über jeden anderen be- gleitenden, nahen oder fernen Reiz prävaliert, dass es nur letzterem gestattet ist, allgemeine, von dem Organ meist unbemerkte Einflüsse auszuüben. Man wird leicht begreifen, dass der verstärkte Strahl des Urins, der bei dem einen Individuum auf die Zunahme der Kontraktion der Blase zurückzuführen ist, bei einem anderen Individuum von dem energischen, fortgesetzten Pressakt abhängig sein kann. Wenn dieser Akt auch auf die Blasenkontraktion eingewirkt haben mag, so kann er gewiss doch nicht mit dem anderen Akte lokaler Natur zusammengeworfen werden. Eine und dieselbe Ur- sache, z. B. das Juckgefühl in den Geschlechtsorganen, kann wohl bei zwei Individuen den gleichen sichtlichen Effekt verursachen; der 144 : B. Bocei: Ausführungsmechanismus jedoch wird nichtsdestoweniger ein ver- schiedener sein, in dem einen Falle reflektorisch mit kurzem diastal- tischem Bogen, vielleicht im Bezirke des urogenitalen Apparates allein, in dem anderen willkürlich-reflektorisch mit weitem und multiplem diastaltischem Bogen. Angenommen, die zwei Harnblasen wären verbunden mit ge- eigneten graphischen Apparaten, so könnte der Beobachter den wahren Mechanismus, der die beiden verstärkten Bewegungen be- wirkt, nicht beurteilen, wiewohl er auch von der Reizung, sei sie spontan oder künstlich verursacht, wüsste. Man könnte sich denken, dass ein auf dem Abdomen befestigter Pneumograph den verstärkten Anstoss der unter ihm liegenden Organe beim Pressakt auf eine Schreibkapsel übertragen und so ermöglichen könnte, die in Rede stehende Verstärkung des Blasenmyogramms dem Presseffekt unterzuordnen; aber die von einem Ösophagus- katheter übertragenen kardio-respiratorischen Schwankungen zeigen mit Deutlichkeit an, dass sie im ganzen breiten und abgerundeten Höhepunkt der Myographenkurve der Harnblase weiter werden, und da dem höheren Abfallen der Linie eine Abnahme des intrathorakalen Druckes und ferner dem Ansteigen eine Zunahme dieses selben Druckes entspricht, wird man schwer verstehen können, dass diese gegenteiligen Effekte einen wirksamen Einfluss auf die Blase aus- üben können. Man kehre zur Fig. 10, und zwar auf die erste Gruppe von Kurven nach der Abszisse, zurück: die einen (0, R) kardio-respira- torisch, die anderen (V) vesceical: Dem ganzen breiten Höhepunkt. des Myogramms u entsprechen in m ... . m die verstärkten respira- torischen Exkursionen. Diese Tatsache geht noch deutlicher hervor, wenn man höher, zur zweiten Gruppe der indirekten Herzpneumo- gramme und der Blasenmyogramme übergeht. Die Beobachtung lässt. dann gar keinen Zweifel aufkommen, sobald man sie auf die grosse Kurve (x rub. -) der Fig. 11 lenkt. Der stärkere Presseffekt der absteigenden Linie jedes indirekten Pneumogramms jedoch wird gleich nachher von der entgegengesetzten. aufsteigenden Bewegung korrigiert; man wird daher nicht recht ein- sehen können, von welchem Nutzen diese günstige und dem Abdominal- druck entgegengesetzte Wirkung für den Blasendruck sein könne.. Die andere wichtige Frage der Superposition (Summation) zweier Kontraktionen, die sich zusammen aufzeichnen mit der Tendenz, zu Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 145 verschmelzen und ineinander überzugehen, und die um so deutlicher ist, je kleiner der Zeitintervall zwischen zwei Reizen ist (7”—3 Se- kunden), bot ein ganz besonderes Interesse nach den von Stewart!) mit der Harnblase der Katze erzielten schönen Resultaten. Eine solche Frage war sogar notwendigerweise mit der anderen der Super- position (Summation) verschiedener Kontraktionen mit einer Skala von ansteigenden und mit einem immer weniger welligen Höhepunkt versehenen Kurven verbunden, bei denen die zahlreichen und be- schleunisten Reizungen nicht mehr erkannt werden konnten. Stewart selbst erhielt diesen Tetanus, indem er den mit dem Induktionsstrom hervorgerufenen Reizungen einen Intervall von 1 Sekunde gab; die Blase der Katze war von der Basis bis zum Scheitel zwischen zwei Metallhaken gestreckt und bei Körpertemperatur gehalten. Wenn nıan bedenkt, dass die von einem hinlänglichen Gewicht zwischen zwei Haken (nach Stewart) gestreckt gehaltene Blase sich in einem Zustand vertikaler Dehnung der Muskel-, Bindegewebs- und elastischen Fibrillen befand, welche so andauernd, partiell und verschieden ist von derjenigen, welche in intermittierender und regel- mässiger Weise von dem vermehrten Flüssigkeitsvolumen ausgeübt wird, so weiss man, die grosse Wichtigkeit eines Vergleichs zweier und mehrerer von dem Induktionsstrom auf die Harnblase des Meerschweinchens (oder eines anderen Tieres) ausgeübten Reize an- zuerkennen, wobei das Organ einfach blossgelegt ist und sich ver- mittelst einer dreiwegigen Röhre mit der Bürette und dem Marey- schen Manometer in Verbindung befindet. Dieser Versuch ist von uns unternommen worden und wird der Gegenstand einer besonderen Abhandlung sein, wobei sie mit einer anderen, ähnlichen, an dem Uterus ausgeführten verbunden werden wird, wo die Möglichkeit von tetanischen Kontraktionen viel all- gemeiner angenommen wird. Die wenigen, bis jetzt unternommenen Versuche haben uns einen relativen Widerstand der ruhenden oder aktiven Blase (spontane Kontraktion) gegenüber der Superposition zweier Kontraktionen dargetan; sie zeigt ferner einen grossen Wider- stand der Superposition von mehreren Kontraktionen und noch mehr ‚der Fusion derselben in eine einzige tetanische Kurve; weitere Versuche werden in der Folge sagen, ob dieser Widerstand in jedem einzelnen Fall und für verschiedenartige Organe ein absoluter ist. 1) Cholin C. Stewart, Mammalian smooth muscle. The cats bladder. Amer. Journ. of Physiol. vol. 4 p. 185 e segg. 1901. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 10 146 B. Bocei: VI. Uber die Frage, ob in tiefer Narkose Einflüsse von seiten der Atmung und des Blutdruckes auf die Blasenkontraktion be- stehen. Regulatorische Hilfsmuskeln des Blasendruckes. Ich halte es für unnötig, hervorzuheben, dass es bei kleinen Tieren wie beim Meerschweinchen nicht nützlich ist, die Versuchs- technik mit der Anwendung von umständlichen Apparaten zu kom- plizieren, welche ausserdem nicht immer den vielseitigen Zwecken der Untersuchung dienen könnten. Ich habe daher unterlassen, den Marey’schen Doppelpneumographen bei den Kaninchen zu benützen und noch mehr, feine Glaskanülen in die so dünne Karotis zur Messung des Blutdrucks einzuführen, auch vorausgesetzt, dass dieser Versuch gelingen könnte. Nach den von Magini!) und von mir?) publizierten Studien über die Anwendung des graphomanometrischen, direkt in einen oder anderen Herzventrikel einzuführenden Troikarts hätte man nicht zweifeln dürfen, dass dieser Versuch, wie bereits beim Hunde und beim Kaninchen, auch beim Meerschweinchen eine nützliche Anwendung hätte finden können; ich wurde jedoch durch einige Betrachtungen davon abgebracht, welche ich hier in Kürze an- führen will. Der Ösophaguskatheter lässt, wiewohl nicht immer in derselben Weise, in den von ihm gelieferten Aufzeichnungen doch einige der charakteristischen Modalitäten des Herzschlags leicht erkennen. Aus diesem Grunde wurden seine Kurven von Luciani?°) kardio-thorakale genannt. Wenn man nun bedenkt, dass bei ihnen die absteigende Linie derselben Linie des von dem bekanntesten Pneumographen von Marey gelieferten Pneumogramms entspricht, geht deutlich hervor, dass man mit beiden Mitteln die inspiratorischen und exspiratorischen Variationen des intrathorakalen Drucks genau auf- schreiben kann. Man geht daher nicht fehl, wenn man den mit dem “Ösophaguskatheter erhaltenen Aufzeichnungen den Namen Pneumogramme gibt. 1) G. Magini, Nuovo strumento per studiare la pressione del sangue nella cavitä del cuore. Bollett. d. R. Accad. Med. di Roma. Anno XII no. 3. 1886. 2) B. Bocci e A. Moscucci, aiuto. L’ ascoltazione del primo tono del cuore nei suoi rapporti col tracciato della pressione ventricolare. Il Policlinico. VII-C. 1900. 3) L. Luciani, Delle oscillazioni della pressione intratoracica e intrad- dominale. Arch. per le Sc. med. Anno II, fasc. 2% e 3°, Cap. V. 1877. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II. 147 Da ich!) und Fick?) in der Folge nachgewiesen haben, dass bei der ruhigen Atmung die Tätigkeit der Interkostalmuskeln im Vergleich mit derjenigen des Zwerchiells viel deutlicher ist, eignete es sich zweifelsohne für die Lösung der ersten, in diesem Kapitel vorgelegten Frage, die beiden Zwerchfellnerven elektrisch zu reizen, in der Absicht, die ruhige Atmung während der Narkose zu ver- ändern. Nach Durchführung einer dieken Fadenschlinge unter die auf eine kleine Strecke isolierten und nicht durchgeschnittenen Zwerchfell- nerven hindurch wurde sie darüber zusammengeschlungen und mit physiologischer Kochsalzlösung benetzt; die Schlinge wurde von hakenförmigen Ebonitelektroden in die Höhe gehalten (Verdin), welche mit dem Bocci-Morse’schen®) Schlüssel in Verbindung standen; dieser letztere gründet sich auf dem Prinzip des Schlüssels von du Bois-Reymond und erlaubt, zum Unterschied von diesem, in ıhythmischen Schlägen Entladungen zu senden. Zum Beweise betrachte man Fig. 12 auf Tafel II. Oberhalb des Sekundensignals befinden sich drei Reihen von Aufzeichnungen; die erste (5) ist die graphische des elektrischen Signals, die zweite (Ee) diejenige des Ösophaguskatheters, die dritte (Y) diejenige der Harnblase. Bei end von S findet die Reizung der Zwerchfelinerven statt; ihr entspricht die grössere Exkursionsweite und die verniehrte Anzahl der Pneumogramme. Alle diese Buchstaben wiederholen sich mit derselben Bedeutung in der zweiten Gruppe (2). Es treten bloss drei Blasenkontraktionen auf, die erste und die letzte davon sehr hoch; der grosse Pfeil bedeutet die Unterbrechung der Blasen- und Ösophagusaufzeichnung (2), damit letztere nicht den Scheitel des ersten Blasenmyogramms durchkreuze, welchem eine völlig horizontale und entsprechend den Reizungen gewellte Linie vorausgeht. Es wird darauf bloss hingedeutet; das Myo- gramm (V), mit welchem diese Linie beginnt, wird nicht in Be- tracht gezogen; dasselbe wäre den anderen gleich gewesen, falls man es regelrecht hätte aufzeichnen können, ohne das Hindernis der 1) B, Bocei, Contributo alla fisiologia della respirazione. Estratto dal Giornale „La Rivista clinica“ 1882. 2) A. Fick, Einige Bemerkungen über den Mechanismus der Atmung. Festschr. d. Ver. f. Naturk. zu Kassel. 1886. - 8) B. Bocei, Note ed appunti di tecnica fisiologica p. 36. Lazzeri, Siena 1900. 10 * Fig. 13. B. Bocei: Anfangsträgheit eines viel weniger beweg- lichen Zylinders als die übrigen des Kymo- graphen von Ludwig (Modell Baltzer und Schmidt). Bei fast: vollständig übereinanderge- schobenen Rollen dauerte der kürzeste Reiz ungefähr 8, der längste 24 Sekunden; zwischen diesen beiden Extremen variierten die übrigen sehr stark. Alle modifizierten den intrathorakalen und den intraabdominellen Druck; keiner unter ihnen bewirkte eine Kontraktion, da auch für die zwei Myogramme der zweiten Gruppe zu viel Zeit zwischen dem Anfang eines jeden von ihnen und dem- jenigen der Reizung liegt. Die Tatsache ferner, dass dasselbe Meerschweinchen noch während einiger Zeit ähnliche und ungefähr gleich voneinander abstehende Myogramme lieferte ohne Hilfe irgendwelcher nervösen Reizung und bei fortdauernder tiefer Nar- kose, macht die von uns der Fig. 11 ge- gebene Auslegung nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher. Fig. 13 zeigt bei cv über der Abszisse eine Blasenkontraktion, welche bei deniselben Meerschweinchen nach einer stark protra- hierten Dauer der Chloroformnarkose von einer anderen Kontraktion gefolgt ist; sie waren versuchsweise einzeln für sich, d. h. nicht zusammen mit den Ösophaguspneumo- srammen aufgeschrieben worden. Oberhalb der- selben stehen zwei Gruppen von Kurven (Z, 2), von denen jede aus Pneumogrammen und aus Blasenmyogrammen besteht; eines von den letzteren, welches sehr unregelmässig und ziemlich auffallend ist, wurde auf der Figur mit: „eontrakt. veseica“ gekennzeichnet. » Nach Blosslegung der Karotiden und Durchführung eines Fadens unter jede von Die Harnblase als Expulsivorgan. _Die glatte Muskelfaser. II. 149 ihnen wurden die Enden derselben einem Assistenten übergeben, welcher vorsichtig zog, bis er eine genügende Zusammenschnürung der Gefässwände erhielt; auf diese Weise konnte man den Kreis- lauf ohne den Nachteil einer Ligatur unterbrechen oder wieder- herstellen. Während der Dauer jeder einzelnen Unterbrechung des Karotidenkreislaufs treten gar keine Blasenmyogramme auf; auch kann als solche nicht die leichte Ondulation betrachtet werden, welcher über der Aufschrift „Kompression der Trachea“ steht. Indem wir unterlassen, über den sicheren Einfluss zu sprechen, welehen die Abdominalmuskeln auf die Blasenkontraktion bei den veränderten Bewegungen entschieden aktiver Atmung ausüben, können wir uns nicht enthalten, etwas auf die so nützliche Hilfsaktion hin- zudeuten, welche der äussere Sphinktermuskel der Urethra sowie die übrigen Dammuskeln dabei entwickeln. Alle unsere Versuche haben dargetan, dass, um regelmässige rhythmische Myogramme der Harnblase zu erhalten, es notwendig ist, dieselbe zunächst zu entleeren, dann den manometrischen Null- punkt herzustellen und einen mässigen Druck mit der Flüssigkeit auszuüben. Eine übermässige Ausdehnung der Blase macht sie, be- sonders wenn sie mit einem hohen Druck erhalten wurde, inaktiv für einige Zeit; auch das Einlassen von über 38° C. warmem Wasser stellt sich oft als nachteilig heraus. Mehrmals ist es mir begegnet, untätige Blasen nach der Ein- führung von 3—5 cem Flüssiekeit bei einem mässigen Druck von 8—10 mm zu finden; in solchen Fällen genügte es, das periphere Hindernis mit Hilfe der in der Nähe des Astes a (Fig. 2 1. Teil) des dreiwegigen Hahnes angebrachten Klemme um ein weniges zu vermehren, um bemerkenswerte und mit grosser Regelmässigkeit aufeinanderfolgende Myogramme zu erzeugen. Als ich ohne Hilfe dieses kleinen, aber wertvollen Mittels zu den sukzessiven Erhöhungen der Bürette meine Zuflucht nahm, war das Resultat davon oft das Gegenteilige von demjenigen, welches ich erwartete; daraus schloss ich, dass irgendein Druckmechanismus mit kleinen Abstufungen normalerweise vor dem Akte der Urin- entleerung wirken müsste. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, auch nur oberfläch- lich die blossgeleste vesceico-pubische Gegend zu elektrisieren; man bewirkt so vorwiegend eine Kontraktion der Sphinkteren und der Dammuskulatur. Falls sich der dreiwegige Hahn in der Stellung —| 150 B. Bocei: befindet, erlaubt die auf den Bürettenstand gerichtete Aufmerksam- keit, leichteste Schwankungen zu erkennen, welche denjenigen voll- kommen analog sind, die man durch eine leichte Drehung der Klemmschraube erzeugen konnte. Dazu ist es notwendig, dass der Katheter oder die Kanüle eben ein wenig in die Urethra eingeführt wird. Übrigens erlaubt schon eine sehr oberflächliche Beobachtung, festzustellen, dass die geringen Exkursionen des Katheters in der Harnröhre oder vielleicht auch bloss dessen Verweilen im Kanal bei den Meerschweinchen eine periodische Entleerung von Kot und infolgedessen auch Drucksehwankungen im ganzen subpubischen und vesceico-intestinalen Gebiet hervorrufen. Die Wichtiekeit dieser Tat- sachen, die scheinbar geringe sind, wird noch mehr im folgenden Kapitel hervortreten, welches von dem Mechanismus der Harn- entleerung handelt. VII. Der Mechanismus der Urinretention und Urinentleerune. Die über die bisher erhaltenen Resultate angestellten sowie einige anderen Betrachtungen, auf die man notwendigerweise noch besonders eingehen muss, erlauben uns schon jetzt, auf die so inter- essante Behandlung des Mechanismus der Harnretention und -ent- leerung einzugehen, über welchen bis jetzt verschiedene und wider- sprechende Meinungen sowie Theorien herrschen. Nach unserer Ansicht ist es fraglos, dass die Retention einer gewissen Menge Harn in der Blase sowohl beim Menschen als auch beim Tiere einen vollkommenen physiologischen Vorgang darstellt; denn es gibt ein erstes Stadium geringer Füllung des Organs, wäh- rend dessen die elastische Reaktion fast Null ist und auch eine Muskelzusammenziehung fehlt. In vielen unserer Versuche, welche bei intakten Meerschweinchen und bei in der Mündung der vorher entleerten Blase liegender Sonde angestellt wurden, gelang es uns, einige Kubikzentimeter Flüssigkeit bei einem Druck von 5—10 mm Hg einzuführen, ohne dass diese Anfangsdruckhöhen durch Herstellung der dreifachen Kommunikation erhalten worden wären. Das Organ reagierte hierbei so wenig, dass es uns in solchen Fällen nie gelang, auf dem Kymographion die Kurve einer echten Blasenkontraktion aufzuschreiben. Dies gelang uns auch nicht besser durch Drehung des Hahnes derart, dass bloss das Manometer mit der Blase in Ver- bindung stand, und endlich auch nicht durch geringe Senkung der Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. I. 151 Klemmschraube bis in die Nähe des Astes « der dreiwegigen Röhre (Fig. 2 1. Teil). In diesem besonderen Zustand der Harnblase träufelt der Harn schneller und unter geringerem Druck aus den Ureteren heraus. Bei der gewöhnlichen Harnentleerung erfolgt beim Menschen kein Austritt der so in die Blase gelangten geringen Menge Flüssig- keit; dies erfolgt dagegen und unter schwachem Strahl bei den An- strengungen während der Kotentleerung und durch die Zusammen- ziehung des Muse. bulbo-cavernosus. Diese Art von Rentention ist durchaus lokaler Natur, d. h. auf die passive Entfaltung des Organs zurückzuführen ; dahingegen ist diese Entleerung exquisit willkürlich und vor allem abhängig von den energischen Anstrengungen der beim Urinakt am meisten in Betracht kommenden Muskeln. Infolge von neuen und immer kleineren Inmissionen von Flüssig- keit wird die elastische Reaktion der Blasenwandungen deutlicher, 'wiewohl man nicht sagen kann, dass Volumina und Drucke in aryth- metischer Progression zunehmen. Dies gilt sowohl für den Er- wachsenen als auch für das Kind; beim letzteren jedoch wird die genaue, zur Harnentleerung nötige Tension vorwiegend durch die allmählich zunehmenden Volumina erreicht, beim ersteren dagegen durch den kräftigen Hilfsmechanismus (äusseren Sphinktermuskel der Harnröhre und Dammuskulatur). Sobald die Blase eine zur Erzeugung der notwendigen elastischen Reaktion genügende Harnmenge aufgenommen hat, gehen aus dem peripheren Organ zahlreiche zuführende Impulse hervor, welche das verlängerte Mark erreichen, ohne dass sie, wie beim Erwachsenen, bis zur Hirnrinde einstrahlen. Beim Kinde jedoch ist die Wirkung der abführenden Impulse häufig eine plötzliche und zwingende; die Harnblase zieht sich zusammen und überwindet den mässigen Schluss des äusseren Harnröhrensphinkters. Die Übertreibung dieser Er- seheinungen infolge von mühsamer und schmerzhafter Dentition, von Würmerkrankheit usw., im Schlafe und beim Nachtwachen führt zu der Erscheinung, die man gemeinhin unwillkürliche Harnentleerung nennt und die ich lieber unbewusste Miktion nennen möchte. Aber falls dies alles den Tatsachen entspricht oder wenigstens sehr wahrscheinlich ist, müsste ein gewisser erkennbarer Unterschied bestehen zwischen den Myogrammen der unwilikürlich-reflektorischen und der willkürlich-reflektorischen Harnentleerung, die man mit unserer Versuchsanordnung erhielt. Und es besteht in der Tat ein 152 B. Bocei: gewisser Unterschied; man kann sich davon überzeugen, indem man die Serie 8 auf Fig. 11 betrachtet, welche aus rhythmischen Kurven zusammengesetzt ist, wobei der absteigende Ast derselben langsam zur Abszisse zurückkehrt, um dann jäh und fast plötzlich empor- zusteigen und damit den aufsteigenden Ast zu bilden: es fehlt mit einem Wort die Tonuszunahme des halblatenten Stadiums. Man erhielt diese Kontraktionen nach totaler Durchschneidung des Rücken- markes entsprechend der Lendenanschwellune, und man könnte sie mit den von uns rhythmische Tonusschwankungen genannten Kon- traktionen verwechseln, wenn ihre Aufzeichnung bei in dreifacher Verbindung sich befindlichem Hahn ihnen nicht einen zweifellos wirksamen expulsiven Charakter verleihen würde. Das klassische Beispiel dafür jedoch wird von der Fig. 12 (Taf. II) geliefert: wo findet man in ihr die Tonuszunahme unseres semilatenten Stadiums in den grossen, beim tief narkotisierten Meer- schweinchen erhaltenen Harnblasenmyogrammen? Wenn also der diastaltische Bogen infolge der reflektorischen Reaktion das Gehirn nicht erreicht, fehlt in den Myogrammen das latente Stadium, oder dasselbe ist wenigstens stark verringert, ebenso wie die Tonus- zunahme, womit es sich in den Aufzeichnungen nach aussen projiziert. Beim Erwachsenen wird die genaue Spannung, die zur Harn- entleerung notwendig ist, besonders mit Hilfe des äusseren, quer- gestreiften Sphinktermuskels erreicht und zwar in folgender Weise: Bei der Anspannung, die mit prompter und vollständiger Elastizität auf die durch die Volumvermehrung zurückzuführende Deformation eintritt, teilt die Harnblase diese Bewegung auch der Harnröhren- portion ihrer Fasern mit, welche nach der Ansicht einiger Autoren den inneren, glatten Sphinktermuskel zusammensetzen. Der hier eingeführte dünne Urinstrahl, der auf diese Weise einem vermehrten Druck ausgesetzt ist, ruft in der benachbarten Schleimhaut multiple Reizungen hervor, welche immer lebhafter und treibender werden als jene gleichartigen und gleichzeitigen, welche vom Detrusor her- rühren. Vermutlich geschieht dies in jenem Punkt der semilatenten Periode des Blasenmyogramms, wo die Linie gerade nahe an der Abszisse verläuft. Die Reize steigen längs des Rückenmarkes hinauf, wobei sie sofort nach den hochgelegenen Regionen der Gehirnrinde hinübertreten, wo der Sitz der echten Empfindung liegt, aus der die willkürlichen abführenden Impulse hervorgehen. Es zieht sich dann der äussere Sphinktermuskel zusammen, wodurch jene geringe und Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II, 153 allmähliche, zu Kontraktion vorbereitende Tonuszunahme entsteht, welche für uns die halblatente Periode derselben darstellt. Nach dieser Periode beginnt das eigentliche Harnblasenmyogramm infolge der reflektorischen Kontraktion des Detrusors, und gleichzeitig verkürzt sich auch jener Teil der äusseren longitudinalen Fasern des- selben, welcher der inneren Harnröhrenmündung zugekehrt ist, be- deutend und vermehrt so die auf den äusseren Sphinkter drückenden Urinstrahlen, welcher nachgibt und dadurch das Ablassen derselben ‚gestattet. Nach Beendigung dieses Aktes (Höhepunkt des Myogramms) eibt die Harnblase wieder nach. Wie kann man aber sagen, wird man einwenden, dass die Kon- traktion des äusseren Sphinktermuskels jene leichte, allmähliche Tonuszunahme bewirkt, welche zur eigentlichen Blasenkontraktion vorbereitet? Wer auf Untersuchungen an der lebenden Harnblase eingeübt ist, um deren Funktion zu studieren, wird bald die un- umgängliche Notwendigkeit einsehen, eine übermässige Füllung des Organs bei übertriebenem Druck zu vermeiden. Falls letzteres dennoch stattgefunden hat, wird der Versuch vergeblich auf ein Resultat warten lassen, und die Aufschreibeapparate werden keine einzige Blasenkontraktion registrieren können. Ein weiteres Resultat ist unter dieser Bedingung bemerkenswert, und zwar folgendes: Nicht einmal die starke elektrische Reizung der blossgelesten Blasenwandungen ist, wenigstens während einiger Zeit, imstande, die Kontraktion des unbeweglichen Organs hervorzurufen. Falls das Volumen der eingelassenen Flüssigkeit und der ausgeübte Druck nieht gerade übermässig waren, wird die Blasenuntätigkeit naturgemäss weder so absolut noch so andauernd sein. Nach Erzeugung einer solchen Untätigkeit in der Blase eines Meerschweinchens (3) gelang es mir leicht, den äusseren Sphinkter- muskel durch Berührung des Verlaufes desselben mit der Elektroden- spitze elektrisch zur Kontraktion anzuregen. Das Abdomen des Tieres war breit eröffnet, die Harnblase stark gefüllt und unbeweg- lich, der Katheter in Verbindung mit dem dreiwegigen Hahn. Natürlich beschränkte sich die elektrische Reizung nicht auf den äusseren Sphinktermuskel allein; dieselbe erstreckte sich vielmehr auch auf die benachbarten Muskeln und auf den Damm, ohne jedoch dass der Detrusor daran teilnahm. Bei der —-Stellung des Hahnes erhob sich der Wasserstand in der Bürette um ein oder zwei Zehntel eines Kubikzentimeters; bei der Stellung |- beschrieb die mit dem Mano- 10 ** 154 B. Bocei: meter in Verbindung stehende Hammerfeder eine Linie, die sich mehr oder weniger von der Horizontalen entfernte und der hyper- - tonischen Linie unseres Blasenmyogramms durchaus ähnlich war. Man wird noch einwenden: was bewog euch, anzunehmen, dass die zuführenden Impulse, welche den Drang zum Harnlassen an- zeigen, ihren Sitz im Gehirn haben und sich so in sensitive um- wandeln? Warum ist ein so langer diastaltischer Bogen notwendig? In einer Publikation von mir!) habe ich die absolute Sicherheit einiger Autoren bekämpft, welche eine Rückenmarkspsyche annehmen. Ich sagte dort: „Wer beim vollständigen galvanoskopischen Frosch eine Rückenmarkspsyche annimmt, weil er in ordinierter und koordi- nierter Weise auf einen Reiz antwortet, unterdrückt die strengen Be- funde des Versuchs mit einer Auslegung von einer Kühnheit und einer Abnormität sondergleichen. Wenn ein vollständiger galvano- skopischer (an den Extremitäten nicht enthäuteter und keinen Schnitt der Beckenknochen aufweisender) Frosch mit dem Fuss das mit Säure- lösung benetzte Papierstück, welches den anderen Fuss reizt, ent- fernt oder wenn er beide Absätze auf die Steisshaut bringt, falls der abnorme Reiz daselbst einwirkt, so vollbringt er gewiss ordinierte und koordinierte, zweckmässige Bewegungen; zu solchen Bewegungen jedoch genügen die ausgedehnten und bis zu einem gewissen Punkt bildlichen Rückenmarkseindrücke des Gegenstandes. Man kann sehr wohl einen Automaten mit einem Zentralsystem konstruieren, welches mit peripheren, vollkommen lokalisierten geladen und mit ent- sprechenden Bewegungen entladen werden kann; niemand jedoch wird je sich einbilden, jenem das Ich, d. h. die emotive Einheit, ein- geben zu können, wodurch der Eindruck zu einer Empfindung wird.“ Und entsprechend dieser Prämisse konnte ich mit CINa die Schmerzempfindung des Frosches derartig erhöhen, dass er bei jedem Kneifen hartnäckig schrie (kreischende Stimme nach Art einer automatischen Puppe), während er dann die Gegend aufsuchte (Gehirn und Lobi optiei), welche nach deren Zerstörung die Erscheinung verschwinden machte ?). Wenn also für den emotiven Eindruck oder die Sensation sogar beim Frosch ein Zentrum notwendig ist, wird das Säugetier um 1) B. Bocci, Studi ceritici e sperimentali etc. Cap. I p. 10—11. 2) B. Bocei, Studi critici e sperimentali etc. Cap. VII p. 57—62. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. II, 155 so mehr dessen bedürfen '); übrigens beweisen dies deutlich einige Besonderheiten des Harnblasenmyogramms. Aber in diesem Falle: was hat das Rückenmark mit seinen ab- und zuführenden, mit dem urogenitalen System in Beziehung stehenden Wegen zu bedeuten? Stellt es ein Zentrum dar oder nicht? Was soll man darüber denken? Leider herrscht auch hierin eine be- dauerliche Verwirrung. Ich schrieb bereits, dass man beim voll- ständigen galvanoskopischen Frosch ein Zentrum für die hinteren Extremitäten schwerlich beweisen könnte, wenn es mir nicht gelungen wäre, mit Hilfe von 4/—5 °/oigen Kochsalzlösungen (mit denen man nur das Rückenmark benetzte) Extensions-, Flexions-, Abduktions- und Adduktionsbewegungen hervorzurufen, während dies noch stärkeren Kochsalzlösungen (10 °/o) durch Reizung der den Femoralis und den Ischiadieus zusammensetzenden Lendenäste nicht gelang?). Ich schrieb ausserdem, dass ich zu einem überzeugten Verfechter der corticalen motorischen Zentren beim Menschen wurde, als ich mit Postempski einem einseitigen epileptischen Anfall beiwohnen konnte, der begleitet war von allen übertriebenen Kontorsionen der linken unteren Ex- tremität und der linken Hals- und Gesichtsseite, deren Gehirngebiet vom Trauma verschont geblieben war und ausserdem begleitet war von einem ganz leichten Zittern der oberen Extremität, deren Gebiet deutlich zerstört worden war?). In bezug auf die Harnblase füge ich jetzt noch bei, dass man auch beim Meerschweinchen die Lendengegend des Rückenmarkes nicht als einfache Ein- und Ausgangsstadien der Reizungen betrachten darf, sondern als Zentrum, und zwar dies auf Grund von der Überlegung der für mich sehr bedeutsamen Tatsache der deutlichen Tendenz der Blasenmyogramme, viel weniger in die Höhe zu reichen nach bloss partiellem Angreifen jener Gegend. Es findet sogleich eine Be- schleunigung des Myogrammrhythmus ($ auf Fig. 11) statt. 1) In Medulla oblongata und Vierhügel der Wirbeltiere ist das Zentrum für „Psyche emotiva*. — B. Bocci, Rassegna di studi Psichiatriei vol. 4 fasc. 3. 1914. 2)B. Bocci, Le preparazioni alla Galvani Cap. V p. 35—38. Som- maruga e C., Roma 1885. — B. Bocci, Die Nervenzellen als Zentrum der Energie. Moleschott’s Untersuch. Bd. 14 H.1. 3) Postempski e Bocci, Un caso di epilessia corticale nell’ uomo. Artero, Roma 18%. — B. Bocci, L’immagine visiva cerebrale. Soc. editr. Dante Alighieri p. 39 e segg. Roma 1902. 156 B. Bocei: Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. I. Zum Schlusse scheint es mir nach meiner eigenen Erfahrung, dass diese geringere Exkursion der Myogramme in die Höhe, während noch eine gewisse Veränderung des Rhythmus besteht, eine konstante Wirkung der Durchschneidung der Blasennerven darstellt. Während der autochthone (gangliäre) Mechanismus der Harnblase auf diese Weise noch einmal bestätigt wird, wird zugleich der Einfluss des nervösen Rückenmarks- und Gehirnmechanismus auf denselben besser aufgeklärt. Besondere Befunde über die Wirkung der Reizung der verschiedenen zu- und abführenden Harnblasennerven besitze ich nicht. Tafel 1. Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 159. a I ” RE Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 159. Tafel II. Fr IN IT I U ANF N FIN AN A ennnnnrmmnr nannnannanmmmmmnmmmmmmAnmanmeEnaannmnnnnmnnnannnnnmnmmhnnmnnm MU ih MMATTUTITT UT TUN III UF NUN ATI en ° 2 nn [3 nn. .% _ — | — en A AN IK runnnuymmnnnnannann n [4 L) ” v EN ne EEE x mnmnnnnmmmnnnmnnnmannnnmnnnnmnnnnnannnannmnnmnnnannnnnan nannanmmmmmmmmanmmanmanmmmmmanmmanmnnanmnmnmnnnnn vum uU BR“, (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Die 157 akuten und die dauernden Folgen des Ausfalles der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe., Von R. Magnus und W,. Storm van Leeuwen. (Mit 7 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Le BITTE ee . II. Technik der Hinterwurzeldurchschneidung am oberen Cervicalmark von Katzennnd, Kaninchen tn... u ur nen ei seen ea ae IRHIGeVersuchsergebnisses., 200 00 ne een 1: 8. Vorübergehende Folgen der Hinterwurzeldurchschneidung am oberen Bervicalmarken. ne ernannt e eere Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus nach Hinterwurzel- durchschneidung am oberen Cervicalmark . . ». 22. 2.2.2... Sonstige Dauerfolgen der Hinterwurzeldurchschneidung am oberen Bervicalmark 2.00 22 an N N ee ee Folgezustände der einseitigen Labyrinthexstirpation bei Katzen, denen die Hinterwurzeln am oberen Cervicalmark durchtrennt sind Beobachtungen an einem Kaninchen, dem nach Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare ein Labyrinth EXSÜTDIERE Wurde nn 5 ee a nn, Folgezustände der doppelseitigen Labyrinthexstirpation bei normalen IKalLzEn a te N RR EL Folgezustände der doppelseitigen Labyrinthexstirpation bei Katzen, denen die Hinterwurzeln am oberen Cervicalmark durchtrennt sind Untersuchung der Katzen ohne tonische Hals- und Labyrinthreflexe nachtdemeDezerebrieren u 2 wen na et. ıv. SCH USSEeH A EN a RE a EDER. Se V. Zusammenfassung.der Ergebnisse. © : „Ju zer mu einns Pflüger’s Archiy für Plıysiologie. Bd. 159. 11 184 196 158 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: I. Einleitung. In einer Reihe von Arbeiten '), die in den letzten Jahren aus dem Utrechter pharmakologischen Institut veröffentlicht worden sind, ist von Magnus, de Kleijn, Weiland. und Wolf gezeigt worden, dass die Körperstellung bei Katze, Hund, Kaninchen, Meer- schweinchen und — wenigstens unter bestimmten pathologischen Be- dingungen — auch beim Menschen in gesetzmässiger Weise beherrscht wird von der Kopfstellung. Dieser Einfluss kommt zustande durch die Superposition von zwei Gruppen von tonischen Reflexen, den Labyrinthreflexen, welche durch Änderung der Stellung des Kopfes im Raume, und den Halsreflexen, welche durch Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe ausgelöst werden und welche beide so lange andauern, als der Kopf in einer bestimmten Lage gehalten wird. Will man die eine dieser beiden Reflexgruppen für sich allein untersuchen, so muss man die andere ausschalten. Das gelingt für die Labyrinthreflexe unschwer durch chirurgische Exstirpation oder durch Kokainisieren der Labyrinthe.e Dann behält man nur die Halsreflexe übrig. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation sind bisher im hiesigen Institut Katzen, Hunde, Kaninchen und Meerschweinchen’), nach doppelter Exstirpation Katzen und Hunde?®) längere Zeit beobachtet worden. Zur Ausschaltung der Halsreflexe haben Magnus, 1) R. Magnus, Über die Beziehungen des Kopfes zu den Gliedern. Münch. med. Wochenschr. 1912 S. 681. — R. Magnus und A. de Kleijn, Die Ab- hängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskein von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. — W. Weiland, Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen; ihr Einfluss auf den Muskeltonus und die Stellung der Extremitäten. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.1. 1912. — R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 403. 1912. — R. Magnus und C. G. L. Wolf, Weitere Mitteilungen über den Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus. Pflüger’s Arch. Bd. 149 S. 447. 1913. — R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängig- keit der Körperstellung vom Kopfstande beim normalen Kaninchen. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S.163. 1913. — R. Magnus und A. de Kleijn, Analyse der Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation mit besonderer Berücksichtigung. der Rolle der tonischen Halsreflexe. Pflüger’s Arch. Pd. 154 S. 178. 1913. — R. Magnus und A. de Kleijn, Ein weiterer Fall von tonischen Halsreflexen beim Menschen. Münch. med. Wochenschr. 1913 8. 2566. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 178. 1913. 3) Unveröffentlicht. a Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 159 und de Kleijn!) und Weiland?) im akuten Versuch dezerebrierte Katzen, Hunde und Kaninchen so eingegipst, dass alle Bewegungen des Kopfes gegen den Rumpf unmöglich gemacht wurden. Dann bleiben nur die Labyrinthreflexe übrige. Dauerbeobachtungen an Tieren mit ausgeschalteten Halsreflexen sind bisher nicht an- gestellt worden. Diese Lücke soll in der vorliegenden Arbeit aus- gefüllt werden. Das Thema dieser Untersuchung ist, festzustellen, wie sich Tiere längere Zeit nach Ausschaltung 1. allein der Halsreflexe, 2. allein der Labyrinthreflexe und 3. nach kombinierter Ausschaltung der Hals- und Labyrinthreflexe verhalten. Nur auf diese Weise ist es ‘ möglich, zu ermitteln, wie sich diese beiden Reflexgruppen gegen- seitig ergänzen und vertreten können und ob nach Fortfall der Hals- und Labyrinthreflexe den Tieren noch andere Mechanismen zur Verfügung stehen, um die Bewegungen von Kopf und Körper in gegenseitige Harmonie zu bringen. Berücksichtist man, in welch ausgedehnter Weise z. B. die Bewegunesstörungen nach Durch- trennung der zu einem. Beine gehörigen Hinterwurzeln ausgeglichen werden können, so ist es schon von vornherein sehr wahrscheinlich, dass auch nach Ausschaltung der tonischen Reflexe ein Tier sich mit Hilfe seiner anderen nervösen Regulatoren wird behelfen können. Tatsächlich hat sich bei unseren Versuchen ergeben, dass die Dauer- folgen nach Fortfall der Hals- und Labyrinthreflexe relativ gering sind und sich erst bei genauerer Untersuchung der Tiere verraten. Zur dauernden Ausschaltung der Halsreflexe haben wir bei fünt Katzen und zwei Kaninchen die Hinterwurzeln der drei obersten Cervicalnerven beiderseits durchschnitten. Bei Katzen haben wir aut diese Weise die Halsreflexe in einigen Fällen ganz, in anderen bis auf ganz minimale Reste beseitigen können. Bei Kaninchen wurden dagegen die Halsreflexe nur abgeschwächt, nicht vollständig be- seitigt. Dieses Vorgehen gründet sich auf folgende Überlesungen: Bei Katzen werden die Halsreflexe auf Drehen und Wenden des Kopfes in den oberen Halsgelenken, die auf Heben und Senken des Kopfes hauptsächlich in den Gelenken der Halsmitte ausgelöst [Magnus und deKleijn!)]. Nur der sogenannte „Vertebra-prominens-Reflex“ 1) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.1. 1912. 2 160 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: kommt durch Bewegung in der untersten Halswirbelsäule zustande. Sherrington!) sah nach Durchschneidung der beiden ersten und der Hinterwurzeln des dritten Cervicalnervenpaares die Reaktion der Beine auf Kopfdrehen verschwinden. Bei Kaninchen werden die Halsreflexe auf Drehen und Wenden in den obersten Halsgelenken, die auf Heben und Senken des Kopfes in der gauzen Halswirbelsäule bzw. ihren Muskeln ausgelöst [Weiland?)]. Bei allen Wirbeltieren innervieren die oberen Cervicalnerven die Muskeln des Halses, während die unteren Cervicalnerven in den Plexus brachialis eintreten und sich an der Inwervierung des Vorderbeines beteiligen®). Die Grenze zwischen beiden Nervengruppen ist bei verschiedenen Tieren verschieden. Bei der Katze finden sich für die motorische Innervation aur wenige Angaben: Kronenberg konnte bei Reizung von Cervicalis 5 Armbewegungen auslösen; Polimanti sah dabei Er- höhung und Abduktion der Schulter und Kontraktion des Deltoides und Supraspinatus. Wir haben bei drei Katzen die Cervicalwurzeln innerhalb des Wirbelkanals gereizt und bei allen drei Tieren auf faradische Reizune von C.1, C.2 und C.3 nur Halsbewegungen, auf Reizung von C. 4 Halsbewegungen und Vorwärtsbewegung der Schulter, auf Reizung von C. 5 Bewegung von Schulter und Oberarm beobachtet. Reizung von C.6 und C.7 bewirkt reine Armbeweeungen. Da es der Zweck unserer Versuche war, die Bewegungsstörungen vor allem auch an den Vorderbeinen unserer Versuchstiere nach Aufhebung der Halsreflexe zu studieren, war es nötig, dass durch die Durchschneidung der cerviecalen Hinterwurzeln nicht die Bein- bewegungen selber in irgendeiner Weise beeinträchtiet würden. Um dieses ganz Sicher zu vermeiden, durfte das vierte cervicale Hinter- wurzelpaar nicht mit durchtrennt werden. Daher musste die Operation auf C. 1—3 beschränkt werden. Diese Cervicalnerven liefern die wichtigsten motorischen Nerven für die Halsbewegungen; C.4 ist nur in geringerem Grade beteiligt. Die afferenten propriozeptiven Muskelnerven haben nach den Feststellungen von Sherrington‘) 1) s. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 468. 1912. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.1. 1912. 8) Ausführliche Literaturangaben bei G. v. Rynberk, Versuch einer Segmentalanatomie. Ergebn. d. Anat. u. Entwickl. Bd. 18 S. 353. 1910. 4) C. S. Sherrington, Experiments in examination of the peripheral distribution of the fibres of the posterior roots of some spinal nerves. Phil. Trans. Roy. Soc. London B. vol. 184 p. 641. 1893. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 161 dieselbe segmentale Verteilung wie die motorischen Bahnen; über die Gelenknerven der Halsgelenke ist nichts bekannt. Schon nach diesen Auseinandersetzungen ist zu erwarten, dass ‘die Halsreflexe, die vor allem durch Bewegungen der oberen und mittleren Hals- gelenke ausgelöst werden, durch Durchschneidung von C. 1—3 auf- gehoben werden. Wie weiter unten ausführlich zu schildern sein wird, haben wir drei unserer Katzen, denen die Hinterwurzeln von C. 1—3 durchtrennt und ausserdem beide Labyrinthe exstirpiert worden waren, nach zum Teil monatelanger Beobachtung dezerebriert und auf das Vorhandensein von Halsreflexen untersucht. Bei einem dieser Tiere, welches uns gerade zu den längsten und eingehendsten Beobachtungen gedient hatte, waren alle Halsreflexe vollständig er- losehen ; bei zweien konnte nicht mit absoluter Sicherheit entschieden werden, ob sie vollständig aufgehoben waren oder ob noch eine minimale, an der Grenze der Wahrnehmbarkeit liegende Reaktion vorhanden war. Bei allen drei Tieren waren demnach durch die Hinterwurzel- durchschneidung die Halsreflexe praktisch aufgehoben. Nur der so- genannte „Vertebra-prominens-Reflex“, der an der Grenze von Hals- und Brustwirbelsäule ausgelöst wird und daher ausserhalb des Be- reiches der Wurzeldurchsehneidung liegt, war bei allen Tieren deutlich vorhanden. Beim Kaninchen beteiligt sich C. 5 schon sicher an der Inner- yation der Schultermuskeln [Paterson, Kronenberg, Payer, Krause, Polimanti')]. Es ist daher nicht ratsam, will man die Vorderextremität wirklich durch die cervicale Hinterwurzeldurch- schneidung in keiner Weise beeinträchtigen, diese weiter ausdehnen als bis zu C.3. Nach dieser Operation sind jedoch, wie unten zu schildern sein wird, die Halsreflexe auf Kopfdrehen wohl abgeschwächt, aber schon bei Beobachtung am nichtdezerebrierten Tier nicht voll- ständig aufgehoben. Kaninchen eignen sich daher zu diesen Ver- suchen weniger gut und wurden auch von uns nur zur Beantwortung einer ganz speziellen Fragestellung herangezogen. Wir sind bei unseren Experimenten nach folgendem Versuchs- plan vorgegangen: Zunächst wurden den Tieren die drei obersten cervicalen Hinter- wurzelpaare durchschnitten. Nachdem die ersten akuten Erscheinungen abgeklungen waren, stellte sich allmählich ein Zustand bei ihnen 1) S. beiv. Rynberk, a. a. O. 162 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: ein, in welchem nur noch geringe Störungen übrigblieben, welche als Dauerfolgen des Ausfalls der Halsreflexe betrachtet werden mussten. Nunmehr wurde das Labyrinth der einen Seite exstirpiert, um festzustellen, ob durch den Fortfall der Halsreflexe die Folgezustände der einseitigen Labyrinthexstirpation modifiziert werden. Denn da nach den Untersuchungen von Magnus und de Kleijn!) die nach der Herausnahme eines Labyrinthes auftretende Kopfdrehung dauernde tonische Halsreflexe hervorruft, welche sich zu den direkten Labyrinth- ausfallsfolgen addieren, so musste bei Tieren ohne Halsreflexe die einseitige Labyrinthexstirpation weniger Symptome hervorrufen als bei normalen Tieren. Dieses hat sich auch tatsächlich herausgestellt. Daher sind diese Beobachtungen an unseren Tieren schon von Magnus und de Kleijn in ihrer früheren Arbeit mit verwertet worden. Da seitdem noch weitere Fälle, welche die früheren Feststellungen bestätigten, untersucht werden konnten, soll auf diese Verhältnisse in dieser Arbeit noch einmal kurz eingegangen werden. Nachdem die Tiere sich von der Entfernung eines Labyrinthes erholt hatten und einen konstanten Symptomenkomplex darboten, wurde nach einigen Wochen oder Monaten das zweite Labyrinth exstirpiertt. Nunmehr waren ausser den Halsreflexen auch die Labyrinthreflexe ausgeschaltet. Diese Katzen wurden nun längere Zeit beobachtet und sowohl mit normalen Tieren als auch mit Tieren verglichen, denen entweder nur die beiden Labyrinthe oder nur die cervicalen Hinterwurzeln zerstört worden waren. Ein direkter Ein- fluss der Kopfstellung auf den Tonus der Körpermuskulatur fehlte bei diesen Tieren. Trotzdem lernten dieselben wieder, sich noch relativ gut zu bewegen, und boten nur bei genauerer Untersuchung sehr charakteristische Abweichungen dar. Bei einigen dieser Katzen wurde dann schliesslich, wie erwähnt, die Beobachtung dadurch abgeschlossen, dass sie dezerebriert und in einem akuten Versuch auf das Fehlen der Hals- und Labyrinthreflexe untersucht wurden. Labyrinthreflexe fehlten stets, Halsreflexe waren teils bis auf minimale, nicht mehr sicher nachweisbare Spuren, teils vollständig erloschen. Über das Ergebnis dieser Beobachtungsreihen soll im nach- stehenden berichtet werden. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 178. 1913. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 163 II. Technik der Hinterwurzeldurchschneidung am oberen Cerviealmark von Katzen und Kaninchen. Alle Operationen an Katzen wurden in Äthernarkose nach dem Meltzer’schen Insufflationsverfahren !) ausgeführt. Die Tiere werden mit Äther unter der Glasglocke narkotisiert, ihnen dann schnell der Mund mit einer Klemme geöffnet, die Zunge stark vorgezogen, bis die Glottis sichtbar wird, und durch diese ein halbschlaffer Katheter (Nr. 12) unter Leitung des Auges eingeführt. Derselbe wird bis fast zur Bifurkation vorgeschoben, die bei mittelgrossen Katzen 13—20 cm hinter der Zahureihe liest. Gegen den Biss der Zähne wird der Katheter durch eine kleine verschiebliche Metallhülse geschützt. Die Druckluft zur Insufflation wurde von einem gewöhnlichen Wasser- strahlgebläse geliefert, der Druck derselben durch ein Wasserventil geregelt. Mit Hilfe von Kronecker’schen Schlitzhähnen wurde ihr ein konstanter Gehalt an Äther aus einer Wulff’schen Flasche beigemengt. Zur Erwärmung wurde sie durch ein Metallrohr mit zwei Glühlampen geleitet. Stets wurde einfach kontinuierlich insuffliert. Die Meltzer-Insufflationsnarkose hat sich bei diesen Operationen sehr gut bewährt, weil man dadurch unabhängig von einem etwaigen Atemstillstand wird, der bei Manipulationen in der Nähe der Medulla oblongata gelegentlich eintritt und auf den man bei diesem Verfahren keine Rücksicht zu nehmen braucht. Nach einem Längsschnitt in der Mittellinie des Nackens bis etwa zum fünften Halswirbel herab werden die Muskeln an beiden Seiten des Dornfortsatzes des Epistropheus von Knochen abpräpariert und der Spalt zwischen Atlas und Epistropheus freigelegt. Ein Assistent zieht die Muskulatur kräftig zur Seite. Man sucht dann stumpf- präparierend das zweite Cervicalganglion auf, das bei der Katze ausserhalb des Wirbelkanals liest. Da medialwärts von diesem eine Vene verläuft, deren Verletzung längeres Tamponieren nötig macht, nähert man sich dem Ganglion am besten von der lateralen Seite und findet dann medial davon die Wurzeln, ohne dass der Wirbel- kanal eröffnet zu werden brauchte. Die Hinterwurzel besteht aus zwei, manchmal aus drei Fäden. Diese werden auf ein feines Häkchen 1) S. J. Meltzer, The method of respiration by intratracheal insufflation etc. Med. Record März 1910. — W. Storm van Leeuwen, Ervaringen met de intracheale insufflatie van Meltzer. Ned. Tydschr. v. Geneesk. 1913. I. S. 1814. 164 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: genommen und mit einem feinen, um 45° in der Ebene der Schneide abgebogenen Messerchen durchschnitten. Dass wirklich alle Hinter- wurzeln durchtrennt sind, kann man daran sehen, dass sich danach das Spinalganglion an den durchschnittenen Stümpfen in die Höhe heben lässt, worauf die ventralwärts verlaufende Vorderwurzel sicht- bar wird. Bei der Durchsehneidung der Wurzel wird fast immer die obenerwähnte Vene mit verletzt. Man tamponiert dann und operiert inzwischen an einer anderen Wurzel weiter. Zur Freilegung der dritten Wurzel wird der Wirbelkanal an der Grenze zwischen zweitem und drittem Halswirbel eröffnet. Man zieht den Epistropheus mit einer P&an’schen Klemme an seinem Dornfortsatz in die Höhe, eröffnet durch Fortkneifen der Gelenk- fortsätze mit der Knochenzange die beiderseitigen Zwischenwirbel- gelenke und durchtrennt die Fascie, worauf die Dura zum Vorschein kommt. Hierbei blutet es meist stark. Man eröffnet dann den Wirbelkanal gleich so weit, als es für die Wurzeldurchschneidung notwendig: ist, und tamponiert dann. Manchmal dauert es ziemlich lange, bis die Blutung abnimmt; einige Tiere sind auch in diesem Stadium der Operation verblutet. Man lässt sich am besten den Hals des Tieres kurze Zeit möglichst hoch halten, wodurch die Blutung geringer wird und das vorhandene Blut nach uuten abfliesst. Dann führt man schnell das feine Häkchen zwischen Vorder- und Hinter- wurzel und durchschneidet die letztere extradural mit dem Messerchen. Wesentlich leichter ist die (intradurale) Durchschneidung der ersten Hinterwurzeln. Man legt sich von einem durch die Muskeln geführten Längsschnitt die Membrana obturatoria frei und spaltet diese, wobei etwas Cerebrospinalflüssigkeit nach aussen abfliesst, die mit Watte fortgetupft wird. Man hebt dann mit einer feinen Haken- pinzette die Membran in die Höhe und lässt sich zur Durchschneidung z. B. der rechten obersten Hinterwurzel den Kopf so drehen, dass das linke Auge des Tieres nach unten sieht. Man bekommt dann die Hinterwurzel gut zu Gesicht und kann sie leicht von der Vorder- wurzel unterscheiden, weil zwischen beiden der N. accessorius durch- verläuft. Die Hinterwurzelfäden werden darauf am besten mit einem feinen Häkchen durchrissen. Dabei braucht es gar nicht zu bluten. Nach Beendigung der Operation werden die Muskeln mit tiefen versenkten Seidenfäden genäht und darüber die Hautwunde ge- schlossen. Auf Vernähung der Membrana obturatoria haben wir verzichtet. Bei der späteren Sektion der Tiere zeigte es sich, dass Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 165 die Halsmuskeln in fast erstaunlicher Weise ihre Ansätze am Knochen wiedergefunden hatten. Ist während der Operation Atemstillstand eingetreten, so lässt man einfach nachher die Meltzer-Insufflation (ohne Äther) so lange weitergehen, bis die Spontanatmung wieder beginnt. In einigen der gut gelungenen Fälle atmete das Tier jedoch während der ganzen Dauer der Operation ruhig durch, um sich kurze Zeit nach dem Erwachen aus der Narkose bereits im Käfig aufzusetzen. Solche Tiere geben jedenfalls die beste Prognose. Aber auch nachdem die Operationstechnik durch Übung verbessert war und der ganze Ein- griff nur etwa °/a Stunde dauerte, lag ein Teil der Tiere doch nach der Operation im tiefen Koma (trotz guter Herztätigkeit und all- mählich wiederkehrender Atmung) und ging nach einiger Zeit zugrunde. Bei Kaninchen ist der Eingriff viel schwieriger und die Mortalität grösser. Nur solche Tiere bleiben am Leben, welche kurze Zeit nach dem Erwachen aus der Narkose anscheinend normal im Käfig sitzen. Das ist aber nur bei der Minderzahl der Fall. Da die Trachea der Kaninchen für Meltzer-Narkose etwas eng ist, haben wir die Tiere tracheotomiert und künstlich geatmet und nach Beendigung des Eingriffes die Luftröhre wieder durch einige feine Nähte verschlossen. Bei der Freilegung der ersten und dritten Wurzel geht mau in der gleichen Weise vor wie bei der Katze. Verfährt man bei der Eröffnung des Wirbelkanals zwischen zweitem und drittem Halswirbel besonders vorsichtig, so lässt sich sogar eine Blutung vermeiden. Das zweite Halsganglion liegt beim Kaninchen nicht ausserhalb der Wirbelsäule, sondern innerhalb des Spaltes zwischen Atlas und Epistropheus, manchmal sogar innerhalb des Wirbelkanals.. Man sucht das Ganglion an der Cranialseite des Spaltes zwischen Atlas und Epistropheus vorsichtig mit der Pinzette präparierend auf, indem man sich ihm von der ventralen Seite her zu nähern sucht. Es ist dieses die einzige Weise, auf welche sich eine Blutung vermeiden lässt. Verletzt man dabei die längs der Wurzel verlaufende ziemlich grosse Vene, so ist die Fortsetzung der Operation kaum möglich. Hat man das Ganglion gefunden, so zieht man es mit einer feinen ehirurgischen Pinzette ein wenig aus dem Foramen heraus, zerreisst vorsichtig die die Wurzel einhüllende Bingewebsscheide, nimmt die Hinterwurzel auf ein feines Häkchen und durchschneidet sie. 166 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: III. Versuchsergebnisse. In den fünf gelungenen Versuchen an Katzen, welche bis zu Ende durchgeführt werden konnten, wurden folgende Operationen gemacht: & Juli 1312. 27. Januar 1913. 10. Februar 1913. 22. Dezember 1913. 9. Juli 1912. 16. Januar 1913. 2 allen 18. Januar 1913. 16. April 1913. 22. Oktober 1913. 23. März 1913. Labach. Durchschneidung der Hinterwurzeln von C. 1, C. 2 und C. 3 beiderseits. (Nach 203 Tagen.) Rechtsseitige Labyrinth- exstirpation. (Nach 217 Tagen.) Linksseitige Labyrinth- exstirpation. (Nach 532 Tagen.) Untersuchung nach De- zerebrieren. Danach getötet und seziert. Weisse. Durchschneidung der Hinterwurzeln von C. 1, C. 2 und C. 3 beiderseits. (Nach 191 Tagen.) Rechtsseitige Labyrinth- exstirpation. (Nach 195 Tagen.) Linksseitige Labyrinth- exstirpation. (Nach 197 Tagen.) Eingegangen. Seziert. Schwarzweisse. Durchschneidung der Hinterwurzeln von C. 2 beiderseits. Operation wegen Blutung ab- gebrochen. (Nach 88 Tagen.) Durchschneidung der Hinter- wurzeln von C. 1 und C. 3 beiderseits. (Nach 277 Tagen.) Exstirpation beider Laby- rinthe. Unmittelbar danach dezerebriert und untersucht. Danach getötet und seziert. Belial. Durchscehneidung der Hinterwurzeln von C. 1 und C. 2 beiderseits. Öffnung des Rücken- markkanals zur Durchschneidung von C. 3. Durehsehneidung von C. 3 wegen Blutung un- sicher. a de Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 167 >. April 1913. (Nach 13 Tagen.) Neue Operation, Durch- schneidung der Hinterwurzeln von C. 3 voll- ständig ausgeführt. 16. September 1913. (Nach 177 Tagen.) Rechtsseitige Labyrinth- exstirpation. 18. Dezember 1913. (Nach 270 Tagen.) Linksseitige Labyrinth- exstirpation. Achmed. 3. April 1913. Durchsehneidung der Hinterwurzeln von C. 1, C. 2 und C. 3 beiderseits. 14. Mai 1913. (Nach 41 Tagen.) Linksseitige Labyrinth- exstirpation. une 1913. (Nach 67 Tagen.) Rechtsseitige Labyrinth- exstirpation. 8. Oktober 1913. (Nach 188 Tagen.) Dezerebriert und unter- sucht, danach getötet und seziert. Ehe zur genaueren Schilderung der Einzelsymptome nach den verschiedenen Operationen übergegangen wird, soll als Beispiel des Gesamtverlaufes das abgekürzte Protokoll des von uns am längsten (im ganzen 1!/g Jahre) beobachteten Tieres gegeben werden. „Labach.“ S. Juli 1912. Meltzer-Narkose mit Äther. Durchschneidung _ der Hinterwurzeln von C. 2 beiderseits ausserhalb des Wirbelkanals, von C.3 und C. 1 beiderseits intradural. Dauer der Operation 50 Min. Unmittelbar nach der Operation ist der Patellarreflex auszulösen. 5 Minuten post operationem. Tier atmet spontan. Beuge- reflex der Extremitäten deutlich. 25 Minuten post op. Richtet sich spontan auf den vier Beinen auf. Bewegt den Hals frei nach links und nach rechts. Hält den Kopf gesenkt, Nase am Boden. 50 Minuten post op. Sitzt wie eine normale Katze im Käfig mit aufgerichtetem Kopf. Bewegt den Kopf frei nach allen Richtungen. 9. Juli 1912. Trinkt spontan. Sitzt mit gehobenem Kopfe und stark gebeugten Beinen. Richtet sich aus dieser Haltung ganz auf den Vorderbeinen auf, schwankt dabei auf den Hinterbeinen. Läuft gut, aber mit gebeugten Hinterbeinen (knickebeinig). Der Hinterkörper schwankt beim Gehen. Vorderbeine gut koordiniert, keine Ataxie des Halses. Abnorme Stellungen eines Hinterbeines werden nicht sofort korrigiert. Tier läuft über eine 5 cm hohe Schwelle ohne Störungen. Trinkt spontan Milch, aber frisst nicht. 10. Juli 1912. Sitzt mit aufgerichtetem Kopf und gebeugten Hinterbeinen; auch beim Laufen sind die Hinterbeine stark gebeugt. 168 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Macht sonst einen ganz normalen Eindruck. Geht über ein 10 cm hohes Gasrohr ohne Störung. Sitzt auf dem 25 cm hohen Brett eines Tisches, mit schwankendem Hinterkörper, aber springt gut und koordiniert herunter. Später dasselbe von 50 cm hohem Tisch. Nachmittags ist das Tier, das nach der Operation sehr ängstlich war, verschwunden. 12. Juli 1912. Tier wiedergefunden auf dem Speicher, ist also die ganze Treppe hinaufgelaufen. Sitzt normal. Läuft schnell durchs Zimmer, hinten knickebeinig. 13. Juli 1912. Springt vom Tisch 1 m hoch herab. Vorder- beine fangen hierbei das Körpergewicht gut auf, die Hinterbeine knicken aber beim Berühren des Bodens noch ein, so dass die Flanke den Boden streift, das Tier fällt aber nicht. Trinkt spontan wenig und frisst nicht, Sondenfütterung. 15. Juli 1912. Beim Laufen schwankt noch immer der Hinter- körper etwas; frisst spontan. 17. Juli 1912. Springt von der Schulter eines stehenden Mannes. 2. August 1912. Beim Laufen sind die Hinterbeine immer noch mehr gebeugt als bei einer normalen Katze. Hinterkörper schwankt beim Laufen noch etwas. Läuft und springt sonst mit Leichtigkeit. Sprinst vom Boden auf ein !/g m hohes Brett. Klimmt auf ein schmales Brett. Kann sich auf den Hinterbeinen frei aufrichten. 19. September 1912. Beim Heben und Senken, beim Drehen und Wenden des Kopfes erfolgen die zugehörigen Bewegungen der Vorderbeine nicht. Das Tier kann die Vorderbeine vorzüglich strecken, aber man sieht nicht, dass dieser Streckung eine entsprechende Kopf- bewegung vorangeht. Das Tier hat offenbar Jucken am Kopf, reibt mit dem Hinterkopf fortwährend am Boden, wobei der Kopf maximal gedreht und gewendet wird, ohne dass entsprechende Bewegungen der Vorderbeine folgen. Nach hochgehaltenem Fleisch richtet sie sich frei auf den Hinter- beinen auf, wobei die gebeusten Vorderbeine in die Luft gehoben werden. Springt vom Tisch durch die Luft in den Käfig (1 m weit), springt dabei mit den Hinterbeinen vom Tisch ab. 30. September 1912. Beim Heben des Kopfes auf vorgehaltenes Fleisch bleiben die Vorderbeine gebeugt; aber als das Fleisch noch höher gehalten wird, richtet sich das Tier auf den Hinterbeinen auf, hält aber die Vorderbeine gebeust („Känguruhstellung“). Richtet sich ganz auf den gestreckten Hinterbeinen auf. 19. Oktober 1912. Tier hat sich seit einigen Wochen an beiden Seiten des Hinterkopfes die Haut ganz wund gekratzt. Am Kopfe ist diese Wunde jetzt grossenteils geheilt. Aber an der rechten Seite des Halses befindet sich noch eine grosse Wundfläche und eine kleinere links dorsal am Halse. Tier kratzt sich noch fortwährend am Kopfe und am Halse. Beim Kriechen unter einen Schrank zeigt sie einen deutlichen Vertebra-prominens-Reflex. Keine Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes. Beim Nach-oben-sehen nimmt das Tier häufig Känguruhstellung an. 15. Januar 1913. Beim Vergleiche mit einer normalen Katze ergibt sich, dass bei Heben und Senken des Kopfes die zu- 2 2 Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 169 gehörige Streckung und Beugung der Vorderbeine schwächer und weniger prompt stattfindet; doch scheint sienich; ganz abwesend zu sein. Letzteres ist schwer mit Sicherheit zu entscheiden. Tier kann sich ganz frei auf den maximal gestreckten Hinterbeinen aufstellen. 26. Januar 1913. Beim Heben und Senken des Kopfes werden die Vorderbeine zweifellos gestreckt und gebeugt, aber die Reaktion scheint wie am 15. Januar schwächer und weniger prompt zu erfolgen als bei einer normalen Katze. 27. Januar 1913. Rechtsseitige Labyrinthexstirpation (de Kleijn). Bogengänge und Porus acusticus internus freigelegt. Kurz nach der Operation. Deutlich Nystagmus nach links. Bei Hängelage (Kopf unten): Thorax 20°, obere Thoraxapertur 30°, Kopf 90° gegen das Becken gedreht und 20° gewendet. Linkes Vorderbein etwas stärker gestreckt als rechtes. 28. Januar 1913. Nystagmus nach links. Geringe Augendeviation nach rechts. Beim Sitzen keine deutliche Abduktion der linken Beine. Kein Kopfpendeln. Läuft breitbeinig, ohne zu fallen, durch das Zimmer, kann geradeaus laufen und auch nach rechts und nach links. Stolpert einmal nach rechts, ohne zu fallen. Kann den Kopf nach beiden Seiten wenden. Springt vom Tisch in den Käfig (}/g m weit), im Käfig schwankt sie etwas, aber fällt nicht. Springt vom Tisch herunter, kommt breitbeinig und schwankend auf den Boden, aber fällt nicht. Beim Versuch zu trinken und auf vorgehaltenes Fleisch kein Schwanken des Kopfes und Körpers. Beim Sitzen hängt der Thorax etwasnach rechtsüber. Verschiebbarkeit nach rechts grösser als nach links. 31. Januar 1913. Sitzt ruhig im Käfig. Kopf 30—45° nach rechts gedreht. Nystagmus nach links nicht mehr konstant vorhanden. Springt vom Tisch in den Käfig mehr als 1 m weit. Läuft noch breit- beinig und schwankend, stolpert dabei einige Male nach rechts, Hängelage (Kopf unten): Thorax 45°, Kopf 90° gedreht und wechselnd gewendet. Beim Geradesetzen des Kopfes ändert sich die Drehung des Thorax absolut nicht. - Rückenlage bei geradegesetztem Kopf: Tonus des rechten Vorderbeines etwas geringer als des linken; hinten ist der Tonus beiderseits gleich. Drehen des Kopfes hat keiner Einfluss auf den Tonus der Vorderbeine. 1. Februar 1913. Kein Nystagmus mehr. Läuft nur noch etwas breitbeinig. Stolpert ab und zu nach rechts, aber nur wenn Kopf- schütteln vorangeht. 5. Februar 1913. Läuft.kaum noch breitbeinig, schwankt nur, wenn sie den Kopf bewegt. 7. Februar 1913. Kopf 50° nach rechts gedreht. Keine Augen- deviation, kein Nystagmus. ‚Hängelage (Kopf unten): Thorax 45° Kopf 70° gedreht. Kein Unterschied im Tonus des linken und des rechten Vorderbeines. In Rückenlage bei geradegesetztem Kopf ist der Tonus der Vorder- beine beiderseits gleich. Drehen des Kopfes hat keinen Einfluss auf den Tonus der Extremitäten und auf die Beckendrehung. Klettert und springt mit Sicherheit. Läuft nicht mehr breitbeinig. 170 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: 10. Februar 1913. Typische linksseitige Labyrinthexstirpation. Bogengänge und Porus gut freigelegt. 5 Stunden post op. Starkes Kopfschwanken, besonders vertikal. Augenabweichung nach links (gering, aber deutlich). Nystagmus nach rechts. Linksseitige Facialisparese. Kopf steht gerade. Hängelage (Kopf unten): Keine Drehung von Kopf und Thorax. Rückenlage (Kopf gerade): Kein Tonusunterschied der Vorderbeine. Sitzt vorn und hinten breitbeinig. Beim Kopfpendeln stösst sie mit der Schnauze auf den Boden. Auf den Boden gesetzt macht sie Uhrzeigerbewegungen nach links und rechts; kriecht nach rückwärts durch das ganze Zimmer, Bauch vom Boden, aber doch knickebeinig, Nach Anbringen einer Kopfkappe (die die Augen verschliesst, aber die Nasenlöcher freilässt) hört das Kopfpendeln sofort auf und fängt nach Abnehmen der Kappe sofort wieder an. Etwas später: Läuft durchs ganze Zimmer, breitbeinig und knicke- beinig mit starkem Kopfpendeln, aber fällt nicht. 11. Februar 1913. Kopfpendeln geringer, aber noch deutlich. Auf Vorhalten von Milch wird das Pendeln verstärkt, aber nicht hoch- gradig. Trinkt und frisst nicht spontan. Gehacktes Fleisch in den Mund gebracht wird aber verschluckt, 12. Februar 1913. Sitzt ruhig im Käfig ohne Schwanken oder Kopfpendeln. Kann den Kopf nach allen Seiten wenden. Keine deut- liche Augendeviation mehr, kein Nystagmus. Sitzt und läuft noch breitbeinig und knickebeinig, mit Bauch vom Boden. Auf vorgehaltenes Fleisch noch etwas Kopfpendeln. Springt nicht vom Stuhl. Beim Heben und Senken des Kopfes werden die Extremitäten nicht in ent- sprechender Weise gestreckt und gebeugt. 17. Februar 1913. Springt kopfüber vom Stuhl, kommt aber richtig mit den Pfoten auf den Boden. Läuft noch knickebeinig und etwas schwankend. Beim Laufen berührt ein grösserer Teil der Hinter- pfoten -den Boden als bei einer normalen Katze (Bärengang). Korrigiert ohne Mühe abnorme Stellungen der Vorderbeine. Versucht vom Tisch in den Käfig zu springen (30 cm), springt zu kurz und fällt, hält sich aber an den Stäben des Käfigs mit den Vorderbeinen fest. 21. Februar 1913. Die Kratzwunden am Halse sind, nachdem die Krallen der vier Füsse regelmässig geschnitten werden, geheilt. Bei Heben und Senken des Kopfes reagieren die Vorderbeine zweifellos nicht mit. Springt vom Tisch in den Käfig !/a m weit. 26. Februar 1913. Beim Fressen kein Kopfschwanken mehr. Kann sich nicht auf den Hinterbeinen aufrichten. 9. März 1913. Linksseitige Facialisparese noch vorhanden. Läuft: sehr viel besser, noch etwas breitbeinig hinten. Bärengang hinten kaum noch angedeutet. Heben und Senken des Kopfes und Drehen des Kopfes in Rücken- lage hat keinen Einfluss auf den Tonus der Extremitäten. 7. März 1913. . Läuft sehr viel besser, kaum noch Bärengang, noch etwas knickebeinig. Wagt es nicht, vom Stuhl zu springen, fällt. herunter auf den Rücken. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 171 9. April 1913. Beim Laufen durch das Zimmer häufiges Um- sehen nach rechts und nach links, Häufig werden Zirkeltouren ge- macht. Bei diesen Bewegungen des Kopfes reagieren die Extremitäten gar nicht mit. Kann 1 m weit vom Tisch in den Käfig springen, aber kann den Abstand offenbar nicht gut abschätzen und springt manchmal zu kurz oder zu weit. Sie kann sich nicht frei auf den Hinterbeinen aufrichten, Wird aber in die Mitte des Gitterdaches des (H. Meyer- schen) Käfigs Fleisch gehalten, so weiss sie das nach einigen ver- geblichen Versuchen doch in folgender Weise zu erlangen: erst klettert sie mit den Vorderbeinen an der Glaswand des Käfigs in die Höhe, lässt sich dann — einen Augenblick frei auf den Hinterbeinen stehend — niederfallen und versucht während des Fallens das Fleisch mit einer Vorderpfote herunterzuschlagen, was meistens nach einigen Versuchen gselinst. Kann nicht die Treppe herunterlaufen,. Auf die Treppe ge- setzt, nimmt sie oft.eine besonders charakteristische Stellung ein. Sie sitzt dann manchmal mit maximal gehobenem Kopfe, wobei die Vorder- beine ganz gebeugt bleiben, in einer Weise, wie man das bei einer normalen Katze niemals sieht. 21. April 1913. Photographie dieser abnormen Stellung. 23. April 1913. Läuft sehr viel besser, schnell und sicher, etwas 'breitbeinig. 26. April 1913. Stereoskopische Aufnahme: Kopf stark gehoben nach Fleisch, ohne entsprechende Streckung der Vorderbeine (Fig.5S.50). 13. Mai 1913. Springst 1!/s m weit vom Tisch in den Käfig. Springt dabei zu weit. Linker Facialis noch immer paretisch. Auf die Treppe gesetzt, wagt oder kann sie nicht herauf oder herunter laufen, aber sie holt sich ein Stück Fleisch, welches eine Stufe niedriger liest. Wird sie auf einen Stuhl gesetzt, so fängt sie an sich zu drehen und zu tanzen und fällt dann kopfüber herunter. 7. Juni 1913. Beim Laufen sieht sie sich immer noch nach rechts und links um, sonst Störungen kaum noch sichtbar. 25. Juni 1913. Auf Fleisch stellt sie sich einen Augenblick auf den gebeugten Hinterbeinen auf. Von diesem Stadium an ändert sich der Zustand relativ wenig. 18. Dezember 1913. (4 Tage bevor sie getötet wurde.) Sitzt gelegentlich in der beschriebenen abnormen Stellung (Fig. 4 und 5), ebenso steht sie manchmal mit gehobenem Kopf und gebeusten Vorder- beinen. Mehrmals wurde beobachtet, dass bei Heben des Kopfes die Vorderbeine unverändert bleiben; kann die Vorderbeine vor- züglich willkürlich strecken und beugen. Manchmal koinzidieren Streckungen der Vorderbeine mit Hebungen des Kopfes und Beugungen der Vorderbeine mit Senkungen des Kopfes; doch erfolgt die Reaktion niemals so prompt wie bei einer normalen Katze und in zwei Tempi (Grosshirnreaktion ?). Bei Reiben des Rückens zwischen den Schulter- blättern streckt sie tonisch die Vorderbeine und bei Reiben des Rückens hinten die Hinterbeine. Von einem allgemeinen Tonusverlust der Körper- muskulatur ist jedenfalls nichts zusehen. Kann nicht vom Stuhl springen, fällt kopfüber herunter. Auf den Boden gesetzt, läuft sie normal, aber sieht sich fortwährend nach rechts und nach links um. Holt sich in der beschriebenen Weise Fleisch vom Gitterdach des Käfigs. Auf das 172 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: 'Gitterdach des Käfigs gesetzt, balanciert sie sich ziemlich gut, aber nicht so gut wie eine normale Katze, tritt niemals mit den Pfoten zwischen die Stäbe, gleitet schliesslich mit den Vorderbeinen längs der Seitenwand des Käfigs nach unten, wobei sie sich mit den Hinter- beinen festhält, lässt sich dann los und fällt mit dem Rücken auf den ‚Boden. 22. Dezember 1913. Äther-Chloroformnarkose, Tracheotomie. Karotiden abgebunden, Vagi durchschnitten. Freilegung des Rücken- markes am elften Brustwirbel. Dezerebrieren unter temporärem Ab- klemmen der Art. vertebrales. Das ganze Gehirn vor den Vier- hügeln ausgeräumt. Sofort Spontanatmung mit beginnender Starre. 11h 45’: Operation vollendet. 11h 55’: Starke Starre der Vorderbeine, Ohrreflex schwach. Patellarreflex vorhanden. 12h: Vorzügliche Starre der Vorderbeine, nicht der Hinterbeine. Beugereflex hinten. Tier steht frei auf den Vorderbeinen, wenn der Hinterkörper gehalten wird. Hebt den Kopf frei. Photographie dieser Stellung (Fig. 7). Untersuchung in: Fussstellung: Heben und Senken : des Kopfes Drehen des Kopfes Vertebra-prominens-Reflex schwach positiv. Rechte Seitenlage: Kopfdrehen Heben und Senken || ame Einfluss auf den j Tonus der Vorderbeine keine Reaktion der Vorderbeine Wenden Vertebra - prominens - Reflex schwach vor- handen. Linke Seitenlage: Kopfdrehen Heben und Se»ken keine Reaktion Wenden Vertebra-prominens-Reflex deutlich. Rückenlage: Kopfdrehen \ Heben und Senken keine Reaktion, Wenden Eine wiederholte Untersuchung um 2b 10’ und um 3h 35’ ergab genau dasselbe Resultat; nur konnte jetzt der Vertebra-prominens- Reflex in allen Stellungen tadellos ausgelöst werden. Tier getötet. Sektion: Zentralnervensystem vollkommen reizlos. Vorderwurzel C. 1 und C. 3 stehen noch. Vorderwurzel C. 2 fraglich. Hinter- wurzel C. 1 und ©. 2 sind durchschnitten. Hinterwurzel C. 3 wegen Verwachsungen nicht zu entscheiden. Beide Labyrinthe sind ganz aus- geräumt. In den folgenden Abschnitten sollen nunmehr die Einzel- erscheinungen, welche die Tiere in den verschiedenen Stadien dar- ‘boten, im. Zusammenhang besprochen werden. Zw; Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 173 1. Vorübergehende Folgen der Hinterwurzeldurchschneidung am oberen Cervicalmark. Von denjenigen Katzen, welche die — sehr eingreifende — Operation der Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare überlebten, ging ein Teil infolge von Shok, Blutverlust und Narkose- folgen im Laufe der zwei ersten Tage ein, ohne aus dem Koma er- wacht zu sein. Schon sehr bald stellte es sich heraus, dass nur diejenigen Tiere sich als brauchbare Versuchsobjekte erwiesen, welche kurz nach dem Abstellen der Narkose wieder spontan atmeten und nach !/s bis 1 Stunde in Hockstellung im Käfig sassen. So zeiste „Labach“ 5 Minuten nach der Operation Spontan- atmung und sass nach weiteren 15 Minuten gut im Käfig. „Achmed“ sass 1 Stunde post op. aufrecht im Käfig und versuchte sogar, den Diener, der den Käfig öffnete, zu beissen. Die „Schwarzweisse“ atmete während der ganzen Dauer der zweiten Operation (Durch- schneidung von C. 1 und C. 3) spontan, trotzdem eine starke intra- durale Blutung erfolgte. Eine Ausnahme machte nur die „Weisse“, die zwar unmittelbar nach der Operation spontan atmete, aber noch am nächsten Tage auf der Seite lag, am zweiten Tage im Käfig auf gebeugsten Beinen sass, ohne sich aufzurichten, und erst am dritten Tage anfing, den Vorderkörper aufzurichten. Diese Katzen, welche die Operation gut überstanden hatten, zeigten in den ersten Tagen nachher folgende Erscheinungen: Die Tiere sitzen aufrecht im Käfig (nur die „Weisse“ lag 1 Tag lang auf der Seite), müssen meist nur 1—2 Tage mit der Sonde gefüttert werden und trinken und fressen danach spontan. Schon am ersten Tage kann der Kopf nach allen Richtungen be- wegt werden, und obwohl die Beine meistens stark gebeugt sind, sitzt und läuft das Tier mit gehobenem Kopf. Kopfpendeln und Kopfschwanken, wie es nach doppelter Labyrinthexstirpation aufzutreten pflegt, ist nach Durchschneidung der drei obersten eervicalen Hinterwurzelpaare nicht zu sehen. Der Kopf wird viel- mehr ruhig gehalten und zeigt keine Spur von ataktischen Bewegungen. Die Halsmuskeln verhalten sich also anders als die Extremitäten- muskeln, welche nach Durchschneidung der zugehörigen Hinterwurzeln ataktische Bewegungen ausführen. Dieser Unterschied wird dadurch verständlich, dass die Halsmuskeln, welche den Kopf zu bewegen haben, dabei nieht nur durch ihre eigenen sensibelen Muskelnerven, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 12 174 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: sondern auch durch die Labyrinthe kontrolliert werden, vielleicht ausserdem auch noch durch die Augen. Die Halsmuskeln sind also nach Durchtrennung ihrer Hinterwurzeln nicht aller ihrer „Proprio- zeptoren* (Sherrington) beraubt. In den ersten Tagen nach der Operation wird eine abnorme Stellung der Beine (z. B. Stellung auf dem Fussrücken) nicht immer sofort korrigiert, doch schwindet diese Störung nach einigen Tagen. Die Sensibilität der Extremitäten ist dann ganz normal. Eine Aus- nahme machte in dieser Beziehung nur die „Schwarzweisse“, welche längere Zeit eine Störung der Sensibilität des rechten Vorderbeines aufwies. Laufen konnten die Katzen meist schon am ersten Tage, nur zeigten sich hierbei Störungen, welche merkwürdigerweise fast nur die Motilität der Hinterbeine betrafen. Nur in den aller- ersten Tagen wurden die Vorderbeine manchmal etwas ungeschickt bewegt und schienen auch gelegentlich unkoordiniert zu sein. Bei „Labach“ und der „Schwarzweissen“ kreuzten sich die Vorderbeine ab und zu beim Laufen, aber diese Störungen gingen schnell vorüber, und nach einigen Tagen war das einzige, worin die Tiere sich von normalen Katzen unterschieden '), nur das eigentümliche Verhalten des Hinterkörpers. Die Hinterbeine wurden nämlich beim Laufen und Sitzen stark gebeugt gehalten. Beim Laufen schwankte der Hinterkörper deutlich. Allmählich hörte dann dieses Schwanken auf, und es blieb als einziges Symptom nur das Laufen mit gebeugten Hinterbeinen übrig (knickebeiniger Gang). Dadurch war beim Laufen der Bauch der Tiere dem Boden näher als bei normalen Katzen. Der Gang bekam dadurch etwas Schleichendes. Die Beweglichkeit der Tiere wurde jedoch hierdurch nur sehr wenig beeinträchtigt, sie konnten schnell laufen; „Labach“ lief schon 2 Tage nach der Operation eine ganze Treppe herauf. Nur beim Springen vom Tisch zeigten alle Tiere anfangs Störungen. So konnte „Labach“ z. B. nach 5 Tagen beim Sprung aus 1 m Höhe wohl das Körpergewicht ganz gut mit den Vorderbeinen auffangen, knickte aber danach mit den Hinterbeinen stark ein und fiel mit dem Hinterteil für einen Augen- blick auf die Seite. Auch beim Laufen von der Treppe strauchelten die Tiere besonders mit den Hinterbeinen. Diese merkwürdige Be- wegungsstörung des Hinterkörpers zeigten alle beobachteten Katzen. 1) Von den Störungen in der Beeinflussung des Extremitätentonus durch Kopfbewegungen wird im nächsten Abschnitt berichtet. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 175 Es ist möglich, dass dieselbe auf den Verlust der Halsreflexe im mittleren und vorderen Teile des Halses zu beziehen ist. Magnus und de Kleijn haben gezeigt!), dass bei Katzen Senken des Kopfes in den vorderen und mittleren Halsgelenken Streckung der Hinter- beine bewirkt. Dieser Reflex ist durch die Wurzeldurchschneidung auf- gehoben. Dagegen bewirkt Senken des Kopfes in den hinteren Hals- selenken nahe dem Thorax Abnahme des Strecktonus der Hinterbeine. Dieser Reflex (Vertebra prominens-Reflex) war bei allen unseren Tieren erhalten. Da nun die Tiere meistens beim Laufen den Kopf gesenkt halten, so muss der Tonus der Hinterbeine abnehmen, weil der streckende Einfluss, der von den vorderen zwei Dritteln des Halses ausgeht, fehlt und statt dessen der beugende Einfluss des Vertebra prominens- Reflexes und der Labyrinthe allein übrig bleibt. Die Hinterwurzel- durchschneidung kann dagegen auf die Vorderbeine eine derartige Wirkung nicht haben, weil der vordere und hintere Teil des Halses beim Heben und Senken auf diese einen gleichsinnigen und keinen gegensinnisen Einfluss ausüben. Sind die cervicalen Hinterwurzeln durchschnitten, so fällt einfach beim Laufen mit gesenktem Kopfe die bei normalen Katzen vom vorderen und mittleren Halse ausgelöste Tonusabnahme der Vorderbeine weg. Kurz nach der Operation sitzen die Katzen also aufrecht im Käfig und können den Kopf nach allen Seiten ohne Ataxie bewegen. Die Bewegungen der Vorderbeine sind nur in den ersten Tagen etwas un- geschickt. Als Hauptstörung ist, abgesehen von dem Fehlen der Halsreflexe, das nach einigen Tagen eben- falls verschwindende Schwanken des Hinterkörpers und das knickebeinige Laufen zu betrachten, welches zwar abnimmt, aber in geringerem Grade dauernd be- stehen bleibt. 2. Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus nach Hinter- wurzeldurehschneidung am oberen Cervicalmark. Die beiden Reflexgruppen, durch welche der Einfluss der Kopf- stellung auf den Gliedertonus zustande kommt, sind nicht bei jedem Tiere in der gleichen relativen Intensität vorhanden (Magnus und de Kleijn?). Es gibt Tiere, welche vorwiegend Halsreflexe, und solche, welche vorwiegend Labyrinthreflexe haben. Das gleiche hat kürzlich Noel Paton°) bei der Untersuchung von Hals- und 1) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 469 u. 489. 1912. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 145 8.491 u. 515. 1912. 3) D. N. Paton, The relative influence of the labyrinthine and cervical elements in the production of postural apnoea in the duck. Quart. Journ, of exp. Physiol. vol. 6 p. 197. 1913. 128 176 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Labyrinthreflexen gefunden, welche bei (tauchenden) Enten Apnoe hervorrufen. Es war deshalb schon von vornherein zu erwarten, dass bei den verschiedenen von uns operierten Katzen die Störungen in der Abhängiskeit des Gliedertonus vom Kopfstande in verschiedener Intensität auftreten würden. Dieses war tatsächlich der Fall. Bei einigen Tieren waren die Störungen stark, bei anderen kaum an- gedeutet. Besonders deutlich war dieser Unterschied in der ersten Zeit nach der Operation. Später wurden nämlich diese Ausfalls- erscheinungen interessanterweise ganz oder teilweise kompensiert, so dass schliesslich bei allen Katzen ein Zustand erreicht wurde, in welchem keine oder nur geringe Störungen mehr nachweisbar blieben. Will man bei häufig wiederholten Untersuchungen die Abhängig- keit des Gliedertonus von der Kopfstellung bei frei umherlaufenden Katzen untersuchen, so eignet sich dazu nach unseren Erfahrungen nur ein Reflex, nämlich die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes. Beim Heben des Kopfes werden die Vorderbeine gestreckt, beim Senken gebeugt. Dieses erfolet sowohl, wenn das Tier steht oder sitzt, als auch wenn es läuft. Immer ist, wenn die Schnauze sich dem Boden nähert, der Beugestand der Vorderbeine deutlich (Fig. 1), wenn die Schnauze dagegen in die Höhe gerichtet . ist, die Streekung (Fig. 2). Die Reaktion ist ebenso deutlich wie beim Kaninchen [vgl. die entsprechenden stereoskopischen Abbildungen bei Magnus-de Kleijn!).. Man kann sie entweder bei der 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 166 u. 167. 1913. Fig. 1. Normale Katze. Reaktion der Vorderbeine auf Kopfsenken (Fleisch wird am Boden gehalten). Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. rar) freisitzenden, stehenden oder laufenden Katze beobachten, wenn die- selbe willkürlich ihren Kopf hebt oder senkt, oder man kann sie jederzeit dadurch hervorrufen, wenn man ein Stückchen Fleisch ab- wechselnd auf den Boden und in die Luft hält und das Tier dann dem Bissen mit Senken und Heben des Kopfes folgt (Fig. 1 und 2). Diese Reaktionen sind deshalb für Untersuchungszwecke so vortrefflich brauchbar, weil bei normalen Tieren niemals Fehlreaktionen vor- kommen und weil die zugehörigen Vorderbeinbewegungen sehr schnell und prompt den Kopfbewegungen folgen. Abweichungen von diesem normalen Verhalten sind daher ohne weiteres zu erkennen. Die Reaktion beruht auf einer gleichsinnigen Wirkung der Hals- und Labyrinthreflexe (Pflüger’s Archiv 145, 499, 1912). Bei Tieren mit überwiegenden Labyrinthreflexen wird daher direkt nach der cervicalen Wurzeldurchschneidung die Störung dieser Reaktion geringer sein müssen als bei Tieren ınit überwiegenden Halsreflexen. Ver- bessert sich nach anfänglich starker Störung oder völligem Fehlen die Reaktion in der Folgezeit deutlich, so wird man das auf ein kompensatorisches Eintreten der Labyrinthe für die Halsreflexe zu beziehen haben (s. u.). Die Reaktion eignet sich daher sehr gut zu Beobachtungen über das Überwiegen der Hals- oder Labyrinthreflexe bei verschiedenen Individuen und zur Beurteilung der Frage, inwieweit bei Fortfall der Halsreflexe die Labyrinthe kompensierend einspringen können. Würde man Reaktionen der Glieder auf veränderte Kopf- stellung untersuchen, die vom Hals und den Labyrinthen in ganz verschiedenem Sinne beeinflusst werden, so würde man über die gegenseitige Vertretbarkeit nichts erfahren. Fig. 2. Normale Katze. Reaktion der Vorderbeine. auf Kopfheben (Fleisch wird hoch in der Luft gehalten). 173 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Alle anderen Reflexe erwiesen sich viel weniger für unsere Zwecke geeignet. Sie lassen sich wohl gelegentlich bei allen Tieren beobachten bzw. hervorrufen, aber sind gerade bei Katzen nicht täglich nach Willkür zu reproduzieren. Aus diesem Grunde scheiden schon alle Reflexe aus, welche bei einer anderen Körperstellung als der normalen Fussstellung auftreten. Denn erwachsene Katzen machen, wenn man sie in Seiten- oder Rückenlage bringt, häufig Abwehr- bewegungen, welche die Beurteilung der Resultate erschweren. Das- selbe tritt auch bei Drehen oder Wenden des Kopfes ein, was sich die Tiere häufig nicht ohne Widerstand gefallen lassen. Aus diesem Grunde haben wir bei den Katzen vor der Labyrinthexstirpation hauptsächlich auf die Abhängigkeit der Vorderbeine von der Hebung oder Senkung des Kopfes geachtet. Bei der systematischen Untersuchung dieses Reflexes ergab sich bei unseren Katzen folgendes: a) „Weisse“ (operiert 9. Juli 1912). Bei der ersten Unter- suchung, 10 Wochen nach der Operation (18. September 1912), reagierten die Vorderbeine bereits richtig, d. h. sie wurden bei Heben des Kopfes gestreckt und bei Senken desselben gebeugt. Bei allen späteren Untersuchungen wurde dasselbe Ergebnis verzeichnet. (Nur am 19. November 1912 erfolgte die Reaktion nicht so prompt wie bei einer normalen Katze.) Entweder hatte diese Katze schon von Anfang an sehr geringe Halsreflexe oder es waren in den ersten Wochen Ausfallserscheinungen vorhanden gewesen, welche zur Zeit der Untersuchung bereits kom- pensiert worden waren. Dass eine derartige Kompensation tatsächlich stattfinden kann, ergibt sich aus den bei den anderen Tieren ge- machten Beobachtungen. b) „Labach“ (operiert 8. Juli 1912) wurde zum ersten Male am 19. September 1912, also etwa 10 Wochen nach der Operation, auf Halsreflexe untersucht: auf Heben und Senken des Kopfes er- folgte keine Reaktion der Vorderbeine. Das Tier konnte die Vorderbeine ganz gut willkürlich strecken und beugen, sass auch manchmal mit gehobenem Kopf und gestreckten Vorderbeinen da, aber es kam ebenso häufig vor, dass die letzteren dabei gebeust gehalten wurden. Bei Kopfbewegungen änderte sich der Tonus der Vorderbeine überhaupt nicht. Von einem gesetzmässigen Zu- sammenhang, wie bei einer normalen Katze, war keine Rede. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 179 Dieser Zustand blieb noch etwa 3—4 Monate unverändert bestehen, bis bei der Untersuchung am 15. Januar 1913, also !/s Jahr nach der Operation, zum ersten Male beobachtet wurde, dass sich doch wieder ein gewisser Zusammenhang zwischen Kopfstellung und Extremitätentonus eingestellt zu haben schien; aber jedenfalls er- folgte die Reaktion der Vorderbeine nicht so prompt wie bei einer normalen Katze. Am 16. Januar 1913 wurde notiert, dass ohne Zweifel beim Kopfheben und -senken die Vorderbeine gestreckt und gebeugt wurden, wenn auch noch nicht in völlig normaler Weise. Dieses blieb unverändert, bis am 27. Januar 1913 das eine Labyrinth exstirpiert wurde. Bei diesem Tiere war es also zu einer unvollständigen Kompensation des Ausfalles der Halsreflexe gekommen. Dass diese Kompensation von den Labyrinthen ausgeht, ist schon dadurch wahrscheinlich, dass die Labyrinthreflexe bei Heben und Senken des Kopfes in demselben Sinne auf die Vorderbeine einwirken wie die Halsreflexe, also zum Ersatze der Ausfallserscheinungen vorzüglich geeignet sind. Bewiesen wird es aber dadurch, dass die Kompensation nach der Exstirpation der Labyrinthe sofort wieder verschwindet. Ja, es wird weiter unten zu zeigen sein, dass bereits die Entfernung eines Labyrinthes genügt, um die wiedererworbene Fähigkeit, den Vorderbeintonus nach dem Kopfstande zu regulieren, verschwinden zu lassen. Die Kompensation des Ausfalles der Halsreflexe war bei „Labach“, wie erwähnt, unvollständig, bei den drei anderen unserer Katzen war sie vollständig („Schwarzweisse“) oder fast vollständig („Achmed“ und „Belial‘). ec) „Achmed“ (operiert am 3. April 1913). Während der ersten Tage nach der Operation war keinerlei Einfluss von Kopf- heben und -senken auf den Vorderbeintonus nachweisbar. Schon am 14. April aber wurde bereits ein gelegentliches Reagieren .der Vorderbeine notiert. An demselben Tage wurde aber auch mehrmals beobachtet, dass das Tier mit gehobenem Kopf und gebeugten Vorder- beinen in einer Weise dasass, wie das eine normale Katze niemals tut. Vollständig war die Kompensation also sicher noch nicht. Merkwürdig war an diesem Tage noch folgende Feststellung: Das Tier sass ruhig auf einem Stuhl. Liess man es durch vorgehaltenes Fleisch den Kopf heben, so änderte sich die Stellung der Vorder- 180 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: beine zunächst gar nicht. Lockte man sie dann aber etwas mit dem Fieisch, so streckte sie auf einmal die Vorderbeine, ohne jedoch hierbei die Stellung des Kopfes zum Rumpfe oder zur Horizontal- ebene irgendwie zu ändern. Es kann also diese Reaktion weder durch einen Hals- noch einen Labyrinthreflex hervorgerufen worden sein. Sie machte durchaus den Eindruck einer Willkürbewegung, und wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir sie als eine auf den optischen Reiz (durch Vermittelung des Grosshirns?) ausgelöste Be- wegung ansehen. Die Reaktion erfolgte also deutlich in zwei durch eine längere Pause getrennten Tempi. Wir haben diese Art der Bewegung niemals bei normalen Katzen gesehen, wohl aber kam Sie gelegentlich auch bei den anderen operierten Katzen (z. B. bei „Belial“) zur Beobachtung. Am 18. April reagierten bei „Achmed“ die Vorderbeine prompt, am 23. April wieder einmal nicht. Am 6. Mai reagierten sie manch- mal wieder sehr gut, und bei der letzten Untersuchung am 13. Mai, am Tage vor der ersten Labyrinthexstirpation, wurde notiert, dass die Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes deutlich, wenn auch nicht so prompt wie in der Norm, reagierten. d) „Belial“ wurde am 5. April 1913 operiert. Bis zum 24. Mai war niemals eine Reaktion der Vorderbeine auf Kopfheben und -senken wahrnehmbar, wie sich gerade bei diesem Tier mit der grössten Deutlichkeit feststellen liess (vgl. die stereoskopische Photo- graphie Fig. 3, auf der das Tier mit gehobenem Kopf und gebeugten Vorderbeinen dasitzt). Allmählich stellte sich die Reaktion zum Teil Fig. 3. „Belial“. Durchschneidung des ersten und zweiten cervicalen Hinter- wurzelpaares am 23. März 1913 und des dritten cervicalen Hinterwurzelpaares am 5. April 1913. Stereoskopische Aufnahme am 26. April 1913: Mit Hilfe von Fleisch wird das Tier zum Heben des Kopfes veranlasst, wobei die Vorderbeine gebeugt bleiben (zu vergleichen mit Fig. 1 S. 176). Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 181 wieder ein und war am 28. August deutlich, wenn sie auch noch etwas verspätet und etwas langsamer erfolgte. Am folgenden Tage waren die Störungen dann wieder deutlicher, sie sass manchmal mit gebeugten Vorderbeinen und gehobenem Kopf. Auf vorgehaltenes Fleisch erfolgte eine Reaktion in zwei Tempi, wie sie oben bei Achmed beschrieben worden ist. Diese Katze hatte vor der Operation offenbar vorwiegend Halsreflexe gehabt. Eine vollständige Kompensation zeigte die e) „schwarzweisse“. Dieser wurden am 18. Januar 1913 die Hinterwurzeln von C. 2 durchschnitten. Danach trat überhaupt keine Störung in der Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes ein. Am 16. April wurden die beiden anderen Hinter- wurzelpaare durchschnitten. Am 28. April, also 12 Tage nach dieser Operation, war bereits gelegentlich gute Reaktion zu sehen, doch trat sie manchmal verspätet oder auch gar nicht auf. Dieser Zustand blieb bis zum 13. Mai unverändert. An diesem Tage sowie bei allen nachherigen Untersuchungen reagierten die Vorderbeine ganz normal auf Heben und Senken des Kopfes. Diese Katze wird also von Anfang an wohl überwiegend Labyrinth- reflexe gehabt haben. Die leichten Störungen nach Ausschaltung der Halsreflexe wurden offenbar schnell von den Labyrinthen aus kompensiert. Das Verhalten der Vorderbeinreaktion auf Heben und Senken des Kopfes bei unseren Versuchstieren ersieht man übersichtlich aus folgender Tabelle: Die Reaktion war vollständig teilweise vollständig aufgehoben aufgehoben normal NVeissersae. st. ? 5 vom 69.-—-186. Tag Tabachı . \...1 2. bis zum 137. Tag | vom 187.—198. Tag — Nehmedt........ bis zum 11. Tag vom 11.—40. Tag — Belial. we: 27... bis zum 49. Tag | vom 49.—143. Tag — Schwarzweisse . . _ vom 12.—20. Tag | vom 20.—184. Tag Bei zwei von fünf Tieren haben wir also vollständige Kompensation des Ausfalles der Halsreflexe beobachtet, bei den drei anderen kam es innerhalb der Beobachtungszeit nur zur unvollständigen Kom- pensation. Bei dreien der Tiere hat sich sicher feststellen lassen, dass 182 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: kurz nach der Operation die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes erloschen war. Bei allen Tieren kam es zu deutlichen Kompensationserscheinungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfesin den ersten Tagen bzw. Wochen nach der Hinterwurzel- durchsehneidung ganz oder fast ganz aufgehoben ist. Allmählich stellt sich aber (vor allem durch Kom- pensationsvorgänge von den Labyrinthen aus) diese Reaktion wieder mehr oder weniger ein und kann bei einem Teil der Tiere wieder ganz normal werden. Bei anderen bleibt sie dauernd gestört. Diese Unter- schiede beruhen wahrscheinlich darauf, dass bei einigen Katzen die Hals-, bei anderen die Labyrinth- reflexe überwiegen. 3. Sonstige Dauerfolgen der Hinterwurzeldurcehschneidung am oberen Cervicalmark. In den beiden vorhergehenden Abschnitten ist gezeigt worden, dass als Dauerfolge der Hinterwurzeldurchschneidung im oberen Cervicalmark eine gewisse Schwäche der Hinterbeine beim Laufen zurückbleibt und dass Störungen in der Reaktion der Vorder- beine auf Heben und Senken des Kopfes vorhanden sind, welche aber in verschiedenem Grade durch die Labyrinthe und vielleicht auch von anderen Zentralteilen aus kompensiert werden können. Wie bereits von Magnus und de Kleijn!) mitgeteilt ist und wie im nachfolgenden Abschnitt nochmals zu zeigen sein wird, ergibt sich ausserdem aus der Analyse der Symptome, welche bei unseren Tieren nach der Exstirpation eines Labyrinthes auftraten, dass auch die Reaktion der Glieder und des Rumpfes auf Drehen und Wenden des Kopfes aufgehoben ist. Es fragt sich nun, welches die Folgen dieser Ausfälle für die Bewegungsfähiekeit des Tieres längere Zeit nach der Wurzeldurchschneidung sind. Die Beobachtungen an unseren fünf Katzen zeigten, dass die bleibenden Störungen der Bewegungen ausserordentlich gering sind 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 8. 275. 1913. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 183 und sich eigentlich nur als eine gewisse Ungeschicklichkeit und ein Mangel an Eleganz darstellen. Im einzelnen ergaben sich wieder (je nach der Stärke der Labyrinth- reflexe und der Fähigkeit zu Kompensationen) deutliche individuelle Unterschiede. Die geringsten Störungen hatte „Achmed“, bei der die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes nur in den ersten 11 Tagen nach der Operation vollständig auf- gehoben war. Schon nach einigen Wochen war fast nichts mehr von Bewegungsstörungen zu sehen. Sie lief schnell und tadellos, nicht breitbeinig und nicht knickebeinig, durch das Zimmer, konnte sich auf den Hinterbeinen aufrichten, ohne dabei einzuknicken, konnte vorzüglich die Treppe herauf und herunter laufen, sprang mit Leichtigkeit wie ein normales Tier von einem I m hohen Tisch und kniekte beim Erreichen des Fussbodens nicht ein. Nur wenn man sie in schwierigere Situationen brachte, sie z. B. von einem etwa 21/2 m hohen Kamin herunterspringen liess, konnte man durch Vergleich mit normalen Katzen feststellen, dass Achmeds Bewegungen etwas an Eleganz und Sicherheit eingebüsst hatten. Auch bei „Labach“ und der „Weissen“ waren die Störungen in der allgemeinen Beweglichkeit nur ganz gering. (Die „Schwarz- weisse“ scheidet für diese Beobachtungen aus, weil sie einige Zeit nach der Operation aus dem Fenster des ersten Stockwerkes in den Hof sprang und sich dabei den einen Vorderfuss verletzte.) Die stärksten dauernden Störungen hatte „Belial“, welche, wie oben erwähnt wurde (S. 181), vor der Operation wahrscheinlich überwiegende Halsreflexe gehabt hatte. Zwar lief sie sehr gut und schnell, konnte die Treppe herauf und herunter laufen, vom Tisch springen usw., aber man konnte sie in ihrem Verhalten doch immer von einer normalen Katze unterscheiden; sie lief immer noch etwas knickebeinig und mit dem Bauche dichter am Boden als ein normales Tier. Noch eine andere Folge der cervicalen Hinterwurzeldurchschneidung mag hier erwähnt werden, obwohl sie nicht in direkter Beziehung zu unserem Thema steht. Die Tiere kratzten sich fortwährend an der Haut des Halses und rieben sich mit Hinterkopf und Hals am Boden. Dadurch kam es nach kurzer Zeit zu Ulcerationen, welche an der Dorsalseite des Halses ihren Sitz hatten und nach vorne bis zur Spitze der Ohren, nach hinten etwa bis zur Halsmitte reichten. Die Tiere hatten offenbar an den gekratzten Stellen heftige Parästhesien. 184 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Die Wunden trotzten anfangs allen Behandlungsmethoden; erst als wir den Tieren regelmässig die Krallen schnitten, kamen sie allmählich zur Heilung. Hyperästhesien konnten auch Winkler und v. Rijnberk!) in Versuchen an Hunden am Rande von analgetischen Hautbezirken feststellen, die sie durch Hinterwurzeldurchschneidungen erhielten. Nach den Untersuchungen von Klessens?) kann das Ausbreitungs- gebiet der sensibelen Hautäste des vierten Cervicalnerven bei der Katze bis an den Hinterrand der Ohrmuschel reichen (s. Klessens Fig. 6). Wie weit die sensibelen Hautäste der Cranialnerven kaudalwärts auf die Haut des Hinterkopfes und Halses übergreifen, ist für die Katze nicht bestimmt. Das Hautgebiet des ersten Cervicalnerven reicht bei der Katze nach vorne bis an den lateralen Augen- und Mund- winkel, das des dritten Cervicalnerven nach hinten bis an die Schulter- gegend. Zieht man zum Vergleich noch die Ergebnisse heran, welche Sherrington®) beim Affen erhalten hat, so ergibt sich, dass nach Durchschneidung der drei ersten cervicalen Hinterwurzelpaare höchstens ein kleiner Bezirk der Haut des Halses ganz asensibel werden kann. Der Rest würde dann, wie in den Versuchen von Winkler und v. Rijnberk, der Sitz von Hyperästhesien (und Parästhesien) sein müssen, wie wir sie bei unseren Tieren tatsächlich beobachtet haben. Als Dauerfolge der Hinterwurzeldurchschneidung im oberen Cervicalmark lassen sich ausser den im vorigen Abschnitte geschilderten nur ausserordentlich geringe Störungen der Motilität, eine leichte Ungeschicklichkeit und Verlust der Eleganz der Bewegungen fest- stellen, die sich vor allem äussern, wenn die Tiere zu ungewöhn- lichen Bewegungen veranlasst werden. In der Intensität dieser Störungen sind Unterschiede zwischen den verschiedenen Tieren nachzuweisen. 4. Folgezustände der einseitigen Labyrinthexstirpation bei Katzen, denen die Hinterwurzeln am oberen Cervicalmark durchtrennt sind. Nachdem wir unsere Katzen längere Zeit (41—203 Tage) be- obachtet und die in den vorhergehenden Abschnitten geschilderten 1) ©. Winkler und G. A. v. Rijnberk, Amsterd. Akad. v. Weten- schappen, 25. Juni 1910. 2) J. J. H. M. Klessens, De uitbreidingsvelden der ruggemergs zenuwen in de huid der kat, bepaald met de strychnine-isolatie-methode. Diss. Amster- dam 1913. 3) C. S. Sherrington, Phil. Trans. Roy. Soc. B. Bd. 190 S. 66 Fig. 4 und S. 67 Fig. 5. 1898. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 185 Symptome bei ihnen festgestellt hatten, wurde bei vieren von ihnen die einseitige Labyrinthexstirpation durch de Kleijn ausgeführt. Da die Folgezustände der einseitigen Labyrinthexstirpation bei normalen Katzen von Magnus und de Kleijn!) genau untersucht und analysiert worden sind, lassen sich die Symptome unserer Katzen direkt mit denen vergleichen, welche die Tiere von M. und de K. darboten. Magnus und de Kleijn konnten in der erwähnten Arbeit zeigen, dass die Folgezustände, welche bei vorher normalen Katzen nach der Exstirpation eines Labyrinthes eintreten, sich zusammen- setzen aus direkten Folgen des Labyrinthverlustes und aus indirekten Symptomen, welche sekundär durch die Drehung (und Wendung) des Halses hervorgerufen werden, welche nach der Operation auftritt. Als direkte Folgen des einseitigen Labyrinthverlustes bei Katzen ergaben sich erstens eine dauernde Drehung des Halses nach der Seite des fehlenden Labyrinthes, zweitens eine dauernde Drehung des ganzen Rumpfes bis zum Becken, drittens eine vorübergehende Augendeviation nach der operierten Seite und ein Nystagmus in ent- gegengesetzter Richtung, viertens eine vorübergehende Wendung des Kopfes (eventuell auch des Rumpfes) nach der Seite des fehlenden Labyrinthes und fünftens eine inkonstante und schnell vorübergehende Schlaffheit der Glieder auf der Seite der Operation. Hierauf superponieren sich als indirekte Folgen, welche durch die Drehung (und Wendung) des Halses verursacht werden: erstens eine dauernde Verminderung des Strecktonus der Gliedmassen auf der operierten Seite und eine Vermehrung desselben auf der anderen Seite, zweitens eine dauernde Verstärkung der Rumpfdrehung, welche in der Arbeit von Magnus und de Kleijn noch als unsicher dar- gestellt wurde, nach unseren jetzigen Erfahrungen (siehe unten) aber zweifellos vorhanden ist, drittens eine Reihe von Bewegungsstörungen und Haltungsanomalien, welche durch die genannten Tonusänderungen bedingt sind, viertens schnell vorübergehende Einflüsse, welche durch die Wendung des Halses auf den Gliedertonus ausgeübt werden können. Führt man die einseitige Labyrinthexstirpation nun bei Katzen aus, bei denen vorher die drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare durehtrennt worden sind, so zeigt sich ein deutlicher Unterschied in den Folgezuständen. Es treten nämlich die direkten Folgen des einseitigen Labyrinthverlustes in genau der gleichen Weise, Stärke und Dauer ein wie bei den Normalkatzen. Dagegen fehlen 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 178. 1913. R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: 186 alle indirekten Folgen, welche dureh die dauernde Drehung und die vorübergehende Wendung desHalses beiden einseitig lJabyrinthlosen Normalkatzenhervor- serufen werden. Die Drehung (und Wendung) des Halses ist bei ihnen genau so hochgradig vorhanden, aber weil die obersten cervicalen Hinterwurzeln fehlen, können hierdurch keine Halsreflexe auf die Glieder und Rumpfmuskulatur ausgelöst werden. Die ein- seitige Labyrinthexstirpation ruft also bei Tieren ohne die oberen cervicalen Hinterwurzeln nicht mehr, sondern weniger Symptome hervor als bei Normalkatzen. Dieses Ergebnis unserer Beobachtungen an drei Katzen ist be- reits in der Arbeit von Magnus und de Kleijn mitgeteilt und zur Bekräftigung der dort gezogenen Schlussfolgerungen benutzt worden. Wir haben seither noch bei einer weiteren Katze ohne Halsreflexe (Belial) die Folgen des einseitigen Labyrinthverlustes studiert und die früheren Beobachtungen bestätigt gefunden. An demselben Tage wurde auch bei einer normalen Katze („Schwarze“) ein Labyrinth exstirpiert, so dass wir imstande waren, längere Zeit hindurch die Erscheinungen, welche beide Tiere zeigten, miteinander zu vergleichen. Die abgekürzten Protokolle!) dieser beiden Tiere lassen wir hier folgen; sie zeigen, dass tatsächlich das normale Tier nach dem Verluste eines Labyrinthes schwerere Störungen hat als die Katze mit durchtrennten Hinterwurzeln. Belial (Hinterwurzeloperation am | 23. März und 5. April 1913). Schwarze (Normalkatze). 16. September 1913. Typische rechtsseitige Labyrinthexstirpation. Porus acustieus internus und Bogen- gangsöffnungen freigelegt, Octavus- stamm mit der Pinzette umgangen. Faeialis intakt. (Schonende Ope- ration. 2/ı Stunden nach der Opera- tion: Tier sitzt. Kopf etwas nach rechts gewendet, etwas nach 16. September 1913. Typische rechtsseitige Labyrinthexstirpation. Porus acustieusinternus und Bogen- ganesmündungen freigelegt. Octa- vusstumpf mit der Pinzette um- gangen. Facialis intakt. (Schonende Operation.) !/a Stunde nach der Opera- tion: Narkose abgeklungen. Kopf nach rechts gedreht und ge- 1) Angaben über die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes sind in diesen Protokollen fortgelassen, weil dieses Symptom weiter unten gesondert besprochen wird. . besonders Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. rechts gedreht; Uhrzeigerbewegung nach rechts. — Hängelage mit Kopf unten: Thorax ca. 30°, Kopf 70° gegen das Becken gedreht. Bei Geradesetzen des Kopfes und bei starkem Überdrehen des Kopfes nach der anderen Seite ändert sich die Drehung des Thorax nicht. — In Rücken- lage bei geradegesetztem Kopfe haben die beiden rechten Beine weniger Strecktonus als die beiden linken Beine; der Unterschied ist an den Vorderbeinen deutlich. Durch Drehen des Kopfes ist kein Halsreflex auf die Vorderbeine aus- zulösen. Auf einer rauhen Unterlage ist die Katze nach rechts leichter verschieblich als nach links; bei geradegesetztem Kopfe ändert sich das nicht. Deutliche Augenabweichung nach rechts, Nystagmus . nach links. Oberrand der rechten Pupille nach rechts gedreht. Etwas Kopf- nystagmus. 6 Stunden nach der Opera- tion: Geht durch das Zimmer ohne zu fallen und ohne deutliche Abweichung nach rechts. Nur als sie ein- mal mit dem Kopf stark schüttelt, strauchelt sie dabei nach rechts. In Fussstellung ist sowohl beij| 157 wendet, Augendeviationnachrechts, Nystagmus nach links, Oberrand der rechten Pupille weicht etwas nach rechts ab. In Hängelage mit Kopf unten ist der Thorax 45°, der Kopf 90° nach rechts gedreht, wechselnd gewendet. BeimGeradesetzen desKopfes segen den Thorax geht die Thoraxdrehung zum Teil zurück (bis auf 30°); zum Ge- radesetzen des Thorax muss der Kopf 45° überdreht werden. In Rückenlage bei geradegesetztem Kopf ist der Strecktonus des rechten Vorderbeines viel geringer als der des linken, hinten weniger Unterschied. Bei der spontanen Rechtsdrehung des Kopfes wird der Tonusunterschied der Vorderbeine grösser, beiDrehen desKopfes nach links bekommt das rechte Vorderbein mehr Streck- tonus als das linke. — Das Tier lässt sich auf der Unterlage viel leichter nach rechts verschieben als nach links. Bei Gerade- setzen des Kopfes bleibt der Unterschied noch deutlich, wird aber viel geringer. 6 Stunden nach der Opera- tion: Fällt beim Laufen einige Male nach rechts. Rumpf hängt beim Sitzen stark nach rechts über; Beine symmetrisch. 188 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: gedrehtem als bei geradegesetztem Kopf der Strecktonus des rechten | Vorderbeines geringer als der des linken. Sitzt mit symmetrischen Beinen. | 17. September 1913. — Sitzt 17. September 1913. — Sitzt aufrecht. Kopf etwas gedreht und aufrecht. Kopf 30° gedreht und wechselnd gewendet. Kopf kann wechselnd gewendet. Beine beim auch nach links gewendet werden. Sitzen symmetrisch. Läuft rück- Manchmal Uhrzeiger- und Manege- wärts, fällt mehrmals auf bewegungen nach rechts. Beim die rechte Seite. Thorax Sitzen hängt der Thorax deutlich | hängt nach rechts über. Noch nach rechts über. Läuft ge- etwas Kopfschwanken. Rutscht radeaus durchs Zimmer, vom schräggestellten Stuhl _ geht dabei manchmalsogar nach vorn herunter, strauchelt etwasnachlinks. Noch etwas dabei stark nach rechts. — Kopfschwanken. Springt vom Körperhaltung in Hängelage mit schief gehaltenen Stuhl/Kopf unten wie gestern. Tonus- ohne zu fallen; kann auch | unterschied der Beine, Verschieb- einige Schritte nach links gehen. lichkeit und Augensymptome wie Körperhaltung in Hängelage mit gestern. Kopf unten wie’gestern. Tonus- | unterschied der Beine, Verschieb- lichkeit und Augensymptome wie‘ gestern. | 18. September 1913. Läuft 18. September 1913. — Beim vorsichtig geradeaus durch Sitzen mit geradegesetztem Kopf das ganze Zimmer, kann kein Tonusunterschied der Beine. auch nach links herum-/Beim Drehen des Kopfes laufen, strauchelt nicht bekommt das Kieferbein nach rechts. Läuft noch etwas|mehr, Schädelbein weniger knickebeinig (wie auch schon vor Strecktonus. Verschieb- der Operation), aber nicht breit- lichkeit nach rechts grösser being. Beim Sitzen keinjals nach links, bei gerade- TonusunterschiedderVorder-|gesetztem Kopf Unterschied beine. Springt vom Stuhl, macht in der Verschieblichkeit dann eine Zirkeltour nach rechts verschwunden. Strauchelt und läuft geradeaus weg.|beider Untersuchung häufig Kein deutlicher Unter-|nach rechts. Springt vom Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe, schied in der Verschieb- lichkeit nach rechts und nach links, auch nicht bei spontan gedrehter Kopf- haltung. Hat zweifellos viel weniger Störungen als die „Schwarze“ Katze. 21. September 1913. — Läuft viel besser, etwas breit- und kniekebeinig, geradeausdurch das ganze Zimmer. Weicht beim Laufen ab und zu nach rechts ab, aber ebensooft nach links. Klettert vom Boden auf einen Kaninchenkäfig und von da auf die Fensterbank. 23. September 1913. — Läuft gut geradeaus, strauchelt ein- mal nach rechts. Kann eine ganze Zirkeltour nach links machen. Sucht manchmal mit der linken Seite’ die Mauer. Kopf ca. 20° nach rechts gedreht, manchmal gewendet; kann auch nach links gewendet werden. Beim Springen vom Stuhl und vom Tisch weicht sie manchmal etwas nach rechts ab. 24. September 1913. — Keine Augenablenkung, kein Nystagmns. Laufen wie gestern. Pflüger’s Archiv fü: Physiologie. Bd. 159. 159 Stuhl,ohnezufallen,strau- chelt dann nach rechts, macht einige Uhrzeigerbewegungen, strauchelt dann wieder nach rechts. 21. September 1913. — Läuft sehr wenig und fällt wieder- holt dabei nach rechts. Häufig Uhrzeigerbewegungen nach rechts, 23. September 1913. — Laufen wie am 21. September. — Pfoten beim Sitzen symmetrisch. Wenn man sie vorwärts treibt, läuft sie manchmal halbschräg nach rechtsvorwärts. Keine Augenablenkung, kein Nystagmus. - Beim Sitzen Tonusunterschied der Beine und Verschieblichkeit wie am 18. September. In Hängelage mit Kopf unten ist der Thorax ea. 20° gedreht. Beim Gerade- setzen des Kopfes wird die Drehung geringer. Vom schräggestellten Stuhl springt bzw. fällt sie herunter und strauchelt - dabei nach rechts. Geht sehr vorsichtig vorwärts und stützt sich wiederholt mit der rechten Seite an der Mauer. 24. September 1913. — Stol- pert beim Laufen nach rechts. Läuft mit der rechten Seite an 15 190 27. September 1913. — Springt vom Boden auf den Stuhl, vom Tisch auf die Fensterbank und vom Tisch auf den Boden, ohne zu fallen. Läuft geradeaus, ohne zu straucheln oder zu fallen. Läuft die Treppe gut und ohne zu fallen herauf und herunter. Schief auf eine Treppenstufe gesetzt, fällt sie aber und rollt herunter. 4. Oktober 1913. Änderung. Keine 13. Oktober 1913. — Galoppiert mit grosser Sicherheit die Treppe herauf, und läuft danach schnell geradeaus durchs Zimmer; strau- chelt dabei ein- bis zweimal. 