Be . er 1, ne DE n PL Er 2 SayrE : BOLD ER PN 2% ENDE * Pi % 3 N, HER tee tat p% lee Fra ek ho Ang EA N h, ‚ * N PS ® o h te ” CE Er ee EN ee a SUCHE RE SE 3 3 KR ER Re LA Cr - “rn wine “en uhine BI BI Sa u SE A nr NN - "enkae PP En ne - E23 I BEL TANTE wo KORHE HE “ DEE DERLRENE REN LEE SEE HE De ar Er Be ” u - Thu Rs „u ELLE ee“ a RELTLK Warte TE Im: era 2T RENT et BeaTara weni enn« HR FR By Fr oe YRSU RE ER Beh RR RS AUNTE 2 ER N ” a R ie + D u Ad FE 1 REN + E a ME i le ER Zu N # RK: [3 w* # " PFLÜGER s ARCHIV & € FÜR DIE GESAMTE, PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN " a 2 iR + voN N Hain. s # PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SECHSUNDSECHZIG. MIT 4 TAFELN UND 95 TEXTFIGUREN. | BONN, 1917. i VERLAG VON MARTIN HAGER. .: Inhalt. Erstes und zweites Heft. E Ausgegeben am 21. November 1916. . Seite ‘ Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. ‘Von Hubert Schulte, Feld- Unterarzt. (Aus dem N logischen Institut zu Munster) - BER L OELS \ 1 "Versuche an ausgeschnittenen und nach einer Dicken um 180° reimplantierten Flimmerschleimhaut - Stücken. Von E. Th. v. Brücke. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Parc logischen Institut der Universität Leipzig). . - - .. 45 Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus für den Tonus der Skelettmuskulatur. Von J. Negrin y Lopez und E. Th. vv Brücke. (Aus dem physiologischen Institut Deselniversität Leipzie) 0. 20. 20 20a ea tea 58 Über den Synergismus von Arzneimitteln. I. Mitteilung. Von W. Storm van Leeuwen (Konservator des Institutes). (Aus dem an Institut der Reichsuniversität Mlizechü)y 1 u ne aaa = a, 60 Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. II. Mitteiluug. Der Einfluss von Serum I. und Verdünnungen von Serum mit 0,9 Joiger Kochsalzlösung F . _ aufdie Phagozytose von Amylum. Von Dr. J. Ouweleen. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Groningen) 88 . . 3 Drittes und viertes Heft. Ausgegeben am 14. Dezember 1916. Über die angebliche positive Stromschwankung in der Schild- krötenvorkammer bei Vagusreizung nebst Bemerkungen über den Zusammenhang zwischen Kontraktion und Aktionsstrom. Von W. Einthoven und A. C. A. Rademaker. (Mit 9 Textfiguren und Tafel I.) (Aus dem Dee Laboratorium der Universität Leiden) . . 8 ...109 Lea IV | Inhalt. Eine Berichtigung zu meiner Arbeit „Ein Beitrag zum Studium der Bedeutung osmotischer Verhältnisse des Mediums für Organismen“. Pflüger’s Archiv Bd. 163 $S. 325—354. Von Jaroslav Kfiäenecky f ; Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln? Von J. G@. Dusser de Barenne (zurzeit als Oberarzt der Reserve in Delft, Holland). (Mit 2 Textfiguren) . Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. Mitteilung. Von Adolf Oswald. (Mit 22 Text- figuren.) (Aus dem a Institut der Uni- versität Zürich) . x i Über die elektrische Ableitung des Kruste een Von J. Bernstein . ee Bemerkungen über die „Hypnose“, den „Immobilisations-“ oder „Sich-Totstellen“- Reflex, den Shock und den Schlaf der Fische. Von Prof. Dr. Edward Babäk. (Aus dem Laboratorium für allgem. und vergl. Physiologie beim k. k. physiol. Institut der böhm. Universität in Prag) . Beiträge zur Physiologie des Sehens. V. Mitteilung. Subjektive Farbenerscheinungen. Von C. Baumann. (Mit 3 Text- figuren).. Fünftes, sechstes und siebentes Heft. Ausgegeben am 20. Februar 1917. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genuss- mittel auf das Rot- und Grünsehen. Von Hugo Schulz. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Greifswald) : Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bak- _ terien. II. Die Atmung des Nitritbildners und ihre Beeinflussung durch chemische Substanzen. Von Otto Meyerhof. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem physio- logischen Institut der Universität Kiel) . N Ban. Der Herzschlag von Anodonta unter natürlichen und Einen Bedingungen. Von Walter Koch. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem zoologischen Institut der Universität Leipzig) Die Innervation der Nebenniere durch den Splanchnieus. Von Leon Asher. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bern) Ah le Lu Seite 144 145 169 201 203 212 217% 240° 281 372 Inhalt. Bemerkungen zu v. Frey’s „Kraftsinn“ und „Kraftempfin- dungen“. Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Goldscheider Achtes, neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 3. April 1917. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuck- farben. Von C. Hess. (Mit 3 Textfiguren) .. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit des Froschmuskels durch Wasserentziehung. Von H. C. Wiemeyer aus Aerdenhout-Haarlem (Holland).. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen) . Sr Ä Bemerkungen zur Theorie der Muskelkontraktion. Von Felix Reach Br eee und ect. U ehmsan über Erscheinungen des Flimmerns und optische Ermüdung. Von Dr. A. A. Grünbaum, Assistent am physio- logischen Laboratorium und Privatdozent für experimentelle Psychologie an der medizinischen Fakultät der Uni- versität Amsterdam. (Mit 2 Textfiguren und Tafel II—IV.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität Amsterdam) Die sogenannte tierische Hypnose bei einer Insektenart. Von J. 8. Szymanski (Wien). (Mit 1 Textfigur) . Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 15. Mai 1917. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. Von Rudolf Höber. (Mit 42 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel). Beiträge zur Physiologie der Verdauung. VI. Mitteilung. Über Chlorspeicherung in der Magenschleimhaut und die Quelle des im Magensafte abgesonderten Chlors.. Von R. Rose- mann. (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster) . 381 427 470 473 528 531 609 Be (Aus dem physiologischen Institut zu Münster.) Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. Von Hubert Schulte, Feld-Unterarzt. A. Beobachtungen und Anschauungen über das Leben ohne Sauerstoff. a) Bei niederen Pilzen. Seit Lavoisier’s'!) Forschungen über die Zusammensetzung der Luft und die Bedeutung ihrer Bestandteile für die Lebewesen ‚und seit seinen grundlegenden Untersuchungen über die physiologische Verbrennung galt der Sauerstoff allgemein als unentbehrlich für das Leben. Als daher Pasteur?) 1861 an der Buttersäuregärung ein Leben ohne Sauerstoff nachwies, erschien diese Entdeckung so seltsam, dass man sich bemühte, durch allerlei Nebenannahmen die frühere Ansicht soweit wie möglich festzuhalten. Seit jener Zeit unterschied man zwei Lebensformen, die man Aerobie und Anaerobie nannte, Leben im lufthaltigen und luftfreien Raume. In der Erkenntnis, dass es bei Lebensprozessen nicht auf die Luft als solche, vielmehr auf den Sauerstoff der Luft ankommt, hat Weinland?) die Bezeichnungen Oxybiose und Anoxybiose ein- seführt. Nach Lavoisier*) stellte Pasteur°) als erster wieder quanti- tative Forschungen über die alkoholische Gärung an und versuchte 1) Euvres de Lavoisier t.1 p.35ff. 1864. 2) L. Pasteur, Animalcules infusoires... Compt. rend. t. 52 p. 344. 1861, und L. Pasteur, Experiences et vues nouvelles ... Compt. rend, t. 52 p. 1260. 1861. 3) E. Weinland, Über den anaeroben (anoxybiotischen) Abschnitt der inter- mediären chemischen Prozesse in den Puppen von Calliphora. Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 8.87. 1906, | 4) (Euvres de Lavoisier t.1 p. 100 ff. 1864, 5) L. Pasteur, Etudes sur la Biere 1876 p- 229 ff. Pflüger’s Archiy für Physiologie, Bd. 166. 1 "2 | Hubert Schulte: eine Bilanz der Stoffwechselprodukte aufzustellen. Abgesehen von seiner irrtümlichen Auffassung, die Hefesärung mehr als fakultative Funktion ansprechen zu müssen, hatte er wohl erkannt, dass von der Energie des vergorenen Zuckers nur der geringere Teil für die Lebensprozesse zur Geltung kommt, der grössere unausgenutzt ver- lorengeht. Durch die Befunde von Muntz!'), Giltay und Aberson’) wurde nachgewiesen, dass die Gärung nicht an die Sauerstoffabwesenheit gebunden ist, sondern dass sie immer statt- findet, das Vergären also zum Wesen der Hefezelle gehört. Erst nachdem man damit begonnen hatte, Spaltprozesse wie die Gärung von der energetischen Seite aus zu betrachten, war es Pfeffer u.a. möglich, richtige Vorstellungen mit ihnen zu verbinden. Denn wenn die wesentliche Aufgabe der Nahrung darin besteht, dem Körper Energie zuzuführen, so kommt es schliesslich nicht darauf an, ob die Energie aus Oxydations- oder aus Spaltungsprozessen stammt. Nur ‘muss die chemische Spannkraft der Spaltungsprodukte immer kleiner ‘sein als diejenige des Nährmaterials, eine Forderung, die bei allen ‘bekannten Fällen auch zutrifft. Allerdings muss dann die bei einer . :blossen Spaltung freiwerdende Energiemenge viel geringer sein als (diejenige, die bei völliger Oxydation frei wird. Alle Lebewesen, die ihre’ Energie mehr oder weniger aus Spaltungsprozessen gewinnen, :nutzen daher jegliches Nährmaterial: schlecht aus. Sie verbrauchen infolgedessen überaus grosse Mengen und lassen sich die verschiedenen ‚Abbauprodukte unbenutzt entgehen. Dies trifft vor allem bei den ‚Mikroorganismen zu, die ohne jeglichen Sauerstoff leben (obligate ‘Anaeroben). Zu ihnen gehören auch die Bakterien, die Fiweiss- fäulnis hervorrufen. . Schon Pasteur?) hat dies eikannl Manche . Bakterien können ohne Sauerstoff leben, weil er ihnen nicht unbedingt nötig zum Leben ist (fakuitative Anaeroben). Es gibt endlich Bakterien, die nur. bei ganz bestimmtem Sauerstoffdruck, der geringer ist als ‚der. der’Luft,; zu leben vermögen. Zu ihnen zählt auch der Bazillus der Buttersäuregärung. Die aus der Anoxybiose resultierenden Stofi- _ DA. Muntz, Recherches sur les Fonctions des Champignons, Ann. de ‚Chim., et de Phys. t.8. p. 6 ff. 1876. 2) E. Giltay und J. I, Aberson, Über den Einfluss ..., Jahrbsef wiss. Botanik Bd. 26 S. 543ff. 1894. ER a een Bi 3) L. Pasteur, Recherches sur la Putrefaction. eh rend. t. 56 p. 1189. 1863. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 3 wechselprodukte sind das Ergebnis von Spaltungen -grösserer- Mole- küle in kleinere und finden sich zumeist als Kohlensäure, ‚Alkohole und fette Säuren. 5 Die Anoxybioseforschung b) bei höheren Pflanzen beschäftigte die Wissenschaft seit Ende der sechziger - Johre: des voricen Jahrhunderts. Mit dem Nachweis von Alkohol und Köhlen- säure in keimendem Samen, reifenden Früchten und verschiedenen pflanzlichen Organen bei Sauerstoffabwesenheit eröffnete sich ein ganz neues Gebiet. Die Pflanzenphysiologen waren sich bald darüber einig, dass es sich hier um nichts anderes als einen der Gärung analogen Prozess handelte. Sie benannten. ihn „intramolekulare Atmung“!). Muntz?) wies Alkohol in ansehnlicher Menge während der Anoxybiose nach; während der Oxybiose konnte er es nicht. Er schliesst, dass die lebende Zelle höherer Pflanzen bei Sauerstoff- abwesenheit genau so gedeiht wie die Zelle der Pilze, indem sie eine wirkliche Gärung herbeiführt®). GodlJewski*) konnte bei den eiweissreichen Lupinensamen trotz Sauerstofimangel sogar Keimung mit Hilfe von Zuckerfütterung hervorrufen. Der Nachweis von Alkohol selbst in normalem Luftmedium gelang Devaux’) an Sprossteilen verschiedener Bäume, Berthelot‘) an Weizenkeimlingen. Maze&?) wies unter denselben Bedingungen in 35 g Rebenblättern 50— 100. mg Alkohol nach. Godlewski und Polcenius®) untersuchten vo quantitativen Verhältnisse bei der. intramolekularen Atmung. ‚ Sie 1) w. Pfeffer, Das Wesen und die Beaintiäg, der. intramolekularen Atmung in der Pflanze. Landw. Jahrb. Bd. 7 S. 805. 1878. i 2) A. Muntz, Recherches sur la F ermentation ... ‚Ann. de Chim. et. de Physique t. 13 p. 543. 1878. 8) A. Muntz, Recherches sur la Fermentation nr Annade Oli et de Physique t. 13 p. 558. 1878. 4) E. Godlewski, Ein weiterer Beitrag ... Anz. d. Akad. [ NISSENBHI. in Krakau 1904 S. 115 ff. 5) H. Devaux, Asphyxie spontanee ... Compt. rend. t. 198 p. 1346 ff. 1899. 6) M. Berthelot; Remarques- sur la man de Palcool . Be Ya: rend. t. 128 p. 1366 ff. .1899. RB: Maze, Signification physiologique de Palcool Hirgn Comp rend. - t..128up. 1608. 1899. 8) E. Godlewski und F. Polcenius, Über die intramolekulare a Anz. d. Akad. d. Wissensch. in Krakau 1901 S. 227 ff. .1* 4 Hubert Schulte: fanden das Mengenverhältnis zwischen gebildetem Alkohol und ent- wickelter Kohlensäure nahezu gleich 1 und der Gärungsgleichung: C,Hıs0, —=2C;H,OH + 2C0O, fast genau entsprechend. Als Nährstoffe stellten sie Kohlenhydrate fest und kamen zu folgendem Schluss: „In Rücksicht auf die grosse Verbreitung der Alkoholbildung bei den Pflanzen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Identität der intra- molekularen Atmung mit der alkoholischen Gärung, welche für die Erbsensamen nachgewiesen wurde, sich auf alle diejenigen Fälle bezieht, in welchen Glykosen oder die zu denselben hydrolysierbaren Kohlehydrate das Atmungsmaterial bilden“). „Die intramolekulare Atmung im Sinne der alkoholischen Gärung bildet unter normalen Bedingungen aller Wahrscheinlichkeit nach das erste Stadium der normalen Atmung in allen denjenigen Fällen, wo sieh dieselbe auf Kosten der hydrolysierbaren Kohlehydrate vollzieht“ 2). Allgemeinere Bedeutung gewann diese letzte Hypothese dureh die Darlegungen "Pfeffer’s, der schon 1878 imstande war, eine Grundlage für unsere heutigen Anschauungen über die Stoffwechsel- BR vorgänge im allgemeinen zu geben. Nach ihm steht genetisch „die Sauerstoffatmung in enger Beziehung und Abhängigkeit zur intramolekularen Atmung“?); diese ist „als eine primäre Ursache der Sauerstoffatmung anzusprechen‘ *). Spaltungsprodukte werden bei eintretender Sauerstoffatmung oxydiert und bis zu den einfachsten Verbindungen verbrannt. Bereits bei der intramolekularen Atmusg werden FEnersievorräte frei, die es den Spalt- und Sprosspilzen ermöglichen, auch ohne Sauerstoffatmung ihre Lebensfunktionen zu verrichten, jedoch anderen Lebewesen nicht genügen zur vollen Entfaltung ihrer Tätigkeit. Es würden sich also -im Sinne dieser- Theorie auck bei höheren Pflanzen die Lebens- prozesse abspielen, die bei niederen Pilzen heute allgemein bekannt sind. Allerdings überwiegen im Leben höherer Pflanzen die Oxy- dationen. „Die molekularen Umlagerungen ... stehen... nicht still, wenn Sauerstoff in die Zelle dringt; nur kommen jetzt andere End- produkte heraus, weil Sauerstoff mit seinen Affinitäten eintritt“ *). 1) E. Godlewski und F. Polcenius, Über die intramolekulare Atmung ... Anz. d. Akad. d. Wissensch. in Krakau 1901 S. 275: Abs. 14. 2) Ebenda Abs. 16. 3) W. Pfeffer, Das Wesen und die Bedeutung der intramolekularen - Atmung in der Pflanze. Landw. Jahrb. Bd. 7 S. 805. 1878. 4) Ebenda S. 806. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris Jumbricoides. 5 Für Mikroorganismen sowohl wie höhere Pflanzen ist das Energie- bedürfnis massgebend für die Art der Energiegewinnung. Von dem Stoffwechsel unter Normalbedingungen ist jedoch immer die Fähig- keit der einzelnen Lebewesen zur Auoxybiose und Oxybiose zu unterscheiden. Mit wachsendem Energiebedürfnis nimmt die Fähig- keit zur Anoxybiose ab, zur Oxybiose zu. c) Bei Tieren. Auf tierphysiologischem Gebiete hat man sich erst spät ent- schlossen, die Möglichkeit eines Lebens ohne Sauerstoff anzunehmen. Das mag hauptsächlich in der alten Erfahrung über die Unentbehr- lichkeit des Sauerstoffes für das tierische Leben begründet sein, sodann aber auch wahrscheinlich in der Neigung, Gärungen in ihrer Wesensbedeutung für unvereinbar mit dem Tierbegriff zu halten. Seit Pasteur war die Wirkung der Hefezellen und anderer Mikro- organismen zwar allgemein bekannt geworden; aber von diesen Vor- gängen auf analoge Prozesse bei höheren Tieren zu schliessen, davon war man noch weit entfernt. Erst die Arbeiten von L. Hermann!) schufen Wandel. Ihm gelang es, tierische Organe, ausgeschnittene Kaltblütermuskeln, in sauerstoffreiem Raume nicht allein lebens- fähig zu erhalten, sondern sogar Arbeit leisten zu lassen. Dabei, meint Hermann, wird fortwährend kohlensäurebildende Substanz verbraucht. „Dieser durch die Kohlensäurebildung sich dokumen- tierende Verbrauch findet ... beständig in langsamer Weise statt, durch Wärme wird er beschleunigt. Ebenso ist jede Kontraktion mit einer Vermehrung desselben verbunden“ ?). Im Jahre 1875 ver- öffentlichte Pflüger eine aufsehenerregende Beobachtung in seinem Aufsatz „Über die physiologische Verbrennung in den lebenden Organismen“ ®): Die einwandfreie Feststellung des Lebens ohne Sauer- stoff bei höheren Tieren. Er hatte Frösche in reinem Stickstoff und bei niedriger Temperatur 17'/« Stunden sich selbst überlassen und noch nach Ablauf dieser Frist Kohlensäureproduktion konstatieren können; ja in den ersten 6 Stunden kamen die ausgeschiedenen Kohlensäuremengen fast den unter normalen Umständen gefundenen 8 l) L. Hermann, Untersuchungen über den Stoffwechsel der Muskeln. Berlin 1867. 2) Ebenda S..64. 8) Pflüger’s Arch. Bd. 10 8. 313#f. 1875. 6 Hubert Schulte: gleich, erst in den: letzten 11 Stunden liess sich eine erhebliche Abnahme beobachten. Pflüger kommt auf Grund dieser Erfahrungen zu dem Schluss, „dass alle Lebensprozesse lange Zeit ohne die Gegenwart freien Sauerstoffes mit scheinbar ungeschwächter Kraft ab- laufen können“ !). Er konnte also selbst bei einem hochorganisierten Wirbeltier die Fähigkeit zur Anoxybiose noch feststellen. Durch Temperaturerniedrigung war es ermöglicht, die Tiere noch lange am Leben zu erhalten, und erst nach einer bestimmten Zeit wurde ein scheinbarer Stillstand sämtlicher Lebensäusserungen, eine Art Schein- tod,- konstatiert. Nach weiterem Verweilen in atmosphärischer Luft (5 Stunden) setzte sogar wieder aktive Bewegung bei ihnen ein. Ähnliche Versuche mit denselben Resultaten hatte schon vorher Joh. Müller?) angestellt. Er sah jedoch, wie Pflüger sagt, „die Asphyxie der Frösche schon vor Ablauf von 3 Stunden eintreten, da er offenbar bei mittlerer Temperatur experimentierte*®). Ein be- stimmtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Eintritt dieser Asphyxie und Temperatur konnte Aubert‘) feststellen. Er erwähnt „eine interessante Beziehung der Bewegungsfähigkeit und der Kohlensäure- abscheidung in sauerstofffreier Luft: beide Vorgänge gehen miteinander Hand in Hand —, beide sind der Zeit nach abhängig von der Tem- peratur“®). Nach Chudiakow°) tritt jener Zustand des Schein- todes jedesmal erst nach Produktion einer ganz bestimmten Kohlen- säuremenge ein, unabhängig von der Temperatur und der Produktions- zeit. Nach seiner und anderer Forscher Ansicht hat dann eine Schädigung des Organismus stattgefunden. Diese soll iu der An- häufung nicht gasförmiger, infolge Sauerstoffinangels nicht weiter oxydierbarer Stoffwechselprodukte begründet sein und die Reaktions- geschwindigkeit des Stoffwechsels in der Zelle und damit die Energie- produktion hemmen. Zugunsten dieser Auffassung sprechen unter anderem auch Ergebnisse, die Lesser”) bei ceurarisierten Fröschen 1) Pflüger’s Arch. Bd. 10 S. 318. 1875. 2). Joh. Müller,-Physiologie des Menschen. I. 8.256. Coblenz 1841. 8) Pflüger’s Arch..Bd. 10 S. 326. 1875. RAR 4) H. Aubert, Über den Einfluss der Temperatur ... Pflüger’s Arch. Ba. 26 8.293. 1881. 5) Ebenda S. 316. 6) N..v. Chudiakow, Beiträge zur Kenntnis der intramolekularen Atmung. Landw. Jahrb. Bd. 23 S. 333ff. 1894. 7) E. J. Lesser, Das Leben ohue Sauerstoff. Ergebn. d. Physiol. Bd. 8 8. 774. 1909. N Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 7 auf Grund vergleichender Versuche über anoxybiotischen und oxybioti- scheu Stoffwechsel erhielt. Pütter’s!) Versuche mit Hirudo medi- einalis bestätigen im wesentlichen die Befunde Pflüger’s, Lesser’ S u.a. Pütter stellte an Hirudo medieinalis bei niederer Temperatur einen reinen Eiweissstoffwechsel fest; je höher die Temperatur wurde und mit ihr die Energieproduktion, desto mehr wurden die stickstoff- freien Stoffe in den Stoffwechsel hineingezogen. In der kohlehydrat- reichen Nahrung (Insektenlarven, Schnecken) der tropischen Egel vermutet er eiu Hilfsmittel, bei dem hohen Energiebedürfnis dieser Tropentiere den Sauerstoffmangel durch Spaltungen von Kohlehydrat- molekülen zu überwinden. Er behauptet, soweit es sich erkennen lasse, lieferten die Kohlehydrate in Auoxybiose ausscheidungsfähige Intermediärprodukte im Gegensatz zu den Eiweissstoffen. Er sieht hierin den Grund für die Bevorzugung der Kohlehydrate als Nähr- material während der Anoxybiose und für den ungestörten Verlauf der Anoxybiose bei Protozoen und Ascariden. = Auch die Kaltblüter sind also zur Anoxybiose befähigt. Mit Temperaturzunahme und wachsendem Energiebedürfnis schwindet’ bei ihnen diese Fähigkeit natürlich mehr und mehr. Damit erklärt sich auch die Unfähigkeit der Warmblüter zur Anoxybiose. Infolge des geringen Energiebedürfnisses und der niedrigen Temperatur ist diese bei den winterschlafenden Warmblütern noch möglich. Erwachen sie jedoch plötzlich in sauerstofffreiem Raume, das heisst, stellen sie wieder an ihren Körper die alten Energieforderungen der Warm- blüter, so gehen sie bald zugrunde. ‘ Versuche Koeninck’ S °) an * Fledermäusen bestätigen dieses. | Unter normalen Bedingungen wird bei allen Warmblütern Energie durch Spaltung und Oxydation frei. Diese letztere fehlt im Muskel pur bei plötzlichem Übergang von Ruhe zur Arbeit; dann stammt auch bei Warmblütern die Energie allein aus Spaltungen [„anaerobe Muskeltätigkeit“ 3)]. EEE Im normalen Leben des Tieres Anoxybiose als einzige Lebens- 1) A. Pütter, Der Stoffwechsel des Blutegels. II. Teil. Zeitschr. \ allgem. Physiol. Bd.7 S. 16. 1908. 2) A. Koeninck, Versuche und Beach ungen an es (Arch, f. Anat. u. Physiol. 1899 S. 389. 8) Vgl. Zuntz, Die Kraftleistungen des Tierkörpers. Berlin 1908. Beaahı d. Biochemie von Oppenheimer Bd.4 (1) 8.837. Jena 1911. SR 8 Hubert Schulte: form zuerst nachgewiesen zu haben, das Verdienst gebührt Bunge!). Als erstes Versuchsobjekt diente ihm Ascaris mystax aus dem Dünn- darn der Katze. Später erkannte er in Ascaris Jumbricoides vom Schwein eine besonders geeignete Art; Ascaris megalocephala vom Pferd erwies sich dagegen trotz ihrer Grösse weniger widerstands- fähig. Durch Vorversuche war ermittelt worden, dass die Tiere unter Sauerstoffzufuhr in einer 1°/oigen Kochsalzlösung und bei einer Temperatur von 38° C. längere Zeit, bis zu 15 Tagen, am Leben bleiben. Zusatz von Soda bis zu einem Gehalt von 0,1°%o wirkte nach Bunge’s Meinung günstig auf die Lebensdauer. Wurde nun der Sauerstoff ausgeschlossen, so lebten die Tiere 4—5 Tage unter anfangs sehr lebhaften, später allmählich nachlassenden Bewegungen. Danach glaubt Bunge den Sauerstoff doch nicht als gänzlich un- beteiligt am Stoffwechsel der Ascariden ansehen zu dürfen. Er kommt jedoch zu dem Schlusse, dass für die lebhaften Bewegungen im sauerstofffreien Raume „die Oxydation die Quelle nicht sein kann — jedenfalls nicht die ausschliessliche Quelle“ °). Den ausserordentlich hohen Überfluss an Nährmaterial im Darm hält er für ein Mittel, aus reinen Spaltprozessen, wenn auch unter grösster Stoffvergeudung, lebendige Kraft zu gewinnen. „Es wäre von Interesse“, sagt er, „die Endprodukte des Stoffwechsels dieser Tiere kennenzulernen. Man hätte hier eine Gelegenheit, die Spaltungsprozesse getrennt von den Oxydationsprozessen zu studieren“®). Bunge fahndete demzufolge zunächst nach Produkten, die aus dem Spaltprozess stammen mussten, nach Wasserstoff und leicht oxydierbaren organischen Stoffen *). Er fand jedoch beides nicht, stellte vielmehr eine beträchtliche Kohlen- säuremenge, stark saure Reaktion der Salzlösung und als deren Ur- sache eine flüchtige Säure fest. — Aus Mangel an Material musste er die weitere Erforschung der Ausscheidungsprodukte aufgeben. Die Eigenart des Ascaridenlebens gab schon Bunge Anlass zu Betrachtungen über die Stammesgeschichte dieser Parasiten. Auf Grund von Resultaten, die er bei schlammbewohnenden Tieren er- 1) 6. Bunge, Über das Sauerstoffbedürfnis der Darmparasiten. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 8 S. 48. 1883—1884. 2) Ebenda S. 58. | 3) Ebenda S. 59. 4) G. Bunge, Weitere Untersuchungen über die Atmung der Würmer. Zeitschr, f. physiol. Chemie Bd. 14 S. 318. 1890. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 8) hielt!);, kommt er zu dem Urteil, dass alle Darmparasiten „von Organismen abstammen, die bereits in freiem Zustande Anaerobionten waren“ °). Jene Schlammbewohner sind ähnlichen Lebensbedingungen ausgesetzt wie Darmbewohner: sie leben zumeist ohne Sauerstoff, bei gleichzeitig stattfindenden Reduktionsprozessen. Er sieht sie für eine Vorstufe der Darmbewohner an. „Nur dadurch, dass sie als Schlammbewohner eine Vorschule durchgemacht hatten, waren sie befähigt, in den Darm der höheren Tiere einzuwandern‘“ 2). In der Tat erscheint es wunderbar, dass die Ascariden unter ganz anderen Verhältnissen als ihre freilebenden Verwandten ihr Dasein fristen. Auffallend ist hier die hohe Temperatur, bei der sich die Zersetzungen abspielen. Man sollte denken, durch: die Er- .höhung der Reaktionsgeschwindigkeit müsste eine solche Stauung der Stoffwechselprodukte eintreten, dass der Spaltprozess gleich still- stände, zumal die Menge dieser Produkte verhältnismässig gross sein muss, „weil die Darmparasiten die lebende Kraft zur Verrichtung ihrer Funktionen nur aus der einen Quelle schöpfen, aus der Spaltung, die Sauerstoffatmer dagegen aus einer zweifachen, der Spaltung ünd Oxydation)“. Wir finden also bei Tieren mit bereits entwickeltem Nerven- und Muskelsystem ein dauerndes Leben ohne Sauerstoff bei Warmblütertemperatur. Im Jahre 1901 setzte Weinland Bunge’s verdienstvolle Arbeit fort. Sein Interesse wandte sich zunächst den Stoffwechselprodukten der Eingeweidewürmer zu. — Um eine Grundlage für weitere Unter- suchungen zu erhalten, erforschte er zunächst die Zusammensetzung der Leibessubstanz, indem er die üblichen Methoden der Stoffwechsel- physiologie auf das 'niedere Tier anwandte®). Anfangs gewann er das Glykogen durch Ausziehen der in 1°/oiger Kochsalzlösung ge- waschenen und auf Filtrierpapier getrockneten Exemplare von Ascaris und Taenia mit kochendem Wasser. In den späteren Versuchen löste er die Leibessubstanz in ’/2°/oiger Natronlauge auf und bestimmte das Glykogen nach der Methode von R. Külz: stets konnte er auf- 1) G. Bunge, Über das Sauerstoftbedürfris der Schlammbewohner. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 12 S. 565. 1888. 2) G. Bunge, Weitere Untersuchungen über die Atmung der Würmer. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 14 S. 323. 1890. 3) Ebenda S. 319. 4) E. Weinland, Über den Glykogenhalt einiger tiichbr Würmer. Zeitschr. f, Biol. Bd, 41 S. 69 ff. 10 Hubert Schulte: fallend. grosse Glykogenmengen feststellen, die bei Taenia bis fast zur Hälfte, bei Ascaris bis fast zu einem Drittel der Trockensubstanz betrugen. Es war selbstverständlich, dass jene hohen Werte in der Energiebilanz eine nicht unbedeutende Rolle spielen mussten. Weinland stellte sich die Aufgabe, die eigenartigen im Körper der Ascariden sich abspielenden Vorgänge, insbesondere die Zersetzung der Kohlehydrate, chemisch aufzuklären!). Um diesen Zweck zu er- reichen, war .es notwendig, . die Prozesse längere Zeit hindurch am lebenden Tiere. verfolgen zu können. Dem Beispiele Bunge’s folcend, wandte Weinland i oige Kochsalzlösung als Medium an, meist jedoch ohne Zusatz von 0,1 °/o Soda. Er hielt die hungernden Tiere (bis zu 90 g jedesmal) in ca. 800 eem Lösung bei Körper- temperatur und möglichst vor Lichteinwirkung geschützt unter zwei verschiedenen Bedingungen: erstens ohne Ventilation, zweitens mit Ventilation verschiedener Gase (Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlensäure). Bei Tieren, die ohne Gaswechsel gehalten wurden, stellte er eine Lebensdauer von 6 Tagen fest; unter der zweiten Bedingung ergab sich die. merkwürdige Tatsache, dass ‚die Tiere bei Kohlensäure- ventilation am längsten lebten (bis 9 Tage), bei Sauerstoff- resp. Wasserstoffventilation nur 5 resp. 6 Tage. Die längere Lebensdauer unter Kohlensäure bringt Weinland in Beziehung zu der damit geschaffenen Anpassung an die natürliche Lebensweise der Ascariden, an den reichen Kohlensäuregehalt des Darmes?). Auch die Temperatur “war .von wesentlichem Einfluss auf das Verhälten der Tiere. Ver- minderte Erwärmung brachte schliesslich Bewegungsunfähigkeit hervor, während. Erhöhung auf Körpertemperatur die Tiere wieder frei be- weglich machte. Erwärmte er jedoch über 40°C. hinaus, so wurden die Bewegungen äusserst rege und hatten gewöhnlich in einigen Stunden den Tod zur Folge. Auch geringe Temperaturschwankungen beeinflussten die Tiere merklieh. Einwirkungen von Licht konnte Weinland nicht mit Sicherheit feststellen. Eine befriedigende Vorstellung über die Art der Zersetzungs- prozesse liess sich nur gewinnen auf Grund quantitativer Bestimmungen. - 1) E. Weinland, Über Kohlehydratzersetzung ohne Sauerstoffaufnahme bei Ascaris, einen tierischen Gärungsprozess. Zeitschr. f. Biol. Bd. 42.8. 55 ft. 2) Leider habe ich Versuche, die gerade unter Kohlensäure angestellt wurden, nur in geringer Zahl in Weinland’s Belegen finden können, solche mit gleichzeitiger Ermittlung des Glykogenschwundes gar nicht. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. rl Zu diesem Zweck wurden zu Anfang und zu Ende einer Hunger- periode Glykogen, Fett und Stickstoff ermittelt. Weinland ist sich bewusst, dass dem Verfahren eine Reihe von Ungenauigkeiten an- haftet, die in der verschiedenen Zusammensetzung der Versuchstiere beeründet sind: Der verschiedene Ernährungszustand der Tiere, die ja nicht alle denselben Schweinen entstammen, Alter und Geschlecht können die Quellen für Versuchsfehler sein. Weinland fand für den Glykogengehalt der frischen Tiere im Mittel. 5,30, für die Versuchstiere nach eintägigem Hunger im Mittel 4,540; das bedeutet einen Verlust von 0,76 g pro 100 & Tier und 24 Stunden. Die Bestimmung der Dextrose, die er durch Bildung des charakteristischen Osazons identifizierte, vollführte Weinland auf polarimetrischem Wege nach Ausfällen sämtlicher Eiweiss- körper aus der Lösung. Er fand das eine Mal 1,990, das andere Mal 1,28% in den frischen Tieren, also im Mittel 1,6%. Tiere, die 7!/e Tage gehungert hatten, enthielten dagegen nur 0,64 Po Dextrose. Daraus berechnet sich der Dextroseveriust pro Tag auf rund 0,1°/o. Ob die Dextrose aus Glykogen stammt, lässt Wein- land unentschieden, hält es jedoch für wahrscheinlich. ‘In zwei Versuchen zur Bestimmung des Fettes im frischen "Tiere findet er 1,46°0 und 1,51°/o Ätherextrakt. - Zwei Versuche, die allerdines mit anderem Material angestellt wurden, ergaben das eine Mal nach fünftägigem Hunger 1,45% Ätherextrakt, das andere Mal nach viertägigem Hunger 1,24°/o; doch bezieht sich nur der erstere Wert auf die frische Substanz, ‘der letztere dagegen auf die Substanz am Ende des Versuches und ist deshalb zu niedrig, weil die Würmer während des Verweilens in der Flüssigkeit Wasser aufnehmen. Weinland’kommt auf Grund seiner Befunde zu dem Schluss, dass der Fettgehalt gering ist und -sich während des Versuches nicht wesent- lieh ändert, so dass er auf das Fett weiterhin keine Rücksicht nimmt. Der Stickstoffgehalt frischer Tiere betrug in zwei Versuchen 1,69% und 1,90 °/o, im Mittel 1,80%. Nach sechstäcigem Hunger enthielten sie noch 1,460 und 1,250, im Mittel 1,36 %/o Stickstoff auf frische Substanz berechnet. Den daraus abgeleiteten mittleren Stickstoffverlust von 0,07 g pro 100 e Tier und Tag und seine Um- rechnung in zersetztes Eiweiss hält er jedoch in Anbetracht der ge- ringen Zahl der in dieser indirekten Art angestellten Versuche nicht . für zuverlässig. Hinzu kommt noch, dass geringe Mengen Stickstoff 12 Hubert Schulte: mit den nie fehlenden Abschülferungen die Tiere verlassen. Daher stellte er in späteren Versuchen !) direkt den Stickstoffgehalt des Aussenwassers fest, und zwar das eine Mal zu 15 mg, das andere Mal zu 11 mg Stickstoff pro 100 g Tier und Tag. Eine nähere Prüfung der stickstoffhaltigen Ausseherdunassaduh- zeigte, dass ein Drittel des abgegebenen Stickstoffs in Form von Ammoniak und Ammoniakderivaten den Körper verlässt. Denkbar war es immerhin, dass die Tiere auch Stiekstoff in elementarer Form ausschieden, der bei der Analyse des Aussen- wassers natürlich nicht mitbestimmt wird. Um darüber Aufschluss zu erhalten, leitete Weinland die gasförmigen Ausscheidungs- produkte mit einem Kohlensäurestrom durch Absorptionsgefässe, die mit Kalilauge beschiekt waren. Das Ergebnis war eine vollständige Absorption der Gase bis auf an Damit war die Abwesenheit von Stickgas erwiesen. Sodann ermittelte Weinland noch annähernd die Umwand- lungen, die die Trockensubstanz der Tiere während des Hungers erfährt. Er stellte beim frischen Tier 19,9—21,5 0/o Trockensubstanz, nach fünftägigem Hunger nur noch 15,2%, auf frische Substanz berechnet, fest. Den Anfangswert erhält er nahezu wieder, wenn er die’einzelnen Verlustposten, Glykogen, Dextrose, Stickstoffsubstanz, zum Endwert addiert. Weinland fand, dass die Tiere bei zunehmender Versuchsdauer wasserreicher werden. Aus 19 Versuchen, die er unter Durchleitung verschiedener Gase anstellte, und die demzufolge auch zum Teil er- ' heblich voneinander abweichende Resultate zeitigten, berechnet er eine mittlere Gewichtszunahme von 2,8° pro Tag. Bei Kohlensäure- durchleitung fand er die geringste Wasseraufnahme. Der Grund hierfür ist ihm unklar geblieben. Die Wasseraufnahme ist natürlich erösser als die Gewichtszunahme, weil zugleich Leibessubstanz ver- . Jorengeht. Weinland’s Befunde zeigen, dass hauptsächlich Kohle- hydrate am Stoffwechsel der anoxybiotisch lebenden Würmer beteiligt sind. Ihre Zersetzungsprodukte qualitativ und quantitativ festzu- stellen, war seine nächste Aufgabe. Als ein Hauptprodukt fand er 1) E. Weinland, Über Kohlehydratzersetzung ohne Sauerstoffaufnahme bei Ascaris, einen tierischen Gärungsprozess. Zeitschr. f. Biol. Bd. 42 8.73 ff. 2) E. Weinland, Über die Zersetzung stickstoffhaltiger Substanz bei Ascaris. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 517 fi. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 13 Kohlensäure, die er im Absorptionsröhrehen mit Barytlauge von be- stimmtem Titer auffing und bestimmte. Von den Mittelwerten 0,38 (aus drei Wasserstoffrespirationsversuchen) und 0,54 g Kohlensäure pro 100 g Tier und Tag (aus drei Luft- resp. Sn erktofiespirähione: versuchen) hält er 0,38 g für den natürlichsten. Wie Bunge mies auch Weinland ein flüchtige organische Säure im Aussenwasser der Tiere feststellen. Er hat das Verdienst, als erster diese Säure qualitativ mit grösster Sorgfalt bestimmt zu haben. Es handelt sich in der Hauptsache um Valeriansäure !). Zur quantitativen Bestimmung "hielt Weinland die Tiere wegen der Flüchtigkeit der Säure ohne Gasdurchleitung in verschlossenem Raume, bestimmte nach Beendigung des Versuches die Gesamtazidität der Flüssigkeit (Kohlen- + Valeriansäure) durch Titrieren mit Baryt- wasser (Indikator: Phenolphthalein) und den kohlensauren Baryt durch Wägung. Aus der Differenz der Gesamtazidität und der Azidität der Kohlensäure ergab sich schliesslich die Menge der Valeriansäure. Ausgehend von acht Versuchen (einzeln bis zu 7!/s Tagen Dauer), berechnet Weinland aus der Summe der verbrauchten Substanz und der pro Tag abgeschiedenen Valeriansäure als Mittelwert 0,30 g für 100 g Tier und Tag. | Kohlen- und Valeriansäure waren also im wesentlichen die einzigen Zersetzungsprodukte, die er nachweisen konnte. Der Fett- bestand änderte sich so gut wie gar nicht. Die Stiekstoffausscheidung war so geringe, dass Kohlen- und Valeriansäure kaum aus den stick- stoffhaltigen Verbindungen stammen konnten. Weinland schliesst, dass Kohlen- und Valeriansäure aus Kohlehydraten gebildet sind, und stellt für seine Ergebnisse die Gleichung auf: 0,7 & Glykogen + 0,1 g Dextrose — 0,4 g CO, + 0,3 g C,H,00:. me Ursache für den um 0,1 g niedrigeren Wert auf seiten der Zersetzungsprodukte vermutet Weinland darin, dass ein gewisser Teil der verschwundenen Kohlehydrate zur Produktion von Eiern und Samen verbraucht ist und nieht mehr als Zersetzungsprodukte erscheint. Den Prozess der Zersetzung veranschaulicht er sich durch folgende Gleichung: 4C,H,50, = 9C0; + 3C;,H,003 + 720 396 306 18. 1) E. Weinland, Über Kohlehydratzersetzung ohne Sauerstoffaufnahme bei Ascaris, einen tierischen Gärungsprozess. Zeitschr. f. Biol. Bd. 42 8. 67 ff. — E. Weinland, Über die von Ascaris lumbricoides ausgeschiedene Fettsäure. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 113 ff. 14 Hubert Schulte: - Die Zahleuwerte für die Kohlen- und Valeriansäure stehen mit den von. Weinland gefundenen in guter Übereinstimmung. Nach dem von der Gleichung geforderten Wasserstoff fahndete er aller- dings vergeblich: jedoch teilt er später!) mit, dass es ihm gelungen ei, Wasserstoff in Spuren nachzuweisen (weit unter 1 cem). Somit bleibt immer die Annahme übrig, dass Wasserstoff anfangs entstehe, aber grösstenteils später oxydiert werde. Ganz andere Mengenverhältnisse liefert die Verbrennung des Traubenzuckers zu Kohlensäure und Wasser, wie es die folgende Gleichung veranschaulicht: C,H1:0; + 60, =: 6 CO, + 6H,0 180 192 264 108. Dagegen zeigt die Zersetzung der Kohlenhydrate bei den Ascariden sehr viel Ähnlichkeit mit der alkoholischen Gärung, so dass wir sie mit Fug zu den Gärungsprozessen zählen dürfen. Die Richtigkeit der vonWeinland aufgestellten Gleichung voraus- gesetzt, müssen aus 4 Molekülen Traubenzucker 3 Moleküle Valerian- säure entstehen, deren Verbrennungswärme 3 X 6718 — 20154 Ka- lorien beträgt. Diese Energie geht den Tieren völlig verloren. Da nun bei vollständiger Verbrennung die 4° Moleküle Traubenzucker 4 x 6737 — 26948 Kalorien entwickeln würden, so beträgt der en 20154 3 Just der im Zucker enthaltenen Energie 6945 oder T Weinland hat also das Verdienst, als erster «len Stoffwechsel der Aseariden als Gärung nachgewiesen zu haben. „Der oxydative Abschnitt an der Stoffzersetzung fehlt vollständig, und nur der ohne Verbrennung, ohne Sauerstoffzuführung ist vorhanden“ ?). Durch Weinland’s Befunde wären also die Stoffwechselvorgänge (ler Aseariden in den Hauptzügen aufgeklärt. Aus den bisherigen Ergebnissen den Energieverbrauch auch nur ‚annähernd zu berechnen, war nicht möglich. Diese Aufgabe hatte sich Herr Prof. Krummacher gestellt. | Er hat in den Jahren 1908—1910 mit Weinland zusammen an der Erforschung des Ascaridenstoffwechsels gearbeitet. Ihm ver- danke ich Anresung und Förderung vorliegender Arbeit. Ursprüng- 1) E. Weinland, Über die Zersetzung stickstoffhaltiger Substanz bei Ascaris. Zeitschr. f. Biol. Bd. 45 S. 524. 2) E. Weinland, Über Kohlehydratzersetzung ohne Sauerstoffaufnahme "bei -Ascaris, einen tierischen Gärungsprozess. Zeitschr. f. Biol. Bd. 42 8. 88. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 15 lich hatte er die Absicht,: mittels Brennwertbestimmungen eine voll- ständige Energiebilanz aufzustellen, ein Gedanke, der\sich indessen als nicht ausführbar erwies, da es auf keine Weise gelang, die Ver- brennungswärme des stark salzhaltigen Aussenwassers zu ermitteln. Infolgedessen wurde vorerst die Aufgabe enger umgrenzt: Zur Er- sänzung des von Weinland erforseliten Stoffwechsels schien es aus- sichtsvoll, Glykogenschwund und Kalorienverlust‘ zu. vergleichen, um zunächst einmal darüber ins klare zu kommen, mit welchem Bruch- teile die Kohlehydrate am Energieverbrauch beteiligt sind. Nach dieser Richtung, hin stellte er einige Versuche an, die bei dem neuen, erst auszubildenden. Verfahren naturgemäss ‘noch kein zu Na Folgerungen berechtigendes Ergebnis zeitigen konnten. In liebenswürdiger Weise hat mir Herr Prof. Krummacher seine Versuchsergebnisse zur Verfügung gestellt und sie an gegebener Stelle anzuführen gestattet !). B. Eigene Versuche. huner 1914 habe ich in der von Krummacher ein- geschlagenen Richtung weitere Forschungen angestellt. Die Un- kosten der Untersuchung wurden grösstenteils aus den Mitteln be- stritten, die Prof. Krummacher aus der Trenkle-Stiftung über- wiesen waren. . Als Versuchsobjekte dienten Exemplare von Ascaris lumbrieoides aus dem Dünndarm des Schweines, die wir zumeist in ausreichender Menge vom Münsterischen Schlachthofe erhalten konnten. Der Einfachheit halber untersuchten wir die Tiere ausschliesslich im Hungerzustande. Sie wurden in warmer 1®/oiger Koehsalzlösung ge- waschen, auf Filtrierpapier ausgebreitet und sortiert. Infolge der lebhaften Bewegungen waren dabei lebende und tote Tiere unschwer. zu unterscheiden. Jedes in seiner Lebensfähigkeit auch nur ver- dächtige Exeniplar wurde entfernt. Zu Beginn des Versuches kamen die Tiere in eine Woulf’sche Flasche, die 1°/oige Chlornatrium- lösung enthielt; es wurde Kohlensäure eingeleitet, bis ein Überdruck von 10 cm Wasserhöhe erreicht war, die. Flasche hierauf luftdicht verschlossen und in den Brutofen (Temperatur 38° C.) gestellt. Wir 1) 1912 hat unter Krummacher’s Leitung Herr Zahnarzt Bruno Vetter mehrere Versuche unternommen, die jedoch nicht zu einem . Gesamtergebnis führten und abgebrochen wurden. Auch aus ihnen das Wesentlichste anzuführen, hat mir Herr Professor Krummacher gütigst gestattet. 16 Hubert Schulte: setzten 48 Stunden als Beobachtungszeit ein für allemal fest. Nach 24 Stunden wurde die Lösung in der Regel gewechselt. Die Gesamt- menge der erhaltenen Tiere teilten wir möglichst gleiechmässig in Vergleichs- und Versuchstiere ein. Zur Vermeidung von Versuchs- fehlern legten wir besonderen Wert auf. gute Mischung und Ver- teilung der Tiere. Jede der beiden Hauptgruppen wurde vor ihrer “Verarbeitung in zwei Hälften geschieden, von denen die eine zur Glykogen-, die andere zur Brennwertbestimmung diente. Bei der Auswahl für beide Hälften wurde noch die besondere Massnahme angewandt, dass jeder Wurm mit der Schere unter peinlichster Ver- meidung von Substanzverlust durchsehnitten und abwechselnd Kopf- und Schwanzende beiden Gruppen zugeteilt wurde. Die Hälfte für die Glykogenbestimmung wurde sodann nach dem von Pflüger!) angegebenen Verfahren analysiert. In den beiden ersten Versuchen habe ich das Glykogen direkt durch Wägung bestimmt, von Ver- such III ab indirekt nach Überführung in Dextrose mittels des gewichtsanalytischen Verfahrens nach Allihn?) und Umrechnung in Glykogen nach Pflüger’s Angabe°). Die Zuverlässiekeit dieses Verfahrens habe ich selbst durch vier Kontrollbestimmungen, in denen ich Sacharose invertierte, geprüft. Ich erhielt nach Invertierung und Umrechnung des Invertzuckers fast dieselben Werte für die Sacharose wieder, von denen ich ausgegangen war. Ich habe also zwei verschiedene Methoden zur Glykogenbestimmung benutzt, konnte deshalb bei einigermaassen übereinstimmenden Resultaten besonderes Vertrauen in deren Richtigkeit setzen. Die erhaltenen Grammwerte rechnete ich in die entsprechenden Kalorienwerte um, wobei ich als Faktor den von mir gefundenen Brennwert für 1 & Glykogen 4,1275 Cal einsetzte). Die zweite Hälfte diente zur Bestimmung des Brennwertes. Die sauer reaeierende Masse wurde nach Zusatz von Natronlauge (die 1) E. Pflüger, Das Glykogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit Ss. 135. Bonn 1905. 2) Allihn, Über den Verzuckerungsprozess bei der Einwirkung von ver- dünnter Schwefelsäure auf Stärkemehl bei höherer Temperatur. Journ, f. prakt. Chemie Bd. 22 S.46. 1380. 3) E. Pflüger, Das Glykogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit S. 136 und 106. Bonn 1905. (Die Bestimmung des Glykogens durch Überführung in Traubenzucker.) 4) Die darüber angestellten Versuche und Berechnungen vgl. S. 35. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 17 flüchtigen Säureanteile entzogen sich sonst der Brennwertbestimmung (lurch schnelle Verdunstung) bis zur alkalischen Reaktion auf dem Wasserbade getrocknet und naclı Erkalten gewogen. Die lufttrockene Substanz ‘wurde zu feinem Pulver gemahlen, zu Pastillen von je 0,6 & Gewicht (dreimal je zwei) geformt und wieder gewogen. Je zwei 'Pastillen wurden in der kalorimetrischen Bombe verbrannt. Der Wasserwert von Bombe und Kalorimeter war ein für allemal von Prof. Krummacher auf 2,4399 ke Wasser berechnet.‘ Die Wassermenge, in der die Bombe stand, betrug jedesmal 2,50 000 kg Wasser. Zur Messung diente ein in der Physik.-techn. Reichsanstalt geeichtes Beckmann - Thermometer, : dessen Gradwert bei unseren Versuchsbedingungen 1° = 1,005° C. betrug. Der Verbrennungs- apparat war durch einen breiten Wassermantel vor Einwirkungen der Zimmertemperatur so gut wie möglich geschützt. Die ganze Versuchszeit :wurde. in drei Perioden geteilt: zunächst prüfte man die Temperatur !% Minuten vor der Entzündung (Vorperiode), danach !%2.Minuten nach der Entzündung (Hauptperiode), endlich noch weitere 1% Minuten (Nachperiode). Aus dem Gang der Tem- peratur in der Vor- und Nachperiode lässt sich die Korrektur für den Wärmeverlust berechnen. Um die Korrektur möglichst gering zu ‚machen, „wurde: das Kalorimeter so weit abgekühlt, dass seine Temperatur und die Zimmertemperatur ‚während und nach der Ver- brennung möglichst wenio differierten. Die übliche, etwas umständ- liche Korrektur nach Regnault- Pfaundler!) habe ich auf Vor- schlag von Prof. K rummacher durch eine einfachere Formel er- setzt. Da bei ‚der Verbrennung die Temperatur schnell ansteigt, kann man mit ‚grosser Annäherung annehmen , dass in der ersten halben Minute der Hauptperiode. die Temperatur der Vorperiode, in den folgenden neun halben Minuten die Temperatur der Nachperiode geher rseht hätte. Infolgedessen ist bei der Korrektur der Temperatur- verlust der Vorperiode mit eins, der Temperaturverlust der Nachperiode mit. neun zu multiplizieren und die algebraische Summe als Korrek- tionswert zu betrachten. Bei ‚der Verbrennung des reinen Glykogens habe ich indessen, um grössere Genauigkeit zu erzielen, die Korrektur nach Regnault-Pfaundler durchgeführt (s. S. 34 ff.)., Aus der Abnahme der Verbrennungswärme vor und nach ‚dem Versuch ergab sich der Energieverlust im ganzen; rechnen wir da- 1) W. Glikin, Kälorimetrische Methodik'S. 18. ‘Berlin 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 2 18 . Hubert Schulte: gegen den Glykogenschwund in Kalorien um, so erhalten wir den auf das Glykogen entfallenden Anteil des Energieverbrauches. Bei diesem handelt es sich, wie Krummacher bereits betont hat), jedoch nicht etwa um die wirklich im Tierkörper umgesetzte Energie, um den Nutzeffekt des Glykogens. . Dieser ist viel kleiner, als der Wert der Glykogenbeteiligung anı Stoffwechsel angibt, da ja noch die Hauptenergiemenge in der Valeriansäure steekt und unverbraucht verloren geht. Indem wir also die Kalorienwerte immer auf die nach aussen ab- serebene, nicht auf die nutzbar gewordene Energie bezogen, musste sich die Frage entscheiden lassen, ob das Glykogen unter den Nähr- stoffen die Hauptrolle spielte, wie es nach Weinland's Versuchen zu erwarten war. ' Würde zum Beispiel ausschliesslich Glykogen und kein anderer Nährstoff zersetzt, so müsste der Glykogenschwund, in Kalorien aus- gedrückt, 100 %0 des Gesamtverlustes ausmachen; sind hingegen noch andere Nährstoffe an der Zersetzung beteiligt, müssen wir ent- sprechend weniger finden. | Gegen dies Verfahren könnte man 5,4034 Cal. von 1, 1992 'g lufttrockner Substanz | 'er zeugt. © _ Um die ekildei. Sulpsterimsr zu een deren lung wärme von der erhaltenen Verbrennungswärme abzuziehen ist, bediente ich mich des Titrationsverfahrens nach H. Langbein?). Der Gang ist kurz folgender:;, 10, ccm. destilliertes Wasser, das vorher ih die Bombe ‚gebracht wurde, um .die. entstehende Salpetersäure aufzufangen, enthält nach der, ‚Verbrennung, Salpeter-. und, ‚Schwefelsäure... Die; Flüssigkeit in ‚der Bombe wird nach Schluss der. ‚Verbrennung in ein, { r läs“ ‚gegossen. und ‚die ‚Bombe, mit, ‚heissem Wasser. Be 1) Giadentalneg des Beckmann. Thermometersin- Arion, Graden.' 2) Zeitschr. f. angew. Chemie Jahrg. 1900 S. 1260. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei’ Ascaris lJumbricoides. aa bis zu nicht mehr wahrnehmbarer saürer Reaktion. Man neutralisiert dann mit Barytlauge: es entstehen Ba(NO,), und BaSO,. Nun setzt man Sodalösung von bekanntem Gehalt zu, bis die Flüs:igkeit deutlich alkalisch ist, wodurch Ba(NO,), in BaCO, übergeht, während BaSO, ungeändert bleibt. Je 1 Mol Ba(NO,), vernichtet die Alkaleszens von 1 Mol Na,00,. Filtriert man endlich den schwefel- und kohlen- sauren Baryt ab und titriert die überschüssig zugesetzte Soda mit Salzsäure zurück, so ergibt sich die Salpetersäure. — Also gefunden: 1,1992 g lufttrockener Substanz — 5,4034 Cal. 1 5 D) 5) — 4,5059 „ i konn. © & ü — mean loc luittrockene, an, 16800 .keisch. Demnach entsprechen 100 g frischer Substanz 112,1 Cal. 111 Call ist der Wert, den ich mit der Parallelverbrennung erzielte. Die Kontrolltiere lieferten also, auf 100 g frische Substanz be- rechnet: 1 ee 12 Ga 9. 7.073 7,239 g Glykogen ; 0, 111. 7Ca bil 9 Cal. B. Versuehstiere. 40 Tiere = 125,4 g in einer Woulf’schen Flasche vom 18. Mai abends 6 Uhr 45 Minuten bis zum 20. Mai abends 6 Uhr 45 Minuten, also. 48 Stunden, im Brutofen gelassen. Mittlere Tem- peratur 38,50 C. Eingegangen: kein Tier. Gewicht nach 48 Stunden: 138,3 g; also Gewichtszunahme 12,9 g. Tiere zerschnitten und verteilt: N a) Zur Glykogenbestimmung: 65,6 g. Diese ergeben korrigiert 66,3 g!) und entsprechen 60,1 &?) Ausgangsmaterial. b) Zur Brennwertbestimmung: 71,3 g. Diese ergeben korrigiert 72,0 g und entsprechen 65,3 g Ausgangsmaterial. % Glykogenbestimmung. | Substanz behandelt wie bei den Kontrolltieren. Die Proben (je ein Viertel der Gesamtlösung) ergaben: a) 0,7627 g, b) 0,7533 8 Also die Gesamtlösung: a) 3,051 g, b) 3,013 ge. - Ebensoviel sind enthalten in 60,1 g der ursprünglichen frischen Substanz. 100 g frische Substanz enthalten: a) 5,077 g; b) 5,014 g; 5,045 g«im Mittel. - 1) Gewichtsverlust infolge Verdunstung beim Sortieren, Zerschneiden usw. 2) Gewichtszunahme infolge Quellung. 99 Hubert Schulte: 11. Brennwertbestimmung. Dieselbe Weiterbehandlung des Materials wie bei den Kontroll: tieren. Ergebnis: Erste Verbrennung 99,3 Cal. | zweite 5 39.1. Die Versuchstiere lieferten also nach 48 Stunden, auf 100 g frische Substanz berechnet: 5 a 5 } 5,045 g (Mittel) Glykogen; 3° san } 99,2 Cal. Glykogenverlust pro 43 Stunden Kalorienverlust pro 48 Stunden 2,194 g = 9,1 Cal. 12,7 Cal. Anteil des Glykogenverlustes am Energieverbrauch pro 48 Stunden: 12,7 100 91 —— Be 2 io Von 100 Cal. Energieverlust treffen 72 Cal. auf Glykogen. 72 %o Glykogenschwund pro 24 Stunden, auf 100 g frische Substanz be- rechnet: rund 1,1 g. Versuch II!) Verarbeitet im ganzen: 60 Tiere = 186,30 g. Die Kontrolltiere enthielten, auf 100 g frische Substanz berechnet: 1. 6,542 g 1.1060 2. 6.588 g h 6,565 g Glykogen; 2. 104.2 105,1 Cal. Die Versuchstiere enthielten, auf 100 g frische Substanz berechnet: 1. 1.187002: . 1. 94,5 2. 4.208 & h 4,198 g Glykogen; 2. 961 95,3 Cal. Glykogenverlust pro 48 Stunden Kalorienverlust pro 48 Stunden 260 VE al: 9,8.0al. Anteil des Glykogenverlustes am Energieverbrauch pro 48 Stunden: 28 100: z = 100 9,8 2’ BR 100 %. Glykogenschwund pro 24 Stunden, auf 100 g frische Substanz berechnet: 1,2 g. Versuch III. Verarbeitet im ganzen: 100 Tiere = 301,86 g. Kontrolltiere: 1. 6,245 5, 11090 2. 6,203 g } 6,224 g Glykogen,; 5 1094 } 109,5 Cal. Versuchstiere: 1 aaa & } 3872 g Giykogen; 3: 98% \ 98,5 Cal 1) Ich beschränke mich im folgenden nur auf die Angabe der Resultate. Zum Schluss habe ich die Ergebnisse insgesamt in Tabellen angeführt. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei.:Ascaris lumbricoides. 33 Glykogenverlust pro 48 Stunden Kalorienverlust pro 48 Stunden 2,352 g = 9,7 Cal. . 11,0 Cal. Anteil des Gly kogenverlustes a am Energieverbrauch: 11,0 100 97T = re 2—88. 88 0. Glykogenschwund pro. 24 Stunden, auf 100 g frische Substanz berechnet: 1,2 g. Versuch IV. Verarbeitet im ganzen: 104 Tiere = 272,76 g. Kontrolltiere: 1. 6,172 g i 01. 12081 2. 6.187 5 N 6,180 g Glykogen; 3. 110,9 } 110,5 Cal. Versuchstiere:; | 1. 4,683 g 2.211005 2. 4,667 g } 4,675 g Glykogen; 2. 100.4 100,6 Cal. Glykogenverlust pro 48 Stunden Kalorienverlust pro 48 Stunden 1,51 g = 6,2 Cal. 9,9 Cal. Anteil des Glykogenverlustes am Energieverbrauch: 9,9 _ 100. ne bon, RER 63 %o. Glykogenschwund pro 24 Stunden und 100 g frische Substanz: 0,8 g. Versuch V, Der vollständig durchgeführte Versuch ergab zum Teil Resultate, deren Weiterverwertung zur Bildung eines Gesamtresultates unmöglich war. Ob irgendwo ein Versehen vorgekommen ist, kann ich nicht be- urteilen. Immerhin erhalte ich annehmbare Werte für den Glykogen- schwund: Kontrolltiere: Versuchstiere: 1. 6,597 g a 1. 5,022 g Icl- 2. 6,660 56,629 g Glykagen. 2. 4,977 814,999 g Glykogen. Glykogenverlust pro 48 Stunden 1,63 g = 6,7 Cal. Glykogenschwund pro 24 Stunden und 100 g frische Substanz: 0,8 g. Dagegen erhielt ich bei Bestimmung der Kalorienabnahme mir unerklärliche Werte: Kontrolltiere: Versuchstiere: 1. 106,0 1. 104,0 ar 2. 106,6 106,3 Cal. 2. 103,6 ?103,7. Cal. 3. 106,3 3. 103,6 Demnach wäre nur eine Abnahme von 2,6 Cal. zu verzeichnen. Das ungewöhnliche Verhältnis zwischen der Abnahme des Glykogens und der Abnahme der Kalorien leuchtet sofort ein. 94 Hubert: Selhwlters sans zadh Versuch VI, Verarbeitet im ganzen: 84 Tiere = 248, . 8. Kontrolltiere: I no8ere\ - en Il 2 7.019 & ni 7,004 g Glykogen ° 11 7 . 112,0 Cal. Versuchstiere: 1. 4,804 g \ ee ING 2 al 4,8335 g Glykogen; 3. 1005 N 100,1: Cal. Glykogenverlust pro 48 Stunden Kalorienverlust pro 48 Stunden ame N Call, 11.0) Call Anteil des Glykogenverlustes am Energieverbrauch: 259) 2 Das 90 2 Re 76 'o. Der Glykogenschwund pro 24 Stunden und 100 & frische Sub- stamzenl I =: Fasse ich die Resultate sämtlicher Versuche zusammen, so 'er- halte ich: I. Anteil des Glykogens am Energiewechsel: Versuch I II Il IN V VI 72 00. 88, © — 2760 Mittel: 80 %o. II. Pro 21 Stunden verschwinden von 100°g frischer Substanz an Glykogen: Versuch I II ul IV V VI 1,1 1,2 1,2 0,8 (0.8) ? 1.1 Maella all m, Die bisherigen Ergebnisse Weinland’s veranlassten mich, auch die Anteilnahme anderer Stoffe am Energiewechsel zu erforschen. — Ich fahndete zunächst nach weiteren Kohlehydraten. Ausser Glykogen hat Weinland von dieser Gruppe nur noch Dextrose feststellen und durch Bildung des charakteristischen Osazons als solche identifi- zieren können. Ich fand eine Kupferoxydhydrat reduzierende Substanz in geringen Mengen vor, konnte sie in 85°o Alkohol in Lösung bringen und hielt sie den Befunden Weinland’s entsprechend für Dextrose. Zu ihrer quantitativen Bestimmung bediente- ich mich folgender, von Herrn Geheimrat Prof. J. König. vorgeschlagenen Methode. Ich zerrieb' 30—50 g Würmer vorsichtig in einer grossen Reibschale unter Zusatz von Seesand und fügte 60 cem Wasser hinzu. Das Ganze spülte ich in einen 500-cem-Messkolben und liess bis zum nächsten Tage, stehen, nachdem ich durch Toluol. puriss. sterilisiert hatte. Am folgenden Tage wurde — ganz allmählich, um Versuche über Stoffwechselvorgänge bei: Ascaris lumbricoides. 25 ein plötzliches: Zusammenballen‘ des Niederschlages unter Einschluss von Dextrose zu verhüten — 96 °/oiger Alkohol bis zur Marke 500 hinzugegossen und nochmals bis zum nächsten Tage zurückgestellt. So. konnte die in der zerriebenen Masse befindliche Dextrose in Lösung gehen. Zur näheren Bestimmung des Gesamtvolumens der zuekerhaltigen. Lösung ermittelte ich das Volumen des Filtrates sowie die. Menge der im Niederschlage zurückgebliebenen Lösung, indem ich den Niederschlag feucht und nach dem Trocknen jedesmal abwog. Ich stellte . ferner an einer Probe den Trockengehalt der filtrierten Flüssigkeit fest. Auf diese Weise konnte ich schliesslich die v vom Niederschlage eingeschlossene Lösung. berechnen. So ergab sich .das Gesamtvolumen der zuckerhaltigen Flüssigkeit genauer als bei. einfacher Bereksiehtienne des am Messkolben abgelesenen Volumens. Die Dextrose wurde schliesslich in einem aliquoten Teil der Gesamtlösung nach Verdampfen des Alkohols und Lösen in Wasser der Allihn’ schen Vorschrift entsprechend bestimmt. Zwei Versuche habe ich ausgeführt. ‚Auf 100 & extrahierte Substanz berechnet, kommen in Re Versuch I RAVEN Versuch, IL. auf Kontrolltiere 1,06 8 0,83. & Dextrose.. auf Versuchstiere 1,06 087076 a In fünf Versuchen habe ich den Stoffwechsel des. Fettes unter- sucht. Ich extrahierte die abgewogene lufttrockene Substanz mit Äther im Soxhlet-Apparat mindestens 12 Stunden lang, meistens über 2) Stunden. Da man jedoch daran denken durfte, dass das Extrakt etwa in Äther lösliche Bestandteile enthielt, die- kein reines Fett waren, extrahierte ich die nach: Verdunstung des Äthers zurück- _ gebliebene Substanz noch mit Petroläther (Fettbestimmunesversuch IV). Das Gewicht des Extraktes zeigte jedoch in beiden Fällen keinen wesentlichen Unterschied. Während ich bei den. vier ersten Ver- suchen Material aus meinen Glykogenversuchen III—VI zur. Ent- fettung ansetzte, benutzte ich bei Fettbestimmungsversuch. V besonders angesetztes Material. Auf 100 & frische Substanz berechnet, liess sich eine Fettzunahme (Ätherextrakt) nachweisen von Versuch I (Giykogenyersueh DD 227 el x Beeren 002.0 SL Y Va 7 20:09-0 Ba V.3) b NDR en = 080 (0, 19) & y N RR 7 77,0, 6 1) Den \Vert 0,19 g erhielt ich nach Extraktion mit Petroläther. 96 Hubert Schulte: Von u une über den Eiweissstoffwechsel ‚habe ich ab- gesehen. Ich habe schliesslich noch die Valeriansäure quantitativ zu be- stimmen gesucht. Dabei bin ich so vorgegangen, dass ich bei starker 'Temperaturerniedrigung die gesamte Säuremenge der Kochsalzlösung nach dem Versuch durch Kalilauge schnell zu binden suchte (Indikator: Phenolphthalein); sodann dampfte ich bis etwa auf ein Viertel des ursprünglichen Volumens ein und destillierte mit Wasserdämpfen über, nachdem ich eine annähernd äquivalente Menge konzentrierter Schwefelsäure zur Befreiung der Valeriansäure zugesetzt hatte. Dabei wurde nur so viel Schwefelsäure im Überschuss hinzugefügt, dass eine eben wahrnehmbare Reaktion mit Tropäolin 00 entstand. Durch die Schwefelsäure wurde demnach im wesentlichen nur valeriansaures Kalium zersetzt; zur Zersetzung des Kochsalzes der Lösung reichte sie nicht mehr hin, so dass. die Bildung von Salzsäure aus Schwefel- säure und Kochsalz unmöglich war. Das wurde durch Ausbleiben der Chlorreaktion im Destillat hestätigt. Das Destillieren setzte ich so lange fort, bis das Destillat keine Rotfärbung von blauem Lackmus- papier mehr hervorrief. Es dauerte etwa 2 Stunden. Das Destillat, das stark den charakteristischen Butter-Valeriansäuregeruch hatte, wurde dann mit Barytlauge von bekanntem Titer in mehreren Proben titriert (Indikator: Phenolphthalein) und der Mittelwert der verschie- denen .Titrationen auf 100 g frische Substanz umgerechnet. Die Versuchsdauer betrug auch hier 48 Stunden; doch konnte bei der Flüchtigkeit der Valeriansäure die Kochsalzlösung nach 24 Stunden nicht gewechselt werden. In Versuch I fand ich eine tägliche Säure- produktion von 0,35 g, in Versuch II von 0,20 g pro 100 g & frische | Substanz in 24 Stunden. | Über das Verhalten der lufttrockenen Substanz habe ich ebenfalls Versuche angestellt. Bei den Kontrolltieren entsprach 1 g luft- trockene Substanz: Veruch 1. 1. m IV vv 4,02 4,48 4,25 4,09 4,40 4,02 g frischer Substanz Mittel: 4,21. Bei den Versuchstieren: Versuch I I "MM IV v \ı : 4,92 493 4,99 4,46 4.70 4,71 < frischer Substanz Mittel: 4,179, Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 27 Zu Beginn des Versuches kommt auf 4,21 g frische Substanz 1 g lufttrockene Substanz, das heisst 23,75 lo. Nach 48 stündigem Hunger kommt auf 4,79 g frische Enhatanz 1. g lufttrockene Substanz, das heisst 20,88 0. Die Abnahme der luftrockenen Substanz, auf 48 Stunden nid 100 g frische Substanz berechnet, beträgt demnach 2,87 g; also die tägliche Abnahme 1,4 g. Endlich mache ich noch Angaben über meine Erfahrungen heireif; Wasseraufnahme der Tiere. Nach meinen Ergebnissen lieferten 100 g frische Substanz in 48 Stunden ein Mehrgewicht von Versuch I - I II IV V VI 10,3 11,0 14,3 9,8 8,9 —173g8 Mittel pro 43 Stunden: 10,9 g a 2 3 23.00, Im wesentlichen machte ich bei den Ascariden dieselben Er- fahrungen allgemeiner Art wie Weinland. Schon die geringste Temperaturerhöhung in der Umgebung liess sie mir viel. lebhafter erscheinen. Es dauerte bedeutend länger, bis die Exemplare, die ich zur Frühjahrszeit auf dem Filtrierpapier ausbreitete, ihre. Be- ‚wegungen aufgaben, als dies zur Winterszeit der Fall war.. Temperatur- erniedrieung bis zu Zimmertemperatur machte sie immer. unbeweg- licher, bis sie schliesslich bei. weiterer Erniedrigung. bewegungslos und steif wurden. Geringe Wärmezufuhr brachte sie wieder aus diesem Zustand heraus; eine Temperaturerhöhung über 40° C. hinaus erzeugte schliesslich äusserst lebhafte Bewegungen. Diese über das sewöhnliche Mass hinausgehende Lebhaftigkeit beobachtete ich auch jedesmal, wenn ich die Versuchstiere vom Filtrierpapier (also aus Zimmertemperatur) plötzlich in die auf Körpertemperatur angewärmte Lösung der Woulf’schen Flasche brachte. Mannigfaltiges Hin- und Hertasten mit dem spitzen Kopfteil, Knäuelbildungen usw. wechselten in schneller Folge. Ich konnte ähnliche Erscheinungen von geringerer Intensität auch während des ganzen ersten Versuchstages beobachten, am zweiten liessen sie allmählich nach. Weiter habe auch ich die Empfindlichkeit gegen Wärme nicht verfolgt. Geringe Liehtempfind- lichkeit glaube ich wahrgenommen zu haben. Wenn ich die Türen des Brutofens öffnete und Gaslicht durch die Scheiben in den Be- hälter dringen liess, sah ich mehrere Male — freilieh erst nach 28 Hubert Schulte: einiger Zeit —, wie sich die Tiere aus ihrer Ruhe heraus in lebhaften Windungen bewesten und erst nach Türverschluss und geraumer Frist sieh wieder ruhig verhielten. Eine bewundernswerte Lebens- zähigkeit habe ich stets gefunden. Man konnte Exemplare stunden- lang bei Zimmertemperatur auf trockener Unterlage liegen lassen und später noch bei Erwärmung wieder Bewegungen hervorrufen. Je länger die Tiere hungerten, um so schlaffer wurden sie. So konnte ich stets in der zweiten Hälfte des @weiten Versuchstages be- obachten, wie sie olıne grössere Bewegungen dalagen und sich lang übereinander ausgestreckt lagerten: Nach längerem Aufenthalt der Tiere in dem Behälter konnte ich regelmässig Abschilferungen. und eine bläulich-neblige Verfärbung der Lösung feststellen. Wechsel der Lösung verursachte grössere Lebhaftigkeit, desgleichen Weclisel der Kohlensäure, unter der die Umgebungsflüssigkeit stand. Sobald ich nach Beendigung jedes Versuches die Woulf’sche Flasche öffnete, konnte ich den von Weinland bereits geschilderten säuer- Jichen Geruch wahrnehmen. Bei Dextroseversuch II glaube ich eine Erfahrung gemacht zu haben, für deren Zuverlässiekeit ich mich allerdings nicht ver- bürgen' kann. Besonders an den Nachmittagen, an denen ich mit Trocknen und Zermahlen der Würmersubstanz beschäftigt war, litt ich unter stärkeren Symptomen an einer Entzündurg der Augen- bindehaut. Gerade durch das stärkere Auftreten dieser Erscheinung zu den erwähnten Zeiten kam ich auf die Vermutung, dass in der Würmermasse entzündungserregende Substanzen für die Schleim- häute vorhänden. seien. Prof. Krummacher teilte mir mit, dass auch Weinland und der Münchener Zoologe R. Gold- schmidt sich über ähnliche Erfahrungen gesprächsweise geäussert hätten): €. Über meine Versuchsergebnisse. "Für den Anteil des Glykogens amı Euergiewechsel erhielt ich fünf Werte, deren Mittelwert 80% ist). Was zunächst die Zu- 1). Val. auch F. Flury, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. a S. 390. 1912. sowie R. Goldschmidt, Münchener med. Wochenschr. Nr. 57 5.1991. 1910, 2) Aus drei Versuchen des Herın Vetter erwähne ich die eventuell brauch- baren: Werte der Glykogenteilnahme am Energieverbrauch, erstens 98,7°/o und zweitens 71,2% der frischen Substanz, Ich möchte mich allerdings nicht für die Versuche über Stoffwechselvorgänge bei: Ascaris lumbricoides. 239 verlässiekeit dieser Werte anlangt, so habe ich bereits erwähnt, dass sie zwei verschiedenen Bestimmungsverfahren entstammen. Bei beiden fallen die Resultate so übereinstimmend aus, dass man schon deshalb auf deren Richtigkeit rechnen kann. Dazu kommt noch, dass ich in allen Versuchen Doppelbestimmungen ausgeführt habe, deren Werte meist nahezu gleich sind, und dass die zu Anfang und zu Ende. eines jeden Versuches analysierten Tiere aus einer grossen auf, einmal gesammelten Menge stammten. Trotz aller Bemühungen, die natürlichen Verhältnisse so gut wie, möglich. herzustellen, be- fanden sich die Tiere in meinen Versuchen unter, abnormen Be- dingungen. Darum ‚erschien es besser, die Versuche nicht zu. weit auszudehnen. Je länger die Tiere in der Flüssigkeit verweilen, desto ınehr entfernen sie sich von normalen Lebensbedingungen.. Keine Beseitigung (der Stoffwechselprodukte, insbesondere der Valeriansäure, findet statt. So ‚deuten Weinland’s Resultate über die sich ver- ringernde Kohlensäureabscheidung bei ;Wasserstoffdurchleitung ge- nügend hin auf, ein Nachlassen der anoxybiotischen Prozesse durch Anhäufung von Stoffwechselendprodukten. In Rücksicht darauf ‚habe ich im. Gegensatz zu Weinland die Versuche, wie erwähnt, immer nur auf 48 Stunden ausgedehnt und. ‚die Umgebungsflüssigkeit in der Regel nach 24 Stunden gewechselt. Ich glaube, auf Grund dieser;Mass- nahmen einen den natürlichen Verhältnissen am ‚meisten entspredhenden Zustand geschaffen zu, haben. Die Brennwertbestimmungen — es sind auch jedesmal zwei Parallelverbrennungen ausgeführt -— sind so ausgefallen, dass auch diese Werte ‚zweifellos richtigi,sind,.ı.Der vierte Versuch zeigt allerdings trotz;,sonst gut übereinstimmender Einzelwerte mit 63° eine niedrige Beteiligungsziffer , des:@lykogens. am Gesamtenergiewechsel. ‚Der tägliche Glykogensehwund .von.dgK-g‘ pro 100 g Tier entspricht bei einem Verlust an' Trockensübstanz; von; . g pro 100.8 Tier und. ‚Tag dem Werte 80 %/o! nchas (vgl. unten: Sad)... RR re) Wir haben also die Gatsache vor u . die Lieferung, NEN über- drei Viertel: der u au BE Energie, auf Rechnung‘ des, ze Ei en ii: She Bere EN Be Key Aelassigkeit dieser Resultate verbürgen, da sie, für. ‚mich, un ewöhnlichen Werten entstammen. Gesamtenergieverlust: erstens 5,55 Cal., ‚Aweitens a Op. ()); Abnahme des Glykogens pro 24 Stunden: erstens 0,7 8 zweitens 1,0. iR Professor Krummacher fand in einem Versuch eine hen von? 1,7% o Glykögen pro Ba und 100: 8 Kisılle Substanz; : Herr Vetter ieine solche: vom 11: 5078, 18.8. a ne hr da ae Bdelızs 30 i Hubert Schulte: Glykogens zu setzen ist. Es fragt sich, welche Stoffe den übrigen Teil für sich in Anspruch nehmen. Bei Prüfung dieser Frage habe ich für den Verlust an Dextrose Zahlen erhalten, auf deren absoluten Wert ich kein allzu grosses Gewieht legen möchte, da die mir noch neue Methode mich im Un- gewissen liess, ob sie zur genauen Bestimmung der minimalen Werte hinreichte und eine vollkommene Lösung des Zuekers verbürgte. Es kam mir aber auch nicht so sehr auf den absoluten Wert für den Dextrosegehalt der Kontroll- und Versuchstiere an als vielmehr auf den Unterschied zwischen beiden. Ich bemühte mich deshalb, Kontroll- und Versuchstiere möglichst in derselben Weise zu be- handeln. So konnte ich, falls nicht die Art der Verarbeitung auf die Tiere der beiden Gruppen jedesmal eine andere Wirkung hatte, was schlecht einzusehen wäre, ein einigermassen zuverlässiges Re- sultat gewinnen. Nach meinen Ergebnissen wäre in Versuch I keine - Änderung im Dextrosegehalt eingetreten, in Versuch II eine solche von rund 0,1 g Verlust in 24 Stunden. Ob die Dextrose aus Glykogen hervorgeht, vermag ich ebenfalls nieht zu entscheiden. Es könnte sich im zutreffenden Falle so verhalten, (dass alles Glykogen vor seiner endgültigen Zersetzung erst immer in Dextrose übergeht und aus dieser dann die Stoffwechselendprodukte entstehen. Bei Bestimmung des Fettstoffwechsels konnte ich die merk- würdige Tatsache einer Fettzunahme feststellen. Die zum Teil mit Parallelbestimmungen durchgeführten Versuche nahmen mir jeglichen Zweifel an der Richtigkeit der Resultate, als mein zuletzt ausgeführter Versuch V, der unabhängig von änderen Bestimmungen eigens zum’ Zwecke der endgültigen Aufklärung des Fettstoffwechsels mit reich- lichem: Material angesetzt worden war, fast dasselbe Resultat ergab wie meine Versuche I und IV (vel. S. 43). Bei Betrachtung der Er- eebnisse in Versuch II und III allein könnte man am ehesten an Versuchsfehler denken, zumal die Fettzunahme hier niedrige Werte erreicht hat. Diese Resultate möchte ich auch schon deshalb bei der' Berechnung des Gesamtwertes der Fettzunahme ausschliessen, weil die Trockensubstanz nicht genau m war; aa gebe sie nur unter Vorbehalt wieder. "Ich konnte also in allen Versuchen eine aka. niemals eine Abnahme konstatieren, die noch dazu in den zuverlässigen Ver- suchen fast denselben Wert hatte. Bedenken über Reinheit des Äther-: extrakts beseitigte ich, wie erwähnt, durch Extraktion mit Petroläther, Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 91 Beschränke ich mich auf die am meisten Vertrauen verdienenden Werte, so erhalte ich 0,17 g Fett in 48 Stunden gebildet oder 100 & frische Tiere speichern in 24 Stunden Hungerzeit 0,08, rund 0,1 g Fett auf. Woher stammt das neu entstandene Fett? Dass aus Kohle- hydraten Fett werden kann, ist längst erwiesen und in bezug auf deu Stoffwechsel höherer Tiere eine bekannte Erscheinung. Den quan- titativen Verhältnissen entsprechend, kann man wohl die Entstehung des Fettes aus Kohlehydraten auch in diesem Falle als sicher an- nehmen. Es ist selbstverständlich für die Gesamtbilanz der Energie gleichgültig, ob eine derartige Fnergieaufspeicherung, wie die Fett- bildung aus Kohlehydrat, sich als Zwischenstufe einschiebt; doch ist dieser Befund für den Chemismus der Zersetzungen nicht ohne Be- deutung. Die Valeriansäure in den Bilanzversuchen zu bestimmen, war nicht möglich, weil bei dem eingeschlagenen Verfahren das Aussen- wasser in der Regel nach 24 Stunden gewechselt wurde und dabei an ein restloses Auffangen der flüchtigen Säure nicht zu denken war. So war ich denn auf besondere Versuche angewiesen, und es gelang mir, den Hungerzustand auf 48 Stunden auszudehnen ohne Wechsel der Lösung. Aus den beiden Werten 0,35 und 0,20 g pro 100 g Tier und Tag berechne ich einen Mittelwert von 0,3 g pro 100 g Tier und Tag und komme damit dem Weinland’schen Werte gleich. Als mittleren Wert für die tägliche Abnahme der lufttrockenen Substanz erhielt ich 1,4 g pro 100 g frische Substanz. Wir haben oben gesehen, dass der Anteil des Glykogens am Gesamtenergieverlust auf rund 80° zu veranschlagen ist bei einem täglichen Verlust von 1,1 g Glykogen, auf 100 g frische Substanz berechnet. An dem Gesamtverlust an Trockensubstanz von 1,4 g hat das Glykogen mit 1,1 g also den Hauptanteil, rund 79%, ein Wert, der sehr gut mit dem Wert der kalorimetrischen Bestimmung übereinkommt. Aller- dings handelt es sich dabei nicht um absolut trockene, sondern luft- trockene Substanz, so dass ich nur zu angenäherten Werten komme. Mit Bestimmung der direkt abwägbaren Wasseraufnahme zu 5,5 g pro 100 g Tier und Tag erreiche ich einen erheblich höheren Durehschuittswert als Weinland. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass in den ersten 2 Tagen der Hungerperiode, wo noch die Lebens- funktionen am regsten sind, mehr aufgenommen wird als in späteren 39 3 - Hubert Schulte: Tagen, auf die zum Teil Weinland seine Versuche noch ausdehnte. Versuch VI ergab eigentümlieherweise ein geringeres Gewicht der Würmer: am Ende des Versuchs als am Anfang. Ich habe das negative Resultat bei Berechnung mittleren Wertes unberücksichtigt gelassen. mir unklar. Die Ursache: ist des :Fasse ich die erhaltenen Werte kurz zusammen, so erhalte ich: 1. Anteil des Glykogens am Gesamtenergiewechsel: 80% = vier Fünftel aller umgesetzten Energie; (2. Abnahme der lufttrockenen Substanz: 1,4 8; a nr h | 3. Abnahme des Glykosens: 1,1 & AR (angenähert) 80 %o 5 der Abnahme der Gesamttrockensuhstanz ; : frische . hi .. ; ii Subetenn 4 Abnahme der Dextrose: 0 & und 0,1 g; nd ne 5. Zunahme des Fettes een: 0,08 g, rund Ds g; ” [| 6. Zunahme der Valeriansäure: 0,3 9; Me du Direkt wägbare Wasseraufnahme: 8 +, Bestimmung der Verbrennungen des A . Glykogens aus Ascaris lumbricoides. ie D man immerhin Bedenken haben konnte, ob das Aikenenm aus Ascaris Jumbricoides mit dem Glykogen der. höheren Tiere identisch. sei, dessen Verbrennungsw ärme zuerst Stoh mann!), er- mittelt hatte , habe ich die. gesammelten Vorräte zu einer kalori- maison an verwendet. Stohmann verbrannte Glykogen aus, ‚Jsaninehenleber, das im ‚©. w Voit, der es untersucht. hatte, as ‚stickstofffrei zur, Verfügung gestellt und das Stohmann nach-, he er auch ‚fettfrei ‚gemacht hatte. Mit, ‚den völlig wasserfreien Prä- parat, wurden ‚zwei Verbrennungen unter 25 ‚Atmosphären. el druck. see, und als mittlerer. Brennwert . - pro I ' inte mi - Mir standen‘ zwei’ hen 'Glykogen für die: Verbrennungen: zur Verfügung?). Gewonnen war in beiden Fällen das Material’ aus der mit: nalen 0 Ascarissubstanz durch Fällen mit am LS 215 IR . Journ. f. a Chemie!{2) BU. 50: 8.385. 1: ii + 2),Nagh : Stohmann haben 1911 ..A, G. al Ri, ©. Bonedikt ii, „ Varbrennungswärme ‚des. ‚Glykogens ‚zu 4227 Cal. „DO, , ‚Gramm bestimmt. Auen Kie. Journ. of Physiol. vol. 28° [O) P- 301. 3) Die’ erste Probe stammte - -aus meinen Versuchen, die zweite‘ "hatte mir” HH" Pröfeskor Krümm ach er zur” Verfügung’ gestellt." I us BB) Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. (nach Pflüger), Wiederauflösen in heissem Wasser und abermaliger Fällung nach Entfernung des Eiweisses durch Brücke’s Reagens. Zwei Proben dienten zur Ermittlung des Trockengehaltes. Die eine wurde weiter zur Aschebestimmung verwandt, indem die Substanz im ausgeglühten Porzellantiegel durch Erhitzen bis zur beginnenden Rotelut verbrannt wurde. Ich hatte schliesslich von der I. Probe noch so viel Material, um damit eine Fettbestimmung, von der II. Probe noch so viel, um eine Stickstoffbestimmung auszuführen. Die Fettbestimmung führte ich im Soxhlet- Apparat aus, indem ich 12 Stunden lang extrahierte. Die Stickstoffbestimmung führte ich nach Kjeldahl aus und rechnete auf Eiweiss um. Bestimmung der Trockensubstanz. I. Probe II. Probe Nr. ‚|Abgewogen Nach Auf Abgewogen Nach Auf me luft- Trocknnng | 100 g luft- luft- | Trocknung | 100 g luft- trocken | bei 100°C. | trocken trocken beil00°C. trocken g E g N RE 1. 0,9303 0,8294 89,15 0,9199 0,7763 84,39 2 0,9308 0,8320 89,38 0,9127 0,7697 84,33 Mittel 0,9305 0,2307 89,27 0,9163 0,7730 84,36 == | — : 89,27 0 | — 84,36 Aschebestimmung. I. Probe II. Probe Abgewogen Auf 100 g | Abgewogen Auf 100 g trocken Asche | trocken trocken Asche trocken 8 8 | 8 8- 8 8 0,8200 0,0022 0,2683 0,7731 0,0021 0,2716 - 1,0908 | — — 0,2716 Fett- bzw. Eiweissbestimmung. I. Probe (Fettbestimmung). II. Probe (Eiweissbestimmung) a Äther- ne zalne oe Eiweiss ae un lo0E luftttr. nun trocken neben lufttr. trocken UEe. g a 8 EN re 8 8 g 1,0839 | 0,0059 | 0,5443 | 0,6097 | 2,6659 | 0,0163 | 0,6126 : |. 0,7261: Auf 100 g Trockensubstanz: Ätherextrakt 0,6097 Pflüger”s Acrhiv für Physiologie. Bd. 166. ‚Auf 100 g Trockensubstanz: Eiweiss 0, 7261. 3 34 - Hubert Schulte: Falls ich den Wert des Eiweiss- resp. Fettgehaltes für beide Proben in Anrechnung‘ bringe, was ich nicht ganz ohne Bedenken tun kann, so kommen also auf 100 g Trockensubstanz: I. Probe: 1. 0,2683 & Asche, II. Probe: 1. 0,2716 g Asche, KH 2. 0,6097 g Fett, 2. 0,6097 g Fett, 3. 0,7261 g Eiweiss. 3. 0,7261 & Eiweiss. 1,6041 g. 1,6074 g. In Probe I In Probe II waren in 100 & Trockensubstanz: | waren in 100 & Trockensubstanz : 100,0000 & 100,0000 & — 1,6041 g — 1,6074 @ 8,3959 g Glykogen 98,3926 2 Glykogen 0,6097 g Fett ones 0,6097 g& Fett a 0,7261 g Eiweiss 0,7261 g Eiweiss a 98.3959 & Glykogen —.1.98,3926 & Glykozen ; 99,7317 g. 99,7284 ©. Verbrennungswärme der organischen Substanz. 1. Probe U. Probe Age Pro lg|Prolg| Abe g| Prolg Prolg | Prolg Nr en NR Trocken-| organ. ne Trocken-) organ. als Cal. |Substanz |Substanz krocken Cal. ‚substanz | Substanz g Cal. Cal. g Cal. Cal. 1. | 1,4099 | 5,2201 | 4,1472 | 4,1584 | 1,1181 | 4,9832 | 2,1654 | 4,1768 2. 1,3999 | 5,1969 | 4,1584 | 4,1698 | 1,3598 | 4,7785 | 4,1655 | 4,1769 Me = ea 2% 21.1768 Di = 2341698 er = 24.1769 ich habe also für 1 & organische Substanz vier verschiedene, sich nahestelıende Werte bekommen. Die geringen Differenzen zwischen ihnen können wohl kaum zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Endwertes Anlass geben. An jedem der Werte haben die Stoffe, die in 1 & organischer. Substanz enthalten sind, einen bestimmten Anteil. Bei Probe I: Bei Probe II: 1 g ore. Substanz enthält 0,0061 g Fett 0,0061 & Fett 1.36% 3 » 0,0075 „ Eiweiss 0,0073 „ Eiweiss Na »„. 0,9866 „ Glykogen 0,9866 „ Glykogen. a nn A ann kann na a man ua Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 35 Setze ich für Eiweiss und Fett die bekannten Werte 5,7 Cal. und 9,3 Cal. pro 1 g ein, so ergibt sich: 1. 0,9866 x + 0,0073 - 5,7+ 0,0061: 9,3 = 4,1584; 1. x—=4,1153 Cal. 2. 0,9866 x + 0,0073 - 5,7+ 0,0061: 9,83 — 4,1698; 2. x— 4,1268 3. 0,9866 x+ 0,0073 - 5,7+ 0,0061: 9,8= 4,1768; 3. x—=4,1339 4. 0,9866 x + 0,0073 - 5,7 0,0061-9,3 = 4,1769; 4. x=4,1339 , Brennwert für Glykogen im Mittel: ; 4,1275 Cal. i | Ich finde also als mittleren Brennwert für das reine Glykogen: aus Ascaris Jumbrieoides rund 4,13 Cal. Aus der nahen Überein- ‚stimmung dieses Wertes und des für das Kaninchenleberelykogen von Stohmann gefundenen kann man mit grosser Wahrscheinlich- - keit schliessen, dass das Askarisglykogen nicht wesentlich anderer Natur ist als das Kaninchenleberglykogen, wie es Stohmann für seine Bestimmungen benutzte. E. Versuche zur Bestimmung der Glykogen- beteiligung am Gesamtenergiewechsel. -I. Versuch. (18. Mai bis 19. November 1914.) Kontrolltiere: 132,3 g = 40 Tiere. Z Zur Bestimmung des Breenuwertes ur @l k Zur FH 3 = yXogen- ak Ab- Temp.- | Wasser- | Entw, Wärmemenge in Cal. bestimmung 5 gewogen _ Er- wert E lufttr. | höhung im pro 1g |pro100g g vC. 8 ganzen | lufttr. | frisch 68,6 & (nach Wägung) | 62,3 g (n. Wäeung)| 1,1992 | 2,218 | 2439,9 | 5,4034 | 4,5059 | 112,1 69,3 8 (korr.) !) 63,5 g (korr.)) 1,1952 | 2,202 | 2439,9 | 5,3655 | 4,4892 | 111,7 ergaben an Glykogen: | lieferten 15,79 & | a) viermal 1,2834 g| lufttrockenes 134 g| Material b) viermal 1 ‚2260 g 904 g per 100 g fr. Substanz: a) 7,405 g b) pi 073 : 1) Korrektur infolge Gewichtsverlust beim Zerschneiden. 36 Nach 48 Stunden verarbeitetes Material: nach 48 Stunden = 138,3 g. Hubert Schulte: Versuchstiere 125,4 g = 40 Tiere; Zur Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Glykogen- Ab- bestimmung EröcknneR Sekte. r g 65,6 g (nach Wägung) 2 ‚3 g (n. Wägung) | 1,2438 66,3 g (korr.)!) 2.0 g (korr.)!) —=| 1,2124 — 60,1 g (korr.)?) 69,3 8 (korr.)?) ergaben an Glykogen: | lieferten 13,28 g a) viermal: 0,7627 g| lufttrockenes —= 3,051 g| Material b) viermal 0,7533 g —= 3,013 g pro 100 gfr. Substanz: a) 9,077 g b) 5,014 g Ergebnis der Glykogenbestimmung (pro 100 g frisch) Wasser- Eintw. Wärmemengein Cal. wert z = im g ganzen prolg pro 100g ufttr- frisch 6,0734 9,9103 4,8829 4,8748 99,3 2,491 n 2439,9 99,1 2439, e) Ergebnis der Bestimmung des Brenn- wertes (pro 100 g frisch) a m a nach Abnahme n h Versuches 48 Stdn, im Mittel 2 5 g | Cal. | | a): 7,405 5.077 D| zu | 5 ya au II. Versuch. Kontrolltiere: 86,5 g = 30 Tiere. Be Versuches 45 Stdn. Mittel g Cal. Cal. | a) 112,1 | ya } 12,7 (9.—23. November 1914.) Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Glykogen- Zur : Trocknung ale bestimmung gewogen lufttr. o > 45,8 g (nach Wägnns) [40,0 g (n. Wägung) | 1,2289 46,2 g (korr.) ergaben |40,4 g (korr.) 1,2177 an Glykogen: lieferten 9,00 g | a) viermal 0,7548 g lufttrockenes b) viermal 0,7601 g Material per 100 g fr. Substanz: a) 6,542 g b) 6,588 g | Temp. | Wasser- | Entw. Wärmemenge in Cal. im ganzen prolg pro 100 lufttr. . frisch 5,8415 5,6898 4,7534 4,6726 106,0 104,2. | 1) Korrektur infolge Gewichtsverlust beim Zerschneiden. 2) Korrektur für die Änderung des Wassergehaltes während des Versuches. u a ee A. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lJumbricoides. a Versuchstiere: 96,0 g = 29 Tiere'); nach 48 Stunden — 106,51 g. Zur Glykogen- bestimmung 48,9 g (nach Wägung) 49,2 g(korr.) =44,5 g (korr.) ergaben an Zur Bestimmung des Brennwertes Zur n Trocknung gewogen lufttr. 8 57,0 g (n. Wägung) | 1,2146 97,8 g (korr.) = | 1,1702 51,6 g (korr.) lie- Temp.- | Wasser- Er- 2,320 | 2439,9 2,273 | 2439,9 Entw. Wärmemenge in Cal, | | wort pro 100g frisch im | prolg | ganzen lufttr. | 94,5 96,1 5,6566 5,5425 4,6573 4,7364 Glykogen: terten 10,48 g a) 1,8560 & lufttrockenes | b) 1,8652 g Material | pro 1005 fr. Substanz: | | | od a) 4,187 g | | | | b) 4,208 g : | Ergebnis der Bestimmung des Brenn- Ergebnis der Glykogenbestimmung wertes (pro 100 g frisch) (pro 100 g frisch) am An- ag Abnahme am An- nach Abnahme. fang des im Mittel fang des im Versuches 43 Stdn. See Versuches 48 Stdn. Mittel g g er Cal. Cal. Cal. | NR a) 6,542 4,187 a) 106,0 94,5 \ b) | 6,588 4,208 \ 2,367 | le 96,1 | 98 III. Versuch. (24. November bis 7. Dezember 1914.) Kontrolltiere: 132,28 g = 50 Tiere. Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Zur Glykogen- Tr Ab- | Temp.- W „| Entw. Wärmemenge in Cal. 2 ocknun = anser bestimmung e urter. Honane NaD im | prolg |pro100g g 026 g ganzen | lufttr. | frisch 67,8 g (nach Wägung) | 63,6 8 (n.Wägung) 1,2422 2,370 | 2439,9 | 5,7820 | 4,6547 | 109,6 68,3 g (korr.) ergaben | 64,0 g (korr.) lie- | 1,2133 | 2,311 | 2439,9 | 5,6379 | 4,6468 | 109,4 an Dextrose: a) 4,7360 g = 4,262 g Glyk. b) 48136 g = 4,332 g Glyk. pro 100g fr. Substanz: a) 6,245 g b) 6,203 g ferten 15,07 g | | lufttrockenes | Material 1) Während des Versuches eingegangen: ein Tier. Dadurch, dass nach Ausschaltung des Tieres dem verringerten Endgewicht entsprechend das Anfangs- gewicht korrigiert werden musste, könnte man eine kleine Unsicherheit in der Wertrechnung zu erblicken berechtigt sein. 33 Hubert Schulte: Versuchstiere: 163,58 g = 49 Tiere!); nach 48 Stunden —' 186,97 g. Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Fre Glykogen- roclenun Ab- Temp.- nee | Entw. Wärmemenge in Cal. bestimmun 5 gewugen| - Er- wert RE 8 lufttr. | höhung im © | prolg |pro100g g °C, g ganzen | lufttr. | frisch 93,8 8 (nach Wägune) | 92,0g (n. Wägung) | 1,2291 | 2,475 | 2439,9 | 6,0370 4,9117 | 98,4 94,4 g (korr.) = 82,6 g | 92,6 g (korr.) — | 1,2520 | 2,525 | 2439,9 | 6,1568 | 4,9177 | 98,5 (korr.) ergaben an 81,0 g.(korr.) lie- | Dextrose: ferten 16,23 g a) 3,9787 8 — lufttrockenes 3,221 Glyk. Material b) 3,5240 g = | 3,172 Glyk. | pro 100g fr. Substanz: |- a) 3,902 & | | b) 3,842 g | | Ergebnis der Glykogenbestimmung Ergebnis der Bestimmung des Brenn- (pro 100 g frisch) wertes (pro 100 g frisch) am, An- ach Abnahme am en mich Abnahme fang des im Mittel fang des im Versuches 23 SED: Be ra Versuches 43 Stdn. Mittel g g [3 | Cal. Cal. Cal. Cal. a) | : 6,245 | 3,902 | a) 109,6 98,4 b) | 6208 | 3822 H 2 | 2a 109% | 98,5 \ 110 IV. Versuch. (22. Februar bis 8. März 1915.) Kontrolltiere: 145,97 g = 52 Tiere. Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Zur Glykogen- Mielke Ab- Temp.- | Wasser- | Entw. Wärmemenge in Cal. bestimmun 5 gewogen |_ Er- wert, : Sr lufttr. | 'höhung im prolg | pro100g g °C. g ganzen | lufttr. | frisch 69,8 g (nach Wägung) | 75,48 (n. Wägnng) | 1,1748 | 2,172 | 2439,9 | 5,2928 | 4,5054 | 110,1 70,2 g (korr.) ergaben | 75,8 g (korr.) lie-| 1,1915 | 2,219 | 2439,9 | 5,4054 | 4,5367 | 110,9 an Dextrose: ferten 18,53 8 | | a) 4,8120 & = lufttrockenes 4,381 & Glyk. Material b) 4,8240 & — N | 4,342 g Glyk. . pro 100 gfr. Substanz: | a) 6,172 g b) 6,187 g 1) Vgl. Anmerkung S. 37. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 3) Versuchstiere: 126,8 — 52 Tiere; nach 438 Stunden = 139,2 g. Zur Bestimmung des Brennwertes Zur Z Glykogen- Nr Ab- Temp.- _ | Entw. Wärmemenge in Cal. J. Trocknung woman Die Nat 8 bestimmung lufttr. höhung Be im prolg |pro100g g en g | ganzen | lufttr. | frisch 71,6 g (nach Wägung) | 66,78 (n. Wägung) [1,2401 | 2,288 | 2439,9 | 5,5743 | 4,4950 | 100,7 72,1 g(korr.) =69,7g |.67,1 g (korr.) = |1,2643 | 2,323 | 2439,9 | 5,6632 | 4,4793 | 100,4 (korr.) ergaben an 61,1 g (korr.) lie- | ferten 13,70 g ' | Dextrose: a) 34160 g = 3,074 g Glyk. b) 3,4040 g —= 3064 & Glyk. pro 100g fr. Substanz: a) 4,685 8 b) 4,667 g lufttrock Material enes Ergebnis der Glykogenbestimmung (pro !00 g frisch) Ergebnis der Bestimmnng des Brenn- wertes (pro 100 g frisch) : am An- mach Als am An- hach Abnahme fang des im Mittel fang des im Versnches > Su ns Versuches a Bl Mittel 8 e ea Cal. Cal. Cal. a) 0 6,172 4,683 ; e a) 110,1 100,7 \ v)| 6,187 4.667 \ 1,51 | ey 6 100,4 9,9 VI. Versuch. (12. April bis 2. Mai 1915.) Kontrolltiere: 114,5 g = 42 Tiere. Zur Glykogen bestimmung 57,7 g (nach Wägung) 58,0 e (korr.) ergaben an Dextrose: a) 4,5000 g = 4,050 g Glyk. b) 4,5200 g —= 4,068 g Glyk. pro 100g fr. Substanz: a) 6,988 & b) 7,019 g Zur Trocknung 56,38 (n. Wägung) | 1,3008 56,9 g (korr.) lie- ferten l 14,06 & lufttrokenes Material Zur Bestimmung des Brennwertes Wasser- | Entw. Wärmemenge in Cal. wert gewogen lufttr. pro 100g prolg frisch lufttr. im g | ganzen {7 5,8709 | 4,5138 5,8383 | 4,4917 112,2 2439,9 111,7 1,2998 2439,9 Hubert Schulte: 40 Versuchstiere: 134,1 g = 42 Tiere; nach 48 Stunden 182,4 g. Zur Bestimmung des Brennwertes -Zur ur Glykogen- Troei Ab- | Temp.- | Wasser- | Entw. Wärmemenge in Cal. 3 rocknung Er- bestimmung 2 kl. hobing wer im prolg |pro100g ; g °C. g ganzen | lufttr. | frisch 63,1 g (nach Wägung) | 63,4g (n. Wägung) | 1,3073 | 2,518 | 2439,9 | 6,1401 | 4,6968 99,6 63,8 g (korr.) = [1,2542 | 2,436 | 2439,9 | 6,9409 | 4,7367 | 100,5 68,6 8 (korr.) = 69,5 8 (korr.) ergaben an 64,6 g (korr.) lie- Dextrose: ferten 13,71 g Re a) 3,1080 g — lufttrockenes | 3,331 g Glyk. Material b) 3,7520 g = 3,9377 8 Glyk. | - | pro 100g fr. Substanz: | a) 4,804 g | | Ergebnis der Bestimmung des Brenn- Ergebnis der Glykogenbestimmung wertes (pro 100 g frisch) (pro 100 g frisch) ma, | mach | Abnahme el ean a im Mittel n 8 nee Versuches 43 Stdn. Ss Versuches 43 Stdn. Mittel g g ee Cal. Cal. Cal. a) | 6,988 4,804 a) ) 1100 99,6 \ b) | zog | Assı Yaız 0 || ua 100,5 un: VII. Versuch. Dextrosebestimmung. (15. April bis 15. Mai 1915.) Kontrolltiere: 49,1 g —= 12 Tiere. Extrahierte Gesamtflüssigkeits- Dextrosegehalt von nen menge der Lösung Dextrose 100 R ae g ccm g g 49,1 509%) 0,5197 1,06 Versuchstiere: 56,1 g = 13 Tiere. 96,1 | 496 | 0,5925 | 1,06 1) Bei der Korrektur zur genaueren Bestimmung des Gesamtvolumens der zuckerhaltigen Flüssigkeit (s. S. 25) ergab sich rechnerisch dieser Wert für die Grösse dieses Volumens, Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 41 VII. Versuch. Dextrosebestimmung. (7. Juni bis 25. Juni 1916.) Kontrolltiere: 31,06 g. ned _ Extrahierte Gesamtflüssigkeits- mus Syon Substanz menge der Lösung Dextrose 10 euren g cem g | g 31,06 494 0,2584 | 0,83 Versuchstiere: 23,88 g. BB | 491 | 0160 | 0,70 Fettbestimmungsversuche. I. Versuch. (Giykogenversuch IIT.) Fettgehalt der Anfangssubstanz. materia pro 8 pro 100 g pro 100 g : lufttrocken | Iuftröcken | sch frische Substanz g g g 8 5 2,0002 | 0,1040 | 5,20 | 1,22 | 0,17 Fettgehalt der Endsubstanz. Ausgangs- Ätherextrakt material | 3 pro 100 g pro 100 g Auer ocken lufttrocken frisch g 8 g g 1,9987 | 0,1385 | 6,93 | 1,39 II. Versuch. (Glykogenversuch IV.) Fettgehalt der Anfangssubstanz. Ausgangs- Ätherextrakt Fettzunahme material pro 100 g pro 100 g pro 100 g : lufttrocken Tfkt r 0 en | friach frische Substanz g g | g g | 2,0436 | 0,1263 6,18 | 1,01 0,02 Fettgehalt der Endsubstauz. I Ausgangs- Ätherextrakt material NE ae pro 100 g pro 100 g Iufttrocken lufttrocken frisch 8 g 8 g 2,0425 | 0,1395 | 6,83 | 1,53 42 Hubert Schulte: III. Versuch. (Glykogenversuch V.) Fettgehalt der Anfangssubstanz. Ausgangs- Atherextrakt Fettzunahme material 3 100 o 100 100 DES 3 lufttrocken | a ek : frische Substanz g g | g 8 & 2,0609 | 0,1334 6,47 1,47 | 0,09 Fettgehalt der Anfangssubstanz. Ausgangs- Ätherextrakt material | pro 100 & | pro 100 g lufttrocken | . | lufttrocken frisch 8 g 8 g 2,0118 | 0,1470 | 7,31 | 1,56 IV. Versuch.!) (Glykogenversuch VI.) Fettgehalt der Endsubstanz. Ausgangs- Ätherextrakt Fettzunahme material 100 100 pro 100 g lufttrocken een, eh ° | frische Substanz 8 g g 8 g a) | 2,0574 0,1190 (0,0912) | 5,78 (4,43) 1,44 (1,10) | 0,16 b) 2,0675 0,1215 (0,0931) | 5,88 (4,50) | 1,46 (1,12) | (0,19) Mittel] er | Re 5,83 (4,47) | 1,45 (1,11) | Be Fettgehalt der Endsubstanz. Ausgangs- Ätherextrakt material RE Sen an pro 100 g | pro 100 s kufttrocken | lufttrocken frisch g 8 Is g a) 2,0670 0,1570 (0,1266) 7,60 (6,12) 1,61 (1,30) b) | 23,0815- -|-0,1581-(0,1265) 7,60 (6,08) 1,61 (1,29) Nittel | Ar > 7,60 (6,10) | 1,61. (1,30) 1) Die eingeklammerten Zahlen sind die Werte, die ich bei Behandlung mit Petroläther erhielt. Versuche über Stoffwechselvorgänge bei Ascaris lumbricoides. 43 V. Versuch. Fettgehalt der Anfangssubstanz. Ausgangs- ‚ Ätherextrakt Fettzunahme material pro 100 g lufttrocken pro 100 8 | pro 100 8 | fische Substanz lufttrocken frisch es s g g g | | % a) 2,0286 0,1270 6,26 1,39 0.16 b) 2,0604 0, 1388 6,74 1,50 } Mittel — — 6,50 1,44 | — Fettgehalt der Endsubstanz. _ Ausgangs- Ätherextrakt material 100 100 pro 2a pro g Iuftizocken lufttrocken frisch 5 8 8 g a) 2,0011 Ben |, 0,1628 8,14 1,60 b) 2.0202 | 0.1628 8,06 1,59 Mittel ER: 8,10 1,60 I. (IVa) Versuch zur Bestimmung der Valeriansäure. 44 Versuchstiere = 164,81 g. Versuchsdauer 23 Stunden. 100 g frische Substanz Gewonnenes Fett-| Gesamtmenge der | Entsprechende säure-Destillat Valeriansäure Würmermenge in 23 Std. | in 24 Std. ccm mg g 5 g 582 a) 965,22 h s der @ - b) 548,76 SE el ne ‘164,81 034 | 085 d) 892,76 j Mittelmeer ne; | 554,88 | — — En 44 Hubert Schulte: Versuche über Stoffwechselvorgänge usw. II. (VIb) Versuch zur Bestimmung der Valeriansäure. 52 Versuchstiere — 126,79 g. Versuchsdauer 48 Stunden. Gewonnenes Fett-| Gesamtmenge der Entsprechende 100 g frische Substanz säure-Destillat Valeriansäure Würmermenge in 48 Std. | in 24 Std. cm mg g g 8 428 a) 127,76 ><4 b) 127,76 4 ) 126,19 0,40 0,20 45 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig.) Versuche an auüusgeschnittenen und nach einer Drehung um 180° reimplantierten Flimmerschleimhaut-Stücken. Von E. Th; v. Brücke. (Mit 1 Textfigur.) Die Frage, zu deren Lösung ich die hier mitgeteilten Versuche anstellte, war, ob sich die Richtung des Cilienschlages an einem Stück Flimmerschleimhaut ändert, wenn dieses Stück exzidiert wird und nach einer Drehung um 180° um eine senkrecht zur Schleim- hautfläche durch die Lappenmitte gehend gedachte Achse wieder ‚zur Verheilung mit seiner Umgebung gebracht wird. Als Versuchsobjekt diente die Rachenschleimhaut grosser Eseu- lenten. Die Versuche wurden während der Monate Mai bis Juli 1915 ausgeführt. Die Tiere wurden in Äthernarkose in Rückenlage fixiert, der Unterkiefer möglichst weit brustwärts umgeklappt und sodann mit einem scharfen Skalpell oder mit einer feinen Schere ein quadratisches oder rechteckiges Stück der Schleimhaut im Bereiche des Mund- höhlendaches exzidiertt. Die Grösse dieser Stücke schwankte je nach der Grösse der Tiere zwischen 8 10 und 10 X 14 mm, wo- bei die sagittale Seite des Rechteckes meist die längere war. Die Umschneidung eines solehen Schleimhautlappens gelingt. oft ohne stärkeren Blutverlust, in manchen Fällen — falls die seitlichen Schnitte zu weit lateral geführt werden — tritt aber eine nicht un- beträchtliche Blutung aus der A. palatina und der mit ihr ver- laufenden V. palatina medialis ein. In diesen Fällen ist die Prognose für die primäre Anheilung des Lappens relativ ungünstig. Die Schleimhaut des Mundhöhlendaches ist von ihrer knöchernen und muskulären Unterlage durch einen submukösen Lymphraum (sinus basilaris) getrennt, durch den nur einzelne zarte Gefässäste 46 18, Mh, 7, Bieihelkes zur Schleimhaut hinziehen. Die Schonung dieser Gefässe, welche (den rings umschnittenen Lappen noch mit seiner Unterlage verbinden, ist bei der Drehung des Lappens um 180° zwar zum Teil möglich, doch habe ich nicht beobachtet, dass Frösche, bei denen diese Ver- bindung erhalten worden war, günstigere Heilresultate gezeigt hätten als die anderen, bei denen der Lappen vollkommen von seiner Unterlage losgelöst worden war. Vermutlich werden diese Gefässe bei der Drehung des Schleimhautlappens so stark torquiert, dass sie: für den Blutstrom unwegsam werden. Der umschnittene Lappen wurde nach der Drehung mittels feiner Nadeln, wie sie sonst für Gefässnähte verwendet werden, mit Seide an die Ränder des Defektes in der Rachenschleimhaut festgenäht. In all den Fällen, in denen der Lappen per primam auheilte, waren die Nähte besonders dicht gesetzt worden, so dass die Dichte der Naht für die primäre Heilung von Bedeutung sein dürfte. Die operierten Frösche wurden bei Zimmertemperätur gehalten und etwa jeden zweiten Tag kontrolliert; hierzu wurden sie ohne Narkose in Rückenlage festgebunden und das Verhalten des Flimmer- epithels au dem gedrehten Lappen in der Weise geprüft, dass mit einem spitzen, weichen Pinsel kleine Tuschepunkte oder Querstreifen auf die Schleimhaut gesetzt wurden. Die Beurteilung, ob und in welcher Richtung das Epithel des Lappens flimmerte, war oft da- durch erschwert, dass Schleimmassen, die von den seitlichen, intakten Partien des Flimnierepithels kaudalwärts fortbewegt wurden, eine gleich gerichtete passive Fortbewegung der Tuschetröpfehen auf dem — eventuell selbst nicht mehr flimmernden — Lappen bewirkten. Eine solche Täuschung lässt sich leieht dadurch vermeiden, dass man vor der Prüfung sorgfältig den Schleim vom Mundhöhlendache abpinselt. Andererseits ermöglicht unter Umständen die Lage des Schleimes ein unmittelbares Urteil über die Richtung der Flimmerbewezung auf dem Lappen, weil bei. kräftig oralwärts flimniernden Lappen sich am oralen Lappenrande regelmässig ein deutlicher Wall von Schleim ansammelt, der durch die gegensinnig oerichtete Flimmerbewegung auf dem vordersten Abschnitte des Mundhöhlendaches einerseits und - auf dem Lappen andererseits hier zusammengetragen: wird. Unmittelbar nach der Operation flimmert das Epithel des Lappens im Gegensatz zu dem der übrigen Schleimhaut der Drehung entsprechend natürlich in oraler Richtung. Bei allen 21 Fröschen, welche ‘tie Operation länger als eine Woche überlebten, hielt dieser Versuche an ausgeschnittenen reimplantierten Flimmerschleimhaut-Stücken. 47 Zustand, wie die beigegebene Übersichtstabelle zeigt, mindestens 4 Tage lang an. Da die Schleimhaut in der Mehrzahl der ‘Fälle nach der Operation sicher nicht mehr durchblutet war, müssen. wir ‘die Fortdauer des Flimmerns wohl als ein Überleben des Flimmer- epithels auffassen. In der Reeel zeigte sich nach wenieen Tagen eine entzündliche Reaktion an den Rändern des Lappens, in deren Umgebung oft einzelne Petechien zu beobachten waren, und in vielen Fällen schmolzen die Ränder des Lappens entweder in ihrer ganzen Aus- dehnung oder stellenweise eitrig ein, so dass nach 1—2 Wochen meist ein verschieden grosser und verschieden seformter intakter Rest des Lappens innerhalb einer sich allmählich reinigenden Wund- fläche am Mundhöhlendache zu sehen war. Nur in seltenen Aus- nahmefällen wurde der Lappen in seiner ganzen Ausdehnung nekrotisch. Wie verhält sich nun das Flimmerepithel auf diesen Lappen? Obwohl ich — um die Versuchstiere nicht vorzeitig töten zu müssen — die Veränderungen des Flimmerepithels 'histologisch nicht untersucht habe, sind diese doch aus dem makroskopischen Befunde mit Sicher- "heit zu erschliessen. Nach der erwähnten ersten Periode des Über- “lebens der Schleimhaut trat in den meisten Fällen nach etwa 6—10 Tagen ein Stillstand des Flimmerns ein. Zu dieser Zeit ist der Lappen auch in seinem Aussehen deutlich verändert, er hat seinen ursprünglichen Glanz verloren, ist rauh, oft mit blutig tin- siertem, schleimigem EFiter ‘belegt, und wenn 'man während dieses Stadiums ein Tröpfehen Tusche auf den Lappen aufträgt, so zerrinnt dieser Tropfen sofort in ein System feiner Kanälchen,, so dass bald der ganze Lappen von einem feinen schwarzen Geäder durchsetzt erscheint, was bekanntlich bei der normalen Rachenschleimhaut nie der Fall ist. All dies spricht entschieden dafür, dass der Lappen in diesem Stadium nicht epithelisiert ist, die Tusche also in die Lymphspalten des submukösen Gewebes eindringen kann. Zwei Drittel der Versuchstiere starben in diesem Stadium, so ‘dass das weitere Schicksal des reimplantierten Lappens bzw. seines Epithels nur an sieben Fröschen beobachtet werden konnte. An zwei von diesen Fröschen (Nr. 5 und 10) ging das Epithel des Lappens — soweit sich dies makroskopisch beurteilen liess — nicht zugrunde, und damit stimmt es völlig überein, dass die Flimmer- bewegung im Bereiche dieser Lappen vom- Tage der Operation an ohne Unterbrechung während der ganzen Beobachtungszeit (49 bzw. - 48 E. Th. v. Brücke: 41 Tage) fortbestand und stets in oraler Richtung verlief. In der zweiten Woche nach der Operation war die Flimmerbewegung deutlich verlangsamt, was wohl auf das Zugrundegehen einzelner Flimmer- epithelzellen zurückzuführen sein dürfte; späterhin wurde die Be- wegung aber wieder lebhaft; die abgestorbenen Zellen sind also wohl durch Regeneration gleichsinnig flimmernder Zellen ersetzt worden. Diese beiden Versuchstiere zeicen uns also, dass im Falle einer primären Verheilung des gedreht implantierten Flimmerschleim- haut-Stückes die Zellen des erhalten gebliebenen Flimmerepithels ihre Polarität nicht verlieren oder ändern, sondern dass sie fortfahren, in der ihnen eigentümlichen Richtung zu schlagen, obwohl sie da- durch — infolge der Drehung des Lappens — dem übrigen unver- ändert gebliebenen Flimmerepithel der Rachenschleimhaut entgegen- arbeiten. Diese Konstanz der Schlagriehtung des Flimmerepithels erinnert in gewissem Sinne an die Tatsache, dass auch die Peristaltik einer segengeschalteten Darmschlinge dauernd ihre ursprüngliche Richtung beibehält !). Das Gegenstück zu den beiden besprochenen Fällen bieten die Frösche Nr. 1, 3 und 9. Bei diesen Tieren war die Flimmerbewegung auf dem erhalten gebliebenen Lappenrest am siebenten bzw. sechsten und zwölften Tage nach der Operation vollkommen erloschen. Im Laufe der zweiten und dritten Woche reinigte sich die Wundfläche am Mundhöhlendache, und schon zu Beeinn der vierten Woche war bei allen Tieren eine lebhafte kaudal gerichtete Flimmerbewegung auf der früheren Wundfläche sowie (in einem Falle erst etwas später) auf dem Reste des Lappens festzustellen; es war also eine Re- generation des Flimmerepithels von dem normalen Epithel der peri- pheren Schleimhautpartien aus erfolgt. Auch makroskopisch liess sich dies an der weisslichen Trübung urd dem Glanze der früher lebhaft rotgefärbten und matten Wundfläche erkennen. Es handelte sich also hier um drei Fälle, in denen das Flimmerepithel des trans- plantierten Lappens vollkommen zugrunde gegangen war und ‚der Lappen erst durch Regeneration von der Peripherie her neu epithelisiert wurde. Die erhalten gebliebene Submucosa.des Lappens nahm keinen Einfluss auf die Schlagrichtung der Flimmerhaare des 1) W. Prutz und A. Ellinger, Über die Folgen der Darmgegensehaltung. Arch. f. klin. Chir. Bd. 67 S. 964. 1902. | Versuche an ausgeschnittenen reimplantierten Flimmerschleimhaut-Stücken. ‚49 neuerdings den Lappen überziehenden Epithels, welches so wie die Zellen, von denen es abstammte, in kaudaler Richtung flimmerte. Besonderes Interesse scheinen mir’ zwei Fälle (Nr. 2 und 11) zu verdienen, die gewissermaassen zwischen den beiden bisher be- sprochenen Extremen, dem Intaktbleiben und dem völligen Verluste des Flimmerepithels, liegen. Auch in diesen beiden Fällen trat eine ziemlich ausgedehnte Nekrose des Lappens ein, und zu Anfang bzw. Ende der zweiten Woche nach der Operation hörte die Flimmer- bewegung im Bereiche des Lappens auf. Später stellte sich, so wie in den zuletzt besprochenen Fällen, offenbar durch Regeneration von der Umgebung her eine allgemeine, kaudal gerichtete Flimmer- bewegung auf dem Lappen wieder ein. Während aber bei den Fröschen Nr. 1, 3 und 9 diese Flimmerrichtung fortan konstant blieb, entwickelte sich in diesen beiden Fällen allmählich neben der kau- dalen eine oral gerichtete Flimmerbewegung, zunächst auf einem kleinen Abschnitte des Lappens, mit der Zeit breitete sie sich aber immer mehr aus, und schliesslich überwog sie bei weitem über die anfänglich aufgetretene kaudal gerichtete Bewegung. Der Frosch Nr. 2 zeigt dieses eigentümliche Verhalten am deut- lichsten, und es sei hier deshalb das ihn betreffende Versuchs- protokoll mit den zugehörigen Skizzen mitgeteilt. Die Skizzen ent- sprechen dem Lappen, wenn man sich den Frosch auf dem Rücken und mit der Schnauze gegen den Beobachter zu liegend denkt; die rechte und linke Seite der Einzelfiguren entsprechen also dem rechten und linken Rande des Lappens, die obere und untere Seite dem kaudalen und oralen Lappenrande. Die Pfeile zeigen die Flimmer- richtung an den einzelnen Stellen des Lappens; sie wurden un- mittelbar nach wiederholter Beobachtung der Bewegung kleiner Tuschetröpfcehen eingezeichnet. Protokoll über Frosch Nr. 2 (Männliche, mittelgrosse Esculente.) 7. Juni. Operation. Grösse des reimplantierten Lappens 7:13 mm. Nähte besonders dicht gesetzt. 8. Juni. Lappen flimmert lebhaft oral. Alle Nähte intakt. 9. Juni. Status idem. 11. Juni. Lappen flimmert lebhaft oral, aber die Ränder des Lappens und der umgebenden Schleimhaut sind entzündet. 13. Juni. Lappenränder eitrig eingeschmolzen. Lappenmitte flimmert noch deutlich oral. 15. Juni. Flimmern nicht mehr sicher nachweisbar, - Plfüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 4 50 E. Th. v. Brücke: 17. Juni. Vielleicht ganz langsames Flimmern in kaudaler Richtung. 24. Juni. Der ganze Lappen flimmert lebhaft kaudal. 26. Juni. Status idem. Das Flimmern erfolgt rechts sehr rasch, links ist es nur eben merklich, vielleicht wird hier die Tusche nur passiv, das heisst durch die Flimmerbewegung der benachbarten Schleim- hautpartien, mitgezogen. Rechts ist der Lappenrand mit der an- srenzenden Schleimhaut völlig verheilt, links sind beide noch durch einen schmalen Wundspalt getrennt. — — — << — — <—_ ei <— caccık oral 72.7 /4 EA. 16.IM. /E. 0 26.07 20.0 Fig. 1. 28. Juni. Die Tuschetröpfehen wandern links erst gegen die Lappenmitte hin, und erst hier wenden sie sich kaudalwärts. es wie auch für die folgenden Befunde, die Skizzen.) 30. Juni. Lappen flimmert langsam in kaudaler Richtung. 2. Juli. Lappen flimmert auf seiner kaudalen Hälfte und rechts vorn sicher kaudal, links vorn dagegen sicher oral. 4. Juli. Skizze. 6. Juli. Status idem. 9. Juli. Skizze. 12. Juli. Nur ganz aussen am rechten ee flimmert der Lappen kaudal, sonst überall oral. TE nen Versuche an ausgeschnittenen reimplantierten Flimmerschleimhaut-Stücken. 51. 14. Juli... Es scheint jetzt der ganze Lappen nur oral zu flimmern. Die Beobachtung am 12. Juli beruhte vielleicht auf einer Täuschung dadurch, dass Schleimmassen durch die Flimmer- bewegung der seitlich rechts angrenzenden normalen Schleimhautpartien _ _ mitgezogen wurden. 16. Juli. Ganz am Rande rechts scheint die Flimmerbewegung doch kaudal gerichtet zu sein. 18., 23., 26. und 30. Juli vgl. die Skizzen. Sehr ähnlich verhielt sich der Frosch Nr. 11. Er wurde am 14. Juni operiert, bis zum 26. Juni flimmerte der Lappen oralwärts, vom 28. Juni bis zum 2. Juli war keine Flimmerbewegung zu be- obachten; dagegen flimmerte die Lappenschleimhaut am 6. Juli „langsam“, am 12. Juli überall „lebhaft“ kaudal. Am 16. Juli flimmerte das Epithel der linken kaudalen Lappenecke „oral und schräg gegen die Medianlinie“ und am 26. Juli erfolgte die Flimmer- bewegung auf etwa zwei Dritteln der Lappenoberfläche in oraler und nur am vorderen und rechten Rande in kaudaler Richtung. Ich elaube, dass diese beiden Fälle nur in folgender Weise er- klärt werden können: Das Flimmerepithel des Lappens ging nach der Operation bis auf kleine Reste zugrunde und wurde zunächst durch das mit fortschreitender Vernarbung von allen Seiten her vordringende, kaudal flimmernde Epithel der übrigen Rachenschleimhaut ersetzt. Unterdessen begannen aber auch die übriggebliebenen Inseln des ursprünglichen, jetzt oral fimmernden Epithels sich durch Zellteilung zu vergrössern, und es scheint, dass dieses in der dem Lappen ur- sprünglich eigenen Richtung flimmernde Epithel im Wettstreit mit dem von der Peripherie her vorgedrungenen allmählich die Ober- hand gewann. Zusammenfassung. Ein rechteckiges Stück aus der Flimmerschleimhaut des Mund- höhlendaches des Frosches wurde exzidiert und nach einer Drehung um 180° (um eine senkrecht zur Schleimhautfläche durch die Lappen- mitte gehend gedachte Achse) wieder zur Verheilung mit seiner Umgebung gebracht. In der Mehrzahl der Fälle, in denen die Frösche die Operation lange genug überlebten, eing das Epithel des reimplantierten Lappens nach I—2 Wochen zugrunde und wurde in den nächsten Wochen durch Regeneration von den Rändern der intakten Rachenschleimhaut her ersetzt, so dass die Oberfläche des Lappens nach einiger Zeit wieder in kaudaler Richtung flimmerte. ne Die Zahlen über den schmalen Vertikalstäben der Tabelle geben an, wie viele Tage seit der One - lappen nnter der Annahme, dass die Schnauze des in Rückenlage gedachten Frosches nach abwärts gerie teter 6) bedeutet Flimmern in kaudaler Richtung. Die kurzen horizontalen Striche zeigen an, dass a Pfeile in einzelnen Rubriken entsprechen der von der allgemeinen Flimmerrichtung auf dem Lappen relativ zu dem grösseren Hauptpfeil gibt zugleich die Lage der betreffenden Schleimhautstellen im Berei richtung im rechten kaudalen Viertel des Lappens. Die Kreuze (f) bedeuten den Tod der betreffend: Ne | Anmerkungen j |ı 218415167 1| Nekrose am vorderen ing- la | i penranden a. v|iviv Y 2| Nekrose der Lappenränder } li \ ; ” 3 Nekrosedesganzen Lappens | Ii ” bis auf einen kleinen Rest Y ; 4| Spät eintretende Nekrose. \ \ .i >| Kleine .nekrotische Stellen \ ie | | ii an den Lappenrändern . Y Y bis auf’einen Rest in der Mitte N eg Lappenränder nekrotisch. 6 Nekrose desganzenLappens | ' | IL Sl a lr | Lappen rauh und leicht blutende.n.or, eur: Nekrose des ganzen Lappens| . |. Iı Nekrose des Lappens bis SS 00 auf eine kleine Stelle in derälitte 2 a 2 2% 10 | Kleine nekrotische Stellen an den Lappenrändern . 11 | Nekrose der Lappenränder. . Lappen nach 14 en rauh und blutend . 12 | Nekrose der ne N Lappen am zwölften Tage rauh und blutend . 13 | Nekrose der ae Lappen am neunten ne rauh und blutend . 14 | Nekrose der renden Lappen. am elften I rauh und blutend . 15 | Lappen am siebenten Tage } noch intakt. . 2 u. { +— 4— +— 16 | Lappen leicht blatend, am \ | 9 siebenten Tage rauh . ö Y \ 17 | Randnekrose. Lappen am vierzehnten Tage rauh . 13 | Vorübergehend entzündliche } | 4— d— 4— we Reaktion. Keine Nekrose 19 | Entzündliche Veränderung nach 11 Tagen beginnend | 20 Lappen nach 11 Tagen |h: rauh. Stark Altend 21| Lappen und Umgebung am siebenten Tage gerötet . 4— ‚über die Versuchsergebnisse. it strichen waren. Die Pfeile bedeuten die Richtung der Flimmerbewegung auf dem implantierten Schleimhaut- li sei; ein nach abwärts gerichteter Pfeil ()) bedeutet also. Flimmern in oraler Richtung, ein aufwärts gerich- l petrefienden Beobachtungstage die Schleimhaut des Lappens kein Flimmern erkennen liess. Die kleineren weichenden Flimmerrichtung einzelner Schleimhautpartien des Lappens; die Lage dieser kleineren Pfeile EEE I + +— + k EEE 39 [SS] + es +— +— 40 41/42/43 | | | | I: | I | vr +— . m 45 146 | so D m Se er) 15 14 15 16 17 18 19 20 a1 54 E. Th. v. Brücke: Versuche an Flimmerschleimhaut-Stücken. In jenen Fällen, in denen das Epithel des Lappens dauernd erhalten blieb, konnte eine Änderung in der Richtung der Flimmer- bewegung — etwa im Sinne einer Adaptation an die kaudal gerichtete Flimmerbewegung der übrigen Rachenschleimhaut — nicht beobachtet werden; diese Lappen flimmerten während der ganzen Beobachtungs- _ zeit (bis zu 49 Tagen) nach der Drehung in oraler Richtung. | In zwei Fällen scheint zwischen erhalten gebliebenen Resten des ursprünglichen Lappenepithels und dem von den Rändern her ein- ‘ wachsenden, kaudal fiimmernden Rachenepithel ein Wettstreit ein- getreten zu sein, in dem — nach der Richtung der Flimmerbewegung zu urteilen — das ursprüngliche, jetzt oralwärts flimmernde Epithel des Lappens allmählich wieder die Oberhand gewann. 99 ‘ (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig.) Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus für den Tonus der Skelettmuskulatur. Von J. Negrin y Lopez und E. Th. v. Brücke. Verschiedenartige Versuche an Fröschen und Katzen führten de Boer!) zu der Ansicht, „dass der Tonus der quergestreiften Skelettmuskulatur von dem thorakalen autonomen Nervensystem be- herrscht werde“. Wir wollen hier zunächst kurz über de Boer’s Experimente an Katzen referieren. Er exstirpierte bei einer Reihe von Katzen den Bauchsympathieus und beobachtete als Folgen dieses Eingriffes eine Verringerung des Widerstandes bei passiven Be- wesungen der hinteren Extremität der operierten Seite, eine tastbare Schlaffheit ihrer Muskulatur, ein tiefer Herabhängen der betreffenden Extremität beim Hochheben der Katze am Nackenfell, eine Steigerung der Sehnenreflexe auf der operierten Seite und nach genügend weit kaudalwärts fortgesetzter Exstirpation des Sympathieus eine Krümmung des Schwanzes nach der Seite des intakten Grenzstranges. Alle diese Symptome lassen sich durch die Annahme erklären, dass nach der Exstirpation des einen Grenzstranges der Tonus der Skelett- muskulatur auf der operierten Seite abgenommen habe. Diese Versuchsergebnisse gewannen besondere Bedeutung durch die neuerdings wieder histologisch von Boeke!) untersuchte Doppel- 1) S. de Boer, Die quergestreiften Muskeln erhalten ihre tonische Inner- vation mittels der Verbindungsäste des Sympathicus (thorakales autonomes System). Folia neurobiologica Bd. 7 8. 378. 1913. — S. de Boer, Über den Skelettmuskeltonus. II. Mitteilung: Die tonische Innervation der quergestreiften Muskeln bei Warmblütern. Folia neurobiologica Bd. 7 S. 837. 1913. — S. de Boer, Die Bedeutung der tonischen Innervation für die Funktion der quergestreiften Muskeln. Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 8.239. 1915. 2) I. Boeke, Beiträge zur Kenntnis der motorischen Nervenendigungen. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 28 H. 10/12 S. 394. 56: J. Negrin y Lopez und E. Th. v. Brücke: innervation der Skelettmuskelfasern, denn Boeke hatte an den ver- schiedensten quergestreiften Muskeln marklose Nervenbündel gefunden, die gesondert von den markhaltigen verliefen und hypolemmal endigten, und die am M. obliquus superior nach Durchschneidung des N. trochlearis nicht degenerierten, so dass Boeke sie für sym- pathische Nervenfasern hält. Um uns durch eigene Erfahrung von dem Einflusse des sym- pathischen . Nervensystems auf den Tonus der Skelettmuskeln zu überzeugen, wiederholten wir während der Sommermonate 1915 die de Boer’schen Versuche. Wir exstirpierten bei 17 Katzen unter aseptischen Kautelen ein Stück des Bauchsympathieus, welches meist fünf bis sechs, in Ausnahmefällen vier, einmal sogar sieben Ganglien umfasste (vgl. Tabelle I [S. 57]). Diese Operation stösst nach einiger Übung auf keine Schwierig- keiten. Nach Eröffnung der Bauchhöhle in der Linea alba, Vor- lagerung der Eingeweide und Spaltung des Peritoneum parietale suchten wir den Grenzstrang einer Seite auf und verfolsten ihn zu- nächst — stumpf präparierend — bis zu seinem Eintritt in die Bauch- höhle lateral von den sehnigen Zwerchfellschenkeln. Hier durch- schnitten wir ihn, schlangen einen Faden um ihn und präparierten ihn teils stumpf, teils mit einer scharfen feinen Schere kaudalwärts bis über das Promontorium frei. Meist gelingt es, den Grenzstrang bis zu seiner Vereinigung mit dem der anderen Seite im Ganglion impar (an der ventralen Steissbeinfläiche) ohne Blutung von seiner Unterlage zu lösen. Dieses Ganglion wurde stets geschont, der Grenzstrang also oralwärts davon durchschnitten. In einzelnen Fällen, in denen die Vereinigung beider Grenzstränge im Ganglion impar so weit kaudalwärts lag, dass wir sie bei der Operation nicht er- reichten, konnte auch — wie die.in allen Fällen vorgenommene Sektion später ergab — das vor ihm gelegene Ganglion nicht mehr exstirpiert werden. Wie .die Tabelle zeigt, starben von den 17 Katzen zwei am zweiten, eine am 'sechsten Tage nach der Operation, die übrigen vertrugen den Eingriff anstandslos, und wir töteten sie meist eine Woche rach der Operation. Wir haben diese Katzen auf das Ge- naueste zu verschiedenen Zeiten nach der Operation auf Tonus- differenzen im Bereiche der Muskulatur der hinteren Extremitäten bzw. des Schwanzes hin untersucht, konnten uns aber dabei von der Richtigkeit der de Boer’schen Angaben nicht überzeugen. Sofort Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus usw. 0) aa 0 0 a'ı a1 0 0 I 19 68 0 qı'% 0) 0 + 0) 0 ZE 6 T$ IE 0 qaı a 0 0 0 0 0 Ge 9 ch 08 ae pıppsgwaAlq N6N’E + 'T 0 0 0 0 0 ee 6 Ts 9 0 -aıo0L ur er — W® 0 0 I a ee 01 | 17 GG agoyaguun 0 +F'q1% 0 0 0 0 == jewuyaueun | 2 Y "uG 76 Pu3sy99M ‘a 'ı'g 'puposq9aM 0 0 0 0: 0 0 6 .1q 6L 0 qaı'T 0 0 ar 0 0 einge I De) II SE), AIENn%G 0 0 0 ar ap 0 0 L Ir OL 0 EN 0 0 a °ı a 'ı 1) (0) 9 T9 6 JaIyäegO9qg Fyaıu Ei 0 0 = 6 Ts$ L E88 Sr 0 0 Sr Ar 0 0 L leS 9 Zr RE area 8 0 0 0 a°ı 0 0 9 19 G qAır aan? os — PRAW 0 0 0 = = 8 ıG y + S19jJ0 'qı'E 0 0 a ı 0 0 SE L “1G & a 1ssan2e Kaas e de 1 0 JIOL]0Y0J01d Yyaıu 6 19 6 0 ER | { Er u N \ e— 8° Ja91jogoyoad yypıu 6 ıF 1 x 15 : zuungog | UNS zung | zug |" zung | PATE = n > & Ga ae (++ VD ent n a 81-8 d9yoy Pag URJ19LI9do A9p ne u9}19119do A9p ng snuof, A9SLıpolu 9og u = SnuoT, A9po US uapIag UHTOSIMmz ann Reel 19PO USNEg UEPIAq uaTISIMZ | U9YIALIEdO AOp ne > geb (a °Y) zu9aayıpsnuo, 9uLoy 2p L (A 3) zusaoppsnuo], auroy snuof, = Z = Ss takt EL). a Be “@ =8E]-0j01 (usıeM uoduedıaA adejsdunggaegoag ug uoreledg s2 | Ss = A9P OS 9OB], [OIAIIN ‘ur IJqId — d9pPo +4 WoPp A0A [yeZ 9ıp) uoeaadg A9p T9euL 410708 = _® wage] uoPuaSjor op ur 2 | Son, = nn — je SIZUEMUIS sap pun UEEILIWENKXA uaToJuIg Aop Snuo], I oTIOq4eL 58 J. Negrin y Lopez und E. Th. v. Brücke: nach der Operation — sobald die Katzen aus der- Narkose erwacht waren — liess sich allerdings in etwa der Hälfte der Fälle eine merkliche Atonie der hinteren Extremitäten, nicht aber des Schwanzes, auf der operierten Seite nachweisen, aber an den folgenden Tagen war diese Atonie verschwunden. Weder beim Herabhängenlassen der freien oder belasteten Hinterpforte noch an dem Verhalten der Patellarreflexe noch beim Betasten oder bei passiven Bewegungen der Pfoten und des Schwanzes konnten wir eine Herabsetzung des Tonus auf der operierten Seite feststellen. Entweder war überhaupt keine Differenz zwischen rechts und links zu sehen, oder es hing abwechselnd die eine oder die andere Pfote tiefer herab, so wie auch der Schwanz bald nach rechts, bald nach links stärker gekrümmt erschien. Es ist bei diesen Prüfungen stets auf eine streng symme- trische Haltung des Tierkörpers zu achten; so sahen wir zum Bei- spiel wiederholt bei leichten Drehungen des Vorderkörpers der stehenden Katzen um die Längsachse ein Abbiegen des Schwanzes nach jener Seite hin eintreten, nach der der Nacken (also die dorsale Seite des Tieres) gedreht worden war!); auch sinkt beim Betasten der Hinterpfoten an der normal stehenden Katze das Becken oft auf einer Seite etwas tiefer herab als auf der anderen (Übergang zum Sitzen), wodurch auch Tonusdifferenzen speziell der Oberschenkel- muskulatur der beiden Hinterpfoten vorgetäuscht werden können. Für die Beurteilung der Frage, ob die Sympathieusexstirpation einen Einfluss auf den Tonus der hinteren Extremitäten und des Schwanzes ausübt, scheinen uns die mehrere Tage nach der Operation beobachteten Symptome ungleich wichtiger als das Verhalten der Tiere unmittelbar nach dem Erwachen aus der Narkose. Bei der Operation sind leichte Zerrungen an den Spinalnerven beim An- spannen des loszulösenden Grenzstranges und bei der Durchtrennung seiner Rami comunicantes kaum zu vermeiden; auch treten mitunter kleine Blutungen auf. Diese Momente können die Funktion der Spinalnerven unmittelbar nach der Operation vorübergehend be- einflussen, und da in den ersten Wochen an eine Restitution der sympathischen Innervation nicht zu denken ist, so glauben wir vor . allem auf jene Erfahrungen Wert legen zu müssen, die einige Tage 1) Vgl. hierzu die Beobachtungen von R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus usw. 59 nach der Operation (bei normalem Heilungsverlaufe) gesammelt wurden. | Dusser de Barenne!) hatte sich schon im Jahre 1910, aus- sehend von den Versuchen Pekelharing’s und van Hoogen- huyze’s?) und Boeke’s°®) mit der Frage beschäftigt, ob die Ent- hirnungsstarre vom sympathischen Nervensysteme abhängig sei. Bei enthirnten Katzen rottete er den Bauchgrenzstrang auf der einen Seite aus und sah unter neun Fällen fünfmal eine Abnahme der Starre der Hinterpfote auf der operierten Seite, viermal (und zwar in den vier letzten Versuchen!) war das Resultat negativ, das heisst die Starre nahm nach der Sympathicusexstirpation nieht ab. Dusser de Barenne schloss hieraus, dass die Enthirnungsstarre durch Impulse ausgelöst werde, die in den motorischen zerebrospinalen Vorderwurzelfasern verlaufen. Auch wir dachten (noch ehe wir auf die Beobachtungen Dusser de Barenne’s aufmerksam geworden waren) an die Möglichkeit, dass geringe Tonusdifferenzen nach einseitiger Sympathicusexstirpation nach der Dezerebrierung deutlicher hervortreten könnten. Wir haben deshalb die 14 Katzen, welche die Operation überlebt hatten, dezere- briert und bei künstlicher Atmung den Tonus ihrer hinteren Extremi- täten und des Schwanzes während der Decerebrate rigidity beobachtet. Wie die entsprechenden Stäbe der Tabelle II zeigen, war an unseren Tieren auch unter diesen Bedingungen entweder keine Differenz in der Starre beider Hinterpfoten zu sehen, oder wenn eine Differenz bestand, so trat sie eben so oft im Sinne der de Boer- schen Beobachtungen auf wie im entgegengesetzten Sinne. Möglicher- weise kann die Tatsache, dass Dusser de Barenne gerade bei seinen fünf ersten Versuchen eine Abnahme der Decerebrate rigidity nach der Sympathicusexstirpation beobachtete, so gedeutet werden, dass bei diesen Operationen irgendwelche geringfügige Schädigungen '1) I. G. Dusser de Barenne, Über die Enthirnungsstarre (Decerebrate rigidity Sherrington’s) in ihrer Beziehung zur efferenten Innervation der quer- gestreiften Muskulatur. Folia neurobiologica Bd. 7 8. 651. 1913. 2) C. A. Pekelharing und C. J. C. van Hoogenhuyze, Die Bildung des Kreatins im Muskel beim Tonus und bei der Starre. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 64 S. 262. 1910. 8) J. Boeke, Die motorische Endplatte bei den 'höheren Vertebraten, ihre Entwicklung, Form und Zusammenhang mit der Muskelfaser. Anat. Anz. Bd. 35 S. 193. 1909. 60 J. Negrin y Lopez und E. Th. v. Brücke: der Spinalnerven gesetzt worden waren, welche bei den späteren Versuchen infolge verbesserter Operationstechnik vermieden werden konnten. Tabelle 11. Y era Tonus der hinteren Extremi- Eintritt der Totenstarre = So. 55 | täten während der Decere- an den hinteren En lEasSes brate rigidity Extremitäten ss |Fe =) 7.8 SE: 2 { : Hinterpfote = |S858 S { Hinterpfote | Hinterpfote | der svmpa- Sa |=322&£%| Hinterpfote der sym- yon 48 |325R e patisch ent- der normalen | thisch ent- Ss (88555 ee nervten Seite | Seite früher | nervten Seite & sesch Seite starrer Starter totenstarr früher toten- S”s starr FR ae taste | 1 4 0 { später k. D.!) } 0 | 0 2 6 k. D. k. m 0 | ) 3 6) + später k.D. 0 | 0 4 > 0 später, = D. \ Va \ b) 6 + späterk.D. ar 0 6 ‘5 0 N SF ar 0 10 4 Ar 0 ei 09 11 6 | ae ar 0 Se arar +? (im 19 s { Sprunggelenk) } \ a | \ 24 5) k. D. | k. D. TE 0 N +? (nicht 25 4 k.D. k..D. 0 { deutlich) 26 B) k. D. k. D. k. D. | k. D. 30 7 KD. | k. D. ar ar 0 Mi | 32 6 un 0 k. D. k.D. ; | später k. D. | Auch zur Entscheidung dieser Frage scheint es uns übrigens weitaus zweckmässiger, die Exstirpation des Grenzstranges nicht erst nach dem Eintreten der Enthirnungsstarre, also im akuten Ex- perimente vorzunehmen, sondern sie als vorbereitende Operation bereits einige Tage vor der Dezerebrierung auszuführen. An Fröschen, denen auf einer Seite die Rami communicantes und der Grenzstrang durchschnitten war, sah de Boer (l. ce. 1915) die Totenstarre in den Extremitäten der operierten Seite später ein- treten als in denen der intakten und schloss daraus, „dass die Impulse, die den beschleunigenden Einfluss auf das Eintreten der Leichenstarre ausüben, auf den thorakalen autonomen Nervenbahnen verlaufen“ (l. ce. S. 340). I) k. D. = keine Differenz. Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathieus tisw. 61 Im Anschluss an diese Versuche stellten wir Beobachtungen über den Eintritt der Totenstarre an den hinteren Extremitäten der von uns operierten Katzen an. Wie die entsprechenden Stäbe der Tabelle II zeigen, konnten wir die von de Boer an Fröschen be- obachtete Gesetzmässigkeit auch an unseren Katzen bestätigen. Bei sieben von den elf Katzen, bei denen wir den Eintritt der Toten- starre nach erfolgter Dezerebrierung und Tötung durch Herzstich verfolgten, trat die Starre in der Hinterpfote der intakten Seite wesentlich früher ein als in der der operierten, in drei Fällen trat die Totenstarre beiderseits gleichzeitig ein, und nur in einem Falle (Katze Nr. 11) entwickelte sich die Starre auf der entnervten Seite sogar früher als auf der normalen. Die Sektion dieses zuletzt er- wähnten Tieres ergab, dass in diesem Falle das letzte über dem Ganglion impar gelegene Grenzstrangganglion erhalten geblieben war, während bei allen übrigen der Grenzstrang bis zum Ganglion impar exklusive exzidiert worden war. Dieser Umstand könnte mit ddem von der Norm abweichenden Verhalten dieses Tieres beim Ein- tritt der Totenstarre in Zusammenhang stehen. Nach den Beobachtungen de Boer’s an Fröschen und den unseren an Katzen kann nicht mehr daran gezweifelt werden, dass die Zeit des Eintritts der Totenstarre irgendwie vom thorakal autonomen Nervensysteme abhängig sei. Aber auch durch unsere Versuchsergebnisse war noch nieht der Beweis erbracht, dass — wie de Boer annahm — Impulse, die auf sympathischen Bahnen den Skelettmuskeln zugeleitet werden, maassgebend seien für das frühere Eintreten der Starre an der Extremität jener Seite, auf der der Sympathieus intakt gelassen worden war. Ehe wir diesen so weit gehenden Schluss hätten ziehen dürfen, musste vor allem festgestellt werden, dass die durch die einseitige Sympathicusexstirpation be- dingte Hyperämie der einen Körperhälfte keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit der die Totenstarre eintrat, ausübte. Wir konnten in der Literatur keine Angaben darüber finden, ob die Blutfülle eines absterbenden Muskels den Eintritt der Toten- starre irgendwie beeinflusst und stellten deshalb selbst eine Reihe von Versuchen zur Beantwortung dieser Frage an, über welche die Tabelle III eine Übersicht gibt. Die Differenz des Blutgehaltes der Extremitäten beider Seiten war auf verschiedene Weise herbeigeführt worden. In einigen Fällen nur dadurch, dass einige Minuten vor der Tötung des Tieres die J. Negrin y Lopez und E. Th. v. Brücke: 2 "SIIBAIE ToRu Sum a1sp -ue sep “uopungas ayog aıp u uorersdg 9ulayT 0 EBEN: | N) ge 97 em Uledqdojuıg UM 'adejusllag -puoduey Jyoaımy "gz IN [0209014 T0q OIM FE L - 0 62 ef : sıeıoway ° Jap pn N 2 ealen ES { woeıt "A Aop anyedırg odosurf \ 0 0 A 85 Fl ‚puodugg Jyooamy "ss "IN [T020I0I4 18Q 9IM Er 0 0 12 e] i "sourag] SOSOIp ) & E en un ann ER. 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Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus usw. 63 Vena femoralis und die Vena iliaca einer Seite unterbunden und so eine passive Hyperämie hervorgerufen wurde; in einigen anderen Fällen anämisierten wir die eine hintere Extremität dadurch, dass wir die Arteria iliaca der betreffenden Seite unterbanden, die Ex- tremität sodann einige Minuten stammwärts massierten und dann ihre Venen (V. femoralis und V. iliaca) ligierten; schliesslich suchten wir in einigen Fällen eine Differenz in der Blutfülle der beiden hinteren Extremitäten nur dadurch zu erzielen, dass wir die eine Extremität des getöteten, in Seitenlage liegenden Tieres mittels eines Bindfadens senkrecht in die Höhe zogen, während die andere über den Tischrand herabhing. In dieser Stellung, die — wie die Ta- belle III zeigt — auch einigen anderen Versuchstieren gegeben worden war, blieb das Tier bis zum völligen Eintritt der Totenstarre. . Ein Blick auf die Tabelle III zeigt, dass in der Tat die Blut- fülle einer Extremität einen deutlichen Einfluss auf den Eintritt der Totenstarre in dem Sinne ausübt, dass die Starre einer Extremität um:so später eintritt, je stärker ihre Blutgefässe gefüllt sind. Von den 16 Versuchskatzen ergaben zwölf dieses Resultat, an drei Tieren trat die Totenstarre an beiden hinteren Extremitäten trotz ihrer verschiedenen Blutfülle gleichzeitig ein, und nur in einem Falle (Prot. Nr. 28) trat sie sogar an der hyperämischen Hinterpfote deut- lich eher ein als an der anderen. Die Sektion ergab in diesem von der Regel abweichenden Falle, dass trotz der vorangegangenen Operation die Blutfülle der beiden hinteren Extremitäten nicht merklich verschieden war; doch scheint noch irgendein spezieller, unserer Beobachtung entgangener Umstand den Eintritt der Starre an der betreffenden Extremität in diesem Falle beschleunigt zu haben. Diese Versuchsergebnisse machen es unseres Er- achtens wahrscheinlich, dass auch der verspäteteEin- tritt der Totenstarre nach Exstirpation des Sym- pathicus durch die so erzeugte aktive Hyperämie und nicht durch den Fortfall vonImpulsen zuerklärensei, die durch autonome Nervenfasern den Skelettmuskeln zugeleitet werden. Es ist uns aus äusseren Gründen zum Teil nicht möglich, diese Versuche fortzusetzen; doch glaubten wir bei der Wichtigkeit der Frage die bisher gewonnenen Ergebnisse mitteilen zu sollen, obwohl wir noch keine bestimmten Anhaltspunkte dafür besitzen, welcher Faktor bei der Hyperämie einer Extremität den Eintritt der Toten- starre verzögert. 64 J. Negrin y Lopez.und E. Th. v. Brücke: Zur Frage usw. Zusammenfassung. Bei 17 Katzen wurde der Bauchsympathicus auf der einen Seite ‚unter aseptischen Kautelen exstirpiert. Etwa die Hälfte der Versuchs- tiere zeigte zwar unmittelbar nach der Operation eine merkliche Atonie der hinteren Extremität auf der operierten Seite, doch liess sich eine dauernde Abnahme des Tonus der homolateralen Extremi- ‚täten- und Schwanzmuskulatur, wie sie de Boer beschrieben hatte, nicht nachweisen. Es scheint demnach das thorakal autonome System auf den Tonus der quergestreiften Skelettmuskulatur keinen Einfluss ‚auszuüben. Auch im Zustande der Decerebrate rigidity zeigten die so ope- rierten Katzen keine typischen Tonusdifferenzen im Bereiche der hinteren Extremitäten. Bei sieben von elf der operierten Katzen trat die Totenstarre ‚auf der operierten Seite später ein als auf der normalen, was mit de Boer’s Beobachtungen über den Eintritt der Totenstarre an sympathieo-tomierten Fröschen übereinstimmt; aber auch diese Diffe- renz im Eintriti der Totenstarre dürfte nicht auf einer sympathischen Innervation der Skelettmuskeln beruhen. Speziell darauf gerichtete Versuche zeigten nämlich, dass die Totenstarre an einer Extremität um so später eintritt, je stärker ihre Gefässe mit Blut gefüllt sind, dass also auch die Verspätung der Totenstarre nach der Sympathieus- ‚exstirpation durch die so erzeugte aktive Hyperämie bedingt sein dürfte. os (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Über den Synergismus von Arzneimitteln. I. Mitteilung. Von W. Storm van Leeuwen (Konservator des Institutes). Sehon kurze Zeit nachdem der Äther und das Chloroform als Narkotikum in der Klinik eingeführt worden waren, hat man ver- - sueht, durch Kombination dieser beiden Stoffe die Gefahren der Narkose zu verringern. : Der erste, der diesbezügliche Untersuchungen unternahm, war wahrscheinlich der Wiener Zahnarzt Weiger, der im Jahre 1850 eine Mischung von 9 Teilen Äther und 1 Teil Chloro- form als eine günstige Kombination empfahl. Nach ihm haben eine Anzahl Autoren bestimmte Kombinationen von Äther und Chloroforın oder von Äther, Chloroform und Alkohol als günstig empfohlen (A. C.E.-Mischung, Billroth’s Gemisch usw.), während andere zu entgegengesetzten Resultaten kamen. Seitdem ist die Frage, ob eine Misehnarkose von Äther und Chloroform (eventuell mit Alkohol) günstiger — also ungefährlicher — ist als eine reine Äther- oder als eine reine Chloroformnarkose, immer wieder zur Sprache ge- kommen. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass eine exakte Lösung dieser Frage nur durch tierexperimentelle Untersuchungen gegeben werden kann, denn nur bei solchen kann man die Versuchsbedingungen mit genügender Genauigkeit regulieren. Derartige Tierexperimente hat zuerst das Englische Chloroform- komitee angestellt, welches zu dem Resultat kam, dass bestimmte Äther-Chloroformmischungen ungefährlicher als reiner Äther oder reines Chloroform seien. Weiter haben Honigmann, Kionka, Madelung, Overton, Fühner und Kochmann und seine Mitarbeiter und schliesslich Bürgi sich mit dieser Frage befasst. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 166, d 66 W. Storm van Leeuwen: Genaue Angaben von früheren Untersuchungen und besonders über Versuche in vitro, wobei die physikalischen Verhältnisse bei der Verflüchtisung von Äther-Chloroformmisehungen studiert wurden, findet man bei Honigmann!). Kochmann?) und seine Mit- arbeiter Ritschel und Stange?), sowie Damköhler?) haben eine ausführliche Literaturübersicht gegeben über die bis dahin vor- liegenden Untersuchungen, wobei den Tieren mit Hilfe von Narkose- apparaten Äther-Luft-, Chloroform-Luft- oder Äther- Chloroform-Luft- gemisch zugeführt wurden. Für genaue Angaben und für Kritik an den zur Verwendung gekommenen Methoden kann ‚also auf diese Arbeiten verwiesen werden. Hier seien nur folgende Resultate kurz daraus mitgeteilt: Honigmann?®) kam auf Grund eigener Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Äther und Chloroform sich in ihrer Wirkung gegen- 'seitig verStärken, so dass unter Umständen eine Kombination von "/ıo der Chloroformdosis + !/ır der Ätherdosis genügte, um eine volle ‚narkotische Wirkung zu erzielen, während bei anderer Berechnungs- weise !/s Chloroform + "/,, Äther zur Erzeugung einer tiefen Narkose erforderlich sei. Honigmann fand also — nach der ınodernen Nomenklatur — eine sehr starke Potenzierung bei Anwendune: der -Äther-Chloroformkombination. Wie im nachfolgenden zu zeigen sein wird, sind Honigmann’s 'Schlussfolgerungen durchaus unrichtig, was später auch: Kionka und Kroenig (dessen Narkoseapparat Honigmann benutzt hatte) 'hervorhoben. Kionka und Kroenig*) haben indessen mit dem Roth-Draeger’schen Apparat neue Untersuchungen angestellt, " welche ebenfalls zu der Schlussfolgerung leiteten, dass eine Potenzierung — wenn auch geringer, als von Honigmann gefunden war — bei der Äther-Chloroformnarkose stattfindet. ‘ Madelung°) kam nach Versuchen an Kaninchen zu dem Er- 1) F. Honigmann, Über Mischnarkosen. Arch. f. klin. Chir. Bd. 58 S. 730. 189. 2) M. Kochmann, W. Ritschel und O. Stange, E. Damköhler, Über kombinierte Narkose. I.—III. Mitteilung. Arch. intern. de pharmacol. 1.223. 1913. a) re: 4) Kionka und Kroenig, Mischnarkosen mit genauer Dosierung der , Damptkonzentration. Arch. f. klin. Chir. Bd. 75 S. 98. 1905. 5) W. Madelung, Über Mischnarkose und kombinierte Narkose. Arch. ‚f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 $.409. 1910, | Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. 67 oebnis, dass bei der Äther-Chloroformnarkose keine Potenzierung, sondern eine einfache Addierung der Wirkung stattfindet. Zu dem- - selben Resultat kam Overton')in Versuchen an Kaltolütern, während auch Bürgi?) der Auffassung ist, dass Äther und Chloroform sich in ihrer Wirkung auf Warmblütern nicht potenzieren. Die genauesten Tierexperimente stammen von Kochmann’s Schülern Ritschel und Stange, sowie Damköhler?°). Diese Autoren arbeiteten an Kaninchen, und bei ihren Untersuchungen wurden mit jedem Narkotikum zwei Versuchsreihen angestellt. In der ersten Serie wurden die Tiere mittels eines modifizierten Roth- ‚Draeger’schen Apparates mit Narkotika-Luftgemischen wechselnder Zusammensetzung narkotisiert und die Minimalkonzentration bestimmt, welche zur Herbeiführung einer bestimmten Narkosetiefe nötig war. In der zweiten Reihe wurde den Tieren 1 Stunde lang ein in jedem einzelnen Versuch konstant bleibendes Gemisch zugeführt und dessen Effekt beobachtet. Wiewohl letztere Methode als die genaueste be- trachtet werden muss, stimmen die Resultate der beiden Versuchs- ‚reihen untereinander stets gut überein. Ein grosser Vorteil ist bei diesen Versuchen, dass zur Beurteilung der Narkosetiefe ganz be- stimmte Kriteria verwendet wurden. Es wurde ein Unterschied. ge- macht zwischen „Operationsfähigkeit“, das heisst Seitenlage mit auf- gehobener Schmerzempfindung, und „tiefer Narkose“, das heisst Seitenlage und Aufgehobensein des Kor nearelexes, des Kniephänomens und der Schmerzempfindung. Aus den Kombinationsversuchen mit Äther und Chloroform ergab sich folgendes: Werden Äther und Chloroform in flüssigem Zustande semischt im Verhältnis 1 Teil Chloroform auf 2 Teile Äther oder 1 Teil Chloroform . auf 8 Teile Äther, so tritt nur eine arithmische Addition der Wirkung auf. Bei zwischenliegenden Mischungsverhältnissen aber ist gelegentlich eine Potenzierung nachweisbar, die am deutlichsten bei einem Ge- -misch von 1 Teil Chloroform mit 6 Teilen Äther zutage tritt. Ein derartiges Gemisch gibt, wenn tiefe Narkose hervorgerufen wird, eine Potenzierung bis auf 20—30 %. Die tödlichen Dosen poten- 1) E. Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. 2) E. Bürgi, Die Wirkung von Narkotika-Kombinationen. Deutsche med. Wochenschr. 1910 S. 20. 2) lang | 5* . 68 W. Storm van Leeuwen: zieren sich aber auch bei diesen Mischungsverhältnissen nicht, während bei den Dosen, welche zur Erzeugung von Operationsfähigkeit nötig sind, ebenfalls nur eine arithmische Addition auftritt, wobei jedoch die Narkosebreite etwas vergrössert ist. Damköhler folgert aus seinen erwähnten Kombinations- versuchen unter anderem, dass eine Chloroform - Äthermischung (1:6 — 7) in der Praxis von neuem ausprobiert werden müsste. — Wie aus dieser kurzen Literaturübersicht hervorgeht, weichen die Auffassungen der verschiedenen Autoren ziemlich weit voneinander ab. Weil nun die Frage der potenzierenden Wirkung von Kom- "binationen ‘gleichartig wirkender Arzneimittel — besonders nach den Untersuchungen Bürgi’s und seiner Schüler — im Mittelpunkt des pharmakologischen Interesses steht, und die Lösung dieser Frage -auch direkt von praktischem Nutzen sein kann, erschien es wünschens- wert, dieses Problem nochmals mit möglichst genauen Methoden zu untersuchen. Bei der Wahl einer genauen Versuchsanordnung erschien es angezeigt, in zwei Punkten von den bis jetzt befolgten Methoden abzuweichen. Erstens wurden die zur Narkose erforderlichen Äther- und Chloroformmengen nicht durch Analysen der zu ge- führten Gasgemische bestimmt, sondern es wurde jedesmal in einem bestimmten Stadium der Narkose dem Versuchstiere Blut entnommen und dessen Gehalt an Narkotikum chemisch untersucht, während in den meisten Fällen auch das Rückenmark und Gehirn der Tiere analysiert wurde. Es wurde gehofft, auf diese Weise genauere Resultate zu erhalten. Besonders auf die chemische Bestimmung des Äther- und Chloroformgehaltes des Zentralnervensystems wurde an- fangs der grösste Wert gelegt. Diese Auffassung hat sich aber. — wie später erörtert werden soll — als irrig erwiesen, und die Blutbestimmungen müssen schliesslich als die wichtigsten betrachtet werden. Eine zweite Abweichung von den bis jetzt als Regel befolgten Methoden bestand darin, dass in allen Versuchen zur Beurteilung “der Narkosetiefe nur ein ganz bestimmtes Kriterium verwendet wurde, nämlich das fast völlige Erloschensein eines bestimmten, jedes- mal mit gleicher Reizintensität hervorgerufenen Reflexes') Frühere Autoren haben oft zur Beurteilung der Narkosetiefe ausser be- 1) In späteren Versuchen das Auftreten von Atemstillstand. Uber den Synergismus von Arzneimitteln. 1. 69 stimmten Merkmalen besonders auch den Allgemeinzustand des Tieres berücksichtigt und manchmal das Erloschensein des Kornea- reflexes, manchmal fehlende Reaktion auf Pfotenkneifen usw. und manchmal auch eine Kombination verschiedener Kriteria ver- wendet. Nur Kochmann und seine Schüler haben sich — wie schon oben bemerkt wurde — auf bestimmte Merkmale beschränkt; indessen gebrauchten auch sie gelegentlich Kombinationen mehrerer Kriteria. — Durch Anwendung eines möglichst einfachen Kriteriums für die Narkosetiefe wurde in unseren Versuchen der Vorteil erreicht, dass die Wirkung von Kombinationen von Narkotika auf einen möglichst beschränkten Teil des Zentralnervensystems studiert werden konnte. Dieses erschien besonders deshalb notwendig, weil sich in meinen früheren Untersuchungen !) herausgestellt hatte, dass, wiewohl die Wirkung des Äthers auf das Zentralnervensystem im allgemeinen der des Chloroforms ähnlich ist, doch bestimmte Teile des Nerven- systems von den beiden Narkotieis in verschiedener Weise beeinflusst werden können. Diese Tatsache ist übrigens auch schon durch Nicloux?) u. a. hervorgehoben worden. Es ist deshalb möglich, dass beim Narkotisieren eines Tieres mit irgendeinem Äther-Chloro- formgemisch ein bestimmter Teil des Zentralnervensystems besonders durch den Äther, ein anderer Teil in mehr ausgesprochener Weise durch das Chloroform beeinflusst wird. Ist dies der Fall, und wird nur der Allgemeinzustand des Tieres ins Auge gefasst oder mehrere Kriteria zur Beurteilung der Narkosetiefe angewendet, so kann die narkotische Wirkung als eine verstärkte erscheinen, ohne dass auf irgendeinen speziellen Teil des Nervensystems eine potenzierte Wirkung vorhanden wäre. Es wird deshalb durch das Festhalten an einem einzigen Kriterium für die Narkosetiefe die Fragestellung sehr vereinfacht, und ausserdem wurde hierdurch die praktische Seite der Frage gewissermaassen von der theoretischen getrennt. Was nämlich nach Bürgi’s Untersuchungen unseres Erachtens in theoretischer Hinsicht als das weitaus wichtigste Problem be- trachtet werden muss, ist die Frage, ob bei Anwendung einer Kom- bination von zwei Giften, welche jedes für sich ein und dieselbe Wirkung auf ein bestimmtes Organ ausüben, eine wirk- 1) W. Storm van Leeuwen, Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 594. 1916, 2) M. Nicloux, Les anesthesiques generaux. Paris 1908. 