20. Oktober 1913. — Holt sich Fleisch vom Gitterdach des Käfies, klettert an der Seitenwand in die-Höhe, hält sich mit zwei Vorderpfoten an einem Stabe des Gitterdaches und packt das Fleisch mit dem Maul. 27. Oktober 1913. Kopf nach rechts gedreht, manchmal bis zu 45° Kann sich frei auf den Hinterbeinen aufstellen. Springt vom Gitterdach des fast 2m hohen Käfigs herunter, fällt einen Augen- blick auf die Seite und läuft dann R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: der Mauer entlang. Läuft halb- schief nach rechts durch das Zimmer. Springt vom - schief- gestellten Stuhl gut herunter. 2%. September 1913. — Läuft jetzt gut geradeaus. Auf vor- gehaltenes Fleisch strauchelt sie einmal nach rechts. 4. Oktober 1913. — Läuft gut, strauchelt aber dabei noch einmal nach rechts. Springt vom Stuhl, strauchelt aber auch dabei nach rechts. Läuft sehr vor- sichtig die Treppe herunter. 13. Oktober 1913. — Springt gut vom Tisch. 20. Oktober 1914. — Springt gut vom Stuhl. 27. Oktober 1913. — Zustand unverändert. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 191 schnell fort. Ausser der Rechts- drehung desKopfes hat sie keine direkt sichtbaren Bolzen der einseitigen Labyrinthexstirpation mehr. 1S. Dezember 1913. Kopf 50) 18. Dezember 1913. — Kopf bis 45 ° nach rechts gedreht. Läuft |nach rechts gedreht. Springt mit geradeaus. Auf vorgehaltenes | Sicherheit vom Stuhl und der Fleisch hebt sie den Kopf, ohne | Fensterbank herunter. Läuft gut die Vorderbeine zu streeken.|durchs Zimmer. Auf Heben Man kann den Kopf 90° nach|und Senken des Kopfes oben heben ohne Reaktion/reagieren die Vorderbeine der Vorderbeine. In Hänge-|prompt mit. lage mit Kopf unten ist der Kopf 45°, der Thorax etwas gedreht. Läuft die Treppen gut herauf und herunter. Nachmittags: Exstirpation des) Nachmittags: Exstirpation des zweiten Labyrinthes. zweiten Labyrinthes. In Übereinstimmung mit unseren früheren Beobachtungen an „Labach“, der „Weissen“ und „Achmed“ konnten wir also auch bei „Belial“ feststellen, dass Katzen ohne Halsreflexe nach der Fort- nahme eines Labyrinthes alle die Symptome zeigen, welche nach den Untersuchungen von Magnus und de Kleijn als direkte Folgen des Labyrinthverlustes anzusehen sind: die vorübergehende Augenabweichung und den Nystagmus, die vorübergehende Wendung und dauernde Drehung des Halses, die dauernde Drehung des Rumpfes und die schnell vorübergehende Schlaffheit der Glieder auf der operierten Seite. Dagegen fehlen alle indirekten Folgen, welche durch Halsreflexe ausgelöst werden. Diese letzteren Erscheinungen seien im folgenden nochmals im Zusammenhang besprochen. Schon direkt nach der Operation liessen sich bei „Belial“ und der „Schwarzen“ Unterschiede nachweisen. Bei Hängelage mit Kopf unten waren bei beiden Tieren Kopf und Rumpf deutlich gedreht. Wurde bei Belial der Kopf gegen den Rumpf geradegesetzt oder nach der anderen Seite gedreht, so veränderte sich die Drehung des Rumpfes nicht, während sie sich bei der Schwarzen deutlich verringerte und sogar ganz schwand, als der Kopf um 45° nach der 152 192 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: - anderen (linken) Seite gedreht wurde !). Bei der „Schwarzen“ waren eben die Halsreflexe, welche durch Kopfdrehen auf die Rumpf- nıuskulatur auszulösen sind, vorhanden, während sie bei Belial infolge der Wurzeldurchschneidung beseitigt waren. Dieselbe Erklärung gilt für die Unterschiede im Tonus der Ex- tremitäten bei beiden Tieren. In den ersten Tagen naclı der Opera- tion sind «die Beine auf der Seite des Labyrintliverlustes infolge eines direkten Einflusses der Operation schlaffer als auf der anderen Seite. Dieser Unterschied liess sich sowohl bei Belial als bei der Schwarzen nachweisen. Bei Belial aber war an diesem Unterschied durch Drehen («es Kopfes in beliebiger Richtung nichts zu ändern, währeud bei der Schwarzen, wie bei allen Normalkatzen, nach der Fortnahme eines Labyrinthes dieser Unterschied verstärkt wurde dureh die Rechtsdrehung des Kopfes, wie sie nach der Operation auftritt und sich beseitigen oder sogar überkompensieren liess durch Drehen des Kopfes in umgekehrter Richtung. Wenige Tage später, nachdem der Tonusunterschied der Beine als direkte Labyrinth- ausfallsfolge geschwunden war (Tonus der Beine bei geradegesetztem Kopfe beiderseits gleich), liess sich bei Belial weder bei spontan gedrehter Stellung des Kopfes noch bei Drehen des Kopfes in um- gekehrter Richtung ein Tonusunterschied der Beine mehr hervor- rufen, während bei der Schwarzen bei spoutaner gedrehter Kopf- haltung die Beine der operierten Seite weniger Strecktonus hatten als die der normalen Seite und bei Drehen des Kopfes in umgekehrter Richtung mehr Tonus bekamen als die der Normalseite. Dieses Verhalten liess sich sowohl bei der Untersuchung des stehenden Tieres als auch in Rückenlage nachweisen. Infolgedessen war auch die seitliche Verschiebbarkeit auf einer rauhen Unterlage, welche ein vortreffliches Mittel zur Untersuchung des Gliedertonus ist, bei der Schwarzen stets durch Drehen des Kopfes in dem Sinne zu be- einflussen, dass die Verschieblichkeit nach der „Schädelseite“ zu- und nach der „Kieferseite“ abnahm, während bei Belial durch Kopf- drehen sich die Verschieblichkeit nicht beeinflussen liess. Sehr deutlich wurde der Unterschied im Verhalten von Belial und der Schwarzen, als die Tiere anfingen zu laufen. Wie alle 1) Durch diese Beobachtungen werden die Angaben von Magnus und de Kleijn (Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 266 u. 296. 1913) über den Einfluss der Halsdrehung auf die Thoraxdrehung, worüber damals nur wenige Beobachtungen angestelit werden konnten, in wünschenswerter Weise ergänzt. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 193 Normalkatzen nach einseitigem Labyrinthverlust, hatte die Schwarze infolge der Halsdrehung und des dadurch bedingten Tonusunterschiedes der Beine die Tendenz, nach der operierten (rechten) Seite beim Laufen abzuweichen, schräg nach rechts vorn zu laufen, nach rechts zu straucheln und zu fallen, mit der rechten Seite Schutz und Stütze an der Mauer zu suchen. Diese Störungen waren nach einer Woche noch deutlich nachzuweisen und schwanden im Laufe der zweiten Woche. Belial dagegen konnte bereits 6 Stunden nach der Operation ohne deutliche Abweichung nach rechts durch das Zimmer gehen; sie lief auch in der Folge niemals schräg nach rechts vorn. Straucheln nach rechts wurde nur am ersten Tage nach der Operation (als die rechten Beine noch schlaffer waren als die linken) beobachtet und danach nur noch einmal (23. September). Schon am ersten Tage nach der Operation konnte sie etwas nach links laufen, nach einer Woche machte sie sogar Zirkeltouren nach links und lief mit der linken Seite an der Mauer entlang. Auch bei der Ausführung komplizierterer Bewegungen liess sich derselbe Unterschied nachweisen. Belial sprang schon am ersten Tage von einem schräg gehaltenen Stuhl, ohne zu fallen, am zweiten Tage von einem gewöhnlichen Stuhl, am siebenten Tage von einem 1 m hohen Tisch auf den Boden, am elften Tage vom Boden auf den Stuhl und konnte an diesem Tage auch die Treppe herauf- und heruntergehen. Im Gegensatz hierzu rutschte die Schwarze am Tage nach der Operation vom schräg gestellten Stuhl nach vorn herunter und strauchelte am folgenden Tage beim Sprung vom schrägen Stuhl noch nach rechts. Erst am achten Tage konnte sie diese Aufgabe gut ausführen. Den Sprung vom Tische, den Belial nach 7 Tagen sut machte, brachte die Schwarze erst nach 3 Wochen fertig, und erst nach 18 Tagen konnte sie sehr vorsichtig die Treppe herunterlaufen. Diese Unterschiede waren keineswegs nur bei Belial und der Schwarzen ausgesprochen, sondern liessen sich in ähnlicher Weise zwischen den zahlreichen Normalkatzen, welche in den letzten Jahren im hiesigen Institut beobachtet worden sind, und den anderen drei Katzen ohne Halsreflexe (Labach, Weisse und Achmed) nach der Fortnahme eines Labyrinthes feststellen. Aus alledem ergibt sich, dass die Störungen nach einseitiger Labyrinthexstirpation bei Normalkatzen sehr viel stärker sind als bei Katzen ohne Halsreflexe. Bei allen Tieren lässt sich der direkte Einfluss des 194 R. Magnus und W.-Storm van Leeuwen: Labyrinthverlustes nachweisen. Nur bei den Normal- katzen addiert sich aber hierzu die Folge der durch die Kopfdrehung ausgelösten Halsreflexe. Während also nach der alleinigen Durchschneidung der oberen cervicalen Hinterwurzeln binnen kurzer Zeit die Katzen sich fast so verhalten wie normale Tiere und die Ausfallserscheinungen nur bei genauerer Untersuchung festzustellen sind, werden dieselben sofort manifest, sobald man durch Fortnahme eines Labyrinthes die Halsreflexe stärker beansprucht. Über die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes haben wir in der Zeit nach der Entfernung eines Labyrinthes Beobachtungen an Achmed und Belial angestellt. „Achmed“ hatte unmittelbar nach der Hinterwurzeldurchschneidung die Reaktion gar nicht gezeigt. Im Laufe der zweiten Woche kehrte dieselbe aber zurück, und in der letzten Woche vor der ersten Labyrinthexstirpation war sie zweifellos vorhanden, erfolgte aber weniger prompt als bei einer normalen Katze. Es wurde deshalb die Kompensation als fast vollständig bezeichnet und als wahrscheinlich angenommen, dass es sich um eine Kompensation von seiten der Labyrinthe handelte. — 3 Tage nach der Labyrinthexstirpation wurde das Verhalten der Vorderbeine wieder untersucht, und es stellte sich heraus, dass die Reaktion fehlte. Auch wenn die Katze mit stark gebeusten Vorderbeinen auf dem Boden sass, erfolgte auf Heben des Kopfes und starke Streekung des Halses keine Änderung in der Stellung der Vorderbeine. Auch bei vier weiteren Untersuchungen, zuletzt 3 Wochen nach der Operation, wurde keine Spur einer Re- aktion beobachtet. Bei Achmed hatte also die Exstirpation eines Labyrinthes genügt, um die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes, die nach der Hinterwurzeldurchschneidung sich fast voll- ständig hergestellt hatte, wieder verschwinden zu lassen. Bei „Belial“ war die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes nach der Hinterwurzeldurchschneidung zunächst 7 Wochen lang vollständig aufgehoben. Danach trat wieder eine Reaktion auf; dieselbe erfolete aber in der Weise, dass auf Heben des Kopfes zunächst die Vorderbeine zebeust blieben und darauf in einem zweiten Tempo sich streckten, ohne dass dabei die Stellung von Kopf und Hals geändert wurde. Es handelte sich vermutlich Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 195 demnach bei diesem Tiere nicht um einen Labyrinthreflex, sondern um eine neuerlernte Reaktion, bei der vielleicht das Grosshirn be- teilist war. Nach der Entfernung eines Labyrinthes änderte sich an diesem Verhalten nichts. Die Reaktion erfolgte langsam, unsicher und stets in zwei Tempi, unabhängig von der Veränderung der Kopf- stellung. Bei Belial blieb also die nach der Hinterwurzeldurehschneidung eingetretene unvollständige Kompensation, welche vermutlich un- abhängig von den Labyrinthen erfolgt war, unverändert bestehen. Aus der Gesamtheit unserer Beobachtungen ergibt sich, dass die einseitige Labyrinthexstirpation bei Katzen ohne Halsreflexe weniger Symptome macht als bei normalen Katzen. Wohl treten beiihnen alle direkten Folgen des Labyrinthausfalles (vorüber- sehende Augendeviation und Nystagmus, vorüber- gehende Wendung und dauernde Drehung des Halses, dauernde Drehung des Rumpfes und schnell vorüber- sehende Schlaffheit der Beine aufder operierten Seite) genau so wie bei den Normalkatzenein:. Dagegen fehlen bei ihnen alle dureh die vorübergehende Wendungund dauernde Drehung des Kopfes ausgelösten tonischen Halsreflexe. Infolgedessen ist der dauernde Tonus- unterschied der beiderseitigen Gliedmaassen, welcher bei den Normaltieren durch die Halsdrehung hervor- gerufen wird, nicht vorhanden. Die KatzenohneHals- reflexe zeigen daher nach einseitigem Labyrinthverlust nicht die Neigung, nach der operierten Seite umzu- fallen, nach dieser Seite beim Laufen abzuweichen, sie sitzen mit den Beinen der operierten Seite nicht breitbeinig und springen sicherer als die Normal- katzen. Die Verschieblichkeit auf der Unterlage ist (wenn die ersten Tage nach der Operation vorüber sind) nach beiden Seiten gleich. Durch Drehen und Wenden des Kopfes lässt sich nicht der mindesteEin- fluss auf den Tonus der Gliedmaassen ausüben, und infolgedessen ist es auch bei diesen Tieren unmöglich, durch Geradesetzen des Kopfes die Folgeerscheinungen der Labyrinthexstirpation zu vermindern. 196 -R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Dureh diese Feststellungen wird der beste Beweis geliefert, dass die von uns vorgenommene Hinter- wurzeldurchschneidung im oberen CGervicalmark tat- sächlich die tonischen Halsreflexe auf Drehen (und Wenden) des Kopfes ausgeschaltet worden sind. 5. Beobachtungen an einem Kaninchen, dem nach Durch- schneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare ein Labyrinth exstirpiert wurde. An dieser Stelle lassen sich zwanglos die Beobachtungen ein- fügen, die wir an einem Kaninchen machen konnten, dem nach Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare ein Labyrinth exstirpiert wurde. Wie von Magnus und de Kleijn!) gezeigt worden ist, kommen die Rollbewegungen, welche Kaninchen nach’ einseitiger Labyrinthexstirpation ausführen, in der Weise zustande, dass die Tiere infolge der durch die Operation gesetzten Reize heftige Lauf- und Sprungbewegungen machen, welche nicht, wie bei normalen Kaninchen, zur Vorwärtsbewegung des Körpers führen, sondern bei denen sich der spiralig gedrehte Rumpf durch den Raum schraubt. Die spiralige Drehung des Körpers kommt teilweise durch eine direkte Wirkung des Labyrinthausfalles zustande, wird aber durch einen Hals- reflex verstärkt, der durch die Drehung des Halses nach der Operation ausgelöst wird. Ausserdem wirken Halsreflexe auf die Extremitäten dabei mit. Der Einfluss der Halsreflexe bei den Rollbewegungen ist so gross, dass man bei jedem rollenden Kaninchen diese Zwangs- bewegung dadurch sofort unterdrücken kann, dass man den Kopf geradesetzt und dadurch die Halsreflexe aufhebt. Nach diesen Feststellungen warzuerwarten, dass Kaninchen, denen die oberen cervicalen Hinterwurzeln durehtrenntsind, nach einseitiger Labyrinthexstirpation keine Roll- bewegungen ausführen. Der Versuch hat diese Voraus- setzungen bestätigt. Von sieben Kaninchen, welche die Hinterwurzeldurchschneidung überlebten, gingen fünf im tiefen Koma in den ersten 2 Tagen an den ÖOperationsfolgen ein. Ein Tier, das später von seinen Kameraden totgebissen wurde, zeigte direkt nach der Operation kaum irgend- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 223. 1913. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 197 welche Störungen. Das einzige Kaninchen, an welchem wir längere Beobachtungen machen konnten, atmete sofort nach der am 25. Sep- tember 1913 vorgenommenen Operation (Durchscheidung der drei oberen cervicalen Hinterwurzelpaare; vel. oben S. 165) spontan, lag nach !/sz Stunde noch auf der Seite, machte aber schon die ersten Versuche, aufzusitzen. Am nächsten Tage sass es tadellos aufrecht im Käfige, frass spontan und hatte nur etwas Kopfschwanken. In den nächsten Tagen lief es täglich einige Stunden im Hofe herum und zeigte dabei sehr wenig Störungen. Nur anfangs bewegte es beim Laufen und Springen die Vorderbeine etwas ungeschickt; doch verbesserte sich dieses bald, und nur gelegentlich strauchelte es noch beim Laufen. Beim Sitzen waren die Vorderbeine gewöhnlich nach vorn extendiert und lagen dabei bis zum Ellenbogengelenk auf dem Boden auf. Auf spontanes Heben des Kopfes zog es manchmal die Vorderbeine an. Bei vorsichtigem passivem Heben und Senken des Kopfes traten keine entsprechenden Bewegungen der Vorderbeine - auf. Manchmal sass es mit gehobenem Kopfe und gebeugteu Vorder- beinen da, genau wie das oben von der Katze Labach beschrieben worden ist. Nachdem das Tier noch eine interkurrente Magendarmerkrankung sut überstanden hatte, wurde am 20. Oktober 1913, also 25 Tage nach der Operation, folgender Befund erhoben: Das Tier sitzt normal; manchmal werden die Vorderbeine noch gestreckt gehalten. Beim Laufen und Springen nur geringe Un- geschicklichkeit. In Fussstellung sind dureh passives Heben und Senken des Kopfes keine deutlichen Halsreflexe auf die Vorderbeine auszulösen. Das Tier kann die Vorderbeine sehr gut aktiv strecken und beugen. In Rückenlage erfolgen auf Heben und Senken des Kopfes schwache Labyrinthreflexe an den Vorderbeinen (Ventral- beugen führt zu geringer Zunahme, Dorsalbeugen zu geringer Ab- nahme des Strecktonus der Vorderbeine). Bei Kopfdrehen in Rücken- lage sind schwache, aber zweifellose Halsreflexe nachzuweisen (Abnahme des Strecktonus im vorderen „Scheitelbein“, Zunahme im „Kieferbein“). Die Hinterbeine reagieren nur sehr schwach. Einfluss des Kopfdrehens auf den Rumpf ist nicht nachzuweisen. Bei diesem Kaninchen hatte also die Durchschneidung der drei oberen cervicalen Hinterwurzelpaare nicht hingereicht, um die Hals- reflexe vollständig zum Verschwinden zu bringen. Dieselben waren deutlich abgeschwächt, aber ein zweifelloser Rest war 198 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: noch vorhanden. Durch Kopfdrehen liess sich noch ein Einfluss auf den Tonus der Vorderbeine (weniger der Hinterbeine) ausüben, während die Rumpfmuskulatur auf Kopfdrehen und die Glieder- muskeln auf Kopfheben und -senken keine nachweisbaren Halsreflexe mehr zeigten. Aus diesem Grunde haben wir die Versuche an Kaninchen zu- nächst nicht weiter fortgeführt. Es ist wahrscheinlich, dass nach Durehschneidung von vier Hinterwurzelpaaren beim Kaninchen die Halsreflexe ganz aufgehoben werden. Doch sind uns alle Tiere, bei denen diese Operation ausgeführt wurde, eingegangen. Ausserdem ist zu erwarten, dass nach Durchtrennung der vierten cervicalen Hinterwurzel bereits die Sensibilität der Vorderextremität gestört werden kann (s..o. S. 161). An diesem Tier mit abgeschwächten Halsreflexen wurde am 31. Oktober 1915 von de Kleijn nach Unterbindung der linken . Carotis das linke Labyrinth entfernt. Hierbei wurde nach Freilegung und Ausräumung der Bogengangs- öffnungen der Nervus octavus im Porus acustieus internus mit der Pinzette umgangen und dabei absichtlich etwas malträtiert. Nach den zahlreichen im hiesigen Laboratorium gewonnenen Erfahrungen führt ein normales Kaninchen nach einer derartigen Operation mit Sicherheit die heftigsten Rollbewegungen aus. Dieselben fehlten dagegen bei diesem Tier mit abgeschwächten Hals- reflexen. 1 Stunde nach der Operation sitzt das Tier gut aufrecht auf dem Boden. Der Kopf ist 45° nach links gedreht und ebensoviel sewendet. Horizontaler Kopfnystagmus. Das rechte Vorderbein ist gestreckt und abduziert. Bei Geradesetzen des Kopfes ändert sich das nicht. Das Tier ist seit dem Erwachen aus der Narkose dauernd beobachtet worden und hat kein einziges Mal gerollt. Wohl macht es anfallsweise heftige Lauf- und Spring- bewegungen, aber diese führen niemals zu Rollungen, sondern das Tier kommt entweder dadurch vorwärts oder fällt auf die Seite und setzt sich darauf sofort wieder auf. Es kann sich aus der rechten Seitenlage ohne Schwierigkeiten aufsetzen. Am. nächsten Tage ergibt sich im wesentlichen dasselbe. Der Kopf ist jetzt um 90° nach links gedreht. Beim Sitzen ist das rechte ‘Vorderbein gestreckt abduziert. Beim Geradesetzen des Kopfes und beim Überdrehen des Kopfes (bis zu 45°) nach rechts Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 199 ändert sich die Stellung des rechten Vorderbeines nicht. Das Tier rollt nicht. Wenn es auf die linke Seite fällt, kann es sich ohne Schwierigkeiten wieder aufsetzen. — In Hänge- lage mit dem Kopfe nach unten ist der Thorax 30°, die obere Thoraxapertur 45°, der Kopf 60° gegen das Becken gedreht. Bei Geradesetzen des Kopfes bleibt die Drehung des Thorax unver- mindert. — In Rückenlage hat das linke Vorderbein viel geringeren Strecktonus als das rechte. Beim Geradesetzen des Kopfes bleibt dieser Unterschied unverändert. Das Tier ging 6 Tage nach (der Labyrinthexstirpation ein. Die Beobachtungen an diesem Tiere zeigten, dass, wenn auch durch die Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzel- paare die Halsreflexe nicht vollständig aufgehoben waren, sie doch jedenfalls sehr abgeschwächt worden sind. Daher war es nach der Labyrinthexstirpation nicht möglich, die Rumpfdrehung und den GJiedertonus durch Veränderung der Kopfdrehung (Geradesetzen oder Überdrehen) zu beeinflussen. Das wichtigste Ergebnis aber ist, dass nach der Wurzeldurchschneidung die Roll- bewegungen fortblieben. Dadurch werden die in der Arbeit von Magnus und de Kleijn mitgeteilten Beobachtungen über die Entstehung der Rollbewegungen in wünschenswerter Weise ergänzt und bestätist. Wie bei den Katzen ergibt sich also auch beim Kaninchen, dass nach Durchtrennung der oberen cervicalen Hinter- wurzeln eine einseitige Labyrinthexstirpation nicht mehr, sondern weniger Erscheinungen hervorruft als bei normalen Tieren. 6. Folgezustände der doppelseitigen Labyrinthexstirpation bei normalen Katzen. Bei unseren Katzen ohne Halsreflexe haben wir nach verschieden langer Zeit der Entfernung des einen Labyrinthes die des anderen folgen lassen, so dass wir dann Tiere erhielten, bei denen weder Hals- noch Labyrinthreflexe mehr vorhanden waren, und bei denen demnach durch Änderung der Kopfstellung keine direkten tonischen Reflexe auf die Körpermuskulatur ausgeübt werden konnten. Die Symptome, welche diese Tiere darboten, mussten einerseits verglichen werden mit denen nach alleinigem Fortfall der Halsreflexe. wie sie oben in Abschnitt 1--3 dieser “Arbeit seschildert sind, andererseits mit den Folgezuständen der doppelseitigen Labyrinthexstirpation bei 200 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Normalkatzen. Unseres Wissens liegt eine genauere Schilderung des Verhaltens labyrinthloser Katzen in der Literatur nicht vor, und da es nicht angeht, die Beobachtungen, wie sie von verschiedenen Be- obachtern am Hunde angestellt worden sind, ohne weiteres auf die Katze zu übertragen, so muss zunächst diese Lücke ausgefüllt und die Folgen des Verlustes beider Labyrinthe bei der Katze geschildert werden. Zu diesem Zwecke verfügen wir über noch unveröffentlichte Beobachtungen von Magnus und de Kleijn an neun Katzen, von denen bei sieben die beiden Labyrinte einzeitig, bei zweien zweizeitig entfernt worden sind. Bei den einzeitig operierten Tieren sinıl die Störungen sehr viel stärker. Doch sitzen sie bereits kurze Zeit nach der Operation meist aufrecht im Käfig, der Bauch liegt flach auf dem Boden, der Kopf wird gerade gehalten. Es besteht starkes Kopfschwanken und horizontales und vertikales Kopfpendeln; oft hämmern sie mit der Schnauze laut hörbar auf die Unterlage. Zwischendurch kann aber der Kopf ruhig gehalten werden. Nimmt man die Tiere aus dem Käfige und setzt. sie auf den Fussboden, so sitzen sie manchmal aufrecht, manchmal fallen sie auf die Seite. Auf irgendeinen Reiz oder scheinbar spontan kommt es dann oft zu selır charakteristischen Anfällen, wobei die Tiere plötzlich wild herunı- springen, sich gelegentlich überschlagen, mit dem Kopf auf den Boden hämmern, herumrollen usw. In den ersten Tagen nach der Operation können die Katzen nicht Jaufen, wohl aber schon am ersten Tage vorwärts und rückwärts kriechen. Besonders auffallend ist, dass fast alle Tiere in der allerersten Zeit nur nach rück wärts kriechen, manchmal durch die ganze Breite des Zimmers. Nach 1—3 Tagen fangen sie dann auch an, vorwärts zu kriechen, und etwas später versuchen sie zu laufen. Hierbei helfen sie sich anfangs in der Weise, dass sie sich mit einer Seite an der Mauer stützen. Sie laufen dann breitbeinig und mit dem Bauche dicht am Boden (knicke- beinig), und es berührt ein grösserer Teil der Sohle der Hinterfüsse den Boden wie bei einer normalen Katze (Bärengane). Überdies ist der Gang schwankend und ungeschickt. Auch beim Sitzen und Stehen schwanken die Tiere in diesem Stadium mit dem Rumpfe. Sie suchen sich dagegen durch starke Abduktion, besonders der Vorderbeine, zu schützen. Erst nach etwa 1 Woche wird das Laufen etwas besser; die Tiere können dann wenigstens einige Schritte frei durch das Zimmer Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe, 201 gehen, ohne zu fallen. Sobald das Laufen besser wird, zeigt sich ein sehr charakteristisches Symptom, das bei allen doppelseitig- labyrinthlosen Katzen festzustellen war und noch länger als 1 Jahr nach der Operation beobachtet werden konnte. Die Tiere sehen sich nämlich beim Laufen fortwährend nach liuks und rechts um. Meist wird bei jedem Schritt der Kopf nach einer anderen Seite ge- wendet. Im Anfang ist dieses so stark, dass die Tiere hierdurch zu ganzen oder halben Zirkeltouren veranlasst werden. Anfangs laufen die Katzen daher auch fast niemals geradeaus, sondern im Ziekzack durch das Zimmer. Nur wenn sie auf ein bestimmtes Ziel losgehen, wird die Direktion etwas besser eingehalten. Es macht den Eindruck, als ob sie die nach der Operation fehlenden akustischen Eindrücke durch optische zu ersetzen suchten. Das unmittelbar nach der Operation auftretende Schwauken, Pendeln und Hämmern des Kopfes nimmt schon in den ersten Tagen an Intensität ab. Das Hämmern hört gewöhnlich zuerst auf. Diese starken Kopfbeweeungen sind wohl grösstenteils als Folge fehlerhafter Eindrücke von seiten der Augen aufzufassen. Denn man kann auch das stärkste Kopfpendeln und -schwanken vollständig oder wenigstens grösstenteills zum Verschwinden bringen, wenn man durch eine Kopfkappe die Augeu verschliesst (während Mund und Nasenlöcher frei bleiben). Ent- fernt man die Kopfkappe, so tritt das Kopfschwanken und -pendeln sofort wieder in derselben Intensität auf. Dieser Versuch ist so deutlich und überzeugend, dass eine kinematographische Aufnahme davon gemacht werden konnte. Das Aufhören des Kopfschwankens beiin Verschluss der Augeu beruht nicht etwa darauf, dass durch die (unbequeme) Kopfkappe irgendeine allgemeine Reflexhemmung hervorgerufen wird; denn wenn die Kappe schlecht sitzt und die Augen nicht vollständig verschliesst, so dauert das Kopfschwanken unverändert an. Ferner gelang es einigemal, bei zahmen Katzen mit starkem Kopfschwanken die Augenlider mit zwei Fingern zu schliessen und dadurch das Schwanken sofort zum Verschwinden zu bringen. Dieses ist also offenbar von optischen Eindrücken abhängig. Nach wenigen Tagen wird das Kopfpendeln geringer. Man kann aber in diesem Stadium mit grösster Sicherheit jedesmal einen Anfall von deutlichem Kopfschwanken auslösen, wenn man den Tieren Fleisch oder Milch vorhält. Sie fahren dann wie wild in horizontaler oder vertikaler Riehtung mit dem Kopfe durch die Luft, stossen mit der 202 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Schnauze in die Milch und verspritzen diese durchs Zimmer. Erst nach Verschluss der Augen können sie gut trinken. Dureh diese abnormen Kopfbewegungen werden manche Tiere in ihrer Nahrungsaufnahme sehr gehindert; sie müssen daher in den ersten Tagen mit der Sonde gefüttert werden, oder es wird ihnen feingehacktes Fleisch in den Rachen geschoben, das sie dann gut schlucken können. Zwei unserer Katzen konnten jedoch schon nach 48 Stunden unter deutlichem Kopfschwanken Milch trinken und Fleischstücke fressen. In der zweiten Woche ist das spontane Kopfpendeln nur noch gering, man kann es aber noch längere Zeit hindurch dadurch wieder zum Vorschein bringen, dass man den Tieren Fleisch oder Milch vorhält. Auch bei spontanen Essversuchen tritt es auf. Um diese Zeit sind dann auch die sonstigen Reizerscheinungen, das wilde Herumspringen usw., abgeklungen und die Tiere können, wenn auch ungeschickt, einige Schritte laufen, ohne zu fallen. Setzt man ihnen aber kleine Hindernisse in den Weg, so können sie dieselben meistens nieht überwinden. Wird eine Katze in der ersten Woche nach der Operation auf ein 15—25 em hohes horizontales Brett gesetzt, so ist sie nicht imstande, auf gewöhnliche Weise herunterzuklettern. Sie kriecht dann rückwärts!) bis an den Rand und lässt sich nach hinten herunterfallen. Seltener versuchen sie, nach vorne herunter- zukommen; doch gelingt dieses häufig nicht. Stellt man ein Tier so hin, dass die Vorderbeine auf dem Boden, die Hinterbeine auf dem Brett stehen, so bleibt es manchmal bis zu 10 Minuten in dieser abnormen Lage, ohne sich daraus zu befreien. Auch von der untersten Stufe einer Treppe können sie in den ersten Tagen nicht herunter- klettern. Erst 13 Tage nach der Operation konnte eine unserer Katzen einige Stufen der Treppe herunterlaufen; danach aber fiel sie herunter. Katzen, bei denen die doppelseitige Labyrinthexstirpation zwei- zeitig ausgeführt wird, zeigen nach der zweiten Operation im Prinzip die eleichen Erscheinungen, nur sind die Reizerscheinungen weniger intensiv, die Anfälle des wilden Herumspringens fehlen vollständig, das Kopfschwanken und -pendeln ist etwas weniger stark und dauert kürzer, und. auch beim Laufen, Springen und Treppenlaufen sind weniger Störungen wahrzunehmen. 1) Die labyrinthlosen Katzen kriechen überhaupt fast immer nach rück- wärts, wenn sie in eine abnorme Lage gebracht werden. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 203 Wenn zwischen der Entfernung des ersten und des zweiten Labyrinthes ein Zwischenraum von 11 oder mehr Tagen liest, so tritt nach der zweiten Operation vorübergehender Nystagmus auf; beträgt der Zwischenraum 3 Wochen und mehr, so kommt es zur Drehung des Kopfes nach der operierten Seite, die im Laufe von 2—3 Monaten wieder zurückgeht. Über diese (von Bechterew und Ewald schon beim Hunde beschriebenen) Symtome ist bereits in der Arbeit von Magnus und de Kleijn!) berichtet worden. Es handelt sich um allmählich entstehende zentrale Kompensations- vorgänge. Die bisher geschilderten Symptome des doppelten Labyrinth- verlustes bilden sich nun im Laufe der Zeit allmählich zurück. Die Augen- und Kopfsymptome schwinden vollkommen. Das Kopfpendeln auf vorgehaltenes Fleisch hält allerdings noch ziemlich lange an, um dann ganz zu schwinden. Das Laufen auf ebenem Boden wird all- mählich wieder ganz normal, nur durch das häufige Umsehen nach rechts und links, an das sich gelegentlich eine Zirkeltour anschliesst, und durch das Ziekzacklaufen unterscheiden sich die Tiere schliess- lich von normalen Katzen. Das Fehlen der Labyrinthreflexe hatte nach Ablauf einer gewissen Zeit keinen wahrnehmbaren Einfluss auf die Eleganz und Geschmeidigkeit der Bewegungen. Auch die Kraft der Muskulatur leidet auf die Dauer zweifellos nieht. Grosse Kraft- leistungen, weite Sprünge usw. werden ausgeführt, der Körper beim Stehen und Laufen ganz aufrecht getragen, von einem allgemeinen Tonusverlust der Muskulatur ist nichts mehr nachzuweisen. Sobald die Katzen aber in eine ungewohnte Situation gebracht werden, besonders wenn sie auf eine Erhöhung (Stuhl, Tisch, Treppe) vesetzt werden, tritt ein Unterschied gegenüber normalen Tieren auf. Man sieht dann eine auffallende Unruhe an ihnen: sie fangen an laut zu miauen, machen Zirkeltouren oder kriechen nach rück- wärts und fallen häufig nach rückwärts herunter. Dabei fallen sie nicht wie normale Katzen mit Sicherheit auf ihre Pfoten, sondern sie plumpsen einfach wie ein Sack auf den Boden, kommen häufig mit dem Rücken oder Nacken unten an, stehen dann aber sofort wieder auf und laufen weg. Das Herunterspringen vom Stuhl oder Tisch kann dann, wenn man die Tiere übt, nach einiger Zeit wieder erlernt werden; ebenso das Treppensteigen. Aber selbst wenn die Tiere diese Bewegungen in der Mehrzahl der Fälle tadellos ausführen, 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 278. 1913. 204 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: kommt es doch immer zwischendurch vor, dass sie vom Tisch herunter- plumpsen oder die Treppe herunterrollen. Auch das Springen durch die Luft lässt sich wieder erlernen. Zwei der labyrinthlosen Katzen sprangen frei dureh die Luft etwa \'z m weit vom Tisch in den Käfig. Dabei wurde aber der Abstand nie gut abgemessen; anfangs sprangen sie gewöhnlich zu kurz und fielen dann auf den Boden; später sprangen sie dann meistens viel zu weit und schlugen sich mit dem Kopf an der gegenüberstehenden Wand des Käfigs. Eine der Katzen hatte sogar gelernt, auf den gestreckten Hinterbeinen frei zu stehen und mit den Vorderpfoten nach hochgehaltenem Fleisch zu greifen. Labyrinthlose Katzen bewegen sich, besonders beim Springen, oft nicht so lautlos wie normale Tiere. Durch fortgesetztes Üben gelingt es also schliesslich, die Tiere so weit zu bringen, dass sie sich unter gewöhnlichen Umständen und bei der Ausführung dieser erlernten Kunststücke kaum noch von normalen Tieren unterscheiden. Sohbal&E man ihnen dann aber irgendeine ungewonnte Aufgabe zumutet oder sie in eine ungewohnte Situation bringt, sind sie wieder ganz desorientiert, bis sie nach längerer Übung auch die neue Aufgabe überwinden lernen. Stellt man ihnen dann eine neue gleich schwierige Aufeabe, so wird die Störung alsbald wieder manifest. So konnte eine unserer Katzen gut treppauf und -ab laufen, sprang elegant vom Tisch auf den Boden sowie frei durch die Luft vom Tisch ın den Käfige, tanzte auf den gestreckten Hinterbeinen, führte aber sofort wilde Tänze auf, sowie sie auf das Gitterdach des Hans Meyer’schen Stoffwechselkäfigs gesetzt wurde, und fiel von da rücklings herunter auf den Rücken. Alle labyrinthlosen Katzen zeigten nach einiger Zeit besonders lebhafte und deutliche Halsreflexe, vermutlich infolge eines Kom- pensationsvorganges. Besonders war die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes stets vorhanden und wurde mit grosser Präzision und Schnelligkeit ausgeführt. Diese kurze Schilderung der Symptome des doppelten Labyrinth- verlustes dürfte genügen, um als Grundlage für den Vergleich mit den Erscheinungen zu dienen, welche die Katzen ohne Halsreflexe nach der Fortnahme des zweiten Labyrinthes zeisten. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 205 7. Folgezustände der doppelseitigen Labyrinthexstirpation bei Katzen, denen die Hinterwurzeln am oberen Cervicalmark durechtrennt sind. Bei drei Katzen ohne Halsreflexe (Labach, Achmed und Belial) wurde die doppelte Labyrinthexstirpation zweizeitig ausgeführt. Daher müssen diese Tiere mit den beiden normalen Katzen verglichen werden, welche zweizeitig operiert sind. Labach wurde danach über 10 Monate, Achmed 4 Monate, Belial 5 Wochen beobachtet. Die Störungen in den ersten Tagen nach der Operation sind nicht wesentlich verschieden von denen, wie sie im vorigen Abschnitt für Normalkatzen geschildert wurden. Zwischen Belial (olıne Halsreflexe) und der Schwarzen (mit Halsreflexen), welche beide Male am gleichen Tage operiert wurden und daher stets verglichen werden konnten, zeigten sich zunächst keine wesentlichen Differenzen. Auch Labach und Achmed verhielten sich ungefähr wie normale zweizeitig operierte Katzen. Längere Zeit nach der Operation unterscheiden sich jedoch die Katzen ohne Halsreflexe von den Kontrolltieren. Es wird bei ibnen nach Abklingen der ersten stürmischen Erscheinungen nämlich deut- lich, dass bei ihnen jeder Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus fehlt. (Nur der Vertebra-prominens-Reflex ist bei ihnen noch vorhanden.) Daher ist, besonders wenn sie aus irgendeinem Grunde unruhig werden, eine sehr deutliche Ungeschicklich- keit wahrzunehmen. Während bei den normalen zweizeitig labyrinth- exstirpierten Katzen die häufigen Kopfbewegungen stets von den zugehörigen Tonusänderungen der Extremitäten gefolgt wurden, war das bei den Tieren ohne Halsreflexe keineswegs der Fall. Selbst die exzessivsten Kopfbewegungen, dıe stets eintraten, wenn die Tiere in eine ungewohnte Lage (z. B. auf eine Treppenstufe) gebracht wurden, hatten nicht die entsprechenden Änderungen der Glieder- stellung zur Folge. Besonders Labach sass dann mit maximal ge- hobenem und stark gedrehtem Kopf, während die Vorderbeine maximal gebeugst blieben (Fig. 4). Eine derartige Stellung sieht man bei normalen Katzen nie. Wie sich aus den vorhergehenden Schilderungen ergibt, ist der Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus nach Entfernung beider Labyrinthe bei den Normal- katzen stets sehr deutlich nachzuweisen; hier funktionieren die Hals- reflexe besonders deutlich. Andererseits wird nach Ausschaltung der Halsreflexe der Ausfall nach einiger Zeit mehr oder weniger voll- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 14 206 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: ständig durch die Labyrinthe kompensiert. Sobald aber sowohl die oberen cervicalen Hinterwurzeln als auch beide Labyrinthe entfernt sind, fehlt dauernd jeder direkte Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus. Das lässt sich, wie oben S. 176 geschildert, am besten beobachten, wenn man die Tiere durch vorgehaltenes Fleisch zu Fig. 4. „Labach.* Durch- schneidungderdreiobersten cervicalenHinterwurzelpaare am 8. Juli 1912. Exstir- pation des rechten Labyrin- thes am 27. Jan. 1913 und des linken Labyrinthes am 10. Febr. 1913. Kinemato- graphische Aufnahme am 20. Dez. 1913. Das Tier sitztmitmaximalgehobenem und gedrehtem Kopf, ge- strecktem Hals und ge- -beugten Vorderbeinen. Heben oder Senken des Kopfes veranlasst. Dann reagieren die Vorderbeine nicht mit, bleiben bei gehobenem Kopfe gebeugt (Fig. 5 und 6) oder bei gesenktem Kopfe gestreckt, trotzdem die Tiere sehr gut ihre Extremitäten beugen und strecken können. Manchmal wird dann erst der Kopf ge- hoben und die Vorderbeine bleiben ge- beugt. Einige Zeit danach werden dann, ohne dass sich die Stellung des Kopfes ändert, die Vorderbeine gestreckt, so dass das Tier mit der Schnauze das Fleisch fassen kann. Auch bei ‘der Prüfung des Extremitätentonus bei Kopfdrehen in Rückenlage fehlen die entsprechenden Tonusänderungen der Glieder. Es war nun sehr interessant, zu be- obachten, dass die Tiere trotz dieser dauern- den Störung vorzüglich laufen konnten. Auch bei schwierigeren Leistungen (Springen, Treppensteigen usw.) blieben sie nieht wesentlich hinter den normalen labyrinthlosen Tieren zurück. Fig. 5. „Labach.“ Stereoskopische Aufnahme am 26. April 1913, 11 Wochen nach der Exstirpation des zweiten Labyrinthes. Auf Fleisch wird der Kopf gehoben, während die Vorderbeine gebeugt bleiben. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 207 Wie die Normaltiere müssen sie nach der Entfernung beider Labyrinthe erst alle komplizierteren Bewegungen wieder neu erlernen. Dabei verhalten sich die einzelnen Tiere natürlich nicht ganz gleich. So konnte Labach bis zuletzt nicht die Treppe herauf- und herunter- laufen; nur gelegentlich lief sie zögernd eine Stufe herunter. Da- gegen konnte diese Katze 2 m weit durch die Luft vom Tisch in den offenen Käfig springen (weiter als irgendeine der von uns beobachteten labyrinthlosen Normal- katzen). Achmed sprang schlechter durch die Luft, konnte aber sehr gut Treppen laufen. Jedenfalls ist sicher, dass, wiewohl die Tiere ohne Hals- und Labyrinthreflexe sich weniger elegant und geschmeidig bewegten, sie doch ungefähr dieselben komplizierten Be- wegungen lernen konnten wie die laby- rinthlosen Normalkatzen. : : i Fig.6. „Labach.“ Aufnah Nur eine Ausnahme gibt es in om April > 10 Wochen Be dieser Beziehung. In der ersten Zeit der Exstirpation des zweiten Laby- : : 3 : rinthes. Die Vorderbeine bleiben nach der zweiten Labyrinthexstirpation bei starkem Kopfheben gebeugt. war es allen untersuchten Katzen un- möglich, frei auf den Hinterbeinen zu stehen. Wir haben uns be- müht, auch dieses den Tieren wieder beizubringen. Dabei stellte sich heraus, dass die Normalkatzen mit intakten Halsreflexen dieses schliesslich wieder gut lernten, die Katzen ohne Halsreflexe dagegen nicht. Die Normalkatzen richteten sich anfangs nur auf den gebeugten Hinterbeinen auf, wenn ihnen Fleisch hoch in der Luft über den Kopf gehalten wurde; später gelang es ihnen, die Hinterbeine dabei vollständig zu strecken. Eines unserer Tiere konnte sogar trotz des Fehlens heider Labyrinthe frei auf den Hinterbeinen tanzen. Das Aufrichten auf gebeugten Hinterbeinen konnten Labach und Achmed (ohne Halsreflexe) schliesslich auch fertig bringen; ebenso konnten sie auf den gestreckten Hinterbeinen stehen, wenn sie sich mit den Vorderbeinen an einer Wand stützen konnten; aber niemals gelang es diesen Tieren, sich frei auf den gestreckten Hinter- beinen aufzurichten. Besonders deutlich trat dieser Unterschied im Verhalten der Tiere hervor, wenn sieim Hans Meyer’schen Stoff- 14* 208 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: wechselkäfig sassen und ein Stück Fleisch in der Mitte des Gitter- daches des Käfigs befestigt wurde. Das Dach war so hoch, dass eine Katze das Fleisch nur erreichen konnte, wenn sie sich in der Mitte des Käfigs frei auf den gestreckten Hinterbeinen aufrichtete. Den labyrinthlosen Normalkatzen gelang dieses, nachdem sie es einige Tage geübt hatten, stets sofort, so dass sie in wenigen Sekunden im Besitze des Fleisches waren. Labach und Achmed dagegen konnten auch nach monatelanger Übung das Fleisch nicht in dieser Weise erreichen. Sie lernten schliesslich, in einer anderen Weise vor- zugehen. Sie kletterten mit den Vorderpfoten an der Seitenwand des Käfigs in die Höhe und standen dann auf gestreckten Hinterbeinen, indem sie sich mit den Vorderbeinen an der Seitenwand stützten. Dann suchten sie mit den Augen die Richtung, in der das Fleisch hing und liessen sich dann einfach in dieser Richtung fallen; dabei schlugen sie mit den Vorderbeinen durch die Luft. Gewöhnlich gelang es ihnen zunächst nicht, das Fleisch dabei zu treffen und herunter- zuschlagen. Aber sie versuchten es immer wieder, bis es ihnen auf diese Weise, oft nach mehr als viertelstündiger Anstrengung, gelang, sich in den Besitz des Bissens zu setzen. Dieses Unvermögen, auf den Hinterbeinen zu stehen, beruht möglicherweise auf denselben Ursachen, durch welche nach einfacher Durehsehneidung der oberen cervicalen Hinterwurzeln bereits eine Unsicherheit der Bewegungen und eine gewisse Schwäche derselben veranlasst wird (s. 0. S. 175). Wir haben uns aber, trotzdem wir sorefältig darauf geachtet haben, nicht davon überzeugen können, dass die Tiere nach Durch- schneidung der cerviealen Hinterwurzeln und Exstirpation beider Labyrinthe einen allgemeinen Tonusverlust der Körpermuskulatur erleiden. Im Gegenteil, sie führen ihre Bewegungen mit grosser Kraft aus, und schon die Tatsache, dass eines unserer Tiere 2 m weit sprang, wobei es sich allein mit den Hinterbeinen den Schwung gab, zeigt, dass grosse Kraftleistungen möglich sind. Auch bei Be- lastungen war eine Schwäche der Beine, des Rückens und des Nackens nicht zu spüren. Dass die Streekmuskulatur der Beine zu grossen Kraftleistungen befähist war, liess sich jederzeit dadurch demonstrieren, dass man den Tieren den Rücken kraute. Geschah das zwischen den Schulterblättern, so erfolgte eine starke tonische Streckung der Vorderbeine; geschah es in der Beckengegend, so streckten sich die Hinterbeine. Man konnte dann kräftig auf den Rücken drücken, Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 209 ohne einen geringeren Widerstand als bei Normalkatzen zu fühlen. Dass auch die Enthirnungsstarre nach dem Dezerebrieren in sehr kräftiger Weise bei den Katzen ohne Halsreflexe und ohne Labyrinthe eintritt, wird im nächsten Abschnitt gezeigt werden. Katzen, denendieoberencervicalen Hinterwurzeln durchtrennt und ausserdem beide Labyrinthe exstirpiert sind, zeigen erstens dieselben Erscheinungen, wie sie auch normale Katzen nach doppeltem Labyrinthverlust haben. Ausserdem führen sie ihre Bewegungen mit seringerer Eleganz aus als labyrinthlose Normal- katzen und können sieh nicht frei auf den Hinterbeinen aufstellen. Die direkte Abhängigkeit des Tonus der Gliedermuskeln von der Kopfstellung ist bei ibnen (abgesehen vom Vertebra-prominens-Reflex) voll- ständig und dauernd aufgehoben. Trotzdem können sie eine ganze Reihe auch komplizierterer Bewegungen (Weitspringen, Treppenlaufen usw.) ausführen. Von einem allgemeinen Tonusverlust der Körpermuskulatur ist bei ihnen nichts nachzuweisen. S. Untersuchüng der Katzen ohne tonische Hals- und Labyrinthreflexe nach dem Dezerebrieren. In den vorhergehenden Abschnitten ist gezeigt worden, dass bei unseren Katzen ohne Hals- und Labyrinthreflexe jeder Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus fehlte, dass dieselben aber trotz- dem sich gut zu bewegen verstanden und auch kompliziertere Leistungen vollbringen konnten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich hierbei um Kompensationen handelt, an denen sich höhere Hirnteile beteiligen. Daher ergab sich als letzte Aufgabe, die Tiere in dezerebriertem Zustande zu untersuchen, um festzustellen, welches Verhalten sie nach Ausschaltung des Gehirnes vor den Vierhügeln zeigen, und um zu kontrollieren, ob wirklich durch die Labyrinth- und Hinterwurzeloperationen die tonischen Reflexe, welche sich durch Änderung der Kopfstellung auf den Gliedertonus auslösen lassen, vollständig beseitigt waren. Da zwei unserer Tiere (die „Weisse“ und „Belial“) spontan eingingen, konnte diese Prüfung an drei Katzen („Labach“, „Achmed“ und der „Schwarzweissen“) vor- genommen werden. Die Tiere wurden in tiefer Narkose unter temporärer Ab- 210 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: klemmung der Vertebralarterien (Sherrington) dezerebriert und ihnen das ganze Gehirn vor den hinteren Vierhügeln vollständig ausgeräumt. Nach Abklingen der Narkose entwickelte sich bei allen eine vorzügliche Enthirnungsstarre. Bei allen war der Vertebra- prominens-Reflex in deutlichster Weise vorhanden; durch Druck auf die Wirbelsäule an der Grenze von Hals- und Brustteil erfolgte starke Abnahme des Strecktonus der Vorderbeine Damit ist be- wiesen, dass bei deu Tieren der Gliedertonus sich reflektorisch beeinflussen liess von Stellen, welche ausserhalb des Bereiches der an ihnen vorgenommenen Hinterwurzeloperationen lagen. Nunmehr wurde in Fussstellung, Seiten- und Rückenlage der Einfluss von Heben, Senken, Drehen und Wenden des Kopfes auf den Strecktonus der Vorderbeine untersucht. Dieses wurde im Laufe der nächsten Stunden mehrfach wiederholt. Das genaue Protokoll einer derartigen an „Labach“ vorgenommenen Prüfung s. oben S. 172. Das Ergebnis war folgendes: Bei Labach war bei der Prüfung in Fussstellung, Rückenlage, rechter und linker Seitenlage sowie in Hängelage mit dem Kopfe nach unten weder durch Heben und Senken noch dureh Drehen und Wenden des Kopfes der geringste Einfluss auf den Strecktonus der Vorderbeine auszuüben, trotzdem das Tier eine vorzüglich entwickelte Starre hatte und beim Vertebra-prominens-Reflex eine prompte Reaktion der Vorderbeine erfolgte. Das Tier wurde im Verlaufe von 4 Stunden nach der Operation dreimal genau untersucht, stets mit demselben Ergebnis. Da die Reflexe am dezerebrierten Tier mit grosser Sicher- heit und Deutlichkeit einzutreten pflegen, so können wir behaupten, dass bei Labach nicht die geringste Spur eines Einflusses der Kopf- stellung auf den Gliedertonus mehr vorhanden war. In demselben Sinne verlief die Prüfung bei Achmed und der Schwarzweissen. In den verschiedenen Körperlagen war durch Heben, Senken und Wenden des Kopfes keine Reaktion der Vorderbeine auszulösen. Nur war nicht ganz auszuschliessen, ob nicht bei Kopf- drehen in Seitenlage ein ganz minimaler Halsreflex (Tonuszunahme im „Kieferbein“ und Abnahme im „Schädelbein“) auszulösen war. In allen anderen Lagen war dieses sicherlich nicht der Fall; in Seitenlage schien ab und zu (nur bei einem Teil der Prüfungen) die Möglichkeit einer schwachen Reaktion vorhanden zu sein. Bei wiederholten Prüfungen haben wir während des Versuches den Ein- druck bekommen, dass auch bei Achmed und der Schwarzweissen Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 211 die Halsreflexe ganz fehlten; doch können wir nicht mit Sicherheit ausschliessen, ob nicht doch eine ganz minimale Grenzreaktion vor- handen war. Bei der Sektion fand sich bei Achmed an der rechten Hinter- wurzel von ©. 2, bei der Schwarzweissen an der rechten Hinterwurzel von C. 3 je ein dünnes leicht zerreissliches Fädchen. Es wäre möglich, dass diese für die genannte zweifelhafte Reaktion verant- wortlich zu machen sind. : Die Enthirnungsstarre war, wie erwähnt, bei allen drei Tieren eine besonders kräftige. Fig. 7 zeigt, dass Labach, dem das Rücken- mark am zwölften Brust- wirbel nach dem Dezere- brieren durchtrennt war, sehr gut auf seinen Vor- derbeinen „steht“ und sein Körpergewicht trägt. Auch der Kopf wird frei gehalten, so dass also auch der Tonus der Nackenmuskeln ein vor- - züglicher ist. Letzteres ist um so bemerkens- Fig. 7. „Labach.“ 8. Juli 1912. Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare. werter, alsja nicht nur die Labyrinthe entfernt, son- dern auch dieeigenen pro- 27. Jan. 1913. Rechtsseitige Labyrinthexstirpation. 10. Febr. 1913. Linksseitige Labyrinthexstirpation. 22. Dez. 1913. Dezerebrier. Dürchschneidung des Rückenmarks am elften Brustwirbel. Infolge- : : enten dessen ist der Hinterkörper des Tieres an der Bruzeptiven i nl Enthirnungsstarre nicht beteiligt und wird daher Nerven für die Nacken- mit der Hand gehalten. Der Vorderkörper des kein Anechtrennt Tieres steht völlig frei auf den stark gestreckten Vorderbeinen. Der Kopf wird aufrecht durch die sind. Auch bei Prüfung _tonisch kontrahierten Nackenmuskeln getragen. durch Druck mit der Hand konnte man sich von dem kräftigen Tonus der Nackenmuskeln überzeugen. Die Sektion der Katzen ergab folgendes: Das Zentralnerven- system war bei allen Tieren ganz intakt. Die Labyrinthe waren vollständig exstirpiert. Keine Entzündung an den Operationsstellen. Die Halsmuskulatur hatte in allen Fällen wieder Ansätze am Knochen gewonnen. Die Präparation der Hinterwurzeln war durch die Ver- wachsungen und Bindegewebsnarben an manchen Stellen sehr erschwert, da die Topographie bei der Sektion oft noch schwieriger zu beurteilen 312 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: ® war als bei der Operation. Bei den verschiedenen Sektionen wurde verzeichnet: Labach: C. 1 Vorderwurzeln intakt, Hinterwurzeln beiderseits «lurch > 5 fraglich, n beiderseits durch C.3 ; intakt, 5 nicht zu präparieren. Belial: C. 1 Vorderwurzeln intakt, 5 beiderseits durch 0.2 a intakt, a beiderseits durch 0.3 5 intakt, 5 links durch, rechts nicht zu präparieren. Weisse: C. 1 Vorderwurzeln intakt, ä beiderseits durch 6.2 : a , Rn beiderseits durch 03 5 intakt, 5 rechts durch, links nicht zu präparieren. Achmed: C. 1 Vorderwurzeln intakt, 5 beiderseits durch C.2 3 intakt, 5 links durelı, rechts steht ein Fädchen C.3 5 intakt, 5 beiderseits dureh. Schwarzweisse: C.1 Vorderwurzeln fraglich, 5 nicht zu präparieren 0.2 ö intakt, 5 beiderseits durch E rechts intakt, links dureh, rechts steht 0. 3 » links durch, ” ein Fädchen. Die Durchtrennung der einen zweiten Vorderwurzel bei der Weissen und der einen dritten Vorderwurzel bei der Schwarzweissen hatte während des Lebens keine sichtbaren Störungen zustande ge- bracht. IV. Schluss. In früheren Arbeiten war gezeigt worden, dass der Tonus der Glieder- und Rumpfmuskulatur und damit die Körperstellung in gesetzmässiger Weise vom Kopfstande abhängt, und dass dieser Ein- fluss zustande kommt durch das Zusammenwirken tonischer Reflexe, welche ihren Ursprung teils in den Labyrinthen, teils in afferenten Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 213 Nerven des Halses haben. Aus den in der vorstehenden Arbeit ge- schilderten Versuchen ergibt sich, dass diese Beziehungen zwischen Kopf und Körper dauernd aufgehoben werden, wenn man bei Katzen die drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare durehschneidet und ausserdem beide Labyrinthe exstirpiert. Untersucht man solche Tiere längere Zeit nachher in dezerebriertem Zustande, so findet man, dass alle die früher beschriebenen tonischen Reflexe (mit Ausnahme des durch die Operation nicht betroffenen Vertebra- prominens-Reflexes) ganz oder bis auf minimale Spuren verschwunden sind. Das wichtigste Ergebnis unserer Beobachtungen ist, dass trotz dieses Ausfalles die Tiere wieder lernen, sich mit einem grossen Grade von Vollkommenheit und Sicherheit zu bewegen, so dass ohne genauere Untersuchung eigentlich kaum eine stärkere Störung zu sehen ist. Die Tiere ziehen also andere sensibele Mechanismen zur Regelung ihrer Bewegungen und Stellungen heran. Welches diese Mechanismen sind, ist von uns bisher nieht näher analysiert worden; doch wird man nicht fehl gehen, wenn man den Augen und den propriozeptiven Muskel- (und Gelenk-)nerven der übrieen Körperteile den Hauptanteil hierbei zuschreibt. Wenn man bedenkt, dass einige unserer Katzen nach den ge- nannten Operationen eine sehr beträchtliche Kraft ihrer Körper- muskulatur besassen, sehr gut und schnell laufen konnten, sich auf den (gebeusten) Hinterbeinen aufrichteten, bis zu 2 m weit sprangen, Treppen herauf- und herunterliefen, so erkennt man, bis zu welchem Grade die durch die Operationen anfänglich gesetzten Störungen ausgeglichen werden können. Von den soeben aufgezählten Leistungen verdient der gute Ge- samttonus der Körpermuskulatur noch besondere Erwähnung. Nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen beruht der Tonus eines beliebigen Körpermuskels, z. B. eines Extremitätenmuskels, zunächst auf Erregungen, die in der betreffenden Extremität selbst ihren Ur- sprung haben und die hauptsächlich durch die propriozeptiven Nerven des Muskels selbst vermittelt werden. Ausserdem haben aber auch die sensibelen Hautnerven derselben Extremität unter bestimmten Umständen ihren Anteil daran und afferente Impulse von der ge- kreuzten Fxtremität. Ferner sind die Labyrinthe eine wichtige Quelle des Tonus der Skelettinuskulatur, und auch vom Halse aus werden tonische Impulse auf die Körpermuskulatur abgegeben. Ob ausserdem noch die Zentren der Körpermuskulatur während des 214 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Lebens durch chemische Einflüsse (durch Homone im weitesten Sinne des Wortes) in tonische Erregung versetzt werden können, verdient weitere Untersuchung. Die Quellen, von denen der Tonus der Skelettmuskulatur versorgt wird, sind also sehr vielfältiger Art, und es ist nicht wunderbar, dass nach Fortfall der Labyrinthe und der oberen afferenten Halsnerven noch ein guter allgemeiner Muskeltonus besteht. e 2 Von diesem Gesichtspunkte aus ist das Verhalten der Hals- muskulatur bei unseren Tieren von besonderem Interesse. Nach beiderseitiger Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinter- wurzeln, wodurch also beiderseits die Halsmuskulatur mindestens eines grossen Teiles ihrer Propriozeptoren beraubt war, und. nach Fortnahme der Labyrinthe wurde der Kopf aufrecht getragen, und die Streckmuskeln des Nackens besassen kräftigen Tonus, der schliess- lich nicht geringer war als der bei uormalen Katzen. Als dann die Tiere dezerebriert wurden und damit auch alle Impulse von höheren Hirnteilen fortfielen, beteiligten sich die Halsmuskeln an der Ent- hirnunssstarre und gerieten in nicht schwächeren Tonus, als man das bei normalen dezerebrierten Katzen sieht (Fig. 7). Es ist das also eine Enthirnungsstarre in einem seiner afferenten Nerven be- raubten Muskel. Sherrineton hat gezeigt, dass die Enthirnungsstarre haupt- sächlich durch propriozeptive Erregungen zustande kommt, die in den tonisch kontrahierten Muskeln selber ihren Ursprung nehmen. Magnus und de Kleijn ) sahen, dass ein Muskel, dessen ZU- gehörige Hinterwurzeln durehtrennt waren, bei der Enthirnungs- starre noch von den Labyrinthen aus tonische Erregungen bekommt. Sherrington?) hat neuerdings mitgeteilt, dass der deafferentierte Vastocrureus (Kniestrecker) vom Halse aus in tonische Erregung versetzt werden kann. Bei unseren enthirnten labyrinthlosen Katzen mit durchschnittenen oberen cervicalen Hinterwurzeln kam die Enthirnungsstarre in den Streckmuskeln des Halses zustande, trotzdem die eigenen afferenten Nerven der oberen Halsmuskeln durchtrennt waren und alle Hals- und Labyrinthreflexe fehlten. Es ist das wieder ein Hinweis darauf, dass der Tonus eines Muskels auch von anderen Körperstellen aus als von dem zugehörigen Körperteil selber unterhalten werden kann. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 481. 1912. 2) Journ. of Physiol. vol. 47 p. 196. 1913. Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. 215 Auch sonst bot die Halsmuskulatur einige Besonderheiten dar. Nach Durchtrennung der oberen cervicalen Hinterwurzeln trat nämlich keine Ataxie des Halses auf, welche doch sonst an den Extremitäten- muskeln nach Hinterwurzeldurchschneidung einesder hervorstechendsten Symptome ist. Der Hals wurde im Gegensatz dazu nach der Operation sowohl ruhig gehalten als auch ohne ataktische Schleuderungen be- wegt. Dagegen traten die ataktischen Erscheinungen jedesmal nach Entfernung der beiden Labyrinthe auf, einerlei, ob die cervicalen Hinterwurzeln durchtrennt oder intakt waren. Aber auch bei der Ataxie der Halsmuskeln nach Labyrinthverlust (Kopfschwanken) handelt es sich offenbar nicht primär um den Fortfall der sen- sibelen Impulse von den Labyrinthen, sondern um die Wirkung von fehlerhaften Impulsen, die von den Augen ausgehen. Denn wenn man die Augen verschliesst, hört die Ataxie des Halses sofort ganz oder fast ganz auf. Fortfall der eigenen Propriozeptoren sowohl wie Verlust beider Labyrinthe führt daher an sich nieht zu Ataxie des Halses. Nach alleinigem Verlust der Labyrinthe zeigen Katzen einen in der vorstehenden Arbeit genauer geschilderten Symptomenkomplex, von dem als Dauerfolgen nur geringe Störungen zurückbleiben. Unter diesen sind die auffälligsten das dauernde Umsehen nach beiden Seiten und die erosse Unruhe und Ungeschicklichkeit, sobald die Tiere in eine ihnen ungewohnte Situation, vor allem einen erhöhten Standpunkt gebracht werden. Sehr gross ist die Lernfähigkeit labyrinth- loser Katzen. Sie haben besonders gut. ausgeprägte Halsreflexe, wie sich besonders bei der Untersuchung der Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes ergibt. Nach alleiniger Ausschaltung der Halsreflexe bleibt als Dauer- folge nur eine leichte Ungeschicklichkeit und Mangel an Eleganz der Bewegungen zurück sowie die Neigung, mit gebeugten Hinterbeinen zu laufen. Der Verlust der Halsreflexe kann teilweise von den Labyrinthen aus kompensiert werden, denn für einzelne Körper- stellungen sind die durch eine bestimmte Kopfbewegung ausgelösten Reflexe von Hals und Labyrinthen identisch und können sich dem- nach vertreten. Besonders hat sich das für die Reaktion der Vorder- beine auf Heben und Senken des Kopfes beim stehenden Tier nach- 216 R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: weisen lassen. Der Grad, bis zu welchem eine Kompensation erfolet, ist bei den verschiedenen Tieren verschieden. Auch noch durch Vermittelung anderer Mechanismen (Grosshirn, Augen) scheint es zu einem teilweisen Ersatz des Ausfalles der Halsreflexe kommen zu können. V. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Schaltet man bei Katzen die tonischen Halsreflexe auf die Körpermuskulatur durch Durchschneidung der drei obersten cervicalen Hinterwurzelpaare aus, so bleiben ausser einer leichten Uneleganz der Bewegungen und der Neigung, mit gebeugten Hinterbeinen zu laufen, nur geringe Störungen zurück. Der Ausfall der Halsreflexe kann teilweise von den Labyrinthen aus kompensiert werden. Be- sonders gilt dieses für die Reaktion der Vorderbeine auf Heben und Senken des Kopfes. Auch andere Mechanismen (Grosshirn, Augen) scheinen sich an der Kompensation dieses Ausfalles zu beteiligen. 2. Exstirpiert man einer Katze nach Ausschaltung der Hals- reflexe das eine Labyrinth, so bekommt sie nicht mehr, sondern weniger Störungen als eine normale Katze nach einseitiger Labyrinth- exstirpation.e Es fehlen alle diejenigen Symptome des Labyrinth- verlustes, welche nach den früheren Untersuchungen von Magnus und de Kleijn sekundär durch Vermittelung von Halsreflexen zu- stande kommen. Ein Kaninchen, dem nach Durchtrennung der drei oberen cervi- calen Hinterwurzeln das eine Labyrinth entfernt wurde, zeigte aus diesem Grunde auch keine Rollbewegungen. 3. Nach alleiniger Exstirpation beider Labyrinthe, wodurch die tonischen Labyrinthreflexe auf die Körpermuskulatur aufgehoben werden, zeigen Katzen einen charakteristischen, in dieser Arbeit näher geschilderten Symptomenkomplex, der sich allmählich zurück- bildet, so dass nur ein häufiges Umsehen nach beiden Seiten beim Laufen und eine auffallende Unruhe und Ungeschicklichkeit, sobald man die Tiere in eine ihnen ungewohnte Situation bringt, übrig- bleibt. Die Tiere können aber auch kompliziertere Bewegungen wieder lernen und sind zu erheblichen Kraftleistungen befähigt. Die tonischen Halsreflexe sind bei ihnen sehr lebhaft ausgeprägt. 4. Kombiniert man bei Katzen die doppelte Labyrinthexstirpation mit der Durchschneidung der drei oberen cervicalen Hinterwurzeln, so sind alle direkten tonischen Reflexe, welehe durch Änderung der Ausfall der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. aa Kopfstellung auf die Körpermuskulatur ausgelöst werden können (Hals- und Labyrinthreflexe), dauernd aufgehoben. Trotzdem sind die allgemeinen Bewegungsstörungen, welche als Dauerfolgen zurück- bleiben, auffallend gering. Sie kennzeichnen sich als eine Kombination der nach den beiden Einzeloperationen zurückbleibenden Störungen. 5. Werden Tiere, denen beide Labyrinthe und die drei oberen cervicalen Hinterwurzelpaare zerstört worden sind, nach längerer Zeit dezerebriert, so bekommen sie eine vorzügliche Enthirnungs- starre, an der sich auch die Halsmuskeln, deren Hinterwurzeln durch- trennt sind, beteiligen. Durch Änderung der Stellung des Kopfes im Raume und der Stellung des Kopfes zum Rumpfe lässt sich kein (bzw. in zwei Versuchen höchstens ein minimaler) Einfluss auf den Tonus der Gliedermuskeln ausüben. 6. Nach Durchtrennung der drei oberen cervicalen Hinterwurzeln kommt es nicht zur Ataxie der Halsmuskulatur. Das heftige Kopf- schwanken, das eine regelmässige Folge der doppelten Labyrinth- exstirpation (auch nach Verlust der oberen cerviealen Hinterwurzeln) ist, lässt sich durch Verschliessen der Augen aufheben. 918 A. de Kleijn: (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Zur Analyse der Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation beim Frosch. Von A. de Kleijn. (Mit 6 Textfiguren.) Nachdem in einer früheren Arbeit!) gezeigt werden konnte, dass die Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation bei Säugetieren teilweise auf direkte Labyrinthausfallserscheinungen und teilweise auf tonische Halsreflexe zurückzuführen seien, war es wünschenswert, auch bei niederen Tieren Untersuchungen über diese Frage anzustellen. Die. folgende Mitteilung behandelt den Einfluss der tonischen Halsreflexe auf die Stellung der Extremitäten bei einseitig labyrinth- ektomierten Fröschen. _ Wenn man einem Frosch das Labyrinth einseitig exstirpiert, nimmt derselbe eine ganz bestimmte Stellung ein, welche schon von verschiedenen Forschern, besonders von Ewald ?), genau beschrieben 1) R. Magnus und A. de Kleijn, Analyse der Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation mit besonderer Berücksichtigung der Rolle der tonischen Halsreflexe. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 178. 1913. — Siehe auch R. Magnus und W. Storm van Leeuwen, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 157. 1914. 2) R. Ewald, Physiologische Untersuchungen über das Endorgan des Nervus octavus. Wiesbaden 1892. Fig. 1. Linksseitig labyrinthektomierter Frosch. Kopf gerade gesetzt, danach symmetrische Stellung der Extremitäten. m -- 2 en Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation beim Frosch. 219 und abgebildet worden ist. Der Kopf und die Wirbelsäule werden nach der operierten Seite hin gedreht), die Extremitäten (besonders die Vorderbeine) der operierten Seite gebeugt und adduziert, die Extremitäten der anderen Seite gestreckt und abduziert. Diese Stellung. ist am deutlichsten ausgeprägt, unmittelbar nachdem sich das Tier aus der Rückenlage in Bauchlage umgedreht hat. Beim Versuch, zu schwimmen, drehen sich die Tiere meistens um die Längsachse nach der operierten Seite zu. Fig. 3 und 5 sind Photographien von Fröschen, welche die oben beschriebenen Stellungen veranschaulichen. Wie bekannt, führt Ewald diese typischen Stellungen auf den- Verlust des Labyrinthtonus an einer Seite zurück. In bezug auf höhere Tiere konnte aber früher nachgewiesen werden, dass bei Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe Halsreflexe aus- selöst werden, wobei die Kieferbeine vermehrten und die Schädel- beine verminderten Strecktonus aufweisen. Infolge der Labyrinth- exstirpation hält das Tier, wie schon oben gesagt, den Kopf dauernd nach der operierten Seite hin gedreht; die hierdurch ausgelösten Halsreflexe müssen eine Beugung der Schädelbeine (d. h. der Beine der operierten Seite) und eine Streckung der Kieferbeine (d. h. der Extremitäten der anderen Seite) ver- ursachen, so dass das Tier gerade die Stellung einnimmt, welche wir bei einseitig labyrinthektomierten Tieren beobachten können. Die 1) Die Drehung findet um die fronto-oceipitale Achse statt, operierte Seite ventralwärts. Fig. 2. Linksseitig labyrinthektomierter Frosch. Kopf gerade gesetzt, danach symmetrische Stellung der Extremitäten, die Drehung der Wirbelsäule aber deutlich sichtbar. 220 A. de Kleijn: grosse Rolle der tonischen Halsreflexe bei einseitig labyrinthektomierten höheren Tieren konnte schon nachgewiesen werden; die Frage war nun, ob die Stellung der Extremitäten bei Fröschen eine direkte Folge des Labyrinthausfalls (Labyrinthtonusausfall nach Ewald) oder eine indirekte Folge der Exstirpation (Halsreflexe) oder, wie bei höheren Tieren, eine Kombination der beiden Faktoren sei. Um diese Frage zu entscheiden, wurde zuerst der Kopf bei einseitig labyrinthektomierten Fröschen aus seiner asymetrischen Stellung zum Rumpf wieder gerade gesetzt (siehe Fig. 1 und 2). Man sieht, dass die Tiere nach dieser Bewegung die Extremitäten ganz symmetrisch halten. Bei der Ausführung dieses Versuches muss man vorsichtig vorgehen. Einseitig labyrinthexstirpierte Frösche machen nämlich manchmal, wenn man ihren Kopf anfasst, auch ohne denselben gerade zu setzen, Abwehrbewegungen und können dabei vorüber- gehend symmetrische Stellung der Extremitäten annehmen. Man muss daher bei dem einseitig labyrinthexstirpierten Frosch zunächst den Kopf anfassen, ohne ihn gerade zu setzen, warten bis etwaige Abwehrbewegungen aufgehört haben und das Tier die charakteristische abnorme Stellung der Extremitäten wieder zeigt und erst danach den Kopf gerade setzen. Dann sieht man, dass der abnorme Extremitäten- stand verschwindet und das Tier mit symmetrischen Pfoten dasitzt. Lässt man dann den Kopf los, so dass dieser wieder in die gedrehte Stellung übergehen kann, so nehmen auch alsbald die Extremitäten wieder die abnorme Stellung ein. Schon hieraus ergibt sich, dass die abnorme Haltung der Ex- tremitäten. bei einseitig labyrinthexstirpierten Fröschen ganz oder zum grössten Teil durch einen Halsreflex infolge der Drehung des Kopfes bedingt wird. Die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung liess sich beweisen durch Versuche, in denen die cervikalen Hinterwurzeln, welche den Halsreflex vermitteln, durchschnitten wurden. Bei diesen Fig. 3. Linksseitig labyrinthektomierter Frosch. Typische Stellung der Extremitäten. j | | | Er Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation beim Frosch. Dal: Tieren trat dann nach einseitiger Labyrinthexstirpation wohl die Drehung des Kopfes und der Wirbelsäule, aber nicht mehr die ab- norme Stellung der Extremitäten auf. Bei den ersten derartigen Versuchen, welche an gewöhnlichen holländischen Eskulenten vorgenommen wurden, gelang es wohl einige Male, Tiere ohne Nebenverletzung zu operieren, in den meisten Fällen aber stellten sich motorische Störungen besonders der Vorder- beine ein, so dass keine bestimmten Schlüsse gezogen werden konnten. Nachdem aber grosse ungarische Frösche verwendet wurden, war es sehr leicht möglich, über eine ganze Reihe von gelungenen Versuchen zu verfügen. Die Resultate waren die folgenden: a Durchschneidung der Hinterwurzeln von Cervicalis II bei einseitig labyrinthlosen Fröschen. Durchsehneidet man beiderseits nur die Hinterwurzeln von Cervicalis Il (Cervicalis I wird beim Frosch nur embryonal angelegt), so halten die Tiere ebenso wie vor der Operation Kopf und Wirbelsäule gedreht, die Extremitäten jedoch meistens symmetrisch (s. Fig. 4 und 6); die Sensibilität und Motilität der Extremitäten ist intakt. Häufig sieht man aber, dass die Tiere gelegentlich wieder dieselbe typische Stellung wie vor der Wurzeldurchschneidung annehmen; besonders im Wasser ist noch ein deutlicher Unterschied des Extremitätentonus zu beobachten; auch die oben beschriebenen Störungen beim Schwimmen sind noch nicht ganz verschwunden. b) Durcehschneidung der Hinterwurzeln von Cervi- ealis Il und 111. Durchsehneidet man Cervicalis II und II, so treten mehr oder weniger Störungen der Sensibilität der Vorderbeine auf!): Die 1) Die Störungen sind meistens hochgradig; in einem Fall waren die- selben nur gering. Fig. 4. Derselbe Frosch wie auf Fig. 3 nach Durchschneidung des zweiten cervicalen Hinterwurzelpaares. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 15 322 A. de Kleijn: Extremitäten werden aber jetzt ganz symmetrisch gehalten, auch im Wasser ist kein Tonusunterschied sichtbar; die Tiere springen gerade- aus, nur beim Schwimmen beobachtet man meistens noch leichte asymmetrische Erscheinungen, welche durch die Drehung von Kopf und Wirbelsäule nach der operierten Seite verursacht werden. Technik: Die Labyrinthoperation wurde nach Schrader aus- geführt in der Weise, wie sie durch Ewald!) genau beschrieben worden ist. Zur Durchschneidung der Hinterwurzeln wurden nach einem Hautschnitt in der Medianlinie und nach Abpräparieren der Muskeln die Wirbelbogen der oberen Wirbel mit einer feinen Schere durchschnitten und so das Rückenmark freigelegt. Mit einem feinen, an einer Seite scharfen Häkchen wurden dann vorsichtig die frei- liegenden Hinterwurzeln separat durchtrennt ?). Kontrollversuche wurden angestellt an Tieren, bei welchen die eben beschriebene Operation, aber ohne Durchtrennung der Hinter- wurzeln, ausgeführt worden war. Die so operierten Tiere unterschieden sich, was die Stellung der Extremitäten usw. anbetrifft, überhaupt nicht von nur labyrinthektomierten Fröschen, Bei der Ausführung dieser Operationen hat die Alkoholnarkose nach Frieda Lemberger°) sich sehr gut bewähıt. Zusammenfassung. 1. Die typische Stellung der Extremitäten nach einseitiger Labyrinthexstirpation wird bei Fröschen indirekt durch tonische n Halsreflexe verursacht. DIE Sı1l8H 2) Die Vollständigkeit der Durchtrennung wurde immer durch die Obduktion bestätigt. 3) Zeitschr. f. biol. Techn. u. Method. Bd. 3 H.2 S. 127. Fig. 5. Linksseitig labyrinthektomierter Frosch. Typische Stellung der Extremitäten. Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation beim Frosch. 223 ui 2. Durch Geradesetzen des Kopfes von einseitig labyrinthlosen Fröschen kann man den Tonusunterschied zum Verschwinden bringen. 3. Nach Durchtrennung der Hinterwurzeln von Cervicalis II und III bei F'röschen mit einseitiger Labyrinthexstirpation bleibt die Kopf- und Wirbelsäulendrehung nach der operierten Seite be- stehen; die Beine werden aber symmetrisch gehalten, und auch im Wasser sieht man keinen Unterschied im Tonus der Extremitäten. 4. Ein direkter Einfluss des Labyrinthausfalls auf den Tonus der Extremitäten konnte nicht nachgewiesen werden. 5. Nach Durchschneidung der cervicalen Hinterwurzeln werden also wegen des Fortfalls der tonischen Halsreflexe die Folgezustände der einseitigen Labyrinthexstirpation ‚nicht verstärkt, sondern ver- mindert. Fig. 6. Derselbe Frosch nach Durchschneidung des zweiten cervicalen Hinter- wurzelpaares. 224 R. Magnus: (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Welche Teile des Zentralnervensystems müssen für das Zustandekommen der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körper- muskulatur vorhanden sein? Von R. Magnus. (Mit 3 Textfiguren.) I. Einleitung. Die tonischen Reflexe, durch welche bei einer bestimmten ge- gebenen Kopfstellung eine gesetzmässig zugehörige Körperstellung zustande gebracht wird, sind in einer Reihe von vorhergehenden Ab- handlungen!) nach verschiedenen Richtungen durchuntersucht worden. Die Muskeln, die sich an diesen Reflexen beteiligen, die Rezeptoren, die sie auslösen, die afferenten Bahnen, welche die Impulse dem Zentralnervensystem zuführen, die Gesetze, nach denen sich die ver- schiedenen Reflexe addieren und superponieren, die Rolle, welche sie bei den normalen und pathologischen Bewegungen und Stellungen der Tiere spielen, sind in den Hauptzügen festgestellt. Es erübrigt noch, diejenigen Teile des Zentralnervensystems zu ermitteln, deren Anwesenheit für das Zustandekommen dieser Reflexe unumgänglich notwendig ist. Es ist die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung, diese Lücke auszufüllen. 1) R. Magnus und A. de Kleijn, Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912, Bad. 147 S. 403. 1912, Bd. 154 S. 163. 1913, Bd. 154 S. 178. 1913. Münch. med. Wochenschr. 1913 S. 2566. — W. Weiland, Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.1. 1912. — R. Magnus und C. G. L. Wolf, Pflüger’s Arch. Bd. 149 S. 447. 1913. — R. Magnus und W. Storm van Leeuwen, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S: 157. 1914. — A. de Kleijn, Pflüger’s Arch. Bd. 159 8. 218. 1914. — C. Socin und W. Storm van Leeuwen, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 251. 1914. Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 225 Es handelt sich um zwei Gruppen von tonischen Reflexen. Die erste wird ausgelöst durch Änderungen der Stellung des Koptes im Raume, nimmt ihren Ursprung in den Labyrinthen und wird dem Zentralorgan durch die Octavi zugeleitet. Die zweite wird aus- gelöst durch Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe, nimmt ihren Ursprung in den Muskeln, Sehnen oder Gelenken des Halses und wird dem Zentrum (bei der Katze) im wesentlichen durch die drei obersten cervicalen Hinterwurzeln zugeleitet. Beide Gruppen von Reflexen lassen sich nicht nur am intakten Tier, sondern in besonders deutlicher Weise nach dem Dezerebrieren nachweisen. - Also genügen, falls man von den Reflexen auf die Augenmuskelin abstrahiert, die Anwesenheit des Rückenmarkes, der Medulla oblongata, der Brücke, des Kleinhirns und der hinteren Vierhügel für das Zu- standekommen der Reflexe. In einer ersten Reihe der in dieser Arbeit geschilderten Ver- suche wurde bei dezerebrierten Katzen das Kleinhirn exstirpiert. Es stellte sich heraus, dass danach sowohl die Hals- wie die Labyrinth- reflexe noch unverändert auszulösen waren. Darauf wurde in einer zweiten Versuchsreihe nach Entfernung des Cerebellum der Hirn- stamm von den Vierhügeln ab kaudalwärts durch eine Reihe sich folgender Frontalschnitte schrittweise abgetragen und festgestellt, nach welchem Frontalschnitt die Labyrinthreflexe und nach welchem Schnitte die Halsreflexe aufhörten. Ä Über das Ergebnis von im ganzen 23 nach diesem Plane aus- seführten Versuchen an dezerebrierten Katzen soll im folgenden be- richtet werden. II. Methodik. Die Katzen wurden in tiefer Äthernarkose tracheotomiert und die Äthernarkose danach mittelst der künstlichen Atmung fortgesetzt. Nach Unterbindung beider Karotiden und doppelseitiger Vagotomie wurde das Rückenmark am zwölften Brustwirbel provisorisch frei- gelegt, um, falls die Untersuchung allein auf die Reflexe an den Vorderbeinen beschränkt werden sollte, später das Rückenmark schnell und ohne Störung durchschneiden zu können. Die Rückenwunde wurde durch Klammern verschlossen. Darauf wurde die Kopfhaut über dem Scheitel durch einen Längsschnitt gespalten, beide Temporalmuskeln zurückpräpariert und die Muskelansätze am Planum oceipitale bis herunter an die Mem- 2236 . R. Magnus: brana obturatoria abgelöst, so dass das ganze Schädeldach vom Hinterhauptsloch bis zu den Augen freilag. Nunmehr wurde auf beiden Plana temporalia je ein Trepanationsloch angebracht. Die ganze folgende Operation wurde nun wesentlich erleichtert durch Anwendung der von Sherrington auf dem Groninger Physiologen- kongress demonstrierten Methode der temporären Abklemmung der Vertebralarterien zwischen Atlas und Epistropheus, die mit Daumen und Zeigefinger leicht ausführbar ist. Hierdurch wird erreicht, dass man die ganze folgende intrakranielle Operation (wenigstens bei kleinen und mittelgrossen Katzen) ohne jede Blutung vornehmen kann. Nur bei sehr grossen Katzen mit dieken Halsmuskeln ist die Kompression der Vertebrales schwieriger und oft nicht imstande, die Blutung ganz zu verhindern. Nunmehr wurde das Schädeldach über dem Grosshirn mit der Knochenzange entfernt, die Dura breit gespalten, der Hirnstamm in der Ebene des knöchernen Tentorium cerebelli mit einem Spatel quer durchtrennt und das ganze Gehirn vor den hinteren Vierhügeln in toto ausgeräumt. Dabei tut man gut, die Dura an der Schädel- basis nieht abzulösen, da sonst leicht nach Beendigung der Operation eine Nachblutung aus den durchrissenen arteriellen Gefässen erfolet. Die Narkose wird jetzt abgestellt und bei fortdauernder Kom- pression der Vertebrales das Tentorium cerebelli und die Schädel- decke über dem Kleinhirn bis zum Hinterhauptsloch abgetragen. Seitlich geht man dabei bis zur Felsenbeinpyramide. Das Kleinhirn liegt jetzt vollständig frei. Der vordere Pol des Wurmes wird durch vorsichtiges Zerreissen der Pia-Arachnoides von den hinteren Vier- hügeln abgelöst und ein stumpfer Finder unter dem Kleinhirn nach hinten geschoben, bis derselbe am Calamus seriptorius dorsal von der Medulla oblongata wieder zum Vorschein kommt. Zur Entfernung des Kleinhirns bin ich auf verschiedene Weise vorgegangen. Entweder man geht neben dem Finder mit einem schmalen Messer ein und trägt durch zwei horizontale Schnitte nach rechts und links den Wurm und die dorsalen Partien der Seitenteile ab. Danach werden dann die übrigbleibenden ventralen Partien der Seitenteile entfernt. Dieses Verfahren ist sehr schonend; man lässt aber dabei gewöhnlich mehr von den Kleinhirnstielen stehen als bei den anderen Methoden. — Daher wurde in einer Reihe von Ver- suchen das Kleinhirn auf dem untergeschobenen Finder in die Höhe gehoben, bis man die Kleinhirnstiele sich anspannen sieht. Diese Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. DT werden dann vom vierten Ventrikel aus mit dem Messer durchtrennt. Hierbei entfernt man also das Kleinhirn in einem Stück und erhält daher anatomisch das beste Resultat. Beim Anheben des Kleinhirns werden aber die Stiele mehr oder weniger gezerrt, und es ist dieses wahrscheinlich der Grund, weshalb bei den in dieser Weise operierten Tieren die Enthirnungsstarre sich nicht so kräftig entwickelte und die tonischen Reflexe nicht so lebhaft waren wie in den übrigen Experimenten. — Daher wurde in den späteren Versuchen zunächst auf dem Finder eine Längsspaltung des Cerebellum vorgenommen, die beiden Hälften nach rechts und links herübergeklappt und darauf die gut sichtbaren Stiele von der Medialseite her mit dem Messer durchtrennt. Dieses Verfahren ist schonend und gibt anatomisch sehr gute Resultate. Bei diesem Vorgehen bleiben beide Octavi sowie die Trigemini und Faciales unberührt. Die lateralen Teile der Felsenbeinpyramiden liegen frei. Der Boden des vierten Ventrikels ist vollständig zu übersehen. Fiz. 1 gibt eine stereoskopische Aufnahme des nach der De- zerebrierung stehenbleibenden Hirnstammes mit intaktem Kleinhirn, Fig. 2 (S. 237) das bei Versuch 23 gewonnene Präparat samt dem in zwei Teilen exstirpierten Kleinhirn wieder. Fig. 1. 2328 R. Magnus: Die Dauer der ganzen Operation vom ersten Hautschnitt an beträgt 15—20 Minuten, die der eigentlichen Kleinhirnexstirpation 5—8 Minuten. . Die temporäre Kompression der Vertebralarterien wird nun beendet. Die nachfolgende Blutung wird dadurch vermindert, dass man das Tier für 15—20 Minuten mit hoch erhobenem Kopf lagert. Da die ganze Schädelhöhle leer ist, führen Blutgerinnsel nicht leicht zu Kompressionserscheinungen. Tatsächlich war nur in einem Ver- suche eine geringere Kompression durch Blutkoagula eingetreten. — Die Haut wird über der Schädelöffnung durch Klammern geschlossen. Erstaunlich ist, dass nach der eingreifenden Operation in der unmittelbaren Nähe der Medulla oblongata der Shock sehr gering ist. In der Mehrzahl der Fälle atmen die Tiere bereits am Ende der Operation spontan. Die Enthirnungsstarre der Vorder- und oft auch der Hinterbeine beginnt sich sofort zu entwickeln und ist nach !« Stunde gewöhnlich sehr kräftig ausgesprochen. Gleichseitige und gekreuzte Reflexe an den Fxtremitäten sind stets, Corneal- und Ohrreflex häufig nach wenigen Minuten auszulösen. — Es gilt also auch für Opera- tionen in der Nähe der Medulla oblongata die von Sherrington gefundene Regel, dass, wenn sie nach dem Dezerebrieren vorgenommen werden, kein oder nur ein minimaler Shock erfolgt. In einer Reihe von Versuchen wurde, wie erwähnt, danach der Hirnstamm durch sukzessive Frontalschnitte von vorne nach hinten abgetragen. Dabei wurden jedesmal wieder die Vertebrales temporär abgeklemmt und etwaige Blutkoagula vorsichtig entfernt. Man kann sich dann mit Leichtigkeit anatomisch orientieren, die Entfernung des Schnittes von den Vierhügeln, dem Calamus seriptorius usw. ınit dem Millimetermaassstab abmessen, die Vollständigkeit der Durchschneidung kontrollieren usw. Auch der Octavus lässt sich unter Leitung des Auges durchschneiden. Für Frontalschnitte im Bereiche des Halsmarkes werden die Dorsalteile der obersten Hals- wirbel mit der Knochenzange entfernt. Wenn man den Hirnstamm durch eine Reihe von Frontalsehnitten immer mehr abtrennt, so nimmt all- mählich die Enthirnungsstarre an Intensität ab. Für die Prüfung der Hals- und Labyrinthreflexe an den Gliedermuskeln ist es aber wünschenswert, dass die Muskeln sich im Zustande eines gewissen Tonus befinden, da man nur dann eine Zu- oder Abnahme des Tonus mit Sicherheit beurteilen kann. Es Zentren für Hals- und Labyrinthrefiexe. 2329 war daher für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung von srossem Vorteil, dass jeder Frontalschnitt selbst als Reiz wirkt und für einige Zeit eine Zunahme des Tonus der Extremitäten- muskeln veranlasst. Da auch diese Frontalschnitte am dezerebrierten Präparat so gut wie keinen Shock veranlassen, so kann man diese Tonuszunahme benutzen, um schnell die An- oder Abwesenheit von Hals- und Labyrinthreflexen festzustellen. Aus diesem Grunde habe ich, wenn die Schnitte einmal in die hintere Hälfte der Rautengrube gekommen waren, niemals längere Pausen als etwa 5 Minuten zwischen den einzelnen Schnitten gemacht. Dann ist der Glieder- tonus hinreichend, um das Vorhandensein tonischer Reflexe erkennen zu können. Am Schluss jedes Versuches wurde die Sektion ausgeführt und das restierende Stück des Hirnstammes samt allen abgetrennten Stücken sowie das exstirpierte Kleinhirn in Formol gelest. Die Präparate von den entscheidenden Versuchen habe ich Professor C. Winkler in Amsterdam vorgelegt, der soeben mit der Heraus- gabe eines anatomischen Atlas des Katzengehirnes beschäftigt ist und mir auf Grund seiner grossen Erfahrung genauere Angaben über die Lage der Schnitte und die Ausdehnung der exstirpierten Hirnteille machen konnte. Diese Mitteilungen, für die ich Herrn Winkler auch an dieser Stelle herzlich danke, sind im folgenden mit verwertet worden !). Die Prüfung der Katzen auf das Vorhandensein von Hals- und | Labyrinthreflexen geschah in der früher ausführlich geschilderten Weise. Wie man bei der Katze Hals- und Labyrinthreflexe am einfachsten voneinander unterscheiden kann, ist in Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 514ff. 1912 genauer angegeben worden. Labyrinthreflexe treten ein, wenn der Kopf seine Lage im Raume ändert, und zwar nur, wenn die Ebene der Mundspalte ihren Winkel mit der Horizontal- ebene irgendwie ändert. Es gibt nur eine Lage des Kopfes im Raume, bei der der Strecktonus der Extremitäten und der Tonus der Nackenheber maximal, und eine Lage, bei der er minimal ist (Maximum: wenn Scheitel unten und Mundspalte 45° gegen die Horizontale gehoben; Minimum: wenn Scheitel oben und Mund- spalte 45° unter die Horizontale gesenkt). Bei den Labyrinthreflexen reagieren die vier Extremitäten stets gleichsinnig. 1) Prof. Winkler hat auch die mikroskopische Untersuchung der Präparate von zwei Versuchen freundlichst übernommen. 230 R. Magnus: Die Halsreflexe werden ausgelöst durch Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpf. Bei Drehen und Wenden des Kopfes erfolet Zunahme des Strecktonus in den „Kieferbeinen“ und Abnahme des Strecktonus in den „Schädelbeinen“. Bei Heben des Kopfes werden die Vorderbeine gestreckt und die Hinterbeine gebeust, bei Senken des Kopfes die Vorderbeine gebeugt und die Hinterbeine gestreckt. Da ein und dieselbe Kopfbewegung (Drehen, Wenden, Heben, Senken) bei den verschiedenen Lagen des Tieres im Raume (Fuss- stellung, Rückenlage, Seitenlage, Hängelage mit Kopf unten) zu den gleichen Halsreflexen, aber stets zu verschiedenen Labyrinthreflexen Anlass geben muss, so lässt sich durch Untersuchung des Einflusses der Kopfstellung bei verschiedenen Lagen des Tieres leicht ein sicheres Urteil darüber gewinnen, ob es sich im Einzelfalle um Hals- oder Labyrinthreflexe oder um eine Kombination von beiden handelt. Zur Erleichterung des Verständnisses wird in den unten auf- geführten Versuchsprotokollen jedesmal angegeben werden, ob es sich um Hals- oder Labyrinthreflexe handelt. Für die Begründung wird auf die früheren Arbeiten verwiesen. Wenden ist eine Bewegung des Kopfes um die Achse: Scheitel- Schädelbasis; Drehen eine Bewegung um die Achse: Schnauze- Hinterhauptsloch. Heben und Senken erfolgen um die Bitemporalachse. II. Versuchsergebnisse. a) Hals- und Labyrinthreflexe nach Exstirpation des Kleinhirns. Dass nach Entfernung des Kleinhirns bei der dezerebrierten Katze sowohl die tonischen Hals- als die Labyrinthreflexe unverändert erhalten sind, wird durch nachstehende Versuchsprotokolle bewiesen: Versuch V. 26. Januar 1914. Katze. Äthernarkose. Karotiden abgebunden, Vagi durchschnitten. Freilesung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Freilegung des Schädeldaches, doppelseitige Trepanation, Abklemmen der Arteriae vertebrales, Dezerebrieren mit Ausräumung des ganzen Gehirnes vor den Vierhügeln, Exstirpation des Kleinhirns. Der vierte Ventrikel liegt in ganzer Ausdehnung frei. 9 Uhr 45 Min. Ende der Operation, die im ganzen 20 Minuten gedauert hat. Spontanatmung. Sofort beginnende Starre der vier Beine. 10 Uhr 5 Min. Guter Zustand des Tieres. In rechter Seitenlage bewirkt Kopfdrehen mit dem Scheitel nach Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 231 unten starke Zunahme des Strecektonus im linken (oberen) Bein, während der Tonus des rechten (unteren) Beines ungeändert bleibt. Kopfdrehen mit dem Scheitel nach oben bewirkt Abnahme des Strecktonus im linken (oberen) Bein, keine Veränderung im rechten (unteren) Bein. In linker Seitenlage treten auf Kopfdrehen nur Veränderungen im Strecktonus des rechten (oberen) Beines ein, während der Tonus im linken (unteren) Bein ungeändert bleibt (Hals- und Labyrinth- reflexe gleich stark entwickelt). 10 Uhr 10 Min. Bei Kopfdrehen in Seitenlage werden bei Scheitel-unten beide Beine gestreckt, bei Scheitel-oben beide Beine sehbeugt; das obere Bein reagiert aber viel stärker als das untere (Hals- und Labyrinthreflexe, letztere überwiegen). 10 Uhr 15 Min. Rückenlage, Kopfheben und -senken: Die Vorderbeine haben maximalen Strecktonus, wenn die Schnauze 45° über die Horizontale gehoben ist. Der Strecktonus sinkt deutlich, wenn der Kopf dorsalwärts gebeugt und die Schnauze dabei unter die Horizontale gesenkt wird. Der Strecktonus sinkt maximal, wenn der Kopf stark ventral gebeugt wird, bis die Schnauze zwischen den Vorderbeinen liegt (Labyrinthreflexe). Rückenlage, Kopfdrehen: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflexe). Rückenlage, Kopfwenden: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflexe). Fussstellung, Kopfheben und -senken: Schwach wirksam. Fussstellung, Kopfdrehen bei vertikal erhobener Schnauze: Kieferbein Tonuszunahme, Schädelbein Tonusabnahme (Halsreflexe). Wird das ganze Tier, ohne die Stellung des Kopfes zum Rumpfe zu ändern, aus der Seitenlage in Rückenlage gedreht, so erfolgt eine beträchtliche Zunahme des Strektonus der Vorderbeine (Labyrinth- reflex). Hängelage, Kopf unten, Kopfheben und -senken: Wenn die Schnauze senkrecht nach unten hängt, ist der Strecktonus der Vorderbeine gering. Wird der Kopf stark ventralwärts gebeugt, so dass die Schnauze zwischen den Vorderbeinen steht und die Mund- spalte über die Horizontale gehoben ist, so werden die Vorderbeine aktiv gestreckt (Labyrinthreflex). Seitenlage, Vertebra-prominens-Reflex deutlich. 10 Uhr 25 Min. Durchschneidung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. 232 R. Magnus: 10 Uhr 40 Min. Nochmalige gründliche Untersuchung auf Hals- und Labyrinthreflexe mit demselben Ergebnis wie 10 Uhr 15 Min. Ausserdem werden noch folgende Reaktionen festgestellt: Fussstellung, Kopfheben bewirkt Zunahme, Kopfsenken Abnahme des Strecktonus der Vorderbeine (Hals- und Labyrinthreflexe). Fussstellung, Kopfwenden bei horizontaler Mundspalte: Kiefer- bein Tonuszunahme, Schädelbein Tonusabnahme (Halsreflex). Sektion: Der Dezerebrierungsschnitt geht durch das hintere Drittel der vorderen Vierhügel. Rechts ist etwas vom Hirnschenkel stehen- geblieben. Der vierte Ventrikel liest vollständig frei. Das Kleinhirn ist einschliesslich der Seitenteile entfernt. Die Kleinhirnstiele sind als Stümpfe noch so weit stehengeblieben, dass ein Teil der Nuclei dentati vielleicht noch erhalten ist (Winkler). Beide Octavi intakt. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn bis auf die Kleinhirnstiele total entfernt. Danach sind durch Änderung der Kopfstellung sehr kräftige Hals- und Labyrinthreflexe auf die Muskulatur der Vorderbeine auszulösen. Die Enthirnungs- starre ist sehr hochgradig. Versuch VI. 27. Januar 1914. Katze. Äthernarkose. Operation wie in Versuch V. Ex- stirpation des Kleinhirns. Dauer der ganzen Operation 20 Minuten. 9 Uhr 50 Min. Ende der Operation. Spontanatmung. Sofort Starre aller vier Beine. 10 Uhr 12 Min. Das Tier kann tadellos auf seinen vier Beinen stehen und den Kopf frei heben. Rechte und linke Seitenlage, Kopfdrehen: Bei „Scheitel-unten“ Tonuszunahme, bei „Scheitel-oben“ Tonusabnahme der Streckmuskeln der Vorderbeine. Das obenliegende Bein reagiert etwas stärker (Hals- und Labyrinthreflexe, letztere überwiegen). Seitenlage, Kopfwenden: Dasselbe. Seitenlage, Kopfheben und -senken: Dorsalbeugen des Kopfes bewirkt Tonuszunahme, Ventralbeugung bewirkt Tonusabnahme der Vorderbeinstrecker (reiner Halsreflex). Rückenlage, Kopfheben und -senken: Die Vorderbeine haben maximalen Streektonus, wenn die Schnauze 45° über die Horizontale gehoben ist. Der Tonus sinkt wenig, wenn der Kopf dorsalwärts gebeust wird. Er sinkt maximal, wenn der Kopf so stark ventral Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 238 gebeust wird, dass sich die Schnauze zwischen den Vorderbeinen befindet (Hals- und Labyrinthreflexe). Rückenlage, Kopfwenden: Kieferbein Tonuszunahme, Schädel- bein Tonusabnahme (Halsreflex). Rückenlage, Kopfdrehen: An beiden Vorderbeinen Tonusabnahme (Labyrinthreflex). An den Hinterbeinen Tonusabnahme im Schädelbein und Tonuszunahme im Kieferbein (Halsreflex). Fussstellung, Kopfheben und -senken: Kopfheben bewirkt Tonus- zunahme der Vorderbeine und Tonusabnahme der Hinterbeine. Kopfsenken bewirkt Tonusabnahme der Vorderbeine und Tonus- zunahme der Hinterbeine (überwiegend Halsreflexe). Fussstellung, Kopfwenden bei horizontaler Mundspalte: Tonus- zunahme im vorderen Kieferbein, Tonusabnahme im vorderen Schädelbein (Halsreflex). Fussstellung, Kopfdrehen bei senkrecht erhobener Schnauze: An den Vorder- und Hinterbeinen Tonuszunahme in den Kiefer- beinen, Tonusabnahme in den Schädelbeinen (Halsreflex). Hängelage mit Kopf unten, Kopfheben und -senken: Alle vier Beine haben am wenigsten Strecktonus, wenn die Schnauze nach unten hängt. Sie strecken sich, wenn der Kopf so stark dorsal oder ventral gebeugt wird, dass die Mundspalte über die Horizontale gehoben wird (Labyrinthreflexe auf alle vier Beine). 10 Uhr 35 Min. Durchschneidung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Starke Starre der Vorderbeine. Sehr gute spontane Atmung. Ohrreflex und Lidreflex vorhanden. 10 Uhr 45 Min. Nochmalige Prüfung des Einflusses der Kopf- stellung auf den Tonus der Vorderbeine. Sehr starke Labyrinthreflexe. Sektion: Dezerebrierung vollständig, gerade vor den hinteren Vierhügeln. Der vierte Ventrikel liest vollständig frei. Das Klein- hirn ist einschliesslich der Seitenteile entfernt. Links sind auch die Kleinhirnstiele vollständig fortgenommen, rechts steht von den Stielen noch ein Stumpf, so dass auf der rechten Seite der Nucleus dentatus vielleicht teilweise erhalten ist (Winkler). Beide Octavi, Faciales und Trigemini intakt. Ergebmis: Bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn bis auf einen Stumpf des rechten Kleinhirnstieles total ent- fernt. Danach sind durch Änderung der Kopfstellung sehr kräftige Hals- und Labyrinthreflexe auf die Muskulatur aller vier Deine auszulösen. Die Enthirnunysstarre ist sehr hochgradig. 234 R. Magnus: Noch in einem weiteren Versuch (Nr. VIII vom 29. Januar 1914), in dem das Kleinhirn bis auf die Kleinhirnstiele total entfernt worden war, liessen sich sehr kräftige Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vorder- und Hinterbeine nachweisen. Die ausführliche Wiedergabe des Protokolles erübrigt sich, da es fast vollständig mit dem von Versuch VI übereinstimmt. Versuch XVII. 16. Februar 1914, Katze. Äthernarkose. Karotiden abgebunden, Vagi durchtrennt. Freilegung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Dezerebrierung unter Abklemmung der Vertebralarterien. Totalexstirpation des Kleinhirns. 9 Uhr 45 Min. Ende der Operation. Spoutanatmung. Gute Starre der vier Extremitäten. 10 Uhr 20 Min. Sehr guter Zustand. Starre aller vier Beine. Öhrreflex und Lidreflex stark vorhanden. \ Seitenlage, Kopfdrehen: Bei „Scheitel-unten“ starke Zunahme, bei „Scheitel-oben“ starke Abnahme des Strecktonus beider Vorder- beine (sehr starke Labyrinthreflexe). Seitenlage, Kopfwenden: Dasselbe (Labyrinthreflexe). . Seitenlage, Kopfheben und -senken: Dorsalbeugen des Kopfes bewirkt Zunahme, Ventralbeugen Abnahme des Strecktonus der Vorderbeine (Halsreflex). Seitenlage, Vertebra-prominens-Reflex deutlich. Rückenlage, Heben und Senken: Minimum des Strecktonus der Vorderbeine, wenn die Schnauze zwischen den Vorderbeinen, Maximum, wenn Schnauze 45° über die Horizontale gehoben und wenn durch Dorsalbeugen des Kopfes unter die Horizontale gesenkt (Hals- und Labyrinthreflexe). Rückenlage, Kopfwenden: Tonuszunahme im Kieferbein, Tonus- abnahme im Schädelbein (Halsreflexe). Rückenlage, Kopfdrehen: Tonusabnahme beider Vorderbeine (Labyrinthreflexe). Fussstellung, Kopfheben und -senken: Kopfheben bewirkt Streekung, Kopfsenken Beugung der Vorderbeine (Hals- und Labyrinthreflexe). Fussstellung, Kopfdrehen bei erhobener Schnauze: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflex). Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 235 Fussstellung, Kopfwenden bei horizontaler Mundspalte: Geringere Tonuszunahme im Kieferbein und Abnahme im Schädelbein (Hals- reflexe). Hängelage mit Kopf-unten, Kopfheben und -senken: Strecktonus der Vorderbeine minimal, wenn die Schnauze nach unten hängt, nimmt zu, wenn sie durch Dorsalbeugen, und wird maximal, wenn sie durch Ventralbeugen über die Horizontale geschoben wird (Labyrinthreflexe). Beim Umlegen des ganzen Tieres aus der Fussstellung in Rücken- lage, wobei die Stellung des Kopfes gegen den Rumpf nicht geändert wird, kommt es zu sehr starker Zunahme des Tonus der Vorderbein- streeker und der Nackenheber (Labyrinthreflexe). 10 Uhr 50 Min. Durcehtrennung des linken Nervus oetavus. Darauf ist das linke Vorderbein schlaffer als das rechte. Bei Hängelage mit Kopf-unten ist der Kopf 45° nach links gedreht. Die obere Thoraxapertur ist 30°, die untere Thoraxapertur 20° gegen das Becken nach links gedreht. Bei Fussstellung ist der Kopf nach links gewendet. Zum Geradesetzen des Kopfes muss man bei Rückenlage einen grösseren muskulären Widerstand überwinden als bei Fussstellung (Labyrinthreflexe). Beim Umlegen aus der Fussstellung in Rückenlage kommt es zu deutlicher Tonuszunahme der Vorderbeine und Retraktion des (gedrehten) Nackens (Labyrinthreflexe). Auch sonst lassen sich bei Drehen, Wenden, Heben und Senken des Kopfes in den verschiedenen Körperlagen sehr deutliche Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine nachweisen. Darauf wird der Versuch fortgeführt, indem der Hirnstamm durch Frontalschnitte von vorn nach hinten schrittweise abgetragen wird (s. u. S. 242). Die Untersuchung der abgetragenen Stücke des Hirnstammes ergibt, dass das Kleinhirn in toto entfernt ist, und dass auch die extramedullären Anteile der Kleinhirnstiele abgetragen worden sind. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn vollständig exstirpiert. Danach ist sehr starke Starre der Extremitäten und des Nackens vorhanden. Durch Änderung der Kopfstellung lassen sich kräftige tonische Hals und Labyrinth- reflexe auf die Muskulatur der Vorderbeine und sehr deutliche Labyrinthreflexe auf die Nackenmuskulatur nachweisen. Nach Durchschneidung des linken Octavus kommt es zu Linksdrehung und 236 R. Magnus: -wendung des Kopfes und Linksdrehung des Rumpfes. Labyrinth- reflexe auf Nacken- und Gliedermuskeln und Halsreflexe auf die @Gliedermuskeln sind danach noch deutlich nachweisbar. Noch in einem anderen Versuche (Nr. VII) liessen sich nach der Kleinhirnexstirpation Labyrinthreflexe auf die Nackenmuskulatur und nach der darauf vorgenommenen linksseitigen Labyrinthausschaltung Linkswendung des Kopfes nachweisen. Versuch XXIII. 27. Februar 1914. Katze. Äthernarkose. Karotiden abgebunden, doppelseitige Vago- tomie, Freilegung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Tem- poräre Abklemmung der Vertebralarterien. Dezerebrierung. Total- exstirpation des Kleinhirns nach vorheriger Längsspaltung. Kleinhirn- stiele von der Medialseite her durchtrennt. | 10 Uhr 30 Min. Ende der Operation. Beginnende Starre. 11 Uhr. Seitenlage, Kopfdrehen: Bei Scheitel-unten werden beide Vorderbeine gestreckt, das obere viel kräftiger als das untere. Bei Scheitel-oben erschlaffen beide Vorderbeine, das obere stärker (Hals- und Labyrinthreflexe, letztere überwiegen). Seitenlage, Kopfwenden: Dasselbe (Hals- und Labyrinth- reflexe, letztere überwiegen). Seitenlage, Kopfheben und -senken: Wirkungslos is ne Hal S- reflexe bei symmetrischen Kopfbewegungen) Rückenlage, Kopfheben und -senken: Die Vorderbeine haben maximalen Strecktonus, wenn die Schnauze 45° über die Horizontale gehoben ist. Der Tonus sinkt, wenn die. Schnauze durch Ventral- beugen des Kopfes zwischen den Vorderpfoten steht, und wenn sie durch Dorsalbeugen des Kopfes nach unten gerichtet ist (starke Labyrinthreflexe). ee Rückenlage, Kopfdrehen: Tonusabnahme in beiden Vorderbeinen, im Schädelbein mehr (Hals- und Labyrinthreflexe, letztere überwiegen). Rückenlage, Kopfwenden: Tonusabnahme im Schädelbein, Zu- nahme im Kieferbein (Halsreflex). Fussstellung, Kopfheben und -senken: Bei gehobenem Kopf Tonuszunahme, bei gesenktem Kopf Tonusabnahme der Vorderbein- strecker (überwiegend Labyrinthreflex). Beim Umlegen des ganzen Tieres aus der Bauch- in: Rücken- lage, wobei die Stellung des Kopfes zum Rumpfe. nicht geändert Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 237 wird, erfolgt eine kräftige Streckung der Vorderbeine (Labyrinthreflex). Nach Durchschneidung des Rücken- markes am zwölften Brustwirbel wird die ganze Untersuchungsreihe nochmals mit demselben Ergebnis wiederholt. Da sich in diesem Versuche besonders lebhafte Labyrinthreflexe ergeben hatten, werden keine weiteren Frontalschnitte durch den Hirostamm angelegt, sondern das Tier getötet, der Hirnstamm herausgenommen und stereoskopisch photographiert (Fig. 2). Man sieht oben das längsgespaltene exstirpierte Kleinhirn, unten den Hirn- stamm. Der Dezerebrierungsschnitt geht dureh die Mitte der vorderen Vierhügel. Die Rautengrube liest in ganzer Aus- dehnung von den hinteren Vierhügeln bis zum Calamus seriptorius frei. Rechts sieht man von oben auf die durchschnittenen rechten Kleinhirnstiele. Die Schnittfläche Fig. 2. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. Fig. 2a. 1 Kleinhirn, längs- gespalten, exstirpiert. 2Schnitt- fläche. 3 hintere Vierhügel. 4,4 Schnittflächen der abge- trennten Kleinhirnstiele. 5 Nerv. octavus. 7 Striae acust. 8 Boden des vierten Ventrikels. 9 Calamus scriptorius. 10 Nerv. cervic. I. 21 Nerv. cervic. 1. 12 Nerv. cervic. III. 238 R. Magnus: lieet 1/e mm über dem Niveau des Bodens des vierten Ventrikels. Kaudalwärts vom rechten Kleinhirnstiel schlinst sich der rechte Octavus nach der Ventralseite hinüber. Die linken Kleinhirnstiele sind innerhalb der Substanz der Medulla oblongata abgetragen. Der linke Octavusstamm war ebenfalls intakt, ist aber wegen der leichten Drehung des Präparates auf der Photographie nicht sichtbar. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn vollständig exstirpiert. Danach ist gute Enthirnungsstarre vor- handen. Durch Änderung der Kopfstellung lassen sich deutliche Halsreflexe und sehr starke Labyrinthreflexe auf die Muskulatur der Vorderbeine nachweisen. Die Photographie des exstirpierten Kleinhirns und des restierenden Hirnstammes zeigt die Ausdehnung der Operation. Aus den im vorstehenden geschilderten Versuchen, deren Fr- sebnisse durch die übrigen Experimente durchaus bestätigt wurden, folgt, dass bei dezerebrierten Katzen nach Entfernung des Klein- hirnes nicht nur eine vorzügliche Enthirnungsstarre vorhanden ist }), sondern dass sich auch sämtliche in früheren Arbeiten von uns beschriebenen tonischen Reflexe auf die Körpermuskulatur durch Änderung der Kopfstellung auslösen lassen. Im einzelnen wurde dieser Nachweis geführt für folgende Reflexe: A. Halsreflexe. 1. Symmetrische Kopfbewegungen: Dorsalbeugen des Kopfes bewirkt Streckung der Vorderbeine und Beugung der Hinterbeine. Ventralbeugen des Kopfes bewirkt Streckung der Hinterbeine und Beugsung der Vorderbeine?). Verschiebung der unteren Halswirbel in ventraler Richtung hemmt den Strecktonus aller vier Beine. 1) Sherrington hat bereits 1898 (Journ. of Physiol. vol. 22 p. 327) an- gegeben: „It is significant that decerebrate rigidity sometimes persists after removal of the cerebellum, if the latter ablation be performed without any serious amount of haemorrhage.“ 2) Barany, Reich und Rothfeld haben in einer vorläufigen Mitteilung (Neurol. Zentralbl. Bd. 31 S. 1139. 1912) angegeben, dass sie bei dezerebrierten Katzen oder Hunden nach unvollständiger stückweiser Entfernung des Kleinhirns auf Kopfheben Streckung der Vorderbeine und Beugung der Hinterbeine, auf Kopfsenken Beugung der Vorderbeine und Streckung der Hinterbeine beobachten konnten. Es handelte sich also um einen Halsreflex. Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 239 2. Unsymmetrische Kopfbewegungen: Drehen und Wenden des Kopfes führt zu Zunahme des Strecktonus im vorderen und hinteren „Kieferbein* und zu Abnahme des Strecktonus im vorderen und hinteren „Schädelbein“. B. Labyrinthreflexe. Wenn sich der Kopf in der „Maximumstellung“ für die Labyrinth- reflexe befindet (Scheitel unten, Unterkiefer oben, Mundspalte 45 ° über die Horizontale gehoben), so wird der Strecktonus der vier Extremitäten und der Nackenheber maximal. Wenn sich der Kopf in der „Minimumstellung“ befindet (Scheitel oben, Unterkiefer unten, Mundspalte 45° unter die Horizontale gesenkt), so ist der Tonus dieser Muskeln minimal. Ein Labyrinth genügt, um den Tonus der Streckmuskeln der beiderseitigen Extremitäten zu beherrschen; der Einfluss auf die Halsmuskulatur ist dagegen ein einseitiger. Nach Ausschaltung eines Labyrinthes kommt es zur Drehung und Wendung des Kopfes nach der Seite des fehlenden Labyrinthes, zur Drehung des Rumpfes und zu einseitiger Abnahme des Tonus der Gliederstrecker. Für das Zustandekommen aller dieser Reaktionen genügt also die Anwesenheit derjenigen Zentren, welche im Hirnstamm hinter den vorderen Vierhügeln gelegen sind. Das Vorhandensein des Kleinhirns ist dafür nicht notwendig. Nach Fortnahme des Kleinhirns sind alle diese Reflexe in unverminderter Stärke nachweisbar. Im folgenden Abschnitt soll nun untersucht werden, welche Teile des Hirnstammes und des Halsmarkes noch mit dem übrigen Rückenmark in Verbindung sein müssen, damit erstens die Labyrinth- reflexe und zweitens die Halsreflexe zustande kommen können. b) Verhalten der Hals- und Labyrintlireflexe nach schrittweiser Abtragung des Hirnstammes und des Halsmarkes. Dass nach Abtragung der hinteren Vierhügel die Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln noch unverändert erhalten sind, ergibt sich aus folgendem Versuchsprotokoll. Versuch X. 31. Januar 1914. Katze. Äthernarkose. Karotiden abgebunden, Vagi durchtrennt, Freilegung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Temporäre Abklemmung der Vertebralarterien, Dezerebrierung mit Ausräumen Io 240 R. Magnus: des Gehirns vor den Vierhügeln. Totalexstirpation des Kleinhirns. Abtragung der Vierhügel durch einen Frontalschnitt. Dauer der Operation 15 Minuten. 10 Uhr 30 Min. Ende der Operation. Beginnende Starre der . Vorderbeine. 10 Uhr 48 Min. Starre der Vorderbeine deutlich (nicht maximal), der Hinterbeine nicht deutlich. Seitenlage, Kopfdrehen: Tonuszunahme im vorderen Kieferbein, Abnahme im vorderen Schädelbein (Halsreflex). Seitenlage, Kopfheben und -senken: wirkungslos. Fussstellung, Kopfheben und -senken: Kopfheben bewirkt Streckung, Kopfsenken bewirkt Beugung der Vorderbeine (Labyrinth- oder Halsreflexe). Fussstellung, Kopfdrehen bei erhobener Schnauze: Tonuszunahme im vorderen Kieferbein, Abnahme im vorderen Schädelbein (Hals- reflex). Fussstellung, Kopfwenden bei horizontaler Mundspalte: Tonus- zunahme im vorderen Kieferbein, Abnahme im vorderen Schädelbein (Halsreflex). Rückenlage, Kopfdrehen: Tonusabnahme beider Vorderbeine (Labyrinthreflex). Beim Umlegen des ganzen Tieres aus der Fussstellung in Rücken- lage, ohne dass dabei die Stellung des Kopfes zum Rumpfe geändert wird, erfolgt Streckung der Vorderbeine (Labyrinthreflex). Hängelage mit Kopf-unten, Kopfheben und -senken: Geringer Vorderbeintonus, wenn die Schnauze gerade nach unten hängt. Tonuszunahme, wenn die Schnauze durch Ventralbeugen des Kopfes zwischen die Vorderbeine zu stehen kommt (Labyrinthreflex). Vertebra-prominens-Reflex: sehr deutlich. 11 Uhr. Starre der Vorderbeine deutlich, aber nicht maximal, Starre der Hinterbeine deutlich. li Uhr 10 Min. Rückenlage, Kopfheben und -senken: Die Vorder- und Hinterbeine haben maximalen Tonus, wenn die Mund- spalte 45° über die Horizontale gehoben ist. Wird der Kopf dorsalwärts gebeugt, bis ‘die Schnauze vertikal nach unten sieht, so nimmt der Strecktonus in allen vier Beinen ab (Labyrinthreflex auf Vorder- und Hinterbeine). Sektion: Kleinhirn fehlt vollständig. Frontalschnitt geht genau hinter den Vierhügeln, so dass diese total abgetrennt sind. Nucleus Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 241 dentatus fehlt beiderseits. Der Deiterskern ist beiderseits intakt (Winkler). Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze sind nach Total- extirpation des Kleinhirns und Abtrennung der Vierhügel durch Änderung der Kopfstellung kräftige Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln nachzuweisen. In dem soeben geschilderten Versuche war die Enthirnungsstarre nicht sehr hochgradig; in drei anderen ebenso ausgeführten Experi- menten war dagegen eine kräftige Starre der Extremi- täten und der Nackenmuskulatur vorhanden. Die drei folgenden Versuchsprotokolle zeigen nun überein- stimmend, dass man den Hirnstamm bis dieht vordem Eintritt der Nervi oetavi abtragen kann, ohne die Labyrinthreflexe (und natürlich auch die Halsreflexe) zum Verschwinden zu bringen. Versuch XIV. 6. Februar 1914. Katze, 1300 g. Äthernarkose. Abbinden der Karotiden, Durch- trennung der Vagi, Freilesung des Rückenmarkes am zwölften Brust- wirbel, Dezerebrieren unter temporärer Abklemmung der Vertebral- arterien, Totalexstirpation des Kleinhirns und der Seitenteile in einem Stück. Dauer der ganzen Operation 15 Minuten, der Kleinhirn- exstirpation 5 Minuten. Direkt danach 10 Uhr 20 Min. beginnende Enthirnungsstarre. 10 Uhr 30 Min. Starke Starre aller vier Beine. Die Prüfung der Reaktionen auf Veränderung der Kopfstellung ergibt, dass das Tier an den Vorder- und Hinterbeinen überwiegende Halsreflexe hat, dass daneben aber sichere Labyrinthreflexe nachweisbar sind. 11 Ubr 15 Min. wird ein Frontalschnitt direkt hinter den Vier- hügeln ausgeführt. Danach sind deutliche Hals- und Labyrinth- reflexe vorhanden. ll Uhr 25 Min. wird ein Frontalschnitt direkt oralwärts von der Eintrittsstelle der Nervi octavi geführt. Darauf wird durch Inspektion festgestellt, dass beide Octavi intakt geblieben sind. Die Prüfung auf tonische Kopfreflexe ergibt folgendes: Seitenlage, Kopfdrehen: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein, unteres Bein reagiert etwas schwächer (über- wiegend Halsreflexe, geringere Labyrinthreflexe). 3423 R. Magnus: Rückenlage, Heben und Senken: Stärkster Strecktonus der Vorderbeine, wenn Schnauze 45° über die Horizontale gehoben. Tonus sinkt deutlich, wenn der Kopf dorsal gebeugt wird, bis die Schnauze nach unten sieht; er sinkt maximal, wenn der Kopf stark ventral gebeust wird, bis die Schnauze zwischen den Vorderbeinen steht (Labyrinthreflexe). Rückenlage, Kopfdrehen: Tonusabnahme in beiden Vorderbeinen, im Schädelbein stärker (Labyrinth- und Halsreflexe). Hängelage mit Kopf-unten, Kopfheben und -senken: Der Vorderbeintonus ist am geringsten, wenn die Schnauze senkrecht nach unten hängt; er nimmt zu, wenn durch Ventral- oder Dorsalbeugen die Mundspalte über die Horizontale gehoben wird. Die stärkere Tonuszunahme erfolgt beim Ventralbeugen (Labyrinthreflexe). Der Versuch wird fortgesetzt, indem weitere Frontalschnitte durch den Hirnstamm angelegt werden (s. u. S. 246). Die Besichtigung der abgetrennten, in Formol konservierten Stücke des Hirnstammes ergibt, dass das Kleinhirn in einem Stücke in toto exstirpiert ist. Die Kleinhirnstiele sind genau im Niveau des Bodens des vierten Ventrikels durchtrennt. Der 11 Uhr 25 Min. ausgeführte Frontalschnitt geht rechts 2 mm, links Imm vor dem Eintritt der Nervi octavi durch die Tubercula acustiea. Vom Kleinhirn und seinen Stielen steht nichts mehr. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird nach Extir- pation des Kleinhirns ein Frontalabschnitt durch den Hirnstamm unmittelbar vor dem Eintritt der Octavi gemacht. Danach sind durch Kopfdrehen sowohl Hals- als auch Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine auszulösen. Versuch XVII. 16. Februar 1914. Fortsetzung des auf S. 234 angeführten Protokolles. (Nach Exstirpation des Kleinhirns sind Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine und Labyrinthreflexe auf den Nacken nachweisbar. Nach Durchtrennung des linken Octavus kommt es zu Linksdrehung und -wendung des Kopfes und Linksdrehung des Rumpfes. Hals- und Labyrinthreflexe auf die Glieder bleiben vorhanden.) 11 Uhr 10 Min. Frontalschnitt dieht vor dem Eintritt der Nervi octavi. Danach deutliche Starre der Vorderbeine. Seitenlage, Kopfdrehen: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflex). Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 243 Beim Umlegen aus der Fussstellung in Rückenlage, wobei die Stellung des Kopfes zum Rumpfe nicht verändert wird, erfolgt kräftige Streckung der Vorderbeine und Retraktion des Nackens. Linkes Vorderbein bleibt dabei (als Folge der einseitigen Octavus- durchschneidung) etwas schlaffer als das rechte (Labyrinth- reflexe auf Vorderbeinstrecker und Nackenmuskeln). Bei Hängelage mit Kopf-unten ist die Linksdrehung des Kopfes noch deutlich (Wirkung des einseitigen Labyrinthaus- falles auf die Halsmuskeln). Der Versuch wird fortgesetzt, und weitere Frontalschnitte werden ausgeführt. Die Besichtisung der abgetrennten, in Formol konservierten Stücke des Hirnstammes ergibt, dass das Kleinhirn samt den extra- medullären Teilen der Kleinhirnstiele totol exstirpiert ist. Der 11 Uhr 10 Min. angelegte Frontalschnitt geht beiderseits hinter den Stümpfen der Kleinhirnstiele, links 2 mm vor dem Eintritt des Octavus, so dass das Tubereulum acustieum zum Teil stehen ge- blieben ist, rechts 1 mm vor dem Eintritt des Octavus durch das Tubereulum acusticum hindurch. Ergebnis: bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn exstirpirt und der linke Octavus dwrchschnitten. Darauf wird ein Frontalschnitt dicht vor dem Eintritt der Octavi gemacht. Danach sind noch Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine, Labyrinthreflexe auf die Nackenmuskeln und die infolge der ein- seitigen Octavusdurchschneidung eintretende Kopfdrehung nachweisbar. Versuch XXI. 24. Februar 1914. Katze. Äthernarkose. Karotiden abgebundeu, Vagi durchtrennt. Freilesung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Temporäre Abklemmung der Vertebralarterien, Dezerebrierung. Totalexstirpation des Kleinhirns nach vorheriger Längsspaltung. Ende der Operation 9 Uhr 55 Min. Darauf sofort gute Starre der vier Beine, Spontan- atmung, Lidreflex. ; 10 Uhr 20 Min. Untersuchung auf Kopfreflexe ergibt das Vorhandensein von kräftigen Hals- und Labyrinthreflexen auf die Vorderbeine. 10 Uhr 45 Min. Frontalschnitt dicht vor dem Eintritt der Octavi. 10 Uhr 55 Min. Durchschneidung des Rückenmarkes am zwölften Brustwirbel. Vortreffliche Starre der Vorderbeine. 244 Fig. 3a. 1 Kieinhirn, längs- gespalten, exstirpiert. 2 Schnitt- fläche des Frontalschnittes vor dem Octavusursprung. 3 Hin- tere Vierhügel. 4, 4 Schnitt- flächen der abgetrennten Klein- hirnstiele.e 5 Nervus octavus. 6,6 Tuberenla acustica. 7 Striae acusticae. 8,8 Boden des vier-, ten Ventrikels.. 9 Calamus scriptorius. 10 Nerv. cervie. I. 11 Nerv. cervic. I. . R. Magnus: Seitenlage, Kopfdrehen: Wenn Scheitel unten, werden beide Beine gestreckt, wenn Scheitel oben, werden beide Beine ge- beugt (Labyrinthreflexe). Rückenlage, Kopfheben und -senken: Der Strecktonus der Vorderbeine ist maxi- mal, wenn die Schnauze 45° über die Horizontale gehoben ist; er nimmt bei Dorsalbeugung des Kopfes (Schnauze nach unten) und bei starker Ventralbeugung des Kopfes (Schnauze zwischen den Vorder- beinen) ab (Labyrinthreflexe). Beim Umlegen des Tieres aus der Fussstellung in Rückenlage, wobei die Stellung des Kopfes zum Ruümpfe nicht geändert wird, erfolgt starke Tonus- zunahme der Vorderbeine (Labyrinth- reflex). Rückenlage, Kopfwenden: zunahme im Kieferbein, Schädelbein (Halsreflex). Fussstellung, Kopfdrehen bei erhobener Tonus- Abnahme im Fig. 3. Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 945 Schnauze: Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflex). Fussstellung, Kopfwenden bei horizontaler Mundspalte: Tonus- zunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein (Halsreflex). Sektion: Beide Octavi intakt. Der Frontalschnitt geht links gerade vor dem Tubereulum acusticum, rechts durch das vordere Drittel des Tubereulum acusticum. Es ist abgetrennt das ganze Kleinhirn und der ganze extramedulläre Teil der Corpora restiformia. Auf der linken Seite ist derjenige Teil des Deiters’schen Kernes stehengeblieben, der der Deitero-spinalen Bahn den Ursprung gibt (genauer, der bei Hemisektion der unteren Oblongata alle Zellen verliert). Rechts ist der kleinere Teil dieses letzteren Kernes ent- fernt, der grössere Teil steht noch (Winkler). Das exstirpierte Kleinhirn, das abgetrennte Stück, welches die hinteren Vierhügel, den vorderen Teil des vierten Ventrikels und die Stümpfe der Kleinhirnstiele umfasst, sowie das übrigbleibende Stück des Hirnstammes, welches zum Zustandekommen der Hals- und Labyrinthreflexe genügte, werden stereoskopisch photographiert (Fig. 3). Man sieht die hintere Hälfte des Bodens vom vierten Ventrikel, die Ursprungsstelle der Oetavi, den Stamm des rechten Octavus, beide Tuberceula acustica, soweit sie nicht abgetrennt sind, und die Schnittfläche des Frontalschnittes. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird nach Exstir- pation des Kleinhirns ein Frontalschnitt durch den Hirnstamm dicht vor dem Eintritt der Octavi angelegt. Danach lassen sich durch Änderung der Kopfstellung noch kräftige Hals- und Labyrinth- reflexe auf die Vorderbeine auslösen. Wie zu erwarten ist, sind nach allen Frontalschnitten , welche hinter dem Eintritt der Octavi durch den Hirnstamm geführt werden, die Labyrinthreflexe auf die Glieder und die Stammesmuskulatur _ erloschen. Tonische Einflüsse auf die Muskulatur durch Änderung der Stellung des Kopfes im Raume lassen sich nicht mehr hervor- rufen. N Dagegen sind interessanterweise die Halsreflexe noch erhalten, und man muss mit den Frontalschnitten ein gutes Stück weiter kaudalwärts gehen, bis man auch diese zum Verschwinden bringt. Darüber unterrichtet das folgende Versuchsprotokoll: 246 R. Magnus: Versuch XIV. 9. Februar 1914. (Fortsetzung des Protokolls von S. 241). Bei dieser Katze war nach Exstirpation des Kleinhirns ein Frontalschnitt direkt vor dem Eintritt der Oetavi gemacht worden. Danach liessen sich noch deutliche Hals- und Labyrinthreflexe durch Änderung der Kopfstellung auf die Vorderbeine auslösen (s. 0. S. 241 u. 242). 11 Uhr 35 Minuten. Frontalschnitt hinter den Octavis, 2!/a mm vor dem Calamus seriptorius. Danach sind alle Labyrinthreflexe er- loschen. Weder bei Kopfdrehen ir Seitenlage noch bei Heben, Senken und Kopfdrehen in Rückenlage lässt sich eine Spur von Labyrinthreflexen nachweisen. Auf Kopfdrehen und Kopfwenden in Seitenlage treten vielmehr reine Halsreflexe (Tonuszunahme im Kieferbein und Abnahme im Schädelbein) ein. In Rückenlage lassen sich durch Heben und Senken des Kopfes ebenfalls nur Hals- reflexe auslösen (Zunahme des Strecktonus der Vorderbeine bei Dorsalbeugen des Kopfes, Abnahme bei Ventralbeugen). Auch bei Kopfdrehen in Rückenlage erfolgen nur Halsreflexe (Tonus- zunahme im Kieferbein und Abnahme im Schädelbein). Aus diesem Grunde wird bei der Fortsetzung des Versuches die Untersuchung der Kopfreflexe nur in Seitenlage vorgenommen. 11 Uhr 45 Minuten. Frontalschnitt durch den Calamus seriptorius. Danach noch deutliche Starre der Vorderbeine. In Seitenlage treten auf Drehen und Wenden des Kopfes noch sehr deutliche Halsreflexe an den Vorderbeinen auf (Tonuszunahme im Kieferbein und Abnahme im Schädelbein). Auch der Vertebra-prominens-Reflex (Tonusabnahme der Vorderbeine bei Ventralverschiebung der untersten Halswirbel) ist sehr lebhaft. 11 Uhr 50 Minuten. Frontalschnitt 5Y/e mm hinter dem Calamus seriptorius, gerade hinter dem Ursprung der ersten Cervicalwurzel. Danach ist die Starre der Vorderbeine gering. Auf Kopfdrehen in Seitenlage erfolgen aber noch vollständig deutliche, wenn auch nicht sehr starke Halsreflexe (Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein). Ebenso treten auf Kopfwenden noch deutliche Halsreflexe ein. 11 Uhr 55 Minuten. Frontalschnitt 5!/. mm weiter nach hinten, also Il mm hinter dem Calamus seriptorius. Der Schnitt liegt noch 51/2 mm vor dem Ursprung der zweiten Cervicalwurzel. Danach ist die Extensorstarre der Vorderbeine sehr gering. Auf Kopfdrehen Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 247 und Kopfwenden in Seitenlage erfolgen schwache, aber doch ganz deutliche und zweifellose Halsreflexe, 12 Uhr 2 Minuten. Frontalschnitt 5 mm weiter nach hinten, !/e mm vor dem Ursprung der zweiten Cervicalwurzel. Danach ist die Starre der Vorderbeine sehr gering. Durch Kopfdrehen und Kopfwenden lassen sich keine Reflexe mehr auf die Vorder- beine auslösen. Ergebnis: Bei einer dezerebrierten Katze wird das Klein- hirn total exstirpiert und der Hirnstamm dicht vor dem Eintritt der Octavi quer durchtrennt. Danach sind Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine auszulösen. Nach Durchtrennumg hinter den Ociavis erlöschen alle Labyrinthreflexe, dagegen bleiben die Hals- reflexe auf die Vorderbeine sehr gut erhalten. Speziell wird dieses für die Reaktionen auf Drehen, Wenden, Heben und Senken des Kopfes und für den „Vertebra-prominens-Reflex* nachgewiesen. Nach einem (muerschnitt durch den Calamus sind die Halsreflexe noch sehr deutlich, nach einem Schnitt durch das Halsmark hinter dem Ursprung des ersten Cervicalnerven ist die Reaktion der Vorder- beine auf Drehen und Wenden des Kopfes abgeschwächt, aber noch deutlich vorhanden und erlischt erst nach einem Schnitte, der !/a mm vor dem Ursprung von C. 2 verläuft. Das Resultat dieses Versuches wurde in im ganzeu sieben Ver- suchen gesichert. In allen diesen Experimenten waren nach einem Querschnitt durch den Calamus seriptorius, also nach Entfernung des ganzen Hirnstammes und Erhaltenbleiben des Cervicalmarkes deutliche Halsreflexe durch Kopfdrehen auszulösen. In einem Versuche be- teilisten sich auch die Hinterbeine an diesen Reflexen. In allen Versuchen konnte das Cervicalmark bis an den Ur- sprung von C. 1 abgetrennt werden, ohne dass die Halsreflexe auf Kopfdrehen erloschen. Wurde das Halsmark zwischen C. 1 und C. 2 durchtrennt, so wurde in: einem Versuche die Reaktion der Vorder- beine aufgehoben; in drei Versuchen dagegen war sie noch deutlich, wenn auch abgeschwächt erhalten. Durchtrennung im Niveau von C. 2 oder hinter C. 2 hob die Halsreflexe auf Drehen und Wenden des Kopfes auf. Nur in einem Versuche war es nicht mit absoluter Sicherheit zu entscheiden, ob nach einem gerade hinter dem Ursprung von C. 2 geführten Querschnitt noch eine minimale Grenzreaktion vorhanden war, die dann erst nach einem Schnitt hinter C. 3 schwand. Jedenfalls ist nach meinen Erfahrungen in der grossen Mehrzahl der 248 R. Magnus: Fälle ein Quersehnitt hinter C. 2 hinreichend, um die Halsreflexe auf Kopfdrehen und -wenden zum Verschwinden zu bringen. Die in diesem Abschnitte geschilderten Versuche lehren demnach, dass zum Zustandekommen der tonischen Reflexe, welche durch Änderung der Kopfstellung auf die Muskulatur der Gliedmaassen und des Halses ausgelöst werden, das Rückenmark und der Hirn- stamm nur so weit nach vorn erhalten sein müssen, dass die für die Auslösung der Reflexe notwendigen afferenten Bahnen ungeschmälert eintreten können. Die betreffenden Zentren, soweit sie für das Zustandekommen dieser Reflexe notwendig sind, reichen, also nicht weiter oralwärts als die Eintrittszone dieser afferenten Bahnen. Ein Querschnitt 1—2 mm vor dem Eintritt der Nervi octavi, welcher Vierhügel, vordere Hälfte der Rautengrube, Kleinhirn und Kleinbirn- stiele abtrennt und das Rückenmark nur noch in Verbindung lässt mit der Medulla oblongata bis zu den Tubercula acustica, stört das Eintreten von Hals- und Labyrinthreflexen auf die Gliedermuskulatur und von Labyrinthreflexen auf die Halsmuskulatur überhaupt nicht. Auch die Kopfdrehung nach Durchschneidung des einen Octavus tritt noch deutlich ein. Daraus ergibt sich, dass zum Zustandekommen dieser Reflexe weder das Kleinhirn noch die Kleinhirnstiele noch die Vierhügel und der vordere Teil der Rautengrube erforderlich sind. Wird die Eintrittszone der Oectavi mit abgetrennt, so sind die Labyrinthreflexe aufgehoben, aber die Halsreflexe bleiben erhalten und lassen sich durch Drehen, Wenden, Heben und Senken des Kopfes in typischer Weise auf Vorder- und Hinterbeine auslösen. Auch der sogenannte Vertebra-prominens-Reflex ist erhalten. Man kann die ganze Medulla oblongata entfernen, ohne dass die Hals- reflexe aufhören. Entfernt man das erste Cervicalsegment, so werden sie schwächer, erlöschen aber in den meisten Fällen erst, wenn auch das zweite Cervicalsegment entfernt wird‘). Hiernach lässt sich mit Bestimmtheit, wenigstens für die Halsreflexe, welche durch Drehen und Wenden des Kopfes ausgelöst werden, behaupten, dass zu ihrem Zustandekommen Kerne der Oblongata nicht mehr erforderlich sind. Der Deiters’sche Kern, die absteigende Octavuswurzel mit den sie 1) Nach den in der vorhergehenden Arbeit von Storm van Leeuwen und mir geschilderten Versuchen gehen die afferenten Bahnen für die Halsreflexe bei der Katze durch die drei obersten cervicalen Hinterwurzeln (s. o. S. 157). Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. 249 begleitenden Nervenzellen usw. können nicht die Zentren für die Halsreflexe abgeben. Diese tonischen Halsreflexe, welehe nach den Versuchen von de Kleijn und mir unter Umständen monatelang unvermindert andauern können, müssen ihre notwendige anatomische Grundlage im Rückenmarke selber besitzen. Die Zentren für die Reflexe von den Labyrinthen auf die Augen bleiben bei dieser Untersuchung füglich ausser Betrachtung, weil wegen des weiter nach vorne gelegenen Ursprunges der Augen- muskelnerven diese Reflexe beim dezerebrierten Tiere nicht eintreten. IV. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Die tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Extremi- täten- und Nackenmuskeln, welche sich bei Katzen durch Änderung der Kopfstellung auslösen lassen, sowie die Kopfdrehung, welche nach einseitiger Durchschneidung des Octavus auftritt, bleiben un- verändert erhalten, wenn man die Tiere dezerebriert, ihnen das ganze Kleinhirn und die Vierhügel exstirpiert und den Hirnstamm bis dieht vor dem Ursprung der Octavi durch einen Frontalschnitt abtrennt. 2. Entfernt man ausserdem die Eintrittszone der Octavi, so hören die Labyrinthreflexe auf; aber die Halsreflexe auf die vier Beine, welche durch Drehen, Wenden, Heben und Senken des Kopfes ausgelöst werden, bleiben erhalten. Man kann die ganze Medulla oblongata entfernen, ohne das Auftreten der Halsreflexe zu hindern. Nach Entfernung des obersten Cervicalsegmentes werden die Hals- reflexe abgeschwächt, nach Entfernung des zweiten Halssegmentes fallen sie fort. \ Zusatz bei der Korrektur. Von J. S. Beritoff (St. Petersburg) und R. Magnus. In der vorhergehenden Arbeit von Magnus war die Hauptaufgabe, das Verhalten der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe nach Klein- hirnexstirpation und schrittweiser Abtragung des Hirnstammes zu unter- suchen. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass auch Beobachtungen über das Verhalten der Enthirnungsstarre nach diesen Eingriffen an- gestellt wurden, über welche nebenbei berichtet‘ wurde. Es sei uns 250 R. Magnus: Zentren für Hals- und Labyrinthreflexe. daher gestattet, einige Bemerkungen an eine während der Drucklegung dieser Arbeit erschienene Mitteilung von L. H. Weed: Observations upon decerebrate rigidity (Journ. of Physiol. vol. 48 p. 205. 1914) zu knüpfen. Weed exstirpierte bei dezerebrierten Katzen nachträg- lich das Kleinhirn, indem er es vom Boden des vierten Ventrikel ab- hob und die Stiele durchtrennte. Danach schwand die Enthirnungs- starre durchschnittlich innerhalb von 20 Minuten. Nur in einem Ver- suche blieb die Starre erhalten. In einem anderen Versuche wurde das Kleinhirn zuerst exstirpiert und danach dezerebriert; auch hierbei kam es nur für 1—2 Minuten zur Starre, und das Tier wurde danach schlaff. Bei einer Katze wurde ausserdem das Kleinhirn 4 Wochen vor der Dezerebrierung exstirpiert, an welche sich anfangs Starre an- schloss, die im Verlaufe von 2!/a Stunden schwand. Weed gibt ferner an, dass Durchtrennung des Hirnstammes direkt hinter den hinteren Vierhügel spätestens nach 5 Minuten von völligem Verluste der Ent- hirnungsstarre gefolgt sei. Aus diesen Versuchen schliesst Weed, dass das Hauptzentrum für die Enthirnungsstarre im Mittelhirn und höchstwahrscheinlich im Nucleus ruber liegt, und dass das Kleinhirn ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar absolut notwendiges Bindeglied für die Entstehung der Enthirnungsstarre bildet. Diese Beobachtungen und Schlussfolgerungen von Weed werden durch die oben geschilderten Versuche von Magnus nicht bestätigt. Vielmehr ergibt sich aus ihnen, dass sowohl nach vollständiger Entfernung des Kleinhirns als auch nach Abtragung des Hirnstammes bis hinter die Vierhügel noch eine kräftige Enthirnungsstarre auftreten kann, und dass daher weder das Kleinhirn noch der rote Kern zu den für das Entstehen der Enthirnungsstarre notwendigen Zentralteilen gerechnet werden können. Der Unter- schied in den Versuchsergebnissen beruht vielleicht darauf, dass Weed ausser in zwei Versuchen die Kleinhirnexstirpation längere Zeit nach dem Dezerebrieren vorgenommen hat und eine weniger schonende Technik verwendete. Da in einem Teil der Versuche von Magnus nach einiger Zeit weitere Abtragungen des Hirnstammes vorgenommen wurden, bei denen dann schliesslich die Starre schwand, so sei hier noch über Versuche von Beritoff berichtet, welche kürzlich im hiesigen pharmakologischen Institut angestellt wurden. In diesen ergab sich, dass selbst 8 Stunden nach Dezerebrierung und vollständiger Kleinhirnexstirpation noch eine gute Starre vorhanden sein kann. In einem anderen Versuche war 51/8 Stunden nach Entfernung des Kleinhirns und Abtragung des Hirnstammes bis hinter die hinteren Vierhügel noch eine gute Starre vorhanden. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich auch, dass das Kleinhirn nicht die Rolle für die Entstehung des „Statotonus“ spielen kann, die ihm von Edinger (Über das Kleinhirn und den Statotonus. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 26 S. 618. 1912) kürzlich zugeschrieben wurde. Dagegen können wir die alte, schon oben erwähnte Beobachtung von Sherrington, dass nach schonender Kleinexstirpation die Ent- hirnungsstarre andauert, durchaus bestätigen. 251 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. Von Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen. (Mit 17 Textfiguren.) In früheren Arbeiten haben Magnus und de Kleijn!) gezeigt, dass bei Wirbeltieren (Frosch, Kaninchen, Meerschweinchen, Katze, Hund) durch Veränderungen der Kopfstellung tonische Dauerreflexe in den Extremitätenmuskeln ausgelöst werden. Diese Reflexe sind einesteils „Halsreflexe“, die durch Veränderung der Kopfstellung dem Rumpfe gegenüber hervorgerufen werden, andererseits Reflexe, die von den Labyrinthen ausgehen und durch Lageveränderungen des Kopfes im Raume bedingt sind. Beide Reflexe können sich in mannigfaltiger Art gegenseitig superponieren. In der vorliegenden Arbeit soll nun untersucht werden, wie sich die gewöhnlichen phasischen Extremitätenreflexe (Beugereflex, Streck- reflex), welche durch Reizung afferenter Nerven der Extremitäten selbst ausgelöst werden, durch Änderung der Kopfstellung beeinflussen lassen, d. h. inwieweit sie durch das Hervorrufen der erwähnten tonischen Dauerreflexe einer Veränderuug unterliegen. Eine solche Untersuchung wird dadurch möglich gemacht, dass sich am dezerebrierten und dekapitierten Tier durch elektrische Reizung mit Strom von konstanter Stärke und bei gleichbleibendem Reizintervall unter Umständen längere Reihen von Streck- oder Beugereflexen von gleicher Stärke?) auslösen lassen. 1) Siehe besonders R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. 2) W. Storm van Leeuwen, Quantitative pharmakologische Unter- suchungen über die Reflexfunktionen des Rückenmarkes an Warmblütern. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 307. 1913. 252 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: Bei derartigen Versuchen, wie sie einer von uns (Storm van Leeuwen) zu anderem Zwecke früher ausgeführt hat, kommt es gelegentlich zu scheinbar spontanen Veränderungen der Reflexstärke. Es liess sich nun vermuten, dass diese Veränderungen bei de- zerebrierten Tieren teilweise durch Änderungen der Kopfstellung zu erklären sein könnten. Auch Graham Brown!) beobachtete bei Reflexversuchen an der dezerebrierten Katze, dass bisweilen am eleichen Präparat innerhalb kurzer Zeit Änderungen der in gleich- mässiger Weise ausgelösten Reflexe auftreten konnten. Dabei handelte es sich besonders um Wechsel im Typus der Reflexe (Übergang von Beuge- zu Streckreflex und vice versa). Auch hierbei könnte es sich zum Teil um Interferenz von tonischen Dauerreflexen mit den gewöhnlichen phasischen Reflexen gehandelt haben. Dass tat- sächlich beim intakten Meerschweinchen Änderung der Kopfstellung eine Umkehr des Reflextypus hervorrufen kann, in dem Sinne, dass bei gleichem Reiz einmal Streckung, das andere Mal Beugung auftritt, lehrt folgende frühere Beobachtung von Graham Brown?): Hält man ein Meerschweinchen am Thorax fest mit frei- schwebendem Unterkörper, so lässt sich durch Kneifen einer Falte der Bauchhaut an einer Seite ein Beuge- oder Streckreflex der gleichseitigen Hinterextremität auslösen, und zwar tritt hierbei ein Streckreflex auf, wenn das Bein aktiv gestreckt ist, ein Beugereflex bei aktiv gebeugtem Bein. Aktive Streckung oder Beugung löste Graham Brown dabei unter anderem durch Heben und Senken des Kopfes aus. Hier war also tatsächlich die Reflexumkehr in den Hinterbeinen hervorgerufen durch Veränderung der Kopfstellung. Im nachstehenden werden wir zeigen können, -dass sich in der Tat die Reflexe der Extremitäten durch Veränderung der Kopf- stellung in marnigfaltiger Weise modifizieren lassen. Die erhaltenen Veränderungen sind Wechsel in der Grösse und im Typus der Reflexe und gelegentlich auch „Reflexumkehr“. Diese Reflex- veränderungen treten nicht nur dann auf, wenn durch die Kopf- stellungsänderung ein deutlicher Einfluss auf den Tonus ausgeübt wird, sondern auch dann, wenn sich der Tonus nicht in sichtbarer Weise ändert. l) T. Graham Brown, Studies in the Physiology of the Nervoüs System. XI. Quart. Journ. of experim. Physiol. vol.5 p. 237. 1911. 2) T. Graham Brown, Studies in the Physiology of the Nervous System. VIII. Quart. Journ. of exper. Physiol. vol. 4 p. 273. 1911. Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 253 Methodik. In unseren ersten Versuchen registrierten wir die durch Reizung des Nerv. peroneus ausgelösten gleichseitigen Beugereflexe am Hinterbein der dezerebrierten Katze, nach der Versuchsanordnung von einem von uns [Storm van Leeuwen!)]. Dabei stellte sich heraus, dass durch Veränderung der Kopfstellung wohl eine Veränderung der Reflexe zu erzielen war; da wir jedoch hierbei nicht die Kontraktionen eines Muskels, sondern ganzer Muskelgruppen aufzeichneten, und da durch den Reiz in allen drei Gelenken der betreffenden Extremität Be- wegungen hervorgerufen wurden, liessen die erhaltenen Reflexverände- rungen sich nur schwer analysieren. Wir versuchten daher in einer weiteren Reihe von Experimenten, den isolierten Streckmuskel des Knies [Vastocrureuspräparat nach Sherrington?)] für unsere Fragestellung zu verwerten. An einem solchen Präparat lässt sich ein deutlicher Einfluss auf den Tonus durch Kopfdrehen demonstrieren®). Es zeigte sich auch, dass durch diesen Einfluss wohl Reflexveränderungen hervorgerufen wurden; die erhaltenen Ausschläge waren jedoch gering und wenig konstant. Dies lässt sich zum Teil wohl darauf zurückführen, dass, wie Magnus und de Kleijn gezeigt haben, Hals- und Labyrinthreflexe an den hinteren Extremitäten bei dezerebrierten Tieren in den ersten Stunden nach der Enthirnung weniger stark und konstant auslösbar sind als an den vorderen Extremitäten. In unseren weiteren Versuchen verwendeten wir den nach der Technik von Magnus und Wolf?) isolierten Triceps des Vorder- beines. An diesem Präparat sind durch Kopfdrehen mit grosser Regelmässigkeit Tonusänderungen hervorzurufen. Dieselben lassen sich auch durch Durchschneidung des Rückenmarkes auf der Höhe der unteren Brustwirbel noch steigern. Im einzelnen gestaltete sich ein Versuch (als Versuchstiere dienten ausschliesslich Katzen) an diesem Präparat etwa folgendermaassen: Eine Katze wird in tiefer Äthernarkose tracheotomiert; beide Karotiden werden unterbunden, die Vagi durchschnitten. Dann wird meist mit Chloroform weiter narkotisiert, Darauf wird das Rücken- mark im unteren Brustteil freigelegt und durchschnitten. Nun wird in der von Magnus und Wolf beschriebenen Weise der ganze Plexus brachialis einer Seite durchtrennt unter einziger Schonung der Nervus radialis. Alle Muskeln, welche vom Thorax zur Extremität gehen, werden durchschnitten, so dass die Extremität nur noch durch Haut, Armgefässe und N. radialis mit dem Rumpf verbunden ist. Darauf 1) W. Storm van Leeuwen, |. c. 2) C. S. Sherrington, On Plastic Tonus and proprioceptive Reflexes. Quart. Journ. of experim. Physiol. vol. 2 p. 109. 1909. 3) C. S. Sherrington, Further Observations on the Production of Reflex Stepping by Combination of Reflex Exeitation with Reflex Inbhibition. Journ. of Physiol. vol. 47 p. 176. 1913. 4) R. Magnus und C.G.L. Wolf, Weitere Mitteilungen über den Einfluss der Kopfstellung auf den Gliedertonus. Pflüger's Arch. Bd. 149 S. 447. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 17 254 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: wird der sensible Ast des N. radialis am Vorderarme isoliert und in die von Sherrington!) beschriebene Elektrode gelegt. Alle Muskel- äste des N. radialis mit Ausnahme der zum Musc. triceps gehenden Äste werden durchtrennt. In das untere Ende des Humerus wird ein Bohrer senkrecht zum Knochen eingeschraubt. Es folgt die Dezere- brierung des Tieres mit vollständiger Ausräumung des Grosshirns unter temporärer Abklemmung der Arteriae vertebralis in der von Sherrington auf dem Physiologenkongress 1913 demonstrierten Weise. Nach kurzer Zeit tritt dann meist die Enthirnungsstarre auf; beim Beginn des eigentlichen Versuches, nach Verlauf von ungefähr einer Stunde, ist sie in beiden Beinen stets deutlich fühlbar, im in- takten Vorderbein meist etwas stärker als im operierten. Die Operation wurde in allen Fällen am linken Vorderbein aus- geführt. Die weitere Untersuchung geschah in rechter Seitenlage, da sich durch Drehen des Kopfes in dieser Lage am linken Vorder- beine Hals- und Labyrinthreflexe gegenseitig superponieren?). Der im Humerus befestigte Bohrer wird in einer Klammer so fixiert, dass der Humerus unbeweglich steht. Es werden nun durch Kontraktionen des Triceps nur noch Bewegungen des frei in der Luft schwebenden Vorderarms im Ellbogengelenk ausgelöst. Am Vorderarm werden zwei Fäden senkrecht zu dessen Achse befestigt. Der eine derselben führt zum registrierenden Hebel (geradlinig schreibender Keith- Lukas-Hebel, der mit geringem Gewicht belastet ist). Der andere Faden leitet in entgegengesetzter Richtung über eine Rolle; er wird mit einem freischwebenden Gewicht von 15—35 g belastet, welches an der Extremität einen leichten Zug im Sinne der Beugung ausübt. Der in der Elektrode liegende Nerv wird jede Minute mit Einzel- induktionsschlag oder mit faradischem Strom gereizt. Für die Einzel- schlagreizung kam der von einem von uns [Storm van Leeuwen?)] beschriebene Apparat zur Verwendung, welcher automatisch alle Minuten einen Öffnungsinduktionsschlag von gleichbleibender Intensität durch den Nerv gehen lässt und den Schliessungsschlag abblendet. Die faradische Reizung wurde jede Minute durch kurze Schliessung des Primärstromes eines Kronecker-Schlittenapparates erhalten. Es wurde darauf geachtet, die Reize einander an Länge möglichst gleich zu bekommen; ihre durchschnittliche Dauer betrug 1 Sekunde. Es ist zu bemerken, dass kleine Schwankungen der Reizdauer bei den von uns angewenleten Stromstärken die Gleichmässigkeit der Reflex- höhen bei gleichbleibendem Schlittenabstand nicht störten, wie aus vielen unserer Versuche ersichtlich war, sondern nur eine Veränderung der Reflexdauer hervorriefen. Durch Reizung mit Einzelinduktionsschlägen (also schwachen Reizen) wurden reflektorische Kontraktionen 1) C. S. Sherrington, A mammalian spinal Preparation. Journ. of Physiol. vol. 38 p. 375. 1909. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 507. 1912. 8) W. Storm van Leeuwen,l. c. Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 955 des Triceps ausgelöst. Dass schwache Reize gleichseitigen Streck- reflex zur Folge haben, wurde früher von Sherrinston!) be- schrieben. Die faradische Reizung rief meist Beugung im Ellbogen- gelenk infolge reflektorischer Hemmung des Triceps hervor. Doch wurden bei schwachem faradischem Reiz gelegentlich auch Triecepskontraktionen erhalten, wie weiter unten zu be- sprechen sein wird. Zum Studium des Einflusses der Kopfstellung auf die so er- haltenen reflektorischen Erresungen oder Hemmungen des Triceps wurde meistens die Reaktion der Extremität auf Kopfdrehen be- nützt, weil sich dabei am oberen, operierten Bein Hals- und Labyrinth- reflexe gegenseitig verstärken. In einer Anzahl von Versuchen zeigten die benutzten Präparate sehr starke und zahlreiche Spontanbewegungen. Die Registrierung wurde dadurch so erschwert, dass die Versuchsresultate nicht verwert- bar waren. Versuchsergebnisse. Wir können im folgenden über 18 gelungene Versuche berichten. Dieselben lassen sich für die Besprechung in zwei Gruppen teilen. In der ersten Gruppe sollen diejenigen Versuche zusammen- gestellt werden, bei welchen sich durch Kopfdrehen sichtbare Veränderungen im Tonus der Vorderbeine auslösen liessen. Wurde bei dem auf der rechten Seite liegenden Tiere der Kopf um die Achse Schnauze—Hinterhauptsloch so gedreht, dass der Unter- kiefer nach oben zu liegen kam, so trat in dem Triceps des oben liegenden, operierten Beines durch Superposition von Hals- und Labyrintbreflexen stets eine Tonussteigerung auf. Dabei ging bei der von uns angewandten Versuchsanordnung der Registrierhebel nach unten; die aufgeschriebene Kurve hatte dann ein tiefes Niveau. Nach der von Magnus und de Kleijn eingeführten Nomenklatur war nun das linke Bein „Kieferbein“. Wenn aus dieser Stellung der Unterkiefer nach unten gedreht wurde, so trat Tonus- abnahme im linken Bein ein, und das Niveau der Kurve wurde ein höheres; das linke Bein war nun „Schädelbein“. Das unten 1) C. S. Sherrington, Reversal of the Reflex Effect of an afferent Nerve by altering the Character of the Stimulus applied. Proceed. ofthe Royal Soc. B. vol. 83 p. 435. 1911. Ilzyas 2356 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: liegende, nicht operierte rechte Bein zeigte ebenfalls Tonusverände- rungen; dieselben verhielten. sich jedoch verschieden, je nachdem bei dem Versuchstier die Labyrinthreflexe oder die Halsreflexe über- wogen. Im ersten Fall reagierte dieses untere Bein auf Drehen des Kopfes im gleichen Sinn wie das obere, bei vorwiegenden Hals- reflexen jedoch in entgegengesetztem. Durch Prüfung der Reaktion des untenliegenden Beines liess sich also in jedem Versuch leicht feststellen, welche Reflexe die Oberhand hatten. Nun zeigte sich, dass sich die Grösse der durch elektrische Reizung ausgelösten phasischen Reflexe bei ver- schiedenem Ausgangsniveau, also bei verschiedener Stärke des Tricepstonus, in ausgesprochener Weise ändert. Ist der Tonus ein starker (Kieferbeinstellung), so ist die reflektorische Hemmung des Triceps (wie sie meistens durch faradische, also starke Reizung des gleichseitigen sensiblen Nerven erhalten wird) eine starke, die reflektorische Er- regung (durch Einzelinduktionsschlag, also schwache Reizung aus- gelöst) hingegen eine geringe. Umgekehrt ist bei geringem Tonus (Schädelbeinstellung) die Hemmung schwach, die Erregung dagegen stark. Es hat also den Anschein, dass eine Extremität, welche stark gestreckt ist (Kieferbeinstellung), mehr zu Beugung neigt als eine schwach gestreckte, während im Gegenteil eine stark gebeugte Ex- tremität (Schädelbeinstellung) sich auf Reiz stärker streckt als eine wenig gebeugte. Zu bemerken ist, dass für die Veränderung der Reflexe nicht etwa mechanische, durch die Versuchsanordnung bedingte Verhältnisse zur Erklärung herangezogen werden können. Es wäre denkbar, dass bei verschiedener Stärke des Tonus durch Veränderung des Winkels, den die untersuchte Extremität mit dem Registrierhebel bildet, ein Wechsel der Reflexhöhen vorgetäuscht würde. Solche störende Ein- flüsse wurden durch Kontrollversuche ausgeschlossen. Ausserdem könnte vermutet werden, dass bei stärkster Beugung das Kleiner- werden der reflektorischen Hemmungen durch eine peripher bedingte Bewegungsbehinderung der Extremität verursacht wäre. Es zeigte sich jedoch, dass sich in allen Fällen stets mit Leichtigkeit noch eine weitere passive Beugung bewirken liess. Das Kleinerwerden der Hem- mungsreflexe musste also stets zentral bedingt sein. Ebenso liess sich auch beim Kleinerwerden der reflektorischen Kontraktionen unter zunehmendem Strecktonus des Triceps das Fehlen einer peripheren Ursache nachweisen. Die ausgelösten Tonusänderungen und die Reflex- wiedergegebenen auf den erscheinen daher Durch den Zwischenhebel wurde ausserdem das Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 957 Auftreten von Schleuderkurven verhindert. Umfang. Sie wurden meist durch einen eingeschalteten Zwischenhebel bewegungen waren in der Mehrzahl der Fälle von ziemlich grossem bedeutend verkleinert, Kurven als klein. -I9uro]7 y9ou A9yep pam xoyayy 94sya9ruasqn Aop ‘Stıporu A9p9IM IqLOq Ne9AIN Sep “route Xoyoy oJsyowu Aop 4SI UASSEP9n[oJug ’UTd NEAAIN S9.19HLIPOILU um NG AyowoTA YoIS Y[E9S Any op °qR Aopoım Yyoru SmuoT, Aop ywwıu zıoy]p mop UYoeN 'uU0980[08 -sSne ZUunsIs-"Z'y 1994 Op Se AOSS01d [orA IST uoNNeANUoyN] OydsLIoyogat 99819 aıp °qe Jurwru Sdo9LLT, sop SnuoTJ, Jo 'PAIM UDAfEpegag uraqsypnsıoA Sep Ssep ‘Iy2Apos os Jdoyy aap paım *T’S' Tag] "Is0Jessne UIUOLINEAJUOM OYISTAOINOF 9A HuLH]N Top U9pAoM SO !(ne9AIN SOJoL}) uopuzy1oA SÄa9LLT, WI SNUONNPA1S does yorpwoız us 981 'T'y Togg Ifegasosurm wgO 00005 ST SIOAy uemepunyos wr “aoyepnwunyyy ur story usıgwurnd up °y 0065 oyaeIszıaıg "Sejgassuorumnpurszum Au oymuım) pol Sunzıaoyp "oxopoasjeg] Puasoım -IOA 99192 aoL], "SdoaLıT, AograıfosT ozyey] S41OTIq9A9ZIı (’MOUIOTNIOA v/. my) "IIAX yonsaoA "7 ‘A "uoy9S NZ HLU[EUSIS uUHAHun Top uw SuaysTou weopıIossne pun MOIyIBeW %„ WEUID JUL IST uHAIMY UOP ng Souursogqxoppeay SOp JuawoN Aacı "orfegasasure Sue) Jojjouyas uorydeasoufy um suojsiou 9panM SozIorT Sop UEEAFnY Wop A0A zuny oynumpy T neues A9WUNT U90EANA UHZIOY UEPUAS[OFLSPUEUTIINE TOMZ UOUOSIMZ HfeAdsguf Old] "219198 u9SR[yäSSsuoHNnpuaZzum u A9Po yasıpeaey pAM Sy °sOJSesıeipeyy UATEIOFEeIOWOU SauTD Sunzioy yaımp Isofossne uapıom' oxayay av — PIIEOWON ueAnsLT UEpuayaayag up Aojun Tewusopal SosaIp IST OS “uamAaSI0AIaU SOxayaısuounwmo.rd -21q9719 4 SOp UESOJSNY goAmp UHSUNIEPURISASNUOT AIp UEPpIoM —- "NUM SNUOINDELS UAJLOPUTULIYA ospe "pam „urgqfopeyag“ use 919g0 Sep 'T’S' 190 PuaıyeMm *mWOoN9N SNUOINI9LS 191199199598 Osfe “pam „uroquoyory“ (uepaoM J19Lı4SIdDL 9Xayolf UASSHP) uIAFT 9AOgO Sep Ssep ‘PAIM 4yoapod os Jdoyy op Ssep “T’Y SunuypTezag] aIp Jomapaq OS ‘uomıas1oAday Sunyaapydoy yaınp uesundapugsnuo], Alp uopıeM "SnuoyL, weIedurıgd 19q Se UI NEHAIN SadadLıparu ur June sdooLt Typ ur SnuoT, woyTeIs 199 [ogaH Aop YpIs Y1[098 yuwep Sunmwrmsurasqn) uf 'mapaq sdea "A SOp Sunyepyasim ourD uago yoeu Hunsomagjager] aulo pun sdoorm " SPp uUÖNNENUOy our uoun yowu s[ogag sep Zundomag 9ura ssep “UEM9S os damumt SI Sunupxougfagar] Allt '9ZIEM] URNIITLIHAIZOP UHPUSPUZOG Adejuamag dayyoaı UT YOIS OUT Souraquopıo‘ Uayuı] sop Sdo9Lı "A UPNIEITOSI WE JaoLıysIooa OXOyoy Hfeaoyefowoy purs uaAINy} Uopuas[or uaye pun Aosoıp uf In Fig. 1 werden durch Reizung mit Einzelinduktions- Die beschriebenen Verhältnisse sind aus Fig. 1 und Fig. 2 zu schlag Tricepskontraktionen erhalten. Bei „X _B* ist das obere Bein ersehen. Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: "uopI9M NUWog9s uayeaprdoyy yoanp ayojom ‘ne uodunsaaagqzmer] ua Zunpfegg-‘gy u "Morzıo JOUI0A 9IM 985019 UAATOSIHP UOA UADUNUINUOFL Oy9SLIo} 19g91 oyalmap AoparM UopanM U9SS9P9S7[0JUr pun ‘ua Huuyeunzsnuo]L, 9yauıs aus AHPaIM 381} (YOITFUDIS.TO HAıny J9p ne ıyaur Jyoıu) Sungjeysgdoyy op Junaspuy yoen ‘ne ursqsygonsIg‘ WI UONNEOYy Aula OIM md os yıay 92194 UEISYDEU [9Ap Alp June Fowugeugesnuo,], Ju yoımap ug sep ordeaı "TS TOT MOLISIHOT uEdunumar SyPSMoPOgaA oydımap [emeap uopIom "T'y Tag 'oXopaayyurıkger] puodolmoA 10197 JOLL Seq 'Sunziayy ayosıp -ete} 9zany our opof "sdeoLL] 18101[0ST "ozyeyy oylenıgeaazalt "AIX yansıaa (OUOTNL19A F/, Jay) 'E ‘Br "Q088019 SEM IOPoIM UUBP OXayay oIp UEPIOM uKIep ssnjyosuy wm ‘nz semgo J9p9IA xagoyy wopel yoeu uuep Juwmu snuo] dog "wolq 498 7SI Xopoy opu98[oy}sad Aop ‘yoeu ayau yoou sdeoLı], wr snuo], op Sunyoapydoy 19p 957j0Jur uuep 988] 'T’g' Tg "Aouleyy Yoou ysL “oo SISUDrUNDAN Aop “Lurap] SeMI9 uaSSapas[ojur IST Xogoyy aIsTOgU AalL "UIO MEOAIN Sadauoy SEmJe um me yoIs Y1]098 Toqor op pun ‘snuoy9aug usT[oA uautos AopaıMm Jyaru [ONSNMT Xp Yeyıa xogay wop yoeN "usdunmwer oyosrıogyogot 88018 'T'y log 'oxapaı -Qyuntkger] puoDoLm1oA 78192 AOL], Sell "PurIsIopImuofgoyy UM SIary usArpunyos u ‘royemmunggy [ SIOay uorgwrd mw °y 006 ayaeys -zIuy "dunzioy ayosıpeaey azıny oymurmf opap sdootı], A0y1oı[os] "Ozyey] SJIOLIQSLSZAT ’IIX YONSIoA (HIOULONIOA 3/, MY) °z SH Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 259 Kieferbein, hat also starken Tonus (tiefes Kurvenniveau); die aus- gelösten Reflexe sind klein. Bei „SD“ wird das Versuchsbein Schädelbein und hat geringen Tonus (hohes Kurvenniveau); die zwei folgenden Reflexe werden erheblich grösser als bei X 5. In Fig. 2 sind reflektorische Hemmungen des Triceps registriert, die durch faradische Reizung ausgelöst sind. Bei X B (starkem Tonus) sind die Reflexe gross; bei SB tritt dann zunächst Erschlaffung ein; der foleende Reflex wird daher bedeutend kleiner. Gleiche Verände- rungen in dem Ausmaasse der reflektorischen Hemmungen eines Streckmuskels bei wechselndem Kontraktionsgrad dieses Muskels erwähnt schon Sherrington') und belest sie durch drei Kurven. In Fig. 3 sind wie in Fig. 2 Hemmungsreflexe aufgezeichnet. Die Reizstärke ist hier so gewählt, dass bei Schädelbeinstellung gerade keine Reflexe mehr zu erhalten sind, während in Kieferbein- stellung bei erhöhtem Strecktonus noch Reflexe von beträchtlicher Grösse auftreten. Wie oben erwähnt, wurde in den benützten Reflexpräparaten durch schwache Reizung Kontraktion, durch starke Reize Hemmungen des Triceps ausgelöst. Durch Veränderung der Reizstärke lässt sich also eine „Umkehr“ der Reflexe erzielen. Nun ruft in unseren Versuchen Kopfdrehen offenbar eine Veränderung des Reizeffektes bei unveränderter Reizstärke hervor, denn bei Schädelbeinstellung sind die ausgelösten Hemmungsreflexe stets weniger stark als bei Kieferbeinstellung. Es war daher zu erwarten, dass sich eine Reizstärke finden liesse, durch welche in Kieferbein- stellung der normale Reaktionstypus des stärkeren Reizes, die Hemmung, noch hervorgerufen würde, während in Schädelbein- stellung bereits reflektorische Kontraktion zu erhalten wäre. Dieses Verhalten liess sich nun auch in einigen Versuchen registrieren. So zeigt Fig. 4 bei Kieferbeinstellung Hemmungsreflexe, bei Schädelbein- stellung Kontraktionen des Tricep. Es wurde also hier durch Drehen desKopfes bei sonst unveränderten Versuchsbedingungen eine Umkehr des Reflextonus hervorgerufen. Zu bemerken ist, dass sich dieser Umschlag des Reflextypus, wenn einmal vorhanden, in beiden Richtungen beliebig oft hintereinander in absolut gesetz- mässiger Weise durch Kopfdrehen hervorrufen liess. 1) C. S. Sherrigton, Strychnine and Reflex-Inhibition of Skeletal Muscle. Journ. of Physiol. vol. 34 p. 185. 1907. Ch. Soein und W. Storm van Leeuwen 260 osfall dieser Reflexumkehr demonstriert Fig. 5. Einen Ubergang Hier tritt bei Kieferbeinstellung reflektorische Hemmung auf. Bei °g’y] 1oq JdolıoA oIM mayfeu1e 9SSQAK, UAATOSIOD UOA uogunwwor] Ayosttoggopes dopaım uopınıa (YoıyyoIsıo oAınyy Aap ne ayatı IUDTU) Sunjjo4szdoy aop Zunsspuy goeN :(9) Sunwwsg ua] auro wpeuep yarsjs pun (uoyum yosu [ogqar) () uonsenuoy Agost1oygopgeı auTaj] auto 9519 umu 49]0719 um za UaAoSUop FNE “ud sdaorı], wI owugeugesnuo], 9yae/s Lay 'z’g' 94 ‘(uogo yoeu [ogef) uUedunwwer] ayasmloppageı ayaımap Sunzioy] Agosıperer ne uosjople "T'y Tog oegosodur wyO 000.05 UOA pueysopım ID IL STOA uolepunyos wr “royepnwnysy [ Story uargunad up "y 0008 "Junzroy ayosıperg; ozanyFamunm op9L "sdodLL], ToIo1[os] "Ozyeyy oyLaLıgqetezeq, (aursJIoAaun) "qA yonsıoy °C "SL -UAUOTNEAJUON] OMDSTIOINOFI AOpaım purs 9xayoyy Teip uasyaRu oIp ‘sdoont], wı owgeugesnuof, ayaeıs aurd TOpoeıMm uuep 78[0M0 "Z’g Tag 'opuagasley.LtoA 19p Se Joutopy SEMIO Uuep IST Xoyay apua3j07 op !qe semge snao], op uwru xogoy wopel gen «uogo yoeu [ogar) Zunwwmof] IUISTIOINaH9L aydıy map aurd uuep Y8[OFIO AOUIOA DIA ZION] uoqjosuop June ‘7198709808 yıeys sdooıı] wm snuoL dop pam 'Ty Tod -(uojun yo9eu [ogap) uorygei} -UO)M] SyDSTIOHTOHEL Aurs yaınap ewraıp Junzroyy oyosıpere; ne 70]0710 "7's' Tod -Jayeypsodurs gg 000.05 UOA puersIopIM U St SIOLy uoApunyos mr ‘1oyepnungsgy [ Stoay uoawud mp "1 0095 "Sunzioy oyasıpeaez ozınay oynum epof "OXayaı -murakgerg puodarmaor 48192 dor], seq "sdeoLı] Jojoıfosp 'ozyey] aydarıqa1azag "XI UOnSIOA (“Ja9uropy19A 7/; Jny) °P 'SLd Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 261 Sunwwor] 9uld A9PaIM IST 2 [9 XOoN 99syoeu JOp * uagoyaopng su9urwmoad Baq -9419 A 9IP Fne JOnacy Aop PAIM p 1997 (uayun you [ogag) uoyyea) -UOy Sy9stIoyagerz Aypıynap Ayas HuTO © TO 9IM Yerısuoyuf usgjosIop UOA ZION uayosıp -eIe} Ju® 90[0719 9 TOT "(uogo eu [9gSF)ISOJPISNE xOp9Aasuau -tmouderqgaproA AOyaıynap uro pPIIM q 197 'Sunmwor] Oyosıı -0}NOFaA aydıl map Jura ZI uoyosıpere; June sojJdoy SOp Sunffogsjaygimt 19q 99[]07J19 » 19 "FOL ] UT OIM uOdundumpogsyons 094 (ouropyaoaun) ", "SLH ‘me uosunsoMmagFnerT A9P9IM U9991} 9Xoyay] WOSOIP UORN "IOSS0AS TOIA AyOS AHpoım umu IST (9 109) Xopoyy asyoeu aop !yme sdeoLı]T, mr oumgeunzsnuo, ONARIS Y9LIJ YOJoS "uagoyasyne suourwoad Bıgayto op ne Jonaq dop Palm PD Tag '09sa9 o1p STe IST deu]? [oA ayos orp 9s0Jod -sne Junwwor] oyostiogsfogoL ua AApoım ParA 9 To "(dayoy Pam HAmy Aop neaAıN) qe AreIs SdooLıT, wr snuo], dop yuıuıu Noz aoqalojs NZ uopIoM yJumoyos 710708 Su9urmoad wıgeyoA op ne Aonıq yoanp q Toq oıp ‘me uodunsoemagznerg uayoa une "Sunwwor oyostiogsopea oyaımap oulo zioy uayosıpeie; June soJdoyp sop Sunpfogsjogpim 104 98[0]19 m Tag "purjsaopım -uo]yoy UMN SIoayy uoaepunyos wı “aoyepnunyyy [ Stoay usagwrıd wy *y 0065 'Sunzioyg oyasıpeae} opuaonepzany omurp] opof oXxogoasper] puodormıoA 79192 AOL], 'SdoaLL] AoydoljosI ‘ozyeyy oorıqsaezeg "IIAX yonsıo1 (Houropfaoaun) 9 "BL 2629 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: _ Sehädelbeinstellung ist für eine gewisse Höhe des Tonus der Reiz nur sehr schwach wirksam, und zwar in zwei aufeinanderfolgenden Reflexen in entgegengesetztem Sinn. Bei a wird eine kleine Kon- traktion ausgelöst, bei 5 eine geringe Hemmung. In einem Teil der Versuche wurde ausser dem Drehen des Kopfes auch der Einfluss des von Magnus und de Kleijn be- schriebenen „Vertebra-prominens-Reflexes“ auf die Grösse der elektrisch ausgelösten phasischen Reflexe untersucht. Dies war von besonderem Interesse, weil wir es beim Vertebra - prominens- Reflex mit einem reinen Halsreflex zu tun haben, während beim Kopfdrehen Einflüsse von den Labyrinthen aus auf die Gliedmassen neben den Halsreflexen eine beträchtliche Rolle spielen. Fig. 6 zeigt, dass eine durch Druck auf die Grenze von Hals- und Brustwirbelsäule ausgelöste Verminderung des Strecktonus die Stärke der reflektorischen Hemmungen herabsetzt, also in genau gleichem Sinne wirkt wie Schädelbeinstellung in Fig. 2. Ebenso liess sieh in einem Versuch (Fig. 7) durch den Vertebra-prominens- reflex ein Umschlag von Hemmung zu Kontraktion des Triceps, also Reflexumkehr erzielen analog zu der durch Fig. 4 illustrierten Reflexumkehr bei Kopfdrehen. Die von uns in verschiedenen Fällen bei sichtbaren Tonus- schwankungen registrierte Umkehr des Reflextypus entspricht der von Magnus!) am „Rückenmarkshund“ beobachteten Reflexumkehr. Magnus konnte eine Umkehr verschiedener an den Hinterbeinen eines derartigen Tieres nachzuweisender Reflexe hervorrufen (ge- kreuzter Patellarreflex, Extensorstoss, gekreuzter Streckreflex, Kratz- reflex und andere). In all diesen Fällen wurde die Umkehr durch passive Beugung oder Streckung des reagierenden Beines ausgelöst; entsprechend der Uexküll’schen Regel trat dabei bei gestrecktem Bein eine Beugung, bei gebeugstem Bein eine Streckung auf. Es sei hier schon bemerkt, dass es für das Auftreten der Umkehr nach den Erfahrungen von Magnus ganz einerlei ist, ob das reagierende Bein künstlich gebeust und in dieser Haltung fixiert wird, oder ob das Bein zufällig spontan eine gebeugte oder gestreckte Stellung innehält. 1) R. Magnus, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system. 1. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 150 S. 219. 1909. 2) R. Magnus, |. c. S. 229. Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 263 Graham Brown!) erzielte, wie erwähnt, am intakten Meer- schweinchen bei aktiver Streckung der Hinterextremität durch gewisse Reize Streckreflexe, bei aktiver Beugung durch die gleichen Reize Beugereflexe. Er erklärt den Unterschied zwischen seinen Resultaten und den entgegengesetzten von Magnus dadurch, dass in seinen Versuchen die Reflexe am aktiv gestreckten oder gebeusten Glied ausgelöst wurden, während Magnus bei passiv veränderter Glieder- stellung experimentierte. Diese Erklärung scheint uns nicht mehr vollständig zulässig. Denn einerseits erhielt schon Magnus in seinen Versuchen gelegentlich auch bei aktiver Veränderung der Glieder- stellung die gleichen Resultate wie bei passiver; andererseits sind unsere Resultate, welche mit den von Magnus erhaltenen überein- stimmen, bei aktiven Stellungsänderungen der Extremität ge- wonnen, und zwar wahrscheinlich teilweise auf dem gleichen Wege wie die Resultate der Versuche von Graham Brown. Nun treten in unseren Versuchen sichtbare Tonusänderungen nicht nur auf bei Änderungen der Kopf- und Halsstellune. Häufig findet sich ein wenn auch geringes Absinken des Tonus bei bei- behaltener Kieferbeinstellung und ein Ansteigen bei beibehaltener Schädelbeinstellung. Ist dies der Fall, so treten auch meist infolge davon Änderungen in der Grösse der Reflexe auf, in gleichem Sinne, wie wenn die Tonusänderungen durch Wechsel der Kopfstellung bedingt wären. Solche Veränderungen der Höhe des Tonus bei unveränderter Kopfstellung haben auch schon Magnus und de Kleijn?) beobachtet und in Kurven festgelegt. Es handelt sich dabei zum Teil um einen spontanen Rückgang des Strecktonus bei Kieferbeinstellung nach anfänglicher stärkster Streckung. Tonus- änderungen dieser Art fanden sich häufig in unseren Kurven. Ausserdem traten jedoch in vielen Fällen Tonusschwankungen auf, welche offenbar durch vorhergegangene Reflexe ausgelöst wurden. So stellt sich z. B. in Fig. 2 bei hohem Tonus (niedrigem Kurvenniveau) nach dem ersten Hemmungsreflex (a) der Muskel nicht mehr auf die gleiche Länge wie vorher ein, sondern auf ein Niveau, das einem deutlich verminderten Tonus entspricht. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich bei den zwei darauffolgenden Reflexen; l) Graham Brown, |. c. 2) RK. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 8. 485. 1912. 264 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: es tritt also zunehmende Tonusverminderung ein. Dabei werden die Reflexe progressiv kleiner. Nach dem dritten’ Reflex wird durch die Schädelbeineinstellung der Tonus noch weiter vermindert; der darauffolgende Reflex nimmt infolgedessen noch mehr an Höhe den früheren gegenüber ab. Durch ihn wird dann wieder eine Ver- änderung des Tonus ausgelöst, jedoch im Sinne einer Tonussteigerung. Der zweite „Schädelbeinreflex“ wird daher wieder deutlich grösser als der erste. Eine Erklärung für diese Erscheinung, dass auf Reiz hin sich der Tonus in dieser Weise ändern kann, finden wir vielleicht in einer früheren Beobachtung von Sherrington!), welche zeigt, dass sich am Vastocrureuspräparat bei der dezerebrierten Katze durch passiv oder reflektorisch hervorgerufene Beugung ein andauernder Zustand von vermindertem Tonus hervorrufen lässt („Lengthening Reaction“) und umgekehrt durch Streckung des Kniegelenks ein an- dauernder Verkürzungszustand des Muskels („Shortening Reaction“). Der Muskel lässt sich also durch passive oder reflektorisch aus- gelöste Bewegungen auf jede beliebige Länge für einige Zeit ein- stellen. Dieses von Sherrington als Plastie Tonus beschriebene Phänomen scheint auch den durch Reflexe ausgelösten Tonusänderungen unserer Präparate zugrunde zu liegen. Die bisher beschriebene ausschliessliche Abhängigkeit der Reflex- erösse von dem Grade des in der Extremität vorhandenen sichtbaren (Streck-)Tonus liess sich in 11 von 18 Versuchen nachweisen. In den übrigen Versuchen wurden bei Kopfdrehen Reflex- veränderungen erhalten, welche nicht in der geschilderten Weise von der Stellung des Gliedes abhängig waren. Vielmehr liessen sich hier durch Kopfdrehen Variationen in der Reflexgrösse hervorrufen, die entweder überhaupt nicht mit registrierbaren Stellungsveränderungen der untersuchten Extremität einhergingen oder sich, bei auftretenden Stellungsänderungen, in entgegengesetztem Sinne bewegen konnten, als der oben beschriebenen Regel entspricht. Hier müssen die Hemmungsreflexe und die Kontraktionsreflexe gesondert voneinander betrachtet werden. 1) C. S. Sherrington, On Plastic Tonus and Proprioceptive Reflexes Quart. Journ. of exper. Physiol. vol. 2 p. 109. 1909. Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 2655 In sieben Versuchen konnten reflektorische. Hemmungen des Tricepstonus registriert werden, die bei Kieferbeinstellung und bei Schädelbeinstellung von gleichem Niveau ausgingen. (Zu be- merken ist, dass hierher auch manche der weiter oben beschriebenen Versuche gehören, nämlich solche, bei welchen sich durch die er- wähnten Tonusveränderungen bei beibehaltener Kopfstellung das Niveau zwischen Kieferbein- und Schädelbeinstellung ausgleicht.) Hier zeigten in fünf Versuchen die Hemmungsreflexe bei Schädelbeinstellung ein bedeutend grösseres Ausmaass als bei Kieferbeinstellung. Als Beispiel hierzu diene Fig. 3. Die Figur zeigt zuerst zwei Reflexe Fig. 8. Versuch XV. (Unverkleinert.) Dezerebrierte Katze. Isolierter Triceps. Tier zeigt vorwiegend Halsreflexe. Reizung jede Minute mit kurzdauerndem, faradischem Reiz. Reizstärke 100 K. Im primären Kreis 1 Akkumulator, im sekundären Kreis kein Kohlenwiderstand. Bei S.B. werden zwei reflektorische Hemmungen registriert. Bei K.B. wird das Versuchsbein Kieferbein. Es tritt zunächst keine sichtbare Tonusänderung auf. Der erste Reflex in dieser Stellung ist kleiner als die vorherige bei S.B.-Stellung. Obere Signallinie —= Zeit in Sekunden. Vor dem Beginn der Reizung ist jeweils schneller Gang des Kymo- graphions eingeschaltet. bei Schädelbeinstellung von bedeutender Höhe; der unmittelbar darauffolgende Reflex in Kieferbeinstellung steht, trotz gleichem Ausgangsniveau, an Grösse beträchtlich zurück. In den Versuchen mit wechselndem Niveau trat nach der gegebenen Regel beim Übergang von Kieferbeinstellung zu Schädel- beinstellung vorhergehende Tonusabnahme mit Verkleinerung der Hemmungsrefiexe auf. Nach Auslösung von einem oder zwei Hemmungsreflexen kam es dann aber häufig, in der Art, wie oben beschrieben, wieder zu Tonussteigerung auf die ursprüngliche, bei Kieferbeinstellung vorhandene Höhe. Die nun registrierten Hemmungs- reflexe zeigten dann grössere Höhe als die bei Kieferbeinstellung 266 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: von gleichem Niveau ausgehenden. Dieses sich sehr regel- mässig wiederholende Verhalten wird von Fig. 9 illustriert. Hier sind zunächst in Kieferbein- stellung drei Reflexe von an- nähernd gleicher Höhe auf- gezeichnet. Nach vorüber- gehender Tonusabnahme beim Übergang in Schädel- beinstellung stellt sich nach Kreis primären Tier ‘zeigt vorwiegend; Hals- Im n im Triceps auf. Bei Ä.B. sind die reflektorische Hemmung fes erfolgt nun bei a bei höherem trotzdem ist der hier ausgelöste Reflex S zwei Reizen das frühere = Niveau wieder her; der letzte in = ausgelöste Hemmungsreflex BERSE ' ist dann bei gleichem Aus- as As a gangsniveau zweimal So gross SaSS ars wie die vorhergehenden bei @s 282.0. Kieferbeinstellung. MEB2ErN Es hat also den An- EEE FRE schein, als ob bei 33 2 Schädelbeinstellung 232277, des Kopfes eine stär- Bee & kere Tendenz zum Auf- os 3 treten vonHemmungs- Ei = reflexen vorhanden =3. 5 wäre als bei Kiefer- » beinstellung, im Fall & das Ausgangsniveau ein gleichesist. Diese (Beuge-)Tendenz ist gleichgerichtet wie die bei Schädelbeinstellung ede Minute mit kurzdauerndem, Auf Änderung der Kopfst drei Hemmungen von ungefähr gleicher Inte Niveau des Hebels eine kleinere Hemmung, I Bei ce ist das Niveau noch immer etwas /a verkleinert.) Versuch XIII. Dezere re sonst auftretenden eh) S e 3.828 Tonusveränderungen. N © . E 25 8 Das Vorwiegen der Hem- =) . .. Ei En mungstendenz bei Schädel- 5 - = <= 2 beinstellung erklärt die durch IT dumm] © D « . =. 5 Fig. 10 illustrierte * Reflex- umkehr. Die Reizstärke war hier so gewählt, dass bei Kieferbeinstellung reflektorische Kon- traktion des Triceps auftrat. Bei Schädelbeinstellung jedoch über- Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 267 wiegt die Hemmungstendenz; es tritt daher eine, wenn auch geringe Beugung auf. Bei a ist in Kieferbeinstellung der Tricepstonus etwas gegenüber Schädelbeinstellung gesteigert. Infolgedessen wäre hier ein Hemmungs- reflex zu erwarten; dieser wird jedoch durch die bei Kieferstellung vorherrschende Strecktendenz ausbalaneiert. Bei b und e ist das Niveau wieder gestiegen; die Strecktendenz tritt daher ungehindert zutage. Nicht in allen Fällen liess sich durch Schädelbeinstellung bei unverändertem Niveau eine deutliche Vergrösserung der Hemmungs- Fig. 10. (Unverkleinert.) Versuch V. Dezerebrierte Katze, Isolierter Triceps. Jede Minute kurzdauernde faradische Reizung. Im primären Kreis ein Akkumu- lator, im sekundären Kreis ist 20000 Ohm eingeschaltet. Reizstärke 1250 K. Bei 8.B. tritt auf Reiz eine reflektorische Hemmung ein. Bei K.B. wird das Versuchsbein Kieferbein. Das Triceps bekommt etwas mehr Tonus, das Niveau sinkt ab. Der nächste Reiz hat gar keine Reaktion zur Folge. Der Tonus im Triceps lässt nun. allmählich nach und wird gleich bzw. noch etwas schwächer als zuvor bei S.B.-Stellung. Der nächste Reflex ist nun eine deutliche reflektorische Kontraktion. Das Niveau steigt wieder an, und der dritte Reflex in K.5.-Stel- lung ist abermals eine Kontraktion. reflexe gegenüber den bei Kieferbeinstellung auftretenden hervorrufen. In zwei Versuchen zeigten die Reflexhöhen, abgesehen von ge- ringen Schwankungen, keine registrierbaren Unterschiede. Ein Beispiel hierfür gibt Fig. 11. In dem Versuch, dem diese Figur entnommen ist, betrug bei sieben aufeinanderfolgenden Reflexen in Schädelbeinstellung die Summe der Hubhöhen des Registrierhebels 157,5 mm; bei sieben Reflexen in Kieferbeinstellung war die Summe 158,5 mm. Im gleichen Versuch wurde die zuerst sehr ausgiebige künstliche Atmung etwas vermindert. Die Folge davon war, dass Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen 268 ‘q919]8 'g’g' pun 'g'y Ioq puIs oxayoyy ueIsofodsne Zanzıay ayosıpeie} yoanp dop SndA], d9p pun 9ss010) aIp yony me uodunı -9PUBSNUOL, uOIEgJUOIS auloy UA Sunppegsgdoyy Jap Zundspuy Jny ıoyepnumgyy ul story ueagwrd wp "4 0008 OYAIEISZIOY wogosıpeie; ‘wopuenepzany Jım 9mump] opel Junzıay ‘sdadlL] A8J101[0ST ‘ozyey] ooLıgadszall "IX Yonsıoa (outepfaoaun) 'I ne "ZIOy L 14 Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 269 nun bei Kopfdrehen sichtbare Tonusänderungen auftraten, welche dann auch Veränderungen in der Grösse der registrierten Hemmungs- reflexe in dem oben beschriebenen Sinne bedingten (s. Fig. 12). Weniger häufig als reflektorische Hemmungen konntenreflektorische Kontraktionen bei unverändertem Kurvenniveau registriert werden. In einem Versuch zeigte sich hierbei in Kieferbeinstellung ein bedeutendes Überwiegen der Strecktendenz der Schädelbeinstellung gegenüber. Diese Tendenz ist eleichgerichtet wie die bei Kieferbein- Fig. 12. (Unverkleinert.) Versuchsbedingungen wie in Fig. 11. Registriert 25 Minuten nach Fig. 11. Während dieser Zeit ist die künstliche Atmung, die bis dahin sehr ausgiebig gewesen war, stark herabgesetzt, so dass das Tier asphyktisch wurde. Auf. Drehen des Kopfes traten nur schwache Stellungsveränderungen im Versuchsbein auf, und die erhaltenen reflekto- rischen Hemmungen änderten sich auf Kopfdrehung in typischer Weise. Bei K.B. ist eine reflektorische Hemmung registriert, bei 8.B. zwei Hem- mungen, welche ca. halb so gross sind wie die bei X.5. erhaltenen. Die Hebelvergrösserung ist eine andere wie in Fig. 11. stellung sonst auftretenden Tonusänderungen. So sehen wir in Fig. 13 bei völlig unverändertem Ausgangsniveau in Kieferbeinstellung grosse Kontraktionen des Triceps aufgezeichnet, bei Schädelbeinstellung da- gegen nur minimale... Ein ähnliches Verhalten zeigt sich in Fig. 14. Hier ist das Kurvenniveau freilich kein unverändertes; es zeigen sich Tonusunterunterschiede zwischen Kieferbeinstellung und Schädelbein- stellung, welche nach der früher gegebenen Regel zu einer Ver- grösserung der Streckreflexe in Schädelbeinstellung führen sollten. Diese Stellungsänderungen sind aber offenbar nicht bedeutend genug, um ihrerseits einen bestimmenden Einfluss auf die Reflexhöhen aus- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 18 2370 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: zuüben; daher über- wiegt die Strecktendenz bei Kieferbeinstellung. Zu bemerken ist, dass in diesem Versuch die Hebelvergrösserung eine stärkere war als in den übrigen Versuchen. Die Veränderungen im Kur- venniveau entsprechen daher nur geringen Tonusschwankungen. In einem weiteren Versuch liess sich eine bestimmte Regelmässig- keit im Verhältnis der (Streck-) Reflexhöhen bei abwechselnder Kiefer- bein- und Schädelbein- stellung nicht konsta- tieren. Bei Kopfdrehen Jede Minute Bei S.B. ist die Kopfstellung so geändert, Tier hat vorwiegend Halsreflexe. “ wird. Trotzdem hierbei keine registrierbare Tonusänderung im Tricepsmuskel auftritt, sind die Im primären Kreis 1 Akkumulator, im sekundären Kreis 20000 Ohm. ferbein“ ; es tritt abermals keine sichtbare Tonusänderung auf, aber 9) t) Bei 8.5. werden dieselben dann wieder minimal. Isolierter Triceps. fie wissen Wahrscheinlich- keit annehmen, dass sich, bei gleichbleibendemAÄus- gangsniveau, in der Re- gel eine Vergrösserung der reflektorischen Er- sten auf Einzelinduktionsschlag deutliche reflektorische Kontraktionen. ass das Versuchsbein „Schädeibein © >) er = S .©2=2 trat wohl Änderung der ISSIS=| 2.5 o : e Sz 2% Reflexeauf,diesichjedoch (6) =) 1 3 22 32 bald in dem einen, bald = Be 20® © S imanderen Sinne bewegt. 3° 5>% RES Sa Trotz des zuletzt Se A222=8 mitgeteilten regellosen maanE a. = z Versuches, der sich in- Si, e: 38 sr folge häufiger schein- 7 3, bar spontaner Tonus- © ja} = o 0 > & änderung nicht sehr ein- = = wandfrei gestaltete, kön- © {eb} e . . 3 3 nen wir mit einer ge- ze) - {eb} > = DS Reizung mit Einzelinduktionsschla Bei K.B. erfol d nächsten Reflexe minimal. Fig. 13. Uber den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 271 resungen des Triceps bei Kieferbeinstellung ergeben wird (Streck- tendenz), analog der Verstärkung der Hemmungsreflexe in Schädel- beinstellung. Die geringe Zahl unserer verwertbaren Versuche erlaubt uns jedoch nicht, dieses als Regel hin- zustellen. Ein vereinzelt dastehen- des Versuchsresultat, wel- ches sich mit keiner der bisherigen Beobachtungen in Zusammenhang bringen lässt, zeiet Fig. 15. Hier ist eine Reflexumkehr re- gistriert, bei welcher die Reaktion in Kieferbein- stellung eine Hemmung ist, während gleich darauf ohne vorhergehende Niveauände- rung in Schädelbeinstellung eine Kontraktion ausgelöst wird. Bei unverändertem Tonus pflegt, wie oben ge- zeigt, in Schädelbeinstellung die Beugetendenz, in Kiefer- beinstellung vielleicht die Strecktendenz stärker zu sein; Fig. 15 zeigt ein serade entgegengesetztes Verhalten. Wie eingangs erwähnt, wurde in jedem Versuch festgestellt, ob das unter- suchte Präparat vorwiegend Halsreflexe oder Labyrinth- reflexe zeiste..e. Im Laufe Bei K.B.- lag sehr grosse reflektorische Tier zeigt vorwiegend Bei 8.B.-Stellung (etwas weniger Tonus, höheres Niveau) sind diese Kontraktionen be- alstand der Kroneckerskala. gen im M. triceps. Maxim Isolierter Triceps. geringe sichtbare Tonusänderun g. Reizstärke: gen auf Einzelinduktionssch Dezerebrierte Katze. Versuch VI. Reizung jede Minute mit Einzelinduktionsschla g der Kopfstellung folgen nur sehr r Strecktonus, niedrigeres Niveau) erfol (Auf !/a verkleinert.) (meh Kontraktionen des T'riceps. Fig. 14. Labyrinthreflexe. Auf Anderun Stellung deutend verkleinert (bis auf ca. 30%). der Untersuchung stellte sich heraus, dass keine Unterschiede im Reflexverhalten zwischen diesen beiden Fällen bestehen. Fern zeigte sich, dass Tonusveränderungen, die durch Kopfdrehen hervor- er 272 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: gerufen sind, in gleicher Weise auf die Refiexgrösse einwirken wie solche, die Folge von Vertebra-prominens-Druck sind. In Ver- such 15, dem Kurve 1 entnommen ist, kam eine Katze zur Ver- wendung, welcher einige Monate zuvor beide Labyrinthe entfernt worden Fig. 15. (Unverkleinert.) Versuch Ill. Dezerebrierte Katze. Iso- lierter Triceps. Tier hat vorwiegend Halsreflexe. Reizung jede Minute mit kurzdauerndem, faradischem Reiz. Reizstärke 1750 K. Im primären Kreis 1 Akkumulator, im sekundären Kreis 20000 Ohm. Bei Anderung der Kopfstellung ändert sich der Tonus des Triceps nicht in sichtbarer Weise. Trotzdem erfolgt auf denselben fara- dischen Reiz bei X.B.-Stellung eine deutliche reflektorische Hem- mung (a), mit grosser „Rebound“ kontraktion, während bei S.B. (b) eine kleine, aber deutliche reflektorische Kontraktion auftritt. (Diese Kurven stammen aus demselben Versuch wie Fig. 13.) Fig. 16. (Uuverkleinert.) Versuch XVII. Dezerebrierte Katze. Isolierter Triceps. Tier zeigt vorwiegend Halsreflexe. In X.B.-Stellung treten alter- nierende Laufbewegungen in beiden Vorderbeinen auf. Die des Versuchs- beines werden registriert. Bei S.D. wird das Versuchsbein „Schädelbein“; die Laufbewegungen werden erst etwas kleiner und danach wieder ungefähr gleich gross wie bei X.D. Nach einem Reiz erfolgt bei a eine reflektorische Hemmung; die Laufbewegungen nehmen danach beträchtlich an Intensität zu. Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 273 waren. Die hier erhalte- nen Reflexveränderungen entsprachen genau den bei normalen Tieren er- haltenen. In einer beträchtlichen Anzahl unserer Versuche: traten spontane alter- nierende Laufbeweeun- sen der beiden Vorder- beine auf. Zeiete das untersuchte Präparat vorwiegend Hals- reflexe, so traten sowohl bei Kieferbeinstellung wie bei Schädelbeinstellung alternierende Laufbewe- eungen auf, wie Fig. 16 zeist. Die Bewegungen waren freilich dabei in Schädelbeinstellung zu- nächst von etwas geringe- rem Umfang als in Kiefer- beinstellung. Beim Vor- herrschen von Labyrinth- reflexen dagegen stellten sich solehe Laufbewegun- gen nur ein, wenn beide Beine durch Labyrinth- reflexe (also bei Scheitel unten) Tonushatten. Durch Drehen des Kopfes zur Stellung Scheitel oben liessen sieh die Bewegun- gen mit absoluter Regel- mässigkeit sofort hemmen. Fig. 17 demonstriert dieses Verhalten. c gen in beiden Beinen gehemmt. Bei &.B.- Die des oberen Beines sind reeistriert. gend Labyrinthreflexe. Oo Tier zeigt vorwie Isolierter,; Triceps. ädelbein“ wird (bei 5.B.), werden die Laufbewegun Dezerebrierte Katze. gungen in den beiden Vorderbeinen. (Unverkleinert.) Versuch VI. 7: Stellung zeigen sich deutlich alternierende Laufbewe Durch Drehung des Kopfes, so dass das obere Bein „Sch Fig. 274 Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: Eine Erklärung für dieses gegensätzliche Verhalten der Lauf- bewegungen bei Hals- und Labyrinthreflexen findet sich in der früheren Beobachtung von Magnus und de Kleijn, dass Lauf- bewegungen in einer Extremität nur dann auftreten, wenn dieselbe einen gewissen Grad von Tonus besitz. Beim Vorwiegen von Halsreflexen muss immer eine der beiden Vorderextremitäten durch Kopfdrehen Tonus erhalten; somit ist hier die Bedingung zum Auf- treten von Laufbewegungen bei jeder Kopfdrehung aus der Symmetrie- ebene heraus gegeber. Dagegen wird beim Vorwiegen von Labyrinth- reflexen der Tonus in beiden Extremitäten nur, wenn der Kopf mit dem Unterkiefer naclı oben gedreht wird, gesteigert; nur in dieser Stellung sind daher Laufbewegungen möglich. Wird hier hingegen der Kopf mit dem Scheitel nach oben gedreht, so nimmt der Tonus in beiden Beinen ab, Laufbewegungen fehlen daher oder werden, wenn vorhanden, gehemmt. Durch unsere Kurven werden diese von Magnus und de Kleijn schon mitgeteilten Tatsachen illustriert. Zusammenfassung. 1. Gleichmässig ausgelöste, phasische Erregungs- und Hemmungs- reflexe am isolierten Streckmuskel des Vorarmes der dezerebrierten Katze lassen sich durch die von Magnus und de Kleijn be- schriebenen tonischen Hals- und Labyrinthreflexe in Grösse und Typus verändern. 2. Die so erhaltenen Reflexveränderungen folgen meistens be- stimmten Regeln. Diese Regeln sind verschieden, je nachdem durch Veränderung der Kopfstellung sichtbare Tonusschwankungen dm isolierten Streckmuskel bedingt werden oder nicht. 3. Treten sichtbare Tonusänderungen auf, so sind die reflek- torischen Hemmungen des Triceps bei gestrecktem Glied (Kieferbein- stellung, starkem Tricepstonus) stärker als bei gebeugtem Glied (Schädelbeinstellung, geringem Tricepstonus). Umgekehrt sind die reflektorischen Kontraktionen bei gelceugtem Glied (Schädelbein- stellung) stärker als bei gestrecktem Glied ( Kieferbeinstellung). Dabei kann es auch zu Reflexumkehr kommen in dem Sinne, dass im gleichen Versuch bei gestrecktem Glied reflektorische Hemmung (Beugung) auftritt, bei gebeugtem Glied reflektorische Erregung (Streckung). 4. beim Fehlen von sichtbaren Tonusänderungen sind die reflektorischen Hemmungen des Triceps in Schädelbeinstellung fast Über den Einfluss der Kopfstellung auf phasische Extremitätenreflexe. 275 stets grösser, jedenfalls nie kleiner als in Kieferbeinstellung (.Beuge- tendenz). Für die reflektorischen Kontraktionen liess sich eine sichere Regel nicht aufstellen. Auch hier wird gelegentlich Reflex- umkehr erhalten, für die jedoch keine Regel gegeben werden kann. 5. Häufig treten in heflexversuchen auf Kopfdrehen in Seiten- lage alternierende Laufbewegungen beider Vorderbeine auf. Dieselben sind sowohl bei Scheitel-oben wie bei Scheitel-unten vorhanden, wenn das Präparat vorwiegend Halsreflexe zeigt; beim Vorwiegen von Labyrinthreflexen hingegen treten sie nur bei Scheitel-unten auf und lassen sich durch Drehen des Scheitels nach oben sofort hemmen. Eine Erklärung für dieses Verhalten wird gegeben. 6. Durch Veränderung der Kopfstellung lässt sich also ein deutlicher und häufig sehr beträchtlicher Einfluss auf die Reflex- erregbarkeit der Extremitätenmuskeln ausüben. Diese Erregbarkeits- änderungen folgen ziemlich _verwickelten Regeln, von denen die wichtigsten ın der vorliegenden Arbeit aufgeklärt werden konnten. 276 K. Schreber: (Aus dem Maschinenlaboratorium der techn. Hochschule Aachen.) Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. Von Dr. K. Sehreber (Aachen). (Mit 1 Texttisur.) Da Robert Mayer seine Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie an Menschen gemacht hat — er erschloss sie bekanntlich aus der Veränderung der Blutfarbe seiner Schiffs- mannschaft während der Reise von Holland bis in die Tropen —, so ist es eigentlich selbstverständlich, dass auch für den mensch- lichen Körper jenes allgemeine Grundgesetz der Natur gilt. Zum Überfluss ist es nachher noch durch viele Versuche bestätigt worden. Wie jede Kraftmaschine nimmt der Mensch Energie auf, fast ausschliesslich in Form chemischer Energie, und gibt sie im selben Betrag, aber in anderer Form, meist als Wärmeenergie wieder ab, so dass beim ausgewachsenen Menschen der Energiebestand, abgesehen von den geringen Schwankungen infolge der täglichen Periode, im allgemeinen ungeändert bleibt. Während nun die meisten Tiere und Pflanzen nur leben, um sich zu erhalten und fortzupflanzen, gibt der Mensch und einige von ihm dazu gezwungene Tiere unter Umständen auch noch Nutz- arbeit nach aussen ab, und man kann deshalb gerade wie bei Kraft- maschinen nach dem Wirkungsgrad in bezug auf diese Nutzarbeit fragen. Diese Frage ist nun in verschiedener Weise beantwortet worden. Deshalb muss man, wenn man die Angaben über Wirkungs- grade vergleichen will, sich stets zunächst vergewissern, ob die zu vergleichenden Werte durch dieselbe Rechnungsweise aus den un- mittelbaren Beobachtungen gewonnen sind. Als durch Neweomen die von Guericke und Papin in ihren Grundlagen erfundene Dampfmaschine in die Wirklichkeit übersetzt war und als Wasserhaltungsmaschine die alten Rosskünste der Bergwerke verdrängt hatte, gab man ihren Wirkungsgrad an, indem man die durch den Verbrauch der Mengeneinheit Kohlen ge- Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 277. hobene Wassermenge feststellte oder auch umgekehrt die für die Einheit gehobenen Wassers nötige Kohlenmenge. Am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts, als durch die Tätigkeit Symington’s, Watt’s und anderer Ingenieure die Dampfmaschine auch zur Leistung anderer Arbeiten ausgebildet wurde, führte man als Maass der Leistung die Pferdestärke ein, jetzt 1 PS = 75 m-kg-sec”!, und gab nun den Wirkungsgrad als Kohlenverbrauch für 1 PS-st. an. Dieses Verfahren wurde geändert, als man anfing, den Kessel nicht nur räumlich von den Zylindern zu trennen, sondern beides auch in getrennten Fabriken herzustellen. Man gewöhnte sich damals an die auch jetzt noch häufig angewandte falsche Bezeichnung, die Zylinder der Dampfmaschine allein schon als Dampfmaschine zu benennen, und man gab von da an den Wir- kungserad als Dampfverbrauch für 1 Pferdestärkenstunde an. Alle diese Angaben haben das Unsichere an sich, dass 1 kg Kohle ebenso wie auch 1 kg Dampf ganz verschiedenen Wert haben kann. Ein wirklich brauchbares Verfahren wurde erst von Clausius und Zeuner eingeführt, welche die Grundlagen der Thermodynamik, d. h. die wissenschaftliche Behandlung der Wärmekraftmaschinen schufen. Vom Carnot’schen Kreisprozess ausgehend, an dem der zweite Hauptsatz entwickelt wurde, definierte Clausius als Wir- kungsgrad einer Kraftmaschine — er nannte ihn ökonomischen Koeffizient — das Verhältnis der von ihr innerhalb einer gewissen Zeit geleisteten Arbeit, A, zu der ihr in derselben Zeit zugeführten Energie, 9; a De In dieser für alle Kraftmaschinen gleich brauchbaren Definition hat sich der Begriff des Wirkungsgrades immer mehr und mehr die Anerkennung aller Ingenieure erobert und die früheren Verfahren zur Angabe der Güte einer Maschine fast vollständig verdrängt. Da der Zweck einer Maschine ist, möglichst viel Arbeit aus einer bestimmten ihr zugeführten Menge Energie zu liefern, einen möglichst grossen Wirkungsgrad zu haben, so muss man feststellen, wo etwaige Verluste in diesem Sinne eintreten, wo sich Energie- mengen der beabsichtigten Verwandlung entziehen. Diese Unter- suchung wird durch die oben gegebene Definition sehr erleichtert. Wir verfolgen die Energie auf ihrem Wege durch die Maschine und 278 K. Schreber: bestimmen überall, wo wir bequem eine Teilung dieses Weges in zwei Strecken vornehmen können, das Verhältnis der durch die Grenze hindurchgehenden Energie zu der an sie herankommenden. Wir nennen es den Wirkungsgrad der Umwandlung an dieser Grenze. Man sieht ohne weiteres: das Produkt aller dieser Teilwirkungs- grade ist der Gesamtwirkungsgrad, der oben definierte wirtschaftliche Wirkungsgrad. An den allbekannten Kolbendampfmaschinen nimmt man meist folgende Zerlegung von 7. vor: Dem Rost wird eine bestimmte Menge chemischer Energie in Form von Brennstoff und Luft zu- geführt. Daraus entsteht durch das Verbrennen auf dem Rost und Verdampfen im Kessel eine bestimmte Dampfmenge, welche Wärme- energie mit sich in die Dampfleitung nimmt. Das Verhältnis dieser Wärmeenergie zur chemischen Energie des Brennstoffes und der Luft heisst Wirkungsgrad des Kessels, 7x. Auf Grund des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre kann von dieser im Dampf mitgeführten Wärme nur ein ganz bestimmter, durch Druck und Temperatur vor und hinter dem Zyliuler bedingter Bruchteil in Arbeit ver- wandelt werden. Wir nennen diesen Bruchteil den theoretischen Wirkungsgrad 7 der Dampfmaschine. In der Wirklichkeit wird aber nur ein Bruchteil dieser theo- retisch möglichen Arbeit wirklich gewonnen. Nach dem Instrument, mit dem man-an Kolbendampfmaschinen diese vom Kolben wirklich aufeenommene Arbeit misst, dem Indikator, nennt man dieses Ver- hältnis den indizierten Wirkungsgrad, 7. Beim Fluss der Energie vom Kolben durch das Getriebe bis zur Welle gerät ein Teil auf Abwege, so dass schliesslich hier am Ausgangstor aus der Maschine wiederum weniger ankommt. Das Verhältnis der hier durch Bremsen oder ähnliche Mittel gemessenen Arbeit zu der vom Kolben aufsenommenen indizierten Arbeit nennt man den mechanischen Wirkungsgrad, 7n- Wie schon oben gesaet, hat man sofort a N Man kann nun in derselben Weise, wenn es für eine bestimmte Untersuchung vorteilhaft erscheint, jeden von diesen Wirkungsgraden wieder weiter zerlegen oder auch umgekehrt zwei oder mehrere zu einem zusammenfassen. Eine vielfach benutzte Zerlegung ist die des 7x in einen Wirkungsgrad »,. des Rostes, welcher angibt, wie- viel Wärme aus der zugeführten Energie wirklich auf dem Rost Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 379 entsteht, und einem Wirkungsgrad 77. der Kesselwand, welcher an- gibt, wieviel von der auf dem Rost entstandenen Wärme durch die Kesselwandung hindurchgegangen ist und sich im Dampf wieder- findet. Anderseits setzt man vielfach 7 - 7 = 7; und nennt dieses Verhältnis der indizierten Arbeit zur Wärme des Dampfes den thermischen Wirkungsgrad. Mit diesen beiden Beispielen heisst der wirtschaftliche Wirkungsgrad N Nr MRu 3° Nm Es ist ein Beweis für das grosse mathematische Geschick von Clausius und Zeuner, dass sie, man möchte fast sagen, nur durch ihr mathematisches Gefühl geleitet, eine mathematisch so be- queme Definition des Wirkungsgrades gegeben haben. Mit Hilfe dieser Zerlegung kann man nun sehr leicht fest- stellen, wo die meisten Verluste eintreten, wo sich die meiste Energie der beabsichtigten Verwandlung entzieht und wo man folglich erfolg- reiche Verbesserungen anzubringen hat. Hat einer der Teilwirkungs- grade schon Werte von 80—90 °/o, so lohnt es nicht mehr, hier noch auf Verbesserungen zu sinnen. Eine Vermehrung von 90 auf 95 %/o hat auf den Gesamtwirkungsgrad nur sehr geringen Einfluss und wird sich wirtschaftlich nur Johnen, wenn die dazu nötigen Hilfs- mittel sehr billig sind. Man muss auf denjenigen Teilwirkungsgrad sein Augenmerk richten, welcher der kleinste ist; dessen Ände- rungen haben den grössten Einfluss auf den wirtschaftlichen Wirkungs- grad. Die Maximum- und Minimumrechnung gibt sehr leicht den mathematischen Ausdruck für diese Behauptung. Bei den Dampfmaschinen ist der theoretische Wirkungsgrad 7 der kleinste von allen. Er ist am meisten infolge der Entwicklung der Maschinentechnik gewachsen. Vor 100 Jahren war er rund 9%; jetzt ist er rund 300. Dieser Wert ist wesentlich durch die Festiskeitsverhältnisse unserer Baustoffe bedingt (vgl. Schreber, Mehrstoffdampfmaschinen. Leipzig 1903) und kann nur verbessert werden durch Schaffung besserer Baustoffe. Für Maschinen mit innerer Verbrennung (Gasmaschinen, Explo- sionsmaschinen) ist der theoretische Wirkungsgrad nahezu doppelt so gross wie bei den Dampfmaschinen. Daher haben diese auch, trotzdem namentlich der indizierte zurzeit noch schlechter ist als bei jenen, den besseren wirtschaftlichen Wirkungsgrad. Durchschnittliche Werte der Wirkungsgrade nach dieser Definition sind für Dampfmaschinen : 2380 Keusic‚hnelbier: nz —= 0,70—0,80 bei gut gehaltenen Kesseln. 0,319 bei Kesseldruck von 16 Atmosphären und Konden- satortemperatur von 30° (vel. Schreber, Mehrstoff- dampfmaschinen). m = 0,175—0,8. 7m = 0,90— 0,9%. Bei Gasmaschinen hat man keinen Kessel, folglich auch keinen Wirkungsgrad 7x; die anderen haben rund folgende Werte: n = 0,45—0,60, 7 = :0,10—0,75, 7m — 0,70 - 0,8. Die besten wirtschaftlichen Wirkungsgrade sind dementsprechend für Dampfmaschinen 7. — 0,18, für Maschinen mit innerer Ver- brennung 0,25—0,30. 2. Diesen bequemen Wee, die Energie auf ihrem Weg durch die Maschine zu verfolgen und die Stellen angeben zu können, wo die grösste Menge sich der Umwandlung entzieht, haben sich die Physiologen versperrt durch ihre eigenartige Definition des Wirkungs- grades. Man. wird sich darüber am besten an einem Beispiel klar, und ich nehme dazu Versuche von Atwater, die mir auch sonst recht gut durchgeführt scheinen. | Atwater sperrt einen Menschen in ein besonders zu Versuchs- zwecken eingerichtetes, nach aussen abgeschlossenes Zimmer, der sich dort zunächst einem bequemen Faulenzen hingeben darf und muss und dabei von aussen gefüttert wird. Dadurch, dass Atwater sämtliche entwickelte Wärme sofort abführt, so dass die Temperatur des Zimmers unverändert bleibt, ist er imstande, die vom Versuchs- menschen abgegebene Wärme 9; zu messen, die natürlich nach dem Energsiesatz gleich dem Heizwert der aufgenommenen Arbeit sein muss. Nachdem diese Wärmeaufnahme während des Leerlaufes, um einen Ausdruck der Ingenieure hier anzuwenden, bestimmt ist, wird der Versuchsmensch auf ein Fahrradgestell gesetzt, dessen Pedale eine Dynamomaschine antreiben, und er muss jetzt die Arbeit A nach aussen abgeben, welche elektrisch genau gemessen wird. Gleichzeitig wird die Wärmemenge ©’, welche an den Raum ab- gegeben wird, wie vorhin bestimmt: 0’ + A = © gibt die vom arbeitenden Menschen aufgenommene Energie. Aus diesen Be- obachtunssergebnissen rechnet nun Atwater den. Wirkungsgrad -S | Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 281 aus, indem er zunächst von der Wärmemenge © den Leerlaufs- bedarf ©; abzieht und dann mit dieser Differenz Q—0®ı die geleistete Arbeit A teilt. Er hat also y | ge a rt Mit dieser Definition rechnen alle Physiologen. Da hier im Nenner eine Differenz auftritt, so müsste, wenn man 7„ in ein Produkt zerlegen wollte, ähnlich, wie 7 zerlegt wurde, in einem der Zähler dieselbe Differenz auftreten. Das Produkt würde somit in zwei Produkte zerfallen, und damit hört der ganze Vorteil der Zerlegung auf. Es können sogar wenigstens mathematisch negative Wirkungs- grade möglich werden. Ein anderer Nachteil, der aber wirklich vorkommt, ist der folgende: Wie man aus der Definition (1) ohne weiteres erkennt, wird der Wirkungsgrad der Ingenieure zu Null, wenn die nach aussen abgegebene Arbeit zu Null wird, d. h. dem Leerlauf entspricht man le ee EN Anders ist es bei den Physiologen; da hat die Maschine auch im Leerlauf einen endlichen Wirkungsgrad. Ich werde das zunächst rein mathematisch beweisen und dann noch einen experimentellen Beweis dafür erbringen. Führt man einer Maschine verschiedene Wärmemengen © zu, so wird man auch verschiedene Arbeitsmengen A erhalten. Der Wirkungsgrad 7. braucht aber nicht jedesmal derselbe zu. sein; vielmehr wird er sich mit @ ändern, d. h. wir können schreiben N le le) 7. ist eine Funktion der zugeführten Wärme. Lassen wir ) — ®ı werden, d. h. betrachten wir die Maschine während des Leerlaufes, so haben wir aus 3 und 4 | IMelı = 9 = f(Qı) Wird in (I) @ = Qı, so wird A == 0. und folglich muss auch 7% in derselben Potenz zu Null werden wie A, also linear, d. h. f(@) muss für Q@ — 0ı ebenfalls linear zu Null werden. Man muss folg- lich f(®) darstellen können durch ein Produkt zweier Glieder, von denen das eine linear zu Null wird, wenn ) = 0: wird, und das andere in diesem Fall von Null verschieden bleibt. Mit anderen Worten, es muss sich f(®) darstellen lassen durch ra) = (A) PO): 382 ResSicchrebjem: wo p(Q) eine Funktion von Q ist, welche für d = ®ı von Null verschieden bleibt. Wir haben also u = (9-0): 9 (Q), Setzen wir hier die Definition (1) ein und formen etwas um, so erhalten wir RSEEN A Se : N — a), M) p(Q) ae tere ehede (4) Wird jetzt = ®ı, also A=(, so wird Mal = 9ip(Q) 2 er 26 Da @, einen endlichen Wert darstellt und, wie oben festgestellt, auch p(@:) endlich bleibt, so hat auch 7/„ einen endlichen Wert, selbst “ wenn die Maschine keine Arbeit leistet. Um diesem mathematischen Beweis auch einen experimentellen zur Seite zu stellen, war zu beachten, dass die Ingenieure kein Interesse daran haben, Maschinen mit schwacher Belastung laufen zu lassen. Ich hätte also, wenn ich hätte vorhandene Beobachtungen benutzen wollen, sehr weit extrapolieren müssen. Deshalb habe ich vorgezogen, selbst Beobachtungen anzustellen. Dabei habe ich mich von der Folgerung aus (5) leiten lassen, dass [/„|, um so grösser ist, je grösser der Leerlaufsbedarf der Maschine ist. Solche Maschinen sind die Ölmaschinen nach dem Gleichdruckverfahren, von denen die nach dem Zweitaktverfahren für unseren Zweck ganz besonders vorteilhaft sind. Da das Maschinenlaboratorium der Hochschule Aachen eine solche besitzt, so bat ich den Vorsteher Herrn Prof. Paul Langer um die Erlaubnis, die nötigen Beobachtungen an ihr vornehmen zu dürfen. Diese Erlaubnis wurde mir in bereitwilligster Weise erteilt, und icb kann nicht umhin, ihm auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank zu sagen. Die Maschine ist eine stehende Zweizylindermaschine, deren ebenfalls stehend angeordnete Luftpumpen unmittelbar von der Welle angetrieben werden. Oben auf dem Kopf befinden sich zwei Ventile, durch welche die von der Breunluftpumpe geförderte Luft in den Zylinder eintreten kann. An seinem unteren Ende hat jeder Zylinder eine passende Zahl von Schlitzen, welche vom Kolben auf dem letzten Teil seines Weges freigegeben werden. Durch sie werden die Verbrennungsgase durch die von oben einströmende Luft hinausgedrängt. Ist ein Zylinder auf diese Weise mit frischer Luft gefüllt, so presst der nach oben bewegte Kolben sie zusammen, und sie erhitzt sich dadurch nach Art des pneumatischen Feuerzeuges so Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 283 sehr, dass das, während der Kolben im oberen Totpunkt steht, ein- gespritzte Kraftöl sich entzündet und verbrennt. Hierdurch entsteht der starke arbeitende Druck, der den Kolben nach unten drängt. Mit der Hauptwelle dieser Kraftmaschine ist eine Dynamo- maschine festgekuppelt, welche die von jener gelieferte Arbeit in elektrische Enereie umformt und auf das Netz der Hochschule schickt., Aus Rücksicht auf den Unterrichtsbetrieb ist die Dynamo nach den Angaben von Prof. Paul Langer so eingerichtet, dass sie eine bequeme Messung der von der Maschine geleisteten Arbeit gestattet. Der umlaufende, hier also mit der Welle der Ölmaschine gekuppelte Anker der Dynamo ist für gewöhnlich von einem feststehenden Ge-- häuse umgeben, in welchem die Feldmagnete sitzen, so dass das Feld also starr mit dem Fundament verbunden ist. Hier ist das anders. Die Welle des Ankers ist von einer Hohlwelle umgeben, die auf dem Fundament ruht. Diese Hohlwelle trägt das Feldgehäuse. Wird von der Maschine der Anker in Umlauf gesetzt, so würde die Wechselwirkung der entstehenden elektrischen Ströme im Auker und Feld auch dieses mit herumnehmen. Ein mit dem Feldgehäuse in Verbindung stehender Arm, der im Ruhezustand der Maschine wagerecht steht, wird nun so mit Gewichten belastet, dass er das Feldgehäuse verhindert, sich mit dem Anker zu drehen. Dadurch gestattet Feldgehäuse und Hebelarm, wie ein Prony’scher Zaum die Arbeit zu messen (vgl. Schreber, Kraftmaschinen S. 22. 2. Aufl. Leipzig 1907), ohne sie wie dieser zu vernichten. Ich bestimmte in einer Reihe von Versuchen die Leistung der Maschine in Pferdestärken und den dazu gehörigen Brennstoff- verbrauch. Aus dem Heizwert des benutzten Kraftöles, der sich zu 10000 WE/kg ergeben hatte, kann man dann auch den Wärme- verbrauch der Maschine errechnen. Daraus findet man dann leicht den Aiekunessrad nach dem Verfahren der Ingenieure. Die Definition des Wirkungsgrades der Physiologen verlangt die Feststellung des Leerlaufsbedarfess.. Da meine Maschine immer noch den Anker mitnehmen und die Reibung des Kugellagers über- winden musste, so konnte ich Leerlauf nicht vollständig erzielen. Da ich mich ihm aber bis auf eine sehr kleine Belastung, "ro der grössten, genähert habe, so habe ich kein Bedenken getragen, diese kleine Entfernung zu extrapolieren. 284 K. Schreber: Die Hauptergebnisse meiner Beobachtung sind in der nach- folgenden Zusammenstellung enthalten. Es steht unter: PS die Belastung der Maschine in Fferdestärken, B der Wärmeverbrauch der Maschine während 1 Stunde in cal, W der Wärmeverbrauch für 1 Pferdestärkenstunde in cal, 7. der Wirkungsgrad nach Rechnung der Ingenieure, B’ —= B—B, der Mehrverbrauch der Maschine an Wärme über den Leerlaufsbedarf in cal, L = PS.632 die Arbeit während 1 Stunde in cal, 7„ der Wirkungsgrad nach Rechnung der Physiologen. PS B W nw* 102 B' L nw . 102 B'B 143,4 | 30,7.102| 2140 29,5 120,7.10% | 904.102 | 48,7 1,33 16,4 | 19,8-10°| 2590 24,4 | 9,8-10* | 483.102 49,2 2,02 41,8 | 15,1.10°) 3600 17,6 5,1-10* | 264.102, 51,8 2,96 22,6 | 12,7.10° 5700 11,1 2,7.10* | 143.102 53,0 4.71 12,2 | 11,4.10*| 9400 6,5 7102 1021005552 8,1 2,1 | 10,2.10| 49000 15 092.162 13-1027 663 50,0 0 1f10,0.100])) — 0 0.10% 0-102 , [64,8] @ Ich habe beide Wirkungsgrade als Funktion der geleisteten Arbeit aufgezeichnet. Während der nach dem. Verfahren der Ingenieure 0 10% 30 40 50 60 70 80 90 100° 110 120 130 140 Fig. 1. berechnete nach 0 ausläuft, erreicht der nach dem Verfahren der Physiologen berechnete, wie ich das schon mathematisch erwiesen hatte, einen endlichen Grenzwert von 64,80, den ich eingeklammert in die Zusammenstellung mit aufgenommen habe. Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 2835 Der Verlauf der Zahlen und der Kurven ergibt nun weiterhin das recht eigenartig klingende Resultat, dass 7'„ um so grösser wird, je weniger die Maschine belastet ist, und dass es seinen grössten Wert für Leerlauf hat; d. h. die Maschine arbeitet am besten, wenn sie gar nicht arbeitet! Für einen Fabrikanten, der seinen Betrieb möglichst wirtschaftlich einrichten will, würde also daraus folgen, dass er sich eine möglichst grosse Kraftmaschine anschaffen und diese dann möglichst wenig belasten müsste. Ja, die Bemühungen der Ingenieure, einen möglichst guten mechanischen Wirkungsgrad zu erzielen, wären geradezu verwerflich, denn je schlechter der mechanische Wirkungsgrad, um so grösser die Leerlaufsarbeit, und dieser ist ja nach Gleichung (5) der wirtschaftliche Wirkungsgrad proportional. Das sind Folgerungen, die jedem Ingenieur geradezu unheimlich sind und doch sich unabweisbar aus der Definition nach Art der Physiologen ergeben. Der Mensch und alle Tiere haben nun einen sehr grossen Leer- laufsbedarf, deshalb gelten für sie die eben gegebenen Folgerungen in noch schlimmerem Maasse: derjenige Mensch arbeitet am vorteil- haftesten, der nichts arbeitet. Zu bemerken ist auch noch, dass die Physiologen sich des Be- griffes des Leerlaufsbedarfes gar nicht einmal klar bewusst sind. Pflüger lässt, um den wirtschaftlichen Wirkungsgrad eines Hundes zu messen, von diesem einen Wagen auf wagerechter Ebene ziehen und bestimmt den Wärmebedarf; darauf lässt er vom Hund den Wagen eine schiefe Ebene emporziehen und bestimmt wieder den Wärmebedarf. Die aus dem Gewicht des Wagens und der Neigung der Ebene zu berechnende Nutzarbeit des Hundes teilt er durch den Unterschied der beiden Wärmemengen. Er rechnet also die Arbeit, den Wagen auf wagerechter Ebene zu ziehen, einfach zur Leerlaufsarbeit des Hundes. Das kommt schliesslich darauf hinaus, dass man von einem Menschen 50 kg eine Treppe hinauf tragen lässt, dann in einem zweiten Versuch 51 kg und dividiert nun die Arbeit, die für das 1 kg geleistet wird, durch die Differenz des Wärmebedarfs in beiden Fällen. Auf diese Weise kann man natürlich alle möglichen Zahlen für die Arbeit für 1 kg er- rechnen. Manche Physiologen haben den Wirkungsgrad des aus dem Zu- sammenhang mit dem Körper herausgeschnittenen Muskels bestimmt Pflüger’s Archiv für Physiologir. Bu. 129. 19 286 K. Schreber: und haben da Zahlen bekommen von derselben Grössenordnung wie die, welche sich ergeben haben, wenn sie den Menschen als Ganzes untersuchten. Nun ist doch beides sicherlich etwas sehr Verschiedenes. Trotzdem ist mir nieht bekannt geworden, dass irgendeiner ver- sucht hätte, zwischen beiden Werten einen Zusammenhang zu finden; vielmehr stehen beide unvermittelt nebeneinander, oder, anders aus- gedrückt, der eine Forscher kümmert sich um den einen, der andere ausschliesslich um den anderen. Die Differenz im Nenner erschwert ja auch, eine Verbindung zwischen beiden Werten herzustellen. 3. Vergleicht man die Zahl, welehe von Ingenieuren als Tages- arbeit eines Arbeiters angesehen wird, mit der Zahl, welche die Physiologen für den Nahrungsbedarf eines Arbeiters während eines Tages angegeben, so erhält man nach dem Rechnungsverfahren der Ingenieure den Wirkungserad des Menschen rund zu 8% (vel. Schreber, Hervorragende Leistungen der Tecknik. I. Leipzig 1913). Bedenkt man, dass Atwater den Wirkungsgrad der Verdauung, der rund 90°o beträgt, nicht berücksichtigt hat, und dass sein Ver- suchsmensch die Wege zu und von der Arbeit gespart hat, so er- geben seine Versuche, ebenfalls ingenieurmässig berechnet, nahezu denselben Wirkungsgrad. Ich will nun einmal annehmen, der Wirkungsgrad des aus dem Körper herausgeschnittenen Muskels entspräche dem thermischen Wirkungsgrad: 7 -n,; dann können wir jetzt den mechanischen Wir- kungsgrad des Menschen berechnen. Für 7, wurden Werte an- gegeben, welche zwischen 0,30 und 0,60 schwanken; ich setze in die Rechnung 0,45 ein. Für 7x hatten wir eben 0,90 angegeben, und n. war 0,08. Also erhalten wir: 0,08 = 0,90 - 0,45 - nm m — EV: Das ist ein äusserst bemerkenswertes Ergebnis, zu dem sich die Physiologen den Weg versperrt haben infolge ihrer eigenartigen Definition. Die von Menschenhand geschaffenen Maschinen haben mechanische Wirkungsgrade bis zu 0,96, d. h. nahezu 1, gegenüber dem des Menschen von 0,20. Es ist also das Naturprodukt, welches wir als das vollkommenste überhaupt zu betrachten uns gewöhnt haben, vielmal schlechter gebaut als die von Menschenhand ge- bauten Kraftmaschinen. Das ist ein für den ersten Augenblick jeden- falls überraschendes, bei näherem Hinsehen aber eigentlich selbst- verständliches Ergebnis. Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 287 Der Mensch und alle Tiere sind ja von der Natur nicht ge- schaffen, um zu arbeiten, sondern nur, um sich zu erhalten und fortzupflanzen. Die Nahrungsaufnahme dient in erster Linie dazu, alle die Arbeiten zu liefern, welche zur Erhaltung des Betriebes und zur Schaffung neuer nötig sind. Die meisten Tiere leisten ja auch gar nicht mehr Arbeit. Nur der Mensch und die von ihm zur Arbeit gezwungenen Haustiere arbeiten darüber hinaus. Dieser Ent- wieklung entsprechend ist aber auch bei ihnen die zur Erhaltung des Betriebes nötige Arbeit über die nach aussen abgegebene so sehr vorherrschend, dass der mechanische Wirkungsgrad einen so kleinen Wert erhält. Anderseits hat der Mensch seinen Geist, um sich von der- artigen, für seinen Körper nicht passenden Arbeiten zu befreier. Seit Otto von Guericke gezeigt hat, dass man die Natur zwingen kann, Arbeit zu leisten, wie und wo man sie gerade nötig hat, hat die Technik die Kraftmaschine so weit entwickelt, dass man jetzt aus der Natur Arbeitsmengen gewinnt, welche die erössten Sklavenheere des Altertums nicht zu leisten imstande waren. Die im Kraftwerk Heimbach der Urfttalsperre in dem Maschinen- raum von 30 m Länge und 20 m Breite aufgestelllen Turbinen (vel. Schreber, Hervorragende Leistungen usw. I.) können die Arbeit von 770000 Menschen leisten. Um diese aus der Natur zu gewinnen, genügen nur wenige Wärter, welche fast gar keine körper- liche Arbeit verrichten. Alle schwere Arbeit wird von den Turbinen ausgeführt, welche in weiter Umgebung Menschen von körperlicher Arbeit befreit haben. Die Technik arbeitet ständig weiter in dieser Richtung, alle schwere Arbeit unmittelbar von der Natur ausführen zu lassen. Physiologen, welche aus ihren Rechnungen die zur Erhaltung des Menschen nötige Energie ableiten und dabei dann sozialpolitische Ausblicke über die Ernährungsmöglichkeit der Menschheit auf der Erde anstellen, vergessen oft diese der Technik durch den schlechten mechanischen Wirkungserad der menschlichen Kraftmaschine auf- gezwungene Entwicklungsrichtung und berechnen die für den Menschen nötige Nahrung nach dem Bedarf des schweren Arbeiters, ohne zu bedenken, dass deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ständig zurückgeht. Die aus der Natur mit Hilfe der Kraftmaschinen gewonnene Arbeit erspart uns’einen Teil unserer Nahrung. 192 2388 K. Schreber: Sehen wir nun noch zu, auch das letzte noch vorhandene Pro- dukt 7 7 == 0,45 zu zerlegen. Mag die Umwandlurg der chemischen Energie in Arbeit auf einem Wege vor sich gehen, auf welchem sie wolle, niemals wird die theoretisch mögliche Menge an Arbeit entstehen, sondern es wird stets ein Teil der Energie sich der gewünschten Umwandlung entziehen und als nichtgewollte Energieform, meist als Wärme, abeehen. Nehmen wir einmal ganz willkürlich 7; = 0,75 an, wie man das ja bei vielen Wärmekraftmaschinen hat, so müsste also 7 = 0,60 sein, d. h. die Energieform, welche die Verwandlung der chemischen Energie in Arbeit vermittelt, muss unter den im Körper vorhandenen Bedingungen einen theoretischen Wirkungsgrad von 60°/o haben. Die Wärmeenergie kann nicht die Zwischenenergieform sein. Schon der Carnot’sche Prozess würde, wenn man als Kühl- temperatur Zimmertemperatur annimmt, eine warme Temperatur von 450° verlangen; andere Prozesse natürlich noch heissere. Solche Temperaturen sind einfach unmöglich im menschlichen Körper, und deshalb kann die Wärme nicht die vermittelnde Energie sein. Ich habe das schon 1902 behauptet (Physik. Zeitschr. 1902 S. 107, 184, 261), musste mir aber eine recht energische Belehrung durch Zuntz gefallen lassen, welcher Temperaturen von 244 ® im Muskel anstandsios für zulässig erklärte. Mit meinen, allerdings nicht im Institut von Zuntz erworbenen Kenntnissen von den Eigenschaften des Eiweisses war diese Behauptung zwar nicht recht in Einklang zu bringen, ich musste mich aber der höheren physiologischen Autorität fügen. Um so erfreuter war ich, auf der Versammlung der Bunsengesellschaft, August 1913, von Höber zu hören, dass etwas derart Unmögliches schon lange als überwundener Standpunkt gilt. Die Hypothese der Oberflächenenergie scheint mir ebenfalls nieht recht möglich, denn selbst in anorganischen Stoffen kommen Änderungen der Oberflächenspannung in einem Umfange, der Wirkunesgrade bis zu 60°/o ermöglicht, nicht vor; viel weniger in den doch recht wenig voneinander abweichenden Stoffen des mensch- lichen Körpers. Besser steht die Quellungshypothese da; die dieser zugrunde- liegende Volumenenergie hat recht leicht Druckdifferenzen,, welche derartige Wirkungsgrade möglich erscheinen lassen; ob diese Druck- unterschiede aber wirklich im menschlichen Körper vorkommen, das Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. 289 festzustellen ist Sache der Physiologen. Die Vertreter der Quellungs- hypothese hätten also zunächst eine theoretische Maschine zu er- sinnen, entsprechend der Garnot’schen in der Wärmelehre welche einen Wirkungsgrad von 60°o ermöglicht, und dann nach- zuweisen, dass die Bedingungen, unter denen diese Maschine arbeitet, im Körper möglich sind. Gibt es eine solche Maschine, welche unter den im Körper herrschenden Verhältnissen einen Wirkungs- grad von 60 °/o ermöglicht, so ist die Quellungshypothese zulässig; im anderen Fall muss nach einer anderen Energieform gesucht werden. 4. Zum Schluss möchte ich noch auf einen rein rechnerischen Nachteil der Definition der Physiologen hinweisen. Alle durch Beobachtung von Naturerscheinungen erhaltenen Zahlen sind mit Fehlern behaftet, die man in systematische und zufällige Fehler unterscheidet. Systematische Fehler können bei der Untersuchung des Menschen als Kraftmaschine entstehen infolge der täglichen Periode von Tag und Nacht, der sich der tierische Körper angepasst hat, und infolge der unregelmässig über den Tag verteilten Mahlzeiten. Es wird also der Leerlaufsbedarf eine innerhalb 24 Stunden unregelmässig schwankende Funktion der Zeit sein, und es ist schwer, anzugeben, welchen Wert sie gerade haben würde zurzeit, in der ein Belastungs- versuch angestellt wird. Zufällige Fehler sind bedingt durch die Schwierigkeit der Be- obachtung. Will man den Beharruneszustand feststellen durch die Un- veränderlichkeit des Gewichtes, so muss man bedenken, dass 1 & Fett rund 10 WE — 4000 mkg geben kann; das sind aber schon 3 9% der Tagesarbeit eines schwer Arbeitenden, während 1 g erst !/zo 000 des mittleren Gewichtes des Arbeiters sind. Ähnlich liegen die Schwierig- keiten, wenn man den Enereieumsatz aus der durch ihn bedingten Änderung des Kohlendioxydgehaltes der Luft bestimmt usw. Der Physiologe muss sehr auf Fehler in seinen Beobachtungen gefasst sein und deshalb deren Verwertung so einrichten, dass die Fehler nicht potenziert werden. Das beachtet er bei seiner Definition des Wirkungsgrades aber nicht. Ich will einmal annehmen, dass die Fehler so klein seien, dass man sie als Differenziale betrachten darf, dann ergibt die Definition (1) für den relativen Fehler den Ausdruck An A0Q m 0 290 K. Schreber: Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine. d. h. der relative Fehler, der im Wirkungsgrad auftritt, ist gleich dem relativen Fehler in der Beobachtung des ©. Mit anderen Worten: ist die zugeführte Wärme auf 1°/o genau beobachtet, so ist auch der berechnete Wirkungsgrad auf 1°%o genau. Aus der Definition 2 dagegen erhält man: AYa _ 9 49 N) d. h. der relative Fehler im Wirkungsgrad ist Q i — ———_ _ mal grösser 0-9)" ° als der im beobachteten Wert von ©. Ich habe oben in der Zahlen- r tafel in der letzten Säule unter = diese Faktoren aufgeschrieben. Man sieht, wie gross sie werden, wenn sich der Bedarf bei Be- lastung nur wenig von dem bei Leerlauf unterscheidet, wie das ja bei der Muskelmaschine stets der Fall ist. In beiden Fällen ist vorausgesetzt, dass nur bei der Beobachtung von @ Fehler gemacht werden. Bedenkt man, dass auch bei der Beobachtung von A und ®, Fehler vorkommen können, so wird die Sache für die Physiologen noch schlimmer. Auch der Vergleich der Kurven 7. und 7'„ zeigt es. Da ich bei meinem Versuch gleich auch noch eine technische Frage zu be- antworten suchte, so waren gleichzeitig so viel Beobachtungen zu machen, dass trotz der geschickten Hilfe, welche mir Herr Dipl.-Ing. Rode in freundlichster Weise zuteil werden liess, die Brennstoff- messungen nicht mit der Sorefalt haben ausgeführt werden können, wie das unter anderen Bedingungen vielleicht möglich gewesen wäre. Wir müssen immerhin mit einem Fehler von !/s %/o rechnen. Ver- vielfachen wir diesen mit den in der letzten Zahlensäule angegebenen Werten, so ist das Streuen der Punkte um die 7/„-Kurve hin- reichend geklärt. In der Kurve der 7. bleibt der Fehler durch- gehend "a °/o; deshalb liegen sämtliche Beobachtungen auf dem Strich. Die Physiologen müssen bei ihrer Definition darauf gefasst sein, dass die von ihnen errechneten Werte des Wirkungsgrades auf 10 % bis 20 °/o falsch sind. Die von verschiedenen Beobachtern gefundenen Werte miteinander vergleichen zu wollen, ist also vollständig über- flüssig. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Quantitative pharmakologische Untersuchungen über die Reflexfunktionen des Rückenmarks an Warmblütern. II. Mitteilunse. Chloroformgehalt des Blutes während der Narkoselaufbewegungen der Katze. Von W. Storm van Leeuwen, Konservator des Institutes. (Mit 2 Textfiguren.) In einer Reihe — seit 1909 erschienener — Arbeiten hat Graham Brown die Bewegungen, welche verschiedene Tiere (Katze, Kaninchen, Meerschweinchen und Taube) in bestimmten Stadien der Narkose machen, einer genauen Analyse unterworfen. Hierbei stellte sich unter anderem heraus, dass im Gegensatz zu anderen Tieren !) Katzen während der Narkose nur Laufbewegungen machen). Diese Laufbewegungen, welche nicht bei jeder Katze während der Narkose auftreten, sondern nur in ca. 50—70°/o der Fälle sich zeigen, bestehen aus rhythmischen Beugungen und Streckungen der Extremitäten. Es bewegen sich hierbei vorwiegend die Hinterbeine, manchmal aber auch die Vorderbeine. Sind die Bewegungen stark, so beobachtet man deutliche Beugungen und Streckungen im Hüft-, l) Tauben machen — nach Graham Brown — während der Narkose Laufbewegungen und Bewegungen mit den Flügeln; Meerschweinchen zeigen vor- wiegend Kratzreflexe, während bei Kaninchen drei Arten von Bewegungen be- obachtet werden, nämlich Kratzreflexe, Lauf- oder Springbewegungen und eine Art Beugereflex. 2) T. Graham Brown, The phenomenon of „Narcosis progression“ in Mammals. Proc. Roy. Soc. B. vol. 86 p. 140. 1913. 399 W. Storm van Leeuwen: Knie- und Fussgelenk; sind sie schwächer, so beschränken sie sich meistens auf rhytbmische Kontraktionen des Museulus tibialis anticus. Manchmal kann man in letzterem Falle die Kontraktionen fast nicht sehen, sondern nur deutlich fühlen, wenn man die Muskeln betastet. Es beteiligen sich an diesen Bewegungen hauptsächlich die Zentren der Flexoren. Denn nach Abtrennung des grössten Teiles der Zentren der Extensoren der Hinterbeine werden die Bewegungen nicht auf- gehoben, und bei graphischer Registrierung isolierter Antagonisten (M. gastroecnemius und M. tibialis antieus) zeigt nur der Flexor Be- wegungen, während der Extensor sich weder verlängert noch verkürzt. Diese Laufbewegungen während der Narkose zeigen dieselben Eigentümliehkeiten der Laufbewegungen, welche nach Dezerebrierung eines Tieres, nach Durchtrennung des Rückenmarks usw. manchmal auftreten. Sie sind meistens alternierend; dieser Rhythmus kann sich aber auch ändern, so dass die Bewegungen der beiden Hinter- beine synchron werden, wobei sich ihre Frequenz steigert. Man beobachtet dann gewissermaassen einen Übergang von Trab in Galopp. Nach Graham Brown’s Erfahrungen tritt das Phänomen der „Narcosis progression“ nur bei einer bestimmten Tiefe der Narkose auf: Manchmal stellen sich hierbei die Bewegungen spontan ein, manchmal kann man sie auch durch kurzdauernde Erstickung des Tieres hervorrufen. Wenn die Narkosebewegungen einmal aufgetreten sind, dauern sie meistens längere Zeit an, aber durch Vertiefen und ebeuso durch Vermindern der Narkose werden sie zum Verschwinden gebracht. Graham Brown gibt in seinen Arbeiten keine zahlenmässigen Angaben über den Chloroformgehalt des Blutes in dem Stadium der Narkose, in welchem die Laufbewegungen auftreten können, nur er- gibt sich aus seinen Untersuchungen, dass „Narcosis progression“ noch in sehr tiefer Narkose stattfinden kann. So hat er z. B., während die Narkoselaufbewegungen im Gang waren, die Dekapitation des Tieres vornehmen und in einem anderen Falle das Rückenmark durchschneiden können, ohne dass die Laufbewegungen aufhörten, und ohne dass das Tier auf diesen Eingriff mit einer Zuckung reagierte. In einem anderen seiner Versuche waren die Laufbewegungen noch vorhanden in einem Stadium der Narkose, wo Reflexbewegsungen am Hinterbein kaum ausgelöst werden konnten. Es muss also in allen diesen Fällen die Narkose verhältnismässig sehr tief gewesen sein. Quantit. pharmakol. Untersuchungen über die Reflexfunktionen etc. 293 Es erschien mir wünschenswert, den Chloroformgehalt des Blutes in diesem Stadium der „Narcosis progression“ zu bestimmen. In meiner ersten Mitteilung!) habe ich eine Tabelle gegeben, in welcher der Chloroformgehalt des Blutes in verschiedenen Stadien der Narkose bei der Katze verzeichnet ist. Es schien interessant, festzustellen, an welcher Stelle sich die Zahlen für die Narkoselaufbewegungen in dieser Tabelle einzeichnen lassen würden. Vor allem aber war es wichtig, zu untersuchen, ob die Narkosebewegungen noch bei einem Chloroformgehalt des Blutes auftreten können, bei welchem nach meinen früheren Untersuchungen die Beugereflexe am Hinterbeine nicht mehr auszulösen sind. Nach den — oben erwähnten — An- gaben Graham Brown’s schien letztere Annahme nicht unmöglich, die auch mit seiner Auffassung von der Natur dieser Narkoselauf- bewegungen in Einklang steht. Um nun den Chloroformgehalt des Blutes im Stadium der Narkose- laufbewegungen bestimmen zu können, wurde in folgender Weise vor- gegangen. Katzen wurden erst mit Chloroform unter der Glasglocke narkoti- siert und die Narkose dann nach der von Meltzer und Auer?) beschriebenen Insufflationsmethode weitergeführt. Die Tiefe der Nar- kose wurde mit Kronecker’schen Schlitzhähnen genau reguliert. Bei verschiedener Narkosetiefe wurde dann versucht, durch kurz- dauernde Erstickung Laufbewegungen auszulösen. Manchmal traten dieselben auch ohne Asphyxie auf. Wenn die Laufbewegungen vor- handen waren, wurde die Narkose entweder vertieft oder vermindert, bis — wie nach den Angaben Graham Brown’s zu erwarten war — die Laufbewegungen verschwanden. Im Augenblicke, wo dieses statt- fand, wurde schnell der Insufflationskatheter entfernt, die Trachea mit einer P&an’schen Klemme abgeklemmt und unmittelbar danach Blut zur chemischen Analyse aus der Karotis entnommen®). In einem Falle (Versuch I) wurde Blut entnommen, während die Laufbewegungen voll entwickelt waren. Bei diesem Verfahren wurde also (mit Ausnahme von Versuch I) entweder die obere oder die untere Grenze des Chloroforin- gehalts des Blutes im Stadium der Narkoselaufkewegungen bestimmt. In einigen Fällen wurden die Laufbewegungen graphisch regi- strier. Es wurde hierbei im wesentlichen die von Graham Brown beschriebene Methode angewendet ®). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 307. 1913. 2) Meltzer and Auer, Journ. of exper. Med.‘vol. 11 p. 622. 1909. 3) Die Bestimmung des Chloroformgehaltes des Blutes geschah nach der in der ersten Mitteilung beschriebenen Nicloux’schen Methode (Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 307. 1913). 4) T. Graham Brown, |. ce. S. 142. 294 W. Storm van Leeuwen: Die Katze wurde mit dem Bauch nach unten auf den ÖOperations- tisch gelegt und unter dem Bauch des Tieres einige Sandsäcke ge- schoben, wodurch das Becken etwas gehoben wurde. Es wurde nun ein Metallstab (parallel mit dem Tisch und in einem rechten Winkel mit der Achse des Tieres) unter den beiden Fussgelenken der Katze angebracht, so dass beide Fussgelenke ca. 5 cm von der Oberfläche des Tisches entfernt waren und sich frei bewegen konnten. Beide Hinter- füsse waren mit Fäden versehen, welche ihre Bewegungen auf zwei Registrierhebel übertrugen. — Fig. 1 gibt ein Kurvenbeispiel einer Reeistrierung der Lauf- bewegungen, welche allmählich durch Vertiefen der Narkose zum Ver- schwinden gebracht werden. | ) N Mn BE. pn echtes Hintenben EN Fig. 1 (auf "/z verkleinert). Versuch III. Katze. Laufbewegungen während Chloroformnarkose. Obere Kurve Bewegungen des linken, untere Kurve Be- wegungen des rechten Hinterbeines. Die Narkose wird allmählich vertieft. Bei a Blutentnahme. Im ganzen kann über sieben gelungene Versuche an Katzen be- richtet werden, bei denen Chloroformbestimmungen im DBlute vor- genommen werden konnten. Die abgekürzten Protokolle dieser Versuche folgen hier. Versuch I. 20. September 1913. Katze. Tiefe Chloroformnarkose nach Meltzer, bis keine Reflexe mehr vorhanden, danach Chloroform ab- gestellt. Während des Aufwachens des Tieres wird ab und zu ver- Quantit. pharmakol. Untersuchungen über die Reflexfunktionen etc. 295 sucht, durch kurzdauernde Erstickung (ca. 30 Sek.) Laufbewegungen auszulösen, Dieses gelingt in einem Stadium, in welchem noch keine Beugereflexe ausgelöst werden können. Entblutung nach temporärer Abklemmung der Trachea. Chloroformgehalt des Blutes: 0,029 /o. In diesem Versuch traten also Laufbewegungen auf in einem Stadium der Narkose, in dem der Beugereflex (der ausser dem Patellar- reflex von allen bei den Katzen untersuchten Extremitätenreflexen bei Vertiefung der Narkose zuletzt verschwindet) nicht auslösbar war. Dementsprechend hatte das Blut auch einen Gehalt an Chloroform, bei dem nach meinen früheren Untersuchungen an der dekaptierten Katze keine Reflexe mehr auslösbar sind und die Narkosestarre ver- schwunden ist. Versuch II. 25. September 1913. Katze. Leichte Chloroformnarkose nach Meltzer (Beugereflex vorhanden). Nun sehr starke Konzentration von Chloroform zugeführt. Trachea während kurzer Zeit abgeklemmt; danach treten Laufbewegungen auf und es wird sofort (unter tempo- rärer Abklemmung der Trachea) Blut zur Analyse aus der Karotis entnommen. Chloroformgehalt des Blutes: 0,036. Nachdem nach !Abstellung des Narkotikums das Tier ‚teilweise aufgewacht ist (Beugereflex vorhanden), wird derselbe Versuch wieder- holt und abermals Blut entnommen. Chloroformgehalt des Blutes: 0,035 %o. In diesem Versuch wurde dem Tiere also sehr schnell eine grosse Menge Chloroform zugeführt. Die Laufbewegungen traten erst in sehr tiefer Narkose auf. Sie waren beide Male schwach und be- schränkten sich im ersten Falle auf rhythmische Kontraktion der M. tib. antiei. Es wurde angenommen, dass in diesem Fälle wohl ungefähr der Höchstgehalt an Chloroform im Blute erreicht war, bei dem die Laufbewesungen noch auftreten können. Um diese Grenze genauer festzustellen, wurde Versuch III angestellt. Versuch III. 24. Oktober 1913. Katze. Chloroformnarkose nach Meltzer. In ziemlich tiefer Narkose (Beugereflex kaum auslösbar) treten alter- nierende Laufbewegungen auf, welche registriert werden. (Fig. 1). Es wird nun die Narkose vertieft, wonach die Bewegungen kleiner werden und allmählich verschwinden. Als sie nicht mehr zu registrieren und kaum noch zu sehen und zu fühlen sind, wird entblutet. Chloroformgehalt des Blutes: 0,036 /o. 295 W. Storm van Leeuwen: Nach Versuch II und III ist also ein Chloroformgehalt des Blutes von ca. 0,036 °/o wohl als der höchste Wert zu betrachten, bei dem (lie Laufbewezungen noch auftreten können. Weil nach den Untersuchungen Graham Brown’s zu er- warten war, dass die Narkosebewegungen nur innerhalb einer ziemlich veringen Breite der Narkose auftreten könnten, so war es interessant, auch den geringsten Chloroformgehalt im Blute zu bestimmen, bei dem die Bewegungen zu beobachten waren. Zu diesem Zwecke wurden Versuch IV und V angestellt. - Versuch IV. 29. Oktober 1913. Katze. Chloroformnarkose nach Meltzer. In ziemlich tiefer Narkose traten Laufbewegungen auf, welche registriert. wurden. Auf Vertiefung der Narkose verschwanden die Bewegungen nach einiger Zeit. Es wurde dann das Chloroform abgestellt, die Be- wegungen kehrten zurück und verschwanden wieder, als das Tier all- mählich mehr aufwachte. Es wurde dann die Narkose wieder vertieft und, als eben wieder Laufbewegungen aufgetreten waren, sofort (nach temporärer Abklemmung der Trachea) entblutet (Fig. 2). Chloroformgehalt des Blutes: 0,024 °/o. In diesem Versuch wurde also, nachdem Laufbewegungen auf- getreten waren, das Tier so tief narkotisiert, bis dieselben ver- schwanden. Nach Abstellen des Chloroforms konnte dann beobachtet werden, wie allmählich das Stadium der Laufbewegungen erreicht und schliesslich überschritten wurde. Durch Vertiefung der Narkose traten dann die Bewegungen wieder auf. Der Chloroformgehalt des Blutes von 0,024°/o gibt einen Wert für die untere Grenze des Stadiums der Narkosebewegungen. Ein ähnlicher Wert wurde in Versuch V bestimmt. Versuch V. 30. Oktober 1913. Katze. Chloroformnarkose. Meltzer-Insuffla- tion mit Chloroform. In mässig tiefer Narkose treten Laufbewegungen auf. Als dieselben gut entwickelt sind, wird das Chloroform abgestellt, und als danach die Laufbewegungen verschwunden sind und einige Spontanbewegungen gemacht werden, wird entblutet. Chloroformgehalt des Blutes: 0,019 %o. Aus den Versuchen I—V ergibt sich also, dass die Laufbewegungen bei der Katze in einem Stadium der Narkose auftreten können, in dem der Chloroformgehalt des Blutes ca. 0,019—0,036 °/o beträgt. Bezüglich dieser Zahlen ist noch zu bemerken, dass beide Werte etwas zu niedrig sein dürften, denn der höchste Wert ist bestimmt, als die Quantit. pharmakol. Untersuchungen über die Reflexfunktionen etc. 297 Bewegungen bei stets tiefer werdender Narkose eben nicht mehr zu registrieren, wohl aber noch zu fühlen waren, und der niedrigste Wert, als dieselben nach Abstellen der Narkose schon verschwunden waren. Schliesslich sei noch be- merkt, dass das Stadium der Narkoselaufbewegungen sich wohl nicht bei jedem Tier zu einer Breite von 0,019—0,036 °/o ausdehnen wird; es ist nur die obere und untere Grenze be- stimmt, innerhalb welcher bei Katzen im allgemeinen Narkoselaufbewegungen auftreten können. Als die obengeschilder- ten Versuche im Gange waren, wurde einige Male bei Katzen, welche austiefer Narkose wieder aufwachten, beobachtet, dass während dieses Aufwachens zwei Stadien von Narkoselauf- bewegungen passiert wur- den. Bei einem von diesen Tieren waren die Lauf- bewegungen registriert wor- den und nach Abstellen des Chloroforıns wieder ver- schwunden. Es wurde dann der Versuch abgebrochen und das Tier auf den Boden gelest. Nachdem es hier während einiger Zeit ruhig gelegen hatte, traten wieder sehr deutliche Laufbewe- Fig. 2 (auf ?/s verkleinert). Versuch IV. Katze. Laufbewegungen während Chloroformnarkose. Obere Kurve linkes Hinterbein, untere Kurve rechtes Hinterbein. Bei a sind synchrone Punkte bestimmt. Die Chloroformnarkose war anfangs leicht und wurde im Laufe des Ver- suchs allmählich vertieft. Bei b treten Lauf- bewegungen auf, bei e wird entblutet. 298 W. Storm van Leeuwen: Quantit. pharmakol. Untersuchungen etc. sungen in allen vier Extremitäten auf, die ziemlich lange dauerten und erst aufhörten als das Tier die ersten Versuche machte, sich aufzurichten. Nach diesen Beobachtungen wurde bei einer Katze, welche in leichter Narkose Laufbewegungen zeigte, Blut entnommen. Wie zu erwarten war, war der Chloroformgehalt niedrig; er betrug nämlich 0,013 %. | Schlussfolgerungen. 1. Die von Graham Brown analysierten Laufbewegungen während der Narkose können bei Katzen in zwei verschiedenen Stadien auftreten, nämlich in ganz leichter und in tiefer Narkose. 2. Bei einigen Katzen wurde während des Aufwachens aus tiefer Chloroformnarkose beobachtet, wie beide Stadien passiert wurden. 3. Der Chloroformgehalt des Blutes im Stadium der leichten Narkose wurde einmal bestimmt und betrug 0,013. 4. Für den Chloroformgehalt des Blutes im Stadium der tiefen Narkose wurde als untere Grenze 0,019 und als obere Grenze 0,036 °/o gefunden. 5. Die Laufbewegungen können also auftreten in einem Stadium der Narkose, in dem sonst nach meinen früheren Untersuchungen gar keine Reflexe mehr auslösbar sind und auch die Narkosestarre verschwunden ist. 299 (Aus dem Institut für physik.-chem. Biologie der Universität Bern.) Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. ] Vorläufige Mitteilung. Von Gertrud Woker und Sophie Pecker. (Mit 6 Textfiguren.) Im folgenden sei in kurzen Zügen eine Reihe von Beobachtungen mitgeteilt, welche wir seit dem Wintersemester 1912/13 an Colpoden und deren Cysten unter dem Einfluss von Blutserum wahrnehmen konnten. Die Veranlassung zu dieser Arbeit, deren Ergebnisse ein- gehend in der Inaugural-Dissertation der einen von uns (Pecker) dargelegt werden, bildete eine zufällige Beobachtung. Es sollte der Einfluss zur Untersuchung gelangen, den Zusätze auf die Giftwirkung des Arsens gegenüber Colpoden auszuüben vermögen. Hierbei wurden auch Versuche mit Salvarsan angestellt, und da diese Verbindung bekanntlich erst im Organismus die oxydative Veränderung erleidet, die zu der wirksamen Substanz führt, so liessen wir das für sich allein auch gegenüber den Colpoden nur sehr wenig giftige Salvarsan zuerst gemeinsam mit Blutserum auf unsere in der gewöhnlichen Weise mit sterilem Heuinfus angelesten Einzelkulturen !) einwirken. Auch diese Gemische erwiesen sich als nahezu ungiftig?) gegenüber den beweglichen Zellen; nur in stärkeren Konzentrationen (}/ıo normal) zeigten die letzteren ein Verhalten, das eine gewisse Ähnlichkeit mit den von Sophie Bichniewiez!) beim Eisenehlorid beschriebenen 1) Über deren Herstellung siehe z. B. Bichniewicz,' Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 15 S. 135. Inaug.-Diss. Bern 1913. 2) Aktivierungsversuche mit der „Pseudoperoxydase“ des Blutfarbstoffs gegen- über Salvarsan haben wir nicht angestellt. 300 Gertrud Woker und Sophie Pecker: aufweist. Die Tiere verloren ihre Beweglichkeit, doch schien ihre Veränderung äusserer Art zu sein, bedingt durch einen kolloidalen Fällunesvorgang in der Umgebung der Zellen, durch den diese iu ein zähes Medium eingelagert wurden. Mit «der Zeit vermochte sich jedoch eine geringere oder grössere Zahl der Tiere zu befreien. Dieselben erschienen vollkommen normal. Dagegen fiel es der einen von uns (Pecker) auf, dass die Cysten in Medien von der er- wähnten Zusammensetzung eine Veränderung zeieten, die in ihrem eewöhnlichen Substrat, dem Heuinfus, niemals beobachtet werden konnte. Diese Veränderung bestand darin, dass statt der normalen drei- bzw. vierteiligen Teilungseyste, bei der die Teilstücke der Wandung anliegen, der Cysteninhalt in einer oder mehreren Portionen als von der sich allmählich desorganisierenden Cystenmembran losgelöste Kugel erschien, wie dies Fig. 2b c und e zur Darstellung bringt. An dieser „kapselförmigen“ !) Umbildung der Cysten war jedoch das Salvarsan unbeteiligt. Vergleichsversuche mit Serum-Heuinfusgemischen allein liessen genau dieselben Veränderungen erkennen, und dies schien uns wichtig genug, dem Einfluss des Serums gegenüber Colpoden und deren Cysten nachzugehen. Zunächst versuchten wir, den Effekt des Serums durch Verwendung höherer Serumkonzentrationen zu steigern. Dabei musste jedoch schrittweise vorgegangen werden, da sich die Colpoden nur allmählich dem fıiemden Medium anzupassen vermöscen. Wurden normale Heuinfustiere unvermittelt in eine Mischung von !/s Serum plus ?/s Heuinfus versetzt, so gingen sie zugrunde. Dagegen gediehen sie in einem Gemisch von !/s Serum plus ®/s Heuinfus eher besser als in Heuinfus allein. Aus dieser Mischung wurden die Tiere in eine Umgebung versetzt, die aus 1/3 Serum und ?/s Hezinfus bestand und, je nach dem Verhalten der Colpoden, am nächsten oder nachnächsten Tag auf ein noch serumreicheres Gemisch übergeimpft. In dieser Weise wurde je nach den Umständen rascher oder langsamer mit Pausen und Zurück- impfungen auf geringere Serumkonzentrationen, wenn der Zustand der Colpoden dies erforderte, vorgeschritten, und in ca. 6 Wochen gelang es so, aus einem gewöhnlichen Heuinfusstamm einen voll- kommen serumfesten Colpodenstamm heranzuziehen. 1) Eine Scheinkapsel, wie sie bei Bakterien in eintrocknenden, eiweiss- haltigen Medien häufig beobachtet wird (A. Fischer), kann hier nicht in Frage kommen, da reine Salzlösungen die nämliche Veränderung ergeben (siehe die folgende Arbeit). Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. 301 Mit dieser Gewöhnung der Colpoden an Serum war zugleich ein Ziel erreicht, an das wohl zuerst S. Bichniewiez ge- dacht hat. Auch eröffnete sich hier eine Fülle neuer Perspektiven: Sind serumfeste Colpoden indifferent gegenüber dem Organismus von dem das Serum stammt, oder sind, als Gegenstück zu der Virulenzeinbusse, die pathogene Bakterien bei saprophytischer Lebens- weise erleiden, die Umwandlungen der Tiere bei dieser Gewöhnung gleichbedeutend mit dem Übergang in eine tierpathogene Form? Geht den gleich zu erörternden, sehr weitreichenden morpho- logischen Umwandlungen eine innere Veränderung -— eine Variierung des arteigenen Eiweisses — parallel, deren Folge wäre, dass bei der Einführung von Heuinfuscolpoden und Serumecolpoden in die Blut- bahn eines Kaninchens die gegen das Colpodeneiweiss in beiden Fällen spezifisch sich einstellenden Antifermente verschieden wären? Eine solche Verschiedenheit müsste sich durch irgendeine der be- kannten auf Proteolyse basierenden Immunkörperreaktionen nach- weisen lassen, sei es durch die wie die schon in neutraler Lösung sich vollziehende erste Phase der Pepsinwirkung, — der Lab- effekt — nur an eine Komponente gebundene Präzipitation und Agglutination oder durch die an Ferment und Aktivator bzw. „Komplement“ und „Ambozeptor“ gebundenen, einer tiefer greifenden Spaltung entsprechenden Immunkörperreaktionen, wie sie direkt durch die „Lyse* und damit die „Cidie® (Much) der ein- dringenden Infusorien oder indirekt durch Opsoninwirkung, Über- empfindlichkeit, Komplementablenkung und Meiostagminreaktion (J. Traube, Ascoli und Izar) in die Erscheinung treten. Leider war es uns bisher nicht möglich, eine dieser interessanten Fragen zu beantworten, da die Umgewöhnung der Colpoden vom Menschen- serum an das Serum eines Kaninchens, mit dem die weiteren Ver- suche angestellt werden sollten, auf Schwierigkeiten stiess. Wir ge- langten hier nur zu einer sicheren Gewöhnung an das Gemisch ?/ıo Serum plus "/ıo Heuinfus, eine Grenze, die wir bei Menschen- serum auch nur dann überschreiten konnten, wenn die Gewöhnung mit Serum derselben Person durchgeführt wurde. Sobald die In- dividualität des Serums variierte und namentlich, wenn pathologisch veränderte Sera zur Anwendung kamen, erfolgte die Anpassung aus begreiflichen Gründen viel schwerer und unvollständig. Dagegen wurden in allen Fällen, gleichviel ob normale oder anormale Menschen- sera oder Kaninchensera als Medium dienten, die nämlichen morpho- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 20 302 Gertrud Woker und Sophie Pecker: logischen Veränderungen erzielt, und zwar waren dieselben am auf- fallendsten nicht in den stärksten Konzentrationen oder in -Normal- serum, sondern in den Gemischen, die ®/—*;s Serum enthielten. Es könnte dies mit der Zeitdauer der Serumwirkung zusammenhängen in der Weise, dass mit der mehr und mehr zunehmenden Anpassung an das fremde Medium auch der zu den abnormen Formen führende .O@80O0® @0098 98% DD & Fig. 1. In a, b, ce und d heben sich von dem dunkler erscheinenden, ungeteilten oder geteilten Cysteninhalt bei der Mehrzahl der Objekte hellere, scharf um- grenzte Partien ab, in denen bisweilen, wie in der zu äusserst rechts befindlichen Abbildung von a, dunkle Einschlüsse auftreten. In e erscheinen links zwei dunklere „Sporen“ mit hellen, vakuolenartigen Gebilden auf durchsichtigem „Kapsel“grund, rechts zwei ungleich grosse Einschlüsse, von denen sich der grosse dunklere vom durchsichtigen „Kapsel“grund abhebt. Reiz von seiten des oder der in Frage kommenden wirksamen Serum- bestandteile nur mehr abgeschwächt in die Erscheinung tritt. Es kann sich aber auch bei eben dieser Reizwirkung um optimale Kon- zentrationen der betreffenden Stoffe handeln; zeigen doch sehr viele biologische Erscheinungen ein derartiges Wirkungsoptimum. Was nun diese Veränderungen betrifft, so beziehen sie sich sowohl auf die beweglichen Tiere wie auf deren Cysten, und zwar scheinen so- wohl die Teilungseysten wie die Dauereysten in Mitleidenschaft ge- Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. 303 zogen zu sein. Die Veränderungen der erstgenannten geben die Fig. 1, 2 und 3 wieder. In Fig. 1 stellt die Reihe « die Veränderungen dar, die nach fünftägigem Verweilen in einer Serumkonzentration "/s (2/3) Heuinfus erhalten wurde. Die Reihe 5b gibt die Formen wieder, die nach viertägigem Verweilen in einer Serumkonzentration ?/3 beobachtet wurden. c und d stellen Formen dar, die in Gemischen von */s Serum und !/s Heuinfus nach 6—8 Tagen erhalten wurden. e Fig. 2. Die Figuren a—e geben dunklere, sporenartige Gebilde in durchsichtiger „Kapsel“ liegend wieder. In a zeigt die eine „Spore“ eine helle, vakuolenartige Partie. In Fig. 2 ist die Änderung der Teilungseysten bei zwei- bis vier- tägigen Kulturen wiedergegeben. a in Ys Serum 3» le „ Is, ®/a und *s Serum. Fig. 3 zeigt eine Reihe zum Teil selten beobachteter Um- wandlungen in verschiedenen Serumkonzentrationen und nach un- gleich langem Verweilen in den betreffenden Gemischen '). «a konnte nach 10 Tagen in der Serumkonzentration *s5s, 5 nach 2 Tagen in wa. Dub go SN 1) Die hier angegebenen Konzentrationen und Zeiten haben jedoch nur für die betreffenden Versuche Gültigkeit; sie ändern sich mit den inneren und äusseren Bedingungen. 20 * 304 Gertrud Woker und Sophie Pecker: 5 Fig. 3. a—-g gleich wie unter Fig. 1. f Fig. 4 a—c amöboid veränderte Colpoden mit hellen, scharfabgegrenzten inneren Partien. der Serumkonzentration ®/s, c nach 5 Tagen im Serumgemisch ?/s d nach 6 Tagen in ?/s und e nach 3—4 Tagen in der Serumkonzen- tration ®/4 beobachtet werden. Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. 305 Fig. 4 zeigt die amöboide Veränderung der beweglichen Colpoden- zelle. Diese Veränderungen sind nicht so häufig und regelmässig wie diejenigen der Cysten, die auf den Mediumwechsel prompt mit den einen oder andern der angegebenen Veränderungen reagieren, wenigstens unter unsern Versuchsbedingungen, wenn die Colpoden in einer feuchten Kammer in offenen Uhrschälchen gezüchtet werden. Doch zeigen namentlich im Konzentrationsintervall ?/—?/s auch die beweglichen Zellen oft sehr bemerkenswerte Veränderungen. Die Colpoden verlieren dann ihren in den Einzellkulturen beobachteten charakteristischen Habitus.. Ihre Form wird unregelmässig. Sie stülpen Fortsätze aus, und die Bewegung wird kriechend amöboid. Leider konnten weder die Teiluneseysten noch die normalen und veränderten Colpoden nach der Burri’schen Methode mit Tusche oder mittels Gelatine in eine für die Mikrophotographie geeignete Form gebracht werden, da die sehr empfindlichen Objekte bei den Fixierungsprozeduren schrumpften. Dagegen konnten die Dauereysten, an welchen im Serum eben- falls Veränderungen wahrzunehmen sind, photographiert werden. Wie aus der beifolgenden Reproduktion, der die von Herrn Dr. Staub, Assistent an der Schweizer Milchwirtschaftl. Versuchsstation in Bern, freundlichst aufgenommenen Photographieen (s. Fig. 5) eines nor- male und veränderte Dauercysten enthaltenden Präparates als Vor- lage dienten, hervorgeht, treten in den veränderten Cysten In- homogenitäten auf; sie erwecken den Eindruck, als ob auch hier eine Kontraktion des protoplasmatischen Inhalts, die zur Bildung einer Endospore führt, stattgefunden habe, und häufig tritt in solchen „endosporenartigen“ Gebilden nochmals ein Einschluss von anderer Liehtdurchlässigkeit auf, wie dies übrigens auch bei veränderten Teilungseysten (s. Fig. 1, letzte Figur der Reihe a) der Fall ist. Die normalen Dauereysten zeigen dagegen keinerlei Anzeichen einer solchen Veränderung. Sie erscheinen vollständig homogen. Es fragt sich nun, wie lassen sich diese eigenartigen Um- wandlungen deuten, die eine Fülle der verschiedensten im Tier- und Pflanzenreich beobachteten Fortpflanzungsformen in sich zu ver- einigen scheinen ? Am naheliegendsten ist es, die Ursache der Erscheinung in einem plasmolytischen Vorgang!) zu suchen. Das salzreiche Aussen- 1) Über den Einfluss von Blutserum auf Milzbrandbazillen und dadurch bewirkte Plasmolyse siehe die Literatur in der Dissertation von S. Pecker. Gertrud Woker und Sophie Pecker 306 ‘(joyanp ‘usSowoy) snpqer woeu -I0OU UOA USA UOA [EZIOPULN au] "Sessepya.npygdt ornquaysAy uajyunp dap pun wesoIp UOy9SIAZ -SSufgosumy „westeuetodsopua“ ‘wopyunp Jr “JıoLanyuon Jaeyos “419PuBI9A US4SÄN a9p aauawydner] :SYuIf ANOLq -uojadme „unrodsopug“ up ur gone uafleMsIq aypjos IM ‘oryıed aosıLgusjongeA ‘aaffoy ur 94847) oumy „uarodg“ uopyunp ToMmz pun um yıu woIsAn oıapumaoı ‘uoJsAg Hfewıou pun HOPURIoA : u9FI9AyS[Oy IN "u9Jskg AolIapueıaA [yezuy aury SOpfIg SOp TIeL uadagqo u “([INunp ‘uaSowoy) Surgery wofeLu -[0U UOA uoJsAy Aop Hduaundney :sI01 ANDLT Sundopurıo‘\ Op uaIpeIg UAUSPATYOS.THA UL uaanyıny -u9podjosumaag sne uaJsAdaaneq ‘arg Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. 307 medium bedingt die mehr oder weniger weitgehende Kontraktion des protoplasmatischen Inhalts, die Ablösung von der Cystenhülle, die wie eine Kapsel den zu einem einzigen Ballen zusammenfliessenden oder in den ursprünglichen Portionen verbleibenden Cysteninhalt um- schliesst. So könnten Formen wie in Fig. 2 a, db, c und e, sowie die Formen der Reihe «a und die zweite Form der Reihe c in Fig. 1 entstehen. Durch noch weitergehende Kontraktion wäre es denkbar, dass Formen wie das erste Bild der Reihe 5 von Fig. 1 gebildet würden. Formen wie Fig. 1 c,d und Fig. 2 d könnten Folgen eines stattgefundenen Übergangs der Kugelgestalt in eine ellipsoidische Gestalt der Cyste sein, wobei eine Ablösung des protoplasmatischen Inhalts von der Wand gleichzeitig vor sich gehen kann oder nicht. Findet mit der Ablösung von der Cystenhülle zugleich eine Teilung der sich kontrahierenden Portionen statt wie in der untersten Reihe der Fig. 3, so kommt es zur Bildung einer Sporoeyste, deren Vor- kommen bei den Colpoden schon Rhumbler!) angegeben hat. Trotzdem Bütschli?) dieser Beobachtung Rhumbler’s kritisch gegenübersteht, wissen wir nicht, welch andere Deutung wir verschiedenen unserer Beobachtungen beilegen sollen. Was das ebenfalls von Rhumbler behauptete Amöboflagellatenstadium be- trifft, so können wir nur so viel sagen, dass wir zwar das Auftreten und Wiederverschwinden von Flagellaten wie auch der vorhin .er- wähnten amöboiden Formen in unseren Kulturen beobachten konnten, ohne dass es uns jedoch gelungen wäre, kontinuierliche Entwicklungs- stadien festzuhalten. Auch haben wir abnorme Colpoden ebensowenig wie abnorme Cysten in Heuinfuseinzellkulturen erhalten®). Dass die Entstehung der Flagellaten mit bestimmten Vorgängen in den Colpoden- eysten innerlich verknüpft ist, so mit der Funktion intermediär auf- tretender, mit Teilungsvorgängen in Zusammenhang stehender 1) Rhumbler, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 46 S. 573. 1888. 2) Bütschli, Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs Bd. 1 Abt. 3. 1887. 8) Allerdings wäre hier die Frage aufzuwerfen, ob nicht vielleicht die Ver- suchsbedingungen Rhumbler’s keine ganz normalen gewesen sind. Da ganz analoge Veränderungen der Cysten, wie wir sie im Blutserum beobachten konnten, (siehe die folgende Publikation der einen von uns), auch unter anderem von Natriumkarbonatlösungen erhalten werden können, so liegt es nahe, an eine Beteiligung des Alkalis des Glases bei den Versuchen Rhumbler’s zu denken. 308 Gertrud Woker und Sophie Pecker: pulsierender Gebilde!) und mit den schon erwähnten sekundären Einschlüssen in den „Sporen“, dafür scheinen uns immerhin einzelne unserer Beobachtungen zu sprechen. Doch sind diese letzteren so eigenartig, dass wir sie nieht an dieser Stelle ohne eingehendes Skizzenmaterial wiedergeben möchten. Gegen die Annahme einer Plasmolyse bei den von uns be- obachteten Erscheinungen kann kaum die Lebensfähigkeit der Cysten oder der daraus hervorgehenden Teilstücke ins Feld geführt werden, da die Cysten zweifellos besonders resistent gegen plasmolytische wie andere Eingriffe sind. Die Lebensfähigkeit der veränderten Cysten liess sich direkt folgendermaassen erweisen: Von den anormalen Cysten, die sich in einem Schälchen fanden, das nur solehe amöboide Formen von Colpoden enthalten hatte, wurde eine der Fig. 2, e ähnelnde, ge o BR ee a © Fig. 6. Saccharomyces cerevisiae (sporenbildend) nach Hansen (aus König, Untersuch. landwirtsch. und gewerbl. wichtiger Stoffe, 3. Aufl. 1906, 4. Aufl. 1911). aber mit grösserer „Endospore“ isoliert und in reines Heuinfus über- tragen. Es entwickelten sich daraus normale Colpoden, die sich wieder encystierten, teils normal, teils anormal, und diese Cysten wiederum lieferten eine Colpodengeneration, die bei einem Teil der Individuen einen Rückschlag zur amöboiden Form ergab. Will man die Plasmolyse als Ursache der beobachteten Form- änderung gelten lassen, so würde die weitere Frage gestellt werden können, ob nicht allgemein der Fortpflanzungsmodus primitiver Lebe- 1) Dass pulsierende Gebilde Teilungsvorgänge im Protoplasma bedingen können, ist aus den hydrodynamischen Untersuchungen von Bjerknes (Vor- lesungen über hydrodynamische Fernkräfte. Leipzig 1902) verständlich. Es hat daher die eine von uns (Woker) schon vor längerer Zeit die Kernteilung nach einem solchen Modus zu erklären versucht. Über den Einfluss des Blutserums auf Colpoden und deren Cysten. 309 wesen durch diesen Umstand bestimmt würde, und ob nicht durch einen Mediumwechsel diese oder jene Fortpflanzungsform einem Organismus aufgezwungen werden kann, womit dann vielleicht auch die Art eine Veränderung erfahren könnte. Erinnert sei hier nur an die äusserst interessanten Versuche von Dunbar!), der angibt, dass er unter allen Kautelen der Asepsis aus der Petronellaalge Hefe, Bazillen, Coccen, Spirillen und Schimmel in Reinkultur ge- züchtet habe. Die auffallende Ähnlichkeit unserer Bilder mit ver- schiedenen derjenigen von Dunbar würde sich vielleicht dadurch erklären, dass in beiden Fällen die Bedingungen für eine Plasmolyse gegeben waren. Ganz besonders tritt die Analogie dort hervor, wo Dun- bar eine Hefebildung konstatiert hat. Es zeigt dies auch ein direkter Vergleich mit den gewöhnlichen Formen von sporenbildendem Saccharo- myces cerevisiae (s. Fig. 6) sowie die Berücksichtigung der eigen- artigen von uns vereinzelt beobachteten Sprossformen von Colpoden- eysten im Moment des Ausschlüpfens der jungen Tiere (s. Fig. 3 9). Mit Rücksicht auf diese äussere Ähnlichkeit und auf die Befunde von Dunbar haben wir einen Vergleich mit Saecharomyces cerevisiae (aus Presshefe), den wir in Heuinfus und Serum unter gleichen Bedingungen wie die Colpoden züchteten, angestellt. Die in beiden Nährmedien, besonders aber im Serum (wohl in- folge des Phosphatgehaltes) prächtig gedeihende Hefe ergab jedoch ein völlig anderes Bild, als es unsere Serumcolpodeneysten darboten. Es ist damit auch der mögliche Einwand, dass bei unseren Versuchen eine Infektion (und zwar eine regelmässig bei über 50 verschiedenen Seris sich wiederholende) der Kultur mit Hefe stattgefunden haben könnte, völlig ausgeschlossen. Es war dies allerdings schon aus dem Grund höchst unwahrscheinlich, weil das Auftreten anormaler, der sporenbildenden Hefe ähnlicher Formen immer nur im Serum zu be- obachten war, während die daneben befindlichen Heuinfuskontrollen von solchen Formen freiblieben. Mit dem Nachweis, dass Hefe auch auf Heuinfus allein gedeiht, war dann auch ein weiteres Argument für die etwaige Annahme einer einseitigen Infektion der Serum- schälchen gefallen. Auch um irgendeine andere Fremdinfektion kann es sich nicht handeln, da ausser Dunbar’s Petronellaalge kein l) Dunbar, Zur Frage der Stellung der Bakterien, Hefe und Schimmel- pilze im System. München und Berlin 1907. Siehe insbesondere Taf. I und IV seiner Abhandlung. 310 Gertrud Woker und Sophie Pecker: anderer Organismus auf der ganzen Linie ähnliche Formen zeigt. Zudem wurde mit peinlichster Sorgfalt gearbeitet. Mehr als zehn- mal wurde vor der Verwendung einer Kultur zu unsern Versuchen aus der schon völlig reinen Einzellkultur mittelst der ausgeglühten Platinöse Material auf 3 Stunden lang gekochtes Heuinfus über- geimpft. Endlich zeigen auch die Rückschläge zu normalen Formen in Schälehen, die veränderte Colpoden und Cysten enthielten, dass sich die von uns beobachteten merkwürdigen Formen nicht auf eine Fremdinfektion zurückführen lassen. Es braucht wohl nieht besonders betont zu werden, dass beständig Heuinfuskontrollen nebenher an- gesetzt wurden, und, wie gesagt, konnte in denselben niemals die geringste Abnormität oder auch das Auftreten fremder Organismen beobachtet werden, auch dann nicht, als ein durch Eindampfen stark konzentriertes Infus zur Verwendung kam. Mit den morphologischen Veränderungen gehen auch physio- logische Hand in Hand, die nieht minder eigenartig sind. Ein während drei Semestern im Laboratorium gehaltener Einzelleolpoden- stamm, der während dieser Zeit niemals die geringste Neigung zur Konjugation gezeigt hatte, erlangte plötzlich (vielleicht infolge der Differenzierung der Colpoden in der neuen Umgebung) diese Fähig- keit, als dem Heuinfus Serum beigemischt wurde, und es blieb diese Konjugationsfähigkeit auch nach der Rückübertragung auf reines Heu- infus erhalten, wenigstens während einer gewissen Zeit. Die sexuelle Fortpflanzung ist im übrigen geradeso wie die asexuelle Anomalien unterworfen. Mehrmals konstatierten wir die Vereinigung von vier Colpoden, indem je zwei Zellpaare nochmals zusammen verschmolzen. Das Endresultat der Umwandlung war eine Sporocyste. In bezug auf alle Einzelheiten sowie auf einen Versuch zur Er- klärung des Auftretens amöboider Colpodenformen und des mit der Zellveränderung wahrscheinlich innerlich verknüpften Auftretens von Konjugationen, sei auf die Dissertation von Sophie Pecker ver- wiesen, in der sich auch das weitere Material für die Frage des Dimorphismus bei den Colpoden findet, — ein Dimorphismus, der vielleicht mit der Tatsache in Zusammenhang steht, dass die grosse, als Colpidium Colpoda beschriebene Form nach Bütschli keine Cysten zu bilden vermag, während die erhaltenen Cysten der kleinen, durch die ausgeprägte Einstülpung ausgezeichneten, als Colpoda Cueullus beschriebenen Form zugehören. Eine eystenlose Form, der demnach die Möglichkeit fehlt, sich unter ungünstigen Über den Einfluss des Biutserums auf Colpoden und deren Cysten. 311 Bedingungen durch einen resistenten Dauerzustand am Leben zu erhalten, würde aber überhaupt nicht dauernd lebensfähig sein, wenn ihr nicht die Möglichkeit des Umschlags in eine cysten- bildende Form gegeben wäre. Es gibt dies vielleicht einen Anhalts- punkt, um bei allen bisher als eystenlos bekannten Infusorien, z. B. den Paramäcien, ebenfalls mit Hilfe der Einzellkultur, die allein sicheren Aufschluss über derartige morphologische Wandlungen zu geben vermag, nach einer zugehörigen dimorphen, cystenführenden Form zu suchen. Zum Schluss sei noch auf die folgende Publikation verwiesen, in der die eine von uns über Versuche von R. Galina referiert, die mit den einzelnen Serumsalzen zu dem Zweck angestellt worden sind, um den die Veränderung bedingenden Bestandteil des Serums herauszufinden. Die Beschreibung der Wirkung eines Salzgemisches, das demjenigen des Serums bekanntlich ausserordentlich nahe kommt, dem Salzgemisch, wie es im Meerwasser vorliegt, steht noch aus. 312 Gertrud Woker: (Aus dem Laboratorium für physik.-chem. Biologie der Universität Bern.) Über den Einfluss von Salzlösungen auf Colpodencysten. Von Gertrud Woker. (Mit 1 Textfigur.) In der dieser vorangegangenen vorläufigen Mitteilung habe ich gemeinsam mit S. Pecker über den Einfluss von Blutserum auf Colpoden und deren Oysten berichtet. Es war nun interessant, zu prüfen, ob dieser Einfluss an einen bestimmten Serumbestandteil gebunden sei oder ob mehrere Serumkomponenten bzw. das Serum als solches die Veränderung bedingen. Zur Untersuchung gelangte der Einfluss der folgenden Salze: Natriumkarbonat, Natriumbikarbonat, Natriumbiphosphat, Natrium- phosphat und Kochsalz in verschiedenen Verdünnungen bei zwei Col- podenstämmen ungleicher Herkunft und bei nicht ganz gleicher Arbeitsweise. Bei dem einen Stamm wurden 0,05 cem der Salzverdün- nung mit 0,05 eem Kultur auf dem Objektträger gemischt. Tötete die betreffende Salzkonzentration, so musste der Versuch mit einer halb so starken Verdünnung wiederholt werden usf., bis eine Konzen- tration erreicht war, in der eine Anzahl Tiere mindestens einen Tag überlebten. Diese wurden dann in eine entsprechende Mischung von !/o cem Heuinfus und !/s cem der nämlichen Salzverdünnung — in einzelnen Fällen auch in geringere Mengen einer hälftigen Mischung — übergeimpft und sich selbst überlassen, bis die Kultur in dem Gemisch eine reichliche Entwicklung zeigte. Hierauf wurden mehrere Ösen dieser Kultur in eine Mischung übergesetzt, die aus 0,6 cem der Salzverdünnung und 0,4 cem Heuinfus bestand, und nachdem sich die Colpoden in diesem Gemisch gut entwickelt hatten, eine weitere Überimpfung auf eine Mischung vorgenommen, in der von neuem !/ıo cem Heuinfus (eventuell auch mehr) durch "/ıo eem (oder Über den Einfluss von Salzlösungen auf Colpodencysten. 313 die entsprechend grössere Quantität) der Salzlösung ersetzt war. In dieser Weise wurde fortgefahren, bis sich die Tiere auch an die reine Salzlösung so weit gewöhnt hatten, dass sie, allerdings bei stark ‘reduzierter Entwicklung je nach der Natur des Salzes mehr oder weniger lange Zeit überlebten. Bei dem zweiten Stamm kam eine konzentriertere, wässerige - Stammlösung des Salzes in Anwendung, aber statt 0,05 cem derselben wurde nur 0,01 oder 0,02 cem mit Heuinfus auf 0,1 ccm gebracht. Falls die Colpoden den Vorversuch auf dem Öbjektträger überlebten, wurde so wie vorhin angegeben, eine Überimpfung dieser Tiere in das im Uhrschälchen hergestellte Gemisch von 0,1 resp. 0,2 cem der nämlichen Salzverdünnung und 0,9 resp. 0,8 cem Heuinfus vor- genommen und von der in dieser Mischung gezüchteten Kultur aus- gehend die Tiere gleich wie bei der ersten Methode an steigende Salzkonzentrationen gewöhnt, indem bei jeder folgenden Überimpfung 0,1 ecem Heuinfus durch 0,1 ccm der Salzlösung ersetzt worden sind. Die Veränderungen, welche bei diesen Gewöhnungsversuchen — zwar nur zum geringsten Teil an den Colpoden selbst wie bei den in der vorangegangenen Arbeit besprochenen Versuchen (Woker und Pecker) mit Blutserum — sehr häufig dagegen bei den Colpoden- eysten beobachtet werden konnten, seien in der tabellarischen Zu- sammenstellung auf S. 314, 315 und 316 angegeben. Die tabellarische Übersicht der von R. Galina erhaltenen Ver- suchsresultate lässt erkennen: 1. Die Veränderungen der Colpodeneysten, welche das Blutserum “ hervorzurufen vermag, sind nicht eine besondere Wirkung des Serums als solches, sondern sie werden bedingt durch die Serumsalze. Die Kapselbildungen tragen demnach nicht den Charakter von „Pseudo- kapseln“ (A. Fischer) wie sie bei zahlreichen Bakterien als Folge einer Loslösung des schrumpfenden Bakteriums vom eiweisshaltigen Medium beim Eintrocknen konstatiert werden können. 2. Nicht ein bestimmtes Serumsalz, sondern alle scheinen zum Hervorrufen von Cystenveränderungen befähigt. Es handelt sich also offenbar um eine generelle Salzwirkung, die nach der in der vorher- gehenden Arbeit geäusserten Ansicht als eine plasmolytische zu be- trachten ist. Je nachdem sich der Einfluss der hypertonischen Salz- lösung an Cysten geltend macht, deren Inhalt noch ungeteilt ist, oder an solchen, deren Inhalt in Zwei-, Drei- oder Vierteilung be- griffen ist, schrumpft der protoplasmatische Cysteninhalt zu einem Gertrud Woker uassn]gdsug „uaarIeuaIods -Oopu9“ uaua]y'n u9pum uoyzyıds snyup waaz0 + -95nZ UL 9ISÄ) au1ofy oyLoJyoIWwMZ | F so u £'0 (Taogay adtıoA og 'n 208 Ss me / oyry g "Org ‘9 pun 9 ‘9 ‘317 pun » ayroy 1 'S14°S)Uu9ssg.19 pun u9dungaser] u94su9PaLUaS.IaA U9p Ur „u9lodg“ 19MZz pun ud Im uosunpjigfesdey € ‘op [«oqzy 031104 gog n <08 'S ME q ayıog [ 'SLd OIMoS ‘“dpun9 ‘gz ‘Sy 's] 39849 19]19983 -IOAMZ pun „uoerods“ Toıp pun snyupwyacy + T9MZ ‘uro Im uodunpjrq,josdey“ | 97 | ‘so un co ssnyasummg Josııaeaap uro ol uayonJs[raf, uopIoq ur y9Is purer -9q puemapıoyag auyo pun Hu u94sAg U9UHFLISEN FSUnJlepoMmZz ur I9MZ I9g, "UOSSNIUISUIT „uod snyup u Z0-+ -nIeu91odsopua“ uSNSB1dessnEe ‚so u 20 |Jeuoqrentg 4.1698 191UOM Iopo your uagsÄg | GC 0% -UINLIYeN „gaodsopunf“ snpup woaco + u9lsiy 9Sıapemz pun „9aods ourojy] ‘uogesum a]nE Aours UOA ‘soT u cy -Opum“ I91909[98 YOSLHYU9ZX9 Lu uoJsÄQ | IT %/0& u9JsANaPUaSdTLIEPUFUTDHUAgHU IEMZ | OL 08 snyup wo9c‘0 + yeuogıey us4sÄg Ayalf ‘soT w99 c'Q | Jeuogaeı „gtodsopug“ A9ura]y Ju uosiy 4 — oT -WNIIEN | -Sue] opussaıopueursusgeu IaNZ | € ol -MOLIeN us4skg A9p U9SUNIHPULIIA a G ro zes us7skg A9p UESUNIHPURIIA a G en zjes q 9poyy9awssunuyoNMaH ® apoyy9wssunuyoN9n 315 Über den Einfluss von Salzlösungen auf Colpodencysten. -u9puy uogesaFu® 9][eIS AOSOIp UF UHULIOT OPuaypIamge Hdtum anu yaIs SSep OS ‘uowmouss pue/sqy “ST uoSOIM -19A Sunjtayıpy 9soIp ne adomum OM ‘u9pu9sjo7F wI yone HM AoIy UESUNPILIqV uEUEgBSDBHUR 19799 pun 1970 M UOA Sunjrayyım UHU9SURSas -SNEIOA OP UL AOp Hqedraper m uademydou ou UOA HpaınMm °IST WOIO]S OIOA UEAIMag uMASg yoanp A9p Sundspurio‘ 9soIp ea (& ‘oessedzjeg A9p IONEPNIZ 9ZuRd Hp Fe Jyaru ‘uoryeryuszuoy] uoyarweu I9p UT SuHTLEM.IOA SEP Jomeqy Alp Fune yaIs voyg9Izeg uagesuryLa7 dLc (7 -I9UOY UOUONE.INUSZUON UOYOITOKSYE IP puIs uogunyyoegoag usy9srdogsormtur dop PuOAgEM SOJENJLOAAOSSE M UEPUHPIOWIAA NZ JyaTu SOp 95[07uU] "yasLuas -SNFUT-SSUnSO"T Sep Fu® yoıu “9SqJ9S USKUNSO"T UHWPUSMIAA AIP NE Y9IS uoyoLzog uolyerjuszuoy ayarsunıdsın orp any uoqesuy old (I (uspu9sjor wr 9 Sunpfrq -qy pun („usaodg“ Taap a9qe) © Z "STH ‘»] ‘SI yoıuge) 9o9goegoaq „erodg“ dp ur „uerodg“ arepunyas "„uarodg“ u9}9UP.LOASUE,[Osdw “A9p UL STIEUITO]S -un I91p pun Tomz ‘ua Jım uosunpjrq -„[osdey“ "Wopurısa N1ejs U99SsÄI olly (u9pu95]oF uL. 2 pun 3 Sunpiiqqy 9IMos “NOqTY IoA ‘g0g 0 g08'S Me /E LT “DL 'SL7 'S) Sunaader] 'n uno g doypIojsun uoA „uatods“ aora pun Toap “TOMz ‘urd ru yoıjsue] pun punı usdunpfrq,,fosdeyy“ (uopu2SjoF wm g SunpfrgqV OIMOS “NOAIY 99LIOA ‘EEE N ZOE 'S ae Je S1g pun z 317 ‘q pun v oyroy [ 'OLA yoıuge) „orodg“ Hugo A9po Im Hyanys -[I9 ], uo9zyLdsadnz ar "UaJsAY 99119498 -T9MZ 'SS018 U9I9JSUN SI9JQ „Tosdeyy“ uayoıweu AP „uerodg“ ,josdeyy“ a9p ur Sumsoser; 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Das nämliche ist auch dort der Fall, wo der Schrumpfungsprozess eine schon ge- teilte Cyste betrifft. Die sich bei der Schrumpfung voneinander ebenso wie von der Exocystenmembran !) loslösenden Teilstücke bilden grössere oder kleinere „Sporen“, in der der Menge der Teilstücke entsprechenden Zahl, je nachdem die Salzkonzentration geringer oder grösser ist. Konzentrationsdifferenzen innerhalb der Flüssigkeit machen sich an denjenigen Cysten, die von einer an ver- schiedenen Stellen nicht ganz gleichartig osmotisch wirksamen Lösung BIOO98E a b C e gq Abbildung zur Tabelle S. 314, 315 und 316 gehörig. umspült werden, in der Weise geltend, dass die in der das Aussehen einer „Kapsel“ zeigenden Exocyste gelegenen „Sporen“ ungleiche Grösse besitzen. Die sekundären „Sporen“, jene in den „Sporen“ bzw. Endocysten häufig beobachteten, lichtundurchlässigen,, meist kugeligen Einschlüsse, würden durch eine Wiederholung des nämlichen plasmolytischen Prozesses gebildet, dem die Endocyste als Ganzes verfiel. Die Öffnung der Cystenhülle und die Flüssigkeit, welche den Raum zwischen der Aussen- und Innenhaut (Exocysten und Endocystenmembran) der doppelwandigen Cyste!) einnimmt, garan- tieren die Übertragung des plasmolytischen Effekts auf die inneren Partien der Cyste. Die lichtdurchlässigen Partien der „Sporen“ ent- sprechen den Vakuolen der Teilstücke. 3. Die stärksten Veränderungen bewirkten bei den vorliegenden Versuchen Natriumbiphosphat, Natriumbikarbonat und Kochsalz; doch zeiet eine Umrechnung auf molare Konzentrationen, die allein für einen Vergleich tauglich sind, dass die schwächer wirksamen Salze: 1) Vgl. Bütschli, Bronn’s Klassen und Ordnungen, 3. Abt. S. 1661. 1887—1889. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 21 318 Gertrud Woker: Natriumkarbonat und Natriumphosphat in geringeren (ein Viertel bis halb so starken Konzentrationen) zur Wirkung gelangten. Im Einklang mit den vorigen Ausführungen würde also wahrscheinlich der schwächere Effekt eine einfache Folge der geringeren Konzen- tration sein. 4. Der Grad der Veränderung wird ausser durch die Konzen- tration des einwirkenden Salzes durch die Zeitdauer der Einwirkung bestimmt. Unter den Versuchsbedingunsen waren zum aller- mindesten 2 Tage, meist aber eine erheblich längere Zeit, bis zur Ausbildung deutlicher Veränderungen notwendig. Dieselben nahmen dann bei längerdauernder Einwirkung der-Salzlösung im allgemeinen weiter zu, was mit der Zunahme der Konzentration infolge des nicht ganz zu vermeidenden Wasserverlustes in Zusammenhang stehen mag. 5. Auch die Colpoden selbst können durch den Salzeffekt morpho- logische und funktionelle Veränderungen erfahren, die allerdings noch viel seltener (nur beim Kochsalz) und in viel geringerem Maasse ausgeprägt als bei den Serumversuchen zu beobachten waren. Eine Folge der durch die Salzlösung hervorgerufenen Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen einer Einzellkultur mag dann die gesteigerte Tendenz zur Konjugation bzw. Kopulation sein, welche ebenso wie früher schon von Enriques und Zweibaum!), bei der Ein- wirkung von Natriumkarbonat, Natriumphosphat, Kochsalz und anderen Salzen auf Paramaecium caudatum konstatiert werden konnten. Bei den vorliegenden Salzversuchen konjugierten die Col- poden nur paarweise. Konjugationen (bzw. Kopulationen) von mehr Irdividuen (vier), wie sie S. Pecker und G. Woker bei Colpoden unter dem Einfluss von Blutserum und Enriques und Zwei- baum bei Paramäcien unter dem Einfluss von Salzen, namentlich Aluminiumchlorid, beobachten konnten, wurden in den verwendeten Salzlösungen nicht gesehen. Im ersteren Fall dürfte die gleich- sinnige Wirkung der Iytischen Stoffe des Serums, im letzteren Fall die Beeinflussung der Membrankolloide durch das dreiwertige Aluminiumkation die weitergehende Veränderung bedingen. Die in dieser Arbeit angeführten Beobachtungen erfordern, wie die in der vorangegangenen niedergelegten von S. Pecker und G. Woker eingehendes weiteres Studium. In jedem einzelnen Fall müsste der Nachweis erbracht werden, dass die plasmolytische 1) Zweibaum, Arch. f. Protistenkunde Bd. 26. 1911. Über den Einfluss von Salzlösungen auf Colpodencysten. 319 Cystenveränderung die Lebensfähigkeit nicht aufzuheben vermag. Aus jeder der veränderten Cysten müssten Einzellkulturen angelegt und dieselben in morphologischer Hinsicht und in bezug auf ihr serologisches Verhalten (Antikörperreaktionen zur Prüfung auf die Artgleichheit des Eiweisses) verglichen werden. Auch verdient die Frage weitere Prüfung, ob nicht zwischen dem Auftreten bestimmter Fortpflanzungsformen in der Natur und dem Salzgehalt des Mediums ganz allgemein ein innerer Zusammenhang besteht; ein Zusammen- hang, wie er ja schon durch die grundlegenden Versuche von J. Loeb, wenngleich auf einem andern Gebiet, in einer Reihe von Einzelfällen erwiesen worden ist. Ich bin mir bewusst, dass diese Arbeit nur einen ersten, bescheidenen Beitrag zum Studium der hier berührten Fragen stellt. 91* 3920 Franz Mares: (Aus dem physiologischen Institute der k. k. böhmischen Universität in Prag.) Über die Natur des Winterschlafes. Bemerkungen zur Antwort Polimanti’s)). Von Dr. Franz Mares, Professor der Physiologie. In seiner Monographie über den Winterschlaf hat Osw. Poli- manti meine Ansicht über diesen Zustand auf folgende Weise wiedergegeben: „. . die lethargischen Tiere hätten eine angeborene Fähig- keit, in ihrem Nervensysteme die Empfindlichkeit ausschliesslich für die äussere Kälte verschwinden zu machen. Diese Fähigkeit sei einer hypnotischen Suggestion zuzuschreiben, welche atavistisch übertragen wird.“ In dieser Fassung erscheint meine Ansicht ganz sinnlos, so dass sie in das Kapitel „vom antiken und modernen Mystizismus“ von Polimanti hätte eingereiht werden können. Deswegen habe ich meine eigentliche Auffassung über die Natur des Winterschlafes beim Säugetiere entsprechend dem Texte meiner ursprünglichen Abhandlung darüber in Pflüger’s Archiv dargelegt?). Polimanti sucht nun durch einen Vergleich beider wörtlich nebeneinander angeführten Texte nachzuweisen, dass trotzdem seine Fassung meiner Ansicht über die Natur des Winterschlafes meinem ursprünglichen Texte vollständig entspricht. 1) Dr. Osw. Polimanti, Über die Natur des Winterschlafes.. Eine Antwort an Fr. Mares. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 158 S. 252. 1914. 2) Fr. MareS, Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 411. 1914. Über die Natur des Winterschlafes. 391 Ein Vergleich beider Texte (Pflüger’s Archiv Bd. 158 S. 253) zeigt nun, dass Polimanti’s Fassung meiner Ansicht meinem ur- sprünglichen Texte nicht wörtlich entnommen ist, sondern von Polimanti selbst auf Grund einzelner meiner Sätze zusammen- gestellt wurde. Dabei ersetzte er meinen Begriff „einer durch Ent- wicklung erworbenen Eigenschaft“ durch den Begriff „einer .an- geborenen Fähigkeit“ und nahm meinen Begriff „eines hypnotischen Zustandes“ als gleichbedeutend mit dem Begriffe „einer hypnotischen Suggestion“ an. Bei einem Ziesel kann wohl von einem „hypnotischen Zustande“, nicht aber von einer „hypnotischen Suggestion“ die Rede sein. Wenn ich also im Jahre 1892 von einem „hypnotischen Zustande“ beim Ziesel gesprochen habe und im Jahre 1914 behaupte, dass von einer „nhypnotischen Suggestion“ bei einem Ziesel wohl keine Rede sein kann, so sieht jedermann, dass ich mir in diesem Punkte gar nicht widerspreche, wie Polimanti meint. Polimanti führt weiter aus, dass ich ohne Zweifel geschrieben habe, dass der Winterschlaf durch einen „hypnotischen Zustand“ bedingt sei, und dass ich gleichzeitig angenommen habe, der Winter- schlaf sei „ein atavistischer Zustand“. Nun hält sich Polimanti auf Grund der elementarsten Logik für berechtigt zu schreiben, „dass der hypnotische Zustand dem Winterschläfer atavistisch übertragen wird‘. Ich habe wohl den Winterschlaf des Säugetieres als einen „hypnotischen Zustand“ bezeichnet, in welchem eine durch die Ent- wicklung erworbene Eigenschaft eingebüsst wird, wodurch der Warm- blüter zum primitiveren Typus des Kaltblüters zurückkehrt; und diesen Rückfall habe ich als Atavismus bezeichnet. Dass aber der „hypnotische Zustand dem Winterschläfer atavistisch übertragen wird“, das ist eine Schlussfolgerung von Polimanti selbst, zu welcher er noch den Begriff des „atavistischen Übertragens“ aus Eigenem hinzufügt. Polimanti geht noch weiter: er schreibt mir die Ansicht zu, dass die „angeborene Fähigkeit“, die Empfindlichkeit des Nervensystems der Kälte gegenüber verschwinden zu machen, einer hypnotischen Suggestion zuzuschreiben ist, welche atavistisch übertragen wird. 322 Franz Mare:®: Eine solehe Darstellung meiner Ansicht konnte ich nicht gelten lassen, ohne den Vorwurf der Sinnlosigkeit zu verdienen. Wenn Polimanti von Recht und Unrecht spricht, so ist es ein Unrecht, mir eine solche Ansicht zuzuschreiben, wenn sie nicht ganz aus- drücklich, Wort für Wort, aus meinem Texte dargelegt werden kann, und darauf trotz meines Widerspruches zu bestehen. Polimanti fasst meinen Widerspruch gegen seine Darstellung meiner Ansicht als eine Anschuldigung auf; er verspürt einen Tadel, wo kein Tadel gemeint ist; er bezieht auf sich bemängelnde Äusserungen, die von anderen mir gegenüber gemacht worden sind (S. 256). Ja, er meint sogar, dass ich an ein Plagiat seiner- seits denke, wenn ich sage, dass meine im Jahre 1892 veröffentlichte Auffassung des Winterschlafes von derjenigen, die sich Polimanti im Jahre 1904 (oder erst 1913) gebildet hat, nicht so sehr ver- schieden ist, als es nach seiner Darstellung scheinen möchte. Solehe Gedanken sind mir ganz fremd. Es wäre zu kleinlich, auf ein Plaeiat bei einer Auffassung zu denken, welche so nahe- liegend ist, dass zu derselben viele ganz selbständig gelangen können. Meine Absicht war bloss die, meine Auffassung vor einer sinnlosen Entstellung zu bewahren. So sind auch die Beteuerungen Polimanti’s, dass er nichts von mir entnommen und noch viel weniger etwas von mir abgeschrieben hat, ohne die Quelle zu zitieren, gegenstandslos, ausser der Bemerkung, dass er keine Veranlassung hatte, irgend etwas aus meinen Arbeiten zu entnehmen, deren Spitze aber er selbst abgebrochen hat. Eine weitere Anklage findet Polimanti in meiner Äusserung, dass er sich in betreff meiner Beobachtungen über die Ausscheidung des indigschwefelsauren Natrons während des Winterschlafes auf deren Darstellung von R. Dubois verlassen und seine falsche Kritik meiner Untersuchungen wörtlich übernommen hat. Polimanti wendet ein, dass das, was ich hier sagte, nicht der Wahrheit entspricht, dass er den diesbezüglichen Abschnitt meiner Arbeit fast wörtlich übersetzt hat, und beweist das durch die wortgetreue Anführung beider Texte. Das ist ganz richtige. Es handelte sich aber darum, was Polimanti darüber von R. Dubois übernommen hat. Das findet sich nicht auf S. 205—206 seiner Monographie, sondern auf S. 322. Über die Natur des Winterschlafes. 3923 und 344, welche den S. 34—37 der Monographie von R. Dubois entsprechen, wie ich es in meinem ersten Artikel angezeigt habe. R. Dubois und nach ihm Polimanti haben mir nämlich die Behauptung unterschoben, dass während des Winterschlafes die Absonderung von Galle und von Harn aufgehoben ist, und erklären dann diese Behauptung für absolut falsch. Nun zeigt der von Polimanti selbst glücklicherweise wort- getreu angeführte Text meiner ursprünglichen Abhandlung, dass darin kein einziges Wort über die Gallen- und Harnsekretion während des Winterschlafes enthalten ist. Es handelt sich darin nur um die Aus- scheidung von Indigokarmin durch die Leber und Niere, welche während des Winterschlafes aufgehoben ist. . Die von Polimanti als Beweise meiner Vergesslichkeit an- geführten Sätze: „La s6eretion glandulaire est suspendue“, „L’exeretion est suspendue“, sind keine selbständigen, sondern Nebensätze, welche nur auf die Ausscheidung von Indigokarmin bezogen werden können. Polimanti meint, dass ich 1914 vollständig vergass, was ich 1892 geschrieben habe. Es mag sein, dass ich 1892 gedacht haben konnte, dass während des Winterschlafes, so wie die Ausscheidung von Indigokarmin, ebenso auch die der Galle und des Harns auf- gehoben ist. Aber geschrieben habe ich das nicht. Den Ge- danken habe ich unterdrückt, es findet sich keine Spur davon in meinem Texte; denn ich habe nicht die Absonderung von Galle und Harn, sondern nur die von Indigokarmin untersucht. Wenn ich also selbst diesen Gedanken unterdrückt habe, so ist niemand, dem derselbe Gedanke in den Sinn kommt, berechtigt, mir ihn als Behauptung zu unterschieben und dabei trotz meines Widerspruchs zu beharren. Das ist falsch, absolut falsch. ‘ Wenn das nun Polimanti trotz alledem wiederholt und dabei beteuert, dass er getreu wiedergegeben habe, was ich geschrieben, „dass nämlich während des Winterschlafes keine Gallen- und Harnsekretion stattfindet“ (S. 261): so ist da nur dieser rechtliche Ausweg zu finden, dass er den getreu wiedergegebenen Text — selbst nicht gelesen hat. Polimanti hat diese Auseinandersetzungen, wo es Sch doch nur um die Feststellung eines Tatbestandes handelt, als Anschuldigungen 394 Franz MareS$: Über die Natur des Winterschlafes. und Beleidigungen aufgefasst. Sein Schlusssatz enthält geradezu eine absichtliche, persönliche Beleidigung mir gegenüber. Ich kenne Herrn Polimanti persönlich nieht und voraus- sichtlieh werde ich ihm auch niemals persönlich begegnen. Von dieser Entfernung aus können die Sachen ganz unpersönlich behandelt werden; Namen sind hier blosse Halter. Ich habe mich auch nicht gegen den Herrn Polimanti gewendet, sondern gegen — Polimanti. 325 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Königsberg i. Pr.) Über die Belegzellen im Magen der Schildkröte. Von Otto Weiss, (Hierzu Tafel III.) Im 144. Bande von Pflügers’ Archiv habe ich!) eine Methode beschrieben, mit Hilfe deren man die Belegzellen der Magenschleim- haut schwarz färben kann. Sie besteht in einer sukzessiven Fixation des Objektes in Formaldehyd und Osmiumsäure. Die Schwärzung ist von mir im Magen des Hundes, des Igels und der Schildkröte, beobachtet worden. Gegenüber diesem Resultat hat Kahle?) bemerkt, dass es ihm nicht gelungen sei, im Magen von Testudo graeca Zellen zu be- obachten, die sich mit der angegebenen Methode schwarz färben. Er fand nur kleine schwarze Körner im Drüsenlumen. Meine Versuche sind an Emys europaea angestellt worden. Da- mit der Leser sich ein Bild von ihrem Resultat machen kann, gebe ich die beistehende Abbildung (Taf. III) wieder, welche von Fräulein Burdach nach der Natur gezeichnet worden ist. Die in der Ab- bildung schwarz gefärbten Zellen habe ich ihrer analogen Reaktion wegen als Belegzellen bezeichnet. Ob sie auch funktionell den Be- legzellen des Hundes entsprechen, lasse ich dahingestellt. Es kommt mir hier nur darauf an, zu zeigen, dass man im Schildkrötenmagen mit der beschriebenen Methode Drüsenzellen schwärzen kann. Binde- gewebszellen, die sich schwärzen, wie sie Kahle bei Testudo graeca beschreibt, habe ich bei Emys nicht gesehen, womit ich aber nicht sagen will, dass sie nicht darstellbar seien. 1) 8. 544. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 152 S. 165. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 22 396 Otto Weiss: Über die Belegzellen im Magen der Schildkröte. Zum Schluss erwähne ich noch, dass die Schwärzung der Beleg- zellen des Magens durch Osmium bereits von Nussbaum!) und danach von Edinger?) beobachtet worden ist. Dies war mir bei meiner ersten Mitteilung unbekannt. Herr Professor Edinger hatte die Freundlichkeit, mich darauf aufmerksam zu machen. Erklärung der Tafel. Magenschleimhaut von Emys europaea. Vergrösserung 160 mit Leitz- Okular 4, Objektiv 3. 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13 S. 743—744. 1877; vgl. auch R. Heiden- hain, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 6 S. 392. 2) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 16 S. 115, Bd. 17 S. 205. 1880. Pflüger's Archiv fd ges.P 50° 99. iologie, Bd 1 hyS ] v.Martin Hager, Bonn Verlao a A rl EN Kal AED ji (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) 327 Quantitative experimentell-therapeutische Versuche zur Ermittlung der stopfenden Be- standteile im Opium. Von Dr. Makoto Takahashi (Tokio). (Mit 22 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. NA inlenunDer era ee es lachen meta 00/ Re BENTE rocken en N ee ae 3. Symptomenbild des Koloquintendurchfalls und Anhaltspunkte zur Be- Dxteilımcz einer Stopiwirkung. mr a een . Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall durch Kombination von NoxpHinsundaRodemensse Bra ne N ONE. . Versuche über Kombination von Morphin und Kodein mit anderen Wpinmalkaloidenare gene ru he ee ee ans De A. Versuche mit den Restalkaloiden .:....... 2.2... Beyersiche mit Papavefin =, ce Rn . Die stopfende Wirkung des Pantopons, verglichen mit der des Morphins und der Kombination von Morphin und Kodein . . .. 2:22... . Die stopfende Wirkung der Opiumtinktur, verglichen mit der des Morphins, der Kombination Morphin-Kodein und des Pantopons . . . . Warum wirkt Opium stärker stopfend als Pantopon? ........ NM ekonSauree Me ne ee ee leere Be Ballaststoftenste see 2 a EEE a Re SE . Über die Wirkung von Morphin-Kodein auf die normalen Verdauungs- bewesunsenkder Katzene a Ne. A. Einfluss auf die Darmbewegungen . . . 2... 2222220. a) Einfluss auf den Dünndarm . . 2». 2 2. 2 2 2 20 nu. b) Einfluss auf den Dickdarm. . . : 2. 2 2 2 2 2 2 0 0. B. Einfluss auf die Magenbewegungen. . » » 2: 22220... 328 Makoto Takahashi: 10. Der Unterschied in der Wirkung von Morphin-Kodein auf die normalen Darmbewegungen und auf den Koloquintendurchfall . . .». 2. .... 385 11. Lassen sich die gefundenen Tatsachen zur Erklärung der stopfenden Wirkung des Opiums beim Menschen heranziehen?. ...... 2.227886 12.: Zusammenfassung er. 00.0 2 2er ee 387 I. Einleitung. Die wichtigsten Kenntnisse über den Mechanismus der stopfenden Wirkung von Morphin und Opium verdanken wir der Verwendung des Röntgenverfahrens, das es erlaubt, den ganzen Ablauf der Verdauungsbewegungen von der Einnahme der Nahrung bis zur Kotentleerung zu verfolgen. Bisher sind bei Untersuchungen an normalen und künstlich diarrhöisch gemachten Tieren folgende Tat- sachen ermittelt worden: Morphin bewirkt in Dosen, welehe den Milchdurchfall bei Katzen stopfen, eine hochgradige Verzögerung der Magenentleerung, welche über 24 Stunden betragen kann und durch einen Krampf des Sphinkter antri pyloriei und des Pylorus bedingt ist [A. Hirsch ), Magnus?)]. Hierdurch kommt es zu einer Verlängerung der Magenverdauung. Infolgedessen werden die Speisen im Magen vollständiger als sonst verdaut und in flüssigerem Zustande an den Dünndarm weiter- gegeben [Cohnheim und Magnus?), E. Zunz?°)]. Die für diese hochgradige Wirkung nötigen Dosen sind 2 cg bei einer erwachsenen Katze (eventuell auch niedriger) und 6—7 mg pro Kilogramm beim Hunde. 1,6 mg pro Kilogramm beim Hunde wirkt noch deutlich, !/g mg nur andeutungsweise, !/s mg ist unwirksam [Cohnheim und Modrakowski‘)]. Auch am Menschen lässt sich die Verzögerung der Magen- entleerung nach Dosen von 1—2 cg Morphin in vielen Fällen fest- 1) A. Hirsch, Zur Wirkung des Morphins auf den Magen. Zentralbl. f. inn. Med. 1901 S. 33. 2) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. II. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 210. 1908. 3) E. Zunz, Contr. & l’etude de l’action de la morphine sur la digestion de la viande chez le chien. Memoires de l’Acad. de medicine de Belgique t. 20 fasc. 3. 1909. 4) OÖ. Cohnheim und G. Modrakowski, Zur Wirkung von Morphium- und Opiumpräparaten (Pantopon) auf den Verdauungskanal. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 71 S. 273. 1911. Stopfende Bestandteile im Opium. | 329 stellen [v. d. Velden!), Arnsperger?), Holzknecht und Olbert?°), Stierlin und Schapiro‘®)]. Gegenüber dieser Magenwirkung tritt der Einfluss des Morphins auf die Darmbewegungen gesunder Versuchstiere ganz zurück. Magnus°) konnte nur in etwa der Hälfte seiner Versuche eine Hemmung der Dünndarmpassage um einige Stunden feststellen; die Dickdarmbewegungen blieben überhaupt unbeeinflusst. Der ganze Ablauf der Darmverdauung wird überwiegend beherrscht durch die verlangsamte Magenentleerung. Bei Untersuchungen über die Beeinflussung experimentell hervor- serufener Durchfälle ergab sich, dass der Senna- und der Rieinus- durchfall durch Morphin nicht gestopft wird [Magnus®)]l. Der Milehdurchfall der Katzen wird mit Sicherheit gestopft [Magnus’)]. Es ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei um die Magenwirkung des Morphins handelt. Der Magnesiumsulfatdurchfall wird nur dann gestopft, wenn durch das Morphin die Bittersalzlösung im Magen festgehalten wird. Dagegen ist Morphin wirkungslos, wenn das Salz bereits in den Darm übergetreten ist |[Padtberg?°)]. Einen prinzipiell wichtigen Befund erhob Padtberg’) im Utrechter pharmakolosischen Institut. Er konnte zeigen, dass der 1) R. v. d. Velden, Zur Pharmakologie der Magenmbotilität. 27. Kongr. f. inn. Med. 1910 S. 339. 2) H. Arnsperger, Die Wirkung des Morphins auf die motor. Funktion des Magen-Darm-Kanals des Menschen. 27. Kongr. f. inn. Med. 1910 S. 333. 3) Holzknecht und Olbert, Morphin und Magenmotilität. Münchener med. Wochenschr. 1911 S. 1039. 4) E. Stierlin und N. Schapiro, Die Wirkung von Morphin, Opium und Pantopon auf die Bewegungen des Verdauungstraktus beim Menschen und beim Tier. Münchener med. Wochenschr. 1912 S. 2714. 5) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. II. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 210. 1908. 6) R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 251. 1908. — R. Magnus, Der Einfluss des Ricinusöles auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. 7) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 316. 1906. 8) J.H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. 9) J. H. Padtberg, Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium bei Koloquintendurchfällen. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 318. 1911. 330 - Makoto Takahashi: Durchfall, welcher durch ein Drastikum mit entzündlicher Neben- wirkung, durch Koloquinten hervorgerufen wird, sich mit Sicherheit durch Morphin stopfen lässt, und dass der Angriffspunkt dieser Stopf- wirkung nicht im Magen, sondern im Darme liegt. Injiziert man zu einer Zeit, wenn bereits aller koloquintenhaltige Speisebrei in den Dünn- oder Dickdarm übergetreten ist, Morphin, so sistieren nach kurzer Zeit die heftig erregten Darmbewegungen vollständig; auch die durch das Drastikum ausgelöste starke Sekretion iu den Darmkanal hört auf, und das Abführmittel, welches sonst schnell und ohne Schaden zu stiften den Verdauungskanal passiert, wird resorbiert und tötet das Tier unter den Erscheinungen der akuten Coloeynthin- vergiftung. Unter diesen pathologischen Bedingungen wirkt also Morphin auf Abschnitte des Verdauungskanals sehr kräftig ein, welche es bei gesunden Versuchstieren nur schwach und inkonstant (Dünn- darm) oder gar nicht (Diekdarm) beeinflusst. Es ist klar, dass durch diese Feststellung eine sichere Grund- lage für das Verständnis der Stopfwirkung des Morphins bei Diarrhöen gewonnen war, welche durch Erkrankungen des Dünn- und Dick- darmes veranlasst werden. Ausserdem war aber eine Handhabe geschaffen, um nun das Studium der stopfenden Bestandteile des Opiums mit Erfolg beginnen zu können. Dass Opium stärker stopfend wirkt, als der darin enthaltenen Morphinmenge entspricht, ist eine alte ärztliche Erfahrung, welche auch von Spitzer!) experimentell festgestellt wurde und seitdem durch alle Untersucher bestätigt werden konnte. Nach den Röntgen- untersuchungen von Magnus?) ist der Wirkungsmechanismus beim gesunden Versuchstier auf die Verdauunesbewegungen der gleiche wie der von Morphin [starke Verzögerung der Magenentleerung°), geringe und inkonstante Verzögerung der Dünndarmbewegungen, keine Beeinflussung der Diekdarmbewegungen.. Beim gesunden Menschen wird nach v. d. Velden*) die Magenentleerung durch 20—30 Tropfen Opiumtinktur deutlich verzögert. 1) Spitzer, Experimentelle Untersuchungen über die Darmwirkung des Opiums und Morphins. Diss. Breslau 1891. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 210. 1908. 3) S. a. A. Delcorde, Rech. sur la digestion de la viande chez le chien soumis A l’influence de la teinture d’opium soit complete, soit privee de mor- phine. : Internat. Beitr. z. Path. u. Ther. d. Ernährungsstörungen Bd. 3 Heft 1. 4) A. 2.0. Stopfende Bestandteile im Opium. 33l Die Wirkung des Opiums auf die Sekretion der Verdauungs- säfte scheint von der des Morphins etwas verschieden zu sein. Die von Riegel!) nach Morphin beobachtete anfängliche Hemmung der Magensaftsekretion ist nach Opium nicht (Bickel und Pinkussohn?) oder abgeschwächt [Cohnheim und Modrakowski?°)] zu be- obachten; es setzt statt dessen sehr bald eine vermehrte Abscheidung von Magensaft ein. Auch hemmt Opium die Pankreassekretion länger als Morphin [Bickel und Pinkussohn?)]. Sehr deutlich ist die stopfende Wirkung des Opiums beim Koloquintendurchfall der Katzen. Auch Opium wirkt unter diesen Umständen auf Dünn- und Dickdarm. Die heftigen Bewegungen werden, geradeso wie durch Morphin, gehemmt. Die Einschränkung der durch das Drastikum veranlassten Flüssigkeitsexsudation erfolgt dagegen durch Opium sehr viel sicherer und kräftiger als durch Morphin allein [Padtberg‘)]. Im Anschluss an diese Befunde von Padtberg unternahmen es nun Hesse und Neukirch’) im Utrechter pharmakologischen Institut festzustellen, welche sonstigen Opiumbestandteile noch ausser dem Morphin eine stopfende Wirkung besitzen. Schon Gottlieb und v. d. Eekhout‘) hatten gefunden, dass eine morphinfreie Opiumtinktur den Milchdurchfall der Katzen stopft”). Auch morphin- freies Pantopon ®) stopft den Milchdurchfall [Hesse und Neukirch?)]. Doch liess sich durch die einzelnen isolierten Opiumalkaloide eine derartige Stopfwirkung beim Milchdurchfall nicht hervorrufen. Hesse 1) F. Riegel, Über den Einfluss des Morphiums auf die Magensesekretion. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 40 S. 347. 1900. 32) A. Bickel und Pinkussohn, Über den Einfluss des Morphiums und Opiums auf die Magen- und Pankreassaftsekretion. Sitzungsberichte d. Berliner Akad. d. Wiss. 1907 1. S. 217. 3) A. a. 0. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 318. 1911. 5) O. Hesse und P. Neukirch, Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium (Pantopon). Pflüger’s Arch. Bd. 151 S. 309. 1913. 6) R. Gottlieb und A. v. d. Eekhout, Ein Beitrag zum Vergleiche der Opium- und Morphinwirkung. Schmiedeberg’s Arch. 1908 Suppl. S. 235. 7) Delcorde (a. a. O.) hat nach morphinfreier Opiumtinktur und J. Schwenter, [Über Verdauungsversuche mit Opium, Morphium, Pantopon und morphinfreiem Pantopon (Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen Bd. 19)] nach morphinfreiem Pantopon verzögerte Magenentleerung beobachtet. 8) Pantopon enthält die Summe der Chlorhydrate der Opismattalöide ohne die „Ballaststoffe“ des Opiums. 332 Makoto Takahashi: und Neukirch erhielten erst eindeutige Resultate, als sie die Be- einflussung des Koloquintendurchfalles durch einzelne Opium- bestandteile untersuchten. Hierbei ergab sich ihnen das überraschende Resultat, dass ausser dem Morphin unter den Bestandteilen des Pantopons nur noch dem Kodein eine konstante und deutliche stopfende Wirkung zukommt, während dem als „Restalkaloide“ be- zeichneten Gemisch der nach Ausschluss von Morphin, Kodein, Narkotin, Papaverin, Thebain und Narzein noch übrigbleibenden Opiumalkaloide nur eine geringe und inkonstante Wirkung zukam. Narkotin, Papaverin, Thebain, Narzein sowie ein von Morphin und dem grössten Teil des Kodeins befreites Pantopon waren dagegen ohne stopfende Wirkung auf den Koloquintendurchfall der Katzen. Kodein für sich allein wirkt nach Hesse und Neukirch auf die Verdauungsbewegungen gesunder Katzen ganz ähnlich wie Morphin (verzögerte Magenentleerung, inkonstante Verzögerung der Dünndarmbewegungen, keine Beeinflussung der Diekdarmbewegungen). Beim Koloquintendurchfall wirkt Kodein qualitativ gleich, aber quantitativ deutlich schwächer als Morphin. Bei der grossen theoretischen und praktischen Wichtigkeit, welche der Aufklärung der stopfenden Wirkung des Opiums zukommt, habe ich die im folgenden zu schildernden sehr zahlreichen Versuche unternommen, um festzustellen, ob es gelingt, durch eine Kom- bination von Morphin und Kodein eine gerade so starke Stopfwirkung auf den Koloquintendurchfall der Katzen auszuüben wie durch Pantopon. Dabei liess sich dann auch die Frage entscheiden, ob sich ein Teil der Morphinwirkung durch eine geeignete Kodeindose ersetzen lässt. Sollte dieses der Fall sein, so musste man zu einem stark wirksamen und weniger giftigen Stopfmittel gelangen. Hierbei musste dann auch zugleich sich heraus- stellen, ob sich die Wirkung des Kodeins und die des Morphins einfach addieren oder ob sie sich gegenseitig verstärken, d. h. ob eine Potenzierung der Wirkung eintritt. Bekanntlich ist durch Bürgi und seine Schüler das Problem der Potenzierung von Arzneiwirkungen vielfach bearbeitet worden. Dabei haben sie auch die narkotische Wirkung der Opiumalkaloide und ihrer Kombinationen untersucht). Ferner haben Straub und 1) Vgl. V. Zehlen, Über die Wirkung kombinierter Opiumalkaloide. Zeitschr. f. exper. Path, u. Ther. Bd. 8. 1911. Stopfende Bestandteile im Opium. 333 seine Mitarbeiter !) festgestellt, dass die Wirkung des Morphins hinsichtlich seines narkotischen Effektes auf Katzen und seiner Allgemeingiftigkeit für Mäuse durch Narkotin und hinsichtlich seiner Allgemeingiftigkeit für Mäuse durch Narkotin plus Papaverin be- trächtlich verstärkt wird. Dagegen wird die Wirkung des Morphins auf das Atemzentrum durch Narkotin abgeschwächt. Es wird im folgenden zu zeigen sein, dass bezüglich der Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall eine beträchtliche Potenzierung des Morphin- effektes durch Kodein nachweisbar ist. Ausser dem Kodein habe ich auch Papaverin und die „Rest- alkaloide“* auf eine eventuelle Verstärkung der Stopfwirkung des Morphins untersucht. 2. Methodik. Zu den vorliegenden Versuchen wurde die bekannte Cannon’sche Methode benutzt, wie sie von Magnus, Padtberg, Hesse und Neukirch zur Prüfung von Arzneiwirkungen auf die Verdauungs- bewegungen verwendet worden ist. Die Versuchskatzen blieben 24 Stunden vorher ohne Nahrung und wurden dann mit Kartoffelbrei-Wismut (25 g gekochte Kartoffeln und 5 g Wismuthydroxyd) gefüttert. Der Ablauf der Verdauungsbewegungen wurde danach auf dem KRöntgenschirm verfolgt. Zur Erzeugung des Koloquintendurchfalls haben Padtberg, Hesse und Neukirch Koloquintendekokt verwendet, das für jeden Versuch frisch bereitet wurde. Dabei war es dann notwendig, die Wirksamkeit des Dekoktes durch Kontrollversuche jedesmal sicher- zustellen. Bei der grossen Zahl von Experimenten, welche ich an- stellen musste, wäre dieses Verfahren unzweckmässig gewesen. Ich benutzte daher ein gut wirksames trockenes Koloquintenextrakt, dass ich in zu meinen Versuchen hinreichender Quantität durch die Freundlichkeit des hiesigen Krankenhausdirektors, Herrn Dr. Bosscha, aus der Apotheke des städtischen Krankenhauses erhielt. So konnte ich die ganze Untersuchung mit einem konstanten Präparat von be- kannter Wirkungsstärke durchführen. 0,16 g Koloquintenextrakt wurden unter Zusatz von einigen Tropfen Alkohol in 10 cem Wasser gelöst und die resultierende trübe Flüssigkeit unmittelbar nach der Verfütterung des Kartoffelbrei- Wismut-Gemisches den Katzen mit der Schlundsonde beigebracht. 1) W. Straub, Die pharmakodynamische Wirkung des Narkotins im Opium. Biochem. Zeitschr. BJ. 41 S. 419. 1912. — H. Caesar, Quantitative Unter- suchung der Toxizitätsänderung des Morphins bei Kombination mit anderen Opiumalkaloiden. Biochem. Zeitschr. Bd. 42 8. 316. 1912. — W. Straub, Über Narkophin, ein rationelles Opiumpräparat. Münchener med. Wochenschr. 1912 S. 1543. 334 Makoto Takahashi: Darauf wurde von Zeit zu Zeit mit Röntgenstrahlen durchleuchtet und der Zeitpunkt festgestellt, bis sich der Magen ganz oder zum aller- grössten Teil entleert hatte und der Dünndarm maximal gefüllt war. Darauf wurden dann die zu prüfenden Alkaloide und Opiumpräparate subkutan injiziert und der Ablauf der Verdauungsbewegungen danach mit Röntgendurchleuchtung verfolgt. Zu jedem Versuch wurden fast immer neue Katzen verwendet. Nur der kleinste Teil derselben wurde nach frühestens 8—10 Tagen und vorheriger genauer Prüfung ihres Gesundheitszustandes zum zweiten Male benutzt. 3. Symptomenbild des Koloquintendurchfalls und Anhaltspunkte zur Beurteilung einer Stopfwirkung. Die Dosis von 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 cem Wasser, die ich in allen Versuchen verwendete, wirkt mindestens so. stark oder eher etwas stärker abführend als 10 cem 10 %oigen Koloquinten- dekokts, wie es von Padtberg, Hesse und Neukirch benutzt worden ist. Der Ablauf der Verdauungsbewegungen ist genau der- selbe, wie er von Padtberg beschrieben wurde. Die Magenentleerung wird nicht wesentlich beeinflusst; eine gelegentlich zu beobachtende Verzögerung beruht auf sekundären Einflüssen. Durchschnittlich 2 Stunden nach der Fütterung: ist der Magen ganz oder grösstenteils entleert und der Dünndarm maximal gefüllt. Im Dünndarm ist die Koloquintenwirkung nun besonders deutlich. Die verstärkten auf dem Röntgenschirm lebhaft hervor- tretenden Bewegungen befördern den Inhalt in Y/a—1'/a Stunden meist vollständig nach dem Diekdarm (in der Norm sind hierzu über 7 Stunden erforderlich). Der Dickdarm bekommt daher sehr bald seinen ersten Inhalt und füllt sich in kurzer Zeit. Die Passage des Kotes durch den Dickdarm ist ebenfalls stark beschleunigt, so dass meist I—2, spätestens 3 Stunden nach der maximalen Dünn- darmfüllung der erste Kot entleert wird, welcher nach den ver- wendeten Koloquintendosen gewöhnlich viel Schleim, seltener etwas Blut enthält und von weicher bis flüssiger Konsistenz ist. In Zwischen- räumen von 2—4 Stunden wiederholt sich die Defäkativon noch mehrınals. Auf dem Diagramm von Fig. 1 erkennt man, dass der Dünn- darm sich in normaler Weise vom Magen aus im Laufe von 2 bis 2!/a Stunden füllt, dass dann aber durch die Wirkung der Koloquinten eine abnorm schnelle Entleerung des Dünndarminhaltes nach dem Stopfende Bestandteile im Opium. 335 Dickdarm zu erfolgt, so dass die Kurve steil nach unten verläuft und in 1'/s Stunden fast der ganze Dünndarminhalt in den Dick- darm übergetreten ist. [e.) o -ı So Gesamtlänge der Dünndarmschattenin Zentimetern. See, 2 oO 10 Stunden. Biel. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und "unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde per os er- hielten. Durchschnitt aus neun Versuchen. Die Kurve gibt die Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. || — Koloquintenzufuhr. * = Auftreten des ersten Wismutschattens im Dickdarm. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 2 3 4 b) 6 7 8 9 10 Stunden. Fig. 22 Diagramm desjenigen Normalversuches, in welchem nach Fütterung von 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismut und direkt anschliessender Eingabe von 0,16 g Koloquintenextrakt per os die Verdauungsbewegungen am langsamsten abliefen. Kurve: Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. = Zu- fuhr des Koloquintenextraktes.. * — Auftreten des ersten Wismutschattens im Dickdarm. 336 | Makoto Takahashi: Zur Beurteilung der im folgenden zu schildernden Stopfwirkungen sei hier noch das Diagramm desjenigen Normalversuches abgedruckt, in welchem nach alleiniger Eingabe von Koloquinten die Verdauungs- bewegungen am langsamsten abliefen (Fig. 2). Auch hier er- kennt man die schnelle Entleerung des Dünndarmes, die nur in der 5. Stunde nach der Fütterung vorübergehend unterbrochen wird. Die Einzelheiten der Koloquinten- Normalversuche sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Tabelle I. Durchfall bei Katzen nach Extraetum coloeynthidis ohne Injektion von Stopfmitteln, Zeit der ersten Defäkation Sektion nach der (nach Ather- Zahl der Nr. nach der masimalen Exitus? narkose Defäkationen Fütterung Dünndarm- und Nacken- | (in 24 Stdn.) füllung schlag) Stunden Stunden 1 — lebend — 3 2 4 — x — 2) 3 d 1 ” Ge) 3 z 4 I ” - (=) SE 5 ca. 4 ca. 2 (—) 3 6 ca. 4!/a ca. 2 5 — 2 7 21/a 1/3 5 >) 3 8 2!/a Is a Ss 2 3 3213 Is — 3 Bemerkung: Die in diesen Versuchen verwendeten Katzen blieben vorher 24 Stunden ohne Nahrung, wurden dann mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und erhielten unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde per os. (—) bedeutet: negativer Sektionsbefund. Die Resultate dieser Normalversuche wurden ausserdem noch bestätigt durch zahlreiche Experimente, in welchen unwirksame Dosen von Opiumpräparaten und Gemische von Alkaloiden injiziert wurden, welche keine Stopfwirkung zur Folge hatten. Von den Katzen der Normalversuche ist keine einzige einge- sangen. Tötet man die Tiere in Äthernarkose, so findet man, wie auch Padtberg angibt, den Dünn- und Dickdarm sowie die Nieren normal. Nur zweimal sah ich geringe fleckweise Rötung der Dick- darmschleimhaut. Es ist nicht angängig, eine kleinere Dose als 0,16 g Kolo- quintenextrakt zu verwenden. Denn wenn die Abführwirkung zu gering ist, wie ich das in einigen Versuchen mit 0,13 g beobachten konnten, g0 kann die Darmpassage so langsam erfolgen, dass Colo- cynthin in wirksamen Mengen resorbiert wird und das Tier tötet. Stopfende Bestandteile im Opium. 337 Zur Beurteilung der Stopfwirkung von Morphin und Opium- alkaloiden beim Kolsquintendurchfall kann man zwei Haupt- anhaltspunkte benutzen: die Veränderung der Gesamtlänge der Dünndarmschatten auf dem Röntgenschirm und den Tod der Ver- suchstiere. Nach Injektion von Morphin, Opium (Padtberg), morphin- freiem Pantopon und Kodein (Hesse-Neukirch) werden die durch Koloquinten heftig erregten Dünndarmbewegungen ruhig ge- stellt, und das Röntgenbild ändert sich stundenlang nicht. Infolge- dessen verläuft die Kurve der Gesamtlänge der Dünndarmschatten nicht wie in den Normalversuchen steil nach unten (Fig. 1 und 2), sondern bleibt für längere Zeit auf derselben Höhe und hat einen horizontalen Verlauf (s. z. B. Fig. 3 S. 339). Nach meinen Er- fahrungen ist diese Veränderung des Dünndarmdiagramms ein ausserordentlich feines und zuverlässiges Reagens auf die Stopfwirkung von ÖOpiumalkaloiden. Besonders bei Ver- suchen, in denen man die kleinstwirksamen Dosen feststellen muss, kann man schon geringe Verzögerungen der Dünndarmpassage mit grosser Sicherheit erkennen, besonders wenn man über eine genügend grosse Anzahl von Versuchen verfügt. Das zweite, nicht ganz so feine Kriterium ist der Tod der Ver- suchstiere. Während in den Normalversuchen das Colocynthin schnell und ohne Schaden zu stiften den Darmkanal passiert, wird es, wenn durch eine starke Stopfwirkung von Opiumpräparaten die Darm- bewegungen stillgestellt worden sind, resorbiert und führt den Tod der Tiere herbei. Bei der Sektion findet man dann einen sehr charakteristischen Befund. Der Dickdarm zeigt das Bild einer akuten hämorrhagischen Colitis, die Schleimhaut ist dunkelrot, geschwollen, mit Schleim bedeckt, stellenweise blutig infiltriert; auch Geschwüre sind gelegentlich zu sehen. Manchmal findet sich auch eine starke Rötung der Schleimhaut im untersten Teil des Ileum und eine fleck- weise auftretende leichte Hyperämie der übrigen Dünndarmschleim- haut. Doch kann der Dünndarm auch ganz normal aussehen. Ausserdem findet sich stets eine akute hämorrhagische Nephritis. Der ganze Durchschnitt der Niere ist dunkelblaurot verfärbt, was besonders deutlich an dem in der Norm weisslich gefärbten Nieren- mark der Katze hervortritt. Die Grenze von Mark und Rinde ist verwischt. Ein derartiges Sektionsbild ist in nachfolgenden Ab- schnitten als „typisch“ bezeichnet. 338 Makoto Takahashi: Bei ungewöhnlich grossen Katzen kann auch nach stark stopfenden Morphin- und Opiumdosen der Tod ausbleiben, weil die verwendete Menge Koloquintenextrakt (0,16 g) dann im Verhältuis zum Körper- gewicht zu klein wird. In den Versuchen ohne Anwendung des Röntgenverfahrens ist man zur Beurteilung der Stopfwirkung ausser auf den Tod der Ver- suchstiere noch auf den Zeitpunkt der ersten Defäkation angewiesen. Doch ist dieses Kriterium bei der von mir gewählten Versuchsanordnung nicht so zuverlässig wie die beiden bisher genannten. Denn da die Injektion des Stopfmittels stets nach Vollendung der Magenentleerung erfolgte, hatte man es nicht in der Hand, wie weit der Speisebrei schon bis in den Diekdarm vorgedrungen war. Ja in Fällen, in denen auf dem Röntgenschirm nur Wismutschatten im Dünndarm zu sehen waren und der Dickdarm leer erschien, war es möglich, dass die Koloquintenlösung der schattengebenden Substanz im Darme vorangeeilt und schon im Diekdarm angekommen war, so dass, noch bevor die injizierten Stopfmittel ihre volle Wirkung entfalten konnten, bereits die erste Kotentleerung erfolgt war. Dieses liess sich tat- sächlich in solchen Fällen feststellen, in welchen die Röntgen- beobachtung eine deutliche Stepfwirkung auf die Dünndarmbewegungen zeigte. | Zur Beurteilung der Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall eignet sich demnach hauptsächlich die Veränderung des Dünndarm- diagrammes, daneben der Tod der Versuchstiere und das typische Sektionsbild und erst in dritter Linie eine Verzögerung der ersten Kotentleerung. 4. Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall durch “ Kombination von Morphin und Kodein. Padtberg hat bei seinen Untersuchungen über die Stopfung des Koloquintendurchfalles grosse Morphindosen benutzt, welche eine möglichst deutliche Wirkung entfalteten. Ebenso haben Neu- kirch und Hesse zur Stopfung grosse starkwirkende Kodeindosen verwendet. Zur Untersuchung der Kombinationswirkung dieser beiden Alkaloide ist es aber nötig, die kleinste sicher wirksame und die grösste sicher unwirksame Dose von jedem einzelnen derselben zu kennen. Tabelle II gibt zunächst eine Übersicht über sämtliche zur Ermittlung der kleinsten Morphindosen angestellten Versuche. Stopfende Bestandteile im Opium. 339 Aus der Tabelle II (S. 340 u. 341) ersieht man folgendes: Grosse Dosen von 0,015—0,02 2 pro Kilogramm Morph. hydrochl. wirken in der bereits von Padtberg beschriebenen Weise. Die durch Koloquinten stark erregten Dünndarmbewegungen, die vor der Injektion als Pendel- bewegungen und Peristaltik sichtbar waren, hören auf; die Schatten- konturen sämtlicher Dünndarmschlingen werden infolgedessen ganz glatt, die Gesamtlänge der Dünndarmschatten bleibt fast immer un- verändert. War der Diekdarm vor der Morphininjektion leer ge- wesen, so bleibt er es auch; enthielt er vor der Injektion schon Kot, so nimmt dieser in den folgenden Stunden nicht an Menge zu und wird auch im Dickdarme nicht weiter nach unten befördert. Dieser Zustand dauert in den meisten Fällen mindestens 5—6 Stunden an (in den Tabellen ist eine solche auffallende Dünndarmstopfung als „ausgezeichnet“ bezeichnet). Schliesslich erfolgt dann meistens der Exitus der Tiere, der häufig nach 5—6 Stunden, jedenfalls immer innerhalb 24 Stunden nach der Injektion eintritt. Kotentleerung ist entweder ganz aufgehoben, oder es wird später eine kleine Menge dünnflüssigen Kotes ausgestossen. Bei der Sektion findet man das [00] o -ı oO 60 50 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern, 1 9 10 Stunden. Fig. 3. Diagramm der ee von A welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 8 Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus neun Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,015—0,02 g Morphinum hydrochloricum pro Kilogramm injiziert wurde. J — Zufuhr des Koloquintenextraktes, — Morphininjektion. Die horizontale Linie direkt über der Abszisse zeigt die Verweildauer der Speisen im Magen; der Pfeil an ihrem Ende bedeutet, dass der Magen ganz oder grösstenteils ent- leert ist, die kleinen Kreise die Peristaltik im Pylorusteil. 340 Makoto Takahashi: oben, S. 337, beschriebene typische Bild. Fig. 3 gibt das Diagramm der Versuche mit den grösseren Morphindosen ?). | Tabelle II. Morphinversuche Dosis | Dünndarm- PR a ir- efä- Nummer DS stopfung Exitus Sektion kung |kationen Kilo- (nach dem (Er- in gramm | Diagramm) regung) | 24 Stdn. g 6: 0,02 ausgezeichnet Tod typisch (+++) 1 | 2 | 0,02 | ausgezeichnet Tod typisch |(+++)| 1 3 1 0,015 | ausgezeichnet lebend (—) (++) 2 4 | 0,015 | ausgezeichnet Tod typisch (+++) 0 5. | 0,01 (+) lebend — (++) 1 6 | 0,01 (+) Tod typisch (++) 0 R2) 7 1001 (+) Tod typisch I[(+-+) 1 ö 8 | 0,01 ausgezeichnet Tod typisch |(+++) 1 A 9 10,01 =) Tod typisch [(++) 1 © I 10 | 0,01 (+) lebend E (++) l = I 11 | 0,005 | ausgezeichnet Tod typisch |(++) 1 52 * 12 | 0,005 SF lebend — (+) 2 e 13 | 0,005 — lebend _ (++) 1 „. [14 | 0,005 (+) lebend = (+) 2 8 | 15 | 0,005 (+) Tod typisch |(++) 0 > | 16 | 0,005 | ausgezeichnet Tod typisch |(+) 0 2 | 17 | 0,003 (+) lebend Ge) (+) 3 18 | 0,003 (+) lebend — (+) 2 19 | 0,003 (+) Tod typisch I|(+) 1 20 | 0,002 (+) später Tod | typisch |(+) 1 21 | 0,002 (+) später Tod typisch |(+) 1 32 | 0,002 (+) Tod typisch |(+) 3 33 | 0,002 (+) lebend —_ (+) 1 22 | 0,001 (—) Tod angedeutet |(—) 2 2 | 23 | 0,001 (—) lebend — —) 3 = 24 | 0,001 (—) lebend — (—) 3 25 | 0,001 (—) lebend — (—) 3 2) 30 | 0,001 (—) lebend - (—) 3 2.131 | 0,001 (—) lebend u —) 4 = | 26 | 0,0005 (—) lebend — (—) 2 = | 27 | 0,0005 (—) lebend _ —) 3 S 28 | 0,0005 —) lebend — (—) 3 29 | 0,0002 | (—) lebend — (—) 2 Bemerkung zu Tabelle Il: Die zu diesen Versuchen ver- dann mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und Wasser mit der Schlundsonde. Wenn bei der KRöntgenbeo- bachtung und die Dünndarmfüllung maximal war, wurde Morphin in 1) N. Schapiro (Pflüger’s Arch. Bd. 151. 1913) hat kürzlich die Stopf- wirkung des Morphirs auf den Dünndarm zurückzuführen versucht auf einen Krampf des lleocöcalsphinkters. Ich habe bei meinen Versuchen mit Morphin besonders hierauf geachtet, aber nur einmal eine deutliche Ausdehnung des untersten Ileums durch Wismutkot wahrnehmen können, welche jedoch nach kurzer Zeit verschwand und nicht wieder auftrat. Eine irgendwie erhebliche Rolle spielt sicher ein solcher Krampf des Sphincter ileocolicus nicht. Stopfende Bestandteile im Opium. 341 Man kann nun, wie Tabelle II zeigt, mit der Morphindosis noch sehr erheblich heruntergehen, ohne dass die Stopfwirkung aufhört. beim Koloquintendurchfall. Zeit der.| Zustand bei der Injektion ersten Defäkation Grösse Beschaffenheit des ersten Kotes nach der | Magenentleerung | d.Kolon- Injektion schattens Stunden 11/3 fast leer gross |ein wenig diarrhöischer Kot 41/4 grösstenteils leer = ein wenig diarrhöischer Kot 21/a fast leer — kleine Menge diarrhöischer Kot — _ ıgrösstenteils enileert —_ —_ 4l/s fast leer — grosse Menge schleimiger Wismutkot — etwas schlecht — —. Sl/a grösstenteils leer gross |kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 91/s grösstenteils leer — kleine Menge diarrhöischer Wismutkot y 12/4 grösstenteils leer klein |kleine Menge schleimiser Wismutkot ya grösstenteils leer klein | grosse Menge schleimiger Wismutkot 41a grösstenteils leer — kleine Menge schleimiger Kot 1?/s grösstenteils leer gross | kleine Menge diarrhöischer Wismutkot )2 grösstenteils leer klein | ziemlich grosse Menge diarrh.Wismutkot 5/6 grösstenteils leer gross |ein wenig diarrhöischer Wismutkot — etwas schlecht — a _ fast leer — _ 4 grösstenteils leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 21a grösstenteils leer klein | grosse Menge schleimiger Wismutkot 3 grösstenteils leer gross | kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 3?ls grösstenteils leer — ziemlich grosse Menge diarrh.Wismutkot 23/4 grösstenteils leer — kleine Menge diarrhöischer Wismutkot alla grösstenteils leer —_ zieml. grosse Menge schleim. Wismutkot 4 fast leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2!la grösstenteils leer — kleire Menge diarrhöischer Wismutkot 3lla grösstenteils leer klein |grosse Menge schleimiger Wismutkot 22]s grösstenteils leer klein | ziemlich grosse Menge diarrh. Wismutkot Ya grösstenteils leer gross | ziemlich grosse Menge diarrh.Wismutkot 3lls grösstenteils leer — | grosse Menge blutig-schleim. Wismutkot 21/s grösstenteils leer — grosse Menge schleimiger Wismutkot 1!/a | grösstenteils leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2?/6 grösstenteils leer — ziemlich grosse Menge diarrh.Wismutkot ls grösstenteils leer klein | ziemlich grosse Menge diarrh.Wismutkot 21/6 grösstenteils leer _ grosse Menge diarrhöischer Wismutkot wendeten Katzen blieben vorher 24 Stunden ohne Nahrung, wurden erhielten unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm der Magen danach ganz oder grösstenteils entleert gefunden wurde wechselnden Mengen subkutan injiziert. Als minimale, sicher stopfende Dosis ergab sich 0,002 g pro Kilo- gramm salzsauren Morphins. Durch diese Dosis wurde in allen vier Versuchen noch eine deutliche Verzögerung der Dünndarmpassage auf dem Röntgenschirm beobachtet, wie sich auch aus dem Diagramm Fig. 4 ergibt.. Dieses zeigt, dass die durch Koloquinten stark be- schleunigte Dünndarmpassage (punktierte Linie) durch 2 mg pro Kilo- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 23 342 Makoto Takahashi: gramm Morphin ungefähr so weit verlangsamt wird, wie den normalen, nicht durch Arzneimittel veränderten Darmbewegungen entspricht, so dass nach 7 Stunden noch eine deutliche Dünndarmfüllung vor- handen ist. Nach diesen kleinen Dosen hat also die Düundarmkurve nicht mehr den ganz horizontalen Verlauf, wie er in Fig. 3 nach grossen Morphindosen zu sehen war. — In drei von vier Versuchen erfolgte nach 2 mg pro Kilogramm Morphin der Tod der Versuchs- tiere; das Sektionsbild war in diesen drei Fällen typisch. Es muss daher 2 mg pro Kilogramm Morphin als die kleinste sicher wirksame Dosis bezeichnet werden. Während nach den grossen Morphindosen die Katzen in die be- kannte heftige zentrale Erregung geraten (in der Tabelle als ++ angeführt), ist diese nach der kleinsten wirksamen Dose so gering, dass sie nur bei genauerer Beobachtung auffällt (in der Tabelle als + bezeichnet). 0,003 & pro Kilogramm ist als sicher unwirksame Dosis zu bezeichnen. Die Dünndarmpassage wird nicht mehr verlangsamt (Fig. 5); der Tod erfolgte nur einmal unter sechs Fällen, und in diesem war das Sektionsbild nur angedeutet (s. Tab. II). 80 oo FF co 50 40 30 20 10 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 10 Stunden Fig. 4. Diagramm der ee von a welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,002 & pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. subkutan injiziert wurde. Y — Zufuhr des Koloquintenextraktes.. | — Morphininjektion.- Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. Stopfende Bestandteile im Opium. 343 ‘9 Berner 2 3 4 5 6 7 8 1 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. N) 10 Stunden, Fig. 5. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus sechs Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünrdarmfüllung 0,001 & pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. subkutan injiziert wurde. J — Zufuhr des Koloquintenextraktes. | — Morphininjektion. Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. In genau derselben Weise wie für Morphin wurde nun auch für Kodein die minimale wirksame und die maximale unwirksame Dose festgestellt. Die Gesamtheit dieser Versuche ist in Tabelle III (S. 344) zusammengestellt. Wie man aus Tabelle II ersieht, ist 0,01 g pro Kilogramm als kleinste wirksame Dosis von phosphorsaurem Kodein anzusehen; 0,005 g pro Kilogramm ist unsicher wirksam, 0,003 g ist eine sicher unwirksame Dosis. Unter sechs Versuchen mit 0,01 g pro Kilogramm ergab sich nur einmal unter dem Röntgenschirm ein negatives Resultat; in den anderen Fällen war die Stopfwirkung deutlich, einmal sogar aus- gezeichnet. Nach 0,003 g pro Kilogramm (unwirksame Dosis) trat dagegen niemals eine deutliche Passagehemmung im Darme auf. Das Angeführte wird durch nachfolgende Diagramme veranschau- licht. Fig. 6 zeigt die starke Stopfung durch 0,025 g Codein. phos- phor. pro Kilogramm, Fig. 7 den Effekt der kleinsten wirksamen Dosis (0,01 g pro Kilogramm), Fig. 8 die Wirkungslosigkeit von 0,003 g pro Kilogramm. 23 * Makoto Takahashi: 544 “Jaaızılur U9SUOM UOPUJssy9aM ur umoLLoydsoyd wnurapoNy ueynygqns opına ‘ıaem fewıxew Sunjjnfunepuung aIp pun 9pınm WSPpunJ93 YoafJus SIIHJU9ISSOAS AOpo Zued yaeuep uasen] Aop Zunyyoegoaquasjuoy A9p Tag uuaM PPuospunjyas aap Jıu aosseq WOI QT ur Yyeayxausjumbojoy 3 9T'O yeuep egfoyrwuun woToLyas pun Y1o9nJ93 PAxo1ıpAygnwsıy 3 G pun TOIgJEFoIIey 3 CZ Lu uuep uopınm ‘aoyyny auyo uapungg FZ AayaoA uagaıg UAZYeN UEJHPUAMA9A uOyonSsaaA UoasHIp nz AlqQ :IIT aTTeqeL nz Sunyaouag . JONIMWST A "WIOTgOS-FLU]N Oduap 985018 | ur] | AO] S[IAJUEISSQAS | 2/,T @ (—) — puagq9] (—) £00°0 I 2% a JoNIMWSIM A9FLWmIa[yIS 9Suam 9ss0Ad| —- 199] STIEFUOISSOAD g e (—) — puoqaf —) 200°0 | 6ı LIE > JONMUWSTAM JOy9sIoyaseıp aduam 9ss0Ad| — | 199] S[TEJU9NSSQAS | 3/, Z (—) | yasıdÄy | PoL (—) £00°0 | 8I 2.8 = Joymuısty "wıo[gos aduopL 9sso1d "[weIz| — | 199] S[TEJUSISSO.AD 7 Z (—) —_ puoga] (F) £00°0 I 03 N JONMUISIM AOUISIOYLIEIP 9SUaN] uLa]y | SSO1S 199] I8%7 &; 2 (—) — puaqal (—) 000 | 21T 2a JoyIMWSI AN TOydSIOyareıp HDuam eula]N | SSOAS | 189] STIOJU9FSSQAS 3 2 (—) — pusqal (=) 00 | IIISEE goymwsıy Aodımmojyas oduap] 9SS5010 | SS01 199] 9%ıF T (—) — puoqa1 (+) 00 | EIL2 ES JONMWSIM AOUISTOL.LIBIP 9Sua aurspY| — | AHA] S[IEJUEISSQLD G 1 (—) | ysıdy | poL (+) 000 I 01 55 = 304] A9yDSIOyALEIp OFuapL 9SS0Ad yaıpmaız | uTa]S] | 199] S[LEYUEISSQ.LS T Z —) — ı puoq9f (+) 000 | 6 DE JoNFMWSIM A9sıWma]y9s 9Huap] 9SS018 | SS0A3 | 199] STLEIABISSOAZ | 2/,G I (—) — | puoga] (—) | 100 | 31 JONMWST A 'SIWIOTUIS 9dua 9sso.1a "[weız| — | 199] S[IEJUEISSQAS 9) 1 (—) — puaqa] (+) 1001| ST 2 Joyymusı JoS1Iwıo]y9s Hduam] ass0ıı — J99] ISeF 2/18 2 (—) _ puaqa] (+) 1001 #11 5 Joy] AOU9SIOyLIEIp adua assoad| — | 19] STIEJUEISS0A2 | 9/15 I (—) | yosıdÄ) | PpoL | — 100 | 911 * JONMUWISTA "QAIBIP 9dUaT 985018 yaıpwaız | —- A199] S[IEFUEISSOAS | 9/6E 1 (#) | yasıdÄy | PpoL, (+) 10| ıa| = JO] A9yosıoyaaeıp aus aulajy | ULO]N | A199] S[IeJuayssoas | F/.Z 1 (—) —_ puaga] | 9uy9iazadsne | 00 | 8 = JONMWST A "DLUNTO]gIS 9dUAN 9ssoad jweiz| — | A907 S[IENUSISSQ1S L 1 (#) — puaqa] (+) cI0o | & & JoNMWISIM Jodımojyas FıuoMm uro| uf] | YyDaLyas semga | 2/16 ( T (F) | yasıd4 | poL (+) c0o| 2 3 Joymuısı y 'Sıuno]yos 9duapy asso1djwerz| — 4199] S[LEFUEISSQA1d | 7/;E rd (#) — Puaqo] (+) cT0o | IT e 304] 'yosIoyazeıp Hua] 98018 yaıwaız| — |A897] Sjreguagssgas | 3,1, < I (+) | ysıdY | po] |3Puy2rszassne | CI0'0 | F S | Joy] AOyastoguteIp 9duop surspy| — | 199] STTEJUSISSQALS @ I (+) | wasıd4} | po7 |39uy919z9dsne | c20'0 | 9 =. 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Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Kodein, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus zwei Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung ca. 0,025 g pro Kilogramm Codeinum phosphoricum subkutan injiziert wurde. = — Zufuhr des Koloquintenextraktes.. | — Kodeininjektion. Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. 60 [ax o > o {IV} oO D o ıI@r Er B/@el@!®; zu | 2 Le _ 1 10 Stunden. oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. © Fig. 7. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Kodein, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus fünf Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,01 g pro Kilogramm Codeinum phosphoricum subkutan injiziert wurde. Y= Zufuhr des Koloquintenextraktes. | —= Kodeininjektion. Bedeutung der übrigen Zeichen. wie auf Fig. 3, 346 Makoto Takahashi: & =} I (=) = D & or & (>) © (=) 5 o {>} (=) Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 6 7 8 9 10 Stunden Fig. 8. Diagramm der en von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Kodein, die ausgezogene Linie den Durehschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,008 g pro Kilogramm Codeinum phosphoricum subkutan injiziert wurde. = Zufuhr des Koloquintenextraktes. | — Kodeininjektion. Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. Schon Hesse und Neukirch hatten festgestellt, dass 0,04 & Kodein beim Koloquintendurchfall eine deutliche Hemmung der Dünndarmpassage hervorrufen kann. Die Wirkungsweise der kleinsten wirksamen Kodeindosis beim Koloquintendurchfall ist ungefähr - dieselbe wie die der kleinsten wirksamen Morphindosis: Beruhigung der Bewegungen des Dünn- und Dickdarmes. Nach den grossen Kodeindosen stehen alle Dünn- und Diekdarmbewegungen still, und das Röntgenbild lässt stunden- lang keine deutlichen Veränderungen erkennen. Eine deutliche Erregung des Zentralnervensystems lässt sich nach Injektion der wirksamen Minimaldosis nicht mehr feststellen. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich demnach, dass die stopfende Minimaldosis beim Koloquinthendurchfall der Katzen beträgt: für Morphinum hydrochloriecum 2 mg pro Kilogramm „ »:&odeinum phosphorreum.. . Tess, ” Welches Resultat bekommt man nun durch Kombination der beiden Alkaloide? (Siehe Tabelle IV auf S. 348 und 349.) Stopfemde Bestandteile im Opium. 347 Wie man aus Tabelle IV ersieht, ist das Resultat ein sehr auf- fallendes. Schon durch Kombination von Ys mg pro Kilogramm Morphin. mur. mit der gleichen Menge Codein. phospbor. trat (in Versuch 12) eine ausgezeichnete Stopfwirkung auf den Dünndarm ein; das Tier starb, und der Sektionsbefund war typisch. Die ver- wendeten Dosen waren '/s der kleinsten wirksamen Morphindosis und !/so der kleinsten wirksamen Kodeindosis. Man kann aber, wie die Tabelle lehrt, bei dieser Morphindosis mit der Kodeindosis noch weiter heruntergehen und erzielt noch mit !/soo—!/40o der minimalen wirksamen Kodeinmenge in Verbindung mit !/ı der kleinsten für sich allein wirksamen Morphindosis eine sichere Stopfwirkung. Weiter mit der Morphindosis herunterzugehen, ist nicht gelungen, wenigstens wenn man die Kodeindosis dann nicht unverhältnismässig gross nehmen will. Nachfolgende Diagramme veranschaulichen die soeben geschilderten Befunde. [0] oO Ex | (=) {er} o or oO 5 [JV] o D (=) m oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. © 105 Aria 3 4 b} 6 7 8 9 1 2 10 Stunden. Fig. 9. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin und Kodeip, die ausgezogene Linie, den Durchschnitt aus fünf Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,001 g pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. (!/a der Minimaldosis) und 0,0005—0,001 g nro Kilogramm Codein. phosphor. (!/io—!/2o der Minimaldosis) subkutan injiziert wurde. \ — Zufuhr des Koloquintenextraktess. | = Injektion von Morphin + Kodein. Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. Wie man aus Fig. 9 sieht, lässt sich also mit Y/ der minimalen Morphindosis und !/ı—!/2o der minimalen Kodeindosis ein aus- gezeichneter Stopfeffekt erzielen. Tabelle IV. Kombinationsversuche von Morphin Dosis pro Kilogramm Morphi- Nummer num hydro- chloricum g ( 49 0,002 5 0,002 6 0,002 2 0,001 3 0,001 1 0,001 4 0,001 8 0,001 = 18 0,001 w 0 0,001 2 Sl 0,001 u 16 0,0005 = 9 0,0005 = 11 0,0005 12 0,0005 14 0,0005 15 0,0005 13 0,0005 17 0,0005 22 0,0005 19 0,0005 20 0,0005 21 0,0005 23 0,0005 24 0,0005 R= 25 0,0005 = 26 0,0005 © 27 0,0005 Ira) 30 0,0005 E 3l 0,0005 25 0,0005 29 0,0005 10 1<0,0005 39 0,0004 1 0,0004 ya 34 0,00025 ri 3 0,00025 = 52 0,00025 98 0,00025 2) 0,00025 33 0,00025 36 0,00025 32 0,00025 > 31 0,00025 e 41 0,00025 BE | 45 0,00025 2)4 0,00025 = 3 0,00025 = 144 | 0,00025 40 0,00025 46 0,00025 47 0,00025 48 0,00025 Codeinum phosphori- cum 0.002 0,002 0,002 0,001 0,001 0,001 0.001 0,0005 0,00005 0,00005 0.00005 0.001 0,000005 0,0000035 0,0000025 0,000001 0,000001 (0,0005 0,0002 0,0002 0,003 0,003 0,003 0,003 0.001 0,001 0,00025 0,00025 0,000025 0,000025 0,000035 0.0000125 0,0000125 0,0000125 0,0000125 0,000005 0,000005 0,000005 Dünndarm- stopfung‘ (nach dem Bee ausgezeichnet (+) ausgezeichnet ausgezeichnet (+) =) ausgezeichnet ausgezeichnet Fe ee ee ae ae ae Se ae Se Se ae kan PAARE UT LINZ NAN-2. NND N Exitus Tod Tod lebend Tod Tod lebend Tod Tod Tod Tod lebend lebend lebend lebend Tod Tod lebend lebend lebend Tod Tod lebend lebend lebend Tod lebend später Tod|nicht charakleritisch lebend lebend lebend lebend lebend lebend lebend Tod Tod Tod Tod lebend lebend lebend lebend lebend lebend Tod lebend später Tod lebend lebend Tod lebend lebend lebend Sektion typisch SpEch typisch se is typisch typisch Umpiseh typisch sel typisch typisch typisch BEZEZE srmisch typisch typisch typisch I \ typisch andeutend typisch (Erregung) Zentrale Wirkung |; d. Deiä- IL NA a ea NL Den lb ar aldi hl DRIN DT u Il RR DT Tu Eu kationen in DADHSODDIDIDODODRDHHMHHHAHDDODOORDR DR RD DB DD H DS DH OVOVDHHrRH VD mnm Bemerkung zu Tabelle IV: Die zu diesen Versuchen ver- mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und er- Wasser mit der Schlundsonde. Wenn bei der Röntgenbeobachtung und die Dünndarmfüllung maximal war, wurde subkutan Morphin. 94 Stunden mit Kodein beim Koloquintendurchfall. Zeit der | Zustand bei der Injektion ersten Defäkation Grösse Beschaffenheit des ersten Kotes nach der | Magenentleerung |des Kolon- Injektion schattens Stunden grösstenteils leer - kleine Menge diarrhöischer Kot 3213 fast leer zieml. grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 22/3 leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 41/2 fast leer ein wenig diarrhöischer Kot 21/a fast leer ein wenig diarrhöischer Kot 32/4 grösstenteils leer kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 31/a grösstenteils leer ziemlich grosse Menge geformter Wismutkot (2 grösstenteils leer ein wenig diarrhöischer Kot y5 grösstenteils leer grosse Menge schleimiger Wismutkot 2 grösstenteils leer zieml. grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 31a fast leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 1a grösstenteils leer grosse Menge weicher sehleimiger Wismutkot 1/a fast leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 41/s grösstenteils leer grosse Menge schleimiger Wismutkot 22/4 grösstenteils leer ein wenig diarrhöischer Kot b) grösstenteils leer ein wenig schleimig-blutiger Wismutkot Yolyl leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 2l/s fast leer grosse Menge schleimiger Wismutkot alla grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 1!/a leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 3/6 grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 4?/4 grösstenteils leer ziemlich grosse Menge schleimiger Wismutkot grösstenteils leer gross | kleine Menge schleimiger Wismutkot (31/a grösstenteils leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot (Wa grösstenteils leer — kleine Menge diarrhöischer Wismutkot (21a fast leer. klein | grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 21/s fast leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2l/a leer grosse Menge schleimiger Wismutkot 2l/s leer grosse Menge schleimiger Wismutkot (32]s grösstenteils leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2Ple grösstenteils leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot (Alla leer grosse Menge diarrböischer Wismutkot 41/4 grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 21/s grösstenteils leer zieml. grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 1?/s etwas schlecht zieml. grosse Menge diarrhöischer Wismutkot (23a fast leer grosse Menge diarrhöischer Kot 2lla grösstenteils leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 22/3 grösstenteils leer zieml. grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 22/3 grösstenteils leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 15/6 grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot S1ls grösstenteils leer grosse Menge schleimiger Wismutkot alla fast leer grosse Menge schleimiger Wismutkot 2]s leer grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 21/6 grösstenteils leer kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 2 grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 25/6 grösstenteils leer grosse Menge schleimiger Wismutkot 21/a grösstenteils leer ziemlich grosse Menge schleimiger Wismutkot 23/4 grösstenteils leer kleine Menge schleimiger Wismutkot 2l/a grösstenteils leer ziemlich grosse Menge schleimigerWismutkot 3l/a grösstenteils leer — grosse Menge vorwiegend diarrh. alter Kot 2l/s grösstenteils leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot (alle grösstenteils leer klein grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 21la grösstenteils leer = grosse Menge schleimiger Wismutkot wendeten Katzen blieben vorher 24 Stunden ohne Futter, wurden dann hielten unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm der Magen danach ganz oder grösstenteils entleert gefunden wurde hydrochlor. und Codein. phosphor. in wechselnden Mengen injiziert, 350 Makoto Takahashi: & o 1 (=) er) =] or (=) > {>} & {>} D (=) TER Re 3 4 5 6 7 8 1 2 9 10 Stunden. fe oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. oO Fig. 10. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morpbin und Kodein; die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus zwei Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarm- füllung 0,0005 8 pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. (!/ı der Minimaldosis) und 0,0005 & pro Kilogramm Codein. phosphor. (!/co der Minimaldosis) subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 9. In diesen Versuchen wurde also mit !/s der kleinsten wirksamen Morphindosis und !/zo der kleinsten Kodeindosis ein voller Stopfeffekt erzielt. Vergleicht man mit diesem Diagramm die Fig. 4 und 7, welche die Wirkung der kleinsten stopfenden Morphin- und Kodein- dosen für sich allein veranschaulichen, so ersieht man sofort, dass der auf Fig. 10 wiedergegebeze Stopfeffekt sehr viel stärker ist. Es handelt sich also um eine hochgradige Zunahme der Stopf- wirkung durch Kombination der beiden Alkaloide. Fig. 11 zeigt, dass selbst mit "/« der kleinsten Morphindosis und !/40—!/40o der kleinsten Kodeindosis sich noch eine deutliche Wirkung auf die Dünndarmbewegungen erzielen lässt. Wie sich aus Tabelle IV ergibt, ist "/a der Morphinminimaldosis und !/4oo der Kodeinminimal- dosis der untere Grenzwert, bis zu welchem herab die Stopfwirkung noch deutlich bleibt. Es ergibt sieh also eine ganz unerwartet hoch- gradige Potenzierung der Stopfwirkung beim Kolo- quintendurchfall der Katzen durch die Kombination des Morphins mit seinem Methylderivat, dem Kodein. Diese Potenzierung erfolgt beim Zusammenwirken zweier Arznei- mittel, welche wohl unbestritten als zur gleichen pharmakologischen Stopfende Bestandteile im Opium. 351 Gruppe gehörig angesehen werden müssen. Der hier beobachtete Fall gehorcht also nicht dem von Bürgi!) aufgestellten Gesetz, nach welchem eine Potenzierung nur bei der Kombination von Giften ein- treten soll, welche zu verschiedenen pharmakologischen Gruppen ge- hören bzw. verschiedene Angriffspunkte haben. En ae -oErezzrRzm ti), ein |) | An Ru BEE ENDE Be NL) BE Rrre „SE Bla Ba BEE 10 Stunden & =) -—ı oO {er} (=) [2x oO Ha =} (4) >} DD o m oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 0 1].,eIale Fig. 11. ne, der en von welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. - Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin und Kodein; die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus sieben Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarm- füllung 0,0005 g pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. (/a der Minimaldosis) und 0,00025—0,000025 g pro Kilogramm Codein. phosphor. (!/so—!/40o der Minimal- dosis) subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 9. Die Frage, welche Kombination von Morphin und Kodein am wirksamsten ist, lässt sich nach meinen Versuchen dahin beantworten, dass man mit der Morphindosis nieht unter '/k der Minimaldosis heruntergehen darf, und dass zur Erzielung eines maximalen Effektes der Zusatz von *!/eo der minimalen Kodeindosis genügt. Geht man mit dem Kodeinzusatz herunter, so wird die Stopfwirkung nur sehr allmählich geringer, um erst bei '/4oo der minimalen Kodeindosis den unteren Grenzwert zu erreichen. Umgekehrt kann man auch die an sich unwirksame Kodeindosis (0,003 g pro Kilogramm) durch Zusatz einer kleinen Morphinmenge (0,00025 g pro Kilogramm, das ist !/s der wirksamen Minimaldosis) zu einer wirksamen machen. 1) E. Bürgi, Untersuchungen über die Wirkung von Arzneigemischen. Berliner klin. Wochenschr. 1911 Nr. 20. — S. a. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Ther. Bd. 8 S. 523 und Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 14 S. 39. 352 Makoto Takahashi: Wenigstens trat unter vier Fällen zweimal eine deutliche Verzögerung der Dünndarmpassage und dreimal der Tod mit typischem Sektions- befund ein. Doch ist es sicher, dass die Kombination einer grossen Kodeindosis mit einer kleinen Morphinmenge nicht so stark wirksam ist wie die Kombination von Morphin mit einer kleineren Kodein- dosis.. Die stärksten Wirkungen erzielt man, wenn man salzsaures Morphin und phosphorsaures Kodein zu gleichen Teilen mischt. Dann kann man, wie oben erwähnt, mit den Dosen so weit herunter- gehen, dass man "« der minimalen Morphindosis und eo der minimalen Kodeindosis einspritzt, und man erzielt doch noch einen maximalen Effekt. Die Wirkungsweise der Morphin-Kodein-Kombination besteht genau wie die des Morphins oder Kodeins allein in einer Ruhigstellung der Bewegungen des Dünn- und Diekdarmes. Am Dünndarm kann man direkt sehen, wie die vorher lebhaft bewegten Schlingen ganz ruhig daliegen, glatte Konturen bekommen und ihren Inhalt nicht weiter- befördern. Besondere Anzeichen für einen Krampf des Sphincter ileo-colieus liessen sich auch in diesen Versuchen nicht wahrnehmen. Die Beruhigung des Diekdarmes äussert sich vor allem in einer Ver- zögerung der Fortbewegung seines Inhaltes und in Verspätung und Verminderung der Defäkationen. Während sich also bei der Kombination von Morphin und Kodein eine sehr hochgradige Potenzierung der Stopfwirkung nachweisen liess, war etwas Ähnliches in der Beeinflussung des Zen tralnerven- systemes nicht vorhanden. Die kleinste zentral erregende Morphin- dosis ist 2 mg pro Kilogramm. 1 mg erregt nicht mehr (Tab. II). Die kleinste Kodeindosis, welche eben noch eine Andeutung von Erregung machte, ist 1 eg pro Kilogramm. Kleinere Kodeinmengen sind wirkungslos auf das Zentralnervensystem. Bei den in meinen Versuchen verwendeten Kombinationen von Morphin und Kodein ging die erregende Wirkung immer genau parallel der injizierten Morphin- dosis. Eine Verstärkung durch das beigegebene Kodein war nicht nachzuweisen (s. Tab. IV). Wir haben also den interessanten Fall, dass Morphin-Kodein sich in ihrer Wirkung auf das eine Organsystem sehr hochgradig verstärken, auf das andere Organsystem dagegen nicht. Dieser Be- fund ist natürlich für die praktische Anwendung von der grössten Bedeutung, denn man kann einen maximalen Effekt auf den Darm Stopfende Bestandteile im Opium. 353 erzielen, ohne eine unerwünschte Nebenwirkung auf das Zentral- nervensystem zu bekommen. In diesem Zusammenhange sei auch an den Befund von Straub erinnert, dass durch Zusatz von Narkotin die narkotische Wirkung des Morphins verstärkt, dagegen die Beeinflussung des Atemzentrums abgeschwächt wird. 5. Versuche über Kombination von Morphin und Kodein mit anderen Opiumalkaloiden. A. Versuche mit den „Restalkaloiden“. Nachdem sich aus den bisher geschilderten Versuchen eine sehr starke Potenzierung der stopfenden Morphinwirkung durch Kodein ergeben hatte, erhob sich die Frage, ob es möglich ist, durch Bei- gabe von anderen Opiumalkaloiden noch eine weitere Steigerung des Effektes zu erzielen. Ich habe daher zunächst untersucht, ob die „Restalkaloide“ einen derartigen Einfluss besitzen. Denn Hesse und Neukirch!) haben festgestellt, dass von den Einzelbestandteilen des Pantopons ausser Morphin und Kodein nur noch diesen „Rest- alkaloiden“ eine, wenn auch schwache, stopfende Wirkung auf den Koloquintendurchfall der Katzen zukommt. Als Restalkaloide wird das Gemenge derjenigen Opiumalkaloide bezeichnet, welehe nach Ausschluss von Morphin, Kodein, Narkotin, Papaverin, Thebain und Narcein übrigbleiben. Sie sind im Pantopon in Form der Chlorhydrate in einer Menge von etwa 6/0 enthalten ?), also etwa zu einem Zehntel der im Pantopon vorhandenen Morphin- menge (63°/o). Hesse und Neukirch fanden, dass Dosen von 0,1 bis 0,08 g für Katzen stark giftig sind und die Tiere unter gesteigerter Reflexerregbarkeit, Krämpfen und Dyspnöe töten. 0,04 g (ca. 0,02 g 1) A. a. 0. 2) Nach Mitteilungen der Fabrik (Hoffmann-LaRoche & Co. in Basel) sind im Pautopon enthalten als Chlorhydrate: Morphine Suse ans. ca. 62,7 %0 Kodenerese a 2 ne, 228.000 Narkotinss akt a. a RZ) Bapayemne. ns 2 278:0)0/0 Mhebainar 7.9 se ae „234% Narceinaim oa ae Ka 1 2.0/0 Restalkaloide ©... 2 ..% „= :6,0.2/0 354 Makoto Takahashi: pro Kilogramm), also eine der tödlichen ziemlich nahe Menge, äussern dagegen eine inkonstante Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall, die in einer verzögerten Dünndarmpassage, vielleicht auch in einer Diekdarmwirkung sich äussert. Die Gesamtheit meiner Versuche mit den „Restalkaloiden“ ist in Tabelle V zusammengefasst. Aus der Tabelle V ersieht man, dass Dosen von 0,01 g pro Kilogramm der Restalkaloide (Versuch 14 und 15 Gruppe VI) wohl als die untere Grenze der Wirksamkeit bezeichnet werden müssen, wenn diese allein injiziert werden. Es trat einmal deutliche, einmal unsichere Dünndarmverzögerung ein; beide Tiere blieben am Leben. Tabelle V. Kombinationsversuche von Morphin-Kodein Dosis pro Kilogramm 38 = ss5 © Se Sen . Zentrale Slsljl=s53 Codeinum Bash 3 2.=]|Exitus | Sektion | Wirkung |2|838 | pbos- ea, E ee Be alkaloide |3 & (Erregung) ==3 phoricum = ek g g RZ Hr BERNIE ee I { 2.1 0,00025 | 0,0000125 | 0,000025 (—) Ilebend — ) 6 | 0,00025 | 0,0000125 0.000025 (—) |lebend —_ &) ır$| }| 900025 | 0,0000125 | 0,00025 —) Tod typisch () 3 | 0,00025 | 0,0000125 | 0,00025 (—) |lebend — es (| 91 0,00025 | 0,0000125 | 0,001 (—) [lebend _ (—) u 11 | 0,00025 | 0,0000125 0,001 (—) |lebend E= (—) | 4 | 0,00025 | 0,0000125 | 0,001 (+) [lebend C) 7 | 0,00025 | 0,0000125 0.001 (+) Tod Snsiach —) IV { 12 | 0,00025 | 0,0000125 | 0,003 (—) |lebend — (—) 5.| 0,00025 | 0,0000125 0.003- 0,0033] (+) |lebend — (—) 16 | 0,00025 | 0,0000125 0,01 | (—) | lebend Krämpfe V 4113 | 0,00025 | 0,0000125 0,01 (+) Tod typisch (—) 8] 0.00025 | 0.0000125 , 0.01-0,013 | (+) [lebend es dl. — — 0,001 (—) |lebend E (—) vl 4 — = 0.01 (+) |lebend _ (—) 15 — = 0,01 (+) |lebend — (—) vol 17 | 0,001 — 0,001 (—) [lebend — ee 18 | 0,0005 — 0,001 (—) [lebend = GC) 19 - 70.003 0,001 (—) Tod typisch —) 20 — 1|.0,003 0,001 (—) |lebend _ (—) vn dit — 0,001 (+) [lebend — (—) 22 — 0,001 0,001 (—) Tod | nicht charakter. (—) | 23 — | 0,0005 0,001 (+) Ilebend — (—) | 24| — [0,0005 0,001 (—) |lebend — (=) Bemerkung zu Tabelle V: Die zu diesen Versuchen ver- mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und erhielten der Schlundsonde.. Wenn bei der Röntgenbeobachtung der Magen Dünndarm maximal gefüllt war, wurde subkutan Morphin. hydrochlor., RUE Stopfende Bestandteile im Opium. 355 Als minimal wirksame Dosis der Morphin-Kodein-Kombination wurde im vorigen Abschnitt 0,0005 g pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. und 0,000025 g pro Kilogramm Codein. phosphor. er- mittel. Es wurde nun versucht, ob es möglich sei, durch Zugabe von wechselnden Mengen der Restalkaloide zu.der halben Menge Morphin-Kodein (0,00025 g Morph. mur. und 0,0000125 Codein. phosph. pro Kilogramm) noch eine deutliche und konstante Stopf- wirkung zu erzielen. Diese halbe Morphin-Kodeinmenge hat für sich allein, wie sich aus Tabelle IV ergibt, nur noch einen sehr unsicheren Effekt. Eine etwaige Verstärkung durch Beigabe anderer Substanzen musste sich daher sehr deutlich wahrnehmen lassen. = mit „Bestalkaloiden“ beim Koloquintendurchfall. ®&_|37 = | Zustand bei der Injektion „= = 17 So © 23 = ax ’ . Seellant ee Beschaffenheit =53 13:53 Magen- 29% des ersten Kotes = = SO=4S Nswle85 entleerung ae sa“ lIo oo 28 A INA in Stunden 2 (31/2 | grösstenteils leer | — |grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2 (alla leer — grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 1 13/4 | grösstenteils leer | — |grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 2 Y3°ls leer klein | grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 3 1!/3 | grösstenteils leer| — |grosse Menge diarrhöischer W:smutkot 3 2 grösstenteils leer | — |grosse Menge schleimiger Wismutkot 3 22/3 fast leer — |kleine Menge diarrhöischer Wismuskot 1 (21/3 | grösstenteils leer | klein | kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 4 1/s fast leer — |kleine Menge schleimiger Wismutkot 1 y5 grösstenteils leer| — |zieml. grosse Menge diarrh. Wismutkot 3 1/a fast leer — [kleine Menge diarrhöischer Wismutkot fi (1®]s fast leer — |einwenigdiarrhöisch-blutiger Wismutkot 2 1/a | grösstenteils leer| — |kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 4 2/3 | grösstenteils leer| — |kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 3 13/a fast leer — | zieml. grosse Menge schleimig.Wismutkot 2 13/4 leer klein | zieml. grosse Menge schleimig. Wismutkot 2 21/3 | grösstenteils eer| — |erosse Menge schleimiger Wismutkot 3 1!/2 | grösstenteils leer| — |kleine Menge schleimiger Wismutkot 5) 21/3 | grösstenteils leer| — |zieml. grosse Menge diarrh. Wismutkot 3 1'/s | grösstenteils leer | klein | grosse Menge diarrhöischer Wismutkot 3 22/4 | etwas schlecht — [grosse Menge schleimiger Wismutkot 2 15/6 | grösstenteils eer| — |kleine Menge diarrhöischer Wismutkot 3 3l/s | etwas schlecht — | zieml. grosse Menge schleimig. Wismutkot 3 3 grösstenteils leer| — |zieml. grosse Menge diarrh. Wismutkot wendeten Katzen blieben vorher 24 Stunden ohne Futter, wurden dann unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit danach ganz oder grösstenteils entleert gefunden wurde und der Codein. phosphor. und „Restalkaloide“ in wechselnden Mengen injiziert. 356 Makoto Takahashi: Wie man aus Tabelle V Gruppe 1—4 ersieht, wird die Morphin- Kodeinwirkung durch Beigabe der Restalkaloide in Dosen bis zu 3 mg pro Kilogramm nicht in irgendwie erheblicher Weise verstärkt. Kleine Dosen, in dem im Pantopon vorhandenen Verhältnis (0,000025 & pro Kilogramm) beigemengt (Gruppe 1), sind ganz wirkungslos, ebenso die zehnfache Dosis (Gruppe 2). Mengen von 1—-3 mg pro Kilogramm Restalkaloide rufen ebenfalls keine konstante Stopfwirkung hervor (Gruppe 3 und 4); nurin der Hälfte der Fälle war eine Dünndarmwirkung vorhanden, und nur einmal erfolete der Tod. Beigabe der genannten Morpnin-Kodeindose zur minimal wirksamen Menge der Restalkaloide rief auch keine wesentliche Verstärkung der Wirkung hervor (Gruppe 5). Es gelingt also nicht, durch Beigabe der Restalkaloide eine etwas unterschwellige Dosis von Morphin-Kodein zu einer sicher wirksamen zu machen. | Auch durch die Beigabe von 1 mg pro Kilogramm „Restalkaloide“ zu !/—!/e der minimalen Morphindosis (Gruppe 7) und zu Y/ao—!/s der minimalen Kodeindosis (Gruppe 8) liess sich keine sichere Ver- stärkung der Wirkung nachweisen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, wenn ein Einfluss der Restalkaloide im Opium auf die Stopfwirkung vorhanden ist, derselbe jedenfalls nur minimal sein kann, und dass sich durch Beigabe von Restalkaloiden zur Kombination Morphin -Kodein keine praktisch brauchbare Verstärkung der Stopfwirkung beim Koloquintendurchfall der Katzen nachweisen liess. B. Versuche mit Papaverin. Nach den Versuchen von Neukirch und Hesse!) haben Narkotin, Papaverin, Thebain und Narcein keinen stopfenden Einfluss auf den Koloquintendurchfall der Katzen. Von diesen Alkaloiden habe ich nur noch das Papaverin untersucht, weil Pal und seine Schüler ?) ihm eine wichtige Rolle bei der Stopfwirkung des Opiums zuschreiben. DArTaO: 2) J. Pal, Über eine typische Wirkung der Körper der Morphingruppe. Zentralkl. f. Physiol. Bd. 16 S. 68. 1902. — E. Popper, Über einen Unter- schied in der Wirkung des Morphins und des Opiums auf den Darm. Deutsche med. Wochenschr. 1912 Nr. 7. — E. Popper und (C. Frankl, Über die Wir- kung der wichtigsten Opiumalkaloide auf den überlebenden Darm. Deutsche med. Wochenschr. 1912 Nr. 28. — E. Popper, Über die Empfindlichkeit des überlebenden Darmes auf die Einwirkung der Opiumalkaloide und des Pantopons. Pflüger’s Arch Bd. 153 S. 574. 1913. 397 Stopfende Bestandteile im Opium. -SundspaMdousj[Idng aurdyy (T ‘yaarzılur u9Suap] UopufosyooM ur 'aopypoapky umurıoAede pun "ıoydsoyd "urapon "aopyooıpAy "urydıop uemygns opınm ‘ıem jewmxew Zungmywaepuung op pun opınm uopunyog 4199]}u9 STTOFJUAISSOAZ A9PO u, yoeurp use] AP JSunyysegooquesjuoy Aop I9q uuUaM opuospunyag Aop yıu aasseM woo QF ur Le ne uuboiosN 3 970 yowuep aegjoyyrwun usyJoryıo pun 41999n798 pAxorpiymwsın 3 C pun Tıgfoponeyy 3 cz pw uuep uopınm “aaa suyo UApungg Fg AAUIOA UOAOINg UAZIYEY U9PUHMAHA uoyonsıoA UASOHIp nz Alq :TA elIaqeL nz Sunyıouag ONFNWUST MA d9gdsıogneip oduap assod | — 190] rg @ (—) — pusqa] | (—) 100‘0 — 100°0 | 8 JONINWSTAA 199] A9UISIOL.LIEIP 9SUO 985018 | urop] | S[TEJUEISSOAd 2) Z („3qneyaq _ pusgqat | C—) cz00 Fr Fe € JONINWUSTAA A9TISTOLLIEIP Hua 985018 | SS018 199] #/sL ) 3 |G3S1ynaoq — puaq9] | (—) 100 =; = 6 JONIMUISI AM Aooıu 199] -TO]goS oduapyı osso1d yorrworz | — | sproguagssoad | @ Ss) = pusqaı | (F) 1000 | <210000°0 | 230000 | 9 JONMUIST A 199] doyosroyaaeıp oguapy aurX | — | STrogugssgas | +/,Z @ (>) = puagaı | (F) 700°0 | «3100000 | ) Ex | [>] {or} =] ou o > =} so {>} en \ v a 2 ee 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Stunden. IS} oO m oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. oO Fig. 12. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Pantopon, dıe ausgezogene Linie den Durchschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,004 g pro Kilogramm Pantopon (darın etwas über 2 mg Morphin. hydrochlor.) subkutan injiziert wurde. J — Zufuhr des Koloquintenextraktes.. | — Injektion von Pantopon. Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. ». 2 mg pro Kilogramm Pantopon ist eine unsicher wirkende Dosis, die unter drei Versuchen nur einmal eine Verzögerung der Dünndarm- passage herbeiführte und nur zweimal die Tiere mit typischem Sektionsbefund tötete. Auf dem Diagramm (Fig. 15) ist daher auch nur eine sehr geringe Wirkung zu erkennen. 1 mg pro Kilogramm Pantopon ist als sicher unwirksame Dosis zu bezeichnen (Fig. 14). Stopfende Bestandteile im Opium. 361 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 6 7 8 9 10 Stunden. Fig. 13. en der a von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Pantopon, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus drei Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung -0,002 g pro Kilogramm Pantopon (darin etwas über 1 mg Morphin. hydrochlor.) subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 12. [o.0} =) -_ı (=) er) oO or oO 1 {>} {eb} (>) D&D (=) en o 7} See 1 10 Stunden. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. o Fig. 14. Diagramm der .. von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Pantopon, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus drei Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,001 g pro Kilogramm Pantopon (darin etwas über 1/2 mg Morphin. hydrochlor.) subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 12. Diese Feststellungen ermöglichen es uns zunächst, die stopfende Wirkung des Pantopons mit der des Morphins zu vergleichen. Nach 362 Makoto Takahashi: den Angaben der Fabrik enthält das Pantopon etwa 62—63/o salzsaures Morphin (vgl. Hesse-Neukirch). Also besteht jeden- falls etwas mehr als die Hälfte des Pantopons aus Morphin. Ver- gleicht man nun Fig. 12 (Wirkung von 4 mg pro Kilogramm Pantopon) mit Fig. 4 auf S. 342 (Wirkung der darin enthaltenen Morphinmenge: zirka 2 mg pro Kilogramm), so ergibt sich, dass Pantopon stärker wirkt, als der darin enthaltenen Morphinmenge entspricht. — Die Dosis von 2 mg pro Kilogramm Pantopon (Fig. 13) ist „unsicher wirksam“, die darin enthaltene Morphinmenge (Fig. 5 auf S. 343) ist „sicher unwirksam“. Es ergibt sich also, dass Pantopon etwas stärker stopfend wirkt, als der in ihm enthaltenen Morphin- menge entspricht. Auffallend ist aber, dass der Unterschied kein sehr grosser ist. Vergleicht man nun aber die Wirksamkeit des Pantopons mit der eines entsprechenden Gemisches von Morphin und Kodein, so ergibt sich, dass diese letztere Kombination deutlich stärker wirkt als das Pantopon. Im Pantopon ist nach Angabe der Fabrik Morphin und Kodein im Verhältnis 20:1 enthalten (vgl. Hesse-Neukirch). 0,002 g pro Kilogramm Pantopon ist eine nur unsicher wirkende Dosis (Fig. 13). Darin befinden sich etwas mehr als 1 mg salzsaures Morphin und etwa "/so mg Kodein. Eine Kombination dieser beiden Alkaloide in der genannten Menge (1 mg M. und "so mg K. pro Kilogramm) hat eine deutliche Stopfwirkung. Unter drei Versuchen wurde die Dünndarmpassage stets, darunter einmal ausgezeichnet, verlangsamt; der Tod mit typischem Sektionsbefund erfolgte zweimal (das überlebende Tier war besonders gross; vgl. die Bemerkung S. 338). Fig. 15 gibt einen Vergleich der Wirkung von 2 mg pro Kilogramm Pantopon (punktierte Linie) und von der dieser Pantopondosis entsprechenden Morphin-Kodeinmenge (ausgezogene Linie). Der Unterschied ist ein beträchtlicher. 0,001 g pro Kilogramm Pantopon ist sicher unwirksam. Die darin enthaltenen Morphin-Kodeinmengen allein kombiniert er- geben dagegen noch einen deutlichen Effekt (Fig. 16). Aus diesen Befunden ergibt sich, dass die Kombination von Morphin und Kodein in dem Mengenverhältnis, in welchem diese beiden Alkaloide im Pantopon vorkommen, deutlich stärker stopfend auf den Koloquintendurchfall der Katzen wirkt als die entsprechende Stopfende Bestandteile im Opium. 363 {eo} o I (>) [er] oO [213 =) HB =) [a4] (=) DD oO m oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 9 10 Stunden, Fig. 15. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus drei Versuchen, in denen die Tiere nach Entleerung des Magens 2 mg pro Kilogramm Pantopon subkutan erhielten, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus drei Versuchen, in denen sie statt dessen die darin enthaltenen Mengen pro Kilogramm von Morphin. hydrochlor. (1 mg) und Codein. phosphor. (!/zo mg) erhielten. Die Morphin- Kodein-Kombination wirkt stärker als die entsprechende Menge Pantopon. {er} En | &@ oO o © [ax (=) D & (=) oO u (=) Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. > Ss (=) Si) 3 4 b) 6 7 8 ) 1 2 10 Stunden. Fig. 16. Diagramm der Verdauungsbewesungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Morphin und Kodein, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus drei Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarm- füllung '/s mg pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. unl !/so mg pro Kilogramm Codein. phosphor. subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 12. Pantopondosis. Die Erklärung dafür kann meines Erachtens nur darin gesucht werden, dass das Pantopon (und damit auch das Opium) 304 Makoto Takahashi: Alkaloide enthält, welche der stopfenden Wirkung von Morphin und Kodein entgegenwirken und dieselbe hemmen. Um welche Alkaloide es sich hier handelt, habe ich noch nicht ermittelt. Das im Opium und Pantopon vorhandene Mischungsverhältnis von Morphin und Kodein ist nun noch nicht das günstigste für die Stopfwirkung. Setzt man zu einer bestimmten Menge Morphin nicht !/go, sondern eine ebenso grosse Menge Kodein, so wird der Effekt noch wesentlich stärker. Die in der sicher unwirksamen Pantopondosis (1 mg pro Kilogramm) enthaltene Morphinmenge (etwas über "/e mg) wirkt in Verbindung mit Y/s mg Kodein hoch- gradig stopfend und tötet unter typischem Sektionsbefund (s. Fig. 10 auf S. 350). — Die in der unsicher wirksamen Pantopondosis (2 mg pro Kilogramm) enthaltene Morphinmenge (etwas über 1 me) entfaltet in Verbindung mit Ye—1 mg Kodein eine maximale Wirkung. Demnach ergibt sich, dass Pantopon etwas stärker stopfend wirkt, als der in ihm enthaltenen Morphin- menge entspricht, dagegen deutlich schwächer als die Kombination der in ihm enthaltenen Mengen von Morphin und Kodein. Demnach müssen im Pantopon Alkaloide vorhanden sein, welche die Stopfwirkung von Morphin-Kodein hemmen. Das im Pantopon vor- handene Verhältnis von Morphin und Kodein ist nicht das für eine Stopfwirkung günstigste; vielmehr lassen sieh durch eine Erhöhung der Kodeinmenege bei gleich- bleibender Morphindosis sehr viel stärkere Effekte erzielen. 7. Die stopfende Wirkung der Opiumtinktur, verglichen mit der des Morphins, der Kombination Morphin-Kodein und des Pantopons. Nach den ir dem vorigen Abschnitt mitgeteilten Ergebnissen erschien es notwendige, die stopfende Wirkung der Kombination Morphin-Kodein nicht. nur mit der des Pantopons, sondern auch mit der der Opiumtinktur selber zu vergleichen. Wird doch letztere fast ausschliesslich als das eigentlich stopfende Opiumpräparat ge- braucht, während Pantopon zu diesem Zwecke nur selten Verwendung findet. 365 Stopfende Bestandteile im Opium. Ja9ızılur U9SOLT UHPUJoesy99M ur ınyyugundog weynyqns opanm “em [ewixeu Sunpmjwaepuung op pun opınM uopunJos AIaJJua SITOJUEISSOAB AOPO zue3 yowurp UISENT A9p Sunyyaegqoaquasjuoy A9p Taq uuaM 9uyo UAPUnIS FZ AOUIOA UAAOILg UOZYEeY] US9PUoMAaA uogonsIo‘\ UOSOIP nZ "9puospunjyag A9p UL dosseM W9 OT ur yeayxausgumbooyy 3 970 ydwuep Aeqjoyyuun uoyjeLya9 pun 719941798 PAxoıpAyynusıy 3 G pun T9IqJoyoJıey 3 cz rw uuep uopınmn ‘aoyny oIq :IHA PTTPgeL nz Sunyaowag Jompnwsiy "gLIeIp duo 988010 | ura]y 99] S[IOJUaISsSs0As | F/sgÄ ß (—) ar puogaf | >) | 200 #1 JoNMWSIM E A9HLULO]TIS HAUS 9SSo1S yaıpwarz | uroIy 199] S[rEJuaIssoad | 8/zL) eg (F) — puogof (=) 200°] eI|o3& JoyynwsıM SH A9SLLLLI]TOS H5UaT 9SSOAd yarıpwarzl uro]? 190] 9SEJ ji g (—) — puogqo] (—) 200 I 211? E yo MUST AA ® AOSLULTO]JOS “LOUOIOM Sup] auto] — 199] STIEJUEISSOA | 2 (—) en puagaf (=) 200 | IL Joypwsı\ 'yAleıp oduap 9ssoAS | uTo]y RER) shedl % IH) — puagar (—) co | OT) & JoymwsıM "yaAreıp 9Suap 9ssoad | UT | A099] S(ToJuagssoas | F/el 1 (—) | yasıdy poL (—) co | 6 Fe =] JoNINWUST A 52. aosıynjq-yostoquueip 9Suap autos Ze 199] SteyUoIsSQA0 | r/,E & ee) =, puaqa] (4) oje lee IB JONJNWSTAA Sr AOSLNTA-YISTOUAIEIP aSusp SULO]N — 199] SIIEFU9ISSOAS | 8/78 I (+) | yosıdAy poL Jougorszessne | c00 | 2 JE JoNINWSIM AOUDIOM 9SUap] aUulofy | SSOAS d99] S[TEJueJSs01s | F/, g (—) — puaqo] (—) Eosıeo =) JoyInwsıM "UAIeIp 98uopT uray — 199] S[IOJUBISSQAS | 8/15 P2 (+) = puaqay (+) oleIe JoNMWSIAM "Yareıp duo] auf] | urey 199] STTEYUOISSOAD Z fe (—) | yosıdAy poL (+) olr S Joypnusiq "TLeIP 9Suap SULo]M — 99] S[IOJUOISSOAD | F/ET 1 (—) | yasıdAy poL JOUTILIZISSNE de || © JoymwsıM "UAleıp oSua auropq | WON | d09[ STIaguagssoas | 9-1 I (+) | yasıd“y poL |sPugorozaäsne a er =) JonmuwsıM "yıreıp 98uap Jura — 199] S[TEJUaISS018 | 9% 1 (+) | yasıdAy poL YULITIZIISNE zoll ı JH uopungs uw) ep! Onl>s m en (ei EN 3 a Sundaayuo ge: g: nie a (uweisergg | wure.ıs SOJOM UAISIE sop Ser -uoseN s=5l,F2l88 wop yoeu) | -ofry Noyuogpeyosogl a'6 E83” & 2 g® vonygag| SNIXHA Sunydogs od 9umumN Euslas®8jes -wıepuung | Sısoq uonyolup zop ıq puggnz |P 3 5|55 |I27 2B|E 7a, -[feJydanpusyumbojoy wroq oyonsapaumıdg "IIa olloqeL H 366 Makoto Takahashi: Die für diesen Vergleich notwendige Bestimmung der kleinsten wirksamen und der grössten unwirksamen Dose ergab Resultate, die in Tabelle VIII (S. 365) zusammengestellt sind. Aus Tabelle VIII ergibt sich, dass 0,1 eem pro Kilogramm als kleinste sicher wirksame Dosis anzusehen ist. Unter vier Fällen wurde dreimal deutliche Dünndarmstopfung beobachtet, darunter einmal eine ausgezeichnete. Zweimal trat der Tod mit typischem Sektionsbefund ein. Fig. 17 gibt ein Diagramm dieser Versuche. [0] =} En} o [or] oO [ex (=) > (=) [J4) oO D o m je) Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. oO 1 2 3 4 6) 6 7 8 ) 10 Stunden. Fig. 17. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 g Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen obne Opium- tinktur, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung 0,1 ccm pro Kilogramm Opiumtinktur (mit 0,001 g Morphin) subkutan injiziert wurde. U — Zufuhr des Koloquintenextraktes. | — Injektion von Opiumtinktur. Be- deutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. 0,05 ccm pro Kilogramm Opiumtinktur ist als unsicher wirk- same Dosis zu betrachten (Diagramm Fig. 18). Unter vier Fällen zweimal Dünndarmstopfung, darunter einmal ausgezeichnet, und zwei Todesfälle mit typischem Sektionsbefund. 0,025 ccm pro Kilogramm erwies sich in allen vier Versuchen als sicher unwirksame Dosis. Der Vereleich der stopfenden Wirkung der Opiumtinktur mit der der bisher untersuchten Präparate ergibt. folgendes: Opiumtinktur wirkt stärker stopfend als Morphin. Die kleinste stopfende Morphindosis ist 2 mg pro Kilogramm. Diese Morphinmenge ist in 0,2 cem Opiumtinktur enthalten. Eine der- artige Opiumdosis ist aber nach Tabelle VIII bereits maximal wirksam. Stopfende Bestandteile im Opium. 367 80 En | oO {er} [> or =) 1 oO o © [30] oO MH oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. (=) 1 10 Stunden. Fig. 18. Diagramm der en von Katzen, welche mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und unmittelbar danach 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ccm Wasser mit der Schlundsonde erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Opium- tinktur, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarm- füllung 0,05 ccm pro Kilogramm Opiuntinktur (mit 0,0005 g Morphin) subkutan injiziert wurde. Bedeutung der Zeichen wie auf Fig. 17. 0,1 cem Opiumtinktur ist noch sicher wirksam, 0,05 cem wirkt noch unsicher. Die in der sicher wirksamen Opiumdosis (0,1 cem pro Kilogramm) enthaltene Morphinmenge ist für sich allein sicher un- wirksam. Opiumtinktur wirktauch noch etwasstärker stopfend als Pantopon. Denn die der sicher unwirksamen Pantopondosis (1 mg pro Kilogramm) ihrem Morphingehalt nach entsprechende Menge Opiumtinktur (0,05 cem) ist noch, wenn auch unsicher, wirksam. Und 2 mg pro Kilogramm Pantopon wirken deutlich schwächer als die entsprechende Menge Opiumtinktur (vel. Fig. 13 auf S. '361 mit Fig. 17). In Wirklichkeit dürfte der Unterschied zwischen der stopfenden Wirkung des Pantopons und der Opiumtinktur noch grösser sein, als obigen Angaben entspricht, denn das Pantopon enthält nicht 50 Po, sondern etwas über 60°/o Morphin. hydrochlor. Dagegen wirkt Opiumtinktur deutlich schwächer als die Kombination von Morphin und Kodein in den im Pantopon enthaltenen Mengen. Denn 0,05 ccm pro Kilogramm Opiumtinktur ist nur unsicher wirksam; kombiniert man aber die darin enthaltenen Mengen von 0,0005 g Morphin. (hydro- 368 Makoto Takahashi: chlor.) mit 0,000025 g Codein. (phosphor.), so erhält man eine sichere Stopfwirkung. Auch hieraus ergibt sich, wie aus den im vorigen Abschnitt geschilderten Versuchen, dass im Opium Stoffe (wahrscheinlich Alkaloide) enthalten sein müssen, welche die Stopf- wirkung von Morphin-Kodein hemmen. Eine noch viel stärkere Wirkung erhält man mit der Kombination von Morphin-Kodein, wenn man bei gleichbleibender Morphindosis die Kodeinmenge steigert. Kombiniert man die in der unsicher wirksamen Menge Opiumtinktur (0,05 ccm) enthaltene Morphindosis (0,0005 g) mit der gleichen Dosis Kodein, so erhält man einen maximalen Effekt (s. Fig. 10 auf S. 350). Auch diese Versuche führen also, wie die des vorigen Abschnittes, zu dem Schlusse, dass Morphin und Kodein im Opium nicht in dem für die Stopfung des Koloquintendurchfalles günstigsten Mischungsverhältnis enthalten sind. Die soeben geschilderten Unterschiede in der Wirkungsstärke erkennt man deutlich aus Fig. 19. [eo] =) EX} o Bere. Beuee 22 munnuus oO [21 o [4] (=) 20 10 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. > =) o 9 10 Stunden. Fig. 19. siehe im a ern 0,001 & pro Kilogramm Pantopon. mn 0,05 g pro Kilogramm Opiumtinktur. ---- 0,0005 g Morphin. hydrochlor. + 0,000025 g' pro Kilogramm Codein. phosphor. 0,0005 g Morphin. hydrochlor. + 0,0005 g pro Kilogramm Codein. phosphor. Auf Fig. 19 sind die Kurven von Fig. 10, 14, 16 und 18 zu- sammen vereinigt. Es handelt sich um die Wirkung der verschiedenen Präparate in solchen Dosen, welche alle die gleiche Menge Morphin (0,0005 g) enthalten. Diese Morphinmenge ist für sich allein ganz unwirksam, und noch die doppelte Dosis ist sicher unwirksam (8. 0. S. 343, Fig. 5). Die -------- Linie gibt die Wirkung von 1 mg al in zn Stopfende Bestandteile im Opium. 369 Pantopon, die ----------- Linie die Wirkung von 0,05 eem Opium- tinktur, die ------- Linie die Wirkung der Kombination Morphin- Kodein in dem im Pantopon vorhandenen Mengenverhältnis, die Linie die Wirkung der Kombination von Morphin-Kodein zu gleichen Teilen. Man sieht, dass die Kombination Morphin-Kodein zu gleichen Teilen maximal wirkt, während eine dieselbe Morphin- menge enthaltende Pantopondosis unwirksam ist. Man sieht ferner, dass Opium etwas stärker wirkt als Pantopon, aber schwächer als die in ihm enthaltenen Morphin- und Kodeinmengen für sich allein. Als wichtigstes Resultat dieses Abschnittes ergibt sich, dass die in meinen früheren Versuchen als besonders wirksam befundene Kombination gleicher Teile von Morphin und Kodein eine stärkere Stopfung auf den Koloquintendurchfall der Katzen entfaltet als Opiumtinktur. 8 Warum wirkt Opium stärker stopfend als Pantopon ? In den vorhergehenden Abschnitten ist gezeigt worden, dass nach Versuchen mit dem Koloquintendurchfall der Katzen die stopfende Wirkung von Pantopon und Opium im wesentlichen zu- stande kommt durch die Kombination der in ihnen enthaltenen Alkaloide Morphin und Kodein, dass aber deren Wirkung gestört wird durch die Anwesenheit von Substanzen, vermutlich Alkaloiden, welche den Effekt von Morphin-Kodein teilweise hemmen. Ausserdem ergab sich, dass Opiumtinktur deutlich stärker stopft als die ent- sprechende Menge von Pantopon. Der gefundene Unterschied zwischen Pantopon und Opium ist allerdings nicht sehr hochgradig, fällt aber doch sicher ausserhalb der Grenzen der Versuchsfehler. Die Frage ist, wie er zu erklären ist. Die erste Möglichkeit wäre, dass im Opium ausser den Alkaloiden (welche im Pantopon enthalten sind) noch andere Substanzen vor- handen sind, welche die erwähnten „Hemmungssubstanzen“ gebunden halten oder in irgendeiner anderen Weise an der Wirkung verhindern. Diese Hypothese hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich und dürfte auch zurzeit kaum einer exakten experimentellen Prüfung zugäng- lich sein. Die zweite Möglichkeit wäre, dass die verwendete Opiumtinktur relativ mehr Kodein enthielt als das Pantopon. Denn da nach 370 Makoto Takahashi: meinen Versuchen eine Steigerung des Kodeinzusatzes bei gleich- bleibender Morphindosis den stopfenden Effekt erhöht, so würde dieses schon zur Erklärung des Unterschiedes genügen. Pantopon enthält nach Angabe der Fabrik neben 52 %/o Morphin 2—3 °/o Kodein. Danach wäre also die Kodeinmenge im Pantopon Yıs—!/es (im Mittel "/2o) des Morphins. Auch im Opium hat man früher ein derartiges Verhältnis der beiden Alkaloide angenommen. Neuere Analysen von van der Wielen und von Caspari haben aber ergeben, dass Opium sehr viel mehr Kodein enthalten kann: 1,08 bis 1,51°/o. Bei einem Morphingehalte des Opiums von 10° würde das einem Verhältnis des Kodeins zum Morphin von 1:10 bis 1: 6,7 entsprechen, d. h. der Kodeingehalt im Opium kann dreimal grösser sein als in einer Pantopondosis von gleichem Morphingehalt. Nun gibt aber van der Wielen!)an, dass de Opiumtinktur relativ weniger Kodein aus dem zur Bereitung verwendeten Opium auf- nimmt als Morphin. Er fand z. B. in einer Opiumtinktur 1,36 °o Morphin neben 0,03 °/o Kodein, also ein Verhältnis von 1:45. Die von mir verwendete Tinct. opii enthält nach einer im Laboratorium von Prof. Schoorl- Utrecht ausgeführten Bestimmung 0,93 /o Morphin und 0,014 - 0,020 Kodein; das würde einem Verhältnis von 1:46 bis 1:66 entsprechen. Es ist hiernach wenig wahrschein- lich, dass die stärkere Wirkung der Opiumtinktur auf einem be- sonders hohen Kodeingehalt beruht. Die dritte Möglichkeit wäre, dass im Opium ausser den auch im Pantopon vorhandenen Alkaloiden sieh noch andere wirksame Bestandteile vorfänden, welche die Stopfwirkung von Morphin-Kodein verstärken. Es könnte sich hierbei erstens handeln um Mekonsäure und zweitens um die sogenannten „Ballaststoffe“. Beide fehlen dem Pantopon. Diese Möglichkeit ist einer experimentellen Prüfung zu- eänglich. Über die in dieser Richtung unternommenen Versuche sei im nachstehenden berichtet. A. Mekonsäure. Tabelle IX (8. 371) gibt einen Überblick über die angestellten Experimente. Die Mekonsäure wurde unter Zusatz von Natronlauge bis zu schwach alkalischer Reaktion in Wasser gelöst. 1) P. v. d. Wielen, Dosage de la morphine, de la narcotine et de la codeine dans l’opium et dans les preparations galeniques de l’opium. Bull. sc. pharmacologiques t. 17 p. 59. 1910. 371 Stopfende Bestandteile im Opium. ‘zaorzılur u9SUHNT uapufosyooM ur umpoy} pun umydıop; wopxossne [fonJu9Ao ‘JInBsuoyap ueynygns opanm “aM [ewixeur Sunpmywrepuung op pun opınm usPpunFos 199] S[IEJUSISSNALD Kopo zues yoeuep "9puospungyag Aop AU AosseM WOO (FT ur Yyeyxousyumbopoy 3 9T‘O uosep] A9p Sungypegoaquasjuoy dop T9q uuoM yowuep aeqjouun uayforyto pun 21099n708 pAxompiymusıqy 3 q pun Torgjpyoyey 3 cz Aw uuep uopınm "non oUo uopunıg FZ AolıoA uogoq UEZYE] UEJFPPUaMAaA uayonsıo‘\ Uasorp nz Org :XI PTTegeL nz Sunyıouwag JoyjmusıMn AOUISTOL.LIEIP HSUapL 9880.10 JONMUWISI A JOSLUL -I9]UIS 9HU9J\ 985010 yaıLwaLz gomynwsıMm AOUISIOU.LIEIP HSuapT 988010 j JoyInwsIAA JOyası -OULIEIP HUHN] 9SS0.A1S yaLjwaIz JoNFnWIsIM A9TOSTOULIEIP FU 985010 yoyynw -SIM A98LUI9]DS OHUaM Aula]? Joymur -ST AA JOSLWIIO]JUOS 9SUO PULOIY yoyynwu -SIM JOSLWIH]TIS HSUaJL PUra]A yon -SI N Jo81uo[y0S 93uop 9880.10 S9J0yM] 194819 SOP NOyuoFeyosogL = Ace a 2 ea DI u = 1000| 6 == 199] 3887 Er € NE — pusqa] | C—) 100°0 <310000°0 | <20000| 8 BEE) I — sproJue4ssods | Zr % FI = pusqat | C) 100°0 |€310000°0 | 8280000] 4 199] — S]TOFJU9ISSOLD rd R (—) [| ysıdy | poL (+ 1000°0 23100000 | <3000°0| 9 09T — sproguegssoas | 5) | € &r = puoget | (—-) | 1000°0 S3T0000°0 sproyuo9ssgus | &/, ne Galler puaga] | (—) 100 ==> = ° 199] = 811940988019 F g | = pusgqag | (*) 100 = = ji uopungg F; 8 8 suopegos SS EN | ar a wnd -uOJ0]7 SUnI99]JUo >82 Es = 5 33 = wnd |wnaTrogd -1IO]O sap -U9OC N HSelF3nios Si -soyd | -oapAqy | ou 9880.) BER 33> a uoryas | SUMXH Ela a wunppYy \wnurspo) an -wmN uoyyolap ap ea |Ss»|>>5 | = E58 puegsnz 5 SS BEE 5% ' | wureadopryp o1d sısoq S Du — "[eJyoanpuoyurnbojoy UN Hanzsuoyon Fur uropoy-umydaon UoA oyonsıaAsuogeumgwoy "XI 9II9A%®L 312 Makoto Takahashi: Opium enthält ungefähr 4%0 Mekonsäure, also etwa zwei Fünftel der Morphinmenge. Aus Tabelle IX ersieht man, dass die sehr grosse (in etwa 2Y/a cem Opiumtinktur enthaltene) Dosis von 0,01 g pro Kilogramm Mekonsäure keine stopfende Wirkung besitzt. Ebenso- wenig ist Mekonsäure imstande, die grösste für sich allein unwirk- same Morphindosis (0,001 g pro Kilogramm) zu einer wirksamen zu machen. Auch gelingt es nicht, die gerade unwirksame Kombination von */k mg Morphin. hydrochlor. und !/so mg Codein. phosphor. so zu unterstützen, dass ein sicherer stopfender Fffekt eintritt. Unter fünf Versuchen erfolgte nur einmal unsichere Wirkung auf den Dünn- darm und Tod des Tieres, ein Resultat, das auch ohne Mekonsäure in der Minderzahl der Fälle beobachtet wird (s. Tab. IV). Die in diesen Kombinationsversuchen verwendeten Mengen von Mekon- säure sind in drei Versuchen gerade so gross, dass sie dem im Opium vorhandenen Verhältnis zum Morphin entsprechen, in drei Versuchen zehnmal grösser. Ausser einer geringen Pupillenerweiterung wurde nach den ver- wendeten Dosen von Mekonsäure keine Allgemeinwirkungen beobachtet. Barth!) hat kürzlich über eine geringe narkotische Wirkung bei Fröschen berichtet. Die Versuche haben also ergeben, dass der Mekon- säure weder für sich allein noch in Kombination mit Morphin und Kodein irgendeine nachweisbare stopfende Wirkung zukommt. B. Ballaststoffe. Über die stopfende Wirkung der „Ballaststoffe“ des Opiums liegt bisher nur eine kurze Mitteilung von Schmidt?) aus dem Bonner pharmakologischen Institut vor. Dieser untersuchte ein mit Wasser extrahiertes Opium, das nur noch Spuren von Morphin und etwas mehr Narkotin enthielt (über den Gehalt an anderen Alkaloiden werden keine Angaben gemacht). Dosen von '/s g waren bei Kaninchen von 1600--1700 g ohne Wirkung auf die Atmung, 2 g töteten die Tiere unter Krämpfen. Der Pferdefleischdurchfall der Hunde von 1) O0. Barth, Ein Beitrag zur Wirkung der Opiumalkaloide unter be- sonderer Berücksichtigung des Pantopons. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 70 S: 258. 1912. 2) H. Schmidt, Zur Opiumwirkung. Münch. med. Wochenschr. 1912 S. 1546. Stopfende Bestandteile im Opium. 373 3,7—4,5 kg wurde durch Dosen von 0,1—0,2 g gestopft. Beim Menschen wirkten 0,1—0,2 g „nicht ganz zuverlässie“ stopfend. Schmidt schliesst hieraus, dass den harz-, kautschuk- und gummi- artigen „Ballaststoffen“ des Opiums eine stopfende Wirkung zukäme. Diese Schlussfolgerung erscheint möglich, aber nicht zwingend, weil das Präparat nicht frei von Morphin war und nach meinen oben mitgeteilten Versuchen schon sehr geringe Mengen Morphin im Opium genügen, um einen stopfenden Effekt herbeizuführen. Meine eigenen über die Wirkung der Ballaststoffe angestellten Experimente leiden unter demselben Nachteil. Trotzdem seien sie im folgenden mit- geteilt. Auf unsere Anfrage stellte uns die Fabrik von Hoffmann- La Roche & Co. in Basel zwei Präparate zur Verfügung, von denen das eine als „extrahiertes Opium“, das andere als „Rück- stände von der Pantoponbereitung“ bezeichnet war. Nach Angabe der Fabrik enthalten die Rückstände der Pantopon- bereitung, wenn überhaupt, nur ganz geringe Mengen von Alkaloiden, deren einwandfreie quantitative Bestimmung oder Identifizierung trotz der darauf verwendeten Mühe nicht gelungen ist. Auf unsere Bitte hat Herr J. K. W. de Jong, dem wir für seine Bemühungen bestens danken, im hiesigen pharmazeutischen Institut (Prof. Schoorl]) fest- gestellt, dass sich im extrahierten Opium durch Ausschütteln mit Äther Alkaloid nachweisen lässt, und dass der Morphingehalt, bestimmt nach den Vorschriften der holländischen Pharmakopöe (4. Ausgabe), 0,015 °/o beträgt. Der kristallinische Rückstand bei dieser letzteren Be- stimmung gab eine deutliche Pellagri’sche Reaktion auf Morphin. Aus den Rückständen der Pantoponbereitung liess sich durch Ausschütteln mit Äther ein Extrakt gewinnen , der getrocknet und in Wasser gelöst mit Pikrinsäure und mit Jodquecksilber- Jodkalium nur eine Trübung, aber keinen Niederschlag gab. Der Morphingehalt der Pantoponrückstände betrug, nach der Methode der holländischen Pharmakopöe, 0,008°%o. Der kristallinische Rückstand von dieser Bestimmung ergab bei der Pellagri’schen Morphinreaktion nur eine zweifelhafte Verfärbung. Hieraus ergibt sich, dass beide Präparate nur geringe Spuren von Alkaloiden enthalten, und dass besonders die Pantoponrückstände arm an Alkaloiden und vor allem an Morphin sind. Mit dem extrahierten Opium u folgende Versuche an- gestellt (Tab. X, S. 374). Die Versuche verliefen im grossen und ganzen negativ. Selbst !/a g pro Kilogramm des extrahierten Opiums wirkte für sich allein nicht oder kaum auf den Dünndarm und tötete die Tiere nicht. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 25 Makoto Takahashi 374 "Jaoızılur ueymyqns umpoy pun uydaopy UOA 9SuUaM aWwesyarmmun YoLIs U HUTO UIPAOSSnE uayonsIoN UASLUTD ur pun „angyugundo“ s99a10q wnıdoQ U9YLOLyEAJXO Wop Sne Hure opınMm “ıeM [ewrxem Sunpnywrepuung ap pun oyey Ja99JJu9 S[TEJUEISSOAZ AOPO ZUE3 yaıs uaSeNL Aop wopyoeN "apuospunjyog Aap Lu dossey\ WOD QT ur Iyeayxousyumbojoy 3 97‘0 ypeuep awgqjeygrmun uoyforyıo pun J19yynyo3 PAxoapAyynusıy 3 G pun Torq[oyoNTey 3 CZ Yu uuep uopınm ‘royynd auyo uapunyg FZ AOTIOA UAgOIIg UAZIEN] USPUEMAHA uayonsIoA UOSOIp nz al :X ol[eqe]L nz Sunyaowaog JONWSTM 19yosı : -Qytieıp oBuap 9SSOAS| UTOLM oO] 8/16 6 —)| wsıdi} POL (F) T'0 |83T0000'0 c2000°0 9 JoNINWSIM A9yST 99] -Oygamıp duo Aura | Ua] | Spopuagssoad | 2/7 el) FE pusqa] | C) T0 |g310000°0 30000 G JoNMWSIM I9ypTomM a9ol -Stuuojyos Hua auropy| urepy | speguegssoas | €/ıT 8) = pusqat | C) To |S310000'0 c3000°0 v JoymwsıM Aoyosı yosıd4y -OyLeıp OuaM 9850.10 — 199] 7Se} 7/86 eg IC)| ya Po EG) cE0 ‚n ((angyurs, -uoJoy Zunaaopug E58 nn 88 3,5 = se) wn9arLıogd nee 3 S9J0)] UEJSıO SOp sop wer (BEI SniS5 oE5 wndg | -sogd ee = 985014) 22#|228|=7| vongas | suııxq |En &| SEHELy umuropog ITALTOp\T =! OquayeyudsagT mS5e|ls27-1|e S_2| -euxg ; = uonyolup op 1oq =sales |E=& 555 3 puejsnz = S 3183 5 ar Eu wwe.BolLy] OAd SISOoA DEREN Stopfende Bestandteile im Opium. 375 Zusatz des Präparates in Mengen von 0,1—0,25 g pro Kilogramm zu einer an sich unwirksamen Morphin-Kodeindose war unter vier Fallen dreimal wirkungslos auf den Dünndarm und wirkte nur einmal zweifelhaft. In diesem letzteren Falle starb das Tier; in einem weiteren Falle wurde der Tod jedoch durch eine Pneumonie ver- ursacht. Die anderen Tiere blieben leben. Die Versuche mit dem extrahierten Opium ergaben demnach keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit einer die Stopfwirkung der Opiumalkaloide unterstützenden Substanz. _ Über die mit den „Rückständen der Pantoponbereitung“ angestellten Experimente gibt Tabelle XI (8. 376) eine Übersicht. Die Versuche ergaben, dass die Pantoponrückstände für sich allein in Dosen bis zu 0,5 g pro Kilogramm den Koloquinten- durchfall der Katzen nicht stopfen. Kleine Dosen bis zu 5 cg ver- mögen auch die Wirkung einer an sich unwirksamen Menge der Morphin-Kodein-Kombination nicht so zu verstärken, dass ein stopfender Effekt eintritt. Anders ist es mit grossen Dosen. Unter vier Ver- suchen, in denen 0,2 g pro Kilogramm Pantoponrückstände zusammen mit !/s mg Morphin und "/so mg Kodein injiziert wurden, erfolgte jedesmal eine deutliche Verzögerung der Dünndarmpassage, aber nur in einem Falle der Tod. Von der Stärke der Wirkung gibt Fig. 20 eine Vorstellung. Wie man sieht, ist der Effekt kein sehr hochgradiger, aber doch immerhin so stark, dass er ausserhalb der Beobachtungsfehler fällt. Es fragt sich, wie er zu erklären ist. Nach den Ergebnissen der chemischen Untersuchung erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die- in den Pantoponrückständen vorhandenen Alkaloidreste dafür ver- antwortlich zu machen sind. Denn da nach meinen Versuchen eine Morphin-Kodein-Kombination erst dann stopfend wirkt, wenn sie mindestens !/s mg pro Kilogramm Morphin enthält, so müssten in _ den injizierten 0,2 g Pantoponrückständen etwa !/ı mg Morphin ent- halten sein, um die injizierte Morphindosis von !/s mg pro Kilogramm auf eine wirksame Höhe zu bringen. Nach der chemischen Unter- suchung enthält die verwendete Dosis der Pantoponrückstände aber nur etwa !/co mg Morphin. Es scheint daher, als ob tatsächlich in den Pantoponrückständen ein oder mehrere Bestandteile vorhanden sind, welche keinen Alkaloidcharakter besitzen und welche die Wirkurg von Morphin-Kodein auf den Koloquintendurchfall der Katzen unter- 25* Makoto Takahashi: 376 -Sunpuomao‘ nz „ngyurummdog“ oyTaysasıoy „Sunyoroquodoyueg Jap uEpurIsyony“ uap sne ouro Toqaaıy weyy INN -Y ajfqe], 10p aIp om yIfoIsodue astra uooro3 Aop ur uopınm oyonsaoy 9Iq :IX STToqeL nz Sunyıowag JONFMWIST MA 199] JOUISTONLIEIP AdUON] 9880.10 0 S[TEJUOYSSO.LO eg I (—) | yasıdky | poL ) Ev — — II IONMUISTM JOo9] AOUISIOYLIELD 93uap 9850.19 0 SLEIIEIERDR EG) 6 z II — pusgqat | C) fi) _ — 0L JoymusIM 190] aoyastoyLIeIp oduapy 985018 0 sproguegss0a8 | Fig T I) wsıdg | por | (H) 30 | S210000°0 «20000 | 6 JomInwstM JOUDSIQULIeIp oduapy 9SS0Ad yaıwmerz | urop 199] Ehe a oO. | RER || Ar 30 | <210000°0 «20000 | 8 JOMIMWUSIM 190] - AO9YOSTOLIEIP HdUaTN AUTO] 0 sptoJua4ssgas | 9/gT a le) — | pusqer | (+) °0 g210000°0 | E3000°0 | 4 JONINLUSIM dOayosIogLIEIp oSuaı auto]! 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Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Stopf- mittel, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus vier Versuchen, in welchen bei ganz oder grösstenteils leerem Magen und maximaler Dünndarmfüllung eine an sich fast unwirksame Dosis Morphin-Kodein (0,00025 g pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. und 0,0000125 g pro Kilogramm Codein. phosphor.) zusammen mit 0,2 g pro Kilogramm „Rückstände der Pantoponbereitung“ in Form einer 10°/oigen Tinktur subkutan injiziert wurden. = — Zufuhr des Koloquintenextraktes. | — In- jektion der Stopfmittel. — Bedeutung der übrigen Zeichen wie auf Fig. 3. stützen können. Dieser Schluss wird dadurch gestützt, dass „extra- hiertes Opium“, welches mehr Alkaloide und speziell die doppelte Menge Morphin enthält, diese Wirkung nicht besitzt. Trotzdem möchte ich mich bei der verwickelten Natur des Opium- problemes vorläufig noch sehr vorsichtig ausdrücken und den Beweis, dass es eine solche Substanz unter den Ballaststoffen. des Opiums tatsächlich gibt, erst dann für erbracht halten, wenn es gelingt, mit wirklich alkaloidfreien Präparaten eine an sich wirkungslose Morphin- Kodeindosis zu einer wirksamen zu machen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wahr- scheinlich unter den sogenannten Ballaststoffen des Opiums Substanzen enthalten sind, welche die stopfende Wirkung von Morphin-Kodein in geringem Grade verstärken können. 9. Über die Wirkung von Morphin-Kodein auf die normalen Verdauungsbewegungen der Katzen. In den vorhergehenden Abschnitten konute gezeict werden, dass die Kombination von Morphin mit Kodein einen ausserordentlich 378 Makoto Takahashi: starken stopfenden Einfluss auf den Koloquintendurchfall der Katzen besitzt, der am Darme angreift und nachweislich stärker ist als der Einfluss von entsprechenden Dosen von Morphin allein, Kodein allein, Pantopon und selbst von Opium. Es ergab sich demnach die Frage, wie diese Morphin-Kodein-Kombination auf die Verdauungsbeweeungen von normalen Katzen wirkt, welche sich nicht unter dem Einfluss eines drastischen Abführmittels befinden. A. Einfluss auf die Darmbewegungen. Durch die Untersuchungen von Magnus, Hesse und Neu- kirch sind wir bereits über den Einfluss von Morphin, Kodein und Opium auf die normalen Darmbewegungen von Katzen unterrichtet. Magnus!) fand, dass Morphin in Dosen, welche die Magen- entleerung sehr hochgradig verzögern (2!/.—4 cg), nur einen in- konstanten und vergleichsweise geringen direkten Einfluss auf die Bewegungen des Dünndarmes aus- übt. Etwa in der Hälfte der Fälle liess sich überhaupt keine Einwirkung feststellen; in der anderen Hälfte trat eine Verzögerung der Fortbewegung des Dünndarminhaltes auf, welche im Maximum 5 Stunden betrug. Dabei waren die Pendelbewegungen des Dünn- darmes nicht aufgehoben; eine Ruhigstellung erfolgte also nicht. Auf den Diekdarm konnte Magnus gar keinen Einfluss von Morphin feststellen. Dasselbe ergab sich bei der Untersuchung der Opiumtinktur: inkonstante Wirkung auf den Dünndarm, fehlende Wirkung auf den Dickdarm. Hesse und Neukirch?) fanden genau das gleiche Verhalten bei der Untersuchung des Einflusses von Kodein (3—4 eg) auf die normalen Darmbewegungen von Katzen. Meine Versuche über den Einfluss der Kombination Morphin- Kodein auf die normalen Darmbewegungen ergaben nun eine deutlich stärkere Wirkung als die der Einzelkomponenten. a) Einfluss auf den Dünndarm. Tabelle XII (S. 379) gibt eine Übersicht über die Versuche. . Man sieht, dass nach Injektion von 8—9 mg Morphin. hydro- chlor. und ebensoviel Codein. phosphor. eine konstante und hochgradige Verzögerung der Dünndarmpassage ein- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 210. 1908. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 151 S. 309. 1913. Stopfende Bestandteile im Opium. 379 Tabelle XI. Kombinationsversuche von Morphin mit Kodein an normalen Katzen (Stopfwirkung auf die Dünndarmpassage). Dosis pro Kilogramm Die Zeit Anhäufung Ö - 3 Stopfung derersten| des Inhaltes| Zeutrale 5 Sn en des Defäkation| im untersten | Wirkung = NurOz puusZ Dünnd nach der Teil ' < chloricum'| phorieum BERN. Fütterung| des Ileums (Erregung) B g g £ Stunden 1| 0,0082 0,0082 |(-+) ausgezeichnet 48 (—) ziemlich stark 2| 0,009 0,009 |(-+) ausgezeichnet 12 (—) stark 3| 0,009 0,009 |(+) ausgezeichnet | J33 (48 (—) ziemlich stark 4| 0,008 0,008 |(-+) ausgezeichnet | J33 (48 |(+) vorüber- |ziemlich stark gehend >| 0,008 0,008 |(+)ausgezeichnet| )48 (+) vorüber- — gehen 6] 0,008 0,008 |(+)ausgezeichnet| )72 (—) ziemlich stark 7| 0,008 0,008 |(-+) (nicht weiter ) 96 (+) vorüber- stark durchleuchtet) gehend 8| 0,0033 | 0,0033 (+) ( 24 I) ao) 9 | 0,003 0,003 (+) (24 >) (+) 10 | 0,003 0,003 3) (24 ee) (a2) 11 | 0,002 0,002 (—) 48 (—) (+) 12 | 0,002 0,002 (—) 48 (—) (+) ee) (24 =) (+) 13 | 0,002 | 0,002 Bemerkung zu Tabelle XII: Die Katzen hatten vorher 24 Stunden gehungert, wurden dann mit 25 g Kartofielbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und erhielten, wenn bei der Röntgen- untersuchung der Magen ganz oder nahezu leer und der Dünndarm maximal gefüllt gefunden wurde, gleiche Teile von Morphin. hydrochlor. und Codein. phosphor. subkutan injiziert. trat. Mindestens 5—6 Stunden nach der Injektion zeigt die Gesamt- länge der Dünndarmschatten so gut wie keine Veränderung, während bei den Kontrollversuchen ohne Morphin-Kodein-Injektion sich nach dieser Zeit schon der Dünndarminhalt ganz oder fast ganz in den Diekdarm entleert hat. Fig. 21 gibt eine deutliche Vorstellung von dieser Wirkung. Während also selbst grosse Dosen von Morphin und Kodein für sich allein nur einen inkonstanten Einfluss auf die normalen Dünndarmbewegungen besitzen, übt die Kombination derselben eine konstante und sehr deutliche Wirkung aus. Ich habe den Eindruck bekommen, dass die Pendelbewegungen des Dünndarmes dabei meistens deutlich vermindert werden, wenn sie auch nicht vollkommen aufgehoben sind. Hierin liegt zweifellos die Hauptursache für die Verzögerung der Dünndarmpassage. Eine Anhäufung des Dünndarminhaltes im untersten Ileum, woraus man 380 Makoto Takahashi: auf einen Krampf des Ileocoecalsphinkters schliessen könnte, liess sich nur dreimal unter sieben Versuchen, und auch da nur vorüber- gehend feststellen. er ee +4 [0 2) ke) -ı o {oe} (>) [SG =) > (>) I 2 10 Stunden. Fig. 21. Diagramm der ee von ee le mit 25 8 Kartoftelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden und danach kein Ab- führmittel erhielten. Die punktierte Linie gibt den Durchschnitt aus sechs Ver- suchen ohne Morphin-Kodein, die ausgezogene Linie den Durchschnitt aus sechs Versuchen, in denen nach vollständiger oder fast vollständiger Magenentleerung und bei maximaler Dünndarmfüllung subkutan je 8-9 mg pro Kilogramm Morphin. er oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. (>) hydrochlor. und Codein. phosphor. injiziert wurde (}) Nach der Injektien von Morphin-Kodein dauert es einige Zeit, bis der Stillstand in der Fortbewegung des Dünndarminhaltes ein- tritt. In fast allen Versuchen war zwischen der Injektion und der nächsten Durchleuchtung noch eine relativ deutliche Veränderung des Gesamtröntgenbildes wahrzunehmen, während sich das Bild auf dem Röntgenschirm in den darauffolgenden Stunden dann nicht weiter änderte (beim Koloquintendarm tritt dagegen die Wirkung von Morphin-Kodein meistens nach sehr kurzer Zeit auf). Aus Tabelle XII ersieht man weiter, dass eine Dosis von 3 mg pro Kilogramm Morphin und 3 mg Kodein die untere Grenze für eine deutliche Wirkung auf die Dünndarmpassage ist, und dass je 2 mg pro Kilogramm unwirksam sind. Interessant ist, dass die Kombination Morphin-Kodein auf die normalen Dünndarmbewegungen einen so starken und vor allem so konstanten Einfluss ausübt, während nach den Angaben von Magnus selbst Opium nur eine inkonstante Wirkung besitzt. Auch dieses sprieht dafür, dass im Opium Bestandteile vorhanden sind, welche dien Einfluss von Morphin-Kodein hemmen. Stopfende Bestandteile im Opium. 381 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kom- bination Morphin-Kodein nicht nur den Koloquinten- durchfall der Katzen stopft, sondern auch auf dienor- malen Dünndarmbewegungen einen konstanten ver- zögernden Einfluss ausübt, wie er durch Morphin oder Kodein allein und durch Opium nur schwach und in- konstant ausgeübt wird. kb) Einfluss auf den Dickdarm. Auf die Bewegungen des Diekdarmes normaler Katzen lässt sich mit dem Röntgenverfahren kein deutlicher und konstanter Einfluss von Morphin, Kodein und Opium nachweisen. Dagegen tritt nach Injektion der Kombination Morphin-Kodein in Dosen von je 8 mg pro Kilogramm eine nicht unbeträchtliche Verzögerung der Kot- entleerung auf. Schon bei den in Tabelle XII zusammengestellten sieben Versuchen fiel es auf, dass die erste Kotentleerung nicht wie in sechs Kontrollversuchen meistens innerhalb 24 Stunden erfolste (fünfmal innerhalb 24 Stunden, nur einmal nach mehr als 48 Stunden), sondern dass sie einmal über 96 Stunden, zweimal über 72 Stunden, zweimal über 48 Stunden und zweimal üher 33 Stunden ausblieb. Diese Verzögerung der Kotentleerung muss natürlich teilweise auf die verlangsamte Dünndarmpassage bezogen werden; aber diese dauert doch nicht so lange an, um das mehrtägige Ausbleiben der Defäkation zu erklären. Es wurden daher noch vier weitere Versuche angestellt, in denen die subkutane Injektion der Morphin-Kodein-Kombination erst vor- genommen wurde, nachdem sich der Dünndarminhalt in das Kolon entleert hatte und alle schattengebende Substanz im Diekdarm an- gesammelt war. In den Kontrollversuchen erfolgt die erste Defäkation meistens innerhalb 10—14 Stunden nach diesem Zeitpunkt. Nach der Injektion von Morphin-Kodein trat dagegen die erste Kotentleerung einmal nach über 97 Stunden und dreimal nach über 45 Stunden ein (d.h. über 52—111 Stunden nach der Fütterung). Selbst wenn man die Schwankungen berücksichtigt, denen die normale Kotentleerung bei der Katze unterliegt, sind diese Unter- schiede doch zu gross, um auf einem Zufall beruhen zu können. Es er- gibt sich daher die interessante Tatsache, dass Mor- phin für sich allein und Kodein für sich allein keine deutliche direkte Verzögerung der Diekdarmentleerung 382 Makoto Takahashi: normaler Katzen bewirken, während die Kombination derselben einen starken Einfluss in diesem Sinne ausübt. Um den Mechanismus dieser Diekdarmwirkung aufzuklären, habe ich Katzen nach 24stündigem Hunger ein Klistier von 45 cem 2°oigen Stärkekleisters, 5 cem flüssiger Seife und 5 g Wismut- hydroxyd gegeben, das nach den Erfahrungen von Magnus!) gerade so stark den Dickdarm reizt, dass es nach einiger Zeit wieder aus- gestossen wird, ohne jedoch zu starke Tenesmen zu verursachen. Sechs Katzen dienten zur Kontrolle, sechs Katzen erhielten !/a bis 1 Stunde vor dem Klistier 8 mg pro Kilogramm Morphin. hydro- chlor. und ebensoviel Codein. phosphor. subkutan injiziert. Auf dem Röntgenschirm liess sich kein deutlicher Uuterschied in der Füllung des Kolons und dem Kontraktionszustand und den Bewegungen des- selben zwischen den Kontrollen und den Morphin-Kodein-Tieren fest- stellen. Die Entleerung erfolgte bei den Kontrollen im Mittel nach 34 Minuten (Minimum 10 Min., Maximum 70 Min.), bei den Morphin- Kodein-Katzen im Mittel nach 45 Minuten (Minimum 10 Min., Maxi- mum 90 Min.). Es zeigt sich also, dass die Auslösung des Defäkations- reflexes nach einem Seifenklistier durch Morphin-Kodein nicht ver- hindert und auch nicht deutlich verzögert wird. Der einzige Unter- schied zwischen den beiden Versuchsreihen betraf die Konsistenz der Entleerung. Bei den Kontrolltieren wurde stets, auch wenn die Ent- leerung erst nach 70 Minuten erfolgte, eine reichliche Menge von Flüssigkeit ausgestossen. Dagegen hatte der Kot bei den mit Morphin-Kodein injizierten Tieren in fünf von sechs Fällen eine breiige Konsistenz. Die Versuche sind nicht zahlreich genug, um bereits bindende Schlüsse zu erlauben. Sie scheinen zu zeigen, dass durch Injektion von Morphin-Kodein bei gesunden Katzen ein Einfluss auf die Re- sorptions- und Sekretionsverhältnisse des Dickdarmes ausgeübt wird, in ähnlicher Weise, wie nach den Versuchen von Padtberg die Exsudation in Dünn- und Diekdarmschlingen nach Einspritzung von Koloquintendecoct durch Morphin und Opium gehemmt wird. Es müssen weitere Versuche angestellt werden, um diese interessanten Wirkungen aufzuklären. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 241. 1908. Stopfende Bestandteile im Opium. 383 B. Einfluss auf die Magenbewegungen. Während Morphin, Kodein und Opium, wie erwähnt, nur eine inkonstante Wirkung auf die Darmbewegungen normaler Katzen aus- üben, verzögern sie die Magenentleerung in sehr hochgradiger Weise. Nach Morphin kommt es vor: allem nach den Feststellungen von Maenus zu einer Kontraktion der Magenmitte, des Sphineter antri pyloriei, wodurch die Nahrung viele Stunden lang im Fundus fest- gehalten wird. Erfolgt dann der Übertritt in den Pylorusteil, so sind hier die normalen peristaltischen Bewegungen zu sehen; aber ein Krampf des Pylorus verhindert zunächst noch den Übertritt in den Darm. Auf diese Weise kann der Beginn der Magenentleerung um 8 Stunden, das Ende derselven um 23 Stunden verzögert werden. Nach Opium hat Magnus eine gleiche Wirkung gesehen, wobei aber der Krampf des Sphineter antri schwächer, der des Pylorus stärker zu sein schien. Auch Kodein entfaltet nach Hesse und Neukirch einen ähnlichen, nur deutlich schwächeren Effekt, so dass der Beginn der Magenentleerung um !/„—?/ı Stunden, ihr Ende um 2 bis über 5 Stunden verzögert wird. Es war deshalb schon von vornherein zu erwarten, dass auch die Kombination Morphin-Kodein den Magen in gleicher Weise beeinflussen würde. Festgestellt musste dagegen werden, ob diejenigen Dosen von Morphin-Kodein, welche in den in dieser Arbeit geschilderten Versuchen verwendet wurden, noch imstande sind, auf den normalen Magen zu wirken. Zu diesem Zwecke erhielten die Versuchskatzen zunächst die zu prüfende Menge Morphin und Kodein subkutan injiziert und wurden 10 Minuten später mit Kartoffelbrei-Wismut gefüttert. Dosen von 3 mg pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. und ebensoviel Codein. phosphor., also Dosen, welche eine deutliche Verzögerung der normalen Dünndarmpassage und eine verspätete Kotentleerung hervorrufen, veranlassen bei normalen Katzen eine starke Kon- traktion der Magenmitte, so dass der Pylorusteil in zwei Versuchen 3—4 Stunden schattenfrei blieb und sich dann sehr langsam mit zunächst spärlichen Nahrungsmengen füllte. Der Pylorus blieb lange geschlossen, und erst 5—6 Stunden nach der Fütterung wurde der erste Schatten im Dünndarm gesehen. "7 Stunden nach der Fütterung war der Magen noch zum grössten Teil gefüllt (während in der Norm der Magen nach 3 Stunden entleert ist). Fig. 22 veranschaulicht diese Vorgänge. 384 Makoto Takahashi: Gesamtlänge der Dünndarmsehatten in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 Stunden. Fig. 22. Ausgezogene Linien: Diagramm des Verlaufs der Verdauungs- bewegungen von zwei Katzen, welche nach 24stündigem Hunger 8 mg pro Kilo- gramm Morphin. mur. und ebensoviel Codein. phosphor. subkutan erhielten und 10 Minuten später mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert wurden. Die horizontale Linie über der Abszisse zeigt die Verweildauer der Speisen im Magen, und zwar der schraffierte Teil (///// den alleinigen Aufenthalt im Fundus, der helle Teil () den Übertritt in den Pylorusteil, die kleinen Kreise (00000) die Pylorusperistaltik. Die Kurve gibt die Gesamtlänge der Schatten im Dünndarm. Zum Vergleich ist mit punktierten Linien der normale Ablauf der Magenverdauung und der Dünndarmfüllung eingezeicknet. Dosen von 2 mg pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. und ebenso- viel Codein. phosphor., welche bei normalen Katzen die Dünn- darmpassage nicht mehr verzögern, haben noch eine deut- liche, wenn auch nicht so hochgradige Magenwirkung. Unter zwei Versuchen dehnte sich die Magenentleerung einmal über 6 Stunden, das andere Mal über 8 Stunden aus. Während also diejenigen Dosen, welche bei normalen Tieren noch eine Verzögerung der Dünndarmpassage hervorrufen, auch noch stark auf den Magen wirken, ist dieses bei den sehr viel kleineren Mengen, die zur Stopfung des Koloquintendurchfalles senügen, nicht mehr der Fall. Die kleinste sicher stopfende Dosis von !/s mg pro Kilogramm Morphin. hydrochlor. und !/4 mg pro Kilogramm Codein. phosphor. verzögert die Magenentleerung nicht mehr; in einem Falle war diese nach 2 Stunden, . in einem anderen nach 2U/» Stunden vollendet, und die Dünndarmfüllung war maximal. Ja selbst bei Erhöhung der Kodeinmenge kann man keine sichere Magenwirkung mehr hervorrufen. Nach */ mg pro Kilo- gramm Morphin und !/ mg pro Kilogramm Kodein war der Magen einmal nach 2!/a Stunden, in einem anderen Versuche nach 4!/a Stunden Stopfende Bestandteile im Opium. 385 leer. Eine Kontraktion des Sphineter antri pyloriei war nicht zu sehen. Daraus ergibt sich also, dass solehe Mengen der Morphin-Kodein- Kombination, welehe die normalen Darmbewegungen verzögern, auch eine starke Magenwirkung besitzen, dass aber der Magen un- beeinflusst bleibt durch Dosen, wie sie zur Stopfung des Koloquintendurchfalles genügen. 10. Der Unterschied in der Wirkung von Morphin- Kodein auf die normalen Darmbewegungen und auf den Koloquintendurchfall. Padtberg hatte in seiner oben zitierten Arbeit gefunden, dass Morphin und Opium imstande sind, den Koloquintendurchfall der Katzen vom Darme aus zu stopfen, indem sie die Bewegungen von Dünn- und Dickdarm ruhigstellen und die gesteigerte Sekretion aufheben. Da Morphin sowohl wie Opium nach den Untersuchungen von Magnus die Bewegungen des Dünndarminhaltes von normalen Tieren nur in geringem Grade und ganz inkonstant verzösern und die Diekdarmpassage überhaupt nicht beeinflussen, so erschien die Stopfung des Koloquintendurchfalles durch diese Mittel als etwas ganz Unvermitteltes, als ein Novum. Durch die im vorigen Abschnitt mitgeteilten Beobachtungen, nach denen die Kombination von Morphin mit Kodein auch beim normalen Tier die Fortbewegung des Kotes im Dünn- und Diekdarm deutlich verzögert, ist eine Brücke zwischen diesen Befunden geschlagen. Denn sie zeigen, dass den beiden Alkaloiden schon in der Norm wenigstens potentiell eine Darm- wirkung zukommen muss, die nur so schwach ist, dass sie erst bei der Kombination zu einer deutlichen und konstanten wird. Immerhin bleibt aber der Unterschied in der Empfindlichkeit des normalen und des durch ein drastisches Abführmittel gereizten Darmkanales gegen das Stopfmittel bestehen. Die kleinste Dosis, welche noch eine Verzögerung der normalen Dünndarmpassage hervorruft, ist 3 me pro Kilogramm Morphin und ebensoviel Kodein. Dosen von je 2 mg der beiden Alkaloide sind dagegen auf den normalen Darm ohne jeden Einfluss. Die halbe Menge davon genügt dagegen bereits, um beim Koloquintendurchfall die hochgradigste Stopfwirkung zu entfalten, und noch der vierte Teil wirkt ausgezeichnet. Um an die untere Grenze der Wirksamkeit 386 Makoto Takahashiı: beim Koloquintendurchfall zu kommen, muss man die genannte Morphindose auf !/a, die Kodeindose auf !/so herabsetzen (vgl. Tab. IV und die Fig. 9—11 auf S. 547 —35]). Wir lernen hier also wieder ein Beispiel für die gerade in der letzten Zeit so vielfach studierte Tatsache kennen, dass ein Arzneimittel unter pathologischen Bedingungen eine viel stärkere Wirkung entfaltet alsin der Norm!). ll. Lassen sich die gefundenen Tatsachen zur Erklärung der stopfenden Wirkung des Opiums beim Menschen heranziehen? In den Versuchen von Magnus über die Wirkung von Morphin und Opium am normalen und durch verschiedene Abführmittel erregten Darm sowie in den Experimenten von Padtberg und von Hesse- Neukirch an Tieren mit Koloquintendurchfall hatte es sich zu- nächst um die Feststellung der qualitativen Wirkungen gehandelt. Um möglichst starke und eindeutige Ausschläge zu bekommen, war stets mit grossen Dosen gearbeitet worden, welche ausser der Be- eindussung des Verdauungskanales auch noch mehr oder weniger hochgradige Allgemeinsymptome auslösten. Die Katzen wurden stets heftig erregt, die Hunde deutlich narkotisiert. Infolgedessen war es nicht ohne weiteres möglich, die an den Verdauungsorganen be- obachteten Erscheinungen zur Erklärung der Stopfwirkung beim Menschen heranzuziehen, die mit Opiumtinktur wenigstens sich ohne stärkere Allgemeinwirkungen erzielen lässt. Die im obigen mitgeteilten Befunde erlauben nun aber, diesen Gegensatz zum grössten Teile verschwinden zu lassen. Denn es ist möglich gewesen, wie ein Blick auf Tabelle IV (S. 348) lehrt, eine maximale Stopfwirkung auf den Koloquintendurchfall der Katzen auszuüben durch Dosen von Morphin und Kodein, welche über- haupt keine erregende Wirkung aufdas Zentralnerven- system mehr besitzen. Damit fällt ein Haupteinwand gegen die Übertragung dieser Tierversuche auf den Menschen weg. Berücksichtigt man ausserdem, dass der Mensch sehr viel empfindlicher gegen Morphin und Opium ist als unsere Versuchs- 1) Vgl. R. Magnus, Pharmakotherapie in Garr&-Krause’s Lehrbuch d. Therapie innerer Krankheiten Bd. 1 S. 119fi. Jena 1911. Stopfende Bestandteile im Opium. 387 tiere, so ist auch der Unterschied in der absoluten Grösse der stopfenden Dosen nicht mehr so gross, dass er ernstliche Bedenken erweckt. . Die Maximaldose der Opiumtinktur für den Menschen ist nach dem deutschen Arzneibuch (fünfte Ausgabe) 1,5 g. Die stark stopfende Dose von 1 g Opiumtinktur enthält, auf das Gewicht. eines Menschen von 60 kg berechnet, etwa Morphin. . . . 0,16 mg pro Kilogramm und Kodein . bis zu 0,025 mg Beim Koloquintendurchfall der Katze wirkt noch stopfend ein Gemisch von ” ” Morphin. . . . 0,5 mg pro Kilogramm und Koden. . ...0.025.mg Wie man sieht, ist die Kodeindosis die gleiche, die Morphin- dosis bei der Katze etwa dreimal grösser. Mit anderen Worten sind, unter Berücksichtigung der verschiedenen Morphinempfindlichkeit von Mensch und Tier, die Dosen nicht so sehr weit voneinander ver- schieden. Ich halte es daher jetzt für erlaubt, die Beobachtungen, wie sie bei der experimentellen Therapie diarrhöischer Zustände im Tierexperiment gewonnen worden sind, zur Erklärung der Opium- wirkung beim Menschen heranzuziehen. Damit ist, wenn auch noch manche Detailfragen der Beantwortung harren, das Problem der Erklärung der stopfenden Wirkung der Opiumpräparate bei Durch- fällen in der Hauptsache gelöst. N » 12. Zusammenfassung. 1. Ausgehend von dem Befunde von Hesse und Neukirch, dass die stopfende Wirkung des morphinfreien Pantopons (einem Opiumpräparat) in der Hauptsache auf seinem Kodeingehalte be- ruht, konnte gezeigt werden, dass durch Kombination von Morphin mit Kodein eine hochgradige Potenzierung der stopfenden Wirkung beim Koloquintendurchfall der Katzen sich nachweisen lässt. 2. Noch durch Kombination von *!lı der kleinsten würksamen Morphindosis mit "lıo bis !/aoo der kleinsten wirksamen Kodeindosis lässt sich eine deutliche Stopfwirkung erzielen. 3. Dagegen tritt durch Beigabe von Kodein keine Potenzierung der Wirkung des Morphins auf das Zentralnervensystem ein. 3838 Makoto Takahashi: Stopfende Bestandteile im Opium. 4. Auch bei normalen, nicht unter dem Einfluss eines drastischen Abführmittels stehenden Katzen liess sich eine beträchtliche Ver- stärkung der Darmwirkung des Morphins durch Kodein nachweisen. Doch «st der normale Darm erst durch viel grössere Dosen von Morphin-K.odein zu beeinflussen als der durch Koloquwinten gereizte. 5. Die Magenentleerung wird durch solche Dosen von Morphin- Kodein, welche auf den normalen Darm wirken, bereits deutlich verzögert, nicht dagegen durch die kleineren Dosen, welche den Kolo- quintendurchfall stopfen. | 6. Im Opium und im Pantopon sind Morphin und Kodein ‚nicht in dem für eine Stopfwirkung günstigsten Mischungsverhältnis vorhanden. 7. Bei gleichem Morphingehalt wirkt eine Dosis Morphin- Kodein stärker stopfend als Pantopon oder Opiumtinktur. 8. Die Stopfwirkung des Pantopons ist stärker als die des Morphins, aber schwächer als die der Opiumtinktur. 9. Im Opium und im Pantopon sind Substanzen enthalten, welche die stopfende Wirkung von Morphin- Kodein vermindern. 10. Ausser dem Morphin und dem Kodein scheinen im Opium keine anderen Alkaloide vorzukommen, welche in quantitativ erheb- licher Weise die Stopfwirkung verstärken. Speziell ist der Einfluss der sogenannten „LBestalkaloide“ nur ein minimaler. Auch Mekon- säure verstärkt die Stopfwirkung nicht. Dagegen ist es möglich (wenn auch noch nicht mit Sicherheit bewiesen), dass unter den „Ballaststoffen“ des Opiums Substanzen vorhanden sind, welche die Stopfung in geringem Grade verstärken. 11. Alle diese Befunde beziehen sich bisher nur auf die Stopfung des Koloqgwintendurchfalles von Katzen. Hkerber erwiesen sich aber bereits so kleine Dosen von Morphin und Kodein als wirksam, dass es möglich erscheint, die Resultate zur Erklärung der stopfenden Wirkung von Opiumpräparaten bei Durchfällen des Menschen heranzuziehen. Ob diese Annahme zutrifft, müssen weitere Untersuchungen entscheiden. 389 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Die Abhängigkeit der Magenentleerung vom All- gemeinzustand des Nervensystems. Von Dr. Makoto Takahashi (Tokio). Dass die Tätigkeit des Magens bei der Verdauung, und zwar sowohl seine Sekretion als auch seine Motilität, in hohem Grade von dem Allgemeinzustand des Menschen oder Tieres und speziell von demjenigen Verhalten seines Zentralnervensystems abhängt, welches man subjektivierend als „psychischen Zustand“ bezeichnet, ist eine bekannte Tatsache (Pawlow). Speziell für die Motilität des Magens ist dieses vielfach nachgewiesen. Cannon!) fand unruhige Kater ungeeignet zur Untersuchung der Magenbewegungen vor dem Röntgenschirm, während ruhige Katzen meistens gute Peristaltik im Pylorusteil und regelmässige Magenentleerung zeigten. Bei verschiedenen Erkrankungen und schmerzhaften Eingriffen kommt es durch Vermittlung der Vagi und Splanchnieci zur reflektorischen Hemmung der Magenentleerung [Cannon!)]. Auch Lommel?) sah bei unruhigen Hunden die Magenbewegungen gebemmt. Ähnliches hat Auer?) beim Kaninchen beobachtet. Umgekehrt fanden Cohnheim, Dreyfuss und Best), dass 1) W. B. Cannon, The mechanical factors of digestion. London 1911. 2) F. Lommel, Die Magen- und Darmbewegungen im Röntgenbild und ihre Veräuderung durch verschiedene Einflüsse. Münchener med. Wochenschr. 1903 S. 1633. 3) J. Auer, Gastric Peristalsis in rabbits under normal and some exper. conditions. Amer. Journ. of Physiol. vol. 18 p. 347. 1907, and vol. 25 p. 334. 1910. 4) O. Cohnheim und G. Dreyfus, Zur Physiologie und Pathologie der Magenverdauung. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 58 S. 50. 1908. — F. Best und ©. Cohnheim, Über Bewegungsreflexe des Magendarmkanals. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 69 S. 113. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 26 390 Makoto Takahashi: das einfache Vorhalten von Futter oder von Wasser bei gierigen Hunden die Entleerung des Magens beschleuniet bzw. sie auslösen kann. Haudek und Stigler!) zeigten beim Menschen, dass Hunger die Magenentleerung beschleunigt. Schon früher sind im hiesigen pharmakologischen Institut durch Herrn Dr. Ph. Klee (München) bei Röntgenversuchen über die Ver- dauungsbewegungen von Katzen Beobachtungen gesammelt worden, aus denen sich die enge Abhängigkeit der Geschwindigkeit der Magen- entleerung von dem „psychischen“ Verhalten der Tiere ergab. Die Veröffentlichung unterblieb, weil es sich nicht um prinzipiell neue Befunde handelte. Gelegentlich der in der vorhergehenden Ab- handlung beschriebenen Versuche über die stopfende Wirkung der Opiumbestandteile wurde nun aber derselbe Befund an einem so grossen Material und mit so grosser Konstanz erhoben, dass es viel- leicht nicht überflüssig ist, die Ergebnisse zu publizieren. Alle Beobachtungen wurden an Katzen angestellt. Die Tiere hungerten 24 Stunden, wurden dann in einen kleinen Holzkasten gesetzt und mit 25 g Kartoffelbrei, dem 5 g Wismuthydroxyd bei- gemengzt war, gefüttert. Unmittelbar danach bekamen sie 0,16 & Koloquintenextrakt in 10 ecem Wasser mit der Schlundson le. Koloquintenextrakt hat keinen Einfluss auf die Magenbewegungen, während die Darmbewegungen stark beschleunigt werden. Im ganzen handelt es sich um mehr als 300 Einzelversuche. Zum Zwecke des Studiums der Wirkung von Stopfmitteln musste festgestejlt werden, wann der Magen sich ganz oder nahezu voll- ständig entleert hatte. Das geschah durch wiederholte Röntgen- durchleuchtung. Eine Reihe von Tieren herhlei für die hier zu untersuchenden Verhältnisse aus. Einige waren krank, bei anderen fand sich bei der nachher vorgenommenen Sektion Heu im Magen, andere hatten mehr oder weniger grosse Klumpen von Katzenhaaren darin. Es bleiben im ganzen 159 Fälle, in denen genaue Beobachtungen über die Magenentleerung angestellt werden konnten. Dabei ergab sich folgendes: 1) M. Haudek und R. Stigler, Radiologische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Austreibungszeit des normslen Magens und Hungergefühl. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 145. 1910. Die Abhängigkeit der Magenentleerung vom Nervensystem. 391 A. Zahme Katzen. Dieselben sitzen ruhig im Käfig, heben den Kopf, wenn man in die Nähe kommt, schnurren und nähern das Maul dem Drahtnetz des Käfigs, wenn man mit der Hand leise daran klopft. Werden sie zur Fütterung in den Kasten gesetzt, so lassen sie sich das ruhig gefallen und zeigen keine Zeichen von Unbehagen. a) Acht von diesen Katzen waren so willig, dass sie im Kasten trotz der unzewohnten Lage das vorgehaltene Futter selbst frassen und nicht gefüttert zu werden brauchten. Sie liessen sich durch die Gesenwart des Menschen und durch Geräusche nieht stören. Die Magenentleerung erfolgte bei ihnen im Durchschnitt in weniger als 1° Stunden (Maximum 1 Stunde 50 Min., Minimum 1 Stunde 30 Min.). b) 124 von diesen zahmen Katzen wurden im Hol ak mit dem Löffel gefüttert und frassen das Futter ohne Widerstreben und ohne Störung. Die Magenentleerung erfolgte bei ihnen im Durehschnitt in 2—2!V/s Stunden (Minimum 1!/ Stunden in zwei Fällen, Maximum 3 Stunden in einem Falle). B. Wilde oder ängstliche Katzen. Dieselben liegen häufig ganz flach im Käfig, schnurren nicht, haben eine unruhige, ungleichmässige, oft beschleunigte oder kaum sichtbare Atmung, erschrecken, wenn man an das Käfignetz klopft, blasen und fauchen häufig. Im Holzkasten muss man bei der Fütterung das Maul gewaltsam Öffnen, und fast jeder Löffel führt zum Erschrecken des Tieres. In allen 17 Fällen war bei diesen Tieren nach 2—2!/e Stunden der Magen noch zum grössten Teil gefüllt. Während bei den zahmen Tieren mit normaler Magenentleerung die Gesamtlänge der Dünndarmschatten zu dieser Zeit 59—70 cm betrug, erreiehte sie bei den ängstlichen und wilden Katzen im Durchschnitt nur 21 em. Stets dauerte es länger als 3 Stunden, bis der Magen vollständig entleert war. In mehreren Fällen war nach 4 und 5 Stunden noch Inhalt im Magen vorhanden. Manchmal blieb der Dünndarm in den ersten 2 Stunden überhaupt fast ganz ohne schattengebenden Inhalt. C. Ausserdem zeisten noch eine verzögerte Magenentleerung: a) zwei sehr junge Katzen, welche allerdings zahm waren, aber sich 26 * 392 Makoto Takahashi: Die Abhängigkeit der Magenentleerung etc. durch Geräusche sehr leicht erschrecken liessen; — b) eine zahme Katze, welche nach der Fütterung 2 Stunden lang durch die aus- nahmsweise zu dieser Zeit vorgenommene Reinigung des Tierzimmers, welche mit viel Geräusch einherging, gestört wurde; — ce) eine zahme Katze, bei welcher sich keine Ursache für die Verzögerung der Magenentleerung feststellen liess. D. Sechs Katzen brauchten nicht zur Fütterung in den Holz- kasten gesetzt zu werden, sondern frassen das Kartoffelbrei- Wismut- gemisch spontan in ihrem Käfig. Zwei von ihnen liessen sich durch nichts hierin stören. Die Magenentleerung dauerte bei ihnen 1 Stunde 50 Min. und weniger als 1 Stunde 40 Min. — Vier von diesen Katzen liessen sich jedoch durch die Gegenwart der Menschen und Geräusche im Fressen stören. Bei ihnen dauerte die Magenentleerung 2 Stunden, 2 Stunden 20 Min., 2 Stunden 20 Min. und 2 Stunden 40 Min. Bei denjenigen Tieren, bei welchen die verzögerte Magenent- leerung festgestellt werden konnte, war häufig ein Stillstand der peristaltischen Bewegungen im Pylorusteil zu sehen. Ausserdem beteiligt sich daran ein Pyloruskrampf, denn auch bei guter Antrum- peristaltik konnte ich niemals das Ausspritzen des Mageninhaltes durch den Pylorus ins Duodenum beobachten, welches in Fällen von normaler Magenentleerung so häufig zu sehen ist. Die mitgeteilten Beobachtungen zeigen in besonders deutlicher Weise und an einem grossen Versuchsmaterial, von wie grosser Be- deutung der Allgemeinzustand des Nervensystems für einen normalen Ablauf der Verdauungsbewegungen ist und wie leicht sich dieselben durch innere und äussere Reize hemmen lassen. 395 (Aus dem biologischen Institut zu Frankfurt a. M.) Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. Mitteilung. Schilddrüse, Epithelkörperchen und Adrenalingiykosurie. Von F. Blum und A. V. Marx. Bestehen zwischen Schilddrüse und Epithelkörperchen Beziehungen anderer Art als die der benachbarten Lage? Viel besprochen und viel umstritten ist diese Frage. Ein Hauptleitsatz der einschlägigen Literatur besagt, dass das Auftreten der Tetanie ausschliesslich an den Ausfall der Epithelkörperchen gebunden sei, während die Kachexie dem Wesfall der Schilddrüse zugeschrieben werden müsse!). Die Erörterung dieser und ähnlicher Thesen möge späteren Mitteilungen vorbehalten bleiben. Hier soll zunächst eine andere Angabe, gemäss der Schilddrüse und Epithelkörperchen sich gegenüber der Adrenalin- glykosurie gegensätzlich verhalten, daraufhin geprüft werden, ob ihr ein wohlerworbenes und unbestreitbares Bürgerrecht in der Lehre von der Lebenstätiekeit jener Organe zukommt. Ein gegensätzliches Verhalten von Epithelkörperehen und von Schilddrüse gegenüber der Nebenniere wurde zuerst im Jahre 1908 von Eppinger, Falta und Rudinger?) behauptet. Auf Grund von Versuchen, die sie an Hunden angestellt hatten, gaben jene Autoren an, dass schon bald (3 Tage) nach völliger Exstirpation der Schilddrüse bei Tieren, deren Epithelkörperchen wohlerhalten ge- blieben seien, selbst grosse Dosen von Adrenalin Glykosurie nicht mehr hervorzurufen vermöchten. Es wurde Adrenalin in der Mehr- zahl der Fälle intraperitoneal, und zwar in einer Dosis von 1 mg 1) Vgl. Biedl, Innere Sekretion. 1912. 2) Zeitschr. f. klin. Med, Bd. 66 S. 1. 1908, 394 F. Blum und A. V. Marx: pro Kilogramm Versuchstier verakfolgt. Bei einem von den an- geführten Hunden wurde Adreralin in der genannten Dosis subkutan gegeben, ohne dass nachher Zucker im Urin erschien, und bei dem gleichen Tier führte die intraperitoneale Injektion der gleichen Menge trotz gleichzeitiger Sondenverfütterung von Rohrzucker ebenfalls nicht zu Glykosurie. In einer weiteren Versuchsreihe fütterten die Autoren teils Schilddrüsentabletten, teils rohe Schilddrüsen oder Jodothyrin oder sie spritzten die Presssäfte bzw. Lösungen vom Schilddrüsen- inhalt unter die Haut. Dann gaben sie Adrenalin subkutan, in einem Fall auch intraperitoneal, und zwar in kleinerer Dosis, als sie es in ihren Versuchen ohne Schilddrüsenfütterung gegeben hatten, nunmehr mit dem Resultat, dass bei diesen Tieren Glykosurie eintrat. Bei sechs intraperitoneal mit hohen Dosen behandelten Tieren kam es, teilweise unter schweren Krankheitserscheinungen, zum Exitus; bei zweien wird über das weitere Schicksal nichts berichtet. Die Ergebnisse dieser Versuche wurden gleichsam zur Basis, über welcher die Wiener Autoren ein Dreieck konstruierten, welches schematisch die Wechselwirkung der Drüsen mit „innerer Sekretion“, ihr gegenseitiges Sichfördern oder -hemmen versinnbildlichen sollte: Fällt bei wohlerhaltenen Epithelkörperchen die Funktion der Thyreoidea weg, so fehlt dem chromaffinen System ein Etwas, welches, normaler- weise in die Blutbahn geratend, die Nebennieren in ihrer Tätigkeit fördert; schwindet dieses Etwas aus der Blutbahn, so überwiegt eine Hemmung, welche ihrerseits ausgehen soll von den in ihrer Funktion wohlerhaltenen Epithelkörperechen. Erst mit deren Wee- fall tritt die Wirksamkeit des Adrenalins wieder ein. Wir werden uns im folgenden mit der Frage zu beschäftigen haben: Hemmen die in ihrer Funktion wohlerhaltenen Epithel- körperchen nach Ausfall der Schilddrüsentätigkeit tatsächlich die Adrenalinglykosurie’? In der Literatur finden wir wenig Nachprüfungen der bare von Eppinger, Falta und Rudinger, obwohl man bereits vielfach mit dem Begriff des genannten Dreiecks operiert, als sei es aus den gegebenen Grössen ein für allemal aufs neue zu rekonstruieren. Von den wenigen Arbeiten, die sich mit einer Überprüfung der An- gaben der Wiener Autoren beschäftigen, brachte seither nicht eine einzige eine volle Bestätigung. Wenn Biedl!) in seinem Lehrbuch an- 1) Biedl, Innere Sekretion, 2. Aufl. 1912. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. 395 gibt, dass Grey und Santelle!) zu denselben Resultaten ge- kommen seien wie Eppinger, Falta und Rudinger, so möchten wir darauf hinweisen, dass Underhill?) überzeugend dartut, dass die Versuche von Grey und Santelle, die übrigens eine ganz andere Versuchsanordnung wählten als die Wiener Autoren, keines- falls als eine Bestätigung der Befunde von Eppinger, Falta und Rudinger aufzufassen sind. Auch uns ist es geläufig, dass Adrenalin in der gleichen oder wenig variierten Dosis bei gleicher Fütterung, ein und demselben Tier verabfolgt, mag dieses nun thyreoidektomiert eins oder nicht, ganz verschieden grosse Mengen Zucker in den Urin treiben kann. |[Vel. hierzu z. B. die Angaben, die der eine von uns (Blum) schon gleich bei seiner Entdeckung des Nebennierendiabetes gemacht hat.]| Es ist also aus einer kleineren Zuckerausscheidung nach Einverleibung von gleichen Adrenalindosen keinerlei Rückschluss auf eine Hemmung durch Abwesenheit der Schilddrüse statthaft. Im Gegenteil, da überhaupt eine Glykosurie auftrat, hat die von den Wiener Autoren geforderte weitgehende Hemmung gerade nicht stattgefunden. Pick und Pineles°), die an Ziegen experimentierten, glaubten für junge Tiere dieser Gattung die Angaben von Eppinger, Falta und Rudinger bestätigen zu können. Sehen wir uns indes die Protokolle von Piek und Pineles genauer an, so ist uns die Behauptung nicht erklärlich, dass junge thyreoidektomierte Ziegen dem Adrenalin gegenüber sich refraktär verhalten sollen. Schied doch ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Tiere tatsächlich nach Adrenalingabe Zucker aus. Ziege 15 und Ziegenbock 16 ant- worteten auf eine subkutane Injektion von.-1 bzw. 0,75 mg Adrenalin pro Kilogramm Körpergewicht mit einer schwach positiven Fehling- und Phenylhydrazinprobe. Auch Ziegenbock 19 zeigt eine schwach positive Fehling- und deutliche Phenylhydrazinprobe. Das sind doch positive Resultate und nicht etwa Versager! Und wie stand es mit dem Blutzucker? Ist bei den Versagern, d.h. bei den Tieren, bei denen keine Glykosurie auftrat, auch die Hyperglykämie ausgeblieben ? l) Grey and Santelle, The relations of the thyroid glands to the -glycosuria. Journ. of experim. Medicine vol. 11 p. 659. 1909. 2) Underhill, The production of glycosuria by Adrenalin in thyreoidec- tomized dogs. Americ. Journ. of Physio!. vol. 27 p. 331. 1911. 3) Pick und Pineles, Über die Beziehungen der Schilddrüse zur phy- siologischen Wirkung des Adrenalins. Biochem. Zeitschr, Bd. 12 S. 473. 1908, 396 F. Blum und A.V. Marx: Über diesen für die ganze Beweisführung entscheidendsten Punkt ist aber weder bei Piek und Pineles noch bei Eppinger, Falta und Rudinger irgendeine Angabe zu finden. Ohne ver- geleichende Prüfung des Zuckergehalts des Blutes vor und nach der Einspritzung von Adrenalin ist eine Hemmung oder Förderung des Zuckeraustrittsausder Leber nicht dargetan. Die Blutzuckerbestimmung ist nur dann ohne Belang, wenn reichlich Zucker in den Urin übertritt; sie ist aber eine absolut notwendige Ergänzung der Untersuchung, wenn es sich darum handelt, zu zeigen, dass eine Nebennierenextrakteinspritzung wirkungslos verlaufen ist. Die Fälle von positiver Fehling- bzw. Phenylhydrazinprobe bei den Tieren von Pick und Pineles weisen darauf hin, dass jene Tiere reagiert haben; sonst wäre kein Zucker, wenn auch nur in kleinen Mengen, ausgeschieden worden. Eine seringe Variation der Adrenalindosis oder eine Wiederholung des Versuchs, vielleicht sogar mit der gleichen Dosis zu anderer Zeit, hätte bei diesen Tieren, und wahrscheinlich bei noch manchem anderen von Pick und Pineles, ein anderes Bild der Sachlage gezeitigt. Das differente Ansprechen ein und desselben Tieres auf die gleiche Dosis ist eben nach den allgemeinen Erfahrungen, die auch wir vielfach gemacht haben, wie schon oben betont, nichts Aussergewöhnliches. Es geht dies unserer Meinung nach z. B. auch aus dem Verhalten der Ziege 20 von Pick und Pineles hervor. Auf 0,6 mg pro Kilogramm Körpergewicht schied dieses Tier am 41. Tage nach Thyreoidektomie Zucker aus, am 44. Tag jedoch auf die gleiche Menge nicht. Pick und Pineles freilich meinen die Glykosurie bei ihren jungen Ziegen damit begründen zu können, dass bei diesen entweder funktionsfähige Reste der Schilddrüsen zurückgeblieben seien oder dass der Schilddrüsenausfall noch nicht vollkommen eingetreten war, und sie glauben, dass gerade die eben erwähnte Ziege 20 diese Annahme stütze. Wir deuten die Versuchs- protokolle von Piek und Pineles in anderer Weise: Bei 17 thyreoid- ektomierten Ziegen wurde auf Glykosurie nach Adrenalingabe ge- prüft. Von diesen 17 schieden Ziege 12, 16, 19, 22, 25 und 20 Zucker aus, teilweise allerdings in sehr kleinen Mengen. Dass bei diesen Tieren Schilddrüse zurückgeblieben war, ist eine durch nichts bewiesene Annahme. Dauerndes Wohlbefinden der Tiere spricht keineswegs dafür. Führt doch der durch spätere Sektion erwiesene totale Schilddrüsenmangel bei Schafen und Ziegen durchaus nicht immer zu Krankheitserscheinungen. Wenn ein Teil der Tiere von Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. 1. 397 Pick und Pineles keinen Zucker ausschieden, so liegt das an einer ganzen Reihe von Gründen. Zunächst ist wohl bei Ziegen wie bei anderen Versuchstieren die Reaktionsfähigkeit auf Adrenalin eine individuell verschiedene, wobei vielleicht das Alter der Tiere eine Rolle spielt, so dass ältere Tiere leichter ansprechen würden als junge. Gewiss ist auch die Dosierung und Verteilung von grossem Einfluss. Auf diesen wichtigen Punkt werden wir später, nach Mit- teilung unserer eigenen Versuche, noch einmal eingehend zurück- kommen. Beim Kaninchen liegen die Verhältnisse weit einfacher. Wir besitzen in ihm ein bequemes Versuchstier, welches auf richtig ge- wählte Adrenalindosen stets leicht und in eindeutiger Weise reagiert. So schieden denn auch die thyreopriven Kaninchen von Pick und Pineles alle Zucker aus!.) Underhill und Hilditch?) konnten in ihren Experimenten an thyreopriven Hunden die Angabe, dass solche Tiere auf Ein- verleibung von Suprarenin nicht mit Glykosurie reagieren, nicht bestätigen. In Dosen von 1 mg und mehr auf 1 kg Körpergewicht rief Adrenalin, subkutan gegeben, stets beträchtliche Glykosurie hervor. Wir können aber Underhill und Hilditeh nach unseren Erfahrungen nicht zustimmen, wenn sie sagen, intraperitoneale Dosen von 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht seien zu klein. Wenn die beiden Autoren in ihrer Taf. II bei normalen Hunden, ausser in einem Fall, Zucker nicht auftreten sahen, so liegt das eben an der bereits wiederholt betonten individuellen und temporär verschiedenen Reaktionsfähigkeit des einzelnen Tieres, nicht zuletzt auch an der Beschaffenheit des Adrenalins selbst, was ja auch aus Taf. II von Underhill und Hilditch zu ersehen ist. Aber ganz abgesehen davon müssen wir auf Grund unserer Experimente die intraperitoneale Injektion als eine durchaus ungeeignete Art der Applikation be- zeichnen. Speziell ist vor grossen Dosen zu warnen. Schon die 1) Soeben ist eine Arbelt von G. Bo& (Biochem. Ztschr. 1914 Bd. 64) er- schienen, in der dieser Autor über seine Untersuchungen von Kaninchen be- richtet. Er hat den Blutzucker nach dem Verfahren von Bang kontrolliert und das Operationsresultat durch mikroskopische Nachprüfung gesichert: Thyreoprive Kaninchen mit erhaltenen Epithelkörperchen reagierten auf Adrenalin durchaus wie normale Tiere. Keinerlei Hemmung war vorhanden. 2) Underhill and Hilditch, Certain aspects of carbohydrate metabolism in relation of the complete removal of the thyroids and partial parathyroidectomy. Americ. Journ. of Physiol. vol. 25 p. 66. 1909. 398 F. Blum und A.V. Marx: Menge von 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht ist eine solche, die nicht etwa durch ihre Geringfügiekeit, sondern durch ihre mächtige Finwirkung auf alle Bauchorgane die Versuchsanordnung, wie wir sehen werden, völlig brachlegen kann. Die Einwände, die Falta und Rudinger!) gegenüber den zitierten Untersuchungen von Underhill und Hilditch erhoben, wurden von Underhill?) in einer zweiten Arbeit entkräftet; so vor allem die Vermutung, dass bei Hund A, welcher SI Tage nach der Thyreoidektomie mit Glykosurie auf Adrenalin reagierte, akzessorische Schilddrüsen im Spiel gewesen seien. Genaueste Untersuchung der Halsorgane bei Hund A ergab hinsichtlich der Frage nach akzessorischen Schild- drüsen ein völlig negatives Resultat. Auch bei Hund C und D fanden sich bei der Autopsie nur hypertrophische Epithelkörperchen, jedoch keine Spur von Schilddrüsengewebe. Nichtsdestoweniger fügte Underhill in seiner zweiten Arbeit einige neue Untersuchungen hinzu, die zu dem gleichen Ergebnis führten wie diejenigen der Ver- öffentlihung mit Hilditeh: Adrenalin, in Dosen von 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht bei thyreopriven Hunden mit erhaltenen Epithelkörperchen gegeben, erzeugte 3, 4, 21 Tage und 16 Monate nach der Exstirpation bei diesen Tieren Glykosurie. Auch hier be- wies die Sektion die Abwesenheit von akzessorischen Schilddrüsen. Was die latente Tetanie betrifit, die Falta bei den Versuchstieren von Underhill vermutete, so kommt eine solche, wie Underhill mit Recht betont, bei der langen Lebensdauer der Versuchstiere, die sich stets in sehr gutem Zustand befanden, nicht in Betracht. Der gegenwärtige Stand der Frage ist hiernach etwa folgender- maassen zu umzeichnen: Eppinger, Falta und Rudinger haben auf Grund von Versuchen, deren Anordnung nicht als eindeutig an- erkannt wird, und ohne Kontrolle des Blutzuckers der Schilddrüse eine fördernde, den Epithelkörperchen eine hemmende Wirkung auf die Glykosurie durch Suprarenin zugesprochen. Die bisherigen Be- obachtungen von anderer Seite haben keine Bestätigung, z. T. sogar eine Widerlegung jener Lehre gebracht. Hier haben unsere Untersuchungen eingesetzt, die im folgenden wiedergegeben seien: 1) Falta und Rudinger, Einige Bemerkungen über den Kohlehydratstoff- wechsel und Blutdruck bei Thyreoektomie. Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. des Stoffwechsels Bd. 5 Nr. 3. 1910. 2) Underhill, |. c. T Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. 1. 399 I. Normale Hunde. Hund 167. Schwarzer langhaariger männlicher Dackel. Ge- wicht 7,6 kg. Fütterung: Milch, Reis. 1. Mai 1913. Urin: Alb. 0, Sacch. 0. 2. Mai 1913. 7,5 mg Suprarenin !) intraperitoneal. 2. Mai 1913, abends. 340 cem Urin: Sacch. 0, Alb. Spur. 3. Mai 1913. Sacch. 0, Alb. Spur. Gallenfarbstoff +, Urin- menge 240 ccm. Ergebnis: Normaler Hund, mit 1 mg Suprarenin pro Kilo- sramm Körpergewicht intraperitoneal gespritzt, scheidet keinen Zucker aus. Das Tier lag matt und schwerkrank in diesen Tagen im Käfig. Hund 182. Grauer Rehpinscher. Gewicht 6,5 ke. Nahrung: Milch, Reis. 19. Mai 1913, 6 Uhr abends. 6,5 mg Suprarenin intraperitoneal. Danach Erbrechen, bluthaltiger Urin, bluthaltiger Stuhl. Im blutigen, mit Erbrochenem gemischten Urin Gärprobe 1,2 °/o Dextrose, Nylan- der +, Menge 270 ccm. 20. Mai 1913. Tier f. In der Blase ca. 10 cem Urin. Nylander 0, Alb. +. Starke Hyperämie der Bauchorgane, besonders der Blase. Ergebnis: 1 mg Suprarenin pro Kilogramm Körpergewicht, intraperitoneal verabfolgt, wirkt shockartig. Es tritt Erbrechen ein sowie blutiger Stuhl und Urin. In der Mischflüssiekeit von Er- brochenem und Urin findet sich Zucker, der bereits einige Stunden später in dem aus der Blase des verendeten Tieres gewonnenen Urin vermisst wird. Die Sektion ergibt eine aseptische, hyperämische In- jektion in den Bauchorganen. Hund 189. 3—4 Jahre alter weiblicher schwarzer Spitz. Nahrung: Milch und Reis. 21. September 1913. Gewicht 7,5 kg. Im Urin: Alb. 0, Sacch. 0. 22. September 1913, 4 Uhr p. m. 4 mg Suprarenin subkutan. 1 Stunde nach der Einspritzung katheterisiert. Alb. 0, Sacch. 0. 7 Uhr p. m. im katheterisierten Urin (40 ccm) 4,2°/o Sacch. 1) Wir benutzten „Suprarenin Höchst“, welches uns von den Höchster Farbwerken zu unseren Versuchen in dankenswerter Weise überlassen wurde, und legten grossen Wert darauf, das Präparat immer ganz frisch (nicht rötlich gefärbt) zu verwenden. 400 F. Blum und A. V. Marx: 23. September 1913. In 60 cem per Katheter entnommenen Urins 0,2°/o Sacch. 24. September 1913. Alb. 0, Sacch. 0. 25. September 1913. Alb. 0, Sacch. 0. 1. Oktober 1913. Nahrung: Hundekuchen, Fleisch. Gewicht Ske. 11 Uhr a. m. Urin per Katheter. Alb. 0, Sacch. 0. Darauf 8 mg Suprarenin intraperitoneal. 1'!/s Uhr p. m. 35 ccm Urin per Katheter. Alb. Spur, Sacch. 0, Gallenfarbstoff 0. 7 Uhr p. m. Per Katheter 48 cem Urin. Alb. Spur, Sacch. 0 (Nylander und Gärung). Tier im ganzen in leidlich gutem Zustand. 2. Oktober 1913, 1 Uhr p. m. Katheterisiert. Alb. 0, Sacch. 0. 21. Oktober 1913. Dauernd gleiche Ernährung (Fleisch, Hunde- kuchen). Katheterisiert.. Alb. 0, Sacch. 0. Gewicht 7,5 ke. 12 Uhr. 3 mg Suprarenin intraperitoneal. 1 Uhr. Wenig Urin per Katheter entnommen. Nylander stark positiv. 7 Uhr p. m. 30 ccm Urin per Katheter. Saech. 2%. 22. Oktober 1913, 1 Uhr p. m. Katheterisiert. Saech. 0, Alb. Spur, Gallenfarbstoff 0. Ergebnis: Subkutan verabfolste, nicht zu grosse Dosis Suprarenin (ca. 0,5 mg pro Kilogramm) bewirkt bereits am gleichen Tage eine starke Zuckerausscheidung, die auch am nächsten Tage in geringerem Maasse noch andauert. Dann wird das Tier wieder zuckerfrei. 1 mg Suprarenin pro Kilogramm, intraperitoneal gegeben, lässt nicht eine Spur Zucker in den Harn übertreten. Nach 3 Wochen, als dem Tier eine wesentlich kleinere Dosis (0,4 mg pro Kilo- gramm) intraperitoneal injiziert wurde, tritt prompt Zucker in den Urin über. Hund 301. Kleine scheckige Hündin, 2—3 Jahre. Nahrung: Fleisch, Hundekuchen. 1+4. Januar 1914. Urin per Katheter. Saech. 0. Gewicht 5 ke. 12 Uhr 30 Minuten p. m. 5 mg Suprarenin intraperitoneal. Kurz danach mehrere Male Erbrechen. Grosse Unruhe. 1 Uhr 30 Minuten p. m. Katheterismus misslingt. Katheter stösst auf ein unüberwindbares Hindernis (Sphinkterkrampf). 6 Uhr 30 Minuten p. m. Nochmaliges Erbrechen. Es ist un- möglich, mit dem Katheter in die Blase zu gelangen (Sphinkterkrampf). Abends tot. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. 401 Sektion: In der Blase, welche maximal kontrahiert ist, kein Tropfen Urin. Ergebnis: Bei dem Tier, welches 1 mg Suprarenin pro Kilo- gramm Körpergewicht intraperitoneal erhielt, war die Shockwirkung so gross, dass mit dem Katheter überhaupt kein Urin zu erhalten war, und dass die Blase des Tieres, welches spontan keinen Urin gelassen hatte, auch postmortal sich völlig leer erwies. Hund 304. Kleiner schwarzer Spitz, !/’—1 Jahr alt. Nahrung: Fleisch, Hundekuchen. Gewicht 9 ke. 3. Februar 1914. Urin: Alb. Spur. Nylander +. 1 Uhr. 9 mg Suprarenin intraperitoneal. /s Stunde später Erbrechen. 2 Uhr p. m. Katheterismus 5 cem Urin. Nylander stark positiv. Lässt nachmittags spontan Urin, welcher sich mit Er- brochenem mischt. Nylander +. Polarimetrisch 3°. Urinmenge + Erbrochenes 80 ccm. 61/2 Uhr p. m. Blase leer (Katheter). 4. Februar 1913. Morgens tot. Sektion: Dünndarm schon von aussen stark blutig injiziert. Aufgeschnitten erweist er sich an mehreren Stellen blutig infareiert, die Peyer’schen Plaques stark geschwollen, ödematös und teilweise mit Hämorrhagien durchsetzt. Hämorrhagien im Pankreas. Ergebnis: Das Tier ist insofern nicht einwandfrei, als es schon vor der Suprarenininjektion Zucker im Urin hatte und weil sich Veränderungen im Pankreas fanden. Es zeiet aber die schweren Störungen, die Suprarenin, in grossen Dosen intraperitoneal gegeben, hervorrufen kann, zur Evidenz. II. Operierte Hunde. Im folgenden geben wir die Resultate wieder, die wir bei Versuchstieren erhoben haben, denen die Schilddrüse exstirpiert wurde, mit Erhaltung von einem oder zwei Epithelkörperchen. Die genaue Verfolgung des ÖOperationsergebnisses hat uns dazu geführt, nur solche Tiere für die Versuche zu benutzen, bei denen die Epithelkörperchen schon von vornherein isoliert lagen und mit Sicherheit als Glandulae parathyreoideae zu erkennen waren. Wie schwierig andernfalls die restlose Entfernung von Schild- drüsengewebe beim Abpräparieren der Epithelkörperchen von der 402 F. Blum und A. V. Marx: Schilddrüsenkapsel ist und wie leicht gelegentlich eine Verwechslung mit einem abgesprengten Schilddrüsenläppchen vorkommen kann, möge der gleich zu besprechende Hund 273 dartun. — Deshalb haben wir es in der Folge vorgezogen, nur deutlich erkennbare Epithel- körperchen, die an und für sich schon isoliert standen, zu be- lassen. — Bei allen Tieren haben wir trotz dieser Vorsichtsmaass- rege] die mikroskopische Überprüfung späterhin angeschlossen. Hund 273. 3—4 Jahre alter grauer Schnauzer. Nahrung: Hundekuchen, Reis. Gewicht 9 ke. 29. Oktober 1913. Aufsuchen der Schilddrüsen beiderseits. An beiden im oberen Drittel an der Aussenseite je ein Fpithelkörperchen. Dasselbe wird beiderseits lospräpariert und an einem Stückchen Kapsel hängend vom übrigen Schilddrüsengewebe getrennt. Der Rest der Schilddrüse wird beiderseits exstirpiert. Schilddrüse klein. 3l. Oktober 1913. Frisst, munter. 2. November 1913. Heute Vormittag schlapp. Kann nicht richtig in den Käfig hineinspringen. Kratzt sich die Schnauze. Abends 7!/e Uhr Dyspnöe. 4. November 1913. Tier munter. Nahrung: Milch, Reis. 8. November 1913. Alb. 0, Sacch. 0. 10. November 1913, 6 Uhr p. m. 4,3 mg Suprarenin subkutan. 7 Uhr p. m. Alb. 0, Sacch. 0. 11. November 1913. 410 eem Urin, Alb. 0, Sacch. 0. 12. November 1913. 210 eem Urin, Alb. 0, Saech. 0. 13. November 1913. 180 eem Urin, Alb. 0, Sacch. 0. 14. November 1913, 12"/s Uhr p. m. 6 mg Suprarenin subkutan. 6 Uhr p. m. Alb. 0, Sacch. + 2,7%. Urinmenge 390 ecın. 15. November 1913, 10 Uhr p. m. Alb. 0, Sacch. + 0,7 lo. Urinmenge 500 ccm. 16. November 1913. Alb. 0, Sacch. 0. 18. November 1913. Alb. 0, Sacch. 0. In der Folgezeit munter. 20. November 1913. Elektrische Erregbarkeit normal: N. peron. KaS — 0,8, AnS — 2,0, An-O — 2,0 KaO noch nicht bei 3,0. 9. Dezember 1913. Entfernung der beiden stehengelassenen Reste. Gebilde härtlich. 19. Dezember 1913. Dauernd munter, frisst. 10. Februar 1914. Dauernd munter, frisst. Von morgen ab Fleisch und Reis. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. 403 17. Februar 1914. Tier hat morgens 9 Uhr schwere tetanische Krämpfe. Starke Dyspnöe, Stösse durch den ganzen Körper, tonische Starre der Extremitäten. Von da ab täglich tetanische Krämpfe. In einem solchen verendet das Tier am 27. Februar 1914. Ergebnis: Bei einem 9 kg schweren Tier gelang es scheinbar, die Schilddrüse unter Zurücklassung der Epithelkörperchen zu ent- fernen. Auf 0,5 mg Suprarenin pro Kilogramm Körpergewicht, subkutan gegeben, trat keine Glykosurie auf. Einige Tage später bewirkt eine etwas grössere Dosis (0,6 mg pro Kilogramm Körper- gewicht) prompt starke Glykosurie. Das Tier ist aber, wie es sich zeiete, für die hier in Betracht kommenden Versuche nicht ver- wendbar. Es ergab nämlich die mikroskopische Untersuchung der herausgenommenen und in Serien zerlesten Reste, dass rechts neben einem Epithelkörperchen allerdings nur sehr geringe Schilddrüsen- reste zurückgeblieben waren. Es umfasste das Epithelkörperchen- gewebe im ganzen 140 Schnitte, das deutlich hypertrophierte Schild- drüsengewebe nur 95 Schnitte. Der Rest links aber bestand aus- schliesslich aus teilweise nekrotischem Schilddrüsengewebe Ein Epithelkörperchen war hier nicht zu sehen. Offenbar war hier ein Schilddrüsenläppchen für Epithelkörperchen gehalten und zurück- gelassen worden. Es beweist dieser Versuch, dass es manchmal nicht möglich ist, die Epithelkörperchen zu isolieren, ohne wenigstens mikroskopisch kenntliche Schilddrüsenteile zurückzulassen, die später hypertrophieren werden. Auf das, was der Versuch ausserdem lehrt, wird in einer anderen Arbeit zurückzukommen sein. Es sei aber schon hier darauf hingewiesen, dass die durch keinerlei Experimente sestützte Bemerkung von Eppinger, Falta und Rudinger, die Befunde von Blum über den Einfluss der Ernährung auf die Tetanie seien überholt, schon durch das Schicksal dieses Hundes 273 widerlegt wird. Blum’s Angaben bestehen zu vollem Recht. Hund 275. 2—3 Jahre alter gelber Spitz. Fütterung: Fleisch, Reis, Hundekuchen. Gewicht 12 kg. 5. November 1913. An der oberen Kuppe der rechten Schild- drüse ist, zwischen Gefässen eingebettet, ein abgesondert liegendes Epithelkörperchen sichtbar. Dasselbe wird unschwer isoliert und von der Schilddrüse durch Ligatur abgetrennt; es ist von obenher durch Gefässe gut ernährt. Links Aufsuchen der Schilddrüse. Hier ist ein Epithelkörperchen sichtbar an der Grenze zwischen mittlerem 404 F. Blum und A. V. Marx: und unterem Drittel. In seiner Umgebung in der Kapsel verlaufen dicke Gefässe. Es gelingt nicht, dieses Epithelkörperchen völlig zu isolieren. Daher links Entfernung des ganzen Schilddrüsenapparates mitsamt Epithelkörperchen. Klammernaht, Verband. 20. November 1913. Elektrische Erregbarkeit am N. peron. KaS = 0,3, AnS = 1,0, AnO = 1,0, KaO — noch nicht bei 3,0. 23. November 1913. Tier in der ganzen Zwischenzeit munter. Alb. 0, Sacch. 0. 25. November 1913, 12 Uhr 30 Min. p. m. 6 mg Suprarenin, subkutan. 26. November 1913. Alb. 0, Sacch. + 0,4°/o. 470 ecm Urin. 27. November 1913. Alb. 0, Sacch. 0. Ergebnis: Bei einem normal sich verhaltenden thyreopriven Hunde von 12 kg, der noch ein Epithelkörperchen besitzt, erzeugt Suprarenin in der Dosis von 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht, subkutan verabfolgt, prompt Glykosurie. Nach Herausnahme des Epithelkörperehens nach einigen Monaten verendete das Tier unter schweren psychischen Störungen, denen ähnlich, die der eine von uns (Blum) früher beschrieben hat!). Akzessorische Schilddrüsen fanden sich nicht. Hund 220. 2—3 Jahre alter grosser schwarzer Dobermann. Nahrung: Fleisch, Hundekuchen. Gewicht 14,5 ke. 19. Juni 1913. Aufsuchen der linken Schilddrüse. Am oberen Pol ein isoliert stehendes und von der Schilddrüse durch eine binde- gewebige Brücke getrenntes Epithelkörperehen. Unterhalb desselben wird unterbunden und dann die ganze linke Schilddrüse abgetragen. Rechts wird die ganze Schilddrüse samt dem sichtbaren Epithel- körperchen entfernt. Naht, Verband. 24. Juni 1913. Bis heute völliges Wohlbefinden. Alb. 0, Sch 0. 26. Juni 1913, 11 Uhr a. m. 5 mg Suprarenin subkutan. ‘27. Juni 1913, 1 Uhr p. m. 400 ecm Urin, spez. Gewicht 1035. Nylander + 0,3°/o Saecch. Alb. Spur, Gallenfarbstoff +. 28. Juni 1913. 450 cem Urin mit 0,4°o Saech. Alb. Spur. Gallenfarbstoff ++. Ruhig, frisst. 3. Juli 1913. Völlig munter. 11. September 1913. Elektrische Untersuchung am N. peroneus. 1) Neurolog. Zentralbl. 1902 Nr. 2. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. 405 K-S.-Z. 2,7 M.-A. K.-8.-2. 2,6 M.-A. K.-O.-Z. noch nicht bei 20 M.-A. A.-S.-Z. 4,8 M.-A. A.-S.-Z. 4,2 M.-A. A.-O.-Z. 4,0 M.-A. A.-O.-Z. 4,0 M.-A. 20. September 1913. Dauernd munter, gefrässig. 27. September 1913. Gewicht 20 kg. 6 mg Suprarenin subkutan. Das Tier lässt 3 Tage keinen Urin, danach Zucker 0. Gewicht 20,2 ke. 8. Oktober 1913, 7 Uhr abends. 9 mg Suprarenin subkutan. 9. Oktober 1913, nachmittags. 470 ccm Urin mit 0,6 0 Saech., Alb. 0, Gallenfarbstoff Spur. 12. Oktober 1913. Nächster Urin 310 cem, 0,3°/o Saech., Alb. Spur, Gallenfarbstoff 0. 14. Oktober 1913. Alb. vorhanden, Sacch. 0. Tier in der Folgezeit munter. Ergebnis: Bei diesem Hund mit normalem elektrischen Ver- halten erzeugten, obwohl die ganze Schilddrüse exstirpiert war, bei einem erhaltenen Epithelkörperchen, Dosen von 0,3—0,4 mg pro Kilogramm Suprarenin Glykosurie. Das Tier ging am 16. Februar 1914, nachdem ihm am 21. Oktober 1913 das verbliebene linke Epithelkörperchen exstirpiert war, kachektisch zugrunde. Die Hals- organe wurden besonders genau inspiziert; es fand sich bis in den Thoraxraum hinab nirgends ein Rest von Schilddrüsengewebe. Hund 317. Grosser schwarzgrauer Hofhund, 5—6 Jahre alt. Nahrung: Hundekuchen, Fleisch. Gewicht 49 ke. 6. März 1914 Operation. Beide Schilddrüsen kropfig. Beiderseits sitzt je ein Epithelkörperchen gut abgesondert. Rechts ist es grösser als links. Beiderseits gelingt es, das Epithelkörperchen, reichlich durch Gefässe versorgt, zu isolieren, während der ganze übrige Schild- drüsenapparat, entfernt wird. Es blutet ziemlich stark in der Kapsel. 13. März 1914. Tier dauernd in Ordnung. 18. März 1914. Idem. 25. März 1914. Elektrische Untersuchung am Nerv. peron. K.-S.-2. 0,8 M.-A. A.-S.-2. 2,0 M.-A. A.-Ö.-Z. 4,8 M.-A. K.-Ö.-Z. noch nicht bei 8,0 M.-A. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 27 406 F. Blum und A.V. Marx: 31. März 1914. Idem. Urin Alb. 0, Sacch. 0. 