70 W. Storm van Leeuwen: liche Potenzierung zutage tritt. Nur wenn dem so ist, naben Bürgi’s Untersuchungen grundsätzlich Neues gebracht und ist — besonders im Zusammenhang mit den Ergebnissen der neuesten Untersuchungen über den Antagonismus von Giften — die Möglichkeit eröffnet, der Erklärung der Wirkungsweise verschiedener Arzneimittel näher zu kommen. Es leuchtet ein, dass, wenn einer unter dieser Voraussetzung geprüften Kombination von Arzneimitteln eine potenzierende Wirkung abgesprochen werden muss, dadurch die praktische Brauchbarkeit der Kombination nicht unbedingt in Abrede gestellt wird. Um- gekehrt, wenn in dieser Weise eine potenzierende Wirkung gefunden wird, ist dadurch die Brauchbarkeit der Kombination als Heilmittel keineswegs bewiesen. Eine Potenzierung der. Wirkung von zwei auf ein bestimmtes Organ ganz gleichartig wirkenden Giften könnte praktisch nur dann von Nutzen sein, wenn nachgewiesen wäre, dass unerwünschte Nebenwirkungen nicht potenziert wurden. Vorläufig besteht also meines Erachtens der Vorteil der Anwendung von Kom- binationen verschiedener Gifte in praxi gerade in dem Umstand, dass die Einzelglieder der Kombination nicht ganz gleiche Wirkungen haben. Theoretisch am wiehtigsten also — weil prinzipiell neu — bleibt die Frage, ob zwei gleichwirkende Gifte sich in ihrer Wirkung auf ein bestimmtes Organ gegenseitig verstärken können, oder ob die Wirkung eines Giftes durch ein anderes Gift, welches an sich auf dieses Organ keine Wirkung ausübt, verstärkt werden kann. — Nach alledem, was man von der Wirkung verschiedener Gifte und besonders von dem Antagonismus bestimmter Gifte weiss, muss a priori das Vorhandensein derartiger Potenzierungen in dem oben erwähnten theoretischen Sinne erwartet werden. Ob eine voll- kommen einwandfreie Beweisführung einer derartigen Potenzierung bereits erbracht worden ist, ist noch eine offene Frage. z Zweck dieser ersten Mitteilung ist, die quantitativen Verhältnisse ' bei der kombinierten Äther-Chloroformnarkose durch Beobachtung der Wirkung auf einen möglichst beschränkten Teil des Zentralnerven- systems zu untersuchen. — | Versuchsanordnung. Aus früheren Untersuchungen waren mir die Äther- und Chloro- .formkonzentrationen, welche ausreichen, um bei dekapitierten Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. rl Katzen bestimmte Narkosetiefen zu erhalten, genau bekannt. Wenn bei Kombinationsversuchen an derartigen Präparaten gearbeitet werden soll, so könnte man das Verschwundensein des homolateralen Beuge- reflexes als Maass, für die Narkosetiefe benutzen. Die dabei zur Verwendung kommenden Äther- und Chloroformkonzentrationen im Blute und Nervensystem sind aber ziemlich niedrig und es wäre also zu fürchten, dass, weil bei Kombinationsversuchen für jedes Narkotikum die Partialkonzentration noch niedriger sein würde, die Genauigkeit der Versuche beeinträchtigt wird. Überdies kam es mir darauf an, Äther- und Chloroformbestimmungen beider Hälften des Gehirns vornehmen zu können. Deshalb wurde an intakten. Katzen und Hunden gearbeitet, wobei es am zweckmässiesten erschien, den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem mit faradischem Reiz von konstanter Stärke der homolaterale Beugereflex eben noch auslösbar war. Es sei hierbei bemerkt, dass die fast völlige Aufhebung irgend- eines Reflexes als ein schärferes Kriterium betrachtet werden muss als seine vollständige Aufhebung. Es wurde in dieser Serie beim Anfang des Versuches das Tier (Katzen und Hunde) mit Äther, mit Chloroform oder mit Äther und Chloroform (je nachdem der spätere Versuch mit einem dieser Nar- kotika oder mit einer Kombination vorgenommen werden sollte) narkotisiert. Danach wurde das Tier aufgebunden, eine Tracheal- kanüle eingeführt, die Nn. vagi durchschnitten und künstliche Atmung eingeleitet. Das zu benutzende Narkotikum wurde mit der künst- lichen Atmungsluft in der früher beschriebenen Weise?) dem Tiere zugeführt. Schliesslich wurde der N. peroneus des rechten Beines freigelegt, abgebunden, durchschnitten und das zentrale Ende in eine Sherrington’sche Elektrode?) eingeführt. Die Glasröhre, in welcher der Nerv lag, war länger als bei den sonst gebräuchlichen Elektroden, so dass der Nerv auf einer möglichst langen Strecke durch Glas von den umliegenden Muskeln getrennt war. Der N. tibialis wurde durchschnitten, um die Elektrode höher hinaufschieben zu können, der Ast für die Beugemuskeln am Oberschenkel wurde intakt gelassen. In dieser Weise konnte — wie durch Kontrolle festgestellt wurde — das Auftreten von Stromschleifen bei der faradischen Reizung mit absoluter Sicherheit vermieden werden. Überdies wurde am Ende I. 2) C.8.Sherrington, A mammalian „pinal preparation, Journ. of physiol, vol. 38 p. 375. 1909. 72 W. Storm van Leeuwen: von fast jedem Versuch noch die Abwesenheit von Stromschleifen besonders kontrolliert. Durch faradische Reizung des zentralen N. peroneus wurde dann. ungefähr jede halbe Minute ein homolateraler Beugereflex ausgelöst. Wenn dieser Reflex deutlich vorhanden war, wurde die Narkose all- mählich vertieft, bis der Reflex gerade noch sichtbar war. Um mög- liehst konstante Resultate zu erhalten, wurde in sämtlichen Versuchen die gleiche Reizstärke genommen, nämlich 2500 K (Kronecker Induktorium), während im sekundären Kreis immer ein Kohlenwider- Ä stand von 120000 Ohm eingeschaltet war. Im primären Kreis befand sich ein Akkumulator, dessen Potentialdifferenz. bei jedem Versuch kontrolliert wurde und stets 2 Volt betrug. Überdies wurde immer dafür gesorgt, dass das Tier durch zu starke künstliche Atmung nicht apnöisch werden konnte, denn es wurde befürchtet, dass dadurch die Toleranz des Rückenmarkes sich ändern könnte. Wenn also die Tiere nicht spontan atmeten, wurde, ehe der Reflex zum Verschwinden gebracht wurde, die künstliche Atmung abgestellt, bis wieder Spontanatmung auftrat. War dann schliesslich der homolaterale Beugereflex bis auf einen deutlichen Rest verschwunden, dann wurde sofort die Trachea ab- geklemmt und Blut zur Analyse aus einer zuvor in die Karotis ein- sebundenen Glaskanüle entnommen. Wurde auf diese Weise bei Katzen nicht genug Blut erhalten, so wurde die andere Karotis durch- schnitten, und wenn auch dieses nicht genügte, wurde schnell der Thorax des Tieres geöffnet, die Aorta eingeschnitten und ein Teil des ausfliessenden Blutes aufgefangen. Es kam also stets arterielles Blut zur Analyse. Nach der Blutentnahme wurden Rückenmark und Gehirn herausgenommen und ihr Gehalt an Narkotikum chemisch nach den in früheren Arbeiten erwähnten ') Nieloux’schen Methoden bestimmt. In den Versuchen, wo nur mit Äther oder nur mit Chloroform narkotisiert wurde, wurden die beiden Hälften des Gehirns zu Doppelbestimmungen benutzt, wobei fast stets sehr gut überein- stimmende Werte gefunden wurden. Überdies wurde bei den Äther- versuchen gelegentlich zu einer der beiden Gehirnhälften eine kleine Menge Chloroform zugefügt. Da auch nach dieser Chloroformzusatz 1) W. Storm van Leeuwen, Quantitative. pharmakologische Unter- suchungen über die Reflexfunktionen des Rückenmarkes an Warmblütern. I. Mit- teilung. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 307. 1913, III. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 165 8. 84. 1916, ; ; Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. 73 dem Äthergehalt der beiden Hemisphären fast gleiche Werte gab (noch Chloroformzusatz in Mengen, welche den später zu erwartenden überstiegen, wurde im Mittel 3% mehr Äther gefunden), war hier- ‘ durch erwiesen, dass das Vorhandensein von Chloroform an sich auf die Ätherbestimmungen in den späteren Kofmbinationsversuchen nicht störend einwirken konnte. Ein störender Einfluss von kleinen Äthermengen auf die Chloroformbestimmungen war von vornherein auszuschliessen. Bei den Kombinationsversuchen wurde auf die Analyse des Rückenmarks verzichtet, weil die für jede Bestimmung zur Ver- fügung stehenden Mengen Rückenmarkssubstanz zu gering waren. Es konnte diese Analyse unterlassen werden, weil sich in den ersten Versuchen herausgestellt hatte, dass Äther- und Chloroformgehalt von Rückenmark und Gehirn im Mittel gleich gross waren, so dass die Gehirnzahlen bei den Kombinationsversuchen eine Schätzung des Äther- und Chloroformgehaltes des Rückenmarks ermöglichten. Es wurden in der beschriebenen Weise folgende Versuche vor- genommen: 10 Versuche an Katzen mit Chloroform 15 { 5 K „ Äther 4 I x x „ 1 Teil Chloroform + 1 Teil Äther 4 5 j ; ls; „ + 2 Teilen Äther B) b) b) ” ” il B) )) 13 » ” 5 ” » » » 1 ” » St: 4 ” » 6 ” ” 1 » 26 D) ) 4 5 A Hunden mit Äther 3 “ > e „ Chloroform 3 n N e „ 1 Teil Chloroform + 4 Teilen Äther. In bezug auf das Verhältnis zwischen Äther- und Chloroform- mengen bei der Kombinationsnarkose sei bemerkt, dass die Gemische durch Zusatz von 1 Volumen flüssigem Chloroform zu 1—6 Volumina flüssigem Äther hergestellt wurden. Die Narkotika wurden dem Tiere mit der Einatmungsluft zugeführt, wobei ein Teil dieser Luft durch eine mit dem Narkotikum beschickten Flasche strich. Hierdurch änderte sich naturgemäss im Laufe eines Versuches das Verhältnis zwischen Äther und Chloroform in dem Sinne, dass relativ weniger Äther und relativ mehr Chloroform in der Flasche zurückblieh. Weil aber die Hauptfrage war, ob überhaupt bei irgendeiner Äther- Chloroformkombination eine Potenzierung nachweisbar ist, wurde auf ein genaues Aufrechterhalten eines stets gleichen Verhältnisses zwischen den beiden Narkotika kein Wert gelegt, 14 W. Storm van Leeuwen: Nachdem die Resultate der Reflexversuche vorlagen und sich herausstellte, dass dieselben wesentlich von denen anderer Autoren abwichen, erschien es wünschenswert, noch für ein anderes Stadium der Narkose die Äther-, Chloroform- und die Kombinationskonzen- - trationen festzustellen. Weil mir aus früheren Versuchen bekannt war, dass bei sehr jungen Hunden der Chloroformgehalt des venösen Blutes im Augenblicke der Atemstillstand bei verschiedenen Tieren sehr konstant ist, wurden noch Chloroform-, Äther- und Kombinations- versuche an jungen Hunden angestellt. Bei diesen Versuchen wurden junge Hunde unter einer Glas- glocke narkotisiert, aufgebunden und eine Glaskanüle in der Trachea eingebunden. Diese Kanüle wurde mit Müller- Ventilen verbunden, dessen eines Reservoir Chloroform oder Äther enthielt, und es wurde :in dieser Weise dem Tiere abwechselnd äther- (oder chloroform-) beladene Luft oder (wenn die Verbindung mit den Müller- Ventilen zeitweise aufgehoben wurde) reine Luft zugeführt. Es wurde dafür gesorgt, dass die Narkose sich sehr allmählich vertiefte. Wenn Atemstillstand aufgetreten war, wurde schnell die Trachea abgeklemmt, der Thorax geöffnet und die Cava superior ein- geschnitten. Dem ausströmenden Blute wurde etwas 15 Yoiges Kalium oxalat zugesetzt. Ein Teil dieses Blutes wurde zur Analyse ver- wendet. Danach wurde ein Teil des linken Ventrikels des Herzens, ein Teil einer (oder eine ganze) Niere, das Rückenmark und der Hirn- stamm von Calamus seriptorius bis zu den vorderen Vierhügeln heraus- genommen und ebenfalls zur chemischen Analyse verwendet. Bei den vier ersten Kombinationsversnchen atmeten die Tiere abwechselnd freie Luft, chloroform- und ätherbeladene Luft. In den zwei letzten Kombinationsversuchen wurden die Tiere erst mit Chloroform tief narkotisiert und dann mit Äther weiter narkotisiert, bis Atemstillstand auftrat; erstere Methode gab höhere Werte. Die Zahl der roten Blutzellen der zwei letzten Tiere war aber sehr niedrig, wodurch der Chloroformwert des Blutes erniedrigt wird. Es wurden in dieser Weise fünf Versuche mit Chloroform, fünf Versuche mit Äther, sechs Versuche mit Chloroform + Äther angestellt. Versuche an Katzen. Das Ergebnis der Versuche an Katzen mit reinem Chloroform und mit reinem Äther ist aus den Tabellen I und II ersichtlich. Über den Synergismus von Arzneimitteln. 75 Tabelle I. Homolateraler Beugereflex der Katze. Chloroformgehalt in @ewichts- prozenten. nn Blut | Rückenmark | Gehirn I Gehirn I r. 1 0,044 | 0,043 | 0,045 2 0,027 . 0,030 0,0243 0,0243 3 0,030 0,0416 0,0403 0,040 4 0,037 0,049 0,042 0,042 5 0,0324 0,0333 0,0395 0,037 6 0,0342 0,039 0,042 0,044 7 0,028 0,034 0,036 0,037 6) 0,030 0,0368 0,0358 0,0358 eg 0,0346 0,035 0,044 0,0395 10 0,035 0,0358 0,041 0,0419 Im Mittel | 0,032 0,038 | 0,0388 | 0,0385 Tabelle II. —g Beugereflex der Katze. Äthergehalt in @ewichtsprozenten. Versuch N Blut Rückenmark a LE EL Gehirn I | Gehirn II I 12 ee 0,138 0,1 0,0881) 13 0,134 0.118 0.137 0.13 15: 0,085 0,13 0,104 0,109 16 0.125 0.102 0.095 0.1073) 17 0.104 0.097 0.101 0.103°) Te 0.090 0.083 0.093 0.09 °) 19 0,084 0.092 0,194 0,117 20 0.195 013 ä. 0.095 21 0.099 u BR Di 22 012. | = = Im Mittel oma | 00 | om 0,105, „|... u. [ul 9108. |. 0106 0,197 ER 0,129 0,129 0,121 Rx 0.124 Im Mittel u 0,124 | a DE m I 0127 Ma BEE BE EEE 0,133 | Pr ae a ae 0,117 0.100 gi 0.115 0112 1 oe & 7 "Im Mittel 7 0,118 | ar | 0,117 a . Im Mittel 0,116 | 0,117 Ha ‘ 1) Chloroformzusatz zur Kontrolle, 76 W. Storm van Leeuwen: Aus Tabelle I geht also hervor, dass im Augenblick, wo der homolaterale Beugereflex nahezu zum Verschwinden gebracht worden ist, bei der Katze im Mittel gefunden werden: Im Blute 0,032 0, im Rückenmark 0,038 °/o, im Gehirn 0,039 /o Chloroform. Bezüglich der Ätherwerte sei bemerkt, dass als Mittel in den ersten zehn Versuchen gefunden wurde: Im Blute 0,105 %/o, im Rückenmark 0,111 °/o, im Gehirn 0,1065. Als in den ersten Kom- binationsversuchen relativ sehr hohe Ätherwerte gefunden wurden, erhob sich die Frage, ob nicht vielleicht in den ersten zehn Äther- ‚versuchen die Reflexe bei der Entblutung noch etwas mehr vorhanden gewesen seien als bei den Chloroform- und den späteren Kom- binationsversuchen. Um dieses zu entscheiden, wurden Ätherversuche angestellt (Nr. 23 und 24), wo sicher zu tief narkotisiert wurde. Es fand sich hierbei im Mittel im Blute 0,124 °/o, im Gehirn 0,127 °/o. Äther. Als Mittel zwischen diesen beiden Serien wurde also ge- funden im Blute 0,1145 %o, im Gehirn 0,117 %. Zur Kontrolle wurden nun schliesslich noch einige Ätherversuche vorgenommen, in denen die Narkosetiefe möglichst genau kontrolliert wurde und sicher nicht ‘zu leicht war. Die hierbei erhaltenen Zahlen (Versuche 49, 50, 51) waren im Blute 0,118%, im Gehirn 0,117 °/o Äther. Als Ausgangspunkt für die späteren Berechnungen wurden nun als Mittel der letztgefundenen Zahlen angenommen im Blute 116 %o, im Gehirn 0,117°o Äther. Es sei nochmals betont, dass an- genommen werden kann, dass diese Zahlen wahrscheinlich etwas zu hoch, aber sicher nicht zu niedrig sind. Für das Chloro- form war eine derartige Kontrolle entbehrlich, da in den Chloro- formversuchen die Narkose eher etwas zu tief als zu schwach ge- wesen war. Die Resultate der Kombinationsversuche sind in den Tabellen IIT—VII veranschaulicht. . Aus den in diesen Tabellen gefundenen Mittelwerten geht sofort hervor, dass in diesen Versuchen von einer potenzierenden Wirkung nicht die Rede sein kann. Um dieses deutlicher zum Ausdruck zu bringen, ist das Resultat sämtlicher Kombinationsversuche in Tabelle VII zusammengestellt. In dieser Tabelle ist auch, ebenso wie in den Tabellen II—VII, für jeden Äther- und Chloroformwert angegeben, den wievielsten Bruchteil der narkotischen Konzentration bei der reinen Äther- oder Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. pi, Tabelle II. . Homolateraler Beugereflex der Katze. 1 Vol. Chloroform + 1 Vol. Äther. Chloroformgehalt Äthergehalt Versuch in Gewichtsprozenten in Gewichtsprozenten Nr. Blut | Gehirn Blut Gehirn 45 0,028 | 0 X | 0,042 0,06 46 0,023 0,048 0,08 47 0,0219 0. 023 0,049 0,09 48 0,018 0,032 0,0386 0,065 Im Mittel 0,023 | 0,029 0,044 0,074 Chloroform im Blut 0,023%0 = 0,72 N u im Gehirn 0,029%%o = 0,74N Ather im Blut-. . 0,044% = 0,38 N Äther im Gehirn. . 0, ‚074% — =- v, 63N 1,10 N 1,37 N ' Tabelle IV. Homolateraler Beugereflex der Katze. 1 Vol. Chloroform + 2 Vol. Äther. Chloroformgehalt Äthergehalt Versuch in Gewichtsprozenten in Gewichtsprozenten Nr. Blut Gehirn Blut Gehirn 25 | 0,0236 0,030 | 0,064 0,073 26 0,026 0,0357 0,074 0,096 27 0,0248 0,0273 0,060 0,11 28 0,0192 0,029 0,0692 0,09 Im Mittel 0,023 0,03 | 0067 | ..0092 ‘ Chloroform im Blut 0,023 °%/0 = 0,72 N Ather im Blut . . 0,067 %/o = 0,58 N Chloroforın im Gehirn 0,03 %o = 0,77 N Äther im Gehirn. . 0, 092 'b= — 0,78 N 78N 1,30 N "155N 55N Tabelle V. Homolateraler Beugereflex der Katze. 1 Vol. Chloroform + 3 Vol. Äther. Chloroformgehalt Äthergehalt _ Versuch in Gewichtsprozenten in Gewichtsprozenten Nr. Blut Gehirn Blut | Gehirn 29 0,0229 0,0294 0,089 | 0,114 30 0,0143 0,0196 0,057 | 0,07% 3 0,0166 0,0243 0,069 0,076 32 0,01 2 0,0242 0,0659 — 33 0,0192 0,0242 0,072 0,087 Im Mittel 0,018 | 0,024 | 0,07 | 0,087 Choroform im Blut 0,018 %/o — 0,56 N Äther im Blut . . 0,07 %o = 0,60 N 1,16 N Äther im Gehirn . Chloroform im Gehirn 0,024 /o — 0,61 N ‚0 ‚08790 — — % 74N 135N 78 W. Storm van Leeuwen: Tabelle VI. Homolateraler Beugereflex der Katze. 1 Vol. Chloroform + 4 Vol. Äther. Chloroformgehalt Äthergehalt Versuch in Gewichtsprozenten in Gewichtsprozenten Nr. Blut Gehirn Blut Gehirn 34 0,0145 0,0237 0,119 a 35 0,0176 0,0220 0,100 0,102 3 0,0126 0,0192 0,100 0,107 31 0,0142 0,0188 0,105 0,146 38 0,0200 0,0247 0,090 0,103 Im Mittel 0,0158 0,0217 | 0108 | 018 Chloroform im Blut 0,0158°%0 = 0,5 N Äther im Blut . . 0,103 %0 = 0,88 N 1,35 N Chloroform im Gehirn 0,0217 °/o= 0,56 N Ather im Gehirn. . 0,114 %%—=0,97 N 153N Tabelle VI. Chloroformgehalt Äthergehalt Versuch in Gewichtsprozenten in Gewichtsprozenten Nr. Blut Gehirn Blut Gehirn 29 0,0106 0,0144 0,100 0,110 40 0,0109 0,0187 0,129 0,106 41 _— 0,0153 0,073 0,149 42 0,0131 0,0167 0,116 — 43 0,0120 0,0188 0,102 0,133 44 0,0100 — 0,070 0,090 Im Mittel 001. | oo1ss 0,098 . 0,118 Chlorofoım im Blut 0,0110 = 0,35 N | Chloroform im Gehirn 0,0168°/—= 0,4N Ather im Blut . . 0,098%o = 0,84 N | Ather im Gehirn . . 0,118 %=1,0N 119N | 14N Tabelle VII. Homolateraler Beugereflex der Katze. Kombinationsversuche. Verhältnis a N Chloro- & a Chloro- Chloroform : ns a Ather form + a Ather form + aan n im Ather er im . Ather in Narkose- Bl im > i im flüssigkeit | Blut We | Gebmn le un een a b C d e B g hs! 0,72 N 0,38 N 1,10 N 0,74 N 0,63 N 1,37 N 12 0,72 N 0,58 N 1,30 N 0,77 N 0,78 N 1,55 N 1:3 056 N | 060 N LI6N | 061N | 07AN 135N 1:4 | 050N | 088 N 1,38 N 056 N | 0,97 N |:1,53-N 1:6 0,35 N 084 N |, 119 N 0,40 N 1,00 N 1,40 N 79 Über den Synergismus von Arzneimitteln. I. ‚der reinen Chloroformnarkose dieselbe darstellt, wobei für reine Äther- und reine. Chloroformnarkose die Konzentration —= N an- genommen ist. Besteht also eine Potenzierung, so muss die Summe der. Bruchteile (Spalte e, d und g in Tabelle VIII) weniger als N ‘betragen. Besteht hingegen eine einfache Addierung, so muss gerade N gefunden werden. — Bei genauer Betrachtung der Tabellen: II —VIIl ergibt sich nun, dass die Summe der Partialäther- und Chloroformzahlen nieht nur kein einziges Mal unter N bleibt, sondern dass tatsächlich in jedem Falle N überschritten wird. Versuche an Hunden. "Es wurden nur wenige Versuche an Hunden angestellt, weil ‘sich schon in den ersten Versuchen herausstellte, dass: die Verhält- "nisse dabei ähnlich wie bei Katzen liegen. Das Resultat sämtlicher ‚Versuche an Hunden ist aus Tabelle IX ersichtlich. Tabelle IX. Homolateraler Beugereflex des Hundes. En) Äther (4 Teile) Ather Chloroform n, Onkel (I Sen) | Äthergehalt | Chloroform- ' Äthergehalt | Chloroform- Ver- | des Blutes | Ver- gehalt des | Ver- | des Blutes | gehalt des such in such Blutes in such in Blutes in Gewichts- Gewichts- Gewichts- Gewichts- Nr. | Prozenten Nr. prozenten Nr. prozenten pProzenten ur 0,128 54 0,0586 | 86 0,106 0,023 0,109. 0,046 i 0,1 0,024 39 0,09 59 0,063 60 0,067 0,036 0,119 Mittll 0,111 - 0,056 | - 0,091 0,028 Chloroform im Blut .. .... 0,028 °/0 — (0,50 N Athensim; Blut... ou 2.0 0,091 % = 0,82 N | 1,32 N Aus dieser Tabelle ergibt sich, dass der Mittelwert für reine ‚Äthernarkose ungefähr gleich gross wie bei der Katze ist (Tabelle II), dass aber die Chloroformwerte beim Hunde höher sind. Nichtsdesto- ‚weniger sind die Partialkonzentrationen in der Mischnarkose (1 Teil ‘Chloroform + 4 Teile Äther) fast genau dieselben, wie bei der Katze ‘gefunden wurden. Es fand sich nämlich beim Hunde. Chloroform 80 W. Storm van Leeuwen: ‘0,5 N + Äther 0,82 N —= 1,32 N, während bei der Katze (vgl. Tabelle VI) im Blute gefunden war Chloroform 0,5 N + Äther 0,88 N = 1,38 N, also fast identische Zahlen. — Aus diesen Versuchen an Katzen und Hunden müsste also’ ge- schlossen werden, dass bei der kombinierten Äther-Chloroformnarkose nicht nur keine Potenzierung, sondern eine Abschwächung der narko- tischen Wirkung auf die Rückenmarkszentren des homolateralen Beugereflexes auftritt. Bei der Verwertung dieser Tatsache muss aber in Betracht ge- zogen werden, dass die Flüssigkeit, welche die nervösen Zentren des Rückenmarks umspült, und deren Äther- oder Chloroformgehalt also in letzter Instanz entscheidend für die Konzentration des Narkotikums in diesen Zentren ist, nicht Blut ist, sondern Gewebssaft. Um ge- naue Auskunft über den Äther- und Chloroformgehalt der nervösen Zentren zu erhalten, würde man also entweder den Gewebssaft oder die Zentren im Rückenmark selbst untersuchen müssen. Beides ist unmöglich. Man muss sich deshalb damit begnügen, entweder das Blutplasma zu analysieren, welches in seiner Zusammenstellung dem’ Gewebssaft nahe steht — oder man muss das ganze Rückenmark untersuchen. A priori erschien uns letzteres Verfahren am besten, und dies war der Grund, weshalb in allen Versuchen Analysen des Rückenmarks und des Gehirns, eventuell des Gehirns allein, vor- genommen wurden. Bei genauerer Überlegung leuchtet aber ein, dass man aus einer Bestimmung des Äther- und Chloroformgehalts des Rückenmarks nicht mit Sicherheit auf einen bestimmten Gehalt an Narkotikum in den speziell hier in Betracht kommenden Zentren schliessen kann. Es besteht doch die Möglichkeit, dass dureh die Anwesenheit zweier Narkotika sich der Verteilunesmodus eines jeden Narkotikums zwischen nervösen Zentren und anderen Teilen des Zentralnervensystems (zum Teil lipoidreicher, zum Teil lipoidarmer) seändert haben kann. Hierdurch kommt es, dass schliesslich die Bestimmungen im Blutplasma die genauesten Aufschlüsse geben würden. Um Plasma zu erhalten, muss aber zentrifugiert werden, ‘wobei ein Teil des Äthers und Chloroforms verdunsten kann. Be- stimmungen im ganzen Blute sind wieder weniger genau, weil dabei ‘ebenfalls die Möglichkeit besteht, dass Äther und Chloroform gegen- seitig ihren Verteilungsmodus zwischen Plasma und Zellen ändern. Dass überhaupt die Verteilung des Äthers und Chloroforms im Organismus während der Mischnarkose sich anders gestaltet als bei Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. &i reiner. Äther- oder reiner Chloroformnarkose, dafür spricht folgende Beobachtung: ‘Wie aus Tabelle I und II ersichtlich, ist in der einfachen: Chloro- formnarkose das Verhältnis zwischen Chloroformgehalt des Blutes und des Gehirns = 32:58, während bei der einfachen Äthernarkose im Blute und Gehirn praktisch gleiche Ätherwerte gefunden werden. In den Tabellen IIH—VII zeigt sich nun, dass nicht nur im Mittel, sondern auch in jedem einzelnen Falle sich das Verhältnis zwischen Äther- und Chloroformgehalt des Blutes und des Gehirns geändert hat in dem Sinne, dass bei der Mischnarkose das Gehirn immer relativ mehr Äther und mehr Chloroform enthält, als bei den ein- fachen Narkosen. Dieser Tatsache entspricht auch, dass in Tabelle VIII die Summe der Partialkonzentration für Äther und Chloroform für das Gehirn (Spalte &) immer höher ist, als für das Blut (Spalte d). Es sei überdies noch darauf hingewiesen, dass die Unterschiede in dieser Beziehung bei Äther grösser sind als bei Chloroform. ‚Die beiden bis jetzt gefundenen Tatsachen, eine scheinbare (?) Abschwächung der Äther- und Chloroformwirkung bei der Misch- narkose und der Umstand, dass die Verteilungsverhältnisse zwischen Blut und Gehirn sich sowohl für Äther wie für Chloroform bei der Mischnarkose ändern, liesse sich vielleicht durch eine Annahme er- klären. Es könnte nämlich möglich sein, dass Äther und Chloroform gegenseitig ihre Löslichkeitsverhältnisse im Wasser oder Lipoid, oder in beiden, ändern. Es könnten dann die eben genannten beiden Erscheinungen in physikalisch-chemischen Tatsachen ihre Erklärung finden. Auf Grund der obenerwähnten Beobachtungen müsste dann erwartet werden, dass eine Verdrängung von Äther durch Chloroform leichter. als eine Verdrängung von Chloroform durch Äther nachweisbar sein würde. | Diese Erklärungsmöglichkeit erhält eine Stütze in einer Be- obachtung Fühner’s'), der in der Tat eine gegenseitige Ver- drängung von Äther und Chloroform aus konzentrierten wässerigen Lösungen hat nachweisen können. Beim Zusammengiessen von kon- zentrierten wässerigen Äther- und Chloroformlösungen sah Fühner 1) H. Fühner, Über gegenseitige Löslichkeitsbeeinflussung wässeriger Lösungen von Äther, Chloroform, Phenol u.a. Ber. d. Deutsch. Chem. Gesellsch. Bd. 42 8.887. 1909. — H. Fühner, Zur Theorie der Mischnarkose. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 2. S. 103. 1910. . Fühner,. Münch. med. Wochenschr. Nr. 4 S. 179. 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166, 6 89 W. Storm van Leeuwen: eine Trübung auftreten. Er schloss aus diesen Versuchen, dass Äther und Chloroform sich gegenseitig aus Wasser verdrängen, und erwartete eine Anreicherung dieser Narkotika in Lipoid. Er hoffte durch diese Annahme die — damals noch als richtig anerkannten — Potenzierungsversuche Honigmann'’s erklären zu können. In späteren Versuchen, wobei der Teilungskoeffizient zwischen Wasser und Lipoid für Äther, für Chloroform und für Äther-Chloroform- gemische bestimmt wurde und wobei Konzentrationen, wie sie während der Narkose im Blute vorhanden sind, verwendet wurden, fand Fühner aber nur eine so gerinefügige Verschiebung, „dass durch sie eine derartig starke Vermehrung der Wirkung, wie sie Honig- mann angibt, nicht erklärt werden kann“ °). Madelung?) hat versucht, eine Änderung der Löslichkeits- verhältnisse des Chloroforms zwischen Blutzellen und Blutplasma durch Ätherzusatz zu ändern, erhielt aber in zwei Versuchen ein negatives Resultat. — Wiewohl also nach Fühner’s Untersuchungen mit der Mög- lichkeit von Verdrängungserscheinungen während der Mischnarkose gerechnet werden muss, sind für die in der Narkose zur Verwendung kommenden Konzentrationen gegenseitige Löslichkeitsbeeinflussungen von Äther und Chloroform experimentell noch nicht nachgewiesen. Nichtsdestoweniger möchten wir unsere Erklärungsmöglichkeit für die oben erwähnten während der Mischnarkose auftretenden beiden Er- scheinungen nicht ganz fallen lassen, weil sich in eigenen Unter- suchungen hat feststellen lassen, dass höchstwahrscheinlich die Ver- teilung des Äthers zwischen Blutzellen und Blutplasma sich durch Chloroformzusatz ändern lässt. Es sei nochmals hervorgehoben, dass eine Verdrängung des Äthers durch Chloroform sich auf Grund der obenbeschriebenen Versuche eher erwarten lässt, als-eine Verdrängung des Chloroforms durch Äther. — ae Über diese VErdrangunsngrsucle wird später "näheres berichtet werden. | 1) In einer späteren Arbeit [H. Fühner, Untersuchungen über den Syn- ergismus von Giften. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 75 S. 53. 1913] bringt Fühner mehrere Beispiele von gegenseitiger Beeinflussung des Verteilungs- "modus zwischen Lipoid und Wasser verschiedener Narcoticis. — 2) W. Madelung, Über Mischnarkose und kombinierte Narkose. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 S. 409. 1909, Über den Synergismus von Arzneimitteln. 1. 83 Nachdem also in den Narkoseversuchen, wobei als Kriterium für ‘die Narkosetiefe das fast völlige Verschwundensein des homo- lateralen Beugereflexes diente, bei der Katze und beim Hunde nicht nur keine Potenzierung, sondern eine Abschwächung gefunden war, hielt ich es wünschenswert, eine neue Versuchsreihe mit einem anderen Kriterium für die Narkosetiefe anzustellen. Es wurden als Versuchs- tiere junge Hunde und für die Narkosetiefe das Auftreten des Atemstillstandes als Kriterium gewählt. Das Resultat der Chloroform- versuche ist aus Tabelle X, der Ätherversuche aus Tabelle XI und der Kombinationsversuche aus Tabelle XII ersichtlich. Tabelle X. | Junge Hunde. Atemstillstand. Chloroform. Chloroformgehalt in Gewichtsprozenten Versuch Ban, arterielles | venöses Hirn- ücken- = : Nr. Blut j Blut stamm mark Herz | Niere n | I 61 — | 0,037 0,070 \ 0,0570 0,043 0,048 62 — 0,036 0,0678 0,0488 _ 0,043 0,037 63 —_ 0,038 — 0,0495 0,047 0,041 66 0,044 0,0375 |. 0,060 0,0500 0,044 0,041 68 0,053 0,054 0,073 0,0500 0,056 0,054 Mittel 0,0455 | 0,087 0,065, | 0,051 0,047 0,04 Tabelle XI. i Junge Hunde. Atemstillstand. Äther. Äth halt i i 2 Yersiich Athergehalt in Gewichtsprozenten arterielles | venöses Hirn- Rücken- H Nier . Nr. Blut Blut | stamm | mark ar 1 70 0,139 0,125 0,125 0,115 0,085 0,085 72 0,138 0,137 0,140 Da — 0,121 na 0,139 0,148 0,158 — 0,110 — 74 0,131 0,138 0,180 0,165 0,118 0,106 15 0,162 0,147 0,175 0,120 : 0,117 0,106 "Mittel | 0,142 0,139 | 0,156 01311 | 0108 | 910 Bezüglich dieser Tabellen sei folgendes bemerkt: Die gefundenen Blutwerte für reine Äther- und reine Chloro- formnarkose sind sehr niedrig. Es muss aber beachtet werden, dass venöses Blut untersucht worden ist (in den Ätherversuchen auch arterielles), welches bei unserer Versuchsanordnung immer niedrigere Werte eibt als arterielles Blut. Überdies ist bei jungen Hunden (es’ wurden . stets Tiere von 2—3 Monaten und einem Gewicht von 6* W. Storm van Leeuwen: 34 2—2,5 kg verwendet) der Erythrocytengehalt des Blutes sehr niedrig. Während erwachsene Hunde meistens 7—8 000000 rote Blutzellen pro Kubikmillimeter haben, fanden wir bei den jungen Tieren meistens ca. 5000000 und in den beiden letzten Kombinations- versuchen sogar nur ca. 4100000 Erythrocyten. Weil nun in der Chloroformnarkose die Zellen prozentual etwa fünfmal mehr Chloro- form enthalten als das Plasma, so muss eine Erniedrigung des Zellen- gehaltes bei gleicher Chloroformkonzentration im Nervensystem eine Erniedrigung der Chloroformkonzentration des Gesamtblutes mit sich bringen. | Tabelle XI. Junge Hunde. Atemstillstand. Kombinationsversuche Äther + Chloroform. Äthergehalt in Gewichtsprozenten Versuch = Nr. De 5 Hirnstamm | An Herz | Niere 79 0,094 0,121 — Serena arm 0,103 0,092 80 0,068 0, 170 — 0,106 0,097 3 0, 066 — 0,097 0,075 0,078 83 0. ‚09 — | 0,100 0,135 0,080 84 0, ‚067 | En 0,073 0,087 86 0, 067 0, ‚180 — | 0,092 | 0,091 Mittel | 006 | 08 | 008. 0,097 | 0,088 0,55 N 1,00 N 0,75 N 0,9 N 0,84 N Set in Gewichtsprozenten Versuch - = au Di Nr. EB Hirnstamm Au Herz Niere 79 0,019 —_ 0,024 0,020 0,018 80 0,017 = 0,033 0,0238 0,021 sl 0,0218 0,053 — 0,030 0,028 83 0,015 0,038 — 0,025 0,015 84 0,0137 == — 0,016 0,016 86 0,0144 | — 0,06 0,018 0,015 Mittel 0,0168 0,0455 0,039 0,022 0,019 0,45 N 0,67 N 0,76 N 047 N 0,4 N Ehlaratan Äther Summe Blut see ee 0,45 N 0,55 N 1,00 .N Hirnstamma a ve. 0,67 N 1,00 N 1,67 N Rückenmark . ..... 0,76 N 0,75 N 1,51 N Herz. ma 047 N 0,90 N 137 N Niere WARTE 0,44 N 0,34 N 1,28 N Über den Synergismus von Arzneimitteln. I. 85 In Tabelle XII ist für jede Mittelzahl wieder angegeben, einen wievielsten Bruchteil der normalen Konzentration N dieselbe darstellt, und schliesslich ist für jedes Organ die Summe der Partialkonzentra- tionen dargestellt. — Hierbei ergibt sich, dass die Summe der Partial- konzentrationen für Blut im Mittel gerade N beträgt, so dass weder auf eine Potenzierung noch auf eine Abschwächung der Wirkung geschlossen werden kann. Tatsächlich sind die Zahlen in Versuch 86 und 87 so niedrig, dass die Blutwerte auf eine Potenzierung hin- weisen könnten. Wie aber schon oben bemerkt wurde, waren die Erythrocytenzahlen bei diesen Tieren sehr niedrig, so dass auch die Chloroformwerte wohl als relativ zu niedrig betrachtet werden können. Jedenfalls bleibt es merkwürdig, dass in den Kombinations- versuchen die Summe der Partialzahlen für Blut genau N ist, wie- wohl in den Versuchen, wo der homolaterale Beugereflex als Indikator benutzt wurde, diese Summe immer grösser als N war (Minimum 1,10 N). Die Werte für Hirnstamm und Rückenmark sind aber durchaus mit denen für Gehirn in Tabelle VIII vergleichbar, während die Werte für Herz und Niere auch auf eine Abschwächung der Wirkung bei der Äther-Chloroformkombination hinweisen. Eine Erklärung für die Tatsache, dass für die Summe der Blut- zahlen nur N gefunden wurde, steht aus. Auf eine Erklärungsmöglichkeit ist schon hingewiesen (niedrige Erythrocytenzahl in mindestenszweiderKombinationsversuche). Vielleicht könnte folgende Beobachtung von Lamson für das Verständnis unserer Versuche wichtig sein. Lamson!) konnte nachweisen, dass beim Hunde die Erythrocytenzahl des Blutes unter gewissen Bedingungen, unter anderem bei Asphyxie, innerhalb kurzer Zeit sehr grossen Schwankungen unter- liegen kann. So stieg die Erythrocytenzahl bei einem Hunde, der durch intravenöse Injektion von Lycopodium (Lungenembolien!) asphyktisch gemacht worden war, innerhalb 4 Minuten von 8552000 auf 11 464000. Diese Arbeit kam mir leider erst zu Gesicht, als meine Versuche fast abgeschlossen waren. Nur in dem letzten Kombinationsversuch konnte nachgewiesen werden, dass die Erythrocytenzahl während der Narkose nicht stieg. Es ist aber immerhin möglich, dass beim Nar- kotisieren mit reinem Chloroform eine Steigerung der Erythrocytenzahl auftritt, weil bei der reinen Chloroformnarkose in Augenblicken des Atemstillstandes oft auch das Herz stillstand, so dass die Tiere mehr asphyktisch gewesen sein müssen als in den Kombinationsversuchen. 1) Paul D. Lamson, The role of the liver in acute polycythaemia. Journ. op barmac. and exp. therap. vol. 7 S. 169. 1915. 86 W. Storm van Leeuwen: Und nach Lamson könnte Asphyxie heissen: Erhöhte Kirythrooyten- zahl und relativ zu hohe Chloroformwerte !). Wie dem auch sei, meines Erachtens ist dem niedrigen Wert in Blute für die Summe der Partialkonzentrationen bei der Kom- binationsnarkose nicht zu hohe Bedeutung beizumessen. Wenn diese Zahl als ganz exakt betrachtet werden müsste, so würde das heissen, dass die Narkosebreite in der Kombinationsnarkose sich verkleinert, so dass diese Narkose gefährlicher sein würde als die reine Äther- oder reine Chloroformnarkose. | Aber auch ohne diese Voraussetzung lässt sich aus sämtlichen beschriebenen Versuchen schliessen, dass bei der Äther-Chloroform- narkose — wenn bis zu einer bestimmten Tiefe narkotisiert wird — dem Körper mehr Narkotikum einverleibt wird als bei der einfachen Äther- oder Chloroformnarkose. Wie schon oben betont wurde, erschien es wünschenswert, die Potenzierungsfrage zuerst vom rein theoretischen Sandpinkiz: aus zu studieren. Äther und Chloroform sind nicht ganz oleichartie wirkende Narkotika. Bestimmte Teile des Zentralnervensystems werden leichter durch Äther, andere Teile leichter durch Chloroform narkotisiert. Hieraus ergibt sich vielleicht für die Praxis die Möglichkeit,, ge- cebenenfalls eine Äther-Chloroformkombination mit Vorteil zu be- nutzen. Vom rein theoretisch-pharmakologischen Standpunkt aus ist aber die in dieser Arbeit festgestellte Tatsache von Wichtigkeit, dass zur Erreichung einer bestimmten Narkosetiefe (und das wird auch in praxi das wichtigste Ziel bleiben) bei der Kombinationsnarkose mehr Äther und Chloroform im Körper vorhanden sein muss als sich beider Annahme einer einfachen Addition der Wirkungen rechnerisch ergibt. Für ihre Hilfe bei den Äther- und Chloroformversuchen und bei einem Teil der Tierexperimente bin ich Frl. M. v. d. Made zu grossem Dank verpflichtet. 1) Nach Abschluss dieser Arbeit fanden wir in einem Fail, dass die Erythro- cytenzahl eines jungen Hundes, welcher mit Chloroform totnarkotisiert wurde, von etwas mehr als 4000000 (vor = Narkora) auf etwa 7000000 (nach dem raus) anstieg. Über den Synergismus von Arzneimitteln. L 87 Schlusssätze. 1. Beim Narkotisieren von Katzen und Hunden mit Äther- Chloroformgemischen bis zu einer bestimmten Narkosetiefe tritt keine Potenzierung der Wirkung beider Narkotika auf. 2. Wird als Kriterium für die Narkosetiefe das fast völlige Erloschensein des homolateralen Beugereflexes genommen, so lässt sich sowohl aus den Analysen des Blutes als aus denjenigen des Gehirns auf eine Abschwächung der Wirkung schliessen. 3. Wird bei jungen Hunden narkotisiert, bis Atemstillstand auf- tritt, so lässt sich aus den Blutanalysen auf eine einfache Addition der Wirkung, aus den Analysen der anderen Organe aber (Zentral- nervensystem, Herz, Niere) auf eine Abschwächung schliessen. 4. Es muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass Äther und Chloroform gegenseitig ihre Löslichkeitsbedineungen in den Blutbestandteilen und in anderen Organteilen beeinflussen, so dass eine Abschwächung der Wirkung vorgetäuscht wird, während tatsächlich nur eine einfache Addition der Wirkung besteht. 5. Jedenfalls wird dem Körper bei der Kombinationsnarkose mehr Narkotikum einverleibt als bei einer gleich tiefen reinen Äther- oder reinen Chloroformnarkose. 88 =dJ. OQuweleen: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Groningen.) Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. I, Mitteilung. Der Einfluss von Serum und Verdünnungen von Serum mit 0,9 /oiger Kochsalzlösung auf die Phagozytose von Amylum. Von Dr. 3. Ouweleen. . Inhaltsübersicht. Se A. Einfluss des unverdünnten und verdünnten homologen Serums auf die Phagozytose von Amylum. ... . SS Ne ol a BRENZ 288 17 Versuchsverfahren sag 2 0. 2 pre BENRAREL I Euch) 2. Untersuchungen mit unerhitztem und erhitztem Serum ...... 90 3. Besprechung und Zusammenfassung der in den Tabellen verzeich- neten ‚Besultater... “202. mer ne ee No ee 93 4, Erhitzung der Gemische von Kochsalzlösung und Serum ..... 97 5. Binflusse der#Expositionszeitia. a ee om a) Aufnahme in physiologischer Kochsalzlösung bei längerer Ein- wirkungsdauer: 7° „uud Ne SR SR ee 97 b) Aufnahme in Serum bei Tangerer Einwirkungsdauer N ee 98 B. Einfluss des unverdünnten und verdünnten NElsz2.Oger Serums auf die Phagozytose von Amylum. . ».. „.. 2. 2. 2.n. on on nen. .101 1. Pferdeleukozyten und Schweineserum . . .. 2. 2.2.2000 0.. 101 2. Pferdeleukozyten und Rinderserum . ». »... 2. 2 2222200. 105 3. Pferdeleukozyten und Kaninchenserum . .. » . 2.2.2.2... 107 4.»Schlussfolgeruugm.. ek su ode lo N ee 107 A. Einfluss des unverdünnten und verdünnten homo- logen Serums auf die Phagozytose von Amylum. Die Untersuchungen der Einwirkung von Serum und dessen Verdünnungen auf die Fähigkeit von Pferdeleukozyten, Kohle auf- zunehmen, gab merkwürdige Resultate, Über den Einfluss von Serum äuf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 89 _ VerhaltensichnunSerum und dessen Verdünnungen ebenso, wenn man diese Leukozyten einwirken lässt auf andere, sogenannte neutrale Objekte von Phago- zytose, oder inwieweit zeigen sich abweichende Re- sultate? Um diese Frage zu beantworten, beobachteten wir die Aufnahme von Amylum oryzae als Phagozytosenobjekt. Dies besteht nämlich aus feinen Körnchen nahezu von der Grösse roter Blutkörperchen oder ein wenic grösser, von welchen schon lange bekannt ist, dass sie von den Phagozyten aufgenommen werden. 1. Versuchsverfahren. Statt einer diekeren Kohlensuspension musste eine dickere Amylum-oryzae-Suspension zubereitet werden, was auf folgende Weise geschah .:.. 100 mg Amylum wurden mehrere Male mit physiologischer Koch- salzlösung in der Absicht gewaschen, etwaige Verunreinigungen zu entfernen, und zu dieser Quantität wurden 10 cem 0,9°%o NaCl hin- . zugefügt. Von dieser tüchtig geschüttelten, diekeren Suspension nahm man für jedes Röhrchen 0,3 cem. Der weitere Verlauf des Versuches ‚war dem mit. Kohle ähnlich. In einigen Vorversuchen hatte sich herausgestellt, dass mit dieser ‚Quantität Amylum ein gutes Verhältnis gegenüber den Leukozyten ‚entstand. Ausserdem schien es geraten, die Einwirkungsdauer, nicht wie bei Kohle, auf 30 Minuten festzustellen, da es sich zeigte, dass 15 Minuten schon wegen der hohen Phagozytose im Serum genügten. Es ergab sich, dass auch bei der stärksten Aufnahme, bei einer Einwirkungsdauer von 15 Minuten, noch genügend Körnchen zur weiteren Phagozytose zur Verfügung waren. Hätten wir: grössere ‘Quantitäten genommen, so würden wir noch höhere Prozente erhalten haben, weil die Stärke der Phagozytose ebenfalls von der grösseren oder geringeren Stärke der Suspension des Phagozytosenobjekts ab- hängt. Jedoch wären in dem Falle ja alle Leukozyten in 15 Minuten imstande‘gewesen, Körnchen aufzunehmen; bei höherem Grade von Phagozytose ist die Zählung durch das Zusammenklümpern der ge- ' 'füllten Leukozyten schon schwierig, es würde also bei dieser sehr starken Phagozytose noch schwieriger sein dureh die noch grössere 90 | J..Ouweleen: 'Agglutination. Ausserdem hätten dann auch die weniger starken Verdünnungen solch eine - Aufnahmestärke erzielen können; alle Leukozyten «könnten ja in 15 Minuten Körnchen aufnehmen, was zur Folge hätte, dass man in diesen Serumverdünnungen die maximale Phagozytose erlangte. Andrerseits entstehen, wenn man zu wenig Amylum nimmt, ebensowenig gute Verhältnisse. In diesem Falle jedoch werden auch die ersten Verdünnungen alle Körnchen in 15 Minuten aufnehmen ebenso wie unverdünntes Serum, und es würde wieder den Anschein erwecken, als hätten sie dieselbe Wirkung. Beim Gebrauch der obenerwähnten Quantität Amylum werden für jeden Leukozyt einige Körnchen für Aufnahme zur Verfügung stehen. Während bei unverdünntem Serum mit starker Phagozytose schon bei einer Einwirkungsdauer von 15 Minuten verschiedene weisse Blutkörperchen drei oder vier Körnehen aufgenommen haben, haben andere nur zwei oder eins aufgenommen, der Rest kein einziges,. für welche im Wirkungskreis jedoch noch genügende Objekte zugegen sind, ebenso wie es für die übrigen noch mehrere zur Aufnahme gibt. Das Präparat wurde mittels einiger Tropfen Lugo1’scher Lösung _ zur Blaufärbung der Körnchen gefärbt, wodurch diese deutlich sichtbar waren, sowohl in den Leukozyten als ausserhalb derselben. Hierbei verdient folgendes noch Erwähnung: Wenn wir auf ein Objektglas 2 Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit + 2 Tropfen Lugol’seher Lösung mischen, so braucht die Färbung der Amylum- körnchen in unverdünntem Serum viel mehr Zeit als in 0,9 0/0 NaCl. Während sie in dieser Lösung direkt ihre blaue Farbe annehmen, können wir in der Blutflüssigkeit sehen, dass zur Gewinnung der gleichen Farbenstärke hierzu einige Minuten erforderlich. sind. Ausserdem sind die Leukozyten in 0,90 NaCl hellgelb durch das Jod gefärbt, während: sie sich im Serum ganz weiss erhalten haben. In den Verdünnungen ist dies, je weniger Serum anwesend, um so weniger deutlich wahrzunehmen. Die Lugol’sche Lösung wird sich teilweise an verschiedene Serumstoffe binden, wodurch eine geringere ' Menge zur Verfügung der Amylumkörnehen und der Leukozyten steht. 2. Untersuchungen mit unerhitztem und erhitztem Serum. Nochmals wurden, ebenso: wie bei Kohle geschehen war, Ver- dünnungen von Serum, aktiv wie inaktiv,’ in physiologischer Koch- salzlösung zubereitet; mit ihnen erzielten wir die nachfolgenden Resultate: | Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 91 Tabelle I. 2 Prozentgehalt der. Leukozyten, welche Flüssigkeiten | Amylum aufgenommen haben BITENacl I. ne. | 0 %o Nenn. 0 % Unverdünntes aktives Serum I... x 100 = 69,0 °%o 5 1665 9 n As »„ U... | 27%°100 — 64,0% en 110 090% Nacı, Se 100 — 613% a 1:00.00. a 100 — 50,1% 3 1, 08, . m 100 — 41,9% ; 0 09. x 100 — 6,4% ; 150000. 2 10 — 33% 14 2” i 01000 0 >, ne 100 — 1,7% ER » 1:5000 0,9% „. | 0 % 5 „ .1:10000 0,9% ,„. 0 % h DANN! 228 Unverdünntes inaktives Serum I . . 187 x 100 = 46,8 %o 163 as 0%/o » „ 2 Ilr>: 359 x< 100 — 45,4 0/o Bar oa 1.10 09% Nacl. 21100 — 318%. : 0 0 a 100 — 63% | a 17:50.099 a 100 = 29% ; 10. = 100 — 1,7% Tabelle Il. 2 MEER NEXE N an 100 — 0,4% a Te in 100 — 14% cn, Ki 209 NS nverdünntes aktives Serum I . . . 397° 100 = 52,1 /o 430 Io %o h H EL 3, —_ x 100 = 54,8% 604 Dar: J. Ouweleen: Tabelle II (Fortsetzung). Prozentgehalt der Leukozyten, lee, welche Amylum aufgenommen haben Aktives Serum 1:10 0,9%0 NaCl. x 100 = 52,5 0 2,100 — x 100 — 41,5% A — 100 — 9,5% ee — = 100 = 140% ; 100 —“ 100 = 05% Da = >= 100 = 0,3% en 100 — 13% 3 E „ 1:5000 09% , 100 = 07% E ea . 0% Unverdünntes inaktives Serum I. . . 185 „. 100 — 40,5% es lu 0 ; : ER 2 <100 — 41,5% Inaktives Serum 1:10 0,9% NaCl . nn 100 = 15,6 %o ; ey oh — a 2 150 0 % ; on 0 Tabelle 11. VON RN a on 108 = 2,0 %o g b} v mo, au 0 NO N 37,100 — 2,10% Unverdünntes aktives Serum I... a 100 — 68,9 %/o ah | aus Of, „ „ „ 1 E 100 — 13,8 % Aliives) Serum 1:10,.0.9%0, NaCl = 100 — 64,9% a ne Ele 229 100 = 51,6% 444 _ Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 93 Tabelle III (Fortsetzung). Prozentgehalt der Leukozyten, welche ae in Amylum aufgenommen haben 200 | Aktives Serum 1:50 0,9% NaCl. mn“ 100 = 41,4 io ns. 000. ei 100 — 12,4% 1.100.090 ,: >10 — 35% or 31x10 — 24% ; "1000 0900 = 100 = 19% 13 . {0 20 Tr a, 10 = 3,3% 5 1210000 0900 5100 91% 1 179 Unverdünntes inaktives Serum I. . . 367° 100 — 48,8%) las Of „ „ „ I > 290 100 = 48,0 %o le Serum 1:10 0,9% Na6l. a 100 — 41,2% i 29 i - ro ag... 35x10 — 81% i 150 09%... 25 100 — 2 Lid, N .1.10008% ,.. 0% 3. Besprechung und Zusammenfassung der in den Tabellen verzeichneten Resultate. Schon bei einer Einwirkung von 15 Minuten ersehen wir in Tabelle I in aktivem Serum eine sehr hohe Phagozytose von 66,5 %o. Im Gegensatz dazu wird in physiologischer Kochsalzlösung durchaus keine Aufnahme herbeigefühtt. Eine Verdünnung 1 Serum auf 10 Flüssigkeit ergibt noch nahezu gleiche Phagozytose als unverdünntes Serum. In Verdünnung 1 :20 und 1:50 ist diese schon gesunken, ist jedoch noch ziemlich hoch; aber bei Verdünnung 1: 100 ist ein starker Rückgang, welcher bald bei folgenden Verdünnungen den Nullpunkt erreicht. In inaktivem Serum entdecken wir nur eine Verminderung gegenüber aktivem 04 J. Ouweleen: Serum von 66,5 %0 bis 46,10, also 20,40; diese beträct also noch nicht das Drittel der ganzen Phagozytosenstärke in aktiven Serum. In Verdünnung 1:10 des inaktiven Serums ist schon eine ziemlich geringere Aufnahme, 14,9% weniger als in unverdünntem Serum; bei einer Verdünnung 1:20 ist die Phagozytose die gleiche wie bei einer Verdünnung 1:100 aktiven Serums, und sie hat bei einer Verdünnung 1:50 nahezu schon die Stärke in physiologischer Koch- salzlösung erreicht. Wenn wir annehmen, dass in inaktivem Serum zwei Drittel der Aufnahme aktiven Serums erreicht wird, so sollte, wenn wir in den Verdünnungen gleichfalls dieselben Verhältnisse behielten, die Phago- zytose einer Verdünnung 1:100 aktiven Serums erst erreicht sein bei einer Verdünnung 1:66 inaktiven Serums. Wir bemerken die- selbe schon bei einer Verdünnung 1:20; folglich nimmt die Stärke der Phagozytose in Verdünnungen inaktiven Serums viel stärker ab als in denen des aktiven Serums. In Tabelle II ergibt aktives Serum wieder eine hohe Phagozytose, während dagegen in 0,9% NaCl nahezu gar keine Aufnahme zu konstatieren ist. Bei Verdünnung 1:20 dieses Serums ist die Phagozytose ver- ringert, bei einer Verdünnung 1:50 noch viel stärker, um schon bei einer Verdünnung 1:75 die Stärke physiologischer Kochsalzlösung zu erreichen, welche ebenfalls bei folgenden Verdünnungen erhalten bleibt. ah Durch Erhitzung hat nur der Prozentgehalt abgenommen, von 53,45 °/o bis 41°, also 12,45%. In einer Verdünnung 1:10 ist das Verhältnis aber ganz anders; dort beträst die Aufnahme in in- aktivem Serum nur 15,6°/o; demgegenüber in aktivem Serum 52,5 %/», also ein Unterschied von 36,9%o, was bei Verdünnung 1:20 noch stärker hervortritt, wo nämlich der Unterschied 40,8 °/o beträgt. Bei Verdünnung 1:20 inaktiven Serums ist schon die Stärke wie in physiologischer Kochsalzlösung erreicht. er Ebenfalls in Tabelle III ergibt 0,9%/0 NaCl nur eine sehr geringe Phagozytose, das heisst 2°%0. Aktives Serum ist sehr tätig, die T,eukozyten nehmen ja bis 71,45% Amylum auf. Verdünnungen 1:10, 1:20 und 1:50 dieses Serums zeigen allmählich niedrigere phagozytäre Zahlen; bei Verdünnung 1:75 ist die Aufnahme viel ‚geringer, und der Prozentgehalt erreicht bei einer Verdünnung 1:::100 denselben wie in physiologischer- Kochsalzlösung. Durch Er- Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 95 hitzung nimmt die Aufnahme in unverdünntem Serum bis 48,4 %o ab und beträgt dann in- einer Verdünnung 1:50 nur 1,4°/o. Betrachten wir die Resultate sämtlich, so ersehen wir, dass in 0,9 % NaCl bei einer ins irkunesdeuer von 15 Minuten nahezu keine Phagozytose erzielt wird. Aktives, unverdünntes Serum ergibt eine hohe Phagozytose, währendiin Verdünnuneen die Aufnahme abnimmt, bei einer geringen Verdünnung 1:10 fast noch nicht, in der von 1:20 auch noch wenig, um bei den folgenden. Ver- dünnungen stark zu fallen, so dass bei einer Verdünnung 1: 100 immer ein Wert wie in 0,9°%0 NaCl erreicht ist, welcher bei noch stärkeren Verdünnungen erhalten bleibt. Erhitzung aktiven Serums (!/s Stunde bei 58° C.) hat eine Herabsetzung des Grades der Phagozytose zur Folge, jedoch nicht mehr als ungefähr ein Drittel der ganzen Stärke. Im Verhältnis zu der Aufnahme in unverdünntem aktiven und in inaktivem Serum ist in Verdünnungen inaktiven Serums die Stärke wie in 0,9°%0 NaCl eher erreicht, als man erwarten sollte. Der Unterschied der Aufnahmestärke in den entsprechenden ge- ringeren Verdünnungen aktiven und inaktiven Serums ist doch grösser als in den unverdünnten Serums selber. Porges') untersuchte ebenfalls die Wirkung von, Serum un die Phagozytose von Amylumkörnchen; er bediente sich aber des Caviaserums und .der Cavialeukozyten. Im Anfang gelang es ihm nicht, eine fördernde Wirkung dieses Serums festzustellen. Die Phagozytose war nämlich überall so stark, dass schon nach einigen Minuten, auch in physiologischer Kochsalzlösung, die Leukozyten mit Partikeln angefüllt waren. Um nun diese intensive Wirkung zu vermindern, wurde 2°/oige NaCl-Lösung als Medium angewandt. Die Leukozyten, gewonnen aus der Peritonealhöhe der Cavia, auf- sefangen in 1,5°/oiger Natriumeitratlösung, wurden mehrere Male mit. physiologischer Kochsalzlösung gewaschen und darauf in dieser 2%%igen NaCl-Lösung suspendiert; gleichfalls wurde eine 1/oige Amylum-oryzae-Suspension auf diese Weise behandelt. 1 Vol. Amylun- suspension + 1 Vol. Leukozytensuspension + 1 Vol.Serum oder physio- logische Kochsalzlösung wurden zusammengefügt, und nachdem man 1) Zeitschr. f.. Immun. f. Orig. Bd.2 8.5. 1909, 96: J. Ouweleen: ’ diese Mischung während einer bestimmten Zeit im Brutschrank bei 37°C. aufbewahrt hatte, wurde die Stärke der Phagozytose untersucht. Dabei war der Befund, dass die Aufnahme in aktivem Serum viel grösser ist als in inaktivem Serum. Gegenüber physiologischer Kochsalz- lösung zeigte Serum nur einen geringen fördernden Einfluss bei kürzerer Einwirkungsdauer, welche bei längerer Dauer rückgängig gemacht war; die Kontrollen mit Zusatz physiologischer Kochsalzlösung zeigten nach ungefähr 1 Stunde Einwirkung im Brutschrank Agglutination der mit Amylumkörnchen gefüllten Leukozyten. Das inaktivierte Serum zeigte gegenüber 0,9 °/o iger NaCl-Lösung eine merkbar hemmende Wirkung. Dieselben Resultate wie mit Amylum oryzae erhielt Porges mit Amylum tritiei. | Vergleicht man die Resultate, welche wir einerseits mit Kohle, andrerseits mit Amylum erzielt haben, so konstatiert man also grosse Unterschiede. Während in 0,9% NaCl Kohle immer aufgenommen wird, findet bei Amylum hierin keine Aufnahme statt. Aktives Serum, unverdünnt, ergibt bei Kohle wechselnde Resultate, bald höhere, bald niedrigere Phagozytose als physiologische Kochsalzlösung'; hingegen bei Amylum imnier höhere Phagozytose; schon bei einer Einwirkungsdauer von 15 Minuten ist dieselbe erreicht, während die Leukozyten, um eine mässige Phagozytose von Kohle zu gewinnen, meistens mindestens 30 Minuten brauchen. Bei Verdünnungen 'kon- statieren wir bei Kohle wie bei Amylum Abnahme; bei dem letzteren tritt die Abnahme ein, bis die gleiche Stärke wie in 0,9%o NaCl erreicht ist, und diese bleibt bei weiteren Verdünnungen erhalten; bei Kohle sieht man ‘aber ein Fallen bis unter die Stärke in der. Salzlösung, während bei den übrigen Verdünnungen die Aufnahme sich wieder hebt, um schliesslich die Stärke, wie in 0,9°/o NaCl, zu erreichen, oft nachdem sie zuerst noch über dieselbe hinaus gestiegen ist. Unverdünntes, inaktives Serum ergibt bei Kohle nahezu keine Phagozytose bei einer Einwirkungsdauer von */s Stunde; bei Amylum entsteht schon nach 15 Minuten eine starke Aufnahme, welche: bei Verdünnungen bald abnimmt, während die hemmende Wirkung bei Kohle durelı Verdünnung des Serums allmählich vermindert. -Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 97 - 4. Erhitzung der Gemische von Kochsalzlösung und Serum. Ebenso wie bei Kohle fraeten wir uns: _ Verhält sich die Aufnahme von Amylum in Ver- dünnungen, bereitet aus erhitztem, unverdünntem Serum, und in denen, welche als solche erhitzt waren, in gleicher Weise? Bei Kohle hatten wir keinen deutlichen Unterschied konstatieren können. Tabelle IV. I = Verdünnungen, bereitet aus erhitztem Serum. N = 5 5 „ aktivem Serum und darauf erhitzt. Prozentgehalt der Leukozyten, : NN Flüssigkeiten welche Amylum aufgenommen haben | ee 292 I Unverdünntes inaktives Serum . . 254 x 100 = 64,1 % Sum 1:2 09%p Na... Ä x 100 — 62,4% 0m „a... nn 100 — 52,8% Se re = > 100 — 31,3% ER 202 0) Sn Vene 75100 — 53,9% EN = 100 — 36,7% 2 En 105100 — 2,7% Aus obiger Tabelle ergibt sich, dass, während in einer Ver- dünnung 1:10 bei Nr. I eine Phagozytose von 52,8% erzielt wird, dieselbe in Nr. II 16,1°/o geringer ist; bei einer Verdünnung 1:50 ist der Unterschied sogar 28,6 0a. : Erhitzung wirkt also mehr in verdünntem alsin unverdünntem Serum bei der Aufnahme von Amylum. 5. Einfluss der Expositionszeit. a) Aufnahme in physiologischer Kochsalzlösung bei längerer Einwirkungsdauer. In . physiologischer Kochsalzlösung erzielt man also keine oder nahezu keine Phagozytose von Amylumkörnchen, wenn wir die Leukozyten 15 Minuten auf dieselben einwirken lassen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 7 95 J. Ouweleen: Ist das nun auch der Fall bei einer längeren Ein- wirkungsdauer? Zu dieser Betrachtung wurden die Amylumkörnchen während !/s Stunde, 1!/ı Stunde, 1?/« Stunde, 3 und 4 Stunden der 0,9 Yo igen NaCl-Lösung zur Aufnahme den Leukozyten ausgesetzt: Tohelle v. Sr Prozentgehalt der Leukozyten, Einwirkungs- Flüssigkeiten welche Amylum aufgenommen dauer ‚haben ' | | 8 N fa Stunde | 0,9% NaCl. ....... 363 x 100 = 4,4% N 00 | En 100 — 1,2% | a 100 — 4,2% en a | no 100 — 2,6% en ale “= > 100 — 2,2% "Aus diesen Versuchen muss man also schliessen, dass, wie lange die Einwirkung auch erfolgt, die Pferdeleuko- zyten in physiologischer Kochsalzlösung nicht oder nahezu nicht fähig sind, Körnchen von Amylum oryzae aufzunehmen. b) Aufnahme in Serum bei längerer Einwirkungsdauer. Bei der Aufnahme von Kohle wurde konstatiert, dass geringere Verdünnungen bei längerer Einwirkungsdauer einen günstigen Ein- fluss auf die Phagozytose ausüben gegenüber physiologischer Koch- salzlösung; grössere Verdünnungen aber zeigen dann schliesslich un- eefähr die gleiche Aufnahme wie 0,9°/o NaCl. Welche Wirkung haben Serumverdünnungen bei längerer Einwirkungsdauer auf die Phagozytose von Amylum? Erreichen sie schliesslich alle die gleiche Stärke wie in unverdünntem Serum? Man kann sich die Einwirkung derselben verschieden denken. Sogar eine geringe Quantität fördernder Stoff wird genügen, um auf die Dauer eine maximale Aufnahme zu ergeben, oder man behält Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 99 auch mit der Zeit bei aufeinanderfolgenden Verdünnungen allmählich verringerte Phagozytose. Aus: der nachstehenden Tabelle erhellt das Resultat der Ein- wirkung von Serum und dessen Verdünnungen während !/s Stunde, 1 Stunde und 2 Stunden: Tabelle VI. kin Prozentgehalt der Leukozyten, ; Flüssigkeiten welche Amylum aufgenommen dauer haben 1/ Stunde | Unverdünntes Serum. . . . ‚| Fast alle Phagozyten haben aufgenommen, starke Agglu- tination. 330 1/4 > . Serum 1:10 0,9%0 NaCl . |, 145 x 100 = 73,5 Yo 345 1/4 ” | 2980,93 Yon... „u. 786 << 100 — 71,4 %o 88 1 ; 0 er = 0 la =217:5030,30/07 355° 100 16,3 %/o 0. ni 100 — 3,6% | ln La; >..38:08::0,9) 0... 0.225 | 575 <100 —= 1,7% Ir 700090 een 990% 1 Stunde Unverdünntes Serum. . . . Alle Phagozyten gefüllt mit Körnchen, starke Agglutina- tion. 201 TEE Serum 1:10: 0,9% NaCl . 379 x 100 = 72,0 %0 ? I ...89% .9 0 = — Y TR : 19295 0,300: 795700 80,7 °n 302 ; 0 eng = 0 Ur; =21563501.20939/6 Sa 460 100 — 65,7% I: Ne; a Bes) 0,9 9/0 Zeh 558 53100 = 144% 69 Hagınans „ .1210009%6 „ 449 —- x 100 = 15,4 %/o 29: 2 0 ’ Bee JB () 1 ” 522 1.:,200.,.0:9:9/0.1°=,. 52% | 755 100 6,700 . 10 © \ 0 0 BR; » sPE300n 593 „9 0 — 2,5% 2 Stuuden Unverdünntes Serum. . . . Phagozyten ganz angefüllt, . sehr starke Agglutination. 2 „| Serum 1:10:0,9% NaCl. . 21 >< 100 — 87,50 Terz 100 - - a J. Ouweleen: Tabelle VI (Fortsetzung). Rh here: Prozentgehalt der Leukozyten, Flüssigkeiten ‘welche Amylum aufgenommen dauer halben a1. | 2 Stunden Serum 1:25 0,9 Io NaCl . 505 ><100 = 81,4 %o 1,50 0 Er 100 — 83,0%. ie en, ne 100 — 58,3% Den -. 1:100. 090% 2100 — 14,2% a a | 107 10 69% ln mo | = x 100 a | | | Se 3 Sunnln || Den | 2610 — 41% Das Zählen bei der maximalen Phagozytose in unverdünntem Serum gelingt nieht wegen der starken Agglutination, welche be- sonders bei langer Einwirkungsdauer hervortritt; dann sind jedoch alle Leukozyten und Amylumkörnchen so stark zusammengeklümpert, dass man durchaus keine einzelnen Grenzen mehr erkennen kann. Ebenfalls hemmt in den geringeren Verdünnungen diese noch in ge- wissem Grade eine richtige Zählung; in diesen aber ist das Zu- sammenklümpern auch bei sehr langer Einwirkungsdauer niemals so stark wie in unverdünntem Serum. Bei solch: einer maximalen Auf- nahme sind die Leukozyten mit Körnchen sanz angefüllt bis vier oder fünf, bisweilen bis sechs Stück; alle Leukozyten haben dann aufgenommen, verschiedene kleine Lymphozyten und die meisten Körnerzellen ausgenommen, welche bisweilen ein, selten mehr Körnchen aufgenommen haben. Verdünnungen 1:10, 1:25 und 1:50 erreichen schliesslich gleichfalls diese maximale Aufnahme. Verdünnung 1:75 ist dazu nicht mehr fähig; die Phagozytose in derselben nimmt bei längerer Einwirkungsdauer immer zu und erreicht endlich nach 2 Stunden einen Wert von 58,3 %o. Die Aufpahme in Verdünnung 1:100 ist nach 1 Stunde von 1,7 0/o bis 15,400 gestiegen, ist jedoch nach 2 Stunden nicht erhöht, erreicht also niemals die maximale Phagozytose unverdünnten Serums. Die Aufnahme in Verdünnung 1:200 nimmt nur wenig mehr zu, Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 101 während sie in Verdünnung 1:500 immer der Aufnahme physio- logischer Kochsalzlösung gleichbleibt. flieraus folgert also, dass nur die geringeren Verdünn- ungen zu einer maximalen Phagozytose, gleich derin unverdünntem Serum, fähigsind, während diestärkeren eine Aufnahme ergeben, welche allmählich abnimmt. B. Einfluss des unverdünnten und verdünnten hetero- logen Serums auf die Phagozytose von Amylum. Ferner haben wir beobachtet, wie sich die Phagozytose von Amylum in heterologen Seris verhielt. Wir benutzten als solche, wie wir dies bei der Kohlephagozytose machten, Schweine-, Rinder- und Kaninchenserum und im Vergleich mit denselben Pferdeserum. In diesen Seris, unverdünnt und mit einer 0,9%oigen NaCl- Lösung verdünnt, wirkten die Leukozyten während 15 Minuten auf das Amylum ein, und dann wurde der Grad der Aufnahme festgestellt. 1. Pferdeleukozyten und Schweineserum. Tabelle VII. Flüssigkeiten Prozentgehalt der Leukozyten, welche Amylum aufgenommen haben Br? Be 68 Unverdünntes Schweineserum . . . . 706 x 100 = 16,7 %o 10,0 %0 Serum in 0,9% NaCl... . = x 100 = 61,7% E 194 & » Don ..10,90/6, ©, 350 < 100. — 53,6 %/o 2,0 %o 0,9 %o Bin 100 — 49,8 %o b} » ” 2) ” 245 eu EUlon 0.0900. 5. = < 100 = 52,3 %/o 169 22903, , n 0,9% ,„ 216 x 100 = 40,8% 0,9%. NaCl I U 00 0190, i IR A N Re 731 - 10 a) U 25 SR 390° 100 = 5,1% 238 11] =—-=<1W0 = 52,1% Unverdünntes Pferdeserum I .... oe 100 = 60,9 %/0 213 ” ” II Ye 1097 : J. Ouweleen: Tabelle VIEL (Fortsetzung). NEE Prozentgehalt der Leukozyten, en welche Amylum aufgenommen haben 10,0% Serum in 0,9% NaCl... | 27 >=100 — 58,2% an | x 100 — 34,1% 10 5 li 19 u ee = 100 — 08% In unverdünntem Serum, Pferdeserum sowie Schweineserum, trat bei. den Versuchen der Tabelle VII starkes Zusammenklümpern auf. In unverdünntem Schweineserum ist die Phagozytose bezüglich 0,9 o NaCl nur wenig «efördert; weit mehr beträgt die Förderung bei einer Verdünnung von 1:10, um bei den folgenden Verdünnungen geringer zu sein; jedoch entsteht trotzdem im einer Verdünnung 1:500 eine Aufnahme von 40,8°o, während in Pferdeserum 1: 100 und: 1:500: sogar eine hemmende Wirkung zu bemerken ist. Tabelle VIII. Prozentgehalt der Leukozyten, DL welche Amylum aufgenommen haben 4 3 11 Unverdünntes Schweineserum I... 773° 100 = 2,3% n n u PR: | 375 100 — 320 | 850 10,0 %0 Serum in 0}9'%/0 NaCl I ı —5%x 100: = 77,30 458 x | 540 70,15 %/o 10,0 oa 0,9810 9, De en 3,7 > 100 — 63,0 %/o a ee RS ea 428 5 | | 324 ae SO oe | 258° = — 070 2,0% a I nn ah nd 564 U om ‚56,9 %/o 20% „ „09% „H... I :x1% = 590%o 476 Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 103 Tabelle VIII (Fortsetzung). Prozentgehalt der Leukozyten, en welche Amylum aufgenommen haben FO Sesam in 09% Nacll ... 2,10 — 89% 634 \ 43 9,3 Yo Bo 0906 „I... 715 = 100 — 10,4%) 3 0 0 „GO 32 Sa 0 a Ne a a 795 100 0,6 9/0 03% Be 70900 „ln: 0 % 29, la = 100 09% 520 0,2 %% DS 1 See re er 0 % } 270 Unverdünntes Pferdeserum I... . —— x 100 = 58,2 %/o 464 Te 964 98,7 %/o „ cn lee 2.0 zw = 99,4 %o 10,0% Serum in 0,9% NaClI. . . ns x 100 — 57,9% 500 Ina. oo 0909 m. W. =07 100 — 52,9% Bm 09 l.r. >10 — 55,3% = Ins 0fp mo 09%. UM... 155 > 10 — 49,7% Su ee 4 100 — 70% a 58 36 7,35 %/o er 09%: 1... 27 100 — 7,7% Te BE N ‘ 2 0 Bo 20906 .,.1T.... 0 % Bei den Versuchen der Tabelle VIII trat in unverdünntem Schweineserum nahezu keine Agglutination der Leukozyten auf, während dieselbe jedoch in hohem Grade bei einer Verdünnung 1:10 stattfindet, in mässigem Grade bei einer Verdünnung 1:20. Da- durch und durch die starke Phagozytose sind die Zahlen der Doppel- versuche einigermaassen verschieden. Während unverdünntes Pferdeserum und Verdünnung 1:10 nahezu eine gleiche Stärke der Aufnahme ergeben, zeigt unverdünntes Schweineserum eine Phagozytose, nahezu der in 0,9°/o NaCl gleich; in einer Verdünnung 1:10 dagegen wird ein Wert erreicht, sogar höher als in der übereinstimmenden Verdünnung von Pferdeserum. EHOAE 90 SE ‘J. OQuweleen: Weiter entdecken wir, dass auch in den folgenden Verdünnungen des heterologen Serums eine höhere Phagozytose erreicht wird als in Pferdeserumverdünnungen. Den grössten Unterschied zeigen jedoch die Verdünnungen 1:50. Während bei Schweineserum in einer Verdünnung 1:500 die Aufnahmestärke physiologischer Kochsalz- lösung erreicht ist, ist dies bei Pferdeserum schon bei einer Ver- dünnung 1:100 der Fall. Öbendrein wird dies alles nochmals bestätigt durch Tabelle IX. Tabelle IX. Prozentgehalt der Leukozyten, Tssipbellen welche Amylum aufgenommen haben 13 09:95 NACHHER ee. 5 100 = 3,4% i 386 ° 16 hs 75 0/0 ID ee 39 399° 100 = 4,1% Unverdünntes Schweineserum . . . . — x<100 = 8,8% 10,000 Serum in 0,9% NaCl... . / —. 100 = 63,0 %o 219 20% 0,08% „ 2.2. 1 504 100. > 55,600 1,0% 0,9% | 176 100 — 42,7% I ” ” 9 ” IE \ 412 ‘) 0206 1,000, > <100 — 5,6% ‚Aus all diesen Tabellen geht hervor, dass mit den fördernden Stoffen in unverdünntem Schweineserum auch hemmende Stoffe gegenüber der Amylumaufnahme erscheinen. Die hemmenden Stoffe scheinen nur in Konzentrationen einzuwirken, wie sie in unverdünntem Serum vorkommen, denn schon bei einer Verdünnung 1:10 sind sie nicht mehr nachweisbar. Verdünnung 1:10 ergibt jedoch eine Phagozytose, welche höher sein kann als in unverdünntem Pferde- 'serum oder dessen Verdünnung 1:10. Dass sich in Schweineserum ‚mehr oder die Phagozytose stärker fördernde Stoffe für Amylum be- finden können als in Pferdeserum, geht, zudem aus dem Umstande hervor, dass die Aufnahmestärke wie in physiologischer Kochsalz- lösung in Schweineserum in einer grösseren Verdünnung erreicht wird als in ‚Pferdeserum. Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 105! 2. Pferdeleukozyten: und ‚Rinderserum. „Tabelle X. _ Prozentgehalt der Leukozyten, F ee enen welche Amylum aufgenommen haben „, Unverdünntes Rinderserum SERTERN Starke Konglutination. Einige Leuko- zyten haben phagozytiert + 10. 10,0% Serum in 0,9% NaCl... . . |Sehr starke Phagozytose; Konglutination. ee 0000, n 100 — 52,9% 9 2/0 „ » EI Se ER 100 = 10,390 Boa 0,9%06 .—. . ».. 0 of Ho0n Ne | Da 2 342 er Unverdünntes Pferdeserum . . .. . 4 * 100 = 53,9 %/o i E [3] E 5 10,0% Serum in 0,9% NaCl. . .. - > 100 — 53,2% 5,0 %- ne 0,9 %o an ie 197 x<100 = 48,9 OR N 97 - SU Bo, 0900 ei. |, ya >10 1230 & 18% a 1; Fe 10% on 0,9% ee 508 = 1) Vest Bei den Versuchen obiger Tabelle war es in unverdünntem Schweineserum, wo solch eine starke Konglutination vorkommt, nicht möglich, genaue Zählungen zu machen. Bei grober Schätzung kam es mir vor, dass eine geringe Phagozytose, gewiss nicht höher als 10:00, erzielt worden war. Auch in einer Verdünnung 1:10 zeigte sich wieder ein starkes Zusammenklümpern, ausserdem eine sehr starke Phagozytose, mindestens von: gleicher Stärke wie in.der nämlichen Verdünnung von Pferdeserum. | Die weiteren “untersuchten Verdünnungen ergaben‘ nahezu eine gleiche Aufnahmestärke wie die übereinstimmende von Pferdeserum. Ebenfalls bemerken wir in Tabelle XI, dass unverdünntes Rinder- serum ‚eine viel geringere Aufnahme zeigt als unverdünntes Pferde- serum. In Verdühnungen ist diese aber ‚wieder nahezu. dieselbe! *.! . vs 100- : i J. Quweleen: Tabelle XL Prozentgehalt der Leukozyten, Eluseankeeiten welche Amylum aufgenommen haben 94 3 5; I In beiden starke Konglutination; ge- ringe Phagozytose. . 299 418 Br 100 = 71,7 % 148 Werde 321 5 100 = 57,3 %o: 257 NEN R, 10,0 %/0 Serum in 0,9% NaCl I... lonaseo ION lie el 509/072 5 3.,, U, ge ale 59,35 0/o Unverdünntes Rinderserum I... . 2 100 = + 23,4 %o SO ER SU a nn 100 — 5,3% 6 9,8% a U ee, x 100 — 14,3% ; | Do EEE 10 oo von. 0,9% Nacl I I x10 = 08% IODENach IA nen Se 332 ORTE Lern 0% i 320 ! Unverdünntes Pferdeserum I... . Ze 100 = 70,5 Yo nr Ins; Of ug „ 1.20% ‚77 > 100 — 70,0 90 a | 312 h 10,0% Serum in 0,9%0 NaClI... Tr 100 = 65,9 Yo) _ er Is oh RD dr en, U a 22x10 — 60,1% I >= 100 — 65,1% Er Voss 0 30%, 08% EL. 100 = 6610 20h 5 ML... | rm 170 Er hios 0 20% „09% zZ... 175100 — 22,0%. | Di oa oe: 0 = 05 h En 10 | a Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose von Kohle und Amylum. 107 3. Pferdeleukozyten und Kaninehenserum. Tabelle XH. Prozentgehalt der Leukozyten, un welche Amylum aufgenommen haben E 156 2 Unverdünntes Kaninchenserum I . . FT 100 — 32,4 %/0 | ) , lu Oo se — 30,50 3 * IN... 165 00 30,5 9/0 i 235 ;; en 10,0% Serum in 0,9% NaCl... . 508 100 —= 46,8 lo 2,0% 0,9% 101 100 — 23,3% ’ ” ” $) „ ah Be 433 I az. on 10 = 0 % ES DR 0 AU) a Er 0 % 0,1% ” „09% „.... 8 io R ne 228 e Unverdünntes Pferdeserum I... . Fer 100 = 53,3 %o 299 Vs %o 5 5 I... Tr 100 — 47,8 %o : 269 10,0 %0 Serum in 0,9% NaCl... . 509 > 100 — 52,8 %o 38 AlDUD Ve EDER re 475 10 —= 81% Po , .... 2,x10 = 0 % Dome 0900 , 2 2... 0,9 0 ‚Unverdünntes Kaninehenserum ergibt in obiger Tabelle hinsicht- lich der Amylumphagozytose gegenüber unverdünntem Pferdeserum. eine Hemmung; diese ist aber bei weitem nicht so stark wie in den vorigen fremden Sera, denn Kaninchenserum führt noch eine Auf- nahme von 31,45 %o herbei. Verdünnung 1:10 ergibt eine Stärke nahezu derselben gleich der nämlichen Verdünnung von Pferdeserum; bei Verdünnung 1:50 beträgt sie sogar mehr als in Kaninehenserum. 4. Schlussfolgerung. Aus diesen Untersuchungen über den Einfluss fremder Sera auf die Phagozytose von Amylum bei einer Einwirkungsdauer von 15 Minuten stellt sich also heraus, dass die Aufnahme in diesen 108: J. Ouveleen: Über den Einfluss von Serum auf die Phagozytose usw. Flüssigkeiten in unverdünntem Zustande immer geringer ist als in unverdünntem eigenem Serum,-aber immer noch in gewissem Grade stattfindet. - Weil in physiologischer Kochsalzlösung nahezu keine Aufnahme erzielt wird,‘ ist also bezüglich derselben eine gewisse Förderung zu entdecken. In Schweineserum beträgt diese nur 16,7 /o, 8,8% und 1,8%, in Rinderserum + 10% und + 23,4%. In Kaninchenserum kommt dagegen eine ziemlich starke Aufnahme vor, das heisst 32,4%/o und 30,5 %o. Diese Hemmung bezüglich des eigenen Serums, besteht nur in unverdünntem‘ Serum, denn in einer Verdünnung 1:10 kann man bei allen heterologen Seris keine geringere Phagozytose mehr kon- statieren. Auch bei den übrigen Verdünnungen zeigt sich keine schädliche Wirkung mehr; sogar erreichen die Verdünnungen. des Rinderserums,, sowie die Verdünnung 1:50 des ‚Kanluichenseununs, eine stärkere Phagozytose als die des eigenen Serums.- iu Porges!), welcher die Wirkung fremder Sera auf die Amylum- phagozytose durch ‚Cavialeukozyten nur in unverdünntem Zustande beobachtete und dennoch eine starke Aufnahme in physiologischer Kochsalzlösung konstatierte, erzielte nahezu die gleichen Resultate. Er ermittelte, dass diese Sera gegenüber 0,9 /o NaCl einen hemmenden: Einfluss ausübten, folglich um so mehr noch gegenüber En Serum, welches ja die Aufnahme förderte. Überhaupt besteht also ein grosser Unterschied bezüglich der Wirkung fremder Sera auf die Kollen- und Amylumphagozytose. Während die Kohlenaufnahme sogar eine schädliche Wirkung von Spuren von Serumstoffen empfindet, hat sich dies bei der Amylum- aufnahme ‚nahezu nur auf unverdünntes Serum beschränkt. „.: Die hemmenden Stoffe des’ fremden Serums werden -bei Amylum: nur in..einer grösseren Konzentration ihre schädliche Wirkung ent- falten, so dass dadurch die Wirkung der fördernden Stoffe in un- verdünntem Serum weniger stark als in verdünntem Serum scheint. l u 1) Zeitschr. f. Immun. f. Orig. Bd: 2 8.5. 1909. BR RE RS I a RE ee 109 ıT Marı - Be . ODER oo ‘ A 'E i - ha - al a us u Laboratorium. der. Universität Leiden.) ek a I Re die angebliche positive Stromsehwankung: in der Sehildkrötenvorkammer bei Vagusreizung nebst Bemerkungen über den Zusammenhang zwischen Kontraktion und Aktionsstrom. 4 Von Ww. Einthoven und A. C. A. Rademaker. (Mit 9 Textfisuren und Tafel I.) Inhaltsübersicht. y Seite I. Kinleinig Ste Bee 2 DEREN 109 EI meraeche Notizen 0. , 2... Baal. ce. 111 3. Über einige technische Schwierigkeiten bei der Ausführung der Experi- ERE 5 E ER 113 zeniepKontraktionrder-Lungen. 2... Mn Eee 116 2, Über \Yauo keit A N ee 103 6, Die positive Stromschwankung . . » 2.2.2.2 „ 125 7. Die Formveränderung eines Muskels beeinflusst die Stärke des all Beten Mskelstroms Ja so ss ©. 1135 3. Sehlussbetrachtuhgen u, . . DL... Pr. 2.227189 en der- Tafel N SR ae. rss rd TERN 1 Bay 1 le: er Ban BERAT. : 1° Kinleiimen NE en $ Im’ ‚Jahre 1887 beschrieb Gaskell®) elien merkwürdigen Ver- such. Der linke Vorhof einer Schildkröte wird web-, und’ der: Nechte durehgeschnitten! $o dass er von’ (dem Sinus abgetrennt Wird. "Däbei soll jedoch die Verbinduüg des N. vagus’am Halse mit dem rechten Vorhof unverletzt bleiben. In 'vielen Fällen’ steht'unter diesen Um- ständen der rechte Vorhof einige Zeit still. Während er in'Ruhe ER N DyEh ri: ee! 1) W. H. Gaskell, Über die elektrischen een welche in dem ruhenden Herzmuskel die Reizung des Nervus vagus. begleiten.. Beitr. z. Physiol. - 41837 S. 114. Garl,Ludwig gewidmet. F. 0. W. Vogel, Leipzig.- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 8 110 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: verweilt, lädiert man seine Spitze und bringt diese mit einer un- polarisierbaren Elektrode ‘in Kontakt. Eine andere Elektrode setzt man auf seine unverletzte Oberfläche, und beide Elektroden verbindet man mit einem Galvanomıeter. Während man den Demarkationssirom am Galvanometer abliest, reizt man den N. vagus am Halse, und die Folge ist, dass der Aus- schlag. des Galvanometers sich vergrössert. Sr An diese Erscheinung, die wir kurz den Gaskell- Effekt nennen dürfen, kann man weitreichende Betrachtungen knüpfen. Leitet man von einem Skelettmuskel einen Demarkationsstrom ab und reizt man den zum Muskel gehörigen Nerv, so beobachtet man die all- gemein bekanute Erscheinung der negativen Schwankung: der Demar- kationsstrom nimmt ab. Beim Schildkröten-Vorhof ist jedoch die Schwankung positiv. Die hemmende Wirkung des Vagus und die reizende Wirkung eines motorischen Nervs haben also eine entgegen- . gesetzte elektrische Reaktion. Erzeugt die Erregung einen dissimi- latorischen Prozess im Muskel, so würde nach Gaskell die Vagus- reizung einen assimilatorischen Prozess erzeugen. Und dieser letztere würde die Ursache der positiven Stromschwankung' sein. Zu diesen von Gaskell entwickelten Gedanken möchten wir noch einige Betrachtungen, die sich auf den allgemeinen Zusammen- hans. zwischen Muskelkontraktion und Aktionsstrom bezienen, hin- zufügen. Viele Forscher nehmen an, dass beide letztgenannten Erschei- nungen in gewisser Hinsicht unabhängie voneinander sind und voll- ständig voneinander getrennt werden können. Nicht der Kontrak- tiousvorgang, sondern die Erregung soll mit der Entwicklung eines Aktionsstroms verbunden sein. Der Gaskell-Effekt scheint wohl einen schlagenden Beweis für ihre Meinung zu liefern. Denn wenn die elektrische Schwankung in einer anderen Richtung stattfindet, je nachdem der zum Muskel gehörige Nerv eine erregende oder eine hemmende Wirkung ausübt, während im letzeren Fall kein mecha- nischer Vorgang im- Muskel merkbar ist, liegt es auf der Hand, an- zunehmen, dass der elektrische und der mechanische Vorgang nicht fest: miteinander verbunden, mit anderen Worten, dass die Muskel- kontraktion und der Aktionsstrom zwei voneinander trennbare und in gewisser. Hinsicht unabhängige Prozesse sind. ‚Ausser dem Interesse, das die oben beschriebene Frage für die Elektrophysiologie überhaupt besitzt, hat sie noch ein spezielles Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 111 Interesse für die Physiologie des Herzens. Man kann sie unmittelbar auf unsere Vorstellungen über die Entstehung des E.K.G. anwenden. Das E.K.G. ist jetzt .eine in der medizinischen Praxis vielfach registrierte Kurve, Fast allgemein glaubt man diese nicht als den Ausdruck einer Kontraktionswelle, sondern einer über den Herz- muskel fortlaufende Erregungswelle betrachten zu müssen. Beim Menschen oder beim Tier mit unregelmässiger Herztätigkeit glaubt man oft konstatieren zu können, dass grosse, gleichförmige Erregungs- wellen über den Herzmuskel ablaufen, denen bald eine kräftige, bald eine schwache und bisweilen auch gar keine Systole folgen würde. Wir haben bei einer früheren Gelegenheit!) ziemlich ausführlich unsere von der oben beschriebenen abweichende Meinung über diese ‚Frage auseinandergesetzt. Ohne dass wir behaupten, in diesem Moment unzweideutig dartun zu können, dass es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Aktionsstrom und Kontraktion gibt, weisen wir doch nachdrücklich darauf hin, dass es allen bis jetzt angeführten Beweisen des Gegenteils an genügender Beweiskraft mangelt, In diesem Aufsatze möchten wir hauptsächlich nur einen dieser vermeintlichen Beweise, nämlich den Gaskell-Ffiekt, näher ana- lysieren. ie | 2. Literarische Notizen. Studiertt man die über den Gaskell-Effekt veröffentlichte Literatur, so muss man die merkwürdige Tatsache konstatieren, dass eine Erscheinung, deren grosse Bedeutung für unsere Kenntnis der Herznerven allgemein anerkannt wird, nur von wenig Forschern zum Objekt einer Untersuchung gemacht worden ist. Ausserdem ersehen wir, dass die Ergebnisse der Forscher voneinander ver- schieden sind, während man vielleicht bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte, dass die hier erörterte Frage ganz einfach und leicht lösbar wäre. . ‚Boruttau?) beschränkt sich auf die Mitteilung: „Ausschliess- lich bei letztgenanntem Objekt“ (beim Schildkröten-Herzen) „gelang auch die Registrierung” des klassischen Gaskell’schen Versuchs — positive Schwankung des Demarkationsstroms — am stillgestellten ' 1) Über die Deutung des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 149 5.65. 1913. 2) Boruttau, Über die elektrischen Erscheinungen am Herzen bei der Vagusreizung. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19 S. 301. 1905. S*+ 112 =: eu: "MW. Einthoven,und A.:C. Al BRademaker::e +; PP re ‘Vorhof während der Vägusreizung.“ ..Dabei gibt .er-aber weder: eine ‚Beschreibung, des Versuchs noch Zahlen oder Kurven, so ‚dass; man leider nicht in«den Stand: gesetzt: wird, sich über den Wert E: Mitteilung ein«eigenes :Urteil' zu bilden. Dr er: Die. einzigen Forscher, die, ihre Experimente besehrann Bat dabei soviel:wie möglich versuchen, die von Gaskell angewändte ‚Methode zu befolgen, sind Meek und Eyster!). Sie verwenden ‚bei ihrer Untersuchung das Saitengalvanometer und’ registrieren die erzielten Stromschwankungen‘ auf die übliche Weise photographisch. Das bedeutet einen technischen Fortschritt in, Beziehung zur Arbeit von Gaskell, der 25 Jahre früher genötigt wär, bei jedem Ver- such eine Anzahl einzelner Wahrnehmungen zu verrichten und mittels (der auf diese Weise erhaltenen Ergebnisse seine Kurven zu konstruieren. In gewisser Hinsicht sind die Kurven von Meek und Eyster komplizierter als diejenigen von Gaskell. Sie schneiden den linken Vorhof nicht weg, sondern binden ihn zusammen mit dem Sinus ab. Der linke Vorhof fährt während ihrer Versuche zu klopfen fort, und da diese Bewegungen den Stand der Saite beeinflussen, beobachtet man in ihren Kurven ausser dem zu studierenden Effekt nöch rhyth- mische Erhebungen, deren Grösse und Frequenz ebenfalls durch Vagusreizung verändert werden. Sofern uns bekannt ist, haben alle anderen Forscher die ur- ‚sprüngliche Gaskell’sche Methode etwas abgeändert, indem sie ‚rhythmisch klopfende, anstatt stillgestellte Kammern oder Vorhöfe untersuchten. a otech®) nahm den klopfenden Schildkrötenvorhof und“ die ‚durch rhythmisch angebrachte künstliche Reizung im Klopfen ver- setzte Froschkammer. Bei seinen letztgenannten Versichen wandte er die Rheotom-Methode an. r | Ein empfindliches , langsam ausschlagendes Galvanometer ver- ‚band, er, „mittels. ‚unpolarisierbarer Elektroden mit zwei Stellen der ‚Kammer, während er den auf diese Weise „gebildeten Kreis jedesmal "nur in der Phase der Diastole kurze, Zeit schloss. Der Galvano- ‚meterausschlag, wurde, ‚sowohl bei ruhendem als bei gereiztem Nervus "Vagus beobachtet. TE ; DW. J.iMeek :and' J.. A. E. Eyster, Electrical changes „in the heart during vagus stimulation. Americ. Journ. of Physiol. vol. 30 p. 271. 1912, , > 2) @ötch, Inhibition of be heart. Proc, of the Physiol. Soc. July 2, 1887. The Journ. of Physiol. vol. 8 p. XXVI. EEE DR i Über die angebliche pos. Stromschwankupg in-der'Schildkrötenvorkammer usw. 113 Burdion-Sandersion !), dessen’ Methode derjenigen von@ oteh, sehr ähnliehlist, führte den Versuch bei einer verletzten und also einen Demarkationsstrom zeigenden Frosehkammer aus. «Taljanzeff?) uahm die unverletzte; klopfende Frosehkammer, und Sam ojloff®),; der bei seiner Arbeit das Saitengalvranometer ‘verwendete, verglich insbesondere die Effekte, die er bei verletzten,. mit- denjenigen, die er bei unverletzten, klopfenden Kainmern erzielte. Zum Schluss erwähnen :wir Sehürholz*) und Fano md Ed 5). Die beiden letzten Forscher berücksichtigen bei ihrer Arbeit hauptsächlich die rhythmischen Tonusschwankungen des Schildkrötenvorhofes. ; 7 a Wie wir schon bemerkten, laufen. die von den verschiedenen Forschern gewonnenen Ergebnisse ..auseinander. Bevor wir deren Ursachen erklären, mag- zuerst eine ausführliche Analyse der Gas- kell’schen Experimente selbst folgen. 3. Uber einige technische Schwierigkeiten bei der Ausführung - der Experimente. Als wir anfingen, den Gaskell-Effekt bei ein paar Schildkröten- arten, Emys europea und Testudo graeca, zu untersuchen, gelang es uns zwar wiederholt, bei Vagusreizung eine positive Strom- schwankung des verletzten rechten Vorhofes zu bekommen, aber trotzdem konnten die Ergebnisse unserer Versuche uns nicht be- friedigen. In Vergleichung mit den Aktionsströmen der Kammer oder Vorhof- muskeln waren die zu messenden positiven‘ Potentialschwankungen klein. Dies ergab im Hinblick auf ein empfindlich gestelltes Saiten- galvarometer keine Schwierigkeit und war nach den nn 1) Burdon-Sanderson, Proc. of the e Physiol. Soc. July. 2, 1887. The Journ. of Physiol. vol. 8 p. XXVII. 2) A. Taljanzeff, Beitrag zur Lehre von der Nahe ar hemenden - Wirkung des Vagus auf das Herz. Arch. f. Physiol. "Bd. 10 Suppl. S!'31.' 1886. 3) A, 'Samojloff, Die Änderung der Stärke des Demarkatiönästromes des lenyentukels durch Vagusreizung. Zentralbl. f. a Bd. 27 Nr. 11 S. 575. 1913. 4) N. Schürholz, Das elektrische Verhalten des anche ‚während des Vagusstillstandes. Arch. E Physiol. 1914 S. 380. 5) Fano et ‘Fayod, De quelques rapports entre les: proprietes Cönträctiles et les propri6tes eleetriques des oreillettes du cur. "Arch. ital. de’ Biol. ug p. 143. 1888. / 114 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: die Goteh und Burdon-Sanderson über den Gegenstand ver- öffentlicht haben, auch schon zu erwarten. Wern nur die Ergebnisse einigermaassen konstant gewesen wären, dürfte der geringe Wert an und für sich zu keinem Zweifel Anlass geben. Aber bald erreichte die positive Schwankung ein paar Zehntel eines. Millivolts, bald einen mehr als zehnfach geringeren Wert, und ausnahmsweise konnten wir auch wohl eine negative Schwan- kung anstatt der positiven konstatieren. Solche Unterschiede dürften nicht ohne eine vorhergehende gründliche Untersuchung durch individuelle Verschiedenheiten der von uns verwendeten Schild- kröten erklärt werden, um so weniger, da es sich hier um eine wichtige physiologische Erscheinung handelt, von welcher wir er- warten müssen, dass sie sich bei allen Wirbeltieren analog zeigt. Es lag also auf der Hand anzunehmen, dass wir die Versuchs- technik nicht genügend beherrschten. Könnte es vielleicht kleine, scheinbar unbedeutende Unterschiede in der technischen Ausführung des Versuchs geben, die einen ungeahnt grossen Einfluss auf das Resultat ausübten ? Dies zu entscheiden, versuchten wir viele Abänderungen sowohl in der Methode, nach welcher das Herz präpariert und der Strom abgeleitet wurde, als in der Methode der Reizung; auch die Ver- suchstiere selbst untersuchten wir sorgfältig, während wir zum Bei- spiel auch ihre Körpertemperatur erhöhten und erniedrigten. Bevor uns jedoch die wahre Ursache der Stromschwankung deutlich geworden war, blieben all diese Bemühungen vergebens. Gaskell selbst hat schon auf vorzügliche Weise gezeigt, dass bei seinen Versuchen die Stromsehwankung nicht die Folge einer mangelhaften Isolierung war. Es waren keine Stromverzweigungen vorhanden, welche sich eventuell von den Reizungselektroden nach dem Galvanometer hin ausbreiten könnten. Denn den Vagus kann ınan bei der Schildkröte über eine grosse Länge isolieren, während man die Reizelektroden an den peripheren Stumpf des durchschnittenen, langen, dünnen Nervs anlegen kann. Die Bedingungen sind also besonders günstig, um Verzweigungen des Reizungsstromes nach dem Galvanometer zu vermeiden. Wurde die Kontinuität des Vagus unterbrochen oder’der N. accelerans anstatt des Vagus gereizt, so blieb die positive Strom- schwankung aus; ebenso wenn Atropin auf den Vorhof geträufelt wurde. Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 115 ‘Diese Beweise sind entscheidend. i Es darf hier jedoch daran erinrert werden, dass bei Vagus- reizung noch andere Organe als das Herz im Tierkörper reagieren. Die Lungen, der Ösophagus, der Magen, der Darm kontrahieren sich und wenn man die unpolarisierbaren Elektroden auf zweck- mässige Weise mit einem dieser Organe verbindet, kann man ohne Mühe bei Vagusreizung die Entwicklung ziemlich starker Aktions- ströme von einigen Millivolts Spannung konstatieren. Es wäre im allgemeinen nicht undenkbar, dass von den ernannten Organen Stromverzweigungen nach dem Vorhofe stattfinden. Man könnte tatsächlich den Vorhof wohl auf solche Weise im Schildkröten- körper hinlegen, dass die Stromverzweigung im Galvanometer merkbar wird; aber bei den von Gaskell ausgeführten Versuchen ist diese Sachlage doch praktisch ausgeschlossen. Der rechte Vorhof ist vom Sinus getrennt und seine Spitze mittels eines Fadens aufgezogen, wodureh er zu einer dünnen Röhre gedehnt wird. Diese dünne Röhre ist mit ihrer unteren Seite nur durch eine schmale Brücke mit dem Versuchstier verbunden und befindet sich übrigens frei in der Luft. Unter diesen Umständen. hat man keine merkbare Ab- zweigurg von den Aktionsströmen der inneren Organe une dem, rechten Vorhofe zu befürchten. Ebensowenie können wir es bei unseren Kxpermenten ee Strömverzweisungen zu tun gehabt haben, die vom N. vagus selbst oder vom N. coronarius ausgingen. Es blieb uns lange rätselhaft, wie die zwar kleinen und nicht immer konstanten, sondern doch in der Regel wohl von uns beobach- teten positiven Ergebnisse -— womit -Gaskell’s Versuche bestätigt zu werden schienen — erklärt werden mussten. Die fortgesetzte. Untersuchung brachte jedoch schliesslich die Lösung. Als wir sorgfältig untersuchten, ob das Präparat während : der Vagusreizung wohl vollkommen in Ruhe blieb, zeigte sich bald, dass das nicht der Fall war: Ein nach Gaskell präpariertes Schildkröten- herz liegt: noch teilweise auf dem. .aufgeschnittenen Perikardium. Dieses: ist mit den die Körperhöhle von der Bauchseite bedeekenden Häuten verwachsen. Bei Vagusreizung kann man ein langsames Einsinken dieser, Häute beobachten, während nach. dem Aufhören der Reizung .eine noch langsamere Rückkehr, nach: dem ursprünglichen Niveau. stattfindet. TR n # . „Durch ‚das Wegsinken des Plain ira den, mittels eines 116 - ! = W. Einthoven und A. CxA: Rademaker:i, = Fadens fixierte rechte Vorhof ein wenig-&edehnt. Kommt das Per- kardium wieder ‚auf sein ursprüngliches Niveau zurück, so nimmt auch der rechte Vorhof: wieder die Form -und die m an, die: er vor. der Vagusreizung hatte: - = . 23 Die hier beschriebene Dehnung des rechten Vorhofes ist die: Ursache der positiven Schwankung des Vorhofstromes. — N Die. Bewegung, die man an den genannten Häuten beobachtet, hat eine Amplitude von ein paar Millimeter oder bisweilen sogar: mehr und ist sehr langsam. Sie beansprucht eine Zeit, die man mit Minuten misst, wodurch sie sehr wenig auffallend: ist. Sobald wir die Ursache des Gaskell-Effekts erkannt hatten, verschwanden alle technischen Schwierigkeiten bei der Ausführung des Versuchs. 4. Die Kontraktion der Lungen. Die im vorigen Kapitel beschriebene Bewegung der das Herz tragenden Unterlage wird durch die Kontraktion der Lungen des Versuchstiers verursacht. | Man töte eine Schildkröte, lege das Tier auf seinen Rückenschild, entferne den Brustschild und präpariere die Häute einigermaassen weg, welche die Lungen bedecken. Diese letzteren werden dann teilweise sichtbar und zeigen sich als mit Luft gefüllte blasen) Organe. ve | Reizt man den linken Voss so beobachtet man, dass die Lunge derselben Seite sich verkleinert, um nach der Reizung ungefähr ihr ursprüngliches Volumen wieder einzunehmen. Reizt.man den rechten Vaeus, so beobachtet man die gleichartigen- Bewegungen an der rechten Lunge. Die Lungenbewegungen sind ausdchreignn leicht ale aber ‚sehr langsam; die Rückkehr zum ursprünglichen Volumen findet langsamer statt als die Verkleinerung, und der ganze: Vorganz dauert ungefähr 8 oder 4-Minuten. Die genauen zeitlichen Verhältnisse können wir leicht. mit Hilfe von Kurven ‚angeben. Bevor wir einige von diesen abbilden, möchten wir. aber die Umstände erörtern, die den Verlauf des: Versuchs beeinflussen. Be : Die Weise,’ auf welche man das. Tier ı tötet und! fixiert, ‚kann vielleicht dazu beitragen, dass die Lungen mehr oder weniger luft- haltend bleiben. Wir töteten unsere Versuchstiere . gewöhnlich durch einen Stich in das verlängerte Mark “und Zerstörung des"Gehirns, - Über die ar gebliche pos. Stromsichwankung imder-Schildkrötenvorkammer usw. 117 lesten sie danach mit! dem: Rückenschild .auf einen mit einer passenden Höhlung verseheien ;Holzblock‘; entfernten den "Brustschild und streckten .die”Füsse. nach‘vier: Seiten. :Die: medianwärts aussteckenden, das Operationsfeld: en oralen Knochen der Va können wezgenommen -werden.;... %.. im := Ist. durch Anhäufung von: Schleim. oder der zufällige Umstände das Kopfende ‘der Luftröhre ‚abgeschlossen, so stehen: die Lungen nicht mit der Aussenlüft, sondern wohl miteinander: in: Verbindung. Dies hat zur Folge, dass, wenn eine Lunge sich kontrahiert, diese die Luft nach der anderen treibt. Verkleinert die linke Lunge sich, so vergrössert sieh die rechte, und umgekehrt. Man braucht sich selbstverständlich‘ nicht von zufälligen Um-: ständen abhäneig zu machen und kann im getöteten Tier die Luft- röhre entweder öffnen oder zubinden. Um im letzteren Fall die Bedingunsen für das Gelingen des Versuchs möglichst günstig zu machen, kann man die Lungen zuvor mit mehr oder weniger Luft aufblasen. Auf diese Weise ausgeführt, bleibt der Versuch doch noch einfach, während er zugleich anschaulich ist, so dass er sich besonders sut zu einer Demonstration eignet. Wir änderten ihn auch noch auf andere Weise ab. Man kann die Trachea luftdieht mit einer grossen leeren Flasche verbinden — zum Beispiel mit einer Schwefelsäureflasche von 60 oder 100 Litern Inhalt — und den Druck in der Flasche so regeln, dass die Lungen sich zweckmässig ausdehnen. Reizung des einen Vagus ruft unter diesen Umständen wieder eine Verkleinerung der Lunge derselben Seite her- vor, aber — wie auch zu erwarten ist — ist dabei die Vergrösserung der anderen Lunge viel geringer als bei zugebundener Trachea. Hat man die mit der Flasche, verbundenen Lungen genügend aufseblasen, und reizt man beide Vagi gleichzeitig, so kontrahieren sich beide Lungen so stark, dass, das Herz: mehr als 1 cm sinkt. " Die Zusammenziehung ‚der kontraktilen Elemente in der Schill- krötenlunge ist der Bronchialmuskel-Kontraktion bei den Säugetieren analoe. Letztere Erscheinung haben mehrere Forscher ausführlich untersucht). Wir dürfen nieht annehmen, dass sie denjenigen Phy- siologen, welche‘ die, Schildkröte zum Untersuchungsobjekt wählten, unbekannt war, können aber nicht umhin, auf den merkwürdigen 1) Vgl.!Über die Wirkung der Bronchialmuskeln, nach’einer neuen Methode untersucht, und über Asthma nervosum. Pflüger’s Arch. Bd. 51 S. 367. 1892. 118. W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: | Umstand hinzuweisen, dass in den Arbeiten, die über die positive Stromschwänkung des Vorhofs handeln, die durch Lungenkontraktion verursachten Bewegungen mit keinem Worte erwähnt werden. ‚ Von den zahlreichen zu unserer Verfügung stehenden Kurven wählen wir drei aus, die alle bei Exemplaren von Testudo graeca und bei geöffneter Trachea registriert worden sind. Es verdient jedoch Erwähnung, dass die Versuche mit Emys SUDODER vollkommen ähn- liche Versuche ergeben. | CAR Fig. 1. Testudo graeca. Trachea geöffnet. S Signal; 7 Zeitlirie, in welcher die Distanz zwischen je zwei vertikalen Strichen den Wert von 1 Sekunde hat; A rechter Vorhof; V Kammer; P Lunge. Die Erhebungen von A, V und P entsprechen den Kontraktionen resp. des Vorhofs, der Kammer und der Lunge. Zwischen R und AR, wird der peripherische Stumpf des durchschnittenen rechten Vagus gereizt. ven ION ARD) In Fig.1 bedeutet $ das Signal und T'.die durch einen Jacequet'- schen Apparat geschriebene Zeitlinie, in welcher die Distanz zwischen je zwei vertikalen Strichen gleich 1 Sekunde ist). "' Die äusserste Spitze des rechten Vorhofs ist mit einem feinen Faden unterbunden. An dem freien Ende (des Fadens ist ein Hebel befestigt, der auf zweckmässige Distanz über das Versuchstier auf- gestellt ist. Mit Hilfe dieses'Hebels registriert man’ die Kurve 4, 1) Die Figuren 1, 2 und 3 sind .bei der Reproduktion auf °/4 der,ursprüng- ' lichen Grösse reduziert worden. Si EEE NN Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 119 und zwar auf solche Weise, dass jede Vorhofkontraktion eine Hebung hervorruft. Ein Punkt der Kammer schreibt auf ähnliche Weise die Kurve VY. Jede Hebung der Kurve entspricht hier wieder einer Kontraktion des Organs. Endlich hat man noch ein kleines Stückchen der kranialen, lateralen Spitze der rechten Lunge mit einem Faden unterbunden. Der an diesem Faden befestigte Hebel schreibt die Kurve £, und auch hier entspricht jede Erhebung der Kurve einer Kontraktion des Organs. Zwischen R und ZA, wird der peripherische Stumpf des über eine srosse Länge isolierten, hoch am Halse durchschnittenen rechten Vaeus gereizt. Schon bald nach dem Anfang der Reizung hören der Vorhof und die Kammer zu klopfen auf, und kurze Zeit später beeinnt die Kontraktion der Lunge. Die Dauer der verschiedenen latenten Stadia muss man mittels Ausmessung der Nullpunkte be- rechnen, und auch dann noch kann man sie nicht leicht mit grosser Genauigkeit ausfindig machen. Die letzte Vorhoferhebung vor dem Stillstande ist niedriger als die vorherigen Erhebungen, woraus man schliessen muss, dass während dieser letzten Kontraktion die Vagusreizung ihren Einfluss schon auszuüben angefangen hat. Dies findet 2 Sekunden nach dem Beeinn der Vagusreizung statt. Die Steigerung des Lungenhebels fängt noch ungefähr 1,5 Sekunde später an. Sie erreicht ihr Maximum; nach etwas mehr als einer halben Minute, während die Lunge ihr ur- sprüngliches Volum erst wieder nach 3 bis 4 Minuten zurückerlangt. Der Vorhof und die Kammer führen — abgesehen von dem Stillstande ihrer rhythmischen Klopfungen — Bewegungen aus, die im allgemeinen mit der Lungenbewegung übereinstimmen. Während die Lunge sich kontrahiert und einsipkt, sinkt das ganze Herz mit, da es auf den die Lungen bedeckenden Häuten ruht. Eine abwärts gerichtete Bewegung der Organe erzielt eine Erhebung der durch sie registrierten Kurven, und so ersehen wir, dass Vorhof- und Kammer- kurve beide eine langsame Steigung zeigen, die ebenso wie die Er- hebung der Lungenkurve nach ungefähr 3 bis 4 Minuten zu Ende ist. | Die Übereinstimmung in den‘Kurven des Herzens und der Lunge ist jedoch nicht vollkommen: insbesondere fangen: die Herzkurven merklich später sich zu erheben an, während auch das Maximum der Steigung erst geraume Zeit nach dem zugehörigen Maximum der Lungenkurve erreicht wird. 120 2 W, Einthoven!undA. C."A.-Rädemaker!.: - Dies braucht "uns jedoch nicht zu verwundern, da das Herz auf beiden Lungen ruht, während nur eine von beiden sich kontrahiert. Hierdurch entwickelü sich mechanische Verhältnisse, welche die gegen- seitige Inkongruenz der Kurven erklärlich ihachen!. Es gibt ausser- dem noch andere Umstände, welche die Form der Kurven beeinflussen. Einer:von diesen mag hier kurz erwähnt werden: das. Aufhören der ıhythmischen Vorhof- und Kammerklopfungen. ©i ©. ° Sowohl der Vorhof als die Kammer klopfen mit einer derartigen Frequenz und Zelerität, dass die Hebel keine Gelegenheit erlangen, während der Diastole des Herzens'eine horizontale Linie zu schreiben: bevor sie als Folge der Diastole in Ruhe gekommen sind, werden sie durch eine neue Kontraktion wieder aufwärtsgetrieben. Nament- lich die Kammerkurve zeigt scharfe, abwärts gerichtete Spitzen. Erst wenn das Herz stillgestellt wird, kann die Lage der Hebel die vollständige Diastole des Herzens anzeigen. Die Hebel können dann frei sinken, und zwar so lange, bis die Lunzenkontraktion sie wieder nötiet, eine aufsteigende Kurve zu schreiben. Beide Einflüsse — Sinken wegen der Diastole und Aufsteigen wegen der Lungenkontraktion — wirken einander anfänglich entgegen, was viel dazu beiträgt, Unterschiede in der allgemeinen Form der Herz- und Lungenkurven hervorzurufen. Das nach Vagusreizung anfänglich auftretende Sinken der Vorhof- und Kammerkurven ist in der Figur deutlich ersichtlich. Jetzt mögen noch einige Bemerkungen anderer Natnr folgen. Nach: dem Stillstande stellen sich (die Kontraktionen des Vorhofs und der Kammer auf verschiedene Weise wieder her. Der Vorhof besinnt mit einer schwachen Kontraktion, der allmählich stärkere folgen. Die Kraft- der Zusammenziehungen -nimmt. langsam zu, und erst nach geraumer Zeit, ungefähr 3 bis 4 Minuten, erreicht der Hebelausschlag ‚wieder die Höhe als vor der Reizung. BER Die Kammer zeiet dagegen schon bei ihrer ersten Kontraktion nach dem Stillstande ihre volle Kraft. Könnte man die'Grösse des Hebelausschlags als ein genaues Maass für die Kraft der Kontraktion ansehen — was jedoch aus guten Gründen bezweifelt werden darf!) —, so sollten die ersten -Kammersystolen nach dem Stillstande sogar noch stärker als die vorhergehenden sein. - le Er a) Man vergleiche" die auf 8. 132 bei ‚der any der Fig. 3 der Tafel gemachten Bemerkungen. ; Über die an gebliche,pos, Stromschwankung in:der; Schildkrötenvorkammer usw. 121 Dass bei der Schildkröte, der Vagus; einen; ihedeutenden Einfluss auf die Kraft der Vorhofkontraktion ‚ausübt, ist in vollkommener Übereinstimmung mit den Priehrungens die man benSauselierherzen gemacht hat). RE Ten N sg ar: Die Form der durch: 1 hineen essen Kurve: ist — es gesehen von der Gesamtdauer: — einem. gewöhnlichen - «Myogramm ähnlich: nach dem latenten Stadium zuerst ein steilerer anakrotischer -Teil, dem sodann ein. weniger steiler katakrotischer-Teil folst. Die Dauer der Reizung wird wohl einigen Einfluss auf die Form der Kurve ausüben. Mehrere Versuche haben uns gezeist, dass man eine lang anhaltende, schwache Reizung mit grösserem Erfolg an- wenden kann als eine kurze und starke. Ein einziger kräftiger Induktionsschlag ist im allgemeinen nicht zweckmässig, was wohl der sehr langsamen Bewegung der kontraktilen Elemente der Schild- kröten entspricht. Wir reizten gewöhnlich mit Wechselströmen von 50 Perioden per Sekunde und hielten den Reiz von mehreren Sekunden bis auf eine halbe Minute an. In Fig. 1 dauerte der Reiz 15 Sekunden und war dabei so schwach, dass er gerade noch hinreichte, einen Herzstillstand hervorzurufen. Auch schwächere Reizung, wobei der Effekt auf die Kammer ausbleibt und die Vorhöfe nur eine geringe Kraftverminderung zeigen, ist noch imstande, eine deutliche Lungen- kontraktion zu erzielen. Träufelt man eine genügende Menge oe pelisung auf das Herz, so dass das Atropin auch in die Lungen durchdringen kann, so hört “die Vaguswirkung nach einigen Minuten auf. : Vermeidet man da- geren den Seremen von Atropin nn ähnlichen Stoffen , so bleibt die Fähigkeit der Lungen, auf Vagusreizung zu ‚reagieren, während längerer Zeit! — vermutlich | sogar, während einiger "Tage nach dem Tode; des Versuchstieres —. erhalten;,ı Wir !'konnten ‚jedenfalls bei 'einem:Präparate, das. scho 248tundea . alt ‚und!, nicht, besonders versorgt worden war!, noch ein, ‚sei; es. 'auch ‚schwaches, positives ‚Resultat erzielen. Dass der Lungenvagus seine Fähigkeit solange -behält,; ist um so merkwürdiger, da die hemmende „Wirkung, des Vacus auf das Herz verhältnismässig schon bald aufgehoben. ist. >T = ren ae N‘ 1) Man vergleiche: Le Telecardiogramme. Arch, intern! de Physiöl, 4 p. 132. 1906, 'und: Weiteres über das Elektrokärdiogranim.)/Pflüger’s Be ?. d. ges. Physiol. Bad. 122 S. 517. 1908. meer tab nr 1223. W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: In Fig. 2 reproduzieren wir die Bewegungen eines Schildkröten- herzens, das offenbar schon viel gelitten hat. Die Bedeutung der Kurven entspricht derjenigen der Fig. 1. Die Vorhöfe A klopfen langsam und unregelmässig, Die Unregelmässiekeit hat einen eigentümlichen Typus und zeigt sich durch die Bildung von Gruppen dicht nebeneinanderstehender Vorhofzacken. In der Fig. beobachtet. man eine Gruppe von drei und einige von zwei Zacken. Die Kammer V zeigt eine noch niedrigere Frequenz als der Vorhof. Fig. 2, Ein anderes Exemplar von Testudo graeca. Zwischen Rund R, werden die peripherischen Stümpfe der beiden durchschnittenen Vagi gleichzeitig gereizt. Die Bedeutung der Buchstaben ist übrigens dieselbe wie in Fig. 1. '' Zwischen R und R, werden die peripherischen Stümpfe der beiden durchschnittenen Vagi während ungefähr 25 Sekunden ge- reizt. Der reine Effekt wird jetzt weniger beeinträchtigt, als es in der Fig. 1 durch die frequenten Klopfungen des Herzens der Fall ist,-: und man beobachtet, dass die Erhebungen der drei Kurven ungefähr gleichzeitig ihr Maximum erreichen. Das latente Stadium der Erhebung dauert für jede der Kurven rund 5 Se- kunden. | | Zum Schluss reproduzieren wir in Fig. 3 die Bewegungen, die ‘wir. von einem Präparat. erhielten, das nach der Methode von Gas- kell stilleestellt worden war. Die Bedeutung der Linien ist wieder vollkommen derjenigen der Fig. 1 und 2 gleich, so dass eine nähere Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 193 Beschreibung überflüssig ist. Zwischen R und R, sind beide Vaei während ungefähr 20 Sekunden gereizt‘ worden. Der Höhepunkt der: Lungenkontraktion fällt hier nicht in dieselbe Zeit wie der Höhepunkt der Vorhof- und Kammererhebungen, was wir den speziellen mechanischen Verhältnissen zuschreiben müssen, die bei dem Versuch vorhanden. waren und welche die Erscheinung zwar in der Form, nicht aber in ihren Wesen beeinflussen. Fast beim Ende der Figur zeigt die Kammer noch eine Systole, welche auch der: Vorhofkurve eine kleine Erhebung erteilt. Fig. 3. Gaskell-Präparat von Testudo graeca. Zwischen R und R, Reizung der beiden Vagi. Die Bedeutung der Buchstaben ist wie in Fig. 1. 5. Über Vorhoftonus. Wir können nicht umhin, anlässlich der im vorangehenden Kapitel abgebildeten Kurven mit ein paar Worten die, Frage des Vorhoftonus und dessen Schwankungen zu erörtern. . Im Jahre 1887 beschrieb Fano 1) einige mit aherlehenden Schildkrötenherzen angestellten Versuche, aus welchen er den Schluss zog, dass die Vorhöfe ausser ihren gewöhnlichen rhythmischen Kontrak- tionen noch einen gewissen Tonus zeigen sollten. Nach Fano ist die Vorhofdiastole nieht eine vollständige Erschlaffung der Wand dieses. 1) G. Fano, Über Tonusschwankungen der Atrien des Herzens von Emys europaea.. Beitr. z. Physiol. 1887 S. 287.. Carl Ludwig gewidmet. F. C. W. Vogel, Leipzig. ER, :.W, Einthowen.und ArQs A, Rademakeaz !: 5: 7 Organs, sondern, die, Muskelmässe bleibt. unter dem. Einflusse eines Tonus, der selbst rhythmischen Schwankungen unterlegen sei. 'Die Tonusscehwankungen, die: nur unter, bestimmten Umständen, zum _ Beispiel durch eine teichte ;‚Unterbindun& der Atrioventrikulärerenze oder durch einen Drück auf diesen Teil hervorgerufen würden, hätten eine.bedeutend geringere Frequenz als die gewöhnlichen -Kontraktionen. Sie seien auch nicht so regelmässig. ° 4 IR Die Vorstellung, dass eine Muskelfaser zwei Asten: von Konträktion ausführen könne — die gewöhnliche, schnelle oder. mässig schnelle Kontraktion und die langsame tonische —, welche beide Kontraktions- arten eine gewisse Unabhängigkeit voneinander besässen, ist in Übereinstimmung mit den namentlich in den letzten Jahren von vielen Forschern vertretenen Anschauungen. Wir lassen diese Frage in ihrer Allgemeinheit aber besser unbesprochen und beschränken uns hier auf die Vorhöfe. Seit man!) dargetan hat, dass sich dicht unter dem Endokardium der Vorhöfe eine Lage glatter Muskeln befindet, die als eine Fort- setzung der Tunica media der in die Vorhöfe mündenden grossen Venen betrachtet werden muss, kann die Vorstellung über die Tonus- schwankungen des Schildkrötenvorhofes nicht länger aufrechterhalten werden. Es liegt auf der Hand anzunehmen, dass die gewöhnlichen Vorhofkentraktionen durch die querzestreiften Fasern ausgeführt, währena die dem Tonus und den Tonusschwankungen zugeschriebenen Erscheinungen durch die Kontraktionen der genannten Lage elatier Muskeln hervorgerufen werden. Über den Einfluss des Vagus auf den sogenannten Tonus sind die Meinungen geteilt. Um diesen Einfluss zu untersuchen, benutzt man ein ziemlich grosses Präparat, in welchem sich der Kopf, der Hals und das Herz (des ‘Verstichstieres noch im Zusammenhang miteinander befinden, oder inan lässt das Herz in situ liegen. Namentlich im letzteren Fall ist es deutlich, dass die Lungenkontraktion ‘die Lage der die Vorhofspannungen registrierenden Hebel beeinflussen muss. Aller’ Wahrscheinlichkeit nach war die sogenannte 'positiv-tonotrope Vagustätiekeit 'bei vielen ‘der beschriebenen Versuche nichts anderes als eine durch Vagusreizung hervorgerufene Kontraktion der Muskel- fäsern in’ der Lunge. di A | 1) Man vergleiche unter anderem: E. Th.v. Brücke, ‚Beiträge zur Physio- logie der autonom innervierten Muskulatur. II. Soroku Oinuma, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 500. 1910. Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 195 6. Die positive Stromsehwankung. In untenstehender Fig. 4 findet man ein Beispiel der positiven Schwankung des Vorhofstroms. Die Schildkröte und ihr Herz wurden nach der in den vorigen Kapiteln schon beschriebenen und den Vor- schriften Gaskell’s entsprechenden Methode präpariert, und die Spitze des stillgestellten rechten Vorhofes wurde durch Zerquetschung mittels einer Flachzange getötet. Man hat eine Elektrode an diese Spitze, die andere an eine unverletzte Stelle des Vorhofs angelegt, den Demarkationsstrom zum Betrage von 3,6 Millivolt kompensiert und die Galvanometerverbindungen auf solche Weise angebracht, dass eine positive Stromsehwankung — also eine Verstärkung des Demarkationsstroms — das Saitenbild aufwärtsbewegt. cr Fig. 4. Gaskell-Präparat. P Kurve des Perikardiums; E Elektroatriogramm; S Signal. Zwischen R und R, Vagusreizung. Bei © eine Kammerkontraktion. Abszisse: 1 Skalenteil = 1 Sekunde; Ordinate: 1 Skalenteil = 0,016 Millivolt. Die Kurve # gibt den Vorhofstrom an. P ist die Schattenlinie, die ein Hebel schreibt, welcher mittels eines schwach gespannten Fadens an einem Punkte des Perikardiums befestigt ist. Wenn das Herz sinkt, spannt sich der Faden stärker und verschiebt sich die schreibende Hebelspitze aufwärts. Man hat das Herz ein wenig nach rechts gelegt, und der mit dem Schreibhebel verbundene Punkt des Perikardiums liegt rechts und kaudal vom Herzen. Die Trachea ist von der Aussenluft abgeschlossen. Zwischen R und AR, reizt man während 15 Sekunden den peri- pherischen Stumpf des rechten Vagus. Man beobachtet, dass die Kurven EZ und P ungefähr 4 oder 5 Sekunden nach dem Anfang der Reizung aufsteigen. Die Sinkung des Perikardialpunktes tritt noch ungefähr 1 Sekunde später auf als die positive Schwankung des Vor- hofstromes, was ähnlichen Umstärden zugeschrieben werden muss, wie wir schon im Kapitel 4 erörterten. Die Übereinstimmung zwischen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 9 126 W. Einthoven und A, C, A. Rademaker: den latenten Stadia der verschiedenen Bewesungen wird durch die mechanischen Verhältnisse der Versuchsbedingungen oft unvollkommen. Übrigens sibt die Form der Kurven, nachdem wir die Form der Lungenkontraktion schon beschrieben haben, zu keinen weiteren Be- merkungen Anlass, | / m Wir gestatten uns, aus den zu unserer Verfügung stehenden Kurven noch ein zweites Beispiel zu reproduzieren, siehe Fig. I der Tafel. Letzteres Photogramm wurde unter ungefähr gleichen Um- ständen von einem anderen Exemplar derselben Schildkrötensorte genommen. Man hat die Vagusreizung 28 Sekunden, das heisst fast doppelt so lange als in der Textfig. 4 angehalten, was wahrscheinlich dazu beigetragen hat, auch die Lungenkontraktion zu verlängern. Die Form und zeitlichen Verhältnisse der positiven Strom- schwankung stimmen wieder ungefähr mit denjenigen der Lungen- kontraktion überein. Die Kurve der letzteren erhebt sich weniger a hoch als diejenige der Stromschwankung, während der Unterschied zwischen beiden Erhebungen in Textfig. 4 gerade umgekehrt ist. Indem man die Empfindlichkeiten der schreibenden Teile regelt, kann man diese Sachlage beliebig verändern, und es würde, wie man leicht einsieht, keine grosse Mühe kosten, die beiden Kurven voll- kommen parallel laufen zu lassen. Der mit einem Punkte des Perikardiums verbundene Hebel ver- grösserte die Bewegung dieses Organteiles ungefähr viermal, während die Empfindlichkeit der Saite so reguliert worden war, dass 1 Skalen- teil einer Ordinate einer Potentialdifferenz von 0,01 Millivolt entsprach. Der Widerstand des Präparates samt den Elektroden ist 10000, derjenige des Galvanometers selbst 6000 Ohm, so dass man den Wert eines Skalenteils der Ordinaten auch als eine Grösse von 6,25 ><10710% Ampere angeben kann. | Man beobachtet in den Kurven ausser der grossen Welle, die rund 1 Minute nach dem Beginn der Reizung bei M ihren Gipfel erreicht, noch zahlreiche kleinere ungleichmässige Wellen. Diese treten namentlich in der Stromkurve deutlich hervor; man kann sie jedoch bei näherer Betrachtung auch wohl in der Lungenkurve finden, und zwar in denselben Zeiten, wo sie in der Stromkurve vorkommen, Sie werden durch allerlei von den mechanischen Verhältnissen des Versuchs unabhängige Nebenumstände verursacht, während man ins- besondere beachten muss, dass Vagusreizung Magen- und Darm- Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 197 kontraktionen im Versuchstier hervorruft, wodurch kleine Bewegungen des Herzens und der Lungen erzeugt werden können. Ausserdem nimmt man einen eigentümlichen, ziemlich regel- mässigen rhythmischen Einfluss in der Stromkurve wahr. Diese zeigt ungefähr alle 10 Sekunden kleine Zacken, von denen wir einige mit einem X angegeben haben. Vermutlich werden sie durch die, dem Vorhof kleine Stösse erteilenden, rhythmischen Kontraktionen des Sinus venosus erzeugt. In Textfig. 4 beobachtet man in der übrigens gleichmässig ver- laufenden Kurve ein paar Zacken. Diese werden durch eine Kammer- kontraktion hervoreerufen, und zwar teilweise, indem der durch die Kammer entwickelte elektrische Strom sich ausbreitet und zum Vor- hof überläuft, teilweise aber, indem der Vorhof ein wenig eseruien und seine mechanische Spannung verändert wird. In Textfig. 3 beobachtet man ebenfalls eine Unterbrechung der Herzruhe durch eine Kammersystole. Der Stillstand, der in der Herztätigkeit auftritt, nachdem das Präparat nach den Vorschriften Gaskell’s angefertigt ist, dauert ungleich lang. Es kommt oft vor, dass er so kurze Zeit dauert, dass man kaum imstande ist, eine Kurve zu schreiben, und ein ruhiges Experimentieren also sehr er- schwert wird. „Zuweilen“, sagt Gaskell 1), „dauert aber die Herz- ruhe viel längere Zeit, von einer Viertel- bis zu einer halben Stunde.“ Man wäre also genötigt, bei den Versuchen auf günstige Umstände oder auch auf die zufällige Wahl eines günstigen Exemplars des Versuchstieres zu warten. Nachdem man jedoch die Ursache der positiven Stromschwankung kennengelernt hat, kann man diese Schwieriekeit leicht beseitigen. Man breitet den Schnitt, der den rechten Vorhof vom Sinus trennen muss, ein wenig weiter aus, ohne dabei den N. eoronarius peinlich zu schonen, und kann sogar zugleich mit dem Weeschneiden des linken Vorhofs einen Teil des Sinus entfernen. Der Stillstand der Herztäti&keit ist unter diesen Um- ständen während viel längerer Zeit garantiert; der Stillstand des Vorhofs noch länger als derjenige der Kammer. Man braucht sich nicht eines Messers oder einer Schere zu be- dienen, um das Herz stillzustellen, da man, wie bekannt, mit einigen Tropfen Muskarinlösung denselben Zweck erreicht. Aa 0. Sin. 9* 128 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: In untenstehender Fig. 5 bilden wir die Kurven eines Schild- krötenherzens ab, das man mittels Aufträufelns von 1°/oiger Muskarin- lösung stilleestellt hat. Der Stillstand fing eine Minute nach dem | Aufträufeln an und dauerte ungefähr drei Viertelstunden. Die Bewegungsgeschwindigkeit der empfindlichen Platte ist in dieser Figur kleiner als in der vorigen, während man die Empfind- lichkeit der Saite vergrössert hat. Übrigens sind die Verhältnisse beim Registrieren denjenigen der beiden vorigen Figuren gleich, so dass eine nähere Beschreibung überflüssig ist. Die positive Schwankung erreicht in den Textfie. 4 und 5 und in Fig. I der Tafel resp. die Werte von 0,032, 0,11 und 0,16 Millivolt. Die unregelmässigen klei- neren Wellen treten besonders in Textfig. 5 deutlich hervor. Fig. 5. Ein durch Muskarin stillgestelltes Herz. Abszisse: 1 Skalenteil = 2 Sekunden; Ordinate: 1 Skalenteil = 7,7: 10° Volt. Übrigens wie Textfigur 4. Träufelt man Atropin auf das Präparat, so bleibt nach einiger Zeit der Effekt der Vagusreizung aus. Dies wird nicht durch den Umstand bedingt, dass die Vagusendigungen im Herzen durch Atropin gelähmt werden, sondern dadurch, dass nach Anwendung des Giftes die Lungen sich nicht mehr auf Vagusreizung kontrahieren, so dass die Verschiebung und die Spannungsveränderung des Vorhofes aus- bleiben. Tatsächlich hat die positive Schwankung des Demarkations- stroms mit einer etwaigen geheimnisvollen Wirkung des Vagus auf das Herz nichts zu tun. Es ist die mechanische Dehnung des Vorhofs, welehe die Variation in dem Demarkationsstrom erzeugt. Man kann das Herz ganz vom Körper lospräparieren und frei auf die sich unter dem Brustschilde befindlichen Häute legen. Vagus- reizung ruft in diesem Präparate noch eine kräftige Lunsenkontraktion hervor, und die dadurch erzeugte Dehnung des’rechten Vorhofs hat Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 129 dann auch wieder — genau so wie es im klassischen Gaskell- Präparat der Fall ist — die positive Schwankung des Demarkations- stroms zur Folge. Dies wird graphisch in untenstehender Fig. 6 verdeutlicht, die ausser dem Umstande, dass man das Herz gänzlich von den übrigen Körperteilen losgeschnitten und danach auf die Brustfaszien des Versuchstieres niedergelegt hat, vollkommen mit den vorigen Figuren vergleichbar ist. Der Vorhof war nach Gaskell präpariert und, um das Herz stillzustellen, mit Muskarin behandelt; aber in der Zeit, wo wir die Kurven schrieben, hatte die Kammer schon wieder zu klopfen an- gefaneen. Dadurch werden die rhythmischen Schwankungen, welche die Figur im Demarkationsstrom des Vorhofs zeigt, hervorgerufen. Fig. 6. Herz vollkommen ausgeschnritten und frei auf den unter dem Brustschild befindlichen Häuten des Versuchstieres liegend. Abszisse: 1 Skalenteil — 2 Sekunden; Ordinate: 1 Skalenteil = 10-5 Volt. Übrigens wie Textfig. 4. Der Hebel, der mit einem Punkte des Perikardiums verbunden ist und die Kurve ? schreibt, war offenbar nicht genügend beweglich, das freiliegende Herz zusammen mit den Faszien viel sinken zu lassen. Daher ist die Erhebung von P so niedrige und zeigt sie scheinbar ein zu langes latentes Stadium. Prinzipiell stimmt das Resultat jedoch vollkommen mit demjenigen der vorangehenden Figuren überein. Dehnt man den Vorhof auf andere Weise, so nimmt man die- selbe Stromschwankung wahr. Man präpariere eine Schildkröte nach Gaskell und lege sie auf einen Holzblock, der mittels einer Schraube höher oder niedriger gestellt werden kann. Dabei sollen aber die Elektroden und das Stativ, an welchem der Vorhofpunkt mittels eines Fadens befestigt ist, unbeweglich auf dem Tisch stehen bleiben. 130 Be: W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: 1) Bei der abwärts gerichteten Verschiebung des Blocks wird der Vorhof gespannt, bei einer Hebung des Blocks erschlafft. Misst man unter diesen Umständen den Demarkationsstrom des Vorhofs, so wird man bei einer günstigen Stellung der Elektroden und innerhalb gewisser Grenzen der mechanischen Dehnung be- obachten können, dass der Demarkationsstrom bei der Anspannung des Vorhofs regelmässig zunimmt, bei der Abspannung abnimmt. Bisweilen können dabei hohe Werte der Stromschwankung, sogar bis zu 2 und 2,5 Millivolt, auftreten. Günstige Bedingungen für das Zustandekommen einer grossen positiven Schwankung sind ein zweckmässig angebrachter Schnitt zwischen dem Sinus: und dem Vorhof, so dass letzterer leicht an seiner Spitze aufgezogen werden kann und sich dann zu einem dünnen Faden oder einer engen Röhre umbildet. Man muss die Elektrode, die den Strom vom unverletzten Teil des Vorhofs ableiten soll, nicht zu weit von der Grenzlinie der getöteten Spitze anbringen und den Vorhof .nur so wenig anspannen, dass er nicht ganz gerade ge- zogen wird. Gaskell tötete die Vorhofspitze, indem er sie erhitzte. Ob diese Methode vielleicht auch noch einen günstigen Einfluss auf die Grösse der Stromschwankung ausübt, haben wir nicht näher unter- sucht. Anstatt die ganze Schildkröte zu verschieben, kann man die Lungen künstlich aufblasen oder aussaugen, wodurch man denselben Zweck — Veränderung der mechanischen Spannung des Vorhofs — erreicht. In Fig 2. der Tafel sieht man eine Kurve, welche die Ergebnisse eines solehen Versuchs bei einem Gaskell-Präparat graphisch darstellt. P gibt das Volumen der Lungen und dadurch zugleich die mechanische Spannung des rechten Vorhofs an. Dies findet in dem Sinne statt, dass der Schreibhebel aufsteigt, wenn das Lungenvolumen verkleinert wird, ünd die Vorhofspannung zunimmt, sinkt, wenn die Vorhofspannung abnimmt. E hat dieselbe Bedeutung wie in den vorigen en und gibt also wieder den Demarkationsstrom des Vorhofs an. Man beobachtet, dass mit jeder Anspannung des Vorhofs eine Verstärkung des Demar- kationsstroms, mit jeder Erschlaffung eine Abnahme des Stroms zu- sammengeht. Das Aufblasen und Aussaugen der- anasn haben wir absichtlich unregelmässig ausgeführt, und es ist merkwürdig, zu sehen, wie die Q\ Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 13] Stromschwankungen fast parallel den Volum- oder Spannungs- schwankungen laufen. Im Koordinatensystem der Figur hat 1 Skalenteil einer Abszisse den Wert von 1 Sekunde, während 1 Skalenteil, einer Ordinate — 0,08 Millivolt ist. Letzteres ist am Ende der Figur bei Ü kon- trollierbar, wo mittels eines Kurbelrheostaten nacheinander einige Zehntel eines Millivolts in den-Kreis ein- und ausgesehaltet: wurden. Jeder neue Kontakt der Kurbel entspricht 0,1 Millivolt. Die höchste Welle in der Figur findet man bei M, wo der Ausschlag 21,5 mm, das heisst 1,7 Millivolt erreicht. Der Demar- ‚ kationsstrom war mit 7,6 Millivolt kompensiert. Die fünf bis jetzt in diesem Kapitel besprochenen Figuren be- ziehen sich alle auf die im stillgestellten Vorhof erzeugte Strom- schwankung. Wenn die Kammer sich kontrahiert, zeigt — wie man in den Textfig. 4 und 6 beobachten kann — das Galvanometer schon einen Ausschlag. Wenn der Vorhof selbst sich kontrahierte, würde der Ausschlag aber viel grösser sein, wodurch die Messung der zu untersuchenden Schwankung praktisch sehr erschwert werden würde. Dies können wir mit Hilfe der Fig. 3 und 4 der Tafel leicht demonstrieren. Die Kurven A, V und P bedeuten ebenso wie in den vorigen Figuren resp. die Kontraktionen des rechten Vorhofs, der Kammer und der Lunge. P hat man erhalten, indem man den Schreibhebel wieder nicht unmittelbar mit der Lunge, sondern mit einem Punkte des aufgeschnittenen Perikardiums verbunden hat. E ist das die elektrischen Stromschwankungen des rechten Vorhofs wiedergebende Saitenbild. Die peripherischen Stümpfe beider Vagi liegen auf den Reizungselektroden und werden zwischen R und R, gereizt. Im Koordinatensystem ist 1 Skalenteil der Abszissen — 0,5 Sekunde, 1 Skalenteil der Ordinaten — 0,05 Millivolt. Die Saite ist hier also ziemlich stark gespannt und fünfmal weniger empfindlich als in Fig. 1 der Tafel. Trotzdem sind die Ausschläge, welche die Kontraktion des rechten Vorhofs der Saite erteilt, so gross, dass sie nicht ganz auf der photographischen Platte abgebildet werden können. Ihre Höhe muss auf rund 100 mm angeschlagen werden. Den Strom haben wir auf solche Weise von der verletzten Spitze und einer unverletzten Stelle des rechten Vorhofs abgeleitet, dass ein Negativwerden der unverletzten Stelle das: Saitenbild aufwärts: 133 W. Einthoven und €. A. C. Rademaker: treibt. Dadurch entstehen bei jeder Vorhofkontraktion die gewöhn- lichen, aufwärts gerichteten Zacken des E.G. Unter diesen Umständen hat natürlich eine im Sinne von Gaskell positive Stromschwankung eine abwärts gerichtete Bewegung des Saitenbildes zur Folge. Wir müssen namentlich darum nachdrücklich hierauf hinweisen, da in den vorigen Figuren die Verbindung des Vorhofs mit der Saite immer auf andere Weise stattgefunden hat: eine im Sinne von Gaskell positive Stromschwankung trieb das Saitenbild immer auf- wärts. Wir haben jedoch in den Kurven des klopfenden Herzens Stromableitungen gewählt, die in der Elektrokardiographie allgemein üblich sind, und glauben auf diese Weise möglichst wenig zu Irrtümern Anlass zu geben. In Fig. 3 der Tafel steht bei Vagusreizung zuerst der Vorhof und geraume Zeit später die Kammer still, wie die Kurven A und V angeben. Weiter gelten für die Form der Kurven A, V und P ähnliche Bemerkungen, wie wir schon bei den Textfiguren auf be- russtem Papier gemacht haben. Nach der Vagusreizung fänst der Vorhof mit schwachen, allmählich stärker werdenden Kontraktionen an, während die Kammer sofort mit einer kräftigen Systole einsetzt. Die ersten Kammererhebungen nach der Reizung sind sogar höher als die anderen: man soll jedoch daraus nicht unmittelbar den Schluss ziehen, dass auch die ersten Kammersystolen nach der Reizung kräftiger sind. Denn scheinbar gerinefügige Details beeinflussen die Grösse :der Hebelausschläge merklich. Insbesondere veranlassen die länger dauernden Diastolen wegen der dadurch bedingten besseren Trennung der einzelnen Be- wegungsphasen grössere Ausschläge, so dass man die Höhe der frequenten, stark ineinanderfliessenden Kammerwellen am Ende der Figur nicht ohne weiteres mit der Höhe derjenigen Wellen ver- gleichen darf, die kurz nach der Vagusreizung registriert worden und weniger frequent, also auch weniger ineinanderfliessend sind. Wir weisen in diesem Zusammenhang auch auf die folgende Figur der Tafel hin, wobei nach der Vagusreizung die Frequenz und damit auch die Grösse der Kammerhebelausschläge so gut wie konstant bleiben. | | | Zieht man in Fig. 3 der Tafel eine Linie, welche die Bases der Vorhoferhebungen A miteinander verbindet, so zeigt diese eine lang- same Welle geringer Amplitude mit einem Gipfel, der ungefähr bei M, das heisst 1'/ Minute nach dem Beginn der Reizung liegt. Dasselbe Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 133 trifft für die Linie zu, welche die Bases der Kammererhebungen mit einander verknüpft, und gleichfalls für die Lungenkurve P. Die Gipfel der Wellen aus Fig. 4 der Tafel, welche den oben- genannten entsprechen, liegen etwas näher beim Anfangspunkt der Reizung, und zwar auf einer Distanz von kaum einer Minute. ‘Dieser Unterschied steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Dauer der elektrischen Reizung, die in Figur 3 der Tafel 39 Sekunden, in der folgenden Figur 30 Sekunden beträgt. Nach dem im Kapitel 4 Gesagten bedürfen diese Kurven hier keiner weiteren Bemerkungen. Dagegen soll die Form des E.G. noch näher erklärt werden. Man beobachtet, dass die Linie, die durch die Bases der Zacken gezogen werden kann, in Fig. 3 der Tafel eine abwärts gerichtete Welle, in der folgenden Figur eine aufwärts gerichtete Welle beschreibt, von denen jede den Gipfel un- gefähr bei M hat. Wenn man dieser Wellenbewegung einigen Wert beilegen könnte, würden wir es in erstgenannter Figur mit einem positiven, in letzt- genannter mit einem negativen Gaskell-Effekt zu tun haben. In dieser Beziehung muss jedoch den Elektrogrammen aller Wert abgesprochen werden, da man sie durch Stromableitung von einem klopfenden Vorhof erhalten hat. Denn die Zusammenziehungen des Vorhofs erzeugen wegen der Weise, worauf das Organ befestigt ist, bedeutende Veränderungen seiner Spannung und Dehnung, wodurch wieder die Grösse des zu registrierenden Potentialunterschiedes be- einflusst wird. An den Stellen, wo in Fig. 3 der Tafel der Vorhof stillsteht und die Kammer zeitweilig zu klopfen fortfährt, sind die durch die Kammer dem Vorhof erteilten Bewegungen schon genügend, nach ziemlich grosse Potentialschwankungen hervorzurufen. Die Fig. 3 und 4 der Tafel sind vom selben Versuchstier aufgenommen worden; aber erst nachdem Fig. 3 registriert worden war, wurde der rechte Vorhof vom linken und von dem Sinus ge- trennt. Dadurch kam zwar kein Herzstillstand, sondern doch eine Verringerung der Herzfrequenz zustande. Dieser Umstand genügt schon, solche Veränderungen in die mechanischen und elektrischen Verhältnisse des Präparates hervor- zurufen, dass die Wellenlinie, die das Elektrogramm bei Vagusreizung schreibt, anders gerichtet wird. Insbesondere weisen wir auf den Einfluss einer grossen Frequenz im Zusammenhang mit der Celerität der Herztätigkeit hin; hier treffen für die Potentialschwankungen 134 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: ähnliche Betrachtungen zu, wie wir oben schon bezüglich des Mechano- eramms angestellt haben. i In Fig. 3 der Tafel beobachtet man, dass die durch die Herz- systolen hervorgerufenen Potentialerhebungen wegen ihrer Frequenz und verhältnismässig langer Dauer ineinanderfliessen. Bevor die Gruppe der Saitenbewegungen, die einem Zackenkomplex entspricht, aufgehört hat, beginnt schon eine neue. Eine deutliche Pause zwischen den Erhebungen gibt es nicht, und da die Ausschläge des Saiten- bildes hauptsächlich aufwärts gerichtet sind, muss ein Stillstaud des Herzens notwendigerweise ein Sinken der Kurve zur Folge haben. Damit ist wohl die wichtigste Ursache der Sinkung des E.G. in Fig.3 der Tafel. angegeben. Eine selbe Ursache ist in der folgenden Fieur wegen der dort vorkommenden geringeren Herzfrequenz nicht vorhanden. Zum Schluss weisen wir noch auf die komplizierte Form hin, die das Vorhof-E.G. in den beiden Fig. 3 und 4 der Tafel an- nimmt. Diese muss — wie aus obenstehenden Zeilen wohl genügend erhellt — durch den Umstand erklärt werden, dass es ausser den Aktionsströmen des sich kontrahierenden Organs noch andere Ur- sachen für das Entstehen von Stromschwankungen gibt. Alle Ver- - änderungen in der Dehnung des Vorhofs rufen Schwankungen in der Stärke des Demarkationsstroms hervor, und diese machen das E.G. als Ausdruck der Form des Aktionsstroms unrein. Das Bild gestaltet sich ganz anders, wenn man den Strom nicht unmittelbar vom Herzen selbst, sondern von zwei mehr oder weniger vom Herzen entfernten Körperstellen ableitet, und also einigermaassen so vorgeht, wie man das bei der Registrierung des menschlichen E.K.G. gewohnt ist. Wir gestatten uns in untenstehenden Fig. 7 und 8 ein paar Abbildungen zu reproduzieren von bei indirekter Ableitung regi- strierten, normalen Schildkröten-E.K.G. Sie unterscheiden sich von- einander namentlich durch ihre Frequenz. Das Versuchstier liegt auf dem Rücken, und der Brustschild ist entfernt, während das Herz sich noch unverletzt im Perikardium befindet. Eine. Elektrode hat man kranial, die andere kaudal vom Herzen angelegt. Keine von beiden ist unmittelbar mit dem Herzen in Berührung. Man ersieht aus beiden Figuren, dass unter diesen Umständen das Schildkröten-E.K.G. eine grosse Ähnlichkeit mit dem E.K.G. des Menschen zeigt. Der Wert der Ordinaten in den Figuren Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 135 ist gleich demjenigen, den man gewohnt ist, dem menschlichen E.K.G. zu geben: Imm entspricht 10”* Volt; den Wert der Abszissen haben wir jedoch anders gewahlt: 1 mm = 0,1 Sekunde. Beachtet man letzteres, so überzeugt man sich leicht davon, dass die Entwicklung der wichtigsten Zacken 2, % und&Prbei der Schildkröte träger ist als beim Menschen, was man im Zusammen- hang mit der Trägheit aller Muskelzuckungen bei jener Tierart auch schon erwarten müsste. Es darf wohl merkwürdig heissen, dass die allgemeinen Formen der Zacken bei so verschiedenartigen Herzen verhältnismässig so geringe Unterschiede aufweisen. SslEai PS HSTEEE SE FBEIEGSEEE in HHEHEE IEeiercras SEE REEr JEsjEHBBESERESEN Bars Zee EEE en Bass H = IBENEEB: F H Be: HH FH HEREEEEEES EEE = FH Fig. 7. Normales E.K.G. einer Schildkröte bei indirekter Stromableitung. Abszisse: 1 Skalenteil = 0,1 Sekunde; Ordinate: 1 Skalenteil = 10°* Volt. % E EEE Fig. 8. Ein anderes Exemplar mit geringerer Herzfrequenz. Übrigens wie Fig. 7. 7. Die Formveränderung eines Muskels beeinflusst die Stärke des abgeleiteten Muskelstroms'). Im vorangehenden Kapitel zeigten wir, dass ein nach Gaskell präparierter rechter Vorhof durch Dehnung oder mechanische Span- nungsvermehrung seinen Demarkationsstrom verstärkt. Wir fragen uns jetzt, wie man sich diese Erscheinung zu erklären hat. Haben wir es vielleicht mit einer allgemeinen Eigenschaft des Muskel- gewebes zu tun? Die Antwort kann man mittels einiger einfachen Versuche mit isolierten Froschmuskeln finden. 1) Die in diesem’ Kapitel erwähnten Messungen sind gemeinschaftlich mit den Herren Assistenten W. Dooren und P. Meerburg ausgeführt worden. 136 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: Man spanne den M. sartorius eines Frosches vertikal zwischen bie beiden Klemmen A und B des Stativs S aus, siehe Fig. 9. Die Klemme A ist mittels Schraube und Mutter F'in vertikaler Richtung verschiebbar. Beide Klemmen sind — solange der Muskel sie nicht miteinander verbindet — elektrisch voneinander isoliert, was man durch Zwischenschaltung des gläsernen Stabes bei @ erzielt hat. Durch Quetschung mittels einer G Pinzette tötet man den oberen Teil || des Muskels ab. Ein feiner Faden wird um diesen Teil bei Z, ein | anderer Faden um den unverletzten. Teil des Muskels bei 2 auf solche Weise herumgebunden, dass der Muskel an diesen Stellen rur kleine, kaum merkbare Einschnürungen zeigt, während doch bei den Span- nungsveränderungen des Muskels eine Verschiebung der Fäden ver- hinder# wird. Man leitet den Demarkations- strom durch beide Fäden mittels unpolarisierbarer Elektroden zum Galvanometer ab und misst den Potentialunterschied mit einer Kom- pensationsvorrichtung auf die üb- liche Weise. Zuerst entfernt man die Klem- Fig. 9. men so weit voneinander, dass man den Muskel, ohne ihn absichtlich zu spannen, eben noch gerade zieht. Danach spannt man den Muskel abwechselnd an und ebensoviel wieder ab, indem man die Schrauben- mutter Z" wiederholt hin- und zurückdreht, während man jedesmal aufs neue den Potentialunterschied des Demarkationsstroms misst. Wir geben untenstehend die Ergebnisse einiger Messungen in der Form von Tabellen wieder, wobei wir in jede Tabelle die Resultate einer Reihe von zehn unmittelbar nacheinanderfolgenden Messungen eingetragen haben. In Tabelle I wird der Muskel jedesmal um 4 mm gedehnt, wodurch der Potentialunterschied des Demarkationsstroms im Mittel Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 137 mit 0,2 Millivolt zunimmt. In Tabelle II beträgt die Dehnung S mm und die Zunahme des Potentialunterschiedes im Mittel 0,4 Millivolt. Tabelle I. Tabelle Il. M. sartorius. | M. sartorius. Demarkationstrom Demarkationssstrom Niner in Millivolt Nummer in Millivolt der he nachdem der der hai ar nachdem der = Muskel um M Muskel um a sang, en 4 mm gedehnt ae on 8 mm gedehnt Muske worden ist use worden ist 1 36,3 — 1 34,7 — 2 — 36,5 2 — 35,1 3 36,2 — 3 34,7 — 4 — 36,4 4 — 39,2 5 36,1 — 5 34,7 — 6 _ 36,2 6 — 35,1 7 36,0 — Ü 34,7 — 8 — 36,3 8 — 35,1 9 36,0 —_ 9 34,7 — 10 — 36,2 10 — 35,1 Die Versuchsreihe der Tabelle I nahmen wir, kurz nachdem die Demarkation in dem Muskel angebracht worden war, mit der Folge, dass der Demarkationsstrom während der Beobachtungen eine Ab- nahme aufweist. Zieht man aber in Betracht, dass die Messungen keine grössere Genauigkeit als von 0,1 Millivolt beanspruchen, so darf die Regelmässigkeit der Ergebnisse doch befriedigend heissen. Alle sonstigen, mit dem M. sartorius ausgeführten Versuche er- gaben uns ähnliche Resultate. Dagegen wird der Demarkationsstrom des M. gastroenemius durch eine Dehnung des Muskels abgeschwächt. ‘ Die Potentialveränderung ist bei gleich grosser Muskeldehnung im M. gastroenemius bedeutend grösser als im sartorius, wie man aus den beiden folgenden Tabellen III und IV ersieht. Sie sind auf ähnliche Weise wie die Tabellen I und II zusammengesetzt und be- dürfen keiner näheren Erklärung. Die Dehnung des M. sartorius in Tabelle I ist eben so gross wie die des M. gastrocnemius in Tabelle IV, nämlich 4 mm, während die Veränderung des Demarkationsstroms in erstgenannter Tabelle + 0,2, in letztgenannter — 93,4 Millivolt beträgt. Die Untersuchung mehrerer Exemplare des M. gastrocnemius ergab ohne Ausnahme ähnliche Resultate. 38 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: Naballa lie” Tabelle IV. M. gastrocnemius. M. gastrocnemius. Demarkationsstrom | Demarkationsstrom Numeaer in ande Nummer in Millivolt der bei er- | »achdem der der polen nachdem der Messung schlafftem | „Muskel um Messung schlafftem | ‚Muskel um Muskel 2 mm gedehnt i 4 mm gedehnt ee wordengist Muskel worden ist 1 40,4 aut 1 40,4 er 2 — 38,8 2 —_ 37,0 3 40,4 _ 3 40,2 — 4 = 38,8 4 — 36,8 5 40,4 — 5 40,0 — 6 — 38,8 6 — 36,8 7 40,4 - Z 40,0 — 8 e— 38,8 8 — 36,6 9 40,0 — 10 — 36,6 Um die beschriebenen Erscheinungen zu erklären, muss man dem allgemeinen Bau des Muskels Rechnung tragen. Dieser enthält neben den Elementen, welche die Ursache des Demarkationsstroms sind, noch andere, welche den Strom ableiten. Als solche erwähnen wir das Sarkolemm und die Kerne der Muskeifasern, das zwischen den Muskelfasern befindliche Bindegewebe und den Gewebesaft. Das Verhältnis zwischen dem Querschnitt des stromliefernden Teils und dem Querschnitt des stromableitenden Teils ist ein Faktor, der dazu beiträgt, die Stärke des messbaren Demarkationsstroms zu‘ bestimmen. Wird der Muskel gedehnt, so wird sein Querschnitt kleiner; sowohl die stromliefernden als die stromableitenden Elemente werden dünner, und wenn die Verdünnung letztgenannter Elemente ver- hältnismässig stärker ist als erstgenannter, so muss der messbare Demarkationsstrom zunehmen, im entgegengetzten Fall muss er abnehmen. Offenbar verdünnen sich durch die Dehnung des M. sartorius seine stromableitenden Elemente stärker als die stromgebenden, während beim M. gastroenemius das Umgekehrte stattfindet. Dieser hat stark entwickelte, zwischen den Muskelfasern befindliche Sehnen, die weniger dehnbar sind als die Muskelfasern selbst, so dass beim Anspannen des Muskels das Verhältnis der Querschnitte beider Be- standteile zuungunsten der stromliefernden Elemente verändert wird. Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 139 Der rechte Vorhof der Schildkröte verhält sich in dieser Hin- sicht wie der M. sartorius, nicht wie der M. gastroenemius des Frosches. Obenstehende Versuche geben zu einigen allgemeinen, sich auf viele elektrophysiologische Arbeiten beziehenden Bemerkungen Anlass, Wenn man kleine Potentialunterschiede in einem Orsan zu messen wünscht, muss man überhaupt eventuellen, während der elektrischen Messung darin auftretenden mechanischen Veränderungen Rechnung tragen, weil diese störend auf das Messungsergebnis ein- wirken können. Ein Nerv bewegt sich bei seiner Aktion nicht. Der Aktionsstrom des Nervs kann daher ganz frei von diesem störenden Einfluss untersucht werden. Aber mit dem Muskel steht es anders, Der Mechanismus der Kontraktion macht sich auf das Resultat der elektrischen Messung geltend. Der störende Einfluss bei einer isometrischen Kontraktion kann anderer Natur und anderer Grösse sein als bei einer isotonischen; wir dürfen aber mit gutem Grund bezweifeln, ob er wohl so klein ist, dass man ihn bei der Beurteilung der durch direkte Messung erhaltenen Resultate stets ohne Bedenken vernachlässigen dürfte. Es mag diese kurze Bemerkung hier genügen. Bei einer späteren Gelegenheit hoffen wir ausführlicher auf die Frage züruckzukommen. 8. Schlussbetrachtungen. Die von Gaskell beschriebene Erscheinung haben wir unter ähnlichen Verhältnissen, unter welchen er selbst arbeitete, vollständig reproduziert; die mit dem Saitengalvanometer von uns erhaltenen Kurven bestätigen seine unmittelbaren Ergebnisse in jeder Beziehung. Ihre Ursache ist jedoch eine andere, als Gaskell glaubte, da die ganze Erscheinung durch ein von ihm übersehenes technisches Detail — die langsame Dehnung des Vorhofs durch die Lungenkontraktion — bedingt ist. ‘Dies haben wir in den vorigen Kapiteln zur Genüge ausgeführt. Man hat es nicht mit einem physiologischen Vorgang im Vorhofe, sondern mit einer mechanischen Dehnung dieses Organs und den notwendig damit verknüpften physischen Folgen zu tun. ı Und damit geht die Bedeutung der Erscheinung als Effekt einer hemmenden Nerventätigkeit vollkommen verloren. ? Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir, obgleich Gas- kell’s Schlussfolgerungen bestreitend, seine Arbeit doch gern an- 140 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: erkennen. Es sei daran erinnert, dass sie vor fast 30 Jahren ausgeführt wurde, in einer Zeit, wo die elektrotechnischen Hilfsmittel weniger vollkommen waren als heutzutage. Seine genauen Unter- suchungen über den Bau und die Innervation des Schildkrötenherzens verdienen unsere Bewunderung, und es ist ihm zu verdanken, dass die vorzüglichen Eigenschaften dieses Organs, die es besonders zum Gegenstand physiologischer Untersuchung eignen, allgemein bekannt geworden sind. Die positiven Ergebnisse derjenigen Forscher, die nach der Gaskell’schen Methode mit einem stillgestellten Vorhofe arbeiteten, müssen auf ähnliche Weise wie diejenigen von Gaskell selbst erklärt werden, während die Untersuchungen derjenigen, die mit klopfenden Vorhöfen arbeiteten, durch die in Kapitel 6 gegebenen Auseinander- setzungen schon genügend gewürdigt worden sind. Es ist unmöglich, die schwache Potentialschwankung eines eventuellen Gaskell-Effektes auch nur einigermaassen genau zu messen, wenn man es mit einem ziemlich frequeut klopfenden Organ zu tun hat. Die Vorhöfe und die Kammer entwickeln bei jeder Kontraktion viele Male stärkere Potentialschwankungen als diejenigen einesGaskell-Effektes, während sie durch den durch Vagusreizung hervorgerufenen Stillstand sowohl ihre gegenseitige Stellung als ihre Lage hinsichtlich der umgebenden Teile verändern. Dadurch treten Spannungsveränderungen und Ver- schiebungen im Präparate auf, die an und für sich schon genügen, Stromsehwankungen von der Grössenordnung des Gaskell- Effekts zu erzeugen. Für die uns beschäftigende Frage können derartige Versuche keine Entscheidung bringen. Man erblickte in den positiven Stromschwankungen des Schild- krötenvorhofs bis jetzt einen der Beweise, dass Aktionsstrom und Kontraktion im Muskel zwei voneinander trennbare Vorgänge sind. Der Aktionsstrom wäre unlösbar mit der Erregung verknüpft, und nachdem eine Erregung stattgefunden hatte, könnte je nach den speziellen Umständen die Kontraktion entweder folgen oder ausbleiben. Man bringt für die Richtigkeit dieser Vorstellung noch eine Anzahl anderer Beweise bei. Wir erinnern hier nur an die elektro- motorischen Erscheinungen der Scherenmuskeln ‚des Krebses, die von Biedermann!) beschrieben worden sind, und an ein paar Er- scheinungen aus der Physiologie des Herzens. | 1) W. Biedermann, Elektrophysiologie. Gustav Fischer, Jena 189. Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenrorkammer usw. 141 Beim Resistrieren des menschlichen E.K.G. nimmt man — nament- lich unter pathologischen Verhältnissen — oft wahr, dass zwischen einer Reihe von regelmässig aufeinander folgenden E.K.G., wovon jedes einer Herzsystole und einem arteriellen Puls entspricht, plötz- lich eine Unregelmässigkeit vorkommt. Das E.K.G: ist vorhanden, bisweilen mit besonders grossen Ausschlägen und von stark veränderter Form; der Puls bleibt dabei jedoch aus. Einige Forscher sind geneigt, diese Unregelmässigkeit auf der- artige Weise zu erklären, dass dabei die Erregung im Herzen vorhanden ist, die Kontraktion aber ausbleibt. Man verknüpft die Erregung mit dem Aktionsstrom und die Kontraktion mit dem Puls und glaubt also zu beweisen, dass Aktionsstrom und Kontraktion voneinander getrennt vorkommen. Eine zweite der Physiologie des Herzens entlehnte Erscheinung wurde zuerst von Noyons beschrieben und später von anderen Forschern bestätigt. Unter dem Einflusse einiger Gifte, namentlich von Digitalis, wird das isolierte Froschherz stillgestellt. Es kann dabei fortfahren, rhythmische E.K.G. zu registrieren, während jede Spur der Systole schon verschwunden ist. Elektrische und mechanische Erscheinungen seien also auch hier wieder vollkommen voneinander getrennt !). All diese Ausführungen haben jedoch ihre schwache Seite, wie wir in einer bald folgenden Mitteilung näher darzutun hoffen. Der vermeintliche Gaskell- Effekt war aber die Erscheinung, die wohl das meiste Vertrauen zu verdienen schien, und der man die grösste Beweiskraft beizulegen geneigt war. Vagusreizung schwächt den Vorhof in seiner Tätigkeit während der Kontraktion. Sollte dieselbe Nervenreizung plötzlich ganz wirkungslos geworden sein, sobald der Vorhof stillsteht? Dies erachtet Gaskell unmöglich. Wenn der Vorhof stillsteht, müssen wohl die mehr oder weniger entfernten, mechanischen Folgen der Vagusreizung ausbleiben, die unmittelbaren Folgen müssen jedoch fortdauern. Und als eine unmittelbare Folge der Nerventätigkeit betrachtete er die elektrische Reaktion; diese sollte für den Hemmungsnerv aus einer positiven Schwankung des Demarkationsstroms bestehen. Da jedoch aus dem Ergebnis der oben beschriebenen Versuche l) Die gleichen Erfolge erzielte Mines durch Caleiumentziehung. S. The Journ. of Physiol. vol. 46 p. 188. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 10 142 W. Einthoven und A. C. A. Rademaker: ersichtlich ist, dass die positive Stromsehwankung auf ganz andere Weise aufgefasst werden muss, als Gaskell glaubte, dürfen wir an die daran geknüpften und jetzt noch von den meisten Physiologen vertretenen Vorstellungen gerechten Zweifel hegen. Das Gaskell-Präparat stellt einen überaus günstigen Gegen- stand für die Untersuchung der elektrischen Erscheinungen der Hemmung dar. Die hemmende Wirkung des N. vagus auf das Herz ist so ausführlich, häufig und gründlich untersucht worden wie keine andere in der Physiologie bekannte ähnliche Nerventätigkeit. Keine andere wird auf einfachere, leichtere und demonstrativere Weise geprüft. Wenn wir nun annehmen, dass die Erregung eine negative Schwankung des Demarkationsstroms verursacht, liegt es auf der Hand, zu erwarten, dass die Hemmung eine positive Stromschwankung hervorruft. Bleibt im letzteren Fall die positive Stromschwankung aus, so ist es wohl wahrscheinlich, dass auch im ersten Fall die negative Schwankung nicht die direkte Folge des Nerveneinflusses ist. Man könnte vielleicht versuchen, die Theorie des Erregungs- aktionsstroms durch die Annahme zu retten, dass die positive Strom- schwankung von den verschiedenen Forschern zwar nicht erwiesen wurde, dass sie aber doch vorhanden ist. Sie könnte zum Beispiel so klein sein, dass sie sogar mit den modernen Messinstrumenten nicht leicht wahrnehmbar zu machen wäre. Mit einer derartigen Betrachtung können wir jedoch nicht ein- verstanden sein. Die ‘Empfindlichkeit unserer Messinstrumente ist gross genug, einen Strom zu messen, der hunderttausendmal schwächer ist als der Aktionsstrom eines Schildkrötenvorhofs, und dies genügt, um auch über das Wesen der Sache entscheiden zu können. Das Ausbleiben des vermeintlichen Gaskell- Effekts muss also als ein wertvoller Beweis zugunsten der Vorstellung angesehen werden, dass der Zusammenhang zwischen Aktionsstrom und Er- recung nur indirekt ist. Die Hypothese, dass der Zusammenhang zwischen Aktionsstrom und Kontraktion unverbrüchlich ist, wird auf festeren Boden gestellt. Und damit wird ein Rückhalt all den- jenigen elektrophysiologischen Untersuchungen gegeben, welche die elektrischen Erscheinungen der Organe nur als Hilfsmittel anwenden, um der Kenntnis ihrer Verrichtungen als dem eigentlichen Zweck nachzustreben. | Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd.166. Fisi. Taf. I. +H ü - Fig.2. n F Fi83. T 7 T T on T TLITFFTT TTTT T m 7 7 HH HH FF BEEFEFFH IBBESEBSSBSSSBESSSRNENSERGESNE: FEESSSRHBENE SHE E H HARHH AH FEHFFEEECEFFFFH junnunı a ig’ Es er " [\ T s- ; -_ i ? ji a ar dB E i BESEREERRBEGNGNER: BE ImuEn i 0 1 h r r Bus uns, ‚m + i ı 1 Ener N E T T ItTı mi Ir Y 4 \ — es I . i T 1 D T Bun i 4 h H [ D au) /nman : Ban FEEREHEEHRRFEREEEEHERHEEEH ‚Bau { + - a 1“ HH a ananı +FH 1 Sansa + FErrH % FHHr EFT 1 1 um Hi - n H T - N et L ai T T 7 1 nm T h H - } | i FEHHEREHHEREEFFERREFFERER H i + ei u j uauzas ; E FH i ETABE ! m zur - r 1 IT 1 1 I + 7 ++ r 1 T Bi FFE + ü au L - FH : EHE i T + i IHHH IH 1 IT i Ir IT t + Verlag v.Martin Hager. Born Lith. Anst v. F.Wirtz, Darm Über die angebliche pos. Stromschwankung in der Schildkrötenvorkammer usw. 143 Erklärung der Tafel I. Für alle Figuren gemeinschaftliche Bezeichnungen: P = Lunge oder Perikardium, A = Atriomechanogramm, — Ventrikelmechanogramm, E —= Atrioelektrogramm, 8 = Signal, RR, = Vagusreizung. Fig. 1. Gaskell-Präparat. Abszisse: 1 Skalenteil — 1 Sekunde; Ordinate: 1 Skalenteil — 10-3 Volt. Bei ><>< vermutliche Kontraktionen des Sinus venosus. Fig. 2. Die Lungen einer Schildkröte werden auf unregelmässige Weise auf- geblasen und ausgesaugt. Abszisse: 1 Skalenteil = 1 Sekunde; Ordinate: 1 Skalenteil= 8-10-5 Volt. Bei © schaltet man Potentialunterschiede von je 10-* Volt in den Kreis. Fig. 3. Klopfendes Schildkrötenherz. Abszisse: 1 Skalenteil = 0,5 Sekunde; Ordinate: 1 Skalenteil = 5 - 10-5 Volt. Fig. 4. Dasselbe Herz wie in der vorigen Figur, aber nach dem Anbringen eines Schnittes zwischen den beiden Vorhöfen. Abszisse und Ordinate wie in Fig. 3. 10* 144 Jaroslav KfiZenecky: Eine Berichtigung usw. Eine Berichtigung zu meiner Arbeit „Ein Beitrag zum Studium der Bedeutung osmotischer Verhältnisse des Mediums für Organismen“. Pflüger’s Archiv Bd. 163 S. 325 —354. Von Jaroslav Krizenecky. Da ich durch militärische Einberufung vor einem Jahre ver- hindert wurde, die Korrektur dieser vor einigen Monaten erschienenen Arbeit persönlich vorzunehmen, konnte es nicht vermieden werden, wenn in derselben einige Druck- und Satzfehler vorgekommen sind, welehe die Verständlichkeit der Arbeit in einzelnen Punkten un- günstig alterierten. Vom Felde als Kranker zurückgekommen, benutze ich die Gelegenheit zur Vornahme einer Berichtigung. Dabei bin ich Herrn Prof. P. Mayer in Jena zu Dank verpflichtet, dass er mich auf diese Fehler aufmerksam gemacht hat, früher, als ich selbst meine Arbeit gedrückt zu Gesicht bekommen habe. 1. Auf der Seite 343 soll in der Tabelle unter der Rubrik NaCl für „die Zeiten, nach welchen die Bewegungen verschwinden“ anstatt „9 die Nummer „S0“ und für die „Konzentration von KC1“ anstatt „71,00“ die Nummer „72,00“ stehen. | 2. Auf derselben Seite soll es auf der neunten Zeile von unten heissen: „Es gingen zwar in den Lösungen von MgCl, und NaBr, welche zu den höchstkonzentrierten gehören, die Bewegungen am schnellsten verloren (nach 5 Sekunden), aber während zum Beispiel in NaBr-Lösung die Bewegungen schon nach 5 Sekunden ausbleiben, dauerte dies in KCl-Lösung, welehe nur um 1,34 niedriger kon- zentriert ist als NaBr-Lösung, 180 Sekunden. Anders verhält es Sich” 20, 2 ıswa 3. Auf derseben Seite in der Fussnote soll es (dritte Zeile von oben) anstatt „... . bei einer Temperatur 20—-20° C.“ heissen: »e » » . bei einer Temperatur von 20—22° 0.“ 4. Auf der folgenden Seite (344) soll für die molekulare Kon- zentration von KCl anstatt „0,92° die Nummer „0,97“ stehen, wie dies übrigens schon aus der Kurve auf Seite 346 hervorgeht. 145 Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln!). on 3. © Dusser de Barenne (zurzeit als Oberarzt der Reserve in Delft, Holland). (Mit 2 Textfiguren). Die Frage der Innervation und des Tonus der Skelettmuskeln ist gerade in den letzten Jahren wieder zur Tagesordnung geworden. Die folgenden Notizen mögen genügen. 1. Die histologischen Untersuchungen Boeke’s?) haben gezeigt, dass der quergestreifte Muskel innerviert wird von zwei nervösen Systemen, dem zerebrospinalen System und den „akzessorischen“ Fasern und Endplatten Boeke’s, einem sympatbischen (autonomen) System. Obwohl der definitive Beweis, dass dieses autonome System ein zentrifugales darstellt, noch nicht erbracht -ist, haben wir doch sute Gründe, die zentrifugale Leitung in diesen Boeke’schen Fasern schon jetzt als sehr wahrscheinlich zu betrachten. 2. Die chemisch-physiologischen Untersuchungen von Pekel- 1) Teilweise als Vortrag mitgeteilt am ersten Physiologentag des „Ge- nootschap ter bevordering der Natuur-, Genees- en Heelkunde“ zu Amsterdam 19. April 1916. 2) Boeke, Die motorische Endplatte bei den höheren Vertebraten, ihre Entwicklung, Form und Zusammenhang mit der Muskulatur. Anatom. Anz. No. 35 S. 193. 1909. —Boeke, Über eine aus marklosen Fasern hervorgehende zweite Art von hypolemmalen Nervenendplatten bei den quergestreiften Muskel- fasern der Vertebraten. Anatom. Anz. No. 35 8.481. 1910. — Boeke, Beiträge zur Kenntnis der motorischen Nervenendigungen. Internat. Monatsschr. f. Anatom. u. Physiol. Bd. 28 S. 377. 1911. — Boeke, Über De- und Regeneration der motorischen Endplatten und die doppelte Innervation der quergestreiften Muskel- fasern bei den Säugetieren. Verhandl. der Anatom. Gesellsch. a. d. 26. Ver- sammlung zu München, April 1912 S. 149. — Boeke, Die doppelte (motorische und sympathische) efferente Innervation der quergestreiften Muskelfasern. Anatom. Anz. No. 46 S. 343. 1913. 146 J. G. Dusser de Barenne: 'haring!) mit seinen Schülern haben dargetan, dass in den Skelett- muskeln, nach der Form der Innervation, zwei grundverschiedene chemische Prozesse sich abspielen. Pekelharing und van Hoogenhuijze (l. ec.) zeigten, dass bei derjenigen Innervation, die wir mit Tschermak?) als die „alterative“ Innervation bezeichnen. können, die Muskeln keine stickstoffhaltige Substanzen verbrauchen, während bei der „tonischen“ Innervation gerade diese Stoffe ver- brannt werden. | Es lag nun somit nahe, sich zu fragen, ob etwa diese beiden Innervationsformen nicht auch getrennten Wegen entlang den Muskeln zuströmen und dann zwar die alterative den zerebrospinalen Fasern, die tonische Innervation den Boeke’schen autonomen Systemen entlang. Ich habe in 1910°) die Beantwortung dieser Frage ver- sucht; wählte als Versuchsobjekt die enthirnte Katze, bei welchem Tier ich ausser der Enthirnung die einseitige Exstirpation des Bauch- stranges vornahm. In vier von neun Versuchen. konnte aber keine Abnahme der Enthirnungsstarre beobachtet werden. Ich wählte da- mals diese Enthirnungsstarre als Versuchsform, weil wir dieselbe als eine exquisit tonische Innervationsform betrachten dürfen und auch, weil. Pekelharing und van Hoogenhuijze sich bei ihren Versuchen unter anderem dieser Enthirnungsstarre bedienten. Weil die betreffenden Versuche aber die erhoffte Antwort nicht brachten und die Untersuchungen Boeke’s auch noch nicht so weit wie jetzt 1) Pekelharing und van Hoogenhuijze, Over de vorming van krea- tine inde spieren bij de tonus en bij de verstijving. Verslagen d. Koninklijke Akad. v. Wetenschappen (Wis- en Natuurk. Afdeeling) van 24 December 1909, Deel 18, S. 521. — Pekelharing und van Hoogenhuijze, Die Bildung des Kreatins im Muskel beim Tonus und bei der Starre. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie No. 64 S. 262. 1910. — Pekelharing und van Hoogen- huijze (nach Versuchen mit Harkink). Over de afscheiding van kreatine bij den mensch onder den invloed van de spiertonus. Verslagen der Koninklijke Akad. v. Wetenschappen (Wis- en Natuurk. Afdeel.) van Sept. 1911, Deel 20, S. 178. — Pekelharing und van Hoogenhuijze, De vorming van krea- tine in de willekeurige spieren van gewervelde dieren bij den tonus. Nederl. Tijdschrift van Geneeskunde, 1913, Deel I, No. 9. 2) A. Tschermak, Über den Begriff or tonischen Innervation. Folia Neuro-Biologica, Bd. I S. 30. 1908. 8) Dusser de Barenne, Über die Enthirnungsstarre (Decerebrate Rigi- dity Sherrington’ 8), in ihrer Beziehung zur efferenten Innervation der quer- gestreiften Muskulatur. Folia Neuro- -Biologica, Bd. VII S. 651. 1913. Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 147 fortgeschritter waren, habe ich’ die Versuche damals liegen lassen und die,Ergebnisse erst in 1913 mitgeteilt, nachdem die Mitteilungen de Boer’s erschienen: wären. 3. 8. de Boer!) nämlich hat in 1913 dieselbe Frage in Angriff genommen, und zwar in erster Linie am Frosch mit intaktem Zentral- nervensystem, wobei er einseitig den Grenzstrang exstirpierte. Er siht an, dass die Muskeln der Hinterpfote, auf deren Seite der Grenzstrang exstirpiert, resp. die Rami communicantes durchschnitten worden sind, schlaffer sind als ‚die Muskeln des Hinterbeines der unversehrten Seite. - Er hat diese Erschlaffung auch quantitativ zu bestimmen versucht und fand, dass die Verlängerung des Gastro- enemius durch ein dehnendes Gewicht nach Grenzstrangexstirpation, resp. nach Durchtrennung des Ischiadieus, gleich gross war. Später hat er auch am Warmblüter das gleiche Ergebnis konstatieren können. Er hielt seine Katzen am Neckfell in die Höhe und sah dann, ohne Belastung oder nach Anhängen von 50—100 g, die Hinterpfote auf der operierten Seite weiter herabsinken als die auf der nicht lädierten Seite und konstatierte bei Betasten der Muskeln, dass die- selben des hetreffenden Hinterbeines sich schlaffer anfühlten als die der anderen Hinterpfote.e Der Schwanz wich in mehreren Fällen auch nach der intakten Seite ab. | Aus diesen Ergebnissen hat er geschlossen, dass der Tonus der quergestreiften Muskeln vom autonomen System versorgt wird, und dass die Ausschaltung dieser autonomen Innervation Atonie (der be- treffenden Muskeln zur Folge hat. Unmittelbar nach dem Erscheinen der ersten Mitteilung de Boer’s über seine Froschversuche habe ich sein Experiment an der Katze wiederholt und tatsächlich beobachten können, dass der Tonus der Muskeln des Hinterbeines, auf dessen Seite der Bauch- strang exstirpiert worden ist, eine Abnahme erfährt, wie (der de Boer in seiner zweiten Tonusmitteilung auch für die Katze dar- 1) S. de Boer, Die quergestreiften Muskeln erhalten ihre tonische Inner- vation mittels der Verbindungsäste des Sympathicus (thorakales autonomes System). , Folia Neuro-Biologica, ‚Bd. VII S. 378. 1913: — 8. de Boer, Über den Skelettmuskeltonus, zweite Mitteilung. Die tonische Innervation der quer- gestreiften Muskeln bei Warmblütern. Folia Neuro-Biologica Bd. VII S. 837. 1913. — S. de Boer, De beteekenis der tonische Innervatie voor de functies . der dwarsgestreepte spieren. Inaugural-Dissertation, Amsterdam 1914, (F. van Rossen). iv 148 J. G. Dusser de Barenne: gelest hat. Die Demonstrationsweise de Boer’s kommt mir aber nieht einwandfrei und deshalb nicht unbedingt beweisend vor, be- sonders wenn man sich bloss auf seine Abbildungen verlassen muss und nicht über eigene Versuche verfüst. Auch von anderer Seite ist diese Bemerkung gemacht worden. Ich habe mich bei meinen Versuchen einer ganz einfachen Versuchsaufstellung bedient, von der ich glaube sagen zu dürfen, dass sie wohl einwandfrei ist. Die hier reproduzierte Aufstellung ist ohne weiteres verständlich. Bei dieser Katze war vor 2 Tagen, unter aseptischen Kautelen, der rechte Bauch- strang von L. II bis L. VIL (autoptisch kontrolliert) ex-- stirpiert worden. Das Tier lag während des Versuches ganz ruhig, mit gebundenen Vorderbeinen, auf dem Rücken auf dem ÖOperationstisch. An jedem Hinterbeine zieht mit- tels einer Schnur, die über \ eine Art Katrolle läuft, ein Fig. 1. Katze, bei der vor 2 Tagen der gleichgrosses Gewicht. Sehr rechte Bauchstrang exstirpiert worden ist. 5 ! An beiden Beinen ziehen 270 .. . deutlich sieht man, dass das rechte Hinterbein mehr ge- streekt ist als das linke. Bei Betasten fühlen die Muskeln der rechten Hinterpfote sich deutlich schlaffer an als die des linken Beines, und bei passiven Bewegungen sowohl bei Extension als Flexion der verschiedenen Gelenke wird an der ersteren Hinter- pfote auch deutlich weniger Widerstand geleistet als an der letzteren. Also: die Muskeln des Hinterbeines, auf dessen Seite der Bauch- strang vor einigen Tagen exstirpiert worden ist, zeigen eine deutliche Abnahme ihres Tonus. Das dehnende Gewicht (270 g) war in diesem Versuche ziemlich eross. Erst bei diesem Gewichte war der Unterschied in Dehnung der zwei Extremitäten optimal. Auch in mehreren anderen Ver- suchen mussten ziemlich grosse Gewichte angehängt werden. Die Tatsache, dass also ziemlich schwere Gewichte, wenigstens bei dieser Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 149 Versuehsaufstellung , nötig sind, um die Tonusabnahme deutlich zu demonstrieren, leet die Vermutung nahe, dass diese Ahnahme nicht eine totale, sondern nur eine partielle ist. Auch ist der Unterschied bei Betasten der Muskeln viel geringer, als man erwarten dürfte, wenn es sich um einen totalen Tonusverlust, um eine Atonie handeln sollte. Um die Richtigkeit dieser Vermutung zu erhärten, habe ich folgenden Versuch angestellt. . Bei einer Katze exstirpierte ich auf der einen Seite den Bauch- strang, und auf der anderen Seite wurden die Hinterwurzeln des betreffenden Hinterbeines durchsehnitten. Aus diesem letzteren Eingriff resultierte dann, wie bekannt, eine sehr intensive, fast totale Tonusabnahme .für die betreffende Extremität. Diese Hinterpfote ist dann sehr schlaff, Widerstand gegen passive Bewegungen wird nieht mehr gefühlt. Die Hinterpfote auf der Seite der Bauchstrang- exstirpation tritt jetzt, gegenüber der fast atonischen Extremität, als normal hervor. Die in diesem Beine vorhandene geringe Tonus- abnahme ist jetzt nieht zu demonstrieren, da Vergleichung mit einer normalen Extremität nunmehr ausgeschlossen ist. In jüngster Zeit habe ich auch noch Versuche am Frosch an- gestellt. Die Ergebnisse sind ganz ähnliche wie in den Experi- menten an der Katze. Nach Ausschaltung der autonomen Inner- vation können wir eine ganze geringe Tonusabnahme des betreffenden Hinterbeines beobachten. In Fig. 2 sind zwei Frösche abgebildet, bei denen, nach Querdurchschneidung des Rückenmarkes zwischen Oceiput und Wirbelsäule, rechtsseitig die Rami communicantes und der Grenzstrang oben und unten durehschnitten, auf der linken Seite die Hinterwurzeln der betreffenden Hinterpfote durchtrennt - sind. Bei genauer Betrachtung bemerkt man, dass die linke hintere Extremität in beiden Versuchstieren im Knie- und Fussgelenk mehr gestreckt ist als die rechte Hinterpfote. Die Unterschiede sind in allen Versuchen relativ viel kleinere als bei der Katze, aber doch bei genauer Beobachtung zu kon- statieren. er Wo de Boer angibt, bei Messungen der Längeveränderungen des M. gastroenemius nach Ausschaltung‘ des autonomen Systems resp. nach Durchschneidung des N. ischiadieus gleich grosse Zahlen gefunden zu haben, und daraus konkludiert, dass der Tonusverlust | nach Ausschaltung der autonomen Innervation ein totaler ist, da 150 J. G. Dusser de Barenne: ‘kann ich ihm auf: Grund‘ der hier mitgeteilten und demonstrierten Ergebnisse nicht: beistimmen: Fig. 2. Bei beiden Fröschen ist auf der rechten Seite der Bauchstrang exstirpiert worden und sind auf der linken Seite die Hinterwurzeln .dieses Hinterbeines durchschnitten. Die linken Hinter- pfoten hängen mehr gestreckt als dierechten. Die Winkel am Knie und auch am Fuss sind bei beiden Tieren auf der linken Seite grösser als die auf der rechten Seite. .stranges, mentellen ‚Offenbar ist die von de Boer be- ‚nutzte Versuchsaufstel- lung zur einwandfreien Feststellung solcher kleiner Unterschiede, um die es sich in diesen Froscehversuchen han- delt, nicht geeienet. Aus. den. Ergeb- nissen meiner Versuche muss ich somit schlies- sen, dass beim Frosch und bei der Katze, die Tonusabnahmenach Ex-. stirpation eines Bauch- im homo- lateralen Hinterbeine auftretend, nur eine partielle und nicht eine totale ist.!) Die Ex- stirpation eines Bauch- stranges hat somit nicht eine Atonie, sondern. nur eine geringe, wenn auch deutliche Hypo- tonie der betreffen- den Muskeln zur Folge. Vorläufig _ werde ich mich mit der Fest- stellung dieser experi- Tatsachen 1) In der Diskussion nach ‚meinem Vortrage hat de Boer bemerkt, dass dieser Versuch nichts beweise. Er argumentierte: Durch die Hinterwurzeldurchschneidung ist die Reizbarkeit der ee dierenden Vorderwurzeln herabgesetzt, wie von Cyon angegeben hat; dieser Faktor würde den hier angeführten Versuch entkräften. LEER: ‚Ich will dazu nur folgendes bemerken: Wenn die Angabe v. Cyon’s Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 151 begnügen und möchte jetzt erst kurz die in der Literatur sich vor- . findenden, diesbezüglichen Mitteilungen besprechen. Die Angabe de Boer’s ist nämlich auch von anderen Seiten kontrolliert worden. Yas Kuno!) hat im Laboratorium Starling’s die Frosch- versuche de Boer’s wiederholt. : Er gibt an, dass er keine Tonus- .abnahme noch Muskelverlängerung nach Ausrottung des Grenzstranges bzw. Durchschneidung der Rami communicantes hat beobachten können. In 8 von 22 Versuchen. bekam er selbst ein entgegengesetztes Resultat, indem das Hinterbein auf der dem Eingriff gegenüber- liegenden Seite‘ mehr gestreckt herabhing als das homolaterale Bein. Ich möchte hierzu bemerken, dass man tatsächlich bei einigen Tieren schon nach der ‚blossen Durchtrennung des Zentralnerven- systems einen geringen Unterschied in der Beugestellung der herao- hängenden Hinterbeine beobachten kann, welcher Unterschied aller- dings nach kurzer Zeit wieder ausgeglichen wird. Yas Kuno dureh- schnitt das Zentralnervensystem relativ hoch, nämlich unmittelbar ‚hinter den Lobi optiei; vielleicht dass dieser Umstand bei seinen Resultaten eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls kann ich das negative Ergebnis seiner Versuche nicht als richtig anerkennen. Kure, Hiramatsu und Naito?) haben an Warmblütern ge- funden, dass das Zwerchfell nach Ausschaltung seiner autonomen Innervation eine Tonusabnahme zeiet. | Dieses Ergebnis stellt somit eine Bestätigung der von de Boer aufgefundenen Tatsache dar. Inwieweit diese Abnahme des Tonus in den Versuchen der japanischen Autoren eine totale ist, geht aber nicht aus ihren Angaben hervor. Ausserdem betrifft es hier nur akute Versuche, ein Umstand, der in-dieser Frage von Belang ist und worauf ich weiter unten, bei der Erwähnung meiner weiteren Versuche, zu sprechen komme. richtig ist, was noch nicht definitiv sichergestellt ist, dann haben wir darin nur zu sehen eine Erweiterung des Brondgeest’schen Versuches, eine nähere Demonstration also vom Einfluss der hinteren auf den vorderen Rückenmarks- wurzeln. Als solche ist die Angabe v. Cyon’s, soweit sie akzeptiert worden ist, denn auch in die Literatur aufgenommen. Es kommt mir auch hier über- flüssig vor, näher auf die Bemerkung de Boer’s einzugehen. 1) Yas Kuno, On the Alleged Influence of Adrenaline and of the Sym- pathetic Nervous System on the Tonus of Skeletal Muscle. Journ. of Physiol. vol. 49 p. 139. 1915. 2) K. Kure, T. Hiramatsu und H. Naito, Zwerchfelltonpus und Nervi splanchnici. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 28 S:130. 1914. 152 J. G. Dnsser de Barenne: Wir haben hier ferner die Untersuchungen Mansfeld’s und Lukasz’!) über den „chemischen“ Muskeltonus zu besprechen, die nach der Meinung der Autoren in gutem Einklang mit der Ansicht von der autonomen Genese des Muskeltonus stehen. Die senannten Autoren haben nämlich gefunden, dass der respiratorische Stoffwechsel ceurarisierter Hunde eine Abnahme erfährt, wenn eine grosse Masse Muskelsubstanz des Körpers (in ihren Versuchen die Muskeln der hinteren Extremitäten) entnervt wird. Wenn die- selben Nerven während des Stoffwechselversuches durchschnitten werden, nachdem aber vorher die beiden Bauchstränge exstirpiert worden sind, so findet keine Spur einer Abnahme der Oxydationen statt. Aus diesen Ergebnissen folgern die Autoren, „dass der ‚chemische‘ Muskeltonus durch das sympathische Nervensystem ver- mittelt wird, ebenso wie es für den mechanischen Muskeltonus der Frösche von de Boer nachgewiesen wurde“ (l. ce. S. 477). Es kommt mir nun vor, dass dieser Schluss aus den oben- erwähnten Versuchsergebnissen noch nicht ohne weiteres berechtigt ist. Vasomotorische Störungen sind in Versuchen, die die Physiologie und den Stoffwechsel der Muskeln betreffend, von sehr grosser Wich- tiskeit. Die Autoren hätten bei ihren Konklusionen diesem Faktor auch Rechnung tragen sollen. Durch die Exstirpation der Bauchstränge sind natürlich intensive vasomotorische Störungen in den betreffenden Muskeln des Hinterkörpers bei ihren Versuchstieren vorhanden ge- wesen, und ich möchte dieselben als einen sehr wichtigen Faktor betrachten, welcher erösstenteils für die Resultate dieser Untersucher verantwortlich gemacht werden kann, angemerkt haben. Jedenfalls hätten Mansfeld und Lukasz sich mit ihm abfinden sollen, ehe sie sich zu ihren obenerwähnten Schlussfolgerungen berechtigt er- achten könnten. Um so mehr insistiere ich auf diesen Punkt, als es nicht nur. theoretische Überlegungen sind, die mich von der Wichtigkeit dieses Faktors der vasomotorischen Störungen in diesen Fragen überzeust sein lassen, sondern auch, weil unter anderem gerade in diesen Uutersuchungen der beiden Autoren selbst die experimentellen Be- weise vorhanden sind, dass diese vasomotorischen Störungen hier 1) ©. Mansfeld und A. Lukasz, Untersuchungen über den chemischen » Muskeltonus. I. Pflüger’s Arch. Bd. 161 S. 467. 1915. Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 153 eine grosse Rolle spielen. Bei der historischen Auseinandersetzung zur Einleitung ihrer Arbeit erwähnen die Autoren die widersprechenden Resultate von Zuntz und von Pflüger auf der einen, von OÖ. Frank, v. Gebhard und Voit und von FE. Tangl auf der anderen Seite in Sachen des Einflusses des Nervensystems auf den Stoffwechsel ruhender Muskeln. Zuntz!) und nach ihm Pflüger?) haben nämlich gezeigt, dass der O,-Verbrauch und die CO,-Produktion ruhender Muskeln des Hundes eine bedeutende Abnahme zeigt, wenn ‚man den Nerven des Muskels durchtrennt. Den gleichen Effekt hatte beim Kaninchen die Vergiftung mit Curare. Er konnte dann eine Herabsetzung des Ruhestoffwechsels um etwa 50 °/o konstatieren. Pflüger kam in ähnlichen Versuchen zu demselben Ergebnis: er berechnete eine Herabsetzung des Ruhestoffwechsels unter diesen Umständen um 36 o. OÖ. Frank und v. Gebhard?) kamen zu einem völlig ent- gesengesetzten Resultat. Der erste untersuchte darauf die Frage nochmals sehr eingehend mit F. Voit*) mit ganz demselben Resultat wie in der vorhergehenden Untersuchungsreihe. Es zeigte sich, dass die CO,-Produktion nicht im mindesten geringer war nach der Curarisierung als in der Norm. Es trat nur dann eine Ver- minderung des Ruhestoffwechsels auf, wenn so grosse Curaremengen eingeführt wurden, dass neben der Lähmung der willkürlichen Muskulatur auch eine Lähmung der Vasomotoren eingetreten war. Diese Ver- suche von Frank und Voit wurden in neuester Zeit von F. Tang]°) in vollem Umfange bestätigt. Seitdem steht wohl fest, dass die entgegen- gesetzten Ergebnisse von Zuntz und Pfl üger iu der aus der grossen Curaredose resultierenden Vasomotorenlähmung ihre Erklärung finden. Es geht hieraus ohne weiteres hervor, von welch eminenter Wichtiekeit vasomotorische Störungen in Fragen des Stoffwechsels und der Physiologie der Muskeln sind, Fragen also, die zum Teil direkt mit der unserigen von der Tonusgenese im engsten Zu- sammenhange stehen. 1) Zuntz, Pflüger’s Arch. Bd. 12 S. 522. 2) Pflüger, Pflüger’s Arch. Bd. 18 S. 247. 3) Frark und v. Gebhard, Ber. d. Gesellsch. f. Morphol. u. Physiol. München 1901. Zitiert nach Mansfeld und Lukasz, |. c. S. 469. 4) OÖ. Frank und Fr. Voit, Zeitschr. f. Biol. Bd. 42 S. 309, 5) F. Tangl, zitiert nach Mansfeld und Lukasz, |. c. S. 469. 154 J. G. Dusser de Barenne: Mansfeld und Lukasz haben nun, mit Rücksicht auf die oben auseinandergesetzte Streitfrage, bei ihren Stoffwechselversuchen sorgfältig dafür Sorge getragen, dass ihren Versuchstieren nur so viel Curare einverleibt wurde, dass eine Vasomotorenlähmung nicht auf- trat, worüber sie sich durch fortwährende Beobachtung des Blut- druckes Kontrolle verschafften. Falls eine geringe Blutdrucksenkung auftrat, wurde immer gewartet, bis der Druck wieder normale Höhe erreicht hatte. Unter diesen Umständen nun, wobei vasomotorische Störungen somit höchstwahrscheinlich nicht vorhanden waren, ist: es klar, dass dieselben noch eintreten können und werden, wenn der Sympathieus exstirpiert wird. Und dass nach diesem Eingriff, auch nach der Curarisation, Änderungen im respiratorischen Stoff- wechsel der betreffenden Muskeln eintreten, kann nach allem, was oben besprochen worden ist, als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Jedenfalls ist dieser Einwand .nicht widerlegt. | Auch Pekelharing und van Hoogenhuijze haben, soweit es ihre chemischen Versuche betrifft, schon auf diesen Faktor hin- ‚gewiesen und selbst einige Ergebnisse, zum Teil gerade um denselben, bei ihren Konklusionen ausgeschaltet !). 1) Nebenbei möchte ich die Frage aufwerfen, inwieweit auch vasomotorische Störungen in ihren Versuchen an enthirnten Katzen mit einseitig durchschnittenen Hinterwurzeln einer Vorderpfote etwa eine Rolle gespielt haben. Es war mir- nämlich von vornherein nicht ganz unwahrscheinlich, dass Unterschiede in dem Vasomotorium der beiden betreffenden Extremitäten vorhanden sein würden. Ich habe darum denselben Versuch bei einer Katze angestellt, wobei ich vor Ausführung der beiden Operationen (Enthirnung und einseitiger Durch- schneidung der Hinterwurzeln einer Hinterpfote) die Temperatur der Fusssohlen der beiden hinteren Extremitäten, mehrmals und im Verlauf von mehreren Stunden, bestimmte. Ich umwickelte dazu das distale Ende der betreffenden Pfoten mit Watte und legte dann während 5 Minuten das Reservoir eines Thermo- meters zwischen die Zehen und gegen die Sohle. Die grösste Differenz war bei allen Bestimmungen 0,2° C. Jetzt wurden die Hinterwurzeln von L. I, III, IV, V, VI, VII und S.I auf der linken Seite durchschritten. und das Tier dezerebriert. Resultat: linke Hinterpfote ganz schlaff, in der rechten Pfote entwickelte sich eine nicht ganz starke Enthirnungsstarre. Als diese vorhanden war, ergab die Temperatur- messung, in der obenerwähnten Weise ausgeführt, eine Differenz von 1,9° C. Ich möchte somit ohne weiteres Differenzen im: Vasomotorium der be- treffenden Muskeln in den analogen Versuchen Pekelharing und van Hoogen- huijze’s nicht ausgeschlossen erachten. Vielleicht müsste diesem Punkte somit auch bei der Deutung ihrer Versuchsergebnisse Rechnung getragen werden. Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 155 In einer zweiten Mitteilung über den „chemischen“ Muskeltonus gibt Mansfeld!) an, dass nach Curarisation von Fröschen mit Dosen, die eben zur Aufhebung der indirekten elektrischen Reizbar- keit der Muskeln genügten, noch eine Verlängerung des Gastroenemius auftritt, wenn der N. ischiadieus durchschnitten wird. Diese Ver- längerung soll fast gleich gross sein wie die von de Boer in seinen ' obenzitierten Versuchen gefundene. Die Versuchsaufstellung Mansfeld’s war fast dieselbe wie die ‚de Boer’s; dass diese Aufstellung zur quantitativen Feststellung der Tonusabnahme nach Ausschaltung der autonomen Muskelinner- vation nicht geeignet ist, haben wir schon oben gesehen. Ausser- dem möchte ich bemerken, dass das ohnedies schon deutlich ist für die von Mansfeld benutzte Aufstellung; denn eine solche, bei der der zum Hebel gehende Faden bloss „an das periphere Ende des Beines befestigt“ ist, können wir in Versuchen, wo es sich um die Messung solcher minimaler Unterschiede (Verlängerungen von 0,1—0,25 mm) handelt, doch nicht als einwandfrei bezeichnen. Diese Versuche können ausserdem, auch wenn wir sie akzep- _ tierea würden, keinen Aufschluss geben über die Frage, inwieweit die beobachtete Verlängerung des Muskels eine totale ist oder nur eine partielle. Es ist ja durch die Curarisation schon eine teilweise Verlängerung des Muskels vielleicht, oder besser wahrscheinlich, her- beigeführt. Diese Frage wird somit von diesen Versuchen Mans- feld’s gar nicht tangiert. Wenn man fragt, was diese Versuche aussagen, dann könnte man meines Erachtens sagen, dass sie vielleicht ein indirekter Hin- weis sind auf die auf andere Weise schon demonstrierte experimentelle Tatsache, dass die Ausschaltung der autonomen Innervation beim Frosch eine ganz geringe Tonusabnahme der Muskeln nach sich zieht. Schliesslich habe ich noch eine Arbeit Jansma’s?) zu erwähnen Dieser hat auch unter anderem die Froschversuche de Boer’s wieder- holt und nach Durchtrennung der Rami communicantes eine Tonus- abnahme der ’Muskeln beobachtet. Im Gegensatz aber zu de Boer gibt er an, dass die Durchschneidung des N. ischiadieus von einer 1) G. Mansfeld, Über den chemischen Muskeltonus. II. Pflüger’s Arch. Bd. 161 S. 478. 1915. 2) J. R. Jansma, Untersuchungen über den Tonus und über die Leichen- starre der quergestreiften Muskulatur. Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 (N. F. Bd. 47) S. 865. 1915. 156 J. G. Dusser de Barenne: grösseren Verlängerung resp. Dehnung der Muskeln desherabhängenden Hinterbeines gefolgt wird. Ien muss hier aber bemerken, dass dieser Versuch mir nicht ganz einwandfrei vorkommt. Durch die Durch- schneidung des peripheren Nerven bekommen wir eine Lähmung der betreffenden Muskeln; die von mir gewählte Versuchsanordnune, wobei - der totale Tonusverlust herbeigeführt wird durch Durchtrennung der Hinterwurzeln (Brondgeest’ scher Versuch), woraus aber keine Lähmung resultiert, scheint mir aus diesem Grunde vorzuziehen. de Boer hat versucht, seine Ansicht von der sympathischen Genese des Skelettmuskeltonus noch auf andere Weise zu erhärten. Er will nämlieh einen Einfluss des autonomen Systems auf die Entwicklung der Leichenstarre nachgewiesen haben. In Weiter- führung der alten Untersuchungen von v. Eiselsberg, Aust.u.a., die gefunden haben, dass das Auftreten der Muskelstarre durch Dureh- schneidung des peripheren Nerven verzögert wird, gibt er an, dass in Fröschen, denen er einseitig den Grenzstrang exstirpiert bzw. die Rami communicantes durchschnitten hatte, die Leichenstarre in den Muskeln des homolateralen Hinterbeins später auftritt als in den Muskeln der gegenseitigen Hinterpfote. Die Verspätung in den Versuchen der älteren Autoren würde nach de Boer somit von der durch die Nervendurchschneidung gleichzeitig herbeigeführten Ausschaltung der autonomen Innervation verursacht sein. In erster Linie möchte ich bemerken, dass diese Versuche meines Erachtens nicht beweisend sind. de Bover hat die betreffende Operation an allen Tieren ausgeführt von Y/s Stunde bis 3 Tagen, bevor er den Frosch durch Unterbindung des Herzens tötete. Somit sind in den betreffenden Muskeln vasomotorische Störungen während kürzerer oder längerer Zeit vorhanden gewesen. Dass diese aber höchstwahrscheinlich Veränderungen in der inneren Respiration und in dem Stoffwechsel dieser Muskeln zur Folge gehabt haben, ist oben ausführlich auseinandergesetzt. Esist somit keinesweesunmöglich, ja selbst wahrscheinlich, dass die aufgefundene Verspätung in dem Entstehen der Totenstarre der betreffenden Muskeln auf diese Än- derungen in der vasomotorischen Innervation zurückzuführen wäre. Ich habe auch einige Versuche zu dieser Frage angestellt. Bei vier Katzen und einem Kaninchen habe ieh nämlich einseitig den Bauchstrang exstirpiert, unmittelbar nachdem ich das Tier durch Herzstich getötet und somit die Zirkulation ausgeschaltet hatte. Hierunter folgen die Protokolle. | Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 157 Katze A.: Zimmertemperatur 17° C. Herzstich. Rechts den Bauchstrang exstirpiert von L. II bis S. I. 1 2h 00° alas. y. Ze p: m. So Ep. m. Katze B.: Vertikal und symmetrisch an den Ohren aufgehängt. . "Nichts Besonderes. Riger fängt an in den Kaumuskeln und Vorderpfoten. Kein Unterschied zwischen links und rechts. Noch nichts in den Hinterbeinen. Idem. Rigor im linken Vorderbein, besonders in den Extensoren des Ellbogengelenkes, etwas stärker als in diesen Muskeln am rechten Vorderbein. In den Hinterpfoten nichts Besonderes. Jetzt auch etwas Rigor in den Hinterbeinen. Kein Unterschied in diesen Extremitäten. Als zuvor. Kein Unterschied in den Hinterbeinen. Der Rigor ist bedeutend stärker als: zuvor. Starre deutlicher. Kein Unterschied in den Hinterbeinen. ldem. In den Hüft- und Kniegelenken kein Unterschied. Fussgelenk rechts etwas weniger starr alsam linken Hinterbeine. Der Unterschied Zwischen den Vorder- pfoten ist noch sehr deutlich; rechts weniger Starre als links. Starre in den Hinterbeinen sehr. ausgesprochen. Kein Unterschied. In den Vorderbeinen rechts noch etwas weniger Starre als links, aber der Unterschied ist deutlich weniger ausgesprochen als zuvor. Maximale Starre in allen - Extremitäten. Zimmertemperatur 17° C. Herzstich. Unmittelbar nachher Exstirpation des rechten Bauchstranges. 21630. p. men 2h15' p. m. Mar p: 2h45' 1% ,35.00' p. mM. ns -130 15. p..m.' ho’ Vertikal und symmetrisch an den Ohren aufgehängt. Nichts Besonderes. Rigor fängt an in den Kaumuskeln. Weiter nichts Besonderes zu verzeichnen. Anfang von Starre jetzt auch in den Vorderpfoten. - :Hinterbeine nichts. ® :Rigor in Kau- und Vorderbeinmuskeln deutlicher. In den vorderen Extremitäten kein Unterschied. In ‘; Hinterpfoten vielleicht ein Anfang von Starre. Kein Unterschied zu konstatieren. Rigor in Vorderbeinen deutlich. Hier kein Unterschied. Anfang von Starre in den Hinterbeinen, und zwar in ‚Hüft- al Kniegelenk. Keine or enann Rigor in den Yorderpfoten sehr deutlich. In den Hinterbeinen etwas deutlicher als zuvor. Vielleicht gibt es einen winzigen Unterschied jetzt, linke Hinterpfote vielleicht etwas mehr, rigid als die rechte. Dubiös. Pflüger's Archiv für Physiologie. Bd. 166. 11 158 3h 45’ 4h 00’ 4h 15’ 4h 30’ u ES SE, p- p. p. [=] . p. a m. J. G. Dusser de Barenne: In Vorderbeinen kein Unterschied. In hinteren Ex- tremitäten Rigor deutlicher. Kein Unterschied im Hüftgelenk, auch nicht in den Fussgelenken. Linkes Knie etwas starrer als das rechte. Im rechten Ellbogengelenk etwas weniger Wider- ‚stand als im linken. In Extensoren der rechten m. m.“ - m. S555535 Knie- und Hüftgelenke jetzt deutlich weniger Wider- stand als in den gleichen Gelenken links. Der Unterschied in den beiden vorderen Extremitäten. noch etwas deutlicher. Auch der Unterschied in den beiden Hinterpfoten; auch das rechte Fussgelenk ist jetzt etwas weniger starr als das linke. Unterschied zwischen rechter und linker Vorderpfote deutlich. Weniger deutlich geworden ist der Unter- schied der beiden Hinterpfoten. Schwanz sehr deutlich starr.. Kein Unterschied bei Biegen nach links oder nach rechts. Der Unterschied in den Hinterbeinen ist nur noch minimal. In Vorderpfoten auch weniger deutlich. Unterschied in Vorder- und Hinterbeinen verschwunden. Keine Unterschiede mehr. Starre noch nicht maximal. Idem. Idem. Noch nicht maximale Starre. Idem., Starre in allen Gelenken maximal. Herzstich. Rechter Bauchstrang exstirpiert. Tempe- ratur 18 C., ; Vertikal und symmetrisch an den Ohren aufgehängt. Nichts Besonderes. Nihil. .. Rigor in den Kaumuskeln fängt an sich zu entwickeln. Weiter nihil. .m. Rigor in Kaumuskeln deutlicher. Anfang von Starre in Vorderpfoten. Kein Unterschied.- In Hinterbeinen nihil. Als zuvor. Keine Unterschiede. a DING In Vorderbeinen Rigor deutlich... In hinteren Ex- tremitäten Anfang von Starre. - Kein Unterschied zu konstatieren. .- Idem ‘als 3h 47'’.: Noch kein Unterschied. Keine Unterschiede. Keine Differenzen, auch nicht im Schwanz bei Seit- wärtsbiegen. Keine Unterschiede. Rigor in den Hinterbeinen deutlich. Nichts Besonderes. Keine Unterschiede. - - Idem. aan Ealdkern a! idem. Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 159 Rt pm. 8h 32’ 9h 15’ pam: p. m. Idem. Starke Starre, wenn auch noch einige Beweg- lichkeit in den Gelenken. Keine Unterschiede.’ Maximale Starre in allen Gelenken. Katze D.: Herzstich. Rechter Bauchstrang exstirpiert. Zimmer- wie im vorigen Versuch. temperatur 2h07' 32h 40' 2h 50’ 3h 05’ 3h 20’ 3h 50' 4h 05° 4h 20’ 4h 35° 4h50' 5h 05' 5h20' 5h 35’ 65 05° 64h 35’ 79 sh 35’ 9h 17' 105 00’ 10h 45’ p- p. m. p. m. p. m. ‚p.m pm; 3h35’p.m m. m, . Mm. SEEBE Vertikal aufgehängt. Nihil. Idem. Rigor fängt an in den Kaumuskeln. Weiter nihil. Wie zuvor. Anfang von Starre in den Vorderbeinen. Kein Unter- schied. Starre in den Vorderpfoten deutlicher. Anfang von Risor in den hinteren Extremitäten. Keine Unter- schiede zu eruieren. Keine Unterschiede zwischen links und rechts zu be- obachten. ; Keine Unterschiede. Starre in den Hinterbeinen schon deutlich. Keine Unterschiede. Idem. Vielleicht im rechten Knie- und Fussgelenk etwas mehr Widerstand als in denselben Gelenken der linken hinteren Extremität. Noch immer ist ein positives Urteil in dieser Hinsicht nicht möglich. Im rechten Hinterbein, speziell im Hüftgelenk, jetzt deutlich mehr Starre als im linken Hinterbein. Im rechten Hüft- und Kniegelenk mehr Widerstand als im linken. Keine Unterschiede in Starre der Fussgelenke. Idem. Unterschiede in den beiden usselsulean etwas weniger deutlich als zuvor. Idem. Keine Unterschiede mehr zu konstatieren. Idem. Keine Unterschiede. Fast maximale Starre. Maximale Starre in allen Gliedern.- Kaninchen: Zimmertemperatur 17° C. Herzstich. Rechter Bauchsympathicus exstirpiert von L. III — 8.1. 9606. Ih 58’ 3h 45’ 4h a’ 4h 34’ 5h 55’ 6613’ p- E BEBESSSE Vertikal an den Ohren aufgehängt. Anfang von Rigor in Kaumuskeln. Weiter nichts Besonderes. en Anfang von Rigor in den Hinterbeinen. Keine Differenz. Idem. . Starre in den Hinterbeinen sehr deutlich. Kein Unterschied. ; Starker Rigor daselbst. Keine Unterschiede. la 160 J. G. Dusser de Barenne: 7h 28’ p.m. Keine Unterschiede. Tier symmetrisch in Rückenlage. 8h 18’ p. m. Keine Unterschiede in den Hinterpfoten zu konstatieren. Lage der Extremitäten symmetrisch. 105 05’ p.m. Rigor sehr stark, wenn auch noch nicht maximal. - Keine Unterschiede, 10h 53’ p.m. Maximale Starre.: In diesen Versuchen, in welchen, weil die Exstirpation des Bauch- stranges unmittelbar nach dem Tode (durch innere Verblutung) vor- genommen wurde, vasomotorische Störungen keine Rolle. gespielt haben ‚können, ersehen wir, dass bei zwei von den fünf Tieren (Katzen A und B) die Leichenstarre im zur Exstirpation homolateralen Hinterbein etwas später eintrat als im heterolateralen Beine, ein Ergebnis also, das im Sinne des de Boer’scehen Ergebnisses ist, wenn auch die Unter- schiede hier offenbar nicht so deutlich waren als in seinen des be- treffenden Froschversuchen. In zwei Versuchen (Katze C und Kaninchen) waren keine Unterschiede zu konstatieren, während in einem Ver- suche (Katze D) die Starre sehr deutlich eher auftrat im Hinterbeine, auf dessen Seite der Bauchstrang exstirpiert worden war. Im Hin- ‚blick auf diese letzten drei Versuche, besonders aber auf das Er- gebnis bei der Katze D, das direkt gegen die Angabe de Boer’s spricht, kam es mir unnötig vor, die Zahl der Versuche noch weiter auszudehnen. Ich glaube, dass wir die Erklärung für die Beobachtung de Boer’s wahrscheinlich, jedenfalls zum Teil, in den erwähnten vasomotorischen Störungen und den daraus resultierenden Änderungen im Chemismus der Muskeln suchen dürfen. Dass bei der Ent- wicklung der Totenstarre auch noch andere Momente eine Rolle ‚spielen, ist wohl darum auch wahrscheinlich, dass bei einigen Tieren, wie erwähnt, auch Unterschiede in den Vorderbeinmuskeln sich zeigten. Die autonome Innervation dieser Muskeln war je intakt geblieben, und für die etwaige Annahme einer rückläufigen, Beein- flussung derselben, durch die Exstirpation des Bauchstranges bedingt, | ‚fehlen bis jetzt irgendwelche Gründe. Ich konkludiere somit, dass aus diesen Versuchen hervorgeht, dass, von einem eindeutigen, in irgendeiner Richtung sprechenden Eiuflusse ‚des autonomen Systems auf die Entwicklung der Müskel- o ‚totenstarre sieh nichts gezeigt hat. ee le Die Exstirpation des Bauchstranges bei der .in Fig. 1 reprodu- zierten Katze wurde, wie schon bemerkt, unter aseptischen Kautelen ausgeführt. ‚Auch bei mehreren anderen Tieren war das der-Fall. Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 161 Es kam mir nämlich wünschenswert vor, zu konstatieren, inwieweit. die unmittelbar nach dem Eingriff zu beobachtende Tonusabnahme auch nach einigen Tagen noch vorhanden war. | Es zeigte sich nun, wie wir gesehen haben, dass auch nad 2 Tagen die ‚nitiale, partielle Erschlaffung der Muskeln sich_dar- tun liess. ; Wenn wir die Tiere am Ten erhielten, "konnten wir aber be- obachten,, dass im Laufe der nächsten Wochen der Unterschied im Tonus der zwei Pfoten allmählich abnahm. Die Gewichte, die zur optimalen Demonstration des Unterschiedes bei der hier. benutzten Versuchsaufstellung nötig waren, mussten immer grösser genommen werden, der Unterschied bei passiven Bewegungen wurde auch immer kleiner und kleiner und der Schwanz, der anfänglich immer nach der nichtoperierten Seite gekrümmt cehalten wurde, ward dann wieder geradeaus getragen. Schliesslich, mehrmals nach 4—6 Wochen, aber immer nach 7—S Wochen, war bei den von mir beobachteten Katzen ein Unterschied zwischen beiden Hinterbeinen nicht mehr. zu eruieren. | | Wer nicht wusste, at welcher Seite bei diesen Tieren der eine Bauchstrang exstirpiert worden war, konnte, wenn das Tier den Eingriff 7—8 Wochen überlebt hatte, nicht mehr mit Sicherheit aus- sagen, auf welcher Seite die Exstirpation vorgenommen worden war. Die initiale Hypotonie auf der lädierten Seite war dann somit wieder verschwunden !). BL Ich hatte bei der Erwähnung des Umstandes, dass die be- treffenden Versuche Kure’s, Hiramatsu’s und Naito’s akute Experimente waren, -natürlich das. Ergebnis ‘dieser- chronischen Ver- suche im Auge: dass das Ergebnis für unsere Frage nicht belanglos ist, ist ohne weiteres deutlich. Im Hinblick auf. diese Tatsache müssen wir uns ja die Frage vorlegen, ob die initiale Hypotonie. in den akuten Versuchen wohl als eine direkte Folge des Eiugriffes aufzufassen sei oder nur etwa indirekt von demselben bedingt sei. ‚Wir haben nur diese zwei Möglichkeiten. Entweder ist die initiale ‚Hypotonie tatsächlich verursacht durch den Wegfall von | zen- trifugalen, einen Teil des Tonus vermittelnden autonomen Fasern, oder nicht. Falls es sich zeigen würde, .dass gegen erstere Annahme ef 1) Ob ‚die ‚betreffende initiale. Hypotonie beim -Frosch im chronischen. Ver- suche auch wieder verschwindet, darüber habe_ich keine Erfahrungen. ) en D AhEHtS el Rn Be [ et g 62} fh 1 nt‘ IH ‚162 J. G. Dusser de Barenne: wichtige Gründe sich anführen liessen, so hätten wir nach anderen möglichen Erklärungen zu forschen und, falls sich solche auffinden sollten, diese zu diskutieren. Wir wollen hier jetzt diesen Punkt näher betrachten. In erster Linie somit die plausibelste Ansicht, nach der die initiale Hypotonie als eine direkte Folge der Ausschaltung der auto- nomen Innervation aufzufassen, somit auf den Fortfall von zentri- fugalen, tonusvermittlenden, autonomen Impulsen zu beziehen wäre. Weil die Tonusabnahme nach der Bauchstrangexstirpation nur eine relativ geringe ist und keineswess eine totale, wie wir gesehen haben, so ‚hätten wir uns dann vorzustellen, dass bei intaktem Nervensystem, unter normalen Umständen etwa, der Tonus den beiden zentrifugalen nervösen Systemen entlang zu den quergestreiften Muskeln abfliesst und dann zum grössten Teil den zerebrospinalen Fasern, zum kleinsten Teil den Boeke’schen autonomen Systemen entlang. Denn wo es sich um akute Versuche handelt, können wir mit Sicher- heit aussagen, dass die Tonusabnahme, unter diesen Umständen auf- tretend, wenn sie überhaupt von der Ausschaltung der autonomen Innervation herrührt, diesen autonomen Anteil des Tonus eher zu gross wiedergibt, sicherlich nieht kleiner, als ihm tatsächlich ent- spräche. Das Ergebnis des chronischen Experimentes liesse sich, wenn diese Ansicht der doppelten Genese des Tonus sich be- währen würde, ungezwungen auf die mit der Zeit sich aus- bildenden Kompensationen von seiten der zerebrospinalen I zurückführen. Obwohl diese Hypothese auf asien Anblick sehr Snsigh. möchte ich doch einige Bedenken vorführen, die sich meines Er- achtens gegen sie einbringen lassen. In erster Linie ist es mir nicht aunehmlich, dass zwei morpho- logisch und, soviel wir wissen, auch physiologisch so grundverschiedene Gebilde, wie Sarkoplasma und quergestreifte Muskelsubstanz, teilweise : mit derselben Funktion beauftragt sein sollten, und wie, wenn der eine (autonome) ‚Komponent ausgefallen ist, die Funktion desselben von dem anderen (den zerebrospinalen Fasern) übernommen werden sollte. Nachdrücklich aber will ich betonen, dass ieh diesem theore- tischen Bedenken bei unseren noch so dürftigen Kenntnissen der Muskelfunktion nicht entscheidenden Wert beilegen möchte. Wir haben aber ein experimentelles Ergebnis, das sehr stark gegen diese Ansicht spricht. Dass die Enthirnungsstarre ungeschwächt Über die Innervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 163 -bestehen bleibt nach der Ausschaltung der autonomen Innervation !), ist eine Tatsache, die, wie ohne weiteres klar ist, nicht mit der Ansicht der. doppelten Genese das Muskeltonus in Einklang zu bringen ist. Wir hätten dann doch eine entsprechende Abnahme der Enthirnungsstarre zu erwarten. Aus demselben Grunde unter anderem kann ich den Ausführungen Langelaan’s, der neulichst eine ausführliche Studie über den Muskeltonus?) veröffentlicht hat, nicht beistimmen. Diese Mitteilung Langelaan’s muss ich jetzt hier eine kurze Besprechung widmen. Einige Zitate mögen angeführt werden. Auf S. 270 seiner. Arbeit schreibt er unter anderem: „The morphological researches of Boeke lead to the conception of the duality of the striped muscle, viz. a sarcoplasmatie mass, innervated by a sympathetie fire analogous to a smooth muscle, in which is embedded a striped apparatus. This apparatus is in «lose eonnexion with or forms the termination of the axone of the motor cell of the anterior horns. The notion of the duality of the striped muscle was already held several years ago by Fano, Botazzi, Zoethout, and others, and lastly again by Pekelharing and by de Boer.“ Und weiter auf S. 323 ff. „Ihe analysis of the extension curves of the tonie musele has led to the result that the tonie muscle is eontinually in a state of slight eontraction, combined. with-a' state of exalted plastieity ... . The physiologieal faets brought into eonnexion with the morphological discoveries of Boeke caused us to conelude that plastieity is the chief property of the sarcoplasmatie part of the muscle ard that the maintenance of a slight state of contraction is due to the striped apparatus. Hence one component of the tonus is controlled by the sympathetie system, and the other component, the contraction remains under the control of the motor cell of the anterior horn.“ Er schlägt denn auch die Bezeichnungen „kontraktiler* Tonus und „plastischer“ oder autonomer Tonus vor. Nach seinen Ansichten hätten wir uns somit vorzustellen, das im Experiment der mit gegenseitiger Hinterwurzeldurchschneidung 1) Dusser de Barenne, Über die Enthirnungsstarre (Decerebrate Rigidity Sherrington’s) in ihrer Beziehung zur efferenten Innervation der quergestreiften Muskulatur. Folia Neuro-Biologica Bd. 7 S. 651. 1913. - 2) J. W.Langelaan, On Muscle Tonus. Brain Bd. 38 part3 p. 255. 1915. 164 J. G. Dusser de Barenne: kombinierten Bauchstrangexstirpation durch den letzteren Eingriff . der plastische Tonus, durch die Wurzeldurchschneidung der kontraktile: und der plastische Tonus verschwinde. | "Wir. können gegen: diese ‚Ansicht dieselben Einwände geltend: machen, die auf S. 162 und 163 gegen die Hypothese der. doppelten, Genese des Tonus eingebracht worden sind. Besonders die Aus- führungen Langelaan’s über die Beziehungen zwischen Sym- pathieus und Enthirnungsstarre Sherrimgton’s können mich nicht befriedigen. cs Mi Auf S. 331 schreibt er in. dieser Hinsicht nämlien: „Ihe eutting through of the brain-stem between thalamus and midbrain (Sherrington) provokes a similar effeet (nämlich eine ‚ Verstärkung der tonischen Muskelkontraktion, Ref.).. By this section the lower sympathetie centres are divided from the hicher centres, situated in the base of the brain. Ein! I have only qualitative experience of the state, desienaei] be Sherrington ,‚decerebrate rigidity‘; but it. seems’ very probable to me that. this rigidity is at least partly due to a spasm of the sarcoplasmatie part of.the muscle!). Hence one of the eomponents in the decerebrate rigidity is a spasm of sympathetie origin,, caused by the prevailing of the cerebellum. This opinion harmonizes with the views of Sherrington, who considers the cerebellun as the main ganglion of the proprioceptive system.“ Dr Hi a ‚Hierzu will ich folgendes bemerken. ehren e Es ist mir nicht gut verständlich, wie Lankelaan meine Versuche, als in der angegebenen Richtung, deutend, herbeiführt. Es sind die?) schon erwähnten Dezerebrierungsversuche bei gleichzeitiger; Exstirpation eines Bauchstranges, bei denen in vier Katzen keine; Spur einer Abnahme der 'Enthirnungsstarre im betreffenden Hinter-, beine konstatiert werden konnte. Was diese Versuche beweisen, ist, um es nochmals zu wiederholen, dass das autonome System in der Genese der Enthirnungsstarre keine Rolle spielt. Nebenbei bemerkt ei, dass die Aussage, dass das Cerebellum in: der. Entstehung dieser Starre eine dominierende Rolle spielt, eine unbewiesene Annahme ist. Im Gegenteil lautet die Angabe von Sherrington?), die noch 1) The experiments of Dusser. de.Barenne tend to the same conclusion. 2) Dusser de Barenne, |. c. ' 8) Sherrington, se Action of the. ea Sy stem p. 302. 1906, und Journ. of Physiol. vol. 22 p: 327. 1898. Über die Inuervation und den Tonus der quergestreiften Muskeln. 165 neuerdines von Beritoff und Magnus!) vollauf bestätigt worden ist, dass die Enthirnungsstarre nach schonender Rleinhirnexstirpation bestehen bleibt. Auch einen anderen Punkt, worin Langelaan seine theoretischen Ausführungen mit bekannten Tatsachen der Physiologie des Zentral- nervensystems in Übereinstimmung findet, muss ich besprechen. Er will nämlich das antagonistische Zusammenwirken der Muskeln, wie es sich in koordinierten Bewegungen abspielt, und wie wir es seit Sherrington’s Werk kennen, jedenfalls zum Teil beziehen auf Impulse, die das autonome System passieren. Ich muss nun aber daraufhinweisen, dass es sich mir schon in früheren Versuchen gezeigt hat, dass diese antagonistischen Reflexe auch nach Ausschaltung des autonomen Systems sehr schön ablaufen. Auch die Magnus-de-Kleijn’schen Reflexe treten noch sehr schön aufnach F xstirpation des Bauchstranges?). Diese experimentellen Tat- sachen stehen somit in direktem Widerspruch mit der obenerwähnten Ansicht Langelaan’s. Ieh kann somit nicht einsehen, dass seine hier angeführten Dar- legungen, soweit er sie mit den obergenannten Punkten der Physio logie des Zentralnervensystems in Zusammenhang bringt, mit den in dieser Hinsicht bekannten Tatsachen im Einklang stehen. Auf seine eigentlichen Versuche hier einzugehen , würde mich zu weit führen und kann ich unterlassen, denn, wo es alle Experi- mente schon älteren Datums sind (aus den Jahren 1399 —1904), sind sie natürlich‘ nicht auf die Boeke’sche Entdeckung abeestimmt, und soweit Langelaan auf das seitdem auf die Tagesordnung gestellte Problem der autonomen Genese des Muskeltonus Rücksicht nimmt, handelt es sich um theoretische Auseinandersetzungen. Dass diese aber mit mehreren experimentellen Tatsachen nicht in Übereinstimmung sind, ist, wie ich glaube, oben darzetan. "Aus dem Obenstehenden geht hervor, dass sich mehrere Einwände gegen die zuerst diskutierte Ansicht, nach der die anal lahyyluune 1) R. Magnus, Welche Teile des Zentralnervensystems müssen für das Zustandekommen der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körper- muskulatur vorhanden sein? Pflüger’ s Arch. Bd. 159 8. 250. 1914. 2) Dusser de Barenne, Nachweis, dass die Magnus-de Kleijn’schen Reflexe bei der erwachsenen Katze mit intaktem Zentralnervensystem bei passiven und. .bei. aktiven. Kopf- resp. Halsbewegungen auftreten und somit im normalen Leben der Tiere eine. Rolle spielen, Folia .Neuro-Biologica Bd.-8.'S. 413, „1914, 166 J. G. Dusser de Barenne: eine direkte’ Folge der Exstirpation des autonomen Systems sei, ein- bringen lassen, und ich kann denn auch, bis auf weiteres, diese An- sicht nicht als einwandfrei dargelegt betrachten. Wir haben uns jetzt also die Frage vorzulegen, ob dann vielleicht die initiale Hypo- tonie in anderer Weise, als eine direkte Folge des betrefienden experimentellen Eingriffes, erklären liesse. In erster Linie drängt sich dann die Frage auf, ob diese Hypo- tonie nicht etwa auf eine Art Schock zurückzuführen sei. Für diese Ansicht könnten folgende Momente geltend gemacht werden: 1. Durch die Exstirpation des Bauchstranges werden neben den zentrifugalen auch zahlreiche zentripetale autonome Impulse ausgeschaltet, und 2. haben wir gute Gründe, anzunehmen, dass durch diesen Eingriff auch zahlreiche schockverursachende Reize dem Zentralnerven- system zugeführt werden (man denke nur zum Beispiel an die reflek- torisch ausgelösten Schockerscheinungen im Goltz’schen Klopf- versuch). ‚Allerdings ist aber die Annahme eines tagelang andauernden Schocks beim Frosche nicht gut vereinbar mit den Tatsachen, die wir über Schock beim Kaltblüter kennen, und auch für den Warm- blüter ist diese Annahme nicht ganz befriedigend. Denn selbst bei experimentellen Eingriffen in hoch organisierte Teile des Zentral- nervensystems (zum Beispiel im Thalamus optieus) bilden sich be- kanntlich schwere Initialsymptome bei unserem -Versuchstiere öfters bedeutend schneller zurück. Zugunsten dieser Schoekhypothese spricht aber wieder das im folgenden mitzuteilende Versuchsergebnis. Bei zwei Katzen hatte ich vor mehreren Wochen einseitig (rechts) den Bauchstrang exstirpiert. . Die daraus resultierende Hypotonie war schon -wieder fast ganz verschwunden, als ich zu anderen Zwecken bei diesen Tieren je ein doppelseitiges Vastocrureus- präparat nach Sherrington anfertigte. Nur die beiden Vastoerurei (der vom Femur entspringende Teil des Streckmuskels des Knie- gelenkes) waren somit noch durch ihre afferenten und efferenten Nerven mit dem Zentralnervensystem in Verbindung. Alle anderen zentrifugalen und zentripetalen Nerven waren durchschnitten. Merk- würdigerweise war jetzt bei diesen zwei Tieren, als die Narkose längst abgeklungen war, ein sehr deutlicher Unterschied im Tonus der beiden Streckmuskeln vorhanden, und zwar zuungunsten des Hinterbeines, das vor einigen Wochen seiner autonomen Innervation beraubt war. Über die Innervation und den Tonus der quereestreiften Muskeln. 167 Ich kann mir das Wiederauftreten des Tonusunterschiedes, nachdem es fast ganz verschwunden war, in diesen Versuchen nicht eut anders zustande gekommen denken, als durch den Schock des zweiten experimentellen Eingriffes, der Herstellung des Sherring- ton’schen Vastocrureuspräparates. Dieses Ergebnis spricht allerdings zugunsten der Auffassung, nach der auch die initiale Hypotonie, wenigstens zum Teil, auf Schock zurückzuführen wäre. Mehr als einen Hinweis zugunsten dieser Ansicht will ich aber vorläufig darin nicht sehen. Es liesse sich weiter fragen, inwieweit die von der Bauchstrang- exstirpation herrührenden, in den Muskeln und höchstwahrseheinlich auch im Rückenmark (reflektorisch ausgelöst) bestehenden vasomoto- rischen Störungen in der Genese der initialen Hypotonie eine Rolle spielen. Dass diesem Faktor in dieser Hinsicht eine grosse Bedeutung zukomme, ist mir allerdings nicht sehr wahrscheinlich. de Boer hat die Tonusabnahme auch beobachtet an Fröschen, denen er die ganze Leibeshöhle ausgeräumt hatte, und am Warmblüter ist, wie bekannt, nach 6—8 Wochen: die initiale Vasodilatation nach Durehschneidung der peripheren Nerven schon längst durch den peri- pheren Autotonus der Gefässe ausgeglichen. Dass die Erscheinung auf periphere vasomotorische Störungen zurückzuführen sei, ist so- mit nicht gut anzunehmen, um so mehr nicht, als die Hypotonie schon direkt nach dem Eingriff am Bauchstrang zu beobachten ist. Soweit ich ersehe, sind das die in Betracht kommenden Hypo- thesen, die also vorgebracht werden könnten, um die initiale Hypotonie als eine indirekte Folge der Ausschaltung der autonomen Innervation zu erklären. Keine derselben kann uns aber vollauf befriedigen. Auf der anderen Seite haben wir gesehen, dass der Hypothese, aach welcher diese Hypotonie ihre Erklärung finden sollte in der Annahme einer doppelten Genese des Muskeltonus, schwerwiegende Bedenken entgegengebracht werden können. Meiner Meinung nach können wir denn auch eine definitive Erklärung für dieses experimen- telle Ergebnis noch richt geben ; ich möchte jedenfalls, bis auf weiteres, auf eine bestimmt formulierte Aussage in dieser Frage verzichten. Die experimentellen Tatsachen, die festgestellt worden sind, sind folgende: I. Beim Frosch und bei der Katze hat die Exstirpation eines Bauchstranges eine geringe, wenn auch deutliche, 'Tonusabnahme der Muskeln der betreffenden hinteren Extremität zur Folge. 168 J. G. Dusser de Barenne: Über die Innervation usw. II. Diese Tonusabnahme ist keine Atonie, sondern nur eine Hypo- tonie, wie daraus. hervorgeht, dass der Tonusverlust nach. Durchtrennung der Hinterwurzeln einer Extremität (Brond- geest’scher Versuch) viel stärker ist. Bo III. Im Verlauf von mehreren Wochen klingt diese initiale Hypo- tonie wieder allmählich ab, um schliesslich wieder zu verschwinden. Aus diesen Tatsachen geht hervor, dass die Ansicht de Boer’s, nach welcher der Tonus des quergestreiften Muskels vom autonomen System besorgt wird und Ausschaltung (dieser autonomen Innervation von Atonie der betreffenden Muskeln gefolgt wird, nicht richtig ist. Im Gegenteil hat sich gezeigt, dass der grösste Teil des Tonus den zerebrospinalen Fasern entlang den: Muskeln zuströmt. Die Frage, ob der Teil des Tonus, der im akuten Versuch verschwindet, auf: die Ausschaltung von zentrifugalen autonomen Fasern, die tonischen. Funktionen dienen, zurückzuführen ist, kann noch nicht sicher be- antwortet werden. Mehrere experimentelle Tatsachen und theore- tische Überlegungen lassen sich mit der eben erwähnten Ansicht, nicht vereinen. Eine einwandfreie andersdeutige Erklärung ist aber bis jetzt noch nicht zu geben. Die definitive Deutung des Ergeb- nisses des betreffenden akuten Versuches muss somit aa Unter- suchungen überlassen Mer en. 169 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Zürich.) Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. Mitteilung. Von Adolf Oswald. (Mit 22 Textfiguren.) In einer vor Kurzem in diesem Archiv erschienenen Abhandlung habe ich!) auf Grund eingehender Versuche an Kaninchen, Hunden und Katzen dargetan, dass Jodthyr eoglobulin die Ansprechbarkeit der Herzvagusendieungen, des Depressors und des Splanchnikus für den fara- dischen Strom erhöht und den hämodynamischen Effekt des Adrenalins “verstärkt. Ich habe gezeist, dass mit steigendem Jodgehalt die Wirk- samkeit der Präparate zunimmt, dass jedoch das Jod an und für sieh nicht das maassgebende Moment ist, insofern als ionisiertes Jod oder an irgendeinen Eiweisskörper gebundenes Jod (Jodkasein) oder “auch an Tyrosin — der Gruppe, an welcher Jod im Jodeiweissmolekül zum Teil verankert ist — gebundenes Jod (Dijodtyrosin) die er- ‘wähnte Eigenschaft nicht hat. Das aus Jodthyreoglobulin abspalt- bare Baumann’sche Jodothyrin besitzt die Eigenschaften seiner "Muttersubstanz , jedoch in abgeschwächtem Maasse. Auf Grund "klinischer ° Beobachtungen 2) habe ich des ferneren dargetan, dass Jodthyreoglobulin nicht nur auscedehnte Gebiete des sympathischen und parasympäthischen Nervensystems, sondern auch den zerebrospinalen Nervenapparat für äussere ‘und innere Reize ansprechender macht, so dass ich aus meinen Beobachtungen den Schluss zog, dass das ‚Schilddrüsensekret die Eigenschaft hat, den Ner ventonus im all- „gemeinen zu.erhöhen. . er, RE "DB. 164 8.506. ° 2) Literatur siehe in der I. Mitteilung. 170 Adolf Oswald: An die bereits publizierten Beobachtungen knüpften sich weitere Fragen an. So zum Beispiel die, welche chemischen Modifikationen sich an dem Jodthyreoglobulin vornehmen lassen, ohne dass es seine physiologischen Eigenschaften einbüsst. Von einer tiefen Spaltung des Eiweissmoleküls, zum Beispiel durch Trypsin, war kein Aufschluss zu erwarten, da durch dieselbe, wie ich früher gezeigt habe), fast drei Viertel des Jods in Freiheit gesetzt werden. Es scheint, dass überhaupt die Spaltung nicht sehr weit vor sich gehen darf, wenn man die physiologischen Eigenschaften erhalten will, da ja der noch hoch- molekular zusammengesetzte Jodothyrinkomplex (er enthält ja nur einige wenige Prozente Jod) schon weniger wirksam ist (auf Jod bezogen) als das intakte Eiweissmolekül. Ich habe darum zunächst Modifikationen am intakten Molekül vorgenommen und ihren Efiekt studiert. Die Überführung des Jodthyreoglobulins in sein Alkali- albuminat ändert, wie ich in der ersten Mitteilung dargetan habe, deren Wirksamkeit nicht; selbst nach mehrminutenlangem Kochen besitzt eine solehe Lösung noch die Eigenschaften der ursprünglichen Substanz. Erwähnt mag auch sein, dass nach den Befunden Pick’s und Pineles’?) unter den Produkten der Pepsinspaltung des Jod- thyreoglobulins: die Protalbumosen noch die physiologischen Eigen- schaften des intakten Moleküls in bezug auf die Wirkung auf den Stoffwechsel und das Wachstum haben, während die von Pick als Heteroalbumose und Deuteroalbumosen bezeichneten Fraktionen sie nicht mehr besitzen. Ich habe nun untersucht, welchen Einfluss die Einführung von Methylengruppen auf das Jodthyreoglobulinmolekül habe. Weiterhin war von Interesse, zu erfahren, ob der Jodgehalt eine für die Wirksamkeit der Substanz unerlässliche Bedingung sei, ‚oder ob ein jodfreies Thyreoglobulin die oben erwähnten Eigen- schaften nicht auch noch besitze, und wenn dies der Fall sein sollte, ob durch künstliche Jodierung des Präparates seine physiologische Wirksamkeit gesteigert werden könne. Ferner sollte untersucht werden, ob andere im Organismus vor- kommende Eiweisskörper, zum Beispiel Serumeiweiss durch Jodierung 1) A. Oswald, Neue Beiträge zur Kenntnis der Bindung des Jods im Jodthyreoglobulin usw. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd..60 S..115. 1908. 2) E. P. Pick und F. Pineles, Untersuchungen über die physiologisch wirksame Substanz der Schilddrüse. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therap. Bd. 7 S. 518. 1909. Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 171 nicht auch Eigenschaften gewinnen, welche sie dem Jodthyreoglobulin nahebringen. Desgleichen wie sich in dieser Hinsicht in der Natur ausserhalb der Schilddrüse vorkommende jodhaltige Eiweisskörper verhalten. Endlich sollte geprüft werden, wie sich die übrigen Bestandteile der Schilddrüse, das Nukleoproteid sowie die nicht eiweissartigen Substanzen verhalten. Mit dieser letzteren Prüfung sollte entschieden werden, ob das Jodthyreoglobulin auch nach dieser Richtung das einzige wirksame Produkt der Schilddrüse ist oder ob neben ihm noch andere Substanzen die gleichen Eigenschaften haben. Ich gebe im folgenden die Antworten auf diese Fragestellungen und behalte mir vor, in einer späteren Mitteilung noch weitere ein- schlägige Fragen zu behandeln. 1. Methodik und Herstellung des Materials. Was die Methodik des Experimentierens anbelangt, so ist sie in der ersten Mitteilung eingehend besprochen worden. Sie ist hier die gleiche geblieben. Bezüglich des Versuchsmaterials mag auch hier wieder betont werden, dass die zu allen Versuchen verwendeten Jodthyreoglobulinpräparate vor ihrem Gebräuche dreimal 24 Stunden gegen laufendes Wasser dialysiert wurden, so dass sie von eventuell mitgerissenen kristalloiden Körpern frei waren. Für die Adrenalin- versuche wurde zum Teil Suprarenin (Höchst), zum Teil ein von dem ‘chemischen Laboratorium „Labor“ in Genf hergestelltes Adrenalin, welche sich beide gleich wirksam erwiesen, verwendet. 2. Wirksamkeit der Methylen-Jodthyreoglobulinverbindung. Dieselbe wurde in der Weise hergestellt, dass einige Tropfen einer verdünnten wässerigen Formaldehydlösung zu einer wässerigen Auflösung von Jodthyreoglobulin hinzugesetzt wurden und das über- schüssige Formaldehyd auf dem Wasserbad verjast wurde. Das ge- wonnene Produkt zeigte die für die so behandelten Eiweisskörper bekannte Erscheinung der Ungerinnbarkeit durch: die Siedehitze. Als Prüfstein der Wirksamkeit wurde die Beeinflussung. des hämo- dynamischen Adrenalineffektes gewählt. , Folgendes Protokoll gibt Aufschluss über das Meran hseräne 102 Adolf Oswald: Tabelle 1. Versuch XXIII. 5. November 1913. Kaninchen, 2330.g. 10Vs Uhr 1,5 g Urethan subkutan unter die Rückenhaut. Tracheotomie, O,- Atmung. Suprareninlösung: 1 mg in 25 ccm physiologischer Kochsalzlösung. Nr. Zeit Aluueue Bemerkungen: in mm Hg - 1 11h 43' 95 "/2 ccm Suprarenin in 5". 115 43’ 13”: 1: 14 +46 mm Hg. | 11h 44’ 0905 D 1’), 2 11h°52' 106 I/g ccm Suprarenin in 5”. 11 5207 72777158 ! +52 mm Hg. 71h 52! 527 |. 104 D 2% 3 ABA ur 72104 \ 1/2 ccm Suprarenin in. 9%) 11h 54’ 08” 153 +49 mm Hg. 1nssuogn Dır an, 11h 58’ 96 10 ccm en | linlösung = 0,3 g Substanz). 4 12h 01’ | 100 \ 1/2 cem Suprarenin in 57 SR OT 5158 -+58 mm Hg. 12»:03° 05” | .100 |] Dee 5 17h 06’ | 93 ccm Suprarenin in 5”. 1220624187 2.159 1 . +67 mm Hg. ; | 92 D1'39”.. 6 12h 08’ | 86 ccm Supranenin INK i ' a ar la IN +'2 mmHg. _ 0 12h 09’ 44" | 86 D 1’ 4". se joy 86 ccm Suprarenin in 5’ a Io Kal au Sa 3 5 Ba +69 ee 12h 12’ 37" 36 D1' 37”. a) 8 Ve]. die Fig. 1lund 2 auf folgender Seite. Aus diesem Versuch ergibt sich, dass die gleiche Menge Adrenalin 'nach Methyler- Jodthyreoglobulinzufuhr eine stärkere und länger-an- haltende Blutdruckwirkung hervorruft als vorher. Durch Über- Luhrune in die; Methylenverbindung ‘wird also die physiologische Wirkung, des Jodthyre oglobuli ns auf die Kreislaufnerven nicht aufgehoben. ‘Da diese Verbindung i in der Siedehitze ungerinnbar ist, lässt sich auf ‚diese Weise ein sterilisierbares Produkt gewinnen, das ebenso wie das ‚Alkalithyreoglobulinat bei ‚chr onischer Zufuhr gute Dienste leisten kann. y Te N N IN 1 er ak ak jodfreien Tiyreosiohalin In der ersten Mitteilung 'habe’ ich gezeigt, dass die-Wirksankeit der Jodthyreoglobulinpräparate mit der Höhe ihres Jodgehaltes 'zu- ‚nimmt. Um die Rolle des Jods genäuer zu bestimmen, habe ich 1) Das +-Zeichen bedeutet hier wie in den folgenden Tabellen Blutdruck- - steigerung, D-bedeutet Dauer derselben. "wu 8, wn J1oIZznpaI Hyoyyonıpynyg ‚uonyofup » 197 7 OEqeL Sue q an "aqnynzumpngojoarkugpolusp/ggoNT 19p yoeu Sunyımmuruoreadng °Z ‘314 173 um G‘FZ wm JIOIznp9a Hyuoyyonapyuyg ‚aonepsuorgolup 9—» *T Offeqeg, me [ "IN aynpnzunngopsosakyypofusjiygow A0p A0A Zunyarmuruarerdng *T "BL Bd. 166. _ ii Lee ea} 8 — a {eb} 1} e-] = = ja} | {eb} re) Bew = Ss ® ww > 5 ns) Re} — .-— Be} (>) [02] = © r on Ss [eo} rd = DI} Be ‚© rS = {eb} De} =) Pflüger’s Archiv für Physiologie. 174.0 Adolf Oswald: jodfreies Thyreoglobulin der Prüfung unterworfen. Ein solches Präparat lässt sich aus hyperplastischen Kalbsschilddrüsen, wie sie hierzulande häufig vorkommen, darstellen. Es enthält überhaupt kein Jod mehr oder Spuren davon (weniger als 0,01 °/o). Folgende Versuche geben Aufschluss über die Wirksamkeit eines solchen Präparates. Dasselbe hatte sich als gänzlich jodfrei erwiesen. Tabelle 2. Versuch XL. 5. März 1914. Kaninchen, 2300 g. Urethan. Tracheo- tomie, O,-Atmung. Adrenalinlösung — 1 mg Suprarenin mit 50 ccm physio- logischer Kochsalzlösung verdünnt (!/’z cem —= !/ıoo mg Adrenalin). 7 pm Er) 28 1 Reizung | 8-7 Nr Zeit 2317.8| des rechten | = Bemerkungen ee ne) Vagus = Sn = == 1 [6% 1’ | E= | — — | 76 !/g cem Adrenalin in 5”. 6 mr — I — _ ihr +41 mm Hg. 6 1m’ | — | — — 86 D47", 6h 2’ — I — — 86 6h 2'720" — | — — 84 26h 25’ — | — _ | 85 1/8 ccm Adrenalin in 5”. 6h 2A — | — | — 132 +47 mm Hg. 6 aa" — I — —_ 94 D4". 6h 3'720” | — | — — 94 6h 3740” | — | — — 87 6h 4’ — | — — 86 6h 40") — | — = 80 6h 2’0”’ | — | — — 76 362 67500 189100 De 6 70’ — | — _ 71 0,2 g jodfreies Thyreo- globulin in 1’ 10". 46h 9'400" | — | — — 80 1/g ccm Adrenalin in 10”. 6h10’12" | — | —. _ 122 + 42 mm Hg. 6h10’aa" — | — — 80 D.1228., 51 6511’20'’ | 189 | 10 |geringe Depress.] — 6 | 6h11’40’” | 189 | 10 | 2 grosse Pulse | — 7161220” | — | — — 76 '/a ccm Adrenalin in 13”. 6h12’a6" | — | — — 136 +60 mm Hg. D1'’32”. Krea| — | — — 86 10 cem gekochte Methylen- Jodthyreoglobulin- lösung 0,15 Substanz) in 40’ 8164162" | — | — — 80 |) "/a ccm Adrenalin in 6”. 6h16’33" | — | — —_ 141 + 61 mm Hg. 6hls’aı") — | — er 80 D2’9". sehr starke. 9 | 6h18’38” | 189 1) nnd | Nesnepulee 10 | 6520’20” | — | — 8 !/a ccm Adrenalin nal 6h20'40" | — | — — 141 6 mm Hg. 6h22’12”" | — | — — 85 > ı 52". 11 | 6622’40"’ | — | — _ 73 |) Y2 ccm Adrenalin in 18". 62301") — | — — 131 + 58 mm Hg. 6a") -— | — — 73 D2's", Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 175 In diesem Versuch hat jodfreies Thyreoglobulin keine Wirkung auf die Ansprechbarkeit des Vagus, dagegen wohl eine solche auf den hämodynamischen Adrenalineffekt gezeiet, indem die Dauer des- selben verlängert ist. Die Wirkung ist jedoch weit schwächer als beim -jodhaltigen Körper (in diesem Falle eine bis zum Sieden er- hitzte Lösung der Methylenverbindung von Jodthyreoglobulin vom Hammel), der eine deutliche Verlängerung des Adrenalineffektes hervorruft wie auch die Vaguswirkung beträchtlich verstärkt. Vgl. die Fig. 3 bis 8. Fig. 3. Vagusreizung vor der Zu- Fig. 4. Vagusreizung nach der Zu- fuhr jodtreien Thyreoglobulins. fuhr jodtreien Thyreoglobulins. Nr. 3 aus Tabelle 2. Nr. 6 aus Tabelle 2. RI RRERR REDE ULULUNLE LUD, | | | Fig. 5. Vagusreizung nach der Zutuhr von Jodthyreoglobulin. Nr. 9 aus Tabelle 2. 125% Adolf Oswald: 176 sromepsuonypofup g—m *z ofloqrg, sum Z “IN "SOHDALIJUL MIEUIAPY DW 007/; UOA SUNMAIMMEISIOAM BC 177 Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. -uorgofup 9-»© zZ afleqef, sne ),ın ‘surpagopsoaaky, WOTOPol Aynynz yoeu oduswmuipeusapy uaoTo]3 dop Sunyarıy ' Sy : | \ J mn ARNAAAARAAnARAnAnnnnAARnnnAnAAnAnAAARRRnARAnnnanmnndnnen Bea. 2... a er, | Lo 4 ö ‚uonyolup am 3 ArfoqeL sne g ‘ıy "urngopsosasggpor uoA aynyaz goeu oduswmureusapy uayoıa]3 op Zunyarı °8 "BL man run put pn m m MMRRRRRNRARRRRARRRRARRRRRmnnnnnmnnnnnnnnnnnrn ee ee a a a einig ige Versuch XLI. Urethan subkutan. Über die Wirkung der :Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II, 179 Tabelle 3. stanz in 50 cem physiologischer Kochsalzlösung. 9. März 1914. Kaninchen, 2500 g. 2°%s Uhr 1,6 g Tracheötomie, O,- Atmung, Suprareninlösung: 1 mg Sub- 16 18 Zeit 55 10’ 40’ ‚9b 12’ 30" 5h 12’ 38” 5h 13’ 80" 5h 13’ 89" 5h 15’ 5h 18’ 5h 18.09" 5h 18’ 29’ 55 19’ 06” 1 5b 19’ 15” 5519’ 40'' 5520’ 5h 21’ 5521’ 12” 5h 21’40” 59h 24' 55 24' 09" 54 26’ 527’ 5h 27' 10” ‚5h 28’ 5uag’ 17" 5128” 36”" 5h ag’ 46” 5h. 29’ 5h 31’ 5h a1’ 18" 5u3g7 01" 5u 34’ 5h 35’ 5h 35 197" 5437’ 5u3g’ Sage gr 5h 39’ 5h 39’ 21” 5h 49’ 20” 5549’ 37'' 5h 50’ 42'' N ng Rollenabst. in mm | d. Rei- een Baeersee| mo eK) oa la Pulszahl während der Reizung des l. Vagus zung in Sek. u einf. De- pression el | ee | | siel ll m =) | \ | | 108 einf, De- pression Parse un EE = 4 a 3 des r. Vagus Alla eier I El | Peer Stillstand + Blutdruck in mm Hg Depression bei Reizung des 1. Er je Sl Yagus keVagus] 7") Depz- Depr. Tn an Bee a el] u & | (er { I1.! N) D [dB le ET. une Bemerkungen des r. De + 42 mm Hg. D29". 0,3 g jodfreies Thyreo- I ccm Suprareninlösung in 3’ globulin in 20 ccm intra- venös in 27". + 35 mm Hg. D 4", I J all] 2ccm Suprareninlösung in 6” | | | globulin in 20 ccm Wasser } 0,3 g jodfreies Thyreo- in 34", +75 mm Hs. Dpı 1", ae] ccm Suprareninlösung in6” | (vom Hammel) in 20 ccm Wasser in 32". \ 0,3 g Jodthyreoglobulin + 60 mm Hg. "a ccm Suprareninlösung in 6” ‚D 1'138", -+ 90 mm Hg. pyı ar, ERBERBEI b ccm Suprareninlösung in 4". 180 ELTRDE Adolf Oswald: In diesem Versuch vermehrte jodfreies Thyreoglobulin deutlich die Ansprechbarkeit des Vagus und des Depressors und verstärkte (den Adrenalineffekt. Jodthyreoglobulin -in: gleicher Menge gegeben tat jedoch beides in viel stärkerem Grade. Hier zeigte sich auch in Übereinstimmung mit den Angaben der ersten Mitteilung, dass nach vorgängiger, aber bereits abgeklungener Adrenalinwirkung Jodthyreoglobulin eine vorübergehende Blutdruckdepression hervor- zurufen imstande ist. Wie sich aus dem Protokoll ergibt, kann das- selbe auch jodfreies Thyreoglobulin sein. | Vgl. zur Illustration des Protokolles die Fig. 9 bis 16. BIEBEEEREERENBENBSERELEE Fig. 9. Reizung des rechten Vagus Fig. 10. Reizung des rechten Vagus nach vor der Thyreoglobulinzufuhr. Zufuhr von jodfreiem Thyreoglobulin. Nr. 4 aus Tabelle 3. Von a—b Nr. 13 aus Tabelle 3. a—b Reizdauer. Reizdauer. Die schwach alkalische Jodthyreoglobulinlösung war vor der Verwendung zum Sieden erhitzt worden, darauf abkühlen gelassen und mit verdünnter Salzsäure neutralisiert. Der Siedeprozess hat also die Wirksamkeit nicht beeinträchtist. Über die Wirkung der 'Schilddrüse auf den Blutkreislaut. II. 181. Fig. 11. Reizung des rechten Vagus Fig. 12. Reizung des rechten De- nach Zufuhr von Jodthyreoglobulin. pressors vor Thyreoglobulinzufuhr. Nr. 17 aus Tabelle 3. a—b Reiz- Nr. 3’ aus Tabelle 3. a—b Reiz- dauer. dauer. OLLULLUUUEULUHUULLULLUULLLGS Fig. 13. Reizung des rechten Depressors nach Zutuhr von jodfreiem Tbyreoglobulin. Nr. 9 aus Tabelle 3. a—b Reizdauer. Adolf Oswald: TESTERSSNERSERSSSESEUSSGSSRGREERDRSRRERRSRGRRSSSLEDERGRENE: Fig. 14. Adrenalineffekt vor Thyreoglobulinzufuhr. Nr. 5 aus Tabelle 3. a—b Injektion. Blutdruck reduziert um 24,5 mm. | DILL RR RN RO AR RR RR RRRRRRCRR RBB RR RR RR RR ERBEN RR Fig. 15. Adrenalineffekt nach Zufuhr von jodfreiem Thyreoglobulin. Nr. 10 aus Tabelle 3. Blutdruck reduziert um 31 mm. 183 Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. "ww cp wn Jaelznpaı Yonapınıg °E ofleqeL ne gT 'ıN "unngopSoaukpop U0A ayunz yowu aypuntuaıpy "9L Sg ARRRRARAARRRRRRRARRRRAARAAARARnRRRRRRRAneRRRRRenm u ERACAANARTRRR 2 Ms er | 184 AuslR: Adolf Oswald: Das Resultat beider Versuche lautet, dass jodfreies Thyreo- globulin die Ansprechbarkeit der Herzvagusfasern und des Depressors vermehrt und den hämodyna- mischen Adrenalineffekt erhöht, jedoch in geringerem Maasse als Jodthyreoglobulin. 4. Wirksamkeit künstlich jodierten Thyreoglobulins. Nun stellte sich die Frage, ob die Wirksamkeit des jodfreien Thyreoglobulins durch künstliche Jodierung gesteigert werden könne. Durch Jodierung mittels des von mir angegebenen Verfahrens !) erhielt ich ein 6,34°/o Jod enthaltendes Präparat. Folgende Protokolle geben Aufschluss über diese Frage. Tabelle 4. Versuch LIll. 26. Januar 1915. Kaninchen, 2150 g. 1,5 g Urethan subkutan. Tracheotomie, O,-Atmung. Suprareninlinlösung — 1 mg Suprarenin (Höchst) in 50 ccm physiologischer Kochsalzlösung. ; Pulszahl le E „2,80 = 5 | 3.5 | während der | <= Ne SE|Sm| Reizung |S5 Bemerkungen =3|3.2|desı.|desr.|S° ei Rz u . . &s = Vagus | Vagus 11 5538’ 190 | 10 | 14 — I — 2 | 5539’ 215 | 10 — ı 1 — 3 | 5540’ 190 | 10 5 — | — 4 | 5642’ 215 | 10 | — 4 | — 5 1 9646’ — | — — — | 102 |) "/ ccm Adrenalinlösung in 12”. h Ü [2 Ba Ah Bi! | -|-|= = El "em 5h46’40"| — | — | — — | 114 e: su — | — — | 102 6 | 5647’10”" | — | — — — | 103 |) V/accm Adrenalinlösung in 11’. 5a -— | — | — — [142 +39 mm Hg. Saat I — | — — | 128 D 50". 5h 48’ — || — — 1103 5549’ u ne — — [106 | 03 g jodfreies Thyreo- globulin in 58”. 5h 49'290" | — | — — — [110 5h49’40"| — | — | — — [114 55 50' —I—-| — — [110 71 5552’ — | — _ — | 110 |} Y2cem Adrenalinlösung in 11”. 5h52’15"I| — I — I — — | 133 +23 mm Hg. 5h592’0"| — I — | — — 1.121 If D1ı' 10". 5h53'10" | — | — —_ — 1110|) 8 | 5h 54’ 215 | 10 _ st — |. 9 | 5655’ 190 | 10 |stiust.| - 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 95 S. 351. 1915 und Bd. 74 S. 290. 1911. Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 185 Tabelle 4 (Fortsetzung). Nr. 10 1l 13 Vgl. die Fig. 17—19. Zeit 55h 57’ 55 57' 07" 55 57’ 20” 55 57’ 40” 5>h 58’ 12” 5h 59’ 5559’ 20” 55 59’ 40" 65.00’ 20” 6502’ 65 02’ 08" 64 02’ 23” 65 02’ 40” 65 03' 10'' 65 03’ 19" 6505’ 6506’ Rollenabstand in mm | Il IE 215 190 Reizdauer in Sekunden al Il en se| || Pulszahl während der ei ! Reizung | == Bemerkungen des1. | desr. IS = Vagus | Vagus -- — [102 | 1/a ccm Adrenalinlösung in 12”. = zz kl +38 mm Hg. — — [116 er — — 110 — — ]/113| 03 g jodiertes Thyreo- globulin in 57”. — 118 _ — 1119 — — [113 —_ — | 110 |) Vaccm Adrenalinlösung in 11”. — — 11832 —_ — 1126 + 22 mm Hg. = — | 118 D1'19". — — 112 — — [110 Pr 10 ER 1 = BB‘ Fig. 17. Reizung des rechten Vagus. Nr. 2 aus Tabelle 4. Fig. 18. Reizung des rechten Vagus nach der Injektion ‘von jodfreiem Thyreoglobulin. Nr..8 aus Tabelle 4. 186 Fig.19. Reizung des rechten Vagus nach der Injektion von künstlich jodier- tem Thyreoglobulin. Nr. 12 aus Tab. 4. Adolf Oswald: In diesem Versuch übte künstlich jodiertes Kalbsthyreo- globulin weder auf die Ansprech- barkeit des Vagus noch auf den Adrenalineffekt einen stärkeren Einfluss aus als das nicht jodierte Produkt. Die künstliche Zufuhr von Jod in vitro hat also dessen Wirksamkeit nicht zu erhöhen . .vermocht. Tabelle 5. Versuch LIV. 29. Januar 1915. Kaninchen, 2200 g. 1,6 g Urethan subkutan. Tracheotomie, O,- Atmung. Adrenalinlösung: 1 mg Suprarenin in 50 ccm physiologischer Kochsalz- lösung. a Blutdruck Nr. „ Zeit In num 5 1 5h 46’ 30 5h 46’ 21" 58 5546’ 45” 28 2 5h 48’ 26 DS 53 5h 48’ 43" 36 5h 54' 22 ah 54'830” 21 oh 54' 50" 22 3 5h 57' 34 5h 57' 20” 3l 5h 57' 40" 48 5h 58’ 46 5h 58’ 20' 44 5h 58’ 40” 41 65 01’ 38 65h 01’ 36’ 37 4 6h 03’ 33 65 03’ 18" 52 65h 04’ 38 64 04' 30” 36 65 04’ 38" 33 64h 07' 32 | 6507’ 48” 30 5 6h 15’ 34 64h 15’ 19" 52 6h 15’ 29” 58 6& 16’ 43 6% 16’ 20” 41 Bemerkungen 1/2 ccm Suprareninlösung in 10”. +28 mm Hg. !/g ccm Suprareninlösung in 10". + 14 mm Ha. Di’#". 0,3 g künstlich jodiertes Kalbs- thyreoglobulin in 36”. 1/a ccm Suprareninlösung in 9”. +19 mm Hg. D1'33” 03 g Jodthyreoglobulin (vom Hammel) in 48”. l/g ccm Suprareninlösung +19 mm Hg. D Dura Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 187 Auch in diesem Versuch vermochte künstlich jodiertes Kalbs- thyreoglobulin den hämodynamischen Adrenalineffekt nicht stärker zu beeinflussen als nicht jodiertes. Dagegen war Jodthyreoglobulin (in der gleichen Menge verabreicht) weit wirksamer als das künstlich jodierte Produkt, trotzdem esrund 30 mal weniger Jod enthielt als dieses. Tabelle 6. Versuch LXVI. 28. Januar 1916. Kaninchen, 2100 g. Urethan subkutan. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin aus dem chemischen Laboratorium „Labor“ in Genf. Lösung = 1 mg in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung. Ra he Pulszahl |„552.| „ w 2s 38 währerd der =2552 SS Nn| Zeit : |25|5%] Reizung (SEESEl SE Bemerkungen \ S#[8.2|des 1. |desr.|s2#2R| = > es. |# |Vagus | Vagus az A 1 | 5b 16’ 195] 10 | — 9 — | — 3 | 5517’ 200 | 10 9 — — — 3] 5519’ 200 | 10 10 — — — 4 | 5h 24’ 1601| 10 | — — 17 103/86 515526’ — | — — = — ‚110 1/8 cem Adrenalin 5h26’11"| — | — — nz 136 + 26 mm Hg. 526’28"’| — | —- | — = — 110 D 28”. 5h 37’ -—|I|-| — — — — 0,06 g Kalbsthyreo- slobulin. 6 | 54 38° 200 | 10 5 _ — _ 715589’ 1955| 10 | — 8 — E— 8 | 51 40’ 160 | 10 — — 21 EHINE! 91 5h41’ — | — — —_ — 95 1/2 ccm Adrenalin 5h41’2"I| — | — | — — — 132 + 37 mm He. 5h41’36"I — I — | — —_ — 95 D 36”. 10 | 5h 42’ — | — — — — 94 1/g ccm Adrenalin. 5n22’11" — | — | — — 7131 + 37 mm Hg. 5h42'44"| — | — — u — 94 D4", 5h 43’ —I-| -ı — — — 0,28 jodiertes Thyreo- globulin. 11 | 5546’ 1951 10 | — 6 -_ 12.) 5h.47' 200 | 10 | 10 — — 13 | 5h 48’ » 1600| 10 | — — 30 110/80 14 | 51h 49’ 200 | 10 | 11 —_ = 15 | 5h 51’ —I1—-| — — —_ 113 1/2 cem Adrenalin. 5h5l’11"| -— | — | — — E— 136 +23 mm Hg. 5h51'20"I— I — | — — _ 113 D 20”. 5h 53’ —-|I1—-| — — — — 03 g Jodthyreoglo- bulin. 16 | 55 55’ 200 | 10 3 — — — 17 | 5n 56’ 193.10 1 |: 58 = = 18 | 5h 57’ 160 ı 10 — | — 15 108/93 19 | 5h 58’ 160 - 10 | — — 13 106/93 20 | 5h 59' 200 | 10 1 — — — } Auch in diesem Versuch erhöhte jodfreies Thyreoglobulin die Ansprechbarkeit des Vagus und des Depressor und steigerte den Adrenalineffekt, jedoch nur schwach. Jodiertes Thyreoglobulin leistete nicht wesentlich mehr, dagegen wohl Jodthyreoglobulin. 188 IR, Adolf Oswald: Aus allen diesen Versuchen ergibt sich somit die Tatsache, dass die physiologische Wirksamkeit jodfreien Thyreo- gslobulins gegenüber den Kreislaufnerven durch künstliche Jodierung nicht gesteigert werden kann. 5. Prüfung der Wirksamkeit natürlicher jodhaltiger Proteine. Es sollte geprüft werden, ob andere in der Natur ausserhalb der Schilddrüse vorkommende Jodeiweisskörper eine der des Jod- thyreoglobulins analoge Wirkung besitzen. Dazu wurde zunächst Gorgonin gewählt, das im Achsenskelett der Gorgoniakoralle vor- kommende Jodprotein. Dasselbe wurde erhalten durch Auflösung von Gorgoniabäumchen in 1°/oiger Natronlauge bei 35° Wärme und Versetzen der braunen Lösung mit verdünnter Essigsäure. Es entstand ein hellbrauner flockiger Niederschlag, der abfiltriert, gewaschen und :getrocknet wurde. Das zu Pulver zerriebene Produkt gab die Eiweissreaktionen Biuret-, Millon’s, Xanthoproteinreaktion) und enthielt 12,68 %/o Jod. Die Versuche wurden am Kaninchen vorgenommen. Das Ergebnis ist aus folgenden beiden Protokollauszügen zu ersehen. | Tabelle 7. Versuch LIX. 12. November 1915. Kaninchen, 2450 g. 5 ccm Sjeiger Chloralhydratlösung per rectum. Ausserdem Äther, Tracheotomie, O,- Atmung. Thyreoidektomie. Blutdruck 80 mm He. ; Pulszahl - m Ss w|. oo 2 = | 3.5 | während der S.2H s= Nr. Zeit ss Reizung 28 E 3 = Bemerkungen S3=l8.=|des I. desl.[ 2 = 3 E = 1 [Vagus| Vagns| OR -= |"-= 1 1105 59’ 190; 10 — 22 6) — 2 |11% 00’ 185 | 10 24 —_ 42 _ 115 16’ — || — = _ 67 |0,2g Gorgonin in 1Ocem 11h 16’12"| — | — — — —- 75 | Wasser in 1'’(=25 mgJ.). 11h 16’45"| — | — — — — 80 11h 17’ — | — _ — 48 3 [11h 21’30"”| 190 | 10 — 22 30 — 4 | 11h 22’ 185 | 10 23 —_ 26 — ; 11h 25’ —I—-| — | — — 70 10,38 Jodthyreoglobu- 11h 25’20”"]| — | — _ _ — 68 | lin@ 1mgJ.) in 20 cem ‘| 11h 26° —| - — — — 70 | Wasser in 1’10". 5 [11431 190 | 10 — 11 — _ \ 6 111632’ 1851 10 20 -| —: — — 7 [115 35’ 185:| 10 20 — — = ‚ Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 189 Tabelle ®. Versuch LXXIV. 10. März 1916. Kaninchen, 2200 g. 5 cem 5%o ige Chloralhydratlösung per rectum. Tracheotomie, O,-Atmung. Blutdruck: 54 mm Hg. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung. Blutdruck Nr. Zeit In Ho Bemerkungen 1 ah 58’ BB) \1 ccm Adrenalinlösung in 5". Se gt 18 |! +63 mm Hg. 5u 58’ 40" 96 | D1'6", >h 59’ 06’ 39 2 6h 00° 54 )1 ccm Adrenalinlösung in 8". 6h 00’ 15” lg Sal +63 mm Hg. 6.00’ 40” 87 | D1'16". 016" 54 65 04’ 49 0,3 g Gorgonin (= 38 mg J.) in 40". 6h 04’ 40” 54 65h 06’ 69 3 ae 07° E 57 \1 ccm ı Adrenalinlösung inn67. Gr 07° 18 \ 128 I lömmhe 6 07 40 99 D U 230 7 6h 08’ 72 | ee 64h 08’ 20” 67 J 4 Na 29!! 67 ) 1. ccm Adrenalinlösung in 6. 6h 08’ 48 13 | +64 mm Hg. 6h 09’ 110 f;: D1'20”. 65h 09’ 45" 67 64 10’ 63 038g Jodthyreoglobulin in 40". 6h 11’ 22 oa Por 58 5 6h 13’ 60 1) 1 ccm Adrenalinlösung in 6”, 64 13’ 18” ee +63 mm Hg. 64 13740" 94 D)1’ 30”, it 6h 14’ 75 6 N 14’ 30 5 18) ) ı ccm Adrenalinlösung in 6”. ’ ; D8 14 Lu 132 + 58 mm Hg. 6515 120 D)’2’. 65 15’ 35" 82 65 16’ 30” 86 Aus diesen beiden Versuchen ergibt sich, dass bei gleicher Reizwirkung auf den Vagus die Pulszahl und -grösse nach Gorgonin- zufuhr die eleiche blieb wie vorher, während nach dem zur Kon- trolle zugeführten Jodthyreoglobulin erstere sank unter Zunahme der letzteren. Dabei ist zu bemerken, dass die verwendete Menge Gorgonin 25mal mehr Jod enthielt als das Jodthyreoglobulin. Vel.. die Fig. 20—22. RN | ‚ Was die Wirkung .auf den Adrenalineffekt anbelangt, so zeigte Gorgonin einen geringen Einfluss auf denselben insofern, als die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 13 190 Adolf Oswald: Intensität desselben zunahm, nicht aber die Dauer, während nach der Einverleibung von Jodthyreoglobulin letztere sich deutlich ver- längerte, wie überhaupt die Wirkung des Jodthyreoglobulins auf Fig. 20. Vagusreizung vor der Gorgoninzufuhr. Nr. 1 aus Tabelle 7. „ N" . 1 (ALDERBEZE Kl u u a a Fig. 21. Vagusreizung nach der Gorgoninzufuhr. Nr. 3 aus Tabelle 7. die Dauer des Adrenalineffekts ein konstantere Erscheinung ist als die auf dessen Intensität. Fig. 22. Vagusreizung nach der Jodthyreoglobulinzufuhr. Nr. 5 aus Tabelle 7. Mit Jodthyreoglobulin wurde 23 mal weniger Jod eingeführt als mit Gorgonin. Als ein weiteres in der Natur vorkommendes jodhaltiges Protein wurde Spongin herangezogen. Dasselbe wurde in gleicher Weise wie Gorgonin gewonnen. 40 & trockener Badeschwamm wurde in 500 eem 1,5 /o iger Natronlauge bei 35° Wärme gelöst und danach die Lösung mit verdünnter Essig- säure versetzt. Dabei entstand ein hellbrauner, flockiger Niederschlag, der abfiltriert, gewaschen, getrocknet und zu Pulver zerrieben wurde. Der Jodgehalt betrug 9,66 %/o. Das Produkt gab Biuret-, Millon’s und Xanthoproteinreaktion. Die Prüfung auf dessen physiologische Wirksamkeit wurde am Kaninchen vorgenommen. Das Resultat ist aus folgenden Tabellen zu ersehen. Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 191 Tabelle 9. Versuch LXIX. 16. Februar 1916. Kaninchen, 2400 g. Urethan. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 cem physiologischer Kochsalzlösung. 2 .|&,;| Biu- [387 : 258 Nr. Zeit = = Sa Anmels 8 Sa Bemerkungen Ss]: | "mm [388 PRIBE NT ee} 1 150 | 10 | 109/61 | 48 | 2| 11h 14’ 150 | 10 [| 109/74 | 35 a a — | — (eb) — 1/g cem Adrenalin in 7”. 117’ 1" I — | — 124 — +39 mm Hg. 117’ 0" I — | — 93 — D1'’15”. 118’15"1I — | — 85 _- 11h 19’ — | — 87 _ 0,3 g Spongin (= 23 mg J.) in 45'' 11 19'300” I — | — 112 — 11h 20’ — | — 100 _ 4 | 115 22’ 30” | 150 | 10 | 102/59 | 43 5| 115 25’ — | — 8 — 1/a ccm Adrenalin in 18”. 1425'’29"| — | — 146 — +57 mm Hg. 115 25’40" | — | — | 124 — D1’16”, 112%6’16”"’ | — | — 92 — 11% 37' — I — 107 _ 0,3 g Jodthyreoglobulin (enthaltend 1 mg J.) in 40 ”. 114 27’20" | — | — 86 — 6 | 11» 36’ — | — 100 — 1/2 ccm Adrenalin in 11”. 11h 36’ 17” — | — 175 — [} + 5 mm Hg. 11 36’40"’ I — | — | 151 — D125”. 11437'’23’1 — | — | 10 — Tabelle 10. Versuch LXX. 19. Februar 1916. Kaninchen, 2350 g. 3 ccm 10%oiger Chloralhydratlösung per rectum. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung. Nr. Zeit 2 an: Bemerkungen il 105 08’ 98 \1/a ccm Adrenalin in 5". 10h 08’ 21” 108 +50 mm Hg. 10h 08’ 40” 90 D1'38”. LOHNT FE" 60 2 10h 10’ 98 0,3 e,onein (enthaltend 28 mg J.) in 45”, 104 10’ 40” 74 10h 11’ 50 10h 11’ 40” 64 13 * 192 ya, Adolf Oswald: Tabelle 10 (Fortsetzung). Nr | Zeit et | Bemerkungen 2 105 12° 59 | ccm Adrenalin in 5”. OR? 118 105 19’ 40" 95 en 104 13’ 82 10h 13’ 45" 60 ) 3 10h 14' 62 Ir 2 ccm Adrenalin inwoye 10% 14’ 14" 3: 104 147 40” 98 om 105 15’ 78 105 15’ 40” 62, 105 16’ A 61 0,3 8 Jodehrreoelobalıe (enthaltend 1 mg J.) in 50” 10 17! 61 4 IA 62 In ccm Adrenalin in 5, 105.22" 56’ 134 5 = 104 23° 20” 94 |% ns 10h 24’ 70 1 er 10h 24' 40' 63 ) : Tabelle ll. | Versuch LXXIX. 19. Juni 1916. Kaninchen. 1 g Urethan subkutan. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 50 ccm physiologischer Kochsalzlösune. =5|22|3»8|:- Nr. Zeit 5 Se er Bemerkungen 38308. = ee jen.EsHıaH 1.150953 — —_ 58 |1 Y/2 ccm Adrenalin in 4", 55 45' 18" —_ — — 17100 +42 mm Hg. h r Er BA er gt Se 2 5 49 ' 185 | 10 14 — | 3 185 | 10 10 — |. 4 | 5% 55° —_ —_ — 78 0,3 g Spongin (enthaltend '5h 55' 15" _ E— — 32 28. me J.).in 85... 5h 55’ 85" _ —_ E 59 5h 55’ 45" —_ — 52 5.56.7709. _ — — 70 By By 75 | !/e ccm Adrenalin in 4". N le | + 43 mm He. h r 4 [22 ee EL VER 84 [77 a 6 | 65 04’ 185 | 10 14 — 71.6506’ — — |; 79 |) Ye ccm "Adrenalin in 4”. Ba, 1 | + N Hg. | 79 Fe GET — — — 12, 7a 0,3 g nodchrr eoglobulin 8 | 66 13’ 1855 | 10 4 | == (enthaltend 1 mg J.)in 30". 9 | 65 15’ 185 | 10 U | > Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 193 Aus diesen drei Versuchen ergibt sich, dass die durch eine gegebene faradische Reizwirkung auf den Vagus her- vorgerufene Pulsverlangsamung durch Spongin nicht verstärkt wird, desgleichen nicht die durch Reizung des Depressors bewirkte Blutdrucksenkung, und dass Spongin zwar wohl den Adrenalineffekt in zweien der drei Versuche in bezug auf die Intensität, nicht aber in bezug auf die Dauer verstärkte. Das zur Kontrolle eingeführte Jodthyreoglobulin bewirkte eine namhafte Verstärkung der Pulsverlangsamung bei gleicher Reiz- wirkung auf den Vagus und eine beträchtliche Verstärkung des Adrena- lineffektes sowohl was dessen Intensität als Dauer anbelangt. Dabei enthielt das Jodthyreoglobulin 285mal weniger Jod als das Spongin. Es scheint somit, dass Spongin ähnlich wie auch das Gorgonin, wenn auch nicht konstant, einen gewissen Einfluss auf den Adrenalineffekt, also auf die Ansprechbarkeit der sympathischen Vasokonstriktoren, nieht aber auf die des autonomen (parasympathischen) Vagus und -Depressor ausübt. Es soll jedoch bemerkt werden, dass es sich hierbei nicht um eine Jodwirkung handelt, wie das in der ersten Mitteilung dargeleet wurde. Eine genauere Analyse dieser Beein- flussung soll in einer späteren Abhandlung erfolgen. 6. Prüfung der Wirksamkeit künstlich jodierten Bluteiweisses. ‚Endlich wurde geprüft, ob im Organismus vorkommende Eiweiss- körper durch künstliche Jodierung wirksam nach der uns beschäfti- genden Richtung zu machen sind. Dazu wurde Bluteiweiss verwendet. Dasselbe wurde durch Dialyse verdünnten, von den Blutkörperchen dureh Zentrifugieren befreiten Serums gewonnen und in der von mir !) angegebenen Weise jodiert. Der Jodgehalt betrug 9,11 o. Der Darstellung nach stellte es ein Gemenge von Jodglobulin und Jodalbumin dar. Es wurde diese Darstellunesart deshalb gewählt, weil sich gleich beide Serumeiweissarten prüfen liessen. Der Versuch wurde am Kaninchen vorgenommen. Das Resultat ergibt sich aus folgenden Protokollen. | 1) loc. eit. 194 Versuch LXIV. Adolf Oswald: Tabelle 12. 18. Januar 1916. Kaninchen, 2300 g. Urethannarkose. Tracheotomie, O,-Atmung. Thyreoidektomie. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 20 cem physiologischer Kochsalzlösung. Nr. SO-I5 Zeit 105 26’ 10h 31’ 104 34’ 10h 35' 104 35' 105 36’ 10h 37’ 10h 37' 10h 37' 10h 38’ 10h 38' 10h 39’ 105 40’ 105 40' 10h 40’ 10h 43’ 10h 437 10h 46’ 104 47' 104 47’ 10h 48’ 105 49’ 10h 49’ Versuch LXXI. 28 dl 20" AO n 32 dl 20 [22 30 " 30 n 18 rn 30” Rollenabst. in mm 3 Pulszahl =, | wäbrend der el So ‚Reizung 3 = Bemerkungen 2 S|desl. | desr.|< _ Vagus, Vagus as 10 — 14 — 10 13 10 10 — — — — — 87 |) Y/e ccm Adrenalinlösung. — _ — | 134 et ar — | 18 » 47 mm Hg. Min Se Et, 106 ) a 40", 2) — — — | 104 _ | — — 1103 = _ — 1100 |) !/s ccm Adrenalinlösung. RE u 2 15 | +98 mm Hs. > RR PR 104 | D PA DIT 100 | J ER N — — 0,5 gJodserumeiweiss = 27 mg J.). 10 22 — — 10 — 24 — 10 25 — = — = — | 104 |) Ye ccm Adrenalinlösung. Bee + 68 mm Hg. TR —_ [110 D 2'30". Kr — | 104 Tabelle 13. 22. Februar 1916. Kaninchen, 2400 g. Urethan. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung. om Zeit 4h 357 4h 337 12 dl 4h 33' 40" ah 33' 57" 4h 55’ 4h 3 30" 4h 39' Pulszahl + en a En 2 = | 3.2 | während der | SF | 25 2 Reizung 35 Bemerkungen S3185 |desı.|der.|2 = |# [Vasus Vaaus| "= — 1 — — — 79 | Ya cem Adrenalin in.5”. — | — _ — | 122 +48 mm Hg. — | — — _ 90 D 57”. 79 185 | 10 14 — | — 195 | 10 — 17 — 195 | 10 — 10 _ Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. II. 19: (den) OL Tabelle 13 (Fortsetzung). Pulszahl 2 - | 2 | während der ei SE Sg © R 2 = Nr Zeit 5° In ee Bemerkungen ze esıldablakın = = = |# |Vaeus|Vasus| = 4| 4b 41’ — | — — — 83 0,3 8 Jodserumeiweiss (— 27 me) in 35". 44411’40" I —- I — | — | — 84 4h 42’ — | —- | — _ 81 5| 4h 45’ — | — —_ — 82 |) "/a cem Adrenalin in 6”. oe | | —. 1104 \ +42 mm Hg. 4h 45’ 40'' 9 |j Di. 4h 46’ — | —-| — 87 |) 44 46'090" I —- | — | — - 87 Ads a" I | — | — — 86 4h 46' 30" — — — to) 6| 4h 48’ 195 | 10 - 5 | — BE 307 111851 10 13 1 _ 4h 50’ — | — — — | 80 | 0,3 g Jodthyreoglobulin in 35”. 450’3'1—- I — — — | 74 Ah 51’ — | — = — 76 Bomann au = — | — = — 85 1/2 ccm Adrenalin in 5”. 4572" —- I— | — — 118 4h 57’ 0’ | — | — — . [119 +49 mm Hg. 4h 58’ — | — — | 9 D1’36”. 4580’ I —- I — | — 96 A586" — I — _ _ 90 4h 59' — | — _ —_ 90 90.95.00 185 | 10 7 — 1 10 | 55 01’ 185 ; 10 Ü — — Es ergibt sich aus diesen beiden Versuchen, dass nach der Zu- fuhr von jodiertem Serumeiweiss bei gleicher Reizwirkung auf den Vagus die Pulszahl nicht geringer ist- als vorher, ebenso ist auch kein wesentlicher Unterschied in der Grösse des Adrenalineffektes vor und nach der Zufuhr zu konstatieren. Jodthyreoglobulin erwies sich da- gegen auch hier wieder nach beiden Richtungen hin wirksam. Somit erlangt keine der im Serum vorkommenden Eiweissarten durch künstliche Jodierung die Eigen- schaften desJodthyreoglobulins gegenüber denKreis- laufnerven. ‘. Prüfung der übrigen Bestandteile des Schilddrüsengewebes. Nun sollte noch geprüft werden, ob der zweite im wässerigen Schilddrüsenextrakt vorkommende Eiweisskörper die physiologischen Eigenschaften des Jodthyreoglobulins habe. Derselbe stellt ein 196 Adolf Oswald: Nukleoproteid dar!) und ist jodfrei. Er wird auf folgende Weise gewonnen. Wässeriger Schilddrüsenextrakt wird mit dem eleichen Volumen gesättigter Ammonsulfatlösung versetzt und der dabei entstehende Niederschlag (bestehend aus Jodthyreoglobulin) durch Abfiltrieren entfernt. Im Filtrat wird durch Eintragen von Ammonsulfat in Substanz bis zur Vollsättigung das Nukleoproteid gefällt. Da, wenn die Schilddrüsen sehr bluthaltig sind, auch viel in Lösung gegangenes Hämoglobin mitgefällt wird, ist es empfehlens- wert, die intakte Schilddrüse vor der Zermalmung einige Zeit in fliessendem Wasser zu belassen, wodurch das Blut entfernt wird. Zur Prüfung der physiologischen Wirksamkeit nach der uns beschäf- tigenden Richtung hat zwar ein geringer Gehalt des Präparates an Hämoglobin keine Bedeutung, da diesem eine solche Wirkung fremd ist. Das gefällte. Nukleoproteid wird abfiltriert, in Wasser gelöst und durch Dialyse vom Ammonsulfat befreit. Getrocknet und zer- rieben stellt es ein hellbraunes Pulver dar. Die Prüfung wurde am Kaninchen vorgenommen. Das Nukleo- proteid stammte vom Hammel und vom Schwein. Das Resultat ist auf nachfolgenden Tabellen mitgeteilt. | Tabelle 14. Versuch LXV. 21. Jauuar 1916. Kaninchen, 2300 g. Urethannarkose. Tracheotomie, O,-Atmung. Adrenalin aus den chemischen Laboratorien „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung. Pulszahl = = Sa während der Se Nr. Zeit Sr a Reizung 358 Bemerkungen Zee Ndesor) Kdesmanens s |# [vagus Vagus| 9 ir 50 50" 190 | 10 10 — | — 2 SR 55° 160 | 10 — — _ 3| 65 00’ 205 | 10 — 8 — 4| 65 01’ 190 ! 10 21 _ = 5 | 65 02’ 160 | 10 — —_ — 6| 65 04’ — | —_ e= 78 |] /2 cem Adrenalin. 6404’ 16” | — | — _ — || 180 +52 mm Hg. Ha u re || — _ — 78 D 51". 6h 07’ — || — — — — 5 ccm enteiweisster Schilddrüsenextrakt. 7 8 ill) 205 | 10 — 7% — u u ZEILE el) — — 1) Siehe meine Abhandlung im Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd, 27 S. 14. 1899. Über die Wirkung der Schilddrüse auf den Blutkreislauf. I. =197 Tabelle 14 (Fortsetzung).. Q " Pulszahl Be, 2 = | 2.5 | während der | SZ N. Zeit ze = Reizung | 3 Bemerkungen Zee ldesil \dese le 5 an) = BE | a ren Mas N a Vagus| 91.656.127 — | — — — 78 1/g ecm Adrenalin. ee 6h 15° 76 ‚» 8 Nukleoproteid. 6h 16 — | — = 78 00.6417’ 190 10 12 _ —_ Bl 6% 18’ 205 | 10 — 6 De 6.5197 160 | 10 — — == Bor. 21" — 87 !/a cem Adrenalin. Bro 16] 1 — — — [131 +44 mm Hg. 65 21'572". — | — — — 87 D 57". 6h 23’ — | — — — 78 038g Jodthyreoglo- a 2 bulın: — | — — £8 421 66925: 190 10 7 E= — 15 | 64 26’ 205 | 10 | — 5 — 16.) 6% 26’ 30” | 160 | 10 — E — i7 | 6% 27° 190 | 10 0 —_ — 18 | 65 27’ 30” | 190 | 10 0 — — 19 | 65h 28°’ —_ 79 1/g cem Adrenalin. 6h28’13’ | — | — —_ — 1138 +59 mm Hg. 6h29'’14" | — | — — — 79 D1’14” 20 | 66 31’ u E= — 12 !/o ccm Adrenalin. 6h 31’20" | — | — _ — 1134 + 64 mm HS. 625’ | — | — — 12 D1'25 Tabelle 15. Versuch LXVI. 5. Februar 1916. Kaninchen, 2000 g. Urethan. Tracheotomie, O,-Atmuns. Adrenalin von der Firma „Labor“ in Genf, 1 mg in 40 cem physiologischer Kochsalzlösung. PR H Pulszahl hen = = | 3.9 | während der [SQ Nr. Zeit 558 So Reizung es: Bemerkungen = ea ER =} >: | 8.5 | des]. | desr.| = Se Na Vagus | Vagus| *-* | O7 — | — — — 86 I) /2e ccm Adrenalin in 3”. 105 42’ 12" 3 10h 42’ 40" 123 +52 mm Hg. 10h 43’ — | = 99 Da 257% u a Sl _ — 90 NiizbBapsy - — 86 104 47’ 193 | 10 —_ 8 == 11h 02’ 180 | 10 u == = 11b 02’ 30” 1193 | 10 — — — 198 Adolf Oswald: : Tabelle 15 (Fortsetzung). % dl Pulszahl 2 =|3# während der Sitzung der. Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn, im grossen Hörsaale des chemischen Instituts der Universität gehalten habe. Entgegen meiner Befürchtung, in dem grossen Raume werde ‚die Farbenerscheinung bei Benutzung der, 12-cem-Scheibe für die Zuhörer nicht . deutlich sichtbar hervortreten, erklärten die in der vierten und fünften Reihe Sitzenden auf mein Befragen, dass sie die Farben ganz deutlich sähen. Ieh glaubte damals, dass dies durch die günstigen Liehtverhältnisse des Hörsaales (in dem, nebenbei ‚gesagt, auch die akkustischen Verhältnisse sehr günstig sind) .be- wirkt worden sei, während der wahre Grund in der Beschaffenheit der Netzhaut unseres Auges zu suchen ist, wie die Versuche mit der 51/2-cm:Scheibe ergeben. Das Bild dieser kleinen Scheibe beansprucht auch den kleinsten Raum auf der Netzhaut und wird sich nur wenig über den Gelben Fleck hinaus ausbreiten, daher die Intensität und reiche Abstufung der Farben bei der Betrachtung in der Entfernung des deutlichstens Sehens, welche je nach Beschaffenheit der Augen des Beobachters zwischen 35 und 80 em schwankt. Das Bild der 12-cm-Scheibe aus der Entfernung der vierten und fünften Sitzreihe wird :infolge der eingetretenen Verkleinerung auf der Netzhaut..der 14 ** 214 “ 20; Baumann: Zuhörer kaum einen grösseren Raum eingenommen haben :als das Bild der 5Y/e-em-Scheibe; daher war meine Befürchtung nieht ein- getroffen. Gemäss früher von mir angestellten und: anderweitig mit- geteilten Versuchen umfasst das Schärfefeld unseres Auges nicht mehr als’1Y/e% Bildwinkel, was nach v. Helmholtz der Ausdehnung des 'Gelben Flecks entspricht. RR: NR ; Der Versuch mit der 50-cm- ee ‚die Intensität. des Bildes durch Betrachten aus der Entfernung, also durch entsprechende Ver- kleinerung,. zu steigern, führte zu dem folgenden Ergebnisse: In 5 m Abstand war die Intensität am grössten, jedoch bei weitem nicht so gross wie bei der 5!/s-em-Scheibe; bei weiterem Abstande nahm die Intensität ab, bei 91/a cm Entfernung waren die Farben nur mit srösster Mühe und nur noch ganz schwach sichtbar und damit die Grenze der Sichtbarkeit erreicht. Die Kraft der von der Scheibe reflektierten farbieen Lichtstrahlen war durch den Widerstand der durchlaufenen Luftschicht völlig aufgebraucht. Für die Ausführung des Versuches ist es nötig, darauf zu achten, dass die Scheibe einen ruhigen Gang hat, nicht schlägt; in einem solchen Falle beobachtete ich in 10 m Entfernung Glanzerscheinungen auf der rotierenden Scheibe. — Die von mir benutzte Vorrichtung, die in der Mitteilung von 1912 beschrieben ist, eignet sich auch zur Vorführung der Komplementärfarben und Mischfarben. Für die Komplementärfarben emptiehlt sich die von v. Helmholtz benutzte Fig. 3, in welcher die schraffierten Teile der Sektoren farbig her- zustellen sind, und zwar in der Farbe, zu welcher die komplementäre gesucht wird; letztere erscheint beim Rotieren in den schwarz an- gelegten Teilen der Sektoren. Die Versuche mit den Scheiben zeigen deutlich, dass die Farben nur als-eine in unserm Auge: hervorgerufene Eınpfindung anzusehen sind, nicht als etwas tatsächlich Vorhandenes. Arthur Schopenhauer schreibt darüber 1854 in der Einleitung zu seiner Farbenlehre: „Dass die Farben, mit welchem ihm ($. meint damit den Leser) die. Gegen- stände- bekleidet erscheinen, durchaus nur in seinem (des: Lesers) 'Auge sind. Dies hat zwar schon Kartesius gelehrt und viele nach ihm; am gründliehsten Locke;.lange vor beiden jedoch schon Sextus 'Empirikus, als welcher bereits es ausführlich und deutlich dar- getan hat, ja, dabei so ‚weit geht, zu beweisen, dass wir die Dinge nicht erkennen nach dem, was sie an sich sein mögen, sondern nur ihre Erscheinungen,“ — Die Behauptung, -dieSextus Empirikus «2» Beiträge zur. Physiologie des: Sehens. 4... ..! 215 200 Jahre:n:"Chr. 'bereitsiaufzestellt hat, erhält nun) ‚die: shi ee ‘eine’ deutlich: sichtbare ‚Bestätigung. ' ae) El et '»Dass' wir :bei ‘den ‘Versuchen mit‘ der‘ ehenden: Selieibe: im direkten ‚Sonnenlichte.keine Farben ‘sehen, habe‘ich bereitsiangeführt. ‚Bei direktem Sonnenlichte nehmen wir’ lebhafte: Farben, starke‘ Lichter, ‚schwere: Schatten, scharfe) Linien ' und bestimmte Formen: ' wahr, aber zarte 'Schaftentöne als Übergang:von Licht zu Schatten, von: Hell än’Dunkel und abzestufte Farben als vermittelnde: Töne :von einer ‘kräftigen Farbe zur. andern, die vermögen ’wir nicht ‚wahrzunehmen. ‘Wir können uns ‘hiervon in: der Natur überzeugen, : :wenn:' wir; -von einem erhöhten Standpunkte aus, einen in seinem'vollen:Schmücke ‚prangenden Laubwald beobachten, und zwar bei ziemlichhohem'Sonnen- ‚stande an 'einem Tage, .an welchem "die klare ‘Sonne;abwechselnd ‘zeitweise'durch:liehte Wolken verhüllt wird... Alsdann’ist die:Möglich- "keit. gegeben, die vorliegende Waldlandschaft kurz 'nacheinander:im “ungemilderten und im :gemilderten’Lichte zu beobacliten’und:zuiver- ‘gleichen... ;Bei unverhüllter‘ Sonne “erscheint.;jeder (einzelne: Baum ‘sowohl in seinen Umrissen'wie in seinen Einzelheiten:in klarer. und “scharf begrenzter Zeichnung, jede Linie, jede Form deütlieh-erkennbar. ‘Stark: wirkende Lichtpartien, leuchtende, kräftige: Farben und'tiefe, undurehdringliche Schlagschatten bringen: das Körperliche der;einzelnen Dinge zur vollen Geltung und verleihen ..dem -Landschaftsbilde' eine :srosse Kraft'und üben. daher auf unser: Empfinden eine starke Wir- kung-‘aus‘; ‘aber Übergangstöne vom Hellen ins Dunkle; xon einer ‘Farbe. zur:'andern vermögen wir’ nicht: wahrzunehmen. Das’ Verhalteh -des :Gesichtssinnes : ist“ in ‘diesem: Falle .ähnlich, "wie wenn 'eine=un- ‘eleiehe Wirkung: auf beide Augen eines’Menschen: eintritt, ‚wenn das scharfe Bild des einen Auges. das. weniger scharfe. Bild des'anderh Auges in dem Gesamitbilde ‚der beiden Augen nicht zur: Wirkung kommen lässt, sondern unterdrückt, worüber früher berichtet worden ist (1902 Bd. 91 S. 253 und 1903 Bd. 95 8. 357). Wenn die Sonne aber durch eine Wolke leicht verhüllt wird, tritt uns ein ganz anderes Bild entgegen. Mit einem Male hat sich ein unendliche Fülle von Farben über das Ganze ergossen und ge- staltet das Landschaftsbild so abwechslungsreich, dass wir uns von diesem Antlick kaum losreissen können. Die schroffen Übergänge sind verschwunden, obwohl Licht und Schatten überall deutlich zur Wirkung gelangt, aber weiche Töne führen von Hell ins Dunkle über, zarte Farben verbinden die leuchtenden Farben miteinander; die 216 0. Baumann: Beiträge zur Physiologe des: Sehens. V. undurehdringlichen. Schlagschatten sind’ durchsichtig geworden und - reben dem Gesamtbilde trotzdem Kraft. Durch die vermittelnde Verbindung, welche . die zarten Überganestöne hergestellt haben, erscheinen alle Formen reich ausgearbeitet, das Gesamtbild. hat da- bei; eine gewisse. Weichheit erhalten, wirkt kräftig und doch lieblich ‘auf. uns und löst dadurch eine wohltuende und. zugleich beruhigende Empfindung bei uns aus. Die Beruhigung und das wohltuende Ge- fühl, welche .das: mildere Licht und die abzetönten Farben bei uns hervorrufen, empfinden wir auch in abgeschlossenen Räumen, die 'entsprechend ausgestattet sind, wie wir das in vielen ou ru beobachten können. Dem! gemhilderten Lichte. verdanken ai auch die herrlichen Färbungen ‚des Morgen- und Abendhimmels, ‚was durch den grösseren -Widerstand, den die Atmosphäre zu dieser Zeit dem Durchgange ‚des Lichtes entgegensetzt, bewirkt wird. — Sobald dieser Widerstand ‚abnimmt, werden die Farben greller, die Gegensätze schroffer, wie wir. dies in den Gegenden beobachten, wo die Luft reiner und leichter ist. als in unserer Heimat. Die Gewohnheit an den Anbliek der ‚grossen Gegensätze überträgt sich dann auch auf das Empfinden der Bewohner jener Gegenden und betätigt sich durch ihre Vorliebe für erelle Farben, die dann in der Verwendung solcher im täglichen Leben zum Ausdrucke kommt. ’ :'' Wir in Deutschland verdanken dem grösseren Widerstande, den unsere Atmosphäre dem Lichte entgegensetzt, die Milderung des Lichtes, "wodureh für das Auge die Möglichkeit gegeben ist, zarte Abstufungen wahrzunehmen. Dafür dürfen wir der Natur ganz be- sonders -dankbar sein, denn ohne: diese Eigenschaft würde uns das Betrachten der heimatlichen Fluren eine weit geringere Freude und Befriedigung. gewähren, als dies jetzt der Fall ist. 217 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Greifswald.) Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel auf das Rot- und Grünsehen. Von Hugo Schulz. Auf Seite 294 des Bandes 164 dieses Archivs hatte ich im Anschluss an die Ergebnisse unserer Versuche über den Einfluss des Alkohols auf das Rot- und Grünsehen !) darauf hingewiesen, dass es zweckmässig sein würde, festzustellen, ob unsere Ergebnisse auch dann Gültigkeit haben würden, wenn nicht nur mit Wasser verdünnter Alkohol, sondern dieser in Gestalt eines alkoholischen Getränkes genommen wurde. Es war von vornherein nicht abzu- sehen, ob nicht die in diesem Falle mit aufgenommenen Neben- substanzen, Hopfenbitter beim Bier, das sogenannte Bukett beim Wein und Kognak, irgendwelche besondere Wirkung mit sich bringen könnten. Im Verlaufe dieses Sommersemesters habe ich dank der treuen Hilfe meiner Mitarbeiter eine Reihe von Versuchen durch- führen können zur Lösung der eben gestellten Frage. Beteiligt waren an den Versuchen eine Anzahl der Personen, welche die Alkoholversuche bereits mitgemacht haiten. Zu ihnen gesellten sich noch einige ältere Kandidaten der Medizin. Neu hinzu- getreten sind die Herren: Drews, Braun, Kiepke und Stock. Ausser ihnen haben sich an den Versuchen beteiligt die Damen Thermann und Waldau, sowie die Herren Scherpeltz, Köckritz und ich. Leider ergab sich während der Versuche, dass die von den Herren Drews und Kiepke erhaltenen Zahlen 1) Auf S. 291 dieser Arbeit sind durch ein Versehen des Setzers in die erste Tabelle falsche Zahlen hineingeraten. Statt: Köckritz - 17 — 1+3 muss es heissen: — 29 — 15 — 11, und statt: Scherpeltz — 33 — 16 — 10 muss es heissen — 34 — 18 — 12. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 15 318 Huso Schulz: sich nicht für unsere Aufgabe verwerten liessen. Sie wären in weit- gehender Weise unregelmässig, liessen nirgends irgendwelche Gesetz- mässigkeit erkennen -und lagen nicht nur bei den Versuchen mit alkoholischen Getränken, sondern auch bei den Normalversuchen in ihren Endwerten so weit aus- und durcheinander, dass sie eben nicht verwertet werden konrten. Es war schade für die Zeit, welche beide Herren für die Versuche geopfert hatten, liess sich aber nicht ändern. Jedenfalls aber sage ich ihnen und all den übrigen Mit- arbeitern an dieser Versuchsreihe meinen besten Dank für ihre ausdauernden Bemühungen im Interesse der Lösung der uns be- schäftigenden Frage. Da die Dauer der gesamten Versuche sich über den grössten Teil des Semesters erstreckte, erschien es notwendig, die Normal- bestimmungen in grösseren Zeitabschnitten zu wiederholen. Dem- entsprechend sind für jeden Teilnehmer an den Versuchen je drei Bestimmungen. für Rot und für Grün ohne Aufnahme der oben ge- nannten Getränke vorgenommen worden, zu Beginn, Mitte und Ende der cesamten Versuchszeit. Das aus ihnen sich ergebende Mittel ist der Feststellung der Endwerte aus unseren Versuchen zugrunde gelegt worden. Die ganze Versuchsanordnung und die Berechnung der Endwerte sind genau so durchgeführt wie bei den Versuchen mit reinem Alkohol. I. Normalversuche. a) Rot. Braun: 9. Mai 1916. ' 26. Juni 1916. REN SS ON TR 6 GT re En El rn en | Re u RR CR EHE ON | Enns 1 Ss eu | ee Bag! RNEIEERS ERS | BR Ra 3 40 440 40 8 NEN N:N, = 100:%, N: N, = 100:91 5. Juli 1916. ER N are er. Be Se a 3 a a EN SR DELETE EEE N:N, — 100296 Über den Einfluss Alkohol und Koffein ‘enthaltender Genussmittel usw. 219 Köeckritz: 25. Mai 1916. 14. Juli 1916. u | BUS ERS ARE: Be As Dein: nd 5 DR ER ame N RDEELEN 2 N OR ne. 5 aa A en Een es ee Pr Er Sri 05,036 930837795794 N: N; = 10:9. | N: N, = 100:9. u N, a ee Be a 5 a a a A 2) aan N: N, — 100:96. Scherpeltz: 30. Mai:1916. | 30. Juni 1916. EB | BEWAR NE RZEN ARUS Ben 5 | N 3. Be | EN SE Al een | RS A ER: AA WENN: Balmracz 20.05..26 25 era 198, 31% 208,008, 19 N:N, = 100: 88. | N: N, = 100:94 | 18. Juli 1916. Br A en AN A LA A (a a Re! a A RI aus >27 2908 a >02. 100 N:N, — 10:78. Sohn 6. Mai 1916. 24. Mai 1916. Berne. 8.8 SHELL I NS Band. 809 ROLE ee oa) 1. ON: ee Se Se ee: RE 908891 43 #9. 9 Bere 9 9 es agr ee 26.39, 41: .43 So SS ana N:N, — 100: 104. | N: N, — 100 : 107. 4. Juli 1916. SR 98.29.98) ee ER WE 58: 7 8100810 a 9 2,8 are 1888,08. 10. Il 36. 36. AL 48 "a6 "AB: N: N; = 100: 118. Hugo Schulz: 220 29. Juni 1916. | de) we?) 16. 11. Mai 1 Stock: 6. Juli 1916. 18 N:N, = 10:%. 24. Mai 1916. | | 6. Mai 1916. Thermann: 4 5) 4 4 a3} Kin} » 5 & 3 ıı 15 Ba a 222 N:N, = 10:86. 22 25 N:N, = 100:3839. 30. Juni 1916. aa aa alo Mami D © naar S a | zawmaac ie e2 & & = —_ aan axur- & hun] = BE Wereriener) Re) Oo ri au y9aunalm . - We) -_ SOnkunmnle — I Wil) le | a Se | - ar = 8 ce \nStotaEn &® Ge) — Ssor-voolm e 26. Juli 1916. ax [or nn BEE ern lern En; Hui nm oo u 818 9 1 N:N, = 10:74. 19 25 Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 221 Wenn wir aus sämtlichen Werten für N: N, bei den einzelnen Beobachtern das Mittel berechnen, sostellt sich dieses bei Rot wie folgt: NN Ba. En Nele: 93 FOR a an Ve N a 2 (EN Sehenpelizrnr:. x. 208202025800:5286 StOnatlze ee a0 Stock Br a ll 094 Dhermann. ne... 29008,1008288 VIA ae 5100 b) Grün. Braun: 16. Mai 1916. 30. Mai 1910. 9 8 7 8 7 7 > 6 6 4 d A 8 8 9 8 8 7 6 6 h) 4 5 5 9 7 7 7 7 6 6 5) 4 5 5) 4 7 8 8 m 7 6 6 b5) 4 4 d 4 ) 9 8 8 7 7 5 5 4 6 4 6 2 0 9 8 35 3 aa a Ba 3 a6 N:N, = 10:83. N: N, = 10:88 4. Juli 1916. DE DERART > d 5) 4 b) 4 d > hi) 5 d > 4 5 5 5) h) 5 5) 5) 6 b5) 5) 4 Da 22 N:N, = 100: 102. Köckritz: 16. Mai 1916. 30. Mai 1916. 6 6 6 7 6 6 6 6 6 5) 6 6 7. 5) 6 6 7 6 6 7 5) 5) d 5) 7 7 6 7 6 6 6 6 A) 6 5) 5 m 6 6 6 6 5 6 5) 6 5) d 5) 6 7 6 6 5) h) 6 d b) h) 5 5 32 028 93 7 5% 2% N:N, — 100:92 N: — 100:89 4 4 4 4 5 4 3 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 d 4 5 4 4 4 3 3 o 0 © 19 9 m N: N, = 10:97. 222 Hugo Schulz: Scherpeltz: 16, Mai 1916. | 2. Juni 1916. i Bo be ee (De en j (EN N 7 6 6 6 h) 7 | 6 h) 5) b) d 6 De h) 6 b) 6 5 5 4 b) 7 6 h) b) 5 h) 6 5 5) 5 b) 32 AO en | A 282 9 N: N, = 10:85. | N: N, = 100: 82. 5. Juli 1916. 1) 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 d 4 3 4 4 4 4 4 A dl 4 2200205092020 N:N, = 10:9. Sehulz: 9. Mai 1916. 25. Mai 1916. 6) 8 8 8 9.10 7 7 8 8 8 ) 8 9 10.10 7 7 8 &) 8 RE I et RT 7 7 Sees 8 8 8 9.10 ...10 7 7 rl 8 9 8 8 8 9777710 7 8 See AUEEAEEEeDEe 8a ee N:.N, — 100112. NN 100-7 28. Juni 1916 9 8 8 9 9 9 S 8 8 9 9.10 7 8 9 9m. 10) (6) 8 9 9) 9 8 4 9 9 Eat 4073 aA ANA NEON ODER Stock: 25. Mai 1916. 30. Juni 1916. A RAR NE | NE WESER: 6 6 5) 5 > 6 | 4 4 3 4 3 6 5 b) d b) 5 3 3 4 5 4 ) 6 6 5 5 5) 4 4 4 3 3 5) b) 6 5) 5 b) 4 3 2) 3 3 2.5 a1 3 8% | NOT al ol NEN 009 INN. 10089 7. Juli 1916. 5) 3 4 3 B 3 5 4 4 4 4 3 5 3 3 3 3 4 4 4 3 3 3 3 4 4 3 4 4 4 ee ln Fi 17 2 — UNSER Hr + ©0000 o€ D (SU) zz 42 m aa|werr wHr Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender‘Genussmittel usw. 2393 Thermann: 9. Mai 1916. | 25. Mai 1916. BES ESSS ZR Pa | Be ZI ZEN Eee | 5. EN Dh ART ANA nA du .28 1 ee ae era AU N NARBE ANGE AN & 90 2.18 Au Ar. An Am. A A AA ir A N BR RR Re SE, IE N a Da 2 a 2 2 | So a0 oe Ts N: N, = 100:96. "N: N = 100: 96, 28. Juni 1916. De RA AT Al A Are nnd A we RA rn. AN RA ANA Aa Ad A 2. ae ae N: N, = 100: 97. Waldau: 17. Mai 1916. 31. Mai 1916. Be ER SE NR RE Dee 5 2030290 PR Ve OR ER Be a 3 | AR 3 De ae 2 5 A | N 3 er TER Or B24 521 14.10.10 un len ala ld 10 ans N: N, = 100:59. | N: N; = 100:56. Von Fräulein Waldau konnten wir leider eine dritte Normalbestimmung nicht erhalten, da sie zu Ende des Semesters erkrankte. Aus sämtlichen Werten ergeben sich bei Grün für des Verhältnis von N: N, folgende Zablen: an: Bra ums nd. seen 1100592 Role rn. N 10092 Sehhterpie zei a. 2 a ee 1005 Stchtunlat ae ee 100 le > LOOK ee BT) öleramtamınv are ON I zas ran a ae 100 257 II. Alkoholische Getränke. Unsere Versuche mit alkoholischen Getränken wurden mit Bier, Wein, Kognak und Sekt ausgeführt. Es sollte festgestellt werden, ob eins von diesen Getränken, in verhältnismässie gerivger Menge einmal genossen, schon einen Einfluss auf das !'nterscheiden von Hell und Dunkel bei den Farben Rot und Grün ausv. ‚lösen imstande sei. 294 Hugo Schulz: - Mit grösseren Mengen zu experimentieren, hatte keinen Zweck, weil eine Störung der eben genannten Fähigkeit unter solehen Umständen nichts Besonderes an sich gehabt hätte. Dagegen war es nicht aus- führbar, die einzelnen Getränke so zu dosieren, dass sie in jedem einzelnen Versuche die völlig gleiche Alkoholmenge hätten zur Wirkung gelangen lassen. Wir haben uns damit begnügen müssen, mit ungefähren Abschätzungswerten zu. arbeiten. Da es uns bei diesen Versuchen wesentlich darauf ankam, eine praktisch wichtige Frage zu lösen, schien dies Vorgehen unbedenklich. Auf Grund der zahlreichen in der Literatur niedergelegten analytischen Be- stimmungen für den Alkoholgehalt der verschiedenen Getränke und der aus ihnen berechneten Mittelwerte haben wir bei jedem einzelnen unserer Versuche folgende Quantitäten verwendet: Bier nm aan se 250 ccm. Weiner. oe 1005, Kosnaka 22. 20 „ SCkt ie Saas Er: 100 „ Das Bier war ein leichtes Lagerbier aus einer hiesigen Brauerei, wie es im allgemeineu und bei allen Gelegenheiten getrunken wird. — Der Wein war ein „kleiner“ Rheinwein, der Kognak deutscher Herkunft, alt gelagert, von feinem Bukett und Geschmack, der Sekt aus einer deutschen Quelle. — Der mittlere Gehalt an Alkohol ent- spricht bei den oben genannten Mengen für die einzelnen Getränke etwa 10 cem. 1. Bier. a) Rot. Braun: 15. Mai 1916. Sceherpeltz: 13. Mai 1916. 6) 8 2100019 9) b) 5 6 5) 6 4 8 Sr Plz GESTOTEIZ 6 b) 6 B) 4 5) he aller A 3 6 5 6 5 6 5 Sa DORZHE al ale 6) 6 6 5) 5) 5) seen 5 5) B) DR) 5) 890 740 075902542990 299 | 226, 129 29 26021 N:% — 100: 136. N:R = 100: %. Köckritz: i2. Mai 1916. Schulz: 8. Mai 1916. and 4 B) 5) b) 5) | 7 7 IE 127 16 5) 4 5) 6 b) 5 8 8 EA 4 4 5) 5 5) 6 7 2 ll PS ElezeI6 4 4 6) 4 B) + 6) Sa OA 4 5) 5) 5 6 6 7 SHmeRzee 21210725 25 4.26.226 a1 390 Ay oe Nee | N:R = 100: 169. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 235 Stock: 12. Mai 1916. Thermann: 8. Mai 1916. EAN AB AS A la ;8 AL a N De) a ee BE NEN R 78, ai de 2 u) 2 En en ı) 4 5) 4 4 4 4 4 4 7 8 It De23r22 7720 720. 19 15 OOSPISRE9EIET3B 0 N:R = 100: 104. N:R = 100: 167. Waldau: 11. Mai 1916. Ne er ae EIERN ea Ds a a Na Dee AN Annas 3.4 4 d 5 5) Baszae18,21,,220325 Ne = ee b) Grün. Braun: 22. Mai 1916. - Sehulz: 10. Mai 1916. Bd 965 10.2107 ZE 8. OT ee De 7 geaalab ae 1A 3. Be a ae | ER her .alo lol re 8 8 a ae | 8 7 7 6) 7 N Er EN Be 3 363837 41 5 9 54 6 3 N:@ = 100: 138. N:G = 100: 134. Köckritz: 22. Mai 1916. Stock: 26. Mai 1916. 6 7 8 8 7 U 2 B) 3 4 4 4 en 57 ee er! Bee N ARE Aa Bw. | RL Er ee! Bes, 6.6 | a a er | A353 333113382 IS Nomen 2N2G 7 — 100=121. | N:G = 100: 108. Scherpeltz: 27. Mai 1916. Thermann: 10. Mai 1916. ) 5 6 7 6 7 + 4 4 6 STH0 en 26.5 | ERS 33 15 090 5 6 7 7 6 6 4 4 5 0) SEEN Be se 6 Saar or iR 9.10 Be RT EEE RE RB 3 93 3 3 30 | ZU TENE 12677357 7437750 N:G —= 100: 125. er N:G = 100:171. Waldau: 22. Mai 1916. a 2, DE DW NE BE 3 2 1 2 3 3 B 2 1 3 3 2 2 2 2 8) 3 v 14 10 a N:G = 10:8. 226 Hugo Schulz: Setzen wir, wie das in der Arbeit über den Einfluss des Al- kohols auf das Farbensehen geschehen ist, den Wert N, aus den Normalversuchen — 100 und berechnen darauf die Werte für R und G, so velaugen wir zur nachfolgenden Übersicht über das Er- gebnis «der Versuche mit Bier: N, = Rot Grün. Brauner net li‘) 146 145 Köckritzr er 123 132 Sch enpieliezen 32100 112 144 Schulze ver al) 155 120 Stocker men. ul E00 1a 123 Thiermannee 70221007389 176 Maldaursr 2000277221002 27182 140 Die Übersicht über die Zahlen, die wir für N: R und N,:@G erhalten haben, ergibt für alle Beteiligten eine deutliche Abnahme der Fähigkeit, Hell und Dunkel bei Rot und Grün unterscheiden zu können. Die Abnahme schwankt in weiten Grenzen. Die stärksten Abweichungen finden sich bei den an den Genuss von Bier in den Vormittagsstunden gar nicht gewöhnten Damen. Bei den Herren liegen die Werte für die Abnahme des Unterscheidungsvermögens erheblich ‚niedriger, aber, wie schon bemerkt, durchweg über 100. Auffallend erscheint, dass die individuellen Schwankungen bei den Herren nach dem Biergenuss für Grün viel weniger stark ausgesprochen sind wie hei Rot. Bei Rot haben wir als niedrigsten Wert 111. als höchsten 155, bei Grün als niedriesten Wert 120, als höchsten 145 erhalten. NEN In 2, Wein. a) Rot. £ ‚Braun: 19. Juni 1916. ' -Scherpeltz: 17. Juni 1916. 7 7 7 8 7 8 | 5 6 5 4 h) 6 6 8 8 8 7 6 5 7 4 4 6 6 8 7 8 8 [&) 7 ®) 6 4 4 be363 7 7 9 7 8 7 | 6 > 4 B) 6 6 7 S 8 7 8 7 6 4 4 4 6 6 DISZIEITETTEITE EINEN TE N: R — 100: 107. | N:R — 100: 96. IKDekırı. 7% a0, dam ISLSE "Ssehulz: 19. Juni 1916. 4 h) Ü d d > 6 6 7 Gr e? d B) 5) 5) > d 6 6 7 ee B) 6 6 4 b) 4 6 6 7 9: 2,117 9214 h) 6 6 4 6 4 6 7 ı» 2 14 Dum6 4 4 4 5 6 7 a ee et DIES NT | SEES 2TEeTEAenE59 67 Nr — 100):7105. Jean) IN: Dr 21003162 Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 297 =Sroick: 10. Juli T9:6: Thermann: 20. Juni; 1916. > 4 3 De 4° «4 4 5) nl De 4 4 3 3 4 4 4 4 6 6 7 4 Ad 4 DB: 4 4 5 7 6 6 4 4 ala al 4 8 & 4 4 Se Wo a 4 4 3 = 3 4 4 > 8 6 4 4 AL EPI er) DUDEN 287720 Den 100.87 a. | N:R = 100: 135. Waldauw: 29. Juli 1916. al 3 4 5 4 3 8 Bi 4 d d 4 ee ee 3 4 4 4 4 3 3 4 5) 4 4 3 elle Fon en 16 N: R = 100 :124. - b) Grün. " Braun: 20. Juni 1916. Schulz: 3. Juli 1916. % ) Bor AN ons ne al at) Do rd | SE SR N Na le, 3, 0 a er En ee ln 8.0 SZ! | Su OR Ra DEREN 50 SE D200957099.03, 22,93 EIERN N:G= 10:37. N:G —= 100: 146. Kockritz: 17. Juli 1916. ı BEoreke22r Il 1910. Be. 25 | ES EN ED Dee dt N Be au. 5 AA ANA A A a. Dan di BMA ar Als de A rs. | N A 2 NEE FON Penn N:G = 100: 101. | N:G = 100: 104 Sehen peltz: 20. Jun 1916. | Thermann: 3. Juli 1916. Doreen Re ee A | N BE DE 8 2. (u Ro ae | De 6 DE O NA De 4 BO BT a SO SEEN SA 8 BROT >23, 93.90 TEEN FINE NG 100.80, N:G = 100:135 Waldau: 31. Jui 1916. A Ad. AA A A a Ber a A NA ea 4 AR Ar: 7 N AN a en: Pen 19° SO Regio N:G = 100: 111. 328 eat ne Hugo Sicht iz: Für unsere Versuche mit Wein ergibt sich für das Verhältnis zwischen N; = 100 zu R und @. folgende Übersicht: N, Rot Grün Braum:... ala 115 95 Köckritz. .. .. ... 360 111 110 Scherpeltz. . . 2.100 12 0 Schulz... 87.0.2 22.5100 149 150 Shock... ur Se 100 93 118 Dhermann?. .....222100 153 140 Waldan.. ....0.2..2.2100 185 : 19 Ebenso wie beim Bier haben die aın Versuch beteiligten Damen auch beim Wein die stärkste Herabsetzung in der Unterscheidung von Hell und Dunkel bei Rot und Grün aufzuweisen. Auch liegen die individuellen Schwankungen aller Versuchsteilnehmer hier wieder bei Grün innerhalb enserer Werte wie bei Rot. 3. Kognak. a) Rot. Braun: 28. Mai 1916. Schulz: 11. Mai 1916. 6 6 7 7 7 7 | 10 9... 555100... 018 6 6 6 8 7 8 | s 10 23:14 17°18 7 6 7 9 7 7 | 8. IL. 275.6 5 Be ST ST | 9231248. 5.100219 6 8 7 6 7 1 ER U a ee > 33 34 37 36 386 A ih N: R == 100: 117. N:R = 10 : 160. Käckritz: 5. Juni 1916. Stoek: 15. Juni 1916. Be BO a BA Re a Ra ne ne a a a re Wan! BR I a a a NG ION: #8 A a er RR NR Ban in a Jo Da E28 2802803095 Ze ale) N:R = 100: 106. N:R = 10:88. Scherpeltz: 6. Juni 1916. Thermann: 12. Mai 1916. 6 6 X 7 8 7 5 4 4 7 97512 6 6 7 8 8 8 3 3 6) 8 9 1 6 6 8 ) 8 7 4 3 6.10. »11. 12 6 7 8 8 8 8 4 4 6 9 932 6 7 7 8 8 8. 4 4 8 9 wo 2 EEE NEeTgEE: 18 983 8 59 N:R = 100:12. N:R = 100:197, Über den Einfluss Alkohol und Kefein enthaltender Genussmittel usw. 232%) Waldau: 24. Mai 1916. Sa Bun ET Re 3 2 3 3 4 3 Bee a8... A N ee oo 5 17 N:R = 100: 10. b) Grün. Braun: 5. Juni 1916. Schulz: 13. Mai 1916. DT 76,7 003135 4 16 BR. 6 7 1 7 Be: 5,7% ar 6 7.56 102 112 a 17 9 12 RR ee A Du s5 1 a ee a 16:7 18187150 16 97 a Ba ee ee See oe 08 N:G = 100: 122. N:G = 100: 144. Köckritz: 8. Juni 1916. Stock: 23. Juni 1916. ee or 6 Ar A Area au Se Bl ee ee BI m An DE ANA DE 2 er RE | BER AN A Be ee Ba As Ar ANA BT ER: BEE N A 2 0 533 32 18. 31 are ae N:G = 100: 112. N:G = 100: 108. Scherpeltz: 10. Juni 1916. Thermann: 16. Mai 1916. ee 7 AED Se 10: Be 76 AREA SHNSTr SSR TE BO a A 5710.10 EN A N a BE IE I Be 5‘ 0.9 30 34 36 32 a N le ZEN N:G = 100: 107. N:G = 100: 177. Waldau: 5. Juni 4916. Aut Ds N N IR ON RE NE DE RO ek BEE ON BE ES 18 >18. 12 10° 1827316 N:G = 10:72. Für die Versuche mit Kognak ergibt sich für das Ver- ‘ hältnis zwischen N, = 100 zu & und @ folgende Übersicht: Das nn ie io niemze N, Rot Grün Braun. ee‘ 126 la) Köckritz. 2.22 295.100 u 122 Sicherpeltze 0 27 lo 1 123 Schanze well) 147 129 Stock. Eee 100 88 123 Thermanm a 2727100 224 182 Wealazan ee al‘) 55.282126 4. Sekt. a) Rot. Braun: 11. Juli 1916. Sehulz: 21. Juni 1916. h) 5 5 5 h) 5 6 6 6 10 10 b) 5 5) 5) 5) 6 6 6 ‘6 92710 4 5) 5) 6 5 h) 6 6 Sl 5 2 5) 6 5 5) 6 6 se 5) 5 & 8. 5 BE 9 10.11 u ee. 20 SEE oe N: BR = 100: 106. N:R = 100: 149. Köeckritz: 22. Juni 1916. Stock: 22. Juni 1916. 6 4 5 5 6 6 4 4 4 4 4 5 4 5 6 6 A 4 4 5) 4 4 6 4 6 6 5) 5 4 4 5 D 4 N Ns Aue A 5 4 5) 6 6 De ae 4 4. oO. 3 Dr 2100026775070 Oele N:R = 100: 101. N:R = 100: 101. Scherpeltz: 26. Juni 1916. Thermann: 21. Juni 1916. 6 5 6 6 6 6 4 4 5 6 5 A | a RE ey 6 5 6 7 7 6 4 4 6 5) 4 6 d 6 6 7 7 4 4 m 5 5 6 6 6 6 6 6 4 4 7 5 4 m oe 5 ERNEST TEN N:R = 100: 101. | N:R — 100: 119. Waldau: 21. Juni 1916. 3 3 3 3 3 3 3 3 4 4 Dee 3 3 4 4 3 3 3 3 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 15 esse Über den. Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 2531 Be b) Grün "Braun: 12. Juli 1916. Schulz: 23. Juni 1916. nr, 6 Sal 12,510 5. a ee 5 Sn ie. 10,2 79 sl 68.5 4 SON Sy SI 12% 1127259 2 ee Da ag 4 20, A: 5616 N:G — 100: 100. N:G = 100: 12. Köckritz: 12. Juli 1916. Stock: 27. Juni 1916. BE Ba NEL 1 Br A a EL ee As Ana A Bee T-.5 Aa NS Ra ER A 88. 8 Re se ee NR VE a a EN er os so, 31 27 | Aa ae oa) Be. N:G = 100:%. NG 100288 -Scherpeltz: 14. Juli 1916. Thermann: 23. Juni 1916, Be A | EN Be ee nd a ed AD 1 2 ae er | Mean oO (En. 23 Ze a A ee Br u | A a0 STREET a ao N: 6G— 10:7. | 'N:G — 100: 114, Waldau: 28. Juni 1910. a a eu aa ae Se ar Rare | {or} En 1515. io N:G = 100:69. "- Aus den Versuchen mit Sekt ercibt sich folgende Übersicht: Bi N, Rot | Grün nun 0... 100. 2,1145, 109 Kockritz. 4.1... 100. ‚106.98 Beberpeltz...,,.:... 100% 2ul18 82 Berl. 2 100er ll Eee. 5100051074100 © Ühermann . s1...13100. , 185: - 117 ad ee 7 OO a Sarara 338 j Hugo Schulz: Als Endergebnis unserer Versuche über den Einfluss alkohol- haltiger Getränke auf das Unterscheidungsvermögen von Hell und Dunkel bei Rot und Grün können wir aufstellen: 1. Die Aufnahme alkoholischer Getränke mit einem ungefähren Gehalt von 10 cem Alkohol bedingte in nahezu allen Fällen eine deutliche Herabsetzung des Unterscheidungsvermögens für beide as . Nur in einem Falle (Stock) zeigte sich bei Rot nach Auf- ine von Kognak und Wein eine Zunahme des Unterscheidungs- vermögens, bei Grün in zwei Fällen (Scherpeltz und Braun) nach Weingenus und in ebensoviel Fällen nach Sektgenuss (Köckritz und Scherpeltz). 3. Die grossen Mittelwerte aus allen Beobachtungen und für die einzelnen Getränke stellen sich für Bier bei Rot auf 145, bei Grün auf 140, bei Wein für Rot auf 131, bei Grün auf 125, bei Kognak für Rot auf 142, bei Grün auf 134, bei Sekt für Rot auf 125 und für Grün auf 109. 4. Durchweg ist die Abnahme des Unterscheidungsvermögens bei Rot stärker ausgesprochen wie bei Grün. 5. Die stärkste Abnahme für beide Farben trat ein nach der Aufnahme von Bier. Es macht den Eindruck, als ob hier neben der Alkoholwirkung auch das Hopfenbitter in dem Bier Lu auf das Unterscheidungsvermögen eingewirkt hätte. 6. Die geringste Beeinträchtigung des Unterscheidungsvermögens für Hell und Dunkel bei Rot und Grün ergibt sich nach der Auf- nahme von Sekt. Eine einigermassen befriedigende Erklärung für diese Erscheinung ist schwer zu geben. Sie entspricht der bekannten Erfahrung, dass nach Sektgenuss die allgemeine Erregung besonders auf dem psychischen Gebiet schneller aufzutreten pflegt wie nach dem Genuss von Wein und — vorausgesetzt, dass es sich nur um eine verhältnismässig kleine Menge von genossenem Sekt handelt — auch ziemlich rasch wieder verfliegt. Man könnte den Schluss daraus ziehen, dass die gleichzeitig mit aufgenommene Kohlensäure bei dem Zustandekommen des eigentümlichen Bildes vorübergehender Sekt- wirkung mitbeteiligt ist. Aber das Wie? ist nicht klar. 7. Jedenfalls zeigen unsere Versuche, dass die bei dem Genuss alkoholischer Getränke in Betracht kommenden Nebenbestandteile die dem Alkohol in Gaben von etwa 10 ccm eigentümliche Wirkung nicht wesentlich zu beeinträchtigen imstande sind. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 233 II. Koffein. Die Erfahrungen, welche wir bei Gelegenheit unserer Versuche mit alkoholischen Getränken machten, liessen den Gedanken aufkommen, jetzt auch mit denselben Versuchspersonen die Wirkung koffeinhaltiger Getränke durchzuprüfen. Der eigentümliche Gegen- satz, der zwischen alkohol- und koffeinhaltigen Getränken in ihrem Einfluss auf psychische und somatische Leistungsfähigkeit besteht, konnte möglicherweise auch bei unseren Versuchen zum Ausdruck kommen. Wir sind zunächst in der Weise vorgegangen, dass unter genau denselben äusseren Bedingungen anstatt mit irgendeinem alkoholischen Getränk mit Kaffee experimentiert wurde. Jede Person erhielt das gleiche Quantum. Der Kaffee wurde in folgender Weise hergestellt: 7,5 g guten, gebrannten Kaffees wurden fein gemahlen und mit 165 ccm siedendem Wasser, entsprechend dem Inhalt einer Kaffeetasse, übergossen. Nach 10 Minuten langem Stehen wurde das Getränk von dem Satz abgegossen und der fertige Kaffee ohne sonstige Zutaten warm getrunken. Vorher waren die üblichen fünf Normalbestimmungen gemacht worden. 1. Kaffee. a) Rot. Braun: 3. Juli 1916. ' Seherpeltz: 15. Juni 1916. A ee ar SEE EV: | KO N le Ne 5 N a er 3 GEOR BESe Le ANA mens. 3° 8:0, 4 (RE SE a ae | es Bra N ee ai 15. 18 33200382235, 000, 199019 N:R = 10:79. N: R = 100:67.: Köckritz: 20. Juli 1916. Schulz: 19. -Mai 1916. 0, SR N A! a 2 Ve a Ton 00 00 IS Ze De a a DW a Baer. 38 46 BR ee AN DR 2 9 Bas 5.35 Saas 2900100770 N:R = 100: 85. | i _N:R = 10:49. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. ‚ 16 234 Hugo Schulz: Stock: 6. Juli 1916. Thermann: 19. Mai 1916. 6 h) 4 3 4 4 4 4 4 3 2 1 5) 4 4 3 4 4 4 4 3 2 3 2 b) b) 3 4 4 3 4 4 3] 2 1 2 5 4 3 3 4 4 4 4 3 2 1 2 b} 4 4 4 4 4 4 4 3] Se 2 DEE DOSE TON 2 2 16 2 8 9 N:R = 100: 74. \ N:R = 100:65. Waldau: 7. Juni 1916. B3 3 2 2 1 2 4 3 2 1 2 1 4 3 2 1 2 2 6} 3 2 1 1l 1 EIER EEE ERS N 18 14 ı0 7 7 8 N:R = 100:51. kb) Grün. Braun: 6. Juni 1916. Schulz: 23. Mai 1916. b) b) 4 5 3 4 7 7 h) 4 b) 4 b) 6 4 b) 4 4 8 8 4 4 5 4 6 6 4 3 3 3 8 7 5 4 3 3 b) 5 4 3 3 4 7 7 4 4 4 2 6 d 4 4 4 3 7 5) 4 3 4 4 DINO DEE VE Te SS Oo N:G = 10:75. | N:G = 10:61. Köckritz: 24. Juli 1916. ı Stock: 7. Juli 1916. 4 b) h) 4 4 4 | b) 4 3 3 4 4 BE A | SIERT IN EN b) A 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 5 4 3 4 8] b) 4 4 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 | b) 4 4 3 4 4 Do > DE DEE OT! | ZEN ORETTEEEE TEPz0 N:G = 10:88. | N:G = 10:81 Scherpeltz: 24. Juni 1916. Thermann: 23. Mai 1916 6 6 4 4 4 3 | b) d 3 3 2) 2 6 6 4 4 4 5) b) 4 3 3 2 2 I A aa a: aa OR a b) 4 4 4 3 3 4 b} 3 2 3 2 h) b) 4 4 3 3 4 4 B} 2 2 2 DET OTHER 227392, 7 IST DTG N:G = 100:70. N:G = 100: 64. Waldau: 30. Juni 1916. 4 3 2 2 2 1 4 3 2) 2 1 1 4 2 2 2 1 1 3 3 2 2 1 1 4 2 2 2 1 1 19 3 0 % d 6 N:G = 100: 46. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 235 Aus den Versuchen mit 7,5 g Kaffee ergibt sich folgende Übersicht: N, Rot Grün Draume a. ls. 100 85 82 Wockeuitzir, 2°; 2.2200 89 96 Scherneltz. . .„. ....:.100 78 80 Sie ulizn a 2 0 45 54 Stack ne. we, 200 79 92 heermanne: .©...:.72200 14 66 Waldau'. . . 100 76 sl Die Versuche mit Kaffee erweisen durchs und ohne Ausnahme eine zum Teil ganz beträchtliche Zunahme des Unterscheidungs- vermögens für Hell und Dunkel bei Rot und Grün bei allen an den Versuchen Beteiligten. Der mittlere Wert aus sämtlichen Versuchen stellt sich für Rot auf 75, für Grün auf 79. Im Anschluss an die Versuche mit Kaffee beabsichtigte ich auch den Tee in der gleichen Richtung zu prüfen. Leider gestattete es die vorgeschrittene Zeit nicht mehr, dass alle Teilnehmer an den bis- herigen Versuchen den Tee durchprüfen konnten. So habe ich mich darauf beschränken müssen, mit Fräulein Thermann allein die nachfolgenden Versuche auszuführen. Da wir beide, wie die letzte Übersicht zeigt, gut auf den Kaffee reagierten, glaubte ich mich in Anbetracht der Umstände mit der stark herabgesetzten Zahl der Versuchsteilnehmer begnügen zu können, Entsprechend dem ungefähren Koffeingehalt bei Kaffee und Tee, wie 1:3, haben wir bei den jetzt zu schildernden Versuchen mit Tee folgenden Weg eingeschlagen: 2,5 g Tee aus einer holländischen Firma, von der ich den Tee schon seit 30 Jahren beziehe, wurden mit 165 ccm Wasser in der gleichen Weise behandelt wie vorher der Kaffee. Die weitere Versuchsanordnung war dann ebenfalls dieselbe. Wir erhielten folgende Zahlen: 2. Tee. a) Rot. Schulz: 26. Mai 1916. Thermann: 26. Mai 1916. 6 6 7 71 6 n 4 4 3 4 4 3 6 6 7 7 7 7 4 4 4 3 3 3 6 6 7 7 6 7 4 3 3 3 3 3 6 | 7 7 6 3 4 3 4 3 3 6 H 7 6 7 7 4 4 3 3 3 3 Bunal 235 FL 034 19 19 16 u 16 15 N:R — 100: 111 | N:BR = 10:87. ie 236 Hugo Schulz: b) Grün. Schulz: 31. Mai 1916. Thermann: 31. Mai 1916. SER 8,229 0ER ee wi 7.2. 06 oe eo) 26) | ANA ALERT S RSE A ee el | AAN AN FI ANEEA Sag ey rg an A AR IRA A 8B128..00807 98 99 4198 Ka, AA 39.40 40 4 47 46 | Sinne Soais N:G = 10: 111. Ki N:G = 100: 96. Daraus ergibt sich für das Verhältnis von N 100 zu R nnd @ folgendes auffallende Resultat: N, Rot Grün Schulz 0 2... ..0.00..210052109 99 Dhermann ».....0...2.2..100 99 99 Wie diese Zahlen mit aller Deutlichkeit ergeben, ist von einem ausgesprochenen Einfluss des Genusses von Tee auf das Unter- scheidungsvermögen von Hell und Dunkel bei Rot und Grün nicht die Rede, im vollkommenen Gegensatz zu dem entsprechenden Verhältnis bei Kaffee. Die weitere Überlegung dieser Erscheinung führte zunächst dahin, dass klargestellt werden musste, ob das doch in beiden Getränken vorhandene Koffein vielleicht‘ gar nicht oder doch nur sehr unbedeutend gewirkt habe. Ausgehend von der Annahme, dass ein guter gebrannter Kaffee im Mittel 1°o Koffein enthält, haben wir dementsprechend in den folgenden Versuchen jedesmal 7,5 eg Koffein in Wasser gelöst genommen. 3. Koffein. a) Rot. Schulz: 29. Mai 1916. Thermann: 27. Mai 1916. Ba are Site Ts A U RN Ya NT N: At Dan ae Bes es PR. TEE a OL Rn: a En a Be a de 8 An N Ni ER gs 23.299.893 055 567240 Do oo es N: R — 100: 107. NR. — 100.85. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 237 b) Grün. Schulz: 30. Mai 1916. Thermann: 30. Maı 1916. Om aan. 08 \ 88... X DS Le Be Le Bu er 238:.2.%9.:10,.:.9 Au a © A Bes, 9,8 9,9 DA SA m 20 2 ...gr 9,6 BE A a Be RE ee) | EN LD,. 14 A le | 99.095791 750.. 19° 51 N:@ = 100: 108. N:@ = 100: 9. Aus den Koffeinversuchen ergibt sich für das Verhältnis von N, — 100 zu R und @ folgendes: > N, Rot Grün SICH ze re ERLOO 98 96 Mherzmannız - .2..:..:.100 97 97 ‘Die Abweichung der von uns erhaltenen Werte von der als Grundlage für alle unsere Versuche angenommenen Zahl 100 ist sehr gering. Sie spricht, wenn man ihr überhaupt eine irgendwie ausschlaggebende Bedeutung beimessen will, jedenfalls nicht für eine hervorragende Wirkungsfähiekeit des Koffeins. Weiter war mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die dem gebrannten Kaffee eigenen, durch den Röstprozess erzeugten Bestand- teile den grossen Unterschied bedingt hätten in der Wirkung zwischen dem Kaffee einer- und dem Tee und dem Koffein andererseits. Die Frage erschien leicht lösbar. wenn an Stelle des gewöhnlichen Kaffees koffeinfreier genommen wurde. Dementsprechend haben wir. mit koffeinfreiem Kaffee, aus einer grossen, bekannten Firma stammend, experimentiert. Die Dosierung und Herstellung des Getränkes war genau wie vorher beim Kaffee. 1 4. Koffeinfreier Kaffee. a) Rot. Schulz: 6. Juni 1916, Thermann: 6. Juni 1916. BeRo 9.07 6 | Re ln 2 a Re 1 1 9 7 7 6 4 4 3 3 2 1 10 ) 8 7 6 7 4 4 3 3 3 1 11 10 8 7 6 6 4 3 3 3 2 1 10 8 7 6 7 7 AS 3 & 2 1 3 47 Al 3. 3:32 20r le 2152 2154.12 6 N:R = 10:71. N:R = 100:66. 238 Hugo Schulz: b) Grün. Schulz: 8. Juni 1916. Thermann: 8 Juni 1916. BE u 6. Bin AS EAN AN An DD 7 7 5 5 4 3 4 4 3 3 2 2 7 A 6 d ® 3 ' 4 4 4 2) 2 1 7 7 5 4 4 3 4 4 3 2 2 1 a er nn 8n 8 Non Sara an 282 all 20 Oel 9 7 N:G = 100:67. N:G = 10:65. Für N, = 100 zu Rund @ ergibt sich aus unseren Versuchen folgendes: N; Rot Grün Schulzi ne 27622500 69 60 Thermanne. .... 20. .10000275 67 Man sieht auf den ersten Blick, dass das Resultat dieses Ver- suches sich völlig deckt mit dem Ergebnis der Versuche mit Kaffee. Bei Fräulein Thermann sind die Schlusswerte in beiden Ver- suchsreihen eigentlich dieselben. Bei mir liegen sie nach der Auf- nahme von koffeinfreiem Kaffee niedriger wie nach der von nicht vorher behandeltem Kaffee. Es hatte sich bei allen unseren bisherigen Versuchen mit Kaffee, Tee, Koffein und koffeinfreiem Kaffee herausgestellt, dass die beim Kaffeebrennen auftretenden Röstprodukte für das Gesamtresultat aus- schlaggebend waren. Es war nun noch die eine Frage zu beantworten, ob die von uns beobachtete Wirkung nur den Kaffeeröstprodukten eigentümlich sei, oder aber ob auch die entsprechenden Produkte bei Kaffeesurrogsaten ähnlich wirken würden. Also haben. wir dann auch noch Versuche mit sogenanntem Malzkaffee gemacht. Er wurde genau so wie vorher der Kaffee zum Getränk hergerichtet und genossen. 5. Maälzkaffee. Rot. | Grün. Sehulz: 2.Junmi 1916. Thermann: 2. Juni 1916. BA | A. a N Re Re a ne) | IR ER N Bee Ben, NR | Ba ne N Ser a a) | 1 N. RR EN Be VS, Be 8 | MU Be 37869413 5 19. 302 977187 120 16 N:R = 100: 110, N:G = 100:%. Über den Einfluss Alkohol und Koffein enthaltender Genussmittel usw. 239 Der Wert von N, = 100 zu R und @E war: ? N] Note N, Grün Sera. 27100101.) Thermann . . 100 9% Die Röstprodukte des Malzkaffees besassen also die charakte- ristische Wirkung der Kaffeeröstprodukte nicht. Gesamtergebnis. Aus unseren Versuchen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass alkoholische Getränke, schon in verhältnismässig geringer Menge, landläufigem Gebrauch entsprechend, aufgenommen, eine Herab- setzung des Unterscheidungsvermögens für Hell und Dunkel bei Rot und Grün hervorzurufen imstande sind. Die Stärke dieser Herabsetzung hängt bei gleichen Mengen des aufgenommenen alko- holischen Geträukes von der persönlichen Veranlagung ab. — Die Schädigung der Genauigkeit des Erkennens von Hell und Dunkel ist bei Rot durchweg stärker ausgesprochen wie bei Grün. Im Gegensatz zu der Wirkung der alkoholischen Getränke steht die des Kaffees. Sein Genuss steigert die Unterscheidungs- fähigkeit von Hell und Dunkel für Rot und Grün sehr deutlich. Abhängig ist diese Wirkung von dem Gehalt des Kaffees an eigenartigen Röstprodukten. Sein Koffeingehalt kommt bei den von uns genommenen Mengen nicht in Betracht. Auch aus den in dieser Arbeit mitgeteilten Versuchen ergibt sich mit zwingender Deutlichkeit die grosse Gefahr, die die Aufnahme selbst scheinbar geringfügiger Mengen alkoholischer Getränke für diejenigen Berufe mit sich bringen kann, bei denen von der Fähigkeit, auch unter ungünstigen äusseren Bedingungen die Farben Rot und Grün scharf erkennen zu können, die Sicherheit von Menschenleben und materiellen Werten abhängig ist. 240 Otto Meyerhof: ‘(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) Untersuchungen über den Atmungsvoreang nitrifizierender Bakterien. III. Die Atmung des Nitritbildners und ihre Beeinflussung durch ehemische Substanzen. | Von ‚Otto Meyerhof. (Mit 5 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Erstes Kapitel. Methodik... So. an N ee Zweites Kapitel. Oxydationsgeschwindigkeit und Ammoniakkonzentration . 243 Drittes Kapitel. Einfluss von Nitrit- und Nitratkonzentration auf Atmung und Wachstum, rs. Ir SBSrUr RE ER er „247 Viertes Kapitel. Oxydationsgeschwindigkeit und Sauerstoffdruck . . . . . 250 Fünftes Kapitel. Oxydationsgeschwindigkeit und H*-Konzentration . . . . 254 Sechstes Kapitel. Kationenwirkungen: Alkalimetalle ......... "...256 Siebentes Kapitel. Kationenwirkungen: Erdalkali- und Schwermetallsalze. 261 Achtes@Kapitel» »Anionenwirkungen®. 2 266 Neuntes Kapitel. Organische Substanzen, speziell Aminoverbindungen . . 267 Zehntes Kapitel. Indifferente Narkotika. .. »....... RESET. 276 Die in den beiden vorigen Arbeiten mitgeteilten Untersuchungen über den Stoffwechselvorgang der Nitratbakterien wurden jetzt auf den Nitritbildner ausgedehnt, dabei verschiedentlich ergänzt. Vor allem sind solche Probleme gründlicher bearbeitet worden, bei denen entweder aus allgemein physiologischen Gründen eine Vermehrung des Versuchsmaterials wünschenswert erschien, wie zum Beispiel die Abhängigkeit der Atmungsgrösse von der Konzentration der am Stoff- wechsel beteiligten Substanzen, oder ein spezifisches Verhalten des Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 241 Organismus sich ergab, das auf den besonderen Stoffwechselvorgang Licht zu werfen geeignet ist: Es ist darum hier die Kohlensäure- assimilation ausser Betracht geblieben, die in der ersten Arbeit aus- führlich behandelt ist, zumal sich aus Experimenten Winogradsky’s Anhaltspunkte über ihren Umfang gewinnen lassen. Erstes Kapitel. Methodik. Zur Züchtung wurde eine Reinkultur von Nitrosomonas henutzt, die ich Herrn Prof. Omelianski in Petersburg verdanke. Als Kulturflüssigkeit diente die Winogradsky’sche Nährlösung, die sich, soweit ich Beobachtungen darüber machte, allen sonst an- gegebenen überlegen erwies!). Sie besteht aus: Ammoniumsulfat 1,0 (oder 2,0) g, Kaliumphosphat (einbas.) 1,0 g, Magnesiumsulfat 0,5 g, Natriumehlorid 2,0 g, (Ferrosulfat 0,4 eg). Basisch kohlensaure Maenesia im Überschuss (ca. 10 g) auf 1 Liter Wasser. Auf die Zugabe des Eisensalzes wurde verzichtet, doch enthielt das Magnesiumkarbonat (Kahlbaum) beträchtliche Mengen Eisen. Im übrigen wurde wie bei der Züchtung der Nitratbakterien ver- fahren ) Auch hier wurde die zu den Versuchen dienende Kultur dauernd stark durchlüftet. Man kommt dann auch beim Nitrit- bildner weit über die von Winogradsky angegebenen Umsätze hinaus?). In maximo kann so etwa bei 35°C.in 6 Stunden 0,1 & (NH,.SO, auf 100 eem oder 20 mg N oxydiert werden, also etwa 42 Ammonsulfat pro Tag und Liter. Die Nitrit- bildung kommt zum Stillstand, wenn etwa 0,25 n NO, (entsprechend 1,5—2,0°/o NaNO,) in der Lösung gebildet sind. Es beruht dies, wie noch gezeigt wird, auf gleichzeitiger Atmungs- und Wachstums- hemmaung durch die hohe Nitritkonzentration. Als Nitritbildner sind von Winogradsky eine Reihe mor- pholoeisch differenter Organismen beschrieben, die zum Teil in zwei Wuchsformen existieren, als festsitzende Zoogloen ünd als geissel- tragende Schwärmer, die sich aus unbekannten Gründen ineinander 1) Bei Benutzung des von Löhnis empfohlenen Magnesium-Ammonium- phosphat statt Magnesiumkarbonat als überschüssiger Base kommt das Wachs- tum viel eher wegen Abstumpfung der Alkaleszenz zum Stillstand. 2) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 164 S. 355 ff. 1916. 3) Vgl. z. B. Lafar’s Handb. d. techn. Mykologie Bd. 3 S. 149. 1907.. .. 242 Otto Meyerhof: umwandeln. Die mir vorliegende Kultur bestand nur aus unbeweg- lichen ellipsoiden Bakterien. Ganz vereinzelte bewegliche stellten wohl eine Verunreinigung vor. Der Stoffwechsel wurde wie beim Nitratbildner nach zwei Me- thoden gemessen: in der Regel durch Messung des Sauerstoffverbrauchs nach Warburg-Siebeck, für manche Zwecke durch Titration des Nitrits: der Nitritgehalt nimmt durch die Atmung zu. Sauerstoff- verbrauch und Nitritbildung sind, wie schon Godlewski mit ziem- licher Genauigkeit zeigen konnte !), durch die Gleichung: NH, +30 — HNO, + H,O miteinander verbunden. Während also beim Nitrat- bildner auf 1 HNO, 19 verbraucht wird, sind hier 3 O nötig, um IHNO, zu bilden. Infolgedessen ist die Nitrittitration vergleichsweise zum Sauerstoffverbrauch in diesem Fall noch dreimal unempfindiicher als beim Nitratbildner. Übrigens versicherte ich mich in einigen Ver- suchen, die aber die Godlewski’schen nicht an Genauigkeit über- trafen, durch gleichzeitige Messung des Sauerstoffverbrauchs und der Nitritbildung, dass die angeführte Gleichung in der Tat den Stoff- wechsel des Nitritbildners wiedergibt. — Während bei der Atmungsmessung des Nitratbildners der Einsatz der Warburg-Siebeck’schen Atmungsgläschen keine KOH ent- halten durfte, muss dies beim Nitritbildner der Fall sein. Zwar bildet dieser auch keine Atmungskohlensäure, aber er säuert durch Ausscheidung von HNO, an Stelle von NH, die Lösung an und treibt dabei annähernd die doppelt äquivalente Menge Kohlensäure aus dem Magnesiumkarbonat aus. (Theoretisch geht bei der Oxydation von 1 NH; : (NH,)zCO, über in NH,NO, + H;CO,, da aber das bas. Magnesiumkarbonat etwa "/ı -Mg(OH), enthält, ist die freigesetzte CO,-Menge entsprechend geringer.) Diese Kohlensäure muss durch im Einsatz befindliche KOH oder NaOH entfernt werden. Infolge der dauernden Säurebildung ist auch so in der Lösung stets genügend CO, zur Assimilation vorhanden. Ja, da der Kohlensäure- entzue durch NaOH nicht momentan verläuft, ist die Reaktion in solchen Atmungsgläschen, in denen stark geatmet wird, stets weniger alkalisch, als wo das nicht der Fall ist: hemmt man zum Beispiel in einem Gläschen 1) Anz. d. Akad. d. Wissensch. in Krakau 1895 5. 178. Vgl. dazu meine Bemerkung. Pflüger’s Arch. Bd. 164 S. 359 Anm. 2. Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 243 die Atmung durch einen die Cn- nicht beeinflussenden Stoff, etwa Phenylurethan, so reagiert am Schluss des Versuchs die Lösung in diesem viel stärker alkalisch als in der -Kontrolle (Prüfung mit Phenolphthalein), oft schon jenseits der optimalen OH’-Konzentration, so dass stärkere Hemmungen hierdurch eine progressive Steigerung erfahren können. Endlich muss man, um bei stark atmenden Kulturen eleich- mässige maximale Atmung zu erzielen, die Atmungsgläschen un- gewöhnlich stark schütteln. Das liegt jedenfalls nur zum Teil daran, dass die Bakterien oft haufenförmig um die Magnesiakristalle herumsitzen und daher schwieriger maximal mit Sauerstoff zu ver- sorgen sind, sondern auch an dem Umstand, dass sich die Bakterien infolge der fortwährend ausgeschiedenen salpetrigen Säure in einem saureren Milieu befinden, als ihrem Atmungsoptimum entspricht. Das Schütteln befördert sowohl den Reaktionsausgleich in der Flüssig- - keit, die Lösung weiterer Mengen Magnesiumkarbonat, als endlich das Entweichen der überschüssigen Kohlensäure. Aus diesen Gründen insbesondere der später genauer erörterten starken Abhängigkeit der Atmungsgrösse von der H*- und NH;-Konzentration sind vergleichende Messungen mit dem Nitritbildner etwas weniger genau als mit dem Nitratbildner auszuführen. Andererseits wächst der Nitritbildner sehr viel schneller und ist daher in der Lösung in dichterer Suspension vorhanden als der Nitratbildner. Es sind deshalb viel grössere ab- solute Ausschläge erhältlich. Für die Atmungsmessung wurde in der Regel nur 1 cem Bakterienkultur benutzt — manchmal 0,8 oder 1,5 — meist mit Zusatz von 0,6 oder 0,8 ecm Wasser bzw. den zu prüfenden Substanzen. Unter diesen Umständen werden bei der stets benutzten Versuchstemperatur von 35 ° C. stündliche Ausschläge von 30—50 mm Manometerflüssigkeit —= 40—60 emın O, erhalten, bei Versuchen von 3 Stunden also über 100 mm, so dass ein durch Sehütteln bedingter Fehler von 3—5 mm keine erhebliche Rolle spielt. Zweites Kapitel. Oxydationsgeschwindigkeit und Ammoniakkonzentration. Zur Ernährung des Nitritbildners dient Ammonsalz, das sich natürlich mit den anderen Salzen der Nährlösung, vor allem dem MgCO, umsetzt, so dass gleichzeitig (NH,)zCO;-Moleküle (und anderer NH,-Salze), [NH,OH], NH,* und NH, vorhanden sind. Bei der für 244 Otto Meyerhof: die Atmung dienenden’ H*-Konzentration von. 107% muss man vor allem fragen, ob die Cxs, oder Cxu,-saz massgebend ist? Nach Analogie mit anderen Zellen, insbesondere dem Nitratbildner darf man es für wahrscheinlich halten, dass nur NH, die Plasmahaut passieren kann ‚und daher der eigentliche Nährstoff ist; dies lässt sich hier aber nicht so streng beweisen, wie etwa in der letzten Arbeit, dass NH, und nicht Ammonsalz für den Nitratbildner giftig ist. Die Atmung des Nitritbildners ist nämlich gegen Verschiebung: der Cz- viel empfindlicher, und daher wird: bei ihrer Änderung die Atmungsgrösse direkt’ und nicht nur durch gleichzeitige Änderung der NH,-Konzentration ' beeinflusst. Für die genauesten Versuche dienten lan die gerade durch Atmung: NH;-frei geworden waren, in einigen: andern wurde die anfängliche NH;-Konzentration nach Nessler geschätzt durch Vergleich mit genauen NH,Cl-Lösungen!). Als Zusatz zu der Bak- terienflüssigkeit diente verschieden konzentriertes Ammoniumgemisch: : NH,CI NH,OR' u | ) Die Reaktion bleibt am besten konstant, wenn das Gemisch 16/ı ist. (Pr bei 18° C. nach Michaelis—8,3)2). In dem auf den Fige. 1 und 2 abgebildeten Versuch wurde zu 1 eem Bakterienkultur 0,5 ceem Ammoniumgemisch !%/ı von verschiedener absoluter NH,- Konzentration zugeseben. Die Kurven ähneln sehr: stark den Nitrit- konzentrationskurven des Nitratbildners: der steile Anstieg, das schmale Optimum, dahinter die sattelförmige Einsenkung durch das . erst rasehere, dann lanesamere Absinken. Doch’ sind in diesem Fall die äquivalenten Konzentrationen niedriger — das Optimum liegt bei u 200 steiler ab. : NH‘, dort bei 0, NO% — und die Kurye fällt im ganzen Bei dem von Winogradsky empfohlenen Zusatz von 2 g (NH,)SO, auf 1 Liter Nährlösung — ®?/ıoo n beträgt die Atmung nur noch 60 °/o der Optimalatmung; auch ist das Wachstum dann schon deutlich verschlechtert. Dies letztere ist dagegen noch nicht der 1) Methodik vgl. Treadwell, Analyt. ‚Chemie, 5. Aufl., Bi PHASE En ehe S. 54 Anm.1 und 2. | ’ 2) Michaelis, Abderhalden’s Bau, :d. biochem. - Arbeitsmethoden Bd. 3- S. 1337. 1910. Ehen, Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. II. 245 101 30 Oxydationsgesehwindigkeit — [er] oO 0,04 0 ‚05 Mol NB4’ > Fig. 1. 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1 100 90 s0 60 50 40 ' Oxydationsgeschwindigkeit > 30 20 10 NT 8 9, 10. 4 b) 261 Millimol NH,’ > Fig.2. Anfangsteil der Kurve Fig. 1 mit verändertem Massstab. 246 Otto Meyerhot: Fall bei 0,1 °/o (NH,),SO,, und es empfiehlt sich daher trotz der etwas verringerten Atmung bei der Bakterienzüchtung diesen Zu- satz zu wählen, da sonst in bakterienreichen Kulturen der Ammon- vorrat zu schnell verzehrt wird. Der Einfluss der NH,-Konzentration auf das Wachstum wird so gemessen, dass die Atmung einer Serie von steigendem NH,-Gehalt in zwei etwa 15 Stunden auseinandergelegenen Zeitabschnitten be- stimmt wird; auf diese Weise werden für jede Konzentration Wachstumsquotienten berechnet und diese miteinander verglichen. Ein derartiger ziemlich vollständiger Versuch ist der folgende, der auch für die meisten Punkte der Figuren 1 und 2 zur Kon- struktion gedient hat: ° Tabelle Il. Je 1 cem Bakterienkultur + 0,5 ccm Zusatz von Ammonium- gemischen 1%ı, so dass die angegebenen Gesamtkonzentrationen NH, ‚entstehen. Ursprünglicher NH,-Gehalt der Bakterienkultur zu Beginn des Versuchs — (nach Nessler geschätzt). n 20.000 Der in der ersten Zeile angegebene „mögliche Verbrauch“ besagt, dass bei restloser Veratmung der zugefügten NH,-Menge soviel ccm O, verbraucht werden würden. Kubikmilli- 1. | 2% | 52 | 4. d. 6. T. [ | 9, meter OÖ; n en ne en n n n n n in Zeit |0,00005 | 0,0005 , 0,001 0,002 | 0,005 | 0,01 | 0,02 [0,033 | 0,066 Möglicher | N en \ 3 en =» | 108 | 255 | 505 | 1010 16001320017 1n 30° a | as | | sa 4 3 |. s0| 3 90’ 3) | @6) | (48 (86) | 1107 | 000 27 14 3 — Verhältuis | — 36 61 32 100 7 6 55 15h später — NHsfrei| NHsfrei NHzfrei| NHsfrei! NH3+ | NH;+ |NH,+ | NHgr 15 30° 2 a Es SS = 55 9| | 0 ee 125 | 148 | 08710 quotient SR BETT a NE (0,006 n | (0,017n | | NH;) | NB;) | Zur Messung des Wachstums konnten nur die Versuchsnummern 6 bis 9 dienen, weil die anderen in der Zwischenzeit vollständig NH;-frei geworden waren. Für die zweite Messung wurde die ver- atmete NH,-Menge ersetzt. Da aber auch in diesen Gläschen die NH,-Konzentration in der Zwischenzeit stark abgefallen ist, so ent- spricht der Wachstumsquotient von 6 einer durchschnittlichen NH;- Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 247 Konzentration von 0,006 n, von 7 einer solchen von 0,017 n. Die ab- solute Grösse der Quotienten ist übrigens noch von den Konzentrationen 0, (die nicht ganz maximal war), NO’,, OH’ abhängig. Das Ver- hältnis der Quotienten zueinander bleibt aber dadurch im wesentlichen unverändert !). Benutzt man ein anderes Ammoniumgemisch, beispielsweise NH,Cl , 5 ee ; NA,CH Iı (pa. nach Michaelis bei 13°C.— 92), so sinkt die Atmung bei hoher NH,-Konzentration viel steiler: Beispiel: Die Atmung in 5 Stunden beträgt bei 0,014 n NH, (Gemisch 161). . 165 cmm 0, 0,064 n NH, (Gemisch !#Iı). . 96 cmm 0, 0,064 n NH, (Gemisch 31) . . 0 cmm 0, Diese komplette Hemmung ist jedenfalls nicht ausschliesslich OH’-Wirkung, weil bei niederer NH,-Salzkonzentration durch die so _ hervorgerufene Reaktion von pr — 9,3 die Atmung zwar stark herab- setzt, aber nicht ganz aufgehoben wird. Vielmehr ist die erhöhte Konzentration freien Ammoniaks dafür mit verantwortlich. In ähnlicher Weise wurde übrigens versucht, bei ganz niedrigem NH,- Gehalt die Cxz, bei gleichbleibender Gesamtkonzentration [|NH,] zu variieren durch Verschiebung der Reaktion. Dabei ergaben sich keine deutlichen Unterschiede. Doch möchte ich aus diesem ziemlich viel- deutigen negativen Resultat keine bestimmten Schlüsse ziehen. Drittes Kapitel. Einfluss von Nitrit- und Nitratkonzentration auf Atmung und Wachstum. Indem . bei der Atmung aus dem zugegebenen Ammoniumsulfat salpetrige Säure entsteht, wird dank dem Überschuss an ungelöstem MsCO, wesentlich Me(NO,), gebildet, ausserdem eine dem ver- schwindenden (NH,),SO, äquivalente Menge MeSO,. Es steigt also während der Züchtung der osmotische Druck, ferner die Konzentra- tionen NO’,, SO”,, Mg“ neben undissoziiertem Molekül. Alle diese 1) Einige Zuchtversuche mit verschiedenen NH,-Salzkonzentrationen, ebenso mit Nitrit- und Nitratzusätzen sind schon von Boullanger und Massol an- gestellt (Ann. Pasteur t. 17 p. 492. 1903, et t. 18 p. 181. 1904). Ihre im all- gemeinen mit meinen Ergebnissen übereinstimmenden, im einzelnen vielfach ab- weichenden Resultate haben mehr orientierenden Charakter, so dass ich nicht näher auf sie eingehe. “100 Oxydationsgeschwindigkeit > 248 : Otto Meyerhof: Änderungen sind von Bedeutung, am wesentlichsten aber der Gehalt an NO’, und Meg“. Im grossen eanzen ähnelt die „Wachstumskurve“ sehr der des Nitratbildners Fig. 7 (Pflüger’s Archiv Bd. 164 S. 401) und gibt mit veränderten Bezeichnungen und Masszahlen auch den Lebenslauf einer Flüssigkeitskultur des Nitritbildners ungefähr wieder. Aber die Ursachen für diesen Verlauf sind doch nicht ganz dieselben. Um zunächst den Einfluss der NO,-Konzentration zu unter- suehen, wurden zu einer jungen möglichst nitritarmen Kultur steigende Mengen NaNO, hinzugegeben und die Atmung verglichen. 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0,02 0,04 0,06 0,08 0.1: 0,12 0,14 0,16 0,18 02 0,2 024 026 0,28 0 n NaNO, > Fig. 3. I Atmungskurve, LI Wachstumskurve. Das Ergebnis dreier gut übereinstimmender Versuche ist auf Fig. 3 Kurve 1 wiedergegeben. Die Zeichen +, <<, 0 entsprechen ver-: schiedenen Versuchen. Bei Zugabe von Mg(N O3)s an Stelle von NaNO, ist der Kurvenverlauf sehr ähnlich. Geringe Unterschiede, die übrigens auch gelegentlich zwischen zwei Versuchen mit gleichem Kation vor- kommen, erklären sich durch den Ionenantagonismus Mg :Na mit Rücksicht auf die jeweils in der Kultur schon vorhandenen Mengen dieser Ionen; davon wird erst im Kapitel 6 ausführlich gesprochen. Die Wachstumsbeeinflussung durch NO, ist ganz ähnlich. der. Atmungsbeeinflussung: schon von der geringsten Konzentration an sinkt der „Wachstumsquotient*, etwa der Atmung entsprechend. Auf Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 249 Kurve II der Fig. 3 sind die der Kurve I korrespondierenden Wachs- tumsquotienten abgebildet (die Zeichen + 0 entsprechen denen der Kurve I). Für die Konstruktion der Kurve sind die „Wachstums- quotienten“ für den Zwischenraum von 15 Stunden berechnet und durch 2 dividiert in das Koordinatensystem eingetragen: der Or- dinate 50 entspricht also der Wachstumsquotient 1,0. Die für die Kurven I und II verwandten Versuche sind in der folgenden Tabelle II wiedergegeben. Tabelle I. A. Je 1 cem Bakterien + 0,5 ccm Zusätze. Ursprünglicher Gehalt an NO, — umgerechnet auf die Verdünnung — 0,013 n (durcr Titration bestimmt). Die Gesamtkonzentration NO, beträgt Kubikmillimeter O, = = S | 4 in Zeit 0,013 n 0%4n | 006n O,lln ZUR N) VE ee 62° 58 48 40 15h später 84 62 48 3l Weachstumsquotient.. | 1,39 1,07 1,00 0,77 B. Je 1 cem Bakterienkultur + 0,6 cem Zusätze. NO,-Gehalt nach der Verdünnung titriert = 0,016 n. Die Gesamtkonzentration NO,’ beträgt In 2, 3, | 4 Kubikmillimeter O, in Zeit 0,016 n 004n | 0,065 n 0,165 n 3 Er | 120 108 sl 49 Wachstumsquotient für 15 h ber. I} 8 3 — = C. Je 1,0 ccm Bakterienkultur + 0,6 ccm Zusätze. NO,-Gehalt nach Verdünnung titriert = 0,035 n. Gesamtkonzentration NO, eslimeter O, I. z | 3.» z 2 A 0,035 n 01350 | 09 | On 3: Ne | 922 130 | 83 | N) Um zu entscheiden, ob die Atmunes- und Wachstumsbeeinflussung durch NO’,, nicht durch das Kation und nicht durch den osmotischen Pflüger ’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. IE 17 Pe 350 Otto Meyerhof: Druck hervorgerufen wird, müssen die Erfahrungen mit andern Salzen ° herangezogen werden, die erst in Kap. 8 behandelt werden. Es er- gibt sich dann, dass die Nitrite deutlich stärker hemmen als die eigentlich indifferenten anorganischen Salze, so dass die Hemmung zum Teil für NO’, spezifisch ist. Zum Vergleich sei hier nur der Einfluss von NaNO, auf Atmung und Wachstum herangezogen, der ja wegen der Symbiose von Nitrit- und Nitratbildner von besonderer biologischer Bedeutung für. die Mikroben ist. Im selben Versuch wurde die Atmung dureh Zugabe von 0,1 NaNO, zur Bakterienkultur um 36°, durch Zugabe von O1 n NaNO, um 10° gehemmt. Der Wachstumsquotient betrug für 15 Stunden in der unveränderten Kulturlösung 1,35, bei 0,1 NaNO;- Zugabe 0,77, bei 0,1 n NaNO, 1,10. Noch viel günstiger sind aber Gemische von NaNO, und Me(NO,),: während 0,3 n Me(NO,), und ebenso 0,3 n NaNO, fast komplett hemmen, beträgt die Hemmung dureh 0,2 n NaNO,; +0,1n Me(NO,), im günstigsten Falle nur 30 dio. Diese Verhältnisse werden später ausführlich erörtert. Wenngleich der freiwillige Wachstumsstillstand in alten Kulturen bei etwa 0,25 n NO’, wesentlich durch das Nitrit bedingt ist, so kommt doch ein Teil der Schädigung auch auf den Überschuss an Me*-Ion und liesse sich durch Zugabe von NaHCO, zu alten Kulturen etwas herabdrücken. Viertes Kapitel. Oxydationsgeschwindigkeit und Sauerstoffdruck. Auch beim Nitritbildner wird die Oxydations- geschwindigkeit mit sinkender Sauerstoffkonzentra- tioz herabgesetzt, und zwar reversibel. Jedoch weicht die Atmungskurve bei abnehmendem Sauerstoffdruck von der des Nitratbildners ab: bei Y» Atmosphäre Luft- druck ist die Atmung noch unverändert und beginnt erst bei !/ Atmosphäre ähnlich wie bei jenem 'ab- zunehmen: Diese deutliche Differenz der. beiden so nahe ver- wandten Stoffwechselvoreänge, der NH,;- und NO',-Oxydation gegen- über Veränderungen der Sauerstoffkonzentration scheint mir von erheblichem Interesse zu sein, weil sie beweist, dass schon in diesen Fällen nicht dasselbe Gesetz die Abhängiekeit der Oxydations- geschwindigkeit vom Sauerstoffdruck beherrscht, und dass ähnliches ‘daher wohl in noch höherem Masse für sehr verschiedene Oxydations- . Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 251 voreänge und Zellarten gelten dürfte. Es erscheint mir daher auch fraglich, ob man die von Warburg gefundene Unabhängiekeit der Oxydationsgeschwindiekeit vom Sauerstofflruck bei Gänseerythro- cyten, Seeigeleiern und einigen Bakterienarten !) auf alle von or- Sanischem Material lebende Zellen veralleemeinern darf. Die Versuche sind in Tabelle III und auf der Kurve Fig. 4 zusammengefasst. Tabelle II. Prozentuale Herabsetzung der Atmungsgrösse gegen Luft. Versuchs- Atmosphäre Versuchs- Hemmung nummer Luitdruck dauer in Proz. 1 1/g 7h 00’ | 0 2 Ile ‚5h 40’ 2 ee 6h 307 8 4 !/s 5h 40’ 31,5 b) 1/5 4h 20’ 32.5 6 no | 6h 40’ 64 7 Sao | 7h 00’ 6& a EA TBrNG 84 9 0, | 7h 00’ 38 10 0, 6h 40’ DU 11 0, | 4h 20’ 22 Die Hemmungen sind reversibel. Natürlich kann bei dem ver- hältnismässig starken Wachstum junger Kulturen die Atmung der in Luft gebliebenen Kontrolle nachher beträchtlich grösser sein, als die einer weitgehend evakuiert gewesenen Kultur, da ja bei letzterer auch das Wachstum gehemmt wurde. Doch hat auch dann jedenfalls die Atmung gegen den Vorversuch nicht abgenomniıen. Im Gegensatz hierzu stehen die Atmungsversuche in reinem Sauerstoff. Genau wie beim Nitratbildner ist die Atmung in den ersten 2—3 Stunden hier gleich der in Luft, sinkt aber dann, während diese ansteigt, all- . mählich herab, so dass man entsprechend der Versuchsdauer jede beliebige Hemmung erhält. Und diese Atmungsherabsetzung ist irreversibel. Der reine Sauerstoff hemmt also das Wachs- tum vollständig oder führt zu einer dem ähnlichen Schädigung der Bakterien. 1) Vgl. Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. Bd. 14 S. 263. 1914. Li Oxydationsgeschwindigkeit >- 252 Otto Meyerhof: . 100 — ne zu | 90 pP | Ba 80 70 60 nen Be ERSTER a 0,1 0,2 0,3 0,4 0.5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 Atm. Luft Fig. 4. Im folgenden sind verschiedene Beispiele für das Gesagte an- geführt. a Reversibilität. A. 1,0 cem Bakterien + 0,6 ccm Wasser verbrauchen: li. In 3b des Vorversuches . . .. „2. 1087emm 0, | Zunahme 7h später in 3h 2. Die in Luft gebliebene Kontrolle . . . 193 emm O0, | + 79% 3. Die auf Y/ıo Atmosphäre evakuierte Kultur 113 cmm 0, | + 5% 4. Die in reinem Sauerstoff gehaltene. . . 105 cmm 0, | — 3% Während des siebenstündigen Atmungsversuchs war die Kultur in Y/ıo Atmosphäre Luft um 64°/o, die in reinem Sauerstoff um 27 °/o sehemmt. Trotzdem ist die Atmung der ersteren nachher grösser. Ban Si cem Bakterien + 0,5 Wasser verbrauchen in 2h 30: 1: Im Vorversuch . 22.0.2... 7.020720. 103200m205 2 P2 una 4h 20)’ später in 2h 30’ lan 2. Die in Luft gebliebene Kontrolle . .. .. 118 .cmm. 0,.| +15% Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. Ill. 253 3. Auf ca. 1/6 Atmosphäre evakuierte Kultur 121 cmm 0, | +18%o!) 4. In reinem Sauerstoff gehaltene Kultur . 71 cmm 0, | — 39/0 Während des Atmungsversuchs in 4h 20’ betrug die Hemmung von 3:42°o, von 4:22 %o. Tabelle IV. Atmung in reinem Sauerstoff. (Sauerstoffmessungen.) 1,6 cem Bakterien verbrauchen Kubikmillimeter O5 Det: N in | pro 1 Stunde Luft Sauerstoff in Luft |in Sauerstoff A { 3h 00’ 110 102 37 En 5h 40' 291 183 42 | 30 EN Se aa : 4h 40’ 172 150 39 3 Die Versuche wurden genau so angestellt wie die entsprechenden mit dem Nitratbildner. In den auf Tab III angeführten wurden vor und nach der Evakuation der Nitritgehalt titriert und die Nitritzu- nahmen miteinander verglichen. Nur durften hier nicht mehr als etwa 3 ccm Bakterienflüssigkeit in die Atmungsflaschen gefüllt werden, weil sonst bei stark verringertem Luftdruck die gleichmässige Sättigung der Flüssigkeit nicht völlig erreicht wurde und auch das vorhandene Sauerstoffgquantum der Atmosphäre erheblich abnehmen konnte. Die Atmungsmessungen in reinem Sauerstoff wurden in dem auf Fig. 10 ‚Pflüger’s Arch. Bd. 164 S. 410 abgebildeten Gläschen vorgenommen. Versuche der Tabelle III. Atmo- |Bakterien- Nitritgehalt in ca. ——- Nath. | Ver- sphäre | menge | DD | raner | suchs- Luft ccm vorher nachher | Zunahme Dune 1 | 5 84,5 44,75 | 10,25 | 5h 40’ — 175 5 34,5 ae a 54 40’ 4 1/a | d 34,5 44,55 10,05 | 5h 40’ 2 1 1,9 30,75 41,9 11,15 76 00’ — (07 7,9 80,70 37,65 6,9 75h 00’ 9 1a 705) 30,75 41,9 11,15 75h 00’ 1 1/10 1,9 30,75 34,65 3,9 7 00’ 7 1) Dass die in !/s Atmosphäre gehaltene Kultur gar keine Abnahme des Sauerstoffverbrauchs, sondern sogar eine geringe in den Fehlergrenzen gelegene Steigerurg gegenüber der Kontrolle aufweist, liegt daran, dass in diesem Versuch das verbrauchte NH, nicht ersetzt wurde, und die NH,-Konzentration der Kon- trolle. schon über das Optimum gesunken war. 254 Otto Meyerhof: Fortsetzung der Versuche der Tabelle III. Atmo- |Bakterien- Nitritgehalt in ca. —- Nath. \ Ver- sphäre | menge = 100 er in . suchs- Luft ccm vorher nachher Zunahme nummer il 5 28,4 38.95 10,55 6h 40’ = 0, 5 BE a ET 6h 40' 10 140 5 98,4 39,9 3,8 6h 40’ o 1. 6ds 38,8 46,95 8,15 Ah 20’ ar 0, 5 38,8 45,2 6,4 4h 90’ 11 1/5 5 38,8 44,3 55 4h 20’ 5 1 | 5,5 27,5 a | m 6h 30’ | Senne 23 1jg 3,5 27,5 38,9 11,4 6h 30’ 3 1/20 | 5,5 25 | 29,55 | 208 6h 30’ | 8 _Fünftes Kapitel. Oxydationsgesehwindigkeit und H--Konzentration. Die Bestimmung der Atmungsgrösse bei verändertem OH’-Gehalt der Kulturflüssiekeit ist nicht ganz genau auszuführen. Solange noch Magnesiumkarbonat als Bodenkörper vorhanden ist, wird die Reaktion durch Zugabe von Salzsäure nicht sehr stark, nach Auflösung des- selben aber sprunghaft. verschoben. Im ersteren Fall wird die Lösung infolge der CO,-Entziehung durch die NaOH im Einsatz des. Atınungseläschenus allmählich wieder alkalischer. Umgekehrt wird durch Zugabe von NaOH zwar die Reaktion zunächst stufenweise alkalischer gemacht, diese Alkaleszenz schwächt sich aber durch die bei der Atmung entstehende salpetrige Säure und Umsatz mit Magenesiumkarbonat mit der Zeit wieder ab. Immerhin lässt sich in beiden Fällen eine annähernde Konstanz der Cr. erzielen und ein genügend deutliches Bild der Abhäneigkeit der Atmung davon ge- winnen, Eine Versuchsserie dieser Art ist auf Fig. 5 abgebildet. Das ganze. Atmungsbereich sowie das Atmungsoptimum sind sehr schmal. Dies erstreckt sich etwa von pr 84—88, fällt also mit den Atmungsoptimum der Nitratbakterien zusammen, ist aber viel kürzer. Bei einer Reaktion von pr —= 9.4 — 9,5 (Thymolphthalein: Spur blau) ist. die Atmung bereits erloschen; auf der anderen Seite sinkt die Atmung bei etwa pr —=1,5 auf 0 ab. Dieser Punkt lässt. sich. auch dadurch festlegen, dass man Bakterienflüssiekeiten, deren ‘'Karbonatgehalt entweder durch Ver- atmuug von selbst oder durch Zueabe von HCI fast erschöpft ist, Öxydationsgeschwindigkeit > Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 9255 10, — = | 1 | 160 et (D so | [ t 1 Q 70 | 16 | I ° oe el. 1 r : 50 — a | SEAN IE 40 | & a2 | \ au: U 4 je | | 4 | 20 RE ER De 10 | or I: | | | ol IE 8 7.4 7,6 7,8 8,0 8,2 8,4 8,6 8,8 9,0 92 9,4 9,6 Nee ir Fig. 5 in Atmungsgläschen abfüllt und darin die Atmung so lange verfolgt, his sie infolge der Neutralisation des Karbonats allmählich auf 0 absinkt. Die Reaktion in diesem Moment ist dann etwa H’ — 10" (Neutralrot ziegelrot). Für die Konstruktion der Figur dienten die folgenden beiden Versuchsserien: ’ I. Verschiebung nach der alkalischen Seite. Je 2 cem Bakterienkultur -+ Zusätze von NaOH: v 2, 4. 5 6. a a gig tlog 015208025 08 Kubikmillimeter O, in 24. | 98 | 9 61 56 19-0 ame... 100m....100.8, ya Sl sınin)28 0 Da, 55, 88| 980 | 92 | 93-94 95-96 256 Otto Meyerhof: II. Verschiebung nach der sauren Seite. Je 1,5 ccm Bakterienkultur + Zusätze von HCl: 1. 9, 3 a: 6. ER n An n .n 0125| 037, | 012 | 022 10452 ee en Be 4 en 100 za ns. ao 5 Pnzicka.. 0: lee. 89 8,4 8,25 8,1 | 8,0 7,6 Sechstes Kapitel. Kationenwirkungen: Alkalimetalle. Beim Nitratbildner erwies sich die Atmungsgrösse von Art und Konzeutration der meisten Alkalisalze ziemlich unabhängig; erst in 0,3 n-Lösungen traten geringfügige Hemmungen von etwa 10—20 /o auf, dabei wirkten die verschiedenen Alkalisalze und Magnesium ganz gleich. Den Alkalikationen kam danach beim Nitratbildner keinerlei erkennbare Wirkung zu. Ganz anders beim Nitritbildner. Hier finden sich die folgenden Eigentümlichkeiten: 1. Alle stark dissoziierten Alkalisalze wirken mindesteus so, dass die Atmung durch sie in 0,1 n-Lösung 5—10/o, in 0,2 n -30—50%, in 0,3 n 75—90°o, in 0,4 n komplett gehemmt wird. Dabei verhalten sich Cl’, NO’, SO”, sehr ähnlich. 2. Die Alkalikationen sind untereinander nicht gleichwertig. Vielmehr wirken nur.Na‘, K‘, Rb° und Me“ in der ‘angegebenen Stärke, untereinander ziemlich gleich, dagegen Li und Cs sehr viel stärker: Li zwei- bis dreimal, Cs etwa sechsmal so stark wie Na, alles bei identischer H*-Konzentration. Das Gesagte ist aus der folgenden Tabelle V (S. 257) zu ersehen. 3. Es besteht ein deutlicher Ionenantagonismus zwischen den einwertigen Kationen und Magnesium: Während NaCl, KCl, MgCl, 0,5 n jedes für sich 70—95 °/o hemmen, hemmen Gemische aus MgC], einerseits, NaCl oder KCl andererseits von der Gesamtkonzentration 0,3 n Cl’ viel geringer, durchschnittlich 40—50°/o; dagegen hemmen Gemische von NaCl und KCl ebenso stark oder jedenfalls fast ebenso stark als äquivalente Konzentrationen jedes einzelnen Komponenten. Ein direktes Herabdrücken der Hem- mung von Na’ oder K’ durch Mg-Salz, zum Beispiel von 0,2 n Na 1) MgC0;-Niederschlag geht ganz in Lösung. Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 257 durch 0,05 oder 0,1 n MgC], findet nur andeutungsweise statt; wohl aber gelingt es, durch eine höhere Anionkonzentration einer geeigneten Kombination von Na’ und Mo“ kleinere Hemmungen zu erzielen als bei niedrigerer mit den einzelnen Kationen. So hemmen zum Beispiel in einem Versuch 0,5 n NaNO, und 0,3 n Mg(NO,), jedes für sich fast 100 %/o; dagegen 0,2 n Mg(NO,), + 0,2 n NaNO, uur 70 lo. Für längere Zeiten scheint die Kombination K+ Na + Mg noch günstiger zu wirken. Tabelle V. Durchschnittshemmungen der Alkalisalze in Prozenten. Stoff | onen 02m 03 n VS N | 6 | 45 88 100 OL SS 12 | 54 86 100 Me... | 18 | 40 35 100 INAESO AR un ne, 23 | 55 = ! = ae 29 48 — u ESO. 2 8 | 10 30 60 INAINOS a 18 | 41 98 | or MeNOL 15 | Sa 98 | er Stoff | 0,025 n 0,05 n On 0,2 n Io a 32 75 100 SHSON a ar 20 44 96 N: | 43 | 76 = = 4. Eine ausgesprochene Herabsetzung der Hemmung durch MgC], ist bei Li- und Cs zu erzielen, offenbar weil ' entspreshend der geringeren zur Hemmung erforderlichen Kon- zentration weniger Mg zur „Entgiftung“ hinreicht. Als Beispiele für 3 und 4 mögen die folgenden Versuche, Tab. VI, dienen. (Bezüglich Einzelheiten und der Abweichungen der Versuche ° -voneinander vgl. den folgenden Text.) Tabelle Vl. Das Verhältnis der Kationen in der Kombination ist in der eckigen Klammer angegeben. | 7.0 | Zeit Hemmung cmm %o kontmolle 0, a3) alle ae nn) \ VDENBNAGCHAIER an... 87 44 00' 41 Va RO RE ee N 66 4h 00’ | 69) a0 O0 Ne 67 A | 5 02.0 Cl |[Na=R: Me = 3:21]. 108 ° | 4h 00’ | 27 358 Otto Meyerhof: Tabelle VI (Fortsetzung). a Ö, . Hemmung cmm ei %/o 2 Kontrollemen vs ©... ne 152 3h 30’ = VOmENa6lEr3: DEINER ER 98 3b 30’ 36 Dam NAD EEE 31 3h 30' s0 0,2 n Cl’ [Na:K: 2.>1],- 100 3h 30' 34 0,3 n Ci [Na:K:Mg-=3:2:1]. 80 3h 30’ 47 Kontrolle a sa 144 3h 30' — 03 Na 25 3h 50' 833 Daun Mob 35 3h 30’ 76 0,3:.n, QUIINa Re Me — 1.1 >27. 105 3h 30' 26 03 n Cl! [K:Me=2:1l...... 107 3h 30’ 97 4. Keptrpllei, 2. re in ne 123 2h 40' — 01m NAD ee 107 2h 40' 12 DON a 56 2h 40' 54 Darm Napa en er 4 2h 40’ 36 On Meer 5 24 40' 96 0,8320 CHINA Mo Sl en 40 2h 40’ 67 O3 ICAIBas Me Or re 40 25h 40' 67 3 EIN ar Mo el] re Ei 2h 40’ 7 Den BI= Na ME 2 42 2h40' 66 0,15 n NaCi + 0,15 n NaS0O,. . . 2 2h 40' 98 0,15 n NaCl + 0,15 n MS0, . . 52 2h 40’ 55 Titrationsversuche. n - H 100 Nath. | Zeit a 54, Kontrolle: Selen ae 10,85 | 7h 15’ a ee Mes 31, |, um Sr i 03n0l [Na:Me 2:1]... .. Da men 50 Gr Kontrolle, WI a Ber enesr = 3m MO Ola en ee 15999. 2.6.0508 7 Din KON RIEF EINER 1,8 64 30’ s0 0,3,.02. GL KE: Me ee 43 0 6h 30’ 51 (0) - Hemmung io Zeit 0/0 7° =Kontrollers,.. su. Ve er 119 3h 30’ — VENEN ANSEHEN one 109 3h 30’ b) OR NANO,. .. e AL 85 | onenon 30 On MEN Os O1 2 Sn 15 0.22n2MoNOsBE 2-5 ve 54 3b 50’ 55 0,320 MeNOSER 2... u 3h 30’ 98 Paaren. 104 3n 50° 12 08n[Na:M—=2:1l...... 85 3h 50’ 30 0200 Na: Mo Hl Sn zee 35 3h 30’ 70 Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 259 Tabelle VI (Fortsetzung). Wachs- Wachs- (07 Zejt Hemmung| tums- tums- quotient |hemmung cmm 0/0 (t. 15 Stdn.) %/o Ssukonteolle Hs... 90 18h 20°| — 35 — 0,3 n-NO', [Na:K=2:1] . 0 3520’ 100 | u 0,3 n NO', [Na:Mg—= 2:1]. | 30 | 3%h 20’ 6 0,43 68 0,8nNO,[Na:K:Mg—=1:1:1] | 35 | 8:20 6 | 101 8 Entgiftung von LiCl durch MgsQ],;: [07 3 | Hemmung cmm Zeit % OaRontrollenarı m u, 105 | 2h 30’ — u m I er 27 | 2h 30’ 74 0,1 n LiCl + 0,05 n MeCl,. . . . 58 2h 30’ 45 ID, Koma she 100 4h 00' — GNomnEBiel men... 712 4h 00°’ | 38 0,05 n LiC1 + 0,05 n KÜl .... 72 | 4h 00' 38 0,05 n LiCl + 0,05 n MgCl, . . . 8 | 4h 00' 15 Titrationsversuch: n f : Hemmung HaKentrolle.;2.ostal: RE RT 13,5 7280’ = OSenWEIOls 2 4 2 are lern. ada, 23 7h 30’ | 83 0,1 n LiCl + 0,05 n MgeCl,. . . . 3,9 7h 30’ | 71 Entgiftung von Cs,(SO,) durch MsQ],. Titrationsversuch : n : Hemmung. 10 Nath | Zeit Ay OREKiontrolle an. ae Heu. HS, 13,5 7h 30’ — 0,05 n C3H(S0,)) » -» » . .» EEN 2 7h 30" 76 ‘0,05 n Cs;(S0,) + 0,05 n Mell,. . 4,15 7h 30’ 67 5. Dass für die Hemmung wesentlich der dissoziierte Teil des Salzes massgebend ist, lässt sich aus dem Unterschied des Verhaltens der Sulfate und Chloride erkennen. (Vgl. dazu Tab. V.) Während Na,S0, und K,SO, mindestens ebenso stark hemmen wie NaCl und m KCl, also keinesfalls uneiftiger ist als C/’, wirkt LisSO, schon schwächer als LiCl; erheblich grösser ist. aber noch der Unterschied 260 Otto Meyerhof: von MgSO, und MgCl,: ersteres hemmt nur halb so stark. Es be- rechnet sich aus den molekularen Leitfähigkeiten für den Dissoziations- { 1. srad «@ nach der Gleichung « re für v—=5 Liter, d.h. in 0,2 n- A& Lösungen *) für KCl 0,83, NaCl 0,80, LiCl 0,79, _—_ 0,71, dagegen für . 0,67, . 0,65, nr 0,62, —. 0,39. Die Sulfate von Na und K sind etwa 18°%o schwächer dis- soziiert als die Chloride, Li,SO, etwa 22°, MgSO, aber 45°o. Diese Unterschiede werden in höherer Konzentration als 0,2 n natür- lich noch grösser. Um aus den Ergebnissen der Atmungsmessungen die vorgenannten Schlüsse zu ziehen, mussten folgende Momente berücksichtigt werden: Schon aus methodischen Gründen ist der einzelne Versuch nicht als ganz genau zu betrachten, so dass deshalb die meisten Versuche mehr- fach angestellt und das Mittel daraus gezogen ist. Wichtiger aber ist noch, dass die (unverdünnte) Bakterienkultur schon von vornherein etwa 0,03 n einwertiges Ion, und je nach der gebildeten Menge HNO,, wechselnde Mengen Mg-Ion enthält; infolgedessen besteht zunächst in der Kulturflüssigkeit ein gewisses Ionengleichgewicht (meist mit Überschuss von Mg), und die Lösungen sind für den-Zusatz kleiner Konzentrationen Alkalikation genügend äquilibriertt. Ja, das ist zweifellos die Ursache der von Winogradsky beobach- teten günstigen Wirkung von NaC] für das Wachstum. Man findet deshalb bei geringfügigen Salzzusätzen bis zu etwa 0,2 n keine deutliche und vor allem nicht immer gleichsinnige antagonistische Wirkung, bei 0,2 n meist nur schwache und erst bei 0,3 n ausgeprägte. (Da sich meist Mg-Ion in der Kultur im Überschuss findet, so hemmt ‘Zusatz von wenig Mg meist stärker als gleichviel Na oder K.) Die antagonistische Wirkung bleibt übrigens, wie Versuch 4 beweist, in weiten Grenzen gleich: von e_ — ?/1—!/5 ergab sich kein Unterschied. Daneben ist für die Versuche noch die Veränderung der OH’-Konzen- tration durch die Salzzusätze von Bedeutung. Diese ist dann erheblich, wenn, wie es in den Atmungsversuchen geschieht, die Kohlensäure durch Schütteln mit NaOH. ausgezogen wird. In diesem Falle wird einerseits durch MgCl,-Zusatz die Reaktion unwesentlich und kaum über das Atmungsoptimum heraus nach der sauren Seite zu verschoben, bei 0,3 n MsC]l, etwa von px: 8,6 bis 8,3; dagegen durch die Alkali- kationen nicht unbeträchtlich nach der alkalischen Seite bis etwa Pr 9.0, also jenseits des Optimums. Diese Reaktionsverschiebung ist ausser von der Konzentration des Salzes noch von der Basizität des Metallions abhängig; die Verschiebung nimmt also in der Reihe Li 100 SELL 0,0520 ar 30 VER; 50: Dan Er ae 3 DD, = 58 OB ee 70 VOan EB 100 Gatten. 2 97 \ D-@ OAan Tee ee 671) RATE EN AS 88 0.2 0. 100 De 30 02m Dee a 831) b) Schwermetallsalze. Auch die Schwermetalle zeigen gegenüber dem Nitritbildner eine erhöhte Giftigkeit. Die Atmung 1) Titrationsmessungen. Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. IH. 263 des Nitratbildners wurde durch gelöstes Metallsalz überhaupt nicht sehemnit, ausser durch Ag und He, nur der Metallsalzniederschlag setzte die Atmung zunehmend ‚herab. Der Nitritbildner wird da- geren durch sehr viel kleinere Konzentrationen beeinflusst und sehr verschieden stark durch die einzelnen Metalle. Bei Beurteilung der Hemmungen muss natürlich die Schwerlöslichkeit der Hydroxyde und Karbonate berücksichtigt werden. Hierdurch erklärt es sich, da in diesem Fall. der Niederschlag selbst nicht sehr stark zu hemmen scheint, dass über einen gewissen Zusatz von Metallsalz hinaus die Hemmung meist nur noch wenig ansteigt. Nur das Konzentrations- gebiet, in dem die Hemmung stark mit der Konzentration variiert, kann als für gelöstes Salz massgebend betrachtet werden. Diese Löslichkeit hängt aber sehr stark von der H*°-Konzentration und der Anwesenheit anderer Salze ab. Die folgende Tabelle VIII gibt Auskunft über die Resuitate. Am gseringfügigsten hemmt Pb, Fe und Al, die beiden letzten kaum noch als gelöstes Salz, während umgekehrt bei Pb vielleicht eine besonders kleine Giftigkeit des Niederschlags die Schuld trägt, dass die Hemmung nicht über 20° hinausgeht. Dann folgen Zn, Mr, Co, die bei 0,002 n um 50% hemmen und bei 0,0002 n wirkuneslos sind. Weiter folet Cu, um 50% hemmend bei ‚0,0005 n, wirkungslos bei 0,00005 n, und dann erst Ni, das noch bei 0,00007 n S0% hemmt. In nicht. weitem Abstand hiervon foleen Hz und Ag, eher schwächer als beim Nitratbildner hemmend, aber ebenfalls progressiv in der Zeit). Als Gesamtresultat ergibt sich, dass der Nitritbildner eine aus- geprägte Empfindlichkeit gegenüber Kationen besitzt. Tabelle VII. Metallsalzhemmungen. Die mol. Konzentration bezieht sich nur auf das Metallion. Mol. Hemmung Stoff Konzentration 0/o 0,001 0 0,001 0 BEN RE(SO,):] 2. „2... wen 0.005 09 0,01 71 1) Der von Winogradsky (Lafar’s Handb. Bd. 3 S. 168) aus nur quali- tativen Zuchtversuchen von Boullanger und Massol (Ann. Pasteur t. 18 p. 181. 1904) gezogene Schluss der geringen Empfindlichkeit der Nitritbakterien gegenüber Metallsalzen ist nach obigem nicht zutreffend. 2364 Otto Meyerhof: Tabelle VIII (Fortsetzung). Stoff Mol. | Hemmung Konzentration %o BEIEWERO ET. { ns ; n ARNO ee { oe n 0,000 5 Res PITPbACEKON. 0,002 9 0,01 24 0,000 2 | 5 Zu. [ZuSOl a ee ae a _ R | 0,01 | 74 | 0,00025 | 0 Male melpi / m ö | je 0,01 | 74 ORTE ee { a 2 | & ( 0,000 05 | 0 0,000 25 47 \ A 0,000 25 | 31 0,000 5 63 0,000 5 73 CHlCusor a Bi 2 | r ” 0.0005 47 0,0025 | 76 \ e 0,002 5 68 0,005 so 0,01 80 0,000 02 | 24 NIINIOK A er 0,000 066 79 0,000 2 100 0,000 001 () BEnApEsokjB en ee 0,000 002 5 20 0,000 01 SL (progr.) Neal u wur A { ULUDED = | En 0,000 0025 50 (progr.) Bemerkung: Vor Zugabe zur Bakterienkultur wurden die in höherer Konzentration als 0,002 n verwandten Metallsalze durch NaOH - neutralisiert und der aufgeschüttelte Niederschlag benutzt; bei geringeren Konzentrationen konnte das unterbleiben, ohne dass eine störende Reaktionsverschiebung in der Versuchslösung auftrat. Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 265 Es ist von Interesse, zu wissen, ob Fe-Salz hier eine ähnliche Beschleunigung bei der Oxydation von NH, bewirken kann wie bei der Oxydation von Nitrit. Das ist nicht der Fall. Sestini') will allerdings Bildung von Spuren von Nitrit aus NH, durch kolloidales Fe(OH), beobachtet haben. Jedenfalls handelt es sich dabei um ‚so geringfügige Mengen, dass sie ganz ausserhalb der hier in Betracht kommenden .Grössenordnung liegen. Selbst bei tagelangem Schütteln von recht konzentrierten NH,-Lösungen mit kolloidalem Fe(OH), kann man weder eine über die methodische Fehlergrenze hinausgehende Sauerstoffzehrung, noch Bildung titrierbarer Mengen Nitrit feststellen, ebensowenig mit gelöstem Fe!! oder Fel-Salz. Dass die Nitrit- bakterien in ähnlicher Weise Eisen speichern wie die Nitratbakterien, liess sich durch Versuche wahrscheinlich machen, aber wegen des Gehalts, des Mg(CO,) an Eisen nicht mit Sicherheit feststellen. Durch Schönbein ist entdeckt, dass in NH, gelöstes Cu (in. dem bekannten Kupferammoniakat) das Ammoniak in Gegenwart von Sauerstoff teilweise zu HNO, und HNO, oxydiert. Das geschieht, wie durch Untersuchungen von M. Traube?) näher festgestellt wurde, je nach den sonst anwesenden Ionen in wechselndem -Um- fang und mit sehr verschiedener Geschwindigkeit und lässt sich auch bei entsprechend hoher Konzentration von NH, und Cu mit den hier benutzten. Methoden der Sauerstoffmessung und Nitrit- bestimmung gut feststellen. Aber trotz der verschiedenen Formu- lierung, die dieseın Vorgang von den Autoren gegeben wird®), handelt sich dabei offenbar nicht um einen vom Kupfer rein katalytisch beeinflussten Prozess, sondern das Cu ist in stöchiometrischem Ver- hältnis an der Reaktion beteiligt. Ein derartiger Vorgang ist aber natürlich in den Bakterien ausgeschlossen. Und dasselbe. eilt für die Oxydation von NH, durch KMnO, oder Alkalipersulfat. Ein Modell, in dem NH, oder Ammonsalz bei Zimmertemperatur in wässeriger Lösung zu Nitrit oxydiert wird in Gegenwart eines in verschwindender Menge vorhandenen Katalysators (und ohne elektrische Stromzufuhr), ist, ‚soviel ich sehe, nieht bekannt. 1) Landwirtschaftl. VSSRSAUDGT Bd. 60 S 103. 1904. 2) Gesammelte Abhandlungen 1881 S. 393. Berlin 1899. 3) Vgl. dazu auch Donath-Indra, Oxydation des Ammoniak. Sammls' chem.-techn. Vortr, Bd. 19 S. 98. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 15 keiten und verhalten sich ähnlich wie beim. Nitratbildner; Otto Meyerhof: Achtes Kapitel. Anionenwirkungen. Die Anionenwirkungen zeigen keine auffälligen Eigentümlich- nur ist die Differenz zwischen stark- und schwachwirkenden Anionen hier- kleiner; das liegt offenbar daran, dass bei den schwächer wirkenden Salzen der Einfluss des Kations, der bei den Nitratbakterien keine Rolle spielt, in den Vordererund tritt. Die fettsauren Salze nehmen daher zum Beispiel gegenüber den anorganischen keine Sonderstellung mehr ein. In der folgenden Tabelle IX sind die Resultate zusammengestellt. Die Konzentration des Phosphats ist wegen der Bildung schwer lös- lichen Magnesiumphosphats ungenau. Auffällig ist, dass die Reaktion bei Zugabe von 0,05 n NaF saurer wird (p#-—8,0 ca.), durch 0,1 n NaF alkalischer; ersteres beruht wohl auf der Bildung von saurem Fluorid und der Ausfällung des MeR;. Tabelle IX. Hemmungen durch Anionen. | Mol. Hemmung | Mol. | Hemmung Stoff mai, | 0% ui Konzentr. -%0 a) Anorganische ÄAnionen. 0,1 | 6 Nam re { 0,08 30 Naolır 0 02 45 ao 65, na = KR I 0,05 4 N2550, { 0,1 3 | 0,1 57 2 Ye 0,2 5) 0,05 48 0,1 18 Na0NS. Wil 60 NaN0,.... 0,2 41 0,15 80 3} 98 NasHPO, . . { 0,05 50. | 0,1 43 102 78 NaNO, i a 0,2 66 0,025 50 0,3 100 Na,B,0- 0,05 75 0,1 a 0,1 100 NaBr Aa f 02 56 at b) Organische: Anionen. 70.05 12 Valeriansau- 0,05 1 E N { Be a‘ | 02 36 res Na. 0,2 59 Buttersaures { 120.1 23 B ' 0,025 02 Ne 02 50 ee l 0,05 = | en 0,1 100 Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. IH. 267 Neuntes Kapitel. Organische Substanzen, speziell Aminoverbindungen. Diejenigen lipoidunlöslichen organischen Nichtleiter, die keine Aminogruppen enthalten, zeigen beim Nitritbildner dasselbe merk würdig verschiedene Verhalten gegenüber Atmung und Wachstum, das wir bei den Nitratbakterien kennengelernt haben. Wie Winogradsky . festgestellt hat, ist der Nitritbildner in seinem Wachstum noch empfindlicher gegenüber Substanzen von sonst bekannter Indifferenz wie Glukose, Pepton, Asparagin usw. als die Nitratmikroben, und so bewirkt zum Beispiel Glukose schon in 0,001 m Lösung merkliche Hemmung, in 0,01 m Lösung Auf- hebung des Wachstums, Glyzerin in 0,025 m, Harnstoff in 0,04 m merkliche Hemmung, Asparagin in 0,004 m Hemmung, in 0,025 m Aufhebung des Wachstums. Dem- gegenüber wird die Atmung durch 0,2 m Glukose noch nieht erkennbar, durch 0,55 m 30%, durch 0,6 m, das sind 22 Gewichtsprozente, 40 %o gehemmt. Traubenzucker ist danach ziemlich der indifferenteste Stoff, der sich überhaupt der Atmung gegenüber finden lässt. Ganz ähnlich hemmt Gly- _zerin in 0,1 m 18%, 0,3 m 30/6, 0,6 m 40°% und Mannit in 0,12 m 10°o, 0,25 m 25%. Ganz anders verhalten sich aber die lipoidunlöslichen Aminosubstanzen. Schon die beiden von Winogradsky auf den Wachstumseinfluss geprüften Stoffe zeigen eine ebenso grosse Atmungs- wie Wachstumshemmung: Harnstoff hemmt die Atmung in 0,025 m 27°lo, 0,05 m 58%, 0,1 m 77°o. Asparagin hemmt in 0,005 m 34 Jo, 0,01 m 70°/o, 0,02 m 80 %o. Die Untersuchung weiterer Aminosubstanzen ereibt nun ein ganz eigentümliches Bild, das neben Stoffen von mässig starker Wirkung chemisch ganz ähnlich gebaute von enormer Giftigkeit zeist, und zwar solche, die nach allen Kenntnissen für die Atmung anderer Zellen recht harmlos sind, schlecht lipoidlöslich und auch für den Nitratbildner weitgehend indifferent. Entgegen diesen augenscheinlich spezifisch chemisch wirkenden Stoffen zeigen die lipoidlöslichen Monoamine wieder die in der vorigen Arbeit be- schriebene Regelmässigkeit physikalischer Natur, wie weiter unten erörtert wird, 1e= 268 Otto Meyerhof: a) Guanidingrupp e. Guanidin hemmt trotz seiner Aminogruppen die Atmung des Nitratbildners selbst in stärker alkalischer Lösung (pz = 9,3) relativ schwach, viel schwächer als etwa die aliphatischen Monoamine — in sng "Lösung ea. 20% — in gutem Einklang zu seiner geringen „Lipoidlöslichkeit“. Hier hemmt es dagegen die Atmung schon in um m 20000 50%, und zwar bei einer Cz = 10°, bei der auch alle folgenden Substanzen untersucht sind. Bei dieser Reaktion ist jedenfalls nur ein Teil der Base in Freiheit, deren Dissoziationskonstante — erst Vondenuntersuchten Derivatenhemmt nur Amino- gsuanidin bei ungefähr der gleichen Konzentration, während Nitroguanidin sehr viel ungiftiger ist, und selbst das sehr lipoidlösliche Triphenylguanidin hemmt erheblich schwächer. Einige andere verwandte Verbindungen sind in der folgenden Tabelle X auf geführt. Die Wirkungslosigkeit des Biuret ist bemerkenswert, da dieses ebenfalls wie Guanidin zwei Amino- und eine Iminogruppe besitzt. Bei den narkotisch wirkenden substituierten Harnstoffen steigt die Wirkung in der homologen Reihe, worüber das nächste Kapitel Auskunft eibt. Tabelle X. Hemmungen der Guanidingruppe. Mol. Hemmung Sub anz Fonmel Konzentration 0%/o 0.000005 17 NH3 Guanidin (Chlorid und a 1 B: n Nitrab). 2 Semester N NH; 0,000 1 79 0,000 15 98 NH-NH, 0,000 025 24 Aminoguanidin (Nitrat) . C=NH 0,0005 se NH 0,000 08 60 2 0,000 25 90 NH: 0,H 2 4 er 0,000 08 22 «-Triphenylguanidin .. C=N-CsH; - 0.000 17 39 | NNH- C,H, ’ Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 269 Tabelle X (Fortsetzung). Stoff Formel le el Heuimuus N %/o | NH.NO, | Nitroguanidin ..... C=NH 0,018 52 NNB, 0,02 32 Hs A Sl sa... 0,005 | 29 Kreatine 8 Sonn. C=NH 0,01 | 54 N | N(CH;). CH; - COOH on, con | BSR a eg NH-—CO 0000,10 eannin om | un © a s 0,005 N 28 Zn Ber (ee ss Klarnstoin. rn 2.0. C=0 0 LT 0,1 717 NH, 0,1 90 one Id 0,025 16 Höizmat. Bei! 0,05 | 26 Ü=() i 0,1 48 INH, Aus den hier -ersichtlichen Differenzen der Hemmung ergeben sich folgende Gesichtspunkte, die sich auch bei den nächsten Gruppen bewähren: Für starke Giftwirkung ist neben dem spezifisch chemischen Bau die Basennatur der Verbindung wesent- lich. Infolgedessen bleibt die Giftickeit beim Aminoguanidin erhalten, „das eine ähnlich starke Base wie Guanidin ist, während sie beim Nitroguanidin verschwindet, das neutral reagiert (Dissoziations- konstante = 2-10-1*) ebenso bei Harnstoff und Biuret. Kreatin und Kreatinin sind schon viel weniger basisch (Dissoziationskonstante . ea. 2.1011), Ausserdem schwächt aber weitgehende Sub- stitution die Wirkung ohne Rücksicht auf Lipoid- löslichkeit, wie ausser Triphenylguanidin auch Substanzen der folgenden Gruppen demonstrieren werden. Wenn man hierfür eine Erklärung sucht, muss man sich erinnern, dass der allein veraten- bare Nährstoff Ammoniak ist. Die Hypothese liegt nahe, dass 270 | Otto Meyerhof: Guanidin und ebenso die folgenden Substanzen kraft ihrer Basen- natur und ihrer Aminogruppen mit dem Atmungsferment eine feste chemische Verbindung nach Art der NH,-Enzymbindung eingehen und etwa im Sinne der Ehrlich’schen Atrepsie wirksam sind. b) Diamine. Ähnlich wie Guanidin zeichnet sich Äthylendiamin durch besonders geringe Giftigkeit gegenüber dem Nitratbildner aus, trotz seiner zwei Aminogruppen, aber in gutem Einklang mit seiner geringen Lipoidlöslichkeit. Die Atmung des Nitritbildners wird dadurch schonin -Lösung um 50% gehemmt. m 10 000 Dagegen wirken analog gebaute Körper wie Pentamethylendiamin relativ schwach, viel stärker jedoeh aromatische Diamine, die aber erst in der nächsten Gruppe aufgeführt sind. Tabelle XI. Hemmungen durch Diamine. ; Mol. | Hemmung or Konzentration | 9% s 0,000 05 3l R ERAER : 0,000 1 BB) Athylend ‚hloridjeiee. Armee: 2 ylendiamin (Chlorid) 0.000 25 79 0,000 25 -8 0,000 05 42 Athylendiammne (Hydra er 0,0001 56 0,000 2 75 0,001. 0 Pentamethylendiamin (Chlorid). .. .. . RE » ns 0,005 75 progr. Piperazin = Diäthylendiamin . ..... { en A >) ec) Anilin und Derivate. Die hierher gehörigen Substanzen® sind zum Teil lipoidlöslicher als die vorigen und zeigen auch grössere chemische und unter Umständen toxische Aktivität. Jedoch stehen diese Eigenschaften nicht in einfacher Beziehung zu den in unserm Fall beobachteten Atmungshemmungen. Auch Anilin hemmt, ebenso wie alle aromatischen Amine, die Atmung des Nitratbildners relativ schwach: in 155 Fösung ea. 30%, während Methylamin in —_ 60% hemmt. Hier dagegen wird 1000 Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 271 m. 40000 vate- des Anilins zeigen ein sehr verschiedenes Verhalten. Dabei ist erkenntlich, dass 1. die Aufhebung der Basennatur und 2. die Substitution in der Aminogruppe die Giftigkeit herabsetzen, unabhängig von der Lipoidlöslichkeit, dass andererseits 3. Substitution ausserhalb der Aminogruppe die Giftigkeit unter Umständen erhöht. die Atmung durch Anilin 40% gehemmt. Die Deri- ad 1) m-Nitroanilin, das noch eine Base ist (Dissoziations- konstante = 4.101?), hemmt ebenso stark wie Anilin, das annähernd neutrale o-Nitroanilin (Dissoziationskonstante — 1 101%) dagegen erheblich schwächer. | ad 2) Dimethylanilin (Löslienkeit Wasser : Öl = 0,120 : &, während Anilin 3°%/o : © — Dissoziationskonstante —= 2.4 - 10 1%, ähn- lich wie Anilin) und ebenso das selır lipoidlösliche Diphenylamin (Wasser: Öl = 0,01 0:0) wirken etwa zehnmal schwächer als Anilin. Dagegen zeigt Nitrosodimethylanilin eine enorm ge- steigerte Giftigkeit (Dissoziationskonstante 1.9 - 101%). Es hemmt bereitsin. -Lösung 50% und ist für die m 200 000 Nitritbakterien ein stärkeres Atmungsgift als Blau- säure. Hier scheint, wie auch sonst noch gezeigt werden kann, eine besondere Giftigkeit der Nitrosogruppe eine Rolle zu spielen. ad3) Naphthylamin wirkt deutlich stärker als Anilin, noch viel ciftiger aber Phenylendiamin, wobei sich vielleicht die Diaminnatur geltend macht. Tabelle XI Hemmungen durch Anilinderivate. ee Mol. Hemmung au Konzentration %o 0,000 01 8 iin 0,000 025 | 39 a 0.000. 05 6 0,000 1 100 0,000 025 246 i on 0,000 05 64 IeNItEOann ee Gr 0.000 1 | 78 0,000 2 32 272 .. Otto Meyerhof: Tabelle XII (Fortsetzung). Mol. Hemmung on Konzentration 0/0 0,000 05 25. 0, Nitroaniling nr ee ee re 0,0001 37 0,000 2 49 Dimethylanilin (Obloid) 2 2200. { en , Diphenylamıny. use. um a. 0,0001 26 p-Nitrosodimethylanilin (Chlorid). . . ... . . { u ne 0,000 01 15 0,000 013 3 a-Naphthylamin (Chloe) 22 an rn 0,000 025 54 0,000 05 | 76 0,000.05 | 92 0,000 005 | 32 ERCEN ; 0,000 01 | 42 -Phenylend Chlorid) re ee ’ | p-Phenylendiamin (Chlorid) 0.000 025 | 70 0,000 05 100 o-p-Toluylendiamin (Chlorid) | CH; : | Senf EN UEENRRRF. { SLDUS ai nr ? 0,000 1 | 72 NR, d) Gruppe der aliphatischen Monoamine. Das Ver- halten des Anilins lässt die Frage nach der Wirksamkeit der ganzen Gruppe der lipoidlöslichen Amine aufwerfen. Dabei zeigt sich hier der Gegensatz, der beim Nitratbildner zwischen aliphatischen und aromatischen Aminen besteht — letztere wirken dort bei gleicher Lipoidlöslichkeit schwächer als erstere —, in sein Gegenteil verkehrt. Das ist nicht überraschend, da in jenem Fall das Ammoniak den Prototyp der Giftwirkung vorstellt, das hier ja in gleicher Kon- zentration Nährstoff ist. Auch bei der schwächer alkalischen Reaktion von 9: —8,5 hemmt die für den Nitritbildner optimale NH,-Kon- zentration von u die Atmung des Nitratbildners schon um 60%. Will man den abfallenden Teil der Ammoniakkonzentrationskurve des Nitritbildners (ef. S. 245 Fig. 1) als Ammoniakhemmung an- = NH, etwa 40%. 's,rechen, so betrüge' diese erst bei 30 Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 273 Nun hemmen aber doch die aliphatischen Amine hier stärker, als der so berechneten NH,-Hemmung entspricht. Im übrigen zeigen sie dieselben Gesetzmässickeiten wie beim Nitratbildner: das An- steigen der Hemmung mit wachsender „Lipoidlöslichkeit“. Auch dass sie scheinbar absolut erheblich schwächer wirken, beruht jedenfalls zum grossen Teil auf der schwächer alkalischen Reaktion, ° da so ein kleinerer Teil der Base in Freiheit ist. Ein gewisser Unter- schied ist der, dass bei den primären Monoaminen die Hemmung in der homologen Reihe schneller ansteigt als bei den Nitratbakterien. Da das bei den tertiären Aminen nicht der Fall zu sein scheint, so folgt als Konsequenz, dass hier Triamylamin nicht stärker hemmt als Heptylamip, während es für den Nitratbildner dreimal so giftig war. Das Tetramethylammouiumcehlorid ist auch hier weniger wirk- sam als die niedersten Amine. Die Giftigkeit der Nitrosogruppe zeigt sich beim Nitrosodimethylamin, das für den Nitratbildner in- different war. Tabelle XIM. Aliphatische Monoamine. Mol. Hemmung Sur Konzentration .. 96 2 0,002 | 20 Meikylamın (Chlorid), . ......2..-...0.3...0. 0,005 30 0,01 68 | 0,002 12 Eropvlamın. (Chlorid). =... .. ....2..... uubs a | 0,005 & 0,01 60 0,002 | 50 Er Srylamın (Chlorid). - 2 .2..2..... 0,005 | 85 0,01 | 96 0,000 2 53 ee 0,0004 | 75 Keptylamın (normal)... .2....'........ 0,000 4 74 oo zız 95 0,001 100 0,002 .32 Bnimethylamin (Chlorid) 7. - . ......0.7. 0,005 50 0,01 | 68 274 Otto Meyerhof.: Tabelle XIII en Stoff : Mol. | Henne Korzentration 0/0 0,000 2 es) Priamylamınd (so)... 2 Vrer 0,000 25 | 0,000 4 I el) Tetramethylammoniumchlorid. ....... { 0,005 | 12 : 0,02 62 Nitrosodimethylamın a SEN Era { 0,001 | 45 ‚progr. 0,005 85 pProgr. e) Aromatische A miuoverbindungen, Alkaloide. Die allgemein stärkere Wirksamkeit der aromatischen Aminoverbindungen ist — wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie beim Anilin — auch bei den übrigen Vertreters der- Gruppe erkenntlich und eilt, wie die folgende Tabelle zeigt, auch für die Alkaloide im Vergleich zu ihrer Wirkung auf die Nitratmikroben. Besonders auffällig ist auch die Giftiegkeit des Pyridins, das dort ganz ungiftig war. Tabelle XIV. Aromatische Aminoverbindungen und Alkaloidsubstanzen. oe Mol. ‚Hemmung > Mol. Hemmung a Konzentr. 9/0 a Konzentr. 0 0002 | 2 Co | Benzylamin 0,000 5 39 Nikotin 0,002 58 (Chlorid) 0,001 58 0,002 | 60 0,002 100 0.005. 7.2100 0,0005 34 0,000 5 | 44 Pyridin. . 0,001 | 60 Atropin. 0,001 | 63 0,002 | s0 DODaTEE, 94 0,005 N) 0,000 05. 0 0,001 | 12 Chinin St 0,0001 46 Piperidin R | 0,0025 | 41 0,0002 82 0,0066 | 83 0,0001 30 0,001 | - 60 5 | nachlassend anzs Stryelnin 0.0002 | 56 Conün . . | 0,002 5 | 80 (Nitrat) } | nachlassend 0,004 | 0 0,0005 | 90 „ nachlassend | f) Verschiedene Aminosubstanzen. Die bisher noch nicht erwähnten anorganischen Amine sind ebenfalls recht giftig: Untersuchungen uber den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 275 Hydrazin und Hydroxylamin hemmen beide in cs -Lösung 30—40 fo. Diese Anıine, ebenso «die (der vorigen Klassen, interessieren noch wegen der ganz anderen Frage, ob einer vonihnen Ammoniak als Atmungssubstanz ersetzen kann. Ich habe sehr viele daraufhin untersucht, stets mit negativem Resultat. Für Methylamin und Dimethylamin ist schon von OÖmelianski!) festeestellt, dass sie nicht als Nährsubstanz für eine Reinzucht der Bakterien dienen können. Es ist nur ein scheinbar positives Ergebnis, dass Hydroxylamin, wenn man es in schwach hemmender Dosis benutzt (- tatsächlich von den m). Bakterien verbraucht wird. Da es in alkalischer Lösung unbeständig ist und in NH,, H,O, N, zerfällt, spricht dies keineswegs für eine direkte Veratmung des NH,OH (allerdings auch nicht dagegen). In der folgenden Tabelle XV sind noch einige indifferentere N-haltige Verbindungen angeführt. Tabelle XV. Verschiedene Aminoverbindungen. 2 Fe Hemmung Sion Konzentration 0/0 0,001 08 £ \ BE 0,001 35 Kedrazima(-dichlonid) .» . .. „2... 0... 2 ydrazin (-dichlorid) 0.002 64 0,005 92 0,000 5 15 Eivalsoxylamin (Chlorid) „o. ..-..... 0,001 | 41 | 0,0017 96 ! 0,002 5 25 Zeiten 2 Se ee { en 0,01 60 Cihollin 2.5 Tor Ale a 0,01 0 A Ne ve ee N { 0,005 = 0,025 s0 0,002 2 10 0,005 34 ERTEDENT ON EEE AR } . 0,01 70 0,02 37 1) Zentralbl, f. Bakt. 2. Abt. Bd.5 8.485. 1899. Das E Otto Meyerhof: Zur Methodik der Versuche dieses Kapitels sei bemerkt, dass in allen Fällen die Lösungen der Substanzen vor Zugabe zur Bakterien- flüssigkeit auf die Reaktion 947: — 8,5 gebracht wurden, die als Salze n n 10 benutzten durch 10 HCl. Soweit erhältlich wurden Kahlbaum’sche verwandten durch Zugabe von NaOH, die wenigen als freie Basen Präparate benutzt, Pentamethylendiamin, Kreatin, Kreatinin, Cholin, Asparagin von Merck, Piperazin von Schering. Zehntes Kapitel. Indifferente Narkotika. Auch gegenüber indifferenten Narkotika zeigt sich die Atmung des Nitritbildners von der aller bisher daraufhin untersuchten Zellen abweichend, insofern sie von erhebli.ch kleineren Konzentrationen sehemmt wird. Man könnte das so ausdrücken, dass die sonst als indifferent bezeichneten Narkotika dem Nitritbildner gegenüber auch noch spezifische Wirkungen besitzen: Für die substituierten Harnstoffe und Urethane zum Beispiel hat das ja einen guten Sinn. Wenn bereits Harnstoff in 0,05 mol. 50° hemmt, kann man nicht erwarten, dass Dimethylharnstoff erst in 14 mol. hemmt, wie das bei der Atmungshemmung der Blutzellen nach Versuchen von Warburg der Fall ist. Ähnliches lässt sich auch für die Urethane sagen. Einen Hinweis darauf, dass in der Tat hier eine Verbindung von narkotischer und spezifischer Wirkung vorliegt, gewinnt man, wenn man das Vielfache bestimmt, um das der Nitritbildner stärker gehemmt wird als andere Zellen. Dann sieht man, dass der Faktor bei den höheren Gliedern dieser Reihen kleiner wird. Das weist doch offenbar darauf hin, dass neben der physikalischen — narkotischen — Wirkung noch eine andere (chemische) auftritt, die sich mit ab-- nehmender absoluter Konzentration verringert. Weniger durchsichtig ist das bei den andern Klassen der Nar- kotika, die keine Aminogruppen enthalten. Für eine ehemische Wirkung spricht auch hier eine merkwürdige Ausnahme von der Regel der homologen Reihe: Methylalkohol wirkt stärker als Äthyl- alkohol, und ausserdem stark progressiv. Dies Resultat wurde mit reinstem Kahlbaum’schen Methylalkohol, der vor dem Versuch frisch destilliert wurde, erhalten, kann also nicht etwa auf giftigen Beimengungen beruhen. Da NH, und Nitrit zugegen sind, sind Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 377 auch chemische Reaktionen in der Lösung nicht ausgeschlossen ; doch sind diese kaum für das abnorıne Verhalten des Methylalkohols verantwortlich. In der fulgenden Tabelle XVI sind ausser den gefundenen Hemmungen in Spalte 4 noch diejenigen molaren Konzentrationen angeführt, die nach Warburg eine mittlere Atmungshemmung von 30—70 °/o bei verschiedenen Zellen, roten Vogelblutzellen, Vibrionen, Leberzellen, Zentralnervensystem vom Frosch, hervorrufen !), in Klammern für einige Stoffe die genauen Konzentrationen, die gerade 50% hemmen. (Diese sind den Konzentrationskurven, a.a. 0. S. 296 und 297, entnommen.) In Spalte 5 ist der Quotient: 50° hemmende Konzentration nach Warburg 50°%0 hemmende Konzentration bei Nitritbakterien natürlich ziemlich ungenau ist. Doch ist seine Verkleinerung in Rientung der homologen Reihe jedenfalls bei den Harnstoffen und Urethanen nicht zu verkennen. berechnet, der Tabelle XV]. ih 3 lang: 4. 5. Mol. Hem- | 700 Hemmung Stoff Konzen- mung Ben “ : N E Quotient ‚ratlon 0/0 mol. Konzentr. 0,02 I 834 Metyluretban . .... ... 0,04 112260 0,7—1,3 30 Ä 0,08 89 | 0,008 22 | r 3 0,33—0,45 2 Äthylurethan ... 2... 0,016 42 0 40) x 0,033 Il ; 0,002 I» 16) ge 0,004 3 0,04—0,06 5 -Butylurethan. . . . . ; ? N iso-Butylurethan 0.008 = (0,040) os sa 0,000 5 15 0,003—0,006 2 Phenyl N { a: ıenylurethan | 0.001 de (0,0036) 0,025 ee | Hamstolk.ı nn... .0. > 0,05 le) — (©) 0,1 84 1) Zusammenfassung: Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. Bd. 14 Ss. 292f. 1914. 278 Otto Meyerhof: Tabelle XIV (Fortsetzung). il 2. 3 4. Bye Mol. | Hem- a ER Stoff Konzen- | mung der N Quötient ration 0/0 mol. Konzentr. 0,016 4 } Dimethylharnstoff (asymm.) | 0.05 9» 0,6 1,4 | N | 0,001 | 26 Bo ® Phenylharnstoff . . . . . 0,003 2! (0,0939) 0,008 88 0,4—0,9 39 Methylphenylketon 0,014—0,017 | 30, Methylalkohol . ... . 9,0 ı 200 Bropy-alkohol sr 0 2: 0,8 | 0 one | iAmylalkohoer 222 (0,055) | Heptylalkoholm..2 2 2 0,05 28 Äthylalkohol 2 222: \ 0,075 a 10 1,6 20 l ee ee ss ESSEN 2>< 10-8 22 | KON EN EBEN 5 >< 10-8 37 [7 >< 10-5]}) | 10 Zusammenfassung. Die Atmung des Nitritbildners wird hier in ähnlicher Weise unter- sucht wie in den beiden vorangehenden Arbeiten die der Nitratbakterien. 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 76 8. 336. 1912. Untersuchungen über den Atmungsvorgang nitrifizierender Bakterien. III. 979 Erstes Kapitel. Bei geeigneter Zucht und maximaler Durch- lüftung lassen sich Flüssigkeitskulturen erzielen, die etwa in 24 Stunden pro Liter 4 Ammonsulfat zu Nitrit oxydieren können. Zweites Kapitel. Die Abhängiekeit der Atmungsgrösse von der Konzentration des Ammonsalzes zeigt einen ähnlichen Verlauf wie die entsprechende Nährstoffkurve des Nitratbildners. Das Optimum m 200 | Ob es auf die Cxs, oder Cxn,-sıu aukommıit, lässt sich nicht sicher entscheiden, obwohl ersteres wahrscheinlicher ist. Drittes Kapitel. Der freiwillige Stillstand in alten Kulturen nach der Bildung von etwa 0,25 n Nitrit ist wesentlich durch die von NO’, bewirkte Atmungs- und Wachstumshemmung bedingt. Diese Hemmung ist stärker als durch viele andere Anionen, zum Bei- spiel NO',. Viertes Kapitel. Die Atmung sinkt mit abnehmender Sauer- stoffkonzentration von etwa !/s Atmosphäre Luft an ziemlich steil und beträet bei !/so Atmosphäre nur noch 16 °/o der Normalatmune. Während es sich hierbei um eine reversible Atmungshemmung handelt, beruht die in reinem Sauerstoff allmählich fortschreitende Herab- setzung der Atmung auf irreversiller Schädirung der Bakterien. Fünftes Kapitel. Die Oxydationsgeschwindigkeit ist von der H°-Konzentration stark abhängig, das Atmungsoptimum liegt bei pH: = 854—8,8; bei pr —= 9,4 einerseits, 7,6 andererseits ist die Atmung bereits erloschen. Sechstes Kapitel. Die Atmung ist Alkalisalzen gegenüber sehr empfindlich. Für Na, K, Rb und ebenso Mg-Salz beträgt die Hemmung in 0,2 n-Lösung 30—50°/o, in 0,3 n 75—90°%; Li ist dreimal, Cs sechsmal so giftig wie Na. Zwischen (den Alkali- kationen und Mg besteht ein ausgesprochener Antagonismus, so dass geeignete Gemische Me + Alkalisalz schwächer hemmen als jedes Salz für sich bei gleicher Anionkonzentration. Bei Li uud Cs findet sogar eine ausgesprochene Entsiftung durch Mg statt: Die Li- und Cs-Atmung wird durch Mg-Zugabe gesteigert. — MgSO, hemmt ent- sprechend seiner geringeren Dissoziation schwächer als MeÜl,. Siebentes Kapitel. Erdalkalisalze henımen stärker a’s Alkali- salze; unter sich ziemlich gleich, in 0,1 n ca. 60°, in 0,2 n 90 bis 100%. Die Schwermetallzalze sind sehr viel giftiger als gegenüber dem Nitratbildner und unterscheiden sich stark voneinander. Die liegt bei NH,, während die Atmung bei = NH, fast null ist. 380 Otto.Meyerhof: Untersuchungen über den 'Atmungsvorgang usw. Reihenfolge zunehmender Giftigkeit ist Fe, Al, Pb, Zn; Mn, Co, Cu, Ni, Hg, Ag. Eine katalytische Oxydation von NH, in Gecenwart von Metallsalz in einer zur Erklärung, des Atmungsvorgangs brauch- baren Form und Geschwindigkeit liess sich nicht bewerkstelligen. Achtes Kapitel. Die Anionen wirken ähnlich wie beim Nitratbildner, doch hemmen die fettsauren Salze nicht stärker als die indifferenten anorganischen, wohl weil hier der Einfluss des Kat- jons mehr in Betracht kommt. Neuntes Kapitel. Gegenüber N- freien annachen Sub- stanzen zeigt sich Atmung. und Wachstum auffallend verschieden empfindlich; so hemmt Glukose das Wachstum zum Beispiel schon in 0,001 m-Lösung, die Atmung dagegen noch nicht in 0,2 m, und in 0,6 m (22°) erst um '40°o. Bei den Aminoverbindungen ist das anders: die Atmung ist zum Beispiel Harnstoff und Asparagin gegenüber genau so empfindlich wie das Wächstum. Die durch- schnittlich schon grosse Wirksamkeit der Aminogruppe erhöht sich in einigen Verbindungen zu enormer Giftiekeit. Es sind. dies: Guanidin und sein Derivat Aminoguanidin, Äthylendiamin, Anilin: und eine Reihe seiner Derivate. Am eiftigsten ist Nitrosodimethyl-. anilin und p-Phenylendiamin. Ersteres hemmt schon in 5: 10”° m 50°%o und ist für die 'Nitritbakterien ein stärkeres Atmungsgift als Blausäure. Weniger stark, aber doch recht beträchtlich hemmen Pyridinderivate und Alkaloide, ferner Hydrazin und Hydroxylamin,. während die aliphatischen Amine zwar auch recht wirksam. sind, aber nicht stärker als bei dem Nitratbildner. Keine dieser ‚Sub-. stanzen kann NH, als Nährstoff ersetzen. | ‚Aehntes Kapitel. Die Atmung zeigt, sich indifferenten Narkotika gegenüber abnorm empfindlich, der Quotient: normale Atmungshemmungskonzentration Nitritbakterien- hemmende Konzentration: ea ef wird mit dem Ansteigeu in der homologen Reihe bei den Urethanen. und Harnstoffderivaten kleiner. Eine besondere Abweichung von der Regel der homologen Reihe ist die grössere Giftigkeit des Methyl- alkohols gegenüber dem Äthylalkohol. Diese beiden Momente sprechen : für die Beteiligung eines chemischen Faktors bei den Hemmungen, : welche sich mit den Süsswassertieren beschäftigen. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Von Walter Koch. (Mit 6 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Einlass Se Sn ee . Der Herzschlag unter natürlichen Bedingungen... . .. BeNaterialaundsMethode. 0. „wen. ln. BEN ormaleniSchlae@e. „1. an ala. Be otmensundı Schliessen... seen: ı, Temeaain) Se Re 3. BEWaSDI e Der Herzschlag unter künstlichen Bedingungen... .. . eSalziosungenu, aachen ee ae DE Natzmmehlorid."...2 er en: Deßaltumehloride:- 2.7 2a cn een ee ee eataleiumchlorid. rt... er at N EN, VeMasnesinmchloridie.. 10.0 Segen te ul Bnteiftung von Natriumehlorid.. . . 2... ..... EnteiimnszvonsKaltumeblorid 2... no... 02. Entgiftung von Magnesiumchlorid. . .. . ...... Iakmarenaschealbösunoyre 204... 0 ee ef: GeAnelektrolyte dr a. Se sul ee nn Vsnotische Untersuchungen : 1... 2... 2 u.a. ee %.; Schluss und Zusammenfassung . „2. uw... ro. Zusammenstellung der Ergebnisse. ... ... ....... IMIEERACImverzeichnise Daheaen are 0 000 ehe ee a ae vor sem Einleitung. 281 Der Herzschlag von Anodonta unter natür- lichen und künstlichen Bedingungen. Seite 281 286 286 289 293 295 306 316 316 323 326 329 sl 392 338 Unter der grossen Zahl von Abhandlungen, welehe über die Herztätigkeit der Wirbellosen berichten, finden sich nur wenige, Bisher ist fast nur an marinen Tieren gearbeitet worden, welche meistens wegen ihrer grossen Durchsichtiekeit auch besonders dazu anregten. Von den Wirbellosen sind besonders Tunicaten, Mollusken und Medusen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 289 Walter Koch: bearbeitet worden. Frinnert sei hier nur an die Arbeiten von Bethe!), Burghause:), Bauer?), Schönlein‘), Straub?) und Rywosch®). Viele Untersuchungen sind auch an ausgeschnittenen Herzen angestellt worden. Dagegen liegt nur eine grössere Arbeit vor, welche sich mit Süsswassermollusken beschäftigt. Es ist die Arbeit von Willem und Minne’) an Anodonta cellensis. Von vornherein waren bei diesen Tieren ganz andere Verhältnisse zu erwarten als bei marinen, da die äussere Umgebung die ganze Lebenstätigkeit in starkem Masse beeinflusst. Die vorliegenden Versuche sollten gerade darüber etwas Klarheit schaffen. Es wurde ebenfalls mit Anodonta gearbeitet. Dieses Tier eignet sich vorzüglich zu Experimenten, bei denen es darauf an- kommt, das Herz dauernd im lebenden Tiere zu beobachten. Durch eine einfache Operation kann hier das Innere der Beobachtung zu- eänglich gemacht werden. | Mehr und mehr ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass der Herzschlag von sehr vielen Faktoren abhängig ist und dass nicht die einfachen Beziehungen gelten, welche von älteren Autoren an- genommen wurden. Dogiel°) nennt zum Beispiel als Rhythmus beeinflussend: das Blut und dessen Zusammensetzung, Temperatur, Druck, Stromgeschwindigkeit, Menge, Eigenschaft der Formelemente, ' Viskosität, Lymphe, Nährstoffe, Rhythmus der Atmungsorgane, Menge des Sauerstoffes und der Kohlensäure im Blute, Sekrete und Exkrete, Arbeit der Skelettmuskulatur. Viele von diesen Punkten konnten in meinen Versuchen nicht berücksichtigt werden, da sie noch nicht oder nur unvollkommen bekannt sind. An Anodonta sind von Willem und Minne’) bereits der Einfluss der Temperatur und 1) A. Bethe, Die Bedingung der Elektrolyten für die rhythmische Be- wegung der Medusen. Pflüger’s Arch. d. Physiol. Bd. 124. 1908, und Bd. 127. 1909. 2) F. Burghause, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 108 S. 430. 3) Vikt. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 19. 1909. 4) K. Schönlein, Zeitschr. f. Biol. Bd. 12, N. F., S. 187. 189. 5) W. Straub, Pflüger’s Arch. Bd. 86 S. 504. 1901, u. Bd. 103. 1904. — Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 16 S. 458. 1903. 6) D. Rywosch, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 109. 1905. 7) Willem et Minne, Recherches experimentales sur la circulation sanguine chez l’Anodonte. Mem. couronnde par l’Acad. Royale de Bele. t. 57. 8) Joh. Dogiel, Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 1. 1910. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 283 des Blutdruckes auf den Herzrhythmus untersucht worden. In der vorliegenden Arbeit werden nun einige weitere rhythmusbestimmende Faktoren untersucht, vor allem die Einwirkung der einzelnen Blut- salze und ihre gegenseitige Entgiftung. Die genannten Autoren haben zum ersten Male den Herzschlag der Teichmuschel richtig beschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Herz im lebenden Zustande ganz anders darstellt, als es bisher abgebildet wurde. Vom Blut der Mollusken sind einige Analysen bekannt. Sie stammen von Voigt!), Schmidt?) und Griffiths?). Voigt fand in 1000 Teilen folgende Substanzmengen im Blute der Perl- muschel (verglichen mit Isarwasser). I. Blut II. Wasser AusıH30.... ..... 996,89 999,75 Feste Teile. . . 3,11 0,24 Nämlich: Anorganisch . 1,89 (—60,64 °/o) 0,18 Organisch : . 1,12 (—39,36 °/o) 0,06 Schmidt fand in 1000 Teilen Blut 991,46 Wasser, Fibrin 0,33, Albumat 5,65, mit Kalk 1,89, Natriumphosphat, Gips und NaC] 0,33, phosphorsaurer Kalk 0,34. Ein Kalkalbuminat nimmt Schmidt an, da sich aus dem über Nacht stehen gelassenen Blute ein Kalkhäutchen abgeschieden hatte. Nach Voigt sind also im Blute von Anodonta, Unio und Perlmuschel 0,31 °/o feste Substanzen, nach Schmidt in Anodonta 0,850. Die besten und neuesten Analysen, welche von Griffiths ausgeführt wurden, kommen zu noch höheren Ergebnissen, nämlich 1,002 °%/ für Anodonta. Die Analyse der Trockensubstanzen ergab folgende Werte: Anodonta Mytilus edulis RIO 0,23 0,22 Baer 3,61 3,12 MEER RER N, 1,82 1,0 en 4,90 4,80 NO (Soda). 2 2.2. A218 i 43,90 AV te. 4,89 4,82 Se el ne 2,80 2 70 Eve 87,08 37,92 ee 7 (Spuren) _— 1) C. Voigt, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 10. 1860. 2) Schmidt zit. nach Voigt. 3) Griffiths, Physiol. of the invertebrata. London 1892 und Proc. Roy. Soc. of Edinburgh vol. 18 p. 288. 1891. 19,* DS4 Walter Koch: Auffällig ist an beiden Analysen die geringe Abweichung der einzelnen Zahlen, obgleich wir es das eine Mal mit einem Süsswasser- tier, im anderen Falle mit einem marinen zu tun haben. Die Analysen zeigen aber auch, dass, wie bei allen bisher untersuchten Tieren, die Hauptblutsalze Na, K, Ca und Mg sind und dass diese zum grössten Teil als Chloride vorliegen. Griffiths!) gibt noch die Prozentzahlen für die Trockensub- stanzen anderer Mollusken an, welche zum Vereleiche recht interessant sind, zum Beispiel: Bucenumsundapum 702800 Patella vulgaris ee. ERNEST ä Anodonta eygnea.. . . 1,002 %0 u auancn H Mytilus edulis. . . . 1,801% Sepia offie. . ge ES 9 Octopus vulg. BERN 0... rlaar08nlln Helxpomatiarı .. 2 20068 Helixsgaspersan.. .. 220: MUSIK Pulmonaten % Limnaeus stagnalis . . . 1,204 % Lmasstlayusı 222, 2 le2lo Dimaxgmaxımus . ... 20 225105120300 Anodonta hat also am wenigsten gelöste Substanzen im Blute. Über die Zusammensetzung verschiedener Körperflüssigkeiten von marinen Tieren berichtet Baglioni?) !weitere Literatur bei Fürth?)]. Bemerkenswert am Blut der Lamellibranchier ist das völlige Zurücktreten des Hämoglobins (Ausnahme Arca tetragona und Solen leguma). Es wird hier durch andere respiratorische Farbstoffe, in diesem Falle durch das Cu-haltige Hämoeyanin, ersetzt. Vom Stoffwechsel der Mollusken ist noch sehr wenig bekanßt. Wir wissen zum Beispiel noch nichts über die Mengen der auf- genommenen Stoffe oder über die Stickstoffabscheidung. Selbst die Lebensdauer ist noch nicht sicher bekannt. Nach Korschelt‘) soll Anodonta 50 und mehr Jahre alt werden (das wenige, was sonst l) Griffiths, Physiol. of the invertebrata. London 1892, und Proc. Roy. Soc. of Edinburgh vol. 18 p. 288. 1891. 2) Baglioni, Einige Daten zur Kenntnis der quantitativen Zusammen- setzung verschiedener Körperflüssigkeiten von Seetieren. Hofmeister’s Beitr. Bd. 9. 1906. 3) Fürth, Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. Leipzig 1902. 4) Korschelt, Deut:che zool. Gesellsch. 1908. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 285 noch vom Stoffwechsel bekannt ist, findet sich bei Weinland). Aus diesem Grunde konnte ich auch den Einfluss der Nahrungs- aufnahme auf den Herzrhythmus nicht untersuchen. Um aber dadurch bedingte Unrezelmässigkeiten zu verhindern, wurden die Tiere während des Versuches in reinen Becken gehalten, welche nur Leitungswasser und keinen Sand und Pflanzen enthielten. Da ich selbst keine anatomischen Untersuchungen angestellt habe, beschränke ich mich darauf, auf die neueren Arbeiten hin- zuweisen. Es kommt vor allem das Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere von A. Lang?), Band Mollusken, be- arbeitet von K. Hescheler, in Frage. Dazu die neueren Arbeiten, welche jetzt über Anodonta im Marburger zoologischen Institut an- gefertigt worden sind. Bisher erschienen: Das Nervensystem von Splittstösser?°), und Das Blutgefässsystem vonSchwannecke®). Leider ist die Arbeit, welche das Herz behandelt, noch nicht er- schienen. Die apolaren Nervenzellen im quergestreiften Muskel des Herzens sind von Dogiel’) zuerst beschrieben. Weitere Beiträge zur Innervierung des Herzens bei Mollusken, welche zum Vergleich herangezogen werden können, lieferten Bauer‘), Bethe’), Bieder- mann®), Carlson°), Hofmann!®), Knoll!!), Marceau) 1) Weinland, Der Stoffwechsel der Wirbellosen in Oppenheimer. 2) A. Lang, Lehrbuch der vergl. Anatomie der wirbellosen Tiere: Mollusken, bearbeitet von Hescheler. 5) P. Splittstösser, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 104. 1913. 4) G. Schwannecke, Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 107. 1913. 5) Joh. Dogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1877, und Bd. 15. 1878. 6) Vikt. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 19. 1909. 7) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903. | 8) Wilh. Biedermann, Über das Herz von Helix pomatia. Sitzungsber. d. Wiener Akad., math.-naturw. Klasse Bd. 89 Abt. 3. 1884. 9) Carlson, Ergebn. d. Physiol. Bd. 8. 1908. Weitere Literaturangaben: Science t. 17 p. 548. 1903, und t. 20 p. 68. 1904. — Biol. Bulletin t. 8 p. 123. 1905. — Americ. Journ. of Physiol. vol. 12 p. 55 and 67. 1904, vol. 13 p. 211 and 396. 1905, vol. 15 p. 9, 207 and 317. 1906, vol. 16 p. 47, 85 and 100. 1906, vol. 17 p. 478. 1907, vol. 18 p. 49 and 177. 1907. 10) F. B. Hofmann, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 132 und 154. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70. 1907. 11) Knoll, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch., math.-naturw. Klasse, Abt. 9, S. 387. 189. 12) F. Marceau, Arch. de Anat. Mikrosk. t. 7 p. 495. 19041905. 286 Walter Koch: Rywosch!), Schönlein°’) und Yung?). Die Perikardialdrüse ist von Grobben‘) bearbeitet worden. A. Der Herzschlag unter natürlihen Bedingungen. 1. Material und Methode. Die Versuchstiere stammten aus einem toten Arme der Pleisse im Connewitzer Holze. Sie wurden nach Brauer’s Fauna als Anodontites eygnea bestimmt. Dabei kamen fast alle Varietäten [nach Buchner?°)] zur Verwendung. Besonders eignete sich Var. cellensis zu den Versuchen, weniger gut, weil meist zu klein, piseinalis. Dagegen erwies sich Var. eygnea meistens als ganz un- geeignet, da hier der Mantel zu dick geworden und meistens noch rötlich gefärbt ist, sodass die Schläge des Ventrikels nicht mehr gut zu sehen sind. Im allgeıneinen wurden nur Tiere verwendet, welche eine Länge von 7—13 cm hatten. In diesem Spielraume hatte die Grösse keinen Einfluss auf die Schlaggeschwindigkeit des Herzens, obwohl hier doch sicher sehr grosse Altersunterschiede vorhanden sind. Kleinere Exemplare zeigen dagegen meist eine srössere Frequenz. Ein grösserer Vorrat der frisch gefangenen Tiere wurde in einem grossen, betonierten Aquarium mit Sandboden und reichlichem Pflanzenwuchs stets vorrätig gehalten. Hierin hielten sich die Tiere sehr gut (ein halbes Jahr und länger), wenn sie nicht in zu grossen Mengen eingesetzt wurden. Zum eigentlichen Versuche wurden dagegen kleine Glasbecken von 15:8:9 cm verwendet. Bei ganz jungen, ungefähr 1 Jahr alten Tieren kann man das Herz bei guter Beleuchtung direkt durch die sehr dünnen Schalen beobachten. Deutlich kann man die einzelnen Kontraktionen von- einander unterscheiden. Doch schon bei zweijährigen Tieren gelingt dies nicht mehr. Um das Herz hier wieder sichtbar zu machen, half ich mir auf folgende Weise: Mit einem Messer wurden beide Schalen über dem Herz vorsichtig angebohrt und dann mit einer. sehr kräftigen Schere die beiden Löcher zu Rechtecken erweitert, 1) D. Rywosch, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 109. 1905. 2) K. Schönlein, Zeitschr, f. Biol. Bd. 12, N. F., S. 187. 1894. 3) E. Yung, Compt. rend. t. 90 'p. 166..1880, t. 91. 1880, t. 93. 1881. — Arch. de Zool. exper. t.9. 1881. 4) Grobben, Die Perikardialdrüsen der Lamellibranch. .Arb. d. zool. Instituts zu Wien Bd. 7 S. 355. 1888. 5) 0. Buchner, Jahrb. d. Vereins f. Naturk. 55. Jahrg. Stuttgart 1900. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 287 ungefähr so gross wie das darunter liegende Herz. Dies gelingt bei einiger Übung, ohne das Perikard zu verletzen. Um nun im Innern des Tieres wieder normale Druckverhältnisse herzustellen, wurden die Öffnungen wieder verklebt. Nach langem Suchen fand ich als brauchbarste Substanz dünne Blättchen von Zellu- loid, welche mit einer Lösung von Photoxilin in Äther aufgeklebt wurden. Dieses Klebmittel hat den Vorteil, dass es auch bei höherer Temperatur noch brauchbar ist, schnell trocknet und fest haftet. Ein Nachteil dagegen ist, dass es nur auf völlig trockenen Schalen hält. Die Muschelschalen wurden deshalb nach der Operation erst getrocknet. Dies geschah im Sommer an der Sonne, im Winter über der Zentralheizung. Beides wird gut vertragen, wenn es nicht gar zu lange ausgedehnt wird (bis 2 Stunden). Die Ränder wurden dann schnell mit dem Kitt bestrichen, das zurechtgeschnittene Blättehen aufgelegt und mit den Fingern leicht angedrückt bis zum vollständigen Trocknen. Bei gelungener Operation ist auf diese Weise das Perikard und das Schloss der Muschel unversehrt. Da die Schalenlöcher vollkommen geschlossen wurden, schadet auch ein kleines Loch im Perikard nichts. Meistens wird nun zwischen Fenster und Mantel eine Luftblase vorhanden sein, welche die Beobachtung erheblich stören würde. Man entfernt sie, indem man das Zelluloid- blättehen ansticht und das Tier unter Wasser mehrere Male leicht zusammendrückt. Das kleine Loch. kann nun von neuem nach raschem Trocknen mit Alkohol und Äther mit Phothoxylin bestrichen werden. Ich möchte hier gleich einschalten, dass sich Unio zu dieser Operation nicht eienet. Frstens ist hier die Schale viel brüchiger, sodass das Schloss in der Regel beim Aufbrechen zerspringt. Zweitens ist Unio oben viel breiter, sodass das Herz viel höher liegt und so vom Schloss zum grössten Teil verdeckt wird. Dazu kommt, dass die Durchsichtigkeit nicht so gut ist wie bei Anodonta. Erst nachträglich fand ich, dass auch Lang!) die Öffnungen in der Schale von Helix wieder verklebt hat. Er verwendete englischen Klehtafft oder gewölbte Glasstückchen, welehe er aufkittete. Die Operation wird gut vertragen. Natürlich zeigen sich zu- nächst grosse Unregelmässiekeiten, der Schlag wird „wühlend‘“, 1) A. Lang, Festschrift für Hertwig. Experim. Arbeiten. Winterschlaf von Helix. 288 Walter Koch: riesige Diastolen und längere diastolische Pausen zeigen sich, es kann sogar zu gelegentlichem diastolischen Stillstand kommen. Dass schon die geringsten Reize am Herzmuskel Arhythmie hervorrufen, kann man auch aus folgenden Versuchen ersehen. Das Perikard wird vollständig aufgeschnitten und das Tier so in ein Waschbecken selegt, dass das Herz nicht vom Wasser bedeckt ist. Giesst man dann so viel Wasser von Zimmertemperatur hinzu, dass das Herz davon überdeckt wird, so verwandeln sich die vorher vollkommen recelmässigen Schläge in kurze, stossweise Pulse. Diese Tatsachen sind auch schon von Foster!) und Biedermann?) am Herz von Helix, von Carlson®) an Lamellibranchiern beim Öffnen der Schale oder gar des Perikards beobachtet worden. (Bei Mya soll es aller- dings nach Carlson mehr zu einer verlängerten Systole kommen.) Als Zeichen grösserer Störuneen finden sich hier wie dort auch Doppelpulse. Willem und Minne*) führen diese Unregelmässigkeiten auf den wechselnden Füllungszustand des Herzens zurück, „der seiner- seits durch die Bewegungen des Tieres und besonders der respira- torischen Kammer beeinflusst wird“. Die Wandspannung hat auf den Rhythmus des Herzens sicher einen sehr grossen Einfluss (vgl. die Versuche von Straub°) am Aplysienherzen und von Carlson‘) an Mya.) Beweisend ist auch der Herzstillstand eines ausgeschnittenen oder durch Anstechen entleerten Herzens. Die Arhythmie dauert jedoch selten sehr lange an. Meist be- ginnen schon nach einer Viertel- bis einer Stunde kräftige, regelmässige Pulse Platz zu greifen. Die Lebensdauer der operierten Tiere ist ebenfalls ausgezeichnet, denn ich fand in den kleinen Becken bei fliessendem Wasser fast keinen Unterschied mit nicht ojerierten Tieren. Ich habe Tiere gehabt, welche trotz einiger Versuche bis zu 120 Tagen lebten. Auch daraus geht hervor, dass die Tiere in ihrer physiologischen 1) M. Foster, Pflüger’s Arch. Bd. 5 S. 191. 2) Wilh. Biedermann, Über das Herz von Helix pomatia. Sitzungsber. d. Wiener Akad., math -naturw. Klasse Bd. 89 Abt. 3. 1884. 3) Carlson, Americ. Journ. of Physiol. vol. 17 p. 478. 1907. 4) Willem et Minne, NRecherches experimentales sur la circulation sanguine chez l’Anodonte. Mem. couronnee par l’Acad. Royale de Beleg. t. 57. 5) W. Straub, Pflüger’s Arch. Bd. 86 S. 504. 1901, und Bd. 103. 1904. 6) Carlson, Americ. ‚Journ. of Physiol. vol. 16 p. 47.. 1906. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 289 Tätigkeit nicht gestört sind. In Becken mit nicht fliessendem Wasser leben selbst nieht operierte Tiere nur kurze Zeit (Maximum 14 Tage). Da die Herzen der Mollusken zu zart sind, um einen leichten Schreibhebel zu bewegen, können bei ihnen nur direkte Be- obachtungen angestellt werden [s. a. Carlsont)]. Sehr störend würde bei Anodonta auch der Darm wirken, welcher hier das Herz durchzieht. Automatische Aufzeichnungen vom Herzschlag der Muscheln sind nur ein einziges Mal gemacht worden und zwar von Dubois”?) 1899 an Pholas daetylus. Die direkten Beobachtungen senügen hier aber auch, denn wie wir sehen werden, ist der Herz- schlag ausserordentlich langsam, sodass mit einer Sekundenuhr die Zeiten bequem festzustellen sind. In meinen Versuchen wurden stets die Zeiten von zehn aufeinanderfolgenden Schlägen aller 5 Minuten senau bestimmt. In einer angefertigten Tabelle konnte ich dann sofort die durchschnittliche Anzahl der Herzpulse in der Minute ablesen. Um auch die geringsten Bewegungen der Herzmuskulatur noch sicher bestimmen zu können, wurde hinter dem Becken eine elek- trische Lampe mit Blenden angebracht. Zwischen Versuchsbecken und Lampe befand sich jedoch noch ein Glastrog, um die aus- sestrahlte Wärme zu absörbieren. Ich habe nicht genau entscheiden können, ob die Belichtung selbst als Reiz wirkt. Zeitweise schien es mir so. Vorsichtshalber wurde deshalb das Licht eine Stunde vor Beginn des Versuches angezündet und dann dauernd brennen gelassen. 2. Normaler Schlag. Das Auffällige am Herzschlage der Mollusken sind die grossen Unregelmässigkeiten , welehe wir hier antreffen. Diese scheinen in der Reihenfolge Gastropoden — Lamellibranchier — Cephalo- poden abzunehmen. Bei den Gastropoden sind sie am grössten, wie man sich leicht an kleinen Süsswasserschnecken, welche man auf einem Öbjektträger unter dem Mikroskop herumkriechen lässt, überzeugen kanu. Besonders eignen sich dazu Aneylus fluviatilus oder kleine Lymnaeen. Aber auch Helix und Suceinea zeigen diese Tatsache sehr schön. Je nach der grösseren oder geringeren Leb- 1) Carlson, Americ. Journ. of Physiol. vol. 16 p. 47. 1906. 2)R. Dubois, Annales de Socidte Limn. t.45. Lyon 1899. 290 Walter Koch: haftigkeit der Tiere schlägt das Herz schneller oder langsamer. (Unterschiede bis zu 90°%o in der Minute.) Dasselbe bemerkte Yung!) und Rywosch?) an Heteropoden und Lang?) an Helix. Die Muscheln zeigen diesen grossen Einfluss der Bewegungen dagegen nicht. An ganz jungen Tieren kann man gelegentlich auch noch Unte»schiede beim Umherkriechen im Sande finden. Grosse Tiere ändern dagegen die Frequenz bei der Bewegung nicht oder in sehr geringem Masse. Bei Cephalopoden ist der Herzschlag nach Bauer *) dagegen vollkommen regelmässig. Sie zeigen auch den vollkommensten Blut- kreislauf. Von allen Autoren wird hervorgehoben, dass die Kontraktionen des Molluskenherzens sich durch eine auffallend jähe Diastole aus- zeichnen (vergl: auch die erwähnten Aufzeichnungen von Dubois). Bei Willem und Minne) findet man den Herzschlag von Ano- donta richtig beschrieben. Der Schlag beeinnt an der hinteren Herzspitze und läuft als Welle über den ganzen Ventrikel, besonders bei langsamen Schlägen sehr schön zu sehen (auch Fernau bestätigt ddies). Da sich demnach das ganze Herz nicht gleichzeitig kontrahiert, wurde bei den Beobachtungen immer nur ein Punkt, entweder die Herz- spitze oder ein stärkeres Muskelbündel ins Auge gefasst. Die Autoren geben auch an, dass die Kontraktionen von Ventrikel und Vorhöfen immer entgegengesetzt erfolgen, sodass die Pericardialhöhle immer gefüllt bleibt und dadurch ein Ansaugen der Flüssigkeit des Bojanus- schen Organes vermieden wird. Auch dies kann ich nur bestätigen. Abweichungen, die zu bemerken sind, können fast immer auf noch von der Operation herrührende Störungen zurückgeführt werden. Vorhof und Ventrikel sind aber vollkommen unabhängig von einander. Die Vorhöfe können absolut stillstehen, meist in Systole, ohne dass 1) E. Yung, Compt. rend. t. 90'p. 166. 1880, t. 91.. 1881, t. 95. 1881. — Memoir. couronnees de l’Acad. Royale de Belgique t. 49. 1888. — Arch. de Zool. experim. t.9. 1881. 2) D. Rywosch, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 109. 1905. 3) A. Lang, Festschrift für Hertwig. Experim. Arbeiten. Winterschlaf von Helix. 4) Vikt. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 19. 1909. 5) Willem et Minne, Recherches experimentales sur la circulation sanguine chez l’Anodonte. Mem. couronnee par ’Acad. Royale de Belg. t. 57. Der Herzschlag von Anodonta unter künstl. und natürl. Bedingungen. 291 die Frequenz des Ventrikels gestört wird. Bei den unten beschriebe- nen Salzversuchen kann man auch den umgekehrten Fall beobachten. Der Ventrikel steht still, und die Vorhöfe pulsieren weiter. Ähnliches teilt schon Foster 1872) mit. Er trennte Vorhof und Ventrikel von Helix durch einen Schnitt, ohne dass dadurch das rhythmische Schlagen aufhörte. Doppelpulse sind nach der Operation oder bei ernsten Schädigungen öfters zu bemerken. Folgende Schlagzahlen von Anodonta liegen bisher in der Lite- ratur vor: Keber?) gibt 5—6 in der Minute an, Willem und Minne?°) 3 bei 15°. Letztere Zahl ist richtig, doch werde ich noch zeigen, dass sie von sehr vielen Bedingungen abhängig ist, Auffällig sind Zahlen von Baker *) 1397. Er gibt an für Anodonta grandis 26, Anodonta lacustris 29, Anodonta ferussiciana 16. Wahrscheinlich haben hier besondere Reize vorgelegen. Er hat die Tiere nach dem Durchtrennen der Adduktoren ganz aus den Schalen genommen. Ausserdem sind seine Angaben vollständig wertlos, da er keine Tem- peraturangaben macht, obgleich er selbst angibt, dass die Frequenz in sehr hohem Masse davon abhängt. Vergleichen wir noch die Sehlagzahlen unserer Anodonta mit denen von anderen Mollusken, so finden wir, dass sie ausserordentlich niedrie sind. Es ist wahr- scheinlich überhaupt die niedrigste Herzfrequenz, welche wir bis jetzt kennen. Andere Werte sind folgende: BRRENSonE 9060): 2 Mytilusı 02.12.0710 15 Myaı aan ea zel0 Ordner Bauer 1908®): Oetopusı. 23 Carus 18247): khelix re) 95 Lang’): Helix. . . . 53-55, 18—19° C. Jwi. DaNskkostern, Pflüsieir)s Arch. Bd. 528. 1912 —M. Roster und Dew Smith, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1871. 2) Keber, zit. nach Keferstein, Bronn’s Klassen und Ordnungen: Abt. Mollusken. (In der neuesten Auflage Muscheln noch nicht erschienen.) 3) Willem et Minne, loc. eit. t. 57. 4) Fr. Baker, On the Pulsation of the Mollusken Heart. Journ. of the Cincinnati Soc. of Nat. Hist. vol. 19 no. 2. 1897. . 5) Carlson, Americ. Journ. of Physiol. vol. 16 p. 47, 85, 100. 1906. 6) Vikt. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 19. 1909. 7) A. Lang, loc. cit. 292 Walter Koch: Barkow 1846: SUCCHeaR Knoll 1893): Carinaria medit. 54 Pterotrachea . 67, 18—21°C. tywosch 19052): Pterotrachea . 36—57 Carlson weist darauf hin, dass wahrscheinlich ein Zusammen- hang zwischen Leitungsgeschwindigkeit der Nerven und der Geschwin- digkeit des Herzschlages besteht. Dies wird hier in der Tat bestätigt: Anodonta ist dasjenige Tier, welches die geringste bis jetzt bekannte Leitungsgeschwindigkeit besitzt, nämlich 1 em in der Sekunde [Ele- done moschata (Uexküll) S00—850 mm?3)]. Das offene Blutgefässsystem bedingt einen sehr geringen Blutdruck. Willem und Minne*) aben ihn direkt bestimmt und fanden am Ende der Diastole 1 cm und im Maximum der Systole 3!/s cm H,O. In den Vorhöfen ist der Druck noch geringer, nämlich während der Systole nur Yes cm. Auch dies sind die geringsten bis jetzt bekannten Werte. Bei Cephalopoden heträgt er nach Fuchs): dagegen 78 mm He (!) im Maximum (in der Arteria cephalica gemessen). Es wurde bereits oben erwähnt, dass die Frequenz der Herzen vom Blutdruck abhängig ist (Versuche an Wirbellosen: Ransom‘) an Oktopus Biedermann an Helix, Straub an Aplysia). Die Herzen schlagen um so kräftiger und schneller, je grösser der Druck. Nach Willem und Minne bewirkt aber ein Einspritzen von „Kronnecker’s Serum“ in das llerz eine Verzögerung. Wahrscheinlich sind auch Blutdruckschwankungen an den ge- ringen Unterschieden schuld, welche trotz aller erdenklichen Vor- sichtsmassregeln noch in den Zeiten für die einzelnen Schläge auf- treten. Ich fand zum Beispiel folgende Werte für je 10 aufeinander- folgende Schläge: MieraNn 22058 dan: hr 3ol- ie, ol Te ze ee 17, ee Amsgsı, 16 ze, dad a tonsloeiien 19, ser Am Ar 20, 20, 19017 00, 10, 100er a sl Krrrgongen An 011990, 17, 107 or on joe, 1 7 1o0lsck use 1) Knoll, Akad. d. Wissensch. in Wien, math.-nat. Klasse, Abt.3 8.387. 1883. 2) D. Rywosch, Arch. d. ges. Physiol. Bd. 109. 1905. ) Uexküll, Zeitschr. f. Biol. Bd. 30. 1893. 4) Willem et Minne, loc. cit. 5) Fuchs, Arch. d. ges. Pbysiol. Bd. 60 85.173. 1894. 6) W. B. Ramson, Journ. of Physiol. Bd. 5 S. 261. 1884. Der Herzschlax von. Anodonta unter künstl. und natürl. Bedinsunsen. 293 [o) fo) >) 720] Während dieser Zeit war dafür gesorgt, dass die Temperatur, die Zufuhr des Wassers und die Beleuchtung konstant blieben. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich der O-Gehalt des zugeführten Wassers geändert hat. Ausserdem waren die Schalen am Zusammen- klappen durch ein Holzklötzchen gehindert, denn dieses hat einen sehr erossen Einfluss, wie ich noch zeigen werde. Auch alle Be- rührungsreize, Erschütterungen usw. wurden vollkommen ferngehalten. Gewöhnlich ist auch noch eine geringe Arhythmie in den einzelnen Phasen des Herzschlages selbst zu bemerken, soweit man dies durch direkte Beobachtungen feststellen kann. Besonders ist die Zeitdauer der diastolischen Pausen oft schwankend. Trotzdem können die Zeiten für die einzelnen ganzen Schläge konstant bleiben. Dagegen bemerke ich, dass die Aufzeichunngen von Dubois!) an Pholas daetylus regelmässig sind, es liegen allerdings nur sehr wenige Schläge vor. 3. Öffnen und Schliessen. Ein ausserordentlich merkwürdiges Ergebnis zeigte sich gleich am Beginn meiner Untersuchungen, nämlich der grosse Einfluss des Öffnens und Schliessens der Schalen auf die Herztätigkeit. Dies ist bisher allen Autoren entgangen, da sie nie an normalen Tieren arbeiteten, sondern stets die ganze Schale oder den grössten Teil derselben ab- trugen, ohne die entstandene Öffnung zu verkleben. Bei geschlosse- nen Schalen schlägt das Herz viel langsamer als bei seöffneten. Im ganzen Tierreich ist bis jetzt auch nichts Ähnliches bekannt geworden. Das einzige, woran man denken könnte, ist der Winterschlaf und die dadurch bedingte herabgesetzte Tätigkeit des Herzens. Wir besitzen die treffliche Arbeit von Lang über den Winterschlaf von Helix. Ich entnehme daraus, dass hier der Herz- schlag erheblich reduziert wird, d. h. bei gleichen Temperaturen pulsiert das Herz viel langsamer im Winter als im Sommer. Februar März Memperatuns 9,5000... 2227418 14 2 1. N il) 24,5 Auch bei Wirbeltieren findet im Winterschlafe eine Abnahme der Herzfrequenz statt. Zum ersten Male lernen wir aber nun Tiere kennen, welche zu jeder Zeit ihre Herzrhythmik ausserordentlich stark variieren können. 1) Dubois, Anales de Societ& Lymn. Lyon. Bd. 45. 1899. 294 Walter Koch: So fand ich als Mittel für Versuche, welche sich über eine Zeit von 6 Monaten erstrecken, bei Zimmertemperatur (14—16°) die Puls- zahl von 4,615 in der Minute bei vollkommen geöffneter Schale (Dauer eines Schlages 13 Sekunden). Bei geschlossener Schale dagegen zeigten sie nur 1,352 Schläge (Dauer 44,4 Sekunden). Dauer einer Schläge Kontraktion in der Minute Geoinen Sonsele 4,6 Geschlossen . 44,4 Sek. 1,4 1:83,29 Das angegebene Verhältnis ist aber bei weitem noch nicht das Extrem. Zwischen den Pulszahlen bei geöffneten und geschlossenen Schalen liegen alle möglichen Übergänge. Bei den Aufzeichnungen kann man nun leider nie entscheiden, ob man es mit einem Extrem oder nur mit einer Übergangszahl zu tun hat. Berücksichtigt man dies, so kommt man dazu, dass bei geöffneten Schalen das Herz 4—5 mal so schnell schlägt als bei geschlossenen. Das-- selbe geht auch aus Ergebnissen hervor, welche am gleichen Tier gewonnen Sind; zum Beispiel fanden sich folgende Extreme: Tier Temperatur Geschlossen Geöffnet Verhältnis Nr. 49 14,1 1,5 5,4 1: 3,6 Nr. 52 16,0 1,3 6,0 1: 4,6 Nr. 53 16,0 1,5 7,6 ro, Nr. 54 117,0) 1,2 4,7 i2:5>, Wie bereits hervorgehoben, sind auch alle Übergangswerte vorhanden. Für halbgeöffnete Tiere fand ich im Durchschnitt 1,72 (= 34,9 Sek.), ein Wert, der in der Mitte der beiden oben gegebenen Werte liest. Den Einfluss des Schliessens und Öffnens der Schalen kann man sogar direkt beobachten. Ich teile einen Versuch hier mit: Tier Nr. 46. (6. März 1914.) 14,5% 0. Zeitdauer der Schläge in Sekunden. Öffnet sich allmählich: 53, 41, 42, 43, 33, 38, 39, 33,839, 36,83, 82, 31, 29,26, 270.02522..21, 20,19, 1 1lk 16,2:170516, 16,16, 15, 14,015, 2% nach, Minuten oralen 12,38, 13, 12,212. Beim Schliessen erfolgt entsprechend eine Abnahme, nur ist diese bedeutend langsamer: zum Beispiel eine Beobachtung am gleichen Tier. Temperatur 15°. | Der Herzschlag von Anodonta unter künstl. und natürl. Bedingungen. 295 Z eit _ Dauer der . Sehläge Kontraktionen in der Minute 9h 48’ geöftnet 9,5 6,33 10h 00’ 8,8 en 10h 05’ 8,3 7.23 105 15’ Beginn des Schliessens 10,6 5,66 10h 25’ 1L1058 5,21 10h 35’ io 3,85 11h 00' 156 3,85 12h 00’ fest geschlossen 17,3 3,47 2h 20' 23,0 2,61 Weitere Versuche sollten noch etwas mehr diese Verhältnisse untersuchen. Dazu war zunächst eine genaue Kenntnis des Ein- flusses der Temperatur nötig. 4. Temperatur. In allen Arbeiten über den Herzschlag der Mollusken begegnen uns als Hauptfaktoren die Aktivität und Temperatur. Erstere habe ich bereits als für Anodonta nur im geringem Masse bestimmend gekennzeichnet. Letztere spielt dagegen auch hier in sehr grossem Masse mit. Eine grosse Reihe von Versuchen haben mir dies bewiesen. Die besten Arbeiten, welche wir über diesen Gegenstand an Mollusken besitzen, rühren von Lang!) her. Dort finden wir auch die Angaben der älteren Autoren und die Literatur. Er hat an Helix im Winterschlafe gearbeitet. Seine Kurven zeigen in prächtiger Weise die Übereinstimmung von Temperatur und Pulsfrequenz. Während bei niederen Temperaturen fast Parallelität zwischen beiden Kurven herrscht, divergieren sie bei höheren Temperaturen etwas. Rywosch?) hat (1905) an Heteropoden gearbeitet. Auch er betont den grossen Einfluss der Temperatursteigerung. Die Puls- frequenz nimmt bis 30—33 ° zu, innerhalb von 2—3 Graden erfolgen dann Unregelmässigkeiten, worauf schon „mit staunenswerter Prä- zision“ diastolischer Stillstand eintritt. Bei 38—40° erfolgte dagegen mit plötzlichem Ruck Stillstand in Systole. Während sich das Herz nach dem ersten Stillstand beim Abkühlen gut erholt, selbst nach einstündiger Einwirkung, bleibt der zweite, sobald er länger als 5 Minuten dauert, irreparabel. 1).A. Eine loc. cit. 2) D. Rywosch, Arch. d. ges. Physiol. Bd. 109°. 1905. 296 Walter Koch: Vor ihm fand Knoll!) ganz enstprechend ebenfalls an Hetero- poden bis 30° regelmässige Zunahme, dann eine bedeutende Volumen- schwankung mit periodischem Erschlaffen, dagegen nie diastolischen Stillstand. Das Maximum betrug 160—1S0 Schläge bei 34—37° Sie waren energisch aber sehr klein. Jenseits dieser Temperatur erfolgte dann eine Abnahme auf 100—120 Pulse. Stillstand erfolgte bei 39—40°. Ein bedeutend höheres Temperaturmaximum für die Kontrak- tionen fand Biedermann’) (18383) am ausgeschnittenen, in physio- logischer Kochsalzlösung pulsierendem Herzen von Helix. Er findet .es bei 49°. Bei 46—47° fanden noch längere Zeit regelmässige Kontraktionen statt. “ Pieri®) (1895) fand, dass bei der Erwärmung einer Tapes de- cussata auf 45—50° nach einer Viertelstunde stets der Tod eintrat. Plötzliche Erwärmungen hat Frenzel‘) 1885 angewandt. Er berichtet, dass Murex längere Zeit hindurch eine Temperatur von 30° vertragen kann. Auch Pecten geht bei dieser Temperatur nicht sofort zugrunde. Carlson?°) (1906) fasst alle Ergebnisse an Wirbellosen in seiner Arbeit zusammen. Er unterscheidet die Wirkungen der Wärme auf den Muskel, die Herzganglien und das ganze Herz. Für: erstere beträgt das Optimum 10—14°. Höhere Temperaturen bedingen eine Abnahme der Kontraktionsstärke, bei 32° erfolet diastolischer Stillstand, der Muskel reagiert aber noch bis 50° auf direkte Reize, ist also nur ruhend. Ein Stillstand erfolet ebenso bei niederen Temperaturen bei 0—1° C. Die physiologischen Grenzen des Herz- “ ganglions liegen zwischen 1—42°, d. h. die obere Grenze ist 10° höher als am Muskel. (Versuche am Limulus.) Die Wirkung der Temperaturerhöhung auf das ganze Herz setzt sich nun aus beiden Komponenten zusammen, ist also nicht so einfach, wie man wohl früher angenommen hat. Den merkwürdigen Stillstand, welcher bei 32° zustande kommt, erklärt er dadurch, dass bei dieser Tem- I) Knoll, Akad. d. Wissensch. in Wien, math.-naturw. Klasse, Abt 2. S. 887. 1898. 2) Wilh. Biedermann, Über das Herz von Helia pomatia. Sitzungsber. d. Wiener Akad., math.-nat. Klasse Bd. 89 Abt. 3. 1884. 8) Pieri, Compt. rend. t. 120 p. 52. 1885. 4) Frenzel, Pflüger’s Arch. Bd. 36 S. 458. 1885. 5) Carlson, Americ. Journ. of Physiol, vol. 15 p. 9, 207 and 317. 1906. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 297 peratur die Reizbarkeit des Herzmuskels so weit herabgesetzt ist, dass er auf die nervösen Impulse des Ganglions nicht mehr reagiert, obgleich man ihn durch stärkere künstliche Reize kontrahieren lassen kann. Bei noch höheren Temperaturen wird die Erregbarkeit noch mehr herabgesetzt, sodass selbst diese Reize unwirksam bleiben. Die meisten Versuche sind am Herz vom Limulus angestellt, da dieser das einzige Tier ist, bei dem man die Wirkungen auf Herz- muskel und Herzganglien getrennt studieren kann. Meine eigenen Untersuchungen beweisen ebenfalls die ausser- ordentliche Abhängigkeit des Herzschlages der Moliusken von der Temperatur. Selbst bei den ganz geringen Temperaturschwankungen von 14—16°, also bei Zimmertemperatur, ergaben sich bei der Be- rechnung der oben mitgeteilten Mittelwerte kleinere Abweichungen. Ich fand als Mittel von 6 Monaten: Temp. Geschlossen Halbgeöffnet Geöffnet ua 100 0206920293. 152” 395 seele 12,9” 26H lo 021405, 720.02 300. 11:97 25:0% m 44,4” 1,35 346072165 1.0 2,02 Der Temperaturkoeffizient scheint hiernach für geöffnete Tiere etwas grösser zu sein als für geschlossene. Bei meinen weiteren Untersuchungen wurde folgende Methode angewandt: Wie schon oben erwähnt, reaeiert der Herzschlag sehr leicht auf geringe Berührungen oder Unregelmässiekeiten. Von einem Zugiessen von erwärmtem Wasser oder gar Umsetzen in ein anderes Becken kann also hier keine Rede sein. Es musste als einzige Lösung stets fliessendes Wasser angewandt werden, da nur so ein Temperaturwechsel ohne Störung erzielt werden kann. Die Tiere befanden sich im operierten Zustande in dem Versuchsbecken. Um Pulsschwankungen durch Öffnen und Schliessen zu verhindern, wurde ein Holzklötzchen mit gekerbten Rändern (um ein Ausstossen desselben zu verhindern) zwischen den Schalen fest eingeklemmt. Dabei ist zu vermerken, dass künstlich geöffnete Tiere stets eine ge- ringere Frequenz zeigen als solche, die von selbst ihre Schalen ge- öffnet haben. In das Versuchsbecken floss aus einem höher gelegenen Aquarium dauernd eine geringe Menge Wasser durch ‚einen Heber zu. Um das erwärmte Wasser zuerst mit dem Tier in Berührung zu bringen, wurde die Spitze des Hebers in die In- gestionsöffnung des Tieres eingeführt. Während einer längeren Zeit Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 20 398 Walter Koch: wurde dann die normale Schlagzahl bei Zimmertemperatur festgestellt. Das Umschalten konnte bei dieser Versuchsanordnung auf folgende einfache Weise vorgenommen werden: das zufliessende Wasser wurde abgestellt und statt dessen wärmeres Wasser, welches in einem ein- fachen Thermostaten auf eine konstante Temperatur gebracht worden war, in das Vorbecken eingeleitet. Letzteres wurde eingeschaltet, um eine vollständige Durchmischung zu gewährleisten. Nachdem bei der neuen konstanten Temperatur längere Zeit Ablesungen vor- genommen worden waren, wurde der Thermostat auf eine höhere Temperatur eingestellt. Der Abfluss des Versuchsbeckens regelte sich wieder automatisch. Temperaturversuche I 4,0 3,5 3,0 2,5 Schläge in der Minute 2,0 1,5 1,0 ---- = rasche Erwärmung uS5Ses su a0 122 3 AM 35 2%6 27 28 29 300 C. Fig. 1. Trotz aller Vorsichtsmassregeln zeigen sich im allgemeinen keine geraden Kurven. Wie bei allen physiologischen Prozessen scheinen auch hier bei den einzelnen Versuchen verschiedene unbekannte Faktoren mitzuspielen. Wichtig ist vor allem, dass die Temperatur- zunahme nicht zu rasch erfolet. Es ist auch schon länger bekannt, dass die Temperaturveränderung als solche schon als Reiz wirkt. Knoll sehreibt zum Beispiel, dass die Zunahme der Frequenz um so rascher erfolgt, je schneller die Temperatur erreicht wird. Dann erfolgt bei konstanter Temperatur eine Abnahme (vgl. auch Bieder- mann’s Arbeit an Helix). Betrachten wir die punktierte Kurve (Fig. 1, Tier 104), so zeigt sich, dass bei einer raschen Erwärmung zunächst auch eine gleichmässige Zunahme der Pulse erfolgt. Doch von einem gewissen, variablen Punkte an erfolgt trotz steigender Wärmezufuhr keine Beschleunigung mehr, sondern es macht sich im Gegenteil eine Ab- nahme der Schläge in der Zeiteinheit bemerkbar. Bei diesem Tier war dieser Punkt zum Beispiel bei 20° erreicht. Trotz der Tem- Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 299 peraturzunahme von 20 auf 23° erfolgte eine Abnahme der Frequenz von 3,16 Schlägen in der Minute auf 2. Die Zahlen für diese Ver- suche sind folgende: 14°: 1,20 Schläge in der Minute 21,3°: 2,17 Schläge in der Minute 16 vs 2,04 „ ”„-» » 289 ’ : 2,02 ” De?) » 17 WS 2.49 ” »9» „ 25 2: 2,66 „ DE) ” 1 8 De 2,88 n) »» ” 26,9 " = 3,43 $)) De) „ 185.0 Pa re Se nl on a el Sl 28 ae, ig 20°: 3.16 7 „ „ „ 28,8 Se: 2,78 „ ” b) ” 20,5 gi: 2,91 en »» D) DONE 2,60 » 7 ” 21 2 : 3,06 ” » „ ” 30 * 5 2,89 ” ”„ 2 ” Um diese eroben Abweichungen zu vermeiden, wurde ganz langsam erwärmt, so dass ein Versuch, welcher das Intervall von 14—32° umfasste, 10—11 Stunden dauerte. Dadurch wird es zur Unmöglichkeit, an einem einzigen Tier das ganze Temperaturintervall von 0—40° zu untersuchen. Besonders die höheren Temperaturen wirken bei längerer Zeitdauer auf die Tiere schädigend ein. Ich habe zunächst das Temperaturintervall von 15—35° untersucht und dann getrennt davon dasjenige von 15—0°. Trägt man die gewonnenen Daten in ein Ordinatensystem ein, so zeigen sich noch ziemlich viele Unregelmässiekeiten, die wahrscheinlich durch die Tiere selbst, durch Versuchsunregelmässigkeiten oder andere nicht bekannte Faktoren bedingt sind. Diese kann man aber be- seitigen, wenn man Kurven, welche aus mehreren Versuchen und an verschiedenen Individuen gewonnen sind, zusammenlegt. Jedes Tier hat meist eine besondere, normale Schlagzahl. In der Kurve drückt sich dies aber höchstens durch eine Parallelverschiebung aus, auf den Verlauf derselben bleibt sie ohne Einfluss. Innerhalb von 14—30° nimmt der Herzschlag fast ganz regel- mässig mit der Temperatur zu. Nur von ca. 25° ab erfolgt die Zunahme etwas schneller. Von 30° ab beeinnen die Schläge un- regelmässig zu werden. Es findet sich also auch hier der gleiche wichtige Temperaturabschnitt wie in den oben erwähnten Arbeiten. Es ist möglich, dass dies mit einem bei dieser Temperatur gerinnenden Eiweiss der Mollusken zusammenhängt (neuerdings hat auch Straub am Aplysienherzen die gleiche Temperatur als Grenze für rhythmische Pulse gefunden, 1909). Bis zu 40° finden meist unregelmässige, fliegende Pulse statt, die oft von längeren diastolischen Pausen unterbrochen sind. Auch 20 * 300 Walter Koch: Yung!) 1881 gibt eine Beschleunigung bis zu 40° bei Lamelli- branchiern zu. 40—41° wird noch längere Zeit vertragen, doch schon 42° wirkt schädigend auf das Herz ein. Eine Abkühlung hat dann keinen rechten Erfolg mehr. Bis zu 44° können noch Kontraktionen stattfinden, doch tritt dann in der Regel rasch der Tod ein. Die Zeitdauer scheint von dem Zustande des Tieres ab- zuhängen. Schönlein’) fand für Aplysia eine etwas höhere Tem- peratur, 45%, Biedermann?) für das ausgeschnittene, in physio- logischer Kochsalzlösung schlagende Herz von Helix sogar 49°. Yung*) bemerkte entsprechend, dass die Tiere bei 40° noch eine halbe Stunde leben. Eine Temperatur von 52—60° bewirkte aber den Tod nach 5 Minuten. Die optimale Temperatur für Anodonta ist zwischen S und 15°. Da sind jedenfalls die Schläge am kräftiesten und regelmässigsten. Willem und Minne?°) haben als Werte. für die mittleren Temperaturen folgende Zahlen angegeben: Bei der Abkühlung 15% 9 35°: 16!/a Schläge in der Minute Ds 230%: 18a N Mayr 3 Zn 250: 1022 a N R SONG 19 2 N ER 5 3903, Bla mach 2 Binden A, N - Au)de Alzle Auf den ersten Blick bemerken wir, dass wir es bei diesen Versuchen mit den oben erwähnten Reizerscheinungen zu tun haben. Das Versuchstier befand sich bei ihnen in einer Porzellanschale, welche durch eine Flamme direkt erwärmt wurde. Das Anormale ergibt sich auch aus den völlig abweichenden Ergebnissen bei der Abkühlung. In meinen Versuchen zeigten sich auch bei der Abkühlung fast die gleichen Werte. Wegen der langen Zeitdauer eines Versuches konnte ich dies nur in zwei Fällen untersuchen. 1) E. Yung, Compt. rend. t. 90 p. 166, t. 91. 1880, t. 93. 1881. — Arch. de Zool. experim. t.9. 1831. x 2) K. Schönlein, Zeitschr. f. Biol. Bd. 12, N. F. S. 187. 1894. 3) Wilh. Biedermann, loc. cit. 4) E. Yung, Compt. rend. t. 90 p. 166, t. 91. 1880, t. 93. 1881. — Memoir. couronnees de l’Acad. Royale de Belgique t. 49. 1888. — Archive de Zool. experim. t.9. 1881. 5) Willem et Minne, loc. cit. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 301 Berechne ich aus allen Versuchen (8) die Mittelwerte für die einzelnen Temperaturgrade (einige wenige fehlende Grade bei ein- zelnen Versuchen wurden durch die interpolierten Werte ersetzt), so ergeben sich folgende Zahlen: Temperatur Zeitdauer Schlagzahl Temperatur- ° ©. I ee in ne en Q=10 15 371 1.626 1,79 16 342 1,754 1,76 17 318 1,887 1,67 18 77 398 2,013 1,46 19 285 2,105 1,83 20 263 2,281 1,43 21 252 2,381 1,46 22 241 2,490 1,17 23 237 2,932 2,33 24 209 2,871 1,94 25 191 3,141 1,61 26 180 3.333 1,06 27 179 9,392 1,59 28 169 3,990 1,06 29 168 3,571 — 30 171 3,909 — Tragen wir auch diese Werte im Koordinatensystem ein, so bekommen wir eine gerade Linie, welche bis zu 29° regelmässig ansteigt. Nach Pütter!) können wir hier ein rechtwinkliges Koordinatensystem anwenden, da das Intervall zu klein ist, um eine nennenswerte Ab- weichung von einer Exponentialkurve zu erhalten. Diese würde die komplizierten physiologischen Prozesse besser zum Ausdruck bringen. Kurven höherer Ordnung werden dann zur Graden. Würde zum Beispiel der Temperaturkoeffizient Q,, gleich 2, so müsste mindestens ein Temperaturintervall von 15° vorliegen, um in den beiden Ko- ordinatensystemen Abweichungen hervorzubringen. Wie bereits er- wähnt, ist dies aber aus technischen Gründen bei diesen Versuchen nicht möglich. Berechnen wir nun für jede einzelne Temperatur den Quotienten für Q —= 10°, so zeiet sich, dass dieser innerhalb der untersuchten Temperaturen sich wenig ändert. (Nach Pütter müssen wir stets mit Fehlern von gut 10° rechnen.) Frst bei höheren Temperaturen nimmt Q etwas ab. Von 29° an erfolgt ein geringes Absinken auf 30°. Da dann, wie schon erwähnt, unregel- 1) Pütter, Temperaturkoeffizienten. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 16 S. 574. 1914. 302 Walter Koch: mässige Schläge beginnen, wurde von einer Aufzeichnung bei höheren Temperaturen abgesehen. Auf einen Punkt möchte ich hier nochmals hinweisen. Vergleichen wir die Zahlen, welche ich als Mittelwert für Zimmertemperatur mitteilte, mit den entsprechenden Werten der letzten Versuche, so fällt die viel geringere Frequenz auf. Wir haben hier Zahlen, welche fast nur die Hälfte der oben gegebenen betragen. Die Ur- sache ist mir unbekannt geblieben. Es ist aber sehr leicht möglich, dass die geringen Schlagzahlen von dem Einleiten des Wassers in das Tier herrühren. Möglicherweise wird dadurch die Tätigkeit der Geisseln der Kiemen verändert, wodurch dann sekundär eine Än- derung des Herzschlages folgt. (Ich werde im nächsten Kapitel zeigen, dass gerade die Atmung einen sehr grossen Einfluss auf die Tätigkeit des Ventrikels ausübt.) Auf den Verlauf der Kurve hat diese Erscheinung keinen Einfluss, da diese vollkommen mit den Ergebnissen, welche bisher an wirbellosen Tieren gefunden wurden, übereinstimmt. Die extrem niedrigen Werte scheinen dagegen nicht bei allen Lamellibranchiern vorzuliegen. Yung!) teilt zum Beispiel Schlag- zahlen von Mya arenaria mit; er findet: 17°: 12 Schläge in der Minute | 30°: 35 Schläge .in der Minute 20T ” »9 D) 35°: 40 » DD » 230: 25 Mn) en | 40°: 48 b) DD e) $7] Wir wenden uns nun dem Einflusse niederer Temperaturen zu. Hier wurde von der Anwendung fliessenden Wassers abgesehen, da dies auf grosse experimentelle Schwierigkeiten sties. Ich nahm diese Versuche deshalb im Winter im Freien und in verschieden kalten Räumen vor, so dass auch hier sicher längere Zeit konstante Temperaturen herrschten. Anodonta gehört zu denjenigen Tieren, welche, wenigstens nach meinen Versuchen, ein Einfrieren nicht vertragen. Selbst das vorsichtigste Auftauen lässt nur den einge- tretenen Tod erkennen. Flemming?) teilt gelegentlich mit, dass die Tiere ausnahmsweise das Einfrieren vertragen sollen. Da er aber seine Versuchstiere nur auf Eis mit Salz gelegt hat, ist wohl anzunehmen, dass ein vollständiges Durchfrieren in diesen Fällen nicht stattgefunden hat. Eine meinen Beobachtungen entgegen- 1) E. Yung, Archive de Zool. experim. t.9. 1881. 2) Flemming, Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 15. 1878. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 303 gesetzte Angabe findet sich noch bei Joly'), welcher das Einfrieren von Paludina vivipara und Anodonta cygnea beobachtete. Die Tiere lebten in zwei flachen Gefässen. Am 9. November fiel das Thermo- meter mehrere Grade unter Null. Am anderen Morgen fand er die Tiere „entoure&s d’un epais glacon“. Nach dem Auftauen lebten ungefähr zehn Tiere noch bis zum 28. Nach meinen Beobachtungen lebten Tiere nur fort, wenn noch etwas Wasser unter dem Eis vorhanden war. Es genügt dazu eine geringe Menge, welche sich um das Tier herum befindet. Lang hat Helix pomatia noch bei — 3° pulsieren sehen. Ebenso beobachtete Yung, dass eingedeckelte Weinbergs- schnecken noch mehrere Grad Kälte vertragen können. Eine ältere Zusammenstellung der meisten Wirbellosen, welche das Einfrieren vertragen, findet sich in Schmarda’s?) Geographie der Tiere. Als Mittelwert von sechs Versuchen fand ich folgende Zahlen für tiefe Temperaturen (Fig. 2): Schlä n Ur- Temperatur in I Minute en 16° 4,13 1,74 14 ° 3,60 1,66 122 3,18 1,78 10° 2,75 1,66 8° 2,43 2,33 6° 1,92 "2,13 40 1,55 3,17 20 1,08 3,90 0 0,72 — Die geringsten Zahlen, welche überhaupt beobachtet wurden, waren 0,417 und 0,407, d. h. zehn Schläge dauerten 1437 und 1473 Sekunden. Diese Werte sind gleichzeitig die Minimalwerte, welche überhaupt im Tierreich bisher bekannt sind. Vier Versuche sind im Januar vorgenommen worden, zwei Kontroilversuche dagegen Anfang September in einem aus mehreren ineinandergestellten Aquarien her- gestellten Thermostaten, welcher mit Eis und Viehsalz langsam ab- gekühlt wurde. Es zeigten sich fast die gleichen Werte. Das Minimum betrug bei diesem Versuche bei 0° 0,85 und 0,71 Schläge. Aus diesen Werten, sowie aus den aus sechs aufeinanderfolgenden Monaten (Januar bis Juni) berechneten Mittelwerten, welche gut übereinstimmen und ganz unregelmässie vom Mittel abweichen, schliesse ich, dass 1) Joly, Compt. rend. t. 16 p. 469. 1892. 2) Schmarda, Geographie der Tiere, 304 Walter Koch: der Herzschlag unserer Teichmuschel ganz unabhängig von der Jahreszeit ist. (Leider kann ich die Berechnungen nicht für das sanze Jahr anstellen, da dann andere Versuchsbedingungen herrschten. Ich möchte auch im voraus bemerken, dass ich einen Einfluss der Jahreszeit auf die chemische Empfindlichkeit des Herzens nicht ge- funden habe.) Bisher hat man. allgemein einen Winterschlaf bei Muscheln angenommen, wenigstens finde ich einige wenige Angaben darüber beiSemper!) und Doflein?). Meinen Versuchen nach ist diese Annahme aber nicht zutreffend. Eine solche Einrichtung ist hier Tiefe Temperaturen IJ Schläge in der Minute Da aan 78 Dee ee 100 Fig. 2. aber auch gar nicht nötig. Wie wir oben gesehen haben, findet allein durch die Temperatur eine ausserordentliche Herabsetzung der Herz- tätigkeit und damit der Lebenstätigkeit überhaupt statt. Im ex- tremsten Falle bei 0 ° dauert ein einziger Schlag 2 Minuten 17 Se- kunden! Dazu besitzt aber Anodonta noch das Mittel, „willkürlich“ die Tätigkeit des Ventrikels herabzusetzen, nämlich durch Öffnen und Schliessen der Schalen. Leider konnte ich keine Beobachtungen an einem geschlossenen Tiere bei 0 ° anstellen. Es lässt sich aber nach den obigen Untersuchungen wohl als sicher annehmen, dass auch hier eine grössere Verminderung der Schlasfrequenz eintreten würde. Für landlebende Mollusken ist dagegen ein Winterschlaf sicher festgestellt, zum Beispiel für Helix von Lang?). l) Karl Semper, Die natürlichen Existenzbedingungen der Tiere. Leipzig 1880. 2) Hesse und Doflein, Tierbau und Tierleben. 3) A. Lang, Festschrift für Hertwig. Experim. Arbeiten. Winterschlaf von Helix. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 205 Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die Temperatur- koeffizienten. Die beobachteten Schlagzahlen bei niederer Temperatur geben, in ein Koordinatensystem eingetragen, wieder eine gerade, regelmässig ansteigende Kurve. Auch hier habe ich nun die Tem- peraturkoeffizienten aus den Differenzen von zwei aufeinanderfolgenden Werten für 10 ° berechnet, zuın Beispiel bei 0 bis 2° 1,08 — 0,72 — 0,36. Bei 10° müsste die Differenz demnach 1,80 sein. Die Fre- quenz betrüge danuı 0,72 + 1,50 = 2,52. Der Temperaturkoeffizient berechnet sich dann als 2,52 : 0,72 —= 3,5. Die weiteren Werte finden sich in der dritten Spalte der zweiten Tabelle. Bei niederen Tem- peraturen ist der Koeffizient ziemlich gross. Er nimmt aber dann rasch ab, und schon von 6° an wird er innerhalb gewisser Grenzen konstant. Das Auffällige dabei ist nun, dass er fast genau den gleichen Wert annimmt, welchen ich oben schon für die mittleren Temperaturen . angegeben habe, obwohl, wie ich bereits oben bemerkt habe, dort ganz abweichende Versuchsbedingungen geherrscht haben. Während oben ein Einleiten des Wassers in das Tier stattfand und dabei merkwürdigerweise für die Frequenz zu geringe Zahlen gefunden wurden, befanden sich die Tiere bei der zweiten Versuchsreihe in ihrem natürlichen Zustande, wenn wir von dem künstlichen Öffnen der Schalen absehen. Die Ablesungen fanden ohne irgendwelchen Wasserwechsel nur im Becken, welches sich innerhalb eines Thermo- staten oder im Freien befand, statt. Auf Grund dieser Ergebnisse halte ich mich auch für berechtigt, den Verlauf der mitgeteilten Kurve für die mittleren Temperaturen als normal anzusehen. Das Absinken der Temperaturkoeffizienten mit steigender Tem- peratur ist eine Tatsache, welche schon Snyder!) an einem viel höher stehenden Tiere gefunden hat, nämlich am Herzen der kali- fornischen Schildkröte. Er untersuchte die Zuckungsgeschwindigkeit des Ventrikels bei verschiedener Temperatur und fand: 0—10° 10,2 10—20° 2,2 20—80 ° 1,9 » .830-40° 1 d. h. das Verhältnis der um 10 ° auseinanderliegenden Geschwindig- keiten ist sehr gross bei niederen Temperaturen und klein bei höheren. Ich fand an Anodonta nun ganz entsprechend, dass die Schlag- geschwindigkeit bei niederen Temperaturen schneller zunimmt als 1) C. Snyder, University of Californien. Pußlic. of Physiol. vol. 2. 1905. Zit. nach Cohen, Physikal. Chemie für Ärzte. Leipzig 1907. 306 \Waltennsktotch. bei mittleren und höheren. Von 8° an ist die Zunahme nur noch gering. Dieses wird in Kurve 3 dargestellt, welche die Abnahme der Temperaturkoeffizienten sehr anschaulich darstellt. Abweichungen nach der einen Seite sind von einer entsprechenden nach der anderen gefolgt. Ich habe auch schon erwähnt, dass die optimale Tem- - peratur für die Teichmuschel mit 8° beginnt. Wahrscheinlich liest hier ein engerer Zusammenhang vor. Auch aus Snyder’s Werten kann man entnehmen, dass sich die Temperaturkoeffizienten in dem Intervall von 10—30 ° nur in sehr geringem Maasse ändern. Wegen der sehr grossen Unregelmässigkeiten konnte ich die Temperatur_ koeffizienten von über 30 ° nicht mehr aufstellen. 3.0 Temperaturkoeffizienten Ill Q -ı0° Schläge in der Minute Fig. 3. Cohen!) weist darauf hin, dass der Verlauf der Temperatur- koeffizienten an den Herzen ganz gleich dem gestaltet ist, welcher sich bei einer rein chemischen Reaktion findet. Daraus dürfen wir aber nun keinesfalls schliessen, dass wir es wirklich nur mit einer solchen zu tun hätten, denn es spielen hier eine ausserordentliche Menge von Faktoren mit, welche sich nicht rein chemisch erklären lassen. Einen Beweis dafür sehe ich schon in den vielen, zum Teil noch ganz unbekannten Einflüssen, welche die rhythmische Tätigkeit eines Herzens beeinflussen können. 5. Sauerstoff. Die auffallenden Ergebnisse, welche ich beim Öffnen und Schliessen des Tieres fand, veranlassten mich, diesen Punkt noch etwas näher zu untersuchen. Es lag da vor allem nahe, an den 1) Cohen, Physikal. Chemie für Ärzte. Leipzig 1907. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 307 Finfluss der Atmung zu denken, denn durch das Schliessen der Schalen wird die Zirkulation des Atemwassers sistiert. Für die Wirbeltiere ist der Zusammenhang des Zirkulationsmechanismus mit der Atemrhythmik sicher festoestellt. Bei Wirbellosen, speziell bei Mollusken, kann man das gegenseitige Beeinflussen schon aus den anatomischen Verhältnissen vermuten. Sehr schön tritt der Zusammen- hang von Herz und Kiemen in den Schemata zutage, welche Hescheler in seiner vergleichenden Anatomie der Mollusken gibt. Bestünde nun auch ein physiologischer Zusammenhang, so würde man erwarten können, dass ein sauerstoffreiches Wasser die Herzfrequenz be- schleunigen, ein sauerstoffarmes dagegen die Pulse herabsetzen würde. Einmal ist der Zusammenhang von Atem- und Zirkulations- mechanik bei Mollusken sicher nachgewiesen, und zwar an Cephalo- poden. Fr&d&ricq!) beobachtete, dass bei Tieren, welche durch ‚die Operation noch nicht irritiert waren, der Atem- und Herzrhythmus isochron waren. Natürlich konnte dies nur im Moment des Öffnens sein, da durch das Aufschneiden der Atemhöhle schwere physiologische Störungen stattfinden. Auch Uexküll?) nimmt für Cephalopoden eine Selbststeuerung der Atmung an, genau so wie sie für Wirbel- tiere nachgewiesen ist. Allerdings soll hier die Automatie noch rein primär, nicht zentral sein (d. h. „chemisch“ oder „durch das Blut“). Leider hat Anodonta keine rhythmische Atembewegungen auf- zuweisen. Wichtig für den Wasserwechsel sind besonders drei Be- wegungen: 1. die Flimmerbewegungen an den Rändern der Kiemen- blätter, 2. das Auf- und Zuklappen der Schalen, 3. die Bewegungen der Kiemenblätter als Ganzes. Die Flimmerbewegungen erzeugen einen sehr kräftigen Strom des Atemwassers, welcher aber nicht rhythmisch, sondern konstant ist. Ich habe zum Beispiel beobachtet, dass in ‚einem flachen Becken mit leicht verunreinistem Wasser, wo der Strom also sehr gut zu sehen ist, 4 Minuten lang ununterbrochen ‚das Wasser ausströmte. Durch Klappen der Schalen kam dann eine kurze Unterbrechung, darauf begann der Strom von neuem 5 Minuten und schliesslich noch einmal 2 Minuten lang, zusammen also 11 Mi- nuten. Ähnliche Beobachtungen teilt Babak in Winterstein’s l) Leon Fredericgq, Arch. de Biol. t. 12. 1892, et t.20 p. 709. 1904. — “Arch. de Zool. experim. I. Ser. t.7 S. 535. 1878. 2) Uexküll, Zeitschr. f. Biol. Bd. 30. 1893. 308 Walter Koch: Handbuch !) mit. Er betont ausdrücklich, dass bei der Beurteilung: der Atmung man sich nicht durch die scheinbare Stärke des Stromes. irritieren lassen darf, denn diese ist nicht nur von der Atemtätiekeit, sondern vor allem von der variablen Weite der Egestionsöffnung ab- hängeig. Dort finde ich auch eine Arbeit von Nagais referiert, nach welcher die Tätigkeit der Cilien tatsächlich durch den Sauerstoff verändert werden kann. In einem Stickstofistrome erstickte die an- fangs sehr lebhafte Flimmerbewegung am Fusse von Cyclas cornea nach 3—5 Stunden. Die eingestellte Tätigkeit begann aber schon nach einer Minute wieder, wenn Ö zugeleitet wurde. Nach 3—5 Mi- nuten machte sich sogar eine sowohl in bezug auf Amplitude als auch auf die Frequenz äusserst starke Erregung des Flimmerstranges bemerkbar, welche auch noch nach der Unterbrechung des O-Stromes einige Zeit andauerte. Die Bewegungen der Schale sind ganz unregelmässig, und nach Babäk lassen sie sich auch nicht zum Sauerstoffgehalt des Mediums in Beziehung bringen. Bei meinen Versuchen wurden sie ausgeschaltet. Die dritte Art der Atembewegungen habe ich nie beobachten können, obwohl man sie doch gerade bei meiner Versuchsanordnung, wo die so wichtige und kräftige Schalenbewegung verhindert wurde, hätte erst recht erwarten können. Zunächst habe ich den Einfluss des mit Sauerstoff übersättigten Wassers untersucht. Die Anordzung der Versuche war ähnlich der, welche bei der Einwirkung der mittleren Temperaturen angewandt wurde. Es wurden hier drei Becken benutzt, von denen 1 und 2 gleich hoch standen, wohingegen 3, das Becken mit dem operierten Versuchstiere, 4 cm tiefer stand. Alle drei Becken waren mit einem | selbsttätigen Ablaufheber versehen, so dass die Wasserspiegel in 1 und 2 stets gleich hoch, derjenige von 3 aber 4 cm tiefer stand. Die Verbindung zwischen den höher gelegenen und dem Versuchs- becken wurde wieder durch einen vorn zugespitzten Heber hergestellt. Es erwies sich als sehr zweckmässig, in ihn ein Stück Gummischlauch einzuschalten. Auf diese Weise gelingt es in sehr einfacher Weise, eine Änderung im zugeführten Wasser vorzunehmen. In Becken 1 befand sich stets Leitungswasser, in 2 dagegen das mit Sauerstoff gesättigte Wasser. Dieses wurde in einem grossen, 50 Liter enthaltenden Glasballon hergestellt. Der Sauerstoff, welcher aus einer Bombe 1) Winterstein, Handbuch der vergl. Physiologie der niederen Tiere. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen 309 entnommen wurde, perlte dauernd durch einen Durchlülter in dem Vorratswasser auf. Der Ballon war oben vollkommen abeedichtet und besass zwei Röhren, welche bis auf den Boden des Gefässes führten, das Rohr mit dem Durchlüfter und ein Glasrohr, welches das Wasser zum Becken 2 führte. Dann war noch ein Glashahn eineekittet. Nachdem nun mindestens 3 Stunden bei offenem Hahne O durchseleitet worden war, konnte durch das: Schliessen des Hahnes das Wasser durch den zunehmenden Sauerstoffdruck in die Becken gedrückt werden. Nach längerer Versuchszeit (1 Stunde) wurde das Umschalten auf folgende einfache Weise vorgenommen; der Gummischlauch des Hebers wurde mit den Fingern zusammen- sedrückt und sein freies Ende rasch vom Becken 1 nach 2 übergeführt. Das zugespitzte Ende war wieder dauernd in die Ingestionsöffnung der Tiere eingesteckt. Eine nennenswerte Unterbrechung des Wasser- stromes und eine Reizung des Tieres wurde so vermieden. Grosse Schwierigkeiten verursachte anfangs der Wechsel der Frequenz, der durch Öffnen und Schliessen der Schalen hervorgerufen wurde. Nach vielen Versuchen gelang es endlich, für längere Zeitdauer konstante Werte durch das Einschieben eines Holzklötzchens zwischen die Sehalen zu erhalten. Nur auf diese Weise ware es überhaupt möglich, vergleichbare und vor allem längere Zeit gleichmässige Werte zu erhalten. Dieses eilt für alle Versuche. Es wurde daher in allen folgenden Versuchen, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bemerkt ist, Gebrauch von dieser Vor- richtung gemacht. Trotz dieser Vorsichtsmassregel kann der Rhythmus am folgenden Tage vollkommen anders sein. Die Ur- sache dieses Wechsels innerhalb längerer Perioden ist mir un- bekannt geblieben. Wie schon im Kapitel „Normaler Schlag“ erwähnt, sind auch beim geklemmten Tiere die Schlagzeiten auf- einanderfolgender Fulse etwas verschieden, doch spielt sie für den Verlauf des Versuches keine Rolle. Es wurde streng darauf geachtet, dass die Flüssigkeiten gleiche Temperaturen hatten. Aus diesem Grunde wurde stets bei Zimmertemperatur gearbeitet, doch liessen sich auch da Schwankungen von !/a® oft nicht vermeiden. Die Versuchszeit betrug I—1!/s Stunden, da ich in einigen Vor- versuchen festgestellt hatte, dass das Maximum der Frequenz nach ®2/a—1 Stunde erreicht wurde. Doch gehen wir nun zu den Versuchsergebnissen selbst über. Gleich bei den ersten Versuchen zeigte sich, dass das mit Sauerstoff 310 Walter Koch: übersättigte Wasser die Frequenz in riesigem Masse beschleunigt. Ich gebe hier das Bild wieder, welches sich mir gleich in einem der ersten Versuche darbot: Tier Nr. 96 am 17. September, Temperatur 18°. Zeit 10 Schläge | Zeit 10 Schläge 12h 35' 160 Sek. 4h 10° 61 Sek. 12h 45 HSger 4h 20’ 63 „ 2h 40’ Iao 4h 30’ Gl, 2h 50’ ne) 4h40' 6007, 3h 00’ Ile % 4h45' H,0 3h 05° H,0 +0 4h 50’ Jona: 3h 10’ 142 Sek. 5h 00° N 30 BO, 5h 10’ NO, 3h 25 56 „ 5h 20’ ass 3h 30' 74 „ .—— == 3h 40' 200, 6h 30’ NO 3h 50° 00m = — 4h 00’ bossr 7500’ 143 ,„ Schon aus diesem einen Versuche können wir entnehmen, dass der Sauerstoff eine sehr grosse Beschleunigung der Schlaggeschwindigkeit bewirkt. Diese nimmt sehr rasch zu, das Absinken im Leitungswasser erfolgt dagegen allmählich. Die Schläge sind sehr kräftig, Systole und Diastole vollkommen regelmässig. Pausen machen sich nicht oder nur in sehr geringem Masse bemerkbar. Die Ergebnisse meh- . rerer Versuche wurden zusammengelest und ergeben Fig. 4. Die Werte dafür sind folgende mit Ablesungszeiten von je 15 Minuten: 3,540 6,066 3,527 5,099 3,367 4,381 3,776 4,285 H,0+0 4,098 4,676 4,250 6,294 4,476 6,870 4,027 7,174 4,052 7,388 3,975 7,660 3,869 7,552 3,760 7,690 3,616 7,670 3,588 Gerade hier tritt nun das oben Gesagte sehr schön zutage: der rasche Anstieg, das Einstellen eines neuen, viel rascheren Rhythmus und das allmähliche Absinken im Leitungswasser. Da der Sauerstoff nicht direkt auf den Herzmuskel wirkt, denn das O-gesättiete Wasser kommt ja nirgends mit ihm in direkte Be- Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 311 rührung, muss ein sekundärer Einfluss vorliegen. Dies kann meiner Ansicht nach nur durch die Kiemen erfolgen. Hier tritt das Blut mit dem sauerstoffreicheren Medium in direkte Beziehung, nimmt mit Hilfe des Hämoeyanins den Sauerstoff auf und bringt ihn zum Herzen. Als Ergebnis dieser Versuche finden wir das gleiche Bild, wie ich es oben als Einwirkung des Schalenöffnens beschrieben habe. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass wir es bei diesen Versuchen mit Wasser zu tun haben, welches mit Sauerstoff übersättigt Schläge in der Minute ist. Nachträglich habe ich noch eine Bestimmung der Menge des selösten Sauerstoffes nach der Titrationsmethode von Winkler!) vorgenommen. Es ergaben sich folgende Wert: Leitungswasser . „ . 7,04 cem in 1 Liter Mit ‚Sauerstoff übersättigtes Wasser . . . 28,27 ccm (O-Druck) O-gesättigtes Wasser (Landolt-Bernstein) 6,44 cem (Luftdruck) Die Schlagzahlen der Vorversuche stimmen hier mit den oben an- gegebenen Mittelzahlen für Zimmertemperatur überein. Gewissermassen als Kontrollversuche wurde nun der Einfluss von Wasser untersucht, welches durch Kochen vom Sauerstoff befreit worden war. Die Versuchsanordnung musste zu diesem Zwecke etwas um- geändert werden. Das gasfreie Wasser wurde in einem grossen, 10 Liter fassenden Glaskolben hergestellt. Dieser war wieder mit einem dichtschliessenden Kork verschlossen. Zur besseren Dichtung wurde noch eine mit Alkohol gehärtete Schweinsblase übergezogen. Durch den Stopfen gingen zwei Glasröhren bis auf den Grund des Gefässes, 1) Winkler, ‚Bericht d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 21 S. 2. 1888. FD Walter Koch: die eine als Zuführungesrohr für reinen Stickstoff, welcher einer Bombe entnommen wurde, die andere zur Ableitung «des Wassers in das Versuchsbecken. Dieses wurde hier viel kleiner gewählt, so dass die Muschel gerade Platz darin hatte. Ausserdem wurde es mit Hilfe von Plastilin und einer Glasplatte vollkommen luftdieht abgeschlossen. Die Zu- und Ableitung des Wassers erfolgte durch zwei an den beiden Euden mit eingekittete Glasröhren. Der Wasser- wechsel wurde mit Hilfe eines T-Stückes aus Glas und zwei Quetsch- hähnen vollzogen. Der Gang des Versuches war nun folgender: Zunächst wurde das Leitungswasser im Kolben eine Stunde lang gekocht und während des Kochens und Abkühlens ein rascher Stick- stoffstrom durchgeleitet. Das Gas entwich durch einen mit einge- kittetem Glashahn. Nachdem sich das Wasser auf ungefähr 40° abgekühlt hatte, wurde der Hahn geschlossen und nun unter N- Überdruck bis auf Zimmertemperatur abgekühlt (dies geschah meist in der Nacht). Am nächsten Tage wurde das Tier, welches sich schon im Becken eingekittet befand, an das Leitungswasser angeschlossen und nun die normale Schlagzahl festgestellt. Darauf wurde das Leitungs- wasser abgestellt und -nun der eigentliche Versuch begonnen. Die Versuchszeit wurde hier ziemlich lang gewählt, um einen gründlichen Austausch des Leitungswassers gegen sauerstofffreies Wasser zu sichern. Es zeigte sich dann, dass die Herzfrequenz im sauerstoff- freien Wasser gleich der im Leitungswasser blieb, dass alse keine Abnahme stattfand, wie ich erwartet hatte (Versuchszeit bis zu 3 Stunden). Die Kurven waren natürlich keine vollkommen gerade Linien. Die Schwankungen waren aber nie grösser als vorher und nachher im Leitungswasser. Dies zeigte sich bei allen sechs Versuchen. Zu jedem wurde das Wasser frisch hergestellt, so dass ein Versuchsfehler wohl ausgeschlossen ist. Dieses auffällige Er- gebnis kann ich mir nur so erklären, dass Anodonta zum Lebensbedarf sehr wenig Sauerstoff braucht, wie auch aus den folgenden Versuchen hervorgehen wird. Eine Angabe über den absoluten Verbrauch ist bis jetzt noch nicht gemacht worden. Ich selbst konnte sie auch nicht vornehmen, da zur genauen Bestimmung nach Zuntz!) ein sehr komplizierter Apparat nötig ist, welcher mir nicht zur Verfügung stand. Wir besitzen dagegen sichere Bestimmungen an anderen 1) N. Zuntz, Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abt.) 1901 S. 548. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 313 Mollusken. Auf die Einheit der resorbierenden Fläche (1 qm) be- zogen, wurden in einer Stunde folgende Mengen verbraucht: imma .21,19 76 mg OÖ Ayplysiauı 2.292,50 260 mg O Miro. 7223,07 343 mg O [Pütter)] Diese Werte sind im Vergleich zu anderen Wirbellosen als sehr gering zu bezeichnen, denn dort betragen sie meist über 1300 me. Zur weiteren Klärung der Frage wurden Tiere noch unter Luftabschluss im entgasten Wasser gehalten. Zunächst wurden die Versuchsobjekte in Glasbüchsen (1 Liter Inhalt) mit eingeschliffenem Stopfen gesetzt. Die Tiere hielten sich darin im gekochten Wasser ebenso lange wie die Kontrolltiere im ungekochten. Limnäen, Pla- narien ünd Daphniden waren inzwischen längst zugrunde gegangen. ‚In einer zweiten Art von Versuchen wurden Konservengläser mit Gummiringdichtung angewandt. Nach dem Kochen wurde sofort geschlossen und abgekühlt, dann bei Zimmertemperatur rasch geöffnet, das ‚Versuchstier eingesetzt und wieder geschlossen. Das Ergebnis war das gleiche wie oben, die Tiere lebten noch 4 Tage lang (Mini- mum 2 Tage [einmal], Maximum 6 Tage [zweimal]). Die Schlagdauer varriierte nur in den gewöhnlichen Grenzen. Schliesslich kam ich noch auf eine dritte Versuchsanordnung. Das betreffende Versuchs- tier wurde geklemmt in einen Exikator gesetzt. Das Wasser wurde nun durch Absaugen mit einer gut wirkenden Wasserstrahlpumpe bis zum Kochen gebracht und dann das Gefäss abgeschlossen. Obgleich dies nun täglich zweimal vorgenommen wurde, konnte auch hier ein Einfluss auf die Frequenz nicht festgestellt werden. Der Schlag zeigte sich im Gegenteil manchmal etwas kräftiger. Die Tiere lebten hier sogar noch länger, in einem Fall 6, in zwei anderen 7 Tage. Diese Versuche beweisen ebenfalls die weitgehende Unabhängig- keit des Herzschlages von dem im Wasser gelösten Sauerstoff. Nach der Lebensweise des Tieres könnte man dies auch erwarten, denn Anodonta hält sich sehr oft im Schlamm auf, welcher als sauerstoff- zehrendes Medium bekannt ist. Ich habe jedenfalls die Tiere hier sehr oft aus diekem, schwarzem Schlamm herausgefischt. Auch aus dem geringen Sauerstoffbindungsvermögen des Hämoeyanins, welches nur den dritten bis vierten Teil von dem des Hämoglobins hat, 1) Pütter, Vergleichende Physiologie. Jena 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 21 314 Walter Koch: könnte man auf einen geringen Einfluss des Sauerstoffmangels schliessen. Die weitgehende Unabhängickeit der Herzfrequenz vom fehlenden Sauerstoff scheint für alle Wirbellosen zu gelten. Am besten ist dies wieder am Limulus untersucht. Newmann!) fand hier, dass die Herzganglien dem Sauerstoffmangel gegenüber unempfindlich sind. Auch für den Herzmuskel besteht kein Unterschied, ob er sich in einer H- oder O-Atmosphäre befindet. Für das ganze Herz fand er meinen Versuchen entsprechend, dass Sauerstoffanwesenheit den Rhythmus schwach zu beschleunigen scheint. Die Abwesenheit hat dagegen keinen hindernden Einfluss. Ganze Tiere erstiekten eher als meine Muscheln. Nach 45 Stunden waren von drei Tieren zwei tot. Beim Limulus ist wie bei den Vertebraten das Herz das letzte Organ, welches von Asphyxie ergriffen wird. Nach Carlson lebt Limulus in stundenlang gekochtem Wasser nur 10—12 Stunden. Limnaeus stagnalis und Physa acuta leben nach Bunge’) 10—13 Stunden in vollkommen O-freiem Wasser. Von den mit untersuchten Würmern war Hirudo am widerstandsfähigsten ; er lebte 4 Tage. Viel empfindlicher sind dagegen die höchstentwickelten Mollusken, die Cephalopoden. Bei Sauerstoffmangel werden hier die Atembewegnngen fast sogleich eingestellt, das Tier stirbt nach ungefähr 10 Minuten. Selbst wenn nach 5 Minuten schon frisches Seewasser eingeleitet wird, kehrt die. normale Atmung nicht mehr zurück |Bauer°®)]. Die ältesten ähnlichen Beobachtungen an Mollusken rühren von Spallanzani*) her, welcher mit Helix lusitanica arbeitete. Das Herz blieb in einer Stickstoffatmosphäre stehen, und zwar erst, nachdem die Lunge schlaff geworden war. Mit dem Einleiten der Luft begann das Herz wieder zu schlagen. Bemerkenswert sind auch die Untersuchungen von Henze?) an Eledone und Aplysia. Er stellte fest, dass der Gaswechsel der Tiere unabhängig von Druck und Temperatur ist. Er vermutet, dass diejenigen Tiere, welche sich stark kontrahieren und wieder 1) H. Newmann, Americ. Journ. of Physiol. vol. 15 p. 371. 1906. 2) Bunge, Zeitschr. f. physiol. Chemie Ba. 12 S. 565. 1888. 3) Vikt. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitt. d. zool. Station zu Neapel Bd. 19. 1909. 4) L. Spallanzani, Memoire sur la respiration p. 241. (Senebier, Geneve 1803.) 5) M. Henze, Biochem. Zeitschr. Bd. 26 S. 225. 1910. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 315 durch Wasser anschwellen hönnen, darin ein Mittel besitzen, ihren O-Verbrauch zu regeln, denn zerade bei ihnen war er sehr un- regelmässig. Das gleiche bewirken nun die Muscheln durch das Schliessen der Schalen, denn wie man sich leieht überzeugen kann, hat sauerstoffübersättigtes Wasser auf „eschlossene Tiere keinen Einfluss. Vielleicht könnte man zu diesem Kapitel auch das Aus- halten der Muscheln ohne Wasser rechnen. Ich konnte zum Beispiel beobachten, dass eine Anodonta, welche im feuchten Sande eines Beckens ohne Wasser versehentlich zurückzelassen worden war, noch nach 4 Monaten lebte. Das Tier hatte sich tief eingegraben, raste aber noch mit der Analöffnung aus dem Sande heraus, Dabei war es, als ich es auffand, fest geschlossen. Im Wasser lebte es sofort auf und zeigte nun einen kräftigen Atemstrom. Man kann vermuten, dass das Tier den grössten Teil der Zeit geschlossen verbracht hat, denn sonst würde es infolge von Austrocknung zugrunde gegangen sein. Ganz stichhaltig ist diese Beobachtung jedoch nicht, denn einerseits fehlt während der Zeit die Beobachtung, andererseits ist das Tier durch seinen Schleim vor einem raschen Austrocknen gut geschützt. Man kann auch an der jetzt vielfach feilgebotenen Mytilus edulis die Beobachtung machen, dass diese Tiere ohne Wasser im geöffneten Zustande sicher längere Zeit leben bleiben. Genauere Untersuchungen müssen über diesen Punkt noch Klarheit schaffen. Aus allen Versuchen müssen wir nun schliessen, dass die Herab- setzung der Herzfrequenz beim Schliessen der Schalen nicht durch den Sauerstoffmangel bewirkt wird. Meiner Ansicht nach können nur zwei Ursachen in Frage kommen: 1. Der Vorgang ist rein will- kürlich; 2. er beruht auf einer Anhäufung von Stoffwechselprodukten. Das Sinken der Herztätiekeit kann nicht mit der Dauerkontraktion der Schliessmuskeln zusammenhängen, da von ihnen sicher nachgewiesen wurde, dass sie dabei keine Arbeit leisten. Zu dem ersten Punkte ist zu bemerken: Rein „willkürlich“ ist die Abnahme der Schlag- geschwindiekeit nur insoweit, als das Schliessen vom Tiere selbst abhänet. Mit dieser Tätigkeit ist dann der Einfluss auf das Herz zwangläufig verbunden, denn der Vorgang ist, wie ich noch besonders hervorheben möchte, stets zu beobachten. In den vielen Versuchen, welche zur Beobachtung kamen, konnte keine einzige Ausnahme bemerkt werden. Bei der Anhäufung von Stoffwechselprodukten könnte zunächst an CO, gedacht werden. Bei gleicher Versuchsanordnung wurde Al 316 Walter Koch: deshalb statt des sauerstoffreichen Wassers solches mit CO, eingeleitet. Es zeiste sich, dass dieses in allen Fällen sehr eiftig wirkte; es er- folgte schon nach ea. 17 Minuten Stillstand in Systole, ohne dass die Frequenz vorher merklich geändert wurde. So bleibt eieentlich nur noch die Annahme einer Anhäufung von eigenen Stofi- wechselprodukten übrig, welche für das Tier selbst schädigend wirken. Irgendwelche vorläufig noch unbekannten Stoffe werden durch den fehlenden Sauerstoff, welcher in geringen Mensen in der Schalen- höhle doch nötig ist, nicht zu unschädlichen Verbindungen zu Ende oxydiert. Dies geschieht erst durch den beim Öffnen wieder zu- tretenden Sauerstoff. Die Oxydation würde sehr rasch erfolgen, entsprechend der raschen Zunahme beim Öffnen, die Produktion erfolgt bei gesteigerter Tätiekeit rasch, bei geringer dagegen langsam, so dass sie schliesslich ganz aufgehoben wird. Dementsprechend finden wir die ganz allmähliche Abnahme beim Schliessen. Stoffwechselprodukte, welche für das produzierende Tier selbst schädlich wirken, sind nun schon in der schönen Untersuchung von Langhans!) für Daphniden nachgewiesen worden. Im beerenzten Medium blieb stets nur eine konstante Zahl Individuen leben. Ein Zusatz von Tieren bewirkte den Tod, eine Verminderung die Fort- pflanzung der vorhandenen. Bei Anodonta liegen die Verhältnisse allerdings nicht so einfach, da ich selbst bei einem längeren Aufenthalt in einem kleinen Becken die Herzfrequenz sich nicht ändern sah. Es könnten aber, wie oben schon erwähnt, leicht oxydable und zersetzbare Stoffe vorliegen. Andererseits stimmt aber die Beobachtung damit überein, dass sich Anodonta in kleinen Aquarien nie sehr lange hält. B. Der Herzschlag unter künstlichen Bedingungen. 1. Salzlösungen. Im zweiten Teile meiner Arbeit will ich nun den Einfluss der vier hauptsächlichsten anorganischen Blutsalze auf das Herz und ihre gegenseitige Entgiftung darstellen. Diese Versuche wurden damit zum ersten Male an wirbellosen Süsswassertieren vorgenommen. Nach den in der Einleitung gegebenen Analysen haben auch hier Natrium, Kalium, Caleium und Magnesium dafür zu gelten. Da 1) Langhans, Verhandl. d. deutsch. zool. Gesellsch. Frankfurt S. 289. 1909. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 317 die verschiedenen äusseren. Faktoren nun hekannt und ihr Einfluss auf die Herztätigkeit festgestellt ist, begann ich damit, die ganzen Tiere einfach in verschieden starke Salzlösungen einzusetzen. Es zeigte sich gleich am Beginn meiner Untersuchungen, dass Anodont&a nur wenig starke Salzlösungen verträet. Das Maximum entspricht ungefähr 1° NaCl. Damit sind in Übereinstimmung die Naturfunde. Anodonta ist bis jetzt noch nicht im Meerwasser gefunden worden. Als einzigen Fundort mit Salzwasser eibt Fürth!) den Salzsee bei Haarlem an. Leider habe ich nirgends eine Analyse dieses Wassers finden können. Semper?) verzeichnet in einer Tabelle diejenigen Süsswassertiere, welche Meerwasser vertragen können. Darin ist aller- dings Anodonta vorhanden, doch zeigt sich bei einer näheren Prüfung, dass alle Fundstellen in der Ostsee liegen. Diese hat bekanntlich einen geringen Salzgehalt, nämlich 1,2°%0 (Ozean 3,5 °/o), in den östlichen Teilen sogar nur 0,3—0,4 %0; sie enthält also sehr brackiges Wasser. Eine andere Angabe ist unsicher: „Neilson fand eine Anodonta am Seestrande von Schweden und Norwegen“. Die Literaturangabe dazu fehlt. Etwas besser scheint sich in der Natur Uwuio anzupassen. Wenigstens ist sie an der Mündung des Brisbaneflusses in Australien im Bereich der Flut gefunden worden. Locard fand nach Florentin?) Unio Tortoni an der Mündung der Solenzara auf Corsica „da, wo das Wasser schon leidlich salzig ist“. Ebenso fand sie Baer an der Dwinamündung, also auch noch im brackigen Wasser. Weiterhin liegen die alten Versuche von Beudant®) vor, welcher versuchte, Süsswassermollusken künstlich an Salzlösungen von höherer Konzentration anzupassen. Obgleich er das Kochsalz seinen Kulturen sehr langsam zusetzte, gelang es ihm doch nur, Limnaea, Paludina und Planorbis einer Konzentration von 4° an- zupassen. Alle Süsswassermuscheln (Anodonta, Unio und Cyelas) gingen bereits bei 2° ein. Dies ist besonders für Oyclas bemerkens- wert, welche von einer marinen Form abgeleitet wird. Paul Bert?) gewöhnte Daphniden dagegen so an Salzwasser, dass eine neue Gene- 1) Fürth, Vergl. chemische Physiologie der niederen Tiere. Jena 1902. 2) Karl Semper, Die natürlichen Existenzbedingungen der Tiere. Leipzig 1880. 8) R. Florentin, Annales des Sciences Nat. Zool. t. 10 p. 209. 1899. 4) F. S. Beudant, Annales de Chemie et de Physik t.2 p. 32. 1816. 5) B. Bert, Compt. rend. des Sciences et Me&moire de la Soc. Biologique 8. ser. p. 525. Febr. 7 1885. 318 Walter Koch: ration das Süsswasser nicht mehr vertrug. Anschliessend bemerkt er, dass Meerestiere übersalzenes Wasser besser vertragen als entsalzenes. Erst in allerjüngster Zeit gelang es Phillippson'), Anodonta an Meerwasser anzupassen; doch muss erst die Zukunft lehren, ob auch in diesem veränderten Medium die Tiere noch fortpflanzungsfähig sind, denn erst dann kann man von einer wirklichen Anpassung sprechen. Das Ergebnis wäre dann allerdings auffällig, da wir, wie bereits hervorgehoben, in der Natur, welche doch mit sehr langen Zeiten und einem riesigen Material arbeiten kann, nie etwas Ähn- liches beobachten können. Sehr interessant sind die bereits erwähnten Anpassungsversuche von marinen Mollusken an Salzlösungen von noch höherer Kon- zentration als das Meerwasser. Beudant und P. Bert konnten feststellen, dass marine Tiere bei allmählicher Gewöhnung noch einen Salzgehalt von 31 %o vertragen können, also eine Konzentration, welche von der Sättigung (360) nicht sehr weit entfernt ist. Diese Grenze kann vielleicht noch nicht erreicht werden, wenn neben NaCl noch ein anderes Salz (vielleicht KCl oder CaCl,) zugesetzt wird, da diese Salze sich in bestimmten Mengen gegenseitig enteiften, wie aus Loeb’s Untersuchungen am Fundulus hervorgeht, und wie ich in eigenen Versuchen noch zeigen werde. Um nun die Wirkungen der einzelnen Salze auf den Herzrhythmus festzustellen, setzte ich zunächst die Tiere in Becken mit den be- treffenden Lösungen. Infolge der grossen Unregelmässigkeiten kam ich mit dieser Methode aber nicht zum Ziel. Auf diese Weise lässt sich nur die Giftigkeitsgrenze bestimmen; die Rhythmik des Herzens wurde meist gar nicht geändert. Auch bei geklemmten Tieren ist es nicht viel besser, doch bekam ich hier schon klarere Ergebnisse, wie ich im nächsten Abschnitt mitteilen werde. Am besten gelangen die Versuche erst dann, als ich dazu über- ging, die Salze nur auf das Herz wirken zu lassen. Es gelang mir, eine Versuchsanordnung zu finden, bei welcher unter Beibehaltung der normalen ‚äusseren Verhältnisse die Salzlösungen exokardial appliziert werden konnten. Die Methode war folgende: Die Tiere wurden zunächst auf die gleiche Art wie oben aufgeschnitten; worauf eine Seite (meist die linke) wieder zugeklebt wurde. Die andere 1) Phillipson, Archive internat. de Physiol. 1910, zit. nach Fritsche, Internat. Revue d. ges. Hydrobiologie. 1916. (Zurzeit noch nicht erschienen. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 319 wurde dagegen mit einer von mir konstruierten Kammer geschlossen. ‘Diese war aus Glas geblasen und hatte die Gestalt eines in der Längsachse halbierten Elipsoides, welches 4 em lang, 2 cm breit und ]l cın hoch war. An den beiden Enden waren zwei Glasröhrchen eingeschmolzen, welche kurz nach ihrem Austritt rechtwinkelig nach oben ausbogen. Durch diese Kammer kann man den Herzschlag noch ausgezeichnet beobachten, da die Ansatzstellen der abführenden Röhrchen noch reichlich 1 em weit auseinanderliegen. Die Aufsatz- ränder waren vollkommen eben geschliffen. Als brauchbarster Kitt erwies sich eine Mischung von Kolophonium, Wachs und etwas Ziegel- erde, wie man ihn auch zum Ausgiessen von Aquarien verwendet. Der Kitt hat den Vorteil, dass er physiologisch indifferent ist und sehr rasch erstarrt. Leider haftet aber auch er nur an trockenen Gegenständen; deshalb mussten die Schalen auf die oben angegebene Weise zunächst getrocknet werden. Ausserdem muss er auch heiss aufgetragen werden. Trotzdem wurde keine Schädigung durch die Hitze beobachtet, da die dieke Schale als Schutz wirkt und die Tiere sofort nach dem Aufkitten ins kalte Wasser gesetzt wurden. Die Anordnung der Gefässe war die gleiche, wie ich sie bereits bei den Sauerstoffversuchen geschildert habe, nur war hier der Gummi- schlauch des Hebers mit dem einen Ansatzrohr der Glaskammer ver- bunden. Der Ausfluss erfolete durch das andere Rohrstück und einen Glasheber in ein Nebenbecken 4. Um nun vollkommene Über- eınstimmung der Temperaturen der beiden Flüssigkeiten (Leitungs- wasser und Salzlösung) zu erzielen, wurde als zweites Gefäss ein dünnwandiges Becherglas gewählt, welches in das Becken 1 eingestellt wurde. Der Zufluss zum Becherglas erfolgte aus einem Vorrats- gefäss und konnte mit Hilfe eines Quetschhahnes gleichzeitig so ge- regelt werden, dass die Wasserspiegel vollkommen gleich standen. Da sich die Tiere von der Operation meist in 20—830 Minuten er- holten, begann ich dann mit dem Durchleiten von Leitungswasser. Damit nun die Lösungen das Herz umspülen, war das Pericard durch einen Schnitt geöffnet worden. Die Schlagzahlen, welche sich ergeben, sind in kurzer Zeit innerhalb der physiologischen Grenzen regelmässig und weichen nur wenig oder gar nicht von den Normalzahlen ab. Meistens sind sie etwas geringer als diejenigen, welche wir ohne Durchleitung gewinnen. Wahrscheinlich beruht dies auf dem Druck der strömenden Flüssigkeit, denn man kann bei weniger kräftigen Tieren beobachten. dass die Geschwindigkeit abnimmt mit der 320 Walter Koch: Zunahme der Schnelligkeit des durch die Kammer fliessenden Wassers. Das Auswechseln der Spülflüssigkeiten wurde in der bekannten Weise vorgenommen. Eine neue Schwieriekeit ersteht dadurch, dass durch den Nieren- tricehter und die Niere die Salzlösung in das Versuchsbecken ein- dringen kann. Bei stark konzentrierten Lösungen lässt sich dies nie ganz vermeiden. Es wurde in diesen Fällen ein Wasserstrom durch das Versuchsbecken 3 geleitet und der Abflussheber tief am Boden angebracht. In den anderen Fällen wurde von einer Durch- spülung des Beckens abgesehen. Um ein Eindringen der Lösung zu vermeiden, genügt es, dass der Wasserstand des Beckens 31a cm höher ist als der des Abflussbeckens 4. Die Versuchszeit betrug stets eine Stunde. Als Kriterium der Giftigkeit wurde nun angesehen, ob während der ganzen Zeit noch regelmässige Herzschläge stattfanden oder nicht. Selbst die schwächsten Schläge, welche nur noch mit der Lupe zu sehen waren, wurden noch gezählt. Nach 5-—-10 Minuten vollkommenen Stillstands wurde H,O neu eingeleitet, worauf dann nach verschieden langer Zeit Erholung eintrat. Die Salze wurden von Kahlbaum bezogen, und zwar wurden stets die reinsten „zur Analyse“ angewandt. Die Lösungen wurden so hergestellt, dass das Molekulargewicht des betreffenden Salzes zum Liter mit destilliertem Wasser aufgefüllt wurde. Um die häufigen Wägungen zu vermeiden, wurde stets eine grössere Menge von den Normallösungen hergestellt, die dann zum Versuch entsprechend verdünnt wurden. Die Wirkungen der einzelnen Salze sind schon ziemlich gut erforscht worden. Früher war es besonders Ringer!), welcher sich namentlich mit der Herstellung einer unschädlichen, das Blut er- setzenden Lösung beschäftigte. In neuerer Zeit sind von Loeb°) und 1) Ringer, Journ. of Physiol. vol.2 p. 29, vol. 4 p. 222, vol.5 p. 247, vol.8 p. 20, vol. 12 p.164, vol. 13 p. 300, vol. 18 p. 425. — Ringer, Sidney and Sainsbury, Journ. of Physiol. vol. 16 p.1. 1894. — Ringer, Sidney ‘and Buxton, Journ. of Physiol. vol. 8 p. 15 and 288. 2) Loeb, Vorlesungen über die Dynamik der Lebenserscheinungen. Leipzig 1906. — Untersuchungen über die künstliche Parthenogenese. Leipzig 1906. — Einleitung in die vergl. Gehirnphysiologie. Leipzig 1907. — Festschr. f. Fick S. 99. Braunschweig 1899. — Americ. Journ. of Physiol. vol. 3 p. 327. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 32] seinen Schülern die gegenseitige Enteiftung der einzelnen Salze unter- sucht worden. Dazu kommen noch die Experimente von Mathews!), Phillipson?), Carlson®), Bethe®) und Robertson?) usw. Als Versuchsobjekte dienten meistens Herzmuskeln, Skelettmuskeln, Eier von Seeieeln und Fundulus, Geisseln und Medusen. Dreeser hat das Verdienst, als erster darauf hingewiesen zu haben, dass die Salzwirkungen Ionenwirkungen sind. Besonders klar wurde dies dann, als noch experimentell gezeigt werden konnte, dass die Wirkungen der einzelnen Säuren im allgemeinen ihrem Dis- soziationsgrade entsprechen. Loeb machte dann 1904 darauf auf- merksam, dass es bei den Untersuchungen besonders darauf ankommt, ein möglichst wirksames und ein schwachwirkendes Ion zu haben. Aus diesem Grunde habe ich nur mit den Chloriden gearbeitet, so dass ich stets die Wirkung der Kationen bekam. Im Blute liegen ja auch die meisten Salze wirklich als Chlorverbindungen vor. Ich will aber nicht behaupten, wie es von manchen Seiten geschieht, dass die Anionen gar keine Wirkung auf den Herzschlag haben, sondern schliesse mich hierin an Garrey‘) an, welcher auch die Anionen als für den Herzrhythmus wichtig hinstellt. Er fand zum Beispiel an Säugetierherzen, dass einige Natriumverbindungen reizten, andere and p. 383, vol. 6 p. 411. 1902. — Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 80 S. 229. 1900, Bd. 83 S. 68. 1901, Bd. 93 S. 246. 1903, Bd. 103 S. 257 u. 503. 1904, Bd. 107 S. 252. 1905. — Biochem. Zeitschr. Bd. 2 S. 32. 1906, Bd. 39 S. 94, Bd. 47 8. 127, Bd. 40 S. 277, Bd. 33 S. 480. — Artikel in Oppenheimer’s Handb. 1) A. P. Mathews, Americ. Journ. of Physiol. vol. 10 p. 290. 1904, and vol. 14 p. 203. 1905. 2) Phillipson, Arch. internat. de Physiol. 1910. 3) Carlson, Ergebn. d. Physiol. Bd.8. 1908. Weitere Literaturangaben : Science t. 17 p. 548. 1903, t. 20 p. 68. 1904. — Biolog. Bulletin t. 12 p. 55 and 67. 1904, t. 15 p. 9, 207 et 317. 1906, t. 16 p. 47, 85 et 100. 1906, t. 18 p. 49 et 177. ° 1907, t. 17 p. 478. 1907. 4) A. Bethe, Die Bedingung der Elektrolyten für die rhythmischen Be- wegungen der Medusen. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124. 1908, und Bd. 127. 1909. — Allgem. Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903. 5) V. Robertson, Brailsford Biological Bulletin vol. 11 p. 53. 1906. — Pflüger’s Arch. Bd. 110. 1905. — ae d. Physiol. Bd. 10 S. 216. 1910. (Literaturangaben.) 6) Garrey,' Biol. Bull. of Woods Hole vol. 8 p. 257. 1905, and Americ. Journ. of Physiol. vol 13 p. 186. 1905. 322 Walter Koch: dagegen nicht. Gleiche Ergebnisse fanden auch Mathews!), Lingle?) und Benedict?°). Wichtig für das Verständnis der Wirkungsweise der Salze ist ferner, dass alle Salze, welche im inneren oder äusseren Medium vorkommen, zu einer regelmässigen Entwicklung und Wirkunes- weise der Organe nötig sind. Ich verweise nur auf die umfassenden Untersuchungen von Herbst*), welcher die Entwicklung von Seeigel- eiern unter abgeänderten Bedingungen studierte. Gleiche Ergebnisse zeitigten die Untersuchungen von Ringer’), Loeb®), Howell”), Överton®), Mathews!) und Höber’°). Selbst das abnorme Vor- kommen von Harnstoff im Blute der Selachier ist für eine geregelte Herztätigkeit nach Baglioni!?) für diese Tiere ebenso nötig wie das NaCl. Beide wirken hier im Blute einander entgegen. Auch er betont, dass jede, selbst die gerineste Änderung des Milieus einer Zelle nicht nur der anorganischen, sondern auch der organischen Sub- stanzen sich in der Funktion der Zelle früher oder später bemerk- bar macht. Dabei sind die Reaktionen der Salze auf die einzelnen Funktionen der Zellen und Gewebe so fein und genau, dass bereits 1881 der Chemiker James Blake!!) vorschlug, die lebende Materie selbst als ein Mittel zu gebrauchen, um Aufschluss über die molekularen Eigenschaften anorganischer Körper zu gewinnen. 1) A. P. Mathews, Americ. Journ. of Physiol. vol. 10 p. 290. 1904, and vol. 14 p. 203. 1905. 2) Lingle, zit. nach Höber, Physikal. Chemie der Zelle, 4. Aufl. Leipzig. — Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905. 3) Stanley Benedict, The role of Öertains Ions in rhythmie art Activite. Americ. Journ. of Physiol. vol. 13. 1905, and vol. 22. 1908. 4) Herbst, Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 5, 7, 11, 17. 5) Ringer, loc. cit. 6) Loeb, loc. cit. 7) Howell, Americ. Journ. of Physiol. vol. 6 p. 181. 1901. 8) Overton, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 92 S. 115 u. 346, Bd. 105 S. 176. 9) Höber, Physik. Chemie der Zelle, 4. Aufl. Leipzig. — Pflüger’s Arch. Bd. 106 S.599. 1905. | 10) Baglioni, Der Einfluss der chemischen Lebensbedingungen auf die Tätigkeit des Selachierherzens. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 6. 1906. — Die Bedeutung des Harnstoffes bei den Selachiern. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 6. 1906, und Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19. 1905. 11) James Blake, Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 14 S. 394. 1881. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 393 a) Natriumehlorid. Die Lösungen von Kochsalz spielen von alters her eine grosse Rolle in der Physiologie, denn als gebräuchlichstes Salz begann man mit ihnen zu experimentieren. Man suchte in ihm einen Ersatz für das im Binnenlande schwer zu beschaffende Meerwasser. Wie bekannt, blieb der Erfolg aus. Man fand aber, dass bei höheren Tieren das Blut durch eine „physiologische Kochsalzlösung“, d. h. einer bestimmten unschädlichen Konzentration, bis zu einem gewissen Grade ersetzt werden kann. Genauere Untersuchungen lehrten aber bald, dass die betreffende Konzentration immer nur für eine bestimmte Tierart „physiologisch“ war, dass also in der Zusammensetzung des Blutes Unterschiede vorhanden sein müssen. In den letzten Jahren sind besonders Untersuchungen über die Art der Natriumionenwirkungen und ihr Verhalten den rhythmischen Zuekungen gegenüber angestellt worden. Besonders seien hier die Arbeiten von Ringer und Loeb erwähnt, welche am Skelett- und Herzmuskel arbeiteten, die von Carlson!) am Herzen von Limulus, Bethe?) an Medusen, die wir hier auch mit anführen können, da nach seinen Untersuchungen sich die rhythmischen Zuckungen der- selben genau wie die Schläge isolierter Herzen verhalten. Besonders sei auf die zusammenfassende Arbeit von Tigerstedt?) verwiesen, in welcher sich auch die umfangreiche Literatur angegeben findet. Nach Ringer hört das Frosch- und Aalherz in 0,6 °/oiger NaCl-Lösung auf zu schlagen, das erste nach 20, das zweite bereits nach 3—-4 Minuten. Besonders interessant sind wieder die Versuche am Limulusherz von Carlson. Er findet wie überhaupt alle Autoren eine primär reizende Wirkung auf den Herzmuskel, welche sich be- sonders in der Erhöhung der Amplitude geltend macht. Ich will noch hinzufügen, dass alle hier erwähnten Untersuchungen am aus- geschnittenen Herzen vorgenommen wurden. Carlson fand, dass es gleich ist, ob das NaCl durch das Herz geleitet oder von aussen an den Muskel gebracht wird. Stets zeisten sich ebenso wie am Skelettmuskel nach einer verschieden langen Lateuzperiode regel- mässige, rhythmische Zuckungen, die ungefähr YYa—1"/e Stunde dauerten. Das Aufhören der Kontraktionen im NaCl beruht nach 1) Carlson, loc. eit. 2) Bethe, loc. cit. 3) Tigerstedt, Ergebn. d. Physiol. Bd. 12. 1912. 324 Walter Koch: ihm auf einem Mangel an Nährstoffen. Loeb meint dagegen, dass dies von einem Verbrauch oder dem Hinausdiffundieren anderer Ionen beruht. Der gleiche Vorgang kann auch am Skelettmuskel beobachtet werden. Dieser beginnt sich in Kochsalzlösungen von bestimmten Konzentrationen rhythmisch zu kontrahieren und bleibt schliesslich im Tonus stehen. Der Unterschied besteht nur darin, dass das ganze Herz zuckt, während es beim Skelettmuskel nur einzelne Bündel und Bezirke sind. Ähnliche Ergebnisse fand Bethe an Medusen. Er eibt zum Beispiel an: „NaCl hat bei Abwesenheit oder ungenügender Anwesen- heit der anderen Seewassersalze auf die normale Meduse eine zunächst erregende und später lähmende Wirkung. Diese Wirkung ist aber vollkommen reversibel.“ Auch am Herz kann man den NaCl-Still- stand stets rückgängig machen. Die Mittel sind nach der Art der Versuchstiere sehr verschieden. Für marine Tiere ist meistens See- wasser oder Ringer’sche Lösung anzuwenden, ebenso für Wirbeltiere. Bei manchen Versuchsobjekten kommen auch KCl, LiCl, Dextrose usw. in Betracht (Benedict). Zwei Versuchsreihen liegen noch vor, bei denen die Salze auf die Herzen in situ wirkten. Die ersten stammen von F.C.Cook') und wurden anı Frosch gewonnen. Er findet in bezug auf die Ge- schwindigkeit und die Kraft des Schlages eine erregende Wirkung, nur ist bei letzterer die Zunahme schwächer. Die anderen Unter- suchungen wurden vou Ida Heyde?) am Haifisch vorgenommen. Die Salzlösungen wurden in eine Kaudalvene injiziert. Es zeigte sich, dass NaCl in Lösungen von !/se, !/ıs und !/s mol. die Ge- schwindigkeit des Herzschlages nicht verändert. Bei einer °/s mol. Lösung fand eine Abnahme statt. Nach 3 Minuten war die Schlag- frequenz wieder normul, die Stärke hatte leicht zugenommen. Es wurden 4 eem eingespritzt. Auch ich habe fast die gleichen Ergebnisse bei meinen Unter- suchungen erhalten. Wie bereits erwähnt, setzte ich anfangs die sanzen Tiere im geklemmten Zustande in die betreffende Kochsalz- lösung ein. Dabei zeiste sich in einer 1°/)oigen Lösung (= 0,175 mol.) keine Änderung der Frequenz des Herzens. Es machte sich nur eine Abnahme der Systole und eine Zunahme der Diastole bemerkbar. 1) F. C. Cook, Americ. Journ. of Physiol. vol. 24 p. 263. 1909. 2) J. Heyde, Americ. Journ. of Physiol. vol. 23 p. 201. 1908. \ \ Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 325 Die gleiche Wirkung zeigte sich bei allen weiteren Na-Versuchen. Nach 30—-40 Minuten trat dann Herzstillstand ein, welcher sich von selbst nicht erholte (bis zu 35 Minuten beobachtet). Die Kon- traktionen stellten sich aber wieder ein, wenn die Tiere in das Süsswasser zurückgebracht wurden. Erholung erfolgte nach ver- schieden langer Zeit, die unabhängig von der Dauer des Stillstandes war. Es treten anfangs einzelne kräftige Schläge auf, welche bald zu Gruppen verschmelzen, bis schliesslich ein regelmässiges Schlagen erfolet, und zwar mit der alten oder nur wenig veränderten Ge- schwindiekeit.e Erst nach ungefähr einstündigem Aufenthalt im Wasser tritt eine Geschwindiekeitszunahme auf, die wahrscheinlich auf der Einwirkung der verdünnten Salze auf das Herz beruht. Setzen wir nämlich ein Versuchstier in eine Lösung, welche nur 0,5%. NaCl enthält, so macht sich sehr bald eine sehr grosse Be- schleunigung geltend. Die Schläge bleiben dabei kräftig. Noch erösser ist die Geschwindigkeitszunahme in 0,1°/oigen Lösungen. Die Schlagzahl nimmt bis zum Fünffachen des ursprünglichen Wertes zu, d. h. soviel wie zum Beispiel im mit Sauerstoff übersättigten Wasser. Das Maximum der Schläge in der Minute betrug zwölf; dies bedeutet die höchste Zahl überhaupt, welch iche jemals an Anodonta wahrgenommen habe. Der Muskel ist an der Höchstgrenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Aus diesem Grunde hat auch eine weitere Verdünnung keinen Einfluss mehr. Die Geschwindigkeits- zunahme erfolgt bei verdünnteren Lösungen langsam und regelmässig, so dass sich die. Kurve als gerade Linie darstellt. Bei dem Um- setzen in H,O dauert hier die Erregung noch lange Zeit an. Während es bei diesen Versuchen mehrere Stunden dauern kann, bis das Maximum der Geschwindigkeit erreicht ist, ist dies bei der Anwendung der Glaskammermethode bereits nach 20—45 Minuten der Fall. Es greift dann öfter eine geringe Verzögerung Platz. Die Wirkungsart ist aber im grossen und ganzen die gleiche: eine Zunahme der Schlagstärke bei niederen Konzentrationen, Schwachwerden bei höheren, dabei stets eine Zunahme der Geschwindiekeit. Als Grenze der Konzentrationen fand ich in den Glaskammer- versuchen: 0,16 mol. Stillstand nach 10—28 Minuten. 0,15 mol. Stillstand bei zwei Tieren nach 4 Stunden, bei einem nach 1 Stunde. 0,14 mol. Wurde stets eine Stunde lang vertragen. 3236 Walter Koch: Dis Lösungen wirken hier also etwas giftiger, d. h. sie sistieren den Herzschlag schneller, als wenn sie auf das ganze Tier wirken. Wahrscheinlich beruht dies einfach auf dem schnelleren Eindringen in das Herzgewebe. Wir finden also das Ergebnis: eine 0,16 mol. NaCl-Lösung be- wirkt bei Anodonta im Laufe einer Stunde Herzstillstand in Diastole. Lösungen mit geringerem Na-Gehalt beschleunigen den Herzschlag. Diese Ergebnisse stimmen mit den Befunden an anderen Wirbel- losen überein. b) Kaliumchlorid. Während die Natriumionenwirkungen sich bis jetzt bei allen untersuchten Objekten als gleichwertig erwiesen, haben diejenigen der Kaliumionen immer zu den widerspruchvollsten Ergebnissen | geführt. Jede Tiergruppe zeigte fast ihre spezifischen Kalium- wirkungen, und selbst einzelne Arten reagierten wieder verschieden. Am besten untersucht sind in dieser Beziehung die Medusen. Da sie alle Meeresbewohner sind, ging man bei ihnen meist so vor, dass man sie in kaliumfreies oder in besonders angereichertes Meerwasser setzte. In ersterem zeigte sich meistens eine Erhöhung der Frequenz. Die zweite Art gab nach Bethe!) je nach der Tierart verschiedene Ergebnisse. So fand er bei Rhizostoma eine Herabsetzung, bei Carinaria dagegen eine Steigerung und Ver- längerung der Pulsreihen. Die Wirkungen machten sich erst dann geltend, wenn das K auf ?/ıoo mol. gesteigert worden ist (das See- wasser enthält "/ıoo mol. K). Die Herabsetzung ging dann bis zum 5—6fachen weiter, und erst bei der 7—8fachen Menge trat rasch mit wenigen heffieen Pulsen vollkommener Stillstand ein. Die Er- höhune der Frequenz bei der ersten Versuchsreihe ist sekundär; sie beruht auf der Wirkung des Na-Salzes des Seewassers, welchem nun das K nieht mehr entgegenwirkt. K und Na sind Antagonisten. Am Skelettmuskel (Gastroenemius des Frosches) bewirkt KCl augenblicklich Tonus und kann im Gegensatz zu NaCl keine rhyth- mischen Kontraktionen hervorbringen. Es tritt in dieser Beziehung mit RbCl, CsCl und NH,C] zu einer Gruppe zusammen (Zoethout)°). Als Antagonist wirkt CaCl,. Der Tonus, welcher durch KC] hervor- 1) Bethe, loc. cit. 2) Zoethout, Americ. Journ. of Physiol. vol. 7 p. 199. 1902, vol. 10 p- 211 and 273. 1904. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 327 gerufen ist, kann aber andererseits durch NaCl, LiC]l und BaCl, aufgehoben werden. Blumenthal experimentierte am Sartorius des Frosches und fand ebenfalls eine schädigende Wirkung. Das K wurde hier "/so mol. in physiologischem Kochsalz angewandt; !/s und "/ıo mol. KCl töteten fast sofort. Hald!) hat sehr gute Untersuchungen anı Froschherzen angestellt. Sie sind vor allem deshalb wichtig, weil hier einmal alle drei Wir- kungsmöglichkeiten angewandt wurden. Das KC] wurde zunächst subkutan eingespritzt. Die Herzfrequenz sank mehr oder weniger und zwar ohne vorhergehende Erregung, das Pulsvolumen wurde vermehrt. Allmählich trat aber Erholung ein. Wird dagegen das KCl endokardial in das ausgeschnittene Herz mit. dem Serum ein- geleitet (0,08 °/0), so sinkt die Frequenz auf die Hälfte, und auch das Pulsvolumen nimmt sofort etwas ab, steigt aber dann wieder an. Die Kontraktionen hören sofort auf, sobald 0,24% KCl im. Serum enthalten sind. K-Verbindungen mit verschiedenen Anionen haben verschiedene Giftigkeitsgrenzen. Da die Salze in diesen grossen Verdünnungen praktisch gleichstark dissoziiert sind, muss hier den Anionen eine Wirkung zugesprochen werden. Bei exokardialer Applikation ist das K nicht so giftig. 0,06°/o macht sich noch kaum bemerkbar; erst bei 0,12°/o sinkt die Pulsfrequenz auf die Hälfte der normalen. Während nun aber die in der Zeiteinheit ausgetriebene ‚Flüssiekeitsmenge im ersten Falle stark herabgeht, steigt sie hier un 50/0. Dementsprechend nimmt das Pulsvolumen um 150— 200 !/o zu. Für unsere Zwecke ist jedenfalls wichtig, dass bei exo- und endokardialer Wirkung des KC] die Frequenz herabgesetzt wird. Das Schildkrötenherz bleibt nach Greene?) in 0,03—0,04 °/o KCl stehen. Überhaupt hat sich überall gezeigt, dass zum Stillstand von rhythmischen Kontraktionen stets viel geringere K- als Na-Mengen nötig sind. Im Gegensatz dazu ist zum Beispiel das Fundulusei nach Mathews für Na empfindlicher. Die Giftwirkung des lackfarbenen Blutes beruht ebenfalls haupt- sächlich auf dem K-Gehalt. Die Blutkörperchen besitzen nämlich vollkommen semipermeable Membranen, welche viel mehr K ein- schliessen, als im Serum enthalten ist,. und als das betreffende Tier vertragen kann. Besonders gilt dies für den Menschen. 1) P. T. Hald, Arch. f. experim. Pathol. Bd. 53 S. 227. 1905. 2) Greene, Americ. Journ. of Physiol. vol. 2 p. 82. 1898. 398 Walter Koch: Carlson findet am Herzmuskel von Limulus eine hemmende Wirkung des Kaliums. Cook hat in seinen schon beim NaCl erwähnten Versuchen am Froschherzen in situ KCI die Frequenz steigernd oder herabsetzend gefunden. Die Stärke des Schlages wurde leicht vermindert. Nach J. Hyde wirken Lösungen von "/ıoo mol. noch nicht auf die Frequenz des Haies ein, von "/se und !/s mol.- Lösungen wird sie herabgesetzt, bei ?/s erfolet Stillstand. Auch meine eigenen Versuche liefern ein ähnliches Bild. KC1 wirkt auch am Anodontenherzen viel stärker und giftiger als NaCl. Die Schädigung ist so stark, dass nach den Versuchen beim Einleiten von Wasser die Zeit bis zur Erholung viel länger dauert und diese nie so vollkommen eintritt wie beim Na. Die Pulse bleiben meist schwach, starke Systolen zeigen sich, und öfter treten Unregelmässig- keiten auf. Kein Tier konnte nach einem Versuche noch einmal ver- wandt werden. Die schweren Schädigungen zeigen sich auch in dem Auftreten von Doppelpulsen. Der Stillstand erfolgt in Systole, nur ausnahmsweise wurde einmal eine schwache Diastole beobachtet. Auch hier ergeben die Versuche mit der Glaskammer die gleichen Ergebnisse wie beim Einsetzen eines ganzen Tieres in die Lösung, nur machten sich wieder zeitliche Unterschiede geltend. Fand zum Beispiel in einer !/so mol. KCl-Lösung der systolische Stillstand in 60 Minuten statt, so trat er im ersten Falle bereits nach 20 Minuten ein.: Die eben genannte Konzentration ist gleichzeitig die Höchst- srenze für das Anodontenherz. In Yıs mol. KCI erfolgt der Stillstand nach 15 Minuten (sehr kräftiges Tier). Vorher findet eine Verzögerung der Pulse statt. !/go mol. KCI bewirkte in einem Falle sogar schon nach 5 Mi- nuten Stillstand in Systole. Vor dem Versuche schlug das Herz in diesem Falle sehr kräftig. Der Fuss war weit ausgestreckt, wurde aber sofort mit dem Einleiten der Salzlösung eingezogen. Dagegen streckte er sich während des Herzstillstandes (!) ausserordentlich weit heraus, wurde dann plötzlich mit einem Ruck eingezogen und kam wieder heraus. Das Spiel wiederholte sich mehrere Male, und es machte den Eindruck, als versuchte das Tier dadurch den Herz- schlag wieder anzuregen. Nach 10 Minuten Stillstand wurde H,O eingeleitet. Die Erholung griff in 9—40 Minuten ein. Die Schlag- geschwindigkeit ist dann meistens wenig verändert, doch sind die Schläge sehr schwach, besonders die Diastole. | Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 329 !/ss mol. und schwächere Lösungen werden stets vertragen, d.h. das Herz lebt in ihnen länger als eine Stunde. Dabei wird die Schlag- stärke geringer, die Frequenz ändert sich jedoch nicht. e) Caleciumchlorid. Das Caleium ist besonders als Antagonist zu Na gut untersucht. Deine Wirkungsweise ist wieder an Medusen, Skelettmuskeln und Herz festgestellt. Bethe fand an Rhizostoma bei Ca-Mangel im Seewasser eine Lähmung, welche schnell auftrat und gut reversibel war. Caleium in geringem Überschuss (2—3fach) wirkt auf lange Zeit beschleunigend und pulsverstärkend, bei grösserem Überschuss (3—4fach) dagegen mehr oder weniger systolisch Jähmend. Besonders wurden die Randkörper angegriffen. Nach Mathews wirkt es auf Funduluseier eiftiger als K und Na (eiftige Dose ?/ mol., KCI %s mol., NaC] *s mol.). Am Skelettmuskel kommen Lingle und Howell!) zu dem Ergebnis, dass Natrium und Calcium unbedingt zu rhythmischen Zuckungen notwendig sind. Benedict?) findet, dass CaCl, fast augenblicklich einen stark vergrösserten Tonus herbeiführt, von dem bei dem späteren Eintauchen in NaCl keine Erholung stattfindet (Konzentration = 0,025°). Nach Blumenthal?°) schädigt CaCl, in X/ao mol. Lösung den quergestreiften Muskel (Sartorius des Frosches), !/ıo mol. wirkt schon als heftiges Gift. Zoethout‘) rechnet Ca zu denjenigen Salzen, welche Tonus hervorbringen, dagegen keine rhythmischen Kontraktionen. : Am Froschherz stellten Ringer und Buxton’°) fest, dass ge- ringe Mengen CaCl,, zu NaCl zugesetzt, den durch NaCl bewirkten Stillstand aufheben können. Das Herz des Limulus wird durch Ca gehemmt (Carlson). Dies findet sowohl bei der Wirkung auf das Ganglion als auch auf den Muskel statt. Er betont in einer anderen Arbeit, dass Ca die Tätigkeit des Herzmuskels herabdrückt. Die Frequenz wird dagegen nicht geändert, da diese vom Ganglion ab- hängig ist. Bei Wirbeltierherzen bewirkt CaCl, dagegen, besonders 1) Howell, Americ. Journ. of Physiol. vol. 6 p. 181. 1901. 2) Benedict, loc. cit. 3) Arth. Blumenthal, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 62 S. 513. 1896. 4) Zoethout, Americ. Journ. of Physiol. vol. 7 p. 199. 1902, vol. 10 p. 211 and 273. 1904. 5) Ringer, Sidney and Buxton, Journ. of Physiol. vol. 8 p. 15 and 283. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 22 330 Walter Koch: wenn es ins Blut gebracht wird, eine Steigerung der Pulsationen (Tigerstedt)"). Trotzdem kann es allein nicht als Reizmittel an- gesehen werden, denn mit Anelektrolyten gemischt, bewirkt es am ausgeschnittenen Herzen keine Zuckungen (Lingle). Die Wirkungen der in die Blutbahnen des Haies eingespritzten Salzlösung waren auf das Herz in situ unklar. Die Frequenz blieb gleich oder wurde herabgedrückt. °/s mol. Lösung drückte die Pulse stets herab oder machte sie unregelmässig. Die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen an Anodonta schliessen sich eng an die an, welche Bethe an Rhizostoma ge- wonnen hat. Natürlich sind meine Konzentrationen stets im Über- schuss im Vergleich zum normalen Gehalt des Wassers vorhanden. So finde ich auch eine mehr oder weniger ausgeprägte systolische Lähmung. Die niederen Konzentrationen (}/ıoo und ?/100 mol.) werden sehr gut vertragen. Die Schlagstärke nimmt etwas zu, so dass. während der ganzen Versuchszeit kräftige Pulsationen wahrzunehmen sind. In "/ıo mol. Lösung herrschen ebenfalls kräftige Schläge vor. Besonders die Diastole ist hier sehr gut ausgeprägt. Der Ventrikel Ö ist meist stark gefüllt. Nach dem Einleiten von Wasser wird der normale Schlag in kurzer Zeit wiederhergestellt (in 20 Minuten), sodass von keiner grossen Schädigung gesprochen werden kann. Diese macht sich in ?/ıo mol. Lösungen bemerkbar. Die Schläge werden nach 25 Minuten schon schwächer und nehmen allmählich noch mehr ab, sodass das Herz in der letzten Viertelstunde nur noch sehr schwach schlägt. Zu Beginn des Versuches konnte auch hier eine starke Diastole verzeichnet werden, mit der Abnahme der Frequenz begann die Systole vorzuherrschen. In H,O baldige Erholung. ®/ıo mol. Lösung gibt das gleiche Bild. Schwache Systole und Diastole, zum Schlusse aber eine geringe Beschleunieung, während sich. . sonst die Frequenz nicht ändert. (In einem Falle wurde die gleiche. Lösung nicht vertragen. Schon nach drei bis vier Schlägen fand ein diastolischer Stillstand statt, von dem sich das Tier nicht erholte.). */ıo mol. CaCl, ist die höchste Konzentration, welche noch ver- tragen wird. Auch hier sind immer nur schwache Schläge zu ver- zeichnen ohne Änderung der Frequenz. 0,5- und 0,45-mol. Lösungen bewirken sehr schnell Stillstand in Systole. Von diesen Lösungen 1) Tigerstedt, loc. eit. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 331 scheint das Herz gleich sehr schwer geschädigt zu werden, denn es erfolst im Wasser eine nur geringe Erholung. Dauert der Stillstand länger als 5 Minuten, so wird er irreversibel.e. Auch der Habitus des ganzen Ventrikels wird durch die Lösung verändert. Einzelne Zellen werden abgestossen, und der Muskel wird trübe. Das Tier erholt sich selten zum normalen Aussehen. Sehr auffällig ist jedenfalls die hohe Konzentration, welche hier vom Ventrikel ertragen wird. ‚Sollte hier ein Zusammenhang mit der Kalkanhäufung in der umgebenden Schale bestehen ? d) Magnesiumchlorid. Die Wirkungen dieses Salzes allein, namentlich für das Herz, sind bisher wenig untersucht. Am besten sind sie wieder für Medusen bekannt. Nach Bethe’s Untersuchungen übt Magnesiumchlorid hier eine primär lähmende Wirkung aus, und zwar werden die ein- zelnen Teile der Meduse verschieden angegriffen. Auf den Muskel wirkt es gar nicht Die Randkörper werden gelähmt, erholen sich aber rasch im Seewasser. Der Stillstand erfolgt in einer Lösung von 100 Teilen Seewasser und 10 Teilen Vz mol. MgCl, bereits nach 30—100 Sekunden. Es lässt sich feststellen, dass die Jähmende Wirkung des Mg allein auf der Aufhebung eines Erregungszustandes beruht und nicht auf einer positiven, vom Randkörper ausgehenden Hemmung. Nervennetze werden dagegen primär gelähmt, aber erst die vierfache Menge wirkt wegen der grösseren Widerstandsfähigkeit hier deutlich. Am ganzen Tiere macht sich ebenfalls eine Lähmung bemerkbar (Seewasser ohne Mg beschleunigt). Der Stillstand erfolgt in Diastole und ist sehr gut und schnell reversibel.e. Demnach be- steht ein wesentlicher Unterschied zwischen Mg und Ca, welches erst sekundär lähmt. | Auf die Cilien des Frosches wirkt '/s mol. Lösung von MgCl, gleich der einer Lösung von CaCl, von derselben Konzentration. Im ersten Falle schlagen sie 28—35 Stunden, im zweiten 25 bis 35 Stunden (Maxwell) }). Für Funduluseier ist Mg fast so giftig wie Na (**/so und */s mol.) nach Mathews Untersuchungen. Auch der Muskel des Limulusherzens wird ohne vorherige Reizung von Magnesiumchloridiösungen gehemmt (= Ca.). Die Depression ist dabei um so grösser, je höher die Konzentration. Die 1) S. S. Maxwell, Americ. Journ. of Physiol. vol. 13 p. 154. 1905. DO 332 Walter Koch: Geschwindiekeit wird dagegen nicht verändert (Carlson). Am Skelettmuskel kann Meg keine rhythmischen Kontraktionen und keinen Krampf hervorrufen (= Ca) (Zoethout). Ganz abweichend ist das Ergebnis von Cook am Froschherzen in situ. Magnesiumchlorid soll hier die Geschwindigkeit vermehren, dagegen nicht die Stärke beeinflussen. Ida Heyde beobachtete, dass MeCl, in allen Konzentrationen die Schlaggeschwindigkeit des Haifischherzens verlangsamt; die Stärke des Schlages wird vermehrt oder bleibt unverändert. | Auch an Anodonta wirkt MgC], dem CaCl, ganz ähnlich. Beide stimmen vor allem in der ausserordentlichen Schädlichkeit derjenigen Konzentrationen, welche den Rhythmus hemmen, überein. MgÜl, wirkt fast noch giftiger. Im Wasser erholen sich die Tiere fast nie, oder es kommt höchstens zu sehr schwachen Schlägen in starker Systole. Die stärkere Giftigkeit drückt sich auch in den viel ge- ringeren Dosen aus, welche hier noch den Rhythmus bestehen lassen. Nur Lösungen, welche !/ıo oder 2/iomol. sind, werden noch vertragen. Dabei macht sich wie in den oben referierten Arbeiten eine starke Verzögerung geltend. Die Schlagzahlen für je zehn Schläge waren zum Beispiel in einem Versuch mit *ıo mol. MeCls: In7H50:71397 175, 177021902190, 7772 2nSMeOE 217282165; 170, 323, 316, 270, 320, 350, 343, 365, 308. Wieder in H,O: 280, Stillstand in Systole.e Nach 10 Minuten schwache unregelmässige Zuckungen. Es ist für MgCl, hier überhaupt typisch, dass vor allem der Übergang zum H,;O sehr schlecht vertragen wird. Dies kann nicht nur an dem Wechsel des osmotischen Druckes liegen, da bei anderen Salzen und auch bei Nichtelektrolyten nie etwas derartiges beobachtet wurde. 2 Lösungen, welche 3/1o mol. sind, bewirken sofortigen Stillstand, meistens in schwacher Diastole. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Lösungen durch Titration des Chlorgehaltes hergestellt wurden, da MgCl, ausserordentlich hygroskopisch ist und aus diesem Grunde genaue Wägungen des Salzes unmöglich sind. (Bei dieser Gelegenheit habe ich auch alle anderen Vorratslösungen geprüft und für richtig befunden.) 2. Entgiftung von Natriumchlorid. Ich komme nun zu einem der interessantesten und zugleich schwierigsten Kapitel der modernen Physiologie, nämlich _ zu dem Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 333 der gegenseitigen Entgiftung verschiedener Ionen. Über diesen Gegenstand besteht schon eine sehr zahlreiche Literatur, auf die ich hier unmöglich eingehen kann. Ich muss mich daher auf die für unsere Versuche besonders in Betracht zu ziehenden Arbeiten beschränken und im übrigen auf die Literaturbearbeitungen hin- weisen, welche besonders in der neuesten Auflage bei Höber!), bei Robertson?) und Bethe?®) zu finden sind, sowie auf die Originalarbeiten von Loeb®). Die ersten Anfänge der Elektrolytkombinationen zeigen sich in den Arbeiten Ringer’s, welcher zuerst bemerkte, dass gewisse Salze den isolierten Froschmuskel zu rhythmischen Zuckungen bringen, dass dagegen die Anwesenheit von anderen Salzen, die oft nur in sehr kleinen Mengen vorhanden zu sein brauchen, dies verhindert. Er fand die nach ihm benannte Lösung von anorganischen Salzen, die als das Bestmass für alle marinen und Wirbeltiere eilt. Sie besteht, je nach dem Tiere, aus: 6,5—9,5 & NaCl, 0,2 g KCI- 0.2—0,3 g CaC],, etwa 0,1 g NaHCO, im Liter. In ihr kann das Leben und die Dale Tätigkeit einzelner Organe erhalten bleiben. Die Ringer’sche Lösung ist nach Loeb eine „Physio: loeisch ausgeglichene“. Letzterer hat nun die Untersuchungen über die Beziehungen der einzelnen Salze weiter fortgesetzt. Er wählte als Versuchsobjekt die Entwicklung der Eier von Fundulus heteroclytus. Diese haben die Eigenschaft, dass sie sich, obwohl sie marin sind, auch in de- stilliertem Wasser entwickeln können. Das Auffällige war nun, dass die Entwicklung sofort gehemmt wurde, sobald die Eier in eine NaCl-Lösung gebracht wurden, die mit dem Meerwasser isotonisch war oder wenigstens den Prozentgehalt hatte, in dem das Natriumchlorid im Meerwasser vorhanden ist. Eine Kochsalzlösung von gleich starker Konzentration wie im Meerwasser ist für diese Eier demnach giftig! Der schädigende Einfluss kann nun aber durch den Zusatz von anderen Salzen aufgehoben werden (antitoxische Wirkung der Elektro- lyte). Loeb konnte zeigen, dass sogar die als sehr eiftig geltenden Schwermetallsalze (zum Beispiel ZuSO,) durch andere unschädliche Salze (NaCl) kompensiert werden können. Er stellte ferner fest, 1) Höber, loc. eit. 2) Robertson, loc. eit. 3) Bethe, loc. ecit. ‚ 4 Loeb, loc. eit. 334 Walter Koch: dass durch einen grösseren Zusatz eine grössere Menge des giftigen Salzes unschädlich gemacht wird. Meistens wird aber bald eine Grenze erreicht, von der ab keine Wirkung mehr zu verzeichnen ist. Die von Loeb gefundenen Sätze haben sich überall wieder- gefunden. So zeigte Bethe den Antagonismus der Salze an Me- dusen, Lillie!) an Geisseln, Mathews am Fundulus, Robertson am Herz usw. Die schädliche Wirkung eines Salzes kann sogar nachträglich durch ein anderes Salz aufgehoben werden. So hören zum Beispiel die rhythmischen Kontraktionen eines ausgeschnittenen Froschherzens beim Durchspülen mit einer NaCl-Lösung nach einiger Zeit auf. Die Herzschläge beginnen aber wieder, wenn man mit der Lösung eines anderen Salzes durchspült oder dem NaCl dieses Salz zusetzt. Ähnliches wurde wieder an Geisseln, Skelettmuskeln und Medusen beobachtet. Zu beachten ist dabei jedoch, dass in Wirklichkeit nicht jedes: Salz verwendbar ist. Bei einigen konnte nämlich eine Summierung der schädigenden Wirkungen beobachtet werden. Die Ursache des Antagonismus der Salze ist vorläufig noch unbekannt. Auf die verschiedenen Theorien, welehe zur Erklärung aufgestellt worden sind, werde ich im Schlusskapitel noch eingehen. Wenden wir uns nun gleich den Ergebnissen meiner Versuche zu. Die Methodik war die gleiche wie in den bisherigen Versuchen. Als Kriterium der Giftigkeit galt wieder eine Schlagdauer von 1 Stunde. Die Lösungen wurden so hergestellt, dass die berechneten Mengen der Normallösungen beider Salze in einen Literkolben geschüttet und mit destilliertem Wasser bis zur Marke aufgefüllt wurden. 0,4 mol. NaCl + 0,001 mol. KCl heisst demnach: es wurden 400 cem mol. NaC]- und. 1 ccm mol. KCl-Lösung mit destilliertem Wasser zum Liter aufgefüllt. Auf diese Weise wurde die Entgiftung von NaCl, KCI und MgCl, untersucht, jedesmal durch die drei anderen Salze und CaQl].. Natriumchlorid kann von KClI, MeCl, und CaCl, gut enteiftet werden. Oben hatte ich bereits gezeigt, dass eine NaCl- Lösung, welche 0,14 mol. ist, schon nach kurzer Zeit Stillstand bewirkt. Schneller erfolst dieser natürlich in einer konzentrierten Lösung, zum Beispiel in einer, welche 0,2 mol. ist. Solche Lösungen können 1) R. Lillie, Americ. Journ. of Physiol. vol. 7 p. 23 and 88. 1902, vol. 10 p. 419. 1904, Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 335 nun aber durch den Zusatz von anderen Salzen in bestimmten Mengen unschädlich gemacht werden, so dass der Herzrhythmus nun min- destens 1 Stunde erhalten bleibt. Zunächst habe ich KCl zugesetzt, also ein anderes einwertiges Kation. Fs zeigte sich dabei, dass schon sehr geringe Mengen senüsen, um die oben genannte NaCl-Lösung zu entgiften. Setzt man nämlich 1 cem einer Normallösung von KCl zu 1 Liter der NaCl-Lösung hinzu, so wird letztere schon dadurch enteiftet. Die Entsiftung geht sogar noch viel weiter. Es werden auch Lösungs- gemische vertragen, welche °/ıo mol. NaCl + "ıiooo mol. KC1l und */1o mol. NaCl + Y/ıooo mol. KCI enthalten. Höhere Konzentrationen wurden dagegen nicht mehr entgiftet.. Se erfolgte in einer Lösung von ?/Jıo mol. NaCl + Y/ıooo mol. KCI schon nach 8 Minuten Stillstand in Diastole. Dieser ist demnach auf die zu grosse Menge von NaCl zurückzuführen. Die Höchstkonzentration für NaCl wird in einer */ıc mol. Lösung erreicht, denn selbst ein weiterer Zusatz von KC] hat keinen Erfolge mehr. Der Stillstand kann nicht nur auf den osmotischen Druck zurückgeführt werden, da ich noch zeigen werde, dass in anderen Kombinationen bei viel höheren Konzentrationen der Herzschlag noch bestehen bleibt. Wir kommen demnach zu dem Freebnis, dass das Natriumchlorid durch Kaliumcehlorid nur in einem bestimmten Intervall entgiftet wird. Das gleiche werden wir auch beı den anderen Salzen noch finden, und ich werde deshalb der Einfachheit wegen die Differenz zwischen der an sich giftigen Konzentration und dem Maximum in der Kombination als „Entgiftungszone“ bezeichnen. Dabei möchte ich gleich bemerken, dass es sich herausgestellt hat, dass diese in den einzelnen Kombinationen derselben Stammlösung verschieden ist. Weiterhin ist aber für den Grad der antagonistischen Wirkung eines Salzes auch das Verhältnis wichtig, in welchem beide zueinander gemischt werden müssen. Für KCl zu NaCl fand ich: !/1000 KCI entgiftet ??/ıoo NaCl (*ıo—"/ıo0). Die Salze stehen also im Verhältnis 1:250. Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzu- weisen, dass Loeb und Wasteney!) genau den gleichen Wert für die Entgiftung am Fundulusei gefunden haben. Um die antagonistische Wirkung zweier Salze zu vergleichen, muss man also das Verhältnis und die Entgiftungszone in Betracht ziehen. Leider ist die letztere fast nie berücksichtigt worden. 1) Loeb und Wasteney, Biochem. Zeitschr. Bd. 32, 33 und 40. 336 Walter Koch: Als Antagonist für NaCl kann auch Caleiumchlorid mit sehr sutem Erfolg angewandt werden. Als Ergebnis der Versuche bekam ich folgende Reihe: ?Jio mol. NaCl + !/ıooo mol. Call; + /ıo mol. NaCl + !/ıooo mol. Call, + */jo mol. NaCl + "/ıooo mol. CaClg — 6/10 mol. NaCl + ?/ıooo mol. CaCl, + "/ıio mol. NaCl + ?/ıooo mol. Call, — "/io mol. NaCl + ?/ıooo mol. CaCl, + %/ıo mol. NaCl + */ıooo mol. CaCl; — S/1o mol. NaCl + /ıooo mol. CaCl, + %/ıo mol. NaCl + *ıooo mol. Call; — mol. NaCl —+ 10/1000 mol. CaCl, — mol. NaCl + 15/1000 mol. CaCl, — mol. NaCl + 25/1000 mol. CaCl; — Die Höchsterenze liegt hier demnach viel höher als bei dem Gemisch NaCl + KCl. Sie beträgt ®ıo mol. NaCl + *ıooo mol. CaC],. Wir können daraus das Verhältnis berechnen und finden, dass 66/100 mol. NaCl von ®ıooo mol. CaCl, entgiftet werden; es ist 1: 110, also etwas geringer als bei den K-Ionen. Da die Mengen des CaCl, in den höheren Konzentrationen nicht genau den Mengen des NaCl proportional sind, können wir auch das Verhältnis geringerer Kon- zentrationen noch zum Vergleich heranziehen. So ist für %/ıo mol. NaCl das Verhältnis 1: 230, es bleibt also auch hier noch unter dem KCI-Wert zurück. Dieses Ergebnis ist um so auffälliger, da sonst CaCl, immer besser und kräftiger wirkt als KCl. Loeb spricht geradezu aus, dass ein zweiwertiges Ion immer besser entgiftet als ein einwertiges, und schreibt der Wertigkeit stets einen grossen Einfluss zu. Wir finden hier dagegen einen Fall, wo der Satz für das Enteiftungs- verhältnis nicht gilt. Loeb’s Annahme behält aber seine Richtigkeit, wenn wir die Breite der Entgiftuneszone ins Auge fassen. Sie hat hier eine ungewöhnliche Grösse, und ich kann im voraus bemerken, dass ich bei keinem anderen Salze ein ähnlich hohes Maximum er- reichen konnte. Sie umfasst den Bereich von 0,14—0,80 mol., also 66 Einheiten, während KC]l deren nur 24 zeigte (als Einheit 0,01 mol. der Stammlösung). Der Stillstand erfolgte stets in Diastole. Die Kombinationen wirken ausserordentlich beschleunigend. Es erfolgen oft 12—15 Schläge in der Minute, deren normalerweise nur 4—5 zu verzeichnen sind. (Oben hatte ich 12 Kontraktionen in der Minute als Maximum für das Anodontenherz angegeben. Hier Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 337 kann man nicht mehr von wirklichen Kontraktionen sprechen, da es sich in diesen Fällen immer nur um ein kurzes Zucken handelt.) Nach Loeb beruhen die rhythmischen Kontraktionen eines Gewebes auf dem Austausch von Na-Ionen gegen Ca oder umgekehrt. Dies würde mit meinen Ergebnissen übereinstimmen, wenn wir annehmen, dass. die Ionen mit verschiedener Geschwindigkeit wirken. . Dabei könnte zunächst Na besonders wirksam sein (da es in der grösseren Konzentration vorhanden ist). Das Verhältnis Na zu Ca würde dann immer grösser werden, bis das Maximum der Wirkung erreicht ist. Ca wirkt dann noch einige Zeit weiter, und der Quotient wird da- durch wieder kleiner. Nach allen Versuchen tritt im Wasser rasch und gut Erholung ein. Bemerkenswert ist auch, dass fast bei allen Versuehen der Fuss sehr weit herausgestreckt wurde. NaCl wird auch durch M&C], in ausgezeichneter Weise entgiftet. Die Mengen, welehe dazu nötig sind, sind sogar sehr gering, so dass hier das Verhältnis der zu mischenden Flüssigkeiten am geringsten ist. Es beträgt 1:360. Dagegen ist die Grösse der Enteiftungs- zone geringer als beim Ca, aber immer noch grösser als beim K. Sie ist 36 Einheiten gross. Als Versuchsergebnisse fand ich nämlich folgende Werte: 2/1o mol. NaCl + Yıeoo mol. MgCl, + 3/10 mol. NaCl + Y/ıooo mol. MgCl, + */ıo mol. NaCl + Y/ıooo mol. MgCl, + 5/ıo mol. NaCl + !/ıooo mol. MgCl, + 6/10 mol. NaCl + "ıooo mol. MgCl, — 6/10 mol. NaCl + 2/1000 mol. MgCl, — 6/10 mol. NaCl + ?/ıo0o mol. MgCl, — Das Maximum der Enteiftung ist also *ıo mol. NaCl. Mit grösseren Mengen MeC], gelinst es auch hier nicht, stärkere Kon- zentrationen unschädlich zu machen. Der Stillstand erfolgt stets in Diastole, beruht demnach auf der NaCl-Wirkung. In H,O erfolet schnell Erholung, doch ist diese nicht so gut wie bei CaCl,. Auch bei diesen Versuchen erfolgt meist eine Zunahme der Schlaggeschwindigkeit, doch ist diese viel geringer als in der vorhergehenden Versuchsreihe. Eine Zunahme der Schlag- stärke kann meist nicht beobachtet werden. Als Ergebnis der Versuche, welche die antagonistische Wirkung verschiedener Ionen gegen NaCl zeigen, finden wir demnach: die einzelnen Ionen wirken sehr verschieden, sowohl in bezug auf den 338 Walter Koch: Entgiftungsquotienten als auch auf die Grösse der Entgiftungszone. Beide brauchen nicht Hand in Hand zu gehen (vgl. K und Ca). Grenzkonzentration !*/ıoo mol. Na-Salz E 7 Ä p Maximum Ba: Entgiftungszone der Entgiftung Verhältnis 1 = !/ıoo mol. KUREN ne */10 1: 250 24 Babe 8/10 1:110 (230) 66 Moon 5/10 1: 360 36 Alle Entgiftungstatsachen gehen aus der Zusammenstellung der Kurven in Tafel V hervor. Je tiefer eine Kurve liegt, um so kleiner das Verhältnis, je länger sie ist, um so erösser die Entgiftungszone. Entgiftung des NaCl 0,006 17) A v4 0,005 4 £ 7% / / / / DR. Callı_ er 0,001 4 ee een 02 0,8 0,5 0,9 m. NaCl Fig. 5. 3. Entgiftung von Kaliumchlorid. Ebenso wie NaCl kann auch die schädliche Wirkung des Kalium- chlorids durch andere Salze aufgehoben werden. Bei diesen Ver- suchen zeigte sich auch, dass die antagonistische Wirkung zweier Kationen eine gegenseitige ist, es kann also nicht nur KCI die schäd- lichen Konzentrationen von NaCl entgiften, sondern es gelingt auch umgekehrt, durch NaCl die Giftwirkung des KCl aufzuheben. Ent- ‚sprechendes fand auch Loeb an den Funduluseiern. Während er aber zunächst eine addierende Wirkung und erst von einer bestimmten Grenze an einen Antagonimus zwischen beiden Salzen nachweisen konnte, machte sich dieser in meinen Versuchen sofort geltend. Ich hatte im Kapitel KCl gezeigt, dass dieses sehr giftig wirkt. Die höchste Konzentration, in welcher das Herz noch 1 Stunde schlägt, ist Y/ss mol. In einer "/co mol. Lösung erfolgt schon nach Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 339 5 Minuten Stillstand in Systole. Ich konnte nun durch eine grosse Reihe eenauer Versuche feststellen, dass bei dem Zusatz von kleinen Mengen NaCl die Schlagzeit etwas länger dauerte als im reinen KC]l. Zur Ent- eiftung d. h. also, um das Herz 1 Stunde lang schlagen zu lassen, ist der Zusatz von einer mindestens !/ııo mol. Lösung NaCl nötig. Für höhere Konzentrationen müssen die entgifteten NaCl-Mengen genau propor- tional den schädlichen KCl-Mengen sein. Das Ergebnis der unschäd- lichen (nur für die Kontraktionen!) Lösungen war demnach folgendes: 1. */ıoo mol. KCl + NaCl 2 5l1oo mol. KC1 + Yııo NaCl 3. 6/ıoo mol. KCl + ?/ı1o NaCl 4. "/ıoo mol. KCl + ®/ıro NaCl 5. S/ioo mol. KCl + */ııo NaCl 6. ?/ioo mol. KC1 + /ıro NaCl 7. 1100 mol. KCI + "io NaCl Besonders in den höheren Konzentrationen wird der Herzschlag in diesen Lösungen sehr schwach und stellt sich meistens nur als ein schwaches, rhythmisches Zucken in Systole dar. Dieses hört aber sofort auf, sobald weniger NaCl, als angegeben, in den be- treffenden KCI-Konzentrationen enthalten ist. Eine Abweichung von der Proportionalität findet sich nur in der höchsten Konzentration. Die Höchstgrenze der Entgiftung ist "/ıo mol. KCl. Die Kombinationen mit diesem viel giftigeren Salze können also nicht so konzentriert gewählt werden, wie mit NaCl. Dementsprechend ist hier die Ent- giftungszone nur 6 Einheiten gross. Sehr klein ist aber das Ver- hältnis, in welchem die Antagonisten zueinander stehen müssen. Es beträgt, wenn wir den letzten, anormalen Wert unberücksichtigt lassen, 1: 1,1, d. h. um eine bestimmte schädliche KCI-Menge zu entgiften, muss man fast ebensoviel NaCl] zusetzen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass im umgekehrten Falle (NaCl + KCl) das Verhältnis 1: 250 war. Auch MsCl, kann zur Entgiftung des KCl angewandt werden. Es wirkt aber nicht so gut wie NaCl auf die Zone. Auch hier ist demnach eine Abweichung von dem Wertiekeitsgesetz Loeb’s vor- handen. Das Verhältnis ist dagegen bedeutend besser. Die Ergeb- nisse der einzelnen Versuche waren folgende: >/100 mol. KC1 + */ıooo mol. MgCl, + ?/ı0o mol. KCl + ®/ı00o mol. MgCl, — diast. Stillstand 6/00 mol. KCl + 3/ıooo mol. MgCl, + 100 mol. KCl + */ı000o mol. MgCl, — diast. oder systol. Stillstand 340 Walter Koch: "/1oo mol. KC1 + ®ıooo mol. MgCl, + "/1oo mol. KCI + ?/ıooo mol MsCl, — diast. Stillstand 8/ıoo mol. KCI + "/ıooo mol. MgCl, — diast. Stillstand ®/100o mol. KCl + S/ıo0o mol. MgCl, + %/100o mol. KCl + ?/ıooo mol. MgCl, — nach 30 Minuten Diastole %/100 mol. KCl + 1!/ıooo mol. MgCl, — nach 5 Minuten Diastole 10/100 mol. KCI + S/ıooo mol. MgCl, — nach 30 Minuten Diastole 10/100 mol. KCl + ° 1000 mol. MgCl, — nach 5 Minuten Diastole 10/100 mol. KC1 + 10/1000 mol. MeCl, — nach 7 Minuten Diastole 10/100 mol. KCl + 12/1000 mol. MgCl, — nach 3 Minuten Diastole Die Enteiftungszone ist demnach hier nur 4 Einheiten breit. Sehr schön kommt auch die Proportionalität der Entgiftungs- mengen zum Ausdruck. Das Verhältnis der beiden Salze ist 1:10, also bedeutend besser als bei K zu Ma. Ist einmal das Maximum der Entgiftung überschritten, so nützt ein weiterer Zusatz des Antagonisten nichts mehr, sondern es macht sich dann im Gegenteil eine Steigerung der Giftigkeit bemerkbar. Deutlich geht dies aus den Versuchen hervor, die mit einer Y/ıo mol. KCI-Lösung angestellt wurden, also einer Konzentration, die mit NaCl noch bequem entgiftet werden kann. Der Stillstand erfolgt stets in starker Diastole. Dies ist sehr auffällig, da im KCl allein eine Systole, in MsCl, nur eine schwache Diastole eintritt. In der Kombination erfolgt, wie ich oben bereits ausgeführt habe, eine starke Zunahme der Geschwindigkeit, während in den Lösungen der einzelnen Salze eine Abnahme erfolst. Im Gegensatz zu den einzelnen Salzen ist hier auch der Stillstand im Wasser schnell reversibel, wenn auch die Schlagstärke zunächst lange Zeit gering bleibt. Die Kombination zeigt hier also andere Rigen- schaften als die einzelnen Salze. Zu gleichen Ergebnissen kommt auch Bethe bei seinen Molluskenversuchen: „Die erregenden Eigen- schaften addieren sich nicht ohne weiteres in Geinischen von zwei und drei erregenden Salzen, vielmehr treten hierbei andere Eigen- schaften der Kationen in den Vordergrund.“ Anodonta gibt uns ein Beispiel, in dem zwei depressive Kationen in der Kombination eine erregende Wirkung zeigen. Diese Tatsachen müssen natürlich bei Experimenten mit Funduluseiern verschwinden, da dort nur die Zahl der entwickelten Eier berücksichtigt wird. Als ich dann damit besann, CaCl,;, mit KCl zu kombinieren, konnte ich sofort feststellen, dass hier keine Entgiftung eintrat. Es machte sich im Gegenteil eine Addition der schädigenden Wirkung bemerkbar. R Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 341 Normalerweise bewirkt eine “/ıo0 mol. KCI-Lösung nach ca. 25 Mi- nuten Stillstand. Leiten wir dagesen *ıoo mol. KCI + !/ıooo CaCl, durch die Glaskammer, so erfolet der Stillstand bereits nach 22 Mi- nuten, bei ®ıoo + ?/iooo nach 5 Minuten, /ıoo + ®/ıooo nach fünf Schlägen, ®/ıoo + "?/ıooo nach drei Schlägen. Eine Ausnahme machte aur ein sehr kräftiges Tier, welches trotz der Kombinationen ®ıoo KC1 + 10/5000 CaCl,; 5 Minuten lang den Herzschlag beibehielt. Um auch die Wirkung dieser Kombination genauer zu studieren, schlug ich den umgekehrten Weg ein und bestimmte diejenige Ca- Menge, welche nötig ist, um in einer an und für sich unschädlichen KCl-Lösung das Herz zum Stillstand zu bringen. Auf diese Weise stellte sich hier heraus, dass ungefähr proportionale Mengen die gleiche Wirkung hervorbringen. Die Grenzwerte, welche ich aus _ vielen Versuchen erhielt, waren folgende: !/ioo mol. KC1 + "2/ıoo mol. CaCl; + !/ıoo mol. KC1 + !*/ıvo mol. Call, ?/ıioo mol. KC1 + !P/ıoo mol. CaCl, 2/10o mol, KCl + °/ıoo mol. CaCl, 2100 mol. KC1 + !!/ıoo mol. CaCl, 3/joo mol. KCl + /Jıoo mol. CaCl, ®/100o mol. KCl + "soo mol. CaÖCl, */100 mol. KC1 + */ıoo mol. CaCl, */100 mol. KÜl + °Jıoo mol. CaCl, | | | Natürlich kann man in diesem Falle nicht von einer Enteiftungs- zone und -Verhältnis sprechen. Letzteres lässt sich jedoch einiger- massen noch feststellen. '/ıoo mol. KCI kann in bezug auf Giftigkeit durch *ıoo CaCl, ersetzt werden. Das Verhältnis ist also 4:1. Auch in der Kombination Yıoo mol. KCI + !?/ı00 CaCl, herrscht das gleiche Verhältnis. Von einer Zone kann man hier nicht sprechen, da, wie die Kurve in Tafel V zeigt, die Zone zwischen O0 und */ıoo mol. liegen muss. Auch an anderen Objekten ist in einigen Fällen eine Steigerung der Giftigkeit bemerkt worden. Ich erwähnte schon oben die Ver- suche Loeb’s, welche zeigen, dass die Kombination KCI + NaCl in geringen Konzentrationen gifticer wirkt als KC] allein. Dieses gilt aber nur so lange, als 8 oder 10 Moleküle NaCl auf 1 Mole- kül KCI kommen. Die antagonistischen Wirkuugen treten erst auf, sobald 17 oder mehr Molekülen in der Lösung vorhanden sind. Dabei sind diejenigen Konzentrationen von NaCl, die imstande sind, die Giftwirkungen des KC1 zu verstärken, an sich völlig uneiftig, da die Fische in denselben beliebig lange leben können. 342 Walter Koch: Ich möchte noch betonen, dass auch in meinen Experimenten das gleiche der Fall ist. Oben habe ich gezeigt, dass CaCl, erst in 5/ıo mol. Lösungen Herzstillstand bewirkt. Die stärkste angewandte Konzentration ist hier aber nur 1#/ıoo mol. Auch kann die ge- steigerte Wirkung keine reine Addition sein oder nur auf dem os- motischen Druck beruhen, denn die berechneten Zahlenwerte weichen stets erheblich voneinander ab. Ich komme auf diesen Punkt im Schlusskapitel bei der Theorie von Robertson noch einmal zu sprechen. 1/2 mol CaCl; 1,14 | \ 0,13 } ” N 0,12 Entgiftung von KCl IN 0,11 F “ \ 0,10 2.8 0,09 Sr A IOY sap 'zuoy 19 0,01 0.02 0050ER E00 007 008 0,08 01 Die Giftwirkungen des KC] lassen sich am Fundulusei aber durch CaCl, aufheben. Hier besteht also nach den Untersuchungen von Loeb und Wasteney ein Antagonismus. Dagegen gelang es. dort nicht, KC]l durch MsCl, zu entgiften. Beide Versuche stehen also im Gegensatz zu meinen Ergebnissen. Auch daraus kann man ersehen, wie kompliziert die Salzwirkungen sein müssen. Jedes Ge- webe zeigt seine besonderen Figenschaften. Die Beispiele werden dureh weitere Forschungen sicher noch vermehrt werden und einen neuen Beweis dafür liefern, dass jede Art und jedes differenzierte Gewebe ihr besonderes Protoplasma besitzen. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 343 Bei der Entgiftung des KClI kommen wir zu folgenden Er- gebnissen: 1. KCl kann sowohl durch NaCl als auch durch MgCl, entgiftet werden, dagegen nicht durch CaCl,. 2. CaCl, zeigt mit KCl kombiniert eine grössere Schädigung des Herzens als ein Salz allein in derselben Kombination. Dabei ist die Wirkung eine reine Ionenwirkung und nicht allein durch den gesteigerten osmotischen Druck bestimmt. 3. Die Salze wirken folgendermaassen: Enteiftungszone Salz Maximum — !/j000 mol. der Entgiftung Verhältnis 4. Entgiftung von Magnesiumchlorid. Ein Antagonismus zwischen zwei zweiwertigen Kationen ist bereits von Loeb!), Mathews?) und Robertson?°) beobachtet worden. Als Objekte dienten die Eier von Fundulus und von Arbacia. In beiden Fällen gelang es, MeCl, durch CaCl, zu enteiften. Die gewonnenen Resultate zeigen aber, dass die Entgiftung nicht sehr weitgehend ist. Auch in meinen Versuchen konnte ich feststellen, dass sich die beiden zweiwertigen Kationen Mg und Ca als Chloride nicht mehr entgiften, wenigstens nicht in dem Masse wie die beiden ein- wertigen Ionen Na und K. Ich konnte von einer grossen Anzahl von Versuchen nur ein einziges Gemisch finden, welches den Herz- schlag von Anodonta 1 Stunde lang erhielt. Es war dies der Fall, wenn die Konzentration ?/ıo mol. MgCl, + °/eoo mol. CaCl, betrug. Jede andere Mischung, ob konzentrierter oder verdünnter, bewirkte sehr schnell Stillstand in Diastole. Es ist überhaupt das Kennzeichen dieser Kombination, dass sie stark auf die Diastole _ wirkt. Schon nach wenigen Minuten bemerkte ich, auch in der günstigsten Zusammensetzung, „blitzartige“ Diastolen, welche aber bald nachliessen und dann sehr schwach wurden, so dass schliesslich der Herzschlag nur noch mit der Lupe zu erkennen war. Auf die verkürzte Diastole ist auch die Verzögerung des Schlages zurück- 1) Loeb, loc. cit. 2) Mathews, loc. eit. 3) Robertson, loc. cit. 344 Walter Koch: zuführen. Kurz vor dem Stillstande tritt Arhythmie auf. Im H,O erholten sich die Tiere nur unvollkommen. Selbst am nächsten Tage waren die Pulse noch sehr schwach, und die Tiere gingen sehr bald zugrunde. Die Entgiftungszone ist demnach hier nur gleich 1 (0,1 mol.). Das Verhältnis aber 1:7. 5. Ringer’sche Lösung. Die Versuche mit den binären Elektrolytgemischen haben ge- zeigt, dass Anodonta, obwohl es ein Süsswassertier ist, in diesem Falle ziemlich hohe Konzentrationen vertragen kann. Es lag daher nahe, Versuche mit Ringer’scher Lösung anzustellen, welche die am besten ausgeglichene Lösung für Wirbel- und marine Tiere ist. Ich tat dies auch aus dem Grunde, um auf diesem Wege vielleicht etwas Aufschluss über die Zusammensetzung und Wirkung der Peri- kardiallymphe zu bekommen. Loeb nennt Ringer’s Lösung „physiologisch äquilibriert“, das heisst in ihrer Zusammensetzung heben sich die schädlichen Wirkungen der einzelnen Salze am besten gegenseitig durch ihren Antagonismus auf. Merkwürdigerweise verträgt nun Anodonta diese Lösung nicht, obwohl doch die einzelnen Salze in unschädlichen Konzentrationen vorhanden sind. Berechnen wir .die molare Zusammensetzung der Ringer-Lösung, so finden wir für: NaCl = 0,111 mol.; KCI = 0,0027 mol; CaCl; — 0,018 mol. Als physiologische Grenzwerte fand ich aber, wie ich bereits oben gezeigt habe: NaCl = 0,14 mol., KCI = 0,04 mol., CaCl, — 0,04 mol., also Konzentrationen, welche ausser bei NaCl wesentlich höher sind. Dazu kommt noch, wie die Versuche mit den Gemischen zeigten, der Antagonismus, welcher zwischen allen hier vorhandenen Salzen besteht, so dass noch höhere Kombinationen vertragen werden müssten. Trotzdem steht das Herz in reiner Ringer-Lösung nach kurzer Zeit in Diastole still. Dies kann bei schwächeren Tieren schon nach zwei Schlägen, bei sehr kräftigen nach 30 Minuten der Fall. sein. Wir kommen demnach zu dem Schluss, dass die Ringer’sche Lösung für Anodonta nicht physiologisch äquili- briert ist. | Weitere Versuche wurden mit verdünnter Lösung unternommen. 1/4 H,O + 2/ı Ringer-Lösung wurde nur in einem Falle (von vier) ertragen. Dagegen machte sich in Mischungen, welche "/» Ringer- Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 345 Lösung und "/s H,O enthielten, überhaupt keine Störung bemerkbar. Es fand weder eine Änderung der Geschwindigkeit noch eine Zu- oder Abnahme der Schlagstärke statt. (Nur in einem einzigen Falle trat als Ausnahmeerscheinung kurze Zeit nach dem Einleiten eine Zunahme der Geschwindigkeit auf. Aber auch diese liess nach einer !/s Stunde wieder nach.) Wird Ringer ’sche Lösung noch weiter verdünnt (Vs Ringer- Lösung + °/ı H,O), so findet eine sehr deutliche Erregung statt. Die Frequenz steigt in hohem Masse (von 4,7 auf 6,75) und erhält sich während des ganzen Versuches auf dieser Höhe. Mit dem Einleiten von H,O findet dann wieder ein rasches Absinken, welches oft aber bis unter den Ausgangspunkt geht (2,9), statt. Die Schlag- stärke ist während und nach dem Versuche sehr kräftig. Die Ver- suchsergebnisse entsprechen also denen der verdünnten NaCl-Lösungen. Nach diesen Versuchen ist Ringer’sche Lösung, auf die Hälfte durch Wasser verdünnt, für das Herz physiologisch unschädlich. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Biedermann!) bei seinen Untersuchungen über die Leitungsgeschwindigkeit der Muschel- nerven ebenfalls beobachtet hat, dass die gebräuchlichen Erhaltungs- füssigkeiten, physiologische Kochsalzlösung und Ringer’sche Lösung, bei Anodonta nicht angewendet werden dürfen, sondern dass hier nur mit dem ausfliessenden Serum gearbeitet werden darf. 6. Anelektrolyte. Der Stillstand der automatischen Gewebe in Lösungen von ver- schiedenen Salzen kann zweierlei Ursache haben. Einmal kann er von den Ionen der Lösungen selbst abhängen, und zweitens kann er auf dem erhöhten osmotischen Druck beruhen. Um dies zu ent- . scheiden, benutzte man früher die Lösungen von Nichtelektrolyten, d. h. von solchen Verbindungen, welche, im Wasser gelöst, keine Ionen abspalten. Doch hat sich gezeigt, dass auch solche Lösungen | wieder ihre spezifische Wirkung haben. Es kann eine vollkommene Entscheidung deshalb durch sie nicht getroffen werden. Lillie?) nimmt zwar an, dass die Wirkung der Nichtelektrolyte nur auf dem Hinausdiffundieren der Ionen beruht. Ihm stehen aber die Ansichten von Loeb, Lingle, Greene°) und Carlson 1) Biedermann, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 43 Abt. 3 S. 56. 1886. 2) Lillie, loc. eit. 3) Greene, Americ. Journ. of Physiol. vol.2 p. 82. 1898. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 23 346 Walter Koch: gegenüber, die auch den Nichtelektrolyten ein spezifische Wirkung zuerkennen. Ihre Ansicht wird vor allem dadurch gestützt, dass die verschiedenen nicht dissoziierten Lösungen in verschiedenem Grade wirken, selbst wenn sie in gleicher Konzentration, d. h. mit dem gleichen osmotischen Druck, angewandt werden. So wird nach Carlson die Amplitude des Herzschlages am Limulus durch Nicht- elektrolyte herabgedrückt.: (Die Geschwindigkeit wird nicht beein- flusst, da diese vom Ganglion aus reguliert wird.) Die Wirkungsweise ist aber so, dass die Reizmittel in isotonischer Lösung in der Reihen- folge Harnstoff — Glyzerin — Zucker wirken, wobei Harnstoff am schnellsten und kräftigsten angreift. Beweisend ist ferner die Wirkungsweise des destillierten Wassers. Es müsste bei seiner Anwendung ebenfalls ein Hinausdiffundieren der Ionen aus den kontraktilen Geweben und damit ein Stillstand der Zuckungen stattfinden. In Wirklichkeit bleiben aber bei vielen die rhythmischen Kontraktionen länger erhalten, als zum Beispiel im Seewasser ohne Natrium, welches demnach viel egiftiger wirkt (Loeb), Die gleiche Lösung, in verschiedenen Konzentrationen angewandt- wirkt ebenfalls verschieden. Im allgemeinen gilt der Satz: Hyper- tonizität unterdrückt den Rhythmus, Hypotonizität wirkt als pri- märer Reiz. Die Ergebnisse meiner Versuche stimmen mit den Anschauungen Loeb’s überein. °/ıo Rohrzuckerlösung wirkt auf die diastolische Pause ein, welche stark verlängert wird. Die Schlagstärke bleibt kräftig. Nach 20 Minuten erfolgt. diastolischer Stillstand. Eine */o mol. Lösung bewirkt ebenfalls eine geringe Verzögerung, zeigt jedoch auch eine geringe Abnahme der Schlagstärke. Nach 35 bis 40 Minuten diastolischer Stillstand. ®/ıo mol. wird dagegen stets gut vertragen. Der Schlag wird eher noch etwas kräftiger und ein klein wenig schneller als im Wasser. Etwas anders wirkt das ebenfalls untersuchte Glyzerin. In 2/ıo mol. Lösungen erfolgt eine geringe Zunahme der Frequenz, Sy- stole und Diastole werden sehr kräftie. Nach dem Einleiten von Wasser kehrt schnell der normale Schlag zurück. In ®/ıo und */ıo mol. Lösungen erfolgt eine Abnahme der Schlagstärke, die in der letzten Lösung am stärksten ist. Die Frequenz wird von der ersten Lösung gleich der ?/ıo mol. beeinflusst, in der letzten macht sich dagegen ein Absinken bemerkbar (von 93—95 auf 133—136 Sekunden für zehn Schläge). Häufig sind blitzartige Diastolen zu bemerken, doch wird Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 347 die Systole stets mehr geschwächt als die Diastole. Die grosse Schädigung ergibt sich auch aus der längeren Dauer, welche zur Er- holung nötig ist. Trotzdem dauern die Schläge 1 Stunde an. Eine Y/g mol. Lösung bewirkt dagegen stets Stillstand. Er erfolgt nach 20—45 Minuten in Systole oder Diastole. Die einzelnen Tiere reagieren hier merkwürdigerweise verschieden. Während bei den einen mehr die Systole angegriffen wurde, war es bei den anderen gerade die Diastole. Inı Wasser beginnen die Kontraktionen wieder, doch bleiben die Schläge schwach und meistens unregelmässig. Glyzerin und Rohrzucker wirken also auch hier in verschiedenem Masse eiftig. Während ersteres erst in /s» mol. Lösungen Herz- stillstand bewirkt, geschieht dies in letzterem schon in Lösungen, welche nur */ıo mol. sind. Beide Lösungen sind für die Herzmuskulatur - verhältnismässig ungiftig, denn sie wirken erst in einer hohen Konzentration. Dem gegenüber stehen Beobachtungen von Magnus (1904) !), welcher feststellte, dass Rohrzucker schon in 0,02 /oiger Lösung die peristaltisschen Bewegungen des Darmes hemmt. Nach Bethe wird der Schlag der Medusen gehemmt, wenn man einen Teil isotonische Rohrzuckerlösung zu 19 Teilen Meerwasser zusetzt. Am Froschmuskel stehen die Beobachtungen von Henderson denen von Fahr und Urano gegenüber. Letztere finden, dass die Muskeln selbst nach 22 Stunden nur sehr wenig Salz an die umgebende iso- tonische Rohrzuckerlösung abgegeben haben, und dass die Muskeln, in NaCl zurückgebracht, sofort wieder kontraktil werden. Destilliertes Wasser wirkt vollkommen gleich dem Leitungswasser. Selbst bei fünfstündiger Versuchsdauer wurden keine Unterschiede in der Schlagstärke und -dauer beobachtet. C. Osmotische Untersuchungen. Däs auffällige Ergebnis, welches ich mit der gebräuchlichen Ringer’schen Lösung erhielt, veranlasste mich, die Körperflüssig- keit und die Perikardiallymphe von Anodonta noch etwas näher zu untersuchen. Die chemische Analyse des Blutes habe ich bereits mitgeteilt. Ich wandte nun chemisch-physikalische Methoden an, und zwar bestimmte ich den osmotischen Druck mit Hilfe der kryoskopischen Methode. Wegen der theoretischen Grundlage ver- 1) Siehe Höber, Physikal. Chemie der Zelle, 4. Aufl. Leipzig. 23 * 348 Walter Koch: weise ich besonders auf Hamburger!) und Höber?). Der os- motische Druck gibt oft erst mit der chemischen Analyse zusammen ein Bild von der wirklichen chemischen Zusammensetzung der be- treffenden Lösung. Die anorganischen Salze können zum Beispiel mit organischen Substanzen fest verbunden sein (Ionenproteide usw.) und wirken dann physiologisch ganz anders, als wenn sie als an- organisches Salz vorlägen. Die organischen Bestandteile des Blutes üben entsprechend ihrem hohen Molekulargewichte einen sehr geringen osmotischen Druck aus. In den geringen Konzentrationen, in welchen sie im Blute vorliegen, wird ihr Druck im allgemeinen durch unsere Apparate gar nicht gemessen werden können. Albumose zum Beispiel, welche ein Molekulargewicht von 2400 hat, bewirkt selbst in einer 10 °oigen Lösung nur eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,078° C., welche einem osmotischen Druck von 0,93 Atmosphären entspricht. Methylalkohol mit dem Molekulargewicht 32 übt in 10 YYoiger Lösung dagegen einen osmotischen Druck von 70 Atmosphären aus und hat dementsprechend eine Gefrierpunktserniedrigung von 5,781° C. Be- stimmen wir daher den Gefrierpunkt des Blutes, so gibt uns dieser ein Bild von der Menge der freien anorganischen Salze. Die Bestimmungen, die bisher angestellt wurden, sind mit dem Beckmann’schen Apparat hergestellt worden. Mir kam es be- sonders darauf an, einen eventuellen Unterschied zwischen Blut- und Perikardiallymphe festzustellen. Da von der letzteren nur sehr kleine Meugen zur Verfügung stehen, konnte nur der von Drucker zusaminengestellte Apparat zur Verwendung kommen. Dieser ist in jüngster Zeit von Fritzsche?°) zur Bestimmung des osmotischen Druckes der Daphniden erfolgreich angewandt worden. In seiner Arbeit findet man auch eine genaue- Beschreibung der Methode und eine Abbildung des Apparates, mit dem auch ich gearbeitet habe. Der Nullpunkt des Beekmann’schen Thermometers wurde vor jedem neuen Versuche mit Hilfe des Gefrierpuuktes einer "/ıo mol. Harustoff lösung bestimmt. Dies ist unbedingt nötig, da er sich immer etwas ändert. Der Gefrierpunkt, welcher als Mittelwert einer grösseren Zahl von Bestimmungen gefunden wurde, ist wieder der niedrigste, welcher 1) Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre. Wiesbaden 1904. 2) Höber, loc. cit. 8) Fritzsche, Intern. Revue d. ges. Hydrobiol. 1906. (Zurzeit noch nicht - erschienen.)' Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 349 überhaupt bis jetzt bekannt geworden ist. Er beträgt: — 0,088° C. bis — 0,09° C. Selbst bei Pflanzen ist bis jetzt kein so niedriger Wert sefunden worden (Minimum Aloe arboreseens = — 0,14° C. Bottazzi). Der Wert weicht erheblich von dem ab, welchen Höber angibt (0,20), er nähert sich dagegen dem von Dakin (0,1). Auch die Werte Bottazzi’s stimmen fast damit überein. Dieser hat die Organe der Tiere aber erst gekocht und hat wahrscheinlich dadurch eine grössere Konzentration erhalten, oder es sind an- orsanische Salze dadurch aus dem festen Verbande organischer Stoffe ausgetreten. Er findet für Anodonta: gekochter Fussmuskel 0,15°C., gekochter Anziehmuskel 0,21° C., gekochte Leber und Ein- geweide 0,21 °C., frische Leber 0,19° C. Seine Werte für Unio sind etwas geringer: Fussmuskel 0,15 °C., Adduktoren 0,13° C., Leber und Geschlechtsorgane frisch 0,13 C. Die Abweichungen der einzelnen Bestimmungen können vielleicht mit Fundortsverschiedenheiten zusammenhängen, oder es könnte auch die Jahreszeit auf die Konzentration des Blutes einen Einfluss haben, wie es zum Beispiel bei Daphniden der Fall ist. Ich habe meine Bestimmungen im August bis Anfang Oktober an frisch gefangenen Tieren vorgenommen. Nach meinen Betimmungen he auch ein geringer Einfluss des Geschlechts vorhanden zu sein. Ich fand für weibliche Tiere die Gefrierpunktserniedrigung um 0,002—0,003° C. grösser als für Männchen. Doch will ich auf diese Zahlen keinen besonderen Wert legen, da die Genauigkeit der Methode nur bis zur zweiten Dezi- malen geht. Besonders interessant war es nun, festzustellen, inwieweit durch das Umspülen des Herzens mit der Salzlösung der osmotische Druck geändert wird. Nach einstündigem Durchleiten wurde deshalb der Versuch sofort abgebrochen, die Kammer entfernt und mit einer feinen Glaskapillare das Herz aneestochen, um das Blut zu entnehmen. In allen drei Ver- suchen konnte ich feststellen, dass kein NaCl in dieser Zeit ein- gedrungen war. Der Gefrierpunkt der NaCl-Lösung betrug / = — 0,59° C., hatte also den sechsfachen Wert des Anodontenblutes. Dieses zeiete nach den Versuchen den alten Wert von 4 = — 0,09°C. 1) F. Bottazzi (zit. nach Straub. 1901), Osmotischer Druck und elek- trische Leitfähigkeit der Flüssigkeiten des pflanzlichen und samalaaı Organismus. Ergebn. d. Physiol. Bd. 7 S. 161. 1908. 350. Walter Koch: Bestimmt man den osmotischen Druck von toten Tieren, so bekommt man den gleichen Wert, und zwar merkwürdigerweise auch wenn diese bereits 9—4 Tage lang tot im Wasser gelegen haben. Ebenso findet keine Abnahme statt, wenn 3 Tage lang Leitungs- wasser durch die Glaskammer geleitet wird. Das Herz ist demnach für die geringen Salzmengen, welche im Blut vorhanden sind, un- durchlässig, wenigstens kann kein Austausch von innen nach aussen stattfinden. Eine Differenz im Salzgehalt ist ja stets vorhanden, denn der osmotische Druck des Süsswassers ist 47 — -—- 0,003° bis 0,002°C. Nach Höber ist das osmotische Druckgefälle dazu da, um die Arbeitsfähiekeit der Tiere zu erhalten. Der ausserordentlichen Trägheit des Tieres würde der geringe osmotische Druck entsprechen. Das Ergebnis harmoniert mit denen, welche schon an anderen Wirbellosen des Süsswassers gefunden worden sind. Die Gewebe sind aber merkwürdigerweise nicht mehr undurehlässig, sobald der Salzgehalt des Aussenmediums den der Binnenflüssigkeit übertrifft. Setzte ich nämlich Tiere 3 Tage lang im geklemmten Zustande in die gleiche Salzlösung wie oben (4 — — 0,59° C.), so hatten sie nach dieser Zeit alle den Gefrierpunkt von — 0,58° bis — 0,59° C. angenommen. Um ein Eindringen durch die aufgeklebten Fenster auszuschliessen, waren die Tiere nicht operiert worden. Die Salze müssen demnach durch die Gewebe in das Blut eingedrungen sein. Diese sind also in unserem Falle für Salze permeabel. Sie können in beliebiger Menge hineindiffundieren, jedoch hinaus nur bis zu einem gewissen Grade. Dabei wird sich wohl das Protoplasma verändern. Bottazzi gibt etwas ähnliches an, wenn er sagt, „das Protoplasma kann sich anscheinend an eine höhere Konzentration anpassen, da- gegen nicht unter eine gewisse Grenze“. Wir finden also an Auodonta die gleiche Permeabilität, wie sie von Dakin!) an den marinen Mollusken nachgewiesen wurde, aller- dings mit dem Unterschiede, dass Anodonta sich nur an einen osmotischen Druck anpasst, welcher höher als der normale ist. Oktopus und Aplysia zeigen im Meerwasser den gleichen oder nur einen wenig abgeänderten Druck wie das Aussenmedium (ebenso wie alle anderen marinen Evertebraten). Setzt man dagegen Mol- lusken in verdünntes Seewasser, so wird auch hier der osmotische 1) W. J. Dakin, Biochemie. Journ. vol. 3. 1908, und Intern. Revue d. Hydrobiol. Bd. 5. 1912. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 351 Druck erniedrigt, zum Beispiel Pecten maximus 1,905 und Anodonta 1,910 in Seewasser von 1,910° C. Gefrierpunktserniedrigung (nor- malerweise 2,29° C.). Im Gegensatz hierzu stehen die Daphniden, welche selbst im künstlich veränderten Medium nach Fritzsche stets einen höheren osmotischen Druck als ihre Umgebung zeigen.. Dies soll dort dazu dienen, in den frisch gehäuteten Tieren einen Turgor hervorzubringen, welcher die einzelnen Körperanhänge in gestreckter Lage erhält. Auf Grund der osmotischen Versuche bekommen wir nun auch den Schlüssel in die Hand für die Tatsache, dass eine Salzlösung, welche das eanze Tier umspült, fast ebenso wirkt wie bei der direkten Wirkung anf das Herz. In den längeren Zeiträumen dringt das Salz in die Gewebe ein und macht nun seine Wirkung auf den Rhythmus geltend. Die Verschiedenheiten kommen wahrscheinlich dadurch zustande, dass das Salz in diesem Falle zugleich endokardial wirkt. (Vergleiche die Versuche von Halds mit KCl bei endo- und exokardialer Applikation am Froschherzen.) Mit Hilfe der Gefrierpunktserniedrigung können wir nun auch die Konzentration der Salze im Blute berechnen. Da der Gefrier- punkt einer molaren Lösung — 1,85° C. beträgt, entspricht einem Wert von 0,086—0,09° C. die Konzentration einer Lösung, welche 0,048—0,047 mol. ist. An und für sich ist es dabei gleichgültig, ob ein oder mehrere Salze in der Lösung vorhanden sind, denn der osmotische Druck einer Lösung zweier Stoffe ist gleich der Summe der verschiedenen Partiardrucke, welche die einzelnen Salze im eleichen Volumen desselben Lösungsmittels ausüben würden. Dies ist aber nur bei Nichtelektrolyten der Fall. Salze zerfallen in wässeriger Lösung einerseits in ihre Ionen und üben infolgedessen einen höheren osmotischen Druck aus. Da nach den Analysen be- sonders NaCl, KCl, CaCl, und MeCl, im Blute vorhanden sind, müssen wir die molare Konzentration desselben noch viel geringer annehmen, ungefähr die Hälfte. Andererseits beeinflussen sich die Salze in ihrer Dissoziation wesentlich, besonders wenn sie gleiche Anionen haben. Die Verhältnisse sind ausserordentlich kompliziert und bis jetzt noch nicht genügend erforscht, um den osmotischen Druck berechnen zu können. Dazu kommt noch, dass die Temperatur in sehr hohem Grade den Dissoziationsgrad verändert. So ist es vorläufig unmöglich, genau die molare Konzentration des Blutes zu berechnen. Ausserdem kommt nun noch hinzu, dass im Blute Eiweiss 352 Walter Koch: vorhanden ist. Dieses setzt aber nach Bugarsky und Tangl!) die elektrolytische Dissoziation der Salze wieder herab. Die beiden Forscher haben auch eine Art „osmotische Analyse“ auscearbeitet, mit deren Hilfe man den Gehalt eines Blutserums an Elektrolyten und Nichtelektrolyten bestimmen kann. Nach Höber sind die Grundlagen dazu aber ziemlich unsicher. Um so mehr würde dies sein, wenn wir etwa daran gehen wollten, sie an unserem Versuchstier anzuwenden, da dieses, wie wir vorhin gesehen haben, abweichende Verhältnisse zeigt. Der osmotische Druck beträgt ohne Berücksichtigung der Dis- soziation, allein aus der Gefrierpunktserniedrigung berechnet, 1,09 Atmosphären. (Limnaea stagnalis 3,05 Atmosphären,}Paludina vivi- para 3,37 Atmosphären nach Fredericg.) | Bei der Untersuchung der weiteren Flüssigkeiten des Tieres finde ich, dass die Perikardialflüssigkeit den gleichen osmotischen Druck besitzt wie das Blut. Dies kann zunächst auffallen, da wir sicher wissen, dass die chemische Zusammensetzung von der des Blutes abweicht. Wir haben es hier vor allem mit dem Exkret der Perikardialdrüsen zu tun. Nach Grobben’s Versuchen färbten sich diese mit Lackmus rot, sie scheiden also einen sauren Stoff ab. Schwache Säuren sind aber meist stark dissoziiert und geben dementsprechend einen höheren osmotischen Druck. Bei näherer Überlegung finden wir aber, dass eine Druckdifferenz dureh die per- meablen Membranen ausgeglichen werden müsste, besonders wenn der osmotische Druck höher als der des Blutes ist. | Dementsprechend fand ich auch für die Körperflüssigkeit, welche beim Anbohren der Schalen ausfliesst, die gleiche Gefrierpunkts- erniedrigung von 0,09°C. Im ganzen Tier herrscht also osmotisches Gleichgewicht, soweit sich dies mit dem angegebenen Apparate fest- stellen lässt. Vollkommen kann dies wohl in keinem Organismus sein, denn sobald irgendeine Drüse oder ein Muskel arbeitet, muss eine Störung stattfinden. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass Flüssigkeiten, welche den gleiehen osmotischen Druck besitzen, nicht die gleiche chemische Zusammensetzung haben müssen. Ein Beispiel haben wir in unserem Blut. Der Inhalt der Blutkörperchen ist mit dem Serum isosmotisch, da die Wände der ersteren semipermeabel sind; es würde sonst bei 1) Bugarsky und Tangl, Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 531. 1898. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 353 einer auftretenden Druckdifferenz sofort ein Aus- oder Eintritt von Wasser erfolgen. Trotzdem sind die chemischen Zusammensetzungen verschieden. So sind die Blutkörperchen viel reicher an Kalium als das Serum. Der K-Gehalt ist nach Kronecker!) sogar viel grösser, als die tödliche Dosis für den Menschen beträst. Da sich nach meinen Untersuchungen Anodonta an Veränderungen des Aussenmediums anpasst, müssen wir sie zu den poikilosmotischen (nach Höber) oder den euryhalinen Tieren (nach Monti) rechnen. Als Sitz der Reeulation hat nach Overton das Exkretions- system zu gelten. Er nimmt das gleiche auch für Würmer und für Mollusken an. Das Exkretionssystem leistet demnach fortwährend osmotische Arbeit, um das Druckgefälle aufrechtzuerhalten. Schluss und Zusammenfassung. Immer mehr ist man zu der Überzeugung gekommen, dass die Wirkungen der Salze und Nichtelektrolyte ausserordentlich kom- pliziert sind. Hatte man für eine Wirkung eine scheinbar regel- mässige Bezienung gefunden, so fanden sich bald neue Organe oder Gewebe, welche bei gleichen Reizen ganz anders reagierten, so dass sehliesslich ebenso viele Ausnahmen vorhanden waren wie Gesetze. Als sicher hat jetzt jedenfalls zu gelten, dass die Wirkungen der Salzlösungen vor allem auf den Ionen beruhen. Sicher ist dies für die keimtötende Wirkung des Quecksilbers nachgewiesen, denn ein Ho-Salz desinfiziert um so besser, je weitgehender es ionisiert ist. Es kommt dabei nieht auf die absolute Quecksilbermenge an. Andererseits haben aber auch Nichtelektrolyte eine physiologische Wirkung. Ich habe oben gezeigt, dass in Rohrzucker- und Glyzerin- lösungen in verschiedenen Konzentrationen Herzstillstand auftritt. Die Wirkung kann hier einmal eine osmotische sein, oder sie geht auch hier von dem Molekül aus. Meiner Ansicht nach kommen beide Wirkungen in Frage, denn erstens kann jeder Muskel durch das Entziehen von Wasser unerregbar gemacht werden, und darauf läuft schliesslich die Wirkung einer Lösung hinaus, welehe konzentrierter als das Innenmedium ist. Für eine spezifische Wirkung des Moleküls spricht einerseits die verschiedene Konzentration, welche bei ver- schiedenen Nichtelektrolyten Herzstillstand hervorruft, und anderer- seits die Beobachtung, dass gerade verschiedene Zuckerarten auf 1) Kronecker, Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 8 S. 261. 1882. 354 Walter Koch: manche Gewebe ausserordentlich giftig wirken (siehe Höber). Dem- entsprechend muss man auch für den nichtdissoziierten Teil eines Salzes eine Wirkung auf die Zellen annehmen. Die Wirkung von dissoziierten Salzen kann sich demnach aus drei Teilen zusammensetzen: 1. vom Kation, 2. vom Anion und 3. vom Molekül ausgehend. Dazu kommen die einzelnen möglichen Kombinationen. Jede einzelne Wirkung kann auf einen Teil jeder Zelle ausgeübt werden. Dabei will ich zunächst unberücksichtigt lassen, ob die Salze überhaupt in die Zelle hineindiffundieren, oder ob sie nur auf die Plasmahaut wirken. Die Zelle setzt sich aus festen und flüssigen Bestandteilen zusammen, so dass durch die Salz- wirkungen einerseits eine Verflüssigung oder eine Fällung hervor- serufen werden kann (das erstere ist zum Beispiel bei Cilien der Fall, welehe durch Lösungen von Alkalien verflüssigt werden). Die flüssigen Bestandteile können aus Nichtelektrolyten, Elektrolyten und Kolloiden bestehen. Wirken Salze auf erstere ein, so wird sich im allgemeinen nur wenig ändern. Es macht sich höchstens eine Steigerung des osmotischen Druckes bemerkbar, der natürlich sofort als Reiz wirken kann. Ebenso kann die Viskosität des Gemisches geändert werden. Elektrolyt zu Elektrolyt kann die verschiedensten Wirkungen auslösen, nämlich erstens kann eine Ausfällung stattfinden, so dass nun in der Zelle ein Stoff fehlt. Der feste Stoff kann selbst eine besondere Wirkung haben, oder es können sich Ausfallserscheinungen bemerkbar machen, Viskosität und osmotischer Druck sich ändern, wodurch Diffusionen in der Zelle auftreten können usw. Zweitens kann die Verbindung löslich sein. Dann sind wieder die drei Mög- lichkeiten wie oben bei den Elektrolyten vorhanden. Drittens kann sich ein Gleichgewicht zwischen den beiden Salzen einstellen, so dass jedes Ion oder eine Gruppe von ihnen besonders wirksam sein können. Als dritten Hauptfall haben wir nun die Wirkung der Elektrolyte auf die Kolloide zu berücksichtigen. Sie sind gerade für die Zellen die wichtigsten, da der grösste Teil des Zelleibes aus ihnen besteht. Bekanntlich unterscheidet man zwei Arten: die Suspensions- und die hydrophilen Kolloide. Die ersteren kommen im Protoplasma weniger vor. Besonders bemerkenswert ist bei ihnen die Eigenschaft, dass sie mit sehr geringen Mengen von Elektrolyten gefällt werden können. Die Fällung selbst ist irreversibel. Anders verhalten sich die hydrophilen Kolloide, welche bei weitem wichtiger sind. Zu 7 Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 355 ihnen gehören vor allem Protoplasma, Eiweiss, Leimsubstanzen und Leeithine. Ebenso sind die Gallerte hierher zu rechnen. Bei ihnen ist neben der Dispersion der Substanz noch eine besondere Beziehung zum Lösungsmittel (Lyophilie) vorhanden, welche man im Spezialfall Wasser mit Hydrophilie bezeichnet. Sie unterscheiden sich in diesem Punkte nicht von den echten Lösungen, wohl aber durch ihr sehr hohes Molekulargewicht. Alle Kolloide sind nun für Nichtelektrolyte unempfindlich. Die hydrophilen Kolloide lassen sich aber durch grössere Mengen von Elektrolyten ausfällen, und zwar reversibel. Ein einfaches Auswaschen der Salze genügt, um sie wieder in Lösung zu bringen, ein sehr bemerkenswerter Unterschied zu den Suspensions- kolloiden. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass die Fällungskraft von Kation und Anion abhänet. Dazu kommt noch, dass hier die Möglichkeit anderer Wirkungen dadurch gegeben ist, dass andere Neutralsalze überhaupt nicht fällen, sondern im Gegen- teil lösend wirken. Im ganzen ergibt sich so ein ausserordentlich kompliziertes Bild, welches noch dadurch unklarer werden kann, dass nun die Ionen nicht nur auf eine, sondern gleichzeitig auf mehrere Zellsubstanzen wirken. Ausserdem ist auch noch die Permeabilität der Zellwand in Betracht zu ziehen, doch will ich auf dieseu Punkt erst weiter unten eingehen. Wir haben nun schon eine sehr grosse Zahl von theoretischen Möglichkeiten der Salzwirkungen kennengelernt. Diese werden aber noch vermehrt, wenn wir die Salzlösungen nicht nur auf eine Stelle, sondern wie in unserem Falle auf Muskeln wirken lassen, welche nach den neuesten Untersuchungen ihrerseits wieder ausserordentlich komplizierte Gebilde sind. Ehe ich nun auf die einzelnen Theorien, welche zur Erklärung der Salzwirkungen aufgestellt worden sind, eingehe, will ich die Er- gebnisse meiner eigenen Versuche noch einmal wiederholen. Die Konzentrationen, welche Herzstillstand bewirkten, waren für die einzelnen Salze: NaCl "6/00 mol. CaCl, */ıoo mol. KC1 */ıoo mol. MsCl, 2100 mol. In der Reihenfolge der Giftigkeit: K:Na:Mg:Ca ee En d. h. Ca ist nur ’/ıo so giftig wie K. 356 Walter Koch: Anders stellt sich die Reihenfolge in den Entgiftungsversuchen. Sie ist bei NaCl: Ca (1:110); K (1: 250); Mg (1: 360); für KC1 : Na. (1:1,1); Mg (1:10); Ca (1:—4); die Grösse der Entgiftungszone ist bei NaCl: K= 24, Mg=36, Ca=66 (1 —= 0,01 mol.), bei KC1 : Mei A. Na 62.64 0: Als man damit begann, die physiologischen Wirkungen der ver- schiedenen Salze zu untersuchen, glaubte man, dass sie sich einfach nach Atomgewichten einordnen liessen. So Stehen nach Blake!) . die physiologischen Wirkungen von ein und derselben isomorphen Gruppe angehörenden Substanzen im Verhältnis zu ihren Atom- gewichten. Er untersuchte 41 Elemente in wässeriger Lösung und die lethale Dosis pro Kilogramm Hund, Katze, Kaninchen usw. Er fand, dass. sich die einatomigen Elemente alle gleich verhielten. Nicht so eindeutig waren die Wirkungen der zweiatomigen. Ganz unregelmässig wirkten K und NH,. Dagegen reihten sich Fe und Fe genau in ihre Gruppen ein. Bei anderen physiologischen Versuchen hat sich diese einfache Beziehung nicht mehr bestätigt gefunden. Auch in meinen Versuchen ist die Reihenfolge nur einmal den Atomgewichten entsprecheud (Entgiftung von NaC]) und würde wohl bei einer grösseren Zahl von untersuchten Salzen auch hier Abweichungen zeigen. Als man dann gefunden hatte, dass die Salzwirkungen vornehmlich auf den Ionen beruhen, lag es nahe, die verschiedenen Wirkungen auf den wechselnden Zerfall der Salze in Ionen zurückzuführen. Mathews stellte so die Theorie vom elektrolytischen Lösungsdruck auf. Er hatte nämlich an Funduluseiern gefunden, dass die Wir- kungen der zweiwertigen Ionen sich weder nach dem Atom- noch nach dem Molekulargewicht einordnen lassen. Gute Übereinstimmung herrschte dagegen mit der Reihe der Lösunestensionen, und zwar So, dass die physiologischen Wirkungen sich umgekehrt wie dieselben verhielten. Ein Salz wirkt nach ihm um so aktiver, je geringer sein - elektrolytischer Lösungsdruck ist. Ausserdem sollen sich die Wir- kungen wie die Äquivalentgewiehte und umgekehrt wie die Atom- volumina verhalten. Wie Berg?) in einer eingehenden Kritik dieser. Theorie gezeigt hat, sind diese Beziehungen wohl mehr zufällig. Da nämlich Äquivalentsewieht — Atomgewicht : Wertigkeit und Atom- 1) James Blake, Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 14 S. 394. 1881. 2) William Berg, The Relations between the Physiol. Action of Science. and their Physico-Chemical Properties. New-York Medical Journ. 1907. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 357 volumen —= Atomgewicht : spezifisches Gewicht ist, müsste nun auch Äquivalentgewicht : Atomvolumen = spezifisches Gewicht : Wertigkeit sein. Stellt man für beide Beziehungen die Reihen auf, so entspricht wohl im ersten Falle die Reihe den Giftigkeitswerten, dagegen zeigen sich für die zweite Beziehung, welche dann ebenfalls aus rein rech- nerisch-physikalischen Gründen gelten müsste, sehr viele Abweichungen. Meine Werte der Giftigkeitsgrenzen stimmen mit der Reihe der Lösungstensionen überein. Lillie!) fand, dass sich die zweiwertigen Antagonisten zu NaCl auf Cilien nach dieser Reihe einordnen. Trotzdem kann man an der Allgemeingültiekeit dieser Regel noch zweifeln, denn es finden sich auch viele Ausnahmen. Prüft man nämlich die Salzwirkungen auf verschiedene Organe, so zeigen sich dann die verschiedensten Reihenfolgen. So ist zum Beispiel Na für die Muskeln giftiger als Ca, umgekehrt ist das Verhältnis am Fundulusei. Bei meinen Enteiftungsversuchen zeigen sich da- gegen alle möglichen Kombinationen in der Reihenfolge der Kationen. Keine. stimmt aber mit der Reihe der Lösungstensionen überein. Sehr interessant sind in dieser Beziehung auch die Untersuchungen von Ralph Lillie, der mit den Larven von Arenicola und Polygordius experimentierte; an ihnen kann man direkt sehen, wie ein Salz die Cilien und die Muskeln verschieden beeinflusst. CaCl, zu NaCl zu- gesetzt, wirkt zum Beispiel für die Muskeln sehr günstig, dagegen nicht für die Cilien. Zur Kontrolle habe auch ich Versuche an den Geisseln der Anodontenkieme unternommen und auch hier eine andere Reihenfolge der Giftigkeit bekommen. (Da ausserdem noch andere, interessante Erscheinungen zu beobachten waren, werden diese Versuche noch fortgesetzt.) Mathews gibt selbst zu, dass er mit diesem rein physikalischen Kriterium nicht alle Erscheinungen erklären kann. Als zweiten wichtigen Punkt nennt er deshalb die verschiedene Permeabilität der Salze durch die Membranen. Die ausgedehntesten Versuche hat Loeb?) unternommen. Er nimmt wie die Vertreter der vorangehenden Theorien eine freie Diffusion der Ionen in das Zellinnere an. Sie sollen sich mit dem Protoplasma zu festen Verbindungen, den „Ionenproteiden“, verbinden (1900). Er schliesst nun weiter, dass die Metallionen im Zellinnern 1) Lillie, loc. eit. 2) Loeb, loc. cit. 358 Walter Koch: (speziell im Muskel) in Verbindungen existieren, in welchen sie leicht durch eine andere (wie zum Beispiel in den Seifenverbindungen) er- setzt werden können. Treten zum Beispiel in dem Muskel K-Ionen ein, so werden diese allmählich die Ca- und Na-Ionen aus ihren Proteidverbindungen verdrängen. Da aber zur rhythmischen Tätig- keit unbedingt Na, Ca und K nötige sind, wird dadurch die Kon- traktilität aufgehoben. Zuseleich nimmt dadurch der Muskel neue Eigenschaften an, im speziellen Falle des Kaliums, die des K- Proteids, d. h. die Fähieckeit einer grösseren Wasserabsorption. Die Folge davon ist, dass der Muskel quillt.e. Umgekehrt ist es dann beim Caleium der Fall. Das Ca-Proteid kann nur wenig H,O absorbieren, der Muskel muss demgemäss welches abgeben und schrumpft. Auf der Veränderung der Ionenproteide beruhen nach Loeb’s Ansicht alle Salzwirkungen und vielleicht auch die der Nichtelektrolyte. Wie ich oben bereits angegeben, werden Muskeln in Rohrzucker unerreebar. Die Wirkung könnte als Ursache das Hinausdiffundieren von K, Na und Ca haben. In der Tat hat Overton im Rohrzucker Na nach- weisen können. (Da er aber, wie wir noch sehen werden, die Zell- wand als unpermeabel ansieht, rührt das Na nach seiner Anschauung aus einer Zwischenflüssigkeit her.) Auf dieser Grundlage versucht Loeb auch die antagonistische Wirkung der Salze zu erklären. Es würde nach ihm ein Gleich- gewicht zwischen den Ionenproteiden zweier Salze in der Zelle be- stehen. Der Überschuss eines Ionenproteids würde die besonderen Wirkungen desselben zur Folge haben. In einer Kombination mit einem zweiten Kation würde auch dieses sich mit dem Protoplasma verbinden und das erste dadurch zum Teil auflösen, sodass nun sekundär dessen Wirkung teilweise verschwände. Neuerdings erklärt aber Loeb die antagonistischen Wirkungen der Salze ganz anders. Sie sollen nur auf der Herabsetzung der Durchlässigkeit der Zellen beruhen, die durch die hohe Konzentration eines ersten Salzes geschaffen worden ist. Das antagonistische Salz hemmt also die Erhöhung der Durchgängiegkeit resp. verzögert die Geschwindigkeit, mit der ein Salz durch die Membrau eindringt. Diese Ansicht beruht auf Versuchen an Seeigeleiern. Bei ihnen er- folgt in höher konzentrierten Lösungen eine Zunahme des spezifischen Gewichtes durch Wasserentzug. Dies wird sofort am Untersinken der Eier sichtbar. Es zeigte sich dann, dass das Sinken nicht vom osmotischen Druck oder dem spezifischen Gewicht der umgebenden Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 359 Lösung abhängt, sondern von der Natur der Lösung. Die Permeabilität der Eihaut ist also nicht konstant. Ca wirkt zum Beispiel in niederen Konzentrationen schützend, in höheren die Membran schädigend. Dies würde mit meinen Untersuchungen gut übereinstimmen, denn ich habe oben gezeigt, dass CaCl, zunächst relativ unschädlich ist (Grenze erst bei *ıo mol.!). Jede höhere Konzentration wirkte aber sehr schädigend. Die Erhöhung der Durchgängiskeit der Eihaut für Wasser und Salze wird nach Loeb durch eine Modifikation der Eiweisskörper der Membran bedinst. (Vgl. die obigen Ausführungen über die Fällung der hydrophilen Kolloide.) Auch Robertson!) nimmt das Bestehen von Ionenproteiden an. Er weist zunächst darauf hin, dass zur Bewegung des Herzens unbedingt die Salze notwendig sind, denn entfernt man die Proteide aus dem Blutserum, und durchspült man damit das Herz, so bleiben die Kontraktionen bestehen; die rhythmischen Bewegungen ver- schwinden dagegen, wenn man aus dem Serum die Salze entfernt und nur mit der übrigbleibenden Flüssiekeit durchspült. Es müssen im kontraktilen Gewebe unbedinst Na, K und Ca in bestimmten Proportionen vorhanden sein. Diese sind dann für jedes Gewebe charakteristisch. „Da nun... die Erreeungswelle in letzter Linie eine Welle von Kationen ist, so besteht der einzige Weg, auf den eine Abgabe von Kationen aufrechterhalten werden kann, darin, dass die Anionen, deren Massenwirkung grösser als die der Kationen, die Kationen aus dem Kationenproteid verdrängen und so einen instabilen Zustand annehmen, der sich in einen stabilen zwischen den Schlägen so verwandelt, dass dieselben quantitativen Beziehungen zwischen Kationen- und Anionenproteid wieder zum Vorschein kommen, wie sie bei Beginn des Schlages vorhanden waren.“ Es findet also bei jeder Kontraktion ein Hin- und Herpendeln des Gleichgewichtes einer chemischen, umkehrbaren Reaktion statt, welche natürlich dem Massenwirkungsgesetz von Guldberg-Waage gehorchen muss. Die Ionen diffundieren proportional ihrer Wanderungsgeschwindigkeit in das Gewebe. Sind « und » die Geschwindigkeiten der Kationen und Anionen, so lässt sich dann eine Beziehung aufstellen eu v(u-+ v) In der Tat stimmte die Schlagzeit bei Ranaodea aurea und Lymno- 1) Robertson, loc. cit. 360 Walter Koch: dynastes dorsalis, sowie bei Ceriodaphnia, mit einer Formel überein = N -+d, wo a und 5b Konstante bedeuten, welche für U v (vw + v) jedes Gewebe charakteristisch sind. Für dieselbe Zellart kommt es demnach nur auf den Wert w:vo(w-+v) an. Robertson nimmt ihn als Kriterium für die Giftigkeit eines Salzes.. Berechnet man diesen Wert für Ringer’sche Lösung, so müssen nach ihm alle Lösungen, welche den gleichen Wert liefern, für das Herz ebenfalls physiologisch äquilibriert sein. Der Herzschlag bleibt in Lösungen nur dann erhalten, wenn der Wert der Formel zwischen zwei Grenz- werten liest, die für jedes Herz charakteristisch sind. ? wird sonst gleich 0. Voraussetzung ist aber für alle Lösungen, dass sie keine Schwermetallsalze enthalten, denn diese wirken an sich eiftig. Es ist nun Robertson in der Tat gelungen, eine Lösung zu berechnen, welche nur aus LiCl,, NH,NO, und Na;NO, bestand und die, da für sie der oben genannte Wert fast gleich dem der Ringer- schen Lösung war (621,2 - 10”* und 628 - 10%), physiologische äqui- libriert sein musste. Die Lösung war auch wirklich die beste von 33 anderen Kombinationen. Auch in meinen Versuchen lässt sich dieses Kriterium anwenden. Nach Robertson’s Theorie müssten die Werte für diejenigen Konzentrationen, welche gerade Herzstillstand bewirken, jenseits einer bestimmten Grenze liegen. Die Werte für diejenigen Lösungen, in welchen der Schlag noch erhalten bleibt, müssten dann unter diesem Grenzwerte liegen. Ich habe die Berechnungen angestellt und folgende Werte erhalten: 0,14 mol. NaCl + = 610,49 - 10 0,15 mol. NaCl — = 610,5 - 1073 0.04 mol. Kl + = 760,4 - 107 0,05 mol. Kl 2 — = 760,4 - 107 0,4 mol. CaC, + = 675,8 - 107° 0,45 mol. Call; — = 675,4 - 10 0,2 mol. MgCl, + = 631,4 - 10 0,3 mol. MsCl;, — = 631,4 - 10 Die Giftigkeitsgrenzen sind hier ganz verschieden. Selbst in den Gemischen zweier Salze, welche sich gegenseitig entgiften, gilt die Formel Robertson’s nicht. ®/ıo mol. NaCl + /ıooo mol. CaCl;, + 611,86 - 105 */ıo mol. NaCl + Yıooo mol. CaCl; — 611,80 - 10° 6/1o mol. NaCl + 2/ıooo mol. CaCl, + 610,92 - 107 "io mol. NaCl + 2/1000 mol. CaCl, — 610,69 - 10 Auch hier stimmen die Werte mit der Giftigkeit nicht überein. Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 361° Die Formel von Robertson kann dazu benutzt werden, die Salze bei gleichbleibendem Anion in eine bestimmte Reihenfolge - aufzustellen. Die Konstänten a und 5b sind für jedes Gewebe ver- schieden. Lassen wir nun a und 5 variieren, so müsste trotzdem die Reihenfolge der Salze gleichbleiben. Die verschiedenen Versuche sprechen aber dagegen. Robertson gibt selbst zu, dass sich keine Reihenfolge der Reizwirksamkeiten für Salze aufstellen lässt, welche für alle Gewebe gilt. Das gleiche gilt aber auch für verschiedene Herzen. Es liegen bis jetzt in dieser Richtung noch wenig Ver- suche vor, aber man kann es aus der Analogie mit den Medusen ‘ sehliessen, die sich nach Bethe genau wie schlagende Herzen ver- halten und in dieser Beziehung besser untersucht sind. Die Reihen- folge der Lösungstensionen stimmt nicht mit der Reihe von Robertson überein. Die Berechnung ergab folgende Werte: K = 760,4 - 105 Na — 609,9 : 10 Ba —= 701,9 - 10 Sr —= 675,1: 10 Ca = 675,8 - 10 Zn = 637,0 - 10 Cu — 641,8 : 10> Ag — 688,6 - 10> Im strengsten Gegensatz zu allen bisher erörterten Theorien befinden sich Overton!) und Höber?). Beide stellen eine Per- meabilität der Plasmahaut der Zelle für Neutralsalze in Abrede. Für ihre Annahme sprechen in der Tat eine grosse Anzahl von Ver- suchen aus. den verschiedensten Zweigen der Physiologie und der physikalischen Chemie. Experimentell konnte festgestellt werden, dass durch eine Membran nur diejenigen Stoffe hindurchgehen, welche in ihr löslich sind. Die Plasmahaut lässt dementsprechend nur „lipoid- lösliche“* Substanzen in das Innere der Zelle wandern, denn sie selbst besteht aus Lipoiden, d. h. fettlöslichen Verbindungen. Höber hat gezeigt, dass vor allem Lecithin und Cholesterin in Frage kommen, denn die Plasmahaut besteht zum grössten Teil aus diesen beiden Substanzen. In beiden sind aber die neutralen Alkalisalze unlöslich. Ihre physiologische Wirkung kann daher nur auf der Veränderung der Plasmahaut selbst beruhen. In ihr ist nach Höber nun auch 1) Overton, loc. cit. 2) Höber, loc. eit. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166, 24 362 Walter Koch: der Sitz der Kontraktilität zu denken. Loeb verlegt dagegen diese Voreänge in das Innere der Zelle. Die Neutralsalze wirken nach letzterem nicht durch eine chemische Reaktion, sondern beeinflussen die Zelltätiekeit nur katalytisch. Als Beweis für die alleinige Wirkung der Neutralsalze auf die Plasmahaut haben nach Höber folgende Versuche zu gelten: 1. die Kataphorese ganzer suspendierter Zellen (Blutkörperchen, Hefe usw.) bängt gerade so wie die der Kolloidpartikel, speziell der Plasma- kolloide, von dem Elektrolyten des Suspensionsmittels ab; 2. zeigen sich die Elektrolytwirkungen gegenüber den Zellen gerade so wie gegenüber den Kolloiden von Dissoziationsgrad, Adsorbierbarkeit, Wertigkeit und Lösungstension abhängig; 3. erleidet der Angriff stark dissoziierter Elektrolyte auf das Protoplasteninnere, offenbar durch die Zwischenschaltung der primär zu überwindenden Plasma- haut, im Vergleich zu gewissen, schwächer dissoziierten, aber ipoid- löslichen Elektrolyten eine Verzögerung. Nimmt man dagegen eine freie Diffussion an, so wie Loeb es- tut, so lassen sich selır viele Versuche gar nicht erklären. Es würde dann zum Beispiel ein Turgor unmöglich sein, der hohe K-Gehalt der Blutkörperchen, viele Schrumpfungen und Quellungen von Eiern und Muskeln in anisotonischen Lösungen. Für Eier und Medusen haben Warburg und Bethe direkt nachgewiesen, dass Säuren und Basen nicht eindringen können. Sie färbten vital mit Neutralrot. Legte man die gefärbten Medusen in Säuren oder Basen, so zeigte die Färbung keinen Umschlag, selbst dann nicht, wenn die Medusen bereits infolge der hohen Konzentration am Boden liegen blieben. Die Vitalfärbung selbst ist bis jetzt eine starke Stütze der Lipoidtheorie gewesen. Ehrlich hat als erster gezeist, dass neuro- trope Farbstoffe auch lipotrop sind. Overton, Höber und Ruhland haben die Untersuchungen dann auf alle vitalen Farb- stoffe ansgedehnt. Dabei hat sich ergeben, dass diese nur zum grössten Teil lipoidlöslich sind, denn es wurden auch Farbstoffe gefunden, bei denen dies nicht der Fall ist. Es gibt nämlich einerseits welche, die, ohne Jlipoidlöslich zu sein, eindringen, und umgekehrt solche, die, obwohl sie lipoidlöslich sind, nicht vital färben. Allerdings sind .es.im Vergleich zu den vielen Übereinstimmungen sehr wenige. :So ist gerade die Vitalfärbung als Punkt anzuführen, der. gegen die Lipoidtheorie spricht. Höbrer wendet sich auch gegen die Ionenproteide Loeb’s und Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und künstl. Bedingungen. 363 Robertson’s. Nach Bugarsky und Tang] haben sich nämlich nie Verbindungen von Neutralsalzen mit Eiweiss nachweisen lassen, dagegen solche mit Säuren und Basen. Ausserdem muss im Innern der Zelle mindestens ein Teil der Salze frei vorhanden sein, denn experimentell konnte bewiesen werden, dass in ihnen eine elektrische Leitfähigkeit besteht, und diese ist nur dann möglich. Bestände dagegen kein. Permabilitätshindernis, dann müsste zum Beispiel in den Blutkörperchen das ganze Kalium an das Protoplasma gebunden sein, denn sonst würde es dem Konzentrationsgefälle entlang hinaus- diffundieren. In Wirklichkeit kann das Kalium aber nicht in das Serum gelangen. Trotz aller dieser Tatsachen muss aber doch unter gewissen Bedingungen eine Permeabilität für Alkalisalze bestehen. Loeb weist mit Recht darauf hin, dass nur dann die Vorgänge am Muskel und die künstliche Parthenogenese überhaupt zu verstehen sind. Auch Höber gibt sie zu und nimmt daher zwei Arten von Permea- bilität an, nämlich : 1. eine passive physikalische Permeabilität (Lipoide), welche zu jeder Zeit eilt, und 2. eine aktive physiologische Permeabilität, welche wahrscheinlich nnr unter gewissen Umständen (Einfluss von CO,) vorhanden ist, und bei der die Plasmahaut für lipoidunlösliche Substanzen bald offen, bald geschlossen ist. Die Plasmahaut kann demnach nicht einfach aus Lipoiden bestehen, sondern muss eine kompliziertere Struktur besitzen. Auch aus anderen Gründen, welehe hier nicht näher erörtert werden können, wird dies erforderlich, und Nathanson versucht dem durch die Annahme einer „Mosaikstruktur“ gerecht zu werden. | Die Verhältnisse der Salzwirkungen sind also anscheinend ausser- ordentlich kompliziert. Dass auch die Ionenproteide nicht zur Er- klärung hinreichen, geht aus den Zuckungsversuchen der isolierten Muskeln hervor. Beruhte die Wirkung auf einem einfachen Umsatze, so müsste die Zeit, welche bis zur Erholung verstreicht, proportional der Einwirkungsdauer sein. Dies ist aber absolut nicht der Fall, wie ich auch an meinen Versuchen immer beobachtet habe. Man müsste demnach ein vollständiges Hinausdiffundieren der betreffenden Ionen (Ca, Na und K) aus dem Muskel annehmen. Dann kann man aber wieder nicht verstehen, wie es möglich ist, dass in Rohrzucker unerreebar gewordene Muskeln in Lösungen, welche nur ein Salz enthalten, wieder mit den Kontraktionen beginnen. Dazu kommt, 24* 364 Walter Koch: dass nun auch Ba, NH,, Mg, Cs den Muskel zu Zuckungen befähigen, wo man dies doch nur von Na, Ca und K erwarten sollte. Aber auch diese Versuche sind nicht ganz stichhaltig, da durch den Rohr- zucker ganz neue Verhältnisse und chemische Systeme im Innern der Zelle oder in der Plasmahaut veschaffen sein könnten. Aus alledem geht hervor, dass vorläufig noch keine befriedigende Erklärung der Salzwirkungen gegeben werden kann. Gegen jede Theorie sprechen vorläufig noch eine Menge physiologischer und chemisch-physikalischer Tatsachen, so dass jede höchstens einen Teil der Wirkungen erklärt. Infolge der komplizierten Verhältnisse, die bei dieser Art von Wirkungen vorliegen, ist eine Zusammenfassung vor- läufig noch nicht möglich. Es ist deshalb nötig, an möglichst ver- schiedenen Objekten die Einwirkurgen gleicher Salze zu studieren und dadurch Tatsachen zu schaffen, welche später als Grundlage für eine neue Erklärung dienen können. Diesem Zwecke sollte auch der zweite Teil meiner Arbeit dienen. Zusammenstellung der Ergebnisse. 1. Anodonta ist in bezug auf die Lebenstätigkeit das trägste Tier, welches wir bisher kennen. Es besitzt die geringste Leitungs- geschwindigkeit der Nerven (1 cm in der Sekunde), den geringsten Blutdruck und die geringste Herzfrequenz (bei 15° C. zwei bis vier Schläge in der Minute). Das Minimum bei 0° ein Schlag: 2 Mi- nuten 17 Sekunden. 2. Altersunterschiede machen sich an der Geschwindigkeit des Herzschlages nur an ganz jungen Tieren bemerkbar. 3. Die Bewegung hat einen viel geringeren Einfluss als bei Gastropoden, einen grösseren aber als bei Cephalopoden. 4. Das gleiche gilt für die Regelmässigkeit der einzelnen Schläge. 5. Schon die geringsten Reize können am Herz Arhythmie hervorrufen. 6. Blutleere Herzen pulsieren nicht. 7. In längeren Zeiten bleibt der Herzschlag nicht konstant; es treten sogar innerhalb der einzelnen Phasen kleine Unregelmässig- keiten auf, die wahrscheinlich auf Blutdruckschwankungen beruhen. 8. Die Schlaggesehwindigkeit ändert sich zwangläufig mit dem Öffnen und Schliessen der Schalen. Bei geöffneten Schalen schlägt das Herz viel rascher als bei geschlossenen. (Unterschiede von 1:5 im Maximum.) Alle Übergangswerte sind vorhanden. Der Einfluss: Der Herzschlag von Anodonta unter natürl, und künstl. Bedingungen. 365 kann direkt beobachtet werden und hängt wahrscheinlich mit Stoft- wechselprodukten zusammen, welche bei geschlossenen Schalen nicht unschädlich gemacht werden können. 9. Temperaturwechsel bewirkt eine Änderung der Schlagzahl. Diese nimmt bis zu 30° C. regelmässig zu. Die Temperaturkoeffizienten nehmen von 0—30° C. ab. Von 8—24° C. ist die Abnahme nur gering. 10. Das Temperaturmaximum für. rhythmische Kontraktionen beträgt 30° C., für Schläge überhaupt 40—42° C. 11. Rasche Temperaturzunahme wirkt als Reiz. 12. Anodonta verträgt nach meinen Untersuchungen das Ein- frieren nur dann, wenn noch eine sehr geringe Wassermenge um ‚das Tier herum besteht. Das Herz pulsiert bis zu 0°C. vollkommen regelmässig, jedoch ausserordentlich langsam. 13. Meinen experimentellen Untersuchungen nach hält Anodonta keinen Winterschlaf. 14. Sauerstoffübersättigtes Wasser beschleunigt den Herzschlag in sehr hohem Masse, dagegen hat Sauerstoffmangel keinen Einfluss auf die Schlaggeschwindigkeit. 15. In O-freiem Wasser kann Anodonta bis zu 7 er leben (Minimum 2 Tage einmal). 16. NaCl wirkt auf das Herz allein ebenso ein wie auf das eanze Tier, nur macht sich im ersten Falle die Wirkung viel schneller bemerkbar. 17. Eine 0,16 mol. NaCl-Lösung bewirkt in einer Stunde Herz- stillstand in Diastole. Verdünntere Lösungen beschleunigen den Herzschlag. Die Versuchsergebnisse sind aan denen an anderen Wirbellosen. 18. Y/so mol. KCI bewirkt systolischen Stillstand. !/es mol. wird dagegen 1 Stunde lang vertragen. Pulsstärke und -geschwindigkeit nehmen ab, letztere jedoch nur wenig. 19. CaCl, wird noch in sehr hohen Konzentrationen vertragen. Erst ?/ıo mol. Lösungen bewirken Stillstand in Systole. In verdünn- teren Lösungen nimmt die Schlagstärke ab, die Frequenz ändert sich meistens nur wenig. 20. MgCl, wirkt dem GaCl, ähnlich, in verdünnten Lösungen relativ unschädlich, in konzentrierten dagegen sehr schädigend, so dass im Wasser nach dem diastolischen Stillstand meist keine Er- 366 Walter Koch:- holung eintritt. Grenzkonzentration ®/ıo mol. Der Schlag wird ausserordentlich verzögert. 21. NaCl kann von KCl, MeCl, und CaCl, entgiftet werden, am besten von dem letzten Salz, welches bis zu */s mol. NaCl- Lösungen unschädlich machen kann. 22. KCl kann dagegen nur von NaCl und MsQC], entgiftet werden. 23. Wird KCl mit CaC], kombiniert, so macht sich eine Steige- rung der Giftiekeit bemerkbar. 24. Die Entgiftung der Salze (KCI und NaCl) ist eine gegen- seitige, die Wirkunesgrade sind dagegen verschieden. 25. Die zweiwertigen Kationen MsCl, und CaCl, entgiften sich nur in geringem Masse. 26. Ringer’sche Lösung wird nicht vertragen, obwohl die einzelnen Salze in geringerer Konzentration in ihr vorhanden sind, als ihre tödliche Dosis beträgt. Für den Herzschlag wird sie erst indifferent, wenn sie auf die Hälfte mit destilliertem Wasser ver- dünnt wird. 27. Anelektrolyte zeigen eine spezifische Wirkung und wirken nicht allein durch ihren osmotischen Druck. Die Grenzkonzentration ist für Rohrzucker */ıo mol., für Glyzerin ?/Jıo mol. In ersterer er- folet Stillstand in Diastole, in der letzteren in Diastole oder Systole. 28. Die Gefrierpunktserniedrigung des Blutes, der Perikardial- lymphe und der Leibeshöhlenflüssigkeit ist gleich; sie beträgt 0,088 bis 0,09% C. Dieses ist der niedrigste bis jetzt bekannte Wert. 29. Selbst tote Tiere, welche 3—4 Tage im Wasser gelesen haben, zeigen diese Gefrierpunktserniedrigung noch. Ein Austausch findet also: bei diesem geringen Unterschiede von innen nach aussen nicht statt. 0. Wird der osmotische Druck im Aussenmedium höher, so passt sich Anodonta dem veränderten Druck innerhalb einer längeren Zeitdauer (grösser als 1 Stunde) an. Anodonta ist demnach poikil- osmotisch. 31. Die Streckung des Fusses kann nicht auf einer erhöhten Herztätigkeit beruhen, da sie auch bei abnehmender Geschwindigkeit und während des Herzstillstandes beobachtet werden kann. Sie be- ruht auf einem Erschlaffen der Muskulatur. Vorstehende Arbeit ist eine der letzten, welche auf die Anregung des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Chun entstanden ist. Durch seinen plötzlichen Tod ist es mir leider unmöglich geworden, ihm für das Der Herzschlag von Anodonta unter natürl. und küustl. Bedingungen. 367 stets gezeiste Wohlwollen zu danken. Um so mehr ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Professor Dr. phil. et med. Otto Steche, unter dessen Leitung die Arbeit dann fortgesetzt wurde, für seine freundliche Unterstützung und seine vielfachen Anregungen, die er mir jederzeit zuteil werden liess, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Herrn Prof. Dr. Meisenheimer, dem jetzigen Leiter des Institutes, sowie Herrn Prof. Simroth habe ich für das mir jederzeit bewiesene Enntgegenkommen sowie für viele gute An- resungen zu danken. | Literaturverzeichnis. l) Babäk, siehe Winterstein. 2) Baglioni, Der Einfluss der chemischen Lebensbedingungen auf die Tätig- keit des Selachierherzens. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 6. 1906. — Bäglioni, Die Bedeutung des Harnstoffes bei den Selachiern. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 6. 1906, und Zentralbl. f. Physio!. Bd. 19. 1905. — Baglioni, Einige Daten zur Kenntnis der quantitativen Zusammensetzung verschiedener Körperflüssigkeiten von Seetieren. Hofmeister’s Beitr. Bd. 9. 1906. e 3) Fr. 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Da der Nach- weis dieser Abhängigkeit vom Nervensystem in zwiefacher Richtung von Bedeutung war, einmal, weil dadurch echte innere Sekretion auf physiologische Weise unzweifelhaft geworden war, zum zweiten, weil hierdurch die Ausschliesslichkeit der chemischen Regulation der Drüsen mit innerer Sekretion beseitigt worden war, ist es von Be- deutung, dass dieser Nachweis gegen jeden Einwand gefeit sei. Des- halb ist jede Experimentalkritik im Interesse der Sache zu begrüssen. Popielski hat in diesem Archiv (Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 565 u. 581. 1916) eine derartige Experimentalkritik versucht, welcher leider entgegengetreten werden muss, weil sie die Tatbestände in nicht zutreffender Weise wiedergibt und dazu geeignet ist, einen wirklich und leicht nachweisbar klaren Sachverhalt zu verdunkeln. Popielski’s Argumentation läuft darauf hinaus, dass der Über- tritt von Adrenalin in die Blutbahn stets beruhe auf einem mecha- nischen Druck, welcher auf die Nebenniere ausgeübt wird, und er ist bestrebt, allen Arbeiten, in denen gezeigt wurde, dass auf Reizung des Splanchnieus vermehrte Adrenalinabsonderung in das Blut statt- findet, den Versuchsfehler vorzuwerfen, dass mechanischer Druck auf die Nebenniere das Resultat vorgetäuscht habe. Was nun meine eigene Arbeit betrifft (L. Asher, Die innere Sekretion der Neben- niere und deren Innervation. Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 H. 6 S. 286), so ist in derselben die Methodik so genau beschrieben, dass der vollständige Ausschluss des von Popielski vermuteten Versuchs- fehlers mit aller wünschenswerten Deutlichkeit daraus hervorgeht. In meinen Versuchen wurde der Nervus splanchnieus in die Gotch- schen Kapillarröhrehen zur Reizung von Nerven eingelegt. Diese Gotch’schen Glaselektroden bleiben in der Tiefe der Bauchhöhle liegen, und die Bauchhöhle ist während der ganzen eigentlichen Ver- Die Innervation der Nebenniere durch den Splanchnicus. 373 suchsdauer verschlossen. Irgendeine Änderung in der Reizperiode gegenüber der Ruhperiode tritt nicht ein; die einzige Manipulation, welche während der Reizung stattfindet, ist die Öffnung des Vor- reiberschlüssels der sekundären Rolle des Induktionsapparates; eine Zerrung an den Elektroden oder irgendeine Druckwirkung auf die Unterleibshöhle findet überhaupt nicht statt, so dass, wenn es zu Anzeichen von Adrenalinwirkung in meinen Versuchen gekommen ist, dies ausschliesslich darauf beruht, dass die Reizung des Splanchnieus eben zu einer vermehrten Sekretion von Adrenalin geführt hat. Fast möchte man aus Popielski’s Angaben vermuten, dass ihm die einzig zulässige Art der Reizung des Splanchnieus ohne jeden Ein- eriff am. Tiere während der Reizung unbekannt ist. Nicht allein, wenn man die Wirkung auf die Nebenniere studiert, sondern auch bei jeder anderen untersuchten Wirkungsweise dieses Nerven wird man bei der Reizung mechanische Änderungen, wie Zerrung am Splanehnieus und Manipulieren an der Bauchhöhle, vermeiden. Der Vorzug meiner Methode des Nachweises der Adrenalinabsonderung im Unterschied zu manchen anderen Methoden beruht darauf, dass gar keine Eingriffe nötig sind, um Blut zu erhalten, in dem vermehrtes Adrenalin nachzuweisen wäre, sondern sich alles am gleichen Tiere ohne jeden weiteren Eingriff nach den ersten Operationen vollzieht. Auch im übrigen scheint Popielski ıneine Methodik miss- verstanden zu haben. Er schreibt: „Er bedeckte die Nebenniere mit in warmer Kochsalzlösung getränkter Watte unter Vermeidune an- geblich jedes Druckes. Dann wandte er aus ganz unverständlichen Gründen Gefässpinzetten zur Abklemmung der Nebennierenvenen an. Die Abklemmung der Nebennierenvene hatte keinen Einfluss auf den Blutdruck .... Es ist offenbar, dass die von Asher angewandten Eingriffe hätten vermieden werden müssen. Gerade sie sind voll- kommen ausreichend, um -den unbedeutenden Blutdruckanstieg zu er- zeugen, welchen der Autor bei Reizung des Splanchnicus beobachtete.“ Die Bedeckung der Nebenniere mit Watte geschieht während der Operation an der Bauchhöhle, um die Nebenniere nicht mit In- strumenten oder mit den Händen zu verletzen. Bei verschlossener Bauchhöhle und der Reizung des Splanchnieus liegen auf der Neben- niere keine drückenden Wattebäuschel. Die Abklemmung der Neben- nierenvenen geschah nicht aus unverständlichen Gründen, sondern als Kontrolle, um nach Abschluss der Nebennierenvenen die etwaige Reizwirkung des Nervus splanchnicus zu prüfen. Diese Kontroll- abklemmungen geschahen nur in ganz bestimmten Versuchen, und 374 Leon Asher: Die Innervation der Nebenniere durch den Splanchnieus. zwar am Ende derselben. Die Kontrollversuche haben methodisch mit den Hauptversuchen nichts zu tun. Es bleibt als Endergebnis, dass alle Einwände von Popielski gegen meine Versuchsmethodik auf irrtümlicher Auffassung derselben beruhen, und dass demnach der von mir geführte Nachweis der inneren Sekretion der Nebenniere unter dem Einfluss des Nervus splanchnieus zu Recht besteht. Das gleiche gilt von der schönen Arbeit von T. R. Elliot (T.R. Elliot, The Control of the suprarenal Glands by the Splanchnie Nerves. Journ. of Physiol. Vol. 44 p. 374. 1912), welche merk- würdigerweise von Popielski gar nicht erwähnt wird. Elliot arbeitete an der dezerebrierten Katze, welche evisceriert worden war, und reizte intrathorakal den Splanchnieus. Demnach war bei dieser Methode während der Reizung gleichfalls die von Popielski ver- mutete Fehlerquelle ausgeschlossen, und die sehr erhebliche Druck- steigerung, die Elliot erzielte, beweist in sehr eklatanter Weise die Adrenalinabsonderung ausschliesslich infolge der Reizung des Nervus splanchnieus. Was die Arbeiten von Cannon und von Anrep an- langt, so gehört schon sehr viel Zwang dazu, dieselben im Sinne von Popielski umzudeuten, nachdem die von. mir und von Elliot angewandte Methodik die Angelegenheit aus der Sphäre der von Popielski vorgebrachten Vermutungen entrückt hat. Es soll an dieser Stelle nicht bezweifelt werden, dass mecha- nischer Druck auf die Nebenniere zu einer Auspressung von Adrenalin führen kann. Übrigens wenn es richtig ist, was Popielski be- hauptet, dass selbst eine sehr leichte Berührung der Nebenniere zu merklichem Adrenalinaustritt aus derselben führt, so spricht doch die Tatsache sehr zugunsten der Auffassung, dass das Adrenalin teilweise an Orten gelagert ist, von denen her es leicht abgesondert werden kann. Die Frage, ob die rein physiologische Dauerabsonderung der Nebenniere einen Betrag erreicht, dass die bekannten experimentellen Reaktionen des Adrenalins im Organismus dauernd in geringem Maasse eintreten, bleibe hier unerörtert. Soviel ist jedenfalls durch kritisch einwandfreie Experimentaluntersuchungen festgestellt, dass durch Impulse, welche die Nebenniere auf dem Wege des Nervus splanchnicus erreichen, eine Absonderung von Adrenalin hervor- gerufen wird, die sich durch sehr deutliche Reaktionen kund tut, und die eine biologische Aufgabe im Organismus erfüllt. Popielski’s Untersuchungen können nicht das mindeste an der Lehre ändern, dass es eine physiologische innere Sekretion von Adrenalin gibt, und dass dieselbe unter der Herrschaft des Nervensystems: steht, Bemerkungen zu v. Frey’s „Kraftsinn“ und „Kraftempfindungen“. Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Goldscheider. In mehreren dem „Kraftsinn“ gewidmeten Arbeiten!) kommt v. Frey zu dem Ergebnis, dass die Gewichtsschätzung auf der Wahrnehmung des Widerstandes beruhe, welchen die Gewichte einer vorgeschriebenen Bewegung entgegensetzen, und dass diese Wahr- nehmung durch die Spannung der Muskeln und Sehnen ver- mittelt werde. Er celaubt sein Untersuchungsresultat in einen Gegensatz zu denjenigen bringen zu müssen, welche ich selbst früher erhalten und mitgeteilt habe. Da auf die Präzision des Ausdrucks hier einiges ankommt, so setze ich seine Worte, insofern sie wesentlich sind, hierher: „Goldscheider unterscheidet die Schwereempfindung beim Heben von Gewichten von der Widerstandsempfindung, die durch Bewegungshemmung entsteht. Er lässt erstere durch die afferenten Nerven der Sehnen, letztere durch die der Gelenke aus- gelöst werden. Beide bedürfen für feinere Unterscheidungen der Mitwirkung des Drucksinnes.“ „Es wird unten gezeigt werden, dass es eine Schwereempfindung im Sinne von Goldscheider nicht gibt.“ (Ein einfacher Versuch usw. Würzb. Sitz.-Ber. S. 2.) Den Beweis für diese Behauptung, dass es eine Schwere- empfindung usw. nicht gibt, erbringt v. Frey durch den Nachweis, „dass nicht die Schwere der Gewichte für die Empfindung maass- gebend ist, sondern die durch sie geschaffenen Bewegungswiderstände, die je nach dem Versuchsverfahren als Drehungsmomente oder als Trägheitswiderstände oder als beide zugleich in Erscheinung treten“. 1) Studien über den Kraftsinn. Zeitschr. f. Biol. Bd. 63. 1913. — Die Vergleichung von Gewichten mit Hilfe des Kraftsinns. Zeitschr. f. Biol. Bd. 65. — Ein einfacher Versuch zum Nachweis des Kraftsinns. Sitzungsber. Würzburg 15. Jan. 1914. — Die Feinheit des Kraftsinns geprüft durch Gewichtsvergleichung. Sitzungsber. Würzburg 17. Dez. 1914. — Die physiologischen und psychologischen Grundlagen der Gewichtsschätzung. Arch. f. Anthropol. 376 Goldscheider: Ich habe nun selbstverständlich nirgends die Ansicht geäussert, dass die Schwere als solche empfunden werde. Da der Ausdruck „Schwereempfindung“ denjenigen, welcher meine bezügliche Arbeit!) nicht näher kennt, leicht verführen könnte, das Gegenteil anzunehmen, so führe ich einige Zitate aus derselben zum Beweise an: „Selbst- verständlich erwies sich die Grösse des eben merklichen Gewichts als abhängig von der Entfernung, in welcher der Angriffspunkt des Gewichts sich von dem Gelenk befand“ (S. 148)?). „Es dürfte somit am wahrscheinlichsten sein, dass die Sehnen das Substrat‘ der Schwereempfindung bilden. Diese Annahme würde auch in- sofern unsere Vorstellungen befriedigen, als die Spannungszunahme der Sehnen in einem regelmässigen Verhältnis zum statischen Moment der Last und zum Kraftaufwand stehen muss“ (S. 184). Ich setze auseinander, das Schwellenwert wie Unterschiedsempfind- lichkeit der Schwereempfindung streng genommen für jedes „Segment“ einer Extremität gesondert ermittelt werden müsste, wobei die statischen Verhältnisse „entweder wirklich gleichartig gestaltet oder doch durch Umrechnung reduziert werden müssen“ (S. 193). Ich weise darauf hin, dass der Winkel, welchen die Zugrichtung des Gewichts mit dem hebenden Gliede bildet, ‘von Einfluss auf den Schwellenwert ist; dass die Empfindlichkeit am grössten ist, wenn die Abhebung beim Passieren der horizontalen Lage erfolgt. Ich führe den Beweis, dass die Schwellenwerte der Schwereempfinduag sich verschieden verhalten, je nachdem die Hebung eingliedrig (d. h.' mittels eines Segments) oder mehrgliedrig stattfindet, usw. Ich habe somit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich nicht die Schwere des Gewichts als maassgebend für die Empfindung erachte, sondern die statischen Momente, d. h. genau wie v. Frey die Bewegungswiderstände. ‚Die Schwereempfindung braucht überhaupt nicht durch ein zu hebendes Gewicht bedingt zu sein. „Sie kann ebensowohl dureh eine innere Ursache, nämlich durch vermehrten Widerstand der Antagonisten, produziert werden. Es kann ferner eine Schwere- empfindung von gleicher Grösse durch die verschiedenartigsten äusseren Umstände hervorgebracht werden: durch ein grösseres Ge- 1) Über den Muskelsinn. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1899. Suppl. Auch: Ges. Abhandl. Bd. 2. 2) Die Seitenzahlen beziehen sich auf Arch. f. Anat. u. Physiol. Bemerkungen zu v. Frey’s „Kraftsinn“ und „Kraftempfindungen“. 377 wicht an kleinerem Hebelarm, durch ein kleineres an grösserem Hebelarm; überhaupt nicht durch ein gehobenes Objekt, sondern durch ein konsistenteres Medium, in welches das Segment eindringt; durch ein kompressibles Objekt, welches eingedrückt wird“usw. (S. 178). Alle diese Beispiele beweisen, dass ich die Schwereempfindung durch Bewegungswiderstände entstehen lasse. Der Ausdruck „Schwere- empfirdung* soll keinen Hinweis auf die Schwerkraft enthalten, sondern besagen, dass es sich um ein Empfindungselement von einer eigenartigen Qualität „schwer“ handelt. Hierüber habe ich keinen Zweifel gelassen. „Die Schwereempfindung verbindet sich mit anderen einfachen Sinneseindrücken sowie mit gewissen Vorstellungen, indem sie dem schon vorhandenen Komplex das Attribut „schwer“ einfügt; so mit einer Beweeungsempfindung zum Eindruck einer schweren Bewegung; mit einer bestimmten Lagevorstellung eines Körperteils zu dem. Eindruck, dass derselbe schwer erscheint; mit der Vorstellung eines ausser uns befindlichen und auf uns wirkenden Seienden zur Vorstellung eines schweren Objekts“ (S. 191). Die Schwereempfindung enthält die Qualtität „schwer“, wie die Kälteempfindung die Qualität „kalt“. An dieser Bezeichnung halte ich fest, weil ich sie für die richtigste halte. Es ist doch wohl kein Zweifel, dass wir bei der Überwindung eines Bewegungs- widerstandes eine Empfindung haben; auch v. Frey nimmt eine solche an, nur dass er sie anders bezeichnet. Der Ausdruck „schwer“ und die verschiedenartige Anwendung, welche wir von demselben machen, wenn wir von einem schweren Gegenstand, einer schweren Arbeit, der Schwerkraft usw. sprechen, ist auf die Empfindung des ‚Schweren zurückzuführen. Man könnte höchstens darüber streiten, ob die Qualität „schwer“ der Empfindung an sich anhaftet oder einen Vorstellungskomplex umfasst, in welchem neben gewissen Empfindungen noch das Bewusstwerden der Hemmung einer vor- gestellten Bewegung enthalten ist. Aber immerhin, gewisse Emp- findungen besonderer Art müssen doch da sein, das zeigt schon der besonders hohe, dem Lichtsinn nahekommende Grad ihrer Unter- schiedsempfindlichkeit (v. Frey). Es ist nun allgemein üblich, die Empfindungen nach ihrem quali- tativen Inhalt zu bezeichnen, und ich vermag daher nicht einzusehen, weshalb man die Empfindung „schwer“ nicht „Schwereempfindung“ nennen soll. Allenfalls könnte man farblos von einer „Sehnen-“ bzw. »„Muskelspannungsempfindung“ sprechen, eine Bezeichnung, die aber Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 25 378 Goldscheider: jeder Prägung entbehren würde. Auf keinen Fall aber kann man sie als „Kraftempfindung“ bezeichnen, wie es v. Fre y tut. Kraft ist ein Begriff; ein Ausdruck, welchen wir für die ursächliche Beziehung ge- wisser Vorgänge anwenden. Kraft kann man nicht empfinden, sondern nur die Vorgänge selbst. Muskelkraft ist ein Ausdruck für die Be- ziehung gewisser materieller, chemischer und physikalischer Vorgänge im Nerv-Muskelsystem zu äusseren Vorgängen, welche als Erfolge jener anzusehen sind. Die Bezeichnungen „Kraftsinn“ und „Kraftemp- findung“ sind zudem geeignet, die falsche Vorstellung zu erzeugen, als ob. es sich um die von uns willensmässig aufgewendete Kraft handle. E. H. Weber ging offenbar selbst von dieser Vor- stellung aus, wenn er sagte, dass wir „den Grad der Anstrengung“ empfinden. Hiervon ist aber bekanntlich keine Rede, denn die Schwere- empfindung ist nieht an die willkürliche Muskelbewegung als solche geknüpft, sondern kommt ebenso bei elektrischer oder reflektorischer Reizung der Muskeln zustande. Wenn wir. die Empfindung der Sehnen- spannung als sensitives Merkmal für diejenigen Vorgänge: benutzen, welche wir. in ihren gegenseitigen Beziehungen beerifflich als Muskel- kraft zusammenfassen, so kann doch von einem Empfinden dieser Kraft nicht gesprochen werden. Hierzu kommt, dass die. Sehnen- bzw. Muskelspannung zur aufgewendeten Kraft nur unter bestimmten Voraussetzungen in regelmässigen Beziehungen steht, nämlich wenn dieselbe so bemessen wird, dass sie das Bewegungshindernis gerade überwindet, oder wenn bei überschiessender Kraft die Bewegungs- beschleunigung die gleiche ist. Somit ist die Sehnen- bzw. Muskel- spannung mehr geeignet, uns den Bewegungswiderstand als die Kraft erkennen zu lassen. Unsere Gepflogenheit, von der Muskelkraft schlechthin als Kraft zu sprechen, ist schliesslich auch nur auf das Bedürfnis zurückzu- führen, die Beziehungen des wahrnehmbaren Erfolges zu gewissen physiologischen (und psychologischen) Vorgängen auf einen kurzen Ausdruck zu bringen. In Wirklichkeit existiert natürlich eine solche „Kraft“ nicht. | Unrichtig ist es ferner, wenn v. Frey mir zuschiebt, dass die Schwereempfindung für feinere Unterscheidungen der Mitwirkung des Drucksinnes bedürfe. Vielmehr habe ich an mehreren Stellen her- vorgehoben, dass dieselbe mit Hautempfindungen nichts zu tun habe. „Allein, es wird sich zeigen, dass. das. Hautgefühl tatsächlich ‚nicht beteiligt ist“ (S. 151). „Dass damit die Beteiligung der Hautnerven Bemerkungen zu v. Frey’s „Kraftsinn“ und „Kraftempfindungen“. 379 an dem Entstehen der Schwereempfindung einwandlos widerlegt ist“ (S. 153). Ich weise nach, dass die durch den faradischen Strom be- wirkte Anästhesierung der Haut die Schwereempfindung „so gut wie gar nicht verschlechtert“. Die Behauptung v. Frey’s gründet sich auf eine misverständliche Auffassung einer von mir gemachten Be- merkung : bei der Gewichtshebung mittels des im Metacarpo-Phalangeal- gelenk bewesten Zeigefingers machte es für Gewichte von 5 g einen ‚Unterschied für die Empfindung, ob man dieselben am Nagelgliede unmittelbar oder über einer auf dasselbe gestreiften, mit Wasser gefüllten Gummimanschette aufhängte. Ich bemerkte dazu: „Bei den kleinen Gewichten in der angegebenen Grenze scheint aller- dings die Hautsensibilität mitzuwirken; es ist jedoch noch zu be- denken, dass die durch das Eigengewicht der gefüllten Manschette (14 g) dargestellte Anfangsbelastung des Nagelgliedes vielleicht zur Herabsetzung der Empfindunssleistung beiträgt.“ Es handelte sich bei meinen Untersuchungen nicht um die Leistungen der Unter- schiedsempfindlichkeit, sondern um den Schwellenwert. Dass in. bezug auf diesen an der empfindlichen Tastfläche der Fingerspitze Kom- plikationen der Schwerempfindung durch die Druckempfindung der Haut vorkommen können, ist nicht verwunderlich. Wie ich über die Bedeutung der letzteren denke, geht aus meinen, sich unmittel- bar an jene Bemerkung anschliessenden Sätzen hervor: „Dass die Hautsensibilität einen wesentlichen Anteil an dem Gefühl der Schwere nehmen sollte, ist von vornherein nicht anzunehmen, weil letzteres sich von der Länge des Hebelarmes, an welchem das Gewicht wirkt, abhängig zeigt, und weil die physiologischen Feststellungen E. H. Weber’s über, die Unterschiedsempfindlichkeit sowie die patholo- gischen Beobachtungen Eigenbrodt’s und Leyden’s die Unah- hängigkeit der Fähigkeit, Gewichte zu unterscheiden, vom Drucksinn lehren. Dennoch ist es wichtig, hervorzuheben, dass im allgemeinen Hautsensationen in den etwaigen Empfindungskomplex, auf Grund dessen wir unsere Vorstellungen über die Schwere bilden, überhaupt nicht eingehen.