1. April 1914, 6 Uhr p. m. 10 mg Suprarenin, subkutan. Tier in der darauffolgenden Nacht so errest und wild, dass es einen ganzen Käfig demoliert, läuft im Stall herum. Urin kann deshalb nicht aufgefangen werden. 6. April 1914. Tier dauernd munter. Frisst gut. 14. April 1914. Desgleichen. 21. April 1914. Alb. 0, Sacch. 0, Gallenfarbstoff 0. Gewicht 54 ke. 22. April 1914, morgens. 20 eem Blut aus der Vena jugularis entnommen. Blutzuckergehalt :0,068 %/o. Nach der Blutentnahme subkutane Injektion von zusammen 14 mg Suprarenin an zwei ver- ‚schiedenen Stellen. Danach ausserordentlich unruhig. Nach 2 Stunden erneute Blutentnahme (20 eem). Blutzucker- gehalt 0,115 °/. Im abends gelassenen Urin Alb. Spur, Saech. 0 Gallenfarbstofft +. Urinmenge 650 cem. 23. April 1914, abends. 475 cem Urin, Sacch. 0. 28. April 1914. Gewicht 53,2 kg. Nahrung: Hundekuchen, Fleisch. Alb. 0, Sacch. 0. 11 Uhr 20 Min. a. m. Blutentnahme aus der Jugularis. Blut- zuckergehalt 0,071 %o. 11 Uhr 25 Min. a. m. 18 mg Suprarenin (Höchst) subkutan an zwei verschiedenen Stellen der Rückenhaut, links und rechts. 12 Uhr 25 Min. Blutentnahme. Blutzuckergehalt 0,21 %o. 2 Uhr 30 Min. Nochmalige Blutentnahme. Blutzuckergehalt 0,15 %o. 29. April 1914. Urinmenge 520 cem. Nylander +. Zucker polarimetrisch 0,20. Eiweiss vorhanden. Gallenfarbstoff +. Abends Nylander 0. Alb. Spuren. 7. Mai 1914. Bis jetzt völlig munter. Bekommt heute (bei Fleisch- und Hundekuchenkost) die stehengebliebenen Babel Dune exstirpiert. 10. Mai 1914. Offenbar in der Nacht schon Krämpfe. Heute vormittag nach 10 Minuten dauerndem Krampfanfall Exitus. Die genaue Sektion und besondere Inspizierung der Halsorgane bis in den Thoraxraum hinab ergab nichts von akzessorischen Schilddrüsen. Ergebnis: Bei einem Hund, bei dem es gelang, zwei Epithel- körperchen isoliert zurückzulassen, brachte eine subkutane Adrenalin- gabe von 10 mg einen hochgradigen Erregungszustand hervor. Eine nochmalige Verabfolgung von Suprarenin in einer Dosis von 14 mg Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. 1. 407 führte zwar keinen Zucker in den Urin über, liess aber den Blut- zuckergehalt um ein Beträchtliches in die Höhe schnellen. Das An- steigen des Blutzuckergehaltes trat noch markanter einige Tage später in Erscheinung, als das Tier zum dritten Male Suprarenin, dieses Mal in einer Dosis von 18 mg, erhielt, wobei man Anstieg und späteren Niedergang des Blutzuckergehaltes verfolgen konnte. Die dritte Suprarenininjektion führte gleichzeitig Zucker in den Urin über. Die elektrische Erregbarkeit war normal. Es zeigt dieser Versuch also, dass bei vollkommener Abwesenheit von Zucker im Urin der Blutzuckergehalt beträchtlich gesteigert sein kann. Das Tier starb nach Entfernung der Epithelkörperchen an Tetanie. Akzessorische Schilddrüsen waren nicht vorhanden. Die mikro- skopische Untersuchung der etwa erbsengrossen Epithelkörperchen ergab auf der einen Seite noch — offenbar der Kapsel anhaftend gebliebene — kleine Reste von fibrös verändertem Schilddrüsengewebe, die für den Ausfall des Experiments sowohl ihrer Geringfügigkeit nach als auch wegen der degenerativen Veränderung nicht in Be- tracht kommen können. Hund 305. 2—3 Jahre alter roter weiblicher Kriegshund. Nahrung: Fleisch, Hundekuchen. Gewicht 43 Pfd. 24. Februar 1914. Operation: An beiden Schilddrüsen sitzen an der Aussenseite an der oberen Kuppe wohlcharakterisierte Epithel- körperchen. Es gelingt, beiderseits diese Epithelkörperchen von dem übrigen Schilddrüsenapparat zu trennen und sie, an einem Stück Kapsel hängend, offenbar reichlich ernährt, zurückzulassen. Der ganze übrige Schilddrüsenapparat wird entfernt. 5. Februar 1914. Frisst. 6. Februar 1914. Munter, frisst. 10. Februar 1914. Wohlbefinden. 12. Februar 1914. Stets Wohlbefinden. Blutdruck 190 mm (Riva Rocei). . 13. Februar 1914. Blutdruck 210 mm. 14. Februar 1914. Blutdruck 195 mm. 24. Februar 1914. Hat sechs Junge geworfen, zwei davon tot, die drei anderen i. O. 25. Februar 1914. Munter. 28. Februar 1914. Tier. macht etwas müden Eindruck. Frisst nur sein Fleisch. 13. März 1914. Tier völlig in Ordnung. Säugt noch die Jungen. 27° AOS F. Blum und A.V. Marx: 18. März 1914. Tier munter. 1. April 1914. Tier dauernd in Ordnung. Junge abgesetzt. 13. April 1914. Tier frisst gut. Frei von Krankheitserscheinungen, munter. 25. April 1914. Alb.. minimale Spuren, Sacch. 0, Gallenfarb- stoffe 0. Spez. Gewicht des Urins 1049. 29. April 1914. Dauernd munter. Frisst Hundekuchen und Fleisch. 30. April 1914. Elektrische Untersuchung: N. peroneus. K.-8.-Z. 0,8 M.-A. A.-8.-Z. 2M.-A. A.-Ö.-Z. 5M.-A. K.-Ö.-Z. noch nicht bei 9.0 M.-A. 1. Mai 1914. Blutentnahme 10 Uhr a. m. Blutzuckergehalt 0,057 °/o. 10 Uhr 15 Minuten. 12 mg Suprarenin subkutan. 11 Uhr 30 Minuten. Blutentnahme. Blutzuckergehalt 0,096 Jo. l Uhr 15 Minuten. 0,085 %o. 1 Uhr 30 Minuten. Katheterismus: Blase leer. 2. Mai 1914, 12 Uhr 30 Minuten p. m. Katheterismus. In der Blase nur einige wenige Tropfen Urin (obwohl Tier spontan Urin nicht gelassen hat). Urin mit wenigen Tropfen Wasser ver- dünnt. Nylander 0. 6. Mai 1914. Von heute ab Nahrung: Milch, Reis. 9. Mai 1914. Dauernd munter. 16. Mai 1914. Urin: Sacch. 0. 10 Uhr 30 Minuten a. m. . 12 mg Suprarenin subkutan. Abends Nylander 0. Blutzucker: vor der Einspritzung 0,050, 1 Stunde danach 0,094°/o und 3 Stunden später 0,098 %/o. Am 26. Mai 1914 16 mg Suprarenin (Höchst) subkutan. Blut- zucker vorher 0,075°o, 1 Stunde danach 0,1630 und 3 Stunden später 0,12%. In den Urin trat diesmal Zucker über: 200 ecm mit 0,3 °/o Dextrose. Am 6. Juni 1914 wurde das rechte Fpithelkörperchen ex- stirpier. Auch diesen Eingriff überstand das Tier gut und blieb dauernd munter. Am 24.. Juni 1914 elektrische Erregbarkeit: KaS = 1,8; AnS = 4,0; AnO = 8,0; KaO noch nicht bei 10.0. Am 23. Juni subkutane Injektion von 16 mg Suprarenin (Höchst). Vor der Einspritzung Blutzucker 0,085 °%, 1 Stunde nach der Ein- spritzung 0,22 °/o und 2 Stunden später 0,306 %0! Das Tier liess 2 Tage lang keinen Urin. Der danach aufgefangene Harn enthielt keinen Zucker. Am 8. Juli 1914 wurde auch noch das linke Epithelkörperchen Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. 1. 409 entfernt. In der Nacht vom 10./11. Juli starb das Tier, wahr- scheinlich in Tetanie. Die Sektion ergab völlige Abwesenheit von akzessorischen Schilddrüsen. Hund 325. 4—5sjähriger weiblicher gelber Rattenfänger. Nahrung: Milch, Reis. Gewicht 11 ke. 3. April 1914. Operation. Beiderseits Aufsuchen der Schild- drüsen. An beiden finden sich Epithelkörperchen. Rechts sitzt es ziemlich nahe der Kuppe. Die Isolation gelingt gut. Links sitzt es an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel. Es wird, an der bindegewebigen Kapsel hängend, abpräpariert und die Schild- drüse vollkommen exstirpiert. DBeiderseits steht nichts mehr von Schilddrüsengewebe. Klammernaht, Verband. 6. April 1914. Frisst ordentlich. Frei von Tetanie. 13. April 1914. Dauernd munter. Frisst gut. 16. April 1914. Tier dauernd in Ordnung. 21. April 1914. Frisst gut. 29. April 1914. Frisst, munter. 30. April 1914. Elektrische Untersuchung: N. peroneus. K.-8.-Z. 0,35 M.-A. A.-S.-Z. 1,2 M.-A. A.-O.-Z. 1,5 M.-A. K.-0.-2. noch nicht bei 4,0 M.-A. Gewicht 11,5 ke. 1. Mai 1914, 10 Uhr. Blutentnahme. Blutzuckergehalt 0,075 %o. 10 Uhr 15 Min. 6 mg Suprarenin subkutan. 11 Uhr 30 Min. Blutentnahme. Blutzuckergehalt 0,19 %o. 1 Uhr 15 Min. Blutentnahme. Bilutzuckergehalt 0,180. 2!/s Stunden nach der Einspritzung spontan 230 cem Urin mit 0,8% Zucker. Alb. 0. Gallenfarbstoff 0. 1 Uhr 30 Min. Blase leer (Katheterismus). 11 Uhr p. m. 370 eem Urin mit 0,4°o Zucker. Alb. minimale Spuren. Gallenfarbstoff 0. Am 8. Mai 1914 wirft das Tier ein nicht ganz ausgetragenes Junges, das nach 2 Tagen verstirbt. Am 9. Juni 1914 wird nochmals Suprarenin in der Dosis von 6 mg subkutan injiziert. Der Blutzucker vor der Einspritzung be- trägt 0,05 °/0, 1 Stunde danach 0,10 °/o und 2 Stunden später 0,15 °/o. Im Urin (600 cem) sind 0,4°/o Dextrose enthalten. Am 24. Juni 1914 wurde das linke Epithelkörperchen exstirpiert und dabei der Hals bis zum Jugulum genau abgetastet uud inspiziert. Es fand sich ausser dem Knötchen des rechten Epithelkörperchens nirgends etwas Besonderes. 410 F. Blum und A.V. Marx: Hund 332. Ca. 2 Jahre alter Fox, weiblich. Nahrung: Milch, Reis, Fleisch, Hundekuchen. Am 22. Mai 1914. 11,5 kg Gewicht. Elektrische Erregbarkeits- prüfung am N. peron. KaS = 0,5; AnS—=1,6; Auß = 2,0; KaO noch nicht bei 8,0 M.-A. Am 5. Juni 1914. KaSs —= 0,8; AuS — 14; AnO —= 1,9; Ka0O = 48 M.-A. Am 12. Juni 1914. Totalexstirpation der Schilddrüsen unter Erhaltung der leicht zu isolierenden äusseren Epithelkörperchen. — In den nächsten Tagen Wohlbefinden. Am 19. Juni 1914. Elektrische Prüfung ergibt KaS = 1,3; AnS = 2,4; AnO = 6,0; KaO noch nicht bei 7,0 M.-A. Am 23. Juni 1914. 7 mg Suprarenin subkutan. Blutzucker vor der Injektion 0,097 %0, 1 Stunde danach 0,139 % und 2 Stunden später 0,180. — Urin liess das Tier erst nach 2 Tagen; darin war Zucker nicht enthalten. Am 26. Juni 1914. 8 mg Suprarenin subkutan. 27. Juni 1914. 210 eem Urin mit 1,4%/o Dextrose. Eiweiss 0, Gallenfarbstoff 0. Am 8. Juli 1914 wurde das rechte Epithelkörperchen entfernt und die Halsorgane durch breite, lange Eröffnung der Palpation und Inspektion zugänglich gemacht. Es fand sich nichts ausser dem kleinen linken Epithelkörperchen. — Auch diesen Eingriff überstand das Tier gut und blieb normal. Am 14. Juli 1914. 8 mg Suprarenin subkutan. Im Urin des nächsten Tages fand sich kein Zucker. Am 19. Juli 1914. 9 mg Suprarenin subkutan. Blutzucker vor der Injektion: 0,090, 2 Stunden später 0,19%. In den Urin (120 und 150 cem) traten über 0,4°/o Zucker. Das Tier ist dann getötet worden. Es fanden sich keine akzessorischen Epithelkörperchen. Wenn wir unsere Versuche an normalen und thyreopriven Hunden zusammenfassen, so lässt sich folgendes sagen: In grossen, intra- peritoneal verabfoleten Dosen wirkt Suprarenin häufig shockartig und stark toxisch, wie das auch Falta und Ivcowic!) schon berichten. Die Tiere bekommen Erbrechen, blutigen Urin und Stuhl 1) Falta und Ivcowic, Über die Wirkungsweise des Adrenalins bei ver- schiedener Applikation. Wiener klin. Wochenschr. 1909. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. I. 411 und überleben den Eingriff in der Mehrzahl der Fälle nicht; es tritt unter rasch zunehmender Prostration der Exitus ein. Eine solche Versuchsanordnung, die einen derartig schweren, mit der Fortdauer des Lebens meist nicht zu vereinbarenden Eingriff bedeutet, ist schon an und für sich nicht geeignet, die aufgeworfene Frage nach dem Verhalten der Schilddrüse zur Adrenalinglykosurie zu entscheiden. Überdies zeigte es sich, dass jene grossen Dosen selbst bei normalen Tieren den Übertritt von Zucker in den Urin ver- hindern können, während unter Umständen bei demselben Tier kleine Dosen sehr wirksam sind. Hierfür ist unser Hund 189 ein lehrreiches Beispiel. Bei diesem normalen Tier erzeugt Adrenalin in der Dosis von 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht, subkutan verabfolgt, Glykosurie. In der Dosis von 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht, intraperitoneal gegeben, wird keine Spur Zucker in dem jedesmal mit Katheter entnommenen Urin gefunden. Hingegen tritt später bei einer kleineren intraperitoneal verabfolgten Dosis (0,4 mg pro Kilogramm) prompt wieder Glykosurie auf. Bei Anwendung der grossen Dosen kann es sogar so weit kommen, dass während des ganzen Versuches nicht ein Tropfen Urin in die Blase gelangt. Von unseren thyreopriven Versuchstieren aber haben sowohl diejenigen mit einem als auch jene mit zwei erhaltenen Epithel- körperchen auf Suprarenin reagiert, wobei die lange Lebensdauer, die elektrische Untersuchung und das gesamte Befinden normale Verhältnisse ergaben, also eine latente Tetanie im Sinne Faltas ausschlossen. Die Sektion der Tiere, bei dem vorletzten nach- träglich eingehende Überprüfung in vivo, lieferte den Beweis, dass keine akzessorischen Schilddrüsen ete. vorhanden waren. Es zeigt sich so- mit deutlich, wo die Ursache der andersartigen Resultate von Falta, Eppinger und Rudinger liegt: Die Dosen, die diese Autoren wählten, waren bei der Art der Applikation zu gross. Unter dem Einfluss dieser grossen, bei intraperitonealer Injektion stark toxisch wirkenden Dosen kommt es zu einer solchen Krampfung der Ge- fässe, dass kein Zucker in den Urin übertritt, ja dass sogar völlige Anurie eintreten kann. Was die Versuche von Eppinger, Falta und Rudinger betrifft, bei denen nach Schilddrüsenfütterung bei thyreopriven Hunden wieder Glykosurie auf Suprarenindarreichung eintrat, so handelte es sich hier, ausser bei einem Tier, um solche, denen Suprarenin subkutan und in kleinerer Dosis verabfolgt wurde. Dass hier Zucker im Urin erschien, kann nicht Wunder 4123 F. Blum und A.V. Marx: nehmen: es entspricht der allgemeinen Erfahrung. Wird doch bei subkutaner Applikation ein Depot geschaffen, aus dem langsam Adrenalin in die Blutbahn geschöpft wird. Was nun die gleichzeitige Darreichung von Schilddrüsen und Adrenalin angeht, so mag ja eine gewisse „Aktivierung“ des Adrenalins durch diese Schilddrüsendar- reichung erfolgen. Mit diesen Versuchen ist aber nicht das geringste für eine Sekretion der Schilddrüse unter normalen Verhältnissen und für eine ausgebliebene Hemmung der Tätigkeit der Epithelkörperchen erwiesen; es sind das vielmehr pharmakologisch interessante, durchaus nicht vereinzelt dastehende Tatsachen, jedoch keine dem physio- logischen Geschehen entsprechende und hierher gehörige Experimente. Werden nicht zu grosse Dosen verwandt, dann tritt allemal Glyko- surie ein. Gewiss fügt sich unserer Deutung der Sachlage das Ver- suchsprotokoll 233 in der Arbeit von Falta und Rudinger!) nieht chne weiteres ein. Allerdings müssen auch wir hier den Ein- wand von R. Hirsch aufrechthalten, auf Grund reicher Erfahrung auf diesem Gebiet, dass es unmöglich sein dürfte, die inneren Epithelkörperchen herauszupräparieren, ohne dass Schilddrüsengewebe zurückbleibt. Davon aber abgesehen fehlt auch bei diesen Tieren der Nachweis, dass die Hyperglykämie nach der Einspritzung aus- geblieben ist, was allein eine Hemmung durch Schilddrüsenwegfall bewiesen hätte, und vor allem: unsere Versuche haben wahrlich eindeutig bewiesen, dass eine Hemmung der Nebennierenglykosurie durch Schilddrüsenwegnahme nicht existiert! Trat doch auch bei einem Teil unserer Tiere, bei denen die Urinuntersuchungen negativ verliefen, jedesmal nach der Suprarenininjektion eine deutliche Er- höhung des Blutzuckerwertes ein. Bei dem wellenförmigen Verlauf kaun auch der kleine Aderlass und die psychische Beeinflussung des Tieres nieht in Betracht kommen. Die letzten Befunde wurden zudem nach der mikro-chemischen Methode nach Bang erhoben, wobei ja nur Tropfen entnommen werden. Wie dicht oft glykosurisch wirksame und unwirksame Dosen von Suprarenin zusammenliegen, kann unser Hund 332 zeigen: Bei 7 mg keine Glykosurie; bei 8 mg 210 eem Urin mit 1,4°%o Dextrose; später — nachdem noch ein Epithelkörperchen entfernt war — bei 8 mg —_ Glykosurie; bei 9 mg 270 cem mit 0,4°/o Dextrose. Es liegt uns aber gewiss fern, einen Zusammenhang zwischen )l.c. Zur Physiologie der Schilddrüse und der Epithelkörperchen. 1. 413 Schilddrüsenstörungen und Zuckerstoffwechsel in Abrede stellen zu wollen. Dass ein solcher vorkommt, wissen wir sehr wohl aus der Pathologie der Basedow’schen Krankheit. Aber dieser Zusammen- hang kommt auf einem Umweg zustande und nicht auf dem direkten Weg der Hemmung durch die Epithelkörperchen und auf den Bahnen jenes Dreiecks. Die Schilddrüse ist ein entgiftendesOrgan. Funktioniert sie nicht richtig, dann kreisen Toxine im Blute. Sie schädigen wichtige Organe, in erster Linie das Zentralnervensystem ; dann aber auch, wie Blum das schon früher nachgewiesen hat, in exquisitem Maasse die Nieren!) und, wie wir jetzt zeigen konnten, bei manchen Tieren auch die Leber?). Dass bei so schweren, anatomisch nach- weisbaren Störungen im feineren Bau derjenigen Drüsenzellen, die mit dem Zuckerstoffwechsel in enger Beziehung stehen, Glykosurie auftreten oder trotz Hyperelykämie nach Suprarenin gelegentlich eine Zuckerausscheidung ausbleiben kann, ist nicht überraschend. Speziell im Falle der Nierenschädigung liegen die Verhältnisse so, wie bei jenen Diabetikern, die gleichzeitig an Nierenschädigungen erkranken und dann im Urin keinen Zucker mehr aufweisen, weil . die erkrankte Niere den Zucker nicht mehr durchlässt. Die Frage, ob eine Hemmung der Adrenalinglykosurie durch die Epithelkörperchen bei Fehlen der Schilddrüse vorhanden ist, muss daher in Übereinstimmung mit Underhill und Hilditeh nach unseren eigenen Erfahrungen verneint werden. Ein etwaiges Aus- bleiben der Zuckerausscheidung ist zu erklären: 1. durch ungeeignete Applikationsweise des Suprarenins (grosse Dosen intraperitoneal) ; 2. durch das individuell und temporär verschiedene Verhalten der meisten Versuchstiere gegenüber dem Adrenalin; 3. durch Undurchlässigkeit der Nieren. Aber: Bei den üblichen Dosen und Applikations- arten bleibt auch bei thyreopriven Tieren mit er- haltenen Epithelkörperchen weder die Hyperglykämie noch die Glykosurie aus. Ein gegensätzliches Ver- halten von Schilddrüse und Epithelkörperchen gegen- über der Adrenalinglykosurie existiert nicht. 1) F. Blum, Über Nierenveränderungen bei Ausfall der Schilddrüsentätig- keit. Virchows Arch. Bd. 166. 1901. 2) Über diese Organschädigungen soll später ausführlich berichtet werden, 414 Yas Kuno und E. Th. v. Brücke: Nachtrag etc. Nachtrag zu unserer Arbeit über den funktionellen Nachweis des N. depressor beim Frosch. (Pflüger’s Archiv Bd. 157 S. 117. 1914.) Von Dı. Yas Kuno (Mukden) und Prof. E. Th. v. Brücke. Herr Prof. H. E. Hering war so freundlich, uns darauf auf- merksam zu machen, dass schon vor uns P. M. Nikiforowsky!) eine Notiz über die Existenz depressorisch wirkender Fasern im . Froschvagus veröffentlicht hatte. Nikiforowsky hatte gefunden, dass die Reizung eines zentralen Vagusstumpfes beim Frosche mitunter eine merkliche Erweiterung der peripheren Gefässe und dementsprechend eine geringe, aber doch deutliche Blutdrucksenkung auslöste. Diese Beobachtung wurde durch unsere Versuche vollkommen bestätigt, aber zugleich wesent- lich erweitert, wel Nikiforowsky die von uns ausgeführte adäquate Reizung der Depressorendigungen in der Aorta nicht ver- sucht hat. Es lag uns selbst daran, darauf hinzuweisen, dass Nikiforowsky als erster die depressorische Wirkung gewisser zentripetal leitender Vagusfasern beim Frosche erkannt hatte, doch haben erst wir den Nachweis erbracht, dass das Reizende dieser Fasern in der Aorta gelegen ist, dass sie also auch in dieser Hinsicht dem Nervus de- pressor der höheren Vertebraten entsprechen. 1) P.M. Nikiforowsky, On depressor nerve fibres in the vagus of the frog. Journ. of physiol. vol. 45 p. 459. 1913. 415 Experimentelle Untersuchungen über Autoimplantation von Nierengewebe'!). Von A. Katz (Wien) und R. Lichtenstern (Wien). (Mit Tafel IV und V.) In einer früheren Versuchsreihe wurde von uns der Beweis er- bracht, dass durch Schädigung der einen, im Organismus belassenen Niere die Produktion von Toxinen ausgelöst wird, welche eine elektive Wirkung auf die zweite Niere besitzen und zu schweren Allgemein- erscheinungen Anlass geben. In diesen Versuchen wurde durch Unterbindung des Harnleiters ein allmählicher Schwund des Nierenparenchyms erzielt, und die bei der Einschmelzung des Gewebes sich bildenden Produkte sind es, welche die lokalen Läsionen an der zweiten Niere sowie die schweren Vergiftungserscheinungen der Versuchstiere hervorrufen. Die Toxin- natur der gebildeten Stoffe wird durch die gleichzeitig nachweisbare Entstehung spezifisch werdender Präzipitine bewiesen, wie auch von Asecoli bei ähnlicher Versuchsanordnung gefunden wurde. In Fort- führung dieser Untersuchungen wurde in einer neuerlichen Versuchs- reihe zu ermitteln gesucht, wie sich der tierische Organismus gegen- über der Implantation von Nierengewebe der gleichen Spezies verhält. Auch Kapsenberg?) und Pari?°) konstatierten das Auftreten und die Resorption von Autotoxinen beim Zerfall der eigenen Niere nach Unterbindung des Nierenstiels oder des Ureters, ersterer auch den Gehalt des Blutserums so vorbehandelter Tiere an Isozytotoxinen. Die toxische Wirkung von Gewebsextrakten bei intravenöser Einspritzung wurde bereits mehrfach festgestellt. Aus den Organen tuberkulöser Meerschweinchen konnten Kraus und Volk) mit 1) Die Versuche wurden unter gütiger Aufsicht des Herrn Prof. Dr. A. Kreidl im physiologischen Institute der Wiener Universität ausgeführt. 2) Zeitschr. f. Immunitätsforschung Bd. 12 S. 508, 513. 1912. 3) Zeitschr. f. Immunitätsforschung 1910. 4) Arch. ital. de Biol. t. 59 (2) p. 280. 416 - A. Katz und R. Lichtenstern: physiologischer Kochsalzlösung Stoffe extrahieren, die, in die Vene anderer Versuchstiere eingespritzt, rasch tödlich wirkten. Dass es sich hier nicht um Substanzen handle, welche mit dem Grundleiden in Zusammenhang stehen, wies Dold!) nach, der aus den Organen sesunder Tiere Extrakte gewann, die bei gleichartiger Einverleibung ebenfalls letal wirkten. Artgleiche Tiere wurden intensiver beein- flusst als die Versuchstiere einer fremden Spezies. Von Dold wurde weiter die entgiftende Wirksamkeit des Blutserums festgestellt und gefunden, dass auch hier sich eine intensivere Wirksamkeit des art- gleichen Serums feststellen lässt. Die intraperitoneale oder subkutane Einspritzung der Extrakte erwies sich als ungefährlich; selbst das Vierfache der bei intravenöser Infusion letalen Dosis war ungiftig. Über die Natur dieser Toxine spricht sieh Dold des näheren nicht aus. Er erbringt nur den Beweis, dass es sich nicht um Seifen oder Lipoide handeln kann, dass weiter auch hämolytische Substanzen nicht als das totgebende Gift anzusehen sind. Bauer und Wusthoff?) heben den anaphylaktischen Charakter der Vergiftung durch Organ- extrakte besonders hervor. Der Sektionsbefund erbringt den Nach- weis des Vorhandenseins von häufigen Thromben in den Venen und dem rechten Vorhof und veranlasst Leo Loeb°), diese Versuche über Gewebstoxine mit früheren Versuchen von Conradi, Fuld und Boggs sowie den eigenen Experimenten®) in Zusammenhang zu bringen, welche fanden, dass in den Pressäften oder Extrakten der verschiedenen Organe ein Stoff vorhanden ist, der intravaskuläre Blutgerinnung bedingt (Kinase, Cytozym, Gewebskoagulum). Loeb’s Versuche konnten in vitro die gerinnungserregende Wirkung der Ge- websextrakte auf Pepton- und Hirudinblut nachweisen und die Ab- schwächung der gerinnungserregenden Wirkung durch Blutserum fest- stellen. Diese Wirksamkeit des Blutserums war bis zu einem gewissen Grade spezifisch. Auch Blaizot?°) führte die Giftiekeit der Organ- extrakte auf dieGegenwart von Thrombozym zurück. Diese Giftwirkung wird mit Vernichtung des Thrombozyms durch Zusatz von auf 56° er- hitztes Oxalatplasma, dem eine entsprechende Menge Kalk zugesetzt worden war, aufgehoben. 1) Zeitschr. f. Immunitätsforschung Bd. 10 S. 54. 1911. 2) Deutsche med. Wochenschr. 1912 S. 894. 5) Zeitschr. f. Immunitätsforschung Bd. 12 S. 189. 1913. 4) Virchow’s Arch. Bd. 201. 5) Compt. rend. Soc. de biol. t. 71 p. 534. 2. Dez. 1911. Exper. Untersuchungen über Autoimplantation von Nierengewebe. 417 In Fortführung der Versuche intravenöser Einverleibung von Organemulsionen konnte Kapsenberg!) speziell für die Niere feststellen, dass intravenöse Injektion einer aus der einen Niere des Versuchstieres dargestellten Emulsion bereits in Mengen von 0,3 g pro Kilo Körpergewicht letal wirkt, während erst 2,0 g Nieren- gewebe, der Niere eines zweiten Kaninchens entstammend, den Tod herbeiführen. Diese Versuche beweisen wohl, dass es sich nicht um embolische Erscheinungen handeln kann. Dagegen sprechen, wie auch Kapsen- berg berichtet, die relative Unschädlichkeit von mit Lebersubstanz dargestellten Emulsionen wie die Feinheit der Emulsionierung an sich; auch der Symptomenkomplex nach Infusion der Nierensubstanz: Paralyse,, Krämpfe, Atemstillstand, trotz Einleitung künstlicher Atmung. Der Sektionsbefund: rechter Herzventrikel in Diastole, linker in Systole, blutige Exsudate im Peritoneum und in den Lungen, spricht für eine akute Intoxikation. In unseren Versuchen wurde, uın die plötzliche, bei intravenöser Einspritzung stattfindende Überflutung des Organismus mit giftigen Stoffen hintanzuhalten, der Weg der Implantation von Organen oder Organteilen ins Peritoneum gewählt. Wird dafür Sorge ge- tragen, dass die einzupflanzenden Gewebe ins grosse Netz eingehüllt werden, so ist deren Zerfall ein langsamer, die Resorption eine stetige, allmählich erfolgende. Der Eingriff, welcher zu dieser Gewebs- implantation notwendig wird, ist ein so geringfügiger, dass er an sich keinerlei nennenswerte Schädigungen nach sich ziehen kann: Durch einen kleinen Einschnitt in der Linea alba wird das Omentum vorgezogen und das in kleine Stückchen zerschnittene Organ in die gebildete Netztasche eingebracht; durch eine Tabaksbeutelnaht wird die Tasche verschlossen und in die Tiefe versenkt. Peritoneum und Bauchdecken werden hierauf sorgsam vernäht. Die Versuche wurden an Katzen durchgeführt. Zur Implantation dienten die aseptisch ent- nommenen Nieren einer zweiten Katze. Dieselben wurden ihrer Kapsel entledigt, die Rinden- und Marksubstanz nach Entfernung des Nierenbeckens in kleine Partikelchen zerschnitten, mit physio- logischer, blutwarmer Kochsalzlösung gewaschen und in die gebildete Netztasche gelegt, diese hierauf verschlossen und versenkt. Die Tiere erholen sich nach der Operation sehr rasch. An 1) Zeitschr. f. Immunitätsforschung Bd. 12 S. 508. 1912. 418 A. Katz und R. Lichtenstern: dem ersten oder den zwei der Operation folgenden Tagen wird das Futter zurückgewiesen. Hierauf sind die Tiere ganz munter und nach glatter Verheilung der kleinen Bauchwunde von normalen nicht zu unterscheiden; trotzdem lässt aber eine genauere Unter- suchung des Stoffwechsels sowohl als der Resistenz gegen Schädigungen erkennen, dass sich in ihrem Organismus Veränderungen abspielen, welche ihr physiologisches Gleichgewicht gestört haben. Die ana- tomische Untersuchung der Nieren in verschiedenen Intervallen nach Einpflanzung des Nierengewebes bringt die Bestätigung des Vor- handenseins markanter Organveränderungen. Wie später ausführlicher erörtert wird, fanden wir anfangs Ver- änderungen des Nierengewebes ähnlich dem Bilde akuter hämor- rhagischer Nephritis, in späterer Zeit Bilder, welehe nephritischen, in Ausheilung begriffenen Prozessen ähneln. Die Beobachtung der im Stoffwechselkäfig gehaltenen Katzen ergab an dem der Operation folgenden Tage nicht selten Anurie; doch kann dies nicht mit Sicherheit auf den Eingriff bezogen werden, da wir sie auch sonst bei gesunden im Käfig gehaltenen Katzen be- obachtet haben. Sie sind durch eine Polyurie am nächsten oder den nächsten Tagen ausgeglichen. Das spezifische Gewicht, die Konzentration des Harns anzeigend, ist grossen Schwankungen unterworfen. Selbst dann, wenn durch absolute Milchdiät für gleichmässige Nahrungszufuhr gesoret wird, zeigt die Zusammensetzung des Harns von Tag zu Tag sich ändernde, ganz regellose Schwankungen. Die gleichen, regellosen Schwankungen zeist auch die Stickstoffausscheidung, trotz stets eleichbleibender Stickstoffeinfuhr in Form von Milch. Ein Stickstoffgleichgewicht war nicht zu erzielen. Die Stickstoffausfuhr gab oft Werte, welche die Ein- fuhr sehr wesentlich übersteigen. Diese Schwankungen, welche aus der Zufuhr in der Nahrung sich nicht erklären lassen, sind wohl als Be- weis für die ungleichmässige Resorption des eingebrachten Materials, respektive als Folge der. hierdurch bedingten Stoffwechselstörung heranzuziehen. Die zuweilen beobachtete starke Abmagerung — trotz genügender Nahrungszufuhr — beweist, dass gesteigerter Zer- fall 'im Verlaufe der Resorption statthat. Die Kurve der Ammoniakausscheidung zeigt einen ebenso un- regelmässigen Verlauf wie jene der Stickstoffzufuhr. Ein Parallelis- mus der beiden Kurven ist nicht zu konstatieren. Da die mikro- skopische und chemische Untersuchung des implantierten Nieren- gewebes weitgehenden fettigen Zerfall aufweist, ist wohl das zeit- Exper. Untersuchungen über Autoimplantation von Nierengewebe. 419 weise In-die-Höhe-gehen der Ammoniakausscheidung auf die schub- weise erfolgende Resorption der gebildeten Fettsäuren zu beziehen. Die Ausscheidung der Chloride zeigt analoge Schwankungen wie jene der früher genannten Stoffe. Bei der chlorarmen Milchnahrung sind diese Schwankungen nicht so ausgesprochen, die Kurve nähert sich der Einfuhr entsprechend mehr der Geraden: eine Stütze der An- schauung, dass die Schwankungen in der Ausfuhr von Stickstoff und Ammoniak nicht auf Rechnung unregelmässiger Nahrungsresorption, sondern infolge der durch Implantation bedingten Organveränderungen hervorgerufen werden. (Siehe Tabelle I auf S. 420 und Tabelle II auf S. 421.) Aus den Stoffwechseluntersuchungen lässt sich demnach der Schluss ableiten, dass bei den anscheinend ganz normalen Versuchs- tieren ein Stickstoffgleicehgewicht nicht zu erzielen ist, und dass ab- norme Stoffwechselvorgänge als Folgen der Resorption des zerfallenden Organs sich eingestellt haben. Die spezifische Beeinflussung der Nieren durch die beim Zerfall des implantierten Nierengewebes entstehenden Toxine wird durch die unmittelbar nach dem Eingriff auftretende, nicht unerhebliche Ei- weissausscheidung mit dem charakteristischen, die Nierenreizung ver- ratenden Sediment erwiesen. Die Eiweissmengen schwanken in weiteren Grenzen von Spuren bis zu 2°/o. Der Gang der Albuminurie ist kein eleichmässiger. An einzelnen Tagen werden hohe Werte, an anderen nur geringe Mengen gefunden. Es liegt wohl nahe, an- zunehmen, dass dieses schubweise Auftreten gesteigerter Eiweiss- mengen durch bald stärkere, bald schwächere Resorption toxischer Stoffe bedingt ist. Längere Zeit nach der Nierenimplantation ist die Albuminurie ganz oder bis auf ein unbedeutendes Minimum gesunken, und auch die Zylinder sind aus dem Sediment geschwunden. Wird nun neuerlich eine Implantation von Nierengewebe vor- genommen, so geht die Eiweissausscheidung neuerlich in die Höhe: so schwand in einem Falle drei Wochen nach Eiubringen der Substanz zweier Nieren das Eiweiss vollständig aus dem Harn, trat bei neuer- licher Implantation der Substanz zweier Nieren wieder auf, sank dann wieder in wenigen Tagen auf Spuren, um nach einer dritten gleich grossen Dosis von Nierensubstanz neuerlich bis zu Werten von 0,1—0,26°o anzusteigen und längere Zeit als nach der zweiten ‘Operation anzuhalten. Auch hier sinkt die Albuminurie wieder auf quantitativ nicht bestimmbare Spuren ab. A. Katz und R. Lichtenstern 420 yomqyua = — = = = = — = = = es = LET FrLLe LOTO aa wg 17a | 9Ieer i oste 90.1 08 ul = 0878 8868 617.0 3487 388‘C 00888 990-1 OIL 6 = orrE 9987 FIr°o 26.0 989°E 91108 ands “mau 1901 051 = 0690 ShL PL 9E0°0 »6ETL 7851 948'08 60°0 0818 sco°T 07 .® = 6L7T°0 686.1 2.90°0 8rL‘0 GE = ) In dieser Gleichung kann ich den Bruch m” zur weiteren Er- 1 leichterung und Beschleunigung der Rechnung möglichst einfach machen, z. B. zu einer geraden Zahl, 10, 100, da ich ja p, beliebig wählen kann. | Wie man sieht, fällt eine Barometermessung völlig fort; man muss nur imstande sein, am Manometer den Stand ablesen zu können, der durch die erste Messung, durch die Einführung von ?,-cem Quecksilber bewirkt wurde. Kann man nach jeder Messung die ursprünglichen Bedingungen wieder herstellen, kann man also die Temperatur des Behälters eleich halten und durch Ablassen der eingeführten Messflüssickeit das ursprüngliche Volumen Y wieder herstellen, so können beliebig viele Messungen rasch hintereinander ausgeführt werden: nach Ein- bringung des Untersuchungsgegenstandes in den Apparat lässt man so viel Flüssigkeit einlaufen, bis das Manometer den nötigen Druck anzeigt. Die Differenz pı—p, lässt sich ohne weiteres an dem 98 ++ 430 Willi Lange: Flüssigkeitsrohr ablesen. Man multipliziert sie mit der stets gleich- bleibenden Zahl, die durch den Bruch a gegeben ist, und hat damit das gesuchte Volumen. Die Methode unterscheidet sich von der der Wasserverdrängung, wie wohl nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, dadurch, dass sie gar keine Belästigung des Patienten darstellt, dass sie an Kranken, an Kindern und auch an Tieren angewendet werden kann. Der Druck im Apparat kann, da Manometer ja sehr empfindlich gemacht werdeu können, so gering genommen werden, dass er als irgendwie störend nicht in Betracht kommt. Der Vorzug des Verfahrens besteht einmal darin, dass das ganze Körpervolumen bestimmt wird, d. h. mit Einschluss des Kopfes. Andererseits wird auch nur das Volumen der festen Körper- teile berechnet, also mit Ausschluss der Lungen, vorausgesetzt, dass nur der Luftraum der Lunge in freier Verbindung mit dem Luftraum des Apparates steht. Diese Unabhängigkeit von der Lungenluft kommt besonders vorteilhaft auch dadurch zur Geltung, dass man keinerlei Rücksicht auf die Atmung zu nehmen braucht. Die Patienten oder Tiere können ruhig atmen; es treten hierdurch keine Veränderungen in ihrem Körpervolumen für die Messung ein wie bei der Volumenbestimmung mittels der Methode der Wasserverdrängung. Dieser Vorzug des Verfahrens gründet sich auf die Tatsache, dass in einem festen Hohlraum (Kasten), in dem ein Mensch oder Tier eingeschlossen ist, durch die Atmung die Summe Lungenluft und Kastenluft nicht verändert wird. Zwar wird z. B. durch die Einatmung aus dem den Körper umgebenden Raum Luft in die Lunge aufgenommen, die sich dadurch vergrössert; um denselben Betrag aber verkleinert sich zugleich der Kastenraum in- folge der Ausdehnung des Thorax und des Leibes. Dementsprechend beobachtet man bei langsamer, ruhiger Atmung auch keinerlei Druck- schwankungen im Kasten. Sie treten nur auf bei sehr rascher Atmung, Dyspnöe. Bei solchen Zuständen kann es vorkommen, dass der zur Messung im Apparat erzeugte Druck sich nicht gleich- mässig auch auf die Lungenluft fortpflanzt. Die dadurch bedingten Fehler sind allerdings nicht gross; sie könnten ganz vermieden werden, wenn man die Luft im Apparat mit Sauerstoff mischt. Da- durch vermag man bei Tieren leicht, aber auch dyspnöischen Kranken, auf eine für die Messung genügend lange Zeit ruhige Atmung zu erzwingen. Nur muss man sehr darauf achten, dass während der Ein prakt. Volumenometer für physiologische und klinische Zwecke etc. 431 Messung wirklich die Lungenluft in freier Verbindung mit der Apparatluft steht. Ist dies nicht der Fall, so erhält man nicht das Volumen der festen Körperbestandteile allein, sondern es ist ver- mehrt um das augenblickliche Lungenvolumen. Aus diesen letzten Überlegungen geht wohl ohne weiteres hervor, dass der Apparat uns auch ein Mittel in die Hand gibt, um das Lungenvolumen am Lebenden zu bestimmen. Man braucht nur eine Messung bei freien und eine bei abgeschlossenen Luftwegen vorzunehmen und das Ergebnis der ersten von dem der zweiten ab- zuziehen, um so das Lungenvolumen bei der gegebenen Atem- stellung zu erhalten. Geht man hierbei aus von der höchsten Inspirationsstellung, so ergibt die Messung das Gesamtvolumen der Lunge, bei tiefster Exspiration die Menge der Residualluft. Bekanntlich ist das Prinzip des Volumenometers schon oft ange- wendet worden zur Bestimmung der Residualluft, am besten in der Form des Pflüger’schen Lungenvolumenometers. Zweckmässigerweise wird hierbei indessen das Lungenvolumen nicht, wie eben angegeben, in- direkt aus dem Unterschied (Körpervolumen + Lungenvolumen) — Körpervolumen berechnet, sondern direkt durch Erzeugung von Druekunterschieden in der Lunge. Es wird an der Lunge gesaugt; aus der dadurch bedingten Ausdehnung der Lungenluft und der Druckverminderung berechnet sich das Volumen leicht. Es scheint mir angebracht, die von mir oben angegebene An- wendung des Volumenometerprinzips auch direkt zur Residualluft- messung zu benutzen. Als Volumenometer dient ein kleines Glasgefäss vom Inhalt V, mit Manometer, einem Rohr, durch das Quecksilber ein- gelassen werden kann, und einem Rohr, das mit dem Mund in Ver- bindung gebracht wird. Wird in dem abgeschlossenen Apparat durch Eipfliessenlassen von », eem Quecksilber die Luft auf einen be- stimmten Druck gebracht, so ist nach Verbindung mit dem Lungen- raum eine viel grössere Menge », erforderlich zur Erzielung des- selben Druckes. Das Lungenvolumen Z ergibt sich aus der Gleichung: a L 2ED (Pa — Pı). Auch in dieser Formel lässt sich mn beliebig wählen und damit 1 ein denkbar einfachstes Arbeiten erzielen. Barometermessungen fallen fort; der notwendige Messungsdruck kann so gering gehalten werden, dass er in keiner Weise störend wirkt. Es können rasch 432 W. Lange: Ein prakt. Volumenometer für physiol. u. klin. Zwecke etc. hintereinander viele Messungen vorgenommen werden, wodurch die Resultate an Genauigkeit gewinnen. Anstatt den Druck zu erhöhen, kann man natürlich auch die Druckverminderung anwenden. Die Formel erhält dabei ganz die- selbe Form. Für wesentlich halte ich indessen die Anwendung in der Weise, dass eine Druckerhöhung im Volumenometer erzeugt wird. Bei den bisherigen Versuchen, die Residualluft nach dem Prinzip des Lungen- volumenometers zu bestimmen, erhielt man im Vergleich mit sicheren Methoden (Davy, Grehant, Hermann) stets zu kleine Werte. Das führte zu völliger Verwerfung des Volumenometerprinzips. Es sollten seiner Anwendung zu viele Fehlerquellen anhaften (Multiplikation der Ablesungen mit einer grossen Zahl, Schwierigkeit, in einer be- stimmten Atemstellung lange Zeit zu verharren). Selbst wenn man dies zugibt, so würde sich doch nicht erklären, weshalb man stets zu kleine Weıte erhält. Die Ursache hiervon ist, so glaube ich, darin zu suchen, dass durch die Druckveränderung, durch das Saugen an der Lunge ein Abschluss eines Teiles der Lungenbläschen be- wirkt wird. Infolgedessen erstreckt sich die zur Messung nötige Ausdehnung nicht auf die gesamte, das ganze Lungenvolumen ein- nehmende Luft. Man erhält ein zu kleines Volumen vorgetäuscht. Die Druckerhöhung, wie sie hier zur Messung angegeben, vermindert diesen Fehler. Bei der Empfindlichkeit eines Manometers, der geringe Druckunterschiede sehr scharf anzeigt, bei der Wider- standsfähigkeit des Thorax und des Zwerchfelles sind eine Dehnung der Alveolen und dadurch bedingte zu hohe Werte nicht zu fürchten. Literatur. 1) Pflüger, Pneumonometrie. Pflüger’s Arch. Bd. 29 S. 2844. 18832. 2) Wengler, Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 297. 1903. 3) Nagel, Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 1. 1909. Physiologie der Atmung von Boruttau. 4) Vierotdt, anatomische, physiologische unn physikalische Tabellen. Jena 1906. 5) Pfaundler, Körpervolum- und Körperdichtebestimmung am lebenden Säug- ling. Zeitschr. f. Kinderheilkunde Jahrg. 1911. 433 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. Von R. Höber und R. A. Spaeth. (Mit 8 Textfiguren und Tafel VI.) Vor einiger Zeit berichtete George Mines!) über Versuche, in denen die schädliche Wirkung der Wasserstoff-Ionen auf das Herz vom Frosch mit derjenigen mehrwertiger Kationen, insbesondere mit derjenigen der dreiwertigen Kationen der seltenen Erden ver- glichen wurde. Die Versuche ergaben, dass die Wirkung der letzteren qualitativ der Wirkung der H-Ionen ausserordentlich ähnelt, sie aber quantitativ bei weitem übertrifft; die Ionen der seltenen Erden bewirken bereits in einer molaren Konzentration von 107° nach kurzer Zeit Stillstand des Herzens in Diastole. Spült man danach mit reiner Ringer-Lösung, so erholt sich das Herz nur allmählich und oft unvollkommen, während es bei Zusatz von etwas Hydroxyl- ‘Ion, ebenso wie das mit Wasserstoff-Ion vergiftete Herz, rasch restituiert wird. Welches seltene Erd-Ion man anwendet, ist fast irrelevant — nur die hydrolytisch gespaltenen Scandium- und Aluminiumsalze verhalten sich etwas abweichend ; die übrigen wirken gleich. Das erweckt den Eindruck, als ob weniger der chemische Charakter der einzelnen Stoffe über die Giftwirkung entscheidet, als die gemeinsame physikalische Eigenschaft der Dreiwertigkeit der Kationen, und mit deswegen versuchte Mines, die Giftwirkung der seltenen Erden auf Zustandsänderungen der Kolloide zurück- zuführen, deren Dispersität bekanntlich von der Wertigkeit hinzu- gesetzter Ionen, d.h. von dem physikalischen Charakter der Anzahl der von den Ionen getragenen elektrischen Elementarquanten stark 1) G. Mines, Journ. of physiol. vol. 40 p. 327. 1910, und vol. 42 p. 309. 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 29 434 R. Höber und R. A. Spaeth: abzuhängen pflegt. Man könnte ja allerdings zunächst auch ver- suchen, die Ähnlichkeit der Giftwirkung mit der Ähnlichkeit in der chemischen Reaktionsweise der untereinander merkwürdig wenig differierenden seltenen Erden in Zusammenhang zu bringen. Mines führte jedoch einige weitere Versuche aus, die von der Richtigkeit seiner Auffassung über den Vergiftungsmodus überzeugen. Er ver- glich die Wirkung der seltenen Erden mit derjenigen von Metall- ammoniaksalzen mit ebenfalls dreiwertigen Kationen und fand, dass die komplexen Kationen der Metallammoniake weit weniger giftig sind als die einfachen Ionen der seltenen Erden; in gleicher Weise unterscheiden sich die einfachen und die komplexen Ionen aber auch in ihrer Wirkung auf die hydrophilen Kolloide: die einfachen Kationen haben gegenüber Gelatine, genuinem Hühnereiweiss, dem im Plasma gelösten Eiweiss und anderen hydrophilen Kolloiden grössere Fällungs- kraft als die komplexen; sie aktivieren die Färbbarkeit mit Farb- säuren stärker, sie sind kapillarelektrisch auch insofern viel aktiver, als sie den Potentialsprung in einem Gelatinediaphragma, das zwischen zwei verschieden konzentrierten Kochsalzlösungen liegt, viel stärker beeinflussen als die komplexen Ionen. Diese zuletzt genannten Modellversuche gaben den Anlass, auch unsererseits Versuche mit den dreiwertigen Kationen auszuführen. Sie waren besonders durch die Untersuchungen des einen von uns über den Einfluss der Alkali- und Erdalkalisalze auf den Ruhestrom des Muskels nahegelegt, da auch dieser Einfluss von vornherein als Kolloidvorgang aufgefasst worden war!). Es war danach vor allem zu versuchen, ob durch Behandlung der Muskeln mit den Salzen’ seltener Erden der Ruhestrom im Sinn einer Änderung der Polari- sation der Plasmamembran beeinflusst werden könnte, und ob die Änderung der Polarisation von Änderungen der Erreebarkeit be- gleitet würde. Einige zufällige Beobachtungen lenkten unsere Auf- merksamkeit bald ganz auf die Änderungen der Erregbarkeit bzw. Kontraktilität, und wir haben hier vor allem über eine merkwürdige Erscheinung zu berichten, welche bei der Erholung der gereizten Muskeln von der Vergiftung mit den seltenen Erden auftritt. Für unsere Versuche wurden uns von Herrn Prof. R. J. Meyer (Berlin) in liebenswürdigster Weise Salze des Lanthan, Cer, Yttrium, Neodym und Praseodym zur Verfügung gestellt; wir sagen ihm auch an dieser Stelle unsern herzlichen Dank. 1) Siehe Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 435 Das Ergebnis unserer Versuche wollen wir vorwegnehmen: Wenn man Muskeln in Ringer-Lösung mit einem Zusatz von seltenen Erden einhängt, so schwindet die Erregbarkeit, und zwar, wie zu erwarten, um so rascher, je höher die Konzentration des Giftes ist. Überträgt man die gelähmten Muskeln als- dann in reine Ringer-Lösung, so erholen sich die Muskeln nach Einwirkung relativ kleiner und relativ grosser Giftkonzentrationen gleich gut, während sie sich nach Einwirkung mittlerer Konzentrationen sonderbarerweise nicht oder schlecht erholen. Methodisches. Wir verwendeten die Sartorien curaresierter Esculenten, jedes- mal die beiden Muskeln eines Tieres. Sie wurden, während sie in den Lösungen hingen, jede Minute mit einem Öffnungsschlag gereizt. Wir bedienten uns dabei der sehr bequemen Anordnung von Bethe, die kürzlich von Kopyloff!) und Schwenker?) beschrieben worden ist. Die beiden Muskeln waren im gleichen Sekundärkreis hintereinander geschaltet. Nur Muskelpaare, die von vornherein ungefähr die gleiche maximale Hubhöhe bei gleicher Reizstärke gaben, wurden zum Versuch verwendet. Die Lösungen, in denen die beiden Muskeln hingen, wurden stets gleichzeitig gewechselt. Die Versuche begannen mit der Verzeichnung einer Reihe von Zuckungen in Ringer-Lösung von der Zusammensetzung: 0,65 %/o NaCl + 0,03%0 KCl + 0,03°%/o CaCl,. Dann wurde gegen Ringer- Lösung mit einem Zusatz von einer seltenen Erde ausgewechselt. Die Zusammensetzung dieser Gemische ist in unsern Kurven folgender- maassen bezeichnet: _—. - bedeutet !/ıooo Mol Lanthannitrat in e . La(NO,); i RER. Sn lin 4 Ringer; T000RK bedeutet "/ıooo Mol Lanthannitrat in Ringer mit einem Zusatz von 0,045°o KClI, also mit einem Gesamtgehalt von 0,075°/ KCl. Ein vollständiges Verschwinden der Erregbarkeit tritt nämlich bei einer Verdünnung von !/ıooo Mol seltener Erde oft erst nach Stunden ein; um diese Zeit abzukürzen, erhöhten wir meist den Kaligehalt um den genannten Betrag. Wir liessen uns zugleich dabei 1) Kopyloff, Pflüger’s Arch. Bd. 1553 S. 219. 1913. 2) Schwenker, Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 571. 1914. 2955 436 R. Höber und R. A. Spaeth: von der Idee leiten, dass K-Ionen vielleicht die Durchlässigkeit der Plasmamembran erhöhen!) und der seltenen Erde — falls es darauf an- kommt — den Eintritt ins Innere der Muskelfasern erleichtern könnten. Wie schon gesagt wurde, tritt die Lähmung bei einer höheren Konzentration seltener Erden rascher ein als bei einer niedrigeren. Es wurde nun so verfahren, dass, sobald die Lähmung in der starken Lösung zustande gekommen war, mit der regelmässigen Reizung pro Minute ausgesetzt und nur noch von Zeit zu Zeit durch einen einzelnen Induktionsschlag geprüft wurde, ob auch der zweite in der schwächeren Lösung befindliche Muskel seine Erregbarkeit eingebüsst hatte. Wir wollten auf die Weise dem Einwand begegnen, dass Unter- schiede in der Erholungsfähigkeit auf Unterschiede in der Erschöpfung durch Reiz bezogen werden könnten. Die Figur 7 (Versuch 91) und Figur c auf Tafel VI (Versuch 147) enthalten z. B. die Aufzeichnungen solcher vereinzelten Erregungen. Die Erholung nach der Vergiftung liessen wir in allen späteren Versuchen nicht in der einfachen Ringer-Lösung durch Weg- diffundieren der seltenen Erde aus dem Muskel zustande kommen, sondern wir entfernten das Gift auf chemischem Wege, indem wir den Muskel in eine Ringer-Lösung mit einem Zusatz von 0,015 bis 0,05% NaHCO,, also in ganz schwach alkalische Lösung ein- hängten; in dieser fallen die seltenen Erden aus. Schon Mines machte, wie auch bereits angeführt wurde, die Beobachtung, dass die Entgiftung in schwach alkalischer Lösung weit leichter zustande kommt als durch einfaches Wegspülen des Giftes. Irrtümlicherweise deutet er jedoch seine Beobachtung kolloidehemisch; er nimmt an, dass, wie es ja in der Tat für manche Dispersitätsänderungen von Suspensionskolloiden auch in Betracht kommt, die Hydroxylionen dank ihrer grossen Wanderungsgeschwindigkeit die positive Auf- ladung der Plasmamembrankolloide rückgängig machen, welche die Ionen der seltenen Erden dank ihrer dreifachen Ladung, die Wasser- stoffionen durch ihre hohe Wanderungsgeschwindiekeit vorher bewirkt haben. Die Tatsache der weit besseren Erholung der Muskeln in schwach alkalischer Lösung können wir nur bestätigen. Dafür ist etwa der Versuch 156 (Fig. 6) ein Beispiel, welches lehrt, dass, wenn ein gelähmter Muskel längere Zeit in Ringer-Lösung un- erregbar geblieben ist, die Erholung eventuell sofort beginnt, wenn 1) Siene dazu Höber, |. c. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 437 er in Bikarbonat-Ringer übertragen wird. Vielleicht kommt zu der Wirkung des Bikarbonats als Fällungsmittel noch eine direkte _ Reizwirkung hinzu, wie etwa der Verlauf des Versuchs 154 (Fig. 5) schliessen lässt. Uns leitete bei der Verwendung des Bikarbonat- zusatzes übrigens noch ein theoretischer Gesichtspunkt; davon wird später (S. 452) die Rede sein. Ergebnisse. Der Verlauf der Versuche im allgemeinen: Von einer gewissen, nicht genauer bestimmten Schwellenkonzentration ab be- wirkt der Zusatz seltener Erde zur Ringer-Lösung Lähmung der Muskeln; diese stellt sich um so rascher ein, je höher die Kon- zentration an seltener Erde. Ersetzt man nach Eintritt der Lähmung die vergiftende Lösung wiederum durch reine Ringer-Lösung, so tritt allmählich Erholung ein. Bei den sehr verdünnten Gift- lösungen ist die Erholung um so vollständiger, je kleiner die Gift- konzentration gewesen war. Die folgende Fig.1 gibt dafür ein Beispiel. Man sieht, dass der Muskel, der durch "ss mol. Lanthan- nitratlösung gelähmt worden war, sich besser erholt als der Muskel, der in "/sıoo mol. Lanthanlösung gehangen hatte. Geht man nun von den stark verdünnten Lösungen der seltenen Erden zu immer konzentrierteren über, so wird der Versuchsverlauf ein ganz anderer. Zwar tritt auch jetzt die Lähmung um so schneller ein, je grösser die Konzentration, aber die Erholung ist nicht mehr der Giftkonzentration reziprok, sondern sie nimmt folgenden Verlauf: die Erholung beginnt öfter zuerst bei dem Muskel, der in der ver- dünnteren Giftlösung gewesen war, indem schwache Zuckungen ein- setzen, die Zuckungen werden aber nur ganz langsam höher und bleiben niedrig, während bei dem anderen Muskel, der aus der stärkeren Giftlösung kommt, die Erholungszuckungen zwar später einsetzen, dann aber rasch an Höhe zunehmen, so dass sich nach einiger Zeit, ganz entgegen den Erwartungen, dieser Muskel weit besser erholt ‚hat als der erste. Die Erholung verläuft aber öfter auch noch „abnormer“: der Muskel, der aus der schwächeren Gift- lösung kommt, erholt sich gar nicht oder macht nur einige wenige sanz niedrige Zuckungen, während der zweite Muskel sich von der Wirkung der stärkeren Giftlösung gut erholt. Diese Erscheinung, dass die seltenen Erden bei mittleren Konzentrationen am schädlichsten wirken, soll nun durch eine Reihe von Beispielen illustriert werden. 438 R. Höber und R. A. Spaeth: Versuche mit Lanthansalz: Von Lanthansalzen wurde das Nitrat und das Chlorid verwendet. PETE +0, ost ae el RIREI Hl 1 N EaCHo,]; Z\ooR- 7 _003«Ktl Fig. 1. Versuch 74. 3. Januar 1914. Rana esculenta, d. — Zu Beginn Zuckungen in Ringer-Lösung. Nach 1 Stunde 46 Minuten Übertragung in Ringer + 0,03 %/o KCl + 1/5400 resp !/210oo mol. Lanthannitrat; die Muskeln werden nicht weiter gereizt, nur von Zeit zu Zeit wieder durch einen Induktionsschlag auf ihre Er- regbarkeit geprüft. Nach weiteren 15 Stunden, nachdem die Muskeln völlig unerregbar geworden sind, bei R Ersatz der La-haltigen Lösung durch Ringer. Die Muskeln bleiben zunächst unerregbar. Nach abermals 2 Stunden 54 Minuten werden die regelmässigen Reizungen pro Minute wieder aufgenommen und die Zuckungen verzeichnet. Die Wirkung in sehr geringer Konzentration veranschaulicht der bereits in Fig. l’ mitgeteilte Versuch 74. Das eben geschilderte Verhalten bei mittlerer Konzentration ist durch den Versuch 50 (Figur 2) illustriert. Dieser Versuch zeigt mit grosser Deutlichkeit, wie die schwächere Lösung für den Muskel weit schädlicher war als die stärkere. Einen ähnlichen Verlauf zeigt Versuch 72 (Fig. a, Taf. VI). Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 439 In dieser Art wurden im ganzen 29 Lanthanversuche mit den mittleren Salzkonzentrationen ausgeführt. Davon verliefen 21 mit n . Mn "Te Lad, 1000RK _ N | u I | IN] RR Fig. 2. Versuch 50. 2. Dezember 1913. Rana esculenta, @. 1 Stunde lang in Ringer-Lösung, dann an dem markierten Zeitpunkt in Ringer + 0,075°% KCl + !/ıooo resp. Y/aoo mol. La(NO;'‘,. Nach weiteren 3 Stunden 27 Minuten in gewöhnliche Ringer-Lösung (R); diese wird noch zweimal (jedesmal bei R) erneuert. Nach noch weiteren 1!/a Stunden ist, wie der Schluss der Muskel- schreibung zeigt, das Kontraktionsvermögen des ersten Muskels ganz wenig zurück- gekehrt, das des zweiten ist noch recht erheblich. dem geschilderten Ergebnis, d. h. derjenige Muskel, welcher mit der stärkeren Lanthanlösung vorbehandelt worden war, erholte sich besser als der andere, der aus der schwächeren Lösung kam. In fünf Versuchen erholten sich beide Muskeln ungefähr gleich gut, drei Versuche hatten negatives Ergebnis, d. h. der mit geringer Gift- konzentration gelähmte Muskel erholte sich besser als der mit stärkerer Konzentration gelähmte. Die fünf „indifferenten“ Versuche sind 'insofern eher positiv als negativ zu rechnen, als immerhin bei ihnen die stärkere Giftkonzentration nicht auch stärker giftig, sondern nur ebenso stark wie die schwächere Konzentration gewirkt hatte. Warum 440 R. Höber und R. A. Spaeth: einzelne Versuche, wie die genannten drei, „missglücken®, wird nach- her (S. 452) erörtert werden. Wegen der „Seltenheit“ der seltenen Erden haben wir nur einen Versuch mit noch höherer Konzentration ausführen können; er ist in Fig. 3 reproduziert. Fig. 3. Versuch 63. 27. Dezember 1913. Rana esculenta, &. 16 Minuten Ringer- Lösung, dann Muskel 1 in Ringer + 0,045% KCl + !/so mol. La(NO;);, Muskel 2 in Ringer + .0,045% KCl + "soo mol. La(NO;,). 2 Stunden 10 Minuten später (bei R) Übertragung in Ringer-Lösung; Muskel 1 erholt sich langsamer als Muskel 2. 4 Stunden später wird eine dritte Serie von Kontraktionen aufgezeichnet; die Hubhöhen sind bei beiden Muskeln gleich gross. Nach noch weiteren 17 Stunden eine vierte Zuckungsserie; die Zuckungen im Muskel 1 sind erheblich höher als die von Muskel 2. Das Ergebnis dieses Versuches ist mit Bezug auf unser all- gemeines Resultat unsicher. Denn wie die Figur zeigt, ist die anfängliche Erholung bei dem Muskel, der mit der schwächeren Lanthankonzentration vergiftet worden ist, besser; später kehrt sich das Verhalten um, 21 Stunden nach Beginn der Erholung in Ringer-Lösung ist der stärker vergiftet gewesene Muskel der besser restituierte. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 441 Versuchen wir zum Schluss, die Ergebnisse der Lanthänversuche in einem Schema wiederzugeben, so liesse dieses sich etwa durch die folgende Kurve darstellen, deren Abszissenwerte durch die mo- laren Konzentrationen, deren Ordinatenwerte durch die in der Er- holung verzeichneten maximalen Hubhöhen gegeben sind: \ 59 200 500 1009 1500 2.000 5000 Fig. 4. "Bei ca. "/ıooo Mol. läge also ein Maximum der Schädlichkeit. Ob beim Ansteigen bis zu höchsten Konzentrationen die Schädlichkeit wieder zunimmt oder weiter abnimmt, ist unentschieden; die Un- sicherheit ist durch die punktierten Fortsetzungen der „Erholungs- kurve“ ausgedrückt. Versuche mit Salzen des Yttrium, Praseodym, Cer und Neodym: Zur Verwendung kamen die Chloride. Die Lösungen waren, wie durch Chlortitration festgestellt wurde, alle etwas schwächer, als auf den Figuren angegeben ist; nämlich die als Y/ıoo mol. bezeichneten Lösungen ‚entsprachen in Wirklichkeit nur folgenden Molarwerten: | Preles2.20.225 25, 20,0086! mol. = SNORET . 0008 | NaCl 32.4 2:2 :.0,0087 5; HE CEO 0: 8.0,0080- 443 R. Höber und R. A. Spaeth: Das Ergebnis der mit diesen Chloriden angestellten Versuche deckt sich durchaus mit demjenigen der Lanthanversuche. Folgende Protokolle mögen darüber belehren: a) Yttriumehlorid. | Lil | | \ x R \ i j ; Fig. 5. Versuch 154. 25. Februar 1914. Ranra esculenta, 9. Zu Beginn Zuckungen in Ringer-Lösung. Dann Muskel 1 in Ringer + 0,045°%0 KCl + !/aoo mol. YCl,, Muskel 2 in Ringer + 0,045°%0 KCI + Y/ızoo mol. YCl,. Nach 13 Stunden 15 Minuten bei B in Ringer, nach 13 Stunden 28 Minuten bei C in Ringer + 0,05% NaHCO,;, nach 13 Stunden 34 Minuten bei D wiederum in Ringer, nach 14 Stunden 24 Minuten bei Z abermals in Ringer + 0,05°%0 NaHCO,, nach 14 Stunden 31 Minuten bei F' zum drittenmal in Ringer. Die Figur zeigt, dass der Muskel sich von der !/4o molaren YCl,-Lösung weit besser erholt als von der dreimal schwächeren !/ı2oo molaren Lösung. Sehr deutlich ist der früher erwähnte Ein- fluss von Bikarbonatzusatz auf die Erholung. Ein zweiter ähnlich verlaufender Versuch ist in Fig. 5 auf Taf. VI reproduziert. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 443 b) Praseodymehlorid. [ II il Il IHM No. 156” Fig 6. Versuch 156. '26. Februar 1914. Rana esculenta, 2. 3 Stunden 57 Minuten nach Einhängen in Ringer-Lösung Übertragung von Muskel 1 in Ringer + 0,045%0 KCl + soo mol. PrCl;, von Muskel 2 in Ringer + 0,045 °/o KCl + 1/1000 mol. PrCl;. Nach weiteren 12 Stunden 50 Minuten bei & zurück in Ringer-Lösung. 20 Minuten später bei ROH in Ringer + 0,05% NaHCO,, 6 Minuten später bei RNA in Ringer + 0,015°0 NaHCO,, 1'Stunde 29 Minuten später bei ROH’ nochmals in Ringer + 0,05% NaHCO,, endlich 3 Minuten später in gewöhnlicher Ringer- Lösung. ec) Cerochlorid: Dessen Einwirkung wird durch den Ver- such 147 (Fig. e Taf. VI) illustriert. Dieser Versuch ist insofern besonders demonstrativ, als eine Erholung nach Einwirkung der schwächeren Cerlösung überhaupt nicht eintrat. d) Neodymcehlorid: Der Versuch 143 (siehe Fig. d Taf. VI) zeigt, dass auch die Neodymionen in "/4o mol. Lösung weniger schädlich sind als in "/ızoo Lösung. Im folgenden Versuch 91 (Fig. 7) wurde der eine Muskel mit !/2oo mol., der andere mit "/2ooo mol. NdCl, vergiftet, also mit Kon- zentrationen, von denen nach allen Analogien anzunehmen war, dass die erstere jenseits, die zweite noch diesseits des Giftigkeitsmaximums gelegen sein würde. Dementsprechend wurde auch gefunden, dass trotz des Unterschiedes in der Giftkonzentration um eine volle Zehnerpotenz die Erholung in beiden Fällen ungefähr gleich gut erfolgt. 444 R. Höber und R. A. Spaeth: 2000 AK Fig. 7. Versuch 91. 13. Januar 1914. Rana esculenta, 9. 36 Minuten nach Einhängen in Ringer- Lösung wird Muskel 1 in Ringer + 0,045%0 KCl+ !/gooo mol. NaCl;, Muskel 2 in Ringer + 0,045°%0 KCl + !/soo mol. NaCl, ge- bracht. Nach 6 Stunden 58 Minuten bei R Rückübertragung in Ringer- Lösung. Nach weiteren 8_-Stunden 46 Minuten wird die zweite Serie von Muskelzuckungen gezeichnet, nach weiteren 5 Stunden 20 Minuten die dritte Serie. Ein paar Versuche wurden auch mit Aluminiumehlorid und mit Aluminiumsulfat ausgeführt, doch konnte hier der geschilderte Effekt der mittleren Konzentrationen nicht beobachtet werden. Das mag mit der bereits erwähnten Hydrolyse der Aluminiumsalze zusammen- hängen. Die Sonderstellung des Aluminiums in dieser Hinsicht er- hellt etwa aus folgender Tabelle, welche wir dem Werk von R. J. Meyer und Hauser!) über die seltenen Erden entnehmen; die Tabelle enthält einige Werte für die äquivalente Leitfähigkeit 7 der Chloride = !/jo24«-normalen Lösungen: bei 25°, nämlich die -Z-Werte für die !/se- und 1) R. J. Meyer und O. Hauser, Die Analyse der seltenen Erden und der Erdsäuren. Stuttgart 1912. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 445 Asa A102 Areas Asa Dr Re 105,8 a 25,7 Be 107.6 1352 97.6 Brele Serial 105,9 135,9 | 30,4 INES ne ee 103,8 134,3 30,5 WO a See 98,8 123,4 24,6 Bee... 99,9 138.0 381 N! 116,9 257,9 141.0 Der letzten Zahlenkolonne ist zu entnehmen, dass die Leit- fähigkeit mit der Verdünnung beim Aluminiumchlorid im Verhältnis zu den übrigen Salzen abnorm anwächst — ein bekanntes Zeichen für Hydrolyse, in deren Stärke das Aluminiumchlorid freilich vom Seandiumehlorid bei weitem übertroffen wird. Wir selbst überzeugten uns von der Sonderstellung des Alu- miniums gegenüber den anderen von uns geprüften Salzen durch Messung der H+-Konzentration unserer Lösungen mit der Gas- kettenmethode. Wir erhielten folgende Werte für die Wasserstoff- exponenten pm der Lösungen bei 21°: Ringer .... Dad! ws + !/100- wolf Ycı, er 6,9 + !/ioo-mol. NdCl,. . . 6,8 + !/ıooo-mol. All, . . . 4,4 + !/ıooo-mol. Al,(SO,), - 4,2 Die "/ıoo-molaren Lösungen vom-Yttriumchlorid und Neodym- chlorid sind also fast neutral. Dabei fanden wir gleichzeitig, dass sie gegen Lackmus, gerade so wie die Aluminiumsalzlösungen, deutlich sauer reagieren. Dieser Widerspruch zwischen Indikatorprüfung und Gaskettenmessung beruht wohl darauf, dass nach Wolfgang Ost- wald!) die meisten Indikatoren kolloide Eigenschaften besitzen, und dass ihr Farbenumschlag bei Änderung der Reaktion wenigstens zum Teil von Änderungen ihres Dispersitätsgrades herrührt; man kann dann voraussehen, dass der Farbenumschlag nicht bloss von H* und OH, sondern auch von anderen besonders kolloidaktiven Ionen, wie z. B. den dreiwertigen Ionen, abhängen wird. In der 1) Wolfgang Ostwald, Kolloidzeitschr. Bd. 10 S. 97. 1912. 446 R. Höber und R. A. Spaeth: Tat haben Michaelis und Rona!) schon gefunden, dass Salze den Farbenumschlag von Kongorot herbeiführen, und zwar in um so kleinerer Konzentration, je höher die Wertigkeit des Kations. Wir nehmen dementsprechend an, dass in unseren Lösungen der seltenen Erden die durch Lackmus angezeigte saure Reaktion auch nur dadurch vorgetäuscht ist, dass die dreiwertigen Kationen der seltenen Erden auf die kolloide Indikatorsäure Lackmus gerade so dispersionsvermindernd wirken wie H*. Wir wollen bei dieser Gelegenheit hinzufügen, dass wohl gerade darauf, dass die seltenen Erden starke Basen, ihre Salze also, wie die meisten Alkali- und Erdalkalisalze, Neutralsalze sind, es zurück- zuführen ist, dass ihre physiologischen Wirkungen, im Gegensatz zu denen der mehrwertigen Schwermetallionen — innerhalb der von uns angegebenen Konzentrationsgebiete — reversibel sind. Erklärungsversuche. Wenn wir nun den Versuch machen wollen, eine Erklärung für die beschriebene sonderbare Erscheinung zu geben, dass die neutralen Salze der seltenen Erden in mittlerer Konzentration irreversibel, dagegen sowohl in niederer Konzentration als auch in höherer die Muskeln reversibel lähmen, so liegt es auch uns, wie Mines bei seinen früher zitierten Herzversuchen, am nächsten, die Erklärung auf dem Gebiet der Kolloidchemie zu suchen. Mines führte dafür unter anderm an, dass die komplexen dreiwertigen Kationen von Metallammoniaksalzen, welche den einfachen drei- wertigen Kationen der seltenen Erden an Giftigkeit für das Herz weit nachstehen, auch kolloidehemisch weit weniger aktiv sind. Auch wir haben ein paar Versuche mit Hexamminkobaltchlorid [Co(NH3),;]Clz als Repräsentanten der Metallammoniaksalze ausgeführt und geben in der Figur 3 eines unserer Versuchsprotokolle. Die Figur lehrt, dass ein Zusatz von !/eoo Mol des Komplex- salzes für den Muskel fast harmlos ist, während er bei der gleichen Konzentration an seltener Erde rasch seine Erregbarkeit einbüssen würde. Was freilich an dem Versuch das viel Auffallendere ist, ist das, dass der Muskel bei dem gleichen KCI-Zusatz von 0,045 °/o, bei welchem er in Ringer-Lösung in kurzer Zeit (reversibel) gelähmt wird, _ fortfährt, sich normal zu kontrahieren, wenn zu dem KCl-Überschuss l) Michaelis und Rona, Zeitschr. f. Elektrochemie S. 251. 1908. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 447 noch das Kobaltiaksalz hinzukommt. Das Verhalten des letzteren erinnert durchaus an die Äquilibrierung der physiologischen K-Wir- kungen durch Catt, und es wird zu untersuchen sein, ob sich auf dem Wege einer genaueren Prüfung der Metallammoniakwirkungen zu der noch immer mangelnden Theorie der Caleiumwirkungen ge- langen lässt. !) R ColtH,), Als ; Bere ; „Nach 4 Stunden ——— 0’ Ringer. 200 RK 1 = 3. Fig. 8. Versuch 141. 16. Februar 1914. Rana esculenta, 9. Nach 53 Minuten Aufenthalt in Ringer-Lösung. Muskel 1 bei RK in Ringer + 0,0450 KCI, Muskel 2 in Ringer + 0,045°/o NaCl + "/aoo mol. [Co(NH3);,]Clz,. Bei Muskel 1 Erregbarkeit nach weiteren 67 Minuten erloschen. Nach 4 Stunden 40 Minuten kommen beide Muskeln in Ringer-Lösung zurück. Jedenfalls Steht die relative Indifferenz des Hexamminkobalt- chlorids für den Muskel, im Gegensatz zu der grossen Schädlichkeit der seltenen Erden, mit der Annahme einer Erklärbarkeit der be- schriebenen Giftwirkungen durch Kolloidreaktion in Übereinstimmung. Man kann dafür auch anführen, dass alle geprüften seltenen Erden, ungeachtet der — freilich geringen — chemischen Unterschiede zwischen ihnen, physiologisch gleich wirken, worin der bei ihnen allen übereinstimmende physikochemische Charakter der Dreiwertigkeit ihrer Kationen zum Ausdruck kommen könnte. Man könnte ferner anführen — wovon später noch weiter die Rede sein wird —, dass 1) Derartige Untersuchungen sind im Gang. 448 R. Höber und R. A. Spaeth: die Muskeln bei der Behandlung mit den seltenen Erden ein mehr oder weniger opakes Aussehen annehmen, als Zeichen einer in ihnen zustandekommenden Kolloidfällung. All dies führt uns aber noch nicht zu einer Antwort auf die Hauptfrage, warum die seltenen Erden die sonderbare Eigenschaft haben, in mittlerer Konzentration am giftigsten zu wirken. Vom Standpunkt der Kolloidehemie liegt auch hier eine Deutung nahe: die meisten Kolloide der Organismen führen negative Ladung, diese kann durch positive Ionen, wie die dreiwertigen Kationen der seltenen Erden, leicht neutralisiert oder auch überneutralisiert werden ; nach allen Analogien wird das gelöste oder gequollene Kolloid maxi- male Instabilität im isoelektrischen Punkt haben, d. h. dann, wenn die bis dahin vorhandenen Ladungen durch die entgegengesetzten Ladungen der Kationen der seltenen Erden gerade neutralisiert sind., Die maximale Giftigkeit der seltenen Erden bei mitt- lerer Konzentration könnte also davon herrühren, dass bei dieser mittleren Konzentration die Muskel- kolloide mehr oder weniger ausflocken, während sie diesseits dieser Konzentration noch negativ geladen, jenseits schon positiv umgeladen und deshalb relativ lösungsstabil sind. Der ganze Verlauf der Vergiftung und Ent- siftung wäre also vielleicht folgendermaassen aufzufassen: die nor- male Erregbarkeit sei an einen normalen Polarisationszustand der Plasmahaut gebunden und dieser kapillarelektrisch bedingt von der Aufladung der Plasmahautteilchen. Änderung der normalen Ladung durch kapillaraktive Ionen, wie die der seltenen Erden, setzt daher die Erregbarkeit herab oder hebt sie auf. Im isoelektrischen Punkt der kolloiden Plasmahautanteile erfolgt Flockung,. also Desorgani- sation, und dadurch irreversible Schädigung. Wir wollen nun sehen, was sich für diese Hypothese an Tat- sachen anführen lässt: 1. Kozawa!) hat vor einiger Zeit in einer Veröffentlichung über den Zusammenhang von Hämolyse und Kataphorese aus dem Kieler Physiologischen Institut einen Versuch mitgeteilt, nach welchem eine 0,25 /oige Lösung von Kasein in 0,33 norm. Natriumacetat, mit Lanthannitratlösungen verschiedener Konzentration um das Zehnfache verdünnt, bei der molaren Konzentration des Lanthannitrat von 1) Kozawa, Biochem. Zeitschr. Bd. 60 S. 146. 1914. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 449 1/1000 maximal flockt. Herr Dr. Kozawa hat kürzlich auf unseren Wunsch den Versuch noch einmal gemacht und das frühere Ergebnis bestätigt: La-Kon- | m m m m ı m m-' m ne Em m m zentration | 100 | 200 | 333 | 400 | 500 | 625 ' 1000 | 2500 5000 | 10000 50000 nach 1Stde.]| — — — ae Et En + + — „5,1-|-|-|-|1- | + |+++++ |) +44) ++ | san — — | +44 [HH HH H +++ 44H E ver ; { m Danach beginnt also die Ausflockung des Kaseins bei 10000 wird bei —— maximal, nimmt dann wieder ab und ist von d 1000 so ab aufwärts verschwunden. Damit ist also abermals gezeigt, dass eine seltene Erde bei mittlerer Konzentration die relativ grösste Fällungskraft gegenüber einem Kolloid hat. Insoweit erhält die Hypothese für die physio- logische Wirkung der seltenen Erden auf den Muskel also eine Stütze. Indessen bedürfen diese Verhältnisse noch genauerer Durch- untersuchung, da wir immerhin einige Unregelmässigkeiten bei der Fällung mit anderen Salzen beobachtet haben. 2. Mines!) hat gezeigt, dass in relativ schwach konzentrierten Lösungen von Salzen der seltenen Erden Agglutination von Blut- körperchen eintritt, deren Geschwindigkeit mit steigender Konzen- tration zunimmt, durch ein Maximum geht, um dann wieder bis zum völligen Verschwinden geringer zu werden. Der eine von uns hat nun schon vor langer Zeit angegeben, dass Blutkörperchen, welche sich von Natur in einem Potentialgefälle zur Anode bewegen, sowohl durch H* als auch durch Alt++ oder Fett+ Jeicht um- geladen werden können, so dass sie zur Kathode wandern). Mit Recht führt daher Mines die Agglutination der Zellen bei mittlerer Konzentration an seltener Erde auf die Erreichung des isoelektri- schen Zustandes zurück. Ganze Zellen verhalten sich also in Sus- pension wie die disperse Phase einer Kolloidlösung. 3. Unter gewissen Bedingungen „agglutinieren“ aber die Blut- körperchen nicht bloss als Ganzes, sondern auch ihre einzelnen Bestand- teile können offenbar in Gegenwart von seltener Erde „agglutinieren“, es findet sozusagen eine „innerliche Agglutination“, ein Zusammen- flocken der kolloiden Partikeln statt. So wenigstens reiht sich an das 1) Mines, Kolloidchemische Beihefte Bd. 3 S. 191. 1912. 2) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 101 S. 627. 1904. Pflüger’s Archiv für Physiolorie. Bd. 159. 0 450 R. Höber und R. A, Spaeth: bisher Gesagte wohl am besten die öfter von uns gemachte Beobachtung an, dass bei den mittleren Konzentrationen von seltener Erde am leich- testen Hämolyse eintritt, d. h. dass bei den mittleren Konzentrationen die Blutkörperchen am leichtesten zugrunde gehen. Kozawa hat schon in der genannten Abhandlung mitgeteilt, dass Blutkörperchen vom Schwein, in 0,9°%o NaCl suspendiert, bei Gegenwart von Yeso bis /5oo Mol Lanthannitrat am stärksten hämolysierten, bei kleineren und grösseren Konzentrationen schwächer. Wir haben bei unseren Versuchen mit verschiedenen seltenen Erden dies Ergebnis nicht glatt reproduzieren können, uns aber davon überzeugt, dass jeden- falls sehr häufig die Hämolyse nicht in der stärksten Lösung von seltener Erde am stärksten ist, sondern bei einer kleineren Kon- zentration, ohne dass wir aber ein bestimmtes, relativ eng begrenztes Konzentrationsgebiet als maximal schädlich für die Blutkörperchen bezeichnen können. Offenbar spielt unter anderm auch die Tierart, von welcher die Blutkörperehen stammen, eine Rolle (s. Kozawa, l. e.); für Rinderblutkörperchen fanden wir das Hämolysemaximum am öÖftesten in der Gegend von !/4oo—!/soo Mol, bei den ja auch sonst als empfindlich bekannten Kaninchenblutkörperchen bei !/5000 bis }/ioooo Mol. Dr. Kozawa hat auf unsere Veranlassung neuer- dings noch einige Versuche mit Lanthanchlorid und Lanthannitrat in 0,95 %/o NaCl ausgeführt und wieder vorwiegend bei ca. "/s5o Mol ein Hämolysemaximum gefunden. Wir verdanken ihm folgende Angaben: Kubikzentim. Lanthanlösg.| 0 01 02! 03 0,4 0,5 , 0,6 072508 Kubikzentim. 0,95%ig.NaQl| 1,0 0,9) 0,8| 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 | 0,2 Kubikzentim. Rinderblut- körperchen .| 0,01 0,01 |0,01| 0,01 0,01 | 0,01 | 0,01 | 0,01 0,01 m E a) 100 LaQ]; ın 0,95 %0 NaCl. I — IF | Pe ee + + [18t. geschüttelt Il — | + | 2172| + | ++ + 4 — Inach7Stdn. III a Zar Hp ni Et Et: Ar a Den 1, Ib — Ir | ar A Bl Fe ee et Iv er ER | | ae Miazzay Mikes El V le ee ee le} m a ! b) 100 La(NO,), in 0,95% Na0l. I — |++/++/++++| ++ | ++ |+++] ++ |. & [nach ?4Ntdı. II En a 22 225 In 6 nn 3 2 En a ke III —ı2|ı & Ar ai abs ae SF + |1Stde.im Brutofen Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 451 Wir können nach all dem also daran festhalten, dass die Blut- körperehen bei mittlerer Konzentration an seltener Erde stärker hämolysieren als bei kleineren und bei gewissen grösseren Kon- zentrationen, wenn auch ausserdem Unregelmässiekeiten auftreten, die noch besonderer Untersuchung bedürfen. 4. Die von uns beobachteten Wirkungen der seltenen Erden auf die Muskeln finden nicht bloss eine gewisse Parallele in den eben beschriebenen Vorgängen bei Blutkörperchen, sondern auch bei Pflanzenzellen. Fluri!) stellte vor einigen Jahren fest, dass kleine Mengen von Aluminium-, Yttrium- und Lanthansalz die Plasmolysier- barkeit z. B. von Spirogyren durch hypertonische Zucker- oder Salz- lösung aufheben, und dass nach Auswaschen der Erden die Plas- molysierbarkeit zurückkehrt. Nach den neueren Untersuchungen von Szücs?) über die Wirkung von Aluminiumchlorid beruht dies auf einer Frstarrung des ganzen Protoplasten, welcher von dem Aluminiumsalz durchsetzt wird. Diese Erstarrung äussert sich, ausser in der mangelnden Plasmolysierbarkeit, sehr auffällig darin, dass der Zellinhalt, namentlich die Chloroplasten, in der Zentrifuge nicht ınehr aus ihrer Lage geschleudert werden. Es lassen sich nun ver- schiedene Momente dafür anführen, dass diese Erstarrung als Kolloid- phänomen aufzufassen ist. Erstens wird bei nicht zu geringen Aluminiumdosen das anfänglich starre Protoplasma nach einiger Zeit wieder flüssig, während bei kleinen Dosen auch nach langer Zeit die Starre sich nicht löst, bei grossen Dosen die Frstarrung kaum, d.h. nur ganz vorübergehend zustandekommt. Dies erinnert an die Peptisation von Gelen im Überschuss des Fällungsmittels, ähnlich derjenigen, die vorher für das Kasein beschrieben wurde. Die Aluminiumstarre ist nach Szücs ein reversibler Vorgang; wäscht man das Aluminiumehlorid aus, so bekommt das Protopiasma wieder seine normalen Figenschaften, es wird flüssig, plasmolysierbar, bei geeignetem Objekt kehrt die Protoplasmaströmung zurück und es wird von neuem Stärke gebildet. Charakteristisch ist, dass beim Auswaschen des Aluminiums dieselben Phasen in der Protoplasma- konsistenz durchlaufen werden wie beim Eindringen, d. h. dass ein durch Peptisation flüssiges Protoplasma im Verlauf des Auswaschens erst wieder starr wird und sich dann von neuem verflüssigt. Für 1) Fluri, Flora Bd. 99 S. 81. 1909. 2) Szücs, Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik Bd. 52 S. 269. 1913. 30 * 452 R. Höber und R. A. Spaeth: die Auffassung der Aluminiumwirkung als Kolloidreaktion spricht des ferneren, dass gewisse Nichtleiter, wie Harnstoff, Glyzerin, Rohr- zucker, die Aluminiumstarre verhindern, gerade so wie sie die Elektrolytfloeckung der Gelatine verhindern. Wenn nun auch die Erscheinungen, die wir am Muskel be- obachtet haben, anderer Art sind, so ist doch in beiden Fällen das Auffällieste das Vorkommen eines Umkehrpunktes im Konzentrations- einfluss, welcher in beiden Fällen gleich gut vom Standpunkt der Kolloidehemie, nämlich eben durch die Existenz eines isoelektrischen Punktes mit maximaler Instabilität des Solzustandes erklärt werden kann. ' Der Umfang, in dem beide Male die dreiwertigen Kationen ihren Einfluss auf die Kolloide der Protoplasten ausüben, mag dabei sehr verschieden sein; die Pflanzenzellen werden nach den Angaben von Szücs offenbar von dem Aluminiumsalz ganz durchtränkt, während die dafür erforderliche Voraussetzung der Durchlässickeit der Plasmahaut für die neutralen Salze der seltenen Erden bei den Muskeln kaum erfüllt sein dürfte; für diese ist nach sonstigen Fr- fahrungen die Beschränkung der Wirkung auf die Plasmahautkolloide zunächst das Wahrscheinlichere. Noch in einem Punkte dürfte eine Analogie zwischen den Er- scheinungen bei den Pflanzenzellen und bei den Muskeln bestehen: Wir beobachteten, wie früher gesagt wurde, dass die Wiederbelebbar- keit der Muskeln, welche mit den stärkeren Dosen von seltenen Erden gelähmt worden waren, davon abhing, ob die seltenen Erden. mit gewöhnlicher Ringer-Lösung oder mit Ringer-Lösung mit einem Bikarbonatzusatz ausgewaschen wurden; die Erholung gelang weit sicherer nach Bikarbonatzusatz. Wir deuten dies so: Überlässt man die Entgiftung allein der Diffusion, so muss der Muskel, der unter dem Einfluss einer hohen Konzentration von seltener Erde stand, bei der Langsamkeit der Diffusionsvorgänge notwendigerweise für einige Zeit unter den Einfluss der mittleren Konzentration von seltener Erde geraten, bei der die Kolloide isoelektrisch zusammen- flocken, was den Muskeltod zur Folge hat; enteiftet man jedoch chemisch mit Hilfe des Bikarbonats, so passieren die Kolloide so- zusagen den „toten Punkt“ der mittleren Konzentration so rasch, dass die Gefahr des Ausflockens vermieden wird. Wir hätten darin ein Analogon für die von Szücs beschriebene Erscheinung, dass bei der Exosmose des vorher in grosser Konzentration gebotenen Aluminiumchlorids aus den Pflanzenzellen rückläufig das Stadium Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 453 der Starre durchlaufen wird, welches aber, im Gegensatz zum Muskel, die Pflanzenzellen nicht dauernd beschädigt. 5. Mit einiger Reserve können wir zugunsten unseres Er- klärungsversuches auch die Beobachtung anführen, dass, wenn ein Muskel in die „starke“ Lösung, der andere in die Lösung mit „mittlerer“ Konzentration eingehängt war, der erstere sein durch- scheinendes Aussehen ungefähr behielt, während letzterer opak wurde. Wir konnten dies jedoch nicht regelmässig beobachten, und es lässt sich vielleicht auch so erklären, dass, wenn der Muskel aus irgendwelchen Gründen in der schwächeren Lösung leichter stirbt, sein opakes Aussehen nicht der unmittelbare Ausdruck des Ausflockens der Kolloide ist, sondern der sekundäre Effekt der den Tod begleitenden Alterationen. 6. Ein naheliegender Versuch, die Hypothese der Vergiftung durch Ausflockung zu stützen, führte nicht zu dem erwarteten Er- sebnis. Es wurde früher erwähnt, dass Blutkörperchen normaler- weise im Potentialgefälle zur Anode wandern, dass sie durch die Ionen seltener Erden entladen werden können und zugleich agelu- tinieren, und dass sie bei einem Überschuss an seltener Erde die Kataphoreserichtung ändern und zur Kathode wandern. Dem- entsprechend könnte man erwarten, dass auch die Muskelfasern durch eine geeignete Dosis seltener Erden umgeladen werden. Wir machten darüber einige wenige Experimente derart, dass die muskulöse Bauchdecke von Fröschen als Diaphragıma verwendet und von beiden Seiten mit isotonischer Rohrzuckerlösung mit einem Zusatz von Lanthannitrat in !/ıoo Mol. Konzentration bespült und dann von einem konstanten Strom bei verschiedener Spannung durchsetzt wurde. Wir konnten jedoch in der Richtung der Elektroendosmose bisher keine Umkehr feststellen. Unsere Versuche sind aber noch nicht abgeschlossen. 7. Endlich haben wir zugunsten unserer Kolloidhypothese auch noch einige Ruhestromversuche angestellt, welche vielleicht etwas weit hergeholt erscheinen. Der eine von uns hat früher gezeigt, dass man den „Kalistrom“, den man bei einem unverletzten Muskel er- hält, wenn man von einem seiner Enden mit Kalisalz, vom andern Ende mit Kochsalz ableitet, vom Standpunkt der Bernstein’schen Membrantheorie durch die Annahme erklären kann, dass die K-Ionen die kolloide Plasmahaut auflockern. Im Sinne dieser Annahme wurde die Tatsache, dass die Erdalkaliionen die Entwicklung des 454 R. Höber und R. A. Spaeth: Kalistroms hemmen, als eine Verdichtung oder „Gerbung“ der Plasmahautkolloide gedeutet!). Wir haben nun probiert, ob die Ionen der seltenen Erden vielleicht ebenso wie die Ionen der Erd- alkalien wirken, haben aber bei keiner Konzentration etwas Deutliches der Art konstatieren können. Wir rechneten ferner mit der Möglich- keit, dass die Plasmahaut-„Poren“ sich durch die Ionen der seltenen Erden umladen liessen und durch die Umdrehung der Polarisation der Plasmahaut, im Sinn einiger Diffusionsversuche von Girard?), die Richtung des durch Verletzung entstehenden Ruhestroms ver- kehrt werden könnte, um das zu prüfen, legten wir unverletzte Sartorien in Ringer-Lösung mit Zusätzen verschiedener Mengen seltener Erde, machten nach einiger Zeit einen Querschnitt und leiteten dann von Längs- und Querschnitt ab; wir bekamen aber nur Schwächung des normalen Ruhestroms, niemals inversen Ruhe- strom. In dieser indirekten Art und Weise liess sich also die Kolloidhypothese nicht stützen. — Überblicken wir alle hier genannten Erklärungsversuche, so wird man zu der Auffassung kommen, dass sich zugunsten der an- seführten Deutung immerhin eine ganze Anzahl von Beobachtungen, nämlich die unter 1—5 genannten, anführen lässt. Wir räumen jedocb ein, dass von einem wirklichen Beweis dafür, dass die irreversible Lähmung in mittlerer Konzentration auf Aus- flockung im isoelektrischen Punkt, die reversible Lähmung in höherer Konzentration auf Peptisation durch Umladung beruht, noch nicht die Rede sein kann. Deshalb müssen wir auch mit der Möglichkeit ganz andersartiger Deutungen rechnen, und wir selbst haben noch folgende einfache Erklärung in Erwägung gezogen: wie Szücs es für die Pflanzen- zellen nachwies, so könnten auch bei den Muskeln die Salze der seltenen Erden ins Innere der Muskelfasern hineindringen und von einer gewissen Konzentration ab aufwärts, etwa durch Niederschlags- bildung im Innern, töten. Würde man nun aber mit der Kon- zentration weitersteigen, so könnte gleich bei Beginn des Eindringens die Niederschlagsbildung schon in der Oberfläche se stark werden, dass sich eine Art von Niederschlagsmembran bildete, welche das 1) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 626. 1905. 2) Girard, Compt. rend. de l’Acad. t. 146 p. 927. 1908; t. 148 p. 1047 et 1186. 1909; t. 150 p. 1446. 1910. Über den Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität des Muskels. 455 Innere vor dem Hineinkommen von seltener Erde schützte; so würde verständlich, warum hohe Konzentrationen weniger schädlich sind als niedrigere. : Auch Versuche an Erbsensamen, welche neuerdings von Arcichovskij mitgeteilt wurden, könnten vielleicht zu weiteren Deutungsversuchen anregen. Dieser beobachtete nämlich, dass ähn- lich, wie das schon für Alkohol und andere organische Lösungsmittel bekannt ist, auch Formaldehyd, Schwefelsäure und Silbernitrat die maximale Giftiekeit nicht bei der maximalen Konzentration entfalten, sondern bei einer mittleren, weit unter dem Konzentrationsmaximum gelegenen. So heben 2—8°/o Formaldehyd die Keimfähigkeit der Samen am ersten auf, 40° sind relativ ungiftig; Schwefelsäure ist in 1—2 normaler Lösung weit giftiger als in 4—16 normaler Lösung, Silbernitrat in 1-normal Lösung weit giftiger als in S-normal Lösung. Man könnte zur Erklärung dieser Beobachtungen vielleicht wiederum an die Bildung einer einhüllenden Niederschlagsmembran denken. Wahrscheinlich trifft aber Arcichovskij das Richtige, wenn er hier in Anbetracht der ausserordentlich hohen Konzentrationen der wirksamen Gifte, welche mit den Konzentrationen bei unseren Ver- suchen gar nicht verglichen werden können, vor allem an Einflüsse auf den Quellungszustand der Samen denkt, welcher einen bestimmten Grad haben muss, damit die wasserlöslichen Gifte überhaupt auf- genommen werden können. Insofern sind die Beobachtungen von Areichovskij mit den unsrigen wahrscheinlich gar nicht in Parallele zu bringen. Zusammenfassung. Die Salze der seltenen Erden Lanthan, Cer, Yttrium, Neodym und Praseodym lähmen die Muskeln vom Frosch um so rascher, je konzentrierter ihre Lösung ist. Überträgt man die gelähmten Muskeln alsdann in Ringer-Lösung, so erholen sich die Muskeln nach der Vorbehandlung mit den relativ kleinen und den relativ grossen Giftkonzentrationen gleich gut, während sie sich nach Einwirkung mittlerer Konzentrationen sonderbarerweise nicht oder schlecht erholen. Es werden mehrere Erklärungsversuche diskutiert. l) Arcichovskij, Biochem. Zeitschr. Bd. 50 S. 233. 1913. 456 R. Höber und R. A. Spaeth: Über den Einfluss seltener Erden etc. Tafelerklärung. Figur a. Versuch 72. 2. Januar 1914. Rana esculenta, @. Nach 1 Stunde 42 Minuten kommt Muskel 1 inRinger + 0,045°%o KCl + Y/ıooo. mol. La(NO,),, Muskel 2 in Ringer + 0,045°0 KCl + !/2oo. mol. La (NO;),. Nach weiteren 5 Stunden 35 Minuten werden beide Muskeln (bei R) in Ringer-Lösung zurückversetzt; 2 erholts ich rasch, 1 sehr langsam und unvollkommen. Figur b, Versuch 149. 21. Februar 1914. Rana esculenta, 2. Nach 3 Stunden 32 Minuten Verweilen in Ringer-Lösung Übertragung von Muskel 1 in Ringer + 0,045% KCl + !/soo mol. YCl,, von Muskel 2 in Ringer + 0,0450 KCl + !/ı2oo mol. YCl,. Nach weiteren 18 Stunden 51 Minuten bei R zu- rück in Ringer. Nack weiteren 53 Minuten in Ringer + 0,03% NaHCO, ; 6 Minuten später bei RNA in Ringer + 0,015°o NaHCO,. Nach noch weiteren 15 Stunden ist die Endserie von Zuckungen geschrieben. Figur c. Versuch 147. 20. Februar 1914. Rana esculenta, ©. 2 Stunden 15 Minuten nach Einhängen in die Ringer-Lösung Muskel i in Ringer + 0,045 %/o KCi + !/ızoo mol. CeCl,, Muskel 2 in Ringer + 0,045°%0 KCl + !/eoo mol. CeCl,. 23 Stunden 18 Minten später bei Rin Ringer zurück, nach weiteren 17 Minuten bei ROH in Ringer + 0,05°%o NaHCO,, nach wieder 18 Minuten bei RNA in Ringer + 0,015% NaHCO;; gleichzeitig wird der Rollenabstand etwas verkleinert. Nach weiteren 6 Minuten bei RA in Rirger + 0,05% NaHCO,, und endlich nach noch 7 Minuten bei RNA’ abermals in Ringer + 0,015%0 NaH(0O;. “ Figur d. Versuch 143. 17. Februar 1914. Rana esculenta, 9. Erst für 2 Stunden 37 Minuten in Ringer-Lösung, dann Muskel 1 in Ringer + 0,045°%0 KCl + 1/aoo mol. NdCl;, Muskel 2 in Ringer 0,045%0 KCl + Y/ızoo mol. NdC],. Nach 18 Stunden 46 Minuten bei RNA in Ringer + 0,015% NaHCO,, 20 Minuten später in Ringer + 0,03% NaHCO;, nach weiteren 25 Minuten bei RNA’ in Ringer + 0,015% NaHCO, zurück. Pflüger's Archiv fd ges. Physiologie, Bd.159 ini Il | | | Yc 200 RR I N\\ N I Aa | | NN : | \ Ne 1471 457 Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoff- wechsel. Von Privatdozent Dr. P. Köthner, Berlin. (Mit 16 Textfiguren.) Natriumboroformiat ist ein in der Literatur noch nicht beschriebenes Salz der ebenfalls noch nicht bekannten Borameisen- säure. Das Natriumsalz hatte zuerst dargestellt Apotheker Hans Weitz, Lichterfelde-Berlin; das Verfahren zur Darstellung von Boroformiaten wurde zum Patent angemeldet. Natriumboroformiat besteht aus einem Molekül Borsäure, einem Molekül Natriumformiat und zwei Molekülen Kristallwasser; die Bruttoformel ist: CBO,H;Na+ 2H;0. Obwohl seine Bildungswärme nicht gross ist, muss es doch als echte chemische Verbindung angesehen werden, denn es entsteht ausserordentlich leicht aus seinen Komponenten und besitzt ein auf- fallend grosses Kristallisationsvermögen. Die eigenartigen Kristalle haben die Form von glatt abgeschnittenen quadratischen oder läng- lichen Doppelpyramiden. Besondere Untersuchungen chemischer Art hatten unter anderem ergeben, dass dieses Boroformiat mit organischen Säuren unter Frei- werden von Ameisensäure neue und relativ feste Verbindungen !) eingeht. Da nun Ameisensäure ein altbekanntes Antirheumatikum ist, so konnte man von dem Boroformiat besonders günstige Wirkungen in physiologischer Hinsicht erwarten, da zu vermuten war, dass die erst bei Gegenwart der organischen Säuren des Organismus frei- werdende Ameisensäure viel energischer wirken werde als die in Substanz dosierte- Ameisensäure; ferner musste auch die Bindung der schädlichen organischen Säuren an die Borsäure eine irgendwie erkennbare günstige Wirkung haben. 1) Das Verfahren zur Darstellung derselben ist patentrechtlich geschützt. 458 P. Köthner: Diese Überlegungen gaben die Anregung zu den folgenden Untersuchungen. Wir geben hier nur die Resultate der rein physiologischen Ver- suche; die chemisch-physikalischen Wirkungen von Boroformiat auf die Stoffwechselprodukte werden an anderer Stelle mitgeteilt werden. Zunächst seien die Versuchsbedingungen und die angewandten Methoden mitgeteilt, dann die analytischen Ergebnisse und zum Schluss sollen die Resultate an Hand der beigegebenen Diagramme diskutiert werden. Es wurden drei Versuchsreihen durchgeführt: I. Die Versuchspersonen lebten bei einer Dosierung von 1,3 g Boroformiat innerhalb 24 Stunden von gemischter Kost. Der aus- geschiedene Harn wurde jeden zweiten Tag untersucht. II. Bei der gleichen Dosierung wurde den Versuchspersonen ausschliesslich purinfreie Kost verabreicht. Der Harn wurde täglich untersucht. III. Bei der dritten Versuchsreihe wurden bei gemischter Kost viel kleinere Dosen von Boroformiat: 0,3 g innerhalb 24 Stunden, verabreicht. Untersucht wurde täglich. Von den zwei Versuchspersonen hatte (2) gichtische Veranlagung und Schmerzen; (1) hatte keine gichtische Veranlagung, aber Prä- disposition zu Aderverkalkung und temporär geringe Mengen Zucker. Die gesamte Harnmenge von 24 Stunden wurde jedesmal ohne Verlust gesammelt, damit möglichst gut vergleichbare Resultate er- zielt werden konnten. Methoden der Untersuchung. Farbe: Verglichen in Gefässen von gleichem Durchmesser und mit zunehmender Intensität bezeichnet als: strohgelb, gelb = gold- gelb), orange (wie dunkler Bernstein). Geruch: war nach Dosierung von Boroformiat stets eigenartig strenge, manchmal widerlich streng und dumpfig. Wenn die Kur aber mehrere Wochen fortgesetzt war, verlor sich das Widerliche. Spezifisches Gewicht: wurde ermittelt durch die Mohr- Westfal’sche Wage bei 15°, bezogen auf Wasser von 4° C. Saure Salze: Titration von je 10 cem Harn mit "ıo n-Natron- lauge. Indikator: Phenolphthalein. Angaben in Kubikzentimeter "/ıo n- Salzsäure. Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. 459 Neutrale Salze: Titration mit "ıo n-Salzsäure. Indikator: Alizarinrot. Angaben in "/ıo n- Lösungen. Organische Säuren: Die Titration mittelst der Indikatoren Methylorange und Dimethylamidoazobenzol ergab immer fast die gleiche Menge: 0,007— 0,01 g, als Essigsäure berechnet. Ameisensäure: 100 cem Harn wurden mit Phosphorsäure im Weasserdampfstrom destilliert, das Destillat neutralisiert, zur Troekne gedampft, mit Alkohol ausgezogen, der Auszug mit Äther ausgeschüttelt und nach Zugabe von Phosphorsäure noch einmal destilliert. — Dieses Destillat hätte die Ameisensäure enthalten müssen. Vor der Dosierung von Boroformiat waren auch geringe Mengen Ameisensäure nachweisbar, bei beiden Versuchspersonen ; während der Versuchsdauer aber konnte keine Ameisen- säure mehr entdeckt werden. Formaldehyd: nach Jorrisson mittels 0,1°/oiger Phloro- glucinlösung. Selbst durch diese extrem empfindliche Reaktion konnte in keinem Falle Formaldehyd nachgewiesen werden. Durch Testlösungen wurde festgestellt, dass die Harne, wenn sie überhaupt Formaldehyd enthielten, in der ganzen Menge von 24 Stunden weniger als 0,003 g enthalten haben konnten. Gesamtstieckstoff: genau nach Kjeldahl. Je 5 cem Harn wurden angewandt. Harnstoff: nach Jolles (Zeitschr. f. anal. Chem. Bd. 39 S. 143. 1900): Fällung der anderen stickstoffhaltigen Stoffe mit salz- saurer Phosphorwolframsäure; Filtrat auf 100 ceem aufgefüllt und davon je 25 ccm im Schüttelgefäss des Azotometers mit unter- bromigsaurem Natron zersetzt. Das Volumen Harnstoff - Stickstoff wurde auf Normaldruck und -temperatur reduziert. Harnsäure: nach Kowarski (Dt. mediz. Wochenschr. Bd. 32 S. 997. 1906): Abscheidung als Ammonurat, Freimachen der Harn- säure durch konzentrierte Salzsäure; nach dem Waschen usw. Titrieren mit /so n - Piperidinlösung. Chloride: nach Entfernen von etwa vorhandenem Eiweiss oder salpetriger Säure durch Erwärmen mit Salpetersäure wurde ein ge- messener Überschuss von */ıo n-Silbernitratlösung zugegeben und der Überschuss nach Volhard mit Rhodanammonium (!/ıo n- Lösung) zurücktitriert. Indikator: Eisenammoniakalaun. Es ist nicht not- wendig, vom Chlorsilber abzufiltrieren. Harne, die viel Indigorot haben, machen das Erkennen der Endreaktion unmöglich. Man 460 P. Köthner: muss dann den Farbstoft durch Kochen mit Superoxyden zerstören; oder man kompensiert die rote Farbe durch eine (grüne) Eisen- vitriollösung. In dem Falle ist die erste mit Rhodan auftretende, einen Moment die ganze Flüssigkeit färbende Rötung die Endreaktion. Indikan: kolorimetrische Bestimmung. Der Harn wurde jedes- mal durch entsprechendes Verdünnen mit Wasser auf die gleiche Tagesmenge von 2 Litern gebracht. Von verdünnteren Harnen wurde entsprechend mehr verwandt. Je 10 eem des auf diese Norm gebrachten Harns wurden mit 10 cem Salzsäure (sp. Gew. 1,19) gemischt, mit je 1 ceem Chloroform unterschichtet, je 0,2 g Magnesium- superoxyd dazu gegeben und durchgeschwenkt, ohne zu schütteln. Nach 2 Stunden wurde die Färbung des Chloroforms mit Test- lösungen verelichen, die mit Methylenblau hergestellt waren. Die Angaben sind relativ; „0“ bedeutet: keine Spur Indikan. „X“: ein eben sichtbarer Ring an der Trennungsschicht der Flüssigkeiten. „<>“: matt himmelblaue Färbung der ganzen Chloroformmenge. „x und „X“: stetig intensivere Färbungen, die als pathologisch gelten müssen. Ringprobe: nach Hartung mit präparierter Salpetersäure (Zusatz von roter rauchender Säure). Reduzierende Substanzen: mit Nylander’s Reagens. Zucker: durch Titration in Fehling’sche Lösung. Phosphate: nicht quantitativ, sondern nur schätzungsweise bestimmt. Die Menge vermehrte sich nur einmal zu Beginn der Kur ein wenig. Kalk: als Oxalat gefällt und mit !/ıo n-Permanganat titriert. Borsäure: die Borsäure zeigte ein ungewöhnliches Verhalten, das vom chemischen Standpunkt aus sehr interessant ist. Hier aber interessiert vor allem nur, ob, in welchen Mengen und in welcher Form die Borsäure vom Organismus wieder ausgeschieden wird. Ohne auf die langwierigen Untersuchungen hier näher einzugehen, sei nur gesagt, dass die gesamte zugeführte Menge Bor- säure in Form von Borphosphorsäure wieder aus- geschieden wird, welche mit einer noch nicht identifi- zierten organischen Säure eine sehr schwer lösliche Verbindung bildet, die Veranlassung gibt, dass der Harn bei Dosierung von 1,3 g Boroformiat stets trübe war und sich durch kein Mittel klären liess. Die Bestimmung erfolgte durch Eindampfen Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. 461 des Harns, Schmelzen des Rückstandes mit Ätzkali, um die schwer zersetzbare Borsäureverbindung zu zerstören, und Titrieren in Glyzerinlösung mit "/ıoo n- Natronlauge. Analytische Ergebnisse. BEE 35: Yersuchsteihe l. A ER Cr 2 0 Sediment J gelb hellgelb gelb \ weisslich | weisslich . orange orange orange gelb gelb 1600 2100 1430 1250 1150 1000 1174 960 1150 1060 1,0140 1,0115 1,0200 1,0225 1,0207 1 0275 1.0290 1,0520 1,0310 1,0295 Menge (Kubik- zentimeter in 24 Stunden. Dichte 150/40 Saure Salze in 432 525 629 413 Sa 24 Stunden. 600 632 576 610 615 Neutrale Salze in 880 630 672 1050 654 24 Stunden. 500 352 518 7147 657 Harnstoff, Gramm 17,51 19,20 31,19 23,38 20,34 in 24 Stunden 23, ‚00 28,44 26,26 29,41 29,19 'Gesamt-N,Gramm 8,77 9,66 15,38 11,79 10,29 in 24 Stunden 11 "40 14, 21 13,12 14,69 12,61 Harnsäure, Grm. 0,6719 | 0,7058 0,7693 0,9672 0,9979 in 24 Stunden 1 2600 1,0260 0,9035 0,9268 0,9260 Der DByHDyHDByHEHDH+ DH DH DHADHrAR DB DM DD uns klar Is mit } Be ediment |\starktrübe ee A etw.tr: “ trübe mit |T Sediment } milchig | milchig Chloride, Gramm 8,285 9,824 1,207 8,861 5,396 Cl in 24 Stdn. g), 713 12. 920 11,960 11,990 SS > 0 = 0 0 Indikan . . | wa SS © 0 0 Borsäure, Gramm — 0,0001 0,1 0,11 0,12 B in 24 Stdn. — 0, 0001 0,001 0,15 0,11 Formaidehyd: nicht nachweisbar. Versuchsreihe ll. | E F G H J Menge, Kubikzentimeter |: | 2610 | 1250 | ı690-| 1370 | 1450 in 24 Stunden. . . 21 90 | 1330 | 1810 | 1400 | 1400 1 | 1,0158 | 1,0239 | 1,0190 | 1,0209 | 1,0197 a {| 3 | vosos | voesr | 10230 | 10240 | 1/0248 ee ı| 500 | 562 | 609 | sı7 | 62 Saure Salze in 24 Stdn. { 9 579 499 471 450 490 Neutrale Salze in | 1a ve | 1183.) 795 | 8Al 24 Stunden... 2... ala ts 865 7,890,..|,.630 |. 700 462 | P. Köthner: | | E | F G H wech Harnstoff, Gramm in 1 Iaman | 27,89 29,42 26,98 27,01 24 Stunden ... . [ 2 | 24,78 25,99 26,78 27,80 23,60 Gesamt-N, Gramm in { 1 | 15,01 13,34 14,65 13,27 13,55 24 Stunden . . 2 | 12,33 12 Sn 13,23 13,58 14,21 Harnsäure, Gramm in { 1 0,4384 0,5040 0,5678 0,5753 0,5709 24 Stunden . . . 2 1,021 0.8937 0,7940 0,8103 0,7900 Chloride, Gramm Cli in { 1 9,990 3,311 4,598 3,399 3,803 24 Stunden . . . 2 | 10,230 ud 9,101 8. 513 8,781 : 1 — 0 0 0 Indikanaeae ar { 2 0 = 0 N) 0 Borsäure, Gramm B in { 1 0,0001 0,1 0,08 0,11 0,071) 24 Stunden... . 2 | 0,0001 | 0,005 0,01 0,13 0,14!) Aussehen: Bis @ milchig trübe mit viel Sediment, 7 und J fast klar mit wenig Sediment. — Formaldehyd: nicht nachweisbar. 1) Borsäure: Nach Beendigung der Kur wurden noch ausgeschieden: am 1. Tage | am 2. Tage | am 3. Tage | am 4. Tage | am >. Tage - (1) 1,14 0,005 0,001 0,0001 — g Bor 0,10 0,001 0,0001 — g Bor Versuchsreihe Ill. ee da ee 2350 | 2030 | 2800 | 1850 | 3340 | 2000 | 2500 1000 890 | 1344 | 1500 1900 | 1800 | 1700 1,0190 | 1,0190 | 1,0185 | 1,0210 | 1,0105 | 1,0190 | 1,0180 1,0315 | 1,0340 | 1,0300 | 1,0260 1,0205 | 1,0205 | 1,0210 620 568 713 740 640 540 580 600 989 605 600 496 600 590 1080 | 1035 | 1159 | 1160 9355 | 1040 | 1000 715 679 139 135 608 710 670 30,00 |31,06 |33,35 |37,98 131,73 |81,00 |31,80 25,00 |26,93 |36,96 | 35,26 |32,30 80,80 | 30,20 MengeKubikzenti-g| I 2 1 2 1 2 1 2 1 2 2 15,00 |15,53 |16,68 |18,97 |15,87 [15,0 |15,90 1 2 l 2 1 2 1 2 il meter in 24 Std. Dichte 150/49 Saure Salze in 24 Stunden. Neutrale Salze "| 24 Stunden . Harnstoff, Gramm { in 24 Stunden . Gesamt-N, Gramm { in 24 Stunden . Harnsäure, Gramm { in 24 Stunden. Chloride, Gramm in! 12,50 |13,47 |1848 [1763 [16,15 |15,40 | 15,10 0,6602 | 0,6821 | 0, 71727 0,9408 | 0,7854 | 0,83% | 0,8450 0,5570 | 0,5383 | 0, ‚9031 0,7560 0,9190 | 0,8780 | 0,8962 7,914 | 7,785 | 9, ‚456 8,788 | 9,116 | 9,321 | 9,127 Clin 24 Stunden 9,013 | 8,013 11,33 11,48 8,960 N 2 : OL EES< 0 >< 0 Indikan ... . RX SE Re e SE 0 0 mit N ae er’s Fällung schwarz | Fällung u. Flüs- farblos und nicht Reagens . sigkeit schwarz geschwärzt 0 | 0 0 0 0 | 0 0 Zucker in Prozent 0,20 0,16 | 0,23 0,30 DM 0 gleicher Dichte\|L 2] 0 | 0 0 0 ao 0 Aussehen: Kaum trübe, aber bei (1) viel, bei (2) etwas Sediment. Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. 463 Kalkbestimmungen. 2 Gramm (a0 M: Morgenharn T: Tagesharn Kontrollversuche ohne Boro- { 2 — 0,270 DEINaE Re er. Yy _ 0,263 (et — 0,516 2 0,550 0,470 3 0,487 0,357 Je 3g Boroformiat in 24 Stunden R : Na a 5 0.392 0,407 Ü 0,386 0,492 Un 0,413 0,393 Diagramme. Die nun folgenden Diagramme enthalten in graphischer Dar- stellung sämtliche Analysenwerte. Zur Erklärung sei nur folgendes wiederholt: /, /Z und III sind die drei Versuchsreihen; I mit größeren Dosen von Boroformiat bei gemischter Kost; ZT ebenso bei purinfreier Kost; ZIT mit sehr kleinen Dosen bei gemischter Kost. — (7) und (2) sind die beiden Versuchspersonen. Die Kontroll- versuche ohne Boroformiat, mit X und x, y bezeichnet, sind be- schattet, so dass man auf jedem Diagramm die Änderungen, welche durch Boroformiat hervorgerufen waren, deutlich erkennen kann. DZ m u gg — Taoss 1 2 3 it 5 6 7 4654 P. Köthner: NVZEREINNVERLIS or VBEEE \WERERE SVISRERVDERE \Vebbır NNSEHERNNBUBEERTNENBER NVBBENJZNEERNVNZRSHE Share SER NVeRBEz = = JE < BANN! I NVBEREr AI ev Be HH SH Ss ERuFNEEERT \VEHEEE EIN Enr Vize TS SITE 465 Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. Berne. are N ame DDR ZENDRRANA mM® — —- -Neutrale Salze BEER FRA rnsaure Ha Be FRE RReer ee BER De. ERBZ/EESEN 27 ur) DOREEN) aawooaoaorn ou + oo (oo [00000 —— Saure Salze 7 ZZ 3 Ss Ss © nn oO o Fr 2 3 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 466 P. Köthner; N EG \EIIEE SEE \BNE SDINSSCEERR SE= YASHHE ER yGER\ ENEEL \ENEn JEEER \BBEEN \EEEEE BEENNNNSEIBNE @ = ve N EBEN Vvake Se Fr \Eme = ZOOM a u Leu 7 N; _ RE ee N ee FEERN N Jndikan NııErreR te NEE |\EEE} (EEun; EEE | ISSIEN SS Sa NNIIEE ISSN 11 467 Borameisensäure als Katalysator. beim physiologischen Stoffwechsel, INNEBER: Hs GER gunu BNuun SZSEN \VZEBZITNVEERBE N rn N RE A IN nn Jndikan NVerer ANOTIENN eralel N NZEENEREZI SSR UNE ıı8 Ze Var SUBSHTH EI 468 P. Köthner: SEAN ZRERRIIEE BEIBTESTJEnNeE MERTC een rs ern I® 1@ Fig. 14. FI NIE TTN IE Be le ZN. |, See ZZ LEN 5 See | Nee Baer, ann 7 |, ea BZEr Dar Een Den NEE Flesh 0,0000 Borsäure & 2. 20 el PrRe ABER ern De er 1® 112) Fig. 15. Diskussion der Resultate, Harnmenge: die harntreibende Wirkung von Boroformiat ist evident (vel. die betr. Diagramme). Die Diagramme sind insofern beachtenswert, als die Versuchspersonen regelmässig die gleichen Flüssigkeitsmengen genossen hatten; die Kurven geben also ohne fremde Einflüsse die Wirkung des Boroformiats wieder. Der gichtisch Veranlaste (2) liess abnorm wenig Harn. Dieser reagierte zunächst (7, 2) schwer; bei purinfreier Kost (ZI. 2) schon deutlicher; am stärksten wirkten die sehr kleinen Dosen (III, 2). Der Betreffende fühlte sich merklich wohler, als er mehr Harn liess. Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. 469 Offenbar übte hier das Boroformiat eine regulierende Wirkung aus, die recht nötig war. Dies erkennt man besonders bei einem Ver- h 4 hatte bereits eine normale Harnmenge; bei ihm ist das Endresultat keineswegs eine Vermehrung der Harnmenge; aber 0,20 es ist jedesmal kurz nach Beginn der Kur. eine stark aufpeitschende Wirkung o10R zu beobachten. Bei sehr kleinen Mengen (IIT, 1) erreichte die Harı- oo N menge sogar den ungeheuren Betrag von fast 3?/2 Litern innerhalb 24 Stunden. Saure und neutrale Salze: die Wirkung scheint wesentlich regulativ zu sein; (2) verliert, (7) ge- winnt an sauren und neutralen Salzen. Harnstoff: im allgemeinen beobachtet man hier: einen plötz- lichen starken Ausschlag nach oben, dann einen Abfall, mit dem endlichen Resultat einer bleibenden Vermehrung der Harnstoffmenge. Bei grösseren Dosen und bei gemischter Kost (I) gering; stärker bei purinfreier Kost (II); auffallend stark bei sehr kleinen Dosen und gemischter Kost (III). Ausserdem ist wieder eine regulierende Wirkung erkennbar: die Versuchspersonen hatten, wie die Diagramme zeigen, ursprünglich sanz erheblich abweichende Harnstoffmengen: nachdem sie aber die homöopathischen Dosen Boroformiat genossen hatten, gewinnen sie beide etwa die gleiche und normale Menge Harnstoff. Harnsäure: eine wesentlich regulative Wirkung: die zu grossen Mengen des (2) in I und II verringern sich; die zu kleine Menge in III erhöht sich. Die purinfreie Kost drückt bei (2) die Harnsäuremenge nur wenig herab. Sehr auffallend aber ist, dass während der zwei boroformiatfreien Wochen, die zwischen II und Ill liegen, die Harnsäure auf einen abnorm niedrigen Betrag gesunken war. Die sehr kleinen Dosen in III bewirken dann eine Re- gulierung. Schliesslich hatte (2) das Zuviel an Harnsäure, das er vor der Kur hatte, vollständig und dauernd verloren. Bei (1) steigt die Harnsäureausscheidung durch grössere Mengen Boroformiat (I) über die Norm; also wieder die kräftig stimulierende Wirkung. Die purinfreie Kost in II drückt die Harnsäuremenge in: normaler Weise stark herab. In der Zeit zwischen II und III hatte RS Nee A P. Köthner: die Harnsäure wieder ihren ursprünglichen Betrag erreicht, der durch die sehr kleinen Dosen nur vorübergehend erhöht wird. Es ist unverkennbar, dass bei (1) gar nichts zu regulieren war in bezug auf die Harnsäure wie auch auf die Menge; wohl aber in bezug auf den Harnstoff, denn der wurde dauernd erheblich ver- mehrt. (2) dagegen war ohne Zweifel weniger gesund; denn bei ihm erhielten sowohl Harnsäure wie Menge wie Harnstoff dauernd ganz andere Werte. Chloride: im allgemeinen: ein plötzlicher Ausschlag nach oben, dem ein Abfall: Verminderung der Chlorid-Ausscheidung folgt, welche anhält. So bei gemischter und purinfreier Kost durch grössere Mengen Boroformiat. Sehr kleine Dosen dagegen wirken genau umgekehrt: die Chloridausscheidung vermehrt sich deutlich. Das endliche Ergebnis der Kur ist in bezug auf die Chloride bei beiden Versuchspersonen gleich null: die Menge ist schliesslich bei beiden etwa dieselbe wie vor der Kur. Gleichwohl sieht man, dass „etwas geschieht“ durch Beroformiat: es ist wieder die auf- peitschende, stimulierende Wirkung erkennbar. Zucker: nur (1) hatte Zucker und verhältnismässig wenig, schwankend zwischen 0,1 und 0,3°o. Nach der Dosierung von sehr kleinen Dosen Boroformiat trat die merkwürdige Erschei- nung auf, dass sich diese Menge Zucker relativ erheblich steigerte. Erst am dritten Tage (vgl. das Diagramm) war der Zucker ganz plötzlich und von da ab dauernd verschwunden. Diese Erscheinung konnte auch bei anderen Versuchspersonen bestätigt werden: anfangs war immer eine Vermehrung der Zucker- menge zu beobachten, und dann sank der Zuekergehalt rapid; in einem Fall von 7 °o auf 2%, ohne dass der Betreffende seine Diät im geringsten geändert hätte. Indikan: in allen Fällen eine sofortige Wirkung. Indikan verschwindet vollständig oder fast vollständig; die Diagramme zeigen das deutlich. Borsäure: in I und II wurden täglich 1,8 g Boroformiat dosiert; wenn das Bor den Körper gleich wieder verlassen würde, so müssten etwa 0,12 g Bor ausgeschieden werden. Dies ist aber nicht der Fall: die Hauptmenge des Bors wird zunächst zurück- gehalten, ‚an den folgenden Tagen aber scheiden sich grössere Mengen aus, als pro Tag zugeführt wurden. Und erst 5 Tage, nachdem die Dosierung von Boroformiat beendet ist, hört die Bor- Borameisensäure als Katalysator beim physiologischen Stoffwechsel. 471 säure-Ausscheidung auf. Rechnet man die insgesamt abgeschiedenen Mengen zusammen, so ergibt sich, dass tatsächlich kein Bor im Körper zurückbleibt. Also scheint das. Bor im Boroformiat eine langsam verlaufende Reaktion im Organismus zu bewirken. Dies ist um so wahrscheinlicher, als das Bor, wie oben erwähnt, in einer sehr schwer löslichen und schwer zersetzlichen Verbindung mit Phos- phorsäure und einer organischen Säure in die Erscheinung tritt. Kalk: hier zeigte sich die Wirkung auffällig durch sedimentäre Ausscheidung reichlicher Mengen von tertiärem phosphorsaurem Kalk in Form von Steinchen bis zu 2 mm Durchmesser, Die Kurven lassen aber erkennen, dass auch der in Lösung befindliche Kalk sich, anscheinend bleibend, vermehrt hat. Man sieht auf dem Dia- eramm zwei Kurven; die ausgezogene bezieht sich auf die während 24 Stunden ausgeschiedene, die gestrichelte auf die im Morgenharn ausgeschiedene Kalkmenge,. Die Kurven schneiden sich, woraus hervorgeht, dass anfangs die Kalkmenge am Morgen grösser ist als während des ganzen Tages, später aber umgekehrt am Morgen weniger -Kalk erscheint als am Tage. Dies sind die wesentlichen Ergebnisse. — Wenn man die Wirkung von Boroformiat mit einem Wort charakterisieren will, so kann man sie eine auslösende: eine katalytische nennen; denn alle physiologischen Prozesse, die im (zumal kranken) Organis- mus träge und mangelhaft verlaufen, werden, wie wir gesehen haben, durch Boroformiat beschleunigt; die Intraorganoxydation, der ganze Stoffwechsel wird lebhaft angeregt und reguliert. Die Hauptursache dieser Wirkung ist die Ameisensäure in statu nascendi. In der Tat ergab die Untersuchung der chemischen Reaktion von Boroformiat auf bereits ausgeschiedenen Harn und auf die einzelnen Bestandteile des Harns, dass fast alle physiologisch festgestellten Veränderungen auch ausserhalb des Organismus in ähnlicher Weise verlaufen. So z. B. verschwindet der Zucker und das Indikan, wenn man Boroformiat auf Harn bei Bruttemperatur einwirken lässt; Harnsäure wird gelöst. Diese und noch andere Resultate der che- mischen Untersuchung sollen in einem zweiten Teil dieser Arbeit abgehandelt werden. 472 P. Köthner: Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn bei Bruttemperatur. Von Privatdozent Dr. P. Köthner, Berlin. Bei der Untersuchung über die physiologischen Wirkungen von Boroformiat hatte sich gezeigt, dass dieses Salz eine Art katalytischen Einfluss beim Stoffwechsel innerhalb des Organismus auszuüben scheint, weil es auf fast alle normalen und pathologischen Produkte der Ausscheidung einwirkt. Es war nun wichtig zu wissen, ob diese Wirkungen nur infolge unkontrollierbarer physiologischer Prozesse zustande kommen, oder ob sie auch ausserhalb des Organismus stattfinden. Deshalb wurden Harnproben, die noch nicht durch Boroformiat beeinflusst sein konnten, bei Bruttemperatur mit Boroformiat be- handelt, und die Beschaffenheit der Harne vor und nach der Ein- wirkung wurde untersucht. Zwei gleiche Proben, X und A, desselben Harns wurden in weite Reagierröhren gefüllt: die eine (X) erhielt keinen Zusatz, die andere (A) wurde mit 10°/o Natriumboroformiat versetzt. Der Harn hatte vorher ein leichtes Sediment von harnsaurem Natron und war ein wenig trübe. Nach sechsstündigem Stehen bei Zimmertemperatur hatten sich die beiden Proben nicht merklich verändert. Unter dieser Be- dingung scheint also Boroformiat nicht zu wirken. | Dann wurden beide Proben während 24 Stunden im Brutschrank aufbewahrt. Danach zeigten sie im Aussehen und in den Reaktionen folgende Verschiedenheiten: Aussehen: X: Farbe bei Durchsicht gelb, bei Draufsicht von oben orange. A: Farbe bei Durchsicht orange, bei Draufsicht von oben schwärzlich undurehsichtig. — Diese dunklere Farbe rührt her von der Auflösung des harnsauren Natrons; vgl. Sediment. Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn bei Bruttemperatur. 473 Sediment: X: grosse Mengen eines weissen Sediments: ein Drittel nach dem Zentrifugieren ein Fünftel des Gesamtvolumens. A: gar kein Sediment, auch nach dem Erkalten schied sich nichts aus. Nach dem Zentrifugieren wurde der kaum sichtbare Rückstand mikroskopisch untersucht; er enthielt keine Spur von Salzen, weder harnsaure noch phosphorsaure noch oxalsaure Salze. Das reichliche Sediment von X wurde mikroskopisch und che- misch untersucht. Unter dem Mikroskop zeigte sich in der Haupt- menge harnsaures Natron, welchem phosphorsaurer Kalk und ein wenig oxalsaurer Kalk beigemengt waren. Die quantitative che- mische Analyse ergab: 0,672 .g Harnsäure, 0,0044 g gesamte Kalk- menge (CaO), 0,0024 g an Oxalsäure gebundener Kalk. — Solche Mengen von Harnsäure und unlöslichen Kalksalzen hatte also das Boroformiat gelöst. Damit ist der Beweis erbracht, dass Boroformiat unter den eingehaltenen Bedingungen ein erhebliches Lösungsvermögen für Harnsäure besitzt: Da diese Bedingungen aber dieselben sind wie im lebenden Organismus, so findet die physiologisch kon- statierte Mehrausscheidung von Harnsäure hier ihre chemische Be- stätieung. — Übrigens löst sich auch reine Harnsäure in reiner Boroformiatlösung beim Erwärmen reichlich auf, so dass man es also hier mit einer rein chemischen Wirkung zu tun hat, die nicht an die physiologische Harnflüssigkeit gebunden ist. Auch die schwerlöslichen Kalksalze wurden unter den gegebenen Bedingungen durch Borofermiat gelöst. In diesem Falle scheint aber die Harnflüssigkeit notwendig zu sein; denn ein Versuch, reinen oxalsauren Kalk in Boroformiat zu lösen, fiel negativ aus. Genaue Löslichkeitsbestimmungen sollen jedoch noch gemacht werden. Rückschluss auf die Dosierung von Boroformiat gegen Harnsäure- und Kalkretention im Organismus: bei den physiologischen Versuchen war die Dosierung relativ schwach, höchstens 0,1°/o in 24 Stunden. Wenn nun die Versuche ergeben hatten, dass selbst sehr kleine Dosen von Boroformiat die Harn- säureausscheidung merklich begünstigen, so konnte man doch schwer- lich mit den angewandten minimalen Mengen die maximale Lösungswirkung hervorrufen. — Um die günstigsten Wirkungen im Falle erheblicher Ablagerung von Harnsäure in den Blutbahnen zu erzielen, wird man also wesentlich mehr Boroformiat dosieren müssen. 474 P. Köthner: Ähnliches gilt für Kalk. : Formaldehyd: In keiner der Proben konnte mittelst der höchst empfindlichen Phlorogluein-Probe eine Spur von Formaldehyd nachgewiesen werden. — Die Ameisensäure wird demnach gleich weiter zu Methylalkohol reduziert, indem sie ihre unten beschriebenen oxydierenden Wirkungen ausübt, und dieser wird sich esterartig binden. Hierüber sind noch Untersuchungen im Gange. Reduzierende Substanzen: Mit Nylander’s Reagens trat bei X Schwärzung im Niederschlag auf; bei A war keine Spur einer Schwärzung mehr zu erkennen. — Fehling’sche Lösung wurde durch Probe X nach Grün verfärbt, A veränderte die blaue Farbe nicht im geringsten. — Silberlösung, sauer: X gab einen grauschwarzen Niederschlag, der durch Überschuss von Ammoniak tiefschwarz wurde. A gab einen rostbraunen Niederschlag, der mit Ammoniak nur etwas dunkler wurde. — Ammoniakalische Silber- lösung: X wurde blutrot mit braunschwarzem Niederschlag, A blieb hellgelb mit braunschwarzem Niederschlag. — Die Ameisensäure in reiner Boroformiatlösung erzeugt mit saurer Silberlösung einen tief- schwarzen Niederschlag ohne Färbung der Flüssigkeit; mit ammonia- kalischer Silberlösung entsteht keine Fällung oder Färbung. Diese Reaktionen sollen noch genauer studiert werden. Es kann aber schon hier darauf hingewiesen werden, dass dieselben den Beweis erbringen von einer zerstörenden Wirkung des Boroformiats auf reduzierende Substanzen sowie auf Zucker. Indikan: i X: mit konz. HCl rötlich; mit Boroformiat gekocht, wird die Farbe nicht heller. A: mit konz. HCl rötlich. X: mit konz. HCI + Mg0O,: rotviolett. A: ebenso behandelt: rein hellgelb (Pikrinsäure). X: dazu Chloroform: Bläuung; Flüssigkeit rot. A: ebenso: kein Schein einer Bläuung; Flüssigkeit rein hellgelb. Diese Reaktionen berechtigen zu wichtigen Schlussfolgerungen ; zunächst zeigen sie, dass Indikan durch Boroformiat zerstört wird. Ferner zeigt die intensive Gelbfärbung und das völlige Verschwinden des Rotviolett, dass Indigo durch Boroformiat schon in der Kälte zu Pikrinsäure oxydiert wird, während dies ohne Boroformiat erst beim Kochen mit dem Superoxyd geschieht. Man sieht also, dass Boroformiat die oxydierenden Wirkungen auffallend erleichtert, Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn bei Bruttemperatur. 475 mithin die Intraorganoxydation kräftig fördern wird und als Kataly- sator für die oxydierende Wirkung des eingeatmeten Sauerstoffs wirken muss. — Damit ist chemisch bewiesen, was physiologisch bereits festgestellt war, dass Boroformiat den Stoffwechsel stark fördert und reguliert. Die Untersuchung wird fortgesetzt. 476 Ernst Masing: (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg.) Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker. Von Ernst Masing. Nach den vorliegenden Untersuchungen !) wird zu Menschenblut zugesetzter Traubenzucker teilweise auch von den roten Blutkörpern aufgenommen. Ich habe darauf nachzuweisen gesucht, dass das Prozent Zucker in den Blutkörpern Prozent Zucker in der Zwischenflüssigkeit 0,5 und 0,7 schwankt und zwar anscheinend kleiner mit steigender Zuckerkonzentration wird. Ferner zeigte es sich, dass ein kon- stantes Teilungsverhältnis sich nicht sofort einstellt, sondern dass der Ausgleich eine gewisse, bei niedriger Temperatur sehr beträcht- liche Zeit braucht. Wie die unten angeführten Versuche lehren, dringen auch andere Zuckerarten, und zwar sämtliche untersuchten Monosaccharide, in menschliche Blutkörper ein. Die Geschwindigkeit des Eindringens ist für manche Zucker allerdings erheblich geringer als für den Traubenzucker; dagegen ist das Teilungsverhältnis nach erreichtem Gleichgewicht stets annähernd das gleiche, das ist ungefähr 0,6. Disaccharide (Rohrzucker, Milchzucker, Maltose) dringen unter den angegebenen Bedingungen überhaupt nicht merklich ein. Wir haben also hier einen Fall vor uns, in dem Verdoppelung der Molekülgrösse das Eindringen in die Zelle vollständig verhindert. Ferner ermöglicht das für alle eindringenden Zucker gleiche Teilungsverhältnis die Grösse der „wässerigen Phase“ im Blut- körperchen abzuschätzen. Teilungsverhältnis zwischen 1) Rona und Doeblin, Biochem. Zeitschr. Bd. 31 S. 215. — Masing, Pflüger’s Arch. Bd. 149 S. 227. — A. Loeb, Biochem. Zeitschr. Bd. 49 S. 413. 2) Über die Verteilung von Traubenzucker usw. Pflüger’s Arch. Bd. 156 S. 401. Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker, 477 I. Monosaccharide. Die untenstehende Tabelle enthält die Resultate, die sich beim Mischen von Monosacchariden mit Menschenblut ergaben, übersichtlich zusammengestellt; einige genauere Versuchsprotokolle befinden sich im Anhang. Da, wie oben erwähnt, die Zuckerkonzentration — das gilt wenigstens für Traubenzucker — das Teilungsverhältnis etwas beeinflusst, gebe ich im fünften Stab der Tabelle Anhaltspunkte zur Beurteilung der Zuckerkonzentration in den vorliegenden Versuchen. Meist wurde 0,1 g Zucker zu 20 cem Blut zugesetzt, in einigen Versuchen doppelt und dreimal so viel; doch dürften diese Versuche trotzdem gut mit den anderen vergleichbar sein, da nach früheren Ver- suchen die Dextrosekonzentration etwa auf das l5fache gesteigert werden müsste, wenn das Teilungsverhältnis um 25°o abnehmen sollte. Wahrscheinlich ist also der Fehler, der durch mässige Konzentrationsunterschiede bedingt wird, nur gering; er kommt auch auf der Tabelle nicht merklich zum Ausdruck. Unter „Dauer des Versuchs“ (Stab 3) ist die Zeit zu verstehen, während der die Blut- körper mit der Zuckerlösung in Berührung standen, bis das Gemisch in die Zentrifuge kam. Zuckerkon- Dauer zentration | Teilungsverhältnis : Ver Zuckerart des Versuchs 10,1 Zucker Proz. Zuckeri. d. Blutkörpern V temperatur auf Kubik- : ; ersuchs zentimeter | Proz. Zucker i. d. Zwischenfl. Nr. Blut u Den EB RER Pe Re DOREEN IRSAREERDERN re WERTE NEE 1 Xylose !/gh | Zimmertemp. 20 0,6—0,7 2 ih 5 20 0,6—0,7 Rhamnose Ih 20 0,5—0,6 3 1h 880 21 0,65 4 Arabinose !/gh | Zimmertemp. 20 0 5 a 1h 20 0,15) 6 S 13/4 h 380 20 0,66!) 7 ah. 33° 21 0,65 8 Galaktose 2h Zimmertemp. 10 0,62 ) 1'/s h 5 15 0,62 10 Mannose 11/s h 15 0,69 DE Ih 380 21 0,58 12 Lävulose !/ah | Zimmertemp. 20 0,3 13 x 2h = 20 0,3 14 A 2h x 7 0,271) 4h x 7 0,46 15 = 1!/a 33° 14 0,581) 16 5 2h 380 10 0,68!) 1) Vgl. die entsprechende Versuchsnummer im Anhang. 478 Ernst Masing: Zur Untersuchung kamen drei Pentosen (Xylose, Rhamnose, Arabinose) und drei Hexosen (Galaktose, Mannose, Lävulose). Vier von diesen Monosacchariden, und zwar Xylose, Ramnose, Galaktose und Mannose, verhalten sich, wie die Tabelle zeigt, mensch- lichen Blutkörpern gegenüber durchaus ähnlich dem Traubenzucker. Schon bei Zimmertemperatur verteilen sie sich verhältnismässig schnell auch auf die Blutkörper. Sieht man letztere, wie das bei Verteilungsstudien üblich ist, als pauschales Lösungsmittel an, so wird nach !/—1 Stunde ein Teilungsverhältnis erreicht. Prozent Zucker in den Blutkörpern Prozent Zucker in der Zwischenflüssigkeit’ das zwischen 0,6 und 0,7 liegt und durch längere Dauer des Ver- suchs oder durch Erwärmung des Systems sich nicht mehr verändert. So ist das Teilungsverhältnis für Xylose bei Zimmertemperatur nach !/o Stunde etwas über 0,6 und nach 1 Stunde nicht grösser; das für Rhamnose nach 1 Stunde Versuchsdauer bei 38° nicht wesentlich höher als bei Zimmertemperatur. — Galaktose erreichte in 1!/s Stunden bei Zimmertemperatur ein Teilungsverhältnis von 0,62; ein besonderer Versuch zeigte mir, dass sich Galaktose schon in 30 Minuten bei Zimmertemperatur so verteilt, dass einstündige Erwärmung der Mischung an der Verteilung nichts mehr ändert. Das Gleichgewiebt wird also auch schon bei Zimmertemperatur recht schnell erreicht. Wesentlich langsamer dringen Arabinose und Lävulose ein. Nach "s Stunde hat sich bei Zimmertemperatur die Arabinose- konzentration in der Zwischenflüssiekeit noch nicht merklich ge- ändert, das Teilungsverhältnis ist O0 (Versuch Nr. 4); nach 1 Stunde fand sich ein Teilungsverhältnis von 0,15 (Versuch Nr. 5), nach 1?/ Stunden und 2 Stunden bei 38° C. ergab sich 0,66 und 0,65, war also das Gleichgewicht erreicht. Ganz ähnliches sehen wir bei der Lävulose: im Versuch Nr. 14 nach 2 Stunden bei Zimmer- temperatur 0,27, nach 4 Stunden 0,46, und erst nach 2 Stunden bei 38° C. (Versuch Nr. 16) 0,68. Ich habe seinerzeit angegeben !), dass Traubenzucker von mensch- lichen Blutkörpern nicht etwa nur an der Oberfläche adsorbiert wird, sondern eindringt und osmotisch in den Blutkörpern wirksam wird, 1) Pflüger’s Arch. Bd. 149, Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker. 479 in isotonischer Lösung zu Volumvermehrung und Hämolyse führt. Auch in Lösungen der übrigen Monosaccharide lässt sich eine Volumen- zunahme menschlicher Blutkörper hämatokritisch leicht nachweisen. In Glasröhren von etwa 5 mm innerer Weite wurden je 1 ccm eines dicken Blutkörperbreies mit 1 ccm einer 5 '/oigen Zuckerlösung und ein Tropfen Serum, wodurch die Agglutination der Blutkörper ver- hindert wird und die Zwischenflüssigkeit die passende Reaktion erhält, gemischt und nach einiger Zeit etwa !/g Stunde lang scharf zentrifugiert. Die Höhe der Blutsäule konnte dann als Maass des Blutkörpervolumens dienen. Zur Kontrolle wurde immer eine Blutprobe mitzentrifugiert, die mit Ringer-Lösung statt der Zuckerlösung versetzt war, War die Blutsäule in der Zuckerlösung mit dem Millimeterstab gemessen wesentlich höher als in der Ringer-Lösung, so war Zucker ein- gedrungen; auf diese Weise liess sich auch die relative Geschwindig- keit, mit der die verschiedenen Zucker eindringen, ad oculos darstellen. Zum Beispiel: 16. Juli. Vier gleichweite Glasröhren werden mit je 1 ccm Blut- . körperbrei beschickt,; in die eine Ringer-Lösung, in die anderen drei Zuckerlösungen mit etwas Serum gebracht. Nach gründlichem Durchmischen stehen die Proben 23 Min. bei Zimmertemperatur und werden dann 30 Min. lang zentrifugiert. Nach Ausmessung der Höhe der Blutsäule (a) werden alle Proben wieder durchgemischt, 30 Min. im Wasserbade von 33° gehalten und dann 30 Min. zentrifugiert. Es ergibt sich das Volumen b. Höhe der Blutsäule nach dem Zentrifugieren a b Röhre 1— 1 cem Blutkörperbreii + 1,1 ccm kinvoer ,; ELBE 60 2559:.mM 29,0: MM Röhre 2— 1 cem Blutkörperbrei + 1,1 ccm 5°/oiger Dextrose + 1 Tropfen Serum . 35,5 „ 485 „ Röhre 3— 1 ccm Blutkörperbrei + 1,1 ccm 5%oiger Galaktose + 1 Tropfen Serum . 505 „ 495 „ Röhre 4— 1 ccm Blutkörperbrei + 1,1 ccm 5%oiger Laevulose + 1 Tropfen Serum . 295 „ 45 „ Nach 23 Min, langem Stehen bei Zimmertemperatur (a) ist das Volumen der Blutkörper in der Laevuloselösung nur wenig, in der Dextroselösung erheblich, in der Galaktoselösung stark vermehrt, 30 Min. lange Erwärmung hebt diesen Unterschied nahezu auf, wenn auch das Laevuloseblut noch etwas zurückgeblieben ist. Also dringt auch bei dieser Versuchsanordnung die Laevulose am langsamsten ein. 16. Juli. Vier gleiche Glasröhren werden mit je 1 cem Blut- körperbrei und je ein Tropfen Serum beschickt, mit Ringer-, Arabinose-, Rhamnose- und Xyloselösung versetzt, durchgemischt, stehen 20 Min. bei Zimmertemperatur und werden 30 Min, scharf zentrifugiert. Ablesung des Blutkörpervolumens (a). Dann werden sie wieder durchgemischt, stehen 15 Min. in körperwarmem Wasser und werden 25 Min. lang scharf zentrifugiert; es ergibt sich das Volumen b. 480 Ernst Masing: Höhe der Blutsäuie nach dem Zentrifugieren a Röhre 1—1 ccm Blutkörperbreii + 1 ccm Rumelene gr AR 26,5 mm 25,5 mm Röhre 2—1 ccm Blutkörperbrei 2 1 ccm 5%oiger Arabinose . . REN ERE Sara Dr. Röhre 3—1 ccm Blutkörperbrei en 1 ccm 5 %oizer Rhamnoser 2. u. es AD, haemolytisch Röhre 4-1 ccm Blutkörperbrei a Izecm 5%loiger Xylose . . . en 44,D a Erst nach zweistündigem Selen bei 38° erreichten die in der Arabinoselösung suspendierten Blutkörper ein Volumen, das in der Xylose- und Rhamnoselösung schon bei Zimmertemperatur in 20 Min. erreicht wurde. — Auch hier also volle Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Zuckerbestimmungen, d, h. verhältnismässig langsames Eindringen der Arabinose. Alle untersuchten Monosaecharide dringen also in menschliche. Blutkörper ein, wenn auch verschieden schnell. Alle verteilen sich ‘so auf Blutkörper und Zwischenflüssigkeit, dass ein annähernd kon- stantes Teilungsverhältnis, das für die angewandten Konzentrationen zwischen 0,6 und 0,7 liegt, erreicht wird. Durch längere Dauer des Versuches oder durch Erwärmung lässt sich dieses Verhältnis nicht mehr verändern. — Am langsamsten dringen Arabinose und Lävu- lose ein. II. Disaecharide. Die im Anhang ausführlich wiedergegebenen Versuche Nr. 17, 21 und 22 zeigen, dass Rohrzucker, Milchzucker und Maltose nicht oder jedenfalls nicht in nachweisbarer Menge von menschlichen Blutkörpern aufgenommen werden, in vollem Gegensatz zu den Mono- sacchariden. Auch Erwärmen der Blutkörper-Zuckermischung ändert daran nichts. 1. 45 cem Menschenblut werden zentrifugiert, 20 ccm Serum durch 10 cem Ringer und 10 ccm einer 10 /oigen Saccharose- lösung ersetzt. Die Mischung steht 30 Min. bei Zimmertemperatur und wird zentrifugiert. 10 ccm der Zwischenflüssigkeit werden ab- sehoben, auf 40 ccm verdünnt, enteiweisst und polarisiert: Drehung + 1,03° in 18,9 cm langer he Der Rest wird durchgemischt, steht in. körperwarmem Wasser 3/4Stunden und wird zentrifusgiertt. 10 ccm der Zwischenflüssigkeit ebenso wie oben behandelt: Drehung + 1,03°. 2. 20 ccm Blutkörperbrei mit 17 cem Ringer und 3 ccm einer 10 °)oigen Maltoselösung versetzt, stehen !/a Stunde bei Zimmer- temperatur und werden zentrifugiert. Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker. 481 5 ccm Zwischenflüssigkeit enteiweisst ergeben nach Bertrand auf Zucker verarbeitet 5,5 ccm Permanganat. Der Rest wird durchgemischt, steht 1 Stunde bei 38°, wird wieder stark zentrifugiert: 5 cem Zwischenflüssigkeit ergeben 5,8 cem Permanganat, 5 ccm des Blutkörperbreies ebenso verarbeitet ergeben 0,3 cem Permanganat. Auch bei Körpertemperatur ist die Maltose nicht in die Blut- körper eingedrungen. Im Anhang finden sich aus einer grösseren Reihe herausgegriffene Versuchsbeispiele, je eins für jede Zuckerart, die als Beleg für das Gesagte dienen mögen. Die übrigen Versuche sind natürlich in gleichem Sinne ausgefallen. _ In guter Übereinstimmung findet man in hämatokritischen Ver- suchen keine deutliche Volumvermehrung Blutkörper in annähernd isotonischen Lösungen von Disacchariden. Vier gleiche Glasröhren werden mit je 1 ccm Blutkörperbrei und 1,1 cem 9Ploiger Disaccharidlösung beschickt, stehen !/a Stunde in körperwarmem Wasser und werden dann !/a Stunde scharf zentrifugiert. Höhe der Blutkörpersäule nach dem Zentrifusieren Röhrel —1cemBlutkörperbrei +4 1,1cem Ringer . . . 25,5mm 9 T;, E +1,1 „ 9%oiger Laktose . 27,0 „ ee ® FE E1 2, 92loiger Maltose-.. 28,5 , „4-1, 5 + 1,1 „ 9Poiger Saccharose 26,5 „ Also keine wesentlichen Volumenunterschiede gegenüber der Ringer-Kontrolle. — Methodik. Die Methodik der Zuckerbestimmungen war im wesentlichen die- selbe wie in meinen früheren Arbeiten. Das Volumen der Formelemente in den Blutproben wurde durch 2 N-Bestimmungen in der Zwischenflüssigkeit vor und nach Verdünnung durch Ringer-Lösung festgestellt. Zu einer zweiten abgemessenen Biutprobe wurde dann der betreffende Zucker meist in 10 /oiger Lösung zugesetzt, die Mischung stand eine Zeitlang bei Zimmer- temperatur, wo es nötig erschien, auch bei Körpertemperatur, und wurde darauf scharf zentrifugiert. In einer abgemessenen Menge der Zwischenflüssigkeit wurde der Zuckergehalt nach Enteiweissung mit kolloidalem Eisenhydroxyd (NaH,PO, als fällender Elektrolyt) durch Polarisation oder durch Reduktion nach der Bertrand’schen Methode . bestimmt. Dann setzte ich die gleiche Zuckermenge zu einer genau ab- gemessenen Menge Serum, die gerade so gross war, wie die (berechnete) Menge Serum in der Blutprobe, und bestimmte in gleicher Weise den Zuckergehalt. Ergab diese Mischung das gleiche Resultat wie die Zwischenflüssigkeit der Blutprobe, so war kein Zucker eingedrungen, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 32 482 N Ernst Masing: differierte sie deutlich, so musste Zucker an die Formelemente ge- gangen sein. Meist wurde auch der Zuckergehalt des abzentrifugierten Blutkörperbreies bestimmt. Die nach der Bertrand’schen Methode in Milligramm Cu ge- wonnenen Analysenwerte wurden zunächst nach der Bertrand ’schen Reduktionstabelle auf Traubenzucker umgerechnet. Um die gewünschten Zahlen für die übrigen Zucker zu erhalten, benutzte ich die von Grube im Abderhalden’schen Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden !) angegebenen Vergleichswerte. Nach diesen verhält sich die Reduktions- kraft gleicher Gewichtsmengen in annähernd gleich starken Lösungen else Dextrosens sr 221002 Läyulose... 7 23,2. 97,2 Galaktoser ne 22 25298.0 lkaktoses 20 0...2228074,0 Maltose 0,0 2,7202 Nach eigenen Bestimmungen war die entsprechende Zahl für Mannose ungefähr gleich 1002). Für die Pentosen sind meines Wissens keine ausführlichen Reduktions- tabellen vorhanden. Eigene Bestimmungen an meinen Präparaten ®) er- gaben : ‚25 mg Rbamnose reduzieren 43,8 mg Cu — 22,0 mg Dextrose. 75 3 & ” 126, 0 ” N ESTETE 67,8 » 5) 200. Arabinose 5 42,6 ee Aare r 50: » : )) ” 81,6 ” leise 42,9 ” ” 25 5 Xylose 5 47,0: 25: 252>=.129,9: , = 50 R ” 89, 4 e7] nr = 46, 6 2 Meine aan reduzierten lo etwas schwächer als ribenzndhen: die Beziehungen zwischen Zuckermenge und reduziertem Kupfer waren annähernd dieselben wie beim Traubenzucker, d. h. grössere Zucker- mengen reduzierten verhältnismässig etwas weniger Kupfer. Trotz dieser Übereinstimmung habe ich auf eine Berechnung meiner Pentosenzahlen nach der Traubenzuckertabelle verzichtet, die Resultate meiner Pentosenbestimmungen in Milligramm Kupfer ausgedrückt und mit ihnen so operiert, als wenn sie proportional den tatsächlichen Zuckerzahlen wären. Das ist natürlich nicht ganz richtig, weil eine strenge Proportionalität zwischen Kupfer und Zucker nicht besteht. Doch ist der Fehler gering, weil meine Pentosenbestimmungen sich innerhalb recht enger Konzentrationsgrenzen bewegen. Es kam ja für meine Zwecke (Teilungsverhältnis!) nicht auf grosse Genauigkeit an Versuchsprotokolle. Im Interesse der Raumersparnis gebe ich nur einige Beispiele; die übrigen Versuche sind in ganz ähnlicher Weise angelegt und durchgeführt worden. 1) Bd. 2 S. 167. 2) Beleg: 25 mg Mannose reduzieren 47,4 mg Cu — 23,8 mg Dextrose. 50 ” » D) 92,0 ET 48,0 ” » 3) Es waren Kahlbaum’sche Präparate, die nicht weiter gereinigt wurden; die folgenden Zahlen erheben keinen Anspruch auf grosse Genauigkeit. Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker. 483 Nr. 5. 27. Juli 1913. 20 ccm normalen Menschenblutes (8,84 ccm Blut- körper und 11,16 ccm Serum) werden zentrifugiert, 6 ccm Serum durch 5 cem Ringer-Lösung und 1 ccm einer 10 Y/oigen Arabinose- Lösung ersetzt; die Mischung steht 1 Stunde bei Zimmertemperatur und wird zentrifugiert: 10 cem Zwischenflüssigkeit und 10 cem Blut- körperbrei. 2,5 ccm Zwischenflüssigkeit reduzieren 34,0 mg Cu (abgel. 6,3 ccm Perm.) 2,5 „ Blutkörperbei n See ei, Fa 3%) Darin 0,29 ccm Zwischenflüssigkeit ent- SppRe@nender en. N a en ee 2,21 ccm Blutkörper müssen reduzieren 4,5 mg Cu 2,8 ” ” ” n 5,1 ” ” 5,16 ccm Serum +5,0 „ Ringer-Lösung +1,0 „ 10°%oige Arabinoselösung 11,16 ccm, davon 2,5 cem reduzieren 37 mg Cu (abgel. 7,4ccm Perm.) 2,5 cem Zwischenflüssigkeit reduz. 34 „ „ Aus 2,5 ccm Zwischenflüssigkeit ver- schwunden Arabinose entsprechend 3 mg Cu Es sind also nur sehr geringe Mengen Arabinose aus der Zwischen- flüssiekeit verschwunden und in den Blutkörpern nachweisbar geworden. Die Arabinosekonzentration in den Blutkörpern beträgt Y/r—!/e der der Zwischenflüssigkeit. Nr. 6. 24. November 1913. 20 ccm Menschenblut (9,86 ccm Blut- körper und 10,14 ccm Serum) werden zentrifugiert, 5 ccm Serum durch 4 cem 0,9°/oige NaCl-Lösung und 1 cem einer 10 °o igen Arabinoselösung ersetzt; das Gemisch steht 1°/ı Stunden im Wasser- bade bei 35° und wird dann 25 Minuten zentrifugiert: 8 ccm Zwischenflüssigkeit werden entfernt, der Restbrei .durchgerührt. 2,5 ccm Zwischenflüssigkeit reduzieren 24,0 mg Cu (abgel. 4,1 ccm Perm.) 2,5 „ Blutkörperbrei & Brten ee O) Darin enthalten 0,45 ccm Zwischen- flüssigkeit, entsprechend. . „. .„ #4 ” ” Also 2,05 cem Blutkörper reduzieren 13,0 mg Cu 2,5 ” ” ” 15,9 ” ” 9,86 ” ” » 62,0 ” ” 5,14 ccm Serum +40 „ 0,9%oige NaCl-Lösung +10 ,„ 10%oige Arabinoselösung 10,14 cem gemischt. 484 Ernst Masing: Davon 2,5 ccm reduzieren . . . . 42 mg Cu (abgel. 7,1ccm Perm.) 2,5 „ Zwischenflüssigk.reduz. 24 „ „ Aus 2,5 ccm Zwischenflüssigkeit ver- schwunden Arabinose entsprechend 18 mg Cu Aus 10,14 ecm Zwischenflüssigkeit .. 77 „ „ Es ist also reichlich Zucker aus der Zwischenflüssigkeit ver- schwunden und zum grössten Teil in den Blutkörpern nachweisbar geworden. Das Teilungsverhältnis beträgt etwa 0,66. Nr. 14. 21. September 1913. 20 cem Menschenblut (8,87 cem Blutkörper und 11,13 ccm Serum) werden zentrifugiert, 5 ccm Serum durch 2 cem Ringer-Lösung und 3 cem einer 10°/oigen Lävuloselösung ersetzt; das Gemisch steht 2 Stunden bei Zimmertemperatur und wird dann 1!/a Stunde zentrifugiert. 5 ccm Zwischenflüssigkeit enth. 108 mg Lävulose (abgel. 19,4 ccm Perm.) 5 „ Blutkörperbrei ae 5 ro ee) 5 ,„ Blutkörper A 5 (berechnet) Prozent Lävulose in den Blutkörpern Prozent Lävulose in der Zwischenflüssigkeit Das Verhältnis war also = 0,27. Die nicht verarbeiteten Reste der Zwischenflüssigkeit und des Blutkörperbreis werden gemischt und stehen nach Zusatz einer Spur Natriumfluorid noch weitere 2 Stunden bei Zimmertemperatur; zentri- ° fugiert, 5 ccm Zwischenflüssigkeit enth. 92 mg Lävulose (abgel. 16,8 ccm Perm.) 5 „ Blutkörperbrei BR Ag A I =) 5 „ Blutkörper BAD F (berechnet) Das Teilungsverhältnis hat sich offenbar geändert, es beträgt 0,46; in der Zwischenflüssigkeit ist weniger, in den Blutkörpern mehr Zucker nachweisbar als 2 Stunden vorher. Nr. 15. 27. November 1913. Zu 13 ccm normalen Menschenblutes (6,41 ccm Blutkörper und 6,59 cem Serum) wird 1 cem einer 10 %/oigen Lävulose- lösung zugesetzt, gemischt, 1!/a Stunden bei 38° im Wasserbade ge- halten, dann Y/a Stunde zentrifugiert: 6,2 ccm Zwischenflüssigkeit und 7,38 cem Blutkörperbrei. 5 cem Zwischenflüssigkeit enth. 36,4 mg Lävulose (abgel. 5,8 ccm Perm.) 5 „ Blutkörperbrei DS 5 (re H Darin 0,8 ccm Zwischenflüssigk. 5,8 Also in 4,2 ccm Blutkörper 17,5 mg Lävulose ” » 5,0 e)] ” 20,8 ” » 5 cem Blutkörper haben demnach etwa 21 mg Lävulose auf- genommen; daraus ergibt sich als Teilungsverhältnis für die genannte ern Prozent Lävulose in den Blutkörpern 0.58 1 ee EEE ES RETERF TEE DEREN TEE EEE BIETER ETF, en . Prozent Lävulose in der Zwischenflüssigkeit / Über die Durchgängigkeit menschlicher Blutkörper für Zucker. 485 Nr. 16. 25. September 1913. Zu 5,5 ccm einer Suspension normaler Menschenblutkörper, die 4,67 ccm Blutkörper enthält, werden 4 ccm Ringer-Lösung und 1 ccm einer 10 °/oigen Lävuloselösung zugesetzt; die Mischung steht 2 Stunden im Wasserbade von 38°; !/s Stunde zentrifugiert: 5 cem Zwischenflüssigkeit und 5,5 ccm Blutkörperbrei. 5 cem Zwischenflüssigkeit enth. 50,1 mg Lävulose (abgel. 9,5 ccm Perm.) 5 „ Blutkörperbrei ale a (ER) Darin 0,75ccmZwischenflüss.mit 7,5 „ 5 Also in 4,25 cem Blutkörp. enth. 29,0 mg Lävulose ” ” 5,0 ”. ” ” 34,1 ” ” 5 ccm Blutkörper haben demnach in 2: Stunden bei Körper- temperatur 34 mg Lävulose aufgenommen. Das Teilungsverhältnis Prozent Lävulose in den Blutkörpern Een: — N Prozent Lävulose in der Zwischenflüssigkeit Nr. 17. 20. Juni 1913. Normales Menschenblut (45,3 °o Blutkörper und 54,7 °/0 Serum). 25 cem zentrifugiert, 5 ccm Serum durch 5 cem 10 Y/oiger Saccharoselösung ersetzt, gemischt, 20 Minuten bei Zimmertemperatur gestanden, 30 Minuten zentrifugiert. 10 ccm Zwischenflüssiskeit abpipettiert, auf 50 ccm verdünnt, enteiweisst mit kolloidalem Eisenhydroxyd. Das Filtrat gibt in einer 18,9 cm langen Röhre eine Drehung von + 0,86° (Durchschnitt von sechs Ablesungen). 4 ccm derselben Zuckerlösung und 6,96 cem Serum (das Ver- hältnis der Mengen ist genau dasselbe wie oben) werden gemischt und wie oben weiter behandelt. Das Filtrat gibt eine Drehung von + 0,89 °, Durch die Gegenwart von Blutkörpern ist die Drehung also nur um 0,05° geringer geworden, was wohl noch in die Fehlergrenzen fällt. — Rohrzucker dringt also unter den angegebenen Bedingungen nicht merklich in menschliche Biutkörper ein. Ein zweiter Versuch mit demselben Blut gab das gleiche Resultat. 21. 27. September 1913. Normales Menschenblut. Zu 10 cem wird 1 cem einer 10°/oigen Milchzuckerlösung zugesetzt; gemischt, 2 Stunden im Wasserbade von 38° gehalten, dann zentrifugiert: 6 ccm Zwischenflüssigkeit und 5 ccm Blutkörperbrei. 5 cem Zwischenflüssigkeit enth. 64,8 mg Laktose (abgel. 9,3 ccm Perm.) 5 „ Blutkörperbrei DEN EDER Rn sa) Da der Blutkörperbrei noch etwa 10°o Zwischenflüssigkeit ent- hielt, so ist der überwiegende Teil seines Zuckergehalts durch die Zwischenflüssigkeit gedeckt. Auch bei Körpertemperatur lassen sich also nach 2 Stunden keine merklichen Mengen von Milchzucker in menschlichen Blutkörpern nachweisen. 486 E. Masing: Über die Durchgängigkeit menschl. Blutkörper für Zucker. Nr. 22. 23. November 1913. Menschenblut, das in 20 ccm 9,86 cem Blut- körper und 10,14 cem Serum enthält. — 20 ccm werden zentrifugiert, 5 cem Serum durch 2 ccm einer 10°/o igen Maltoselösung und 3 cem einer 0,9 %/o igen Nall-Lösung ersetzt; gemischt, 1%/ı Stunden im Wasser- bade bei 38° gehalten, zentrifugiert: 9 ccm Zwischenflüssigkeit und 11 cem Blutkörperbrei. 5 ccm Zwischenflüssigkeit enth. 77 mg Maltose (abgel. 7,9 cem Perm.) 5 „ Blutkörperbrei a a Be ee 0,0 u) Darin etwa 0,5 ccm Zwischen- Hüssickeitewr. 20 m a len a Der Zuckergehalt des Blutkörperbreies ist also durch den der Zwischenflüssigkeit gedeckt. 5,14 cem Serum +2,0 ,„ 10°oige Maltoselösung +3,0 „ 0,9oige NaCl-Lösung 10,14 cem gemischt, davon 5 ccm enth. 78 mg Maltose (abgel. 8 ccm Perm.) 5 cem derZwischenflüssigkeit enthalten 77 „ 5 Also ist aus der Zwischenflüssigkeit kein Zucker an die Blut- körper gegangen. Nachtrag. Die Abfassung dieser Abhandlung hat sich aus äusseren Gründen beträchtlich verzögert; ich habe beim Niederschreiben zu meinem Bedauern übersehen, das Kozawa unterdessen aus dem physio- logischen Institut zu Kiel im 60. Bande der Biochemischen Zeit- schrift unter dem Titel „Artdifferenzen in. der Durchlässigkeit der roten Blutkörperchen“ über hämatokritische Versuche berichtet hat, die den meinigen sehr ähnliche Ziele verfolgten. Kozawa findet unter anderem, dass menschliche Blutkörperchen in isotonischen Lösungen der einfachen Zucker anschwellen, nicht dagegen in Lösungen von Disaechariden; er schliesst daraus auf Permeabilität für die ersteren und Impermeabilität für die letzteren. Unsere Resultate stimmen also durchaus überein, eine Differenz besteht nur in bezug auf die Rhamnose, die nach Kozawa nicht eindringt; vielleicht liegt das an der Verschiedenheit der benutzten Präparate. Aus Kozawa’s Zahlen lässt sich ferner ableiten, dass die einfachen Zucker verschieden schnell eindringen, wenn auch Kozawa diesen Schluss selbst nicht zieht. 487 (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskopische Bild der Glandula submaxillaris des Hundes. Von Dr. med. vet. Hans Hitzker (Wien). (Hierzu Tafel VII.) I. Problemstellung und Vorgeschichte. Die Innervationsweise aller doppelt versorgten Organe des Tier- körpers bietet eine Reihe interessanter physiologischer Probleme. Von diesen ist die Frage der Innervation cdoppelseitig versorgter unpaariger Eingeweide, und zwar zunächst die Wechselwirkung der beiden Vagi auf das Herz durch A. v. Tschermak!) bereits ein- gehend behandelt worden. Die anscheinend analoge Beziehung beider Nervi depressores befindet sich eben in Bearbeitung. Nicht minder interessant ist aber die Frage nach den Beziehungen, welche zwischen zwei zu einem gemeinsamen Erfolgsorgan führenden Nervenleitungen derselben Seite bestehen. Eine Doppelversorgung solcher Art — und zwar seitens einer autonomen oder parasympathischen und einer sympathischen Leitung — weisen bekanntlich die meisten, nach der Vermutung mancher Autoren alle Eingeweide auf. Es gilt dies sowohl von den unpaarigen als von den paarigen. Das Verhältnis jener Leitungen ist in zahlreichen Fällen ein wahrhafter oder wenigstens ein scheinbarer Antagonismus, im Sinne von Förderung und von Hemmung. Das so geartete Verhältnis zwischen den auto- numen Nervi inhibitores und den sympathischen Nervi augmentatores des Blutherzens ist bereits mehrfach untersucht worden (speziell von J. Baxt, L. Asher u. a.). Ein gleiches gilt von den autonomen und den sympathischen bzw. den Förderungs- und den Hemmungs- 1) Vgl. speziell die jüngste zusammenfassende Darstellung A. v. Tschermak’s Die Lehre von der tonischen Innervation. Wiener klin. Wochenschr. 27. Jahrg. Nr. 13 (vom 26. März 1914) S. 309—314 spez. 312. 1914. 488 Hans Hitzker: nerven, welche die Leistungen der Muskulatur der Baucheingeweile beeinflussen!). Bei der autonomen Versorgung kommt überdies eine weitere Doppelnatur in Frage, die Scheidung eines den Tonus beeinflussenden Systems, welches durch den Meissnerschen Plexus wirkt, und eines die Peristaltik beeinflussenden Systems, des so- genannten Enteriesystems via Auerbachplexus (Bayliss, Starling, Cushny, Langley). Auch das Verhältnis der beiden Inner- vationsleitungen der Blutgefässe, ebenso der Niere (L. Asher und W. Jost) hat bereits Untersuchung gefunden. Andererseits ist jedoch für die Speicheldrüsen ein Verhältnis der autonomen und der sympathischen Leitung bekannt, welches — wenigstens in gewisser Hinsicht — als ein synergisches bezeichnet werden muss. Speziell an der Unterkieferspeicheldrüse äussert sich eine Wechselbeziehung der autonomen Fasern des N. facialis bzw. der Chorda tympani und der sympathischen Leitung, welche aus der oberen Hälfte des Brustmarkes in den Grenzstrang und in den Plexus caroticus emporsteiet, in einer Beeinflussung sowohl der Quantität als der Qualität des Speichels?). Einmal ruft gleichzeitige sehr schwache Reizung beider Leitungen eine stärkere Sekretion hervor, als nach dem Ergebnis der Reizung jedes einzelnen Nerven zu erwarten wäre (Langley°), während bei stärkerem Faradisieren Minderung des Speichelflusses eintritt ®). 1) Die Doppelinnervation der Skelettmuskeln ‚der Arthropoden, speziell der Crustaceen, ist von W. Biedermann, R. Mangold, P. Hoffmann als Ein- richtung zu einer peripheren Interferenz von Erregung und Hemmung erkannt worden (vgl. speziell P. Hoffmann, Über die doppelte Innervation der Krebs- muskeln. Zugleich ein Beitrag zur Kenntnis nervöser Hemmungen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 63 S. 411—442. 1914). 2) Eine vorzügliche Darstellung der einschlägigen Literatur gibt B.P.Babkin in seinem Werke: „Die äussere Sekretion der Verdauungsdrüsen“ spez. S. 54—59. Springer, Berlin 1914. 8) J. N. Langley, On the physiology of the salivary secretion. Part I. Journ. of pbysiol. vol. 1 p. 102. 1878, and Part V. vol. 10 p. 316. 1889. Vgl. auch Schäfer’s Textbook of physiol. vol. 1 p. 506. 1898. 4) Zuerst von J. Özermak (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d, Wiss. Bd. 25 S. 3. 1857) beobachtet und im Gegensatz zu den Nachuntersuchern (Eckhard, Heidenhain, Langley) als wahre Hemmung gedeutet. Eine analoge Be- einträchtigung der vom N. auriculotemporalis her ausgelösten Sekretion der Parotis durch Sympathicusreizung haben N. A. Mislawsky und A. E. Smirnow beobachtet (Zur Lehre von der Speichelabsonderung. Arch. f. [Anat. u.] Physiol. 1893 Suppl. S. 29—39). Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskop. Bild ete. 489 Zudem begünstigt schon eine ganz kurzdauernde vorangeschickte Reizung der Chorda den Sekretionseffekt einer nachfolgenden Sym- pathieusreizung ausserordentlich („augmented secretion“ nach Lang- ley!). Diese Einflussnahme ist nicht als eine indirekte, vasomoto- risch vermittelte zu deuten, sondern besteht nach Langley in einer von der Chorda her bewirkten „Steigerung der Erregbarkeit der Drüsenzellen“. Andererseits führt längerdauernde Reizung der einen Leitung dazu, dass nicht bloss während dieser Reizung das Sekret allmählich an festen Bestandteilen verarmt, sondern auch nachfolgende Reizung. der anderen Leitung ein in diesem Sinne abgeändertes Sekret liefert (Heidenhain)?). Analoges wie für die beiden Bahnen zur Glandula submaxillaris gilt von jenen zur Parotis bzw. vom N. Jacobsoni und vom Halssympathieus (Heidenhain)?) Hier steigt bei gleichzeitiger Reizung der Gehalt an festen bzw. orga- _ nischen Substanzen sehr deutlich an. Die kurz angeführten Literaturangaben präludieren dem Spezial- problem, welches diese Untersuchung verfolgt — der Frage, ob die beiderlei Nervenleitungen an der Glandula sub- maxillaris dieselben Drüsenzellen versorgen, oder ob eine regionale bzw. cellulare Scheidung im Erfolgs- organ besteht. Gewiss legen schon die referierten Befunde eine Antwort im ersteren Sinne nahe; glaubte doch schon Heiden- hain*) aus seinen eigenen Beobachtungen die These ableiten zu können, dass die beiden Nervenleitungen an denselben Drüsenzellen endieen, dass jedoch den beilen Leitungen verschiedene Qualität zukomme. Und zwar sollte die eine vorwiegend in der Chorda ent- haltene Faserart — als „sekretorisch“ bezeichnet — die Absonde- rung von Wasser und Salzen veranlassen, die andere vorwiegend im Sympathicus vertretene — als „trophisch“ bezeichnet — die Aus- scheidung organischer. Substanzen hervorrufen. Volle Sicherheit 1) J. N. Langley, On the physiology of the salivary secretion. Part V. Journ. of. physiol. vol. 10 p. 291. 1889. 2) R. Heidenhain, Studien aus d. physiol. Institut zu Breslau. Heft 4 S. 73. 1868; Hermann’s Handb. d. Physiol. Bd.5 T.1 S. 48. 1883. 3) R. Heidenhain, Pflüger’s Arch. Bd. 17 S. 29. 1878. 4) R. Heidenhain, Studien aus dem physiol. Institut zu Breslau Heft 4 S. 1. 1868; Pflüger’s Arch. Bd. 17 S.1. 1878 (vgl. auch die Angabe S. 28 über anscheinend gleichmässige Veränderung der Parotiszellen bei Sympathicus- reizung); Hermann’s Handb. d. Physiol. Bd.5 T.1. 1883. 490 Hans Hitzker: war jedoch in dem oben formulierten Problem — von der neurologisch- anatomischen Spezialfrage ganz abgesehen, ob Heidenhains weitergehende hypothetische Unterscheidung von sekretorischen und trophischen Fasern haltbar ist — bisher nicht zu gewinnen. Eine Entscheidung über jenes Problem erscheint um so wünschenswerter, als sich — wie später eingehender zu erörtern sein wird — bedeut- same Konsequenzen aus der Sicherstellung einer gemeinsamen Endigungsweise an denselben Drüsenzellen ergeben würden. Ich meine speziell den Wahrscheinlichkeitsschluss auf Nicht-Identität, ja spezifische Verschiedenheit des nervösen FErregungsvorganges iu der autonomen und in der sympathischen Leitung (wenigstens im Durchsehnitt). Eine siehere Entscheidung der obigen Frage vermag nun die mikroskopische Untersuchung zu liefern, für welche die von Heiden- hain begründete klassische Differenzialdiagnose von Ruhe und Tätigkeit bzw. Reizungszustand nach dem zytologischen Bilde die Ausgangsbasis darbietet. Es erscheint überflüssig, hier eine ausführ- liche Übersicht der Entwicklung, welche die funktionelle Mikroskopie der Drüsen seither genommen hat, zu geben. Es genüce, auf die bezüglichen zusammenfassenden Darstellungen von Oppel!), Noll?), Metzner?) zu verweisen und später auf einige Spezial- arbeiten) Bezug zu nehmen, welche Detailfragen meines Themas berühren. Gleich hier sei auf eine ältere Untersuchung hingewiesen, welche zwar vom Gesichtspunkte der allgemeinen Strukturänderung bei Sekretion unternommen wurde, jedoch bereits eine Verwertung für das oben bezeichnete Problem gestattet. Mislawsky und Smir- 1) A. Oppel, Lehrb. d. vergl. mikroskop. Anat. Bd. 3: Mundhöhle, Bauch- speicheldrüse und Leber. Jena 1900. 2) A. Noll, Die Sekretion der Drüsenzellen. Ergebn. d. Physiol. Jahrg. 4 S. 108. 1905. Vgl. auch seine Abhandlung: Das Verhalten der Drüsengranula bei der Sekretion der Schleimzellen und die Bedeutung der Giannuzzi’schen Halbmonde. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 1902 S. 166. 3) R. Metzner, Die histologischen Veränderungen der Drüsen bei ihrer Tätigkeit. Nagel’s Handb. der Physiol. Bd. 2 Taf. 2 S. 899—1022, speziell Ss. 899—962. 1907. 4) Unter diesen sei hier speziell H. Held’s Untersuchung hervorgehoben: Beobachtungen am tierischen Protoplasma. I. Drüsengranula und Drüsenproto- plasma. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899 S. 284—312. Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskop. Bild ete. 491 now!) untersuchten nämlich die mikroskopische Veränderung der Parotis nach alleiniger Reizung (durch 1!/s Stunden) des autonomen N. aurieulotemporalis oder des Halssympathicus oder nach gleich- zeitiger Reizung beider Leitungen. Sie fanden, äbnlich wie bereits Heidenhain°), in allen drei Fällen eine anscheinend gleichmässige Veränderung im Drüsenquerschnitt, was den Schluss auf Endigung beider Leitungen an denselben Zellen gestattet. Diese Vorarbeit liess eine detaillierte Untersuchung des wesentlich neurologisch- physiologischen Problems an der Submaxillaris, zumal angesichts ihres komplizierten Baues, keineswegs überflüssig erscheinen. Nach dem Vorschlage von Professor Dr. A. v. Tschermak, welcher mir das bezeichnete Problem stellte, beschränkte ich mich auf die Untersuchung des mikroskopischen Bildes der Unterkiefer- speicheldrüse des Hundes nach längerdauernder Reizung entweder der Chorda oder des Halssympathieus oder beider Leitungen in Ver- eleich mit der ruhenden Drüse, speziell jener der anderen Seite am gleichen Tiere. | II. Methodik und Material. Zur Untersuchung wurden 13 Hunde verwendet, an denen in mässig tiefer Morphium-Chloroformnarkose eine Kanüle in den Duetus Warthonianus eingesetzt und die dem Trigeminus III bzw. N. lingua- lis angelagerten Chordafasern an der Schädelbasis durchtrennt bzw. an ihrem Abgange von N. lingualis freigelegt waren. Der beim Hunde mit dem Vagus verwachsene Sympathieus war tief unten am Halse durchtrennt und wurde entweder vereint mit dem afferenten Vagus (in zwei Fällen, Nr. 2 und 4) der Reizung unterworfen oder inso- fern isoliert verwendet, als etliche Zentimeter (4,5 bis 9) oberhalb der Durchschneidungsstelle (bzw. lateral neben dem Kehlkopfe) die sympathische Hülle des N. vagus sorgfältig der Länge nach auf- geschlitzt und der eingeschlossene N. vagus allein durchtrennt wurde. Nach dieser von A. v. Tschermak°) vielfach verwendeten Methode 1) N. A. Mislawsky uud A. E. Smirnow, Zur Lehre von der Speichel- absonderung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1893 Suppl. S. 29—39. 2) R. Heidenhain, a.a.0. S. 28. 1878. 3) Vgl. die Studien von A. v. Tschermak: Über das Vikariieren der beiden Herzvagi. Monatschr. f. Psychol. und Neurol. Bd. 26, Ergänzungsheft (Festschr. f. P. Flechsig) 1909 S. 312—325, und Über bioelektrische Äusserung des Vagustonus. Pflüger’s Arch. Bd. 136 S. 692—711. (Festschrift für IsHlenime). 191. 492 Hans Hitzker: wurde in acht Fällen eine isolierte Reizung des Halssympathieus ohne Vagus erreicht. Zur Sicherung vor Komplikationen, speziell vor einer etwaigen reflektorischen Miterregung der Chorda bei Reizung des Hals- sympatbieus, wurde mehrfach der zweite, nicht zur Reizung be- stimmte Nerv gleichfalls durchtrennt. Die Reizung geschah mittelst Reizröhre; sie war durchwegs eine faradische und wurde stets 2 Stunden fortgesetzt. Es kam ein Induktorium (nach du Bois oder der Normalapparat nach Kroneceker) mit drei Daniell’schen Elementen zur Anwendung. Der Rollenabstand betrug zunächst 15 em und wurde im Laufe des Versuches allmählich, um je 0,5 em vorrückend, bis auf 0 cm ver- mindert. In den Fällen von gleichzeitiger Reizung von zwei Nerven- leitungen waren die Reizröhren hintereinander geschaltet. Die nachstehende Tabelle (S. 493) gibt eine Übersicht des Versuchsmaterials. Der in den einzelnen Versuchen gewonnene Speichel zeigte die typische Qualität, speziell der Chorda- und der Sympathieusspeichel die zuerst von Eckhard!) festgestellte Differenz. _ Erinnert sei ferner daran, dass der Sympathieusspeichel beim Hunde erheblich reicher ist an Trockensubstanz (3,130 gegen 1,47%) bzw. an organischen Substanzen (2,43% gegen 0,700), wenig ärmer an Salzen (0,71 °/o gegen 0,77 °/o) als der Chordaspeichel?). Bei lang- dauernder Reizung sinkt in beiden Fällen der Gehalt an organischen Bestandteilen, so dass der Sympathicusspeichel schliesslich dem chordalen Anfangsspeichel sehr ähnlich wird °). Nach dem Versuche wurden beide Unterkieferspeicheldrüsen vorsichtig herausgenommen, mit einem Rasiermesser zerschnitten und die gewonnenen Stücke teils in Flemming ’scher Lösung, teils in Sublimat und Pikrinsäure, seltener in Formolalkohol fixiert. Zur Färbung kam einerseits Hämatoxylin-Eosin, andererseits Hämatoxylin- Eisenlack nach Heidenhain in Verwendung. Zur Untersuchung gelangte eine grosse Anzahl von Schnitten, ohne dass vollständige Serien hergestellt wurden, was übrigens, wie das Resultat lehrte, überflüssig gewesen wäre. 1) €. Eckhard, Über die Unterschiede des Trigeminus- und Sympathicus- speichels der Unterkieferdrüse des Hundes. Eckhard’s Beitr. Bd. 2 S. 205. 1860. 2) J. N. Langley, On the physiology of the salivary secretion. Part IV. Journ. of physiol. vol. 9 p. 59. 1888. 3) R. Heidenhain, a. a. O. H.4 S. 65. 1868. 493 Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskop. Bild etc. ua}IaL[UsT SIOp FSunziay „S“ SunuypIazag en rn Noß'e) Neßtellen AHRSALHOTWUANSAT SCAN SAHHRTÄNÄTSTHE n Nop'aE ker) BERESSET | °| Se "sS018 Ppu9l -nopaq IsnIq “1 3 asnıq op +y91MIH aeıy “Sıssnguunp pw qnıy yqora] “OLp quay Iqora] ‘QD1p popru Jejy Sıssnguunp any Flo] "IDIP ae “Sıssnguunp 19PTW ana? 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Resultate der mikroskopischen Untersuchung. Die Beurteilung des mikroskopischen bzw. zytologischen Bildes bei Reizung der einen oder der anderen oder beider Nervenleitungen der Glandula submaxillaris hat mit der Komplikation zu rechnen, dass diese Drüse beim Hunde — ähnlich wie beim Menschen — als eine zusammengesetzte zu bezeichnen ist. Es finden sich nicht bloss sogenannte Giannuzzi’sche Halbmonde oder Lunulae, d.h. ver- einzelte sogenannt seröse Zellen an den sonst sogenannt muköse Zellen führenden Alveolen (mit relativ grossem Durchmesser und relativ weiter Lichtung), sondern daneben kommen Endstücke vor, weiche vorwiegend, ja sogar ausschliesslich aus sogenannt serösen Zellen bestehen (mit relativ kleinem Durchmesser und enger Lichtung). Die Submaxillaris erscheint also sowohl zellular wie regional „zu- sammengesetzt“. Eine qualitative Sonderstellung jener Endstücke wie auch der Halbmonde, also die Unterscheidung von zwei ge- trennten Zellarten im Sinne von V. v. Ebner’s Spezifizitätstheorie ?) — nämlich von mukösen oder Schleimzellen und von serösen oder Eiweisszellen — ist heute wohl allgemein angenommen°), während die Heidenhain’sche Auffassung der Halbmonde als nachrückende Ersatzzellen (Ersatztheorie) sowie die einfache Gleichsetzung der Halbmondzellen mit entleerten Schleimzellen (Phasentheorie von Hebold und Stöhr) als aufgegeben bezeichnet werden können ®). 1) Diese entsprechen dem von J. Bermann (Über die Zusammensetzung der Glandula submaxillaris aus verschiedenen Drüsenformen und deren funktionelle Strukturveränderungen. J. Staudinger, Würzburg 1878) beschriebenen soge- nannt schlauchförmig- zusammengesetzten Teil der Drüse. Vgl. auch G. Illing, Vergleichende makroskopische und mikroskopische Untersuchungen über die submaxillaren Speicheldrüsen der Haussäugetiere. Anat. Hefte (I.) Bd 26 H. 2/3 1904 und Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Histologie der Speichel- drüsen. Die mandibularen (submaxillaren) Speicheldrüsen des Affen. Anat. Hefte (I.) Bd. 34 H. 102. 1907. 2) V. v. Ebner, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 8. 1872; Koelliker’s Hand- buch der Gewebelehre, 6. Aufl., Bd. 3 1. H. S. 50—64. Leipzig 1899. 3) Die Lehre v. Ebner’s wurde bestätigt von Langley (Proc. Roy. Soc. vol. 40 p. 362, 1886 und Journ. of physiol. vol. 10 p. 433. 1889), Solger (Fest- schrift f£ Gegenbaur S. 234. Leipzig 1896), Küchenmeister (Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 46 8. 621. 1895), Ranvier (Journal de micrographie vol. 8. 1884, und vol. 12. 1888), Mislawsky und Smirnow (Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 9. 18%). Vgl. die ausführliche Literatur bei A. Oppel (a. a. O. 1900). 4) Wohl aber betont V. v. Ebner (in Übereinstimmung mit F, Hermann, Anat. Anz. Bd. 2. 1837) die Notwendigkeit, zu unterscheiden zwischen echten serösen “ Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskop. Bild ete. 495 Bezüglich der Entwicklung dieser Frage sei auf v. Ebner’sgrundlegende Darstellung sowie auf Oppel, Noll und Metzner verwiesen. Hier sei nur daran erinnert, dass die serösen Zellen durch feinere, stärker färbbare, diehter liegende Granula‘), durch ovale Form ihres _ wenigstens bei Ruhe zentral gelegenen Kernes und durch den Besitz von zierlichen inter- oder auch intrazellularen Sekretkapillaren 2) ausgezeichnet sind, mögen diese auch keinen absolut regelmässigen Zellen (körniges Plasma, Kern kugelig mit zartem Chromatinnetz) und bloss sekretentleerten mukösen Zellen (Plasma nicht körrig, sondern mehr netzig- streifig bei relativ weitem Lumen). Die letzteren stellen blosse Zustandsphasen der Schleimzellen dar, für sie gilt die Phasentheorie Stöhr’s. Vgl. auch die Einschränkungen bei A. Noll (Ergebn. d. Physiol. Jahrg. 4 S. 108. 1905) und bei R. Metzner (Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 2 2.H. S. 953. 1907). 1) Granulastudien an der Gl. submaxillaris sind speziell von Langley, Altmann, Solger, Ranvier (Compt. Rend. t. 118. 1894), E. Müller (Zeit- schrift f. wiss. Zool. Bd. 64. 1898), Mislawsky und Smirnow, H. Held, Maximow (Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 58 S. 1. 1901), Noll (Arch. f. [Anat, u.] Physiol.) Suppl. 1902), Metzner (a. a. ©. 1907 S. 942 ff.) unternommen worden. Die mukösen Zeilen besitzen relativ grosse, matte, schwach licht- brechende Granula, welche aus nicht schleimhaltigen, meist fuchsinophilen Protoplasmakörnern hervorgehen und. eine Reihe von Entwicklungsstufen er- kennen lassen, speziell eine Phase beginnender Schleimreaktion und ein Schluss- stadium des ausgebildeten Mucingranulums. Neben diesen finden sich beispiels- weise in den Schleimzellen der Submaxillaris der Katze noch andersartige Granula (Metzner, a. a. ©. 1907 S. 1024, spez. Fie. 10 u. 11), ferner in den Zellen der Submaxillaris des Kaninchens neben schwächer oder stärker licht- brechendez Granula noch Ringgranula mit einer stärker lichtbrechenden Schale um einen matteren Kern (Held, a. a. O. 1899). Die Zellen der Giannuzzi- schen Halbmonde bzw. die serösen Zelles zeigen kleinere, dunklere, stärker lichtbrechende Granula (mit Ye —!/3 der Grösse jener der mukösen Zellen — Langley, Journ. of physiol. vol. 10 p. 440. 1889; Solger, Festschr. f. Gegenbaur S. 234. Leipzig 1896; A. Noll; R. Metzner, a. a. O. S. 942. 1907). Daneben sind im intergranularen Protoplasma, speziell in der Umgebung des Kernes, noch kleinste dunkle Körnchen vorhanden (E. Müller, Held, Noll, Metzner) Noll findet die Granula der Halbmonde nicht gleich aus- sehend mit den Granula der Eiweissdrüsen, sondern viel kleiner und dunkler. 2) Dieselben wurden speziell studiert von Ramon y Cajal (1839), Retzius (1892), R. Krause (Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 45 S. 95. 1895 und Bd. 49 S. 707. 1897), Küchenmeister (Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 46 S. 621. 1895), Garnier (1893), Erik Müller (1893), Laserstein (Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 417. 1894), K. W. Zimmermann (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 52 S. 552. 1898). Vgl. die detaillierten Angaben bei Oppel (a. a. O. 1900), ferner bei R. Metzner (a. a. O. 1907 S. 950 £t.). 496 Hans Hitzker: und dauernden Besitz bedeuten. Nebenbei hat die histologische Untersuchung noch Rücksicht zu nehmen auf die niedriges Epithel aufweisenden Schaltstücke zwischen den Alveolen und den Speichel- röhren, sowie auf die letzteren, deren Zellen durch den apicalen Cuticularsaum einerseits, durch die basale faserige Streifung bzw. Stäbehenbildung andererseits charakterisiert sind. Im stützenden Bindegewebe zwischen den Drüseneängen sind Waldeyer’sche P’lasmazellen und eventuelle Wanderzellen bemerkenswert — neben ‚len Bauelementen der Blut- und Lymphgefässe, sowie der Nerven- leitungen. IV. Eigene mikroskopische Befunde. Zur Untersuchung, welche ausschliesslich fixierte und gefärbte Präparate betraf, gelangten, wie der Tabelle auf S. 493 zu entnehmen ist, 26 Unterkieferdrüsen von 13 Hunden, und zwar 11 ungereizte Drüsen, 5 von der Chorda her gereizte (darunter 1 bei gleichzeitigem Durehtrenntsein des Vagosympathieus), 7 vom Sympathieus her ge- reizte (darunter 2 vom Vagosympathicus aus, 5 vom isolierten Sympathieus aus, und zwar 2 bei gleichzeitigem Durchtrenntsein der Chorda), endlich 3 von Chorda und Sympathiecus aus gereizte Drüsen. Im folgenden sei ein ganz kurzer Auszug aus den einzelnen Beobachtungsprotokollen gegeben. Hund Nr.1. A. Ungereizte Drüse. Muköse Zellen deutlich, aber mässig dieht granuliert und zwar relativ grob, mässig sekreterfüllt, Kerne wandständie, nicht stark abgeplattet. Seröse Zellen wohl unterscheid- bar von mukösen, deutlich und ziemlich dicht feingranuliert, Kern oval, mittelständig mit deutlichen Chromatinklumpen. Bei Fixierung nach Flemming Granulierung deutlicher als nach Fixierung mit Sublimat-Pikrinsäure; speziell ergibt im letzteren Falle die Färbung mit Hämatoxylin-Eosin eine mehr diffuse Tinktion des Plasmas der serösen Zellen. B. Von der Chorda her gereizte Drüse. Schleimalveolen bzw. muköse Zellen in Schwellung begriffen, Granulierung vermindert, Plasma wabig, Kern wandständig, stark abgeplattet. Seröse Zellen sehr deutlich unterscheidbar von mukösen, sehr deutlich und dicht sranuliert und zwar deutlicher und anscheinend dichter als in der ruhenden Drüse, Kerne gut gefärbt, zum Teil basal gelegen. Über den Einfluss der Nervenleitungen auf das mikroskop. Bild etc. 497 Hund Nr. 2. A. Ungereizte Drüse wie bei Nr.1. Granulierung der mukösen Zellen bei Formol Alkohol-Fixierung weniger deutlich als bei Flemming- Fixierung. Granulierung der serösen Zellen gleichwohl deutlich. B. Vom Vagosympathieus her gereizte Drüse. Schleimalveolen bzw. muköse Zellen in Schwellung, Granulierung vermindert, Plasma wabig, Kern wandständig, mässig abgeplattet, gut tingierbar. Unter- schied der serösen Zellen gegen die mukösen vermindert. Volumen der serösen Zellen anscheinend verkleinert, ihr Plasma aufgehellt, weniger granuliert, Kerne der serösen Zellen, speziell der Halbmonde, aber auch wenigstens eines Teiles der reinserösen Endstücke deutlich weniger tingierbar, wie ausgeblasst, zum Teil wandständig, zum Teil etwas abgeplattet und etwas eckig. Hund Nr. 3. A. Ungereizte Drüse. Schnitte auffallend reich an deutlich unterscheidbaren serösen Zellen bzw. an Halbmonden und noch nıelhr reinserösen Alveolen, stellenweise ganze Läppchen nur aus solchen. Granulierung der mukösen Zellen bei Heidenhain-Färbung trotz Formol-Alkohol-Fixierung sehr deutlich, minder distinkt jene der serösen Zellen. Reichliches Vorhandensein von Wanderzellen zwischen den Alveolen). B. Vom isolierten Sympathieus her gereizte Drüse. Ganz auf- fallender Unterschied — doch wohl mitbedingt durch zufällige prä- existente Differenz — gegen die ungereizte Drüse infolge sehr starken Hervortretens der in starker Schwellung begriffenen, fast eranula- freien mukösen Alveolen bzw. Zellen mit wandständigen, abgeplatteten Kernen. Unterschied der serösen Zellen gegen die mukösen erheblich vermindert, ja stellenweise fast oder ganz unmerklieh. Manche seröse Zellen zeigen so weit aufgehelltes, an Granula verarmtes Plasma, dass sie nur mehr an dem meist noch ovalen Kern diaenostizierbar sind. Allerdings ist dieser in einzelnen Zellen eckig und wandständig. Hund Nr. 4. A. Von der Chorda her gereizte Drüse. Schwellung der mukösen Zellen sehr beträchtlich. Lumen der Schleimalveolen weit, Plasma 1) Dieser Befund bestätigt die von R. Heidenhain, Ph. Stöhr, R. Krause, Garnier, Mislawsky und Smirnow übereinstimmend gemachte Angabe, dass sich bei lange anhaltender Tätigkeit in dem Zwischengewebe der Alveolen und Läppcheun mehr oder weniger grosse Mengen von Wanderzeilen ansammeln. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159, 39 498 Hans Hitzker: der Schleimzellen granulaarm, grobmaschig. Halbmonde und seröse Endstücke spärlich, doch sehr deutlich als dunkler tingierbar und dicht granuliert (besonders in Flemming-Präparaten) unterscheid- bar. Seröse Zellen anscheinend vererössert, eventuell auseinander- gezogen infolge Schwellung der Schleimzellen. B. Vom Vagosympathieus aus gereizte Drüse. Mässige Schwellung der mukösen Drüsen und Erweiterung des Lumens. Seröse Zellen aufgehellt, spärlicher granuliert, Kerne weniger tingierbar, zum Teil eckig. Hund Nr. 5. A. Ungereizte Drüse. Muköse Zellen ziemlich dicht granuliert, Kerne teilweise wandständig und platt, teilweise mehr rund und etwas von der Wand abgerückt. Seröse Zellen relativ dunkel tingier- bar, dicht granuliert; Kerne gut färbbar, oval. B. Vom isolierten Sympathieus aus gereizte Drüse. Muköse Zellen in Schwellung, doch noch mit gut erkennbaren Granula, ihre Kerne nicht maximal platt. Die serösen Zellen und Endstücke treten wenig hervor; die meisten erscheinen kleiner, ihr Plasma aufgehellt, mehr homogen, ohne Granula, der Kern weniger färbbar. Andere seröse Zellen lassen keine Veränderung erkennen. Hund Nr. 6. A. Ungereizte Drüse. Granulierung der mukösen Zellen und der serösen deutlich, Kerne der ersteren wandständig. Auch sonst wie typische ungereizte Drüse. B. Von Chorda und isoliertem Sympathieus her gereizte Drüse. Hochgradig verändertes Drüsenbild. Umfang der mukösen wie der serösen Endstücke vergrössert. Schwellung beider Zellarten, Lumen auffallend weit. Plasma der mukösen Zellen fast granulafrei, wabig, stellenweise erobe Vakuolen aufweisend — ja zu einer Blase zer- flossen; Kerne maximal platt, wandständig. Seröse Zellen zum Grossteil aufgehellt und 71) 8061 PIO 'TZ 01 v60 | +220 y 408 4 C9L iz: G1e ni Co ol 9 2 ge 806L’PIO '83 Er 61 | a0 | vw A | 6.68 Al 8.68 co 98 gi "ds 3 ID) = a vg88 4 gl 80€ g28 8.08 d 3.49 &8 Fe! el v.80 | 4 Fo x £08 vo 8.68 ed 0.98 co 1.29 rl Sea = v760 | + 60 4 58 4 & rL3 iz 886 01 3,08 oL de = 660 | +920 x 998 7 8 gg LE GE 01 cr79 gg ne egl 8T — | a — 18 4 gel 09 Is 08 co &L Mi ran 81 v.60 | +80 vie zn 08 68 L& 60 8G LG PL | 806L MIO '83 Do wu wuı bie wu ‚198 e "298 Bin ug 1) waZ .) woZ = woZ ug 179) un k a anyered | m Fr yonsıo A -wo], 20) 59 u) uorgeayuoy] wg Sunppigqaune A wg anyerodwo]L, uoryeyuoyy A9p nwıxe ae A9Pp WNWIXeN Hp WNWIXEIN a9p WNWIXEN] "STOYSNULIOJULAM SOP OAAINYSUOHJENUOy Anz stugfey.rA Wr Zunpjigounea pun ınyerodus I9p BUIXEeR (“anyessdusa], 9A9PaLN) "N 21I94®L 533 J. Bernstein: beim Maximum der Temperatur Os, und Maximum der Wärme- bildung Cw.. gemessen und ihre Lagen auf der Crescente mit 4 auf der Deerescente mit x bezeichnet. Endlich wurden auch die Quotienten aus diesen Höhen und dem Maximum der Kontraktion — und FE berechnet und ebenso mit Pfeilen bezeichnet. Die berechneten Mittelwerte ergeben, dass beim Wintermuskel das Maximum der Kontraktion C„ bei 39,2 Sek., das scheinbare Maximum der Temperatur 9, bei 62,9 Sek., das der Wärmebildung . . . (6) Mm R) W,„. bei 36,4 Sek. liegt. Der Quotient ne ist 0,65 zur Decrescente FORR, Own VD gehörig und der von De 0,96 zur Crescente gehörig, Manersiehtalso daraus, dassschon dasbeobachtete scheinbare Maximum der Wärmebildung bei 36,4 Sek. deutlich vor dem Maximum der Kontraktion bei 39,2 Sek. liegt. Das ursprüngliche wirkliche Maximum der- selben muss daher noch weiter nach dem Anfang der Crescente hin verschoben werden. In derselben Rich- tung ist auch das wirkliche Temperaturmaximum zu verschieben. 2. Versuche bei höherer Temperatur (ea. 20° C.) am Magenmuskel von Sommerfröschen. Die bisherigen Versuche wurden am Magenmuskel an Winter- fröschen bei niederer Temperatur (ca. 10° C.) angestellt. Um den Unterschied im Verhalten der glatten Muskulatur bei verschiedenen Temperäturen zu konstatieren, würde es nicht genügen, die Präparate zu einer beliebigen Jahreszeit zu erwärmen oder abzukühlen, ab- gesehen davon, dass unter diesen Verhältnissen Thermoversuche dieser Art wegen der Inkonstanz der herrschenden Teinperatur nicht ausführbar wären. Es muss vielmehr zu verschiedenen Jahreszeiten gearbeitet werden. Die glatte Muskulatur passt sich in ihrem Stoff- wechsel und ihrer Funktion den herrschenden Temperaturen erst allmählich an, es bedarf offenbar hierzu einer gewissen Zeit, während es in der kurzen Zeit der Erwärmung oder Abkühlung zu einer Konstanz im Verhalten nicht kommen kann. Die quergestreifte Muskulatur verhält sich bei den poikilothermen Tieren wahrscheinlich ähnlich. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 533 Die nachfolgenden Versuche sind daher in den Sommermonaten angestellt worden, in denen die Zimmertemperatur etwa zwischen 18-—21° C. schwankte. Das Charakteristische in der Funktion der Magenmuskulatur der Sommerfrösche gegenüber der der Winterfrösche besteht nun darin, dass die Kontraktionswelle sehr viel schneller abläuft als bei letzteren. Während bei Winterfröschen die Zeit bis zum Maximum, Dauer der Crescente, etwa im Mittel 39 Sek. (s. Tab. N) betrug, dauerte die Crescente bei Sommerfröschen im Mittel etwa 13 Sek. Ähnlich verhalten sich die Deerescenten. Der Magenmuskel der Sommerfrösche kontrahiert sich also etwa dreimal schneller als der der Winterfrösche, ein Verhalten, das als eine zweckmässige Anpassung an die funktio- nelle Beanspruchung in den Sommermonaten anzusehen ist. Es ist folgerichtig, daraus zu schliessen, dass auch die Wärme- bildung in der Magenmuskulatur der Sommerfrösche bei der. Kon- traktion annähernd dreimal schneller erfolgt als in der der Winter- frösche. Man wird aber auch annehmen dürfen, dass der zeitliche Verlauf der Wärmebildung und der Ablauf des Kontraktionsprozesses in beiden Fällen in demselben Verhältnis zueinander stehen, da sie ja durch dieselben kausalen Bedingungen (chemische Prozesse) mit- einander verbunden sind. Wir dürfen daher folgern, dass die einzelnen Momente der ur- sprünglichen Wärmewelle des Muskels in beiden Fällen mit den- selben Stadien der Kontraktionswelie zusammenfallen. Die fort- geleitete, beobachtete Wärmewelle der Sommermuskulatur muss dagegen im Verhältnis zur Kontraktionswelle etwas später auftreten, da die Schnelligkeit der Wärmeleitung in beiden Fällen nahezu die- selbe bleibt. Wie sich die Wärmewellen absolut zueinander zeitlich verhalten, werden die Versuche zeigen. Es wird daher nieht Wunder nehmen, dass das Maximum der beobachteten Temperaturkurve bei der Sommermuskulatur auf einen etwas späteren Stadium der Deeresceente liegt als bei der Winter- muskulatur, und dass ebenso auch das Maximum der Wärmebildung bei ersterer verhältnismässig später auftritt. Aber absolut genommen fallen beide beim Sommermuskel auf einen früheren Zeitpunkt als beim Wintermuskel, was sich daraus erklärt, dass beim ersteren die Wärmebildung schneller erfolet als beim letzteren. In der Versuchsreihe II (S.574) sind die gemessenen Versuche am Sommermuskel angeführt, aus denen das eben Gesagte ersichtlich ist. =) |) = En BEL zZ EO'8L E see = "PN (08 460 4 0 A CHI ACH F6 ‘gr ru r0 79 Pl SR AERE) (03 410 4810 A 8 u: 01 LT c'eg &0 68 al STE) SO6T nf '8 (61 490 4 810 A 6 4138 Zel G‘gT 1'238 AN) IS el a) SO6T IF 'S 1% - ET ı 3% 4er 49 i20 6l sıl IA 08 6 SE FELL 18 460 4610 A CI1 466 gl al a7 el) £ 9 A TRSLT “ 08 460 + 110 + Col 48 Gel 11 gu I & 9 RTL RAT a 0% 460 4110 4 1 148 al al LI 90 8128 8 SCAN = 08 -— 1 4 90 La Ay) vet al gl ro 6.98 6 a = 08 460 + 10 4801 188 gel But 08 20 878 8 NOS Oct Ei 0% 460 4270 AI 44 ji al 11 60 gg al ER A m 08 #608 10/0 Ay | A 8 ST ol 61 80 818 oT EST TAT a SO6T Tunf 'FZ (c91 900 | +20 vgo | 188 &ST Ge v6 v0 gu 6 S06T EIN '9) Yo Sun AN "7198 EN ‘og u Bas iS # "Ad en Haze FORTE SZ ENG De DA ER anyeaod 7 um | we Toq yonsıoA -wor MO F —— | 4) worpguaguoyp dop | «y Sunppggwmmy | “e anyerduoy, op u MO TTULIINOSTENDE LINUX. aop MXN! 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Wir finden z —- 0,64 zur Decrescente gehörig und > — 0,93 ebenfalls zur Decrescente gehörig. Die entsprechenden m Mittelwerte für Tab. N und H sind in Tab. A zusammengestellt. Tabelle A. En, 7 | Tg | Sm | Mm Om Om 39,2 | 62,9 | 36,4 | 0,65 | 0,964 | Wintermuskel. Niedere Tem- peratur 10—13° C. H 13,2 | 33,8 | 18,03 | 0,64x 0,93 | Sommermuskel. Höhere Tem- peratur 13—21° C. Beim Sommermuskel ist, wie wir sehen, die absolute Zeit bis zum scheinbaren Temperaturmaximum 33,5 Sek. etwa nur halb so sross als beim Wintermuskel 62,9 Sek. Dagegen liegen beide fast auf demselben Punkte der Deerescente, bei 0,64 und 0,65 des Kontraktionsmaximums. Aber für das scheinbare Maximum der Wärmebildung finden wir einen Unterschied vor. Beim Winter- muskel liegt dieses bei 0,96 des Creseente und beim Sommermuskel bei 0,93 der Deerescente. Zeitlich ist dieser Unterschied nicht gross. Wir dürfen daher nach obiger Betrachtung annehmen, dass das wirk- liche Maximum der Wärmebildung auch beim Sommermuskel auf der Crescente liegt. Es erklärt sich die spätere Lage des schein- baren Maximums eben daraus, dass die Kontraktion schneller ab- 536 J. Bernstein: läuft, während die Fortleitung der Wärme nahezu dieselbe Zeit in Anspruch nimmt wie beim Wintermuskel. Die absolute Zeit bis zum scheinbaren Maximum der Wärmebildung 18,03 Sek. ist da- gegen nur halb so gross als die beim Wintermuskel (36,4 Sek.), weil die Wärmebildung bei der schnellen Zusammenziehune schneller erfolgt. In beiden Versuchsreihen kommen mehrfach spontane Kon- traktionen vor. Die Dauer und der Verlauf derselben stimmen im allgemeinen mit denen bei künstlicher Reizung überein und ebenso verhält sich auch bei ihnen der zeitliche Ablauf der Wärmebildung. Man kann daraus schliessen, dass bei spontaner Erregung die inneren Prozesse in demselben Rhythmus und Modus ablaufen wie bei künst- licher, kurzdauernder Reizung. IV. Schlussfolgerungen. In der vorliegenden Untersuchung ist das Verhalten der Wärme- erzeugung zur. Kontraktion erschöpfend klargelest. Die Fig. 1 S. 923 gibt schematisch den zeitlichen Verlauf der Temperatur und der Wärmebildung zum Verlauf der Kontraktionswelle des golatten Muskels in der Weise an, wie es sich durch die Versuche und an- gestellten Berechnungen (s. Anhang) herausgestellt hat, und zwar unter der theoretisch gedachten Bedingung, dass kein merklicher Wärmeverlust nach aussen hin stattfindet. Die Temperaturkurve 33 steigt während der Crescente erst mit zunehmender, dann mit abnehmender Geschwindigkeit an. Infolge des Wärmeverlustes nach aussen erreicht die beobachtete Kurve schon nach dem Maximum der Kontraktionswelle ein Maximum. Ohne Wärmeverlust würde sie aber auch während der Decrescente langsam weiter ansteigen, wie die Fig. 1 es ungefähr angibt. Ob sie nach dem Ende der Decrescente sich noch mehr oder weniger langsam weiter zu er- heben würde, mag dahingestellt bleiben. Das. Maximum der be- obachteten Kurve ist infolee des Wärmeverlustes erst in dem Zeit- punkte zu erwarten, in welchem die Wärmeproduktion dem Wärme- verlust eben noch das Gleichgewicht hält. Dieser Zeitpunkt fällt nach den Versuchen in das Stadium der Decrescente. Die Kurve der Wärmebildung ww ist die des Differentialquotienten der Temperaturkurve 99. Dieselbe steigt wahrscheinlich auch -zuerst ıit zunehmender, dann mit abnehmender Geschwindiekeit zu einem Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 537 Maximum auf, welches in der Crescente der Kontraktionswelle liegt und mit dem Wendepunkt 9, der Temperaturkurve zusammenfällt. Die Kurve ww fällt dann schon in der Crescente zuerst mit zu- nehmender, dann mit abnehmender Geschwindigkeit ab, um in der Deerescente langsam gegen Null hin abzusinken. Wo sie ihr tat- sächliches Ende erreicht, möge zunächst unbestimmt bleiben. Das Maximum der Kurve ww und der Wendepunkt 4, fallen wahr- scheinlich mit dem Wendepunkt der Crescente zusammen oder liegen ihm sehr nahe. In diesem Punkte steigt die mechanische Energie am schnellsten an, und dementsprechend ist auch die Intensität des chemischen Prozesses am grössten. Im Maximum der Kontraktions- welle ist die Höhe der Kurve ww schon auf einen sehr geringen Wert gesunken. Durch diese Ergebnisse ist demnach ‚unzweifelhaft nachgewiesen worden, dass der überwiegend grössere Teilder Wärme- energie bei der Kontraktionswelle der glatten Musku- latur in dem Stadium der Crescente freigemacht wird, dass also auch in diesem Stadium der überwiegend grössere Teil der chemischen Energie umgesetzt werden muss. Daraus folgt unmittelbar, dass bei Gegenwart von genügenden Mengen Sauerstoff in den Geweben, kurz im Zustande der Oxybiose, während der Crescente der Kontraktion der chemische Prozess nicht bloss in einer Spaltung organischer Substanz, sondern auch in einer reichlichen Oxydation derselben bestehen muss. Ausser der während der Crescente auftretenden Wärmemenge muss nach dem Energiegesetz auch diejenige Energie durch den chemischen Prozess gedeckt werden, welche zur Erzeugung der Arbeit dient. Es muss während der Crescente die Gleichung: E=p-h+tw-a erfüllt sein, wenn E die ausgelöste chemische Energie in mecha- nischem Maasse, « das mechanische Wärmeäquivalent, ww die frei- gemachte Wärmemenge und 9 - h die geleistete Arbeit bedeutet. Aber auch in dem Stadium der Deerescente muss nach thermo- dynamischen und chemischen Gesichtspunkten noch Wärmebildung stattfinden, jedoch in weit geringerem Maasse als während der Crescente. Dies ergibt sich auch aus den angeführten Untersuchungen. Erstens wird bei isotonischer Kontraktion!) in der Deerescente die 1) Es genügt, die obige Betrachtung nur für die isotonische Kontraktion durchzuführen. Bei der isometrischen Kontraktion wird die ganze chemische Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 36 538 J. Bernstein: geleistete mechanische Arbeit in Wärme verwandelt, und zweitens finden auch in der Decrescente der Kontraktionswelle chemische Prozesse statt, welehe Wärme erzeugen. Dieselben bestehen in einer immer schwächer werdenden Fortsetzung des oxydativen Spaltungs- prozesses und einem immer stärker werdenden chemischen Prozess, welcher die oxydativen Spaltungsprodukte beseitigt, unter denen wir bisher hauptsächlich die Kohlensäure und Milcehsäure kennen), die zum Teil durch Alkali gesättigt werden. Ausserdem kann sich zu diesen chemischen Prozessen auch der der Assimilierung von neuen O,-Mengen aus dem Gewebe (resp. Blute) hinzugesellen, ein Prozess, der wahrscheinlich auch ein exothermer ist. Diese Prozesse, welche zur Erschlaffung führen, sind daher mit Wärmebildung verknüpft, aber in einem weit geringeren Maasse während der Zeiteinheit als im Stadium der Crescente. Durch diese Versuche ist zunächst klar bewiesen, dass die Oxydation der organischen Substanz zum grössten Teil in der Crescente der Kontraktion erfolgen muss. Es ist damit die Ansicht widerlegt, dass in der ÜCrescente hauptsächlich nur Spaltungs- prozesse, Bildung von Milchsäure usw., stattfänden, und dass die Oxydation erst in der Decrescente vor sich ginge, wie dies von Pauli?) und seinen Anhängern behauptet wird. Wäre das letztere der Fall, so müsste die Temperatur in der Crescente nur sehr wenig, dagegen in der Deereseente sehr bedeutend ansteigen. Das Gegen- teil ist aber der Fall, wie die Versuche gezeigt haben. Es fällt hiermit also auch die Theorie von Pauli, dass die gebildete Milch- säure allein die Verkürzung des Muskels bewirke, und dass durch Verbrennung derselben die Erschlaffung herbeigeführt werde. Auf die innere Mechanik der Kontraktion soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, und ich beschränke mich daher darauf anzudeuten, dass durch die erzeugte Kohlensäure, wie auch durch daneben sich bildende kleinere Mengen von fixen Säuren (Milch- säure und Fettsäuren), ebenso auch durch den O,-Verlust der Muskel- substanz die Öberflächenspannung in den Fibrillen so verändert Energie in Wärme verwandelt, welche der inneren Arbeit entspricht, die sich durch Spannung kund gibt. 1) Siehe Bernstein, Zur physikalisch-chemischen Analyse der Zuckungs- kurve des Muskels. Pflüger’s Arch. Bd. 156 S. 299. 1914. 2) Kolloidehemie der Muskelkontraktion. 1912. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 539 werden könnte, dass sie die Verkürzung herbeiführt!), und dass die Erschlaffung unter Fortschaffung dieser Produkte sowie unter Assimi- lierung von O, erfolgen würde. Betrachten wir den Zucker (Dextrose) als das wesentliche Brenn- material des Muskels, so kann durch Spaltung desselben in Milch- säure nur 2,8 °/o der gesamten Verbrennungswärme desselben ent- stehen?). Es müssten also nach der Theorie von Pauli in der Crescente nur 2,3 %/o, in der Decrescente 97,2 °%/o der bei der Kon- traktion entstehenden Wärmemenge geliefert werden. Dies wider- spricht direkt den gefundenen Tatsachen. Es liest kein Grund vor anzunehmen, dass sich diese Vorgänge in der quergestreiften Muskulatur anders verhielten als in der glatten. Darum dürfen wir unsere Resultate vorläufig auch auf den quergestreiften Skelettmuskel übertragen. Wünschenswert ist es, dies durch weitere Versuche zu bestätigen. Wohlgemerkt beziehen sich unsere bisherigen Betrachtungen nur auf den Fall der Oxybiose des Muskels. Wie sich die Vorgänge in der Anoxybiose verhalten würden, soll weiter unten erörtert werden. Es lässt sich nun ferner aus den allgemeinen Stoffwechsel- untersuchungen des Gesamtorganismus bei Arbeitsleistung klar be- weisen, dass die Arbeitsleistung durch Spaltung der Kohlehydrate in Milchsäure nicht gedeckt werden kann. Auf diesen Beweispunkt muss ich hier das grösste Gewicht legen. Es ist unbestritten, dass in maximo ein Fünftel der gesamten täglichen Stoffwechselenergie des Menschen in mechanische Arbeit umgesetzt werden kann [Be- rechnung von Helmholtz, Versuche von Atwater]°). Nun nehme man für den arbeitenden Menschen eine tägliche Gesamtenergie von etwa 5000 kg-Kal. an, von denen 1000 in mechanische Arbeit ver- wandelt werden. Würden diese 1000 kg-Kal. in den Muskeln nur durch Spaltung von Dextrose in Milchsäure erzeugt, so müsste soviel Milchsäure in den Muskeln entstehen, dass durch weitere Ver- 1) Über die innere Mechanik der Kontraktion vermöge der Oberflächen- spannung resp. durch osmotischen Druck oder Quellung siehe Bernstein, Pflüger’s Arch. Bd. 109 S. 323. 1905. 2) Zur Thermodynamik der Muskelkontraktion. I. Über die Temperatur- koeffizienten der Muskelenergie. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 129—195 bes. "Ss. 159. 1908. 3) Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 (1) S. 497. 1904. a £ 36 * 540 J. Bernstein: brennung derselben eine ganz unmöglich grosse Wärmemenge in 24 Stunden erzeugt werden würde. 1 g-Mol. Dextrose erzeugt bei der Spaltung in 2 g-Mol. Milch- säure 18,2 kg-Kal. Sollen durch diese Spaltung nun 1000 ke-Kal. in der mechanischen Arbeit frei werden, so müssen dabei ._ g-Mol. Milchsäure entstehen. Die Verbrennungswärme von 1 g-Mol. Milch- säure beträgt 329,5 kg-Kal. Also müssten hierbei & = a — 36200 kg-Kal. erzeugt werden! Es werden aber im ganzen in 24 Stunden nur 5000 kg-Kal. frei. Selbst wenn nur etwa die halbe Arbeitsleistung stattfindet, wie dies in einem Versuche von Atwater der Fall ist, in welchem 451 kg-Kal. Arbeit geleistet und im ganzen in 24 Stunden 4676 kg-Kal. verbraucht wurden, müssten nach der Spaltungstheorie der Kontraktion nahezu 19000 ke-Kal. nötig sein, um die geforderte Arbeit aus- ‚zuführen. Die Unmöglichkeit eines solchen Verhaltens liest klar am Tage. Man kann auch nicht etwa den Vorbehalt machen, dass diese grossen Mengen Milchsäure (resp. noch andere Fettsäuren) auf längere Zeit gespeichert und erst allmählich verbrannt würden; denn eine mässige tägliche Arbeit von 451 kg-Kal. kann tagtäglich geleistet werden; und was für ein abnormer Zustand müsste dann durch Anhäufung so enormer Mengen von Milchsäure entstehen! Blut und Säfte würden nicht ausreichen, um diese vor der Verbrennung zu sättigen. Auch wenn man die Muskelarbeit nicht nur aus Zucker allein, sondern auch aus Fett und Eiweiss entstehen liesse, würde das Resultat der Berechnung kein anderes sein. Es ist einleuchtend, dass eine Muskelmaschine, welche nur 2,8 °/o der chemischen Energie des Brennstoffes (Zucker) in maximo zur Arbeitsleistung verwenden kann, eine höchst unvollkommene sein würde. Einer so mangel- haften Konstruktion macht sich die Natur nicht schuldig. Organismen mit solehen unzweckmässigen Muskelmechanismen würden sehr bald -durch den Kampf ums Dasein ausgemerzt worden sein. Es ist das grosse Verdienst von A. Fick, durch seine klassischen Versuche nachgewiesen zu haben, dass im überlebenden isolierten Muskel nicht nur ein Fünftel, sondern bis zu 30—40 °o der um- gesetzten Gesamtenergie in mechanische Arbeit verwandelt werden. Die Muskelmaschine ist also eine im höchsten Grade zweckmässige. - Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 541 Es kann nur an einer mangelnden Kenntnis dieser Tatsachen oder an einer gänzlichen Verkennung ihrer Wichtigkeit liegen, wenn Theorien der Muskelkontraktion aufgestellt werden, welche denselben direkt widersprechen. Die Muskelmaschine ist eben deshalb eine so zweckmässige, weil sie nicht wie die Dampfmaschine eine rein thermische Maschine ist, sondern eine chemodynamische !), vergleich- bar den bekannten Explosionsmotoren (Gasmotor, Benzinmotor). Nun müssen wir schliesslich, abgesehen von den bisherigen Beweispunkten, noch den letzten Vorbehalt der Spaltungstheorie der Kontraktion entkräften, der in der Annahme bestehen würde, dass bei dem Vorgange der Verkürzung Wärme des Muskels und der Umgebung in Arbeit verwandelt werden könnte, dass also mit anderem Worte der Vorgang bei der Verkürzung ein „endothermer“ sei. Wenn dies der Fall wäre, dann müsste bei der Ver- kürzung eine Abkühlung des Muskels eintreten. Dies ist aber, wie die Versuche gezeigt haben, niemals der Fall. Im Gegenteil ist während der Verkürzung die Erwärmung am stärksten. Ist somit unter normalen Bedingungen, d. h. in der Oxybiose, bei höher entwickelten Tieren die genannte Spaltungstheorie der Kontraktion des Muskels eine Unmöglichkeit, so frägt es sich weiter, wie sich die Vorgänge der Muskelkontraktion unter den Bedingungen der Anoxybiose verhalten. Bekanntlich ist bei gewissen niederen Organismen die Anoxybiose der normale Zustand, und zwar nicht nur bei den anaeroben Spaltpilzen, sondern auch, wie die schönen Weinland’schen Untersuchungen gezeist haben, bei einigen niederen tierischen Organismen, bei Eingeweidewürmern, welche in O,-armer Umgebung leben. Diese Tiere können in O,-freiem Raum lange Zeit leben und sich bewegen. Es unterliegt also hiernach keinem Zweifel, dass die Muskeln dieser Tiere einzig und allein durch Spaltung organischer Substanz ohne Oxydation ihre Funktion ausüben können. Es entsteht hierbei durch Spaltung nicht nur Milchsäure, sondern es treten auch andere Karbonsäuren und Kohlen- säure dabei auf. Von E. Lesser?) ist ferner nachgewiesen worden, 1) Siehe Bernstein, Die Kräfte der Bewegung in der lebenden Substanz. 1902. — Bernstein, Lehrb. d. Physiol. 1910 S. 347. 2) Siehe Ergebn. d. Physiol. 1909 8. 742. 542 J. Bernstein: dass auch bei oxybiotischen niederen und höheren Organismen, bei Regenwürmern und Fröschen, ein Zustand der Anoxybiose längere oder kürzere Zeit bestehen kann, in welchem ebenfalls nur Spaltungs- prozesse vor sich gehen können, und wobei ebenfalls neben Kohlen- säure jene organischen Säuren in grösserer Menge sich im Körper anhäufen. Die in diesem abnormen Zustande stattfindenden Muskel- kontraktionen können also auch nur unter jenen Spaltungsprozessen vor sich gehen. Wärme und Arbeit derselben muss in diesem Falle durch eine Spaltung organischer Substanz gedeckt werden. An dieser Spaltung sind namentlich die Kohlehydrate (Glykogen) in hohem Maasse beteiligt, aber jedenfalls nehmen auch Fette und Eiweisse daran teil, sowohl in der Ruhe, als auch in gesteigertem Maasse bei der Muskeltätiekeit. Dieser Zustand des Gesamtorganismus, und im speziellen der Muskeln desselben, ist aber bei allen oxybiotischen Organismen ein abnormer und kann nur auf beschränkte Zeit er- tragen werden. Diese Zeit ist um so kürzer, je höher entwickelt dieser Organismus ist und zählt bei Warmblütern und dem Menschen bekanntlich nur nach wenigen Minuten. Indessen richtet sich diese Zeit für den Gesamtorganismus wesentlich nach dem O,-Bedürfnis der Nervenzentra und Herzzentra, während die Muskeln noch längere Zeit in der Anoxybiose funktionieren könnten. Es unterliegt also hiernach keinem Zweifel, dass auch der quer- gestreifte Skelettmuskel höherer Tiere und des Menschen in der Anoxybiose einige Zeit Wärme und Arbeit durch reine Spaltung er- zeugen kann; aber das kann niemals auf die Dauer geschehen, und es wäre ein arger Trugschluss, wollte man daraus folgern, dass in ihm auch in der Oxybiose, bei genügendem O,-Vorrat, während der äusseren und inneren Arbeitsleistung durch die Kontraktion, bei Er- zeugsung mechanischer Arbeit und Spannung, nur reine Spaltungs- prozesse ohne Beteiligung von O, vor sich gingen. Man kann viel- mehr daraus nur den sehr wahrscheinlichen Schluss ziehen, dass - bei diesem chemischen Prozess die Spaltung der Oxydation zeitlich vorausgeht. Bei geleicher Arbeitsleistung muss demnach im an- oxybiotischen Muskel eine viel grössere Substanzmenge verbraucht werden als im oxybiotischen, es muss eine grössere Menge jener Säuren sich in ihm anhäufen, die im Gesamtorganismus bei der Er- holung allmählich verbrannt werden können, wie dies Lesser ge- zeigt hat. Im isolierten Muskel aber wird ihre Anhäufung sehr bald Tod und Starre zur Folge haben. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 543 Den Übergang zwischen dem oxybiotischen und anoxybiotischen Zustand bildet beim höheren Organismus die Dyspnöe. In diesem Zustande des O-Mangels wird daher die Muskelaktion zum grössten Teil vermittels der Spaltungsvorgänge unterhalten werden müssen, und es werden sich infolge dessen organische Säuren (Milch- säure usw.) in erheblicherer Menge im Blute ansammeln müssen, welche bei den pathologischen Folgeerscheinungen des dispnöischen Zustandes wesentlich beteiligt sein können. Zusammenfassung. In bezug auf die Wärmebildung und die sie erzeugenden chemischen Prozesse bei der Kontraktion des Muskels lassen sich die Ergebnisse in Schlussfolgerungen dieser Arbeit folgendermaassen zusammenfassen: 1. Bei einer Kontraktionswelle des glatten Muskels (Magen- muskel des Frosches) findet die stärkste Wärmebildung während der Crescente statt. Während der Decrescente sinkt die Wärmebildung stark ab. 2. Überträgt man dieses Resultat auf die Kontraktionswelle (Zuekung) des quergestreiften Skelettmuskels, so folgt daraus und aus dem Energiegesetz, dass während der Crescente in der Oxybiose ein Oxydationsprozess stattfinden muss. 3. In der Anoxybiose bei niederen Tieren (Eingeweidewürmern), resp. durch O-Entziehung bei höheren Tieren, kann offenbar Wärme und Arbeit im Muskel auch durch einen reinen Spaltungsprozess geliefert werden. Ob dies auch schon teilweise beim überlebenden Muskel in Luft stattfindet (Dysoxybiose), müssten besondere Ver- suche entscheiden. Wäre dies bei dem untersuchten Magenmuskel bereits der Fall, so würde aus unseren Versuchen folgen, dass in der Deerescente keine schnelle Oxydation der Spaltungsprodukte, die sich in der Crescente gebildet haben, durch den restierenden O, eintritt; denn in diesem Falle müsste die Erwärmung während der Deerescente grösser sein als in der Crescente. Dies tritt aber in den Versuchen niemals ein. Wohl aber könnte eine langsame Oxydation in der Decrescente einsetzen und sich auch in die Ruhe- periode hinein erstrecken. 4. Es folet aus den Beobachtungen am Magenmuskel und den angestellten Berechnungen ferner, dass bei isotonischer Kon- 544 J. Bernstein: traktion die stärkste Wärmeerzeugung wahrschein- lich mit dem Wendepunkt der Crescente, in welchem die Zusammenziehung am schnellsten erfolet, zu- sammenfällt, und das im Maximum der Kontraktion die Wärmeerzeugung schon erheblich abgenommen hat. Der chemische Energieumsatz ist also in den Momenten der isotonischen Kontraktion, in denen am meisten Arbeit geleistet wird, am grössten und auf der Höhe der isotonischen Kontraktion, in der keine äussere Arbeit mehr geleistet wird, am kleinsten. Es ist wohl zu vermuten, dass es sich bei der isometrischen Kontraktion (über die noch keine Versuche vorliegen) ähnlich ver- halten wird, dass die Wärmebildung resp. der chemische Energie- umsatz in den Momenten am grössten sein wird, in denen die Spannung am schnellsten wächst, und dass dieselbe von da ab bis zur Höhe der Spannung gegen Null hin absinkt. Wenn es sich so verhält, so würde dies ein direkter Beweis dafür sein, dass die sogenannten Tonusmuskeln, wie Bethe!') annimmt, während ihrer Dauerverkürzung trotz Erzeugung erheblicher Spannungskräfte keinen erhöhten Energieumsatz besitzen. Es wäre daher von grossem Interesse, die thermische Untersuchung auch auf diese Tonusmuskeln auszudehnen. V. Besprechung der Literatur. Von A. V. Hill?) sind Versuche über die Dauer der Wärme- produktion im Skelettmuskel des Frosches angestellt worden. Die Ströme einer angelegten Thermosäule wurden einem Galvanometer zugeleitet, und es wurde die Zeit bis zum Maximum der Ablenkung gemessen, wenn der Muskel zuckte. Zum Vergleich wurde die Zeit des Ausschlages gemessen, wenn derselbe tote Muskel durch einen instantanen oder kurz dauernden Strom erwärmt wurde. Wenn bei diesen Versuchen die kürzeste Stromdauer (Erwärmungszeit = t,) ist und hierbei die Maximumszeit für die Ablenkung —= 7, so findet Hill für die Bewegungszeiten ? die empirische Formel bestätigt: Max. Zeit — |? a _ “] Sek. 1) Die Dauerverkürzung der Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 291. 1911. 2) The position occupied by the production of heat in the chain of processes constituting a muscular contraction. Journ. of physiol. vol. 42 p.1. 1911. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 545 Hieraus berechnet Hill für den sich kontrahierenden Muskel die Wärmebildungszeiten # — {,, indem er die max. Zeit der Ablenkung bei der Kontraktion misst, davon den Wert 7 abzieht und den Rest mit 2 multipliziert. Die Anwendung dieser empirischen Formel für die Erwärmungsversuche auf die Kontraktionsversuche ist indes nicht vollkommen berechtigt. Denn bei den ersteren geht die Wärme- bildung der Zeit proportional vor sich, bei der Kontraktion aber ist die Wärmebildung eine ganz andere kompliziertere Funktion der Zeit. Die max. Zeit der Ablenkung ist ferner von der Trägheit und Schwingungsdauer des Galvanometers abhängig. So lange die Ströme gegen diese Dauer als kurzdauernde angesehen werden können, und sie demnach wie Stösse auf ein Pendel wirken, könnte man von dem Unterschied ihres zeitlichen Verlaufes absehen, aber nicht mehr, wenn ihre Dauer eine grössere wird. Ferner ist die Erwärmuneszeit der Thermosäule, wenn man sie beobachten könnte, nieht gleich der Erwärmungszeit des Muskels, sondern ist von dieser und der Wärmeleitungszeit vom Muskel zu den Lötstellen abhängig. Diese Leitungszeit ist aber in den Erwärmungsversuchen und Kontraktionsversuchen bei verschiedenem Verlauf und Stärke der Temperaturerhöhung keineswegs die gleiche (s. Anhang). Hill findet nun nach seiner Methode, dass an frischen Muskeln (und genügender O,-Zufuhr) bei einer Zuckung die Wärmeproduktion ebenso schnell vor sich gehen kann wie bei instantaner Erwärmung. ‘ Dieses Resultat kann man wohl für den normalen Zustand als maass- gebend ansehen und daraus folgern, dass der grösste Teil der Wärme noch während der Zuckung (zu 0,3 Sek. etwa angenommen) gebildet wird. Ob dies schon in der Creseente stattfindet, wie wir beim glatten Muskel gefunden haben, lässt sich aus diesen Versuchen nicht entscheiden. Dagegen gibt Hill an, dass bei O,-Mangel, in H;- Atmosphäre, die Wärmeproduktion verlängert ist und die Dauer von 1,5 Sek. erreichen kann. Diese Angaben beziehen sich, wie mir aus der Arbeit hervorzugehen scheint, auf eigentliche Zuckungen durch einzelne Induktionsschläge. Es folgen Versuche mit kurzer und längerer tetanischer Reizung von 0,07 bis 4 Sek. Bei 0,07 Sek. Tetanus erreicht in Luft oder O, die Dauer der Wärmeproduktion 0,54 Sek., bei O,-Mangel bis 0,74 Sek. Sie kann schliesslich bis 2 Sek. etwa steigen, also viermal so lange dauern als die Kontraktion. Zu bemerken ist hierbei, dass die Kontraktionen, welche alle isometrische waren, nicht mit verzeichnet wurden (wenigstens nicht 546 J. Bernstein: angegeben), so dass man nicht wissen kann, ob nicht den ver- längerten Wärmeproduktionen auch verlängerte tetanische Kon- traktionen (mit verlangsamter Erschlaffung) entsprechen. Im übrigen gelten für die Berechnungen dieselben Einwürfe, welche oben er- hoben sind. Bei längerer tetanischer Reizung findet Hill auch eine grössere Dauer der Wärmeproduktion. Sie kann 0,8 bis 2,5 Sek. länger sein als die Reizung. In einer späteren Arbeit!) untersucht Hill die Dauer der Wärmeproduktion der Muskeln bei tetanischer Reizung von etwa 0,61 bis 4,9 Sek. Er konstruiert aus den Beobachtungen den zeitlichen Ablauf der Galvanometerausschläge und vergleicht dieselben mit dem vom ebensolange erwärmten toten Muskel. Die Verzögerungen des Maximums und des absteigenden Teiles der Galvanometerkurve beim lebenden tetanisierten Muskel ist sehr deutlich (s. Fig. 11, 12, 13), und diese Versuche beweisen in der Tat, dass nach dem Ende der Reizung, resp. der Kontraktionen sich noch eine merkliche Wärmebildung fortsetzt. Es muss aber hervor- gehoben werden, dass die in den Figuren 11, 12, 13 konstruierten keineswegs, wie dort bezeichnet, Kurven der Wärmeentwicklung sind, sondern „Temperaturkurven“* darstellen, und dass die Kurve der Wärmeentwicklung die Kurven des Differentialquotienten dieser Kurven sein würde. Hill berechnet und konstruiert ferner den Verlauf der Kurven, wie sie ohne Wärmeverlust durch Strahlung und Leitung beim lebenden Muskel sein würde, indem er diese Ver- - luste am toten erwärmten Muskel misst und hierzu benutzt. Die Art der Berechnung ist nicht angegeben, aber Hill gelanst zu einer, meines Erachtens viel zu stark ansteigenden Temperaturkurve für den lebenden Muskel nach der Kontraktion (curve of the heat- evolution). Wenn man diese Verluste in beiden Fällen in denselben Zeitintervallen von 10 Sek. als annähernd proportional setzt, indem man, wie geschehen, die Temperaturen auf Prozente der Maximum- temperaturen reduziert, so erhält man eine bei weitem schwächer ansteigende Temperaturkurve. Ich berechne z. B. für Fig. 12 (S. 62 loc. eit.) etwa bis zur 50. Sek. nach dem Anfang der Kontraktion (Tetanus von 2,23 Sek.) eine Temperaturzunahme von etwa 31° der maximalen beobachteten, während Hill eine von 1) The energy degrayed in the recovery processes of stimulated muscles. Journ. of Physiol. vol. 46 p. 28. 1913. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 547 etwa 40°o berechnet!). Es findet immerhin nach der tetanischen Kontraktion noch eine sehr merkliche Wärmebildung statt. Wenn aber die Wärmeproduktion während 2,28 Sek. Reizung gleich 100 ist und nachher in 50 Sek. etwa 31°/o, so verhält sich die Intensität der Wärmebildung, also der chemischen Prozesse, während der Kontraktionen und in den 50 Sek. nachher im Mittel wie 72:1. Ausserdem sind inzwischen auch von Herlitzka?) Versuche über Wärmeerzeugung am Säugetierherzen angestellt worden, von denen ich erst aus den Jahresberichten der Physiologie (1913) Kennt- nis erhielt. Er hat mit einem Saitengalvanometer die Ströme einer um die Basis des Ventrikels gelegten Thermosäule (Eisenkonstantan nach Bürker) aufgezeichnet zugleich mit Aufzeichnung der Pul- sationen, während das Herz mit erwärmter Ringer-Lösung durch- strömt wurde. Er findet, dass die Temperatur schon während der Systole ein Maximum erreicht, etwa um 0,06°C. steigt, und bei der Diastole absinkt. Dies würde zwar in guter Übereinstimmung mit meinen Ergebnissen am glatten Muskel sein, doch ist es mir sehr auffallend, dass von einer Verzögerung durch die Wärmeleitung vom Herzen auf die Thermosäule hier gar nichts zu merken ist. Die dünnen Drähte der Säule waren um einen Elfenbeinring gewickelt, der auf den Ventrikel geschoben war, und waren an den Lötstellen nur schwach lackiert. Trotzdem musste die Wärmeleitung doch eine im Versuch merkliche Zeit in Anspruch genommen haben, mindestens einige Zehntel Sekunden. Dagegen findet H., dass die Temperatur- steigerung sogar schon vor der Systole beginnt, die selbst etwa !/s Sek. dauert. In vielen Fällen geht der Steigerung sogar ein negativer Ausschlag voraus! FEine- negative Wärmeschwankung ist 1) Ist in dem Zeitintervall von 10 Sek. die mittlere Temperatur des toten Muskels Int, die des lebenden gereizten 9m und die Abkühlung des toten in 10 Sek. b, so würde die Abkühlung des lebenden in 10 Sek. ohne Wärmeerzeugung in demselben bei der mittleren Temperatur Inz gleich sein D. Ist nun die nr beobachtete Abkühlung des lebenden Muskels in 10 Sek. gleich « und die Tem- peratursteigerung durch Wärmebildung gleich x, so ist <= b- u — a. Wieder- am holt man diese Rechnung in vier Zeitintervallen vom beobachteten Maximum ab, so erhält man obigen Wert. 2) Ricerche di termodinamica muscolare, nota prima, produzione di calore nel cuoro isolato di mammifero. Arch. di fisiol. t. 10 p. 501. 1912, 548 J. Bernstein: schon von Heidenhain und Fick als Versuchsfehler nach- gewiesen worden; hier aber tritt sie noch vor der Kontraktion auf, also im Stadium der Latenz, was an sich schon sehr unwahrschein- lich ist. Da liegt doch der Verdacht sehr nahe, dass die beobach- teten Ströme gar keine Thermoströme des pulsierenden Herzens waren, sondern Zweigströme eines Elektrokardiogramms. Die schwach lackierten Lötstellen der Thermosäule lagen ja an der Basis des Ventrikels ringsherum Stellen zeitlich verschiedener Potentialdiffe- renzen an und konnten bei den nicht unerheblichen Potential- differenzen des isolierten Herzens vielleicht merkliche Zweigströme in das Galvanometer senden. Möglicherweise haben auch Temperatur- schwankungen durch wechselnden Zustrom der wärmeren Ringer- Lösung in die Blutgefässe des Herzens beim Pulsieren statt- gefunden, denn es erscheint mir kaum denkbar, dass in einem so srossen Raume, wie der Versuch erforderte, ein Thermostat überall absolut gleiche Temperatur herstellen kann. Anhang. In den voranstehenden Untersuchungen ist zwar schon experi- mentell hinreichend nachgewiesen, dass der grössere Teil der Wärme- bildung bei der Kontraktion des Muskels während der Crescente erfolgt, indes war es von Interesse, aus der beobachteten schein- baren Temperaturkurve die wirkliche ursprüngliche Temperaturkurve annähernd zu ermitteln. Zu diesem Zwecke wurden Eichversuche an toten Muskeln unter gleichen Bedingungen der Wärmeleitung vom Muskel auf die angewendete Thermosäule angestellt und der Versuch gemacht, diese und mit Hilfe derselben die angestellten Beobachtungen an lebenden Muskeln nach den Formeln der Wärme- lehre zu analysieren. Die Eichversuche. Bei den Eichversuchen wurden durch den toten Magenmuskel erwärmende Ströme geleitet, während die Versuchsbedingungen und Ausführungen des Experiments genau dieselben blieben wie in den Versuchen am lebenden Magenmuskel. Es wurden hierbei die Zeiten der Durchströmung, also die Zeiten der Erwärmung, auf den Kurven mit Hilfe eines Signals verzeichnet. Es war also in diesem Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktıon etc. 949 Falle die Funktion der Zeit für die Temperatur im Nullpunkte des Wärmeleiters gegeben und es wurde die Temperaturkurve beobachtet, nachdem sich die Wärme bis zu den stromgebenden Lötstellen der Thermosäule fortgepflanzt hatte. Die Zeiten der Erwärmung wurden verschieden bis zu etwa 20 Sek. gewählt. Eichversuch I. Beob. Beob. | ., |Strom- ., Strom a zeit La Bemerkungen a zeit Jur Bemerkungen S % S ” 0 0 0 | Stromzeit9,9Sek.| 20,7 — 17 34| 34 0 222 | — +18 az A +1 DA +19 6,0 | 6,0 +2 AN — +20 u TA) +3 30,7 | — +21 It a =F = 0 ee ’ e) Sp _— 951 +6 i 99 | 99 — 3 3 — 5608| — 21 10,2 — = 1 65,7 — 20 11,0 — +8 7142| — 19 11,7 — +9 | — 18 13,0 — +10 9114| — 17 13,3 — +11 1002 — 16 14,5 — +12 111,5 = 15 15,4 — +13 125,0 | — 14 - 16,5 — +14 138,0 | — 13 17,6 — +15 1545| — 12 19,2 — +16 182700 We Eichversuch II, 1. 9. Juli 1908. Beob. Beok. ., |Strom- ., | Strom- En zeit a Bemerkungen Er zeit ns Bemerkungen [S) F\ S 3 - 13,7 0 — 1 Magen ohne 34,4| — +15 - 4,7 0 — 1 | Schleimhaut mit 5 0 0 — NH3-Dämpfen 5 e 1,8 18 — 1 |abgetötet. Strom- ß ; 8,8 88 +1 zeit 20,7 Sek. 52 12 13 13| +2| R-A.=35cm. | 612| — 11 1443| 143 | +3 65,8 | — 10 159 | 159. | + 4 716,95 | — 9 old | 5 80,8 | — 8 192 192 | +6 350 | — 7 20,7 | 207 | +7 893 — 6 _— 3,8 — 5) 22,2 —_ +8 9832| — 4 29,8 — +9 103,0. — 3 25,3 —_ +10 108,0 | — 2 25,4 —_ +11 1115| — il 30,8 — +12 115.3 | — 0 550 J. Bernstein: Eichversuch II, 2. 9. Juli 1908. ... |Strom- | Beob . |Strom- | Beob. A zeit ud Bemerkungen Be zeit up: Bemerkungen S $ >) $ —3 — — 1 | Stromzeit 11 Sek. 25,5 = +39 — 28 — — I |NeA, =) 27,0 — + 40 —6 | — |ı—1 2851| — +41 —95| — |—1 30,5| — +42 —45| — |—1 34,01 — +43 0 0 — © an : 2,5 25 4 1 FR 3,9 3, ai LE t a: a = | 2 52 | 92 | + 4 ao 40 0 Sa | 8 © |. 08 ts 7,0 Or 67,21 — 97 7,9 75 | +8 0 36 8,0 80 ı + 9 | — 35 85 | 85 | +10 725), — | 3% 9,0 oz ca an — 93 9395| 95 | +12 ae 9,8 98 +1 767 IE 31 10,0 | 10,0 | +14 a 30 105 ı 105 | +15 203 er 99 11,0 | 11,0 | +16 82,0 ex 98 11.5 = le 84.01 — 27 1220| — |z18 | — 26 12,5 es 46.10) 37,0 — 25 13,0 Se 120 89,01 — 24 13,5 = ao 905) — 23 14,0 — +22 : ._ : er 20205 * 0ER +24 95,5 20 I ae a EEE 160 | — + 3 E= ; 165 | — +27 i a5 : | = |#& | Hr — + ei i 3 1 ‚0 ee + 5 = . | — 13] 1145| — 10 190 | — +32 3 RR ; 05| = | ze a0 =) eh 125,5 0. B 21,9 > Ar 39 i ar a 25| — |+8 : —_ Ä 235 | — +37 1755| — 1 245 | — +38 Eichversuch II, 3. 9. Juli 1908. .. |Strom-| Beob. .. \Strom-| Beob gr zeit up: Bemerkungen Zeit | zeit a: Bemerkungen > 3 8 $ —105| — —1 Stromzeit11 Sek. | 5,5 59 +2 — 45| — —1 |R.-A.=0,ebenso | 7,0 7,0 +3 0 0 0 wie 1 und 2 8,0 8,0 +4 3,3 3,3 +1 9025590 +5 Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 551 Beob. Beob. Strom- ., ‚Strom- g £ - Zei £ an en: Bemerkungen = zeit ap Bemerkungen 9 S 9 981 +6 »4,0| — 21 106 | +7 58,0 | — 20 0 68 60,5 — (21H) 63,01 — |22(-H) = +9 65,8 | — 21 — +10 680| — 20 Rn +11 70,71 — 19 Se 18 1355| — 18 I +18 16,3| — 17 BEN +14 81,01 — 16 — +15 al = 15 _ +16 65 | — 14 — +17 89,0 _ 13 — +18 201 — 12 e_ +19 45 — al — 20 97,0 — 10 — +21 99,0 — 9 — +92 1020| — 8 — +23 104,8 — 1 = +24 1088| — 6 111,8 —_ 5 4 1153| — 4 : 1185| — 3 £ 121,5 — 2 — 23 1245| — 1 — 22 Eichversuch II, 4. 9. Juli 1908. Beob. Beoh. Strom- ., ı Strom- zeit vers Bemerkungen 3 zeit a Bemerkungen 'S) 9 8 9 _ — 1 | Stromzeit sechs- | 23,0 — +14 — — 1 mal 1 Sek. in 24,6 — +15 0 0 11 Sek. Ebenso | 26,2 — +16 76, +1 wie 1, 2, 8. 27,8 _ +17 90 +2 29,8 — +18 11,0 | +3 32,8 — +19 36,3 — +20 — +4 41,3 — +91 — 5 41,5 — +22 Erz L 6 _ 17 67,5 —_ 21 — + 8 76,8 — 20 — +9 84,3 — 19 — +10 96,5 — 18 — +11 i 5 — +12 5 — +13 »52 J. Bernstein: Eiehversuch HI. 13. Juni 1908. Ä ‚Strom- ah Da Strom- es En | zeit Ra Bemerkungen “ zeit Rdn Bemerkungen 5) I 8 + 0 O0 Toter Magen vom 0 0 0 Kurve 3, 1. 9,9 | 99 +1 11. Juni 1908. 3 3 0 Stromzeit 2 mal 6,0 6,0 rs Kurve > 1. 6 mE 1 -19) 1 Sek. in 3 Sek. DEE 19 Stromzeit 6 Sek. 15 = Ro) wa eng ee ee 14,5 —_ +4 Stillstand 23,6 -— +6 0 0 0 Kurve 3, 2. 30,2 _ +7 3 3 0 Stromzeit 2 mal Er 39,8 — 2 i - ; 708 | — 1 oe os, Sepp} 331 — 6 0 0 0 Stromzeit 1 Sek. 109,0 — b) 1 1 0 2 — 4 BRREN wie ee ee io Se a 233,0 | — 0 390 | — 1 Man darf nun in erster Annäherung die Thermosäule als einen einzigen stabförmigen Körper von mittlerer Homogenität betrachten. Der eine Endpunkt desselben ist die Berührungsstelle der Säule mit der Muskeloberfläche. In Wirklichkeit ist dieser Stab inhomogen und besteht aus der dünnen Lackschicht der Säule, aus den Metallen der Säule (Wismut, Antimon) und ihren Isolierungen. Aber es sei hierfür ein fiktiver Stab von mittlerer äusserer und innerer Wärme- leitfähigkeit substituiert. Es ist klar, dass am Ende der -Erwärmungszeit der Muskel ein Maximum der Temperatur erreicht, und dass er sich von da ab durch Ausstrahlung und Leitung abkühlt. Dasselbe gilt daher auch für den berührenden Endpunkt des betrachteten Stabes. Durch das Experiment wird die Zeitkurve der Temperatur an einer Stelle des Stabes beobachtet, bis zu welcher sich die Wärme fortpflanzt. Messen wir die Zeit des Maximums dieser Kurve, so können wir empirisch die Verzögerung des Temperaturmaximums durch die Leitung in jedem Falle ermitteln. Es sei s die Stromzeit (resp. Erwärmungs- zeit), Z„ die Zeit des beobachteten Maximums, seo ist die Verzögerung Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 553 2—= tm — s. In folgender Tabelle sind diese gefundenen Werte nebst der Temperatur des gemessenen Maximums m in Skalenteilen des Galvanometers angeführt. Tabelle 2. a Zet | Ver | Maxi- ._ | zeit) Er- ‚| zögerung a Nr. Ver wärmungs- uaalz des Maxi- m, Erwärmende such | zeit s | Mums im| mums 2 m Ströme Sek. Sek. Sek. Sk. 1 I 9,5 35,0 25,9 21 stark (R.-A. = 0) 2 EN 20,7 34,4 13,7 13 schwächer (R.-A. — 3,9 cm) 3 I; 11,0 34,0 23,0 43 stark (R.-A. — (0) 4 11,3 11,0 37,9 26,5 37,9 stark (R.-A. — 0) 5 ; 11,0 47,5 96,5 22 sechsmal 1 Sek. in 11 Sek., stark (R.-A. =) 6 III | 6,0 37,8 31,8 8 stark (R.-A. = 0) Man ersieht aus dieser Tabelle, dass die Verzögerung 2 des Maximums eine sehr komplizierte Funktion der Grösse dieses Maximums m und der Erwärmungszeit sein muss. Vergleichen wir zuerst die Nr. 3, 4, 5 bei gleicher Stromzeit von 11 Sek. mit- einander, so sehen wir, dass die Verzögerung 2 mit zunehmendem Maximum m abnimmt, aber mit stark abnehmender Progression. Leider sind keine Versuche mit ganz gleichen Maxima vorhanden, aber vergleichen wir Nr. 1 m = 21 mit Nr. 4 m — 22, so sehen wir, dass von s— 9,5 Sek. nach s = 11 Sek. die Verzögerung 2 von 25,5 Sek. nach 36,5 Sek. stark ansteigt. Vergleichen wir ferner Nr.2 m==13 mit Nr.6 m= 8, so sehen wir, dass von s — 20,7 Sek. nach s —= 6 Sek. die Verzögerung ebenfalls von 13,7 bis 31,3 Sek. stark steigt. Also im allgemeinen steigt die Verzögerung bei nicht weit voneinander verschiedenen Maxima mit abnehmender Erwär- mungszeit. Vereleichen wir dagegen Nr. 1 mit Nr. 2, so finden wir, dass in diesem Falle mit zunehmender Erwärmungszeit s von 9,5 Sek. zu 20,7 Sek. und abnehmendem Maximum von 21 bis 13 SK. die Verzögerung etwa um die Hälfte von 25,5 bis 13,7 Sek. ab- nimmt. Wir sehen also, dass in diesem Falle der Einfluss der zu- nehmenden Erwärmungsdauer überwiegt. In der Tat würde die Verzögerung Null werden, wenn man den Muskel dauernd bis zum Temperaturgleichgewicht erwärmen würde. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 37 554 J. Bernstein: Man ersieht hieraus, dass man aus den Eichversuchen eine solche Funktion zwischen Verzögerung, Erwärmungszeit und Maximum nicht finden kann, noch weniger etwa zwischen Verzögerung und Erwärmungszeit allein. Noch fehlerhafter aber würde es sein, wollteman eine empirische Funktion dieser Art anf die Versuche am lebenden Muskel für die Temperaturkurve der Kontraktion anwenden, und zwar deshalb, weil die Zeitfunktion der Temperatur « — g(t) im Nullpunkt des Wärmeleiters bei dem Eichversuche eine ganz andere ist als bei dem Kontraktionsversuche. Im ersteren Falle ist die Zufuhr von Wärme mit der Zeit konstant, im zweiten Falle fängt diese Zufuhr mit Null an, erhebt sich zu einem Maximum und nimmt innerhalb einer gewissen Zeit wieder auf Null ab!). Es lässt sich also aus den Eichversuchen nicht unmittelbar die Verzögerung des Temperaturmaximums bei der Kontraktion berechnen, wohl aber kann man daraus folgern, dass diese Verzögerung eine nicht un- erhebliche ist. Hingegen können nun die Eichversuche dazu benutzt werden, um die notwendigen Konstanten für die Berechnung der Kontraktions- versuche zu bestimmen. Diese sind die äussere und die innere Leitfähigkeit für Wärme in dem betrachteten Wärmeleiter und die Länge des Weges, welchen die Wärme vom Nullpunkt bis zur stromgebenden Lötstelle zurückzulegen hat. Wir dürfen zur Ver- einfachung des Problems annehmen, dass die Leitfähigkeiten im toten und lebenden Muskel nahezu dieselben sind, und dass Länge und Beschaffenheit des Weges in allen Fällen die gleichen bleiben. Nach Fourier lautet für einen Stab die Differentialgleichung der Wärmeleitung ?): RE 0 IRQ El da? v ist die Temperatur von einem bestimmten Nullpunkt an gerechnet, ek RE el) N RE k i a? ist der inneren Leitfähigkeit proportional eh k innere Leitfähigkeit, c spezifische Wärme, o Dichtigkeit), n? ist der äusseren h- Br 1279 7, äussere” Leitfähigkeit, Leitfähigkeit proportional (n? — GO. 1) Aus diesem Grunde sind die Berechnungen von Hill über die Dauer der Erwärmung aus den Ablenkungen des Galvanometers nicht hinreichend (s. S. 544). 2) Siehe Heinrich Weber, Die partiellen Differentialgleichungen der mathemat. Physik Bd. 2 S. 21 u. ff. — Die Bezeichnungen sind etwas verändert. Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 555 9 Umfang des Stabes, g Querschnitt). Indem man v—=u-e-"! setzt, erhält man die Gleichung: 2 a a re El): welche weiter zu behandeln ist. In dem vorliegenden Falle der Eichversuche ist für den einen Endpunkt des Stabes die Temperatur « als eine Funktion der Zeit gegeben. Es wird dem toten Muskel durch Ströme Wärme der Zeit proportional zugeführt. Man kann annehmen, dass der Muskel als Wärmereservoir dient, welches dem Endpunkt des Stabes in jedem Augenblick die gleiche Temperatur erteilt, die der Muskel besitzt. Diese Temperatur würde daher nach der Zeit proportional ansteigen, wenn keine Ausstrahlung stattfände. Die Temperaturerhöhung am Endpunkte ohne Ausstrahlung sei in der Zeiteinheit gleich d, und die mittlere äussere Leitfähigkeit des Muskels sei n?, so haben wir die Gleichung: du 5 TE b — n?-u. Da für = (0, w=0 ist, so erhält man für uv=o(l): 1, (ee ee ee. le) Das andere Ende der Thermosäule resp. des Stabes von der Länge /! wird durch Muskelsubstanz immer auf dem Nullpunkt der Temperatur erhalten. Man hat also bei der Befriedigung der Differentialgleichung (2) die Nebenbedingungen einzuführen: ı,..o=l, rl 0) IE u) Be ae oder 2 0: für 2 —0 3. a—=gp(), für x — 0 “= pG), für 21 Für letzteren Fall findet man in H. Weber (loe. eit. S. 114 ff. 88 47 und 48) die entsprechende Formel angegeben. Es sei die zur Berechnung geeignete Formel (9) angewendet: By2 t I ee en a = ,,,,|9@ (—r) 7. y-e W@d-n:- dr Ö et = en eu + zB pP) (t— €) TE > e m + Y) .e Aalt—r) 2aVr ml » Byp2 | a ee ar 596 J. Bernstein: In dieser Formel bedeutet / die Länge des Stabes, y ist gleich 1 —x } a E RE : — gesetzt, a? ist der Koeffizient der inneren Leitfähigkeit, z ist die Integrationsvariable von ti, p(r) gleich « für y = 0, und m die Zahlenreihe von 1 bis &. In den Eiehversuchen wird nun nicht die Temperatur « direkt gemessen, da « diejenige Temperatur bedeutet, welche der Stab ohne Wärmeabgabe nach aussen annehmen würde. Ist nun der Koeffizient der äusseren Leitfähigkeit des gedachten Stabes »?, und sind die zur Zeit t beobachteten Temperaturen 3, so wäre ea Da nun die Metallstäbe der Thermosäule alle mit Lack über- zosen sind, ebenso auch ihre ganze äussere Oberfläche, so würde für »? nur der entsprechende Wert für Schellack in Frage kommen, und da derselbe offenbar sehr klein ist, so kann er für die Berech- nung auch füglich vernachlässigt werden !). Die erste Aufgabe der Berechnung besteht demnach darin, aus den oben angeführten Eichversuchen mit Hilfe der Formel (4) die 5 I as E konstanten Grössen > und y zu ermitteln. Zu diesem Zwecke muss für p (r) die gegebene Funktion von v für y — 0 eingesetzt werden. Für alle Werte von « für eine Zeit von O0 bis Z, welche kleiner als die Schliessungszeit s des erwärmenden Stromes ist, genügt die Formel (3), in welcher noch die beiden unbekannten Konstanten 5 und n? enthalten sind. Hat man also diese Funktion (3) für @ (r) in Formel (4) eingesetzt und ist die Integration derselben aus- seführt, so kann man aus vier passend ausgewählten Werten 4, %s, l a9 b und u, und “, für t,, £s, t,, t,, die unbekannten Konstanten 5 n? berechnen. Will man in den Eichversuchen Werte von « für Zeiten grösser als s in der Rechnung verwerten, so muss man hierfür an Stelle von p (z) die Formel für die Zeitkurve der Abkühlung des Muskels einsetzen. Also für die Zeiten = (0 bis =s ist m (0) = = (1—e-"?”) und für die Zeiten z—=s bis «=1t ist b Rn : op (FT) ee Be De A u ei) 1) Ich habe in der Literatur keine Angabe hierfür gefunden. 