“ v. Frey erwähnt selbst, dass bei der Untersuchung des „Kraft- sinnes“ Urteilstäuschungen durch Mitwirkung des Drucksinnes vor- kommen. Eine solche Urteilstäuschung hatte ich im Auge, nicht, dass ich meinte, die Schwereempfindung „bedürfe der Mitwirkung des Drucksinnes.“ Für die von mir so genannte Widerstandsempfindung, welche 2 380 Goldscheider: Bemerkungen zu v. Frey’s „Kraftsinn“ usw. nichts mit der Gewichtshebung zu tun hat, sondern auf einer Stoss- wirkung beruht, habe ich in einer späteren Arbeit!) die Mitwirkung der Hautsensibilität zugegeben, nicht aber für die Schwereempfindung. Es handelte sich um die „paradoxe Widerstandsempfindung“ : dieselbe tritt bei der Senkung eines Gliedteiles, welches durch ein an einem Bande befestigtes herabhängendes Gewicht beschwert ist, im Augen- blick des Aufsetzens des Gewichts auf eine feste Unterlage, also im Moment der Entlastung, auf. Die nähere Untersuchung ergab, dass die Widerstandswahrnehmung von den statischen Momenten abhängt, dass aber auch die Hautsensation, welche an der Stelle der Be- festigung des Bandes bei ber Entlastung auftritt, von Bedeutung ist. „Die Hautsensation trägt zur quantitativen Verfeinerung sowie zur Lokalisation der Widerstandsempfindung und damit zur deutlicheren Gestaltung des Gesamteindruckes und der resultierenden Widerstands- vorstellung bei.“ Dies hat aber, wie gesagt, mit der Schwereempfindung nichts zu tun. v. Frey’s Untersuchungen kommen also, insofern es sich um Grundsätzliches handelt, zu demselben Ergebnis wie die meinigen: er leitet die „Kraftempfindungen“ von den Spannungen der Muskeln und Sehnen ab; ich habe die Schwereempfindung mit der Emp- findung der Sehnenspannung identifiziert und die Frage der Betei- ligung von Muskelspannungsempfindungen offen gelassen. Ich muss daher die mich ins Unrecht setzende Darstellung v. Frey’s als unzutreffend zurückweisen. An der von mir angewendeten Bezeichnung „Schwereempfindung“ halte ich nicht bloss fest, sondern erachte sie sinnesphysiologisch für korrekter als die von v. Frey versuchte Wiederbelebung des „Kraftsinnes“. 1) Goldscheider und Blecher, Versuche über die Empfindung des: Wider- standes. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abteil. 1893. 38l Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. Von €, Hess, (Mit 3 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. kn I. Messende Bestimmung der spezifischen Absorption in den farbigen aeeinlerMTanvöogel 0 Sam. ann. N 382 Eine einfache Methode zur Demonstration der relativen Blaublindheit gessHuhnes... .... 2... 0. EN ee ER I 392 II. Pupilloskopische Bestimmung der spezifischen Absorption in den farbigen Ölkugeln der Huhmnetzhaut . . ... 2.2 2. 222 2. 394 Über die Aufgabe der farbigen Ölkugeln . . 2. 2:2 222020. 399 III. Anderweitige Untersuchungen über den Farbensinn bei Vögeln . . . 401 IV. Über die Bedeutung bunter Farben bei Tieren und Pflanzen . . . . 407 2 SERDSS do RR oe 425 Die Zoologie hat sich lange Zeit begnügt, die Frage nach einem etwaigen Farbensinn der Vögel aus rein theoretischen Gesichtspunkten zu erörtern: man nahm als feststehen! an, ihre bunten Farben könnten sich nur entwickelt haben, um gesehen zu werden, und der angenommene Farbensinn der Vögel müsse dem unsrigen ähnlich oder gleich sein. Denn nur unter dieser letzteren Voraussetzung ist es angäneig, das bunte Gefieder der Vögel als einen „auf das Auge berechneten“ Schmuck anzusehen. Aus dem frühen Schlafen- gehen der Hühner schloss man auf Nachtblindheit bei ihnen und baute auf dieser Vermutung auch in ernsten wissenschaftlichen Krei- sen weitgehende Hypothesen über die Funktion der Stäbchen und Zapfen auf. Einer wissenschaftlichen Bearbeitung des auch für die Lehre von der geschlechtlichen Zuchtwahl so interessanten Gebietes stand lange die irrige Meinung im Wege, ein Aufschluss über den Farbensinn der Vögel sei nicht möglich, da ihnen die Sprache fehle, um uns Angaben über Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 26 382 C. Hess: ihren Empfindungsinhalt zu machen. Aber einmal gestattet uns die Auskunft, die uns ein anderer Mensch durch das Wort über seine Farbenempfindungen erteilt, durchaus nicht so sichere Schlüsse auf die Art der letzteren, als noch vielfach angenommen wird, ausser- dem aber vermögen wir durch zweckmässige Versuchsanordnung auch unabhängig von jeder mündlichen Auskunft sehr wohl eine Reihe wichtiger Tatsachen über die. Wahrnehmung von Helligkeiten und Farben zu ermitteln. Aus solchen Erwägungen bin ich bemüht ge- wesen, die Fragen über Licht- und Farbensinn bei Tieren mit neuen Methoden systematisch durchzuarbeiten. Meine Untersuchungen über den Farbensinn der Vögel, über die ich früher einiges mitgeteilt habe, sind nunmehr durch die Ausarbeitung neuer messender Ver- fahren zu einem gewissen Absehlusse gekommen: ich gebe im folgenden einen kurzen Überblick über das einschlägige Gebiet und insbesondere über meine neuen Messungen. I. Messende Bestimmung der spezifischen Absorption in den farbigen Ölkugeln der Tagvögel. In grösseren Beobachtungsreihen hatte ich festgestellt‘), dass die Hühner beim Picken von Körnern vorwiegend oder ausschliesslich durch das Gesicht geleitet werden, d. h. dass sie im allgemeinen nur nach Körneru picken, die sie sehen, und dass sie nach allen ihnen sichtbaren Körnern picken, gleichgültig, in welcher Farbe sie erscheinen. Damit war zum ersten Male die Möglich- keit gegeben, bei Tieren mit einer für wissenschaftliche Unter- suchung genügenden Genauickeit festzustellen, welche von den ihnen gebotenen Gegenständen für sie sichtbar bzw. unsichtbar sind. So konnte ich zunächst die Irriekeit der herrschenden Lehre von der Nachtblindheit bzw. Adaptationsunfähigkeit der Hühner dartun und durch messende Versuche den Nachweis erbringen, dass sie einer Dunkeladaptation von beträchtlichem Umfange fähig sind. Die Untersuchung des Farbensinnes der Hühner begann ich mit Spektrumversuchen in der Weise, dass ich ein objektives Spektrum durch eine geeignete Spiegelvorrichtung auf dem mit matt- schwarzem Tuche bedeckten Boden entwarf, auf dem die Hühner sassen, so dass auf ihm ausgestreute Weizen- oder Reiskörner uns 1) Untersuchungen über den Lichtsinn und Farbensinn bei Tagvögeln. Arch. f. Augenheilk. Bd. 64, Ergänzungsheft. 1907. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 383 in den verschiedenen Farben des Spektrums erschienen!). Unter- sucht man nun Hühner und Menschen nebeneinander auf die Sicht- barkeit der Körner (nach dem eben Gesasten müssen selbstverständlich beide in möglichst gleichem Adaptationszustande sich befinden, d.h. es sind helladaptierte Hühner nur mit helladaptierten Menschen, dunkeladaptierte mit dunkeladaptierten zu vereleichen), so lassen sich zunächst leicht folgende Tatsachen feststellen: 1. helladaptierte Hühner pieken die Körner am roten Ende des Spektrums merklich genau so weit, als sie für unser helladaptiertes Auge sichtbar sind; 2. dunkeladaptierte Hühner picken im lichtschwachen Spektrum vor- wiegend’ oder ausschliesslich in einer Gegend des Spektrums, die ein wenig nach dem langwelligen Ende von der für uns hellsten Stelle gelegen ist und ungefähr dem Gebiete des Gelb und Orange- gelb entspricht, mit anderen Worten, das lichtschwache Spektrum ist für das dunkeladaptierte Huhn am roten Ende in ähnlicher oder gleicher Weise verkürzt wie für das normale dunkeladaptierte Menschenauge. Schon durch diese Feststellungen ist der Kreis der Möslichkeiten hinsichtlich der Sehqualitäten dieser Vögel wesentlich eingeschränkt. Bis dahin hätte jemand, der etwa den Satz aufstellen wollte: „Das Huhn hat einen ganz anderen Farbensinn wie wir, es bestehen überhaupt keine Beziehungen zwischen dem Farbensehen der Hühner und jenem der Menschen“ eine solche Meinung ganz ebenso gut oder schlecht verteidigen können wie jemand, der die Behauptung vertreten wollte, die Hühner „sehen die Welt der Farben ganz so wie der normale Mensch“. Die Aunahme, dass die Seh- qualitäten der Hühner von jenen des Menschen grundverschieden und derart seien, dass wir uns gar keine Vorstellung davon machen. können, und dass nur zufällig in jenen wesentlichen Punkten eine so weitgehende Übereinstimmung mit dem Sehen des Menschen be- 1) Dass durch geeignete Maassregeln, wie Einschliessen des ganzen Apparates_ in lichtdichte, nur mit kleinen Ausschnitten für den Durchtritt der spektralen Lichter versehene Kästen, Aufstellen geeigneter Blenden usw., falsches Licht auf das sorgfältigste auszuschalten, überhaupt auf grösstmögliche Reinheit des Spektrums zu achten ist, bedarf als selbstverständlich keiner weiteren Besprechung. Die Änderung der Lichtstärke des Spektrums darf natürlich nur durch Variieren der Spaltbreite oder des Abstandes, nicht aber, wie dies kürzlich von zoologischer Seite geschehen ist, durch Vorsetzen grauer Gläser erfolgen, schon deshalb, weil es keine grauen Gläser gibt, die die Lichter verschiedener Wellenlänge genügend gleichmässig durchlassen. 26 * 334 C. Hess: stehe, bedarf keiner Erörterung. Dass die Hühner etwa „rotblind“ oder total farbenblind seien, ist ausgeschlossen, da sie das Spektrum am langwelligen Ende ebenso weit sehen wie wir, während es für jene beiden Gruppen von Farbenblinden hier beträchtlich verkürzt ist; in besonderen vergleichenden Untersuchungen an solchen Farben- blinden und Hühnern konnte ich diese Verschiedenheiten eindringlich vor Augen führen. Dagegen würde sich ein Huhn mit den Seh- qualitäten eines sogenannten Grünblinden bei den Pickversuchen ähnlich verhalten können wie ein solches mit den Sehqualitäten eines normalen Menschen. Es waren daher besondere Methoden auszuarbeiten, um zu entscheiden, welche von diesen beiden Möslich- keiten zutrifft. Bei dem Menschen bedienen wir uns zu dem frag- lichen Zwecke der Herstellung geeigneter Farbengleichungen, zum Beispiel nach dem Prinzip der Seebeck-Holmgren’schen Probe, wobei der Untersuchte aus einer grossen Zahl verschieden gefärbter Gegenstände die für ihn ähnlich oder gleich erscheinenden auswählt. Zur Untersuchung der Hühner arbeitete ich folgendes Ver- fahren aus). Wenn man zum Beispiel rote Futterkörner auf schwarzer Unterlage festklebt und dann anders gefärbte zwischen ihnen lose ausstreut, so merken (Katz und Re&ve&sz) die Hühner bald, dass sie nach den roten Körnern vergebens picken, und lassen schon nach kurzer Zeit alle roten Körner liegen, auch wenn sie nicht mehr auf der Unterlage festgeklebt, sondern nur lose auf ihr aus- gestreut werden. Um nun zu erfahren, ob die Hühner diese roten Körner an der Farbe oder etwa an der Helligkeit von den anders gefärbten unterscheiden, eing ich in folgender Weise vor: Ich färbte eine grosse Zahl von Körnern in verschiedenem Rot so, dass mir gelblich-rote, rein rote und bläulich-rote in sehr verschiedener Hellig- keit und Sättieung zur Verfügung standen, die ledielich das eine gemeinsame Merkmal der vorwiegenden Rötlichkeit hatten. Hatte ich nun zum Beispiel rein rote Körner auf der Unterlage festgeklebt, so liess das Huhn, das einige Zeit von dieser Fläche gepickt hatte, schon bald unter den lose ausgestreuten Körnern nicht nur die rein roten, sondern auch die bläulich-roten und gelhlich-roten liegen und die heller roten ebenso wie die dunkier roten. Wurden zwischen 1) Ich gebe hier eine etwas ausführlichere Darstellung meines Vorgehens, weil meine frühere kurze Beschreibung, wie ich aus neueren zoologischen und psychologischen Abhandlungen ersehe, hier missverständlich aufgefasst worden ist, Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 385 solchen roten Körnern gelblich grüne, rein grüne und bläulich grüne sowie gelbe und blaue ausgestreut, so pickte das Huhn nach diesen allen, nicht aber nach den vorwiegend roten, es unterschied also diese letzteren mit voller Sicherheit von den vorwiegend grünen, während ein gleichzeitig untersuchter sogenannter Grünblinder die rein roten Körner mit den rein grünen, die bläulichroten mit den ‚hläulich-grünen und bläuliehen, die gelblich-roten mit den vorwiegend gelblichen Körnern verwechselte. Damit ist der Nachweis er- bracht, dass das Huhn rote und grüne Farben unter- scheidet, die der grünblinde Mensch nicht unterscheiden kann. Aus allen diesen Feststellungen folst, dass das Huhn die farbigen Lichter der langwelligen Spektrumhälfte in ähnlicher (oder gleicher) Weise sieht wie der normale Mensch. Dagegen ergaben sich bei Untersuchung der kurzwelligen Hälfte des Spektrums höchst auffällige Unterschiede zwischen dem Sehen der Hühner und jenem des Menschen: In einem Spektrum von mittlerer Lichtstärke pickt das Huhn im allgemeinen nur bis in die Gesend des Blaugrün, lässt aber die für uns grünblauen, blauen und violetten Körner liegen, obschon sie für uns schön farbig und deut- lich sichtbar sind). Diese hochgradige Verkürzung des Spektrums am. kurzwelligen Ende findet sich bei allen bisher von mir unter- suchten Tagvögeln (auch bei verschiedenen Reptilien). Sie bildet ein charakteristisches Merkmal des Tagvogelauges und zeist, dass dieses alle für uns blaugrünen, blauen und violetten Lichter in wesentlich anderen Farben und Helligkeiten sieht als wir. Da, nach neueren Darstellungen zu urteilen, die Anstellung dieser Spektrumversuche. dem Ungeübten Schwierigkeiten macht?), schien 1) Von zoologischer Seite wurde kürzlich ein vergeblicher Versuch gemacht, einige meiner Spektrumbeobachtungen zu wiederholen. Es ist nicht erforderlich, auf diese Abhandlung einzugehen, da ihre Fehler sich für den aufmerksamen Leser meiner Arbeiten ohne weiteres erledigen. 2) So hat man zum Beispiel die von mir gefundene Verkürzung des Spektrums ganz in Abrede stellen und auf „die störende Wirkung psychischer Momente“ zurückführen wollen und behauptet, dıe Tiere liessen die Körner im Blau des Spektrums nur wegen „einer gegen das fremdartige blaue Futter bestehenden Abneigung liegen“. Und doch hatte ich schon in meiner ersten Arbeit vor 10 Jahren geschrieben (1907): „Man könnte vielleicht auf den Einwand kommen, dass die Tiere die blauen Körner zwar sehen, aber etwa aus Abneigung gegen die blaue Farbe nicht pickten: diesem Einwand ist leicht zu begegnen, indem 386 @I Hess: es mir wünschenswert, weitere, noch einfachere Versuchsanordnungen 'auszuarbeiten, mit deren Hilfe auch der Laie sich unschwer von der relativen Blaublindheit der Hühner überzeugen kann, vor allem aber auch messende Methoden zu entwickeln, um die Absorption der verschiedenen farbigen Lichter in der Hühnernetzhaut nicht nur der Art, sondern auch dem Grade nach zu bestimmen, und so die einschneidenden Verschiedenheiten zwischen dem Farbensehen des Huhn- und des Menschenauges zahlenmässig zu kennzeichnen. Ich konnte schon früher zeigen, dass ebenso wie die blauen Lichter des Spektrums auch blaue Glaslichter für das Huhnauge beträchtlich geringeren Reizwert haben als für unser in gleichem Adaptationszustande befindliches Auge, und dass ein Ähnliches, in geringerem Grade, sich selbst für grüne Glaslichter nachweisen lässt”). T E Fig. 1. Zur zahlenmässigen Bestimmung dieser Verschiedenheiten bin ich, im Anschlusse an meine früheren Untersuchungen, neuerdings in der folgenden Weise vorgegangen. Im Innern eines 3 m langen, innen mattschwarzen Tunnels 7 ist eine Glühlampe Z messbar verschieb- lich; sie beleuchtet eine am Tunnelende im Winkel von 45 ° auf- gestellte mattweise Fläche M; das von dieser zurückgeworfene Licht tritt durch eine ihr gegenüber befindliche quadratische Öffnung der Tunnelwand, die mit dem zu untersuchenden farbigen Glase F' verdeckt ist. Ein gegenüber von Z aufeestellter Planspiegel wirft das von M kommende Licht nach unten auf ein mattschwarzes Tuch, auf dem das Futter für die Hühner ausgestreut ist. Die Lampe Z wird nun zunächst so nahe herangeschoben, dass das auf das schwarze Tuch man das Blau genügend lichtstark macht; genügend lichtstarke Körner, die wir in unverhülltem Blau sehen, werden dann chne weiteres sicher gepickt, ebenso wie Körner, die mit geeigneten blauen Farblösungen gefärbt sind.“ 1) Untersuchungen über den Lichtsinn bei Reptilien und Amphibien. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 132. 1910. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 887 gesetzte Huhn sofort zu picken anfängt; während es pickt, wird die Lampe allmählich zurückgeschoben, bis es aufhört zu picken. Dar- auf wird für unser in gleichem Adaptationszustande befindliches Auge festgestellt, wie weit die Lampe zurückgeschoben werlen kann, bis das Futter aufhört, deutlich sichtbar zu sein. (Selbstverständlich ist auch hier alles falsche Licht sorgfältig auszuschliessen.) In anderen Versuchsreihen führte ich die Minderung der Licht- stärke nicht durch Verschieben der Lampe, sondern durch einen vor F' bei E aufgestellten Episkotister herbei. Unter einer grösseren Zahl von Hühnern finden sich immer einige, die sich zu den Ver- suchen gut eigenen, indem sie niemals im Dunkeln, sondern immer nur dann picken, wenn ihnen die Körner sichtbar sind (vgl. hierüber meine früheren Abhandlungen). Die zu verschiedenen Zeiten und. bei mannigfacher Änderung der Bedineungen oft wiederholten Ver- suche führten zu gut übereinstimmenden Frgebnissen. - Ich führe hier nur einige Beispiele von Bestimmungen mit grünen und mit blauen Glaslichtern an. Eines der von mir benutzten grünen Gläser war Grünfilter 4930 von Schott und hatte in der von mir benutzten Dieke von 3 mm folgende Durchlässigkeitswerte: uu 644 918 546 509 480 0,005 0,125 0,262 0,233 0,08. Das blaue Glas war Blaufilter 3873 von Schott und hatte in der von mir benutzten Dicke von 2 mm folgende Durchlässigkeitswerte: uu 509 480 436 405 384 361 340 W032,7,02952 0,55. 30,43272.0,35 7.:0,18..20,01. Bei Versuchen, die ich mit dem Grünfilter vor 7 Jahren aus- führte, hatte sich ergeben, dass die Belichtungsstärke, bei welcher das Huhn eben aufhörte zu picken, ungefähr 9—16 mal grösser war als jene, bei der die Körner für mein in gleichem Adaptationszustande befindliches Auge eben an der Grenze der Sichtbarkeit lagen. Ver- suche, die ich jetzt mit dem gleichen Glase wiederholte, ergaben eine 7—8fach grössere Lichtstärke für das Huhn als für den Menschen. Ferner stellte ich noch Versuche mit einem anderen grünen Glase an, das vorwiegend Licht von 550—510 uu, in geringen Mengen solches bis zu etwa 580, anderseits bis zu etwa 475 uu durchliess. Bei zahlreichen Messungen mit diesem Glase ergab sich, dass bei allmählich abnehmender Lichtstärke (durch Zurücksehieben der Lampe) das Huhn bei einem mittleren Abstande von etwa 47 cm 388 C. Hess: zu picken aufhörte; die Körner waren bei dieser Beleuchtungsstärke für mich noch deutlich sichtbar, die Lampe musste auf einen Ab- stand von etwa 180 cm entfernt werden, damit die Körner für mein gleich lange dunkeladaptiertes Auge an die Grenze der Sichtbarkeit kamen. Diese grüne Strahlung musste also, damit die von ihr ge- troffenen Körner eben sichtbar wurden, für das Huhn etwa 14mal stärker gemacht werden als für uns, d. h. es kam von den sein Auge treffenden grünen Strahlen nur etwa der 14. Teil bis zum optischen Empfänger der Zapfenaussenglieder; die mittlere spe- zifische Absorption!) der farbigen Ölkugeln der Huhn- netzhautistalso für diesesgrüne Glaslicht etwa = 0,92. In gleicher Weise mit dem Blaufilter angestellte Versuche ergaben, dass hier die Lichtquelle für das Huhn durchschnittlich etwa S0 mal stärker gemacht werden musste als für mein Auge, da- mit die Körner eben an die Grenze der Sichtbarkeit kamen und vom Huhn gepickt wurden; die mittlere spezifische Absorption der farbigen Ölkugeln der Hühnernetzhaut ist also für dieses Blaufilter etwa = 0,98, d. h. es werden etwa 49/50 von den auffallenden blauen Strahlen in den farbigen Öl- kugeln der Hühnernetzhaut zurückgehalten. Ein rötlichgelbes Glas meiner Sammlung zeigte annähernd die gleichen Eigenschaften, d. h. wenn ich mein Auge mit diesem Glase bewaffnete und gleich lange dunkel adaptierte wie das untersuchte Huhn, so wurden die Körner bei allmählichem Abrücken der Lampe für die verschiedenen farbigen Lichter bei ungefähr dem gleichen Lampenabstande unsichtbar, bei welchem das Huhn zu picken auf- hörte. Auch die Bestimmung der spezifischen Absorption dieses Glases nach einem früher von mir zur Untersuchung der Gelbfärbung der menschlichen Linse ausgearbeiteten Verfahren ergab wiederum ähnliche Werte, wie ich sie für die Netzhaut des Huhnes gefunden hatte. Hier wie dort steigt also die Kurve der spezifischen Ab- sorption schon im Grün beträchtlich an und zeigt im Blaugrün bereits ansehnliche Beträge. Nach dem Blau hin erreicht sie bald einen um das Sechsfache grösseren Wert als im Grün, so dass von n—1l i n gibt, um wievielmal die zum Erreichen der Sichtbarkeitsgrenze erforderliche Lichtstärke für das Auge des Huhnes oder für das mit passendem rotgelben Glase bewaffnete Menschenauge grösser ist als für das unbewaffnete Menschenauge. 1) Ich bezeichne als spezifische Absorption den Wert ‚ worin n an- Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 389 vorwiegend blauen Lichtern nur äusserst kleine Mengen durchgelassen werden. Durch Vorsetzen eines solchen rötlich-gelben Glases vor unser Auge erhalten wir also eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie dem Huhnauge die Welt der Farben erscheint: rote und gelbe Gegenstände sehen wir dann ähnlich oder fast ganz so wie mit unbewaffnetem Auge, die für letzteres schön grünen Gegenstände erscheinen aber durch das rotgelbe Glas schon merklich dunkler und viel weniger „gesättigt“, mehr mit Grau verhüllt. Besonders auffällig ist der Unterschied für Blau: die dem unbewaffneten Auge Fig. 2. schön blau erscheinenden Gegenstände sehen wir durch das rötlich- selbe Glas sehr viel dunkler und entweder farblos grau oder nur schwach bläulich-grau oder grünlich-grau. Die meisten blauen Gegenstände, insbesondere auch die blauen Vogelfedern, werfen bekanntlich nicht nur blaue Strahlen zurück, sondern auch längerwellige, insbesondere grüne in mehr oder weniger grosser Menge. ‘Die rötlich-gelben Gläser lassen nicht nur rote und gelbe, sondern auch, wenngleich in geringerer Menge, grüne Strahlen durchtreten; daher erklärt es sich, dass einem durch ein solches Glas sehenden normalen Auge die dem unbewaffneten schön blauen Gegenstände grün-grau erscheinen können. Um entsprechende Beobachtungen auch am Spektrum vornehmen zu können, ging ich unter anderem in der folgenden Weise vor: von 390 C. He SS: einem Nernst-Faden, der, ebenso wie Linsen und Prismen, in einem | lichtdichten, nur am vorderen Ende mit einem kleinen Ausschnitte versehenen, innen geschwärzten Kasten X eingeschlossen ist, wird ein Spektrum entworfen, das schräg von oben auf eine gleichfalls etwas schräg gestellte mattschwarze Fläche F fällt. Zwischen dieser und dem Kasten ist ein senkrecht stehender, mattschwarzer, mit einem etwa 8 mm breiten, 3 cm hohen Ausschnitte versehener Pappeschirm & verschieblich; auf die schwarze Fläche sind weisse Futterkörner aus- gestreut. Je nach der Stellung des Schirmes, der immer nur einen kleinen Teil des Spektrums durchlässt, ist also ein schmaler Streifen von den auf der schwarzen Fläche ausgestreuten Körnern in ver- schiedenen Farben des Spektrums sichtbar. Das Huhn wird etwas seitlich auf die Fläche. gesetzt und fänet, wenn zum Beispiel nur rote und rotgelbe Strahlen durch den Ausschnitt treten, sofort an, die bestrahlten Körner zu picken, auch wenn der Spektrumspalt so eng ist, dass die Körner für uns nur noch eben sichtbar sind; während es nun weiterpickt, wird der Ausschnitt langsam gegen den kurzwelligen Teil des Spektrums verschoben, so dass bald nur gelbe und grüngelbe Körner sichtbar sind: das Huhn pickt ohne Unterbrechung weiter. Ist der Ausschnitt bis zum Grün und Blau- grün gelangt, so wird, selbst bei ziemlich grosser Breite des Spektrum- spaltes und entsprechend beträchtlicher Lichtstärke des Spektrums, das Picken oft deutlich langsamer und zögernd, bei etwas geringerer Lichtstärke hört das Huhn ganz auf, nach den grünen und blau- grünen Körnern zu picken. Die spektroskopische Untersuchung der nun durch den Ausschnitt tretenden Strahlen ergab mir wiederholt, dass solches schon bei Wellenlängen von 520 bis 495 uu der Fall war. Im Blau von der mittleren Wellenlänge von etwa 480 uu pickten _ meine Hühner selbst dann nicht, wenn ich den Spektrumspalt so weit machte, als angäneig war, und die Körner mir leuchtend blau erschienen. Bewaffnete ich mein Auge mit dem rötlich-gelben Glase, das ich bei den vorher beschriebenen Untersuchungen mit Glas- lichtern benutzt hatte, so waren bei den Spektrumversuchen die Körner im Rot und Gelb ebenso hell sichtbar, wie bei Betrachtung mit blossem Auge, jene im Grün und Blaugrün erschienen schon ziemlich dunkel. und stark mit Grau verhüllt, die im Blau waren nahezu oder ganz unsichtbar. Also auch bei diesen Versuchen ver- hielten sich die Hühner sehr ähnlich so, wie ein durch ein rötlich- gelbes Glas von der angegebenen Absorption sehender Mensch. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 391 Bei den bisher geschilderten Beobachtungen waren die farbigen Körner auf farblosem, mattschwarzem Grunde sichtbar; ich hatte den Wunsch, die Versuche unter Bedingungen zu wiederholen, bei welchen die Körner farblos auf farbigem Grunde sichtbar waren, Bei auffallendem Lichte liess sich solches nicht genügend durchführen, weil hierbei die Körner infolge ihrer Wölbung an verschiedenen ‚Stellen verschieden stark belichtet sind und auch durch den Schatten, den sie auf die Unterlage werfen, sichtbar sein können. Ich er- reichte mein Ziel durch Untersuchung im durchfallenden Lichte mit der folgenden Methode. In der Mitte eines etwa 2 m langen, innen mattschwarzen Tunnels T,T,, in dem zwei Glühlampen Z, und Z, messbar verschieblich sind, befindet sich ein Ausschnitt für zwei unter rechtem Winkel aneinanderstossende Spiegel 8,8. Ihnen gegenüber befindet sich in dem Tunnel auf der einen Seite ein rubinrotes Glas AR, auf der anderen ein blaues Glas B. Über den Spiegeln liegt, ihre Kante berührend, die Milchglasplatte MM; die linke Hälfte dieser Platte erscheint also schön rot, die rechte, an die erste in scharfer Grenz- linie anstossende, schön blau; die Lichtstärken beider Platten können durch Verschieben der zugehörigen Lampen innerhalb weiter Grenzen unabhängig voneinander variiert werden. Streut man Futterkörner auf der Milchglasplatte aus, so er- scheinen diese im Dunkelzimmer auf dem roten wie auf dem blauen Grunde tief schwarz. Ein Huhn, das vor die Fläche gesetzt wird, fängt sofort an, nach den schwarzen Körnern auf dem roten Grunde zu picken; wird durch Zurückschieben der Lampe 7, das Rot licht- schwächer gemacht, so pickt es angenähert ebensolange, als für mein Auge die Körner auf dem immer dunkler rot werdenden Grunde noch sichtbar sind. Nach kurzer Zeit sind alle Körner auf dem Rot fort- gepickt, die unmittelbar angrenzenden auf dem Blau bleiben un- berührt, auch wenn die Lampe 7, nahe heraugeschoben und das Blau entsprechend hell gemacht wird. Dreht man, während das 392 C. Hess: Huhn im Rot lebhaft pickt, die rote Lampe ab, so hört es augen- blicklich auf zu pieken, obschon für unser Auge die Körner auf dem Blau sehr deutlich sichtbar sind. Ein passendes rötlich-gelbes Glas, vor mein Auge gehalten, macht diese auch für uns mehr oder weniger vollständig unsichtbar. Nimmt man für die blaue Hälfte eine genügend lichtstarke Lampe, die man nahe an den Spiegel heranschiebt, so dass das Blau leuchtend hell erscheint, so piekt jetzt das Huhn auch die Körner auf dem blauen Grunde. Wählt man die Lichtstärke des Blau so, dass es die Körner nicht pickt, die uns auf schön blauem Grunde deutlich sichtbar sind, und lässt man von oben her etwa mit Hilfe eines schwachen, weit entfernt gehaltenen Taschenlämpehens sehr schwaches Licht auf die Körner fallen, so fängt das Huhn sofort an, nach den Körnern auf dem blauen Grunde zu piecken. Alle diese Versuche zeigen aufs neue und besonders schlagend die Irriekeit der von zoologischer Seite gemachten Angabe, die Hühner liessen blaue Körner aus Abneigung vor der blauen Farbe liegen (s. S. 335 Anm.). Weiter sind auch auf diesem Wege genaue vergleichende Messungen der Sichtbarkeit blauer Lichter für Huhn- und Menschen- auge möglich. Endlich zeigt der Versuch eindringlich, ein wie leuchtendes Blau die Hühner nicht von Schwarz unter- scheiden können. Eine einfache Methode zur Demonstration der relativen Blaublindheit des Huhnes. Bei dem grossen Interesse, das die Frage nach dem Farbensehen der Vögel nicht nur für den Physiologen, sondern auch für Zoologen und Psychologen, überhaupt für den naturwissenschaftlich Gebildeten haben muss, schien es mir wünschenswert, ein Verfahren zu besitzen, das auch dem Laien ermöglicht, ohne besondere technische Hilfsmittel eine Vorstellung von den hier geschilderten Erscheinungen zu ge- winnen. Ich erreichte dies, indem ich ein gewöhnliches Taschen- lämpchen mit einer einfachen, auf die Linse aufzusetzenden Hülse versah, die leicht auswechselbar ein geeignetes rotes, gelbes, grünes und blaues Glas trägt; es ist weiter nichts erforderlich, als dass die Gläser lichtdicht passen, damit falsches Licht vermieden werde. Auch bediene ich mich gerne eines einfachen Schiebers, in dem neben- einander je ein quadratisches rotes, grünes, hellblaues und dunkel- Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 393 blaues Glas von ca. 3 cm Seitenlänge angebracht ist. Der Schieber passt lichtdieht in eine vor dem Lämpchen angeschraubte Führung und gestattet leicht, die verschiedenen Gläser vor der Lichtquelle rasch zu wechseln. Man setzt im Dunkelzimmer das Huhn auf ein mattschwarzes Tuch, auf das man zum Beispiel Reiskörner aus- streut. Benutzt man das mit rotem Glase versehene Taschenlämpchen zur Belichtung der Körner, so beginnt das Huhn sofort zu picken; verringert man die Lichtstärke, indem man mit dem Lämpchen immer weiter weggeht, so piekt das Huhn angenähert ebenso lange, als die Körner für uns noch eben sichtbar sind: das gleiche gilt für Be- liehtung mit rotgelbem oder gelbem Glase. Bei Benutzung eines geeigneten grünen Glases piekt das Huhn lebhaft, solange aas Lämp- chen sich noch innerhalb eines bestimmten, nicht za grossen Abstandes befindet: entfernt man es über diesen hinaus, so hört das Huhn auf zu picken, während die Körner für unser unbewaffnetes Auge noch deutlich zu sehen, aber, durch ein geeignetes rötlich-gelbes Glas be- trachtet, kaum oder gar nicht mehr sichtbar sind. Wird das blaue Glas vor die Lichtquelle des Lämpchens geschoben, so hört das Huhn augenblicklich zu picken auf, auch wenn unserem unbewaffneten Auge die Körner gut sichtbar sind und ziemlich hell erscheinen. Wenn ich das Taschenlämpchen mit dem von mir benutzten blauen Glase so an die schwarze Fläche heranbringe, dass die zunächst ge- legenen Körner nur etwa 2—3 cm von der Lichtquelle entfernt sind, so bemerkt das Huhn diese uns hell leuchtend blau erscheinenden Körner und pickt nach ihnen, lässt aber die ein wenig weiter ent- fernten und entsprechend weniger hell leuchtenden unberührt. Bringe ich das Lämpchen an eine andere Stelle, so wiederholt sich hier das Spiel von neuem. Der Versuch zeigt wieder schön die Irrigkeit der von zoologischer Seite vertretenen Meinung, die Hühner liessen die blauen Körner aus „Abneigung gegen die blaue Farbe“ unberührt (s. oben); er gelingt ebensogut mit Hühnern, die zum ersten Male zu solchen Versuchen benutzt werden, wie mit öfter untersuchten. Sehr hübsch ist auch der folgende Versuch: Man bringe ein zweites Taschenlämpchen, das man mit einem roten Glase ver- sieht, in einen Abstand von 1—1'/g m von der schwarzen Fläche und nähere das mit blauem Glase versehene Lämpchen der letzteren auf etwa 10—20 em so, dass von ihm durch das rote Lämpchen ein scharfer Schatten auf der Fiäche entworfen wird, innerhalb dessen die Reiskörner schön blau erscheinen, während die ausserhalb des C. Hess: Schattens gelesenen unserem Auge viel weniger hell bzw. tief dunkel- rot erscheinen: Das Huhn pickt nun immer entlang der Schatten- erenze und nach aussen von ihr die dunkelroten Körner, lässt aber die innerhalb des Schattengebietes geleeenen, für uns hellblauen liegen. Um die geschilderten Erscheinungen einem grösseren Kreise vor- zuführen, bringe ich das Huhn auf einem passenden Tischchen so in den Lichtkegel eines Projektionsapparates, dass die Zuschauer das Tier selbst oder seinen Schatten auf der Schirmfläche sehen. Während es die Körner von der Unterlage pickt, wird dicht vor das Objektiv des Apparates ein dunkeirotes Glas geschoben, so dass der ganze Raum nur von rotem Lichte durchstrahlt ist; trotz der starken Herabsetzung der Lichtstärke pickt das Huhn ruhig weiter; nun wird rasch das rote Glas durch ein geeignetes blaues ersetzt: das Huhn hört augenblicklich auf zu picken; sobald aber das blaue Glas wieder durch das dunkelrote ersetzt wird, fängt es von neuem an. Auch dieser Versuch gelinet sicher, wenn nur für Fernhaltung falschen Lichtes gesorgt ist. Ich erwähne nur einige der schlagendsten, mit diesen einfachen Verfahren anzustellenden Versuche, die sich auch zur Vorführung im biologischen Unterrichte gut eignen und vom Kundigen leicht in mannigfacher Weise variieren lassen. II. Pupilloskopische Bestimmung der spezifischen Absorption: ‚8 in den farbigen Ölkugeln der Huhnnetzhaut. Unabhängig von den im vorhergehenden Abschnitte geschilderten „subjektiven“ Methoden ist es mir möglich gewesen, durch messende Bestimmung der Wirkung verschiedenfarbiger Lichter auf die Pupillen auch „objektiven“ Aufschluss über den Farbensinn der Vögel zu er- halten. Ich verweise .hinsiehtlieh der Einzelheiten und insbesondere der Zahlenangaben auf meine anderweitigen (teils früher erschienenen, teils demnächst erscheinenden) Arbeiten und schildere hier nur kurz das Verfahren, mit dem sich gleichfalls überraschend feine messende Bestimmungen vornehmen lassen. Bestrahlt man in geeigneter Weise die Pupille eines normalen Menschenauges in raschem Wechsel mit einem bestimmten farbigen und einem angenähert farblosen Lichte, so ist unschwer zu erkennen, welches von beiden stärkere motorische Wirkung hat; benutzt man, wie dies bei meinem Pupilloskop geschieht, neben dem farbigen Lichte ein Grau, dessen Lichtstärke kontinuierlich messbar variiert Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 395 werden kann, so findet man leicht dasjenige Grau, das mit dem jeweils benutzten farbigen Lichte gleichen motorischen Wert hat. Meine vergleichenden Untersuehungen bei Menschen und Tagvögeln ergeben nun folgendes: Die roten und gelben Lichter haben für die Tagvogelpupille ähnlichen (bzw. nur um ein Geringes grösseren) mo- torischen Wert als für die in gleichem Adaptationszustande befindliche Menschenpupille. Dagegen haben die grünen Lichter für die Vogel- pupille merklich kleineren motorischen Wert als für dieMenschenpupille. ‚Noch viel kleiner sind die motorischen Werte des Blau für die Tagvogelpupille im Vergleiche mit jenen für unser Auge; sie sind die kleinsten, die ich in der ganzen Tierreihe gefunden habe. Die pupilloskopische Untersuchung zeigt somit, dass nur ein Bruchteil der grünen und ein noch kleinerer Bruch- teil der blauen Strahlen zum motorischen Empfänger des Tagvogelauges gelangt, ganz so, wie wir es vor- her für den optischen Empfänger nachgewiesenhaben. Für die Nachtvögel dagegen nähern sich die motorischen Werte der einzelnen farbigen Lichter jenen beim total farbenblinden Menschen: sie sind für rote und gelbe Lichter viel kleiner, für grünblaue und blaue viel grösser als beim farbentüchtigen Menschen !). Die pupilloskopische Untersuchung hat vor den Pickversuchen den grossen Vorteil, auch bei sehr scheuen Vögeln anwendbar zu sein, die nicht zu Pickversuchen benutzt werden können. Da es von Interesse war, die einschlägigen Verhältnisse auch bei Vögeln mit blauem Gefieder zu prüfen, untersuchte ich schon vor 3 Jahren unter anderem den Schmetterlingsfinken (Mariposa phoeniecotis) und fand bei ihm ganz ähnliche pupillomotorische Werte wie bei der Taube. Von zoologischer Seite bemühte man sich trotz monatelanger Gewöhnung vergebens, bei diesem Vogel eindeutige Ergebnisse mit meiner Pick- 1) Man hat von zoologischer Seite einwenden wollen, nach meinen Be- funden müssten die motorischen Werte für Blau sich gerade umgekehrt verhalten und bei den Nachtvögeln, deren Zapfen zumeist gelbe Ölkugeln enthalten, ver- hältnismässig klein, dagegen bei den Tagvögeln wesentlich. grösser sein, da diese viele Zapfenkugeln besässen, die alle Strahlen durchliessen. Man übersieht hier unter anderem, dass, wie ich früher eingehend erörterte, motorische Emp- fänger sich nicht nur in den Aussengliedern der Zapfen, sondern auch in jenen der Stäbchen finden, die beim Nachtvogelauge ungemein zahlreich sind, beim Tagvogel aber fast ganz fehlen. Weiter ist unrichtig, dass in dem hier allein in _ Betracht kommenden roten bzw. gelben Felde der Vogelnetzhaut sich eine grosse Zahl von Zapfenkugeln finde, die alle Strahlen durchlassen. Die Angabe, dass grünliche Ölkugeln „für alle Teile des Spektrums gleichmässig durchlässig“ seien, bedarf keiner besonderen Widerlegung. 396 C. Hess: methode zu erhalten; am Pupilloskop genügt eine Untersuchung von ‘wenigen Minuten, um von den farbigen Sehqualitäten dieses Finken ein klares Bild zu bekommen. Der Einzelforschung eröffnet sich hier ein interessantes Arbeitsgebiet. Um auch für die auf diesem zweiten neuen Wege gefundenen Absorptionswerte einen Maassausdruck zu erhalten, ging ich so vor, dass ich mein Auge in verschiedenen Versuchsreihen mit verschieden stark rötlich gelb gefärbten Gläsern bewaffnete und bei jeder Kom- bination die motorischen Werte der farbigen Lichter für meine Pupille bestimmte. Ich fand so ein rötlich gelbes Glas, das, vor mein Auge gebracht, die motorischen Werte der verschiedenen farbigen Lichter für dieses den bei der Taube gefundenen sehr ähnlich bzw. gleich machte. Die spezifische Absorption dieses Glases für das benutzte Grün und Blau bestimmte ich dann in der früher angegebenen Weise. Die so erhaltenen Werte stimmen gut mit jenen überein, die ich bei Unter- suchung nach der „subjektiven“ Piekmethode erhalten hatte. Es verhält sich also auch die Pupille des Tagvogelauges den verschiedenen farbigen Lichtern gegenüber ganz ähnlich wie die Pupille des durch ein passendes rot- gelbes Glas blickenden normalen Menschenauges!). 1) Von zoologischer Seite glaubt man folgenden Einwand gegen meine Pupilloskopie erheben zu können: „Wenn überhaupt die Einrichtung farbiger Ölkugeln einen so grossen Einfluss auf die Pupillenreaktion des betreffenden Auges haben soll, so müssten bei Schildkröten, die ganz ähnliches Verhalten wie die Tagvögel zeigen, auch annähernd gleiche Änderungen der Pupillenweite bei verschiedenfarbiger Belichtung nachzuweisen sein; aber bei den Schildkröten- augen konnte Hess, obwohl in der Retina dieser Tiere bis jetzt nur Zapfen nachgewiesen sind, bei Belichtung mit langwelligen Strahlen ebensowenig wie mit kurzwelligen eine merkliche Lichtreaktion der Pupille auslösen; für langwellige rote, orange und gelbe Strahlen bieten die Ölkugeln doch kein Hindernis, so dass diese Strahlen sehr wobl zu dem nach Hess in den Zapfenaussengliedern gelegenen pupillomotorischen Zentrum gelangen könnten.“ Zunächst ist nicht richtig, dass die Schildkröten in den hier in Betracht kommenden Punkten ganz ähnliches Verhalten wie Tagvögel zeigen; ich habe schon vor vielen Jahren aus- drücklich hervorgehoben, dass „der Lichtreflex der Pupillein beiden Tierklassen wesentlich verschieden, bei den Vögeln im all- gemeinen lebhaft, bei den von mir untersuchten Schildkröten nicht nachweisbar ist“. Zur Prüfung des Einflusses farbiger Lichter auf das Pupillenspiel ist doch selbstverstäudlich unerlässlich, dass die Pupille über- haupt auf Licht reagiert; bei lichtstarrer Pupille den Einfluss farbiger Lichter auf diese prüfen zu wollen, ist nicht besser, als bei Blinden einen Farbensinn prüfen zu wollen. Selbstverständlich habe ich auch niemals das pupillomotorische Zentrum in die Zapfenaussenglieder verlegt, Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 307 Die mit dem Pupilloskop gemessenen motorischen Werte der verschiedenen farbigen Lichter sind in hohem Maasse abhängig von dem Adaptationszustande des Auges. Die motorischen Werte der vorwiegend langwelligen (roten und gelben) Lichter sind bei un- veränderter Lichtstärke des Reizlichtes für das farbentüchtige hell- adaptierte Menschenauge merklich grösser als für das lange dunkel- adaptierte. Umgekehrt nehmen mit fortschreitender Dunkeladaptation die motorischen Werte der vorwiegend kurzwellisen (grünblauen und blauen) Lichter merklich zu. Entsprechendes gilt für Untersuchung mit verschiedenen Lichtstärken, welche entsprechend verschiedene Adapta- tionszustände bedingen. Kurz, die als Purkinje’sches Phänomen bekannten Änderungen der Helligkeiten, welche farbige Lichter bei Änderung von Lichtstärke bzw. Adaptationszustand erfahren, kommen auch in entsprechenden Änderungen der motorischen Werte dieser Lichter im farbentüchtigen Auge zum Ausdrucke, während im total farbenblinden die Grösse der motorischen Werte von Lichtstärke bzw. Adaptationszustand unabhängig ist. Die pupilloskopische Untersuchung der Tagvögel lehrt nun, dass auch hier Änderung von Lichtstärke und Adaptationszustand auf die Grösse der motorischen Werte von wesentlichem Einflusse ist, und dass dieser nach Art und Grad mit jenem beim farbentüchtigen Menschen- auge weitgehende Übereinstimmung zeigt. Also auch mit diesem Nachweise eines motorischen Purkinje’schen Phänomens bei Tagvögeln lässt sich die übliche Annahme einer Nachtblindheit derselben widerlegen und ihre umfangreiche Adaptationsfähig- keit durch objektive Messung dartun. Unsere pupilioskopischen Untersuchungen geben noch über eine dritte wichtige Frage Aufschluss: Wird ein farbentüchtiges Menschen- Auge abwechselnd mit zwei verschiedenfarbigen Lichtern von gleichem motorischen Werte belichtet, so bleibt die Pupille beim Belichtungs- wechsel nicht einfach in Ruhe, sondern verenet sich bei Erscheinen eines jeden der beiden Lichter. Wir wollen diese merkwürdige Er- scheinung (auf deren Erklärung hier nicht einzugehen ist) kurz als Wechselverengerung bezeichnen. Ist der. motorische Wert der beiden farbigen Lichter angenähert gleich gross, so ist auch der Umfang der Wechselverengerung bei jedesmaligem Belichtungswechsel gleich gross. Macht man nun das eine der beiden Lichter etwas lichtschwächer, so ist trotzdem bei abwechselnder Einwirkung beider Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 27 398 C. Hess: die Wechselverengerung noch deutlich sichtbar, nur ist der Umfang der Verengerung bei Erscheinen des schwächer wirkenden Lichtes etwas geringer. Bei noch weiterer Abschwächung dieses letzteren kommt man schliesslich zu einer solchen Lichtstärke, bei der keine Wechselverengerung mehr sichtbar ist, vielmehr Erscheinen des lieht- schwächeren Lichtes zunächst keine merkliche Pupillenveränderung zur Folge hat: erst bei noch weiterer Abschwächung führt Erscheinen dieses Lichtes sofort zu einer Erweiterung der Pupille. Entsprechendes gilt, wenn man die Lichtstärke dieses Lichtes gegenüber jener des anderen erhöht: Auch dann ist innerhalb eines gewissen Gebietes der Lichtstärken noch Wechselverengerung wahrnehmbar; bei Erhöhung der ersteren auf einen bestimmten Betrag hat Erscheinen dieses Lichtes beträchtliche Verengerung, Frscheinen des anderen, jetzt weniger lichtstarken, Pupillenruhe bzw. Pupillenerweiterung zur Folge. Wir können auf diesem Wege die „Breite der Wechsel- verengerung“ bestimmen, d. h. jenen Spielraum der Lichtstärken eines der beiden abwechselnd auf die Pupille wirkenden Lichter, innerhalb dessen die fragliche Erscheinung der Wechselverengerung deutlich wahruehmbar ist. Die Breite der Wechselverengerung hänet nun ce. p. von dem Grade der Freiheit („Sättigung“) ab, in der dem untersuchten Auge die farbigen Lichter erscheinen: je freier farbig („gesättigter“) beide Lichter gesehen werden, um so grösser ist ec. p. die Breite der Wechselverengerung; erscheinen die farbigen Lichter, zum Beispiel infolge Herabsetzung der Lichtstärke und entsprechend vorgeschrittener Dunkeladaptation, mehr mit Grau verhüllt („ungesättigter“), so wird die Breite der Wechselverengerung entsprechend kleiner; bei ab- wechselnder Belichtung mit einem roten und einem grünen Lichte, die dem Normalen sehr verschieden, einem Roterünblinden aber sehr ähnlich erscheinen, ist die Breite der Wechselverengerung für den Normalen verhältnismässig gross, für den Rotgrünblinden sehr klein. Beim total Farbenblinden fehlt die Wechselverengerung. Bei Cephalopoden, für die ich früher auf anderem Wege totale Farbenblindheit nachgewiesen habe!), fand ich nicht nur für die verschiedenfarbigen Lichter ähnliche oder gleiche motorische Werte 1) Die Versuche Fröhlich’s, einen Farbensinn bei Cephalopoden nach- zuweisen, lassen sich leicht als unhaltbar dartun. (Genaueres hierüber an anderer Stelle.) Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 399 wie beim total farbenblinden Menschen, sondern auch Fehlen der Wechselverengerung; bei den Nachtvögeln finde ich die motorischen Werte für Rot etwas grösser, jene für Blau etwas kleiner als beim total Farbenblinden, die Erscheinung der Wechselverengerung ist hier nur eben andeutungsweise vorhanden. Alles dies zeigt über- einstimmend, dass die untersuchten Nachtvögel nicht total farben- blind sind, wie man in der Regel annimmt, dass ihnen aber die farbigen Lichter auch bei höheren Lichtstärken und entsprechend helladaptiertem Auge viel mehr mit Grau verhüllt („ungesättigter“) erscheinen als uns unter gleichen Bedingungen, und ähnlich so, wie wir sie nur bei starker Herabsetzung der Lichtstärke und ent- sprechender Dunkeladaptation sehen. Bei den von mir untersuchten Tagvögeln dagegen ist die Er- scheinung der Wechselverengerung durchweg sehr ausgesprochen; zahlreiche Messungen ergaben mir auch für die Breite der Wechsel- verengerung ähnliche Werte, wie ich sie bei dem unter eleichen Bedingungen sehenden Menschen gefunden habe. Wir erhalten so zum ersten Male Aufschluss darüber, dass die Freiheit („Sätti- gung“), in der den Tagvögeln die verschiedenen Farben _ erscheinen, keine wesentlich andere ist als für unser, unter gleichen Bedingungen sehendes, d. h. mit einem rötlich-gelben Glase bewaffnetes Auge. Über die Aufgabe der farbigen Ölkugeln. Zur Frage nach der Bedeutung jener merkwürdigen bunten Öl kugeln in der Vogelnetzhaut müssen hier einige kurze Andeutungen genügen. Die Annahme, dass sie eine Vorrichtung zum Schutze der Augen gegen kurzwellise Strahlen bilden, erfährt eine wesent- liche Stütze durch die Verhältnisse am Menschen- und Affenauge, in dem wir ja auch der für das Sehen wichtigsten, durch be- sonderen Reichtum an Zapfen ausgezeichneten Stelle den gelben Farbstoff der Macula lutea vorgelagert finden. Auch im Huhn- und Taubenauge ist es der für das Picken in erster Linie in Betracht kommende, hintere obere Abschnitt der Netzhaut, das sogenannte gelbe und rote Feld, das die roten und gelben Ölkugeln in be- sonders grosser Zahl enthält. Das Vorkommen solcher stark gefärbter Ölkugeln auch bei Schildkröten mit vorwiegend nächtlicher Lebens- weise, andererseits die schwache Gelbfärbung der Kugeln in den Augen der vorwiegend bei heller Sonne munteren Eidechsen scheinen, 27 * 400 C. Hess: wie ich früher betonte, einigermassen gegen jene Deutung zu sprechen. Doch darf nicht vergessen werden, dass die chemische Zusammen- setzung der Zapfenaussenglieder und damit der Grad ihrer Emp- findlichkeit gegen kurzwellige Strahlen bei verschiedenen Tierarten mehr oder weniger verschieden sein dürfte, so dass bei einer Gruppe das Protoplasma vielleicht eines grösseren Schutzes gegen kurzwellige Strahlen bedarf als bei einer anderen: unsere Kenntnisse von den chemischen Vorgängen, die im Neuroepithel vom Lichte ausgelöst werden, sind noch zu dürftige, als dass es möglich wäre, hier mehr als Vermutungen zu äussern. Keinesfalls kann gegen die Annahme einer Schutzwirkung der farbigen Ölkugeln geltend gemacht werden, dass nur ein Teil der Zapfen einer Netzhaut mit solchen Filtern versehen ist; denn auch die Aussenglieder der verschiedenen Zapfen eines und desselben Auges sind sicher wie in ihrer Funktion, so auch in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht ganz gleich und müssen also auch nicht in gleichem Masse jenes Schutzes bedürfen. Ebenso wird ja aus dem Umstande, dass beim Menschen nur den mittleren Netzhautteilen das gelbe Maculapigment vorgelagert ist, niemand den Schluss ziehen, diesem könne keine Schutzwirkung zukommen, weil es in der peripheren Netzhaut fehle: Der fragliche Schutz entwickelt sich eben nur an jenen Elementen, die infolge ihres besonderen chemischen Aufbaues eines solchen bedürfen. Wir begegnen hier und da Vermutungen über einen Zusammen- hang zwischen den Ölkugeln und dem „Farbenunterscheidungs- vermögen“ der Vögel. Eine derartige Ausdrucksweise kann leicht zu Verwirrung führen; wollte man damit nur sagen, dass die Vögel‘ infolge Vorlagerung des Farbfilters vor die lichtempfindliche Netz- hautschicht anders sehen, als sie ohne ihn sehen: würden, so ist dies nur etwas Selbstverständliches; wollte man aber etwa sagen, die Fähigkeit der Farbenwahrnehmung sei in irgend einer Weise an die farbigen Ölkugeln gebunden, so wäre dies ein Irrtum, der durch unsere Untersuchungen und Messungen leicht zu wider- legen ist. Von wie grosser Bedeutung die farbigen Ölkugeln für die Seb- funktion der Tagvögel sein müssen, zeigt am eindringlichsten die Tatsache, dass ein so stark rotgelb gefärbter Filter zur Eintwicklung gekommen ist, trotzdem dadurch ein grosser Teil der Lichtstrahlen mittlerer und der grösste Teil jener kürzerer Wellenlänge vom Neuroepithel zurückgehalten wird und damit der Tagvogel die Fähig- Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 401 keit, Blaugrün wahrzunehmen zu einem Teile, und jene, Blau wahr- zunehmen fast vollständig einbüsst. Mit der Vorlagerung dieses Farbfilters erleidet auch die Licht- stärke und dementsprechend die Helligkeit der wahrgenommenen Gegenstände eine Einbusse, die, inbesondere sobald die allgemeine Beleuchtungsstärke über ein gewisses Maass heruntergeht, für die Tiere nicht gleichgültig sein kann und das Bedürfnis nach Ein- richtungen auftreten lassen mag, um diese Einbusse einigermaassen - auszugleichen. Dieses Bedürfnis muss sich um so mehr geltend machen, als die Zapfenaussenglieder bei den Tagvögeln ausserordentlich dünn sind — ihr Durchmesser ist beträchtlich kleiner als jener der fovealen Zapfenaussenglieder des Menschen —, so dass ohne besondere optische Hilfsmittel zu jedem einzelnen Aussengliede nur eine ver- hältnismässig sehr kleine Lichtmenge gelangen kann. Die ihnen vorgelagerten stark lichtbrechenden Ölkugeln haben nun einen be- trächtlich grösseren Durchmesser als die Zapfenaussenglieder: sie sammeln nach Art einer Kugellinse das Licht so, dass annähernd die ganze auf sie auffallende Lichtmenge zu dem zugehörigen feinen Aussengliede gelangen kann, das also auf diese Weise viel mehr Licht erhält, als ohne die Kugellinse möglich wäre. Durch eine solche Einrichtung empfangen also die Zapfenaussenglieder trotz ihrer grossen Schlankheit verhältnismässig grosse Strahlenmengen, und ferner ist durch eben diese Schlankheit Raum für die Pigment- nadeln geschaffen, die im Tagvogelauge die Zapfenaussenglieder allseitig mit einer bis zu den Ölkugeln reichenden, lichtabsorbierenden Hülle umgeben. So lernen wir an den fraglichen Elementen der Vogelnetzhaut eine Reihe wundervoll ineinandergreifender Ein- richtungen kennen, die durch grösste Ausnutzung des Raumes und Konzentrieren des Lichtes auf kleinstes Gebiet besonders hohe Leistungen ermöglichen. III. Anderweitige Untersuchungen über den Farbensinn bei Vögeln. Um über die Richtung klar zu werden, in der weitere Unter- suchungen des Farbensinnes der Vögel am aussichtsreichsten er- scheinen, dürfte es wünschenswert sein, auch die anderen Wege kennen zu lernen, die bei Bearbeitung der uns beschäftigenden Fragen eingeschlagen worden sind. 403 C. Hess: Die ersten hierhergehörigen Versuche von zoologischer Seite stellte Graber nach seinem „Zweikammersystem“ (1884) an. Er brachte Vögel in grosse Kästen, die z. B. zur einen Hälfte von rotem, zur anderen von blauem Glaslichte bestrahlt waren, und zählte von Zeit zu Zeit, wie viele Tiere sich in jeder der beiden Behälterhälften befanden: er schloss aus solchen Versuchen unter anderem, „dass dem Stieglitz Blauviolett-Ultraviolett (als solches) viel besser als das Rot gefällt“, dass er „das Gelb als solches weit angenehmer als das Rot findet“, dass er „eine entschiedene Vorliebe für das Ultraviolett als solches hat“, „dass ihm Blau gar nicht oder wenigstens nicht viel heller als uns selbst erscheint“, dass der Rabe „blauscheu“ sei usw. Tatsächlich erfahren wir, wie wohl kaum betont zu werden braucht, durch solche Versuche nichts über einen etwaigen Farbensinn der Tiere, denn wir können nicht wissen, welche Umstände die Tiere veranlasst haben, den einen Behälterteil in grösserer Zahl aufzusuchen oder zu meiden. Von psychologischer Seite bedient man sich mit Vorliebe der „Dressurmethoden“. Zuerst dressierte Porter (1904, 1906) Sperlinge, aus bestimmt. gefärbten Näpfehen ihr Futter zu holen. Aus dem Umstande, dass die Tiere lernten, zu einem in bestimmter Weise sefärbten Napfe zu gehen, ist wiederum nicht zu entnehmen, ob und wie sie die betreffenden Farben wahrnehmen. Yerkes (1915) untersuchte vier Lachtauben nach einer von ihm ausgearbeiteten Dressurmethode. Trotzdem er die Versuche 6 Monate hindurch fortsetzte, gelang es ihm nicht, sicherzustellen, ob die Tauben einen roten von einem grünen Reize innerhalb eines grossen Gebietes verschiedener Intensitäten unterscheiden konnten, sie waren zu solchen Untersuchungen nicht gelehrig genug. Er fand nur An- zeichen dafür, dass für zwei seiner Tauben ein bestimmtes Rot und ein bestimmtes Grün verschieden waren, und dass möglicherweise das Rot für die Männchen einen grösseren Reizwert hatte als für die Weibchen. Eine andere Art der Dressur eründeten Katz und Rev6sz auf die von ihnen beobachtete Tatsache, dass Hühner bald lernen, bestimmt gefärbte Futterkörner unberührt zu lassen, wenn ihnen solche eine Zeitlang auf der Unterlage angeklebt geboten werden. Ich habe oben (S. 354) die Gesichtspunkte entwickelt, die bei Unter- suchungen mit dieser Dressurmethode maassgebend sein müssen. Auch hier hat man früher wie auch neuerdings wieder den Fehler be- gangen, auf einen dem unseren ähnlichen Farbensinn zu schliessen, Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 403 wenn die Tiere verschieden farbige Körner unterschieden, die unserem normalen Auge verschieden gefärbt erscheinen, wenn also zum Bei- spiel auf Blau dressierte Hühner die blauen von weissen Körnern unterschieden. Ein solcher Schluss ist aber nicht zulässige, denn auch ein Tier, das keine Farben wahrnimmt, kann solche Körner, ähnlich wie auch ein total farbenbliuder Mensch, sehr wohl nach ihrer verschiedenen Helliekeit unterscheiden. Ebenso unzulässig ist, aus Versuchen, in welchen auf Blau dressierte Hühner blaue Körner von grauen unterscheiden, zu schliessen, sie nähmen das Blau als Farbe wahr: wenn man solches, wie neuerdings geschehen ist, mit der Annahms begründet, die Hühner müssten doch sonst die uns blau, aber ihnen infolge der Blauabsorption grau erscheinenden Körner mit den grauen verwechseln, so vergisst man, dass infolge der Vorlagerung des rotgelben Filters dem Huhnauge ja nicht nur das Blau als mehr oder weniger rein grau, sondern auch ein für unser Auge farbloses Grau mehr oder weniger gelb erscheint; es ist also sehr wohl möglich, dass die Tiere bei jenem Versuche die blauen von den grauen Körnern deshalb unterscheiden, weil ihnen die für uns blauen mehr oder weniger farblos grau, die für uns grauen aber mehr oder weniger gelb erscheinen. Das bisher von Physiologen und Zoologen geübte Dressurverfahren, bei dem man nur feststellte, dass die Hühner verschieden gefärbte Körner unterscheiden, die auch dem normalen und dem farbenblinden Menschen verschieden erscheinen, konnte also unsere Kenntnis vom Farbensinn der Vögel nach keiner Richtung fördern, da wir auch hier nicht erfahren, worin die uns verschieden erscheinenden Körner für die Hühner verschieden sind. Um mit Hilfe einer Dressurmethode einen gewissen Aufschluss über das Farbensehen der Hühner zu erhalten, muss in folgender Weise vorgegangen werden: 1. Wir ermitteln solche Farben, die dem Huhn und dem nor- malen Menschen deutlich verschieden, dagegen dem partiell oder total farbenblinden Menschen ähnlich oder gleich sind; wir erfahren so, dass die Sehqualitäten der Hühner von jenen der partiell und der total farbenblinden Menschen verschieden sind. Wir sahen (S. 385), dass Hühner, die ich auf vorwiegend rote Körner dressiert hatte, zum Beispiel die bläulich-roten mit Sicherheit von den blauen Körnern unterscheiden, die ein Rotgrünblinder (sogenannter Grün- blinder oder Deuteranop) nicht voneinander unterscheiden konnte. 404 C. Hess: So konnte ich die Möglichkeit ausschliessen, dass unsere Hühner etwa „grünblind“ sein. könnten. | 2. Wir bedienen uns solcher Färbungen, die für den normalen Menschen nicht ganz gleich sind, aber ein gemeinsames Merkmal haben, zum Beispiel das der vorwiegenden Rötlichkeit (gelblich-rote, rein rote und bläulich-rote); wir finden so, dass ein Huhn, das zum Beispiel auf rein rote Körner dressiert war, aus einer Menge ver- schieden gefärbter ausser den rein roten auch die gelblich und bläulich roten, d.h. alle vorwiegend roten pickt. Damit ist be- wiesen, dass diese Körner auch für das Huhn ein gemeinsames Merkmal besitzen, und im Zusammenhang mit meinen übrigen Fest- stellungen am Spektrum und am Pupilloskop ist nunmehr die An- nahme wohlbegründet, dass auch für das Huhn die vorwiegende Rötlichkeit dieses gemeinsame Merkmal bildet. Das eben Gesagte zeigt auch, wie eng die Grenzen sind, innerhalb deren unsere Kenntnisse vom Farbensinne der Hühner durch Dressur- _ versuche gefördert werden können. Dies ist um so mehr zu betonen, als in den letzten Jahren wiederholte Versuche, solche Dressurmethoden auch bei Fischen und Wirbellosen anzuwenden, zu auffälligen Irrtümern geführt haben. So glaubt man in der Zoologie zum Beispiel noch immer, Bienen auf bestimmte Farben „dressieren“ und so einen Farbensinn bei ihnen feststellen zu können; als Beweis für eine solche Meinung sind noch kürzlich (1915) ausführliche Protokolle mit- geteilt worden, Aber an Hand eben dieser Protokolle lässt sich leicht der schlagende Nachweis führen, dass jene „dressierten“ Bienen, die angeblich Blau und Geib wahrnahmen, tatsächlich weder Gelb noch Blau von Grau unterschieden, sich also auch bei diesen Versuchen nicht wie farbentüchtige, sondern wie total farbenblinde Wesen verhielten. Von physikalisch-physiologischer Seite endlich wurde wiederholt der Versuch gemacht, durch Untersuchung der Aktionsströme Aufschluss über den Farbensinn der Tiere zu bekommen. Da über das Verfahren und die mit ihm zu erzielenden Ergebnisse noch viel- fach irrige Anschauungen herrschen, seien einige Bemerkungen über die Aussichten gestattet, die Farbensinnfrage von dieser Seite her zu fördern. Bei Belichtung der vorher verdunkelt gewesenen Netzhaut treten in dieser Veränderungen auf, die wir uns wohl als chemische vor- stellen müssen. Die so entstandenen Regungen werden durch den Sehnerven dem Zentralorean übermittelt und rufen hier jene Regungen in der Sehsubstanz hervor, deren psjchisches Korrelat die wahr- genommenen Farben und Helligkeiten sind. Dar Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. ‘405 Mit den Änderungen, die unter der Wirkung des Lichtes in der Netzhaut eintreten, gehen gewisse Änderungen des elektrischen ‚Verhaltens einher, die an Ausschlägen am Galvanometer erkannt werden können. Aus diesen letzteren lässt sich aber nach dem Ge- sagten lediglich ein Schluss darauf ziehen, dass im optischen Emp- fangsapparate der Netzhaut Veränderungen vor sich gehen; aber wir können dadurch weder über jene uns noch unbekannten Regungen in der Sehsubstanz des inneren Auges noch über deren psychische Korrelate, d. s. die wahrgenommenen Farben, etwas erfahren. Schon diese Erwägungen zeigen, dass, so interessant und verdienstlich solche Messungen auch sind, der Versuch nicht eben aussichtsreich erscheint, durch Prüfung der Netzhautströme Aufschlüsse über Farbenempfin- dungen bei Tieren zu erhalten, selbst wenn es technisch möglich wäre, solche Prüfungen unter Bedingungen vorzunehmen, die weniger weit von den normalen sich entfernen, als es bisher der Fall war; hat man sich doch hier auf Versuche an ausgeschnittenen, aus dem Zusammenhange mit dem normalen Blutkreislaufe genommenen Augen beschränkt. Wer aber weiss, dass selbst am Lebenden schon eine nur wenige Sekunden dauernde Unterbrechung des Blutkreislaufes im Auge genügt, um jede Helligkeits- und Farbenempfindung auf- zuheben, der wird bei Schlüssen von Netzhautströmen, die durch Belichtung aus dem Körper genommener Augen hervorgerufen sind, auf Farbenempfindungen sehr vorsichtig sein. So ist denn auch das bisherige Ergebnis so vieler mühevoller Messungen der Aktionsströme nur ein verhältnismässig dürftiges: Piper fand (1905) bei Bestrahlung der Netzhaut mit farbigen Lichtern für Tagvögel die stärkste elektro- motorische Wirkung bei 600 wu, für Nachtvögel bei 540 uu. Nach Nagel (1902) sollten Hühner einer durch Zunahme der Aktionsströme gekennzeichneten Empfindlichkeitssteigerung durch Dunkelaufenthalt nur in minimalem Maasse fähig sein, während doch unsere Pick- versuche wie auch die pupilloskopische Beobachtung die ausgiebige Dunkeladaptation der Hühner leicht zu erkennen und sogar messend zu verfolgen gestatten. Kohlrausch und Brossa vermochten (1914) „eine qualitativ verschiedene Wirkung der Lichter verschiedener Wellenlänge auf die vorwiegend Stäbchen tragende Netzhaut des Steinkauzes an den Aktionsströmen nicht nachzuweisen“, während bei den Tauben eine solche verschiedene Wirkung nachgewiesen werden konnte. Auch hier war es also nicht möglich, durch Untersuchung der Aktions- 406 C. Hess: ströme die farbigen Sehqualitäten der Nachtvögel nachzuweisen, die wiederum mit den von mir entwickelten pupilloskopischen Methoden sich nicht nur nachweisen, sondern socar messend kennzeichnen lassen; und über die Sehqualitäten der Tagvögel erfahren wir durch die Aktionsströme nur, dass Lichter, die wir und die Hühner in verschiedenen Farben sehen, an der Huhnnetzhaut verschiedene elektrische Vorgänge auslösen können. — | Trotz aller auf sie verwendeten Mühe und Sorgfalt konnten also sämtliche im vorstehenden aufgezählte Verfahren schon deshalb keinen Aufschluss über den Farbensinn der Vögel geben, weil sie uns günstiestenfalls nur lehren, dass zwei für uns verschieden- farbige Lichter auch den Vögeln verschieden erscheinen, aber nicht erkennen lassen, worin sie für die Hühner verschieden sind. Ein Aufschluss über Farbensinn bei Vögeln ist also nur durch solche Versuche möselich, die eine scharfe Scheidung der beiden Faktoren Hellickeit und Farbe gestatten, derart, dass in jedem Falle bestimmt zu erkennen ist, ob das jeweilige Verhalten des Huhnes durch die Helliekeit oder durch die Farbe des Sehobjektes bestimmt wird. Aus solehen Gesichtspunkten entwickelte ich die im ersten Abschnitte beschriebenen Methoden: Bei den Pickversuchen am Spektrum werden die Grenzen des letzteren für das Huhn ermittelt, und es wird so festgestellt, dass bei allen Adaptationszuständen das Spektrum am langwelligen Ende für das Huhn merklich genau so weit reicht wie für den in gleichem Adaptationszustande befindlichen Menschen. Da unter den hier zunächst in Betracht kommenden vier verschiedenen Arten des Farbensinnes beim Menschen die totale Farbenblindheit und die so- genannte Rotblindheit durch Verkürzung des langwelligen Spektrum- endes gekennzeichnet sind, haben wir durch diese ersten Feststellungen, bei welchen allein die Sichtbarkeit des Sehobjektes ohne Rücksicht auf die Farbe, in der es dem Huhn erscheint, Gegenstand der Unter- suchung ist, schon zwei von jenen vier Möglichkeiten ausgeschaltet. Das Ergebnis unseres Dressurversuches schaltet die Möglichkeit einer Grünblindheit des Hubnes aus und lehrt, dass das Huhn sich ganz anders wie ein erünblinder, dagegen durchaus so, wie ein unter entsprechenden Bedingungen sehender, d. h. mit rötlich gelben Glase bewaffneter normaler Mensch verhält, Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 407 Die starke Verkürzung, die das Spektrum am kurzwelligen Ende für das Huhn zeigt, und die allen früheren Beobachtern und sogar neueren Nachuntersuchern enteing, gibt uns, wieder auf Grund der Helliskeit der: Sehobjekte an der Grenze ihrer Sichtbarkeit, un- abhängig von der Farbe, in der sie gesehen werden, Aufschluss über einen fundamental wichtigen Unterschied zwischen dem Sehen der Tagvögel und dem unseren. Die Grösse dieses Unterschiedes ist durch die im ersten Abschnitte mitgeteilten messenden Methoden zahlenmässig festgestellt. Die pupilloskopischen Messungen endlich geben uns gleichzeitig Aufschluss über die Helliekeit und über die Freiheit („Sättigung“), in der ein bestimmtes farbiges Licht von den Vögeln gesehen wird. Die Pupilloskopie am total farbenblinden und am normalen Menschen lässt uns objektiv feststellen, in welcher Helligkeit ein für uns farbiges Licht bei Fehlen der farbigen Sehqualitäten gesehen wird. Die motorischen Werte der roten und gelben Lichter sind für die Hühner jenen für unser Auge sehr ähnlich, die der blaugrünen und blauen für die Hühner wesentlich kleiner als für uns, was wiederum der Absorption des Blau in den Ölkugeln entspricht, die auch auf diesem Wege messend bestimmt werden kann. IV. Über die Bedeutung bunter Farben bei Tieren und Pflanzen. Die im ersten Abschnitte mitgeteilten Untersuchungen geben über den Farbensinn der Vögel so weit Aufschluss, dass wir jetzt für jede beliebige Farbe wissen, wie sie von einem Tag- oder einem Nacht- vogelauge gesehen wird. Damit ist zum ersten Male die Möglichkeit gegeben, auch die vielerörterte Frage nach Entstehung und Be- deutung der bunten Farben bei Vögeln wissenschaftlich in Angriff zu nehmen. Es erscheint aber wünschenswert, eine solche, für viele Probleme der Zoologie wichtige Untersuchung nicht auf die eine Tierklasse zu beschränken, vielmehr sie im Zusammeuhange mit der Frage nach der Entstehung bunter Farben überhaupt, bei Tieren und Pflanzen, auf alle diese Lebewesen auszudehnen. Sind doch unsere Kenntnisse von den Sehqualitäten der Tiere heute wesentlich andere als zu der Zeit, da die Lehreu von der geschlechtlichen Zucht- wahl, von den Schmuckfarben der Tiere, den Lockfarben der Blüten usw. entwickelt wurden; insbesondere haben die physiologischen Untersuchungen der letzten Jahre uns in die Lage versetzt, das ganze Gebiet aus neuen Gesichtspunkten in Angriff zu nehmen und 408 C. Hess: dem ersten, wichtigsten Erfordernis bei allen einschlägigen Unter- suchungen zu genügen, dass wir jene bunten Färbungen nicht mehr mit unseren, sondern mit den Augen der Tiere betrachten, für die sie bestimmt sein sollen. Wenn der Mensch buntes Gewand anlegt, nehmen wir, im all- gemeinen mit Recht, an, er tue dies, damit es von anderen gesehen werde. Der Anthropomorphismus, der fast bei jedem Naturerforschen auf einer gewissen Stufe sich einstellt und fruchtbar erweisen kann, hat Botaniker und Zoologen veranlasst, auch für die bunten Farben in Tier- und Pflanzenreich anzunehmen, sie hätten sich entwickelt, „um gesehen zu werden“. So entstand die Lehre von den Schmuck- und Warnfarben, den Hochzeitskleidern, von den Beziehungen zwischen Blütenfarben und Insektenbesuch u. a. m. Eine solche Betrachtungsweise behält aber ihren heuristischen Wert nur, solange wir streng prüfen, ob die Voraussetzungen er- füllt sind, auf die jene Annahmen sich gründen. Die heute herrschende Lehre von der Bedeutung der bunten Farben bei Pflanzen und Tieren baut sich auf drei Voraussetzungen auf, die wir als die psychologische, die physikalische und die physiologische unterscheiden wollen. Die psychologische Voraussetzung nimmt an, dass den in Be- tracht kommenden Tieren ein gewisser ästhetischer Sinn innewohne, vermöge dessen sie zwischen verschiedenen Farben wählen und eine gewisse „Vorliebe“ für bestimmte Farben haben können. Die physi- kalische Voraussetzung nimmt an, dass die Farben, die wir an Tieren und Pflanzen wahrnehmen, von den betreffenden Tierarten insofern in gleicher Weise wahrgenommen werden können, als für sie das terminale, d. i. das von den farbigen Gegenständen zur licht- empfindlichen Netzhautschieht gelangende Strahlgemisch die gleiche physikalische Zusammensetzung habe wie für unser Auge. Die physiologische Voraussetzung endlich nimmt an, dass die unter- suehten Tierarten einen dem unseren vergleichbaren Farbensinn haben. Diese Voraussetzungen müssen alle drei erfüllt sein, wenn die herrschende Lehre von der Bedeutung der bunten Farben Berechtigung haben soll; sie fällt, wenn auch nur eine von ihnen nachweislich nicht erfüllt ist. Die Zoologie hat bis in die letzte Zeit fast nur die psycho- logische Voraussetzung in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen, wr Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 409 indem sie, stillschweigend oder auf Grund unzulänglicher Versuche, annahm, die Befähigung, zwischen den Farben verschieden gefärbter Artgenossen zu wählen, sei in der Tierreihe weit herab bis zu den Krebsen vorhanden. Nach der physiologischen Voraussetzung, die allen in Betracht kommenden Wirbeltieren und Wirbellosen einen ähnlichen oder gleichen Farbensinn zuschreibt, wie ihn der Mensch besitzt, wurde kaum gefragt, und sie ist nie wissenschaftlich geprüft worden. Darwin selbst begnügte sich zum Beispiel für Krebse mit einem Hinweise auf ältere Versuche Paul Bert’s, von welchen ich aber nachweisen konnte, dass sie in allen hier wesentlichen Punkten un- richtig sind und uns daher über die Sehqualitäten der Krebse keinerlei Aufschluss geben können. Auch von neueren Bemühungen von zoologischer Seite, einen Farbensinn bei Fischen und Wirbellosen nachzuweisen, hat keine einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten können. Die Frage endlich, ob diephysikalische Voraussetzung; erfüllt sei, war überhaupt nicht aufgeworfen worden; und doch zeigt das Folgende, eine wie grosse Bedeutung auch ihr bei den einschlägigen Erörterungen zukommt. Eine Förderung auf dem für so viele Fragen der Deszendenz- lehre wichtigen Gebiete ist nur möglich, wenn es gelingt, an Stelle der Hypothesen, Vermutungen und Annahmen, die hier eine zu grosse und oft hinderliche Rolle spielen, Tatsachen zu setzen. Aus solchen Gesichtspunkten war ich bemüht, die Frage nach dem Licht- sinne in der Tierreihe, die bisher nur gelegentlich und nur mit Laienmethoden behandelt worden war, systematisch mit Methoden der wissenschaftlichen Farbenlehre in Angriff zu nehmen. Im folgenden soll kurz gezeigt werden, inwieweit die- Ergebnisse dieser Unter- suchungen auf unsere Vorstellungen von der Bedeutung der bunten Färbungen in Tier- und Pflanzenreich von Einfluss sind. Botaniker und Zoologen sind seit Chr. D. Sprengel (1793) einig in der Annahme, die im Pflanzenreiche so verbreiteten bunten Farben seien in erster Linie „für das Auge bestimmt“, die bunten Blüten dienten als „Wirtshausschilder“ oder als „Flaggen- signale* zur Anlockung von Insekten: „Die Blume ‚schreit‘ durch ihre Farbe nach dem Insekt.“ Eine solche Stellungnahme wäre selbst dann noch nicht genügend begründet, wenn die bunten Farben bei Pflanzen ausschliesslich an solehen Stellen vorkämen, wo sie gesehen werden können. Nun finden wir aber sehr lebhafte Farben ja durchaus nicht ganz selten auch an unterirdischen Pflanzenstellen vor: ich 410 i | C. Hess: erinnere nur an das leuchtende Rot, Orangegelb und Violett vieler Wurzeln, von welchen manche bekanntlich nicht nur an ihrer Ober- fläche, sondern auch im Innern Farben von grosser Sättigung zeigen. Bei Pilzen und Flechten begegnen wir ungemein lebhaften und mannig- fachen Färbungen, für die meines Wissens niemals angenommen worden ist, sie seien entstanden, um gesehen zu werden. Auch der Farbenpracht des herbstlichen Blätterwaldes sei gedacht, die doch gewiss nicht als ein „auf das Auge berechneter“ Schmuck gedeutet werden kann. Als besondere Stütze der üblichen Annahme bringen Zoologen auch heute noch die Angabe vor, die bunten Farben fänden sich vorwiegend bei entomophilen Pflanzen; wir kennen aber eine Reihe schön roter und gelber Blüten auch bei Anemogamen: Wenn die Fichtenblüte durch Insekten bestäubt würde, würde man gewiss das weithin leuchtende Purpurrot der weiblichen und das prachtvolle Gelbrot und Rot der männlichen Blüten als eindringlichen Beweis für die Richtigkeit der Sprengel’schen Lehre aufführen. Da sie aber vom Winde bestäubt werden, übergeht man sie vielfach mit Still- schweigen: begegnen wir doch selbst heute noch der angesichts dieser Tatsachen schwer verständlichen Behauptung, bei den windbestäubten Blüten fehlten auffällige Farben ')! Wenn aber so schöne, lebhafte Färbungen reichlich an dauernd unsichtbaren, an absterbenden Pflanzenteilen, an Blüten, die vom Winde bestäubt werden, und an ganzen Pflanzengruppen zur Ent- wicklung kommen, bei welchen, wie den Pilzen, Insektenbesuch gar nicht in Frage kommt, dann ist es richt mehr angängig, für die an gewissen Blüten auftretenden Farben ohne weiteres anzunehmen, sie müssten sich entwickelt haben, um von Insekten gesehen zu werden. 1) Nachdem ich darauf hingewiesen hatte, in wie auffälligem Widerspruche diese Tatsachen mit der herrschenden Lehre stehen, wurde von zoologischer Seite die Annahme vertreten, die Anpassung der Blütenfarben an die Insekten- bestäubung hätte ihren Ausgangspunkt von einem gelegentlichen „zufälligen“ Auftreten gefärbter Blütenblätter genommen; andererseits hat man bereits zu- gegeben, dass das Rot sich nicht um der Bienen willen entwickelt haben kann. Man nimmt also jetzt an, alle bunten Farben, die zufällig bei Anemophilen und alle die roten Farben, die zufällig bei Entomophilen auftraten, seien „zufällig“ zu dauerndem Besitze dieser Pflanzen geworden, obschon sie für die Befruchtung durch Insekten zugestandenermaassen nicht in Frage kommen. Reines Blau und Gelb aber, das einmal zufällig bei entomophilen Blüten auftrat, sei hier nicht „zufällig“, sondern nur deshalb erhalten geblieben, weil die Bienen es sollen wahrnehmen können! Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 411 Die herrschende Lehre von der Bedeutung der Blütenfarben nahm früher und nimmt zum Teil selbst heute noch die psycho- logische Voraussetzung für die Insekten ohne weitere Prüfung als erfüllt an: Sprengel meinte, die Insekten würden „durch die Schönheit der Krone angelockt“; und vor nicht langer Zeit sprach man noch von einer „Bewunderung“ der Farben durch die Insekten: Heinrich Müller schilderte Syrphiden, die 10 Sekunden und länger vor den Blumen schweben,. „wie wenn sich an deren Anblick weideten“; auch in Graber’s Arbeiten spielen „Farben- geschmack“, „Unlust-“ und „Lieblings“farben eine grosse Rolle. Ich zeigte, wie man derartige Voraussetzungen experimentell prüfen und ihre Irriekeit dartun kann: Macht man Bienen unter sonst gleichen Bedingungen zwei verschiedene Farben sichtbar, so gehen sie stets zu derjenigen, die dem total farbenblinden Menschen- auge als die hellere erscheint. Ich konnte so leicht eine anscheinende „Rotvorliebe“ der Bienen in „Blauvorliebe“ oder umgekehrt ver- wandeln oder aber völlige Gleichgültigkeit gegenüber beiden Farben herbeiführen. Bei einwandfreier Versuchsanordnung kann also von einer „Vorliebe“ der Bienen für be- stimmte Farben und von einer dadurch bedingten An- lockung durch letztere keine Rede sein. Trotz dieser Feststellungen und trotzdem man mir für Rot und Blausrün bereits zugegeben hat, dass die Bienen diese Farben nicht wahrnehmen (s. u.), vielmehr beide mit Grau verwechseln, begegnen wir auch in Darstellungen aus der jüngsten Zeit (Doflein 1914) wieder der Annahme, die Bienen hätten eine „Vorliebe“ für bestimmte Farben, insbesondere für Rot und Blau. Hier wird also die Meinung vertreten, die Bienen hätten eine Vorliebe für eine Farbe, die sie zugestandenermaassen gar nicht sehen. Weiter hat man als Stütze für die Annahme eines Farbensinnes bei Bienen wiederholt auch die verhältnismässig grosse Sättigung angeführt, die die Farben vieler Blüten zeigen: und doch gibt man bereits zu, dass das bei den entomophilen Pflanzen so verbreitete Rot, auch wenn es noch so gesättigt ist, von den Bienen nicht wahrgenommen, vielmehr farblos grau gesehen wird, und dass sie ein schönes, gesättiotes Blau von einem sehr ungesättigten, weisslichen Blau nicht unterscheiden, vielmehr beide völlig „verwechseln“, so dass sie auch beim Blumenbesuch Violett, Blau und Purpurrot nicht 412 C. Hess: auseinanderhalten können. Wirkt aber ein ungesättigtes bläuliches Weiss auf die Biene nicht anders als wie ein gesättigtes Blau, dann kann man die Sättigung des Blau vieler Blüten nicht mehr als Stütze für die Annahme eines Farbensinnes der Bienen heran- ziehen. Tatsächlich nimmt man aber in der Zoologie heute an, die Blüten hätten sich in sattem Rot, Purpur oder Blau gefärbt, um farblos grau bzw. sehr ungesättigt blass blau gesehen zu werden! Die physiologische Voraussetzung für die Lehre von der Bedeutung der Blütenfarben nimmt an, die Bienen hätten einen dem unseren ähnlichen oder gleichen Farbensinn. Denn wenn sie keinen oder einen ganz anderen Farbensinn haben als wie der normale Mensch, so sehen sie die Blüten farblos oder aber in ganz anderen Farben als wir, und es fehlt dann die Berechtisung zu der Annahme, dass die für uns schön gefärbten Blüten auch den Bienen so erscheinen. In Sprengel’s- Werken (1793) finde ich keinerlei Hinweis auf alle diese Dinge; offenbar setzte er als selbstverständlich voraus, dass die Bienen die Blumen ähnlich oder ganz so sehen müssten wie wir. Auch Lubbock, der (1883) zum ersten Male den Versuch machte, Bienen auf bestimmte Farben zu „dressieren‘, war von vornherein der Meinung, es könne „kaum ein Zweifel bestehen, dass die Bienen einen Farbensinn besitzen“; seine Versuche waren also nicht so sehr darauf gerichtet, zu untersuchen, ob die Bienen einen Farbensinn haben oder nicht, als vielmehr zu beweisen, dass sie den von ihm angenommenen Farbensinn hätten. Als ich mich mit den einschlägigen Fragen zu beschäftigen anfıng, überzeugte ich mich bald, dass es mit der in der Zoologie noch gebräuchlichen „Dressur“ der Bienen nicht möglich ist, verwertbare Ergebnisse über ihre Sehqualititäten zu erhalten. Da auch der Laie die Fehler solcher in den letzten Jahren von zoologischer Seite mehrfach mitgeteilter „Dressur“versuche leieht erkennt!) (s. S. 404), brauche ich auf sie nicht näher einzugehen. Mit Methoden der wissenschaftlichen Farbenlehre gelang mir der Nachweis ?), dass die Bienen sich allen von mir benutzten farbigen Lichtern gegen- 1) Dies gilt insbesondere auch von der Vorführung „dressierter“ Bienen beim Freiburger Zoologentage (1914), in der noch viele Zoologen einen Beweis für Farbensinn der Bienen sehen. 2) C. Hess, Messende Untersuchung des WLichtsinnes der Biene. Pflüger’s Arch. Bd. 163. 1916. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 413 über durchaus so wie total farbenblinde Menschen verhalten: sie zeigen bei messenden Untersuchungen nahezu die gleiche Unter- schiedsempfindlichkeit für Helligkeiten wie dieser, und ebenso wie ihm erscheinen auch den Bienen die verschiedenen Farben im all- gemeinen nicht gleich, sondern nach Helligkeiten verschieden, so dass sie innerhalb ähnlicher oder der gleichen Grenzen wie ein total Farbenblinder imstande sind, verschiedene Farben nach ihren ver- schiedenen Helliskeiten zu unterscheiden: ein für uns helles Rot erscheint ihnen wie dem total Farbenblinden dunkelgrau, ein für uns viel dunkleres Blau oder Grün erscheint ihnen viel heller erau usw. Ich brauche auf die Einzelheiten dieser Untersuchungen hier nicht weiter einzugehen und erinnere nur noch daran, dass mir sogar der objektive Nachweis der totalen Farbenblind- ‚heit der Bienen gelungen ist durch die Feststellung, dass die bei Belichtung der Bienen mit farbigen Lichtern auftretenden Be- wegungsreaktionen die gleiche Art der Abhängiekeit von der Wellen- länge zeigen wie jene der Pupille des total farbenblinden Menschen bei Belichtung mit den gleichen farbigen Lichtern. Sprengel’s Lehre von der Bedeutung der Blüten- farben ist endgültig erledigt durch den Nachweis, dass die physiologische Voraussetzung, auf die sie sich gründete, nicht erfüllt ist. Wir kommen zur Frage nach den sogenannten Schmuck- farben, zunächst jenen bei luftlebenden Tieren. Unter den luftlebenden Wirbeltieren zeigen vor allem die Tag- vögel zum Teile lebhafte Färbungen, die man wohl allgemein als Schmuckfarben zur Anlockung des anderen Geschlechtes auffasst. Nun konnten wir aber feststellen, dass die bisher untersuchten Tag- vögel die Welt der Farben ungefähr so sehen wie wir durch ein rötlich-gelbes Glas, dass also die grünblauen, blauen und violetten Gegenstände, die wir schön farbig sehen, ihnen nur wenig gesättigt, srünlich-grau, blaugrau oder farblos grau erscheinen. Es ist von grossem Interesse, etwa eine Sammlung bunter Vögel durch ein solches Glas zu betrachten und sich zu überzeugen, wie ganz anders nunmehr ein grosser Teil der bunten Farben ihres Gefieders er- scheint. Wer die Vögel unter diesen Bedingungen sieht, wird gewiss nieht an der Meinung festhalten wollen, das leuchtende Blau und Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 28 414 C. Hess: Blaugrün vieler von ihnen könnten als Schmuckfarben zur Anziehung des anderen Geschlechtes entstanden sein. Die Feststellung, dass die fraglichen Vögel relativ blaublind sind, lehrt, dass das schöne Blau, Grünblau und Violett am Gefieder solcher nicht als Schmuckfarbe aufgefasst werden kann. Wenn wir aber zugeben müssen, dass diese leuchtenden Farben sich nicht entwickelt haben können, um von den Artgenossen, für die sie doch bestimmt sein sollen, wahrgenommen zu werden, so verliert die Annahme viel von ihrer Wahrscheinlichkeit, die roten und gelben Farben müssten sich entwickelt haben, um gesehen zu werden. Die physikalische und damit die physiologische Voraussetzung ist also für die Tagvögel hinsichtlich der grünblauen, blauen und violetten Farben nieht erfüllt. Über eine etwaige Gültiekeit der psychologischen Voraussetzung wenigstens für die hier allein noch in Betracht kommenden roten, gelben und einen Teil der grünen Farben fehlen bisher genügende Untersuchungen. — Wenn oft nachdrücklich betont wird, das Auftreten bunter Farben bei Vögeln bliebe unverständlich, wenn sie nicht, um gesehen zu werden, sich entwickelt hätten, so muss einer solchen Meinung gegenüber darauf hingewiesen werden, dass ebenso lebhafte und noch lebhaftere Farben bei anderen Lebewesen in wohl noch grösserem Umfange als bei Vögeln unter Bedingungen entstanden sind, unter welchen die Annahme vollständig ausgeschlossen ist, sie hätten sich entwickelt, um gesehen zu werden: ich brauche nur an alle die leuchtenden Farben bei Meerestieren zu erinnern, die schon aus physikalischen Gründen nicht wahrgenommen werden können (8. u.), an die bunten Farben der total farbenblinden Schmetter- linge (s. d.) und auch an die bunten Blütenfarben. Unter allen Lebe- wesen sehen wir allein bei Tagvögeln in grösserem Umfange lebhafte Farben unter Bedingungen sich entwickeln, unter welchen die Möglich- keit nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wenigstens ein Teil derselben könnte entstanden sein, um gesehen zu werden. Bei Reptilien (Schildkröten) vermochte ich ein ähnliches Ver- halten des Farbensehens nachzuweisen wie bei Tagvögeln; auch hier können also nur rote, gelbe und zum Teile grüne Farben als Schmuck- farben in Betracht kommen: doch sind lebhafte Färbungen bei Reptilien ja viel weniger häufig als bei Tagvögeln. Die Sehqualitäten der Amphibien sind nach meinen Unter- suchungen jenen des Menschen ähnlieh oder gleich. Für die Annahme Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 415 von Schmuckfarben wäre hier die physikalische und die physiologische Voraussetzung erfüllt: doch sind auch in dieser Tiergruppe lebhaftere bunte Farben nur verhältnismässig spärlich. Für verschiedene bisher von mir untersuchte Säuger (Hunde, Katzen, Kaninchen) konnte ich am Pupilloskop nachweisen, dass sie die für uns schön „gesättigten“ farbigen Lichter zwar auch farbig, aber nur sehr „ungesättist“, stark mit Weiss bzw. Grau verhüllt sehen, und vermochte sogar zu zeigen, in welcher Sättigung etwa die verschiedenen farbigen Lichter solchen Augen erscheinen. Damit ist es möglich geworden, festzustellen, wie bei solehen Säugern etwa auftretende lebhafte Färbungen von den Artgenossen gesehen werden, und ob solche danach als Schmuckfarben aufgefasst werden können. Auch bei den Säugern überwiegen, soweit ich sehe, die Schutz- färbungen, die uns hier nicht weiter beschäftigen sollen. Als „Schmuck- färbung“ kommt bei Säugern meines Wissens fast nur das Blau und Rot beim Pavian in Betracht: der Affe hat nach meinen Unter- suchungen einen dem unseren sehr ähnlichen oder gleichen Farben- sinn. Es wäre also auch hier vor allem die psychologische Voraus- setzung zu prüfen, ob man annehmen kann, dass jene roten und blauen Farben dem Pavianweibcehen als besondere Zierde erscheinen. Wir wenden uns zu den bunten Farben bei luftlebenden Wirbel- losen. Die lebhaften Färbungen vieler Schmetterlinge werden von den Zoologen zum Teil als Schmuck-, zum Teil als Warnfarben gedeutet. Den Warnfarben wird, soweit ich sehe, vorwiegend ein Schutz gegen Tagvögel zugeschrieben: da ich bei letzteren einen guten Farbensinn nachgewiesen habe, ist eine solche Deutung hier zulässig, natürlich wieder nur, soweit es sich nicht um blaue Farben handelt, die ja von den bisher untersuchten Tagvögeln nicht als Blau, sondern nur als mehr oder weniger reines Grau wahrgenommen werden. Die bunten Farben der Schmetterlinge als Schmuck- farben aufzufassen, wie dies fast allgemein geschieht, ist nicht mehr angängig, nachdem alle bisher von mir untersuchten Raupen und Schmetterlinge sich den verschiedenen farbigen Lichtern gegenüber so, wie total farbenblinde Menschen verhalten haben. Ein gleiches gilt für die bunten Färbungen der übrigen Insekten. ‘Doflein schreibt, „wenn man eine grell gefärbte tropische Rad- spinne in der Mitte ihres Netzes sitzen sieht, ... so wird man un- willkürlich auf den Gedanken gebracht, dass sie eventuell Insekten 28 * 416 C. Hess: ‚anlocken könnte, die durch die Ähnlichkeit ihrer Farbe mit Blüten- farben getäuscht würden“. Auch diese Annahme von „Lockfarben“ für andere Insekten erledigt sich durch den Nachweis, dass alle bisher genügend untersuchten Insekten die für totale Farbenblindheit charakteristischen Merkmale zeigen. — Nicht weniger interessant als bei Lufttieren ist es, der möglichen Bedeutung bunter Farben bei Wassertieren nachzugehen. Leb- hafte Färbungen sind ja insbesondere bei Tieren des Meeres sehr verbreitet; soweit sie bei Krebsen und Fischen auftreten, werden auch sie von den Zoologen heute wohl noch allgemein als Schmuck- farben aufgefasst, ich erinnere nur an die „Hochzeitskleider“ der Fische; zum Teil sieht man in ihnen auch „Warn“farben. Die eingehendere Prüfung der hier in Betracht kommenden biologischen Verhältnisse liess mich erkennen, dass die dieser Schmuck- und Warn- farbentheorie zugrunde liegenden Voraussetzungen noch weniger er- füllt sind, als es zum Beispiel bei den luftlebenden Insekten der Fall ist: Bei diesen letzteren beging man wenigstens nur den Fehler, die physiologische Voraussetzung ohne Prüfung als erfüllt anzusehen, indem man annahm, ihre Sehqualitäten seien den unseren ähnlich oder gleich. Bei den wasserlebenden Tieren aber beging man ausser diesem den noch grösseren Fehler, anzunehmen, auch die physikalischen Bedingungen, unter welchen die farbigen Lichter von ihnen wahrgenommen werden, stimmten genügend mit jenen überein, unter welchen wir sie sehen. Die Bienen sehen die Blüten wenigstens auch in Luft; das von den Blumen zu ihren Augen 'gelangende Strahlengemisch hat also wenigstens ähnliche oder gleiche physikalische Zusammensetzung wie das zu unsern Augen gelangende. Bei den Wassertieren aber ist nicht einmal diese Vor- aussetzung erfüllt: Das Wasser ist nur in dünnen Schichten annähernd farblos; schon eine Schicht von 4 m verschluckt von den langwelligen Strahlen so viel, dass ein in Luft schön roter oder orangefarbiger Körper einem 4 m unter der Oberfläche befindlichen farben- tüchtigen Auge, selbst unter günstigsten Beleuchtungverhältnissen, nur mehr braungrau erscheint. Trotzdem ich die einschlägigen Ver- hältnisse an Hand zahlreicher Beobachtungen und Messungen wieder- holt ausführlich dargelegt habe, begegnen wir auch in neueren zoologischen Abhandlungen immer wieder der unrichtigen Voraus- Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 417 setzung, die prachtvollen Färbungen, die wir an Fischen, Seerosen u. a. in Luft bewundern, seien bei diesen Tieren in ähnlicher oder sleicher Weise auch unter ihren natürlichen Lebensbedingungen, viele Meter unter der Wasseroberfläche, zu sehen. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die es offenbar für Viele hat, eine zutreffende Vorstellung von den einschlägigen Verhältnissen zu gewinnen, stellte ich unter anderem die folgende kleine Vor- richtung zusammen, die mir zur Vorführung wie auch zu einer messenden Verfolgung hierher gehöriger Fragen gute Dienste tat. Man versenke eine genügend grosse, gesättiet rote bzw. orangefarbige, gelbe und blaugrüne Platte in geeigneter Weise wagerecht schwebend ins Meer und beobachte die Änderungen, die hierbei die verschiedenen Farben mit zunehmendem Abstande von der Wasseroberfläche erfahren. Urter den günstigsten Umständen, an wolkenlosen Tägen bei senk- recht einfallendem Sonnenlichte in klarem Wasser weit von der . Küste im Neapeler Golf fand ich, dass ca. 4 m unter der Ober- fläche ein dort befindliches farbentüchtiges Auge kein Rot mehr wahrnehmen kann, ca. 11 m unter der Oberfläche erscheint ein in Luft schön sattes Gelb nur moch blass gelblich, und ca. 13 m unter der Oberfläche kann von den verwendeten freien („gesättigten‘) Farben keine mehr wahrgenommen werden Die so gefundenen Werte sind Maximalwerte; da die Beobachtungs- bedineungen für die im Meere vorkommenden Tierfarben im all- gemeinen weniger, erossenteils sogar viel weniger günstig und da diese Farben auch in Luft zumeist viel weniger gesättigt erscheinen als die von mir benutzten, so ist die physikalische Möglichkeit der Wahrnehmung von Farben unter Wasser in Wirklichkeit auf eine noch kleinere Zone nahe der Wasseroberfläche beschränkt. Prüfen wir an Hand dieser Tatsachen einige Angaben aus der ‚neueren zoologischen Literatur. Doflein brinet in seinem Werke „Das Tier als Glied des Naturganzen“ (1914) eine farbige Tafel, auf der unter anderem ein schön orangerot und gelb gefärbter Korallenstock aus der Gattung Astraea abgebildet ist, zwischen dem kleine, gleich gelbrot gefärbte Fische (Anthias) schwimmen, ferner auch ein schön roter Einsiedler- krebs. Die Tafel trägt den Vermerk: „Alle nach der Natur, Ost- küste von Japan, 15—50 m Tiefe“. Für den Fisch ist angegeben, ‚dass er „die Uniform seiner Beschützerin“, der Koralle, trug, so 418 C. Hess: ‚dass er zwischen ihren Polypen infolge seiner schützenden Färbung kaum erkennbar war. Von der Farbe dieser Tiere ist aber in ihrer natürlichen Umgebung nach dem vorher Gesasten nicht das Geringste zu sehen: Sie erscheinen vielmehr dort selbst einem farben- tüchtieen Auge nur grau oder blaugrau. Indem die Tiere als am Meeresgrunde in 15—50 m Tiefe befindlich abgebildet, ihre Farben aber so wiedergegeben sind, wie wir sie nur in Luft sehen, wird dem nicht nur in Laienkreisen verbreiteten Irrtum von einer „Farbenpracht in Meerestiefen“ aufs neue Vorschub geleistet und die Anbahnung richtigerer Vorstellungen über die Bedeutung bunter Farben bei Fischen, Krebsen usw. erschwert. Poulton beschreibt in seinem Buche über die Farben der Tiere eine in 18 m ‘Tiefe gefundene, tief rote, fast purpurfarbige Koralle Leptogorgia, auf der viele Mollusken mit rotbraunen Schalen sich fanden, deren umgebende Haut eine tief rote Farbe zeigte; hier wie bei den Korallen war die rote Grundfarbe mit Weiss durchsetzt. In seichtem Wasser wurde in der gleichen Gegend eine orangegelbe Koralle gefunden, auf der eine ebenso gefärbte Gastropode ovulum uniplicatum sich fand. In einem Aquarium sollen die Mollusken immer ihre eigenen (d. h. die gleichgefärbten) Korallen aufgesucht haben, wurden aber rote Mollusken und gelbe Korallen zusammen- gesetzt, so nahmen erstere keine Notiz von den letzteren. Da nach dieser Därstellung vermutet werden könnte, jene Mollusken hätten auch in 18 m Tiefe die Korallen an ihrer Farbe erkannt, sei darauf hingewiesen, dass erstens in solchen Tiefen weder das Rot noch das Orange der Korallen wahrgenommen werden kann, und dass zweitens auch die bisher von mir untersuchten Mollusken sich so wie total Farbenblinde verhielten. Unter den Meerestieren zeigen bekanntlich die Actinien besonders lebhafte Färbungen, die zum Teil als Warnfarben gedeutet werden !);. 1) Für dir rote Farbe der Actinia equina wird auch angenommen, es dürfe sich „um eine Schutzeinrichtung gegen die Sonnen- und Wärmestrahlen handeln, die durch das rote Pigment inaktiviert werden“. Dies ist ein Irrtum; das gelblich- rote Pigment absorbiert von den sichtbaren Sonnenstrahlen die grünen und blauen; gerade die gelblich-roten und roten werden von diesem Pigment nicht aufgenommen, sondern zurückgeworfen; die Wärmestrahlen aber kommen. für Tiere, die auch nur wenige Meter unter der Oberfläche leben, nicht mehr in Betracht, da sie schon durch verhältnismässig dünne Wasserschichten so gut wie vollständig absorbiert werden. Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 419 zur Stütze dieser Annahme wird unter anderem eine Beobachtung von Garstrang angeführt, wonach Fische auffallend gefärbte Synaseidien meiden sollen; die gleiche Bedeutung hätten die leuchtenden Farben vieler Seeanemonen und Schwämme. Ohne Argaben über die Tiefe, in der die fraglichen Anemonen vorwiegend leben, sind Erörterungen über die physikalische Voraussetzung dieser Annahme nach dem oben Gesagten müssig. Für die Seenelken entnehme ich einer Darstellung von Hartlaub, dass ihre Ansied- lungsgründe in etwa 20 m Tiefe liegen. Chun berichtet von Tiefen- actinien, die durch ihre auffälligen hochroten Farbentöne fesselten ; Cerianthus, die in einer Tiefe von 5248 m gefangen waren, zeigten eine schön violette Färbung der Fangarme usw. Selbst- verständlich ist nach dem oben Dargelesten in jenen Tiefen von der Farbenpracht, die die Tiere an der Wasseroberfläche zeigen, nicht das geringste zu sehen; für sämtliche in mehr als 12—13 m Tiefe lebenden Actinien hätten also schon aus physikalischen Gründen rote oder gelbe „Warnfarben“ „keinen Sinn“; zudem haben alle bisher genügend untersuchten Fische sich als total farbenblind erwiesen, so dass also weder die physikalische noch auch die physio- loeische Voraussetzung für die fragliche Deutung der Actinien- färbungen erfüllt ist. Auch bei Krebsen begesnen wir häufig bunten, besonders gelben und roten Farben. Zoologen und Psychologen nehmen im Anschlusse an Darwin und Weismann an, es hätten sich hier durch Zuchtwahl Schmuckfarben zur Anlockung des anderen Ge- schlechtes entwickelt. Ich habe bisher eine ansehnliche Zahl ver- schiedener Krebsarten des Meeres wie des Süsswassers, darunter auch viele lebhaft gefärbte, untersucht; für alle liess sich nachweisen, dass auch hier ein wie immer gearteter Farbensinn aus- geschlossen ist; neuerdings gelang mir für mehrere Arten auch der objektive Nachweis ihrer totalen Farbenblindheit. Zudem finden sich leuchtend rote Farben reichlich auch bei Krebsen, die in grösseren Tiefen leben. Die Annahme von Schmuckfarben der Krebse kann also nicht länger verteidigt werden, da auch für sie weder die physikalische noch die phy- siologische Voraussetzung erfüllt ist. Die Angaben der Zoologen über Färbung und Perahasktion der Krebse beziehen sich nicht nur auf die am bzw. im Krebskörper selbst auftretenden Farben, sondern auch auf jene, die durch Über- 420 C. Hess: tragen von Gegenständen aus der Umgebung auf den Krebs zustande kommen. Es ist bekannt, dass manche Krabben (Maja u. a.) die Eigentümlichkeit zeigen, Pflanzenstücke, Papierschnitzel und ähnliches mittels ihrer Scheren auf kleinen Chitinhäkchen ihres Rückenpanzers zu befestigen und sich dadurch ihrer Umgebung ähnlich zu machen; es ist nun von psychologisch-zoologischer Seite (Minkiewiez) die Angabe gemacht worden, diese Tiere wählten unter verschiedenfarbigen, ihnen im Aquarium geboteren Schnitzeln nur solche, an welche sie durch längere Erfahrung als Umgebungsfarbe gewöhnt seien; in einem roten Bassin nur die roten Schnitzel usw. Da diese Angaben auch in neuere zusammenfassende Darstellungen maassgebender Zoologen übergegangen sind, habe ich an mehreren solcher Krabben die fraglichen Behauptungen systematisch durch- geprüft mit dem Ergebnisse, dass sie sämtlich unrichtig sind: niemals machen jene Krabben einen Unterschied zwischen den ver- schiedenen, ihnen gebotenen farbigen Schnitzeln, sondern befestigen wahllos alle noch so verschieden gefärbten nebeneinander auf ihrem Rücken. Damit fälltauch diese Stütze der üblichen Annahme eines Farbensinnes bei Krebsen. Weiter ist hier der von Laien und Zoologen oft vertretenen Angabe zu gedenken, manche Fische zeigten die Fähigkeit, sich in ihrer Farbe der Faıbe des Grundes anzupassen, auf dem sie sich jeweils befinden. Nachdem ich für die von mir untersuchten Fische in gleicher Weise wie für Bienen den Nachweis der totalen Farben- blindheit erbracht hatte, musste die sorgfältige Prüfung dieser mit Vorliebe als Stütze für die Annahme eines Farbensinnes bei Fischen vorgebrachten Behauptung biologisch von besonderem Interesse sein. Die immer wiederholte, aber auf ungenügende Versuche gestützte Angabe, jede Ellritze färbe sich auf gelbem Grunde gelb, auf grauem Grunde grau, lässt sich leicht als unrichtig erweisen; ich konnte zeigen, dass die Farbe des Grundes ohne jeden Einfluss auf die mannigfach wechselnde Färbung der Ellritze ist. Dass viele Fische auf hellem Grunde hell, auf dunklem dunkler werden, weiss man lange, dagegen ist das Vorkommen eines Farbwechsels bei Fischen, durch den die Tiere sich vermöge eines bei ihnen etwa vorhandenen Farbensinnes der Farbe ihrer Umgebung anpassten, in keinem Falle erwiesen. Erscheinungen wie die oben erwähnten, wo zwischen rotgelben Korallen rotgelbe Fische unter Bedingungen vorkommen, unter welchen schon aus physikalischen Gründen die Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 421 Wahrnehmung der Farbe ausgeschlossen ist, bieten, nachdem die bisher üblichen Erklärungsversuche sich als unzutreffend erwiesen haben, der Forschung neue interessante Aufgaben. Wir kommen zu der vielerörterten Frage nach dem „Hoch- zeitskleide“ der Fische. Es ist interessant zu sehen, wie weit sich die heutigen Zoologie von dem vorsichtigen und zurückhaltenden Standpunkte enfernt, den Darwin gegenüber dieser psychologischen Voraussetzung der Schmuckfarbenlehre eingenommen hat. Er schrieb: „Wenn wir an- nehmen (dürfen, dass die Weibchen die Fähigkeit haben, eine Wahl auszuüben und die schöner verzierten Männchen zu wählen .. .“ Heute aber wird bei Erörterung der „Hochzeitskleider“ der Fische diese Annahme ohne weiteres als zutreffend hingestellt, obschon trotz aller Bemühungen noch für keine Fischart nachgewiesen oder auch nur wahrscheinlich gemacht ist, dass die Weibchen ihre Männchen wählen und die schöner gefärbten bevorzugen. Von Polyacanthus ist sogar bekannt, dass das prachtvoil gefärbte Männchen in Aquarien die Weibchen aufsucht und ihm nicht genehme Weibchen jagt, beisst, selbst tötet. Sogar die „Kostspieligkeits“frage wird von zoologischer Seite ernsthaft in die Erörterung gezogen. Man fragt: „Wozu der Auf- wand vor einer farbenblinden Geliebten ?*, obschon man gleichzeitig erklärt, „dass ein einheitliches farbiges Kleid für die Natur nicht kostspieliger herzustellen ist als ein einheitliches schwarzes“. Man redet also von einem „Aufwand vor der Geliebten“, obschon man zugibt, dass des Liebhabers Hochzeitskleid „nicht kostspieliger“ ist als sein schlichtes Alltagskleid. Unter den Saiblingen wird beim Königseesaibling, der in 60 m Tiefe laieht, die schönste und eine viel lebhaftere Rotfärbung ge- funden als bei den nahe der Oberfläche laichenden Arten. Aber schon in einer Tiefe von 10—12 m ist, wie wir sahen, weder Rot noch Orange noch Gelb wahrzunehmen, also in 60 mı Tiefe selbst- verständlich von einem „auf das Auge berechneten“ gelbroten Hoch- zeitskleide nicht die Rede. Man wollte versuchen, dieser Tatsache durch den Hinweis darauf zu begegnen, dass oft genug „eine unter bestimmten Bedingungen erworbene Eigenschaft auch bei Übergang zu neuen Lebensbedingungen, wo sie ihre Bedeutung verliert, noch lange Zeit beibehalten wird“. Wir sollen also annehmen, dass der „Aufwand“ eines verhältnismässig schwach roten „Hochzeits“kleides 493 C. Hess: -beim nahe der Oberfläche laichenden Saiblingmännchen, wenn er überflüssig geworden ist, nicht etwa aufgegeben, sondern im Gegenteil durch den grösseren Aufwand eines viel lebhafteren, gesättigteren, aber dennoch in dem tiefen Wasser unsichtbaren, also ua über- flüssigen Rot ersetzt werde. Ich wies ferner darauf hin, dass bei dem Saibling die als „Hochzeitskleid“ bezeichnete rötliche Farbe vorwiegend am Bauche auftritt, wo die physikalischen Bedingungen für die Wahrnehmung des Rot im Wasser die allerungünstigsten sind, und dass nicht ein- zusehen ist, welche Umstände zur Entstehung einer so ausnehmend unzweckmässigen Bildung geführt haben sollten. Von zoologischer Seite glaubte man, hiergegen einwenden zu können, dass Schmuck- farben namentlich bei Tieren, welche eine Schutzfärbung besitzen, meist auf Stellen lokalisiert seien, „wo sie möglichst wenig schaden können“. Der Saibling hätte sich danach am Bauche rot gefärbt, weil das Rot hier am wenigsten gesehen werden kann; er hätte einen möglichst wenig sichtbaren, also auch möglichst wenig Nutzen bringenden „Aufwand“ getrieben, um sich für die „Geliebte“ zu schmücken. Die herrschende Lehre von den Hochzeitsfarben unserer Fische lässt sich wohl nicht schlagender widerlegen als durch den Hinweis auf die Notwendiekeit so unbegreiflicher und unbaltbarer Hilfs- hypothesen. Ich würde diese Dinge hier nicht erwähnen, wenn nicht einer so unwissenschaftlichen Richtung noch in jüngster Zeit die Anerkennung maassgebender Zoologen zuteil geworden wäre. Die physiologische Voraussetzung der Hypothese von den Hochzeitskleidern schreibt den Fischen ähnliche oder gleiche Seh- qualitäten zu, wie sie der Mensch besitzt; sie setzt sich damit in Widerspruch mit der Tatsache, dass alle bisher genügend unter- suchten Fischarten sich so wie total farbenblinde und durchaus anders als wie farbentüchtige Menschen verhalten. Die physikalische Voraussetzung nimmt an, dass die Färbung des Wassers ohne nennenswerten Einfluss auf die Fischfarbe in ver- schiedenen Tiefen sei; wir haben gesehen, wie weit man sich mit dieser Annahme von der Wirklichkeit entfernt. — Eine kurze Zusammenstellung von Mitteilungen über Farben- pracht bei Tieren, die in Tiefen von 400—5000 m unter der Meeres- oberfläche leben (nach Chun), ist hier nicht ohne Interesse. Bei Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 4923 der Bouvet-Insel wurden in Tiefen von 400—600 m Seeanemonen und Seefedern gefunden, über die Chun schreibt: „Wir waren er- staunt über die Pracht der teilweise blutrot gefärbten Seeanemonen (Actinien) und jener glanzvollen Vertreter von Seefedern“ (Umbellula). „Die beistehenden Abbildungen ... geben freilich keine Vorstellung von der wunderbaren Farbenpracht, welche diesen Bewohnern der antarktischen Tiefen eigen ist. Die Umbellula besitzt einen orange- gefärbten Stiel, von dem, zart violett sehattiert, die grossen Polypen sich abheben; die übrigen Arten weisen eine nicht minder schöne Farbenzusammenstellung in Rosa und Weiss auf“. Weiter ist von den Tiefseealeyonarien gesagt, dass sie alle durch ihre schöne Färbung fesseln, „die immer, soweit die Polypen in Betracht kommen, einen dunkelvioletten oder schokoladebraunen Ton aufweist“. Von Actinien, die aus mehr als 900 m Tiefe kamen, heisst es: „Die chokoladebraunen Falten der Magen, an denen dunkelrote Eimassen hängen, heben sich fein getönt von dem Violett der Gallerte ab“. Bei Tiefseekorallen ist die Rede von prächtigen orange, korallenrot und weisslich gefärbten Polypen, bei Chrysogorgia ist die Stamm- achse spiral gewunden und schillert ebenso wie die Seitenäste „in goldigem Metallelanz“. Von Tiefseemedusen werden blutrote, purpurne, violette und bräunliche Farben angegeben. Unter den Tiefsee- Eehinodermen werden unter anderem olivengrüne und schwefel- gelb gefärbte Arten geschildert, unter den Würmern orange oder rot gefärbte, ferner solche mit rosagefärbten Fussstummeln, unter den Mollusken ein schokoladebrauner und ein hellroter- Tintenfisch. Für die bis hierher besprochenen niederen Tiere wird von Darwin und seinen Nachfolgern angenommen, ihre Färbungen seien unabhängig von geschlechtlicher Zuchtwahl entstanden: eine solche komme zuerst bei den Krebsen in Betracht. Auch Weismann vertritt die Meinung, „brillante Färbungen“, die wir bei niederen Krebsen, zum Beispiel Daphniden, finden, könnten „kaum anders denn als Wirkungen geschlechtlicher Zuchtwahl gedeutet werden“. Dass auch den Daphniden keine farbigen Sehqualitäten zukommen, vielmehr jene des total farbenblinden Menschen, ist mit Methoden der wissenschaftlichen Farbenlehre unschwer darzutun. Aber auch die physikalische Voraussetzung für die Lehre von den Schmuckfarben ist für die Tiefseekrebse natürlich nicht erfüllt, und doch finden wir auch bei ihnen hervorragend schöne, insbesondere gelbrote und 4924 C. Hess: . rote Färbungen. Unter den Fischen der Tiefsee erwähne ich Bara- thronus bicolor, einen blinden Fisch, der aus 1289 m Tiefe gefischt war und eine „halb durchsichtige, zart rötlichgefärbte Haut zeigt, durch welche die Blutgefässe mit den feinen Verzweigungen durch- schimmern‘“. Wir begeenen also wundervollen Tierfärbungen in ansehnlicher Zahl selbst in jenen Tiefen von mehr als 1000 m, zu welchen nach übereinstimmenden Angaben aller Untersucher kein sichtbarer Licht- strahl dringt. Rot, Orange, Gelb, Olivengrün, Violett und Purpur treten unter Bedingungen auf, unter welchen kein Verteidiger der heute herrschenden Lehre annehmen wird, diese Farben könnten bei Krebsen und Fischen als Schmuck zur Anlockung des andern Ge- schlechtes, bei Actinien und Schwämmen als Warnfarben für Fische dienen. Begegnen wir aber so reichlich bunten Farben dort, wo ihre Wahrnehmung schon physikalisch ausgeschlossen ist, so ist es nicht mehr angängig, für Farben bei näher der Wasseroberfläche lebenden Tieren ohne weiteres anzunehmen, sie müssten sich ent- wickelt haben, um gesehen zu werden. Aus den hier mitgeteilten Befunden ergibt sich die interessante Tatsache, dass eine besonders grosse Farbenpracht im Tierreiche sich da entwickelt hat, wo ihre Wahrnehmung aus physikalischen und aus physiologischen Gründen ausgeschlossen ist: bei den Tieren des. Meeres. Diesem Farbenreichtum gegenüber treten die bunten Tier- farben da, wo sie allein wahrgenommen werden können, bei den luftlebenden Wirbeltieren, weit zurück: Ist es doch hier allein bei Tagvögeln zur Entwicklung lebhafter Farben in grösserem Umfange gekommen, von welchen aber wiederum ein ansehnlicher Teil von den Artgenossen wegen des vorgelagerten rotgelben Filters nicht wahrgenommen werden kann. Bei den übrigen Wirbeltieren, Am- phibien, Reptilien und Säugern treten lebhaftere Färbungen nur verhältnismässig spärlich auf. Bei gesprächsweiser Erörterung einschlägiger Fragen werde ich oft gefragt, wozu denn die Farbenpracht der Blumen, der Meeres- tiere usw. diene, wenn sie nicht gesehen werde: es sei doch nicht anzunehmen, dass so schöne Farben ohne jeden „Zweck“, gewisser- maassen „zufällig“, zur Entwicklung gekommen seien. Aus dem Um- stande, dass allen diesen Farben nicht die Aufgabe zukommt, die: Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. 425 man ihnen heute zuschreibt, geht noch nicht hervor, dass sie über- haupt ohne „Zweck“ sind. Nur dass sie sich nicht entwickelt haben können, „um gesehen zu werden“, wissen wir mit Bestimmtheit aus unseren Untersuchungen. Auch das leuchtende Gelb des Eidotters, das Rot des Blutes, das Grün der Blätter muss nicht „zufällig“, sondern mag der Ausdruck bestimmter Stoffwechselvoreänge sein, an die aus irgendwelchen, uns noch nicht erkennbaren Gründen die Farbe geknüpft ist, wie zum Beispiel auch an bestimmte anorganische Verbindungen. Eine 20 m unter dem Meeresspiegel befindliche, in Luft schön gelbe oder gelbroie Actinie wird einem dort unten be- findlichen farbentüchtigen Auge grau oder graublau bzw. graugrün erscheinen ; aber infolge ihrer Färbung kann sie die noch reichlich zu ihr gelangenden blauen und grünen Strahlen in wesentlich srösserem Umfange absorbieren als zum Beispiel eine in Luft weisse oder grüne Actinie, und infolge dieser verschiedenen Absorption wird das chemische Geschehen in solchen verschieden gefärbten Actinien merklich verschieden sein können. Auch in einer blauen Blüte, die vorwiegend gelbe Strahlen absorbiert, wird der Stoffwechsel ein merklich anderer sein können als in einer roten, vorwiegend grüne Strahlen absorbierenden; es scheint nicht aussichtslos, diese ernährungs- physiologisch wichtigen Fragen experimentell in Angriff zu nehmen. V. Schluss. Wir haben gesehen, wie weit sich die Forscher von der Wirklich- keit entfernen, die die Fragen nach der Bedeutung der Tier- und Pflanzenfärbungen ohne Kenntnis der erforderlichen physikalischen und physiologischen Grundlagen in Angriff nehmen. Die neuen Tat- sachen, die wir über die Sehqualitäten der Vögel, Fische und Wirbel- losen sowie über den Einfluss der Farbe des Wassers auf die Wahr- nehmung von Farben in verschiedenen Tiefen kennen lernten, führen ‚ zu einer wesentlichen Umgestaltung unserer Vorstellungen von der biologischen Bedeutung der bunten Farben bei Tieren und Pflanzen. Was bei luftlebenden Wirbeltieren möglicherweise Schmuckfarbe sein könnte, beschränkt sich fast ganz auf das Rot und Blau beim Pavian, das Rot, Gelb und einen Teil des Grün bei Tagvögeln und Reptilien, sowie die verhältnismässig spärlichen bunten Farben bei Amphibien. Wir wissen jetzt, dass die Blüten nicht um der Insekten willen bunt geworden sein können, dass das Blau, Grünblau und Violett im Ge- fieder vieler Tagvögel nicht als Schmuckfarbe zur Anlockung des 496 C. Hess: Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. _ anderen Geschlechtes sich entwickelt haben kann, dass die oben be- sprochenen, bei Wassertieren so vielfältig auftretenden lebhaften Färbungen keine Schmuckfarben, Hochzeitskleider oder Warnfarben, und dass auch die bunten Farben der Schmetterlinge nicht, um von den Artgenossen gesehen zu werden, entstanden sein können. Mit der Erkenntnis von der Unhaltbarkeit der bisherigen Er- klärungsversuche eröffnet sich der Biologie die wichtige und inter- essante Aufgabe, die wahre Bedeutung der Farben bei Pflanzen und Tieren zu ergründen. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen.) Über 427 die reversible und irreversikle Aufhebung der Erregbarkeit des Froschmuskels durch Wasserentziehung. Von H. ©. Wiemeyer aus Aerdenhout-Haarlem (Holland). (Mit 3 Textfiguren.) Be. Inhaltsübersicht. 2. Krarsstelling rn nase TE BEE EN Bseronferkumgen zur literatur... ze. u. C. Die Art der Koexistenz von Wasser, Kolloiden und Kristalloiden im Nunslkel 2 2°. Dr RE NE RE 9e: D. Gedankengang für die folgenden Untersuchungen...» 2. .... Beesperimenteller Neil. : 4... u le Nlocmemnes Methodik: . ....1.02 2.1 20 le ee II. Erste Versuchsreihe: Austrocknung an freier Luft bei Tempera- bngenwzwischeng% und I1UC. 0. ee nee a II. Zweite Versuchsreihe: Wasserentziehung in einem abgeschlossenen Luftraum bei verschiedenen konstanten Dampfdrucken und bei emperaturen zwischen 150% und 222.0. „Inn... 02 00a DeZur@Methodiker ur ce, ee er Bieversueherund Ergebnisse... . 2. Eu. .2... 00 20% IV. Dritte Versuchsreihe: Wasserentziehung des gefrorenen Muskels in einem abgeschlossenen trocknen Luftraum teils mit, teils ohne hygroskopische Substanz bei konstanten Temperaturen zwischen Net ae a) Zur allgemeinen Methodik dieser Versuchsreihe . .. .... b) Zur Beantwortung ee VOaen Soon 1. Einfluss länger dauernden Gefrorenseins . . ».. 2... 2. Folgen länger dauernder Einwirkung kalter Ringerlösung EmalersuchenmideBrsebuisse . . . er see e.cn 1. Vorversuche zur vorläufigen Orientierung. ... 2... aa) Austrocknung des gefrorenen Muskels in lufthaltigen trocknen Gefässen, die in ein Kältebad von konstanter Temperatur versenkt waren. . .. 2 22220200 bb) Dasselbe in Gefässen mit Ps0, . 2» 2». 2:2... 0% Seite 428 428 H. C. Wiemeyer: 2. Austrocknung von gefrorenen Muskeln, die ohne Wasser- abgabe zum Gefrieren gebracht waren . ......... 462 aa) Austrocknung in trockner Röhre . ......... 469 bb) Austrocknungzuben B,O- an er 465 «) Der ausgetrocknete Muskel wird nach dem Auftauen zur Erholung in Ringer-Lösung gebracht . . . . 465 $) Dem ausgetrockneten Muskel wird im gefrorenen Zustande durch unterkühlte Ringer-Lösung das | ‚Wasser. sersetztus ve En 0 03 ne 466 FE, Zusammenfassung... 4. west 2 Dr RE RR Lo 468 A. Fragestellung. Das Wasser ist für den Muskel, der etwa 80°/o von solchem enthält, von der grössten Bedeutung. Wir brauchen nur daran zu denken, dass die Lösung und Dissoziation seiner Kristalloide vom Wasser abhängt, ferner die Zuwanderung von Betriebsmaterial und die Abwanderung von Abfallstoffen, desgleichen die Zustands- änderungen seiner Kolloide und damit auch die Verbindungsmög- lichkeiten von Kristalloiden und Kolloiden, sodann die osmotischen Druckdifferenzen als Grundlage elektrischer Potentialdifferenzen und wahrscheinlich auch der Erregunssleitung usw. Wir wissen, dass sich bei mässiger Verringerung des Wassergehaltes die Lebensprozesse des Muskels ändern. Hierüber verdanken wir Durig!) besonders eingehende Untersuchungen, die sich auf die Abhängigkeit der Erreg- barkeit, des mechanischen Latenzstadiums der Muskelzuckung, des Kontraktionsverlaufes usw. von dem Wassergehalt der Muskeln be- ziehen, und ganz allgemein ist bekannt, dass bei grösseren Wasser- verlusten die lebendigen Leistungen mehr und mehr abnehmen, bis endlich der Austrocknungstod erfolst. Wieviel Wasser aber ein Muskel ohne erbebliche Schädigung entbehren kann, und bei welchem Grade des Wasserverlustes er dem Tode verfällt, auf diese Fragen fehlt bisher eine eindeutige Antwort. Sie bilden daher den Inhalt der folgenden Untersuchungen, und zwar wurde untersucht, in welchem Maasse einerseits die Lebenstätigkeit, andererseits die Lebens- fähigkeit ‘des Froschmuskels durch seinen Wassergehalt bedingt sei. Die Untersuchung der Abhängigkeit der Lebenstätigkeit vom Wassergehalt bestand darin, dass geprüft wurde, in welcher Weise 1) A. Durig, Wassergehalt und Organfunktion. Pflüger’s Arch. Bd. 35 8.401. 1901; Bd. 87 S.42. 1901; Bd. 92 S. 222. 1902. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 499 die Erregbarkeit und Verkürzungsfähigkeit bei Entziehung grösserer Wassermengen abnimmt, bis sie schliesslich ganz erlischt. Hierbei wurde von den schwankenden Erregbarkeitsänderungen bei relativ geringer Wasserentziehung ganz abgesehen. Da nun aber durch Wasserentziehung unerreebar gewordene Muskeln durch Wasserzufuhr unter Umständen ihre Erregbarkeit wiedergewinnen, also lebensfähig bleiben, so wurde ferner untersucht, bei welchem Wasserverlust der Muskel seine Erregbarkeit nur reversibel und bei welchem er sie auch irreversibel inbüsst. Ausgeführt wurden die Untersuchungen auf Anregung von Herrn Prof. Dr. Paul Jensen, dem ich für seine auseiebige 'Unterstützung bei dieser Arbeit zu allergrösstem Dank verpflichtet bin. Auch möchte ich Herrn Geh. Rat Tammann für einige freundliche Ratschläge bestens danken. B. Bemerkungen zur Literatur. Verminderungen des Wassergehaltes von Muskeln sind in sehr verschiedener Weise zu verschiedenen Zwecken bewirkt worden. Die einfachste Methode dürfte die Austrocknung des isolierten Muskels an freier Luft sein. Sodann kommt das Durstenlassen des sanzen Tieres in Betracht; auf diese Weise kann man zum Beispiel bei Fröschen durch mehrtägigen Aufenthalt in einem trocknen Raum sehr erhebliche Wasserverluste erzielen, ein Verfahren, das Durig!) besonders angewandt hat. Ferner lässt sich der isolierte Muskel oder das ganze Tier durch Einwirkung hypertonischer Lösungen oder sonstiger wasserentziehender Mittel austrocknen; solche Mittel kann man auch durch Injektion in den Körper des Versuchs- tieres, zum Beispiel durch Einbringen in die Lymphsäcke des Frosches, zur Wirkung kommen lassen. Endlich findet auch beim Gefrieren eines Gewebes eine. besondere Art der Wasserentziehung statt ?). Die Erfahrungen über die Abhängigkeit der Lebensprozesse vom Wassergehalt, die auf diesen verschiedenen Wegen gesammelt wurden, betrefien vorwiegend nur geringere Grade der Aus- troeknung Da wir uns mit diesen hier nicht weiter befassen werden, begnügen wir uns mit einem Hinweis auf die Untersuchungen von 1) 1. c. 8.405 fl. 2) Siehe hierüber unten S. 446. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 29 430 H. C. Wiemeyer: J. Ranke?!), H. Buchner’), Hermann?), Kühne‘), Bieder- mann), A. Durig‘) und F. Urano’). Letzterer prüfte das Verhalten von Muskeln und Nerven, die 1—2 Stunden in hypo- bzw. hypertonischer Ringer-Lösung versenkt waren. Schon aus den Versuchen Overton’s°) ging hervor, dass die Wasser- bewegung zwischen Sartorius und Salzlösungen in 1/„—1!/a Stunden fast vollkommen abgelaufen ist. Mitteilungen über die Folgen höherer Grade der Austrocknung finden wir beiläufig bei Durig: Danach kann ein Frosch, ohne zugrunde zu gehen, 39 %/o seines Wassers abgeben ?); hieraus ist jedoch nicht zu ersehen, in welchem Maasse sich an diesem Wasserverlust die Muskeln des Tieres beteiligen. So hohe Grade der Austrocknung sind bei den anderen hierher ge- hörigen Versuchen wohl kaum wieder erreicht worden; durch hyper- tonische Lösungen lässt sich dem isolierten Muskel überhaupt nur verhältnismässig wenig Wasser entziehen !°), und bei den Versuchen, wo er durch Verdunsten an der Luft ausgetrocknet wurde, waren grössere quantitativ zu bestimmende Wasserentziehungen bisher nicht beabsichtigt. C. Die Art der Koexistenz von Wasser, Kolloiden und Kristalloiden im Muskel. Um uns von der Wasserbewegung und ihren Begleiterscheinungen bei den verschiedenen Arten der Austrocknung ein Bild machen zu können, müssen wir zunächst einen Blick auf die Art und Weise werfen, wie Wasser, Kolloide und Kristalloide im Muskel miteinander kombiniert sind. 1) J. Ranke, Die Lebensbedingungen der Nerven S. 53—54. Leipzig 1868. 2) H. Buchner, Zeitschr. f. Biol. Bd. 12 S. 135. 1874. 3) Hermann, Handb. d. Physiol. Bd. 2 (1) S. 98. Leipzig 1879. 4) Kühne, Zeitschr. f. Biol. Bd. 22 S. 305. 1886; Bd. 24 S. 383. 1888; Bd. 26 S. 203. 1890. : 5) Biedermann, Elektrophysiologie S. 365, 422. Jena 189. 6) A. Durig, Wassergehalt und Organfunktion. Pflüger’s Arch. Bd. 85 S. 401. 1901; Bd. 87 S. 42. 1901; Bd. 92 S. 222. 1902. 7) F. Urano, Die Erregbarkeit von Muskeln und Nerven unter dem Einfluss verschiedenen Wassergehalts. Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 S. 459. 1908. 8) Overton, Beiträge zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysiologie. Pflüger’s Arch. Bd. 92 S. 143. 1902. IAFDUmI 1.6. 8243. 10) Overton, ]l. c. S. 150 ff. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 431 Der Froschmuskel enthält nach übereinstimmenden Analysen von Ranke, Katz und Overton rund 80°o Wasser. Overton!) R. du Bois-Reymond’) und in neuester Zeit P. Jensen und .H. W. Fischer) haben sich eingehend mit der Frage beschäftigt, in welchem Zustand das Wasser im Muskel enthalten ist. An die betreffenden Versuche und Anschauungen, die Jensen und Fischer einer eingehenderen Besprechung unterzogen haben, knüpfe ich hier kurz an. Das gesamte Wasser des Muskels zerfällt in zwei physiologisch streng zu scheidende Teile: der eine Teil befindet sich in den Muskelfasern („Faserwasser“), der andere Teil im Bindegewebe („Zwischenflüssigkeit“, das heisst Lymphe). Man kann sich nun denken, dass das Wasser in der lebendigen Substanz der Muskelfasern („Faserwasser“) einesteils als „freies“ oder als „wässerige“ Phase, andernteils als an die Kolloide „gebundenes“ vorkommt. Dieser von Overton®) und du Bois-Reymond vertretenen Anschauung schliesst sich auch Jensen’) an: Hiernach ist ein Teil des Wassers des Muskels als „einfache wässerige Lösung“ vorhanden und das übrige in einer anderen Phase (Kolloidphase) selöst, die Overton als „amorph-fest“ bezeichnet. Letzterer spricht demnach von einer „festen Lösung“ des Wassers in der letzteren Phase oder kurz von „Quellungswasser“. Und dieses Quellungs- wasser sei so fest gebunden, dass einem Muskel beispielsweise die Hälfte dieses Wassers nur entzogen werden könnte durch die Ein- wirkung einer Salzlösung von einem osmotischen Druck im Betrage von mehreren hundert Atmosphären. Nach Overton ist das Faserwasser von einer semipermeablen Membran umschlossen, nämlich der äusseren unmittelbar unter dem Sarkolemm liegenden Grenzschicht des Protoplasmas, und ist des- 1) Overton, Beiträge zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysiologie. Pflüger’s Arch. Bd. 92 S. 137. 1902. 2) R. du Bois-Reymond, Quellungsvorgang und Gewebsflüssigkeiten. Sitzungsber. d. Gesellsch. Naturf.-Freunde 1903 S. 361. 8) P. Jensen und H. W. Fischer, Der Zustand des Wassers in der überlebenden und abgetöteten Muskelsubstanz. Verworn’s Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 11 S. 23. 1910. 4) 1. c. 8.115. O)nl.rer 8426: 29T 432 H. C. Wiemeyer: halb in seiner Menge vom osmotischen Druck der Umgebung ab- häneie. Anders verhält sich die Zwischenflüssiekeit. „In die letztere und aus ihr können im allgemeinen Salze und Wasser beliebig hinein- bzw. hinausdiffundieren, so dass sie in einiger Zeit stets die Zusammensetzung des Mediums annimmt, in welches der Muskel versenkt ist.“ Über die Mengenverhältnisse zwischen dem „Faserwasser“ und der „Zwischenflüssigkeit“ geben uns die Versuche Overton’s und Urano’s!) Aufklärung. Hiernach „macht die Zwischenflüssig- keit etwa ein Fünftel des gesamten Muskelvolums aus. Und da wir annehmen dürfen, dass Wasser und Fixa der Muskelfasern und der Zwischensubstanz (Perimysium, Sarkolemm, Blutgefässe, Nerven) ungefähr im gleiehen gewichtsprozentischen Verhältnis zueinander stehen, so ist zu folgern, dass man von den 80°/o Gesamtwasser des Muskels ein Fünftel abziehen muss, um die Menge des Faser- wassers zu erhalten.“ Das Mengenverhältnis zwischen freiem und gebundenem Faserwasser haben Jensen und Fischer zu ermitteln versucht. Sie berechnen, dass nach den Versuchen Overton’s 68°/o des Faserwassers „frei“ und 32° „gebunden“ sein müssten ?). Dem- gegenüber kommen sie auf Grund ganz andersartiger eigener Ver- suche zu dem Ergebnis, dass der frische überlebende Muskel nur ca. 5°/o gebundenes Faserwasser enthält; doch steige dieses gebundene Wasser bei einem auf 100° C. erhitzten Muskel auf etwa 28% und nehme bei Muskeln, die auf 115° C. gebracht wurden, noch erheblich zu. Danach denken Jensen und Fischer an die Mög- lichkeit, dass die verschiedenen Ergebnisse hinsichtlich der Menge des gebundenen Wassers durch verschiedene Zustände der Muskel- kolloide in ihren und Overton’s Versuchen bedingt seien; in den Versuchen Overton’s, bei denen es sich um Wirkungen hyper- tonischer NaCl-Lösungen handelt, könnte nämlich durch diese letzteren eine Änderung der Kolloide des Muskels bewirkt werden, die zu einer abnormen Erhöhung ihrer Quellungsfähigkeit führt. 1) F. Urano, Nachtrag zu „Neue Versuche über die Salze des Muskels“. Zeitschr. f. Biol. Bd. 51 S. 490. 1908. 2) 1. c. S. 29. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 438 D. Gedankengang für die folgenden Untersuchungen. ‘Für unseren Zweck kam es darauf an, eine Methode der Wasser- entziehung zu wählen, die mit möglichst wenig schädigenden Neben- wirkungen verbunden war: In dieser Hinsicht zeigen die verschiedenen oben genannten Austrocknungsverfahren erhebliche Unterschiede. Wir wollen daraufhin nur die Wasserabgabe des isolierten Muskels an der Luft, die: des ganzen Frosches an der Luft und die des isolierten Muskels in hypertonischen Lösungen betrachten. Am meisten schädigende Nebenwirkungen setzt unfraglich die letztgenannte Methode, wie zunächst an dem Beispiel einer hyper- tonischen NaCl-Lösung dargelest sei. In diesem Falle werden Wasser und alle exosmierbaren Salze ausser Kochsalz den Muskel verlassen und das letzte in ihn eintreten bis zum osmotischen Gleich- gewicht. Dieser Vorgang ist aber dadurch kompliziert, dass normaler- weise nur die Zwischenflüssigkeit (Lymphe) an dem Ausgleich der osmotischen Partialdruckdifferenzen der gelösten Stoffe unbehindert teilnimmt, während der Muskelfaserinhalt durch seine semipermeahle Plasmahaut in dieser Hinsicht beschränkt ist !); dass diese Beschrän- kung aber bei der Schädigung des Protoplasmas durch die Wasser- entziehung zunehmend vermindert wird, wodurch nun mit dem Austreten der Salze neue Schädigungen gesetzt werden. Diese Schä- digungen haben dann im allgemeinen eine Erhöhung der Quellbarkeit der Muskelkolloide zur Folge, die ausserdem auch durch die Ab- nahme der Kristalloide beeinflusst werden dürfte?). Wir sehen also, dass die Wasserentziehung durch eine hypertonische Lösung mit mannigfachen Nebenwirkungen verbunden ist. Nicht weniger kompliziert ist die Wasserentziehung durch hyper- tonische Lösungen von Salzgemischen nach Art der Ringer- schen, Göthlin’schen usw. Flüssigkeiten. Hier findet zunächst mit dem Wasseraustritt aus dem Muskel ein Eindringen von Salzen in die Zwischenflüssigkeit und dann, nach Beginn der Schädigung des Protoplasmas durch den Wasserverlust, eine Endosmose von Salzen auch in das letztere statt, mit den erwähnten Wirkungen auf die Quellbarkeit seiner Kolloide. 1) Siehe hierüber R. Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., 8.388. Leipzig und Berlin 1914. 2) Uber einige weitere Komplikationen, siehe Höber, 1. c. S. 80 u. 332. 434 H. C. Wiemeyer: Vielleicht am schonendsten ist die Austrocknung des Muskels durch Austrocknen des ganzen Frosches an freier Luft. Hierbei findet nämlich neben der Wasserabgabe auch eine vermehrte Aus- scheidung von löslichen Stoffen durch Niere, Darm usw. statt, wo- durch die Zunahme der molekularen Konzentration des Muskelwassers, die infolge des Wasserverlustes zu erwarten wäre, gehemmt werden dürfte. In welchem Maasse dies geschieht, ist freilich unbestimmt, auch muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Muskel mit schädigenden Stoffwechselprodukten anderer Organe angereichert wird. Endlich wird der Wasserentziehung des Muskels auf diesem Wege durch den Austrocknungstod des Zentralnervensystems wohl ein vorzeitiges Ziel gesetzt. Was endlich die Austrocknung des isolierten Muskels an der Luft betrifft, so wird diese vermutlich zu einer Zunahme der mole- kularen Konzentration des Muskelwassers führen. Ob der letzteren vielleicht durch eine vermehrte Bindung der Salze durch die Kolloide entgegengewirkt wird, wissen wir nicht. Von dieser letzteren Art der Wasserentziehung haben wir hier Gebrauch gemacht und ihre Verwendbarkeit nach verschiedenen Rich- tungen hin untersucht. Hierbei lag die Hauptschwierigkeit darin, dass der Muskel nicht zugleich schnell und doch gleichmässig durch seine ganze Masse hindurch ausgetrocknet werden kann. Letzteres ist eben deshalb nötige, weil sonst die Austrocknung und die Schädigung der äusseren und inneren Teile des Muskels erheblich verschieden sein konnten, ohne dass sich die zusammen- gehörigen Änderungen dieser beiden Anteile der Muskelmasse quanti- tativ bestimmen liessen. Die genügend schnelle Austrocknung ande- rerseits ist deshalb erforderlich, weil sonst die „Zeitschädigung“ des Muskels zu gross wird. Da nun die Geschwindigkeit der Weasser- abeabe des Muskels einerseits von dem Dampfdruck des um- gebenden Luftraumes, andererseits von der Temperatur abhängt, - so kam es darauf an, geeienete Kombinationen dieser beider Be- dingungen zu wählen. Damit ergaben sich im wesentlichen drei verschiedene Versuchsreihen: \ 1. wurde der Muskel, hauptsächlich zur allgemeinen Orientierung, an freier Luft bei verhältnismässig niedrigen Temperaturen, nämlich zwischen 3° und 11° C., ausgetrocknet; 2. wurde die Wasserentziehung in einem abgeschlossenen Luft- raum vorgenommen, bei verschiedenen konstanten Dampf- \ Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 435 drucken und bei Temperaturen zwischen 15° und 22° C. Die Dampfdrucke wurden so gewählt, dass sie zwischen dem des destillierten Wassers und dem einer 30 °/oigen NaCl- Lösung lagen; 3. fand die Wasserentziehung des vorher gefrorenen Muskels in einem abgeschlossnen trockenen Luftraum statt, teils mit, teils ohne hygroskopische Substanz, bei konstanten Temperaturen von — 0,8° bis — 12° C. E. Experimenteller Teil. I. Allgemeine Methodik. Zu allen Versuchen, die in verschiedenen Jahreszeiten ausgeführt wurden, diente der M. sartorius von R. arvalis oder R. fusca. Die Frösche, die seit Monaten in einem Keller von sehr konstanter Jahrestemperatur aufbewahrt wurden, zeigten durchschnittlich dieselbe Temperatur. Es wurden stets beide Sartorien aus dem getöteten Tier vorsichtig herauspräpariert und an der distalen Sehne eine dünne Seidenschlinge befestigt, an welcher der Muskel aufgehängt werden konnte. Die proximale Sehne wurde immer dicht am Knochen durch- trennt und wurde, wenn der Muskel zur Aufzeichnung seiner Ver- kürzungsgrösse mit einem Schreibhebel verbunden werden sollte, von einer besonders konstruierten Klemme gefasst. Diese hatte ein ähn- liches Aussehen wie die kleinen physiologischen Arterienklemmen mit dem Unterschiede, dass der Schnabel so breit gehalten war, dass mit ihm die ganze Breite der Muskelsehne gefasst werden konnte. Dadurch blieben die Muskelfasern parallel in ihrer Lage, was auch einer gleichmässigen Austrocknung dienlich war. Zu Beginn jedes Versuches wurde zunächst das Gewicht des Muskels, seine Reizschwelle und auch seine Hubhöhe!) bei maximaler Reizung bestimmt. Es sei besonders betont, dass erst gewogen und dann gereizt wurde. Der hierbei stattfindende Wasserverlust konnte als minimaler Teil des Gesamtgewichts vernachlässigt werden, wie mehrere nach der Reizung ausgeführte Wägungen zeigten. Die Gewichtsbestimmung geschah schnell mittels einer kurzarmigen chemischen Wage, wo der 1) Unter „Hubhöhe“ verstehen wir hier und im folgenden die Zuckungs- höhe des Muskels bei sechsfacher Hebelvergrösserung. 436 H. C. Wiemeyer: Muskel an einem oberhalb der Schale befindlichen Häkchen auf- gehängt wurde. Gereizt wurde mit einzelnen Induktionsschlägen, und zwar immer direkt; hierbei wurden entweder die aus zwei Platin- drähten bestehenden Elektroden dem mit dem: Schreibhebel ver- ‘bundenen Muskel az der Innenseite angelegt, oder es wurde oben um die Klemme und unten um den Muskel je ein sehr dünner Kupferdraht geschlungen, der mit der sekundären Spirale eines du Bois-Reymond’schen Schlitteninduktoriums verbunden war. Es sei daran erinnert, dass es für die Bestimmung der Reiz- schwelle durchaus nicht gleichgültig ist, an welchen Stellen die Elektroden angelegt werden; wie Hofmann und Blaas!) nach- gewiesen haben, findet die Nervenausbreitung in den unteren zwei Dritteln des Froschsartorius statt, während das obere Drittel voll- kommen frei von Nervenfasern ist. Dementsprechend zeigten sich auch die Mukeln im Nervenbereich und besonders an der Nerveneintritts- stelle am erregbarsıen. Je mehr man die Elektroden von dieser letzteren nach oben hin entfernt, desto geringer wird die Erregbarkeit. Deshalb fand in allen Versuchen, wo mittels der Platinelektroden gereizt wurde, die Anlegung derselben immer an der Nervenein- trittsstelle statt. Hierbei liess sich feststellen, dass der wasserarme Muskel seine maximale Erregbarkeit genau an derselben Stelle be- sitzt wie der frische Muskel. Da, wo die Hubhöhe des Muskels bei maximaler Zuckung ermittelt wurde, geschah dies durch Aufzeichnung auf stillstehender Trommel, bei sechsfacher Hebelvergrösserung und einer Belastung von 4,7 g an der Achse. II. Erste Versuchsreihe: Austrocknung an freier Luft bei Temperaturen zwischen 3° und 11° C. In dieser Versuchsreihe wurde der Muskel so lange an der freien Luft aufgehängt, bis er seine Erreebarkeit verloren hatte, und dann der Wasserverlust durch Wägen bestimmt. Die Versuche wurden sämtlich im Winter ausgeführt in einem Raume, dessen Temperatur zwischen 3° und 11°C. lag. Nachdem der frisch präparierte Muskel ge- wogen, seine Reizschwelle und in einzelnen Fällen seine Hubhöhe fest- gestellt waren, blieb er aufgehängt und mit dem Schreibhebel verbunden, 1) F. B. Hofmann und E. Blaas, Untersuchungen über die mechanische Reizbarkeit der quergestreiften Skelettmuskeln. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 125 S. 157. 1908. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 437 bis er unerregbar geworden war. Die Reizung geschah in den meisten Fällen mittels der Platinelektroden, die in Intervallen von 2—15 Minuten dem Muskel, soweit nichts anderes bemerkt, immer genau an derselben Stelle angelegt wurden. Ermöglicht wurde dies durch die Befestigung der Elektroden an einem gelenkigen Arm eines Statifs, der eine Hin- und Herbewesung der Elektroden in derselben horizontalen Ebene gestattete. Es seien zur Probe einige Versuche mit ihren wesentlichen Einzelheiten mitgeteilt: Versuch 1!). 3. Dezember 1915. Zimmertemperatur 9° C. R. fusca, getötet 10h 35’. Gewicht des Sartorius 0,0882 g. 11h 00’ 110 Gewicht des Muskels um 115 10’ = 0,0774 g. Gewichtsverlust ca. 11/0, entsprechend einem Wasserverlust®) von 15,3 %o. Der Muskel verlor demnach in 16 Minuten bei einem Wasser- verlust von nur ca. 15°/o seine Erregbarkeit. Zeit Reizschwelle 2) Zeit Reizschwelle 10h 50' 170 | 11757027 95 AL 130 ala a 80 10h 55’ 120 11h 06’ keine Zuckung Versuch 2. 3. Dezember 1915. Der andere Sartorius desselben Frosches wurde 11h 25’ präparier. Das Gewicht betrug wie beim ersten Sartorius 0,0882 g. Zeit Reizschwelle Zeit Reizschwelle ale 307, 195 12h 40’ 108 na 145 a 105 11h 40’ 145 a la 95 11h 49' :137 1h 20’ 85 E55 134 10 Sn)“ 80 12h 08’ 189 h732)! 60 12h 30’ 110 | 1h 33’ keine Zuckung Gewicht 1h 35’ — 0,0506 g; Gewichtsverlust 42,6 0/o —= Wasser- verlust von 53,3 %o. Im Vergleich mit dem vorigen Versuch ist auffallend, dass dies- mal der Muskel ca. 53°/o seines Wassers abgeben konnte, ehe er völlig unerregbar wurde. 1) Hier und im folgenden sind von den sämtlichen ausgeführten Versuchen nur einzelne ausgewählt und fortlaufend numeriert. 2) Die Reizschwelle ist stets für Öffnungsinduktionsströme in Millimeter Rollenabstand der sekundären Spirale angegeben. 3) Bei der Berechnung des prozentischen Wasserverlustes wurde der nor- male Wassergehalt immer zu 80°/o des Muskelgewichts angenommen (s. oben S. 431). 438 EL (© Wiemeyer: Versuch 3. R. arvalis. Getötet 11h 05. Temperatur 9° C. | Länge des Sartorius 2,3 cm. 11h 15’ — 0,063 8. 6. Dezember 1915. Hubhöhe 2,7 cm. Gewicht um Zeit Reizschwelle Zeit Reizschwelle 11h 20’ 195 LE 120 zz” 125 125 10’ 90 11357 125 19.2352 60 ua 45 120 Bei einem Rollenabstand von 60 mm um 12h 35’ noch kaum merkbare Zuckungen. Gewicht 0,053 g. Gewichtsverlust 16 %o. Versuch 4. 7. Dezember 1915. Temperatur 11° C. Frosch seit 24 Stunden in geheiztem Zimmer. Gewicht des M. sartorius 0,0529 g. Zeit Reizschwelle | Zeit Reizschwelle m lt 185 11h 26’ 50 11h 23’ 95 | 11h 28’ keine Zuckungen Gewicht 11h 30’ — 0,0486 g. Gewichtsverlust ca. 8 %/o — 10,2 %/o Wasserverlust. Versuch 5. 13. Dezember 1915. Temperatur 8° C. R. fusea. Getötet 11h 16’. Gewicht des Sartorius um 11h 25’ — 0,0646 8. Zeit Reizschwelle Zeit Reizschwelle 1 0" 195 12h 06' 35 11h°397 120 12h 09' keine Zuckungen. m 4" 100 Jetzt Elektroden ae 99 am Nerveneintritt 117557 85 | 12h 39’ keine Zuckungen 12h 02' 65 mehr Gewicht 0,0452 g. Gewichtsverlust 31,4 %o. Versuch 6. 8. März 1916. Temperatur 3° C. R. arvalis. Gewicht des M. sartorius 115 20’ — 0,08 g. Reizschwelle 150. 15 05’ keine Zuckungen mehr. Gewicht 0,0638 g. verlust 20,2 P/o. Versuch 7. sartorius 0,0594 g@. Gewichts- 17. Dezember 1915. R. fusca. Gewicht des M. Zeit Reizschwelle Zeit Reizschwelle 11% 44’ 225 12h 09' 90 Elektroden Mitte Muskel 12h 12' 90—70 11b 51’ IE oh]! 70 In 95 Elektroden oben 1157. 85 19167907 70. 20“ 70 Ian al 95 125 06’ 90 Elektroden am Nerven- Elektroden am Nerven- eintritt eintritt 12h 24’ keine Zuckungen Gewicht 0,0442 g. Gewichtsverlust 25,6 %/o Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 439 Die mitgeteilten und andere ähnliche Versuche zeigen, dass 1. der Sartorius bei sehr verschiedenem durchschnittlichem !) Wasserverlust seine Erregbarkeit einbüsst; der geringste beobachtete Wert findet sich schon bei etwa 10°/o (Versuch 4), der höchste bei etwa 53% des gesamten Wassers. Auf die Frage, worauf diese Unterschiede beruhen, wurde nicht weiter eingegangen. Als auffallend sei hervorgehoben, dass die beiden Sartorien des- selben Tieres, die nacheinander mit einem Zeitintervall von nur 40 Minuten zum Versuch genommen wurden, bei ziemlich gleicher anfänglicher Erregbarkeit hinsichtlich ihres zur Unerregbarkeit füh- renden Wasserverlustes um das mehr als 3,5fache differierten. 2. Über den zeitlichen Verlauf der Austrocknung lässt sich aus unseren Versuchen nichts Näheres entnehmen, da die Grösse des Muskels und die Temperatur in den einzelnen Versuchen verschieden waren; immerhin sei daran erinnert, dass in Versuch 4 etwa 10°/o Wasser in 12 Minuten abgegeben wurden, ferner in Versuch 3 ca. 20° in 75 Minuten und in Versuch 2 etwa 50°/o in 120 Minuten. 3. waren die Ergebnisse, wie nicht anders zu erwarten war, insofern unbestimmt, als sie keinen Aufschluss über die verschiedenen partiellen Wasserverluste der inneren und äusseren Muskelteile zu geben vermochten. Dass hier erhebliche Unterschiede auftraten, lehrte auch der Augenschein. Die bräunlich-gelbe Verfärbung, die den ausgetrockneten Muskel gegenüber deın helleren frischen aus- zeichnet, ist nämlich an den dünneren Randteilen ausgeprägter als in den mittleren Partien. Auch sind diese letzteren noch weich und biegsam zu einer Zeit, wo die ersteren schon anfangen, durch die Austrocknung hart und spröde zu werden. Da man annehmen darf, dass ganz allgemein die Oberfläche des in dieser Weise ausgetrock- neten Muskels mehr Wasser verloren hat als die Innenteile, so wird sie nicht nur ihre. Erregbarkeit früher einbüssen als diese, sondern vielleicht auch ihren elektrischen Leitungswiderstand so weit erhöhen, dass sie die Zuführung des elektrischen Reizes zu den etwa noch erregbaren inneren Teilen nieht mehr zulässt. Dadurch werden diese Versuche mehrdeutig. 