2) Ist die Temperatur « zur Zeit s= us, so ist für t)s nach dem Gesetz Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 557 Die Kontraktionsversuche. I BE Wenn man nun auf diese Weise für a und y= y hinreichend genaue Werte erhalten hat, so kann man die Integralgleichung (4) dazu benutzen, um in den Kontraktionsversuchen die Temperatur- kurve für y—=0 zu finden. Die Beobachtungen ergeben den Ver- lauf der Temperaturkurven für die Konstante y. Man kann also für die erhaltenen Werte von « eine passende Funktior von Z sub- stituieren, welche mit hinreichender Genauigkeit den Beobachtungen senüst. Dieselbe möge mit F (£,p, q - ..) bezeichnet werden, worin 9, 9 ... eine hinreichende Zahl von Konstanten (resp. Para- metern) bedeuten möge. Es ist einleuchtend, dass, «wenn man Y allmählich gesen Null sinken lässt, die Funktion #' dieselbe Form beibehalten muss, so dass man eine Schar von Kurven erhält, welche für y—=0 in die zu findende Kurve stetig übergehen. Dann wird man also @() = F(v, », q...) setzen können, worin p,q... die zugehörigen Parameter bedeuten. Hat man nun in Formel (4) o() = F(t,p,g...) eingesetzt und die Integration ausgeführt, so kann man die erforderliche Zahl » von Parametern aus n-Glei- chungen für « und it bestimmen. Damit wäre die Aufgabe gelöst. Die Auflösung der gegebenen Integraleleichung in Formel (4) lässt sich nun bisher in endlicher Form nicht ausführen. Es bedarf daher zur numerischen Berechnung einer besonderen Methode. Ich hoffe, dass ich in nächster Zeit mit Unterstützung von mathema- tischer Seite imstande sein werde, zu hinreichend ‘genauen Rech- nungswerten zu gelangen. Aber auch ohne Ausführung einer ge- pauen Berechnung lassen sich aus der gegebenen Darstellung hin- reichend sichere Schlüsse über den Verlauf der Temperaturkurve bei den Kontraktionsversuchen ziehen, wenn man die Resultate der Eichversuche mit denen der ersteren vergleicht. | Es sei in Fig. 3 der zeitliche Verlauf eines Eichversuches dar- gestellt. ABC sei die Kurve der Temperatur des Muskels, in welcher der Tel AB der Formel (3) und der Teil BC der Formel (5) entspricht. Die Kurve abc sei die der beobachteten Temperaturen, welche der Formel F (£, p, q...) entsprechen möge. Während y von O bis y' wächst, verwandelt sich bei der Fort- der Abkühlung u = us-e-" @ 5), und da us — 5 (1—e-°'s) ist, so erhält man ni (€) — = (e n2es —1) e—n2T, 558 J. Bernstein: pflanzung der Wärme in der Thermosäule die Kurve ABC durch eine stetige Schar von Kurven in die Kurve abc. Die Kurve ABC besitzt in BD einen singulären Punkt. Dieser ist in der beobachteten Kurve abc bei 5 nicht mehr deutlich erkennbar und dürfte wohl infolge des Temperaturausgleichs in der Säule allmählich ver- schwinden. Ganz ebenso verhält sich der Vorgang bei den Kontraktions- versuchen. Es sei in Fig. 4 «abc der zeitliche Verlauf der beobach- Fig. 3. teten Temperaturen, entsprechend dem Werte y=y', so können wir jetzt folgern, dass entsprechend dem Werte y== (0 der zeitliche Verlauf der Temperatur des Muskels eine ähnliche Gestalt haben Fig. 4. muss, indem die Kurve abc durch eine stetige Schar in die Kurve ABC übergeht. Während bei diesem Übergange die Ordinaten wachsen, nehmen die ihnen entsprechenden Zeitabszissen kontinuier- lich ab. Hiernach erfüllen sich im allgemeinen die theoretischen Voraus- setzungen, welche wir bei der Konstruktion der Temperaturkurve des sich kontrahierenden Muskels in Fig. 1 gemacht haben. Wir sind freilich vor Ausführung der geplanten Ausrechnung nicht im- stande, für jeden einzelnen Kontraktionsversuch die zugehörige Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 559 Temperaturkurve des Muskels anzugeben, indes können wir mit Sicherheit behaupten, dass in jedem dieser Versuche diese Kurve der beobachteten zeitlich weit vorausliegt. Da in den Eichversuchen das Maximum der Temperatur (s. Tab. Z. S. 553) eine Verzögerung zwischen 13,7 bis 36,5 Sek. erfährt, so ist es nach den angeführten mathematischen Betrachtungen und dem Vergleich der Figuren 3 u. 4 sehr wahrscheinlich, dass auch in den Kontraktionsversuchen die Verzögerung der Maxima innerhalb nahezu gleicher Grenzen liegen, vielleicht näher der niederen Grenze von 13,7 Sek., weil die längere Erwärmungszeit von 20,7 Sek. beim Eichversuch II1, welcher diese Verzögerung gab, wohl der Erwärmungszeit bei der Kontraktion am nächsten kommt. Nehmen wir daher im Minimo eine Verzögerung der Temperaturmaxima von 14 Sek. bei den Kontraktionen an, so rücken diese an die Kontraktionsmaxima schon erheblich näher heran. In den Versuchen der Reihe I S. 560 u. ff. ist unter %„ die Lage des hiernach anzunehmenden Temperaturmaximums eingetragen, und es ist hieraus ersichtlich, dass diese Maxima meist in die erste Zeit der Decrescente fallen. Fände also kein Wärmeverlust durch Abgabe nach aussen statt, so würde die Temperaturkurve demnach ungefähr so verlaufen, wie sie in Figur 1 der Einleitung dargestellt ist; d. h. sie würde nach dem Maximum der Kontraktion nur lang- sam bis zum Ende des Prozesses zu einem Maximum ansteigen. Auch die wahre Lage der Wendepunkte für die Temperatur- kurve des Muskels muss dementsprechend um ein gewisses Stück auf der Zeitabszisse vor die Wendepunkte der beobachteten Kurve zurückverlegt werden. Nach Tabelle A ist das Zeitverhältnis des Wendepunktes und Maximums der beobachteten Kurve für den Ty 36,4 _ Dar Mittel für die wahre Temperaturkurve des Muskels dasselbe Ver- hältnis annehmen und würden daher die Lage des Wendepunktes um 0,6 - 14 Sek. — 8,4 Sek. zurückzuschieben haben. Diese Lage ist in den Versuchen der Reihe I unter g, angeführt. Man ersieht aus diesen Versuchen, dass die Lage von g„ Sich weit vur dem Maximum der Kontraktionskurve befindet. In diesem Zeitpunkte der Kontraktion würde demnach die Wärmebildung ihr Maximum erreichen. Die Bedeutung dieser Berechnungen ist in dem Text dieser Arbeit auseinandergesetzt. Wintermuskel im Mittel 0,6. Wir können also im 560 J. Bernstein: Versuchsreihen I und Il. Versuchsreihe I bei niederer Temperatur am Wintermuskel. Versuch vom 28. Oktober 1908. JE ALRE Zeit. | Kontrak- Kb Wärme- | Ber. Zeit von AN tion lO ie n bildung | „,,, dm Bemerkungen Sek. mm Sk. WE 7seles Aser — 1,9 — —1 Spontane Kontraktion. Null- —g — —2 = .z2 = punkt der Zeit —= Beginn 0 0 — = 3 FR der Kontraktion. Vor der 3,0 Ob —3 IE ER 37 Kontraktion negative Ab- 11,0 4,5 —4 = Es = lenkung; Abkühlungnach 32,0 14,5 +1 = Ei Ei: der vorangegangenen 36,0 16,0 +2 ER 39 Reizkontraktion. Der 40,0 16,5 +3 TE = == Nullpunkt der Kontrak- 45,0 16,0 +4 gs SE = tion lag 5 mm höher als 53,0 12,0 +5 ER 5 EI der der Reizkontraktion. 61,0 1.3 +4 a ER Fi Belastung 30 g. Temp. 70,0 4,0 +3 FE Be: 190 (8: 79,9 3,0 2 = SE 81,0 2,9 +1 == B% E 88,0 2,9 0 3° ERS AT 96,0 1,5 —1 2ER =r 3 105,0 1,0 —2 53 u € 112,0 0 —38 FR SE 237 Ilb. —1 — — 1 Spontane Kontraktion nach 0 0 — = Sr = I la. Nullpunkt: Be- 1,0 1,0 _ I 32 ginn der Kontraktion. 5,0 4,5 0 0.17 Temp. 13° C. 11,0 10,5 +1 0,95 EN 15,0 14,0 +2 0/33 Ar 181 18,0 15,9 +3 04 == ; 20,5 16,5 +4 03 DE 33 23,2 17,3 +5 074 ZI T% 25,6 18,0 +6 055 5 H 2374| 183 +7 0,50 BE 29,4 18,5 +8 04 gr 31,8 18,6 +9 hy 2350 BE 3442| 187 +10 HA a = 36,8 18,6 +1 073 ur = 40,0 18,0 +12 0/08 3= 43,6 17,0 +13 0/00 F* EE ‚49,2 14,5 +14 2 Zr e 60,0 8,9 — 2 2 = 74,0 4,0 13 E27 RE 3 = Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 561 elae Zeit | Kontrak- | _Temp.- T an. (di Anderung Wärme-| Ber. Zeit von 3 bildung Fan a Bemerkungen Sk. W | Sek. | Sek. 0 0 0 __. | Spontane Kontraktion. Null- 1,0 0,5 —_ 6% Fi punkt: Anfang der Kon- er 9,D — = Zu traktion. Temp. 13° C. } 7,5 — 15,0 10,5 — Hr a 19,7 12,5 1 = Zu 22,7 13,0 +2 A 25,0 13,2 = BE = 26,8 13,2 +3 = ® 12) 30,5 12,2 +4 31 Bi 34,1 11,5 +5 = € = 38,1 9,0 +6 Fr Er ER 45,0 5,9 +6 =H 50,0 3,9 —_ SE Er = 57,0 1,5 5 ee 25 5 65,7 0 4 AR 74,0 0 B) 5 “n Ild. —- 5 _ — Reizung 1 Sek. Temp. 13°C. 0 ER Re 4,0 1,0 —1 ER 8 nn 6,0 —2 = rer 5, 15,0 — 2 |, oe 24,0 23,0 2 0,5 DE 26,0 23,4 +38 06 3 Ken 27,8 23,5 +4 07 = za 29,2 23,5 +5 08 = 30,5 23,9 + 6 07 = 32,0 23,0 +7 0.44 BE zB 34,3 22,0 8 06 35 RR 36,0 20,5 +9 05 & E37 38,0 19,5 +10 05 RE BR 40,0 17,8 +11 04 TE 3 42,5 17,0 +12 015 48 49,0 11,5 +13 0.08 = = 62,1 9,0 +14 2 70,0 7,0 13 IE SE 15,9 6,5 12 =E = 84,7 4,0 11 3 FR 91,0 37 10 Ei: = 95,9 3,9 3 = = 102,0 2,5 8 BE 2% = 108,3 1,5 7 113,0 1,0 6 3 Si a 120,0 1,0 5 ER x 128,0 0,5 4 J. Bernstein: al Ye) 12. Kontrak- |. Zeit Ber. Zeit von Wärme- Temp.- Anderung F - = S 2 ® =] on & ee 5 CO a aD 3 ae N N EN NE NE Er ea ne en SS = lee Tell a ® so BEEBEREERRERREES Eee &n =| EB DEILOSSEENELSESSTEOEEE EEE = soosohsosscsosonss Be} tion © a1 Sek. Sk. mm OSoSoHTaun uno m 0 [e>) ANANAS DT SI HN ri Neal HH HH HH HH HH HH HH u Se Sal Sa Sa Se Ss hr Se a ne nr Dur gr Sr Str Dr Sur Str Sr Sr Su ae Br 5 SONST SOTKANTNNOLTS- OS FAANDARHHHHÄNDMMOST-DÄOHAMTHNUNHOT Ba En en BE nn BE nn DE El I 2a. 30 C. Reizung 1,8 Sek. nach Ende von 12. Temp. 1 FREE ae Breeze Ill SRWmOSSSOS90000 n nee rn een nenn nr SS Sr ir |I+++4+4+4++++ +++ Vu SE IE SE u NE NEE SERIES Eu SEELE IT ET LTE ELSE EL Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 563 Zeit | Kontrak- |, Temp - [Wärme- | Ber. Zeit von T tion c [Anderung bild Be er D, ee dm Sek. mm Sk. 42 Sek. | Sek. Bemerkungen Er OUUOSOODOO SOLID UNO Ass nn So DRrOSSRSonsooonooooeoooo LIU 2 _ ST. SE NaKerKerKeril K. Kerer) Er Er SU ou re u — = Sun Sum uTs PODHoSsso [7 UP WD AO DO 00 «In OtH> CV SSOESOSESOSHSOHHHOSHHrHeHnrHmHmH PS a a a a ae Ar ae RI RETET SI SITISTSHRTST IS ee ieniraig er 34 > Ill = ee el ee Seel Hr so o KA DDDDDDDMDCCH CD CU CH CO CD CH CH CD SO CD CO C POODOCROS-DVOTDAANOOo—- Dur Ill ll SOOTOVOoUNDONUROD Mon our FETRETRENRENIEEN _ BEZ EEEEzrReezzieneneeee ABER EEE lee ja {or} = oO HHHDDOVOVOVPRrPITIMDDDIADSO tk Ib JE lelkeleleen _ SEITIEERITIEST SEIT oUowoouo : DDRDRBDMMCK BFH AIOSOn ET um Bl Il J. Bernstein: | 1 DHONOSMmUHMooS — Ftooweo- Cr _ DDdyH4dmr-m nn Kontrak- |. Temp-- | Wärme- Ber. Zeit von tion C a bildung | mm Rzo|| Toumuocooooo [SORICKIANCH N) PDZATITNEI Er eoonuo = —mDCCWOcHcH SPD DDN son en DDr ort A1RDOonow Er = SS x Oo ®eaosooo&r) rer) — DDD AMHOSD D so | (S%) co IIıI811S © [22 > Sr 1 Sk. III | Bere ++4+44+4++++++ ESBSon-ourweor woran -ıooc | ee | Sao] PwDm Fi W wu uTS II SecooHoo0009©0 AIIJIAAISDI IS OT = BEE SS ST 8 SS RER eHARRMorHoo® PSPpPpPrSIPOoooo9O0 000 HU 122°: Um Sek. | Ile] 111. al elle la ale Im Sek. ii Resale | D r >) BERZBEE Bemerkungen Reizung 1 Sek. od.spontan? unmittelbar nach I 2a. Temp. 13°C. Reizung 1 Sek. Belastung 30 g. Temp. 13°C. Über den zeit]. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 565 Rain SER Ter - ss S H> H> CI CD CD CH SD CO Co HOOSORDADOH ITIUTUIUNDCHH Kontrak- |, emp. tion C mm Io) co Sean OT Or Il D =) com 00 eou Ur Felge mE Anderung ” Sk. | +4+4+++++to SO uPrumrm Wärme- bildung W EI RI SUSTT uU SEITE IT I IE Hera sJsosltctoooonQnmm [er) so EEEZEREEEnS Zee Ber. Zeit von Um Sek. | ERZERERERIEEEEE EEE KESSEL Be neereree | bl le) el | u Il ra Rare D Son | | en =. oOoOooOooOooo>S0o0_2Q2 MDDDyDBDOIDD [duURS1 AUURSL Ger) = DL S| | It Ja Bemerkungen SpontaneKontraktion. Null- punkt: Beginn der Kon- traktion. Vorher Still- stand des Galvanometers. Temp. 13°C. J. Bernstein: u nl gs SOSOSOoUNSITOOUooOoS ne SDOIIAPBOODD SIITAOSODODIONOoO oumeooooooo FOoDBRyRmer SOOSHToOouıDwyosıDo Er Kontrak- |, Temp.- Wärme- | Ber. Zeit von | Bone an: bildung | „, | . A Bemerkungen mm Sk. W |sek. | Sek. 6,5 +10 De on 5,0 Lo u 3,0 +12 Br Bu 0,5 11 ) 10 mi a ern 0 9 Versuch vom 23. Oktober 1908. la. e= — ES DES Reizung 1 Sek. Belastung 0 ER BR Ex 80 g. Temp. 10° C. 2,0 _ ER I A 9,9 — Z Zr ve 11,0 +1. zE = a 18,0 +2 ar = =: 21,0 I F3C19)| 7 3 = 1992 ( ZAc) sn EL 18,0 6 47 12,0 47 ER 2 Nx 11,5 +8 w: Wr % 11,5 +9 FR = se Ma Eee 3,0 ho) ER | Muskelhebel bleibt hängen. 2,0 10 ER = 2,0 9 Bela 2,0 8 = Et: 12 2,0 7 = = 2,0 8 28 2 2,0 7 E: u ? 2a 0 — 27 [Reizune ZI Sekeza Temp: n +1 HE Se 3% 10°C. Belastung 50 g. == — 1 e zu =; ET min. 2 5 = 2% 0,5 — = BE | ar 2 10,0 — En Fr ar 16,5 +1 = I 21,0 +2 Ex ER 22,0 +8 a r SOJIAIDONE Segel Ust) SToutoooo Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. Dia - 567 Kontrak- |. Temp. | Wärme- | Ber. Zeit von tion © mm 22,5 23,0 223,5 18,5 1 OOo Cor Oro En Sue s seo us SOSOOUmR nm ou > m HH DDBDDOWOPDSODANANAAEON En B SZPnmgerR|o| nouoocoom! > REITS ION oUo© RHFrHrefe+eDbpypyDiHkf]$}* = RoHHmD nderung| ,: 3 bil Sk. Se En Enz HOmDwHron 100 0 Fe saurer SUPuVmHm HDco Pe OT dung Um 1 Sek. ERBE Il) dm Sek. Ill BERBEZEREREIEEEEE PREFZEeRnreeeee Elle II ALL DD > or SS FRrZEReEiNE er SoSoo>_{2 go Gi Mm [O1 = [>16 S were I I ll il [e%) so [or) MEBEBzE Bemerkungen Spontane Kontraktion ? Reizung 1 Sek. Belastung 50 g. Temp. 10°C. J. Bernstein: 568 Versuch vom 21. Oktober 1908. g. Temp. S {«b} 3 5 e = alcko) a {eb} An na je) an En &0 33<2 55 Sm a. [eafe ars een OR N ve op) 2,85 all lelellelkelellallel elle! € | Sue Flle le lalkal IS dl elle len les elaleloll.) rg 2 S Ne) Fe") ee BERE ERIC EECCEEEEEE EEE 8 sSsooooso \ Sooeeoceoede => ‚® 3% & S3 . ee Sn = Ama nmneronoHd_ SO E8*2 So14111|11,1,7r- © Jon«mca ee ern Too cehn =! < I > =) IN WO © O1bı9 0 0 wmınım EONSMROEWSSoHommaonmım ss3 So Sind || IlsHisossHhHrsiscsantsoooeeo g= eo. NAAR SRLaSLnNardeoe ORAARARARERNNWSSORNSASASS = 5| Dress Se le Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 569 Versuch vom 20. Oktober 1908. IE Al, Zeit | Kontrak-|. Temp- | wirme-| Ber. Zeit von Hi tion C ne bildung | „,,, dm Bemerkungen Sek. mm Sk. w Sek. | Sek. — = Stillstand]! — — — 0 — N) a __ [Reizung 1 Sek. 1,8 — 0 = 35 __ | Reizung 1 Sek. Belastung U — 0 BE = 30 g. Temp. 10°C. 8,2 2,5 +1 07 ER Z# 9,7 352 aa ee Ve 11,0 Sa | a ee 12,7 ea |, = 13,8 7,0 +5 08 = = 15,0 8,9 +6 08 ER En 16,2 10,0 +7 0,5 ws 18,2 11,5 +8 1.0 = 19,2 12,5 +9 va lee 21,6 14,0 +10 0,5 = &% 23,7 15,0 +11 10 er e% 241 155 +12 TE Sa ae, 26, 16, +13 3 300 | 175 ? IS re 35,0 18,0 ? IE = se 38,7 18,5 +14 03 = =E 41,5 18,0 +15 2 ENTE >| 178 ll ae 5 | | ee ee 452 | 170 ls ee 46,2 16,8 --19 08 > = 47,5 16,6 a wei 48,7 16,5 +21 SRAE 51,5 15,5 +22 0 = 53,2 15,0 BE) 0,5 53.6 52 55,2 145 Kor 2 a 66,7 115 195 ee 69,6 10,5 126 = a2 105 25 FE ee en 73,1 10,5 24 E =. 3 75,7 10,8 23 = 78,2 10,8 +24 2 Ir — | Spontane Erregung? 80,8 11,2 +25 TE ar ES 86,0 12,0 +26 E 33 = Ba 118 +27 Ken 97,7 11,0 +28 % I = 102,5 35 | +29 nee 104,5 9.0 +30 ai 107,5 8,0 +31 er Er GE 109,5 7.8 30 BE Zr 112,0 75 29 ® re 114,0 7,0 28 zZ ME 115,5. 6,8 97 see 117,0 65 26 5% N 118,5 6,2 25 53 S; = 121,3 6.0 24 62. EL TE 125,0 5,8 +25 Ar =: — [Spontane Erregung? 127,2 5,9 +26 Be Er 1 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. - 38 J. Bernstein: SOROUNAUADNDAOH NH Rom AIPOSOOUDHSOS@O SI SPUODDHMHAHSSO IN UOoO VUTtOryyyygyg ya Kontrak- |, Temp.- | wärme. | Ber. Zeit von tion © uns bildung | „,, dm Bemerkungen mm Sk. W | Sek. | Sek. | 6,0 197 & ® 2 3 BR _ — | Spontane Kontraktion 9,5 +30 = EEE 53 9,0 +31 = I ar 8,0 +32 le lee 7,0 38 ler 5,5 32 & a 9,0 (+33) RS TEE 5.2 32 a eier 5,5 31 Be 4,8 30 = Rt 2 42 29 Ber Bes ge 3,9 28 = TE BE 3,0 (+29) BR Sr Rz 2,8 28 112% _ — 1 | = Ss __ | Reizung 1 Sek. Belastung 1,6 +1 13 Er ar 30 g. Temp. 10°C. 1,5 = u 1,8 ne a 2,0 we Sa ee so | + se 32 Belle See 4,0 +6 ee Aa le 5,0 +8 les 6,8 +10 16 een ee 7,0 +11 re 7,8 9 ar A 85 +13 Bears 9,0 +14 10 Mil au 9,3 +15 RE 10,5 +16 el 10,8 0,5 5 SE 11,5 ++ 2 30 g. Temp. 10°C. min. — BE >“ HL 0,2 (+1) Er er 3,9 = BE IE 3% 971 Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. Wärme-| Ber. von Zeit bildung Kontrak- |. Zeit Temp Anderung Bemerkungen Am Sek. | ee teen eo} BESSERES Er eeeee Um Sek. tion C IR Sek. 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Kontrak- tion C© mm Zeit 1: Sek. 972 on =} = no So 3 As = | = Re = & ha { m} — NolepltanYe) Ne) {or} BEER BREREEREENBEREE Delle era j sosooossonsososohos> an = HNAHRO-OOoHTUun Hin HNAAIOL-OSOHTAHNOm |u-o S | m! oooo el lärelirzniärzelltesiäre Epeet rap FF PP FF Fern SPA FFIR FF aaa AAOQAORASOZANZAAADIN ADAMAAATAAFAATIANTAANQ, {seyaaa SOSNWSIST-CSISAFIOT- SH |I|lISTSSass sr ssiuiaunen RAM yg er rm Hmm m m mm oooonon SOSnRAMANmoonwnommnmın SOOROMMWMORDOMWOMNMWMOT SS SnT SOSSST-NSHHSAHSHKSHSHhoHhw SEOF-rNSSANSSWÄHSHKHS-TAHSHA—ATS SIISDEISEER HAAISISATNAHHUIIN ID am Bun BON Ken Borken Sn EN, 2/o2Tn2'n2!nSTapTnloze, Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 573 Zeit. ee Ka Wärme- | Ber. Zeit von IR tion C ae buldunos | NEE) Bemerkungen ? Um Am Sek. mm Sk Ww | Sek sek. | 75,0 10,5 16 3* es er 79,0 9,0 15 TE RG 83,0 8,0 14 B: 5 1 86,0 7,5 13 Er ® Fr 89,5 7,0 12 =E FE FE 92,0 6,5 11 N Er 3E 96,5 6,0 10 EE DR 98,7 5,9 () 22 = 103,0 5,0 8 2 78 Ei 106,5 4,5 7 110,7 4,3 6 5 I Ri 117,5 3,9 5 ee = FE 124,0 3,0 4 = E 133,5 2,5 3 SE Be 2 147,5 2,0 2 ZB = en 163,0 2,0 1 Er = 170,0 2,0 — u UI 2. 0 — 0 Pr SE __ | Reizung 1 Sek. wie bei 1. 3,9 _ 0 © IE Er 7,0 0,7 +1 01 er ==: 16,5 4,0 +2 nee 23,9 9,0 +3 973 ER TE 26,6 10,8 +4 04 en EN 29,3 12,0 +5 045 BE 2E - 81,0 13,0 + & 0,44 ER 961 = 2 |::|%|.|° ; 14,5 + ’ 387 | 145 oe 41,0 14,5 +10 0,4 B. 3 43,5 14,2 +11 05 FE 45,5 14,0 +12 05 Er 3 47,5 13,5 +13 095 I; 51,5 12,2 +14 Es = Er 60,0 9,0 —_ = = % 67,5 6,5 13 = Bi 73,0 6,0 12 x SE 13: 76,5 3,6 ul = r% FE 79,0 34 10 SE = = 82,0 5,3 g ER = 85,9 5,0 0) FE 5% Er 88,7 4,8 7 or ER 92,0 4,5 6 | a = 3 97,0 4,2 5 TE 8; a 102,3 4,0 4 Ar AR $ 110,0 3,9 3 = u 133,5 3,0 2 TE IV. 0 — 0 | Reizung 1 Sek. 1,8 == 0 = [| | I [Reizung 1 Sek. Belastung 6,0 == N) Er ee 60 2. Temp. 10° C. J. Bernstein: Zeit | Kontrak- | Temp.- Wärme- | Ber. Zeit von T an Kadeuee bildıne) ee ar en Bemerkungen Sek DS EP era Br Tee BE Re mm SL. na Sek. | Sek. 8,8 0,5 rl 14,5 ee 2,0 +2 ee 18,5 3,0 +3 0,19 Re hr. 24,3 5,0 +4 0,12 32,9 6,5 +9 012 Er Sm 36,3 40 — DS ee 408 | 65 +6 walten 90,0 4,0 +6 IE ER 60,0 1,8 +6 = m 72,3 0,5 d IR we ER 84,8 4 ar iR >) 159,0 0 3 194,0 0 2 FE SER Er Versuchsreihe II bei höherer Temperatur am Sommermuskel. Versuch vom 6. Mai 1908. Zeit Kontraktion R an | Wärme- IN C B re bildung Bemerkungen Sek mm Sk. un K 1. 168 = a Be x — 11,8 —. el! “er — 68 —_ +41 ER 0 0 0 In Reizung 1 Sek. Magen- 1,0 0 +1 a ring = (0,185 g, ohne 2 — — 0.4 Schleimhaut = 0,49 g. 3,4 0,2 +2 04 Belastung 15 g. Temp. 6,0 0,7 +3 0,3 16,5°C. 9,5 2,0 +4 0,95 13,5 3,0 +5 02 18,2 3,5 +6 09 23,0 3,9 + 7. 014 29,4 3,0 +8 018 37,8 2,3 +9 25 50,7 1,2 +10 ES 64,7 0,5 ze ER 19,0 +12 98,0 0 a — Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 575 ee Far Zeit Kontraktion | - P- Wärme- T C lang bildung Bemerkungen Sek. mm W | w —_ _ Stillstand = (Kurve 2.) 0 0 0 — Reizung 1 Sek. 2,83 —_ —_ — 4,4 0,5 +1 — 9,9 28 +2 — 17,0 3,5 eu Jah 20,0 32 +3 | 30,0 2,2 = ® 40,0 10 Stillstand | = (Kurve 3.) 0 0 0 = i Sek 9,4 5 0 = Reizung 1 Sek. 3,4 0,2 +1 — 6,0 1,0 — — 88 2,0 +2 — 142 32 +3 — 21,4 35 +4 — 352 2,0 14 Dr 40,4 1,2 = a 90,4 0,3 —_ — Versuch vom 7. Mai 1908. Derselbe Magen vom 6. Mai 1908, tot. — — Stillstand —_ Kurve 1. 0 0 0 — Reizung 1 Sek. Temp. 3,2 0 el — 15,500. Belastung 20 o. 16,5 0 +2 — : Stillstand — —_ — Stillstand — Kurve II. 0 0 0 Reizung 1 Sek. Belastung 0. 80 0 +1 —_ 17,5 0 +2 — : : Stillstand _ 0 0 0 == Reizung 12,7 Sek. Magen- 3,0 — E_ _ ring 0,39 g, ohne Schleim- 4,0 0,3 — — haut 0,23 g. 4,7 0,5 +1 — 6,0 1,0 +2 — 8 1,3 +38 _ 83 1,5 +4 —_ 9,3 2,0 +5 - 10,0 2,9 +6 —- 10,6 2,7 ae ei 11,4 3,0 +8 = 12,0 33 + 9 — 12,7 39 +10 — 13,2 Sur +11 — 576 J. Bernstein: Zeit Kontrak- a = | Wärme- | I tion © = ne bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. 2 13,8 4,0 +12 14,5 4,2 +13 an 15,0 4,5 + 14 AR 15,8 4,7 +15 E 16,3 4,8 + 16 m 17,0 4,9 +17 Bi 17,5 9,0 +18 18,7 Sn +19 I 19,6 9,2 + 20 73 20,3 9,83 + 21 a 21,2 9,8 + 22 er 22,0 9,2 + 283 22,8 5,1 +24 BE 23,8 9,0 +25 2 23,8 | 4,9 + 26 Er | 26,7 4,8 + 27 IE 28,0 4,7 + 28 = 29,6 4,5 + 29 er 31,3 4,3 +30 aB 33,0 4,1 +31 35,9 BRe) +32 Ft 40,5 32 +83 ER 48,4 2,8 +34 = 63,5 2,2 33 ER 70,4 2,0 32 > 77,9 1,8 3l a 893,8 1,6 30 = 90,0 1,5 29 vr 95,2 1,4 28 = 100,5 1,4 | 27 ER 106,2 1,3 26 Er) 112, 8 152 25 ID 118,8 172 24 a 125,0 12 23 N 130,5 112 22 er 137,2 2 21 ER 142,8 1,2 20 148,0 1.2 19 = 154,5 1,2 18 DR 161,0 152 17 = 168,0 1,2 16 er, 174,0 1,2 15 IE 179,0 1,2 14 2 186,0 1,2 13 193,0 1,2 12 _ _ | — Zen, IV 1.) 0 0 0 — Reizung 6 Sek, also keine 6 0 0 merkliche Stromwärme. ee ee -A. = 3,5 cm.) — Stillstand — Ben IV 2.) 0 0 0 — Reizung 13,8 Sek. (Strom- 3,0 — — = wärme ?) al 3,9 CM. 11,0 | 0,5 +1 _ Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 577 Er Zeit Kontrak- „ Temp.- Wärme- gm tion C SAUSEUNE bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. Ww 14,3 0,8 +2 16,2 1,2 + 8 FE 17,9 1,6 + 4 19,5 1,8 +5 FE 21,1 2,0 +6 a 23,6 2,1 +7 gr 26,3 22 + 8 Er 30,0 2,3 + 9 ” 35,0 2,2 +10 a7 44,3 1,9 +1 Er 66,5 1,0 10 = 96,0 0,7 9 E 118,5 0,5 8 134,0 0,5 7 BE 149,0 0,5 6 173,0 0,5 5 Versuch vom 24. Mai 1908. M. gastrocn. = 30 g. DDECcmmmnm 3 u 0 SHDAÄAn uoocoo covtouomonoonro Er = SsaswmonwwHmmro| RS Er 0,5 Kos o ISIS SFIEFSE) Stillstand Kurve 11. Reizung 1 Sek. R.-A. —= 4,5 cm. HH tt tt tt HHH Demmin SD HOSO@O JDUPODHOOO Oo rel de Aal el gen PFUoaÄJmoonr Kurve I12. Reizung 1 Sek. R.-A. — 0 | E% | 9 cm. | Stillstand 0 10 578 J. Bernstein: Zeit Kontrak- „ Temp. Wärme- | IR tion © A bildung Bemerkungen Sek. mm DE ER a | RE I W 2,0 0,5 0 8,0 0 +1 nz 11,5 0 +2 ER 14,5 0 +3 Se 17,5 0 +4 u | 21,0 0 +5 BR 25,6 0 +6 22 92,6 0 +7 SR 42,4 0 +8 SE 91,0 0 7 109,0 0 6 IE 134,2 0 5 ES 161,0 0 4 5 = — Stillstand oe re II. 0 )19 0 ee Reizung 1 Sek. R.-A. — 1,0 y19 0 = 4,5 cm. 2,0 0 0 3% 14,0 0 +1 5 26,0 0 +2 SE 46,0 0 +E 91,0 0 +4 BE — — Stillstand — Kurve IV. 24 Std. später Muskel abgestorben. 0 0 0 E38 Reizung 1 Sek. R.-A. 0 0 0 = 4,5 cm. ö Ö | | wTumus us Eee re, SSOXRAAUNPHOnnuco SION WO no Damm Versuch vom 24. Juni 1908. I. — | Stillstand | FR | 0 0 Er Reizung 1 Sek. Belastung —_ 0 DEE 258g. Temp. 20°C. R.-A. 1,5 0 u =( cm. 4,0 0 6,9 0 = 11 le » + 12,0 +2 I 12,0 8 10 11,5 + 4 08 11,0 +5 0,6 10,8 +6 10 10,5 47 0,55 10,0 ae) 05 9,0 +9 0,3 8,0 +10 u 7,0 — Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion ete. 579 Zeit Kontrak- „ Temp. Wärme- yN tion © le bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. 2 35,9 5,0 — 36,9 4,8 fe) Es 39,5 3,9 8 43,0 3,0 7 ST 45,8 2,5 6 AH 48,7 2,0 5 SH 53,7 1,8 4 ar SL) 165) — 60,5 115 — + 65,5 3,0 —_ 3E 67,9 4,0 3 kl. spontane Kontraktion. 70,5 4,5 2 DT 12,3 4,6 1 = 74.4 4,6 0 Er IGOAIR an —_ Stillstand er 0 _ — Er Reizung 1 Sek. 203 — 0 4,5 0,5 ) EN 5,0 2,0 0 33 6,0 4,5 0. 3 2 6,0 +1 = ‚0 9,0 — 10,0 11,0 = 0,2 1065 11,8 +2 7 12,0 12,0 18 08 15,9 11,3 +4 ’ 16,0 11,6 +5 09 17,2 11,2 +6 06 19,0 10,8 7 08 20,3 10,5 158 07 alt 10,0 +9 04 24,0 9,0 +10 02 29,0 7,0 +11 0.25 33,0 5,0 +12 ? 35,0 4,5 il cr 37,0 38 10 2% 39,0 3,0 9 mE, 41,0 2) 8 si 42,3 2,2 7 DR 44,8 1,8 6 7, 47,0 1,5 5 ST 48,0 1,3 4 SE EB 0 3 @ 55,0 1,0 2 F 61,0 0,8 | 1 #5 91,0 6,0 | 0 | 32 | 580 J. Bernstein: I 2, 2. Zeit Kontraktion an | Wärme- 1 © == ne bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. m | — _ | Stillstand ER 220 Sek. vach Ende von 2,1. 0 — = = Reizung 1 Sek. Belastung 4,3 — 0 35, 290,000 Tempr22000: 3,8 1,0 0 SE eilt = (), a. 8, ‘) y 10,8 105 = ule 13,8 11,7 + 14.8 117 +3 4) 16,8 11,2 +4 06 18,6 10,8 +5 07 20,0 10,2 +6 06 21,6 9,6 +7 03 24,8 8,2 +9 3 32,8 4,5 7 ER 39,6 3,9 6 ER 37,8 2,9 h) = 40,0 2,2 4 2 41,7 1,8 3 ER 43,3 1,5 2 ® 45,1 1,5 1 zE 48,8 1,0 0 en 54,4 1,0 —1 ei 74,8 0,5 +0 ER 85,0 0,5 +1 13.21. — — Stillstand BE 0 0 0 = Reizung 1 Sek. Ebenso BB) — 0 & wie 1 und 2. 4,8 1,0 0 I BR= 3,9 0 Ir 7,8 7,5 ) E 9,6 10,5 +1 04 1 12,0 +2 0,6 13,7 12,2 +3 10 e) | 5 | fe Iostam 17,8 11,5 +6 0 21,1 10,2 +7 04 23,6 9,0 +8 08 26,9 7,9 +9 AR: 31,6 5,9 8 ge 34,4 4,2 7 == 36,6 3,9 6 FE 38,4 3,0 5 er 41,1 2,5 4 = 41,8 2,0 3 = 43,5 1,8 2 KR 44,8 1,5 1 IR 47,1 1,2 0 _ 58l Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. Bemerkungen Temp.- | g K Wärme- as bildung Kontraktion C Zeit Eh Ww Sk. mm Sek. Ebenso Reizung 1 Sek. wie 9, 1 Wo} BIST N SISTERS [ex Kopan B’olNol 2.370 2) ri So2+|l++++4+++ |reatnarmo oSOOossorsnıyna ya a Ho om omıa EN EL TE SET ELSE SIR NETTER TI Te [e>) No TAN TH- TSOODT- HI naar rm r.mrm,.n- ONSOWÜUSONDOSOWNNOSıN N RE TEL IECTSEL SEELEN TEE TEL LESERN ELSE TE ER IE NEGRSCHERL NET 53 SOHIIT-SAUNIT-OSNISTNDIILONUM HAMANN MH La Ebenso Reizung 1 Sek. wie 3, 2 a rn Tr’ n Frese il - , anHın® sosco,|rı L Yostaario RAQANOAAIIIOOSOOWOMıN CS Su Su de Nur tr ne en Sr ee Sr Sr 5 OO |ANrSessohoaoanmHnm rem. SDR OOOSOMMOO EOS SAHS5noS Lam u Du Dee Da KR KoplooKapKarkanisn, Temp. Sek. 1 Reizung ZICHOR J. Bernstein: IIERIESIE 982 Bemerkungen Reizung 1 Sek. Ebenso wie 1. 50 = = @ > ı,# a _ ın je BERTESSSCuEEEEEEEEnE III JelS8eeoeahz| I FI III IR lose SS oS Sososos eö ecdoooocoe E=) [ex — ee -— a = SB,x a ei Beeren 5° | ef ı Bea Ei + aan Pen & I U Eee | = = dl 2 Er = S = AIDA DIN AH A AA AODAIDIN SOO2OIILASAAONADADAANAAND MIN Ss 353 AHHSsoaslai-sohywanaumHrTosoos | TasasHhdi-d-nsohsshä---ndschss: 3.8 = Ban nn 2 6 0 nn mem HHmn BIT = = „di NOANNNNNNNANAODLANNNARAANAN, SSAOAFAANATOMASSASANAATFTAZAMAAN on © NIO-DOSSUNSTCSHALHMIHSH- Lau ONSIKIHOSSAÄHICSDTÄASUSHOHOINSONGE.. N a |} HANNAH DOT PHP MHMINAANATHÄAOINOSOmT a 0,5 Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion etc. 583 Versuch vom 5. Juli 1908. 2,4, : | Temp.- & Zeit Kontrak- „ D: Wärme- 38 tion C a uns bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. Ww — 2,2 - —1 Fi Reizung 1 Sek. 25 g Be- 0 == 0 = lastung. Temp. 19° C. 32 —_ 0 SS 2 0 2 10, 13,8 el 132 16,5 +2 > 15,2 16,5 +3 05 17,2 15,9 +4 0,5 19,2 13,5 5 02 21,2 10,5 +6 07 aa 9,0 +7 04 25,2 6,5 +8 07 26,7 3,8 19 2 28,8 42 +10 vn 31,2 3,2 +11 0733 34,2 2,7 +12 0,30 37,1 2,0 +13 i 50,0 1,0 — 75 61,0 0,7 12 = 75,0 N) 11 = 86,0 ) 10 = 94,0 0 9 BR 100,0 0 8 = 109,5 0 7 = 119,0 0 6 = 137,0 N) 5 Versuch vom 8. Juli 1908. 2 —14,5 — +1 zu 0 — 0 = Reizung 1 Sek. Magen 1,0 = 0 ZI ohne Schleimhaut. 2,0 1,5 0 = 3,0 5,0 0 vr 4,0 9,0 0 ER. 5,0 Or En 7,0 15,9 — 10.0 170 =: Sin 11,0 7, Sr 15,5 155 vs Me 20,5 135 N ns 23,5 12,0 25 ce 27,0 11,0 8 0,95 31,0 9,2 Y De 35,8 7,0 +8 0,29 40.2 5,5 +9 > 452 4,5 +10 rs 584 J. Bernstein: Über den zeitl. Verlauf der Wärmebildung etc. Re | Temp.- a Zeit Kontrak- N pP Wärme- IR tion © elle bildung Bemerkungen Sek. mm Sk. W | 51,0 4,8 Aral 59,0 3,0 +12 ol 69,0 1,2 +13 0.08 81,0 39 +14 00 5 102,3 0,5 +15 Er Kleine spontane Kontrak- 115,0 — 1,0 — u tion 133,0 14 = 140,0 1,8 — = 145,0 0 13 R 163,0 0 12 = 171,0 0 11 E% 177,0 0 10 se 189,0 0 9 Eh ‘> = dr Pr Hr n i Ir. 081 gel Q \ ! \ y \ t t PITEITFTTTEETTSTTTITTTTÄNETTITTITTTTTTTTTTGTTTT Er NO 08 01 08: ! [ j 1 \ TTITTTTITITTITETTTIEITTTETTTITR "65T pg 'arbogorsAyg 'sab p‘y anypıy Ss obnig SFPEISULIEIT ZEILN TA ISUNTT og ‘oDeg unepa bern SoN I 80X 86 yansday 081 021 09, DSL Of 0EL 081 OH 00, 06 08 0L 09 09 Dh DE 02 0, 0 bog bunjsejag '9 EL Unteuedwal "LEN T '80 X 92 yonsday 0gL Ohl 0EL 08 OrL 00L 06 08 04 09 Dg Dir ve 0& 0L 0 585 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Die Verwendüng von Kaliumzellen zur objektiven Vergleichung der Tontiefe farbiger Lösungen und zur Feststellung von Helligkeitsunterschieden. Von Emil Abderhalden und F. Wildermuth. (Mit 5 Textfiguren.) Es gibt zahlreiche kolorimetrische Methoden, bei denen im all- gemeinen die mit dem Auge festgestellte Übereinstimmung der Farbenintensitäten zweier Lösungen — der Standardlösung und der mit ihr zu vergleichenden Lösung — vollständig genügt, um einen hohen Grad von Genauigkeit in der Bestimmung des Gehaltes einer Lösung an einem bestimmten Stoff zu erreichen. Gewöhnlich wird in solchen Fällen die Standardlösung mit einer Lösung der zu be- stimmenden Substanz von ganz bestimmtem Gehalt verglichen. Der Untersucher stellt dann immer wieder auf die gleichen Farben- intensitäten ein. Die Übung spielt bei derartigen Untersuchungen eine sehr grosse Rolle. Immerhin kommt es nicht zu selten vor, dass eine scharfe Ein- stellung nicht gelingen will. Vor allem machen sich Ermüdungs- erscheinungen und bei vielen Bestimmungen gewiss auch Nachbilder unangenehm bemerkbar. Ferner gibt es Farben, für die das Auge weniger empfindlich ist als für andere. Stimmen die zu vergleichenden Farblösungen nicht ganz exakt überein, so ergeben sich weitere Schwierigkeiten bei vergleichenden Untersuchungen. Auch die Feststellung von Helligkeitsunterschieden macht oft Schwierigkeiten. Der Geübte wird z. B. mittels eines guten Polarisationsapparates mit Leichtigkeit Unterschiede im Drehungs- vermögen von 0,01° unterscheiden. Der weniger Geübte wird so feine Unterschiede mit absoluter Sicherheit nieht ohne weiteres be- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 39 5865 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: merken. Er wird die Ablesung wiederholen und schliesslich so stark ermüden, dass er fortwährend zu ganz anderen Resultaten kommt. In allen diesen Fällen ist es wünschenswert, eine Methode zu besitzen, die eine ganz objektive Kontrolle der gefundenen Ergeb- nisse gestattet. Wir zweifeln nicht daran, dass die eine (galvano- metrische) der unten mitgeteilten Methoden sich noch so verbessern lässt, dass mit ihrer Hilfe nicht nur Kontrolluntersuchungen vor- genommen werden können, sondern auch fortlaufende Bestimmungen. Vorerst ist sie in ihrer ganzen Anordnung noch so beschaffen, dass nur eine sehr sorgfältige Innehaltung aller Versuchsbedingungen und eine genaue Kenntnis ihrer Grundlagen zu einem Erfolg führen können. Es wird jedoch sicherlich gelingen, ihre technische Seite noch so zu vereinfachen, dass auch derjenige, der keine speziellen Vorkenntnisse besitzt, mit ihr arbeiten kann. Es hat nicht an Bestrebungen !) gefehlt, objektive Methoden zu kolorimetrischen Zwecken zu schaffen. Es sei auf die Verwendung ‘von Selenzellen, von Thermoelementen und Bolometern hingewiesen. Bekanntlich verändert Selen unter dem Einfluss der Bestrahlung sein Leitvermögen. Leider sind die Selenzellen sehr inkonstant und auch träge. Sie können deshalb zu exakten und sehr feinen ‘Messungen nicht verwendet werden. Die bolometrische und die thermoelektrische -Methode, bei der die Widerstands- resp. die Spannungsänderung ein Maass für die Lichtintensitäten abgibt, sind ausserordentlich empfindlich und liefern ganz eindeutige Resultate. Ein Nachteil dieser Methoden ist, dass ihre Anwendung infolge der stets notwendigen Eichung bzw. Isolation gegen thermische Ein- flüsse mit ziemlichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Wir beschlossen nach verschiedenen Überlegungen einen Ver- such mit den lichtempfindlichen Kaliumzellen zu machen. Im Gegen- satz zu den Selenzellen, bei denen es sich lediglich um Widerstands- änderungen im Leitersystem handelt, kommt bei den genannten Zellen unter dem Einfluss der Bestrahlung eine Potentialdifferenz zustande. Die Zellen, die zuerst von Elster und Geitel?) her- I)SVel: Plesch, Biochem. Zeitschr. Bd. 1. 8.32. 1906. — G. v. Wendt (Helsingfors), Electro-colori- et disparsometer. IXe Congres international des Physiologistes Groningue 1913. — P. P.Koch, Über ein registrierendes Mikro- plıotometer. Ann. d. Phys. Bd. 39. S. 705. Jahrg. 12. 2) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 11 S. 257. 1910. — Elster und Geitel, Wiedemann’s Annalen bd. 48. S. 625 und 659. 1893, 1896 S. 487. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 587 gestellt und beschrieben worden sind, gleichen in ihrer äusseren Form Glaskugeln. Ihr Durchmesser beträgt etwa 40 mm. Jede Zelle (s. Fig. 1) lässt zwei Elektroden erkennen. Die eine ring- förmig ausgebildete Elektrode A ragt bis in die Mitte des Innen- raumes und besteht aus einem dünnen Platindraht, während die andere, X, nur eben die Glaswand durchsetzt, um mit dem licht- empfindlichen Belag der Zelle M Kontakt zu gewinnen. Dieser ist um die Elektrode X als Mittelpunkt auf der einen Hälfte der Hohl- kugelinnenfläche niedergeschlagen. Er setzt sich aus zwei Schichten zusammen. Die eine der Glaswand unmittelbar anliegende besteht ‚aus reinem Silber. Sie ist nur der Träger der eigentlichen licht- empfindlichen Masse: dem kolloidalen Kalium. Dieses wird folgender- Fig. 1. massen ') hergestellt: Zunächst wird in der evakuierten Zelle durch Destillation reines metallisches Kalium auf der Silberschicht niedergeschlagen, und dieses dann in einer nachträglich erzeugten Wasserstoffatmosphäre der Glimmentladung einer angelegten Span- nung ausgesetzt. Der Wasserstoff in der Zelle reagiert mit dem Kalium. Es bildet sich Kaliumhydrid. Sorgt man dafür, dass während der Reaktion Kalium im Überschuss vorhanden ist, so löst sich das überschüssige Metall kolloidal in dem sich bildenden Kaliumhydrid. Bei dieser Reaktion sind gewisse optimale Be- dingungen zu berücksichtigen. Vor allem ist eine nachträgliche Reaktion des Wasserstofis, wenn die Zelle einmal im Gebrauch ist, von Übel. Sie hätte, wie dies bei den Zellen älteren Systems der Fall war, in welchen öfters Wasserstoffgasreste zurückblieben, eine 1) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 12. S. 609, 758. 1911. BI 588 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: allmähliche Abnahme der Lichtempfindlichkeit zur Folge. Um diesem Nachteil zu begegnen, haben Elster und Geitel bei der fertigen Zelle den nach der Reaktion etwa verbleibenden Wasser- stoffgasrest durch Argon ersetzt. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Die Zellen sind jetzt in ihrer Liehtempfindlichkeit absolut konstant ?). Der in der Zelle herrschende Druck spielt bei ihrer Empfindlichkeit ebenfalls eine Rolle. Er schwankt zwischen 1 und 0,25 mm He. Neben den durch die Elektroden bedingten Ausragungen fallen an jeder Zelle noch zwei axial verlaufende, seitliche Ansätze SS auf. Sie spielen bei der Herstellung der Zelle eine gewisse Rolle, werden später zugeschmolzen und können — wie in unserer Anordnung — vorteilhaft zur Befestigung der Zelle benützt werden. Ein um die Elektrode A aufgeklebter Stanniolring » dient dazu, etwaige über- kriechende Elektrizitätsmengen durch entsprechende Erdung un- schädlich zu machen. Zu photometrischen Messungen wird die Zelle stets mit einem beschleunigenden Potential aufgeladen. Dadurch wird die zwischen dem Platinring und dem lichtempfindlichen Belag liegende Gasstrecke ionisiert. Diese Ionisation übt auf die Bewegung der bei der Bestrahlung des Metallbelages frei werdenden negativ oeladenen Elektronen eine beschleunigende und richtende Wirkung aus. Die- selbe muss bei Messungen selbstverständlich konstant sein, da mit zunehmendem Potential auch der photoelektrische Effekt wächst. Bedingung dafür ist, dass das Hilfspotential selbst unveränderlich gleich bleibt. Seine Höhe ist übrigens begrenzt. Sie richtet sich nach der Zelle; 10 Volt unterhalb ihres Entladungspotentials ergibt das Optimum des photoelektrischen Effekts. Ein solches lichtempfind- liches System kann nun entweder in Verbindung mit einem empfind- lichen Galvanometer — es handelt sich im Maximum um Ströme von 4-10”% Ampere — oder aber in Schaltung mit einem Elektro- meter zu photometrischen Messungen verwendet, werden. Wir möchten jedoch gleich hier bemerken, dass die galvanometrische Methode vor der elektrometrischen den Vorzug verdient. Sie ist — wenn über- haupt anwendbar — nicht nur exakter, sondern vor allem auch be- 1) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 12. S. 609. 1911. — Elster und Geitel, Wiedemann’s Annalen Bd. 48. S. 625. 189. — H. Dember, Physikal. Zeitschr. Bd. 9 S. 189. 1908. 2) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 12 S. 609. 1911. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 589 deutend empfindlicher und ihre Ablesung mit Spiegel und Skala nicht umständlicher. Für alle die Fälle, in denen sie aus Gründen einer zu geringen Empfindlichkeit wegfällt, bleibt die elektrometrische. Bei dieser ist es von Bedeutung, ob man mit einem Einfaden- oder Zweifadenelektrometer arbeitet, Das erstere ist, wenn man die Wahl hat, entschieden vorzuziehen, einmal weil der Fadenausschlag pro- portional der Intensität der Bestrahlung geht, zum anderen aber auch deshalb, weil diese Form bei guter Ausführung!) und zweckmässiger Schaltung empfindlicher ist als die Zweifadeninstrumente. Wir haben bei den vorliegenden kolorimetrischen Messungen, die sowohl auf salvanometrischem wie auf elektrometrischem Wege ausgeführt _ wurden, uns eines Wulf’schen Zweifadenelektrometers bedient. Ein Einfadeninstrument stand uns leider nicht zur Verfügung. Die Pro- portionalität fällt hier natürlich weg, da mit der zunehmenden Auf- ladung der Fäden das Feld in der Zelle abnimmt. Die elektrometrische Methode. Apparatur: Als Messinstrument benützten wir, wie eben erwähnt, ein Wulf’sches Elektrometer. Von der Verwendung eines Quadrant- elektrometers, das wegen seiner Empfindlichkeit sich ohne weiteres eignen würde, sahen wir aus praktischen Gründen ab. Die zu unseren Messungen benützte hochempfindliche Zelle hatten wir von der Firma Günther & Tegetmeyer unter Angabe des Zwecks, zu dem wir sie verwenden wollten, bezogen. Letzteres empfiehlt sich deshalb, weil die Zellen bis zu einem gewissen Grad in bezug auf Druck, Auswahl des Metalls usw. der Art ihrer Verwendung angepasst werden können. Unsere Zelle besass, da wir besondere Messungen (z. B. im ultraroten Gebiet) nicht beabsichtigten, einen Kaliumbelag. Das Glas der Zelle bestand aus dem für ultraviolette Strahlen besonders durchlässigen Uviolglas.. Um sie nach aussen gegen Licht- einwirkungen zu schützen, bauten wir sie in ein zylindrisches Metall- gehäuse (s. Fig. 2) von ca. 10 em Durchmesser und 25 em Höhe lichtdicht ein. Dasselbe war aus Messing, innen dunkel gebeizt und auf der einen Seite mit einem kreisrunden Fenster versehen. Die Grundflächen liessen sich wie Deckel abnehmen. Der eine trug, um 1) Günther & Tegetmeyer, Braunschweig, Goslarsche Strasse, liefern ein sehr gutes Einfadenelektrometer nach Elster und Geitel, das sich speziell für diese Messungen eignet. 590 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: das Gehäuse und die Zelle bequem erden zu können, eine Klemm- schraube. Da die einzelnen Zellen bei ihrer Herstellung nach Form und Grösse nieht ganz gleich ausfallen, war es zunächst notwendig, einen möglichst universellen Mechanismus für ihre Befestigung zu finden. Wir haben nach wiederholten Änderungen folgende Auf- hängung als in der Herstellung einfachste und praktischste bei unseren Versuchen benützt: In dem zylindrischen Gehäuse (s. Fig. 2) sind Spannringe be- weglich angebracht. Jeder derselben weist drei radial verlaufende Spreitzen auf, die sich ex- & zentrisch in einem Ring ver- Zr einigen. Die Lage des letzteren ct ist so bemessen, dass die Zelle mit ihren Ausbuchtungen nach allen Seiten frei im Gehäuse liegt. Die leichte Beweglichkeit der Spannringe gestattet, im Verein mit der exzentrischen Anordnung der Unterstützungs- punkte, für jede Zelle ohne weiteres die richtige Justierung des lichtempfindlichen Belaes zum Fenster des Gehäuses. Seine Öffnung muss mindestens so gross gewählt werden, dass der Platinring, die Anode, voll- ständig zu sehen ist. Um die Luft im Innern des Gehäuses (mit Natrium) trocknen zu können, ist das Fenster mit einer klaren Glasscheibe ver- sehen. Der oben erwähnte Stanniolring wird mit dem Gehäuse ver- bunden und so für eine ausgiebige Erdung gesorgt. Besondere Sorgfalt wurde auf die Ausführung der Stromzuleitungen verwendet. Lange übereinandergreifende Rohrhülsen d und d, ermöglichen bei sorg- fältiger Isolierung der Zuleitungsdrähte einen vollkommen lichtdichten Abschluss nach aussen. Zur Isolation der Zuleitungen wurde Bern- stein verwendet. Die Anordnung, die durch Verschraubungen die Zugänglichkeit zu den Elektroden der Zelle wahrt, lässt sich am besten aus der Fig. 3 (S. 591) ersehen. Als konstante Lichtquelle für unsere kolorimetrischen Messungen benützten wir eine S-Volt-Osramlampe. Sie wurde von einer Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 59] Akkumulatorenbatterie gespeist, deren Spannung und Stromstärke während des Versuchs durch Präzisionsinstrumente kontrolliert wurden. Um über die Lage der Fäden und Stellung der Lampe zur Zelle eine genaue Kontrolle zu haben, bauten wir sie ein und führten das mit einer Mattscheibe abgedeckte, an einem Stativ befestigte Gehäuse entlang einer Schiene. Auf diese Weise konnte bei unveränderter Stellung der Fäden die Distanz jederzeit geändert und dabei zahlen- mässig bestimmt werden. Um Intensitätsschwankungen durch das allmähliche Einbrennen des Glühfadens aus dem Wege zu gehen, schalteten wir bei unseren Messungen die Lampe niemals aus, sondern deckten sie, wenn wir die Bestrahlung unterbrechen wollten, mit eo d Bernstein Stift für die Stromzuleitung no = nn desadh Fig. 3. einem dicken, schwarzen Pappkarton ab. Aus demselben Grunde warteten wir auch mit der ersten Ablesung ca. 20 Min. Solange Zeit braucht es, bis der Metallfaden eingebrannt ist und gleichmässig elüht. Als Stromquelle kam für die Lampe nur eine Akkumulatoren- batterie in Betracht, da nur sie die unbedinst erforderliche Konstanz von Spanuung und Intensität gewährte. Auch diese gilt ja bekannt- lich nur innerhalb gewisser Grenzen. Ummittelbar nach dem Auf- laden der Zellen fällt die Spannung zunächst von 2,5 auf 2 Volt ah. Dann bleibt sie praktisch längere Zeit konstant. Trotzdem empfiehit sich dei den vorliegenden Versuchen die Kontrolle von Stromstärke und Spannung. Das für unser photoelektrisches System nötige Hilfspotential ent- nahmen wir bei unseren ersten Versuchen dem städtischen Netz. Die Spannung in demselben (Dreileitersystem) beträgt 220 Volt. Da der Kaliumbelag der Zelle stets mit dem negativen Pol zu verbinden ist, so hat man bei dieser Art der Anordnung darauf zu achten, 592 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: dass der positive Pol Erdleiter wird. Die Stromentnahme erfolgte im übrigen in der bekannten Weise: Wir schlossen den städtischen Stromkreis mit einem Widerstand von 2000 Ohm (Stöpselrheostat) kurz und griffen nun die für unsere Zelle passende Spannung ab. Im Laufe der Untersuehungen bemerkten wir jedoch bald, dass die im städtischen Netz stets vorhandenen Stromschwankungen ein zuver- lässiges und exaktes Arbeiten unmöglich machten. Das in den Kreis gelegte Präzisionsvoltmeter ergab teilweise Differenzen von 1—2 Volt. Die Schwankungen traten stossweise, manchmal in ganz kurzen Intervallen auf. Sie waren speziell bei uns sehr häufig, da in unserem Institute zwei grosse Zentrifugen im Betrieb sind. Das Ein- und Ausschalten derselben verriet sich jedesmal durch einen plötzlichen Spannungsabfall. Aus diesem Grunde gaben wir diese an und für sich sehr bequeme Stromquelle auf und stellten uns eine sogenannte Taschenlampenbatterie ) zusammen. Wir benutzten 50 Stück davon, stellten die Batterieen in einem Kasten zusammen und verlöteten die Messingstreifen (jeweils den Pluspol mit dem Minuspol) von je fünf Stück zu einer Serie. Die Spannung derselben betrug ca. 20—22 Volt pro Serie. Bei dieser Anordnung konnte das abzunehmende Potential mit Einzelbatterien als Ergänzung für unsere Zwecke genügend abgestuft werden. Eine derartige Batterie hält, wenn sie kühl und trocken aufbewahrt wird, 1!/e—2 Jahre. Ihre Spannung ist — was speziell für diese photoelektrischen Messungen wichtig ist — nach einem anfänglichen Rückgang später praktisch konstant. Elektrometrische Schaltung. Schaltungsanordnung: Elektrometrische Messungen verlangen besondere Sorgfalt. Der elektrostatische Schutz des gesamten Systems muss peinlich durchgeführt werden. Gute Isolation der Leitungen (Bernstein als Isolierungsmittel, eventuell Einbau in geerdete Metall- rohre) und sorgfältige Erdung sind dabei unerlässliche Bedingungen. Aus dem gleichen Grunde empfiehlt es sich, die lichtempfindliche Zelle vor ihrem Einbau zunächst mit reinem destilliertem Wasser abzuwaschen und hernach mit absolutem Alkohol zu trocknen. Vor allem sind die Austrittsstellen der Elektroden so zu behandeln. Eine zufällige Berührung dieser Stellen mit feuchten Händen beim Ein- 1) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 15. S. 739. 1913. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe ete. 593 bau der Zelle macht jede genaue Messung illusorisch. Sehr wichtig ist es auch, die Luft im Gehäuseinneren des Elektrometers resp. der Zelle gut mit Natrium trocken zu halten. Die Schaltung ergibt sich aus der beigegebenen Skizze (Fig. 4). B stellt die aus Taschenlampenelementen zusammengesetzte Batterie vor. Ihr positiver Pol ist zur Erde abgeleitet, der negative mit dem lichtempfindlichen Belag der Zelle Z verbunden. Zur Kontrolle des angelesten Hilfspotentials — es handelte sich bei der von uns B or zur Erde 6) 2 AHE 7] 7 5 eb el, 87 7 7 Kapazität En ! Er (=? @ E g 2 & heib zur Erde Sg 4) —_Iı/ e. zur Accumulatorenbatterie hi z ce) . N N A c Jh N Fig. 41). gebrauchten Zelle um 120 Volt — dient das Voltmeter G. Vor der Zelle liest, um bei einer eventuell einsetzenden Glimmlichtentladung’) eine Schädigung derselben zu verhüten, der Widerstand W. Er be- trägt ca. 6000 Ohm. Sist ein Schlüssel. Von der Anode A (Platin- ring) der lichtempfindlichen Zelle führt der Draht f zum Aufladestab D des W ulf-Elektrometers, der Draht g zu der veränderlichen Kapazität C. Das Gehäuse des Elektrometers ist ebenso wie das Gehäuse der 1) In Fig. 4 ist beim Widerstand W versehentlich der Verbindungssteg an der unrichtigen Stelle eingezeichnet. Er verbindet die entgegengesetzten Enden der beiden Stöpselleisten. 2) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 13. S. 468. 1913. 594 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: Zelle (samt dem Stanniolstreifen », vel. Fie. 1) durch die Ver- bindung e geerdet. Die konstante in das Gehäuse E eingebaute Lichtquelle Z befindet sich gegenüber dem Fenster der lichtempfind- lichen Zelle. Sie lässt sich mittels’ Stativs entlang der Schiene J verschieben. Der Abstand der Lichtquelle vom Fenster des Ge- häuses kann so nach Bedarf verändert werden. V V sind die zur Aufnahme der Farblösungen bestimmten beiden Küvetten. Sie sind auf einer Schiene derart angeordnet, dass durch Verschieben die Lösungen abwechselnd vor das Fenster des Gehäuses gebracht werden können. Dabei liegen die Küvetten dem Fenster dicht an. Ihre lichten Dimensionen sind folgende: Höhe 45 mm, Breite 48 mm, ‚Tiefe 8 mm. Die absorbierende Schicht ist also nur 3 mm stark. Elektrometrische Messungen. Unsere Messungen nahmen wir in einem Dunkelraum vor. Die Zellen sind ausserordentlich lichtempfindlich. Lichtreize von der Grössenordnung 10-7 Hefnerkerzen!) ergeben bei Verwendung einer empfindlichen Zelle noch deutlich messbare Wanderungen des Fadens. Die kolorimetrischen Bestimmungen führten wir, wie folgt, aus: Zu- nächst wurde das ganze System in der vorbeschriebenen Weise zusammengestellt, die Klemmenspannung der Batterie gemessen und hierauf durch Sehluss des Schlüssels S das Hilfspotential an die Zelle gelegt (Erdung des positiven Pols der Batterie und der Schutz- verkleidungen). Hernach schalteten wir die Lichtquelle ein. Nach 10—20 Minuten war die Lichtintensität der Lampe konstant. Wir kontrollierten dieselbe mittels eines in den Kreis der Akkumulatoren- batterie geschalteten Amperemeters. War alles in Ordnung, zeigten die Instrumente keine Schwankungen, so konnte mit der eigent- lichen Bestimmung begonnen werden. Zuvörderst prüften wir die konstante Empfindlienkeit unseres photoelektrischen Systems. Dies ist notwendig und die einzige Möglichkeit, um etwaige Mängel im elektro- statischen Schutz nachzuweisen. Die Prüfung wurde in der Weise durchgeführt, dass wir die Kaliumzelle zunächst direkt ohne Zwischen- schaltung einer absorbierenden Farblösung bestrahlten. Zu diesem Zweck wurde, nachdem die Nullstellung des einen Fadens kontrolliert worden war, der die Lichtquelle abblendende Karton plötzlich entfernt und gleichzeitig mittels einer Stoppuhr die Aufladezeit für einen 1) Elster und Geitel, Physikal. Zeitschr. Bd. 13. S. 468. 1913. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergieichung der Tontiefe etc. 595 bestimmten Skalenausschlag des Fadens bestimmt. Dies geschah wiederholt. Die Lampe wurde, wie bereits oben betont, dabei nicht ausgeschaltet, sondern die Bestrahlung der Zelle durch das Vorlegen des Kartons unterbrochen. Ergeben sich bei den Aufladezeiten grössere Differenzen als 0,5 Sekunden im Mittel, so muss das System nachgeprüft, eventuell auch die Stoppuhr mit einem anderen zu- verlässigen Zeitmesser verglichen werden. Bei der Bestimmung der Aufladezeit ist auf folgendes zu achten: die Zahl der Skalenteile, die von dem anfangs schneller, später langsamer wandernden Faden zu durchlaufen sind, kann natürlich beliebig gewählt werden. Es empfiehlt sich, sie nicht zu klein zu nehmen, schon deshalb, weil der Faden anfänglich sehr rasch vorwärts eilt und sich schlecht beobachten lässt. Man kann nun die Aufladezeit nach Belieben variieren und um ein Vielfaches ausdehnen, wenn man an die Anode der Zelle eine (womöglich veränderliche) Kapazität lest (s. Fie. 3). Der Faden bewest sich bei passender Wahl derselben in bequem ablesbarer Weise ziemlich gleichmässig voran. Die Beobachtung wird dadurch wesentlich erleichtert. Die Aufladezeit über ein gewisses Mass hinaus auszudehnen, bringt keinen Vorteil und verzögert die Bestimmung. Wir stellten Zelle, Kapazität und Lichtquelle so zu- einander ein, dass der Faden bei direkter Bestrahlung zur Durch- wanderung von 20—25 Skalenteilen 30—40 Sek. brauchte. Ergibt sich so für die direkt bestrahlte Zelle eine konstante Aufladezeit, so kann man an die eigentliche kolorimetrische Be- stimmung gehen. Sie wird, wie folgt, vorgenommen: Die zu be- stimmenden Farblösungen werden in passende, planparallele Ge- fässe gefüllt. Letztere müssen selbstverständlich absolut rein sein. Ihre Dimensionen sind oben gegeben und untereinander gleich. Die eine Küvette enthält die zu untersuchende Lösung, die andere die ihrer Konzentration nach genau bekannte Testlösung (der gleichen Farbe). Man bringt nun eine der beiden, sorgfältig gereinigt, auf die Schiene, dicht vor das Fenster des Gehäuses und sorst dafür, dass die Küvette mit der Lösung dieses nach allen Seiten vollständig überraet. Nun wird die Zelle unter Wegnahme des Kartons der Bestrahlung ausgesetzt, gleichzeitig die Stoppuhr betätigt und der Faden des Elektrometers beobachtet. Selbstverständlich ist — man arbeitet am besten in einem Dunkelraum — jedes Nebenlicht auszuschliessen. Nach Verlauf einer bestimmten Zeit ist der betreffende Skalenteil, den man der Bestimmung zugrunde lest, erreicht. Man stoppt die Uhr 596 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: und liest die vergangene Sekundenzahl ab. Die Ablesurgen werden — man achte auf die exakte Rückkehr des Fadens in die Nullstellung — mehrere Male wiederholt und aus ihnen das Mittel gezogen. Ist auf diese Weise für die Testlösung die mittlere Aufladezeit einwandfrei bestimmt, so bringt man die zu untersuchende Lösung an deren Stellee Nun verfährt man genau wie vorhin. Decken sich bei wiederholter und abwechselnder Bestimmung die gefundenen Mittel- werte der Aufladezeit, d. h. differieren sie nicht um mehr als 0,5 Sekunden, so ist die Konzentration der beiden Farblösungen gleich. Weist die eine gegenüber der Testlösung eine längere Auf- ladezeit auf, so ist offenbar die Absorption und damit ihre Kon- zentration stärker als die der Testlösung, im entgegengesetzten Fall geringer. Wie empfindlich eine derartige photoelektrische Anordnung ist, geht daraus hervor, dass wir zwei sehr verdürnte Farblösungen, deren Konzentrationen sich wie 1:20 und 1:21 verhielten, auf elektro- metrischem Wege zu unterscheiden vermochten. Eine grössere Ge- nauiekeit ist mittels dieser Methode wohl nicht zu erreichen. Wir lassen die Werte folgen und bemerken, dass es sich bei den äusserst verdünnten Lösungen — verwendet wurde eine Karminblaulösung (0,02 :4000) und eine Gentianaviolettlösung (0,02 : 2500) — um Ton- unterschiede handelte, die für das menschliche Auge an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit lagen. Ablesungen. 1. Bestimmung der Konstanz desphotoelektrischen Systems. Die Distanz der Lichtquelle von der Zelle (gemessen vom Fensterrand der Lichtquelle zum Fensterrand der Zelle) betrug 9 em. An der Anode lag die Kapazität. Die Bestrahlung erfolgte direkt. Angelegtes i Abgelesener ; P el Akkumulatorenbatterie . St | er Volt Volt | Ampere (rechter Faden) | 12 Sekunden 117,0 8,0 | 0,825 25 33,0 117,0 8,0 0,825 25 33,0 117,0 8,0 0,825 95 332 117,0 8,0 0,825 ° 25 33,0 117,0 8,0 0,825 25 39,9 Mittlere Aufladezeit = 33,03 Sekunden. Die gefundenen Werte für die Aufladezeit differieren im Maxi- mum nur um 0,3 Sekunde. Es empfiehlt sich, nach einiger Zeit Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 597 noch eine Kontrollbestimmung nachfoleen zu lassen, entweder bei gleicher Distanz der Lampe oder bei veränderter. Wir hielten das erstere für richtiger. 2. Kontrollbestimmung (wurde 20 Minuten später ausgeführt). a lesies Akkumulatorenbatterie re Aufladezeit Volt Volt | Ampere (rechter Faden) | in Sekunden 117,0 80 | 0,825 25 33,8 117,0 8,0 0,825 25 33,6 117,0 80 0,825 25 33,4 117,0 8,0 0,825 25 55) Mittlere Aufladezeit — 33,52 Sekunden. Differenz zwischen der ersten und zweiten Bestimmung — 0,49 Sek. 3. Kolorimetrische Bestimmung zweier Karmin- blaulösungen gleicher Konzentration. Jede Küvette enthielt 20 ecm der Farblösung. Distanz der Lichtquelle und Kapazität wurden nicht verändert. ee Akkumulatorenbatterie |Apgelesener| Aufladezeit in Sekunden Volt Volt | Ampere Skalenteil | für Küvette 1| für Küvette 2 117,0 8,0 0,820 25 39,4 39,4 117,0 8,0 0,820 25 39,0 38,8 117,0 =) 0,820 25 39,0 38,8 117,0 8,0 0,320 25 39,0 38,6 117.0 80 | 08% 25 388 388 Mittlere Aufladezeit der ersten Bestimmung — 39,04 Sekunden. Mittlere Aufladezeit der zweiten Bestimmung —: 38,88 Sekunden. Differenz der beiden Bestimmungen —= 0,16 Sekunden. Die Farblösungen sind also nicht verschieden. 4. Kolorimetrische Bestimmung zweier Karminblau- lösungen verschiedener Konzentration (1:20 und 1:2]). Angelegtes Alkkkumulatorenbatterie Abgelesener | Aufladezeit in Sekunden . Skalenteil naiezual (rechter für für Volt Volt Ampere Faden) Küvette 1 | Küvette 2 116,0 8,0 0,820 25 43,0 42,0 116,0 8,0 0,820 25 42,8 | 42,0 116,0 8,0 0,820 25 42,4 42,0 116,0 8,0 0,820 25 43,0 42,2 116,0 8,0 0,820 25 43,0 42,0 116,0 8,0 0,820 25 42,8 42,0 598 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: Mittlere Aufladezeit der ersten Bestimmung — 42,83 Sekunden. Mittlere Aufladezeit der zweiten Bestimmung — 42,03 Sekunden. Differenz der beiden Bestimmungen — 0,30 Sekunden. Die Lösung in der Küvette 2 ist also die hellere, da ihre mittlere Aufladezeit gegenüber der anderen um 0,80 Sekunden, d.h. um mehr 0,50 Sekunden, geringer ist. 5. Kolorimetrische Bestimmung zweier Gentiana- violettlösungen verschiedener Konzentration [1!): 20 und 1:21]. Die Konstanz des Systems wurde vorher kontrolliert. Im übrigen war die Anordnung wie vorher. Angelegtes | Akkumulatorenbatterie | “reiesener | Aufladezeit in Sekunden 3 Skalenteil Potential (rechter für für Volt Volt Ampere Faden) Küvette 1 Küvette 2 115,0 8,0 0,820 25 40,2 39,2 115,0 8,0 0,820 25 40,2 39,4 115,0 8,0 0,820 25 40,1 39,0 115,0 8,0 0,820 25 40,1 39,0 115,0 8,0 0,820 25 40,2 39,2 Mittlere Aufladezeit der ersten Bestimmung == 40,16 Sekunden. Mittlere Aufladezeit der zweiten Bestimmung — 39,16 Sekunden. Differenz der beiden Bestimmungen — 1,00 Sekunden. Die Lösung in Küvette 2 ist, entsprechend der kürzeren Auflade- zeit, also die hellere. Durch Zusetzen von !/s cem Wasser zu Küvette 1 vermochten wir die Differenz der Aufladezeit bis auf 0,3 Sekunden genau (Mittelwert aus sechs Bestimmungen) auszugleichen und damit auch die Aufhebung der zwischen den beiden Farblösungen bestehenden Farbtondifferenz photoelektrisch nachzuweisen. Geringere Mengen Wasser gaben keine eindeutigen Resultate. Die galvanometrische Methode. Wie wir schon eingangs hervorhoben, ist die galvanometrische Methode nicht nur in der Handhabung bequemer, sondern auch vor allem bedeutend empfindlicher als die elektrometrische. Leider be- schränkt sich ihre Anwendung auf die Fälle, bei denen genügend 1) 1 bedeutet die auf S. 596 oben angegebene Verdünnung. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der. Tontiefe etc. 599 Licht zur Verfügung steht. Unsere Arbeiten boten in dieser Hin- sicht keine Schwierigkeiten. Wir wählten im Interesse der allgemeinen Anwendbarkeit der Methode eine 8-Volt-Osramlampe und reichten damit vollkommen aus. Bei 1—2 cm Distanz und direkter Be- strahlung der Zelle erhielten wir als Optimum mit dem nachge- nannten Galvanometer einen Ausschlag von 104 Skalenteilen. —Metallmantel rel ft sur ende en SS talent: ( — Bernstein- —— Ka x, YJsolation de 4 EEE ELEI esse i aaa aaa Dt DV Cuvette mm Accumulator Fig. 5'). Apparatur: Für unsere galvanometrischen Messungen benützten wir ein Spulengalvanometer (Depre&z-d’Arsonval) von Siemens& Halske mit einer Empfindlichkeit von 8-10-!1% Ampere. Die Ab- lesung geschah in der üblichen. Weise: objektiv mit Spiegel und Skala (s. Fig. 5). Vor das Fenster des Galvanometers setzten wir ein Brillenglas, eine Bikonvexlinse von 0,75 Dioptrien als abbildendes System. Abgebildet wurde der Leuchtstab einer Nernstlampe. In etwa 1,5 m Entfernung befand sich die Skala. Ausser dem Spulen- ‚galvanometer benötisten wir zur Entnahme des Hilfspotentials nur noch unsere Taschenlampenbatterie und zwei einfache Widerstände von ea. 4000— 5000 Ohm und die Messinstrumente. Im übrigen unterschied sich die Anordnung durch nichts von der bereits geschilderten. 1) In der Fig. 5 sind bei den Widerständen W, und W, die Verbindungs- stege an der unrichtigen Stelle eingezeichnet. Sie gehören an das andere Ende der Stöpselleisten. 600 Emil Abaäerhalden und F. Wildermuth: Galvanometrische Schaltungsanordnung. Die galvanometrische Schaltungsanordnung ist speziell bei Ver- wendung von Spulengalvanometern einfach und gegen äussere Störungen im allgemeinen wenig empfindlich. Für elektrostatische Einflüsse gilt das allerdings nicht. Das System ist in dieser Be- ziehung ausserordentlich labil. Wir hatten anfänglich nur unser Galvanometer durch ein geerdetes Metallgehäuse gegen elektro- statische Einflüsse geschützt. Bei unseren Ablesungen beobachteten wir jedoch bald, dass dies offenbar nicht genügte. Unregelmässige Schwankungen von 1—2 Skalenteilen bei sonst gleichen Bedingungen störten die einzelnen Bestimmungen. Wir lesten sie zunächst einer unreinen Oberfläche der Zelle und den damit verbundenen Isolations- verlusten zur Last. Eine gründliche Reinigung in der oben ange- gebenen Weise änderte jedoch an diesem Phänomen so gut wie nichts. Dies veranlasste uns, die Zelle samt Gehäuse durch einen ab- geschlossenen, sorgfältig geerdeten Metallmantel zu schützen. Der Erfolg war ein unmittelbarer. Die Schwankungen fielen, sofern nur die übrigen Grössen konstant blieben, alsbald weg. Man kann sich von der Schutzwirkung des Metallgehäuses sehr bequem dadurch überzeugen, dass man in der üblichen Weise verschiedene Ab- lesungen macht und dabei eine Person dieht an das Zellgehäuse herantreten lässt. Hierauf wiederholt man die Ablesungen, nachdem die betreffende Person sich entfernt hat. Ist der durch den Einbau der Zelle angestrebte elektrostatische Schutz ausreichend, so darf sich eine Differenz in den Werten der beiden Bestimmungen nicht ergeben. Diese grosse elektrostatische Empfindlichkeit des Systems erklärt sich ohne weiteres, wenn man bedenkt, wieviel mal grösser der innere Widerstand der Zelle gegenüber den äusseren Widerständen ist. Am vorteilhaftesten ist es, das ganze photoelektrische System in der genannten Weise zu schützen, entweder durch Einbau der gesamten Anordnung oder der einzelnen Teile. Aus ähnlichen Überlegungen heraus verwendeten wir bei unseren späteren Be- stimmungen statt isolierter Drähte für alle Zuleitungen blanke. Dielektrische Nachwirkungen und die durch sie bedinsten Störungen fallen so weg. Die Schaltung geht aus der beigefüsten Skizze hervor: Der Pluspol der Batterie ist unter Zwischenschaltung des Widerstandes W, (4—5000 Ohm) mit der einen Klemme des Galvano- meters X,, der Minuspol unter Zwischenschaltung des Widerstandes W, mit dem lichtempfindlichen Belag der Zelle verbunden. Der Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 601 Draht d verbindet die Klemme des Galvanometers X, mit der Anode (Platinring) der Photozelle. Galvanometrische Messungen. Auch unsere galvanometrischen Messungen wurden im Dunkel- raum ausgeführt. Zunächst wurde das ganze photoelektrische System in der oben skizzierten Weise (Fig. 5) zusammengestellt und dann bei direkter Bestrahlung der Zelle auf seine Konstanz geprüft. Es versteht sich von selbst, dass auch hierbei die oben für das Be- leuchtungssystem angeführten Faktoren berücksichtigt werden mussten. Erst wenn der Lichtstreifen auf der Skala seine Lage unverändert beibehielt, begannen wir mit den eigentlichen Messungen, indem wir abwechselnd zunächst die Testlösung, dann die zu untersuchende Lösung vor das Fenster der Zelle brachten und die korrespondierenden Ablenkungen des Lichtstreifens registrierten. Die Ablesungen wurden mehrmals wiederholt und aus ihnen das Mittel gezogen. War die Ton- tiefe der zu untersuchenden Lösung heller als die der verwendeten Testlösung, so war der Ausschlag ein entsprechend grösserer und umgekehrt. Dabei ist uns ein Irrtum trotz der vielen Ablesungen, die wir mittels dieser Methode machten, nur ganz selten unterlaufen. Es ist eine Freude, zu beobachten, mit welcher Konstanz im je- weiligen Fall der Lichtstreifen sich immer wieder auf den korre- spondierenden Skalenteil einstellt. Die Bestimmungen wurden gemeinsam von zwei Personen ausgeführt. Dabei war in dem Dunkel- raum die Anordnung getroffen, dass derjenige, der die Ablesung machte, den anderen beim Austausch der Lösungen nicht sehen konnte. Von Ablesung zu Ablesung verging eine Zeit von 20 bis 25 Sekunden. Der Wechsel der Küvetten vollzog. sich geräuschlos und so rasch, dass der Lichtstreifen sich nach eirer vorübergehenden Abweichung von höchstens zwei Skalenteilen nahezu aperiodisch ein- stellte. Die Prüfung auf Konstanz des photoelektrischen Systems nahmen wir bei zwei verschiedenen Abständen der Lichtquelle vor. Die Konzentrationsänderungen der einen Lösung wurde ohne Wissen und Kontrolle des Ablesenden so vorgenommen, dass mittels einer neben der Gleitschiene aufgestellten Bürette tropfenweise Wasser zugegeben wurde. Nach Zugabe des Verdünnungsmittels wurde mit einem Glasstabe gemischt und die Lösung vor die Zelle geschoben. Unter sukzessiver Steigerung der Tropfenzahl konnten wir auf diese Weise in ganz objektiver Form die Grenzempfindlichkeit unseres Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 40 602 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: Systems feststellen. Sie lag für die betreffende Zelle und die an- gewandten Farblösungen bei der Tropfenzahl zehn. Ganz dasselbe Resultat erhielten wir mit einer zweiten, ebenfalls sehr licht- empfindlichen Zelle, Wir geben im nachfolgenden die einzelnen Werte wieder. Es handelt sich, wie bei unseren elektrometrischen Messungen, um zwei Lösungen: eine Karminblaulösung (0,02 :4000) und eine Gentianaviolettlösung (0,02 :2500), deren Farbenintensität für das menschliche Auge bei objektiver Betrachtung absolut gleich war. Ihre Konzentrationen unterschieden sich — und darin zeiet sich die Überlegenheit der galvanometrischen Methode gegenüber der elektrometrischen — nicht um 1 cem, sondern um 0,5 ccm Lösungsmittel. Sie verhalten sich wie 1:20 und 1:20,5, also eine sehr geringe Differenz! Die Unterscheidung dieser beiden Farbtöne war uns und unseren Kollegen nieht mehr möglich. Sie lag jenseits des dem menschlichen Auge gegebenen Vermögens, Farbenunter- schiede wahrzunehmen. Der bei den vorliegenden Untersuchungen gefundene Wert für die Differenzempfindlichkeit unserer photoelektrischen Zelle gilt nur im unmittelbaren Bereich der angegebenen Konzentration. Bei konzentrierteren Farblösungen muss, im Einklang mit dem Weber- Fechner’schen Gesetz, das für eben merkliche Tonunterschiede die prozentuale Abhängigkeit von Verdünnungsflüssigkeit und absoluter Farbstoffmenge feststellt, eine entsprechend grössere Quantität Wasser zugefügt werden, bis der Schwellenwert erreicht ist. Die Differenzempfindlichkeit des photoelektrischen Systems nimmt also bei konzentrierteren Farblösungen nur scheinbar ab. Eine praktische Bedeutung kommt dieser ohne weiteres verständlichen Tatsache für unsere Untersuchungen nicht zu. Ablesungen. 1. Bestimmung der Konstanz desphotoelektrischen Systems bei direkter Bestrahlung in ca. 9 em Distanz der Lichtquelle. Angelegtes | Akkumulatorenbatterie Skala Nach role | ———— =; ? Volt Volt | Ampere | Nullstellung | Ausschlag Minuten 117,0 8,0 0,820 245,0 263,2 ) 117,0 8,0 0,820 —_ 263,2 1 117,0 8,0 0,820 en 2632 2 117,0 8,0 0,820 — 269,2 3 117,0 8,0 0,820 — 263,2 4 117,0 8,0 0,820 245,0 263,2 5 Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe ete, 603 2. Bestimmung der Konstanz des photoelektrischen Systems bei direkter Bestrahlung in ca. 4 em Distanz der Lichtquelle. Angelegtes Akkumulatorenbatterie Skala Non Potential ac Volt Volt Ampere | Nulistellung | Ausschlag Minuten 117,0 8,0 0,820 245,0 987,5 ) 117.0 8,0 0.820 > 287,5 1 117,0 8.0 0,820 = 287,5 2 117,0 8,0 0,820 = 987,5 3 117,0 8,0 0,320 — 287,5 4 117,0 8,0 0,820 245,0 287,5 5 3. Kolorimetrische Bestimmung zweier Karmin- blaulösungen von gleicher Konzentration. Jede Küvette enthielt 20 cem der Farblösung. Die Distanz der Lichtquelle betrug ca. 4 ccm. Angelestes| Akkumulatoren- Einstellung der Lichtmarke Potential batterie für die Abgelesen TE FE h Volt Volt | Ampere Nullage |1. Küvette |2. Küvette En 117,0 245,0 284,9 284,9 0 Minute 117,0 — 284,9 284,9 1 Minute 117,0 — 284,9 284,9 2 Minuten 117,0 — 284,9 234,9 4 Minuten 117,0 245,0 284,9 284,9 6 Minuten 4. Kolorimetrische Bestimmung zweier Karmin- blaulösungen von wachsend ungleicher Konzentration. Jede Küvette enthielt zu Anfang 20 eem Farblösung der gleichen Konzentration. Angelestes}] Akkumulatoren- Einstellung der Lichtmarke Potential batterie für die Nach Be ea [2 Be Sr, Zusatz" Von Volt Volt | Ampere | Nullage | 1, Küvette | 2. Küvette 117,0 8,0 0,820 249,0 290,0 290,0 2 Tropfen 117,0 80 0,820 E 290,0 290,0 Wasser 117,0 8,0 0,820 — 290,0 290.0 117,0 8,0 0,820 _ 290,0 290,0 + 2 Tropfen 117,0 8,0 0,820 — 290,0 290,0 Wasser 117,0 8,0 0,820 — 290,0 290,0 117,0 8,0 0,820 — 290,0 299,0 + 2 Tropfen 117,0 8,0 0,820 En 290,0 290,0 Wasser 117,0 8,0 0,820 290,0 290,0 40 * 604 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: Angelegtes| Akkumulatoren- Einstellung der Lichtmarke 2 Potential batterie für die Nach Zusat Volt | Volt | Ampere | Nullage | 1. Küvette |2. Küvette | on 117,0 8,0 0,820 — 290,0 290,2 + 2 Tropfen 117,0 8,0 0,820 — 290,1 290, Wasser 117,0 8,0 0,820 — 290,1 290,2 117,0 8,0 0,520 — 290,1 290,4 + 2 Tropfen 117,0 8,0 0,820 _ 290,1 290,4 Wasser(oder 117,0 8,0 0,820 249,0 290,1 290,4 im ganzen 10 Tropten). Die Differenzempfindlichkeit des Systems lag für die angewandte Farblösung (und der vorliegenden Konzentration) bei 10 Tropfen, d. h. bei 0,0 cem Wasser. 8. Kolorimetrische Bestimmung zweier Karmin- blaulösungen von bleibender, untersich verschiedener Konzentration. Die eine Küvette enthielt die Farblösung in der Konzentration 1:20, die andere in der Konzentration 1: 20,5. An- |Akkumulatoren-| Einstellung der Lichtmarke gelegtes batterie für die Abgelesen Potential von Volt Volt | Ampere Nullage |1. Küvette 2. Küvette 116,0 | 80 | 0,820 | 2400 | 290,5 | 290,3 '\ eo |. 80 | On | = 2905 | 2903 | wrira 150 | 20.) 0a | = an | a 1602 2302 Dos 290,6 | 290,3 ah 160 | 80) on | = 290,6 | 290,4 | 27. Juli 160 |\.80 |) 0820 || — 2902 | 290,0 | 11602, 202 08000, 2 290,2 — | 1160 |. 80 | U | — 2902 | 2900 |} Möser 160 | Eu) O8 || — — 290,1 116,0 | 80 | 0,820 | 240,0 | 290,3 | 290,0 ) (| 1120 | 80 | 0,885 | 2400 | 2939 | 293,7 |} 120 | 80 | 05 || — 2939 | 2937 |\ Wilder- 11700 7 80, 0 293,9 | 2987 |f muth 98 Juli Itaomı 7 2:00 20.2052 Boom E39 Fass) 1120 | 80 | 0,825 | 240,0 | 290,5 | 290,2 zo 80 | Asa || = 290,5 | 290,2 Kabanow U ellzos \723:07120:5258| 7210.05 229055 728509 Die erste Küvette enthielt die verdünntere Farblösung. Ein Unterschied war mit blossem Auge nicht wahrzunehmen. Die Differenz betrug im Mittel nicht mehr wie 0,3 Skalenteile. Trotz- dem war sie mit Sicherheit nachzuweisen. Die Verwendung von Kaliumzellen zur obj. Vergleichung der Tontiefe etc. 505 6. Kolorimetrische Bestimmung zweier Gentiana- violettlösungen (von bleibender, unter sich verschiedener Kon- zentration). Die eine Küvette enthielt die Farblösung in der Konzentration 1:20, die andere in der Konzentration 1: 20,5. An- Akkumulatoren- Einstellung der Marke gelegtes batterie für die Abgelesen Potential von Volt Volt Ampere Nullage |1. Küvette | 2. Küvette 118,0 8,0 0,820 245,0 319,8 395 118,0 8,0 0,820 = 319,8 319,5 en 118,0 8,0 0,820 rt 319,9 319,6 sk 118,0 8,0 0,820 Br 319,9 3195 nt 118,0 8,0 0,820 2 319,9 319,5 118,0 8,0 0,820 = 319,8 195° 1) 118,0 80 0,820 = 319,8 319,5 a 8,0 a — 319,8 319,5 118,0 ‚0 0,820 — 319,8 319,5 ne 118,0 8.0 0.820 ® 319,5 3192 alunen 118,0 8,0 0,820 = 319,5 319,2 118,0 80 0,820 = 319,5 319,2 118,0 8,0 0,820 = 319,5 31927 15 118,0 8,0 0,820 = 319,2 Nr Ne 118,0 8,0 0,820 = 319,2 3193 | 1 Wilder- 118,0 80 0,820 zZ 3192 3192 | muth 118,0 8,0 0,820 245,0 319,2 — | Die erste Küvette enthielt die verdünntere Farblösune. Die Ablesungen sind trotz. der geringen Differenz absolut eindeutig. Bei der letzten Bestimmung (Ablesung durch Wildermuth) wurde in die zweite Küvette zur Herstellung des Konzentrationsgleichgewichtes 0,5 cem Wasser gegeben. Die Werte decken sich fast vollkommen. Wie wir schon eingangs betonten, ist die Methode in der hier ge- schilderten Form für fortlaufende Untersuchungen praktisch nicht ohne weiteres zu verwenden. Es haften ihr noch mancherlei technische Un- zulänsliehkeiten an. Uns kam es bei unseren Untersuchungen zunächst nur darauf an, die Überlegenheit der Kaliumzellen für praktische photo- metrische und kolorimetrische Zwecke gegenüber den vorerwähnten anderen Methoden darzutun und ihre Leistungsgrenze festzustellen. Dies ist uns auch gelungen. Die technischen und physikalischen Schwieriekeiten werden sich sicher durch entsprechende Änderungen beheben lassen. Wir haben dabei jetzt schon eine bestimmte Neu- anordnung im Auge: die gleichzeitige Verwendung zweier 606 Emil Abderhalden und F. Wildermuth: Kaliumzellen etc. Kaliumzellen. Die Kombination eines solchen photoelektrischen Systems kann in verschiedener Weise durchgeführt werden. Die An- ordnung würde in ein und derselben Ablesung den unmittelbaren Ver- gleich der Testlösung mit der zu untersuchenden Lösung gestatten und so die eigentliche Bestimmung nicht nur sehr bequem gestalten, sondern vor allem auch durch die damit verknüpften technischen Vorteile die praktische Verwendung der photoelektrischen Zellen ermöglichen. Der von uns angedeutete Weg ist beschreitbar und wird uns sicher zum Ziele führen. Die detaillierte Ausführung und Nachprüfung dieser wesentlich einfacheren, deshalb aber nicht weniger empfind- lichen Anordnung ist einer späteren Mitteilung vorbehalten. Wir erhoffen von der Verwendung der Kaliumzellen auch Vor- teile für die Hämoglobinbestimmung. Eine objektive Methode wäre ohne Zweifel sehr wünschenswert. Man wird auch viele spezielle Fragen angehen können, so z. B. die genaue Bestimmung der Intensität der Absorptionsbänder im Spektrum der einzelnen Hämo- globinarten. Die Kaliumzellen dürften noch für manche Probleme der Phy- siologie, speziell bei solchen die mit dem Sehen zusammenhängen, sich als wertvoll erweisen. Je unabhängiger wir von unseren Sinnes- organen werden, je mehr wir sie durch objektive Methoden ersetzen oder doch kontrollieren können, um so sicherer werden unsere Er- gebnisse. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg.) Über den Einfluss der Kopfstellung auf die vestibu- laren Reaktionsbewegungen der Tiere!). Von Dr. 3. Rothfeld, Assistent an der Nervenklinik der Universität Lemberg. (Mit 6 Textfiguren und Tafel IX.) Klinisch-physiologische Untersuchungen von Bäräny?) haben gezeigt, dass durch Reizung der Labyrinthe, sei es durch Aus- spülung mit heissem oder kaltem Wasser, sei es durch Drehen am Drehstuhl, einerseits Augenreflexe, Augennystagmus, anderseits eine Reihe von Reaktionsbewegungen des Körpers und der Extremitäten hervorgerufen werden. Erzeugt man bei einem normalen Menschen einen rotatorischen Nystagmus nach rechts, und lässt man die Versuchs- person während der Dauer des Nystagmus die Stellung wie bei der Prüfung des Romberg’schen Phänomens annehmen, so fällt der normale Mensch nach links; dreht man nun den Kopf der Versuchs- person nach rechts, so fällt sie nach vorne, wird der Kopf nach links gedreht, so erfolet ein Fallen nach hinten. Bei gleichbleibendem vestibularen Reiz und bei gleichbleibendem Augennystagmus ändert sich also in gesetzmässiger Weise die Richtung der Fallreaktion, bloss durch die Änderung der Lage des Kopfes gegen den Rumpf. Klinische Fälle mit Läsionen des Kleinhirnwurmes (Wurmtumoren) haben gelehrt, dass in diesen Fällen kein Einfluss der Kopfstellung auf die Fallreaktion. vorhanden ist, woraus Bäräny geschlossen 1) Die Arbeit wurde der Akademie der Wissenschaften in Krakau in der Sitzung vom 8. Juni 1914 vorgelegt; erscheint in den Berichten der Akademie Serie B 1914. 2) Literatur s. Bäräny, Klinik des Bogengangapparates. Verhandl. d. Gesellsch. deutscher Naturf. a. Ärzte Wien 1913. 608. J. Rothfeld: hat, dass im Kleinhirnwurm ein Zentrum für diese Reaktion besteht, nach dessen Zerstörung das normalerweise auftretende Fallen aus- bleibt. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Bäräny’schen Unter- suchungen ist folgender Versuch. Lässt man einen normalen Menschen bei geschlossenen Augen mit gestrecktem Arm auf den vorgehaltenen Zeigefinger des Unter- suchers zeigen, so zeigt er schon bei geringer Übung immer richtig (Zeigeversuch von Bäräny). Die Prüfung gelinst in allen Gelenken und sowohl bei Bewegungen in vertikaler Richtung, von oben nach unten, wie auch in horizontaler von der Seite zur Medianlinie. Frzeugt man jedoch einen kalorischen oder Drehnystagmus, so ge- langt der Zeigefinger der Versuchsperson nicht zum Finger des Untersuchenden, sondern weicht in der Richtung der langsamen Komponente des gleichzeitig bestehenden Nystagmus ab: er zeigt vorbei. Dieses Phänomen erklärt Bäräny durch die Annahme ent- sprechender Zentren in der Kleinhirnhemisphäre, im Sinne Bolk’s, wo die Muskulatur der Extremitäten vertreten ist. Bäräny nimmt für jedes Gelenk vier Zentren an, und zwar für die Bewegung nach rechts und links, nach oben und unten. Bei Zerstörung eines Zentrums überwiest das antagonistische Zentrum z. B. bei einer Läsion des Zentrums für das Verbeizeigen nach rechts, überwiest das für das Zeigen nach links, und es tritt Vorbeizeigen nach links auf; in diesem Falle fehlt auch das Vorbeizeigen nach rechts, beim experimentellen Nystagmus nach links. Im normalen Zustande be- wirken diese Zentren einen Tonus der Muskulatur, den zerebellaren Tonus, der bei hinzutretendem vestibularen Reiz verstärkt wird und entsprechend dem tonisierten Zentrum, wird der Muskeltonus erhöht, wodurch ein Vorbeizeigen erfolgt. Das experimentell, durch die Reizung des Vestibularapparates erzeugte Vorbeizeigen hängt jedoch absolut von der Kopfstellung ab, indem man dasselbe durch Änderung der Kopfstellung ändern kann; so tritt z. B. bei horizontalem Nystagmus nach rechts und bei aufrechter Kopfstellung Vorbeizeigen nach links auf; wird jedoch der Kopf, während der horizontale Nystagmus noch dauert, beispielsweise 90° auf die rechte Schulter geneigt, so tritt an Stelle des Vorbeizeigens nach links ein Vorbei- zeigen nach oben auf, nach Neigung auf die linke Schulter Vorbei- zeigen nach unten. Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 609 Sowohl die Reaktionsbewegungen des Körpers, die Fallreaktion, wie auch die der Extremitäten, das Vorbeizeigen, wird durch eine willkürlich geänderte Kopfstellung in gesetzmässiger Weise verändert. In der vorliegenden Abhandlung wollen wir versuchen, zwei Fragen zu lösen: 1. Besteht auch beim Tiere ein Einfluss der Kopfstellung auf die vestibularen Reaktionsbewegungen, und lassen sich dieselben durch Veränderung der Kopfstellung beeinflussen ? 2. Lässt sich eine Analogie zwischen den Reaktionsbewegungen der Tiere und der Menschen durchführen ? Die normalerweise auftretenden Reaktionsbewegungen bei Tieren wurden von Bäräny, Reich und Rothfeld!) beschrieben. Zehn- maliee Drehung nach rechts bei normaler Kopflage bewirkt nach dem Stehenbleiben einen horizontalen Augennystagmus nach links; der Kopf ist nach rechts gedreht und wird ruckweise rhythmisch nach links bewegt (Kopfnystagmus nach links); der Rumpf ist mit der Konkavität nach rechts gekrümmt (Rechtskonkavität), das Tier führt Manegebewegungen nach rechts aus. Wir haben also nach Rechtsdrehen bei normaler Kopflage einen Kopf- und Augen- nystagmus in der entgegengesetzten Richtung wie die voraus- gesangene Drehung, Kopfdrehung, Krümmung der Wirbelsäule und ‚ Mane&gebewesungen in der stattgefundenen Drehrichtung. Drehung nach links hat bei normaler Kopflage dieselben Erscheinungen zu- folge, nur ist die Richtung umgekehrt. Zehnmalige Drehung nach rechts bei dorsal gebeustem Kopfe bewirkt einen vertikalen Augen- nystagmus am rechten Auge gegen das Unterlid, am linken gegen das Oberlid, also einen Nystagmus in bezuz auf das Tier vertikal nach rechts; das Tier fällt nach links, was oft so stark ist, dass sich das Tier um seite Körperlängsachse nach links wälzt. Die Fallreaktion ist also der Richtung der vorausgegangenen Drehung entgegengesetzt. Zehnmalige Linksdrehung bewirkt Fallen nach rechts. Wird das Tier bei linksseitiger Lage des Kopfes zehnmal nach rechts gedreht, so entsteht ein rotatorischer Nystagmus auf beiden Augen nach rückwärts, der Kopf wird ventral gebeugt, an 1) Neurolog. Zentralbl. 1912. Genaue Beschreibung der Untersuchungs- methode ist auch in Rothfeld’s „Physiologie des Bogengangapparates“ an- gegeben. Verhandl. deutscher Naturf. u. Ärzte 1913. A J. Rothfeld: die Unterlage gepresst, das Tier rennt nach vorne, wobei der Körper bald auf die rechte, bald auf die linke Seite geneigt wird. Zehn- malige Linksdrehung bei linksseitiger Kopflage bewirkt einen rota- torischen Nystagmus nach vorne, der Kopf wird stark dorsal gedreht, die vorderen Extremitäten werden gestreckt und zehoben, die hinteren eingezogen, das Tier weicht nach rückwärts zurück und zeigt eine deutliche Tendenz, sich nach rückwärts zu über- schlagen. Die Lösung der ersten Frage, ob beim Tiere ein Einfluss der Kopfstellung auf die vestibularen Reaktionsbewegungen vorhanden ist, stösst auf grosse Schwierigkeiten, weil ein analoger Versuch wie beim Menschen nicht möglich ist, da wir nicht imstande sind, während der Dauer des vestibularen Reizes die Kopfstellung des Tieres dauernd zu verändern; jede Änderung der Kopfstellung während der schon begonnenen Reaktionsbewegung bewirkt, dass die- selbe sofort unterbrochen wird. Eine dauernde Fixierung des Kopfes in einer ungewohnten Stellung, z. B. durch Annähern des Kopfes an eine Stelle des Rumpfes führt ebenfalls zu keinem Resultate, wie ich mich mit Herrn Doz. Bäräny und Dr. Reich während unserer ge- meinsamen Arbeit überzeugen konnte; die Tiere bewegen sich dann nach stattgefundener Drehung überhaupt nicht, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Drehung bei ungewöhnlicher Kopfstellung geschieht und weil das Auftreten der Reaktion des Kopfes durch seine Fixierung verhindert wird, was wir noch weiter beweisen werden. Diese Umstände erschwerten die Durchführung eines absoluten Beweises, obwohl einzelne Tatsachen und genaue Beobachtung der Reaktionsbewegungen ihre Abhängigkeit von der Kopfstellung sehr wahrscheinlich machten. Durch ein einfaches Experiment ist es mir gelungen, zu beweisen, dass auch beim Tiere die Reaktionsbewegungen durch die Kopf- stellung ebenso beeinflusst werden wie beim Menschen. Es wurden bei einem Kaninchen sämtliche Nackenmuskeln durchschnitten, so dass der Kopf nach unten gerichtet war und das Tier nicht imstande war, den Kopf zu heben. Von den spontanen Erscheinungen, die bloss infolge der Durchschneidung der Nackenmuskulatur resp. in- folge der ungewohnten Kopfstellung auftraten, wollen wir vorläufig absehen; wir werden sie unten näher schildern. Wird ein solches Tier am Drehstuhl gedreht, wobei der Kopf während der Drehung in gewöhnlicher Lage fixiert wird (ca. 45 ° unter der Horizontalebene), Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 611 und erst nach vollendeter Drehung freigelassen, so bleibt er nicht wie bei einem normalen Tier in gewöhnlicher Lage, sondern fällt nach unten. Auf diese Weise führen wir einen analogen Versuch wie beim Menschen aus: es wird die Kopfstellung bei schon er- folstem labyrinthären Reiz geändert. Bei unserem Tiere erfolgt an Stelle der Manegebewegungen nach Drehung bei normaler Kopflage stets eine Fallreaktion in entgegengesetzter Richtung als die voraus- gecangene Drehung. Wird das Tier bei normaler Kopflage zehnmal nach rechts gedreht, so tritt nach vollendeter Drehung ein horizontaler Nystagmus nach links auf, also am linken Auge gegen das Ohr, am rechten gegen die Schnauze; nachdem der Kopf freigelassen wird und infolgedessen nach unten gerichtet ist, so ist jetzt der horizontale Nystagmus im Raum vertikal, am rechten Auge nach unten, am linken nach oben und in bezug auf das Tier ist es nun ein verti- kaler Nystagmus nach rechts; das Tier fällt nach links um, in der Richtung der langsamen Komponente des Nystagmus. Es erfolgt also bei unverändertem vestibularen Reize eine vollkommen ver- änderte Reaktiousbewegung, was durch die Veränderung der Kopf- stellung verursacht wurde. Dieser Versuch ist dem Versuch beim Menschen vollkommen analog; die Reizung des Vestibular- apparates erfolgte bei normaler Kopfstellung, die Änderung der Lage des Kopfes bei bereits bestehendem horizontalen Nystagmus. Ich glaube dadurch bewiesen zu haben, dass auch beim Tiere die Kopfstellung auf die Reaktionsbewegung einen wesent- lichen Einfluss ausübt. Die von Bäräny in unzweideutiger Weise nachgewiesene Bedeutung der Kopfstellung für die Richtung der Reaktionsbewegungen beim Menschen wird durch unser Tier- experiment bekräftigt. Aus der obigen Feststellung der Abhängiekeit der Art der Reaktionsbewegungen von der Lage des Kopfes ergibt sich eine Reihe wichtiger Tatsachen für die Analyse der Reaktionsbewegungen beim Tiere. Es dränet sich nämlich die Frage auf, welchen Anteil hat die vestibular bedingte Kopfstellung resp. Reaktionsbewegung des Kopfes am Zustandekommen und Verlauf der Reaktions- bewegungen der Tiere? Um einer Lösung näher zu. kommen, müssen wir zuerst den Einfluss der Kopfstellung auf die der Extremitäten und des Rumpfes bei normalen Tieren kennen lernen. Eine erschöpfende Aufklärung über diesen Zusammenhang geben uns die Untersuchungen von 612 J. Rothfeld: Magnus und de Kleijn!), die dann von Weiland?) und mir®) wiederholt und bestätigt wurden. Magnus und de Kleijn haben an dezerebrierten Katzen nachweisen können, dass die Veränderung der Kopfstellunz den Tonus der Extremitätenmuskulatur wesentlich beeinflussen, und sie konnten eine gewisse Regelmässigkeit dieser Erscheinungen fest- stellen. Die Verfasser unterscheiden Hals- und Labyrinthreflexe, indem sie diejenigen Erscheinungen, die nach Änderung der Kopf- lage im Raum ohne Veränderung der Verhältnisse zwischen Kopf und Körper auftreten, als „Labyrinthreflexe“, die bei Änderung der Kopfstellung gegen den Rumpf als „Halsreflexe“ bezeichnen. Die Halsreflexe können nach Fxstirpation beider Labyrinthe studiert werden, die Labyrinthreflexe dagegen, indem der Kopf durch Ein- eipsen in eine fixe Stellung gegen den Rumpf gebracht wird. Wird eine dezerebrierte Katze mit entfernten Labyrinthen in‘ Bauchlage gebracht und der Kopf dorsalwärts gebogen, so tritt in den vorderen Extremitäten ein erhöhter Tonus auf, der sich in einer Strerkung beider Vorderbeine wie auch durch gesteigerten Muskeltonus kund- eibt. Wird der Kopf ventraiwärts gebeust, so erfolet in beiden Vorderbeinen eine Tonusabnahme. Das Verhalten der hinteren Extremitäten ist umgekehrt. Dorsalbeugung bewirkt Tonusabnahme, Ventralbeusung Tonuszunahme der Muskulatur der Hinterbeine. Auch Wendungen des Kopfes, Bewegungen um die Längsachse haben ebenfalls auf die Stellung und den Tonus der Extremitäten einen Einfluss in dem Sinne, dass in den Extremitäten der einen Seite eine Tonusabnahme, der anderen eine Tonuszunahme erfolet. Dreht man z. B. den Kopf um seine Längsachse nach rechts, so tritt eine Tonussteigerung in den linksseitigen, eine Tonusabnahme in den rechtsseitigen Extremitäten ein. Eine Bewegung des Kopfes nach rechts um seine vertikale Achse, so dass die Schnauze nach rechts sieht, bewirkt eine Tonuszunahme in den rechten und Tonusabnahme in den linken Extremitäten. Durch Eingipsen des Tieres und Ausschaltung der Hals- bewegungen werden Labyrinthreflexe ausgelöst. So steigt der Tonus der Extremitäten, wenn das Tier, das in Rückenlage sich befindet, l) Pflüger’s Arch. Bd. 145. 1912. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 147. 1912. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 149. 1912. Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 613 aus der horizontalen Ebene so gebracht wird, dass der Kopf über die Horizontale gehoben wird; befindet sich der Kopf unter der Horizontalebene, so erfolst eine Toonusabnahme der Extremitäten- muskulatur. Ebenso wie für die Extremitäten wurde auch von Magnus und de Kleijn ein gesetzmässiges Verhalten und Änderung des Tonus der Stammes- und Beckenmuskulatur nach Kopfbewegungen nachgewiesen !). Nach Rechtsdrehen des Kopfes in Rückenlage des Tieres (rechtes Auge oben) befindet sich die rechte Hinterbacke unten — das linke Hinterbein oben; infolge dieser Stellung erfährt der Körper des Tieres eine schraubenförmige Drehung, oder es erfolgt eine nach der Kieferseite gerichtete Konkavität der Wirbel- säule. Auch in Fussstellung erfolgt nach Kopfdrehung eine Drehung des Beckens in umgekehrter Richtung als die des Kopfes. Nach Kopfwendungen in Rückenlage entsteht eine Konkavität der Wirbel- säule zur Seite des Kiefers. Der Nachweis dieser Abhängigkeit der Gliederstellung und der Tonusänderung der Rumpfmuskulatur von der Kopfstellung ist für unsere Frage, für die Analyse der vestibularen Reaktionsbewesungen bei Tieren, von grosser Bedeutung. Wir wollen nun versuchen, auf Grund dieser Tatsachen die vestibularen Reaktionsbewegungen zu analysieren. Wir beginnen mit den experimentellen Manegebewegungen, die nach Drehung eines Kaninchens bei gewöhnlicher Kopfstellung er- folgen. Wurde das Tier zehnmal nach rechts gedreht, so entsteht nach dem Stehenbleiben ein Kopfnystagmus nach links, eine deut- liche Krümmung der Wirbelsäule mit der Konkavität nach rechts, und das Tier dreht sich im Kreise nach rechts, wobei man bemerken kann, dass die Achse, um welche sich das Tier dreht, sich nicht in der Mitte des Körpers, sondern mehr nach vorne befindet, ungefähr in den vorderen Thoraxpartien. Der Kopfnystagmus nach links besteht aus einer langsamen Kopfwendung nach rechts, auf welche die rasche Komponente nach links folgt. Die langsame Wendung des Kopfes nach rechts — die Schnauze ist nach rechts gerichtet — bewirkt, wie aus den Untersuchungen von Magnus und de Kleijn hervorgeht, eine Streckung des Kieferbeines, also des rechten Beines, und eine Einziehung des Schädelbeines. Dieselbe Kopf- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 154. 1913. 614 J. Rothfeld: bewegung hat ausserdem eine Krümmung der Wirbelsäule mit der Konkavität zur Kieferseite zur Folge. Diese Stellung des Körpers, die Krümmung der Wirbelsäule, wird vom Tiere auf diese Weise korrigiert, dass der Hinterkörper in entgegengesetzter Richtung als die Kopfwendung übertragen wird, also in unserem Beispiele (der Kopf ist nach rechts gewendet) wird der Hinterkörper nach links übertragen; gleichzeitig erfolgt die rasche Komponente des Kopf- nystagmus, eine Wendung nach links, und sofort erfolgt wieder die langsame Wendung nach rechts mit der ihr entsprechenden Extremitätenstellung und Krümmung der Wirbelsäule mit der Konkavität nach rechts, worauf wieder die rasche Kopfwendung nach links und Übertragung des Hinterkörpers nach links folgt. Dieser Wechsel der Kopfstellung von rechts nach links, der Wechsel der Fxtremitätenstellung, der Stellung der Wirbelsäule und Änderung der Lage des Hinterkörpers, bewirkt die Manegebewegungen nämlich in der Weise, dass der vordere Körperteil, der Thorax, fast einen fixen Punkt vorstellt und der hintere Körperteil sich nach links bewegt. Dass tatsächlich dieser Wechsel der Kopfstellung den wichtigsten Anteil am Zustandekommen der Mane&gebewegungen hat, konnte ich mich an einem normalen Kaninchen durch folgenden Versuch überzeugen. Um beim obigen Beispiel zu bleiben, wird der Kopf eines Kaninchens nach rechts gewendet, und damit die Rechts- konkavität deutlich ist, wird der Körper passiv so gebeugt, dass die rechte Hinterbacke sich der Schnauze nähert. Nun wird gleichzeitig der Körper freigelassen und der Kopf nach links gewendet; das Tier überträgt infolge dieser Bewegung den hinteren Körperteil nach links. Jetzt wird wieder der Kopf nach rechts gewendet, was schon senügt, um eine deutliche Rechtskonkavität der Wirbelsäule und Bewegungen des Hinterkörpers hervorzurufen. Durch abwechselnde rasche Kopfwendungen nach links und langsame nach rechts wird das Tier zu Manegebewegungen nach rechts gezwungen. Aus dem Angeführten ergibt sich, dass die vestibularen Mane&gebewegungen aus zwei wichtigen Faktoren be- stehen: erstens aus dem direkten vestibularen Einfluss auf den Körper und auf die Extremitäten, zweitens aus den Folgen der Kopfbewegungen, die einen Tonus- wechsel der Extremitäten- und Rumpfmuskulatur be- wirken. Der direkte Einfluss des vestibularen Reizes bewirkt die vestibularen Kopfreaktionen und addiert Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 615 sich im übrigen zu den sekundären Erscheinungen, die als Folgen der Kopfstellung aufzufassen sind. Die Kopfstellung hat also einen sehr wichtigen Einfluss auf das Zustande- kommen der Reaktionsbewegungen beim Tiere und dieser Einfluss scheint beim Tiere sogar wesentlicher zu sein als beim Menschen; sollte nämlich infolge einer Störung im Reflexbogen für die vestibulare Reaktionsbewegung des Kopfes keine Kopfreaktion auftreten, so müsste auch die ganze vestibulare Reaktionsbewegung ausbleiben oder zu- mindestens sehr herabgesetzt sein. Anderseits müssen auch die Tonusänderungen der Extremitäten- und Rumpfmuskulatur deutlich ausgesprochen sein; es müssen also deutliche „Halsreflexe“ vorhanden sein, damit die Reaktionsbewegung deutlich hervortritt. Dadurch wird es verständlich, dass wir oft bei einem normalen Kaninchen eine sehr geringe Reaktion finden, obwohl der periphere und zentrale Vestibularapparat intakt ist; die Ursache liegt entweder in der schwachen Kopfreaktion oder in den schwach ausgeprägten Hals- reflexen. Die Tatsache, dass die Kopfreaktion für das Zustande- kommen der Reaktionsbewegungen bei Tieren absolut notwendig ist, erklärt uns, warum bei ungewohnter Kopfstellung (z. B. Annähen an den Rumpf) das Tier überhaupt keine Bewegungen nach Drehungen ausführt; es fehlen in diesem Falle die Tonusänderungen in den ent- sprechenden Extremitäten- und Körpermuskeln, die sonst durch die vestibular bedingten Kopfbewegungen hervorgerufen werden. Ähnlich wie die experimentellen Man&gebewegungen können wir auch die vestibular erzeugten Fallreaktionen, die Rollbewegungen, analysieren. Die Erscheinung der Rollbewegungen ist an und für sich dieselbe, wie wir sie z. B. nach Zerstörung eines Labyrinthes sehen. Eine sehr: genaue Analyse verdanken wir Magnus und de Kleijn!), und, wir wollen ihren Ausführungen einige für uns wichtige Tatsachen entnehmen. AufGrund kinematographischer Serien- aufnahmen gelangen die Autoren zur Ansicht, dass während einer Rollbewegung eines labyrinthlosen Kaninchens das Tier Lauf- und Springbewesungen ausführt, welche Bewegungen jedoch infolge der, durch die Labyrinthoperation bedingten spiralen Körper- und Kopf- drehungen derart modifiziert werden, dass sich das Tier nicht vor- wärts bewest, sondern sich durch den Raum schraubt. Das Maass- gebende für die Rollbewegungen ist also die durch die Labyrinth- IE @: 616 J. Rothfeld: ausschaltung ausgelöste Kopf- und Körperstellung; der Kopf zeigt nämlich vorwiegend eine Drehung zur Seite der Operation; das Vorderbein auf derselben Seite ist stark gestreckt, das der Gegen- seite ist eingezogen; die Wirbelsäule zeigt eine spirale Krümmung. Die Rumpfdrehung und die Extremitätenstellung ist einerseits eine Folge des Einflusses des übriggebliebenen Labyrinthes, anderseits auch des Einflusses der Kopfstellung, der Halsreflexe. — Ein äusserer Reiz bewirkt, dass das Tier Lauf- und Spripgbeweeungen ausführt, wobei jedoch die soeben geschilderte Kopf-, Rumpf- und Extremitäten- stellung die Laufbewegungen zu Rollbewegungen verändert. Wird ein normales Tier bei Dorsaldrehung des Kopfes am Dreh- stuhl gedreht, so erfolgt ein Fallen resp. ein Rollen in entgegen- gesetzter Richtung als die vorausgegangene Drehung. Nach dem Stehenbleiben nach zehnmaliger Drehung, z. B. nach rechts, sieht man zuerst eine Drehung des Kopfes nach: links (der Schädel ist nach links, der Kiefer nach rechts gerichtet); die rechte vordere Extremität wird gestreckt, die linke eingezogen; die Wirbelsäule ist spiral ge- krümmt, das Tier fällt resp. wälzt sich nach links, was so lange dauert, als der. vestibuläre Reiz besteht. Während der Wälzungen kann man auch in einer gewissen Phase die Lauf- resp. Spring- bewegungen bemerken, wie sie Magnus und de Kleijn be- schrieben haben. Diese Tatsachen beweisen, dass die vestibulare Fallreaktion bei den Tieren einerseits vom ‘vestibularen -Reiz ab- hängt, anderseits von der Tonusänderung der Extremitätenmuskulatur, die durch die Kopfstellung bedinet ist; der direkte vestibulare Reiz ruft die Kopfstellung hervor und addiert sich, was die Extremitäten- und Körperstellung betrifft, zu den durch die Kopfstellung bedingten Erscheinungen. Wir kommen nun zur Reaktionsbewegung, die nach Drehung bei Seitenlage des Kopfes auftritt, zu dem Vorwärtslaufen und Zurück- weichen des Tieres. Für die letztere Reaktion ist eine ventrale Krümmung der Wirbelsäule, eine starke Dorsaldrehung des Kopfes und Streckung der vorderen Extremitäten charakteristisch; bei ge- nauer Beobachtung sind auch hier Lauf- und Springbewegungen zu bemerken. Aus den Versuchen von Magnus und de Kleijn wissen wir, dass eine Dorseldrehung des Kopfes eben diese Stellung der Extremitäten hervorruft; wir sind also auch hier berechtigt, an- zunehmen, dass die Streckung der Extremitäten zum Teil von der durch den vestibularen Reiz bedingten Kopfstellung abhängt, dass Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 517 also auch hier die Reaktionsbewegung des Kopfes einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen der in Rede stehenden Reaktions- bewegung hat. Auch für die Reaktion des Vorwärtsrennens, welches mit einer starken Ventralbeugung des Kopfes verbunden ist, können wir die Bedeutung der Kopfstellung resp. der Kopfbewegungen nachweisen. Bevor wir jedoch an diese Ausführungen gehen, möchten wir einige Bemerkungen über die Erscheinungen vorausschicken, die bei einem Kaninchen infolge der Durchschneidung der Halsmuskeln auftreten. Wir wollen dieselben kurz zusammenfassen und nur drei Gruppen Fig. 1. Kaninchen nach Durchschneidung der Nackenmuskulatur. berücksichtigen, nämlich die Erscheinungen nach Durchschneidung: l. der dorsalen, 2. der ventralen Halsmuskeln, 3. nach Durch- schneidung der dorsalen Muskeln und der der Seitengegend des Halses. Obwohl für unsere Frage nur die dritte Gruppe von Be- deutung ist, möchte ich jedoch anhangsweise zuerst die zwei ersteren besprechen. ad 1. Infolge der Durchsehneidung der Dorsalmuskulatur des Halses ist der Kopf stark ventral gebeugt, so dass die Längsachse des Kopfes fast senkrecht steht; die vorderen Extremitäten sind maximal nach vorn gestreckt und zeigen eine bedeu- tende Tonussteigerung (Fig. 1); die hinteren Extremitäten zeigen ebenfalls oft einen erhöhten Tonus der Muskulatur, was jedoch nicht so konstant vorkommt wie an den vorderen Extremitäten. Wie ist die Tonussteigerung im vorliegenden Versuche zu deuten ? Es kann sich im Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 159. 41 618 J. Rothfeld: vorliegenden Falle entweder um Labyrinthreflexe oder um Hals- reflexe handeln, also um einen Einfluss der Kopfstellung im Raum oder der Stellung des Kopfes gegen den Rumpf. Die Entscheidung gab ein Versuch, in welehem die Dorsalmuskeln bei einem labyrinth- losen Tiere durchschnitten wurden; auch hier traten dieselben Er- scheinungen auf, wie sie oben geschildert wurden. Es ergab sich daraus, dass die Tonussteigerung der Extremitäten, vorwiegend der vorderen, als Halsreflexe aufzufassen sind, also von der Steliung des Kopfes zum Rumpfe abhängen. Es müsste also die anormale Ex- Fig. 2. Dasselbe Tier wie in Fig. 1 bei horizontal gehobenem Kopfe. tremitätenstellung nach entsprechender Korrektur der Kopfstellung verschwinden. Das ist tatsächlich der Fall; wird nämlich der Kopf bei einem operierten Tiere zur horizontalen Ebene gehoben, so werden sofort die vorderen Extremitäten eingezogen; das Tier kommt in die normale Stellung, wie dies Fig. 2 zeiet. — Wird nun der Kopf weiter dorsal gedreht, so erfolgt wie bei einem normalen Kaninchen eine Streckung beider vorderen Extremitäten (Fig. 3). Auch in Rückenlage des Tieres erfolgen normale Reaktionen auf Änderung der Kopfstellung nach Drehen und Wenden in dem Sinne, dass stets eine Streckung des Kieferbeines und Einziehung des Schädel- beines erfolgt. Auf Grund dieser Befunde war es sehr naheliegend,; anzunehmen, dass die Änderung der Lage der Halswirbelsäule, die tiefe Sensibilität der Gelenke für die Gliederstellung verantwortlich Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 619 zu machen ist. Diese Annahme wird durch die beigeschlossenen Röntgenaufnahmen, die den beträchtlichen Unterschied in der Stellung der Wirbelsäule eines normalen und operierten Kaninchens zeigen, bestätigt. So sehen wir auf Fig. 4 (Taf. IX) am Röntgenbilde eines normalen Tieres die starke Krümmung der Wirbelsäule, die nach Durehsehneidung der dorsalen Halsmuskeln fast gerade gestreckt ist [Fig.5 (Taf. IX)] und nach Hebung des Kopfes wieder ihre Krümmung erreicht [Fig. 6 (Taf. IX)]. Fig. 3. Dasselbe Tier wie in Fig. 1 nach Dorsaldrehung des Kopfes. ad 2. Die Durchschneidung der ventralen Halsmuskeln hat einen vollkommen entgegengesetzten Erfolg. Der Kopf ist etwas über die Norm gehoben, alle vier Extremitäten haben ihren Tonus vollkommen verloren (Fig. 7), so dass ein auf den Tisch hin- unterfallendes Tier sich nicht mehr auf die Beine stützt, sondern mit dem Thorax und Kopfe an den Tisch anschlägt. Im Gegensatze zu den Tieren mit durchscehnittenen dorsalen Halsmuskeln erholen sich die Tiere nach Durchschneidung der ventralen Muskulatur sehr bald, so dass sie nach einigen Stunden sich frei bewegen können. ad 3. . In dieser Gruppe der Versuche wurden ausser den dor- salen Halsmuskeln auch die Muskeln der Seitengegend des Halses (Museuli sealeni) durchtrennt. Bei diesen Tieren kommt es ausser der bereits ad 1) beschriebenen Ventralbeugung des Kopfes. noch zu 41 * 620 J. Rothfeld: spontanen Kopfbewegungen in der Weise, dass der mit der Sehnauze nach unten vertikal stehende Kopf abwechselnd nach rechts und links geneigt wird, wobei die Schnauze einen fixen Punkt bildet und bald das rechte, bald das linke Ohr gesenkt wird (Fig. 8). Mit diesen Fig. 7. Kaninchen nach Durchschneidung der ventralen Halsmvskulatur. Kopfbewegungen sind folgende Erscheinungen seitens der Extremitäten und des Rumpfes verbunden: wurde der Kopf nach rechts bewegt Fig. 8. (ab, Fig. 8), so erfolgt eine deutliche Streckung der rechten vorderen Extremität, der Hinterkörper liest auf .der linken Hinterbacke, beide hinteren Extremitäten befinden sich auf der rechten Seite, wobei die rechte hintere Extremität gestreckt, die linke eingezogen ist; die Wirbelsäule ist infolgedessen mit der :Konkavität nach rechts etwas Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 691 gekrümmt (Fig. 9). Bei der Kopfbewegung nach links (ab, Fig. 8) ist die Lage der Extremitäten und des Körpers umgekehrt). Diese nach Durchschneidung der dorsalen Halsmuskeln und der Muskeln der Seitengegend des Halses auftretenden Erscheinungen erinnern lebhaft an die bei der Reaktion des Vorwärtsrennens auf- tretenden Körperbewegungen. Nach Drehung bei Seitenlage des Kopfes tritt ebenfalls eine starke Ventralbeugung des Kopfes auf, der abwechselnd nach rechts und links zusammen mit dem Körper geneigt wird; unter diesen Bewegungen rennt das Tier nach vorne. Fig. 9. Eine vom Tier spontan eingenommene Stellung; zum Zweck der photo- graphischen Aufnahme wurde der Kopf in derselben Stellung weiter gehalten. Es lassen sich also durch Durehschneidung bestimmter Muskelgruppen, also bloss durch eine bestimmte ungewöhnliche Kopfstellung, analoge Erseheinungen seitens der Extremitäten und des Körpers hervorrufen, wie wir sie durch einen vestibularen Reiz bei Seitenlage des Kopfes erzeugen. Diese Analogie der Erscheinungen weist dar- auf hin, dass vor allem die vestibulare Kopfreaktion 1) Dieselbe Erscheinung lässt sich bei einem normalen Kaninchen hervor- rufen, wenn der Kopf ventral gebeugt und dann nach rechts und links gewendet wird (Bewegung um die Achse Schädelbasis—Schädeldach); gegen die von Magnus und de Kleijn aufgestellte Regel erfolgt hier eine Streckung des Schädelbeines und Einziehung des Kieferbeines. 622 J. Rothfeld: für die Art der Reaktionsbewegung maassgebend ist, dass also die Kopfstellung einen wichtigen Einfluss auf die vestibularen Reaktionsbewegungen ausübt. Wollen wir die bisherigen Tatsachen zusammenfassen, so ergibt sich: 1. dass auch beim Tiere der Einfluss der Kopf- stellung auf die Reaktionsbewegungen durch den oben angeführten Versuch mit der Durchschneidung der Nackenmuskulatur bewiesen ist; 2. dass die Kopfstellung resp. dass die vestibularen Reaktionsbewegungen des Kopfes eine Reihe sekundärer Erscheinungen hervor- rufen, die auf Grund der Kenntnisse der vonMagnusunddeKleijn erforschten Tonusveränderungen der Extremitäten- und Rumpfmus- kulatur bei Änderung der Kopfstellung studiert werden können und eine Analyse der Reaktionsbewegungen ermöglichen. So spielt bei den Manegebewegungen, die bei Drehung bei normaler Kopfstellung auftreten, der Kopfnystagmus, die abwechselnd langsame und rasche Wendung des Kopfes eine wesentliche Rolle; bei der Fallreaktion nach Drehung bei dorsal gebeugtem Kopfe ist es die Drehung des Kopfes um seine Längsachse, bei der Reaktion des Vorwärtsrennens und Zurückweichens, nach Drehung bei Seiten- lage des Kopfes ist es die dorsale resp. ventrale Kopfbeugung, die für die entsprechende Extremitäten- und Körperstellung und dadurch für die Art der Reaktionsbewegung ausschlaggebend ist. Der vestibulare Reiz übt seinerseits einen direkten Einfluss sowohl auf die Extremitäten- wie auch auf die Körpermuskulatur aus, in der Weise, dass er sich zu dem obigen Einflusse der Kopfstellung addiert; die Stellung und Bewegungen der Extremitäten und des Rumpfes sind daher Resultierende beider Einflüsse zusammen. Wenn wir die Reaktionsbewegungen beim Menschen und die beim Tiere vergleichen, so ereibt sich der Unterschied, dass beim Tiere die Reaktionsbewegungen des Körpers und der Extremitäten gleichzeitig auftreten, beim Menschen dagegen die Reaktionen isoliert zu prüfen sind. Aus der obigen Analyse geht jedoch hervor, dass wir bis zu einem gewissen Grade auch beim Tiere diese Reaktionen voneinander trennen können, und dass eine weitgehende Analogie mit den Reaktionsbewegungen beim Menschen vorhanden ist. Einem bestimmten vestibularen Reize und einer bestimmten Kopfstellung entspricht nämlich eine konstante Reaktionsbewegung ‚des Körpers und der Extremitäten, welch letztere mit dem Vorbeizeigen beim Über den Einfluss der Kopfstellung auf d. vestib. Reaktionsbewegungen etc. 623 Menschen analog ist. Als ein Beispiel dieser Analogie seien hier die Erscheinungen während des horizontalen Nystagmus angeführt; bei einem horizontalen Nystagmus z. B. nach links kommt es beim Kaninchen zu einer Streckung und Abduktion der rechten und Er- schlaffung der linken vorderen Extremität, eine Erscheinung, die beim Menschen mit dem Vorbeizeigen nach rechts, beim horizontalen Nystagmus nach links, bei aufrechter Kopfstellung, zu vergleichen ist. Bei rotatorischem Nystagmus nach vorne erfolgt beim Kaninchen eine Streckung und Hebung der vorderen Extremitäten, die mit einer Tendenz, sich nach rückwärts zu überschlagen, verbunden ist; dies entspricht beim Menschen einem Fallen nach rückwärts mit einem Vorbeizeigen nach oben, während eines vertikalen Nystagmus nach unten !). Aus der obigen Analogie der Reaktionsbewegungen ergeben sich einige Hinweise für die Lösung der Frage der Lokalisation der vestibularen Reaktionen beim Tiere. Bäräny hat auf Grund zahl- eicher klinischer Untersuchungen nachgewiesen, dass die Reaktionen des Rumpfes, die Gleichgewichtsstörungen während des Labyrinth- reizes vom Kleinhirnwurm ausgehen, die Reaktionen der Extremitäten das Vorbeizeigen ihre Lokalisation in der Kleinhirnhemisphäre hat. Auch experimentelle Untersuchungen haben die Bedeutung des Kleinhirns für die Entstehung der Reaktionsbewegungen beim Tiere bestätigt. Exstirpationsversuche von Bäräny, Reich und Rothfeld, wie Entfernung eines Wurm- oder Hemisphärenteiles des Kleinhirns, Durehschneidung des Kleinhirnwurms in der Medianlinie, Exstirpation anderer Hirnteile usw., haben mehrere wichtige Hinweise bezüglich der Lokalisation der vestibularen Reaktionsbewegnngen geliefert; wenn auch diese Frage noch nicht endgültig gelöst ist, so geht aus den obigen Untersuchungen hervor, dass das Kleinhirn einen sicheren Einfluss auf die in Rede stehenden Reaktionen beim Vierfüssler ausübt. Da jede Reaktionsbewegung der Tiere aus gleichzeitig auftretenden Reaktionen des Körpers und der Extremitäten zusammengesetzt ist und ihr Zustandekommen von mehreren Faktoren abhängt, so ist es meiner Ansicht nach wahrscheinlich, dass die Reaktionsbewegungen der Tiere nicht als solche 1) Der vertikale Nystagmus nach unten beim Menschen entspricht dem rotatorischen nach vorne beim Kaninchen (s. Leidler, Arbeiten Obersteiner’s Bd. 20 S. 329). 624 J. Rothfeld: Über den Einfluss der Kopfstellung etc. im Zentralnervensystem vertreten ‚sind, mit anderen Worten, dass wahrscheinlich keine speziellen Zentren für einzelne Reaktionsbewegungen als Ganzes gegeben sind, z. B. ein Zentrum für die experimentellen Manegebewegungen, für die Fallreaktion usw. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Reaktions- bewegungen nach einzelnen Körperteilen im Klein- hirn vertreten sind, dass also separate Zentra für die Reaktionsbewegungen des Kopfes, des Rumpfes und für die einzelnen Extremitäten vorhanden sind, und dass erst ein Zusammenwirken bestimmter Zentren das Auftreten einer bestimmten Reaktionsbewegung bedingt. Der experimentelle Beweis für diese Vermutung müsste sich auf das Lokalisationsprinzip von Bolk stützen; es müssten nach Zerstörung bestimmter Zentren im Kleinhirn gewisse Reaktionen in den, den zerstörten Zentren entsprechenden Körperteilen aus- bleiben. i Sollte sich dieser Weg für die weiteren experimentellen Unter- suchungen als richtig erweisen, so könnte die Frage der Lokalisation der Reaktionsbewegungen der Tiere endgültig gelöst werden. Auf diese Weise gelangen wir zu derselben Ansicht, wie sie Bäräny ausgesprochen hat, dass nämlich im Kleinhirn besondere Zentren für die Reaktionsbewegungen des Körpers und der Extremi- täten anzunehmen sind, was auch von diesem Autor zum grossen Teil beim Menschen nachgewiesen wurde. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 159. Tafel IX. u ne = IKK re Pr Pe} £ TERKENEI IT, 0ER EEE YET LEN g ee ee ee a ZZ a Zu 2 2 2 2 DER Eur \ Fe ankam rs » # 3 RR PEN »