1) „Durchschnittlich“ insofern, als hier das Mittel aus dem Wasserverlust der äusseren und inneren Teile des Muskels vorliegt; siehe oben S. 434 und ‚etwas weiter unten. 440 H. ©. Wiemeyer: Nach diesen Vorversuchen wurde jetzt zunächst nachgesehen, ob und inwieweit sich etwa die genannten Schwieriekeiten bei dem in der folgenden Versuchsreihe angewandten Verfahren abmildern liessen. III. Zweite Versuchsreihe: Wasserentziehung in einem abgeschlossenem Luftraum bei verschiedenen konstanten Dampf- drucken und bei Temperaturen zwischen 15° und 22°C. a) Zur Methodik. Das Verfahren dieser Versuchsreihe »gründet sich auf folgende Überlegung: Hängt man einen Muskel in einen abgeschlossenen Luft- raum über eine wässerige Lösung von niedrigerer Dampfspannung als der des Muskels, so wird diesem so lange Wasser entzogen werden, bis sich ein Gleichgewicht eingestellt hat. Schwankungen der Aussen- temperatur, die zu Temperaturdifferenzen zwischen Muskel und Gefäss. führen, müssen dabei möglichst vermieden werden, da sich sonst, je nachdem ob die Temperatur steigt oder fällt, Niederschläge von reinem Wasser entweder am Muskel oder an der Gefässwand bilden müssen. Solange aber solche Niederschläge zum Beispiel an der Glasward vor- handen sind, wird der Dampfdruck des Raumes in variabler Weise erhöht, indem er Werte annimmt, die aus den Spannungen der betref- fenden Lösungen und des reinen Wassers resultieren. Auf Grund dieser Überlegungen untersuchten wir die Wasserabgabe des Muskels in Räumen von verschiedenem Dampfdruck und sahen nach, ob sich auf diese Weise vielleicht eine gleichmässigere Austrocknung erzielen liesse. Die derzeitige, meistens etwas höhere Aussentemperatur gestattete auch bei entsprechend geringeren Dampfspannungsdifferenzen zwischen Muskel und Lösung die erforderliche schnelle Wasserbewegung vom Muskel zur Lösung. Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt: Eine Anzahl Flaschen (je 500 eem Inhalt) mit gut schliessenden Glasstöpseln wurden in einer Kochkiste an einem schattigen Raum bei möglichst konstanter Temperatur aufgesteilt. Der Muskel hing frei über der den Dampf- druck bestimmenden Lösung — etwa 100 cem — an einem Häkchen, welches mittels Siegellack an der unteren Fläche des Glasstöpsels befestigt war. Das Einfachste wäre gewesen, H,SO,-Lösungen ver- schiedener Konzentration zu verwenden, da der Dampfdruck einer grossen Anzahl verschiedener Konzentrationen in Tabellen zu finden ist. Da aber Schwefelsäure sich zersetzt (auch im Dunkeln) und daran Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 441 zu denken war, dass die dabei freiwerdenden SO,-Dämpfe den Muskel schädigen könnten, so wurden geeignete NaQl-Lösungen hergestellt, und zwar solche von 30 %/o; 15 0; 7,5 lo; 3,75 /o; 1,87 /o; 0,93 lo; 2202056 90; 0,390; 0,2 %0;0,1%o. Dieses Verfahren ist auch insofern naheliegend, als uns ja in der Physiologie als praktische Maasse für osmotischen Druck, Gefrier- punkt usw. häufig NaCl-Lösungen von bestimmtem Prozentgehalt dienen. Es ist einleuchtend, dass dieses Verfahren, das mit der Grösse des Dampfdruckes des Muskels rechnet, bei genügender Genauigkeit auch zur Bestimmung eben dieses Dampfdruckes dienen kann; der Dampfdruck derjenigen Flasche nämlich, in welcher der Muskel keine Änderung seines Wassergehaltes zeiete, musste auch der des Muskels sein. Da die Kenntnis der Dampfspannung des Muskels für das Verständnis seiner Wasserbewegung von Interesse war, so haben wir auch auf diese Frage beiläufig unsere Aufmerksamkeit gerichtet. Durch das genannte Verfahren wird also zunächst festgestellt, wievielprozentig die NaCl-Lösung ist, die denselben Dampfdruck hat wie der Muskel. Will man aber auch die Grösse des Dampfdruckes in mm Hg kennen, was vor allem für die Erkenntnis der Bedeutung einer möglichst genauen Konstanz der Versuchstemperatur wichtig ist!), so kann man sich diese Grössen für die gewünschten Tempera- turen berechnen. Hierzu geht man von bekannten Dampfdruckwerten aus, die bestimmte NaCl-Lösungen bei 0° haben. Aus diesen ermittelt man zunächst durch graphische Interpolation die für 0° geltenden Dampf- .drucke der Kochsalzlösungen, die man benutzen will. Um nun auch noch die den verschiederen Temperaturen entsprechenden Tensionen dieser verschiedenen Lösungen zu erhalten, benutzt man die Gleichung: Mi DE DE Ne Hierin ist: 2 = der gesuchte Dampfdruck einer bestimmten NaCl-Lösung bei der Temperatur i° C. P: — der bekannte Dampfdruck des reinen Wassers bei °C. K = eine von der Konzentration der NaCl-Lösung abhängige Konstante. 1) Eine Temperaturänderung von 0,1°C. bedingt bei der gleichen Lösung schon eine Tensionsänderung von etwa 0,05 mm Hg, während bei konstanter Temperatur (etwa bei 10° C.) zum Beispiel der Dampfdruck einer 0,7°/o igen NaCl-Lösung von dem des reinen Wassers nur um 0,024 mm Hg verschieden ist. 442 H. C. Wiemeyer: Für die Lösung der Gleichung 1 müssen wir die Konstante X kennen; diese ergibt sich aus der Gleichung: N I Do worin 9, — der bekannte Dampfdruck des reinen Wassers bei 0° C. und p'.= der bekannte Dampfdruck der betreffenden NaCl-Lösung bei 0°C. Auf diese Weise wurden die Dampfdrucke einiger der oben genannten NaCl-Lösungen für 5° C., 10° C., und 16,5 °C. berechnet (s. Tab. 1). Tabelle 1. Konzentration der NaCl-Lösungen in Prozenten 30 15 0,7 0,3 0,2 0,1 | Ag.dest. IK konstee 0,202 | 0,0909 | 0,0026 | 0,0017 | 0,0015 | 0,001 = Tension der Lösung: bei 0° C. . | 3,685 | 4,2 4,608 | 4,612 | 4,613 | 4,615 | 4,62 080% 5,21.) 5.934 | 6511 176,517 | 6,518) 6,521.)7 6,528 210020727. 1970.3252 98,345. E3Nlboe 19,163 7 99, loo 337 9,179 „ 165.207722711,1731 12.7292 908,9652 [713,977 38:98 21450 14,001 Diese Tabelle zeigt die schon erwähnte wichtige Tatsache, dass der Dampfdruck zum Beispiel einer 0,7 /oigen Lösung von einer 0,1 °/oigen bei gleicher Temperatur nur sehr wenig verschieden ist, dass aber schon geringe Temperaturdifferenzen bei gleicher Konzentration der Lösung beträchtliche Unterschiede ihrer Dampfspannungen bedingen. b) Versuche und Ergebnisse. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass die frisch präparierten Muskeln, nachdem ihr Gewicht, ihre Erregbarkeit usw. bestimmt worden waren, in den Flaschen mit den verschiedenen Lösungen aufgehänst wurden, wo sie etwa 5 Stunden bis mehrere Tage verblieben. Hierbei wurde aus den eben dargelegten Gründen besonders auf Temperaturkonstanz geachtet. Einige Versuche und ihre Ergebnisse sind im folgenden wieder- gegeben: Versuch 8. R. arvalis. Zimmertemperatur 16,70 C. | NaCl-Lösung von 30 %/o 15 %o 0,7 %0 0,3 %0 Gewicht 13. Mai 1915 12h 30’ in g 0,1104 0,1248| 0,111 0,1248 Gewicht 13 Mai 1915 4% 45’ ing 0,0734 0,1082 | 0,1022 0,1222 Gewichtsverlust . . . . 2... 33,9 Vo 13,2 Yo 8,1 %/o 2 °%0 Wasserverlust . . .%.-. . 0... 41,9 Yo —_ = = Gewicht 17. Mai 1915 12h 30’ 0,0288 0,035 0,0762 0,075 Gewichtsverlust ........ ca. 74%o | ca. 73 %o 31,3 90 48 %/o Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 445 Nach der anfänglichen 4!/« stündigen Austrocknung über der 30 %/oigen resp. 15°/oigen NaCl-Lösung verhielten sich die Muskeln nicht anders als diejenigen, die an freier Luft einen Wasserverlust Die Muskeln über der 0,7 'bigen und 0,3 /oigen Lösung waren dem Aussehen nach von frischen Muskeln nur sehr wenig verschieden. Nach 4 Tagen ferner wären sämtliche Muskeln sehr verkürzt und totenstarr. von ca. 40°o resp. ca. 13°/o erfahren hatten. Versuch 9. R. arvalis. Zimmertemperatur 16,5 ° C. Zeit 30 %/o 1,83 %/o 0,7 %o 0,2 °/0 IDE DD Sa arEREr 0,1372 0,0692 0,131 0,0734 Be...» . 0,0774 0,059 0,113 0,0624 Gewichtsverlust. . | 43% . 15% 14,7 %lo 13,7 %/ Versuch 10. R. arvalis. Zimmertemperatur 20,5° C. Zeit | 0,7 °/o 0,6 %/0 0,5 0 0,4 %o Ag. dest. Zu Beginn des Versuchs 0,0786 0,0832 0,0856 0,0844 0,0832 Nach 48 Stunden 0,07 0,082 al 0,085 0,092 0,09 Gewichtsdifferenz. . . |- 11% -14% | -0,7% | +82% | +7,5% Sämtliche Muskeln erheblich verkürzt und totenstarr. Versuch 11. R. fusca. Zimmertemperatur 8,4° C. Zeit | 0,7 °%/o 0,5 %o 0,3 9/0 Ag. dest. la... .. 0,131 0,13 0,141 0,149 Bee: 0,129 0,1288 0,1384 0,149 Gewichtsverlust... | 18% 1,0 %0 1,8 % Gleichgew. Versuch 12. R. arvalis. Zimmertemperatur 18,5° C. Zeit | 0,8 %/0 0,7 90 0,5 %/0 0,4 9/0 2. Bun Su 728, . .. 0,094 0,0794 0,0766 0,076 a 0,0882 0,077 0,074 0,073 Gewichtsverlust. . . . | 0,0058 0,0024 0,0026 0,001 | 7 5 le an oe: 0,0888 0,0742 0,071 0,071 4. Juni laih a5) 202: 0,0852 0,0722 0,069 — 5. Juni 3h45'... 0,0852 0,07 0,0086 0,072 N En TEL an EL 2 [122 1 Serie N EEE Gewichtsverlust... ... | 10,4% 8,4 %/o 10,4 %/o 444. H. C. Wiemeyer: Aus den mitgeteilten Versuchen ist zunächst betreffs der Frage, wieviel Wasser der Muskel bis zur Erreichung seiner Unerregbarkeit abgeben kann, zu ersehen, dass dieses Verfahren nieht weiter führte als das der ersten Versuchsreihe. Auch bei verhältnismässie hohen Temperaturen fand eine lebhafte Wasserabgabe erst über der 30 /o- igen NaCl-Lösung statt, wobei sich kein Vorteil gegenüber dem früheren Verfahren herausstellte. Über Lösungen von höherer Dampfspannung war die Wasserabgabe schon so langsam, dass grössere Wasserverluste nicht ohne störende „Zeitschädigung“ des Muskels zu erzielen waren. Daher wurde von weiteren Versuchen dieser Art — man hätte etwa an ein schrittweises Übertragen des Muskels in Räume von immer geringerem Dampfdruck denken können — Abstand genommen. . Was nun ferner die beiläufig erstrebten Aufschlüsse über die Grösse des Dampfdruckes des überlebenden Muskels anbetrifft, so ist hierüber etwa folgendes zu sagen: Da der Muskel im allgemeinen über allen Lösungen ausser über reinem Wasser eine Wasserabgabe zeigte!), so möchte man folgern, dass sein Dampfdruck nicht weit von dem des reinen Wassers entfernt sei. Vielleicht könnte man hier den Einwurf machen, die Dampf- spannungen in den Flaschen erreichten die den jeweiligen NaCl- Lösungen entsprechenden Werte nur sehr langsam, weshalb in der ersten Zeit?) zunächst auch von seiten des Muskels eine geringe Wasserabgabe stattfinden könne. Dieser Einwand ist aber nicht berechtiet, wie sich aus den folgenden Kontrollversuchen ergab: Es wurden nämlich statt der Muskeln einfachere freies Wasser bzw. NaCl-Lösungen enthaltende Objekte über den verschiedenen Lösungen für kürzere oder längere Zeit aufgehängt und hinsichtlich ihrer Gewichtsänderungen untersucht. Hierzu wurden kleine Stücke von Watte und Filtrierpapier gewählt, die zuvor längere Zeit in destilliertem Wasser ausgelaugt worden waren, um etwaige Salze zu entfernen. Die Ergebnisse dieser Kontrollversuche sind aus der Tabelle 2 zu ersehen. 1) Eine Ausnahme bildet nur Versuch 10 (S. 443), wo der Muskel über ‘einer 0,4°/oigen Lösung eine Gewichtszunahme zeigte; das war aber nach 48 Stunden, wo der Muskel schon eine erhebliche Zeitschädigung aufwies. (Vgl. hierüber 8. 446 oben.) 2) Das heisst bei einer Versuchsdauer von etwa 5 Stunden, die zur Ver- meidung von grösseren „Zeitschädigungen“ so kurz gewählt wurde. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 445 Tabelle 2. E Ber: Temp. 2 En Es End- Gewichts- S Som 0.0. | suches | gewicht gewicht | differenz 1 | Watte-+ Ag.dest. | Ag. dest. 84 | 5Std. | 0,72 0,7196 keine 2 | Watte -+ Aq.dest. Ag. dest. 21,0 |48 Std. I 0,7424 | 0,7492 keıne al rec t [Ho3 0 nacı| 34 | 5Sta. | 0,0848 | 0,08524| na af . re Yon ooNacı| 84 | 5Sta. | 0,4448 0,4446 | keine ac [O7 Nacı| 84 | 58a. | 0,842 | 0880e{| "ons of 2 a 10,7% Nacı | 21,0 | 2Tase| 0,3508 0,3206 | nn f se \ Ag. dest. | 25,5 | 4Tage| 1,902 | 1,933 { ee sl ne 1,30 Nacıl 95,5 | 4Tage| 0,674 | 0,696 Inn Diese Tabelle lehrt, dass bei einer Versuchsdauer sowohl von 5 Stunden als auch. von längerer Zeit die Versuchsobjekte über Flüssiekeiten von gleichem Dampfdruck ihr Gewicht im wesentlichen un- verändert liessen, während über Lösungen von höherer Tension auch schon in kürzerer Zeit eine Gewichtszunahme erfolgt und umgekehrt. Daher ist zu folgern, dass das überraschende Verhalten des Muskels wirklich auf einen Dampfdruck hinweist, der erheblich höher als der einer 0,7 /oigen NaCl-Lösung ist. Man darf nun nicht etwa glauben, dass dieses Ergebnis demjenigen entspräche, das Höber bei seinen Untersuchungen über die innere Leitfähigkeit des Muskels gewonnen hat, wonach das Wasser des Muskels nicht die Leitfähigkeit einer 0,7 °/o igen sondern nur diejenige einer 0,1—0,2 %/oigen NaCl-Lösung habe); denn die Höber’sche Untersuchung gilt dem „Faserwasser“ ?), während der Dampfdruck des Gesamtmuskels der seiner „Zwischen- Hlüssigkeit“®) ist. Das Verhalten dieser beiden Anteile des Muskel- wassers erfordert aber im wesentlichen getrennte Erklärungen. Für den Dampfdruck der Zwischenflüssigkeit und damit des Gesamtmuskels liesse sich vielleicht in der folgenden Weise eine l) Rud. Höber, Messungen der inneren. Leitfähigkeit von Zellen. Pflüger’s Arch. Bd. 150 S.45. 1913. 2) Siehe oben 8. 431. 3) Siehe oben S. 431. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 80 446 H. C. Wiemeyer: Erklärung versuchen: Die Zwischenflüssigkeit zerfällt in zwei Teile, nämlich den, der in der Substanz des Perimysiums gelöst ist, und den, der sich in den kapillaren Räumen der letzteren befindet. Es könnte nun sein, dass nach dem Verteilungssatz die Substanz des Perimysiums nur ein geringes Aufnahmevermögen für Salze hätte, so dass ihr zum Teil wohl sehr locker gebundenes Quellungswasser nur wenig Salze enthielte!); diese gedachte, sehr verdünnte Lösung wäre aber ausschlaggebend für den Dampfdruck des Gesamtmuskels. Der Vollständiekeit halber sei bemerkt, dass nach Eintritt der Totenstarre der Dampfdruck des Muskels möglicherweise merklich abnimmt, sobald nämlich ein Saft vom Gefrierpunkt einer: etwa 0,6 /oigen‘ NaCl-Lösung ausgepresst wird!) und seine Oberfläche überzieht. IV. Dritte Versuchsreihe: Wasserentziehung des gefrorenen Muskels in einem abgeschlossenen trocknen Luftraum, teils mit, teils ohne hygroskopische Substanz bei konstanten Temperaturen zwischen — 0,8° und — 1,2° C. Aus den bisherigen Versuchen geht hervor, dass eine gleich- mässige und doch genügend schnelle, d. h. ohne grössere Zeitschä- digung stattfindende, Austrocknung des Muskels bei Temperaturen über 0° C. nicht zu erreichen ist. Da dies aber unter bestimmten Bedingungen bei Temperaturen unter 0°C. möglich schien, wie man aus den Untersuchungen über das Gefrieren des Muskels und seinen Kältetod schliessen konnte, so wurde hierauf ein neues Austrocknungs- verfahren gegründet: Das Gefrieren eines Muskels kann man nämlich gewissermaassen als ein Austrocknen auffassen, wie ja auch von vielen Autoren, besonders von Pfianzenphysiologen, der Kältetod als ein Austrocknungstod angesehen wird. Bei dieser Art der Aus- troeknung wird nun freilich das Wasser nicht aus dem Muskel herausbefördert, sondern bleibt zwischen den relativ ausgetrockneten Teilen, mit denen es vorher in Lösungsbeziehungen stand, jetzt in fester Ausscheidung liegen?.. Wenn nun der Muskelmasse durch 1) Siehe P. Jensen, Zur Analyse der Abkühlungskurve des Muskels und einiger anderen Körper. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14 S. 349. 1913. 2) Siehe hierüber auch die soeben erschienenen Untersuchungen von Karl Reuter, Über die histologischen und geschmacksphysiologischen Veränderungen gefrorener Fische. Abhandl. zur Volksernährung Heft V. Verlag der Zentral- einkaufsgesellschaft. Berlin 1916. | Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 447 Gefrieren tatsächlich der grösste Teil ihres Wassers in der angegebenen Weise entzogen werden kann, ohne dass sie erheblich geschädigt wird (s. Jensen-Fischer und Brunow), so lässt sich das nur so auf- fassen, dass der Muskel bei den entsprechenden Temperaturen trotz solch grossen „Wasserverlustes“ seine Lebensfähigkeit behält. Dem- nach stellt ein nicht zu weitgehendes Gefrieren eine sehr schonende Art der Wasserentziehurg dar, und es liegt nahe, von diesem Ver- halten des Muskels in der Weise Gebrauch zu machen, dass man das ausgefrorene Wasser nun auch noch aus dem Muskel heraus- befördert. Auf Grund dieser Überlegung wurden im wesentlichen zwei verschiedene Versuchsreihen ausgeführt: 1. Vorversuche zur vorläufigen Orientierung: a) Austrocknen des Muskels in abgeschlossenen lufthaltigen Röhren, die in ein konstantes Kältebad versenkt waren; b) dasselbe in Röhren, die zum Zwecke der Austrocknung des Muskels P,O, enthielten. 2. Der vorher in einem mit Wasserdampf gesättigten Raum rasch zum Gefrieren gebrachte Muskel wird erst im gefrorenen Zu- stande ausgetrocknet: a) In einer abgeschlossenen lufthaltigen Röhre; b) zur intensiveren Austrocknung des Muskels in einer Röhre, die P,O, enthielt; e) zur Untersuchung der Lebensfähigkeit wird dem zuerst aus- getrockneten Muskel noch im gefrorenen Zustande das Wasser wieder ersetzt. Da in diesen Versuchsreihen die Muskeln zum Zwecke einer weitergehenden Austrocknung längere Zeit im gefrorenen Zustande zwischen — 0,8° und — 1,2° C. verweilen mussten, so erhob sich die Frage, ob nicht hierdurch schon, auch ohne Wasserverlust, eine beachtenswerte Schädigung herbeigeführt werde. Denn es war bisher nur festgestellt worden, dass ein verhältnismässig kurz dauernder Gefrierzustand bei den genannten Temperaturen gut ertragen wird. Diese Vorfrage musste also zunächst beantwortet werden. Als Er- sänzung hierzu wurden dann auch die Folgen. längerdauernden, mässigen Unterkühltseins für den Muskel untersucht. Und eine weitere Vorfrage ergab sich ferner dadurch, dass in diesen Versuchen auch die Abhängigkeit der Lebensfähigkeit des Muskels von seinem Wassergehalt untersucht werden sollte, d. h. die Frage, ob und 30 * 448 H. C. Wiemeyer: innerhalb welcher Grenzen ein durch Austrocknen unerregbar ge- wordener Muskel seine Erregbarkeit durch Wasserzufuhr wieder- gewinnen kann. Da hierbei die zuvor ausgetrockneten Muskeln längere Zeit in kalter — auch unterkühlter — Ringer- Lösung gehalten wurden, so war zuvor zu ermitteln, welche Folgen eine länger dauernde Einwirkung dieser und anderer Lösungen bei nicht ausgetrockneten, frischen Muskeln haben. a) Zur allgemeinen Methodik dieser Versuchsreihe. Bei diesen Versuchen kam es darauf an, die Muskeln längere Zeit auf konstanten Temperaturen unterhalb ihres Gefrierpunktes zu halten. Da der Gefrierpunkt des frischen Froschmuskels zwischen —0,4° C. und —0,5° C. liegt, und da erst bei einer Abkühlung unterhalb — 1,5 ° C. sich grössere Schädigungen der Muskeln von R. fusca und arvalis entwickeln!), so wurden für das Kältebad, das die Temperatur des Muskels während seiner Austrocknung bestimmte, Temperaturen zwischen —0,3° C. und — 12° C. gewählt. Sie wurden dadurch erzielt, dass als Kältebad für die die Muskeln ent- haltenden Gefässe Kochsalzlösungen verwendet wurden, die ihren Gefrierpunkt bei der gewünschten Temperatur hatten; bringt man eine solche Kochsalzlösung nämlich in eine geeignete Kältemischung (Eis-Kochsalz), so lässt sich infolge des Antagonismus von Wärme- entziehung und Produktion von Schmelzwärme (Kristallisationswärme) bei Anwendung bestimmter Vorkehrungen und bei genügender Über- wachung die Temperatur beliebig Jang auf dem Gefrierpunkt der betreffenden Kochsalzlösung erhalten. Die Versuchsanordnung war im wesentlichen die folgende (s. Fig. 1, S. 449): Eine grössere Holzkiste und ein etwas kleinerer Behälter aus Glas wurden ineinandereestellt und die Zwischenräume zum Schutz gegen Temperaturausgleichung mit Holzwolle ausgefüllt. In diesen Glasbehälter wurde ein Gefäss aus Weissblech ?) gestellt, das die als Bad dienende Kochsalzlösung enthielt und von einer Kälte- mischung aus Kochsalz und gestossenem Eis umgeben war. Die als Bad benutzte Kochsalzlösung hatte anfangs 1,5 %0, also einen Gefrier- 1) H. Brunow, Der Kältetod des isolierten und durchbluteten Frosch- muskels. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 13 S. 368. 1912. 2) Das zylindrische Gefäss war 35 cm hoch bei einem Durchmesser von 20 cm. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 449 punkt von ca. —0,9°C.!). Da durch Verdampfen die Lösung allmählich konzentrierter wurde und daınit auch der Gefrierpunkt sank, wurde von Zeit zu Zeit die Lösung verdünnt und der Gefrier- punkt kontrolliert. Auf. diese Weise bekamen wir für die ver- schiedenen Versuche Temperaturen zwischen 0,8 °C. und — 12°C. Für die Dauer jedes einzelnen Versuches jedoch war die Temperatur 72 gE pP N, —4 l—— MP -- -------- --- ---- ---- -- ZumMotor mg ll Mhermos er... 2222: meter (in Salz- lösung tauchend) i — | SE |Gefrieren| raum | % 5 |F8, PER x | gebracht = SO |328 Ssg Nanerol 0:0.|| ce = %ıNa = feuchte | trockene \s= An 44 | -0,8 | 18,5 | 0,094 5,5{ ee \s un 8 |93n | As A is 0A do. | do. "Ale 50] -10 |180 01572 | 67 | do. do. | 994% [oreS | nn y or fen EL {=>} bb) Austrocknung über P;0;. In dieser Versuchsgruppe wurde dem ausgetrockneten Muskel das verlorengegangene Wasser einerseits nach dem Auftauen, bei Zimmertemperatur, ersetzt, anderseits fand dieser Wasserersatz statt, während der Muskel noch im gefrorenen Zustande er- halten : wurde. a) Der Wasserersatz findet nach dem Auftauen statt. Ein Beispiel diene zur Erläuterung dieser Versuche, deren Ergebnisse im übrigen in Form einer Tabelle mitgeteilt seien: Versuch 22. 23. Mai 1916. Sartorius von R. arvalis, die seit 7 Tagen im Zimmer gehalten. Zimmertemperatur 18° C. Gewicht des Muskels — 0,115 g. Länge desselben —4,2 em. Reizschwelle (Offnungsinduktionsstrom) bei R.-A. 380. Zuckungshöhe (bei sechsfacher Vergrösserung) =6 cm. 1h 26’. Der Muskel, in feuchter Röhre hängend, wird im Beckmann- schen Apparat zum Gefrieren gebracht; Kältemischung — 15°C. 1h 34’. Muskel ist gefroren, wie sich an seinem Aussehen mit Sicher- heit erkennen lässt. Lufttemperatur in der Röhre = —3,2°C. Demnach war der Muskel auf etwa — 3° C. unterkühlt gewesen. (Vgl. oben S. 451). Muskel jetzt rasch in eine vorgekühlte trockene Röhre über P,0, in das konstante Kühlbad von — 1°C. versenkt. 466 H. C. Wiemeyer: 9h 30’. Der ausgetrocknete gefrorene Muskel wird in ein Wäge- gläschen gebracht und gewogen. Gewichtsverlust — 56,5 %o. Der Muskel, der bei unveränderter Länge erheblich schmaler und steifer ist als zuvor, macht den Eindruck ganz gleich- mässiger Austrocknung (vgl. oben S. 439). Der inzwischen aufgetaute Muskel wird in Ringer-Lösung von Zimmer- temperatur aufgehängt, bei Durchströmung mit reinem Sauerstoff. 24. Mai 1916. 12h 00’. Zuckungshöhe des Muskels (bei sechsfacher Vergrösserung) —=(,6 cm. Tabelle 6. Ei zz 9: Q rd z & | = Im 2) ın = = oo. al:3 53|38 = 53 > oo NS = Ss3 = FE = Pre) > arvu 255% Ei 7 > | EZ |Gefrieren| % = > | Tuese 5583 A Ss 3 5 |es5 3275 S gebracht | < 528 SIER- N ze 10 % |NS = 47 8 | 183 | 0,0994 5,3f ee \ 0, Ash | 36 | 21h 14 49 -0,9 | 17,5 | 0,1164 | 6,6 do. P,0, | 3?ah | 32 15h | 2,0 53 -1,0 | 16,0 | 0,161 595) do. P50; 'Aleh | 23 | 171/eh 2,8 691) 1,0 | 16,5 | 0,122 | 4,8 do. Ps0, | 6°/ah | 57 18h 0,4 662)| -1,0 | 17,5 | 0,1364 158 | do. | BO, | Ten 64) 9ıı | Ba Bei diesen Versuchen mit sehr gleichmässiger Austrocknung konnten die Muskeln durch Wasserentziehung einen Gewichtsverlust bis 64°) erfahren, ohne die letzten Spuren von Erreebarkeit ein- zubüssen. Diese war erst bei noch höheren Gewichtsverlusten völlig erloschen. ß) Der Wasserersatz findet statt, während der Muskel noch gefrorenist. Die Überlegung, die zur Ausführung dieser Versuche anregte, wurde oben S. 464 ausgesprochen. Der Ver- lauf der Versuche war folgender Art: Versuch 23. 17. Mai 1916. Sartorius von R. arvalis, die seit 8 Tagen im Zimmer gehalten. Zimmertemperatur 16,5° C. Frosch- temperatur 16° C. Gewicht des Muskels 0,124 g. Reizschwelle (Öffnungsinduktionsstrom) bei R.-A. 390. Zuckungshöhe (bei sechs- facher Vergrösserung) —=6 cm. 1) Dies sind die Versuche, die mit dem Kontrollmuskel der in Tabelle 7 befindlichen Versuche 65a und 66a ausgeführt wurden. Vgl. auch S. 465 und S. 467 Anm. 1. 3 Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 467 20". ib 31". 6h 05”. Muskel, in feuchter Röhre hängend, in den Beekmann’schen Apparat gebracht; Kältemischung — 7,6° C. Der Muskel ist jetzt gefroren. Lufttemperatur in der Röhre — —6,2° C. Der Muskel war also unterkühlt gewesen. Der jetzt völlig steife und blasse Muskel wird rasch in eine vorgekühlte trockene Röhre über P,O, in das konstante Kühl- bad von — 1° C. versenkt. Der ausgetrocknete Muskel wird in unterkühlte Ringer- Lösung von — 1°C, gebracht, um ihn darin zugleich mit der . Lösung sich langsam erwärmen zu lassen. Der Gewichts- verlust dieses Sartorius wurde festgestellt nach dem Gewichts- verlust des anderen Sartorius desselben Frosches, der unter denselben Bedingungen und in derselben Röhre vorbehandelt war. Dieser Muskel zeigte einen Gewichtsverlust von 57 °/o, welcher auch für den Sartorius angenommen wurde, der nach- her sofort in unterkühlte Ringer-Lösung kam, ohne vorher gewogen und damit aufgetaut zu sein. 18. Mai 1916. 125 20’. Muskel etwas erregbar. Zuckungshöhe (bei sechsfacher Ver- srösserung) 0,15 cm. Tabelle 7. ED | = ) un Sue] | ' [3% 2 2 | 5 [7} Bor oo Imre. a Ber See || Becr- |. 8, | 2 |STE 534 2ı 8 |S8 SS manner salzen | = SE 5n =&| zum s® ss: |® es E3- za S S E53 Gefrieren a 5 i= En eh= B “Ss = => Zen & ebracht | < Zzan N5s0°© N.lec.|oc| g |s®|° = % NS =ie | feuchte kaum 59 | -ı 145 [0,099 | 6,0 [ nn \,0, Se { en Ken nicht 61 |-11160 007 148 | do. | PO, 19% 68 "14 { A ehar 62 | -1 | 155 | 0,139 | 51 do P.0, | 5!/ah | 32 | 11 - 63 -1 | 170 | 0,105 6,0 | do P,0, | 7A Sl 12 33 64 | -1 | 17,0 0,09 6,1 do P;0, | 6l/eh | 26 | 12 4,4 65a) -1 | 16,5 | 0,124 | 4,8 | do Ps0- | 63a h | 57 13 0,15 66a] -1 | 17,5 101362 | 51 | do. | P305 | Tilah 64 ad Sefkehar Die übrigen in dieser Weise ausgeführten Versuche sind in der vorstehenden Tabelle 7 zusammengestellt. Diese letzte Gruppe von Versuchen lehrt, dass ein ausgetrockneter Muskel Ä während dem das verlorengegangene Wasser wieder ersetzt wird, er noch gefroren ist, sich nicht besser erholt als ein Muskel, der erst nach dem Auftauen in Ringer-Lösung von Zimmertemperatur gebracht wird. 1) Vgl. 8.466 Anm. 1. 468 H. C. Wiemeyer: F. Zusammenfassung. 1. An freier Luft und bei Temperaturen oberhalb 0 ° 'C. lässt sich ein Sartorius nicht genügend gleichmässig austrocknen, um Auf- schluss über die gestellten Fragen zu geben. 2. Dasselbe gilt für die Austrocknung in abgeschlossenen trocknen Räumen und solchen von verschiedenem Kausleireı Dampfdruck, bei Temperaturen oberhalb 0° C. 3. Es werden beiläufig einige Beobachtungen über den Dampf- druck des Muskels gemacht, die auf Werte nahe denen des destil- lierten Wassers hinweisen. 4. Eine sehr gleichmässige Austroeknung des Muskels in jedem erforderlichen Grade lässt sich erreichen, wenn man das Präparat im gefrorenen Zustande bei etwa — 1° C. mehrere Stunden laus über Phosphorpentoxyd austrocknet. 5. Nachdem der Einfluss einiger -mitwirkender Faktoren fest- gestellt war, werden mittels des genannten Austroeknungsverfahrens, das in verschiedener Weise variiert wird, folgende Ergebnisse erzielt: a) Ein Wasserverlust von etwa 20°/o des Muskelgewichts führt zu einer mässigen Verminderung der Leistungen des Muskels, die aber nach Wasserersatz durch Ringer-Lösung ihre ursprüng- liche Höhe fast vollständig zurückgewinnen. b) Bei einem Wasserverlust von 43—46 °/o seines Gewichts wird der Muskel reversibel unerregbar und erhält bei Wasser- zufuhr seine Leistungsfähigkeit etwa zur Hälfte wieder; es ist also trotz der durch den Wasserverlust bedineten Unerregbar- keit seine Lebensfähigkeit so weit erhalten geblieben. c) Ein Wasserverlust von etwa 57—64/o!) des Muskelgewichts lässt von der so verlorengegangenen Frregbarkeit nach Wasserzufuhr nur noch kleine Reste zurückkehren; also auch die Lebensfähig- keit ist nach dem genannten Wasserverlust fast erloschen. d) Dieser geringe Grad der Erholung ist derselbe, gleichgültig ob einem so stark ausgetrockneten Muskel das Wasser erst nach dem Auftauen oder noch im gefrorenen Zustande ersetzt wird. e) Nach einem Wasserverlust über 65—68 °/o seines Gewichts ist die Erregbarkeit des Sartorius irreversibel verschwunden, also sowohl die Lebenstätigkeit als auch die Lebensfähigkeit. 1) Das wäre also ein Verlust von 71,5—80 °/o des gesamten Wassers des Froschmuskels, wenn wir dieses zu 80 %/o des Muskelgewichtes rechnen, s. oben 8.431. Über die reversible und irreversible Aufhebung der Erregbarkeit usw. 469 r 6. Bezüglich des Einflusses der in 5. berührten mitwirkenden Faktoren ist folgendes ermittelt worden: a) Ein Sartorius, der ohne Wasserverlust etwa 9 Stunden im ge- frorenen Zustande bei ca. — 1° C. gehalten wurde, ist zwar nach dem Auftauen unerregbar, erholt sich aber in Ringer- Lösung wieder zur ursprünglichen Erregbarkeit und Leistungs- fähigkeit. b) Dasselbe eilt für Sartorien, die während derartig langer Zeit im unterkühlten Zustande bei ca. — 1° C. verharrt hatten. e) Ein 52stündiges Verweilen des Sartorius in unterkühlter Ringer- Lösung von — 1°C. hat keine schädigende Wirkung. 470 Felix Reach: Bemerkungen zur Theorie der Muskelkontraktion. Von Felix Reach. Vor mehr als Jahresfrist erschien in diesem Archiv eine Ver- öffentlichung von J. Bernstein‘), in der der Autor auch gegen eine Publikation von mir?) polemisiert. Durch meine militärische Verwendung im Kriege abgehalten, komme ich erst jetzt dazu, einige Worte zu erwidern. Ich hatte die Frage erörtert, inwiefern der Muskel eine kalorische Maschine sei. Dabei hatte ich ihn in mehrfacher Beziehung mit einem Verbrennungsmotor verglichen. Den bekannten Einwand gegen die thermische Muskeltheorie, den Fick aus dem zweiten Hauptsatze ableitet, lehnte ich.ab, und zwar deshalb, weil ein grosses Temperatur- gefälle im Muskel nicht nur möglich, sondern seine Annahme an- gesichts der tatsächlich stattfindenden Oxydationen kaum zu umgehen ist. Freilich lässt sich dieses grosse Temperaturgefälle nicht durch myothermische Messungen nachweisen; dies liegt jedoch daran, dass diese Messungen die offenbar räumlich und zeitlich eng begrenzten Temperaturveränderungen nicht genügend fassen können. Diesbe- züglich hatte ich gesagt: „Man denke sich eine grosse Anzahl Ver- brennungsmotoren und zwischen diese Motoren ein Thermometer gesteckt, dessen Querdurchmesser tausendmal so gross wäre als der Durchmesser eines einzelnen Motorzylinders. Es wird sicher niemand mit einer so ungeheuerlichen Versuchanordnung, wie sie eben vergleichsweise skizziert wurde, das Temperaturgefälle dieser Mo- toren messen wollen.“ B. findet nun diesen Vergleich „wenig durchdacht“ und meint: „Es wäre nur erforderlich, die Zahl der 1) J. Bernstein, Experimentelles und Kritisches zur Theorie der Muskel- kontraktion. Pflüger’s Arch. Bd. 162 8.1. 2) In: Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung. Herausgegeben von Abderhalden Bd. 10 H.3. Bemerkungen zur Theorie der Muskelkontraktion. 471 Motorzylinder so gross zu nehmen, dass ihr Gesamtquerschnitt tausendmal so gross wäre als der des Thermometers, dann würde letzteres sicherlich annähernd die mittlere Temperatur der Motor- zylinder annehmen.“ Aber das ist es ja eben, dass das Thermo- meter nur die mittlere Temperatur der Motorzylinder annehmen würde, und dass auch die thermoelektrische Versuchsanordnung beim Muskel nur die Schwankungen der mittleren Muskeltemperatur anzeigt! Der Vergleich zwischen Muskel und Verbrennungsmotor sollte hier demonstrieren, dass eine derartige Versuchsanordnung über das für die Arbeitsleistung in Betracht kommende Temperatur- gefälle nichts aussagen kann. Die Veröffentlichung B.’s zeiet aber auch sonst, dass der Ver- gleich zwischen Muskel und Verbrennungsmotor geeignet ist, auf die Frage nach dein Zustandekommen der Muskelkontraktion einiges Licht zu werfen, wobei freilich diese Beleuchtung den Ausführungen B.’s nicht immer günstig ist. So führt er insbesondere neuerlich . das Argument ins Treffen, das hohe Temperaturgefälle im Muskel wäre deshalb unmöglich, weil sein oberstes Niveau (7,) hoch über der Gerinnungstemperatur des Muskels läge. Der Vergleich mit dem Verbrennungsmotor deckt die Schwäche dieser Argumentation auf. Es beträgt nämlich im arbeitenden Verbrennungsmotor die An- fangstemperatur ca. 2500° C.; der Schmelzpunkt des Gusseisens aber, aus dem die Motoren hergestellt werden, liegt bei ungefähr . 1200° C.)). B. meint ferner, nicht die Verbrennungstemperatur des Brenn- materials käme für das wirksame Temperaturgefälle in Frage, sondern einzig und allein die Temperatur des arbeitenden Körpers. Er zieht nun die Dampfmaschine zum Vergleiche heran und wirft den Vertretern der kalorischen Muskeltheorie vor, sie machten einen ähnlichen Fehler, als wenn man bei der Dampfmaschine die Verbrennungstemperatur der Kohle als das 7, des Carnot’schen Satzes ansehen würde. Ich habe eben mit Rücksicht auf diese und andere Umstände zum Vergleich mit dem Muskel nicht die Dampf- maschine, sondern den Verbrennungsmotor herangezogen. Hier besteht die räumliche Trennung zwischen Feuerungsraum und eigent- 1) Auf diese Tatsache hat mich Herr Professor J. Rezek, der das Fach Maschinenkunde an der k. k. Hochschule für Bodenkultur in Wien vertritt, in dankenswerter Weise aufmerksam gemacht. 472 Felix Reach: Bemerkungen zur Theorie der Muskelkontraktion. licher Kraftmaschine nicht; der gasförmige Inhalt des Zylinders ist der arbeitende Körper, und 7, liegt daher viel höher als bei der Dampfmaschine. | Ich hatte bei meinem Vergleich darauf hingewiesen, dass im Verbrennungsmotor 7, nur während eines kleinen Teils der Arbeit besteht, und dass beim Muskel die Annahme analoger Verhältnisse nicht unbegründet ist. Auch hiergegen polemisiert B.: „Die Wärme- produktion bei der Zuckung des Muskels,“ meint er, „beschränkt sich nicht, wie Reach glaubt, auf die Zeit der elektrischen Potential- schwankungen (Aktionsströme), sondern erstreckt sich auf die ganze Dauer der Kontraktion. .... Im elatten Muskel ist sie, wie ich kürzlich nachgewiesen habe, während der bis zu 30 Sekunden an- haltenden Kreszente am stärksten.“ Für den glatten Muskel ist es zunächst noch recht fraglich, ob die beobachtete Wärmeproduktion in allen Muskelelmenten gleichzeitig vor sich geht. Im übrigen liefert die frühere Arbeit B.’s?), die er hier zitiert, keineswegs ein stichaltiges Argument für die Behauptung: die Verbrennung erstrecke sich auf die ganze Kontraktionsdauer. B. hat den Temperaturverlauf im arbeitenden Muskel untersucht. Als annähernde Kurve der Wärmebildung sieht er die Kurve der Differentialquotienten der Temperatur an. Er betont jedoch in jener Publikation über den glatten Muskel wiederholt mit Recht, dass dabei noch eine Ver- schiebung in dem Sinne stattfindet, dass die Wärmebildung in Wirklichkeit rascher abläuft, als es diese Prüfungsmethode erscheinen lässt. Aber auch ohne Berücksichtigung dieser Verschiebung zeiet sich in B.’s Untersuchungen der überwiegend grössere Teil der Wärmebildung und das Temperaturmaximum in der ersten Hälfte der Kontraktion. Diese experimentellen Studien B.’s am glatten Muskel sprechen dafür, dass sich keineswegs das hohe Temperatur- gefälle auf die ganze Zuckungsdauer erstrecken müsste. Es scheint also, dass auch in Beziehung auf den zeitlichen Ablauf der energie- spendenden Oxydationen ein Vergleich zwischen dem Muskel und dem Verbrennungsmotor in prinzipieller Hinsicht am Platze ist. Berücksichtige ich dies alles und halte ich meinen Vergleich und B.’s Einwände einander gegenüber, so kann ich nicht zu der Einsicht kommen, dass mein Vergleich zu wenig durchdacht war. 1) J. Bernstein, Über den zeitlichen Verlauf der Wärmebildung bei der Kontraktion des Muskels. Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 521. 475 (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität Amsterdam.) Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen über Erscheinungen des Flimmerns und optische Ermüdung. Von Dr. A. A. Grünbaum, Assistent am physiologischen Laboratorium und Privatdozent für experimentelle Psychologie an der medizinischen Fakultät der Universität Amsterdam. (Mit 2 Textfiguren und Tafel II—IV.) Inhaltsverzeichnis. ee 1. Die Ergebnisse der bisherigen Forschung . ..... 2222... 473 Baaliegpsycholoeische, Problemlager . „1 „iur. nnd nn anne 478 Pier äussere; Versuchsanordnung ... . 2 cu 2 2 ne 484 4. Die Beschreibung der Flimmererscheinungen.°. . .». 2.2... 2... 488 5. Die Prüfung der psychophysischen Methoden und der Sinn ihrer Resultate 493 6. Das Flimmern und die optische Ermüdung . . . . . 2 22 220 .. 512 7. Die konsensuellen Wirkungen und die Komponenten der optischen Er- RE ie a an ea 521 Er nmmenfassung. nee ar) mr te scene Base else need 526 1. Die Ergebnisse der bisherigen Forschung. Unter dem Flimmern versteht man gewöhnlich die eigentümliche optische Erscheinung der Unruhe im visuellen Felde infolge einer mehr oder minder raschen Intermittenz des Lichtreizes. Als Zustand, der unmittelbar vorausgeht dem Verschmelzen der diskontinuierlichen optischen Empfindung zu einem kontinuierlichen, „ruhenden* Ein- druck, wurde das Flimmern oft genug im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Reize als solcher untersucht. Übersieht man aber die stattliche Zahl der Arbeiten, welche sich mit den Erscheinungen des Flimmerns abgegeben haben, so fällt ohne weiteres auf, dass die tatsächliche Unstimmigkeit der Autoren und ihrer theoretischen Auffassungen sehr gross ist. Das muss befremden, nicht nur in Hinblick auf die Zahl der Arbeiten, sondern auch daher, weil in den 474 A. A. Grünbaum: Vordergrund der meisten Arbeiten die objektive eindeutige psycho- physische Feststellung steht: bei welcher Geschwindigkeit der Reiz- intermittenz entsteht eben die kontinuierliche Empfindung? Wie hängt diese Geschwindigkeit von der physikalischen Beschaffenheit der Reize ab? Die Werte, die für diese „kritische“ Intermittenzgeschwindigkeit von Exner!) und Helmholtz?), Emsmann?°) und Plateau‘) angegeben werden, gehen sehr weit auseinander und schwanken zwischen 24 und 60 Lichtreizen pro Sekunde. Die Grösse dieser Schwellenwerte hängt natürlich in erster Linie ab von der Intensität der Lichtreize, und da die Einstellung der bisherigen Untersuchungen im allgemeinen auf die physikalischen Bedingungen mehr hingezielt hat als auf die psychologischen und physiologischen Faktoren, so wurden dem Faktor der Intensität der intermittierenden Reize die meiste Mühe geschenkt. Auch in diesem kardinalen Punkt widersprechen sich die Resultate der Autoren, was besonders auffällig ist, da es sich dabei um einen experimentell leicht und eindeutig herstellbaren Faktor handelt. Nach Baader’) behindert die ‚Steigerung der mittleren Helligkeit der intermittierenden Dunkel- und Hellreize die Ent- stehung einer permanenten Empfindung, nach Feststellungen von Marbe‘), neuerdings auch von Braunstein’) wirkt die Steigerung der mittleren Helligkeit im Gegenteil unterstützend auf die Verschmelzung. Nach Krusius®) nimmt die Verschmelzungs- frequenz bei steigenden objektiven Lichtmengen zu. 1) Exner, Die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. Ber. d. k. u. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien. 1868. 2) Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik Bd. 23 S. 179. 3) Emsmann, Über- die Dauer des Lichteindrucks. Poggendorf’s Ann. XCI. 4) Plateau, Poggendorf’s Ann. Bd. 20. 5) Baader, Über die Empfindlichkeit des Auges zum Lichtwechsel. Dissertation. Freiburg 1890. 6) Karl Marbe, Zur Lehre von den Gesichtsempfindungen, welche aus sukzessiven Reizen resultieren. Wundt’s Philos. Studien Bd. 9 S. 394, 398. 7) E. P. Braunstein, Beiträge zur Lehre des intermittierenden Licht- reizes der gesunden und kranken Retina. Zeitschr. f. Psych. u. Physiol. Bd. 33 Ss. 171f. 1903. 8) F. F. Krusius, Beiträge zur Physiologie und Pathologie der Fusion. Zur Analyse und Messung der Fusionsbreite. Arch. f. Augenheilk. Bd. 61 S. 204 ff. 1908. - Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 475 Neben der mittleren objektiven Intensität der Reize kommt als objektives Moment noch in Betracht die Differenz des Dunkel- und Hell- reizes. Marbe findet, dass die Verringerung der Differenz zwischen einzelnen Reizen das Verschmelzen begünstigt. Schenk !) und Braun- stein?) finden aber bei einer experimentellen Nachprüfung, dass das weitere Gesetz von Marbe®) — einem gleichen Reizunterschied ent- spricht eine ungefähr gleiche Intermittenzzahl — sich als unrichtig er- weist. Ausserdem hat Schenk das intermittierende Dunkel-Hell durch entsprechend lange Perioden des objektiv gleichen Graugemisches er- setzt und dabei gefunden, dass „eine ganz mit abwechselnd schwarzen und weissen Sektoren erfüllte Kreiselscheibe geringere Umdrehungs- geschwindigkeiten nötig hat, um gleichmässig auszusehen, als eine nur zur Hälfte mit gleichmässigem, dem Sektorgemisch gleich hellem Grau erfüllte Scheibe“ ?). Die Beschaffenheit der Kreiselscheibe hat sich überhaupt von Einfluss auf die Verschmelzungsfrequenz erwiesen. Bei Beobachtung von Scheiben mit gleich grossen, abwechselnd schwarzen und weissen Sektoren hängt die Zahl der zur Verschmelzung gerade hinreichenden Perioden von der Zahl der Sektoren ab und wächst mit derselben, wie zuerst Filehne5) gefunden hat, bis 75 in einer Sekunde. Die Er- klärung dieser Tatsache aber ist bei einzelnen Autoren ebenso- wenig übereinstimmend wie die schlichten Konstatierungen von gesetz- mässigen Zusammenhängen. So hat Marbe besonders eingehend zu begründen gesucht, dass die Bewegungen der Konturen, welche die Grenzen einzelner Sektoren bilden, von entscheidendem Einfluss auf die Vergrösserung der Verschmelzungsschwelle sind. Bei gleicher Periodenzahl dreht sich die Scheibe mit vielen Sektoren langsamer als die mit wenigen. Daher bewegen sich auch die Konturen lang- samer und behindern dadurch die Entstehung der permanenten Empfindung‘). Schenk dagegen tritt für den Einfluss der unbewusst ausgeführten kleinen Augenbewegungen ein”), die auch Helmholtz 1) Schenk, Über intermittierende Netzhautreizung. Pflüger’s Arch. Bd. 68 S. 36 ff. 2) Braunstein, |. c. S. 191. 3) Karl Marbe, Neue Versuche über intermittierende Gesichtsreize. Wundt’s Philos. Studien Bd. 13 S. 113. 4) Schenk, ].c. S. 54. 5) Filehne, v. Graefe’s Arch. Bd. 31 Abt. 2 S. 20. 6) Vgl. Karl Marbe, Theorie des Talbot’schen Gesetzes. Wundt’s Philos. Studien Bd. 12 bes. S. 288—291. 7) Schenk, Pflüger’s Arch. Bd. 64 S. 165. 476 A. A. Grünbaum: ‚als ungünstig gefunden hat für die Verschmelzung, Marbe!) aber wieder bestreitet, dass es Schenk gelungen ist, den Nachweis der Augenbewegungen zu liefern, wogegen sich natürlich Schenk?) wiederum wendet. Braunstein zum Schluss bestreitet die Be- funde von Schenk. Dasselbe unerfreuliche Bild der Unstimmigkeit findet man bei der Frage, ob die Intermittenzzahl durch den Simultankontrast der flimmernden Fläche mit der Umgebung beeinflusst wird. Baader hat eefunden, dass der Simultankontrast keinen Einfluss auf die Verschmelzung ausübt. Schenk hat dies Resultat unter Variation der Versuchsbedingungen bestätigt, wogegen aber Sherrington?) die Wirkung des Simultankontraktes hervorheben muss. Schenk glaubt, dass Sherrington den Einfluss des Kontrastes nicht auf das feinere Flimmern festgestellt, sondern auf das gröbere Flackern nachgewiesen hat. Braunstein wiederum findet, dass „diese Ver- mutung Schenk’s wenig begründet ist“. Etwas erquicklicher sieht die Sache aus bei der Frage nach dem Einfluss der farbigen Qualitäten der Reize auf die Verschmelzungs- frequenz. Plateau findet, dass die Intermittenzzahl sinkt in der Reihe von weiss, gelb, rot und blau. Bellarminoff*) stellt die Reihenfolge auf: weiss, gelb, rot, grün, blau und violett. Emsmann setzt in dieser Reihenfolge bloss an erste Stelle gelb. Braunstein schliesst sich Bellarminoff an. Der Einfluss der retinalen Stelle auf die Verschmelzungsschwelle ist wiederum von den Autoren verschiedenartig beurteilt worden. Rupp°) fand, dass die permanente Empfindung leichter auf der Peripherie als auf den zentralen Stellen entsteht. Exner‘) stellte dagegen früher fest, dass die Intermittenzzahl mit der Annäherung an die Peripherie wächst und übte später’) Kritik an Rupp- schen Aufstellungen. Bellarminoff vermittelt gewissermaassen 1) Marbe, Wundt’s Philos. Studien Bd. 14 S. 394f. und Zeitschr. f. Psychol. Bd. 13 S. 365ff, Bd. 16 S. 438 ff. 2) Schenk, Pflüger’s Arch. Bd. 68 S. 40 ff. 8) Sherrington, Journ. of Physiol. vol. 21 p. 165 f. 4) Bellarminoff, Über intermittierende Netzhautreizun.. Graefe’s Arch. Bd. 35 Abt. I. 1889. | BE 5) Rupp, Über die Dauer der Nachempfindung usw. Diss. Königsberg 1869. 6) Exner, |. c. NR Br 7) Exner, Bemerkungen über intermittierende Netzhautreizungen. Pflü- ger’s Arch. Bd. 3. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 477 zwischen beiden widersprechenden Befunden, indem er zeigt, dass bei schwächeren Beleuchtungen die Angaben von Exner, bei stär- keren dagegen die Resultate von Rupp stimmen können. Braun- stein beobachtet, dass das Zentrum der Retina bei gutem zerstreuten Lichte gegen die intermittierenden Reize empfindlicher ist, als die Peripherie, wobei der temporale Teil der letzteren empfindlicher ist als der nasale. Bei herabgesetzter Beleuchtung und dunkeladaptiertem Zustande des Auges findet Braunstein, dass die Empfindlichkeit des Zentrums der Retina für intermittierenden Reiz sich dem O nähert, in der Richtung zur Peripherie, wo die Stäbehenschicht gelagert ist, sich dagegen steigert. Schatternikoff!) findet ebenfalls in Übereinstimmung mit v. Kries’schen Anschauungen von der Funktion der Stäbchen, dass Verschmelzungsfrequenz mit zunehmender Dunkeladaptation herunter- rückt. Der objektiv gleiche Vorgang am helladaptierten Auge zeigt noch deutliches Flimmern, während das dunkeladaptierte Auge, wie- wohl es natürlich eine beträchtlich grössere Helligkeit sieht, kein Flimmern mehr wahrnimmt. In Analogie damit ist, wie v. Kries?) hervorhebt, die mathematische Formel von Porter?) zu setzen, der die Abhängigkeit der Verschmelzungsfrequenzen proportionul dem Logarithmus der angewandten Lichtstärken setzt, mit dem Unter- schied nur, dass für grössere. und kleinere Helligkeiten zwei der Ordnung nach verschiedene Koeffizienten eingesetzt werden müssen. Erwähnen wir schliesslich noch einige theoretischen Diskussionen zur Lehre von Flimmererscheinungen, die in der Literatur ver- treten sind. Über den Entstehungsort sind die Autoren ebenso uneinig wie über die psychophysische Formulierung der schein- baren Helligkeit der permanenten Empfindung. Für den peri- pheren Ursprung des ruhenden Eindruckes spricht sich Exner aus, für seine zentrale Bedingtheit Filehne. Die scheinbare Helligkeit wird meistens nach dem Talbot’schen Gesetz formuliert, nach welchem der kontinuierliche Eindruck demjenigen gleich ist, der entstehen würde, wenn das während einer jeden Periode eintreffende Licht gleichmässig über die ganze Dauer der Periode verteilt würde. l) Schatternikoff, Über den Einfluss der Alaptation auf die Er- scheinungen des Flimmerns. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 29 S. 241 ft. 9) v. Kries, Über die Wahrnehmung des Flimmerns durch normale und durch total farbenblinde Personen. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 32 3. 113. 3) Porter, Proc. of tbe Roy. Soc. London vol. 70. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 32 478 A. A. Grünbaum: ‚Dagegen hebt A. Fick!) hervor, dass in einem gewissen Bereiche die mittleren Helligkeiten des intermittierenden Lichtes im Vergleich zum dauernden Licht zu hell erscheinen. Auch Grünbaum]?) stellt fest, dass bei hohen Intensitäten die intermittierenden Lichter zu hell erscheinen. Lommer und Brodhun?) bestätigen dagegen die Richtigkeit des Talbot’schen Gesetzes. Auch die Hypothesen über die Form der entsprechenden Erregungskurve &ehen auseinander. Darin wiederholt sich in typischer Form die ganze Problemlage. Schliesst man diesen summarischen Überblick über die Probleme und Ergebnisse der bisherigen Forschung im Gebiete der Flimmer- erscheinungen, so sieht man, dass, obgleich die vornehmlichsten Bemühungen auf die Feststellung der objektiv messbaren Bedingungen und Verläufe für die Verschmelzung und die quantitativen Ausdrücke ihrer Schwelle gerichtet sind, die Resultate in erdrückender Anzahl der entsprechenden Untersuchungen völlig divergieren. 2. Die psychologische Problemlage. Es entsteht daher die berechtigte Frage, ob dieses obgleich nicht durch ein weil zu ersetzen ist; ob die Ursache dieser Un- stimmigkeit nicht gerade in dem Umstand zu sehen ist, dass in der Tendenz nach objektiven Feststellungen man die psychologischen Charaktere der Flimmererscheinungen, die Mannigfaltiekeit und die Schwierigkeit der Feststellung ihrer Erscheinungsweisen und schliess- lich die psychophysischen und -physiologischen Bedingungen der Schwellenvariation vernachlässigt hat. Tatsächlich ist fast in allen diesbezüglichen Untersuchungen, die in erster Linie rein physikalisch-physiologisch orientiert sind, die stillschweigende Voraussetzung gemacht worden, dass das Auftreten und Verschwinden des Flimmerns als einer auffälligen und objektiv eindeutigen Erscheinung einen konstanten Ausgangspunkt für das Studium intensiver und zeitlicher Zusammenhänge zwischen den Reizen und Erregungen bildet. Die Bevorzugung der Flimmerphotometrie zur Bestimmung der Helligkeiten verschiedener Farben beruht gerade darauf, dass das 1) A. Fick, Über den zeitlichen Verlauf der Erregung in der Netzhaut. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1863, 2) O.F.F.Grünbaum, On intermittent stimulation of Ihe retina. . Journ. of Physiol. vol. 22 p. 433 ff. 3) Lommer und Brodhun, Zeitschr. f. Instrumentenkunde Bd. 16. 1896. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 479 Eintreten des Flimmerns als eines „Geschehens“ innerhalb einer statischen Auffassung weniger der subjektiven Unsicherheit ausgesetzt ist, als einfacher Vergleich zwischen Farbe und einem Graugemisch. Doch gerade diese Voraussetzung bedarf einer gründlichen prak- tischen und theoretischen Prüfung. Denn erstens ist es keinesfalls gesichert, dass wir bei dem Intermittenzverfahren wirklich von einer permanenten Empfindung ausgehen. Es ist theoretisch nicht notwendig anzunehmen, dass die sogenannte permanente Empfindung, die auf Grund einer raschen Intermittenz der Reize entsteht, derjenigen permanenten Empfindung in ihrer Erscheinung und Nachwirkungen gleiche, die ununterbrochener Wirkung eines Reizes entspricht. (Vgl. dazu die etwas anders orientierte Auffassung von v. Kries in Nagel’s Handbuch der Physiologie. Bd. III. S. 252 f.) Aber auch ohne dies ist die Eindeutigkeit des Flimmerns als einer in der sub- jektiven Auffassung gegebenen Erscheinung tatsächlich von niemanden erwiesen worden. Dagegen war schon bei der Kontroverse zwischen Schenk und Sherrington von einer :Seite darauf hingewiesen worden, dass unter Flimmern vielleicht Doppeltes verstanden ist: grobes Flackern und feineres Flimmern, welches eigentlich dasjenige ist, was der stetigen Empfindung unmittelbar vorangeht. Doch wird vielen vielleicht schon aufgefallen sein, das ein solches unmittelbares Vorausgehen nicht beobachtet werden kann, da es keine scharfe Grenze zwischen Unruhe- und Ruheeindruck gibt (wie zum Beispiel Krusius a. a. O. S. 222 meint). Der praktische Wert der messen- den Flimmermethoden ist daher ein sehr zweifelhafter. Aber wenn es auch möglich wäre, Flimmer- und Ruheeindruck scharf von- einander zu trennen, so würde in der Auffassung noch immer Zwei- faches durcheinander gemenst sein: die Unmöglichkeit der Erkennung der Unterschiede zwischen zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen einer veränderlichen Erscheinung und eine positive Konstatierung einer Stetickeit in der Erscheinung. Das erste wäre als eine Insuffizienz unseres Unterscheidungsvermögens gegenüber einer emp- findungsmässig noch gegebenen Verschiedenheit und Diskontinuität zu bezeichnen, das zweite dagegen als ein richtiges Urteilen über physiologisch fundierte Stetigkeit. Das erste ist somit eine negative Bestimmung, das zweite eine positive Feststellung. Die Leistung der Erkennung kann durch eine besonders gute Disposition oder momentane Anspannung der Aufmerksamkeit gesteigert werden, die Konstatierung der Stetigkeit beruht dagegen nicht so sehr auf einer SDR: 480 A.A.Grünbaum: gesteigerten geistigen Fertigkeit als auf der inhaltlichen Grundlage des psychophysischen Bestandes — nämlich auf der rein sinnlich gegebenen und in der Funktion des optischen Apparates bedingten Stetigkeit. Wird die eine oder die andere Einstellung eingenommen, so verändert sich die ganze psychische, Situation für die anscheinend so einfache Bestimmung und damit die vermeintliche Grenze zwischen Stetiekeit und Flimmern. (Ich werde die Tatsächlichkeit dieser Be- hauptung durch Beobachtungen stützen können.) Die psychophysische Wirksamkeit der positiven oder negativen Einstellung dürfte in der Form der sogenannten Aufmerksamkeitsablenkungen ziemlich be- kannt sein. Dass der Einfluss dieses Faktors auf die Flimmer- erscheinungen nicht in Betracht gezogen worden ist, entspricht wohl der allgemeinen Tendenz, in unserem Gebiete die objektive Seite zu untersuchen. Inwieweit dadurch gerade die objektiven Daten geschädigt sind, zeigt das in der Einleitung skizzierte Bild der Widersprüche unter einzelnen Autoren. Diese Widersprüche dürften schliesslieh hauptsächlich auf dem erstaunlichen Umstand beruhen, dass in der Mehrzahl der Fälle keine gesicherten allgemeinen Methoden der Herstellung der Flimmererscheinungen angewandt worden sind und die Messungen jedesmal nach einer anderen, psychophysisch nicht ge- prüften und nicht den anderen gleichgesetzten Methode vorgenommen worden sind. Ich erwähne zur Illustration nur einige der allerneuesten Arbeiten, die sicher an die von psychologischer Seite schon längst erarbeiteten psychophysischen Erfahrungen anknüpfen könnten. So geht zum Beispiel Polimanti!) von den überschüssig grossen Geschwindig- keiten aus, bei denen die Verschmelzung schon längst erreicht ist, und reguliert seinen umdrehenden Motor so lange, bis die Grenze des Flimmerns erreicht ist. Schatternikoff scheint dagegen von dem Flimmerzustand auszugehen. Er sagt weniestens in Hinsicht auf diese Frage folgendes: „Es ist nämlich leicht, durch das Variieren des Wider- standes diejenige Grösse desselben zu finden, bei welcher die Ge- schwindiekeit des Elektromotors eben ausreicht, um das Flimmern zum Verschwinden zu bringen.“ (Gesperrt A. G.) (8. 244.) Bei dem ersten Autor erfahren wir nicht, wie lange die Ver- suchsperson das stetige Lieht beobachtet hat, und wie lange sie beim Zustande des Flimmerns verweilt, um die Feststellung zu voll- 1) Polimanti, Über die sogenannte Flimmerphotometrie. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 19. Psychopbysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 481 ziehen, und ob jeder Versuch dieselben Zeiten in Anspruch nimmt. Beim zweiten Autor ist nicht angegeben, ob der Ausgangs- zustand immer dasselbe Stadium des Flackerns bildete. In beiden Fällen ist daher der Zweifel von der Konstanz der psycho- physischen Bedingungen in jedem einzelnen Fall und ihre Gleichheit in beiden Fällen berechtigt. | Braunstein wiederum arbeitet, soweit aus der Darstellung erschliesslich, mit sinkender Geschwindigkeit der Umdrehung, indem der Strom beim ersten (gesperrt A. G.) Auftreten des Flimmerns ausgeschaltet wird. Inwieweit dies Verfahren, bei welchem die Versuchsperson keine Zeit hat, um sieh in ihrer Schwellen- bestimmung zu vergewissern, zu genügenden psychophysischen Resul- taten führen kann, hat der Autor nicht geprüft. Eine korrektere, aber wiederum einen Vergleich mit Resultaten nach anderen Methoden erschwerende Methode wurde von Marbe angewandt. Er ging vom Flimmern zum Verschmelzungszustand über, indem er den Versuch jedesmal unterbrach und eine neue Geschwindigkeit einstellte. Die Versuchsperson hatte die Aufgabe, festzustellen, ob „es fimmert“ oder nicht. Da aber dabei kein kon- tinuierlicher Übergang vom Flimmern zum Ruheeindruck innerhalb eines jeden Versuches stattfand, war die Versuchsperson wahrscheinlich ausserstande, immer denselben Zustand als Verschmelzung anzugeben und die an sich sehr unsichere Bestimmung an einer konstanten Empfindung zu prüfen. Die Streuung der Werte dürfte daher bei diesem Verfahren nicht klein sein. Marbe hat übrigens in späteren Verfahren noch ein ruhendes Vergleichslieht exponiert. Der in stetiger Polemik mit Marbe sich befindliche Schenk hat nicht einmal dieselbe Methode der Prüfung angewandt. Die Metheden unterscheiden sich wie folgt: Bei Marbe’schen Verfahren haben wir erstens mit einem Darbietungsverfahren zu tun, in dem der Versuchsleiter und nicht die Versuchsperson die bestimmte Reizfrequenz einstellt. Zweitens ist die Darbietung in jedem ein- zelnen Fall konstant, da die Reizfrequenz dabei nicht verändert wird. Drittens ist die Abstufung der Reizfrequenzen, die ausserhalb der Prüfung geschieht, diskontinuierlich und nicht natürlich, daher unwissentlich geordnet. Schenk dagegen gebraucht ein Verfahren, das dem Marbe’schen in keinem dieser Punkte gleicht. Bei ihm dreht der Beobachter selbst die Scheiben, womit ein Her- stellungsverfahren eingeleitet ist. Innerhalb jedes einzelnen 482 A. A. Grünbaum: Versuches wurde die Scheibe langsamer oder schneller gedreht, was eine Veränderungsmethode bedeutet. Weiter war hier ein kontinuierlicher und wissentlicher Modus verwirklicht. Und schliesslich handelte es sich dabei um ein Verfahren einer un- geordneten Variation der Geschwindigkeiten in demselben Versuch, da „sobald der Beoachter gleichmässige Empfindung hatte, drehte er etwas langsamer, trat danach das Flimmern auf, so drehte er sofort etwas schneller. In dieser Weise wurde etwa 1 Minute hindurch beobachtet“. (Pflüger’s Arch. Bd. 67 S. 170.) Dass jede von diesen verschiedenen Methoden eine Veränderung der Schwellenwerte mit sich bringen muss, ist auf Grund der allgemeinen psychophysischen Erfahrungen von vornherein zu erwarten. Diese Erfahrungen haben ja gerade zum Problem der Korrelation der verschiedenen Methoden eeführt. In unserem Gebiete dürfte die Verschiedenheit der Methoden eine besonders grosse Variation der Schwellenwerte mit sich bringen, da mit der Veränderung der Me- thode nicht bloss eine Veränderung der Verhaltuugsweise der Ver- suchsperson und der subjektiven Einstellung gebracht wird, sondern auch eine ziemlich ungeklärte Veränderung im physiologischen Substrat, wie ich im folgenden einzeln und experimentell dartun werde. Die Verwicklung der physiologischen Verhältnisse leuchtet schon aus dem Umstand ein, dass die Beeinflussung des momentanen Zustandes durch die vorhergehende Periode verschieden ausfallen muss, je nachdem diese Periode aus einem Ausruhen vom Reize, einem kon- stanten oder einem intermittierenden Reiz bestand. Dass diese Ver- änderung des physiologischen Substrates durch vorhergehenden Reiz auch je nach der Einwirkungszeit verschieden ausfallen wird, muss angenommen werden auf Grund der allgemeinen Eigenschaften der lebendigen Substanz. Und so ist es von vornherein zu vermuten, dass bei dem Scehenk’schen gemischten Verfahrer, bei dem die Gesehwindiekeit der Intermittenz hin und her gewechselt wird, eine erosse Streuung der Werte stattfindet. Die von Schenk an- geführten Beispiele illustrieren am besten die Unvollkommenheit des angewandten Verfahrens. So findet der eine Beobachter in vier Einzelversuchen folgende Periodenzahlen, die zur Verschmelzung führen: 48 — 42,4 38,0 48 — Dies bedeutet die mittlere Varation um den Mittelwert (44,1) von 5,1 bei einer Abweichung der extremen Werte voneinander um zehn Perioden pro Sekunde! Einen erschwerenden psychologischen Faktor Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 483 bei dieser Unbeständigkeit der Einzelwerte, die auf dieselbe Er- scheinung bei denselben (?) objektiven Bedingungen sich beziehen, bildet folgender Umstand: bei dem Herstellungsverfahren muss die Versuchsperson mit einer Verteilung der Aufmerksamkeit auf zwei ver- schiedene Tätigkeiten arbeiten. Dadurch wird die subtile Erscheinung unter einer Lockerung der Aufmerksamkeit und unter keiner Kon- trolle zugänglichen Labilität dieser subjektiven Bedingung beobachtet. Ähnliches gemischtes Verhalten benutzt Krusius: „Es wurde immer eine überschwellige Verschmelzungsgeschwindigekeit eingestellt und dann nach erreiehter Adaptation mit der Rotationsgeschwindig- keit der Scheibe heruntergegangen, bis das erste leise Flimmern merklich wurde. Nunmehr wurde bei feinstem Regulierungs- spiel einige Minuten (A. G.) gewartet, bis die Adaptation auf die Helliekeit und diese Intermittenzfrequenz als konstant an- zunehmen war und die entsprechende Notierung gewonnen“ (a. a. 0. S. 225). Daraus ist zu ersehen, dass die Bestimmung der Schwelle von oben, das heisst von der sogenannten stetigen Empfindung aus dureh sinkendes Verfahren gewonnen wurde und einige Minuten eingehalten wurde, so dass nur ein feines Regulierungsspiel der Ge- schwindiekeit genügte, um die Schwelle auf dieser Höhe zu erhalten. Auf Grund weiter mitzuteilender systematischer Versuche bezweifle ich diese Möglichkeit, da beim Ausgang von stetiger Empfindung die Schwelle ständig bis zu einem gewissen Wert durch den Zeit- faktor verschlechtert wird. Aber auch entsprechend den allgemeinen psychophysischen Erfahrungen über die Verschiedenheit der Schwellen- werte je nach dem Ausgang von unterschwelligen oder überschwelligen Werten war zu erwarten, dass auch die Grenze zwischen kontinuier- licher und diskontinuierlicher Empfindung verschieden ausfallen wird, je nachdem, ob man sich vom Flimmern dem permanenten Eindruck nähert oder von der Wahrnehmung der Konstanz zum Fiimmern hinübergeht. ‘Die Beantwortung dieser Frage musste zugleich entscheiden, welehe Methode die sichersten quantitativen Resultate liefert und den Einfluss des Zeitfaktors auf das Minimum reduziert. Gleich- zeitig aber war durch planmässige Variation den physiologischen und psychischen Faktoren, die in einem gewissen Grade schon die Variation der Methoden mit sich brinst, der Weg: gewiesen zur Bestimmung des Zusammenhanges zwischen den beiden Arten der Faktoren. Die erste Aufgabe war daher für mich die Herstellung einer möglichst einwandsfreien äusseren Versuchsanordnung, die zweite Auf- 484 A. A. Grünbaum: ‚gabe, mit Hilfe derselben Anordnung eine möglicht vollkommene Be- schreibung der Mannigfaltiekeit der Flimmererscheinungen zu liefern. Eine psychologische Analyse der Maassmethoden. und Variation der objektiven Bedingungen der Messungen war die dritte Aufgabe zwecks Sicherstellung desjenigen Verfahrens, welches bei der selb- ständigen Variation der Versuchsbedinguneen die brauchbarsten Werte uns liefern könnte. Mit Hilfe desselben werden wir dann alle weiteren Untersuchungen anzustellen haben von denen in dieser Studie besonders das Problem der optischen Ermüdung als eines das Ver- schmelzen besonders begünstigender Faktors behandelt werden soll. 3. Die äusserliche Versuchsanordnung. Iufolge des freundlichen Entgegenkommens des Herrn Professor G. v. Rijnberk war es mir möglich, eine genügende technische Apparatur und Konstanz der äusseren Bedingungen herzustellen. In einem völlig abgeschlossenen, mattschwarz gestrichenem Raume wurde unsere Anordnung aufgebaut. Die Flimmererscheinung wurde hergestellt durch intermittierendes Abschliessen einer ruhenden kon- stanten Lichtquelle. Diese war gegeben durch eine Nernst-Lampe, die an einem Ende des Kastens mit einschiebbaren gleichen Matt- scheiben zur Abstufung der Helliekeit sich befand. Am anderen Ende des Kastens wurde ein Flüssigkeitsfilter eingesetzt, dessen Ausschnitt die weissleuchtende, der Versuchsperson zugewandte Fläche bildete. Die intermittierende Abschliessung dieses Ausschnittes geschah mit Hilfe einer dieken rotierenden Messingscheibe mit zwölf ausgestanzten Sektorenausschnitten. Die Scheibe wurde auf chemischem Wege geschwärzt und hinter ein diekes Filzkissen gesetzt. Die ständige leichte Reibung an diesem mit einem Ausschnitt für die Durch- lassung des Lichtes versehenen Kissen leistete Gewähr für eine völlige optische Gleichmässigkeit der mattschwarzen Fläche. Da, wie schon Schenk gefunden hat, die zeichnerischen Unsauberkeiten der Dreh- scheibe und verschiedene Reflexe von derselben eine schwer kontrollier- bare und feststellbare Steigerung der Verschmelzungsfrequenz mit sich bringen, habe ich noch folgende Vorsichtsmaassregel getroffen. Die Mattscheibe befand sich am Ende einer kleinen Dunkeltonne, _ und die Versuchsperson wurde in einem grösseren Abstand davon gesetzt. Das Schwarz, welches die Versuchsperson dann beobachtete, musste ihr nahezu absolut dunkel erscheinen und auf jeden Fall sah sie eine völlig gleichmässige schwarze Fläche vor sich. Die leuchtende Fläche wie das Schwarz erschienen in der Umgebung eines vorn Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 485 aufgestellten weissen Schirmes, der die ganze Apparatur verdeckte und mit Hilfe einer über den Kopf der Versuchsperson gesetzten und abgedeckten, abstufbaren Lichtquelle in seiner eigenen Beleuchtung variiert wurde. Man muss noch einige Worte über die Form des Schirm- ausschnittes und der ausgestanzten Sektoren sagen. Da die Sektoren- ausschnitte der Drehscheibe die Form X hatten, so habe ich, nach einigen Proben mit verschiedenen Schirmausschnitten gleiche Form für den letzten am zweckmässigsten gefunden. Das Abschliessen und Aufdecken der leuchtenden Fläche geschieht bei dieser Korrespon- denz auch bei langsamerer Intermittenz ziemlich gleichzeitiginderganzen Längsdimension des Ausschnittes. Bei gewählten kleinen Quer- dimensionen des Ausschnittes kann man nahezu von einem praktisch momentanen Vorgang sprechen so dass das Flackern und seine all- mähliche Veränderung bis zur konstanten Empfindung objektiv die sanze Fläche gleichmässig betreffen musste. Bei anderen Formen des Ausschuittes, wie man es leicht sehen kann, verteilt sich das Flimmern nicht gleichmässig über die ganze Fläche. Die obere Ecke rechts erscheint zum Beispiel dunkler als die untere links und bietet schon eine gleichmässige ruhende Emp- findung, während die untere noch flimmert, usw. Vordem Anfang des Versuches wurde unser leuchtender Ausschnitt verdeckt durch einen kleinen Schirm, der die Konturen des zu beobachtenden Loches noch erkennen liess, so dass die Versuchsperson von vornherein auf das- selbe sich einstellen konnte. Durch eine Handhabe konnte man diesen kleinen Schirm momentan weeräumen. Um die Kopfbewegungen auszuschliessen, wurde das Kinn der Versuchsperson durch einen be- quemen, einfassenden Kinnhalter gestützt. Ich gebe (Fig. 2 S. 487) die Skizze der räumlichen Verteilung der Aufstellung und ergänze die Beschreibung des Apparates durch Auf- zeichnung einer mechanischen Einrichtung zur kontinuierlichen Abstufung der Uıindrehungsgeschwindigkeit des Episkotisterrades während des Versuches selbst. Die einfache, nach meinen Angaben von unserem Laboratoriums- mechaniker A. Wismeier verfertigte Einrichtung bestand in folgen- dem: (Fig.1S.486) Die Transmission eines Gleichstrommotors von der Art, wie sie bei der Wertheim-Salomonson’schen Zeitschreibung gebraucht werden, ist verbunden mit einer Metallscheibe A. Die Scheibe 5 mit eingeritztem Rande, welche mittels Reibung von der Scheibe A in Bewegung gesetzt wird, verschiebt sich längs des 486 S N ® 7 URS] esse [EX SB=EEz TI, HN NN AI N JERL N Ih NN; Em VZO Zzze [In] 4 2 z S G 2 2 N Dal, N AIIIIIIINENE S & NIS N RS IIND) a 7777070010000 UL SA eree M 9) MN Aa A [02 DM Fig. 1. A.A. Grünbaum: Radius a und verändert somit ihre Umdrehungsgeschwindigkeit, welche nahe des Zentrums 0 —0 ist und der Peripherie zu im ein- fachen Verhältnis zur Vergrösse- ae, rung des Bruches am steigt. Die 1 Verschiebung der Scheibe B ge- schieht durch manuelle Umdrehung der Kurbel C am entgegengesetzten Ende des Apparates, wobei das Transmissionsrad D, wel- ehes zur Episkotisterscheibe führt, ständig auf seinem Platz bleibt. Beides wird be- wirkt durch folgende Einrichtung: Durch Umdrehung der Kurbel C wird die Schraube E in ihrem mit einem Schraubengang versehenen Lager F hinein- und herausgescho- ben. Dadurch wird die Achse GG in beiden Richtungen bewegt. Ihre Umdrehung während dieser Ver- schiebung wird nicht behindert, da sie mit der Schraube E& mit Hilfe der Stifte J«J lose verbunden ist, welche in eine rineförmige, in der Umdrehungsrichtung lie- gende Rinne C bloss hineinragen. Anderseits kann die Transmission D sich bloss umdrehen und nicht ver- schieben, in der Längsrichtung, da sie an die Umdrehung von der Achse @@ mit Hilfe der Stifte XX verbunden ist, welche in eine Länesrinne S hineinpassen, so dass sie mit der Umdrehung der Achse mitgenommen werden, die Ver- schiebung derselben aber nicht Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 487 behindern. Die Transmissionseinrichtung D ist befestigt zwischen den Lagern Zund Z. Der Ring M, der bloss in der Umdrehungsrichtung der Achse lose siuzt, trägt einen Zeiger, welcher erlaubt,die momentane Stel- lung der Scheibe am Millimetermaassstab N abzulesen. Die Ständigkeit der Reibung beider Scheiben A und B wird reguliert durch eine Feder P, die um die Achse g der Scheibe A angelest ist. Bei absoluter Fixa- tion aller Teile der Apparatur und einer ziemlich losen Anlegung guter Übertragungsriemen ist die Geschwindigkeit der Umdrehung praktisch in ihrer Konstanz sehr brauchbar. Eine Prüfung der Konstanz und Grösse der Geschwindigkeiten bei verschiedener Stel- lung der Scheibe B geschah mittels der graphischen Methode, indem En | Fig. 2. an einer Kymographiontrommel durch die Stimmgabel-Zeitschreibung die Zeiten einzelner Umdrehungen des Episkotisters durchgezogen waren. Das letzte geschah mittels einer fest mit der Achse des Epis- kotisters verbundenen Zeigers, der bei jeder Umdrehung der Achse die Fläche der Trommel tangiert hat. Anbei teile ich die Werte für die Umdrehungsgeschwindiekeiten der Episkotisterscheibe bei derselben Stellung des Transmissionsrades mit. Diese Werte sind an verschiedenen Abschnitten einer Kontrollreihe abgelesen. (Kolonne 2 der beigegebenen Tabelle I.) Man kann sich leicht einer leidliehen Konstanz der Einzelumdrehungen vergewissern. Daneben in der Kolonne 3 die Zahl der Perioden pro Sekunde, die aus den abgelesenen Werten berechnet sind (eine Periode = Dauer des Dunkel- reizes + und des gleich langen Hellreizes).. Die nicht reduzierten Werte sind in der Kolonne 1 angegeben. 488 A.A, Grünbaum: Tabelle I. je 2. 3. Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe N a So ‘ in %/50o Sekunden ausgedrückt Brone SE 6,2 39,2 — 3559 — 39.3 — 39,9 — 35,8 17,0 6,4 33,0 — 33,0 — 33,0 -- 33,0 — 33,0 18,2 6,6 81,0 — 30,0 — 30,5 — 31,5 — 30,0 — 30,5 19,6 6,8 29,0 — 295 — 295 — 295 — 28,8 — 29,0 20,3 7,0 27,0 — 27,0 — 27,0 — 27,0 — 27,0 — 26,0 22,2 1,2 24,5 — 24,5 — 24,0 — 25,0 — 24,5 — 24,0 — 25,0 24,9 ve! 24,0 — 24,0 — 23,8 — 23,7 — 23,5 — 24,0 — 23,5 25,3 1,6 22,5 —.22,39 — 22,9 — 22,6 — 22,6 — 22,7 — 23,0 26,6 71.8 a an mama a 272 8.0 as Do a an a 28,6 82 19,0 — 19,5 — 19,5 — 19,5 — 20,0 —- 19,5 — 20,0 50,8 8,4 18,0 — 18,0 — 18,0 — 18,0 — 18,0 33,3 8,6 17,5 — 17,5 — 17,5 — 17,2 — 172 — 17,5 34,2 8.8 17,0 — 17,0 — 17.5 — 17,0 — 17.0 -— 16,5 39,9 9,0 16,5 — 16,6 — 16,38 — 164 — 16,5 36,0 9,2 16,4 — 16,3 — 16,2 — 16,2 — 16,1 37,0 94 1 ae aa ae se 38,0 9,6 Ba a a en 20 9.8 1 es Al 10,0 14,0 — 14,0 — 14,0 — 13,5 — 14,5 — 14,0 49,85 10,2 Boa 1 43,5 4. Beschreibung der Flimmererscheinungen. Das durchfallende Licht, welches wir in unserer Anordnung ge- brauchen, gewährt die Möglichkeit einer sehr scharfen Beobachtung aller Veränderungen ir ‚dem Blickfeld. Schaut man bei kleinen und mittleren Helligkeiten in das ruhend leuchtende Loch hinein, so er- scheint die Fläche durchsiehtig und „luftig“. Sie ist nicht wie die feste Grenze eines Körpers gefärbt, sondern gibt vielmehr den Ein- druck einer quasidurchsichtigen Raumfarbigkeit, einer milchig leuch- tenden Ausfüllung eines diesdimensionalen Raumes. (Einen ähnlichen Eindruck des quasidurchsichtigen Raumes bekomme ich stets bei der Beobachtung farbiger Nachbilder. Besonders stark ist der beschriebene Eindruck, wenn das Nachbild nicht direkt auf einen grauen Schirm projeziert wird, sondern vor demselben [bei einer nickt scharfen Fixation eines näherliegenden Punktes] zu schweben scheint.) Dieser eigentümliche homogene Durchsichtigkeitseindruck erleidet bei immer rascher. intermittierender Abdeckung mit der Episkotisterscheibe folgende Stadien der Veränderung, vorausgesetzt eine kleine oder mittlere Helligkeit des Blickfeldes. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw, 489 1. Bei sehr langsamer Drehung der Scheibe findet zuerst keine Erscheinung statt, die eine optisch einheitliche Veränderung dar- stellt. Es ist kein Geschehen, welches das Blickfeld als solches in seiner Ganzheit betrifit; es findet vielmehr bloss eine Verschiebung von dunklen Konturen in bestimmter Richtung statt, wobei diese Konturen einander im Bliekfelde immer ablösen. Die Veränderung der Intensität lässt sich in der Fläche des Blickfeldes an bestimmten Stellen desselben lokalisieren, ebenso werden einzelne Phasen in der Zeit auseinandergehalten. Es findet weder eine wirkliche Zusammen- fassung der geschehenden Veränderung zu einem Bilde statt, noch müssen die einzelnen Konturen in ihrer Bewegung von den anderen positiv, aktiv unterschieden werden. Man könnte sagen, es findet in diesem ersten Stadium kein gestaltendes A uffassen, sondern bloss ein schlichtes Erfassen statt. 2. Bei einer weiteren minimalen Vergrösserung der Scheiben- geschwindigkeit tritt folgendes auf: es ist nicht die Bewegung der Kon- turen, die gesehen wird, sondern ein ruhiges, das ganze Blick- feld betreffendes Abdecken. Visuell tritt somit eine Erschei- nung auf, die für die Auffassung eine Einheit darstellt. Die Verändernug betrifft aber nicht die gesehene räumliche Farbiekeit unmittelbar als solche, sondern ist als ein selbständiges „Etwas“ aufzufassen, welches die ruhige Raumfarbigkeit oder Raumbhelliekeit in der Zeit ablöst. Manchmal gelingt es, dieses Ablösen als einen Rhythmus aufzufassen nach der Analogie mit den akustischen. Rhythmen. Jedenfalls macht der Vorgang keinesfalls einen beunruhigenden oder unangenehmen Eindruck der ungleichmässieen und unregelmässigen Veränderung. 3. Weitere, nicht immer gut zu treffende Steigerung der Geschwindigkeit der Intermittenz bringt mit sich dasjenige, was man als Flackern bezeichnen könnte. Es ist ein plötzliches Auf- leuchten und Verdunkeln derselben visuellen Räumlichkeit. Hier liegt keinesfalls ein Rhythmus vor; im Gegenteil, die Erscheinung macht einen unruhigen, unregelmässigen Eindruck. Schenk, der den Namen Flackern gebraucht, benutzt denselben für das Stadium, in dem Weiss und Schwarz als Komponenten des Eindrucks getrennt sind, aber ohne deutliche Trennungslinie. Diese Beschreibung köumten wir auch übernehmen, insofern wir hier schon mit einer Auffassungs- einheit zn tun haben, mit Eindrücken, die denselben visuellen Gegenstand betreffen. Die Veränderungen, die in entgegengesetzter 490 A. A.Grünbaum: Richtung stattfinden — Verdunkelung, Erhellung —, müssen schon positiv auseinandergehälten werden, da sie in dem schlichten ob- jektiven Tatbestand eng miteinander verbunden sind. 4. Nächstes Stadium, welches von 3 nicht immer unterschieden werden kann, charakterisiert sich durch den Verlust des Eindruckes der entgegengesetzten Veränderung. Die optische Vereinheit- lichung ist somit noch weiter fortgeschritten. 5. Erst jetzt, bei einer weiteren Steigerung der Geschwindigkeit, fänst das eigentliche Flimmern an. Am Anfang unserer Studie haben wir die Erscheinung desselben vorläufig als Unruhe, Zittern im visuellen Felde beschrieben. Diese Angabe muss noch durch ‚nähere Bestimmung der Finzelstadien ergänzt werden. Im anfänglichen Stadium des Flimmerns erscheint das Blickfeld ungleichmässig beleuchtet: das Zentrum ist dunkler, die Peripherie im allgemeinen heller. Dabei findet eine Bewegung im Zirkel um das Zentrum statt. Was sich bewest, sagen die Versuchspersonen, ist schwer zu bestimmen. Nach meinen Beobachtungen handelt es sich um eine diffuse Veränderung der Helligkeit, die kontinuierlich die einzelnen Sektoren des Blickfeldes betrifft und auf die Weise einen Beweguneseindruck hervorruft. 6. Im nächsten Stadium des Flimmerns, welches mit Steigerung der Geschwindigkeit einsetzt, ist die gesehene Bewegung schneller. Das Zentrum ist jetzt heller, die Ränder dunkler. Die Helligkeits- veränderungen — als Bewegung aufgefasst — finden jetzt in allerlei Richtungen statt. Das Bild wird sozusagen desorientiert und desorganisiert. Was sich jetzt bewegt, ist deutlich das Dunkel. 7. Jetzt ist das Gesehene — die Bewegung — noch schneller. Die Einzelmomente (Flächenabschnitte, die sich bewegen) sind immer kleiner und weniger voneinander abgegrenzt. Jetzt beweet sich das Helle, weil das Dunkel und Hell eigentlich schon ziemlich aus- geglichen sind und das Gemisch ein Überwiegen des Hellen darstellt. Die Richtungen der gesehenen Bewegung sind ganz verlorengegangen. Es ist nicht so, dass das Flimmern nach allen Richtungen statt- findet oder die Richtungen der Veränderung schwer festzustellen sind, sondern die Richtungsbestimmung ist überhaupt nieht vorhanden, ist ganz herausgefallen aus dem visuellen Tatbestande. Somit ist folgende höchst bemerkenswerte „Degeneration“ des visuellen Bewegungseindruckes durchgemacht worden. Im ersten Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 491 Stadium findet die Erfassung der Bewegungsrichtung statt an einem geometrischen Substrat derselben, im zweiten Stadium fällt sie weg, indes bleibt nur die Bestimmung der Helligkeitsveränderung übrig. Das dritte Stadium bringt in diese Bestimmung das erschwerende Moment der Plötzlichkeit hinein, manchmal auch die Arythmie. Mit Steigerung der Geschwindigkeit in der Ablösung beider Helligkeits- richtungen in der vierten Periode geht Hand in Hand der Verlust der Veränderunesrichtungen. Das fünfte Stadium, das eigentliche Flimmern, bildet eine Erscheinung, die zwar klar und deutlich eine Veränderung visueller Natur darstellt, aber jeder Richtungsbestimmung schon bar ist. Sensu strietiori darf man eigentlich kaum sprechen von einer Kontinuität in der Ablösung eiuzelner Phasen, denn für die Auf- fassung des Beobachters ist in jedem isolierbaren Zeitmoment die Er- scheinung dieselbe. Am schärfsten ist diese Gleichartigkeit des auf- gefassten Bildes — die Homogenität des visuellen Tatbestandes in der zeitlicken Sukzession — ausgeprägt im kritischen Stadium vor der sogenannten Verschmelzung zur permanenten Empfindung. Es ist, als ob ein heller Staub über die gesehene Fläche sich hindurchzieht, als ob die intensiv beleuchtete Fläche durch einen wogenden Flor bedeckt ist. „Sobald helle Streifen über das Feld ziehen, weiss ich, dass das Flimmern bald aufhören wird,“ sagt eine Versuchsperson. In diesem Stadium ist endlich auch der Charakter eines Bewegungs- eindruckes verlorengegangen. Man kann nicht sagen, es bewegt sich etwas, man kann auch nicht sagen, dass das gesamte Feld in einer Bewegung sich befinde; es ist bloss der Eindruck einer eigen- artigen, nicht unangenehmen Unstabilität, die kontinuier- lieh in einen Bewegungseindruck überzugehen vermag. Auf diese Kontinuität in dem Übergang zum ausgeprägten Be- wegunoseindruck, die bei allmählichem Sinken der Reizfrequenz direkt. gesehen werden kann, und daher psychisch-qualitativ ist, lege ich einen besonderen Nachdruck. Denn darin dokumentiert sich erstens die Überführbarkeit der psychophysiologischen Naturen des Be- wegungseindruckes und der Ruheempfindung ineinander, zweitens kann man aber in verschiedenen Stadien der Ausprägung eines Be- wegungseindruckes mit deutlich angegebenen geometrischen Rich- tungen direkt verfolgen die Ausgestaltung einer Bewegung aus primitiven richtungslosen Bewegungsempfindungen. Auf dieser interessanten Angelegenheit brauche ich an dieser Stelle nicht mehr zu verweilen, da sie in meiner Abhandlung: „Über die 492 A. A. Grünbaum: psyehophysiologische Natur des primitiven optischen Bewegungs- eindrueks“ !) ausführlich behandelt ist. Es bleibt uns noch übrig, das sogenannte Stadium der permanenten Empfindung zu würdigen. Ist diese Empfindung in ihrer Erscheinung vollkommen gleichzusetzen dem Eindruck, den man bei konstantem Reiz erhält? In den Bedingungen meiner Versuchsanordnung und in den Um- ständen, wo weder das Auge ermüdet ist, noch die Auffassungsfähigkeit sesunken ist, dünkt es mir manchmal, dass das nicht der Fall ist. Bei den mittleren Helligkeiten des intermittierenden Lichtes, die eine normale „gute“ Helladaptation des Auges verursachen, und in den ersten 15—20 Sekunden der Beobachtung des optimalen Stadiums, welches durch Steigerung der Geschwindigkeit bekommen wird, kann das optimale Stadium nicht als ein absolut konstanter Eindruck beschrieben werden. Die Erscheinung ist eher bloss negativ zu be- stimmen: es will nicht besser werden. Man kann die Ge- schwindigkeit der Intermittenz eine Zeitlang langsam steigern, der Eindruck verbessert sich in Hinblick auf Permanenz nicht, was auch bei der Behandlung der psychophysischen Methode seinen zahlenmässigen Ausdruck bekommt. Hier interessiert uns nur die Tatsache, dass das optimale Stadium in einem qualitativen Zusammenhang mit dem Flimmern und dem kritischen Stadium steht und sich von der absolut stetigen Empfindung manchmal unterscheiden lässt. Worin dieser Unterschied besteht, lässt sich schwer beschreiben, ebenso wie die Verschiedenheit zweier farbiger Qualitäten oder noch besser, des Bewegunes- und Ruheeindruckes. Wollte man den Unter- schied dennoch beschreiben wollen, so wird man vielleicht die Ver- schiedenheit in der Verhaltungsweise des Beobachters suchen können. Dem absolut konstanten Eindruck gegenüber hat der Beobachter nichts auszuführen. Seine Konstatierung ist ein schlichter Bejahungsakt. Das optimale Stadium der Verschmelzung verlangt aber in den ersten 15— 20 Sekunden der Beobachtung manchmal von dem Beobachter eine Art Prüfung; es wird nicht einfach bejaht, es wird bloss nicht mehr unterschieden, was sich früher eben noch so gut unterscheiden liess — nämlich ein optisches Schwanken. Nach einiger Beobachtungszeit allerdings verschwindet der Unterschied zwischen dem optimalen Stadium und dem absolut stetigen Eindruck. Ob aber der erreichte Eindruck der Stetigkeit mit dem Eindruck der Durchsichtiekeit und 1) Folia Neurobiologica Bd. 9 H. 6/7. 1915. Psychophysische und psychophysiologische‘ Untersuchungen usw. 493 Räumlichkeit, den der ruhige Lichteindruck aufweist, noch verbunden ist, vermag ich zurzeit nicht zu entscheiden. (Eine eigene Versuchs- reihe mit besonderen Bedingungen des Vergleichs habe ich schon in Angriff genommen.) Auf jeden Fall ist der ganz stetise Eindruck bei der Intermittenz der Reize demjenigen völlig gleich, welcher nach einer starken vorhergehenden Ermüdung des Auges bei der Inter- mittenz der Reize erhalten wird. In diesem Ermüdungszustand verliert sich der Eindruck der durchsichtigen Räumlichkeit ganz entschieden. Zum Abschluss dieses deskriptiven Kapitels kann darauf hin- gewiesen werden, dass die einzelnen Stadien der Konturenbewegung, des Flackerns, des Flimmerzs, des kritischen und des optimalen Ein- drucks in einem kontinuierlichen Übergang miteinander verbunden sind und nur durch künstliche Griffe des Experimentierens voneinander getrennt werden. Auch wird man nicht in jedem Versuch sie alle konstatieren können. Die Beschreibung ist daher aufgestellt worden auf Grund vieler Einzelbeobachtungen und gibt daher bloss ein typisches und daher im gewissen Sinne ein ideelles Bild der Er- scheinungsweisen des Flimmerns. Die psychophysische Methodik kann von dieser Beschreibung in erster Linie lernen, die Versuchsperson auf die Manniefaltiekeit und Subtilität der Erscheinungen aufmerksam zu machen und das Schwellenurteil immer auf eine genau bestimmte Phase der Erscheinung zu beziehen. 5. Die Prüfung der psychophysischen Methoden und der Sinn ihrer Resultate. In unseren Versuchsbedingungen können wir erstens ausgehen vom deutlichen Flimmern und, die Intermittenzgeschwindigkeit steigernd, sich dem Konstanzeindruck nähern. Aber es ist auch möglich, den um- gekehrten Weg einzuschlagen, von deutlicher Verschmelzung ausgehend, das eben merkliche Flimmern herstellen. Beide Methoden lassen sich durch kontinuierliche und diskontinuierliche Veränderungen der Inter- mittenzgeschwindigkeit durchführen. Wir beschränken uns bloss auf das kontinuierliche Verfahren. Es bietet erstens den grossen Vorteil, schneller zum Resultat zu führen, womit der Einfluss der Jängeren Inanspruchnahme des optischen Apparates ausgeschaltet bleibt. Zweitens aber bietet das kontinuierliche Verfahren bessere Be- dingungen für die Feststellung der feineren Schwellenwerte. So hat Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 33 494 A. A. Grünbaum: zum Beispiel W. Stern!) festgestellt, dass die kontinuierliche Ton- veränderung viel besser bemerkt wird als die entsprechenden Ton- unterschiede. Somit werden wir bloss das steigende Verfahren (vom Flimmern zum permanenten Eindruck), das sinkende Verfahren (um- gekehrte Veränderunssrichtung) und dasam meisten praktisch gehräuch- liche gemischte Verfahren diskutieren. Neben dem letzteren wird, wie aus der Literatur zu ersehen ist, meistens das sinkende Verfahren mit seinem plötzlichen Auftauchen des Flimmerns benutzt. Um zu entscheiden, welches Verfahren die sichersten psycho- physischen Resultate liefert, und wie die Werte verschiedener Ver- fahrungsweise mit der Variation der objektiven Bedingungen sich verändern, habe ich eine Reihe von folgenden Prüfungen angestellt. Es wird eine Vergleichung angestellt unter den Schwellenwerten, die bei steigender und sinkender Intermittenzgeschwindiekeit gewonnen werden. In beiden Fällen ist die Versuchsordnung dieselbe. Die Versuchsperson adaptiert sich zuerst an die Helligkeit des weissen Schirmes, welche mit Hilfe der vorschiebbaren Mattgeläser der über den Kopf der Versuchsperson angebrachten Lampe subjektiv gleich gemacht wird mit der Helligkeit des Verschmelzungseindruckes. Nach einer 10 Minuten langen Adaptation an diese Helliskeit wird der Kopf der Versuchsperson stabilisiert, und sie fixiert die Stelle, an der das flimmernde Loch erscheinen wird. Nachdem der Motor, der die Episkotisterscheibe dreht, seine maximale Geschwindigkeit erreicht hat, wird in 2 Sekunden nach dem Signal des Versuchs- leiters der Spalt geöffnet, die Veränderung der Geschwindigkeit durch Drehung der Kurbel veranlasst und gleichzeitig eine Stopp- uhr in Gang gesetzt. Die Veränderung der Geschwindiekeit geht zuerst rasch vor sich. Nach einigen Vorversuchen weiss der Ver- suchsleiter, wann die Kurbel langsam gedreht werden soll. Es ist im Moment, wo die Versuchsperson „Vorsicht“ ausruft, da ihr dies Moment kritisch erscheint (d. h. sie kann auf Grund der Vorversuche annehmen, bald tritt die völlige Verschmelzung oder das eben merk- liche Flimmern auf). Daraufhin wird die Kurbel von dem Ver- suchsleiter langsamer, aber in einem gleichmässigen Tempo gedreht, nahe der vermutlichen Schwelle noch langsamer und beim Ausruf der Versuchsperson „jetzt“ stillgehalten. Die Versuchsperson hat noch 1) W. Stern, Die Wahrnehmung der Tonveränderungen. Zeitschr. f. Psych. Bd. 21 S. 360 ff. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 495 einige Sekunden (10—15) Zeit, um ihren Eindruck festzuhalten und das Urteil zu verifizieren. Die Gesamtdauer des einzelnen Versuches vor der Exposition des Loches bis zum Ausruf der Versuchsperson bleibt in jedem Versuch derselben Reihe und in Versuchen, nach verschiedenen Methoden an- gestellt, immer dieselbe und beträgt 13—15 Sekunden. Auch die Abstufung der Geschwindigkeitsveränderungen wird nach Möglichkeit festgehalten. Somit wird die Beeinflussung der Resultate durch den Zeitfaktor nach Möglichkeit konstant gestaltet. Die Schwellen- werte nach beiden Methoden wurden bei drei verschiedenen Hellig- keiten des Loches und des Schirmes durchgeführt. Einzelne Schwellenbestimmungen waren nieht nur innerhalb einer Versuchs- reihe wiederholt angestellt, sondern auch die ganzen Reihen zweimal wiederholt: einmal nach einer maximalen Einübung am Anfang unserer Untersuchung (Ende 1914), das zweitemal bei Abfassung des Manu- skriptes (Ende 1915), also nach einer einjährigen Beschäftigung der Versuchspersonen mit den ähnlichen Schwellenbestimmungen. Als Versuchspersonen beteiligten sich die Studenten der medizinischen Fakultät, Teilnehmer des physiologischen Praktikums und der Ver- fasser dieser Arbeit. Ich teile nieht Mittelwerte mit, sondern immer die ganzen Reihen ähnlicher Bestimmungen, um ein getreues Bild von den tatsächlichen Befunden zu bewahren. Die Bestimmungen nach beiden Methoden geschahen immer in derselben Versuchsstunde mit jedesmaliger Umkehrung der Reihenfolge einzelner Methoden. Die Reihenfolge der Methodenanwendung änderte nichts an den Resultaten, so dass ich nur die Einzelfolgen mit- teilen kann. Tabelle II. Eine Reihe der Schwellenbestimmungen bei der Versuchsperson Wa., Ende 1914, mit steigendem und sinkendem Verfahren. Kleine Helligkeit Mittiere Helligkeit Grosse. Helligkeit steigende sinkende steigende sinkende steigende sinkende Methode Methode Methode Methode: Methode Methode 35,0 43,5 28,0 37,5 23,0 35,0 35,0 40,0 98,0 41,0 23,0 35,5 35,0 46,0 30,0 41,0 23,0 35,5 35,0 43,0 28,5 43,0 24,5 36,0 35,0 42,0 98,5 41,5 93,0 36,0 Die Werte bedeuten die Zahl der Perioden pro Sekunde, bei der bei steigendem Verfahren der optimale Eindruck erreicht wird, bei sinkendem Verfahren das eben merkliche Flimmern eintritt. 33 * 496 "A. A.Grünbaum: ErRanbiellie all? Ähnliche Reihe bei der Versuchsperson Wa. Ende 1915. Kleine Helligkeit Mittlere Helliskeit Grosse Helliskeit steigende sinkende steigende sinkende steigende sinkende Methode M:thode Methode Methode Methode Methode 36,5 37,5 35,0 39,0 21,0 33,5 37,0 38,0 35,0 41,0 22,0 34,0 37,0 38,0 35,0 40,0 22,0 35,5 37,0 39,0 35,0 40,0 21,0 36,0 37,0 38,0 35,0 37,5 21,0 33,5 Ein Blick auf beide Tabellen lehrt, dass 1. die Einzelwerte bei steigendem Verfahren konstanter sind als beim sinkenden. Noch deutlicher folgt das aus der Tabelle IV, in der ich die Streuung, ausgedrückt in maximalen Abweichungen von dem arithmetischen Mittel, verrechnet habe. ‚Tabelle IV. Streuung aus den Tabellen II und III. Kleine Helligkeit Mittlere Helligkeit Grosse Helligkeit steigende | sinkende | steigende | sinkende steieende | sinkende Methode | Methode | Methode | Methode | Methode | Methode 0—0 1,5—1,0 0—0 2,5—0,5 0,4—0,6 | 1,5—1,5 1915 0—0 2,9—3,1 0,4—-16 | 3,3—2,2 0—0 0,6—0,4 1914 Nimmt man die der kleinen Zahl der Versuche mehr ent- sprechenden Zentralwerte und stellt die Differenzen dieser Werte zusammen, so sieht man aus der Tabelle V, dass 2. je grösser die Hellieskeiten, desto mehr fallen die Werte, gewonnen nach beiden Methoden, auseinander. Tabelle V. Zentralwerte und ihre Differenzen. 1914 1915 1.05 | Steigende | Sinkende . 1.0: | Steigende | Sinkende Safe Helligkeit | ethode | Methode | PIE. | Helligkeit | \ferhode | Methode | DIE Klein . 35,0 43,0 80 |Klein . . 37,0 38,0 1,0 Mittel. .| 285 41.0 | 19,5 [Mittel .. .| 350 100 1:50 Gross. . 2330 350 | 120 [Gross . .| 210 |. 340 | 180 Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 497. Das übliche Verfahren, das darin besteht, dass man arithmetische Mittel aus Bestimmungen nach beiden Methoden als Ausdruck für den Schwellenwert wählt, ist daher desto unzulässiger, je grösser die Helliekeit der flinnmernden Fläche, da dies Mittel nicht die zufälligen Urteilsschwankungen ausgleicht, sondera Wirkungen objektiver Fak- toren durcheinanderwirft, die eine wesentliche Verschiedenheit der Schwellen nach beiden Methoden ausmachen. Dass wir hier in erster Linie mit objektiven Faktoren zu tun haben, folst schon daraus, dass die Grösse des Auseinarderfallens der Werte sukzessiv sich in demselben Sinne verändert wie auch die objektive Helligkeit. (Zur Frage der methodischen Bedenken die arithmetischen Mittel aus Werten, die bei den entgezengesetzten Abstufungsrichtungen gewonnen sind, siehe auch die Ausführungen von Wirth!) über die Methode der Minimaländerungen mit wissentlicher konstanter Veränderungsrichtung, welche unserem Verfahren am nächsten steht.) Doch wenn auch die Grösse des Auseinanderfallens bei ver- schiedenen Helliekeiten von denselben funktionell abhängig ist, so besagt das noch nicht, dass die Tatsache des Auseinanderfallens nur auf diese einzigen objektiven Faktoren zurückzuführen ist. Viel- mehr treten bei näherer Analyse neben den weiter noch zu be- sprechenden objektiven Wirkungen die Urteilsmomente und rein psy- chische Einstellungen stark hervor. In erster Linie sieht man, dass das Auseinanderfallen unserer Werte bei allen drei Helligkeiten in der- selben Richtung stattfindet. Die Werte des steigenden Ver- fahrens sind durchweg kleiner als die Werte, welche bei sinkender Geschwindigkeit der Intermittenz resultieren. Dies Verhältnis erinnert etwas an die durchweg beobachtete Gesetzmässigkeit, dass, wenn man von unterschwelligen Werten heraufgeht, meist eine höhere Schwelle ge- funden wird, als wenn man von überschwelligen wieder heruntergeht?). Die Rolle des überschwelligen Reizes spielt bei uns das deutliche Flimmern, die Rolle des unterschwelligen — der Verschmelzungs- eindruck. Das Heruntergehen entspricht unserem Verfahren mit sinkender Geschwindigkeit. Eine höhere Schwelle wird bei uns durch tieferen Wert (kleinere Verschmelzungsfrequenz) repräsentiert, indem sie beide der schlechteren Unterschiedsempfindlichkeit entsprechen. 1) Wirth, Psychophysik S. 278. 2) Vgl. u, a. v. Kries in Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 8. 21. 498 . A. A. Grünbaum: Gehen wir daher von überschwelligen Werten aus, so müsste man nach der allgemeinen Regel eine höhere Verschmelzungsfrequenz als Index einer besseren Unterscheidungsleistung erwarten. Tatsächlich aber verhält es sich bei uns umgekehrt. Der Ausgang von über- schwelligen Reizen liefert bei uns eine kleinere Ver- schmelzungsfrequenz und somit in üblicher Bezeichnung einen relativ höheren Schwellenwert. Woran kann das liegen ? Zuerst fallen uns die Bedingungen auf, welche im psychologischen Wesen der beiden Verfahren begründet sind. Geht man vom Flimmern aus, und erwartet man den Konstanzeindruck, so wird unter dem Einfluss der Erwartung die Schwelle früher angegeben, d. h. man urteilt vorauseilend schon bei kleineren Verschmelzungsfrequenzen, als es den objektiven Bedingungen entspricht. Dasselbe findet statt beim Ausgang vom Konstanzeindruck. Die Erwartung des Flimmerns lässt für ein solches schon den kritischen Eindruck gelten, welcher bei diesem Verfahren bei höheren Intermittenzgeschwindigkeiten liest. Die Erwartung wirkt somit in beiden Fällen in entgegen- gesetzter Weise und rückt somit die Schwellenwerte in beiden Fällen auseinander (dem Ausgangspunkt zu) )). Neben diesem Faktor kommt für uns noch in Betracht die Stellung des Ausgangs- und des Optimaleindruckes im Vergleichsakt. In einem Falle wird das Flimmern vermindert, und es re- sultiert allmählich nach einem Veränderungseindruck eine konstante statische Empfindung. Im zweiten Falle wird der konstante Eindruck ziemlich plötzlich ersetzt durch ein völlig neues optisches Geschehen — die Unruhe im Felde. In beiden Fällen wird somit etwas ganz anderes als optisches Zeichen für die subjektive Schwellenbestimmung benutzt: Beim Übergang vom Flimmern zur — Ruhe die eben merkliche statische Empfindung, beim umgekehrten Ausgang — der eben merkliche dynamische Eindruck. Beide sind aber identisch weder in der Erscheinungsweise noch in ihrer Intermittenzgrundlage, da ihnen verschiedene Geschwin- digkeiten entsprechen. Aber noch mehr. Bei einer grossen Anzahl der Versuche, die zum Zwecke der Erleichterung der Selbstbeobachtung angestellt waren und bei verschiedener Abstufung und Ge- 1) Über den Einfluss der Erwartung vgl. auch G. E. Müller, Gesichts- punkte und Tatsachen der Psychophysik. Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 8. 445 ff. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 499 schwindigkeit der gesehenen Veränderung der Inter- mittenz durchgeführt waren, konnte ich mich in folgendem überzeugen: Dasjenige, was der Verschmelzung unmittelbar voran- geht, also die kritische Periode, welcher beim sinkenden Verfahren der eben merkliche Unpruheeindruck unmittelbar vor dem eben merklichen Flimmern entsprechen müsste, ist optisch etwas ganz anderes als diese Unruhe. Mit anderen Worten: beim sinkenden Ver- fahren ist die Grenze zwischen Ruhe- und Unruheeindruck in der Erscheinung etwas anderes als dieselbe Grenze bei steigendem Verfahren. In erstem Falle ist die Erscheinung viel feiner, flüch- tiger, man möchte fast sagen, weniger materiell. Da dieser Eindruck sehr schwer zu beschreiben ist und für die Einstellung der Versuchs- person keine feste oder bestimmte Vorstellung bedeutet, so begnüst man sich beim Schwellenurteil mit der ersten besten visuellen „Ahnung“ eines Flimmerns und somit mit einem „viel zu frühen“ Wert. So wirkt die Feinheit der Erscheinung bei dem sinkenden Verfahren im Sinne der Verfrühung der Urteilsabgabe. Bei dem Übergang vom Flimmern zum Konstanzeindruck wird aber als Optimaleindruck ein solcher angegeben, der nicht an und für sich gut ist, sondern dem mehr gröberen Flimmern gegenüber „schon gut genug“ erscheint. Hier bildet der optimale Eindruck mit der Auffassung der kontinuierlichen Veränderung eine feste Wahrneh- mungseinheit. Innerhalb dieser Einheit lässt die Vorbereitung durch den Eindruck des starken Flimmerns als Konstanz ein Stadium angeben, welches dem Flimmereindruck näher liest als der wirklichen Permanenz. Bei denselben objektiven Bedingungen würde dieser Grenzeindruck, plötzlich innerhalb eines wirklichen Permanenz- eindruckes dargeboten, noch immer als feines Flimmern erscheinen. Darüber lassen die entsprechenden kleinen Variationen der Versuchs- bedingungen, die ich zu diesem Zwecke mehrmals vorgenommen habe, keinen Zweifel. Somit wirkt beim steigenden Verfahren der Faktor der Wahrnehmungseinheit zwischen Flimmern und Ruheeindruck auch im Sinne der Verfrühung des Urteils. Doch werden sich die Diskrepanzen der Schwellenwerte bei beiden Verfahren nicht ausschliesslich auf die obigen psychologischen Faktoren zurückführen lassen. Denn diese Faktoren, soweit man die Unveränderlichkeit der Einstellung der Versuchs- _ personannehmen kann, dürften beim Übergang von einer Hellig- keit zur anderen gleichmässig wirksam sein. Bei dieser Gleich- 500 A. A. Grünbaum: mässigkeit zeigt sich aber bei näherer Betrachtung unserer Zahlen, dass dieSchwellenwerte desto mehr auseinanderfallen, je grösser die Intensität des hellen Reizes. Man muss daher annehmen, dass auch rein objektive Reizungsbedingungen, die aus dem Erregungs- und Restitutionsablauf in dem ganzen op- tischen Apparat resultieren, das Auseinanderfallen der Werte bei verschiedenen Verfahren bestimmen. Doch bedarf die Wirkung der Veränderung in dem Erregungs- ablauf in der Anwendung auf unseren Tatbestand noch einer be- sonderen und näheren Bestimmung. Denn, wirkt die Steigerung der Intensität des Reizes im Sinne einer Herabdrückung der Unterscheidungsfähigkeit, so erklärt sich damit bloss die Herab- drückung der Werte für beide Verfahren zugleich, nicht aber das Auseinanderfallen derselben. Stellen wir daher zum Zwecke einer näheren Betrachtung die Werte für die relative Herab- drückung der Schwellen beim Übergang von kleineren zu grösseren Helligkeiten für beide Verfahren in der Tabelle VI zusammen. Tabelle VI. Der Übergang von der kleinen | Der Ubergang von der mitt- zur mittleren Helligkeit |leren zur grossen Helligkeit drückt die Schwellenwerte | drückt die Schwellenwerte herab herab Reihe Reihe | Reihe | Reihe von 1914 von 1915 von 1914 | von 1915 Für steigendes Ver- fahren um ... 6,9 2 4,8 12,0 Für sinkendes Ver- fahren um ... 2,0 —2! 6,0 6,0 Der Vergleich der Werte in den vertikalen Kolonnen zeigt ohne weiteres, dass dieselbe Steigerung der Helligkeit bei sinkendem Verfahren die Werte weniger herabdrückt als bei steigendem Verfahren. Der objektive Unterschied beider Verfahren liegt aber bloss darin, dass bei der Steigerungs- methode dieReize aufeinander insgesamtrelativlang- samer folgen als beim entgegengesetzten Weg. Für das physiologische Substrat bedeutet die Geschwindigkeit der Reizfolge, allgemein gesprochen, eine Bedingung für den Ausgleich der Dis- similations- und Assimilationsvorgänge. Da bei unserem Verfahren Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 501 der Hell- und Dunkelreiz dieselbe Dauer haben, so lässt sich unser Resultat in die Formel bringen, dass die Abfolge schneller Intermittenzen von Hell und Dunkel im objektiven Sinne weniger hemmend wirktals einerelativ gleiche Abfolge langsamerer Intermittenzen. Das Auseinanderfallen der Werte nach beiden Methoden mit steigender Helligkeit beruht also darauf, dass, wenn auch die Steigerung der Helligkeit Werte beider Verfahrungsweisen herabdrückt, dies mit steigender Helligkeit relativ immer grössere Effekte bei dem steigenden Verfahren ver- ursacht. Unser Resultat könnte überraschend scheinen, wenn wir an der populären Anschauung halten sollten, dass die Prozesse der In- anspruchnahme und Regeneration der lebendigen Substanz in zeit- licher Abfolge ahgelöst werden. Denn vergeht mehr Zeit nach dem Aufhören des einen Dissimilationsreizes, so müsste desto gründ- licher die Erholung und damit desto grösser die Leistungsfähiskeit sein. Bei dieser Auffassung sollte man aber erwarten, dass eine konstante Reizung einen grösseren Erfolg haben sollte als eine intermittierende von derselben Intensität, da ja bei der ersteren so- zusagen keine Erholungspausen zwischendurch eingeschoben werden. Doch schon innerhalb der subjektiven Erscheinungen begegnen wir allgemeinen Tatsachen, die diese Annahme nicht bestätigen. An einen permanenten Reiz gewöhnt man sich schneller als an einen’ intermittierenden. Unsere Aufmerksamkeit wird durch inter- mittierende Empfindungen leichter angeregt als durch konstante, sie wird durch grössere Intensitäten mehr hingerissen als durch kleinere. Im Gebiete der optischen Messungen finden wir Er- scheinungen derselben Ordnung. Die Schwelle für die Auffassung _ der Veränderung ist bekanntlich viel feiner als für entsprechende permanente Empfindungen. Auch wäre in diesem Zusammenhange eine merkwürdige von Nagel angeführte Tatsache zu erwähnen: „Schon Aubert hat die seither in meinem Laboratorium vielfach bestätigte Beobachtung gemacht, dass das Fortschreiten der Durkel- adaptation durch die kurzdauernde Einwirkung merklich über- schwelligen Lichtes nicht nur nicht gehemmt wird, sondern sogar eine gewisse Begünstigung erfährt!).“ 1) Nagel’s Zusatz in Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik, 3. Aufl., Bd. 2 S. 273. 1911. 502 A. Grünbaum: Ebenfalls beweisen die Befunde über die Abweichung von dem Talbot’schen Gesetz, dass die intermittierende Reizung einen so viel höheren Erregungswert besitzt als die permanente, dass der Unterschied beider, in subjektiver Intensität ausgedrückt, für das Bewusstsein überschwellig wird. Die erwähnten Nachweise von Grünbaum und A. Fick besagen ja, dass die subjektive Hellig- keit des intermittierenden Lichtes höher eingesetzt wird als des ruhenden. Brücke!) spricht von dem höheren Nutzeffekt bei der langsameren intermittierenden Reizung gegenüber der schnelleren, beide Male bei der schon erreichten permanenten Empfindung. Schliesslich im Gebiete der Herzphysiologie haben wir direkte Analogsien zu unserem Befund: innerhalb bestimmter Grenzen ist die Herzreizbarkeit bei rasch aufeinanderfolgenden Induktionsschlägen grösser als bei langsamerer Intermittenz der Reizung. Wir müssen selbstverständlich sehr vorsichtig sein bei der Analogeisierung der sinnespsychologischen und muskelphysiologischen Erfahrungen. Wie sie miteinander zusammenhängen, wird eine lange noch nicht aus- gebildete Theorie zu entscheiden haben. Die Analogie zwischen dem Übergange der intermittierenden optischen Empfindung mit Steigerung der Reizintermittenz in einen ununterbrochenen Eindruck und der Entstehung eines Muskeltetanus ist gewiss sehr verlockend. Doch wie sie gefährlich ist, zeigt das Beispiel, welches ich der Untersuchung von Braunstein entnehme. Zugunsten dieser Analogie wird von Braunstein aufgestellt: Sowie der Muskel unter gewissen Umständen durch einzelne auf- einanderfolgende starke Kontraktionen rascher in Ermüdung versetzt wird als durch Tetanus, so ermüdet nach den Untersuchungen von Brücke auch die Retina stärker bei Wirkung vom intermittierenden Licht bei Flimmern desselben als beim Verschmelzen des Lichtreizes zu einer ununterbrochenen Empfindung“ (a. a. O. S. 174). Es ist mir nicht bekannt, bei welchen Umständen der Tetanus weniger ermüdend wirkt als einzelne aufeinanderfolgende Kontrak- tionen. Ich glaube aber behaupten 'zu dürfen, dass Brücke nichts derartiges im Gebiete der optischen Erscheinungen nachgewiesen hat. Eine Ermüdung der Retina hat Brücke überhaupt nicht beobachtet. Seine Feststellungen berühren bloss die „ungleiche 1) Brücke, Über den KNutzeffekt intermittierender Netzhautreizung. Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 49. 1864. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 503 Intensität der Liehtempfindung, die sich bei verschiedener Drehungsgeschwindigkeit zeigt“ (a. a. ©. S. 131). Er findet, dass die grösste subjektive Helligkeit der permanenten Empfindung bei der Intermittenz von Weiss und Schwarz unter seinen Versuchsbedingungen schon bei 17,6 Um- drehungen sich einstellt, und dass die Steigerung der Intermittenz- geschwindigkeit ums Doppelte eine Herabdrückung der Helligkeit mit sich bringt (S. 133). Die Erscheinung des Flimmerns wurde von Brücke überhaupt nicht als Gegenstand der Untersuchung be- handelt, da ihn nur die Helligkeiten der schon permanenten Emp- findung interessiert haben. Auch geben uns die theoretischen Inter- pretationen von Brücke keine Anhaltspunkte für die Bekauptungen Braunstein’s. Brücke erklärt die Helligkeitssteigerung bei kleineren Iutermittenzen, die aber genügen, um eine permanente Emp- findung hervorzubringen durch Nachbilder, die von den einzelnen Komponenten von Weiss erregt werden (S. 148). Bei einer grösseren Anzahl der Reizungen wird aber die wirksame Entwicklung der Nachbilder schon genug behindert, um von hier an wieder eine Ab- nahme der Helliskeit eintreten zu lassen (S. 152). Brücke hat somit weder vom Flimmern gehandelt, noch die Ermüdung konstatiert, sondern spricht von grösseren und kleineren Helligkeiten und Nach- bildern. Es ist mir auch, abgesehen von dem völlig willkürlichen Umgang mit den Tatsachen, die von Brücke behandelt worden sind, schlechterdings unbegreiflich, wie man die Steigerung der sub- jektiven Helligkeit als eine Ermüdungserscheinung betrachten kann. Wir haben im Braunstein’schen Beispiel nicht nur die Demon- stration der Gefährlichkeit der Analogien zwischen psychologischen und physiologischen Aufstellungen, sondern auch eine völlige Un- bestimmtheit des Begriffes Ermüdung. Davon in Ausführlichkeit später. Dass die permanente Reizung in unserem Falle gerade im Gegen- satze zu den Überlegungen der vulgären Ermüdunestheorie einen kleineren Erfolg hat als die intermittierende, davon habe ich mich in folgenden Experimenten überzeugt. Man bestimmt zuerst die Schwellenweite bei steigendem und sinkendem Verfahren. Danach wird der Geschwindiekeitszeiger auf die Stelle eingestellt, welche der Schwellengeschwindigkeit entspricht, ohne aber die Episkotisterscheibe in Rotation zu bringen. Die Versuchsperson betrachtet während derselben Zeit, die 504 A.A. Grünbaum: nötig war um zur Schwelle zu gelangen das ruhende helle "Loch der Scheibe. Daraufhin wird das Loch auf einen Moment verdeckt, währenddessen die Scheibe in entsprechende Maximalumdrehung ver- setzt (dieselbe Geschwindigkeit, bei der früher die Verschmelzung eben auftrat oder verschwand). Bei völlig unwissentlichen Ver- fahren hatte die Versuchsperson jetzt die Schwellenbestimmung von hier aus zu machen. Ausnahmslos in allen Experimenten erschien jetzt die Geschwindigkeit, die bei der vorausgehenden Intermittenz der Reize genügte, um eine permanente Empfindung hervorzubringen, ungenügend, so dass der Versuchsleiter die Geschwindigkeit noch be- trächtlich steigern musste, um wieder den Schwellenwert herzustellen. Ich nenne diese neue Bestimmung, bei der nicht von der über- schwelligen oder unterschwelligen Intermittenz, sondern von einem permanenten Reiz ausgegangen wird — in Ermangelung anderer Ausdrücke — stationär. Hier die Resultate einer Reihe mit allen gebräuchlichen Hellig- keiten bei der Versuchsperson Wa. (Die Werte sind nicht in Periodenzabl, sondern in direkten Ablesungen unseres Apparates angegeben.) Tabelle VI. Kleine Helligkeit Mittlere Helligkeit Grosse Helligkeit ns Ks stationär ne a stationär es I stationär = Er _ = = Er = = o 00 00 00 00.00 sooo sceoooo Dvomr wc AT = = = | | | | B D d : D d ; D d Dauer des Einzel- Rene a Dauer des Einzel- eanenit Dauer des Einzel- Reilonammit versuches bis zum Ruhelicht | versuches bis znm | Ruhelicht | versuches bis zum | Ruhelicht Urteil der Ver- vor der Urteil der Ver- vor der Urteil der Ver- vor der suchsperson Schwellen- suchsperson Schwellen- suchsperson Schwellen- bestimmung bestimmung bestimmung 14 m 14 m 12 Mr 12 20 N m Wie man sieht, sind die Schwellenwerte beim stationären Ver- fahren nicht nur höher als beim steigenden Verfahren, sondern über- ragen auch die Schwellen beim sinkenden Verfahren. Die relativ beste Unterscheidungsfähigkeit zeigt sich somit beim vorangehenden Ruhereiz. Die relativ schnelle Intermittenz gleich intensiver Reize während derselben Zeit drückt die Unterschiedsempfindliehkeit etwas Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 505 herunter, am meisten leidet dieselbe unter vorangehenden relativ langsameren Intermittenzen der Reize. Dass dabei die psychologischen Faktoren der Veränderungs- auffasssung und des Kontrastes zwischen Ruhe- und Veränderungs- eindruck nicht die ausschlaggebende Rolle spielen können, beweist der Umstand, dass die Schwellenwerte des stationären Verfahrens höher sind als die des sinkenden. In beiden Fällen geht man ja vom Ruheeindruck aus, so dass für die Versuchsperson das Flimmern in beiden Fällen plötzlich und unmittelbar nach der vorangehenden permanenten Empfindung entgegenspringt. Die beim stationären Ver- fahren stattfindende nachträgliche kurze Steigerung der Intermittenz- geschwindigkeit konnte dabei nach unseren vorangehenden Erfahrungen den Schwellenwert höchstens herabdrücken. Wäre es daher möglich gewesen, völlig gleiche objektive Verhältnisse wie beim sinkenden Verfahren herzustellen, so würden die Werte des stationären Ver- fahrens relativ noch höher ausfallen. Die subjektiven Bedingungen beim Vergleich mit dem steigenden Verfahren sind auch irrelevant, da ja in beiden Fällen der Schwellen- wert letzten Endes subjektiv durch allmähliche Verfeinerung der Flimmererscheinung erreicht wird. Die Erhöhung des Wertes beim stationären Verfahren ist somit in erster Linie den objektiven Be- dingungen zuzuschreiben, wie sie durch Einwirkung des Ruhereizes im Gegensatz zu einer solchen von intermittierenden Reizen ge- geben ist. Dass es sich bei unseren Befunden in erster Linie um objektive Erregungs- und Restitutionsprozesse handelt, sieht man deutlich aus der bzw. Vergleichung der relativen Herabdrückung unserer gewöhn- lichen Schwellenwerte dem stationären Verfahren gegenüber bei allen drei Helliekeiten. Tabelle VII. Versuchsperson Wa. Helligkeiten klein mittel STOSS Differenz zwischen dem stationären und steigenden Verfahren. ........ 0,8 1,0 1,4 Differenz zwischen dem stationären und sinkenden Verfahren. ........ 0,6 0,5 0,2 506 A. A. Grünbaum: Man sieht aus der Tabelle ohne weiteres, dass bei steigender Reizintensität die Differenz zwischen den Werten bei steigendem und stationärem Verfahren steigt und zwischen den Werten des sinkenden und stationären Verfahrens sinkt. Da die subjektiven Bedingungen bei Steigerung der Hellig- keit ziemlich dieselben bleiben dürfte, so ist zu schliessen, dass das beobachtete Verhältnis auf die objektiven Prozesse der optischen Erregung zurückzuführen ist. Aus unserer Tabelle leiten wir noch zwei interessante Sätze ab. Vergleicht man die Tabelle VIII mit Tabelle V, so folgt, dass die Werte des stationären und des steigenden Verfahrens bei Steigerung der Intensitätin demselben Sinne auseinander- fallen wie die Werte des sinkenden und des steigenden Verfahrens. Anderseits aber, da die Werte des stationären und des sinkenden Verfahrens sich bei Steigerung der Intensität annähern, so kann man annehmen, dass die Steigerung der Intensität des vorher- gehenden Ruhereizes dem Sinne nach dieselbe Ein- wirkung auf den Schwellenwert ausübt wie die Inter- mittenz desselben Reizes. Diese Wirkung ist, wie wir an allen Werten sehen können, die Herabdrückung der Unterschieds- fähigkeit. Diesen Satz unterwerfe ich im nächsten Kapitel einer systematischen Prüfung. Hier haben wir noch zu behandeln das gemischte Verfahren und die Stellung unserer Methoden zum Zeit- faktor. Da, wie wir bis jetzt gesehen haben, das sinkende und steigende Verfahren Werte liefern, die auf objektiv verschiedene Bedingungen der Dissimilation und Assimilation aufgebaut sind, so ist a priori zu erwarten, dass das gemischte Verfahren, welches in einem Hin- und Herprobieren besteht, prinzipiell ebenso unzulässig ist wie die Be- rechnung eines Mittelwertes aus Resultaten beider Hauptmethoden. Denn dabei wird gerade der bei jedem Hin- und Herprobieren sich . verändernde Faktor der verschieden langdauernden und verschieden frequenten Intermittenzen eingeführt. Aber abgesehen von dieser Vernachlässigung der Konstanz der objektiven Bedingungen, wird bei diesem Verfahren auch die Einstellung der Versuchsperson sehr empfindlich desequilibriertt. Das erwies sich aus folgender Ver- suchsreihe: Nachdem in normaler Verfahrungsweise eine genügende Zahl der Schwellenwerte nach beiden Hauptmethoden festgestellt war, wurde ein Verfahren eingeschlagen, welches darin besteht, dass beide Methoden in einer Versuchsreihe jedesmal einander abwechseln. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 507 Folgende Tabelle IX (die Werte nicht reduziert) zeigt eindeutig, dass das Durcheinander der Verfahrungsweisen die ziemlich konstanten . Sehwellenwerte nach Hauptmethoden sehr empfindlich schwanken lässt. Tabelle IX. Versuchsperson Gr. Kleine Helligkeiten Mittlere Helligkeiten Grosse Helligkeiten k i durcheinand. durcheinand. | ı durcheinand. steig. |sink. | steig. | sink. steiea sinken ra gene steig. | sink. steig. | sink. steig. | sink. 8,9 85 | 9,4 9,7 | 9,9 9,6 | Y99 > 8,8 10,1 96 la 10,1 8,8 EEE 9,4 9,3 4 9,9 98C 9,0 >85 10,2 >36 10,5 Sg7 8,8 85< 9,4 94< 9,9 94L 92 8,3 10,0 ‚6 10,4 >97 8,7 | 94 | 9,9 97x, 9,3 10,1 | 10,5 9,6 _ Zahlenmässie drücken sich diese Schwankungen aus in den Diese Abweichungen sebe ich wieder in nichtreduzierten Werten in Tabelle X. maximalen Abweichungen vom Zentralwert. Tabelle X. Kleine Helligkeiten Mittlere Helligkeiten Grosse Helligkeiten durcheinand. x durcheinand. h durcheinand. steig. | sink. steig. | sink. steig. |sink. — en steig. | sink. steig. | sink. steig. | sink. | | 0 02 | 0,2 | 0,2 0 Oo 0 0 0,1 | 0,2 0,1 Ber 01 | 0,2 | 0,3 0 0,1 ! 0,4 0 0 0 0,2 | 0,4 | Diese Schwankungen der Werte bei einem und demselben Ver- fahren sind augenscheinlich dadurch bedinst, dass die Versuchsperson jedesmal das Kriterium ihres subjektiven Schwellenwertes ändern muss. Sie hat dabei keine Möglichkeit, auf die vorhergehende Be- stimmung sich zu beziehen, dieselbe zur Sicherstellung ihres momen- tanen Urteils mit zu verarbeiten. Eine zielbewusste Rückbeziehung auf die vorhergehende Bestimmung bei einem homogenen Verfahren findet natürlich auch sonst nicht statt. Die Angaben der Versuchs- personen sind in dieser Hinsicht alle eindeutig. Trotzdem aber wirkt die Wiederholung desselben Verfahrens konsolidierend auf die ob- 508 A.A. Grünbaum: jektive Festickeit und subjektive Sicherheit des Schwellenurteils. Bei momentanen Schwankungen der Aufmerksamkeit oder bei den sonst irgendwie bestimmten mehr aktiven Feststellungen der gesuchten Erscheinung tritt daher nicht eine desorientierende Unsicherheit und sich „Völlig-gehen-lassen“ auf, sondern eine sehr zweckmässige Ein- stellung: Man erwartet einen schon einmal sichergestellten Eindruck. Wenn dabei auch die ausdrückliche Konstatierung: „Ich erkenne ibn wieder“, nicht stattfindet, so ist doch die Bewusstseinslage der Sicher- heit vorhanden, die auf einen solchen Ursprung hindeutet. Aus eigenen Beobachtungen muss ich bestätigen, dass diese Sicherheit beim gemischten Verfahren völlig verschwindet Am meisten ist die subjektive Sicherheit, dasselbe festgestellt zu haben, beim steigenden Verfahren ausgeprägt, was auch in den geringen Abweichungen der Maxima vom Zentralwert seine objektive Widerspiegelung wiederfindet. Durch die Allmählichkeit in der Vorbereitung des Schwellenwertes wird diese Rückbeziehung auf die vorhergehende Bestimmung besonders begünstigt. Bei der Plötzlichkeit des Eintrittes des Flimmerns in dem sinkenden Verfahren werden bei der Versuchsperson keine anderen Prozesse angeregt als die Wertreaktion „Jetzt“. Ist bei dieser Plötzlichkeit ein scharfer Kontrast zum Ruheeindruck vielleicht be- günstigend für die subjektive Sicherheit des einzelnen Urteils, so bietet das steigende Verfahren andere sehr erhebliche Vorteile für die Konstanz der Werte in einer ganzen Versuchsreihe. Die Allmählichkeit des Überganges vom gröberen Flackern zu immer feineren Flimmerstadien erlaubt der Versuchsperson, mit grösster innerer Ruhe und Gelassenheit die Schwellenannäherung zu erwarten. Auch hat sie dabei die bequeme Möglichkeit, ihr Signal der Vorsicht bei dem für sie ganz bestimmten Stadium anzugeben und von da aus ihre volle Aufmerksamkeit walten zu lassen. Mit anderen Worten, sie wird nicht „überrumpelt“. Die Bedeutung der Gesamtheit der subjektiven Faktoren spiegelt sich gut in folgender Versuchsreihe. Man führt nach der Schwellen- bestimmung nach der einen und der anderen Methode eine Verifi- kation des Urteils durch weitere Steigerung oder Senkung der Geschwindigkeit ein. Dabei zeigt sich frappant die Überlegenheit des steigenden Verfahrens. Es wird zum Beispiel zuerst nach dem sinkenden Verfahren eine Schwelle bestimmt. Daraufhin, nach der Abgabe des Urteils, steigere ich die Geschwindigkeit, bis Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 509 das Flimmern eben aufhört. Man sollte meinen, dass es keine nennenswerte Steigerung sein soll, höchstens „ein feines Regulierungs- spiel“, wie sich Krusius diesbezüglich ausdrückt. Tatsächlich ist aber die Steigerung nicht unbeträchtlich, wie die Tabelle XI zeigt. Tabelle XI. Versuchsperson Jan. Bestimmung nach dem | Daraufhin die Verifikation sinkenden Verfahren durch Steigerung Man kann somit die Geschwindigkeit eine Zeitlang steigern, ohne dass eine Veränderung der Erscheinung, welche zum Kriterium der Schwellenbestimmung dient, eine nennenswerte Veränderung erleidet. ‚Eine solche Breite der Variation der objektiven Ge- schwindigkeit ohne Veränderung der subjektiven Er- scheinung ist bei dem steigenden Verfahren nicht anzutreffen. Bestimmt man die Schwelle zuerst durch steigendes Verfahren und senkt man dann die Geschwindigkeit, so verschwindet sofort die Schwellenerscheinung — das ebenmerkliche Flimmern. Folgende Tabelle XII weist in erster, vertikalen Reihe die Schwellen- werte nach steigendem Verfahren, in zweiter Reihe die Resultate der Verifikation nach sinkendem Verfahren bei der Senkung um bloss eine Periode pro Sekunde. Tabelle XI. Versuchsperson Jan. Bestimmung nach dem steigenden Verfahren (das Flimmern ist eben Daraufhin die Verifikation durch Senkung um eine Periode pro Sekunde verschwunden) 8,8 8,5 3,6 8,7 5,4 Das ebenmerkliche Flim- 8 mern tritt sofort ein. top) 8,4 8,3 8,4 )) Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 3t 510 A.A. Grünbaum: Da bei dieser Versuchsperson auch in anderen Versuchsreihen das sinkende Verfahren nicht immer grössere Werte erwiesen hat als das steigende, so konnte man vielleicht in dieser Abweichung von der Regel den Grund suchen wollen für die Besserleistungen des steigenden Verfahrens. Ich teile daher die Ergebnisse der Veri- fikationen bei der Versuchsperson Wa., die die grösste Übung und Sicherheit in unseren Versuchen erlangt hat, mit. Tabelle XI. Versuchsperson Wa. ie 2. if. 2. Sinkendes Danach Steigendes Danach Senkung Verfahren Steigerung Verfahren um eine Periode | 9,2 ——— 10,2 8,8 100. — 10,3 8,7 10,0 10,1 8,5 | Das ebenmerk- 10,0. — 10,3 86 r — -—>$ liche Flimmern 10,0 — 10,3 8,6 tritt sofort ein. 10,0 > 10,4 8,7 | 89) Schliesslich ergibt die weitere Steigerung nach der Bestimmung mittels Steigerung keine bessere Verschmelzung, die weitere Senkung nach der Bestimmung mit dem sinkenden Verfahren immer eine aus- geprägtere Erscheinung (gröberes Flimmern). Dadurch wird die Ver- suchsperson im zweiten Falle hier und da verleitet, den Schwellen- wert später anzugeben, und so entsteht eine grössere Schwankung der Schwellenwerte beim sinkenden Verfahren. Die objektiven Zeug- nisse unserer Tabellen lassen uns aber schliessen, dass durch das steigende Verfahren, welches tiefere Werte ergibt und somit eine grössere Inanspruchnahme der erregbaren Substanz bedeutet, das Gleichgewicht zwischen Assimilation und Dissimilation so weit stabili- siert wird, dass auch von dieser Seite eine konstante Bedingung für die Schwellenbestimmung nach dieser Methode geschaffen wird. Das empfiehlt das steigende Verfahren besonders für die Ver- suche, bei denen nur Einzelbestimmungen ins Gewicht fallen können, wie es zum Beispiel bei der Prüfung der Erholung inderZeit der Fall ist, wo jeder weitere Versuch schon eine Modifikation des momentanen Dissimilation-Assimilationsverhältnisses repräsentiert. Wenn die Werte bei diesem Verfahren auch gröbere Schwellen bedeuten, so sind sie im Gegensatz zu anderen Verfahren nicht nur Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. Sl unter sich übereinstimmend, sondern auch sonst konstant. Der Zeit- faktor, der aus der Verlängerung oder Verkürzung der Prüfungeszeit resultiert, übt auf die Bestimmungen nach der steigenden Methode keinen wesentlichen Einfluss aus, was wieder der Stabilisierung durch wirksamere, aber nicht ermüdende Reizung mit langsamen Intermittenzen zugeschrieben werden muss. Um die Wirksamkeit des Zeitfaktors bei beiden Methoden zu prüfen, habe ich folgende Versuchsreihe angestellt. Nach der Schwellen- bestimmung bei einem und anderem Verfahren hatte die Versuchs- person die Aufgabe, die Schwellenerscheinung mit derselben Auf- merksamkeit weiter zu beobachten und anzugeben, ob sie sich in der Zeit verändert. Die erreichte Intermittenzgeschwindiskeit war natürlich beibehalten. Die Resultate illustriere ich in folgender Tabelle XIV. Tabelle XIV. Versuchsperson Wa. Kleine Helligkeit sinkendes Verfahren steigendes Verfahren Weiter E n | | Weiter Dauer Schwellen- Do Dauer Schwellen- Beach des Ver- i an des Ver- F en suches wert aan | suches wert während 15" 84. 10’ ee H 157 10,1 4,0" u r „ ımmer 2 rn Iimmern 15 “ 89 10 N fängt 15 N 10,1 39 5 BE 15 35 15 nicht an 15 10,0 4,0 ‚schwindet Grosse Helligkeit steigendes Verfahren sinkendes Verfahren Weiter, : Weiter a Schwellen- Bosbach. a Schwellen- Benhadhe t 5 t suches wert m suches wert au 19% 7,5 20" 15" 10,1 (SL 15 1 20 „Das 15% 10,1 92" | Das 15” 7,5 90 a 15" 10,1 7,8 7 innen 15" 75 0 Be a | oz | an 15.7 7,5 20% 15 10,1 6.0 Man sieht, dass bei der grossen wie kleinen Helligkeit des inter- mittierenden Reizes eine längere Beobachtung bei sinkendem Ver- fahren die Schwellenerscheinung zum Verschwinden bringt, so dass jeläneer die Beobachtung, desto tiefer muss man mit 34 * 512 A. A. Grünbaum: der Senkung der Geschwindigkeit gehen, um das eben merkliche Flimmern zu erhalten. Bei steigendem Verfahren aber ist der Schwellenwert so tief, dass zeitliche Momente und mit ihnen vielleicht die Schwankungen der Aufmerksamkeit, die bei einer dauernden Beobachtung auftretenden Augenbewegungen usw. den Wert nicht mehr zu verändern vermögen. Ich halte mich daher für berechtigt, entgegen der üblichen Ansicht und der durchgehenden Praxis der Flimmer- photometrie das steigende Verfahren zur Grundlage aller weiteren psychophysischen Bestimmungen im Gebiete der Flimmererscheinungen zu machen. ' Sollte in unseren weiteren Versuchen unter dem Einfluss be stimmter Faktoren Senkungen der Werte stattfinden, so würden die Resultate äusserlich plastischer wirken, wenn den Ausgangspunkt die höheren Werte des sinkenden Verfahrens bildeten. Innerlich werden aber die Resultate desto überzeugender sein, je tiefer der 'Normalwert ist, wie das bei dem steigenden Verfahren der Fall ist. 6. Das Flimmern und die optische Ermüdung. Unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeitigt eine ausser- ordentliche Labilität der Schwellenerscheinungen beim Übergang vom permanenten Eindruck zum Flimmern, teilweise auch beim um- gekehrten Verfahren. Bei vollkommen gleichen objektiven Bedingungen der Lichtintensität, der Adaptation usw. sind die Schwellen an ver- schiedenen Tagen bei verschiedener allgemein psychischer Dis- position der Versuchsperson verschieden gross. Nicht nur vorher- gehende optische Reize permanenter oder intermittierender Natur oder die zeitliche Überdauer der Schwellenerscheinung selbst drücken die Schwellenwerte herab, sondern dasselbe Resultat bekommt man bei einer gewissen geistigen Depression oder Ermüdung trotz an- gestrengter Aufmerksamkeit. Es liegt daher nahe, die Herabdrückung der Werte bei vorher- gehender Reizung des optischen Organs auch als Folge einer optischen — zuerst peripher und zentral gedachter — : Ermüdung auf- zufassen. Man bedenke abe bei diesem praktisch sehr naheliegenden Schluss, dass zum Beispiel auch Ablenkung der Aufmerksamkeit die Schwellenwerte herunterdrückt, wie ich in unserem Falle in einer späteren Mitteilung eingehend beschreiben werde. Auch beim Adap- tationsvorgang werden bestimmte Schwellenwerte verschoben usw. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 513 Somit kann man dort, wo eine Ermüdung sonst nachgewiesen ist, eine Herabdrückung der Schwellenwerte erwarten, nicht aber um- gekehrt: wo eine Verschiebung der Werte stattfindet, darf nicht als Ursache ohne weiteres eine Ermüdung angenommen werden. Auch ist die Natur der angenommenen Ermüdung, ebenso wie ihr Sitz keineswegs bestimmt anzugeben. Sollte man die‘ Ermüdung psychologisch bestimmen, so tritt bei dieser Betrachtungsweise die Komplikation durch die subjektive Ermüdung und die damit verbundenen Unlustgefühle und allerlei Spannungen ein: Die subjektive Konstatierung der Ermüdung mit Hilfe solcher Kriterien steht nämlich sehr oft im Gegensatz zu der Grösse der geleisteten psychischen Arbeit. Gerade bei der anfangenden starken objek- tiven Inanspruchname des Organismus oder seiner Teile wird infolge ‘der Anspannung der psychischen Energie eine bessere Leistung geliefert, wie sie zum Beispiel in den bekannten Über- kompensationserscheinungen hervortritt. (Vgl. die Untersuchungen der Kraepelin’schen Schule über psychische Arbeit, Ermüdung und Erholung in Kraepelin’s Psychologischen Arbeiten.) Ander- seits braucht man die Herabsetzung der Unterschiedsempfindlichkeit als Mass der psychischen Leistung nicht als Folge der Ermüdung zu betrachten, sondern man kann sie auf allgemeine Schwierigkeiten der Schwellenbestimmungen zurückführen. So haben Leuba!) und Bolton?) die bekannten Griesbach’schen Feststellungen über den Zusammenhang der Ermüdung und Schwellenwerte in obigem Sinne angezweifelt. (Allerdings hat Griesbach seine Behauptungen in der „Energetik und Hygiene des Nervensystems“ 1895 auf Grund neuer Untersuchungen?) aufrechterhalten dürfen.) Eine mehr objektive physiologische Bestimmung der Ermüdung, wenigstens im Gebiete der optischen Erscheinungen, ist ebensowenig definitiv geliefert. Hier herrscht noch immer eine grosse Begriffs- verwirrung trotz der Orientierung an den Anschauungen E. Hering’s über die Natur der Prozesse in der lebendigen Substanz. So hat, wie wir oben gesehen haben, Braunstein den Befund von Brücke, den erhöhten subjektiven Nutzeffekt anscheinend als Ermüdung auf- gefasst, was eigentlich gerade der Gegensatz von Ermüdung sein sollte. Die Unbestimmtheit des Ermüdungsbegriffes macht sich in 1) Leuba, Psych. Review Bd. 6. 2) Bolton, Kraepelin’s Psychol. Arbeiten Bd. 4. 3) Griesbach, Internat. Arch. f. Schulhygiene Bd. 1. 1905. ol4 A. A. Grünbaum: der neuesten Untersuchung von Fröhlich geltend, wo der Autor die Adaptation als Ermüdungserscheinung ansprechen möchte. Wenn er sagt: „der Begriff der Ermüdung wäre sicher viel zu eng ge- zogen, würde man unter der Ermüdung nur (gesperrt A. G.) den vollkommenen Erregbarkeitsverlust durch eine Reizung verstehen“ !), so muss dagegen behauptet werden, dass niemand den Begriff der Er- müdung vernünftigerweise derart fassen möchte. Der vollkommene Ver- lust der vitalen Eigenschaft ist eine definitive Zerstörung der lebendigen Substanz und nicht ihre Ermüdung. Ein Zustand kann nur so lange Ermüdung heissen als eine Erholung immer noch stattfinden kann. Sogar bei E. Hering, dessen Anschauungen zu einer strengeren Bestimmung der Ermüdung zwingen, ist der Begriff derselben nicht völlig herausgearbeitet. Einerseits wird die absteigende Änderung der lebendigen Substanz, d. h. der Zustand, in dem Dissimilation immer grösser als Assimilation wird, als ermüdende bezeichnet ?). Anderseits aber polemisiert er fortwährend gegen die sogenannte Ermüdungstheorie, nach welcher jeder auch normale mässige Reiz als Ermüdungsursache betrachtet wird. Die Adaptation an einen stetig wirkenden Dissimilationsreiz wird von Hering als Folge der Selbststeuerung des Stoffwechsels aufgefasst und als Zustand einer blossen Unterwertigkeit bezeichnet. Die Abnahme der Dissimilationserregbarkeit und der Helligkeit der Farbe als Er- müdung zu bezeichnen, lehnt aber Hering ab aus dem Grunde, weil die durch diese „Ermüdung“ bedingte Abnahme der Helligkeit nie weiter gehen konnte als bis zum erwähnten Mittelerau?®). So wird von einer „innerhalb weiter Grenzen bestehenden Unermüdlich- keit des Sehorgans“ gesprochen. Eine eigentliche Ermüdung oder vielmehr Überermüdung kann hiernach nur eintreten, wenn der Licht- reiz ein übermässiger und die Bedingungen der Assimilierung zum Beispiel durch vorhergehende Erschöpfung des Materials gestört sind ®). Ich muss gestehen, es ist mir nicht ganz klar geworden, wo- durch die Ermüdung eines in weiten Grenzen unermüdbaren Organs von seiner Überermüdung sich unterscheiden soll. 1) Fröhlich, Beiträge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 48 S. 133. 2) E. Hering, Über Ermüdung und Erholung des Sehorgans. Graefe’s Arch. f. Ophthalm. Bd. 37 S. 28£. 8) E. Hering, Grundlagen der Lehre vom Lichtsinn 1907 S. 107 f. 4) Über Ermüdung usw. S: 33. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 515 Unter dem Einfluss dieser theoretischen Auffassung von der Unermüdbarkeit des Sehorgans und wohl auch des Beispieles Hering’s selbst, der in seinen klassischen Untersuchungen zur Lehre vom Lichtsinn (1878) ausschliesslich mit sehr mässigem Licht arbeitete — um, wie er sich ausdrückte, unreine Resultate infolge starker Reizung zu vermeiden —, ist es üblich geworden, innerhalb physiologisch mittleren Intensitäten zu arbeiten und die Prüfung der Ermüdung infolge starker Reizung zu unterlassen. Ähnlich wird die „gute“ Helladaptation (15—20 Minuten in der Sonne) als die Grenze einer Inanspruchnahme des Sehorgans stillschweigend betrachtet. So wurde neuerdings der Vorgang der Hell- und Dunkeladaptation von Piper!) untersucht, ohne dass die naheliegende Frage entstanden ist: Wie _ verläuft die wirkliche Ermüdung und Erholung des Sehorgans? Die traditionelle Schonung des Auges findet ihren Ausdruck auch in der Auf- fassung von den starken Reizungen als nicht mehr rein physiologischen, sondern schon pathelogischen Bedingungen, wie es zum Beispiel von H.C. Hamaker’) am Eingange seiner Untersuchung ausgesprochen ist. Demgegenüber muss ich die Auffassung vertreten, dass jede Rei- zung, insofern sie keine dauernde Schädigung der vitalen Interessen des Individuums mit sich bringt, immer noch in den Bereich der „physio- logischen“ Bedingungen und Untersuchungsobjekte hineingehört. Und es muss des schönen Wortes von Purkinje gedacht werden „...Auf dem Standpunkte der reinen Naturforschung gibt es ebensowenig pathologische Zustände, als es für den Botaniker ein Unkraut, für den Chemiker einen Unrat gibt. Diese Begriffe sind relativ und haben nur insofern Gültigkeit, als sie der Erreichung irgendeines gegebenen Zweckes hinderlich sind“ ®). Und wenn schon bei starker Reizung „unreine* Resultate gewonnen werden (wie ist es übrigens mit der Lehre von der weitgehenden Unermüdbarkeit des Auges zu vereinbaren ?), so ist dabei zu bedenken, dass „unrein“ dabei bloss einen Komplex von Bedingungen und Folgen bedeutet, die der Sache nach vielleicht nicht auseinandergehalten werden können. Als Komplex ist aber die beobachtete Erscheinung ebenso eine vitale Äusserung wie jede andere, und mit ihrer Beschreibung wird vielleicht sogar der erste Schritt zur weiteren Analyse gemacht. Ich werde daher im folgenden l) Piper, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 15. 2) H. C. Hamaker, Over Nabeelden S. 27. Utrecht 1899. 3) J. Purkinje, Beobachtungen und Versuche zur zuyniolouie der Sinne. Bd. 1 58.5. Prag 1823. 516 A. A. Grünbaum: gerade starke Reizungen anwenden, um Bedingungen zu schaffen, bei denen eine wirkliche optische Ermüdung vorausgesetzt werden kann, und glaube auf die Weise zu der experimentellen Klärung des Ermüdungsbegriffes beizutragen. Innerhalb unserer Tatbestände der Flimmerschwellen ergeben sich für systematische Prüfung der Nachwirkungen vorhergehender Reize folgende Bedingungen. Bei jeder der untersuchten Hellig- keiten des flimmernden Loches wird zuerst nach steigendem Verfahren die normale, an und für sich schon ziemlich tiefe Schwelle bestimmt. Danach findet eine Reizung der Augen mit einem starken Dauerlicht statt. Unmittelbar darauf werden fortlaufende, durch sehr kurze Pausen voneinander getrennte Bestimmungen der Schwelle mittels unseres steigenden Verfahrens vorgenommen, bei welchem, wie oben erwiesen, jede einzelne Bestimmung unter genügend stabilisierten psychologischen und physiologischen Bedingungen geschieht. Da die vollkommene Helladaptation des öfteren als eine Er- müdungserscheinung betrachtet wird, so galt es in unseren Versuchen zuerst Einwirkungen derselben auf die Schwellenwerte zu bestimmen. Ich habe dazu bei allen drei Helligkeiten zuerst die Schwellenwerte in normalen Umständen bestimmt. Diese bestehen in einer 10 Minuten langen Beobachtung des weissen Schirmes, der annähernd die Hellig- keit des flimmernden Loches besitzt. Danach hatte die Versuchs- person in den Sommermonaten 1915 15 Minuten lang im Hofe des Laboratoriums die weissen Wolken mit ihrem Blick verfolgt, und unmittelbar darauf wurden einzelne Schwellenbestimmungen vor- genommen. In folgender Tabelle XV sind die Werte vor und nach ler guten Helladaptation für alle drei Helligkeiten, von denen die ersten zwei im Vergleich zur Helligkeit der weissen sonnenbelichteten Wolken unendlich klein sind, zusammengestellt. | Tabelle XV. Versuchsperson Wa. Kleine Helligkeiten Mittlere Helligkeiten Grosse Helligkeiten vor | nach vor nach vor nach 7,8 | 8,0 71 7,1 | 6,7 6,7 8,0 8,0 Zul 1,2 6,7 6,7 8,0 18) 72 zit 6,7 6,7 80 8,0 Zn il 6,6 6,6 80 8,0 za 7, 6,6 6,8 == — Tl a 6,6 | 6,7 Die Werte sind nicht reduziert. Psychophysische und phsychophysiologische Untersuchungen usw. 517 Die Tabelle zeigt eindeutig für alle drei Helligkeiten, dass die Bedingungen unserer Normalversuche alle dieselben sind wie einer guten Helladaptation, da dieselbe nicht vermag, die im Normalversuch gewonnenen Werte herunterzudrücken. Ausserdem aber bleiben nach der guten Helladaptation die Werte in der ganzen fortlaufenden Versuchsreihe auf derselben Höhe stehen, so dass die Helladaptation ein Verhältnis zwischen Dissimilation und Assimilation bedeutet, welches sich — bei fortdauernden, gegen den Adaptationsreiz unendlich kleinen Dis- similationsreizen — nicht ändert. Das wollen wir uns merken für den Vergleich der Helladaptation und der Ermüdungserscheinungen! Dieselben werden nunmehr provoziert durch eine Lichtquelle von - 400 Kerzen, die durch eine dünne Mattglasscheibe abgeblendet ist, in dem Abstand von 1,25 m Luftlinie von den Augen der Versuchs- person sich befindet, und eine weissbeleuchtete Fläche von 12 cm Diameter darbietet. Diese Reizungen vor neuen Schwellenbestim- mungen dauern in verschiedenen Reihen 45, 90 und 180 Sekunden bei allen drei Helligkeiten des fimmernden Loches. Jede Schwellen- betimmung dauert 12—15 Sekunden, zwischen zwei Bestimmungen ist eine Pause von 10 Sekunden eingeschoben. Der Übersichtlichkeit halber teile ich die Resultate in graphischer Darstellung nebst Angabe der Periodenzahl pro Sekunde, bei welcher das Flimmern jedesmal eben aufhört, mit. Aus der Kurventafel (Taf. II) sieht man bei allen drei angewandten Helliskeiten des flimmernden Loches: Je länger die Ermüdung durch | den vorhergehenden Lichtreiz, 1. desto tiefer fällt die Unterscheidungs- fähigkeit im ersten Moment nach der aufgehobenen Ermüdung. 2. Die Norm wird dabei aber erreicht annähernd in demselben Zeitinter- vall, welcher für jede andere Helligkeit einen etwas anderen Wert besitzt. Mit anderen Worten, je länger dieErmüdung, desto relativ rascher steigt die Erholungskurve bis zur Norm. 3. Die Unterscheidungsfähigkeit, nachdem sie die Norm erreicht hat, steigt weiter und wird auf eine Zeitlang desto besser, je länger die primäre Ermüdung gedauert hat. Es findet sozusagen eine Über- kompensation der herabgedrückten Leistung statt, die innerhalb der untersuchten Grenzen desto grösser ist, je grösser die primäre Herabdrückung war. Vergleicht man die Resultate, gewonnen bei verschiedenen Helligkeiten, so sieht man, dass 4. bei derselben Zeit der primären Ermüdung je grösser die Helligkeit, desto 518 A. A. Grünbaum: kleiner die Senkung der Unterschiedsfähigkeit gegen die Norm im ersten Moment nach der aufgehobenen Ermüdung. 5. Diese Diffe- renzen der Senkungen der Unterschiedsempfindlichkeit unter die Norm bei zwei verschiedenen Helligkeiten werden kleiner, je grösser die Ermüdungszeit. 6. Je tiefer die Norm, desto kleiner der Senkungs- effekt bei Verdoppelung der Ermüdungszeit. Auf Grund dieser Gesetzmässigkeiten kann man versuchen, ein Bild des Ermüdungs- und Erholungsverlaufes zu konstruieren. Der Zustand des optischen Apparates bei den „normalen“ Be- stimmungen ist als Adaptation anzusprechen. Denn hat der Inter- mittenzreiz konstante Intensität, so liefern alle nacheinander- - folgenden Bestimmungen denselben konstanten Schwellenwert. Die psychophysische Funktion des optischen Apparates bleibt un- abhängig von der Zeitkompenente, womit besagt wird, dass der physiologische Zustand des optischen Apparates bei der an- sewandten Inanspruchnahme völlig konstant bleibt und in der Zeit weder eine Verminderung noch eine Vermehrung der erregungs- fähigen Substanz stattfindet. Für den Schwellenwert in diesem Adaptationszustande kommt in Betracht nur die Reizungsmenge, aus- gedrückt durch die Dauer, Frequenz und Intensität der vorher- gehenden Intermittenzreize. Die Grösse der Ruhepausen zwischen einzelnen Versuchen und die Zahl der aufeinanderfolgenden Versuche in diesem Zustande der der Adaptation an den Intermittenzreiz ist indifferent für den Schwellenwert. Das besagt wieder, dass im eigent- lichen Sinne des Wortes kein wirklicher Prozess des Abbaus und des Aufbaus der lebendigen Substanz an der psychophysischen Funktion dabei teilnimmt. Somit ist der Reiz im Adaptationszustande keine Bedingung für das Einsetzen spezieller Regulations- mechanismen des Stoffwechsels. Anders ist es bei einer merklichen Ermüdung des optischen Apparates. Ist das Zeichen einer Adaptation die Konstanz der Schwellenwerte in der Zeit, so zeigt sich die Ermüdung in einer bestimmten Inkonstanz der Schwellenwerte in der Zeitfolge. Als Maass der Ermüdung nehmen wir an die Senkung des Schwellen- wertes unter die Norm, welche erhalten wird durch die Herstellung einer vollkommenen Adaptation. (Diese wird in unseren Versuchs- bedingungen hergestellt durch Reizung mit relativ Jangsameren Inter- mittenzen und drückt sich aus durch relativ tiefe Werte) Von diesem Maass aus besehen, hängt die Ermüdung ab in den unter- Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 519 suchten Bedingungen erstens von der Ermüdungszeit, zweitens von dem Adaptationszustande (der Grösse des Intermittenzreizes). Die Länge der Ermüdungszeit vergrössert die Ermüdung im ersten Moment nach dem aufgehobenen Ermüdungsreiz. Doch die antagonistischen Prozesse setzen jetzt desto stärker ein, je stärker die Ermüdungsreizung war. Das folgt aus der Tatsache, dass die Norm dabei in annähernd gleichen Zeiten hergestellt wird. Auch während der Ermüdungsreizung selbst setzen die ant- agonistischen Prozesse desto stärker ein,. je stärker die Inanspruch- nahme des optisphen Apparates war. Das folgt aus der Tatsache, dass hei Steigerung der Intensität des Intermittenzreizes eine relative Verkleinerung der Ermüdungseffekte stattfindet. Dass auch der Zeit- faktor innerhalb bestimmter Grenzen teilweise kompensiert wird, folgt aus dem Umstand, dass, je grösser die Ermüdungszeit, desto kleinere Differenzen der Senkungen der Schwellenwerte bei zwei verschiedenen Helliskeiten zu bemerken sind. Die auffallendste Erscheinung innerhalb dieser antagonistischen Prozesse, die der Ermüdung entgegenarbeiten, bildet endlich die der Ermüdungsgrösse proportionale Steigerung der Leistungsfähigkeit über die Norm hinaus. Die optische Ermüdung kann auf Grund dieser Momente als ein wirklicher physiologischer Prozess aufgefasst werden, der innerhalb der Reizungszeit einen, und nach derselben einen anderen Verlauf aufweist. Schon innerhalb der Reizungszeit setzt eine Komponente ein, welche in ihrer Reinheit als Erholung be- zeichnet werden kann, und deren Verlauf unsere Kurven abbilden. Die Helladaptation, wie sie durch 15 Minuten lange Reizung mit reflektiertem Sonnenlicht hergestellt ist, kann nicht als Ermüdungs- zustand bezeichnet werden, da die Adaptation eine stabile, die Ermüdung eine schnell veränderliche Bedingung darstellt. Ebenso wie es eine negative Abweichung von dieser Stabilität gibt, gibt es unter bestimmten Bedingungen auch eine positive Abweichung, wie sie in dem Zustande der übernormalen Leistungsfähigeit des opitischen Organs sich zeigt. Die stabile Funktionsweise des optischen Apparats, durch einen bestimmt gearteten Reiz hervorgebracht, bildet die untere Grenze des Ermüdungszustandes. Die obere ist in dem Zu- stand einer völligen Reizlosiekeit zu betrachten. Die maximale Grösse des Reizes, deren Überschreitung den veränderlichen Zu- stand der Ermüdung hervorrufen kann, bestimmt die absolute Adap- 520 A. A. Grünbaum: tation. Kleineren. Reizen entsprechen relative Adaptationen. Ist die Grenze zwischen absoluter Adaptation und Ermüdung scharf ge- zogen durch die Charaktere der Stabilität und Veränderlichkeit in der Zeit, so ist die Verschiedenheit der relativen und absoluten Ad- aptationen nicht durch die Form der Leistungskurve, sondern nur durch ihre Höhe gekennzeichnet. Der Übergang von einem Ad- aptationszustande zu dem anderen hat als seine stabile Grenze die Höhe der Leistung bei der zweiten Adaptation und kann daher in keiner Weise mit dem Ermüdungs- oder Erholungsprozess ver- glichen werden. Gegen die Ausdeutung der gewonnenen Kurven als einen reinen Ausdruck einer Erholung der erregbaren Substanzen des optischen Apparates könnte folgendes erhoben werden. Bei der starken, an- haltenden Reizung könnte eine mehr oder weniger dauernde reflek- torische Pupillenverengerung stattfinden, die bei der aufgehobenen Reizung allmählich verschwindet. Die erreichte Kurve der Schwellen- werte würde daher ebensogut die Folge verschiedener Lichtquanta sein, die durch verschiedene Grösse der Pupillenweite in verschiedenen Zeiten der Prüfung zur Netzhaut gelangen. Um dies zu entscheiden, habe ich einerseits mit künstlicher, minimal weiter Pupille gearbeitet, anderseits eine Reihe von Prüfungen nach einer maximalen Homatropin- erweiterung und Erstarrung der Pupille vorgenommen. Die Versuche beider Art sind in dem Sinne ausgefallen, dass, wenn auch verschiedene Pupillenweiten bei derselben Intermittenzhelligkeit verschiedene Normalwerte bedingen, die Gesetzmässigkeit unserer Ermüdungs- und Erholungskurve dieselbe bleibt, ob man mit künstlich erstarrter oder normal beweglicher Pupille arbeitet. Fin zweiter Einwand wäre mehr psychologischer Natur. Man könnte denken, dass das flimmernde Loch in seiner Helligkeit durch das auftretende dauernde Nachbild beeinträchtigt wird, und dass dieses Nachbild um das Loch sich lagernd, die Umgebung desselben verändert. Die Veränderungen der subjektiven Helliekeiten des Loches und seines Kontrastes mit der Umgebung könnte somit den Verlauf unserer Kurve bestimmen. Was den ersten Punkt anbelangt, so überzeugt man sich leicht, dass auch bei der kleinsten Helligkeit des flimmernden Loches und in- tensivsten negativen Nachbildern die Helligkeit des Loches sich während der Dauer der Reihe nicht wesentlich verändert. Auch verschwindet das Nachbild lange vor dem Schluss der Untersuchung, Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 5921 die eine Kurve ausmacht. Nur im ersten Moment, nach einer 3 Minuten langen Ermüdung, tritt manchmal eine allgemeine Dunkel- heit auf — wohl als Erscheinung des sukzessiven Helliekeitskontrastes zu dem Blendungsweiss der Ermüdungsquelle. Aber auch hier ist der Schwellenwert nicht besonders verschieden von dem der zweiten oder dritten Prüfung. Um festzustellen, inwiefern die Veränderung der Umgebung eine Rolle spielen konnte, habe ich die Helligkeit des Schirmes einmal gegen die des Loches gesteigert und einmal gesenkt, und zwar so weit, bis das negative Nachbild der Ermüdungsquelle im ersten Falle stärker hervortrat, im zweiten Falle aber sehr schwach zu sehen war. Die wiederholte Prüfung ergab, im Vergleich zu der gewöhnlichen gleichen Beleuchtung des Schirmes und des Loches, folgendes Resultat: Zwar ist der Normalwert in allen drei Fällen bei derselben Flimmerhelliekeit ein anderer, die Senkung der Schwelle nach der Ermüdung und ihre spätere Erhebung bleiben relativ dieselben. Endlich (und das ist das stärkste, weil das direkte Argument), habe ich in allen Versuchen das Verschwinden des Nachbildes notiert. Dasselbe verschwindet noch lange vor der Erreichung der Norm und ist auch insofern ohne Einfluss, als die Schwellenwerte, die unmittel- bar vor und nach dem Verschwinden des Nachbildes aufgenommen sind, voneinander in keiner Weise differieren. Die tabellarischen Belege bringe ich, um mich nicht zu wieder- holen bei der Besprechung der Prüfungen mit monokularer Er- müdune. (S. Seite 525.) 7. Die konsensuellen Wirkungen und die Komponenten der optischen Ermüdung. Wir haben bis jetzt die optische Ermüdung als ein Ganzes betrachtet, die Inanspruchnahme des peripheren Organs und der zentralen Partien in eins zusammengefasst. Auch Hering ist ge- zwungen, die Prozesse der Dissimilation und Assimilation dem Ganzen des nervösen Sehapparats zuzuschreiben, ohne eine Differenzierung nach dem Aufnahme- und Verarbeitungsapparat vorzunehmen. Diese der Sache nach für das psychophysische Geschehen im menschlichen Organismus mit gegebenen Mittel nicht lösbare Frage kann ich nicht _ erschöpfen wollen. Ich glaube aber, eine Methode angewandt zu haben, die uns wenigstens konkret vor das Problem des peripheren und des zentralen Anteils der optischen Ermüdung stellt. Sie be- 5922 A.A. Grünbaum: steht in folgendem Verfahren. Es werden die Schwellenwerte für das eine Auge, zum Beispiel das linke bestimmt. Das eine Mal geschieht das in normalen Umständen bei genügender Adaptation beider Augen an die entsprechende Schirmhelligkeit, indem durch einenaufden Kinnhalterangebrachten sagitalen Schirm nur das linke Auge imstande ist, das Flimmerloch (zentral fixiert!) zu sehen. Das rechte dagegen beobachtet die glatte weisse Schirm- fläche. Daraufhin wird die Ermüdung des rechten Auges vor- genommen, indem das linke jetzt die Schirmfläche beobachtet. Nach der betreffenden Ermüdungszeit (45, 90 oder 180 Sekunden) wird sofort die fortlaufende Prüfung mit dem linken Auge vorgenommen. Nachdem nach einer Reihe von Versuchen die Norm erreicht ist und bei- behalten wird, tritt eine 10 Minuten-Pause in den Prüfungen auf. Jetzt wird für das linke Auge wieder nach alter Regel die Norm bestimmt und nach einer entsprechenden direkten Ermüdung des linken Auges selbst die Erholungskurve für dasselbe auf- genommen. Man bekommt somit neben der Norm für mono- kulare Bestimmung eine Kurve, die bei konsensueller und eine, die bei direkter Ermüdung aufgenommen wird. Ist die Er- müdung ein rein peripherer Prozess, so würden die Werte für das linke Auge nach einer Einwirkung auf das rechte sich nicht von der Norm unterscheiden. Ist die Ermüdung ein rein zentraler Prozess, so würden die Werte bei konsensueller und bei der direkten Er- müdung gegen die Norm sich in gleicher Weise verändern. Dies war die einfache Überlegung, bei der gewiss alle Komplikationen, wie zum Beispiel Möglichkeiten einer reflektorischen Einwirkung auf den Ermüdungszustand des einen Auges, Möglichkeiten einer Ver- bindung zwischen beiden Augen auf den Zwischenstationen usw., vernachlässigt sind. Diese Überleeung brachte mich aber auf eine konkrete Fragestellung, und hier die Resultate meiner Prüfungen in der Kurventafel (Taf. III). Das erste, was daraus folet, ist die Tat- sache, dass es möglich ist, eine konsensuelle Ermüdung des Auges zustande zu bringen!). 1) Gildemeister (Über die Wahrnehmbarkeit der Lichtlücken. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 48 S. 256ff.) hat bemerkt, dass mit der Zeit auch das nicht benutzte Auge weniger fähig wird die Lichtunterbrechungen zu erkennen. Diesen Tatbestand für sich selbst genommen dürfte er aber nur als eine konsensuelle Einwirkung bezeichnen können, keinesfalls aber wie er es macht, schon als Wirkung einer zentralen Ermüdung auslegen. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 523 Vergleicht man den Ermüdungs- und Erholungsverlauf bei kon- sensueller und direkter monokularer Reizung, so ergibt sich nämlich : 1. Bei allen Helligkeiten des Simmernden Loches und allen Er- müdungszeiten ist die Verschlechterung der Unterscheidungsfähigkeit im ersten Moment nach dem aufgehobenen Ermüdungsreiz etwas grösser bei der direkten Ermüdung als bei der konsensuellen. 2. Bei der direkten Ermüdung wird die Norm meistens etwas später erreicht als bei der konsensuellen Ermüdung. In Fällen, wo diese letztere später aufgehoben wird, ist der Zeitvorsprung absolut sehr klein und jedenfalls kleiner als im umgekehrten Verhalten. 3. Bis zur Norm verlaufen beide Erholungskurven ziemlich gleich, bei der konsensuellen Ermüdung findet aber. keine übernormale Verbesserung der Leistung nach der aufgehobenen Ermüdung statt, die direkte Ermüdung bringt mit sich dagegen die uns schon aus den „binokularen‘ Versuchen bekannte Überkompensation der ver- schlechterten Leistungsfähigkeit. (4. Die Überkompensation der Ermüdung ist im allgemeinen desto ausgesprochener, je länger die Ermüdung war. Die tiefere Senkung unter die Norm, späteres Erreichen der- selben sind Zeichen eines intensiveren Ermüdungseffektes, und so können wir im allgemeinen schliessen, dass die direkte Ein- wirkung bei derselben extensiven und intensiven Grösse des Ermüdungsreizes grössere Effekte verursacht als die konsensuelle Reizung. Gleichzeitig aber dürfen wir die Vermutung wagen, dass die überkompensatorischen Effekte in erster Linie den Restitutionsprozessen der Peripherie zuzuschreiben sind, da sie ausschliesslich bei der direkten Reizung vorkommen. Es bleibt dahingestellt, und es wird sich vielleicht eine Möglichkeit einer experimentellen Prüfung darbieten, ob nicht bei noch intensiveren Ermüdungseinwirkungen auch die konsensuelle Reizung einen überkompensatorischen Effekt zeitigen wird. Die Frage nach dem zentralen Anteil der optischen Ermüdung wird auch nur dann als genügend gelöst zu betrachten sein, wenn es uns gelingen wird, durch Wirkung der erregenden und lähmenden Gifte auf das Zentralnervensystem die zentralen Kom- ponente bei konstanter peripherer Einwirkung zu variieren. Daneben bleibt es uns noch übrige, zu studieren, welche Grösse der Schwellen- senkung eine möglichst grosse Aufmerksamkeitsablenkung und Ver- 594 A. A. Grünbaum» ° teilung mit sich bringt, um auf die Weise die Wirkungen der ob- jektiven und subjektiven Faktoren gegeneinander abzumessen und so einen konkreten Beitrag zu liefern zu der Lehre, die eine Trennung des wirklichen Unterscheidungsvermögens und der durch die reine Funktionstüchtigkeit des Organs bedingter Unterschieds- empfindlichkeit verlangt '). Unsere Kurven können wir noch in folgender Weise ausnutzen, wenn es erlaubt ist, die jedesmal etwas verschiedene Normen bei mono- kularer und binokularer direkter Einwirkung als vergleichbare Aus- gangspunkte zu betrachten. Diese Verschiedenheit beruht wahr- scheinlich auf der Labilität der persönlichen Einstellung und Dis- position zu verschiedenen Zeiten und nicht auf Verschiedenheit, verursacht durch Verschiedenheit der monokularen und binokularen Einwirkung. Denn betrachtet man die Werte der Normen für beide Einwirkungsweisen, so findet man, dass sie innerhalb derselben ab- soluten Grenzen schwanken. Binokular . . . 383, 33, 30, 29, 27,25, 24. Monokular . . . 33, 33, 32, 28, 27, 26,5 25. Auch stimmen darin die Befunde von Sherrington?), dass beide Verhaltungsweisen für die Verschmelzung dieselbe Winkel- geschwindigkeit der Drehscheibe beanspruchen. Vernachlässigen wir also die Schwankungen der Normen bei den monokularen und: binokularen Ermüdungsreihen bei derselben Ermüdungszeit und vergleichen wir die entsprechenden monokularen und binokularen Ermüdungs- und Erholungskurven miteinander, so ergibt sich Kurventafel IV. Betrachtet man wieder die tiefere Senkung unter die Norm, die höhere Steigerung über die Norm und das spätere Erreichen der Norm als Zeichen des grösseren Ermüdungseffektes, so zeigt sich, dass die monokulare Ermüdung relativ eindringlicher ist als die binokulare, dass also auf jeden Fall die bino- kulare Zufuhr der Erregungen bei gleichen Zeiten keine grösseren Effekte mit sich bringt als die monokulare. Im Gebiete der Er- müdung scheint es sich also gleich zu. verhalten wie im Gebiete der 1) Vgl. W. Stern, Differenzielle Psychologie S. 265. 1911. 2) Observations on „Flicker*“ in binokular Vision. Proc. of the Royal. Soc. of London 16. Juli 1902. — Krusius, a. a. O. S. 227. Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 525 normalen Helligkeitsempfindlichkeit, da auch für diese, wie Roelofs und Zeeman nachgewiesen haben, keine binokulare Summation nach- gewiesen werden kann!). Zum Schluss die Belege für Unwirksamkeit der Nachbilder und des Pupillenfaktors bei unseren Gesetzmässigkeiten. Tabelle XV. Versuchsperson Wa. Direkte Ermüdung von 45” bei mittlerer Helligkeit. Die Folge der nicht reduzierten Schwellenwerte. 7,6 Zoot 7,4 7,7 7,6 2.8 nd 7,9 ed 7,9 7,8 8,0 Hier verschwindet das Nach- usw. bild völlig. Aus der Tabelle XVI ersieht man, dass weder die Anwesen- heit des Nachbildes die allmählichen Erholungseffekte behindert, noch das Verschwinden des Nachbildes den Schwellenwert beeinflusst. Tabelle XVII. Versuchsperson Wa. Grosse Helligkeit. Vor das linke Auge ist ein Diaffragma ge- setzt. Normalwert 7,9, Ermüdung von 90” konsensuell. Erholungs- werte: 7,0, 7,2, 7,7, 7,3, 7,5 7,8, 8,0 (Nachbild verschwunden!), 8,0, 7,9, 8,0, 7,9. Direkte Ermüdung des linken Auges 90”: 6,9, 7,0, 7,0, 7 ‚2, 7,4 (Nachbild verschwunden), 7,5, 7,7, 8,0, 8,2, 8,4, 8 7 -O, 2 7 6, 8,7 8,7, 8,7, 9,0, 9,0, 9,0, 9,0. 7 1058,17, Homatropinversuch. Tabelle XVII. Versuchsperson Gr. Mittlere Helligkeit. Linkes Auge. Norm 9,3. Konsensuelle Er- müdung während 90”. Linkes Auge: 8,8, 9,0, 9,2, 9.2, 9,3, 9,3, 9,3. Direkte Ermüdung 90”. Linkes Auge: 8,2, 8,4 8,7, 9,0, 9,3, 9.9,.05,.95, 95. 1) Roelofs und Zeeman, Zur Frage der binokularen Helligkeit und der binokularen Schwellenwerte. v. Graefe’s Arch, f. Ophth. Bd. 88 S. 1.—27. 1914. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 39, 8 "E 596 A.A. Grünbaum: | ww B Aus diesen Tabellen folgt, dass auch bei gesicherter Konstanz der Pupillenweite die früher gefundenen Gesetzmässigkeiten des Er- müdungs- und Erholungsverlaufes sich nicht verändern. * Som - „! er BR Dr RER 8. Zusammenfassung. 1. Die Behandlung der Flimmermethode im kontinuierlich steirenden Verfahren (vom Flimmern zum Konstanzeindruck hin) gibt uns ein psychophysisch gesichertes Verfahren in die Hand, um die optische Ermüdung nicht nur festzustellen, sondern auch ihren Verlauf zu messen. 2. Je länger die Ermüdung dauert, desto tiefer fällt das Ver- & mögen der Unterscheidung der intermittierenden Lichtreize. Mi 3. Je länger die Ermüdung dauert, desto relativ intensiver ge- R; - ELLE rc, schieht der Prozess der Erholung. 4. Bei direkter Reizung des Organs findet nach der Frhols eine Überkompensation statt — eine Steigerung des Unter-© 73 scheidungsvermögens über die Norm, als welche die Leistung bei z guter Helladaptation angenommen wird. ; Er, 5. Diese Überkompensation ist meistens desto grösser, je länger I die Ermüdung dauert. 6. Bei derselben Dauer der Ermüdungsreizung fällt die Leistung desto weniger unter die Norm, je grösser die konstante Its des flimmernden Lichtes. Dr Punkt 2 drückt aus, dass, je länger die Dauer der ne a desto stärkeres Übergewicht gewinnen die Ermüdungsprozesse gegen- über den gleichzeitig einsetzenden kompensatorischen Faktoren des Stoffwechsels. Im Punkt 3 sind formuliert die Wirkungen dieser kompensatorischen Faktoren nach der Ausschaltung des Ermüdungs- reizes. Die Überkompensation (Punkt 4) bezeugt die relative Über- dauer dieser von dem Ermüdungsreiz abhängigen (Punkt 5) und der Ermüdung antagonistischer Faktoren. Punkt 6 besagt schliesslich, dass die Effekte der Ermüdung bei konstanter Intensität des ent- sprechenden Reizes nicht nur von der Dauer desselben abhängig sind, sondern auch von dem stationären Zustand des Auges, der geschaffen wird durch die Intensität des flimmernden Lichtes. 7. Die Helladaptation und die optische Ermüdung sind zwei prinzipiell verschiedene Zustände. Die Helladaptation ist ein statio- närer Zustand, welcher, einmal erreicht, gegen den Zeitfaktor indifferent bleibt. Ermüdung dagegen ist ein Verlauf, eine kon- An fi “- na, > - PT BR N a Se Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd.166. Ermüdung während 90" Norm. INVZE! flimmernden Lichtes. RR 8 D © SNRBB PB & Kleine Helligkeit. [ss Taf... Norm. Ermüdung während HE >: Zeiten in je 10 Sekunden BUISNENNHRB Mittlere Helligkeit. RN N Große Helligkeit. % Verlag v.Martin Hager, Bonn. Lith. Anst. v: F.Wirtz, Darmstadt Binokulare Einwirkung. Vp. Wa. Taf.M. Pflüger’s Archiv fd. ges. Physiologie. Bd.166. Ermüdung während 180" Ermüdung während 90" Ermüdung während 45" 47 Dr “ia v.Martin Hager, Borm i i i lager. B Monokulare direkte und konsensuelle Einwirkung Vp. Wa. Tith.Anst.v. F-Mirtz, Dhrmstadt RB I NN a rc Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd.166. Taf.W. L 45" 90" FR. == M M (b) M Norm. 7B = Norm. N B A fB = / © v m SE Ö — a, / Ser Bi SZ Bl. Kamel e Norm. 5 M ae a . = 2 m Bm B—.b, " Fa Norm. W BL, 1 = — Norm. 2 = g M . [9 / / m ee Bi. ® Ionen seem ge B. Se = M Tiefer unter der Norm höher über die Norm = ®© x >) ® ee M ® = ‚ = / (®) p; ee) iM TI Norm aa Def /F Lith. Anst. v: F-Wirtz, Darmstadt Verlag v-Martin Hager, Born. Monokulare und binokulare direkte Reizung: Vp. Wa. g PS » Psychophysische und psychophysiologische Untersuchungen usw. 5237 tinuierliche Zustandsänderung, die aus zwei antagonistischen Prozessen resultiert, welche mit dem Zeitfaktor funktionell verbunden sind. 8. Es wurde nachgewiesen die Existenz einer konsensuellen optischen Ermüdung, welche etwas schwächere Effekte als eine direkte Ermüdung zeitigt, im allgemeinen aber ähnlich mit ihr verläuft. 9. In den untersuchten Reizbedingungen konnte bei der konsen- suellen Ermüdung keine Überkompensation entdeckt werden, wodurch wahrscheinlich gemacht wird, dass die intensiven und andauernden Restitutionsprozesse in erster Linie für die peripheren sensiblen Ge- bilde kennzeichnend sind. 9. Es besteht keine binokulare Summation der Ermüdungs- reizungen. 35 * WE 528 J. S. Szymanski: Die sogenannte tierische Hypnose bei einer Insektenart. Von I. S. Szymanski (Wien). (Mit 1 Textfigur.) Die Erscheinung der sogenannten tierischen Hypnose bei Insekten hat man bisher mit zwei Reihen der beobachteten Tatsachen in Zu- sammenhang gebracht. Die erste Reihe bezieht sich auf das Sich-tot-stellen vieler In- sektenarten, die zweite auf die von Schmidt untersuchte „Kata- lepsie“ einer Stabheuschreckenart!'). Die Frage, ob sich die Vertreter der sich nicht-tot-stellenden Insektenarten in die sogenannte tierische Hypnose versetzen lassen wenn die Bewegungen der in abnorme Stellung gebrachten Tiere unterdrückt werden, ist meines Wissens bisher noch nicht berührt worden. Angerest durch ein Gespräch mit Herrn Prof. A. Kreidl über den allgemeinen Mechanismus der sogenannten tierischen Hypnose, bin ich auf den Gedanken gekommen, dieser Frage nachzugehen. Wegen der für solche Versuche ungünstigen Jahreszeit konnte ich bisher bloss eine Art der sich nicht-tot-stellenden Insekten, und zwar die Küchenschaben (Periplaneta orientalis) in dieser Hinsicht untersuchen. = Das Ergebnis war, dass diese Insektenart sich in der Rücken- lage durch Unterdrückung der Bewegungen leicht in den Zustand . der Bewegungslosigkeit versetzen liess. Um die Schabe in den Zustand der Bewegungslosiekeit zu ver- setzen, ist es am besten, das Tier in die Luft zu heben, gleichzeitig mit der Bauchseite nach aufwärts umzudrehen und mit zwei Fingern an beiden Seitenrändern des Kopf- und Brustabschnittes leise so zu 1) P. Schmidt, Die Katalepsie der Plasmiden. Biol. Zentralbl. 1913. ‘Die sogenannte tierische Hypnose bei einer Insektenart. 5239 fassen, dass die Finger nicht in Berührung mit den Beinhaaren und den Fusskrallen kommen!). Daraufhin lest man die Schabe vor- sichtig mit dem Rücken auf.den Tisch. In dieser Lage hält man die Schabe noch kurze Zeit mit den Fingern fest, bis die Bewegungen aufgehörthaben, und schliesslich nimmt man die Finger weg. Die Schabe bleibt nun in der Rückenlage resungslos liegen ?) (Fig. 1). Es lassen sich in Hin- sicht auf die Vollkommen- heit der Bewegungslosiekeit fie.1. Die sogenannte tierische Hypnose bei zwei Grade dieses Zustandes einer Küchenschabe (Periplaneta orientalis). unterscheiden: 1. das Tier ist bewegungslos, mit Ausnahme der Fühlhörner, die ‚mehr oder weniger lebhafte schlagende Bewegungen ausführen ; 2. das Tier ist ganz bewegungslos; auch die Fühlhörner führen keine Bewegungen mehr aus. Bei den ganz bewegungslosen Tieren besteht das erste Merkmal des „Erwachens“ im Wiederauftreten der Fühlerbewegungen, die einige Zeit fortdauern, bevor die zappelnden Bewegungen der Beine sich eingestellt haben. Die Dauer des Verharrens im Zustaude der Bewegungslosigkeit ist ziemlich bedeutenden Schwankungen unterworfen. Bei den zehn von mir in dieser Hinsicht untersuchten Exemplaren war diese Dauer bei Tageslicht?) und einer Zimmertemperatur — 17°C. folgende: I) Sonst klammern sich die Haare und die Krallen an den Fingern fest; dieser Umstand aber wirkt beim Wegnehmen der Finger störend auf das regungslose Liegen der Schabe. 2) Manchmal genügt es, ein Tier mit dem Rücken auf die Unterlage zu "legen, um es nach einigen zappelnden Bewegungen mit den Beinen bzw. nach einigen Versuchen sich umzudrehen, in den Zustand der Bewegungslosigkeit zu versetzen. Hierbei lassen sich höchst merkwürdige Stellungen beobachten, wie zum Beispiel das regungslose Liegenbleiben eines bereits halb aufgerichteten Tieres. 3) Die Schaben verbleiben den ganzen Tag meistens in der Ruhe- bzw. Schlafstellung, die Hauptperiode der Aktivität fällt durchschnittlich auf die Zeit von 7—10 Uhr abends. (Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 350.) Die Tageszeit übt aber keinen merklichen Einfluss auf das Zustandekommen und den Verlauf der „Hypnose“ aus. 530 J.S.Szymanski: Die sog. tierische Hypnose bei einer Insektenart. Nummer Minuten | Sekunden Nummer Minuten Sekunden des Tieres des Tieres il 0 33 6 1 43 2 0 92 7 1 0 3 0 53 8 2 4 4 0 55 9 2 13 5) 1 5 10 3 19 Das „Erwecken“ gelingt leicht, z. B. durch Anblasen, Erschütte- rung der Unterlage [mechanische Reize !)], Einwirken von Essigsäure- dämpfen auf die Fühler (chemische und mechanische [?] Reize) usf.; die applizierten optischen und akustischen Reize blieben wirkungslos. Nach dem „Erwachen“ sind die Tiere munter und führen alle Bewegungen mit der üblichen Geschwindigkeit aus. Dieser Umstand beweist, dass die „hypnotische“ Bewegungslosig- keit sich nicht als Ermüdungserseheinung deuten lässt. Ein weiterer Beweis hierfür ist dadurch geliefert, dass auch die Zeit, die er- forderlich ist, um die Schabe in den Zustand der Bewegungslosiskeit zu versetzen, nur ganz kurz ist. Wenn die Umstände es erlauben, möchte ich in einer für die Beschaffung des Materials günstigeren Jahreszeit auch die Vertreter: anderer Insektenarten in dieser Hinsicht untersuchen. Eh 1) Dadurch unterscheidet sich der Zustand der sogenannten tierischen Hypnose vom Sich-tot-stellen. Denn jeder mechanische Reiz bewirkt bzw. ver-- tieft das Sich-tot-stellen (z. B. Schnellkäfer u. a.); umgekehrt führt der nämliche Reiz das „Aufwachen“ der „hypnotisierten“ Schabe herbei. Es lässt sich dem-. nach sagen, dass die mechanischen Reize die sogenannte tierische Hypnose hemmen und das Sich-tot-stellen fördern. 53l (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. Von Rudolf Höber. (Mit 42 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. f Seite Pekmletand, 13.1... 4 tauaz N N EEE EN NE RR CE 932 U. Der Einfluss mehrwertiger Kationen auf die Hämolyse ER TE RU 336 etblamalyse dureh »Narkotika . . . ..2....2 0200 0er. 336 2saklamalyse,dureh Hypotonie. „ . . 0. . 0... en 538 ssaklamolyserdurchesaponin.. u. ee 548 Ill. Der Einfluss mehrwertiger Kationen auf die Muskelkontraktion . . . 545 1. Kompensation der lähmenden (die Permeabilität steigernden) rkuno, von Käliumehlorid, 2.0 Wr 2a rat an Jeanne 946 i 2. Kompensation der lähmenden Wirkung hypotonischer Salz- SEITEN ER Le Ele SER ER RR 968 3. Einfluss auf die Narkose der Muskeln. . ..... 222202. 964 4. Einfluss auf die durch reine Kochsalzlösung hervorgerufenen Ahnillaven ZAuekumgen ‘ul. 3: tn oe ee 966 IV. Der Einfluss komplexer Kobalt- und (Chromionen verschiedener VNNERHIEIRENN oo Jon Su a EEE DER RE EEE rer DOES CS EL FRRE 967 1. Der Einfluss der Komplexsalze auf die Muskelkontraktion. . . . 969 2. Der Einfluss der Komplexsalze auf die fibrillären Muskelzuckungen 580 3. Der Einfluss der Komplexsalze auf die Hämolyse. ...... .- 581 V. Der Einfluss mehrwertiger einfacher und komplexer Kationen auf denekukestrom des, Muskels. - =... „le same ee len 582 1. Der? Einfluss aufoden Kalistrom . nenn nun n ne 582 2. Der Einfluss auf den durch die Narkotika zu erzeugenden Ruhestrom 895 VI. Kolloidchemische Analoga zu den physiologischen Untersuchungen. . 600 VI. Die ‘Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums . .. - » 603 BR SINE ASS ES N Ale 607 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. , 36 932 Rudolf Höber: I. Einleitung. Es ist heute nicht mehr nötig, die Frage aufzuwerfen, welche Be- deutung iın allgemeinsten Sinn den hauptsächlichen organischen Bestand- teilen der Lebewesen, den Kohlehydraten, Fetten und Eiweisskörpern, in ihrem Haushalt zukommt; die ersteren beiden dienen dem ener- setischen Betrieb, teils unmittelbar, teils in Gestalt von aufgespeicherten Reserven, den letzteren kommt ausserdem auch die Funktion zu, Baustoff zu sein, wofür sie ihre kolloide Natur besonders befähigt. Anders ist es mit unsern Kenntnissen von den anorganischen Be- standteilen, insbesondere den Salzen. Soweit sie im Zellinnern ein- geschlossen sind, sind sie dem experimentellen Eingriff fast ganz entzogen, Quantität und Qualität lassen sich nicht frei variieren, und daher wissen wir über ihren Anteil am Zellbetrieb so gut wie nichts. Aber auch die Frage nach dem Wesen der Aussenelektrolyte birgt noch grosse Rätsel. Keinesfalls handelt es sich um die blosse Leistung von osmotischem Druck; dagegen spricht nicht allein das häufige Vorkommen der Salze in konstanten Gewichtsrelationen in den die Zellen umgebenden Lösungen, sondern auch die bekannten Folsen des Ersatzes der elektrolytischen Lösungen durch isotonische Lösungen von Nichtleitern, wie etwa Rohrzucker. Beschränken wir unsere Erörterungen hier auf die ichtikslen Kationen in den Aussenlösungen um die tierischen Zellen, Natrium, Kalium, Magnesium und Caleium. Unter ihnen präponderiert das Natriumion. Von diesem ist vornehmlich durch Overton’s Untersuchungen !) bekannt, dass es für die Erregbarkeit von Muskeln und Nerven so gut wie unentbehrlich ist; allenfalls kann Lithium an Stelle von Natrium treten. Aber worin dabei die Wirkung des Natriums zu erblicken ist, weiss man nicht. Man wird auf der Suche nach einer Erklärung natürlich an die die Erregung begleitenden elektrischen Vorgänge, also Ionenvorgänge zu denken haben; man kann auch in Erwägung ziehen, dass manche Sorten von roten Blut- körperchen in isotonischer Nichtleiterlösung agglutinieren, und dass nach Küster’s Angaben?) die Oberfläche von Pflanzenzellen nach Behandlung mit Zuckerlösung Veränderungen im Sinn einer Er- starrung erleidet, und ähnliches. Auf alle Fälle führen diese Tat- 1) Overton, Pflüger’s Arch. Bd. 92 S. 346. 1902. 2) E. Küster, Zeitschr. f. Botanik Bd. 2 S. 689. 1910. or Beiträge zur Theorie der physiol. Wirkungen des Calciums. 533 sachen aber eher zu einer Hypothese, warum Elektrolytlösungen die Zellen umspülen müssen, und warum Nichtleiter nicht brauchbar sind, als dass eine Erklärung dafür gegeben wäre, dass gerade Natrium von den Zellen verlangt wird. Nehmen wir nun die Notwendigkeit des Natriumions als ge- geben hin, dann wäre weiter die Frage aufzuwerfen, welchen Zwecken die: kleinen Mengen Kalium dienen, die sich in den Aussen- elektrolytlösungen neben dem Natrium befinden. Auch da können wir nur feststellen, dass das Kalium oft der Funktionserhaltung dient. So ist es bekannt, dass die Schädigung, welche das Herz durch eine reine Kochsalzlösung erfährt, durch kleine Beimischungen von Kalium- chlorid in gewissem Sinn ausgeglichen wird; Ähnliches gilt nach Bethe!) für den Pulsschlag der Medusen. J. Loeb?) stellte fest, dass Funduli, welche in reinen Kochsalzlösungen, deren Konzentration = übersteigt, nach einiger Zeit zugrunde gehen, durch einen gering- fügigen Zusatz von Kaliumchlorid am Leben erhalten werden. Es liessen sich leicht noch mehr Beispiele derart anführen. Aber es. kann dadurch nichts an dem Resultat geändert werden, dass wir bisher keine angemessene Vorstellung von der Natur der Wirkung der kleinen Kaliumkonzentrationer neben den grossen Natriumkonzentra- tionen haben. Das gleiche gilt für das Magnesiumion. Anders liegen die Verhältnisse, wenn wir uns nunmehr dem Caleciumion zuwenden. Seitdem J. Loeb im Jahre 1901 in seinen allbekannten Versuchen an den befruchteten Funduluseiern fand, dass die vergiftende Wirkung der reinen Kochsalzlösung nicht nur durch Caleium weitgehend beseitigt wird, sondern dass das Caleium durch ein fast beliebiges anderes mehrwertiges Kation ver- treten werden kann, seitdem gibt es eine physikalisch-chemische Hypothese der Caleiumwirkung und der Ionenwirkungen überhaupt. Zu dem höchst auffälligen und überraschenden Einfluss der Wertigkeit der Kationen fand sich eine Parallele nur noch in dem Gebiet der Kolloidehemie, und so wurde es möglich, das physiologische Phänomen als Ausdruck einer Veränderlichkeit irgendwelcher Zellgerüste auf- zufassen, indem zum erstenmal in der Physiologie den Salzen die bestimmte Rolle zugeschoben wurde, den Zellkolloiden eine gewisse Konsistenz zu gewährleisten. 1) A. Bethe, Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 541. 1908. 2) J. Loeb und Wasteneys, Biochem. Zeitschr. Bd. 33 8.480. 1911. 36 * 534 Rudolf Höber: Es kann hier nicht auseinandergesetzt werden, wie seither die Meinungen der Autoren, einschliesslich Loeb’s, in der Richtung einer mehr chemischen und einer physiko-chemischen, speziell einer kolloid- chemischen Auffassung der Salzwirkungen geteilt waren. Was aber die Caleiumwirkungen anbelanet, so ist mit Recht immer wieder hervorgehoben worden, dass das Caleium sehr oft spezifisch oder fast spezifisch wirkt, dass es also bei seiner physiologischen Wirkung mehr oder vorwiegend seine stofflichen, d. h. chemischen, und nicht seine physikalischen Eigenschaften hervorkehrt; eine kolloid-chemische Theorie der Caleiumwirkung würde nur durch eine weitgehende und immer wieder sich offenbarende Vertretbarkeit des Caleiums nach Art derjenigen in den Loeb’schen Fundulusversuchen gerechtfertigt. In dieser Hinsicht ist nun zwar gefunden, dass die indirekte Muskel- erregbarkeit, welche in reiner Kochsalzlösung verlorengegangen ist, ausser durch Calcium auch durch Strontium und einigermaassen durch Barium wiederhergestellt werden kann (Locke, Overton, Mines), dass die Kontraktur, welehe in Natrium-Kalium-Gemischen zustande kommt, sowohl durch Caleium als auch durch Magnesium, Strontium und Barium zu beseitigen ist (Mines); auch in der Konservierung der Funktion mancher Herzen ist das Caleium durch Strontium und in gerinefügigsem Grad auch durch Barium zu ver- treten). Aber man sieht schon ?): es sind immer nur Erdalkaliionen, die als Stellvertreter angegeben sind; insofern schon erscheint die Wirkung spezifiziert. In weiteren Fällen ist aber die Ersetzfähigkeit noch beschränkter; so vermag allein das Strontium bei dem Spontan- rhythmus dies Hühnerösophagus das Caleium zu vertreten, (Buglia?), und als Beispiel einer angeblich rein spezifischen Caleiumwirkung sei der fördernde Einfluss auf die Phagocytose nach Hamburger und de Haan‘) genannt. All das sprieht durchaus nicht zugunsten der Kolloidtheorie der Caleiumwirkung; man kann vielmehr bezweifeln, ob ein Vergleich aller zuletzt angeführten Beobachtungen mit den Fundulusversuchen von Loeb überhaupt einen Sinn hat. Man kann dem allerdings auch noch weitere Argumente für die Kolloidtheorie entgegenhalten; man 1) Mines, Journ. of physiol. vol. 42 p. 251. 1911; vol. 43 p. 467. 1912. 2) Eine ausführlichere Literaturzusammenstellung hierüber siehe Höber, Physikal. Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., S. 537. 1914. 3) Buglia, Zeitschr. f. Biol. Bd. 55 S. 360. 1911. 4) Hamburger und de Haan, Biochem. Zeitschr. Bd. 24 S. 470. 1910. Beiträge zur Theorie der physiol. Wirkungen des Calciums. 535 kann darauf hinweisen, dass im Verhältnis zu der Wirkung der 'Erdalkalien die Wirkung der übrigen mehrwertigen Metalle auf die Kolloide viel eher in irreversiblen Zustandsänderungen besteht, was sich mit vielen physiologischen Verhältnissen nicht verträgt; ferner finden Erscheinungen, wie das Auseinanderfallen von Zellverbänden (Furchungskugeln oder Spirogyrafäden) in caleiumfreien Lösungen, die Bekämpfung stärkerer Exsudationen aus Schleimhäuten und serösen Häuten mit Caleiumchlorid, die Steigerung der Durchlässigkeit von Zelloberflächen bei Caleiummangel u. a. eine recht ansprechende Erklärung, wenn man sich die Vorstellung einer Konsolidierung der kolloiden Kittsubstanz oder der kolloiden Plasmahäute durch das Caleium zu eigen macht. Vor allem, glaube ich aber, kann man die Kolloidtheorie der Caleiumwirkung deshalb nicht ohne erneute Prüfung von der Hand weisen, weil das vorliegende Versuchsmaterial weder in der Auswahl der vergleichbaren Kationen, noch in der Variation ihrer Konzentration und ihrer Einwirkungsdauer ausreicht. Aus diesen Gründen habe ich weitere Versuche angestellt, und sie haben ergeben, dass in der Tat die Vertretbarkeit des Cal- eiums viel weiter geht, als bisher angenommen wurde, weit über die Gruppe der Erdalkalien hinaus, so dass damit die Kolloidtheorie dieser Art Ionenwirkungen aufs neue gestützt wird. Auf der andern Seite ist aber auch — und gerade vom kolloid- chemischen Standpunkt aus — ein Verständnis dafür zu gewinnen, warum das Calcium öfter eine Sonderstellung einnimmt oder seine Rolle allenfalls mit andern Erdalkalien teilt. Und dabei erstrecken sich die Versuche nicht auf Keimzellen, wie Loeb’s Fundulus- und Seeigeleier, deren geringerer Differenziertheit etwa eine geringere Empfindlichkeit entsprechen könnte; es handelt sich auch nicht um Zellen von Wirbellosen, wie die Flimmerzellen der Arenicolalarven und der Mytiluskiemen in den entsprechenden Versuchen von Lillie!). Meine Objekte waren Blutkörperchen von Säugetieren und Muskeln vom Frosch. Bei den Blutkörperehen wurde der Einfluss auf die Permeabilität untersucht, bei den Muskeln erstens der Einfluss auf den Ruhestrom, wodurch sowohl Beziehungen zur Permeabilität wie bei den Blutkörperchen, als auch Beziehungen zur Erregung gewonnen wurden, und zweitens der Einfluss auf die Kon- traktilität. 1) Lillie, Americ. Journ. of physiol. vol. 10 p. 419. 1904; vol. 17 p. 89. 1906. 536 Rudolf Höber: II. Der Einfluss mehrwertiger Kationen auf die Hämolyse. Bei den Blutkörperchen der Säugetiere gibt es nur wenige Kriterien für ihre Intaktheit, unter ihnen die Permeabilität. Deren Änderungen wurden hier in ihrer gröbsten Form untersucht, nämlich der Einfluss auf den Austritt von Hämoglobin, auf die Hämolyse, welche dureh Zusatz grösserer Mengen Narkotikum oder durch Auf- schwemmung in hypotonischer Lösung oder durch Saponin erzeugt und durch mehrwertige Kationen zu kompensieren versucht wurde. 1. Hämolyse durch Narkotika. Wie die Hämolyse durch Narkotika zustande kommt, ist hier zunächst gleichgültig; ich werde später (siehe S. 594) auf die Frage zurückkommen. Zunächst ist nur die Tatsache von Wichtigkeit. Es wurden Blutkörperchen vom Rind und Schwein verwendet, d. h. frisches defibriniertes Schlachtblut wurde etwa eine halbe Stunde zentrifugiert und das Serum abgehoben; von dem Blutkörperchenbrei wurden dann 0,2 cem zu 12 cem Lösung zu- gesetzt, umgeschüttelt und in den Eisschrank gesetzt. Von Zeit zu Zeit wurde nach öfter wiederholtem Umschütteln der Fortgang der Hämolyse nach der Rötung der über den abgesetzten Blutkörperchen stehenden Lösung und nach der Durchsichtigkeit der umgeschüttelten Suspension beurteilt. Als Narkotika wurden verwendet: Gärungs-Amyl- alkohol ca. 1,2%, Heptylalkohol <0,1/o, Thymol ca. 0,02 Vo, Acetophenon (Hypnon) 0,2%, Isobutylurethan ca. 1°lo; die Konzentrationen sind etwa das Zehnfache der narkotischen Grenzkonzentrationen. Die Lösungen wurden gewöhnlich folgendermaassen hergestellt: in 10 eem 0,9 Yo igem 0,154 mol.) NaCl wurden die entsprechenden Mengen Narkotikum gelöst; dazu kamen 2 eem Lösung der Chloride von Ca, Sr, Ba, Mg, Co, Mn, Ni oder Cd, deren Gehalt ungefähr 0,112 mol. betrug, und die auf fast gleichen Gefrierpunkt (ca. — 0,52 °C.) eingestellt waren. Zn wurde als ZuSO,, UO, als UO,(NO,), in ent- sprechender Konzentration verwendet. Folgende Protokolle geben ein Bild vom Verlauf der Versuche: Beiträge zur Theorie der physiol. Wirkungen des Calciums. 537 Versuch 55. 24. März 1916. Blutkörperchen vom Schwein. 0,2% Acetophenon. 24. März, 12h, Beginn. 4h, Lösungen farblos. ‚25. März, 9b. Na beginnende Hämolyse. Ca, Sr, Ba erheblich schwächere Hämolyse. Me Lösung gelblich. Mn, Co, Ni farblos. 4h, Na starke Hämolyse. Ca, Sr, Ba schwächere Hämo- lyse. Mg Lösung gelbrot. Mn Lösung gelblich. Co, Ni farblos. 26. März, 12h. Na totale Hämolyse. Ca, Sr, Ba fast totale Hämolyse. Ms Lösung ziemlich stark rot. Mn Lösung gelbrot. Co, Ni farblos. Ergebnis: Na>Ca, Sr, BB>Mg>Mn>(Co, Ni. Versuch 60. 28. März 1916. Blutkörperchen vom Rind. 1,1°/o Amylalkohol. 28. März, 12h. Beginn. 4h, Unverändert. 29. März, 9b. K beginnende Hämolyse. Na schwächer. Ca noch schwächer. Mg, Mn farblos. 4h, K Lösung rot. Na gelblichrot. Ca gelblich-rötlich. Mg schwächer. Mn gelblich. 30. März, 9b. K Lösung rot. Na etwas schwächer rot. Ca, Meg, Mn rotgelb. Ergebnis: K>Na>Ca>Ms>Mn. In dieser Weise ergab sich folgende Reihe für den Eintritt der Hämolyse: i [Cdl>K>Na>Ca, Sr, B>Mg>Mn>Co>Ni. In dieser Reihe sind die Kationen Zn und UO, nicht mit auf- genommen, und zwar deswegen, weil sie sowohl in der angegebenen als auch in zum Teil erheblich geringerer Konzentration (> 0,02 mol. UO,, > 0,01 mol. Zn) die Blutkörperchen sofort zur Agglutination brachten. Auch bei Ni-Zusatz war öfter Agelutination zu beobachten. Cd ist eingeklammert, weil es in der gewöhnlich angewandten Kon- zentration zwar am stärksten hämolysiert, in kleineren Konzentrationen dagegen, im Gegensatz zu den andern in der Reihe enthaltenen Ionen, auch agglutiniert (siehe S. 540). Seine relativ grosse Hämo- lysierfähigkeit mag irgendwie mit der verhältnismässig geringfügigen Dissoziation des CdCl, zusammenhängen, welche an die des Sublimats erinnert }). 1) Siehe dazu Höber, Physik. Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., S. 485. 1914. 538 Rudolf Höber: So bleibt als Resultat, dass Ca, Sr, Ba, Meg, Mn, Co und Ni die eytolytische Wirkung der Narkotika zu hemmen vermögen. Ca ist also in dieser Hinsicht weitgehend vertretbar. Am ähnlichsten sind ihm die Erd- alkalien Sr, Ba, Mg; Mn und Co wirken stärker antihämolytisch, Ni wirkt am stärksten, steht aber insofern an der Grenze der Fähigkeit, als Ersatzstoff zu dienen, als es gelegentlich auch. ageluti- niert, wie Zn und UO.;. 2. Hämolyse durch Hypotonie. Auch in dieser Versuchsreihe wurden 0,2 cem Blutkörperchen vom Rind oder Schwein in 12 cem Lösung suspendiert und in der beschriebenen Weise beobachtet. Die Lösungen waren folgendermaassen hergestellt: Zu 10 eem 0,7%, 0,6% oder 0,5 %/o NaCl wurden 1—3 cem der Chloride von Ca, Sr, Ba, Mg, Co, Ni, Cd, Cu, La, Ce, ferner von UO,;,(NO,), und ZnSO, zugefügt; deren Konzentration betrug meistens ungefähr 0,084 mol., ihre Gefrierpunktserniedrigung betrug über- einstimmend ungefähr 0,45° C. Zum Vergleich der mehrwertigen Kationen mit Na wurde NaCl in der Konzentration 0,116 mol. zugesetzt. Ich gebe wieder einige Versuchsprotokolle: Versuch 11. 16. Februar 1916. Blutkörperchen vom Schwein. 1. Mit 0,7°/o NaCl. 16. Febr, 5b. Beginn. 17. Febr, 9b. Ba Lösung gelblich. Na schwach gelblich. Sr fast farblos. Ca farblos. 18. Febr., 9b. Ba Lösung gelbrot.: Na gelblich. Sr weniger gelblich. Ca fast farblos. 2. Mit 0,6% Nall. 16. Febr., 5b. Beginn. 17. Febr., 49h. Ba Lösung rotgelb. Na rötlich-gelblich. Sr gelblich. Ca schwächer gelblich. 18. Febr., 9b. Ba Lösung rotgelb. Na rötlich-gelblich. Sr schwach rötlich-gelblich. Ca gelblich. 3. Mit 0,5 °/o NaCl. 16. Febr, 5b. Beginn. 17. Febr., 9b. Ba Lösung rot. Naheller rot. Sr gelbrot. Ca weniger selbrot. Ergebnis: Ba> Na>Sr> Ca. eco or (aba | Beiträge zur Theorie der physiol. Wirkungen des Calciums. 539 Versuch 23. 29. Februar 1916. Blutkörperchen vom Schwein. 1. Mit 0,7 %0 NaCl. . Febr., 6%. Beginn. Cu, UO, sofort agglutiniert. . März. 9h. Co, Ni Lösung rotgelb. Ba heller rotgelb. Na rötlich- selb. Ca, Zn fast farblos, Zn schwach agglutiniert. . März, 9b. Co, Ni starke Hämolyse. Ba rötlich-gelb. Na schwächer. Ca gelblich. Zn farblos, agglutiniert. 2. Mit 0,60 NaCl. | . Febr., 6b. Beginn. Cu, UO, sofort agglutiniert. . März, 9h. Ni fast vollständige Hämolyse. Ba etwas weniger. Co, Na stark rotgelb. Ca gelb-rötlich. Zn farblos, agglutiniert. . März, 9b. Ni fast vollständige Hämolyse. Ba etwas weniger. Co noch weniger. Na gelbrot. Ca gelblich-rötlich Zn farblos, agglutiniert. 3. Mit 0,5 %/o NaCl. . Febr., 6b. Beginn. Cu, UO, sofort agglutiniert. . März, 9b. Ni, Ba vollständige Hämolyse. Na etwas weniger. Co vielleicht noch etwas weniger. Ca gelbrot. Zn agglutiniert. | Ergebnis: Teils Ni, Co>Ba> Na> Ca> [Zn], |UO,, Cu]. Teils Nii>Ba>Co>Na>Ca> [Zn] [UO,, Cu]. Versuch 27. 3. März 1916. Blutkörperchen vom Schwein, 1. Mit 0,7% NaCl. . März, 6h. Beginn. .März, 9b, Ni Lösung rot. Mn, Ba rotgelb. Na rötlich-gelblich. Ca gelblich. . März, 5b. Ebenso. . März, 11b. Ni>Mn, BB>Na>(Ca. 2. Mit 0,6% Nall. . März, 65. Beginn. Gleich danach Ni schwache Hämolyse. . März, 9b. Ni fast totale Hämolyse. Mn, Ba Lösung rot. Na gelbrot. Ca rötlich-gelblich. . März, 9b. Ni>Mn, Ba>Na> Ca. 3. Mit 0,5% Nadl. . März, 65h, Beginn. Gleich danach Ni fast totale Hämolyse. Ba etwas schwächer. Mn noch etwas schwächer. Na noch schwächer. . März, 94. Ni, Ba totale Hämolyse. Mn, Na schwächer. Ca gelbrot. Ergebnis: Ni>Mn, Ba>Na> Ca. 540 Rudolf Höber: So wurde aus einer grossen Zahl: von Versuchen folgende Reihe für den Hämolysebeginn kombiniert: CaCa>Ba>NaKk. für die Blutkörperchen vom Schwein: Mn Rbe>yK Mensh . ... uL>Na>Rb>K BRindyeı .ı 0202 Lis> Na > Rbe>K Hammel . . . . L>Na>Rb>K Es stehen sich also zwei Gruppen von Tieren gegenüber: Pferd, Schwein, Kaninchen und Meerschweinchen auf der einen Seite, Ziege, “Mensch, Rind, Hammel auf der andern Seite. Hund und Katze nehmen eine vermittelnde Stellung ein. Es wurde damals darauf hingewiesen, dass dieselbe Gruppierung herauskommt, wenn man die Na ct Nı Co Ba - Ca Fig. 1. Tiere nach der Zusammensetzung der Asche ihrer Blutkörperchen, nach der relativen Menge von Phosphorsäure, Natrium und Kalium in ihnen ordnet, und auch daraufhin wurde zur Erklärung des Ver- haltens bei der Hämolyse eine kolloidehemische Deutung versucht, Beiträge zur Theorie der physiol. Wirkungen des Calciums. 545 d. h. es wurde angenommen, dass je nach den Binnenelektrolyten der Zellen ihre Kolloide in ähnlicher Weise verschieden empfindlich gegen die Aussenelektrolyte sind, wie wir es vorher für das „Nar- kotikumkolloid“ und das „Hypotoniekolloid“ angenommen haben. Fassen wir abschliessend die Ergebnisse der Hämolyseversuche im nebenstehenden Schema (Fig. 1) zusammen. Die Horizortale NaCl — NaC] im Abstand s über der Abszisse bedeute den Quellungszustand der Blutkörperchenkolloide in einer Lösung von bestimmtem NaCl-Gehalt und bestimmten hämolytischen Eigenschaften. Ersetzen wir dann einen Teil des NaCl durch Salz mit zweiwertigem Kation, so dass der osmotische Druck der Lösung unverändert bleibt, so ändert sich der Quellungszustand je nach dem zugesetzten Kation, wie es durch die Schrägen in der Figur an- gedeutet ist. — Die folgenden Versuchsreihen beziehen sich nun auf die Muskeln, und es wird zu prüfen sein, inwieweit sie von denselben Voraus- setzungen aus zu erklären sind, wie die Versuche an den Blut- körperchen. II. Der Einfluss mehrwertiger Kationen auf die Muskelkontraktion. In den folgenden Versuchsreihen, welche sich wesentlich auf die Sartorien von Rana esculenta beziehen, sind die Muskeln zum grossen Teil den gleichen Schädigungen, wie die Blutkörperchen, aus- gesetzt worden, um die Kompensationsfähigkeiten der mehrwertigen Kationen daran zu prüfen. Neu hinzu kommt die Schädigung der Kontraktilität durch kleine Mengen Kalium. Auch diese kann, wie die übrigen störenden Eingriffe, als Permeabilitätssteigerung auf- gefasst werden!); die Möglichkeit, die Kalivergiftung durch Ca und zum Teil auch durch Sr antagonistisch zu beeinflussen, ist, nament- lich aus der Herzphysiologie, bekannt. Von Wichtigkeit ist, dass die Störungen, welche an der Muskelaktion herbeigeführt wurden, re- versibel sind; das muss besonders hervorgehoben werden, da ja physiologische Verhältnisse aufgeklärt werden sollen. Die gleichen Schädigungsmittel können wohl auch auf die Plasmahaut der Blut- körperchen reversibel wirken, das angewandte Kriterium der Schädi- gung, die Hämolyse, ist aber ihrer Natur nach irreversibel. 1) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905. 546 Rudolf Höber: 1. Kompensation der lähmenden (die Permeabilität steigernden) Wirkung von Kaliumchlorid. a) Gleichzeitige Einwirkung von Kaliumionen und mehrwertigen Kationen. Zu den Versuchen wurden die Sartorien euraresierter Eseulenten ebenso wie in den von mir mit Spaeth!) vor 2 Jahren veröffent- lichten Versuchen verwendet; von beiden Sartorien wurde zugleich in jeder Minute eine maximale Öffnuneszuckung erzeust und auf- gezeichnet ?). Die Muskeln zuckten zunächst in einer Ringer- Lösung von der Zusammensetzung 0,650 NaCl + 0,03 /o KCI+ 0,02 °/ CaCl,, dann wurde gewöhnlich bei dem einen Muskel die Ringer-Lösung ersetzt durch eine Ringer-Lösung mit einem Zusatz von 0,045 °/o KCJ, bei dem andern durch Ringer-Lösung + 0,045 %/o KC1-+ Salz mit zweiwertigem Kation und nun verelichen, ob der zweite Muskel langsamer durch den KCI-Überschuss gelähmt wurde als der erste. Öfter wurde der zweite Muskel, nachdem er in Ringer-Lösung eine Weile gezuckt hatte, auch erst mit Ringer- Lösung + zweiwertigem Kation vorbehandelt, bevor noch das Plus von 0,045 °/o KCl hinzugefügt wurde. Die Wirkung.der Erdalkalien. . Caleiumchlorid: Dass die Wirkung übernormaler Kaliumkonzentrationen durch Ca antagonistisch beeinflusst werden kann, ist für den Sartorius schon von Overton?) ausführlich beschrieben worden. Ich fand, dass sich diese schützende Wirkung gegenüber der an sich lähmenden _ Wirkung von 0,65 %/o NaCl + 0,02% CaCl; + 0,075 °/0 KC] bei einem CaCl; (= ca. 0,002 %/o; also im ganzen 0,022 0/o CaCl,) Zusatz von 50 = gerade noch an der Verzögerung des Eintritts der Lähmung be- merkbar macht. en wird die Lähmung für viele Stunden verhindert, wenn man —— .._ = Ca hinzusetzt; die Hubhöhe ist bei dieser Ca-Konzentration (— ca. 0,1—0,2 %/o) allerdings etwas reduziert. 1) Höber und Spaeth, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 435. 1914. 2) Über die von Bethe angegebene Versuchsanordnung siehe: Kopyloff, Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 219. 1913, und Schwenker, Ptlüger’s Arch. Bd. 157 S. 371. 1914. 3) Overton, Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 176. 1904. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 547 Strontiumehlorid wirkt nach Overton (|. ce.) qualitativ ganz ähnlich wie die Caleiumsalze, doch scheint seine Wirksamkeit etwas geringer zu Sein. Meine Versuche bestätigen dies insofern, m 200 Sr + 0,075 K6] m ı r a Sr + orsyKcı \\ In . m . a Sram KCı Fig: 2. Der untere Muskel erlahmt in 0,65 %/ NaCl + 0,02 %/o CaCl; + 0,075 %/o KCl + -— = 0 SrCle nach 97’, erholt sich in Ringer- Lösung Bel lndig und erlahmt dann in 0,65 %/o NaCl + 0,02 %0 CaCl; + 0,075 %/0 KCl + - —— = SrCl,; nach ca. 80’. — Der obere Muskel verliert in 0,65% NaCl + 0,02%/0 CaClz + 0,075 0. KCl + 305 SrCl, innerhalb 42 nur wenig an Hubhöhe. als ich die unterste Wirksamkeitsgrenze in meiner Versuchsanordnung bei einem Zusatz von ca. 10 m fand, die obere Grenze, bei der die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 37 548 Rudolf Höber: Lähmung dauernd hintangehalten wurde, ‚bei. ca. be ei N Zusatz 100° An sinkt die Hubhöhe noch langsam und stetig ab. Die Fig. 2 illustriert die Wirkung des Sr. & Bariumcehlorid: Die Bariumwirkung unterscheidet sich- sehr auffallend von der des Ca und Sr. Während ein Zusatz von 2, D:. = Sr zu reiner Ringer- Lösung die Kontraktionen mehrere Stunden lang nicht beeinflusst, lähmt ein Zusatz von = Ba innerhalb 3—4 Stunden. Diese Lähmung kann in reiner Ringer- Lösung wieder verschwinden; aber charakteristisch ist, dass, während eine Lähmung, die durch K für sich allein erzeugt ist oder durch K in Gegenwart von etwas Ca oder Sr zustande gekommen ist, fast unmittelbar nach der Wegnahme des K wieder zurückgeht, eine von Ba erzeugte Lähmung nach Wegnahme des Ba in Ringer- Lösung lange Zeit persistiert und nur sehr allmählich schwindet (s. Fig. 3). Fügt man zuRinger-Lösung ne 750 oder mehr Ba noch den KCI- Überschuss von 0,045 %o hinzu, so wird. der Eintritt der Lähmung noch beschleunigt. m m 1000 1500 übergeht; dann ist eine kleine, aber deutliche Verzögerung der K- Lähmung durch das Ba zu konstatieren (zum in Ringer-Lösung +. 0,045°/o KCl: Lähmung nach 37 Minuten, + — Anders, wenn man zu "kleinen Ba-Zusätzen von 1 nr Ba: Lähmung nach 54 Minuten); die Erholung erfordert auch diesmal längere Zeit. Der Meinung von Overton, dass Ba das Ca in keiner Weise bei der antagonistischen Beeinflussung des K zu vertreten vermag, kann ich also nicht beistimmen; Overton’s primitivere Methodik war aller- dings auch nicht für die Feststellung feinerer Unterschiede geeignet. Magnesiumchlorid: Ebenso weichen meine ee von denen Overton’s hinsichtlich des Mg ab. . Von etwa m ab An wärts bis etwa -— = hemmt Mg die hier erzeugte K- Lähmung schwach, aber deutlich; die Fig. 4 gibt dafür ein Beispiel an. Oberhalb = wirkt störend für die Beurteilung, u: sowohl die Hubhöhe sinkt, als auch Kontraktur eintritt. iums.. 549 irkungen des Calc ischen W iolog Beiträge zur Theorie der phys JWWONDIA 2 ‘u9]0Q19 nz wesdue] y9IS JENEM] Sunuge] :(10qep TOM urey) “yeq qeu JugepT0 pun [IM*0/o SO -USWWONIOA ULIEP YOIS oyae pun Sunsor-A93ury aydsıy Spewuyoou 008 w ‘0 + 089 9% 30 [4 + IOeN 0) 1ap yuursoq Joyeds ‚„p !Zunsor]-ı98ury ayosıy ‚65 yoea !SunsoJ-Aadury uueg °,99 you 0/, 690 UT Jneiep Jwuoy pun Sue] ‚9g SunsoJ-193u1y ur goeuep ypıs yoga 19 :,E8 wor + TEN 690 UL ToNSnpT Aop Jwwmoy SunsoJ-ıasury ur yeqyuomy äj Ze ul 4 LT wen 8 214 op) Rudolf Höber: 900 -Sunsor[-19Fury dapaım uuegg “Sunwgerg ‚9p yoeu :TOM 0/0 620'0 + °1O8O 90.00 + IOEN /0.29°0 007 ‚uueq -Zunsorf - 1o8uıy ur Zunjoyig ‚IT, yoeueq 'Sunwyer] ‚gg deu :SNSN HR + 91 % 200 + 21080 YVoz00 + IIEN %/0 890 ur ‚ST yoeu “goMN nn + SunsoJ-a93ury ur [oysnp; dop Fuwoy Sunsorj-1o3ury ur Sunjpaeyaqioy yoen "7 BL] 131 004 /si00 + A ee prbh a Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 551 .Die Wirkung der Schwermetallionen. Von diesen wurden geprüft: Co, Ni, Mn, Zn, Fe, Cu, UO,. Davon zeigt bei der Behandlung der Muskeln in der geschilderten Art und Weise allein das Co ausgesprochen antagonistische Fähigkeiten, welche denen des Ca vergleichbar sind. Kupfercehlorid und Ferrichlorid lähmen an sich, schon ohne KCI, in ae gelöst, und zwarirreversibel; das wurde — -, bei FeCl,in — = - Konzentration beobachtet. ist viel weniger schädlich. Die Zuckungen hören ‚bei CuCl, schon in — zwar in rasch auf, aber setzen in reiner Ringer-Lösung 200 mg auch rasch wieder ein. Die Hubhöhe bleibt dauernd verkleinert. Die K-Lähmung wird vom UO;-Ion nicht aufgehalten. Manganchlorür wird vom Muskel bis zu ansehnlichen Kon- zentrationen vertragen, zu in Ringer- sine gelöst, lähmt = = es zwar rasch, aber in der reinen Ringer-Lösung erholen sich die Muskeln Bee und vollständig. In etwas geringerer Kon- zentration als = reduziert es zwar die Hubhöhe, aber das hindert nicht, es auf seine kompensierenden Eigenschaften gegenüber K zu prüfen; ein hemmender Einfluss konnte auch hier nicht festgestellt werden. Niekelehlorür wirkt ebenfalls von etwa ar abwärts re- 100 versibel, aber es erzeugt bis etwa = eine langsam zunehmende Kon- m m traktur und verringert die Hubhöhe. Im Gebiet von etwa —— 300 1000’ wo dieser Einfluss nieht sehr störend ist, ist ebenfalls keinerlei Antagonismus gegen K zu bemerken. Fig. 5 gibt ein Beispiel für die Art der Ni-Wirkung. Anders bei Kobaltchlorür. na zu Ringer-Lösung zugesetzt, lähmt in kurzer Zeit, um erfolgt aber in reiner Ringer-Lösung sofort vollständige Erholung. Von. 50 abwärts reduziert es höchstens die Hub- m e 5 2 höhe, Von A 50 1000 als unterster Grenze ist eine deutliche und starke Hemmung der K-Wirkung nachzuweisen (e. Fig. 6). 552 Rudolf Höber: Etwas zweifelhaft ist das Verhalten von Zinksulfat. Zwischen m mia Ä — — und — — wirkt es anscheinend dem K entgegen. 1000 2000 ! An, I I 8 R vr_.;e : N Zu: eo ) on = EZ x * m = N SS wesS = E> = = _—— m 5 N. 500 Fig.5. Nach Aufenthalt in. Ringer-Lösung kommt der Muskel für 28” in Ringer-Lösung = dann in 0,65% NaCl + 0,02% CaCl,; + 0,075%% KCl + Überblicken wir noch einmal die Ergebnisse, so hat sich also herausgestellt, dass. bei der kombinierten Einwirkung von Kalium- chlorid und Salz mit mehrwertigem Kation auf die Muskelkontraktion das Ca einigermaassen von Sr und Co vertreten werden 5 Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. -Zunso[-198uryg uuedg + IOM 98200 + I0%I 9/0800 + ION 9/0 "89 yoeu SunugeT :TIM 90 820 u] (4 i 0, "108 ni] 008. 9‘, uuep “TI09 9 9/0 60 (4 0 + IDEN a, w “ gl "ed y9bu SunugeT :21n09 + Sunsor 008 u aadury ‚og yeueg ‘Sunsor]-1oSury ur Sunjouyig ‚2.9 Uued 0/9 69° Ur JONSHAL AOp Nuwoy Sunsg[-ıaSury ur yeqguommy yoen 9 'SLT \ 17/5100 | aoor/ sun j \ 554 NER Rudoif Höber: kann, dass als ganz schwache Ersatzmittel ausserdem Mg, Ba (vielleicht auch Zn) in Betracht kommen, während Cu, Fe, UO,, Ni und Mn zur Kompensierung der K- Wirkung ungeeignet sind. Overton hatsich seinerzeit zu dieser Frage folgendermaassen geäussert!): „Die von vornherein äusserst unwahrscheinliche Hypothese“ (dass nach J. Loeb den mehrwertigen Kationen antagonistische Funktionen gegenüber’ den einwertigen zu- kommen) „muss, wenigstens was die Muskeln, Nerven und mo- torischen Nervenendigungen anbelangt, als gänzlich unhaltbar be- zeichnet werden, da nicht einmal die Magnesiumsalze derartige antagonistische Wirkungen ausüben, obgleich dieselben keineswegs giftiger sind als die Caleiumsalze. Dass die Caleiumsalze durch Bariumsalze oder die Salze der zweiwertigen Schwermetalle in keiner Weise ersetzt werden können, müsste jedem toxikologisch gebildeten Physiologen von vornherein klar sein. Tatsächlich können die Cal- eiumsalze nur durch Strontiumsalze einigermaassen vertreten werden, wie für einzelne Wirkungen schon von Ringer und von Locke gefunden worden ist.“ Wir sahen, dass bei der hier verwendeten Versuchsmethodik dem Mg und Ba doch ein zwar geringfügiger, aber deutlicher antagonistischer Einfluss zuerkannt werden muss. Ob Overton Versuche mit Co gemacht hat, oder ob er die tat- sächlich mögliche Kompensation mit Co a priori ins Bereich des Unmöglichen verwiesen hat, ist nicht zu ersehen. Sieht man davon ab, so scheint es in der Tat zunächst ziemlich berechtigt, eine Ana- logie im Verhalten des Muskels mit den Objekten von Loeb von der Hand zu weisen. Das Bild ändert sich aber erheblich, wenn man zu einer etwas anderen Methodik übergeht. b) Einwirkung mehrwertiger Kationen nach Eintritt. der Kalilähmung. Bei den weiterhin beschriebenen Versuchen wurden die Sartorien von vornherein nicht in Ringer-Lösung versenkt, sondern in 0,65 °/o NaCl; diese Lösung wurde nach einigen Zuckungen durch 0,65 %o NaCl + 0,05 °/o KClI ersetzt, danach sinkt die Zuckungshöhe mehr oder weniger rasch ab, bis totale Lähmung eintritt. Nun erst kamen die mehrwertigen Kationen in Aktion, indem sie zu dem Ge- misch von 0,65 °/o NaCl + 0,05 °/o KCl hinzugefügt wurden; der Effekt war der folgende: 1) 1. c. S. 286. “SunjogIN ay9emyos 399 0001 98) m Slod®h ) rs = = =} {eb} v=| © un — [=10) =) > {=} —i [e>] en) | = - ® rS © LI ni 2] © © = = - = N {eb} 0) Bas} = 3 & [ee] -Sunso[-A9 SU Aop Sundanaua adıeuypou ‚cs, ydeu : Zunjfoyan] dongu uuldag Jueaep NOZ ozany “(yonysugaıny Pamz Sep ayaıs) Junsg T-ı9Sury Aap Sunaonaumg ‚Sp[ uUsdejLoM ypeN *Sunsorf 0 2 01 98000 + [DEN O/og9%0 ur Yoeuwq “Funugerg ‚SET peu :OM 0900 + TOUN 9/0 99°0 Ur TPISUM. dp guwost JOBN 0/0690 ur greupuapny youn '8 BL -198u1y ur Io Juwoy ‚LEI YDeN "ugejod speunsge ‚Sg ydeu Aoge ysT uasseeuntadtumd YIs JIOoU.LO Joysnpy dep :°yeg 005 DrEm * N. MI er | | | Ni Rudolf Höber: 396 Beiträge zur Theorie der physiolegischen Wirkungen des Oalciums.. 557 Die Wirkung der Erdalkalien. Galeiumcehlorid: Es wurde hier nur die Grenzkonzentration bestimmt, : bei welcher Ca eben noch nach Eintritt der Lähmung in 0,65 °/o NaCl + 0,05 °/o KCl eine schwache Kontraktilität zurückzurufen vermag; ich fand dafür a N die Grenze bei 1000 - Ca ea. 0,01— 0,005 °/o CaCl],). Die Fig. 7 gibt ein Beispiel dafür, dass = noch nicht genügte, wohl m | aber 1000° Strontiumcehlorid restituiert bei die Kontraktionen En — freilich mit etwas herabgesetzter Hubhöhe — für viele Stunden (10 Stunden lang beobachtet). SS 22CsasdanupliLLLIARLLBUNLLLLINIEIILIINNLLILINLABLLULLEU UNI JAULUOAK01U0% 0,657.NuC) % 1,05, KC) zur OdClz MyClz, "250 Fig. 9. Der Muskel zuckt zunächst in 0,65°/ NaCl, dann für 45’ in 0,65% NaCl + 0,05% KCI. a bevor er total gelähmt ist, Übertragung in. 0,65% NaCl + 0,05% KCl + — En CdQl,; : wart die Lähmung vollständig. Nach 60’ in O, 65% NaCl + 0,05% KCl + SL "MeCl;: schwache dauerhafte Erholung. au unuchlanid. Der A .tagonismus zu K ist mit 5, — 7 leicht nachzuweisen, aber es ist charakteristisch, dass die Kontrak- tilität nach kurzer Zeit wiederum vollständig verschwindet. Behandelt man dann mit Ringer-Lösung nach, so kehrt nach längerer Zeit die Kontraktilität zurück. Ein gutes Beispiel für die re- stituierende Wirkung gibt Fig. 8. | Magnesium Auch darin erholen sich die gelähmten m Muskeln; 2350 - := geben den Muskeln für -viele Stunden eine Kontraktilität mit herabgesetzter Hubhöhe wieder. Fig. 9 gibt ein Beispiel, bei dem nach dem unwirksamen Cadmiuimchlorid Magnesium- chlorid mit Erfolg gegeben wurde. 558 Rudolf Höber: Mg ist aber viel. weniger wirksam als Sr; Muskeln, die zum Beispiel in Ms nur Zuckungen mit ganz geringer Hubhöhe Lk 250 geben, erholen sich in ER Sr zu ausgiebigen Kontraktionen. Die Wirkung der Schwermerallionen. Auch bei dieser Versuchsanordnung versagten die Muskeln bei der Nachbehandlung mit Kupferchlorid, Ferrosulfat, Uranylnitrat und BER: ; 5 5 N m. Cadmiumchlorid. Cu tötet die Muskeln in 500 1000 nach kurzer Zeit unter Auslösung von Kontraktur. Nach Behandlung mit UO,, Fe und Cd in 509g” Konzentration können sich die Muskeln in reiner Ringer- Liste: auch nach 2 Stunden Einwirkung, recht gut erholen. | Zweifelhaft ist wiederum die Wirkung von Zinksulfat; in zwei Versuchen wurde bei 7 eine deutliche, schwache, vorüber- gehende Erholung festgestellt, in anderen Versuchen, auch mit = m 5 : und 1200° blieb sie aus. Um so deutlicher war der Einfluss im positiven Sinn bei Mn, Ni und Co. Kobaltchlorür: Der ausgeprägte Antagonismus des Co gegen K äusserte sich schon bei der vorigen Versuchsanordnung. Hier wurde festgestellt, das nach kompleter Kalilähmung bei weiterem Zusatz von a — Co eine viele Stunden anhaltende Erholung (8 Stunden lang beobachtet) einsetzen kann. Die dabei erreichte Hubhöhe wurde freilich sofort gesteigert, wenn für Co Sr in der gleichen Konzentration ausgewechselt wird. Auch kam es öfter vor, ‘ dass nach einer kürzeren oder längeren Reihe von Zuckungen der Muskel von neuem versagte, um erst in Ringer-Lösung wieder kontraktil zu werden. | | Keras Von ganz ähnlicher, nur etwas ‘geringerer Wirksamkeit ist Manganchlorür. Fig. 10 gibt ein gutes Beispiel; man sieht, wie auch hier wieder das Mn von dem Erdalkaliion Sr übertroffen wird, In anderen Versuchen handelt es sich nur um eine ziemlich flüchtige Wiederaufnahme der Tätigkeit. 399 Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 0 yOngsu9aany) dis m IHM %060°0 + IOEN 90990 SIeunoge yoeurg °,2 yu& SUoygny Aopuayums yoıyaue u Yu AOPaIM JoySnpL dop Ponz urıep ©°jgum 2 +04 %% 00 + DEN %SY0 UT ‚EZ YPeN nz uauyau uoygygng op !(q HonysuaAıny) 91S Ir + 104 9%080°0 + IO®N 9990 UT meieg ',95 a7 SOyoygny Aopuoyums yongewppe Yıuı yoIs 19 Jaoıyeyuoy urıep :y1orpuodsns °IQUM D0E 1 IOM 0/0800 + ID®N %089‘0 ur uuep pam pun gugelo3 TOM 0/0 C00 + IOEN 9/0S9°0 yoanp Isqogunz pam [aysum aacı ’OL “BLA wu P) B L 005 2 AS Ä 19*M DS, mM | un 560 Rudolf Höber: Noch schwächer antagonistisch wirkt Nickelchlorür in — bis En 500° Beispiele sind in Fig. 11 und 12 wiedergegeben. Fie. 11. Nach Lähmung in 0,65% NaCl + 0,05%0- KCl kommt der Muskel in 0,65%/o NaCl + 0,05%0 KCl + em NiCl,: äusserst schwache Erholung. „LM UUNUWNUNL WW NL IN rd, DB5%NaCl | Le 0051 K0) * 5m Mel Fig. 12. Nach Lähmung in 0,65% NaCl + 0,05% KCl kommt der Muskel in 0,65%/0 NaCl + 0,05% KCl + = zierter Hubhöhe. NiCl,: anhaltende Zuckungen bei stark redu- Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 561 Vergleichen wir nunmehr das Ergebnis dieser Versuchsreihe mit dem der ersten, so stellt sich heraus, dass, wo dort als mässige Ersatzmittel für das Ca nur Sr und Co gefunden wurden, während Mg, Ba und vielleicht Zn nur gerade eben mit Ca vergleichbar waren, Cu, Fe, UO,, Ni und Mn dagegen ganz in der Vertretung versagten, hier die Ionen Sr, Mg, Ba, Co, Ni, Mn und vielleicht Zn dem Ca an die Seite gestellt werden können. Im ein- zelnen kann man etwa folgende Reihe der antagonistischen Wirk- samkeit aufstellen: | | H Ca>Sr>Me>Co> Ba, Mn> Ni> Zn. Worauf. der Unterschied in den Ergebnissen der zwei Versuchs- reihen begründet ist, ist, glaube ich, in der Hauptsache zu verstehen. Wenn: Ba, Zn, Mn und Ni eine Erholung der Muskeln von der vorher zustandegekommenen Kalilähmung ermöglichen, so ist die Restitution doch im allgemeinen ein vorübergehendes Phänomen; auch für Co trifft das gleiche öfter zu. Nun handelt es sich in der ersten ‚Versuchsreihe um eine Kalilähmung, welche dank der Geringfügig- keit der K-Konzentration nur ganz allmählich zustande kam, inner- ‚halb einer Zeit, in der die flüchtige erholende Wirkung der zwei- wertigen Kationen, wie sie in der zweiten Versuchsreihe in Er- scheinung trat, schon wieder verschwunden sein konnte. Nur die- jenigen Jonen, die einen einigermaassen dauernd günstigen Effekt auf den Muskel ausüben können, konnten das Stadium der Lähmung hinausschieben. Dies ist ein Erklärungsversuch auf physiologischer Basis. Wir können aber vielleicht weiter gehen und zu einem Verständnis vom Standpunkt der physikalischen Chemie vordringen. | ' : Erinnern wir uns der Deutung, welche den Versuchen über den Einfluss der mehrwertigen Kationen auf die Hämolyse gegeben wurde! ‘Die Hämolyse, die Steigerung der Permeabilität der Blutkörperchen, durch Hypotonie wird, wie wir Seite 540 sahen, begünstigt in der Reihenfolge: Ca, NaCl — — 0,355 lo), indem so der verschiedenen Die der ein- ih mehrwertigen Salze einigermaassen Rechnung getragen wurde. Nach Eintritt der Lähmung, kamen die Muskeln in Ringer-Lösung, in welcher sie sich wieder erholten. | Das Ergebnis lässt sich kurz zusammenfassen: Die schädliche Wirkung der Hypotonie wird durch die untereinander va dual ua kompensiert in der Reihenfolge: | Sr>Mg, Ba>Ca>Na>Co, Mn, Ni. 1) Kozawa, Biochem. Zeitschr. Bd. 60 S. 146. 1914. Siehe Auı Höber und Spaeth, Pflüger’s Arch. Bd. 159 8.433. 1914. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. Be) 564 Rudolf Höber: Stellen wir wieder die entsprechende Reihe aus den Versuchen an Blutkörperchen dem gegenüber (s. S. 540), so gilt für die Hemmung der Hämolyse: | Ca>Sr>Mg>Na>Ba, Mn, Co>Ni. Es herrscht also im grossen und ganzen Übereinstimmung. 3. Einfluss der mehrwertigen Kationen auf die Narkose des Muskels. Die Versuche dieses Abschnitts fallen insofern aus dem Schema . des bisher Beschriebenen heraus, als sie nicht von der Kompensation einer Permeabilitätssteigerung durch die mehrwertigen Kationen handeln; im Gegenteil. Namentlich auf Grund der Versuche von Osterhout?), Lepeschkin?, McClendon?), Joel‘) und Winterstein°) gewinnt die Auffassung Boden, dass die Narkose mit einer Permeabilitätsverringerung bzw. mit einer Hemmung der die Erregung begleitenden Permeabilitätssteigerung verbunden ist. Wenn man die narkotische Grenzkonzentration weit überschreitet, dann können die Narkotika allerdings auch die Permeabilität steigern, wie zum Beispiel die Hämolyse durch die Narkotika beweist. Diese Wirkung der grossen Dosen kann, wie Joel gezeigt hat, bis zu einem gewissen Grad reversibel sein, sie führt aber leicht zu irreversiblen, tödlichen Änderungen. Hier handelt es sich zunächst (s. S. 596) um Behandlung der Muskeln mit den kleinen reversibel lähmenden Dosen; würde der Versuch gemacht worden sein, Permea- bilitätssteigerung durch die Narkotika zu erzeugen, so wäre in Analogie mit den früheren Versuchen die schwierige Aufgabe zu lösen gewesen, entweder festzustellen, ob die mehrwertigen Kationen die Grenze zwischen der reversiblen und der irreversiblen Permea- bilitätssteigerung oder ob sie die Grenze zwischen Permeabilitäts- steigerung und Permeabilitätsverringerung durch die Narkotika verschieben. Statt dessen wurde untersucht, inwiefern die Ionen den Eintritt der Narkose ungefähr bei narkotischer Grenzkonzentration hemmen oder fördern. 1) Osterhout, Science vol. 37 p. 111. 1913. 2) Lepeschkin, Ber. d. deutsch. botan. Gesellsch. Bd. 29 S. 349. 1911. 3) MeClendon, Americ. Journ. of Physiol. vol. 38 p. 173. 1915. 4) Joel, Pflüger’s Arch. Bd. 161 S. 5. 1915; siehe auch Höber, Deutsche med. Wochenschr. Bd. 41 S. 273. 1915. 5) H. Winterstein, Biochem. Zeitschr. Bd. 75 S. 71. 1916; siehe auch Höber, Biochem. Zeitschr. Bd. 77 S. 51. 1916. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 565 : Die meisten Versuche wurden mit 0,15 °o Isobutylurethan aus- geführt (der narkotische Schwellenwert liegt bei ungefähr 0,125,/o), und zwar so, dass die Muskeln der curaresierten Frösche in 0,65% NaCl + 0.15% Isobutylurethan + —_ Salz mit mehr- wertigem Kation eingehängt und nun die Zeiten verglichen wurden, innerhalb deren die Kontraktionen der beiden Sartorien eines Tieres in Gegenwart verschiedener Kationen erlöschen. So wurde in der Versuchsreihe mit Isobutylurethan gefunden: 1. Co 13 Minuten, Sr 71 Minuten. DECO EIS a Ca 30 a Su NWIR 1A 5 Co 4 i 4. Mn 34 hi Sr> 54 N 5. Li> 145 % Sr > 145 A 6. Li 29 = Ca 32 ie Tem Ba, 17 $ Sr 39 A Saba 214 i Mn 16 = 9.C 23 R Sr 23 5 10. Ni 24 R Ba #8 5 Ausserdem wurde gefunden, dass alle zweiwertigen im Ver- hältnis zu Na den Eintritt der Lähmung beschleunigen. Aus der Tabelle ergibt sich auf diese Weise die Reihen- folge für die reversible Verstärkung der Narkose: Ni>(Co, Mn, Ba>Sr, Ca, Li. Ein Blick auf die Daten auf Seite 561 und 564 lehrt, dass hier nun wieder die Reihe gerade umgekehrt geordnet ist, wie bei den Versuchen über die Beeinflussung der Wirkung von Kaliumionen und von hypotonischen Lösungen. Wir begegnen also bei den Muskeln einer vollständigen Analogie zu den Blutkörperchen; fassen wir im Sinne der erwähnten Permeabilitätstheorie die Narkose als eine Verdichtung der Plasmahaut auf, so wirkt also Ni am meisten ver- stärkend auf die Abdichtung durch die Narkotika, während es der Lockerung der Plasmahaut durch K oder durch Hypotonie gerade umgekehrt am schwächsten entgegenarbeitet. - Es liegt nahe, dies Ergebnis zu unserer Auffassung von der Narkose und gleichzeitig zu der vorher (S. 540 u. 561) versuchten Ausdeutung der Ergebnisse vom Standpunkt der Kolloidchemie in Beziehung zu setzen. Mancherlei spricht dafür — wie ich mehrfach 38 * 566 Rudolf Höber: dargelegt habe!) —, dass es sich bei der Erregung um eine Reaktion im Zellinnern handelt, durch welche die kolloide Plasmahaut auf- gelockert und dadurch permeabler gemacht wird. Durch die Nar- kotika werden, entsprechend ihrer von Traube hervorgehobenen Oberflächenaktivität, die Plasmahautkolloide eingehüllt, so dass in der Narkose die Reaktion der Erregung nicht zur Geltung kommt und die zur Erregung zugehörige Auflockerung ausbleibt. Die maass- gebenden -Kolloide sind nun offenbar mit dem früher (S. 541) kurz so genannten „Narkotikum -Kolloid“ zu identifizieren, dessen Auf- lockerung von Ni am stärksten, von Ca und Sr am schwächsten gehemmt wird. So beruht der in den eben beschriebenen Versuchen zustandekommende Effekt erstens auf Umhüllung durch die Nar- kotika, zweitens auf Konsolidierung eines bestimmten Plasmahaut- kolloids durch die Salze. 4. Einfluss auf die durch reine Kochsalzlösung hervorgerufenen fibrillären Zuckungen. In einer älteren Mitteilung von J. Loeb, welche von den „thythmischen Zuekungen“ handelt ?), die durch Kochsalz- und andere Lösungen beim Muskel auszulösen sind, findet sich nach der Angabe, dass Kalisalze in mit 0,7 °o NaCl isotonischen Lösungen diese Zuekun- gen nicht auslösen, folgender Satz: „Auch Ca verhindert die Zuckungen, und nicht nur dieses, sondern die ganze Gruppe Be, Me, Ba, Sr, auch in Mn und Co finden keine Zuckungen statt.“ (S. 111.) Es folet alsdann eine eingehende Studie über die Ca- Wirkung, vor allem auch die Feststellung der Schwellenkonzentration für die hemmende Wirkung. Bei den übrigen Salzen mit zweiwertigen Kationen scheint sich jedoch Loeb mit dem Eintauchen in mit 0,7 °/o NaCl isotonische Lösungen begnügt zu haben, auch fehlen Angaben über Reversibilität der Hemmungen. Ausser diesen knappen Notizen ist mir nur noch die Feststellung von Mines®) bekannt, dass bei Durchströmung der mo am Frosehsehenkel mit NaCl + 450 bis 995 Sr das ohne den Sr-Zusatz 1) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905; Bd. 120 S. 492. 1907 Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 173. 1910. 2) Loeb, Beiträge zur Physiologie. Festschrift für Adolf Fick S. 9. Braunschweig 1899. 3) Mines, Journ. of Physiol. vol. 42 p. 252. 1911. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 567 einsetzende Muskelzittern in den meisten Fällen unterdrückt wird, während durch Ba im Gegenteil die Zuckungen gesteigert werden. Im Zusammenhang der hier erörterten Versuche habe ich die Beobachtungen von Loeb fortgesetzt. Die Sartorien euraresierter Frösche wurden vom Skelett losgelöst und in Ringer-Lösung gebracht. Aus dieser wurden sie in 0,65 °/o NaCl übertragen, bis das Muskelzittern einsetzte, dann kamen sie in 0,65 °/o NaCl + Salz mit mehrwertigem Kation. Sobald in diesem das Zittern erlosch, wurden sie in 0,65 %/o NaCl zurückübertragen, um zu sehen, ob die Zuckungen von neuem zustande kamen, die Wirkung des Kationen- zusatzes also reversibel war oder nicht. Die Versuche bestätigten die kurze Notiz von Loeb. Das Muskelzittern kann nicht bloss durch Ca, sondern auch durch Sr,Ba, Mg,Co, Mn,Ni reversibel gehemmt werden. Die dafür ausreichenden Konzentrationen sind verschieden BrDes: für nn Mn und Ni liegt die Schwellenkonzentration zwischen R ä m m RS —— und m für Ca und Mg zwischen Een 1000° für Sr £ m m ’ zwischen 300 und nn: ‚ für Ba ungefähr bei 500° Auch mit Cu, Zn und UO, konnte bei —_ — — — — Stillstand erzielt werden; aber >00 N | in NaCl verfielen die Muskeln hinterher entweder nicht oder nur vorübergehend wieder in ihr Zittern. Bezüglich der Hemmung durch die Erdalkali- und Schwermetall- ionen ergibt sich also die Reihe: Ni, Co, Mn>Ca,-Ms>Sr>Ba. IV. Der Einfluss komplexer Kobalt- und Chrom- ionen verschiedener Wertigkeit. Ich habe mich in den vorangegangenen Abschnitten nicht damit begnügt, die Tatsache der vielfältigen, wenn auch verschiedengradigen Vertretbarkeit des Caleiums durch eine grössere Zahl mehrwertiger Kationen mit verschiedenen Beispielen zu illustrieren, sondern ich habe auch eine Deutung vom Standpunkt der Kolloidehemie zu geben versucht. Der Ausgangspunkt für diese Hypothese ist die sogenannte Wertigkeitsregel gewesen, d. h. die häufig beobachtete Erschei- nung, dass es für die Wirkung der Ionen auf ein kolloides System weniger auf ihre chemische Natur als auf ihre Wertigkeit ankommt. 568 - Rudolf Höber: Ein geradezu paradigmatisches Analogon zu dieser Wertigkeitsregel der Kolloidchemiker ergibt nun am physiologischen Objekt die Verwendung von Kobaltiak- und Chromiaksalzen. Die solflockenden Eigenschaften der Komplexsalze sind schon von Freundlich und Schucht!) sowie von Mines?) untersucht worden. Der Einfluss der Wertigkeitsregel auf die Flockung des Suspensionskolloids von Arsentrisulfid wird vortrefflich durch die folgende Tabelle nach Freundlich und Schucht dargetan, in welcher Salze mit einfachen und komplexen Kationen verschiedener Wertigkeit vertreten sind; die Zahlen bedeuten die Millimole im Liter, welche gerade zur Ausfällung hinreichen: Kation: einwertig: »KEl. 2 mer nee 2.75 zweiwertig: Sr (NO). . » » . .. 0,54 [Co(NH3);NO,]S0O,. . . 0,55 [Co(NH;);ClCl, . . . . 0,55 dreiwertig: Ce(NO,); - - » - » .» 0,075 Gala 9.2 20.0850 DyOls ...0. 2202 200,086 AIE(SO, 2 2 er FICHTE ee [CoNH3;). U; 77272 7220:082 [Co(NH;);H:s0]Cl;, . -. . 0,120 Hier kommt also so gut wie alles auf die Wertigkeit an. Mines hat jedoch schon bemerkt, dass keineswegs alle negativen Kolloide so reagieren wie das Arsensulfidsol. Entscheidend ist, ob es sich um ein Suspensionskolloid oder um ein hydrophiles Kolloid handelt. Ähnlich wie As,S, verhalten sich auch zum Beispiel kollo- idales Gold und Sb,S,, Kieselsäure, gekochtes Hühnereiweiss, eine Suspension von Kolophonium; hingegen eine verdünnte Lösung von genuinem Hühnereiweiss, von Hämoglobin, verdünnter Milch, Blut- plasma, Gelatine sind zwar hochempfindlich gegen die Ionen der seltenen Erden, dagegen scheinbar unempfindlich gegen das Hexammin- kobaltichlorid. Eine Mittelstellung unter den Kolloiden nimmt Agar ein. 1) Freundlich und Schucht, Zeitschr. f. physik. Chemie Bd. 80 S. 564. 1912. 2) Mines, Journ. of Physiol. vel. 40 p. 327. 1910, und vol. 42 p. 3C9. 1911; Kolloidchem. Beihefte Bd. 3 S. 191. 1912. Beiträge zur Theorie der physiolcgischen Wirkungen des Caleciums. 569 Mines hat nun auch die physikochemischen Eigenschaften der dreiwertigen Kationen mit ihren physiologischen verglichen, indem er ihren Einfluss auf das Froschherz untersuchte. Dabei stellte sich heraus, dass die einfachen dreiwertigen Ionen der seltenen Erden das Herz schon in einer Konzentration von 10”? zum Stillstand bringen, während die komplexen selbst bei der hundertfachen Kon- zentration kaum wirken. Das Herz verhält sich also wie ein hydro- philes Kolloid. In ähnlicher Weise konstatierten Spaeth und ich!), dass die seltenen Erden — in einer übrigens für kolloidehemische Beziehungen sehr charakteristischen Weise — für den Muskel ungleich giftiger sind als ein komplexes Salz, wie das Hexamminkobaltichlorid. Neu und auffallend war dabei aber der Befund, dass das Kobaltiaksalz alles andere als indifferent ist, dass es vielmehr, geradeso wie Ca, einen lähmenden Kaliüberschuss ausgezeichnet zu neutralisieren vermag’). Dies gab den Anlass, jetzt auf die komplexen Ionen zurückzugreifen. 1. Der Einfluss der Komplexsalze auf die Muskelkontraktion. Zunächst sei ein Maasstab dafür gegeben, bis zu welchem Grad ein Zusatz von Hexamminkobaltichlorid den äquimolaren Caleium- zusatz zu vertreten vermag, nachdem ein Muskel in der früher ge- schilderten Art in 0,65% NaCl + 0,05% KCl gelähmt worden ist. Ein Zusatz von Sr Hexamminsalz genügt, um zunächst nach der Kalilähmung die alte Kontraktilität völlig wiederherzustellen; danach sinkt die Hubhöhe innerhalb 3 Stunden nur ganz allmählich bis auf m m . ! Null ab. In 700 50 ist nach 9—10 Stunden die Muskel- aktion nach nicht erloschen, nur sind die Hubhöhen im allgemeinen niedriger als in Caleiumlösungen der gleichen Konzentration. Für einen ausführlicheren Vergleich der Komplexsalze unter- einander kamen folgende Salze zur Verwendung®): 1) Höber und Spaeth, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 433. 1914. 2) 1. c. S. 446. 3) Die Salze waren teils von Kahlbaum bezogen, teils sind sie von meiner Assistentin, Fräulein Dr. phil. Hamburger, dargestellt, teils waren sie mir aus der Sammlung des Kieler chemischen Universitätslaboratoriums freandlichst zur Verfügung gestellt. 570 Rudolf Höber: Komplexe Kobaltsalze. Dreiwertig: | [Co(NH3);]Cl; Hexamminkobaltichlorid (Hexammin), [Co(NH3);Hz0]01; Aquopentamminkobaltichlorid _ (Aquo), [Co en3]Cl; Triäthylendiaminkobaltichlorid (Triäthylen). Zweiwertig: LU [Co(NH3;);C1]C1;, Chloropentamminkobaltichlorid (Chloro), [Co(NH;);NO;XNO,, Nitratopentamminkobaltinitrat (Nitrato), [Co(NH3);NO3]Cl; N itritopentamminkobaltichlorid (Nitrito). Einwertig: { [Co(NB3),(N0),]C1 Dinitritotetramminkobaltichlorid - ‚(Dinitrito), [Co(NH3),C0;]NO; Carbonatotetramminkobaltinitrat (Carbonato), [Co(NH3),CINO3]JCl Chloronitritotetramminkobaltichlorid (Chloronitrito), [Co ens(NO,),]Cl Dinitritodiäthylendiaminkobaltichlorid (Diäthylen). Nullwertig: [Co(NH3)s(NO3);] Trinitritotriamminkobalt (Trinitrito). Komplexe Chromsalze. [Cr(NH;3);]Clz Hexamminchromichlorid (Hexachrom), [Cr en; ]Cl; Triäthylendiaminchromichlorid (Triäthylenchrom), [Cr(NH3);C1]C]; Chloropentamminchromichlorid _ | (Pentachrom). Die eingeklammerten Bezeichnungen sind im folgenden als Ab- kürzungen gebraucht. | Die Versuche wurden geradeso wie früher bei Prüfung der ein- fachen mehrwertigen Ionen, in zweifacher Weise ausgeführt, erstens, indem gleichzeitig eine erhöhte Kalidosis und das Komplexsalz ge- geben und geprüft wurde, ob das Komplexsalz die Kalilähmung aufhält, und zweitens, indem erst mit Kali: gelähmt und dann die erholende Wirkung des Komplexsalzes bei unveränderter Kali- konzentration untersucht wurde. a) Gleichzeitige Einwirkung von Kaliumchlorid und Komplexsalz. Komplexe Kobaltsalze: Die Ergebnisse werden am besten durch einige Beispiele illustriert (s. Fig. 13—18): Die Regel ist schon aus diesen wenigen Protokollen zu er- sehen: Sämtliche einwertige Komplexionen, Dinitrito, Chloronitrito, Carbonato und Diäthylen, ferner Tri- nitrito vermochten die Kalilähmung nicht aufzuhalten, wohl aber sämtliche zwei- und dreiwertigen, also Hexammin, Triäthylen, Aquo (dreiwertig), und Chloro, 571 zen des Calciums. kun ischen Wir Beiträge zur Theorie der physiolog -Zunso IO®N 089° Sunwger[9Ip :TOM 9% 62100 F°I -193ury uueg 0 weueq "*gltus og] 0008 + Zunso J-A93u1ıy ur Ied 9/0. 80'0 + IOEN 9/. G9°0 UT 19 Joy ! Yuge 0100 + End opOME| & moop mel ı [93 yyqaıu Hdue; y9ou JEySn] aop Ist ‚7 yp geu :!pg[tus og] - yey Jy9nza3 Sunso’] 0008 wu + 104 %0820°0 + OD 90300 + ‚gg uue(f “SunsoJ-ıaduryg ur ‚gr Aur Sunpoqgumg anz ul ‚9z7 goeu yıy 193u1y urojle M Jura [Joysnpy op wopydeN 'EL SL 572 Rudolf Höber: Nitrato, Nitrito (zweiwertig). Zwischen zwei- und dreiwertigen war ein Unterschied nicht festzustellen, etwa derart, dass die drei- wertigen in kleineren Dosen wirksamer wären als die zweiwertigen; -H a N I die Schwellenwerte waren etwa: Hexammin 65000 8000’ Triäthylen m m m ß m un m { 6000° Aquo 000° Chloro 2400° Nitrato 5000’ Nitrito en Immerhin entspricht das insoweit den kolloidehemischen Analoga der Flockung, Fig. 14. Nach längerem Verweilen in Ringer-Lösung kommt der Muskel in Ringer-Lösung + 200 [Co(NH,);Cl]Cl. Nach 45’ in 0,65°%/0 NaCl + 0,02% CaCl, + 0,075%% KC1 + 19006 [CoNH;);C1]Cl: Lähmung innerhalb 74’. Dann für 38’ Erholung in Ringer-Lösung, danach in 0,65°%/0 NaCl + 0,02°%/0 CaC], + 0,075°%0 KÜl: Lähmung schon nach 30’. als der Unterschied in der Wirksamkeit der ein- und zweiwertigen Ionen auch da weit grösser ist als der Unterschied bei den zwei- und dreiwertigen (s. die Tabelle S. 568). Komplexe Chromsalze: Die beiden hier untersuchten Kom- plexionen, das dreiwertige Hexamminchromi- und das zweiwertige Chloropentamminchromi-Ion, entfalteten keinerlei antagonistische Wir- kung gegen Kali; mit und ohne Komplexsalz trat die Lähmung gleich rasch ein. 913 clums. Cal Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des -Sunso[-A93u1y jneIeq , 'Ztpuegsjfoa Iyoıu y9ou SunwgeT ‚SOT ydeu :&EON)EON“ÜHN)OD] 0009 SR 0/20°0 + IOEN 0/099°0 uuep SCON)ONFEHN)on] 902 -08 9se7 19 981 ‚I, Wera ON 06200 + Ord 9000 ® [HEN 9/089°0 UT [ONSUN. SEP Junuoy SunsgT-1oFuy ur wopommon We "eI Srg + O4 %20°0 + + Sunsorf-A93u1ry ur ‚J] y9eueq 'Sunso’T- as ur Sunjoyag ‚pp uuegg uye] BunsoTponisung. 10T [8100 + m | 1975100 \ \ “Sunso'J-1odury uueq ',66 yaeu Zunugerz :°jo[“ON“ÜHN)0O] et > +04 92200 + 1080 90800 + IOEN %/039°0 Merep Spo[LsONSEHN)oo] CL > + 3unsg J-193u1y ‚J] uueq "Sunso]-193ury ur Sunjogimg ‚GE yoeueg ',9F ur Jugelıe do :Jıorpuod -sns JOM 904200 + 980 %080'0 + TOEN 9/0490 Ur TENEnM Aop PıIm SunsgT-ıodury Nur Sanpuegaqio‘ YpeN HT "SKI NEERLLIN 0021 Se DIE DM /SLH0 en fsu EI Ja II) ij) I Greene j | | Rudolf Höber 74 Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums,. 575 ‘SUNSOT-A9SuLy yoeurg °,39 ypeu SunugeT :SON[EONEHN)OD] En -ZunsoJ- 198ury ur dunjoyig ‚7 meieq "ugejod ‚69 ur meırep EONEOO’@HN)od] un + Sunso[-A93uIy , geyaouur uep PIM [ONSUW dep TOM YoCL00 + II% N: a L = wor ) ZW: "u 001 LT uueqg I 9800 + 10% 004 mw N + 104 %<20°0 + 21089 %80°0 + IOIEN %0g9'0 0/, 690 y9euep ‘SunsoT-a9Surg Isıy LT "SLA AT g10 | | . Rudolf Höber: 976 *;8G 8ugo gps Zuntuggrg :JOM 0/0920'0 + ORD 9/0800 + TO®N. %0°9‘0 Yozurp Funsor] 1osury ur ‚ggT umeq *,8g m yugep 10 !uodentoqn TO[CON/u2 09] om + 104 % 820°0 + 0r9 9/0800 + IOEN 9/069°0 AT TONSHN dop pm Sunsor]-aodurg Sny SI SL] 177 lu x m ei 11 [son wo og ME Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 577 eb) Einwirkung der Komplexsalze nach Eintritt der Kalilähmung. Komplexe Kobaltsalze: Noch eklatanter als bei der vorigen Versuchsreihe manifestierte sich hier der Unterschied zwischen ein- und mehrwertigen komplexen Kationen: sämtliche mehrwertige Ionen restituieren dieKontraktilität nach Kalilähmung völlig und für lange Zeit!), sämtliche einwertige Ionen wirken gar nicht erholend. Auch dafür seien einige Beispiele gegeben (s. Fig. 19—22). NyypertenuusMusrusturuen LEST | EN 1,05%KON. * Dinibribo Fig. 19. Nach einigen Zuckungen in 0,65°%0 NaCl kommt der Muskel in 0,65 %/0 NaCl 3: o 05% KCl; er wird innerhalb 83" fast gelähmt. In 0,65% NaCl AM) 05% KCl 200 [Co(NH;),(NO3)]Cl erholt er sich i in 47' no wohl aber unmittelbar darauf in 065% NaCl + 0,0500 KCl + —— = [Co(NH3';C1]C1z. | \ nssYaracı A Be ‚15%KCl 250 u ae Fig. 20. Zunächst kontrahiert sich der Muskel in 0,650) NaCl, dann kommt er für 32’ in 0,65 Yo Sal + 0,05% KCl und erlahmt darin. Dann in 0,65°/0 NaCl + 0,05% KCl + — a [Co(NH3),{NO;)]Cl, der Muskel erholt in in 48’ nicht, wohl aber gleich darauf in 0,65% NaCl + 0,05]/0 KCl +"-— er _ [CoNH;)JCI,. 1) Nur scheinbar anders verhielt sich Nitrito, in dessen Gegenwart die Muskeln manchmal nach kurzer Erholung wieder lahm werden. Das liegt aber nur an der relativ grossen Zersetzlichkeit des Nitrito. Rudolf Höber SoL’CHN)00] IE + 1091 60'0 + IOEN 9/0 59° ur puzaup CON)EONCHWOOILE + 103 9/060'0 + TOEN 01049°0 ur 3819 Sunjoyig yoeueg "wyeL ‚Jg ur urep pam pun IM %0S00 + 0990 ur Torsum dep Nuwoy DEN %690 UT UaJIOMIOA WEALUT WeN 36 "DIA “Sunjoyag :°[9EONFEHN)O]) — nn +1 [IM 9% 800 + DEN %Y 690 U Sununger] u9S1]]0A A9p Yıyuım A0A YpoN 'ıyou pun agow ayoyqup Alp PIUS ‚88 uensgogu uap ur :9[!OQ’CHN)OD] ee + 104 90800 + IO®N %<90 UT ug YoeN "Sunjoyag opuonepur -Jue] 1998 99[0} uuep ‘uropN zued Jsyogunz urlep puıs uoyoyqn in :sg[O°HSCHN) 09] — mn + 104 0800 + DEN Yog9'0 UT do JuwoN geq one SOLONCHNIO] m + 103 90800 + IOeN 0490 Ur Ztuem uro yoıs nd uggjod [ON Wanp 2op wopgoen 'I8 “LA Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 579 Namentlich die Versuche, in welchen nacheinander ein- und mehrwertige Komplexionen sich abwechselten, wirken überzeugend für die Bedeutung der Wertigkeit. Komplexe Chromsalze: In der Anordnung dieser Versuchs- reihe kam auch bei den komplexen Chromsalzen das der Wertigkeits- regel entsprechende Verhalten deutlich heraus, und es wird auch klar, warum die vorige Versuchsreihe zu einem abweichenden Ergebnis führte. Wie die Fig. 23 und 24 zeigen, wirken die Chromsalze ganz vorübergehend erholend, sie wirken also nebenher auch schädigend. Fig. 23. Der Muskel wird durch 0,65% NaCl + 0,05% KCl gelähmt. Dann in 0,65% NaCl + 0,05% KCI + 3009 Erholung erlahmt der Muskel bald von neuem. [Cr en;]Cl;: nach anfänglich vortrefflicher Das Verhalten entspricht also ganz dem, wie wir es bei der Untersuchung der anorganischen Ionen antrafen (s. S.561); die Chrom- ‘ salze schieben deshalb den Eintritt der Kalilähmung nicht hinaus, weil sich ihre kompensierende Wirkung schon während des lang- samen Eintritts der Kalilähmung erschöpft und einer Schädigung Platz macht. — | | | Überblicken wir die Gesamtheit dieser Muskelkontraktions- versuche, so erhellt, dass die mehrwertigen Komplexionen im allgemeinen ganz vortrefflich geeignet sind, das Caleium in seinem Antagonismus gegen Kalium zu ver- treten, und dass ihnen in dieser Hinsicht eigentlich allein das Strontium gleichkommt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166. 39 580 Rudolf Höber: 2. Der Einfluss der Komplexsalze auf die fibrillären Muskel- zuckungen. Hiernach lag es nahe zu versuchen, ob die mehrwertigen Komplex- ionen auch ähnlich wie die mehrwertisen einfachen Ionen die fibrillären Muskelzuckungen zu hemmen, und zwar reversibel zu hemmen vermögen. Die Versuche wurden so, wie früher (S. 566) beschrieben, angestellt. h ISSN TTNLLTTEGE Im ae | Mruutessiu fr lulllllliinun: Wilden os 2. MEIKE MT URDEROUHELM A / f A x 4 Fig. 24. Der Muskel wird nach Vorbehandlung mit 0,650 NaCl durch 0,65 °/o NaCl + 0,05% KCl in 63’ gelähmt; darauf kommt er in 0,65% NaCl + 0,05%0 KCl m + u 500 [Cr(NH3);Cl]Clz: es folgt eine ganz schwache, vorübergehende Erholung. Es ergab sich, dass auch hier die Wertigkeitsregel weit- gehend gültig ist. Wenn in 0,65°0 NaCl das Muskelzittern eingesetzt hat, so genügt ein Zusatz von Hexammin, m m 100 500 Aquo, Nitrato, Triäthylen oder Chloronitrito, um den Muskel zu be- ruhigen; sobald er dann wieder in reine NaCl-Lösung zurück- kommt, fängt er wieder an zu zittern. Die einwertigen Diäthylen, Carbonato und Dinitrito hemmen hingegen die Zuckungen nicht. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 581 Eine Ausnahme unter den komplexen Kobaltionen bildet das Chloro- pentamminkobaltichlorid, das trotz seiner Zweiwertigkeit in 500 500 nicht hemmt. Einen Grund dafür habe ich nicht finden können. Unter den komplexen Chromsalzen hemmt das Triäthylendiamin- chromichlorid rasch und reversibel. Hexamminchromichlorid und Chloropentamminchromichlorid hemmen nicht, schädigen aber auch in ziemlich kurzer Zeit, so dass der Muskel in 0,65 °/o NaCl nicht wieder zu zucken anfängt. 3. Der Einfluss der Komplexsalze auf die Hämolyse. Ich komme an dieser Stelle noch einmal auf die Hämolyse- versuche zurück, um zu zeigen, inwieweit die bisher so übersicht- lichen Verhältnisse der Komplexsalze sich in die ziemlich komplizierte Ordnung der Hämolysevorgänge einpassen; und zwar handelt es sich hier abermals um die Mitwirkung der Salze bei der Hämolyse durch Narkotika, durch Hypotonie und durch Saponin. Die Prüfung ergab anfangs scheinbar völlige Regellosigkeit, bis sich herausstellte, dass die Versuche mit einer grossen Fehlerquelle behaftet sind, welche der Unbeständigkeit der Komplexsalze ent- springt. ‚Diese Zersetzlichkeit wirkte bei den Muskelversuchen selten störend, weil deren Dauer nur in Ausnahmefällen mehrere Stunden betrug. Anders bei den Hämolyseversuchen, die sich über Tage er- strecken! Es hat keinen Zweck, auf die Literatur über die Be- ständigkeit der hier benutzten Komplexsalze näher einzugehen; in unserm Fall dokumentiert sich die Zersetzung meistens darin, dass nach einiger Zeit die Blutkörperchen eine bräunliche Farbe annehmen, im Gegensatz zu dem hellen Rot sonst. Ein bequemes, quantitatives Maass für die Zersetzung gibt die Messung der Änderung der Leit- fähigkeit der dem Tageslicht ausgesetzten Lösungen; rein qualitativ dokumentiert sich die Änderung bei Dinitrito, Carbonato und Nitrito alsbald in Trübung, bei Chloronitrito in Dunklerfärbung bis Trübung, bei Nitrato in Gasbildung. Die Leitfähigkeitsmessungen zeigten, dass | m a0: 20 Minuten zersetzt, Chloronitrito, Dinitrito, Nitrato nach 1 bis 2 Stunden, Nitrito und Carbonato langsamer, während Hexammin und Triäthylen sich nicht verändern. Aquo und Chloro sind für die Hämolyseversuche an sich, ganz unabhängig von etwaigen Zer- 3 Diäthylen sich bei Zimmertemperatur in Lösung schon nach 982 Rudolf Höber: setzungen, ungeeignet, weil ihre Löslichkeit zu gering ist. So konnten als einwandfrei schliesslich nur die Versuche mit den gut lös- lichen und zugleich beständigen Hexammin und Triäthylen an- gesehen werden. Die Ergebnisse mit Hexammin und Triäthylen aber ent- sprechen den Erwartungen, d.h. sie verhielten sich bei jeder Form der Hämolyse etwa so, wie Ca oder Sr; die früher aufgestellten Reihen sind also ungefähr folgendermaassen zu er- eänzen: Narkotikum: K>Na> Ca, Sr, Ba > Hex., Triäthylen, Me>Mn>Co>Ni Saponin, Rind: K, NaNa>Ca>Ba> Hex, Mn. Hypotonie: Ca, Sr, Triäthylen < Mg, Hex 58 ]J5| 7 10 15 20 190% a b © d Fig. 25. Versuch 85. Manganchlorür. I. a=0,65°/o NaCl. b= + 0,04% KCl. c= + 0,04% KCI + 10 MnCi, d=Ringer-Lösung. II. a—= 0,65% Nall. b= + 0,04% KCl. d=Ringer- Lösung. Das Verhalten der Muskeln soll nun an Hand einiger Versuchs- protokolle illustriert werden. In den folgenden Figuren 25—31 sind auf der Abszisse die Zeiten der Ablesung vermerkt, auf der Ordinate die zugehörigen E. K. in Millivolt abgemessen. In dieser Weise wurde gefunden, dass im Antagonismus gegen die Ruhestrom entwickelnden Fähigkeiten des K das Ca durch Sr, Ba, Co, Mn, Ni vertreten werden kann. Nicht antagonistisch wirken Mg, Cu, UO,, meist auch nicht Cd. Durch besonders intensive antagonistische Eigen- schaften ist Ba ausgezeichnet. 586 Rudolf Höber: D 932 10021 25| 27 30 36] @ 40 43 46 48 50 51 55 56 58 j] 3 5 10] 15 18 20 3) AL 54 j92) a b C Fig. 26. Versuch 87. Nickelchlorür. I. a=0,65°/o NaCl. b= + 0,04% KCl. c= + 0,04% KCI + NiC,. d=Ringer-Lösung. II. a = 0,65% Nall. 100 b= + 0,04% KCl. d=Ringer- Lösung. h 335 48 18 33 45 53 | 55 5 6| g Sc) | 21 22° 27 31 4 35 | 47 5) 627 a b c d Fig. 27. Versuch 88. Kobaltchlorür. I. a=0,65%/o NaCl. b= + 0,04% KÜl. c= + 0,04% KCl + en CoCk. d=Ringer-Lösung. II. a=0,65% Nall. b= + 0,04% KCl. d=Ringer- Lösung. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 587 [9] 926 K 1010| » 8272 | 97 3) 33 39 | 0 2 4 4 57 115] 6 05 > 50 125 13 a D C Fig. 25. Versuch 160. Magnesiumchlorid. 1. a — 065° Nall. b= + 0,04% KCl. ce = 0,04% KCl + = MsCl,., d = Ringer- Lösung. II. a = 0,65%o NaCl. -b= + 0,04% KCl. d=Ringer-Lösung. ge 2 2 8|j0 8 5 |ız 9 2ı 27 29|30 32 34 37 Ser 48 54 jj10 19 20 10 56 a b C d Fig. 29. Versuch 9. Uranylnitrat. I. a—=0,65% NaCl. b= + 0,04% KCl. c= + 0,04% KCl + 505 VOANO,). d=Ringer-Lösung. II. a= 0,65 /o NaCl. b = + 0,04% KCl. d=Ringer- Lösung. 588 Rudolf Höber: 14,0 10,5 3,5 104 9 2 0 3 je u 1) 3% 3 0 3 37] 1 m 4 09 w 2 a b c m 2000 BaCl.. Fig. 30. Versuch 42. Bariumchlorid. I. a= Ringer-Lösung + ER 0% K m b= + 0,2% KCl + 4000 BaCl.. ce=Ringer-Lösung. II. b= + 0,2% KCl. ce —= Ringer-Lösung. 10 “ 24] 28 31 4 45 29] 5077527755 1l 2 > 10 | 35317 19 25 42 56 1217 a b ce Fig. 31. Versuch 36. Bariumchlorid. 1. a— Ringer-Lösung + 195 Ball. b— + 0,2% KCl + =: BaCl,, e=Ringer-Lösung. II. b= + 0,2% KÜl. ce = Ringer- Lösung. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calcium. 589 Sehr charakteristisch sind die Nachwirkungen, d.h. das Verhalten des Muskelendes, nachdem es in Ringer- Lösung zurückübertragen ist: fast immer ist der Abfall der E.K. im Verhältnis zu dem Muskel, welcher allein die Kaliwirkung erlebt hat, verzögert; das trifft auch für Mg zu, obwohl dieses die Ent- wicklung des Kalistromes nicht hemmt. Diese Verzögerung im Abfall ist besonders nach Behandlung mit Ba sehr ausgesprochen und geht da sogar eventuell in weiteren Anstieg über (s. Fig. 31), welcher bei den irreversibel wirkenden, d. h. den an sich einen Demarkations- strom erzeugenden Cd, UO, (s. Fig. 29) und Cu die Regel ist. Suchen wir nun nach einem Anschluss dieser Versuche an die früheren! Es wurde bereits daran erinnert, dass vom Standpunkt der Membrantheorie das Negativwerden des einen Muskelendes bei Behandlung mit K einer Permeabilitätserhöhung gleichzusetzen ist. Dann bedeutet die Möglichkeit, die Kaliwirkung mit Ca, Sr, Ba oder den andern zu bekämpfen, das Gegenteil, Permeabilitätsverringerung, also Abdichtung der Plasmahaut. Dies war ja aber auch der tat- sächliche Effekt der Wirkung der mehrwertigen Kationen in der Mehrzahl der Hämolyseversuche. Ferner: Cu, UO,, Cd hemmen die Kaliwirkung nicht, vielmehr steigern sie dessen negativierenden Ein- fluss. Aber da K reversibel negativ macht, Cu, UO,, Cd irreversibel, so müssen zwei verschiedene Vorgänge in der Plasmahaut Platz greifen; eine angemessene Annahme wäre, dass K die Plasmahaut auflockert, ihre Kolloide zur Aufquellung oder Erweichung bringt, während Cd, Cu, UO, eine Flockung und dadurch Disgregation herbeiführen. Auch diese Deutung wird durch die analogen Prozesse bei den Blutkörperchen gestützt; denn UO,, Cu, Cd sind auch die- jenigen Ionen, welche nie die Hämolyse hemmen, sondern welche die Blutkörperchen agglutinieren, sie ausflocken, und besonders starke Flockung geht, wie die Versuche mit den dreiwertigen Ce und La lehrten, Hand in Hand mit Hämolyse, welche offenbar als „innere“ Flockung, als Flockung in der Plasmahaut angesehen werden muss (s. S. 542, 562). Die Ruhestromversuche harmonieren aber auch mit den Kon- traktionsversuchen. Für die antagonistische Wirkung der mehr- wertigen Kationen bei der Lähmung durch K wurde S. 561 die Reihe Alt Ca>Sr>Mg>Co>Ba, Mn>Ni>Zın. Dieselben Ionen finden wir jetzt wieder geeignet, die Ruhestrom 590 Rudolf Höber: entfaltende Wirkung des K zu bekämpfen. Mit der einzigen Aus- nahme des Mg! Im übrigen herrscht Übereinstimmung auch in der langen Nachwirkung des Ba, in der unmittelbaren Beschädigung durch Cu, UO,, Cd und in der Grenzstellung des Ni, welches. oft die Kaliwirkung hemmt, manchmal aber auch — und dann irreversibel — unterstützt. b) Der Einfluss komplexer Kationen. Die Komplexionen sind auch bei Ruhestromversuchen vortrefflich geeignet, um sich den Einfluss der Wertigkeit klar zu machen, da sie auch hier im allgemeinen die milde Wirkung der Erdalkaliionen betätigen und nicht schädliche Nebenwirkungen wie die Schwermetall- ionen verursachen. Folgende Versuchsprotokolle in Kurvenform mögen die Wirkung einiger komplexer Kobaltsalze verdeutlichen: s. Fig. 32—37. ee [eonn).]"" a2 2 b 3 45 | j 2 Syn ei 2 zi 38 h) ‚o 412 1% 26 | 28 30 33 45 | 47 5) 52 57 | 34 oo 8 u 1 | zı u: 8 5 6°, a b c d Fig. 32. Versuch 67. [Co(NH;),]Ch,. I. a = 0,65% NaCl. b= + 0,04% KCl. 90, Kr 105 Hexammin. d— Ringer-Lösung. II. a— 0,65%. —= + 0,04% KCl. d= Ringer- Lösung. Das einfache Ergebnis ist, dass die mehrwertigen Kom- plexkationen Hexammin, Triäthylen, Aquo und Nitrato die Entwicklung des Kalistromes hemmen während die einwertigen, Carbonato, Chloronitrito’ Dinitrito und Diäthylen sich indifferent verhalten Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 59] D 950 10° 18 43 4 4 53755|7 9 ı 1215 16 18 20 25 ® 3436 dr 56 1210 a b c d Fig. 35. Versuch 70. [Coen;|Cl,. I. a= 0,65% NaCl. b= + 0,04% KCl. e= + 0,04% KCl + = Triäthylen.. d— Ringer-Lösung. II. a= 0,65% NaCl. — + 0,04% KCl. d= Ringer - Lösung. 103 9 13 10 uw u m 7 3 je © 3 A 05 47 2 | 5 13.W a b C d Fig. 34. Versuch 72. [Co(NH;),CV;]Cl. I. a= 0,65% NaCl. b= + 0,04% KC. c—= + 0,04% KCl+ 100 Carbonato. d=Ringer-Lösung. II. a= 0,65% NaCl. b= + 0,04% KCl. d= Ringer-Lösung. 592 Rudolf Höber: 10 7 ujıı >20 28 30] 3 37 2 445 97 50 5 56|587]7J21 26 36 45 7j949 a b c d’ Fig. 35. Versuch 81. [Co en‘N0;)]Cl. I. a= 0,65% NaCl. b= + 0,04% KCI. c= + 0,04% KCl + m Diäthylen. d= Ringer-Lösung. II. a= 0,65% NaCl. b= + 0,04% KCl. d= Ringer- Lösung. CoINH,/, NO; omg 6,0 u Sem x \ \ x N \ x x ll = x N [3 4,5 fr Lco[lnr,), Cu 1,5 43 28 836 4 |51 65) 5 6 17119 2125 29 | 31 32 34 37 4 45 | 46 48 58 730 a b Ce d Fig. 36. Versuch 74. [Co(NH3),C03]NO;, [Co(NH3);NO3\NO;). I. a= 0,65°%% NaCl. b= + 0,04% KCl. c= + 0,04% KEIL + a Carbonato. d— Ringer-Lösung, II. a= 0,65% NaCl. b= + 0,94% KCl. ce — -+ 0,04% KCl -+ 2 Nitrato. 100 d = Ringer-Lösung. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 593 115 8 2 2] 53 7j98|5 6 9 2 1|1 18 0 23} 30 36 j5|8 20 26 ># a .b c d e Fig. 37. Versuch 78. [CO(NH;);]Ch, [CONH;)4NO>),]Cl. 1. a = 0,6500 NaCl. De 27 0r0n Keh d 1.004% Keil + In Hex. e = Ringer- Lösung. II. a — 0,65% NaCl. b— + 0,04% KCl. e= + 0,04% KCl + 105 Dinitrito. e— Ringer- Lösung. Gerade so wie wir also den von vornherein eingenommenen kolloidehemischen Standpunkt beibehalten konnten, um von ihm aus auch den Einfluss der eintachen Erdalkali- und Schwermetallionen auf den Rubestrom zu deuten, gerade so werden wir in der aber- maligen Gültigkeit der Wertigkeitsregel bei diesen Ruhestromver- suchen mit Komplexionen ein weiteres Symptom für die Beteiligung der Kolloide erblicken. 2. Der Einfluss mehrwertiger Kationen auf den durch die Narkotika zu erzeugenden Ruhestrom. In Analogie zu den übrigen Versuchsreihen über den Einfluss der Narkotika auf die Hämolyse und auf die Muskelkontraktion wurde auch der Einfluss auf die Ruhestrombildung untersucht, wenn- gleich von vornherein vom Standpunkt der theoretischen Auslegung all dieser Versuche nicht viel Förderung davon erwartet werden konnte. 594 Rudolf Höber: Ich bin schon einmal auf die von mir und anderen vertretene Permebilitätstheorie der Narkose kurz zu sprechen gekommen (s. S. 564—566); es ist notwendig, jetzt noch einmal und etwas ausführlicher darauf einzugehen. Nach J. Traube sind die Narkotika oberflächenaktive Stoffe, ihre narkotische Kraft ist eine Funktion der Grösse ihrer Oberflächenaktivität. Ihre Wirkung kann also darauf beruhen, dass sie Oberflächen, die im Zell- geschehen irgendwie aktiv sind, einhüllen und dadurch inaktivieren. Versuche von ©. Warburg!) und Meyerhof?) repräsentieren für diese Art der Funktion sehr anschauliche Modelle; die Oxy- dation der Oxalsäure an der Oberfläche von Kohle, die Zer- setzung von Wasserstoffperoxyd durch kolloidales Platin wird durch Narkotika nach Maass von deren Oberflächenaktivität ge- hemmt, indem offenbar die aktiven Teilchen der dispersen Phase eingehüllt werden. Wenn nun die von mir abgeleitete Vorstellung richtig ist, dass die bei der Erregung zu beobachtende Permeabilitätssteigerung die Folge einer Auflockerung der Plasmahautkolloide durch eine inner- halb der Zellen ablaufende Reaktion ist, so beruht die Aufhebung. der Erregbarkeit in der Narkose auf einer Umhüllung der Plasma- haut durch das Narkotikum, derart, dass die Kolloide für die Inoenreaktion unzugänglich werden. Ganz analog ist dann die von mir beobachtete Tatsache zu deuten, dass der Ruhestrom, welcher durch Heranbringen von Kalisalz an die Zelloberfläche von aussen her zu erzeugen ist, in seiner Entwicklung durch Narkotikum- zusatz gehemmt werden kann?). Wie nun die Narkotika bei geeigneter Dosiehine eine Permea- bilitätssteigerung hemmen können, so können sie aber auch umgekehrt in grösseren Dosen die Permeabilität steigern; Blutkörperchen ver- fallen, wie wir schon sahen, in Gegenwart grösserer Narkotikum- konzentrationen der Hämolyse, Muskeln, die partiell mit grösseren Dosen Narkotikum behandelt werden, geben einen Ruhestrom, der ja als Ausdruck einer Permeabilitätssteigerung aufgefasst werden kann. Diese Permeabilitätssteigerung ist, wenn besonders hohe Dosen 1) 0. Warburg, Pflüger’s Arch. Bd. 155 8. 547. 1914. 2) Meyerhof, Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 307. 1914. 3) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 120 8. 492. 1907. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 595 Narkotikum oder wenn grosse Dosen Narkotikum längere Zeit zur Wirkung gelangen, irreversibel; dieser Effekt ist aber nicht mehr als Narkose zu bezeichnen, denn Narkose ist an sich ein reversibler Vorgang. Die Grundlage der irreversiblen Permeabilitäts- steigerung könnte eine Herauslösung der Lipoide aus der Plasma- haut, also sozusagen ein Löchrigwerden der Plasmahaut sein, denn die Narkotika sind Lösungsmittel für die Lipoide. Aber die Permeabilitätssteigerung durch grosse Narkotikumdosen kann, wie Joel!) bei Blutkörperchen und Muskelströmen gezeigt hat, auch reversibel sein, und dann ist nach einer anderen Erklärung für die Permeabilitätssteigerung zu suchen; dann kommt erstens in Frage, dass nach Untersuchungen von Warburg und Wiesel?). von Battelli und Stern?) u. a. die Narkotika in höherer Konzentration Kolloide aus ihren Lösungen ausflocken; es könnte also zu einer Disgregation, zu einer Desorganisation der Plasma- haut kommen (s. S. 589), die, wie zahlreiche Beispiele aus der Kolloidehemie lehren, eventuell reversibel verläuft; zweitens käme in Frage, dass die in den Lipoiden der Plasmahaut löslichen Narkotika diese erst weitgehend auflockern, bevor es zu einer eigentlichen Weglösung kommt ?). Diese Tatsachen der reversiblen Permeabilitätsverminderung und der reversiblen (freilich an der Grenze der Reversibilität befindlichen) Permeabilitätssteigerung dnrch die Narkotika hat kürzlich Traube?) zu einer Diskussion darüber verwertet, ob nicht — wozu er mehr neigt — die Narkose eher als Permeabilitätssteigerung denn als Permeabilitätsverminderung aufgefasst werden muss. Es würde viel zu weit führen, sollten hier die Gründe aufgezählt werden, welche vom physiologischen Standpunkt aus für die zweite Annahme sprechen; ich verweise auf die Untersuchungen von Gildemeister‘), 1) Joel, Pflüger’s Arch. Bd. 161 8.43. 1915. 2) ©. Warburg und Wiesel, Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 465. 1912. 3) Battelli und Stern, Biochemische Zeitschrift Bd. 52 S. 226 und 253. 1913. 4) Zu berücksichtigen ist auch, dass nach Traube und Köhler Gele durch grosse Dosen Narkotikum verflüssigt werden: Intern. Zeitschr. f. physik.-chem. Biol. Bd. 2 S. 42. 1915. 5) J. Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 161 S. 530. 1915. 6) Gildemeister, Pflüger’s Arch. Bd. 162 S. 489, 1915. Pflüger’s Archiv für Physiolegie. Bd. 166. 40 596 Rudolf Höber: Schwartz, Osterhout?), Joel (l.c.), MeClendon?), H. Winterstein). Jedoch kann noch ein neues Argument dafür angeführt werden, dass die Narkose des Muskels sicher keine Permeabilitätssteigerung bedeutet: ich habe die- jenigen Narkotikumkonzentrationen aufgesucht, bei welchen die Sartorien, in Ringer-Lösung aufgehängt und jede Minute einmal gereizt, innerhalb "/—1 Stunde aufhören zu zucken, um sich nach Wegnahme des Narkotikums wieder rasch und völlig zu erholen; diese Schwellenkonzentrationen sind für Isobutylurethan ungefähr 0,125 °/0, für Heptylalkohol 0,0060, für Acetophenon 0.025 /o. Hängt man nun Sartorien mit dem einen Ende in diese selben Narkotikumlösungen ein, so tritt keinerlei Negativierung ein, wohl aber, sobald statt der narkotischen Grenzkonzentrationen erheblich höhere verwendet werden. Fig. 38 gibt dafür ein gutes Beispiel. 20 15 4 10 [ox: r 2025 Re. or, an ui = r TAN ZErT 0.125 Is. x Dr re 340 3 410 al 0 26 31 39 41 42 "54 52 5 jr 8 10 12| 19 24 30:33 35 a b [ d Fig. 35. Versuch 167. Acetophenon, Isobutylurethan. J. a= Ringer- Lösung + 0,025°/o Acetophenon. b = + 0,2% Acetophenon. d= + 0,4°%/0 Aceto- phenon. II. a = Ringer-Lösung -+ 0,1250 Isobutylurethan. b= + 1,25 %o Isobutylurethan. ce = Ringer- Lösung. 1) A.Schwartz, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 S. 734. 1913 und Pflüger’s Arch. Bd. 162 S. 547. 1915. 2) Osterhout, Science vol. 37 p. 111. 1913. 3) Mac Clendon, Americ. Journ. of Physiol. vol.33 p. 173. 1915. 4) H. Winterstein, Biochem. Zeitschr. Bd. 75 S. 71. 1916. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 597 Kommen wir nun endlich zu unserem eigentlichen Thema, dem Einfluss der mehrwertigen Kationen auf die Narkotikumruheströme. Es wurde schon bemerkt, dass von deren Untersuchung von vorn- ‚herein nicht viel Förderung der hier in Rede stehenden Frage voraus- gesetzt werden kann. Es ist nämlich in Analogie mit den Versuchen über die Kombination von mehrwertigsen Kationen und Narkotikum bei der Hämolyse (s. S. 536) zu erwarten, dass die mehrwertigen Kationen die Auflockerung der Plasmahaut durch die Narkotika hemmen, d.h. dass sie die Entwicklung des Narkotikum-Ruhestromes verzögern; es wäre aber auch umgekehrt möglich, dass, weun bei diesen hohen Konzentrationen die Narkotika fällend auf die Plasma- hautkolloide wirken, die mehrwertigen Kationen sie darin unter- stützen, d. h. dass sie den Ruhestrom noch steigern. Die besten Ergebnisse lieferte folgende Versuchsanordnung: Als Narkotikum in übernarkotischer Konzentration diente 1 °/o Chloral- hydrat, die mehrwertigen Kationen kamen meist in = Konzentration zur Wirkung. Der eine Sartorius tauchte mit dem einen Ende zu- erst in Be dann kam er für 10—15 Minuten in Ringer-Lösung +0 ;9 mehr wertigem Kation, danach in Ringer- Lösung + 1°/o Chloralhydrat + —— - = mehrwertigem Kation, der dazu- gehörige zweite Muskel kam nach der Vorbehandlung mit Ringer- Lösung direkt in Ringer-Lösung + 1°/ Chloralhydrat. Einige Versuchsbeispiele veranschaulichen das Resultat: siehe Fig. 39—42. So ergab sich, dass Ca, Sr, Co und Mn die Entwicklung des Narkotikumruhestromes verzögern. Ni wirkt manch- mal ebenso, manchmal gerade umgekehrt beschleunigend; in dem in Fig. 40 dargestellten Versuch wirkte es 4 Minuten lang verzögernd, dann schlug die Hemmung in eine Beschleunigung um. Auch Mg hemmt nicht, geradeso wie es auch die Entwicklung des Kalistroms nicht hemmt (S. 590). 40 * 598 Rudolf Höber: Chloral 4241 57 512 13 ja ım m 25| 27 25 30 2 38 40 46|47 52 68 12 50 7er ; a b C Fig. 39. Versuch 146. Chloralhydrat + CoC]l,. I. a= 1% Chloralhydrat. b=1!o Chloralhydrat + oe CoCl;.. e=Ringer-Lösung. II. a=1°o Chloral- hydrat. e= Ringer-Lösung. x N K- -u- in SR, mm! K—— K— A K—y " Chloral + (a x 45 35 54 55] 36 58 52 5| 7 Ge SS €} 16 | 17 26 33 46 58 624 a b c Fig. 40. Versuch 153. Chloralhydrat + CaCl,. I. a—= Ringer-Lösung + = Call. b = + 1% Chloralhydrat + — CaCl.. c = Ringer - Lösung. II. 'b = + 1% Chloralhydrat. ce = Ringer-Lösung. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 599 in = z x y Ad Y \ U x ' \ x $ “ N 5 x ” (x % x D ı U I Chloral Z f; ChloraleNi ) x 93 35 43 591010] 2 82 415 2729 32 35 5 | 4 56 119 16 25 46 5 a b e Fig. 41. Versuch 149. Chloralhydrat + NiCl. I. a= Ringer-Lösung ” = Nic. b= + 1% Chloralhydrat + m NiCh. e= Ringer-Lösung II. b= + 1% Chloralhydrat. ce = Ringer-Lösung. r / Chlorai» Mg , * Il 2 „ur Fehler 10% 118 25]:28° 31, 32) 37] 38 40 41 22, 357 198 21 |? 29% Ei b C j Fig. 42. Versuch 154. Chloralhydrat + MgCl, I. a—=Ringer-Lösung MsCl.. b= + 1°/o Chloralhydrat + m MsCl,,. e= Ringer- Lösung. II. b= + 1° Chloralhydrat. e= Ringer-Lösung. 600 Rudolf Höber: VI. Kolloidchemische Analoga zu den physio- logischen Untersuchungen. In der Darstellung der physiologischen Versuche auf den voran- gegangenen Seiten hat die Deutung in kolloidehemischer Richtung als leitender Gesichtspunkt eine grosse Rolle gespielt. Fassen wir nun noch einmal kurz zusammen, was alles auf diese kolloidehemische Theorie der Wirkung der mehrwertigen Kationen verweist, um dann ° noch einige neue Versuche an Kolloiden anzuschliessen, welche zu den physiologischen Prozessen in Analogie stehen. Unter den vorgebrachten Experimenten sind es sicherlich in erster Linie die Versuche mit den Komplexsalzen, welche zu einer kolloidehemischen Deutung herausfordern. Der Einfluss der Wertig- keit der Kationen ist hier so in die Augen springend, die verschie- dene Grösse der physiko-chemischen Eigenschaft der Ladung bei fast gleicher chemischer Beschaffenheit so bedeutungsvoll, wie es eben nur in der Kolloidehemie wieder zu finden ist. Nächst- dem kennzeichnet wohl das Vorkommen von Reihe und Gegenreihe der wirkenden Ionen, die Umkehr in der Reihenfolge der Wirk- samkeit (S. 540, 543 und 565) am meisten die beobachteten Vor- gänge als Kolloidzustandsänderungen. Drittens kann man in der Tatsache, dass die dreiwertigen Komplexionen wie das Hexammin- kobaltiion oder das Triäthylendiaminkobaltiion relativ harmlos, die dreiwertigen einfachen Ionen, wie Ce oder La, giftig sind (S. 569), einen Fingerzeig in der Richtung der Kolloidehemie sehen; denn die hydrophilen Kolloide, um welche es sich in der Physiologie doch in erster Linie handelt, werden von den seltenen Erden überhaupt leicht ausgeflockt, während die Komplexionen nicht aktiver sind als etwa Ca-Ion. Auch dass die mehrwertigen Kätionen !sich in ihrer physiologischen Wirkung im grossen Ganzen nach der Reihe der elektrolytischen Lösungsdrucke ordnen, mag mit den Verhältnissen in der Kolloidehemie in Parallele gestellt werden. Die kolloidehemische Theorie all dieser Ionenwirkungen findet indirekt einen Anhaltspunkt auch darin, dass sich viele der beschrie- benen Prozesse besonders bequem als Membranvorgänge auffassen lassen, und die typischen Membranen bestehen ja immer aus Kolloiden. So wird der Deutung der Kaliströme des Muskels und der Kali- wirkung auf den Muskel überhaupt passend die Membräntheorie von Bernstein zugrunde gelest und der Einfluss der K-Ionen als Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 601 Steigerung der Permeabilität der Plasmamembranen aufgefasst. Dann ergibt sich die hier beobachtete antagonistische Beeinflussung des K durch die Mehrzahl der untersuchten mehrwertigen Kationen als Ausdruck einer Permeabilitätsverminderung, also Abdichtung der kolloiden Membranen von selbst. Die Hämolyse erscheint ebenfalls besonders verständlich im Bild einer Membranauflockerung, und das gleiche Bild dient dann dem Verständnis der Beobachtungen über die Hemmung der Hämolyse durch einen Teil der Erdalkali- und Schwermetallsalze. Endlich bietet der Zusammenhang von Aggluti- nation und Hämolyse einen weiteren Anknüpfungspunkt; es war schon bekannt, dass die agglutinierenden Ionen der seltenen Erden ungefähr in demselben Konzentrationsbereich, in dem sie agglutinieren, auch Hämolyse verursachen, und da die Agglutination selber zur Kategorie der Ausflockunesvorgänge gehört, so konnte angenommen werden, . dass die zugehörige Hämolyse die Folge einer Agglutination, einer Ausflockung in der Plasmahaut selber ist (s. S. 562 und 589); wenn wir nun weiter finden, dass manche mehrwertige Ionen, wie Cd, Cu, U0, u. a., erstens agglutinieren und zweitens die Muskeln irreversibel verändern und permeabel machen, dann wird auch diese Wirkung als Folge einer Ausflockung in der kolloiden Plasmahaut begreiflich. Ich habe aber auch noch den Versuch gemacht, durch direkte Untersuchung von totem kolloiden Substrat weitere Parallelen zu den physiologischen Beobachtungen aufzufinden, und zwar erfordern die vorgebrachten Tatsachen und Deutungen in besonderem Maasse, dass ein Modell für die präsumptiven Abdichtungen der Plasmahäute durch die Erdalkali- und manche Schwermetallsalze und für die zum gegenteiligen Effekt führenden Flockungen in der Plasmahaut durch Ionen, wie Cu, UO, u. a., gefunden wird. Quellungsversuche mit Gelatinefolie, mit gegossenen Scheiben aus gewöhnlicher Handels- gelatine und Agar, einige Viskositätsmessungen an Gelatinelösungen führten nicht zum Ziel. Einigermaassen erfolgreich waren schliesslich Versuche mit Gelatine nach einem einfachen, von Schryver!) an- gegebenen und kürzlich von J. Traube?) wieder empfohlenen Ver- fahren. Es kommt dabei aber, wie wir sehen werden, anscheinend weniger auf das Verfahren als auf das geeignete Kolloid an. 1) Schryver, Proceed. of the Royal Soc. Ser. B. vol. 87 p. 366. 1914. 2) J. Traube und Köhler, Intern. Zeitschr. f. physik.-chem. Biol. Bd. 2 8.42. 1915. 602 Rudolf Höber: | J. Traube versetzte in gleich weiten Reagenzgläsern je 10 ccm 1,6 /oiger Gelatinelösung mit verschiedenen Nichtleitern und Elektro- lyten, erwärmte die Proben eleichmässig und stellte sie darauf zu gleicher Zeit in schmelzendes Eis. Es wurde alsdann die Zeit ge- messen, welche bei den verschiedenen Gläsern verstreicht, bis hinein- geworfene gleich grosse Glasperlen gerade noch bis zur halben Höhe der erstarrenden Gelatine einsinken. Über den Einfluss von Neutral- salzen auf die Erstarrung macht J. Traube wenige Angaben; unter ihnen war für mich von besonderem Interesse, dass Caleiumchlorid die Erstarrung schon in recht geringer. Konzentration beschleunigt. Auch Schryver konstatiert in seinen entsprechenden Versuchen über die Gelbildung bei Natriumcholatlösungen, dass von Caleium- salzen viel geringere Konzentrationen Erstarrung bewirken als von Natrium- oder Magnesiumsalzen. J. Traube benutzte zu seinen Versuchen „eine reine Nelson- Gelatine“. Ich prüfte zunächst verschiedene andere Handelsmarken von Gelatine ohne jeden Erfolg durch und ging dann auch zu der englischen Nelsongelatine über. .Die mir allein in grösserer Menge zur Verfügung stehende Marke SE war leider ungeeignet, d.h. zu un- empfindlich; ihre Erstarrung wird durch die verschiedenen Salze nicht merklich verschieden beeinflusst. Von der an sich brauchbaren Marke „Nelson Opaque X“ war nur noch eine kleine Menge zu erhalten, mit dieser und mit einer kleinen mir von Herrn Traube gütigst überlassenen Probe einer weiteren Nelson-Marke konnten die Versuche bis zu. einem gewissen Ergebnis fortgeführt, wenn auch nicht abgeschlossen werden. In meinen Versuchen wurde jedes einzelne Salz mit mehr- wertigem Kation bei verschiedenen Konzentrationen mit NaCl ver- glichen; dazu wurden folgende Gemische hergestellt: 10 cem 1,75 °joiger Gelatinelösung wurden versetzt mit: 1. lccm T NaCl oder 1,0 cem 7 Erdalkali- bzw. Schwermetallsalz RE U he i + 0,7 com 2 NaCl. Se es ; & +09, 7% a ey ; +09 Die Salze mit mehrwertigem Kation waren also in den Gemischen \ a m m m m ? — on, —— un ten. in den Konzentrationen 12° 147° 440 und 880 vertreten. Die Konzentration war der Wirkungsschwelle nahe. 580 Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. 603 Das Ergebnis, zu welchem die wenigen Versuche, die ich mit den beiden kleinen Gelatineproben leider nur machen konnte, führten, ist reeht übersichtlich: Ca, Sr, Ba, Mg, Co, Mn, Ni und Zn beschleunigten im Verhältnis zuNa die Erstarrung der Gelatine, Cu, UO,,. Ce und Cd verzögerten Sie. Ich verzichte darauf, eine Reihenfolge der Wirksamkeit anzugeben; dazu reicht die Zahl der Versuche nicht. Jedoch ist noch hervor- zuheben, dass Cd die Erstarrung nur in den Konzentrationen Er m i e RR SR 3 en und 147 deutlich verzögerte, in 440 war es annähernd indifferent, und in — beschleunigte es vielleicht sogar. Dies Ergebnis kann wohl als ein recht gutes weiteres Argument zugunsten der kolloidehemischen Theorie der beschriebenen physio- logischen Vorgänge angesehen werden. VIL Die Theorie der physiologischen Wirkungen des Calciums. Kehren wir nun zu unserem Ausgangspunkt zurück, zu der Frage nach der Natur der physiologischen Salzwirkungen ganz im allgemeinen, und speziell zu der Frage nach der Natur der Calcium- wirkungen. Seit J. Loeb in seinen klassischen Versuchen am be- fruchteten Fundulusei zeigte, dass das Caleium des Meerwassers seradeso durch ein anderes zweiwertiges Kation vertreten werden kann, wie bei der Ausflockung eines Suspensionskolloids ein Zwei- wertiges Kation ein anderes ersetzen kann, seitdem wird bekanntlich mit der Möglichkeit gerechnet, die Salzwirkungen auf kolloidchemi- scher Basis zu erklären. Dass diese Beziehung zu den Kolloiden ein brauchbares und breites Fundament abgeben kann, ist, wie ich glaube, besonders durch meine Untersuchungen über die Wirkung der Alkalisalze erwiesen, denn diese betreffen mannigfache Objekte, wie die Blutkörperchen, die Muskeln als kontraktile und als Elektrizität liefernde Organe, die Flimmerzellen, die Nerven, und sie zeigen, dass die Wirkung der Alkalikationen sich gegenseitig so abstuft, wie es sonst nur bei der Wirkung. auf Kolloide vorkommt, dass die Anionen nach der aus der Kolloidehemie geläufigen lyotropen Reihe wirken, dass je 604 Rudolf Höber: nach dem Objekt Umkehrungen der Reihen vorkommen, wie sonst auch je nach dem Kolloid. Hingegen blieb das ursprüngliche Paradigma eines kolloidchemi- schen Effekts auf die lebenden Gebilde, Loeb’s Fundulusversuche, fast ein Sonderfall, für welchen man fast vergeblich nach Analogien suchte. Parallelen sind nur von Lillie im Verhalten der Cilien bei Arenicolalarven und am Kiemenepithel von Mytilus edulis und von Loeb bei der Cytolyse von Seeigeleiern in alkalischer Kochsalzlösung gefunden worden, also an Objekten, die von den Schulbeispielen der Physiologie fernab stehen. So kam es, dass der ja freilich immer wieder verwunderlichen Tatsache, dass als Ersatzmittel für Caleium Stoffe wie Nickel oder Zink überhaupt in Betracht kommen können, ein so ausgezeichneter Kenner der Salzwirkungen wie Overton den schon einmal zitierten, diese ganze Richtung des Experimentierens untergrabenden Satz entgegenstellen konnte: „Dass die Caleiumsalze durch Bariumsalze oder die Salze der zweiwertigen Schwermetalle in keiner Weise ersetzt werden können, müsste jedem toxikologisch gebildeten Physiologen von vornherein klar sein.“ In dieser Schroffheit liesse sich jedoch, auch ganz abgesehen von den Angaben von Loeb und Lillie, Overton’s Urteil keinesfalls aufrechterhalten, da die neueren Untersuchungen, die ich zum Teil anfangs (S. 534) erwähnt habe, zeigten, dass bei mannigfachen physiologischen Prozessen das Caleium nicht bloss durch Strontium sondern auch durch Magnesium und Barium besser oder schlechter vertreten werden kann. Aber gerade diese enge Abzirkelung der Ersatzmittel, die Beschränkung auf die chemische Gruppe der Erd- alkalien, sprachen wieder von neuem gegen jede Generalisierung von Loeb’s Befunden und liessen zugleich Loeb’s kolloidehemische Deutung der Wirkung des Ca und verwandter mehrwertiger Kationen in zweifelhaftem Lichte erscheinen. Durch die vorliegenden Untersuchungen gestaltet sich nun das Bild vollkommen neu. Gerade dadurch, dass die weitgehende Ver- tretbarkeit des Ca, die Vertretbarkeit durch Sr, Mg, Ba, Co, Ni, Mn, Zn (9), mehrwertige komplexe Kobalt- und Chromionen an Zellen von Wirbeltieren, an den Blutkörperchen von Säugetieren und an den Muskeln mit ihrer differenzierten Funktion nachgewiesen werden konnte, wird es gerechtfertigt, wenn man diese Verhältnisse nunmehr doch generalisiert und die gegenseitige Vertretbar- keit der mehrwertigen Kationen zum Prinzip erhebt. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 605 Und das ungeachtet der Tatsache, die schon in Loeb’s Beobach- tungen enthaiten ist, dass die genannten Vertreter des Ca alles andere als vollkommene Ersatzmittel des Ca sind. Am Prinzip wird man dennoch festhalten. Denn auch bei den entsprechenden Kolloid- reaktionen unterscheiden sich die mehrwertigen Ionen voneinander in ihrer Wirksamkeit und je nach dem Kolloid in sehr verschiedenem Maasse. Und gerade hier ist sehr zu beachten, dass die Wirkung sich beim Objekt der lebenden Zellen und Gewebe auf eine Summe von Kolloiden bezieht. Dadurch gerade war ein Verständnis dafür zu gewinnen, dass in jedem Fall ein Ersatz nur für kurze Zeit möglich ist (S. 561 und 579); denn wenn ein bestimmtes Ion auf ein Kolloid verdichtend und damit konservierend, dagegen auf ein anderes auflösend wirkt, so wird sich neben der stabilisierenden Wirkung mit der Zeit doch mehr und mehr auch die zersetzende Wirkung geltend machen. Unter diesem Gesichtspunkt wurde auch einigermaassen begreiflich, dass speziell Ca, Sr, und Ms einander zu einer dauerhaften Konservierung der Funktion bei gewissen Ob- jekten vertreten können (s. S. 542). Aber auch diejenigen Ionen, die sich als die geeignetsten Ver- - treter des Caleiumions erweisen, die Strontium-, Kobalto-, Hexammin- kobalti- und Triäthylendiaminkobaltiionen, bieten, wie wir sahen, keinen vollwertigen Ersatz für das Calcium. Ob dafür letzten Endes nicht physikochemische, sondern chemische Gründe maassgebend sind, ist augenblicklich schwer zu sagen. Auf Spezialwirkungen, welche eben durch ihre Spezifität wie chemische Wirkungen aus- sehen, sind wir ja sowieso gestossen. So kann’‘beispielsweise keine Erklärung vom Standpunkt der Kolleidehemie dafür gegeben werden, dass Ba so besonders giftig ist, dass es durch längere Nachwirkung ausgezeichnet ist, als irgendein anderes Ion, dass es besonders starke fibrilläre Muskelzuckungen verursacht, u. a. Auch die Spezial- wirkungen des Magnesiums, die hier gefundenen wie die sonst be- kannten, sind nicht angenähert mit dem Hinweis, dass es in gewissen Beziehungen mit den anderen zweiwertigen verglichen werden kann, erschöpfend gedeutet. Zur Erklärung dieser Verhältnisse sind be- sondere Untersuchungen erforderlich. Auch zur Physiologie des Caleiums hat die Literatur der letzten Jahre eine grössere Zahl von neuen Beiträgen geliefert, welche dem Caleium überaus mannigfaltige Funktionen zuerteilen. Damit erhebt sich aber sofort für uns die Frage, ob allen diesen Funktionen eine 606 i Rudolf Höber.: Kolloidreaktion zugrunde liegt, und das’ heisst in erster Linie: bis zu welchem Grad von Allgemeinheit das Calcium durch andere zwei- wertige Kationen vertreten werden kann. So wäre zu untersuchen, ob der Zusammenhalt von Zellverbänden, welcher durch 'Ca-Mangel gelockert wird, etwa durch Hexamminkobaltchlorid oder ein anderes Ion von neuem gefestigt werden kann; in dieser Hinsicht kämen als Folgen .der Einwirkung caleiumfreier Kochsalzlösung die verschiedenen Störungen an der Synapse in Betracht, also erstens die Aufhebung der indirekten Erregbarkeit des Muskels, zweitens die Aufhebung der Vaguswirkung auf das Froschherz, drittens die Auf- hebung der Reflexerregbarkeit des Rückenmarks, viertens die Störungen der Peristaltik. Versuche in dieser Richtung, welche begonnen, je- doch durch den Krieg unterbroehen worden sind, schienen zu zeigen, dass hier an die Stelle des Caleiums nicht ohne weiteres das sonst so wirksame Hexamminkobaltiion treten kann. In die eleiche Kate- gorie von Aufgaben gehört die Feststellung, ob das Auseinander- fallen des Zellverbands einer Furchungskugel in Abwesenheit von Caleium durch andere Ionen zu hemmen ist, und inwieweit überhaupt das Caleium des Meerwassers vertretbar ist, ferner die experimentelle Beantwortung der Frage, ob die entzündlichen Exsudationen ausser durch Calcium etwa auch durch Hexamminkobaltiion, durch Sr, Co oder dergleichen gehemmt werden können. Ich denke ferner an Fragen, die die Eigenschaften der einzelnen Zellen an- langen; so wird der Eintritt von Farbstoffen und von Giften in die Pflanzenzellen, der Austritt von Traubenzucker aus den Leberzellen durch Caleium gehemmt; können die gleiche Funktion auch andere Ionen ausüben? Ferner ist die Intensität des Sauerstoff- verbrauchs von Seeigeleiern ebenso wie vom Rückenmark des Frosches in reiner Kochsalzlösung höher, ais wenn auch Caleium anwesend ist, und es fragt sich wieder, ob sich das Calcium dabei vertreten lässt. Endlich trüge zur Aufklärung der schon vielfach untersuchten „Magnesium-Narkose“ die Feststellung bei, ob das Magnesium nur durch Caleium antagonistisch beeinflusst werden kann. Kurz, bis zu einer Vollständigkeit der Theorie der physio- logischen Caleiumwirkungen ist noch eine Fülle von Aufgaben, weit über die hier behandelten hinaus, zu lösen, und so wird man minde- stens zugeben müssen, dass die hier vertretene kolloidehemische Theorie neue Anregungen zu weiteren Forschungen in sich schliesst. Beiträge zur Theorie der physiologischen Wirkungen des Caleiums. 607 Zusammenfassung. Die hauptsächlichen Ergebnisse der Untersuchung sind folgende: 1. Das Caleium kann in seinen physiologischen Funktionen durch eine ganze Anzahl anderer mehrwertiger Kationen vertreten werden. Dies gilt nicht bloss für die von Loeb untersuchten befruchteten Funduluseier uud Seeigeleier und die von Lillie verwendeten Areni- eolalarven und Mytiluskiemen, sondern auch für Blutkörperchen von Säugetieren und für Muskeln vom Frosch. Als Ersatzmittel können mit mehr oder weniger gutem Erfolg herangezogen werden: Sr, Ba, Me, Co, Ni, Mn, Zn, mehrwertige komplexe Kobalt- und Chrom- ionen. 2. Untersuchungen über die Hämolyse von Blut- körperchen: a) Die Hämolyse von Blutkörperchen durch srössere Dosen Narkotikum wird von den mehrwertigen ' anorganischen Kationen gehemmt in der Reihenfolge: Ca, Sr, Ba Sr>Mg>Co>Ba, Mn>Ni>Zn. Ungefähr in der gleichen Abstufung schützen die Kationen den Muskel gegen die lähmende Wirkung hypo- tonischer Kochsalzlösung. | Die Fffekte von Kalisalz und von hypotonischer Lösung können als Permeabilitätssteigerung angesehen werden. b) Fasst man die Narkose umgekehrt als Permeabilitäts- verminderung auf, so lehren die Versuche über den Einfluss der mehrwertigen anorganischen Kationen auf die Narkose des Muskels, dass hier, wie in den entsprechenden Versuchen an den Blut- körperchen, die Kationen nach ihrer Wirksamkeit geordnet wieder die umgekehrte Reihenfolge im Einfluss auf die Permeabilität ein- nehmen: Ni>Co, Mn, Ba>Sr, Ca. 608 Rudolf Höber: Beiträge zur Theorie usw. ec) Auch die fibrillären Zuckunge.n, in welche Muskeln in reiner Kochsalzlösung verfallen, werden nicht bloss durch Ca, sondern auch durch andere Kationen gehemmt; es ergibt sich die Reihe: Ni, Co> Mn>Ca, Mg>Sr>Ba. 4. Untersuchungen über den Kalistrom der Muskeln: ähnlich wie die lähmende Wirkung des Kaliums, so kann auch seine ruhestromentwickelnde Fähigkeit ausser durch Ca durch Sr, Ba, Co, Mn und Ni (nicht durch Mg) gehemmt werden. 5. Der Einfluss komplexer Kobalt- und Chrom- ionen: Sind die komplexen Kationen zwei- oder dreiwertig, so wirken sie auf die Hämolyse, auf die Kalilähmung des Muskels, auf die fibrillären, durch reine Kochsalzlösung angeregten Muskel- zuekungen und auf den Kalistrom des Muskels in ähnlichem Masse antagonistisch wie Ca; sind sie einwertig, so sind sie in dieser Hin- sicht unwirksam. 6. Der Einfluss der einfachen und komplexen Kationen ist wahrscheinlich in ihrer Einwirkung auf die aus mehreren Kolloiden aufgebaute Plasmahaut begründet; die Kolloidkonsistenz bestimmt den Grad der Permeabilität.. Für diese Deutung der Versuche spricht vor allem der überragende Einfluss der Wertigkeit und die Umkehr in der Reihe der Ionen. Aber es können noch weitere Gründe dafür angeführt werden. 7. Keine dem Caleium ähnliche antagonistische Fähigkeiten entwickeln die Kationen Cu, UO,, Cd, eine Grenzstellung nehmen Zn, Ni, Ce ein. Diese selben Ionen haben wahrscheinlich auch einen anderen Einfluss auf die Kolloide der Protoplasten, als die gut antagonistisch wirkenden; sie erzeugen in der Plasmahaut eine desorganisierende Ausflockung der Kolloide, anstatt dass sie sie kon- sistenter machen; dafür sprechen vor allem Versuche über den Einfluss - auf die Gelatineerstarrung. | 8. Es wird von neuem gezeigt, dass die Narkose Sal in einer Permeabilitätsverminderung, nicht in einer Permeabilitätssteigerung äussert. 609 (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster.) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. VI Mitteilung. Über Chlorspeicherung in der Magenschleimhaut und die Quelle des im Magensafte abgesonderten Chlors. Von R. Rosemann. Bei der Magensaftsekretion wird dem Körper eine erhebliche Menge Chlor aus seinem Chlorvorrat entzogen; mein 26 kg schwerer Versuchshund, über dessen Magensaftsekretion ich in meinen früheren Mitteilungen berichtet habe, schied bei einem Chlorvorrat von 27 bis. 31 g im Magensafte 4,5—5,4 g Cl aus = 14,6—19,30/o des Vor- rats!). Ich habe gezeigt, dass von dem Gesamt-Chlorvorrat des Körpers überhaupt nur etwa 20°0 für die Magensaftsekretion disponibel sind. Ist dem Körper dieser Betrag entzogen, so kommt die Magensaft- sekretion zum Stillstande, und zugleich hört der Hunger des Tieres auf, so dass ein derartig chlorarmer Hund selbst nach tagelang fort- gesetztem Hungern die Nahrungsaufnahme verweigert. Es fragt sich nun, ob das im Magensafte ausgeschiedene Chlor den Beständen des Körpers gleichmässig entnommen wird oder ob etwa besondere Chlor- depots vorhanden sind, welche die für die Magensaftsekretion dis- ponible Menge enthalten und liefern. Seitdem die Haut als ein besonders chlorreiches Organ erkannt ist?), könnte man wohl daran denken, dass sie als ein derartiges Chlordepot in Betracht käme. Andererseits liegt es nahe, sich vorzustellen, dass die Magenschleim- 1) III. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 233. 1911. 2) V. Wahlgren, Über die Bedeutung der Gewebe als Chlordepots. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 61 S. 102. 1909. — J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 63 S. 60. 1910. — R. Rosemann, IV. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 142 Ss. 458. 1911. 610 R. Rosemann: haut in der Ruhezeit zwischen zwei Verdauungsperioden für ihre spätere Aufgabe vorarbeitet, indem sie das Chlor speichert, um es später im Magensafte abzugeben. Untersuchungen über den Chlor- gehalt der Magenschleimhaut in den verschiedenen Zuständen der Tätigkeit sind bereits von Grützner!) und später von Nencki und Schoumow-Simanowsky°) ausgeführt worden. Die Ana- - Jysen der beiden letzteren Autoren sind aber unzweifelhaft infolge mangelhafter Methodik mit sehr erheblichen Analysenfehlern be- haftet?), so dass sie für die Beurteilung dieser Frage nicht in Be- trachtt kommen können. Auch die von Grützner angegebenen Werte sind auffallend niedrig. Er findet in der getrockneten Pylorus- ' sehleimhaut eines Schweines 0,65 resp. 0,68°o NaCl — 0,39 resp. 0,41 °o Cl. Da nach meinen eigenen Bestimmungen die Magenschleim- haut des Schweines 18—20 °/o Trockensubstanz enthält, so würden die Grützner’schen Werte — 0,078 resp. 0,082°/0 Cl in der feuchten Substanz sein. Ich fand dagegen den Chlorgehalt der Schweinemagen- schleimhaut in drei Versuchen — 0,154 — 0,162 — 0,164 %o Cl. Für die Hundemagenschleimhaut gibt Grützner die Werte: 1,50 — 1.201,04 1,07 0,02% NaC] 0.91 0,23. 08 095 - 0,38°%o Cl in der Trockensubstanz. Nimmt man auch für die Hunde- magenschleimhaut den Gehalt an Trockensubstanz zu 20° an, so ergeben sich daraus für den Chlorgehalt der feuchten Substanz die Werte 0,182 — 0,146 — 0,126 — 0,130 — 0,076 ° Cl. Ich fand den Chlorgehalt der feuchten Magenschleimhaut des Hundes dagegen zu 0,26 bis 0,34 °/o, also sehr erheblich höher. Ich möchte danach ver- muten, dass auch bei den Grützner’schen Bestimmungen — die Grützner selbst nicht für abgeschlossen und für absolut fehlerfrei bezeichnet hat — Chlorverluste vorgekommen sind. Ich habe zur Untersuchung der oben aufgeworfenen Frage zwei Versuchsreihen ausgeführt. Zu der ersten Versuchsreihe dienten zwei Hunde, A und B, von gleichem Wurfe, etwa 4 Monate alt. Beide 1) P. Grützner, Neue Untersuchungen über die Bildung und Ausscheidung des Pepsins. Breslau 1875. 2) M. Nencki und E. O. Schoumow-Simanowsky, Studien über das Chlor und die Halogene im Tierkörper. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 34 S. 328. 1894. 3) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 63 S.77. 1910. — R. Rosemann, I. Mit- teilung. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 178 und 192. 1910. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. VI. 611 Tiere hungerten 36 Stunden. Darauf wurde Hund A in Morphium- Äther-Narkose durch Verbluten getötet. Hund B erhielt Pferdefleisch vorgesetzt, von dem er 270 g frass, und wurde 3 Stunden nach Schluss der Nahrungsaufnahme ebenfalls getötet. Zur zweiten Ver- suchsreihe dienten drei Hunde: 1, 2, 3, ebenfalls von gleichem Wurfe, etwa 2!/e Monate alt. Hund 2 wurde im Hungerzustande getötet. Hund 1 frass 293 g Pferdefleisch und wurde 6 Stunden darauf ge- tötet. Hund 3 frass 200 g Pferdefleisch und wurde nach 4!/s Stunden getötet. Bei allen Hunden wurde der Magen an Cardia und Pylorus unterbunden, herausgenommen und eröffnet, der Mageninhalt ent- leert und für sich analysiert. Die Magenschleimhaut wurde von der Museularis und Serosa sorgfältig abpräpariert und die Schleimhaut einerseits, Muscularis und Serosa andererseits analysiert. Kurz nach der Nahrungsaufnahme erbrach Hund 1 49 g Mageninhalt, die vom Boden des Zimmers aufgenommen und ebenfalls analysiert wurden. In der zweiten Versuchsreihe wurde auch der Darm der Tiere heraus- senommen und eröffnet. Fr enthielt ausser einer dünnen, schleimigen Schicht keinen grösseren Inhall. Er wurde als Ganzes analysiert. Zum Schluss wurde die Haut abgezogen und für sich, der Rest des Tieres im ganzen analysiert. Bei der Vorbereitung der einzelnen Teile für die Analyse verfuhr ich wiederum in der Weise, wie ich es in meiner II. Mitteilung eingehend geschildert habe!): Das Material wurde durch Kochen mit dünner Kalilauge zu einer gleich- mässigen Flüssigkeit gelöst und von der zurückbleibenden, chlorfrei gewaschenen Knochensubstanz abfiltriert, ein aliquoter Teil der Lösung diente zur Chiorbestimmung. Die Veraschung erfolste unter Zusatz von kohlensaurem Natron. Die angewandte Temperatur stieg niemals über 425°C. Zahlreiche Doppelanalysen ergaben stets ausserordent- lich befriedigende Übereinstimmung. — Das Pferdefleisch, welches zur Fütterung der Hunde diente, war vorher mit der Hackmaschine zu einem gleichmässigen Brei verarbeitet, je 100 g davon wurden mit Kalilauge gelöst und in derselben Weise wie die Organe der Tiere auf Gesamtchlor analysiert. Das Pferdefleisch der ersten Versuchs- reihe ergab einen Chlorgehalt von 0,0790, das der zweiten einen Chlorgehalt von 0,0798°/o. Die Übereinstimmung dieser beiden Werte ist um so auffallender, als die beiden Versuchsreihen über "/a Jahr voneinander entfernt waren; dagegen besteht ein bemerkenswerter I) R. Rosemann, II. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 180. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 166., 41 612 R. Rosemann: Unterschied im Chlorgehalt gegenüber dem Pferdefleisch, das ich bei meinem Versuche in der Ill. Mitteilung!) in gleicher Weise analysiert habe, dieses enthielt 0,0490 °/o Chlor, also fast nur halb soviel. Ich nehme an, dass der hohe Chlorgehalt des jetzt unter- suchten Pferdefleisches auf die mangelhafte Ernährung der Tiere in der Kriegszeit zurückzuführen ist; es ist bekannt, dass das Fleisch schlecht ernährter Tiere wasserreicher ist als das gut ernährter, und mit dem Gehalt an Wasser steigt regelmässig auch der Chlorgehalt. Ich komme hierauf weiter unten noch einmal zurück. — Der Magen des Hungerhundes A erwies sich bei der Eröffnung als leer von Speisen, er enthielt nur 35 ccm Magensaft. 10 ccm davon wurden mit 1, N-Natronlauge und Phenolphthalein titriert — 0,3358 /o HC], der Rest wurde verascht und auf Gesamtehlor analysiert, der Wert auf 35 cem umgerechnet. Der Magen des Hungerhundes 2 dagegen enthielt auffallenderweise 113 g Reste eines Bohnengemüses, das die Hunde der zweiten Versuchsreihe als letzte Mahlzeit vor Beginn des Hungers gefressen hatten. Diese Reste bestanden zum Teil aus stark zellulosehaltigen Gemüseteilen, die selbst der Auflösung mit Kalilauge widerstanden. Sie wurden von der Lösung abfiltriert, unter Zusatz von Soda verbrannt und die Asche der übrigen Lösung zugefügt. Die auf S. 613 abgedruckte Tabelle zeigt die gefundenen Resultate. Addiert man die Chlorwerte der einzelnen Teile, so ergibt sich bei den Hungertieren ohne weiteres der Gesamt-Chlorgehalt. Bei Hund 1 ist noch der Chlorgehalt des Ausgebrochenen hinzuzu- zählen und bei den Hunden B, 1 und 3 der Chlorgehalt des ge- fressenen Pferdefleisches abzuziehen. Der Gesamt-Chlorgehalt schwankt bei den Hunden A, B, 1 und 2 von 0,1967—0,2158°/o, also in sehr engen Grenzen. Der Wert für Hund 3 mit 0,2441 °o liest dagegen merklich höher. Es dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass Hund 3 ein im Wachstum stark zurückgebliebenes, schlecht ernährtes Exemplar war, dessen Körpergewicht nur die Hälfte von dem Ge- wicht des ebenso alten, vom gleichen Wurfe stammenden Hundes 1 betrug. Es zeigt sich auch hier wieder die Tatsache, dass schlechte Ernährung eine Steigerung des Chlorgehalts bewirkt. Die vier anderen Hunde dagegen haben einen fast völlig gleichen Gesamt- 1) R. Rosemann, III. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 215. 1911. 613 Beiträge zur Physiologie der Verdauung. VI. 17720 | sroz‘e |ereı | I9Tız‘o | 29667 1982 | seTe‘o | 9FIz‘s |8793 | 2961°0 | IFrg'< | 9993 | 1900 | ceez‘g | veog 86200 96F1'0 | 008 = — —. [ 86200 | se£2‘0 | 868 | 0620°0 | EEIEO 028 _ — _ “+ w08891795 TOsIayg *, | [3 ‘ [3 ‘ [3 [4 = — | FF98'8 |EIEL | 9TIEO | 39667 | 1988 | — |FBH6 +» “ » « “Re “un 6 ed Me “h N Hr Ds 4 ... D ” * hr FEINE aus are ” 2 Wi, I ie mr us »„ » ” » in 2 » er... Aa him 4 « x ey “ # & n. 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