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EX fh, {) 0 BR Fe ae) MET e> “nn r “ ” won“ - .. . el “. * “. ” ws - u.“ we. „me. “ .. .. 4 OR CHE) (9 .“ u.. ..s » PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SIEBZIG. MIT 6 TAFELN UND 102 TEXTFIGUREN. 3 BONN, 1918. VERLAG VON MARTIN HAGER. Erstes, zweites, drittes, viertes, fünftes ER ‘und sechstes Heft. Ausgegeben am 25. März 1918. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. Von J.S. Szymanski (Wien). (Mit 59 Textfiguren) Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. (Kritische Bemerkungen über die Arbeiten ‘von: Ascher, Elliott, Cannon und de la Paz, Anrep, Tscheboksareff, Kahn und Eiger.) Von Prof. Dr. L. Popiel ski. (Aus dem Institut für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg) Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. Erster Teil. Der Einfluss von Organextrakten auf die Sekretion des Magensaftes. Von Privatdozent Dr. Z. Tomaszewski, Assistent der medizinischen Klinik. (Aus dem Institute für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg) Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. Von Dr. Julius Veszi, Privatdozent für Physiologie in Bonn. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität und dem Kriegsspital der Finanzinstitute Budapest) .- . Siebentes, achtes und neuntes Heft. Ausgegeben am 30. Juni 1918. Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. Von C. Hess. (Mit 3 Textfiguren) AB ER Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. U. Mitteilung. Der Oxydationsvorgang in getöteter Hefe und Hefeextrakt. Von Otto Meyerhof. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel) . Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. Von Dr. E. Koch, Kiel. (Mit 8 Textfiguren). . . . » Seite 245 260 313 ieztır IV Inhalt. Zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 15. August 1918. Ewald Hering zum Gedächtnis. Von Siegfried Garten. (Aus dem Physiologischen Institut zu Leipzig) Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. Mitteilung. Pilocarpin—Atropin. Von A.P.vanLidth deJeude. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herz- ströme. Von P. Schrumpf und H. Zöllich. (Mit 24 Textfiguren.) (Aus dem medizinisch - poliklinischen Institute der Universität Berlin und dem elektromedizinischen Laboratorium der Siemens & Halske A.-G. Wernerwerk, Siemensstadt) . Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration auf die Giftigkeit von Lösungen, besonders von Elektrolyten. Von Otto Hartmann, Graz. (Mit 3 Textfiguren und Tafel III und IV) . SE LEN rehte OT Biochemische Wirkungen des Lichtes. Von Dr. med. Fritz Scehanz, Augenarzt in Dresden. (Hierzu Tafel I und I) Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. II. Mitteilung. Ein Beitrag zur Wirkung der Alkalien aufs Herz. Von O. Loewi. Hierzu Tafel V und VI.) (Aus dem Sun Institut der k. k. Uni- versität Graz) ; E An die Mitarbeiter und Leser von Pie s Archiv AR AST: Seite 501 923 558 677 695 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. Von I. S. Szymanski (Wien) (Mit 59 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Seite WOEworte 2. ne rn RENNER DT 2 I. Beobachtungen und Versuche über angeborene Hand- lungen: 2 1. Untersuchungen über das Verhalten des un Tubifex mir 14 Brouren)e ec en a a leere 2 2. Wird die Frequenz der Herzkontraktionen durch starke Reizung des Raupenorganismus beeinflusst? .. . . . . . a EG a 3. Über Abwehrreflexe bei Raupen (mit 6 Figuren). ....... 37 4. Über Putzreflexe bei Insekten (mit 7 Figuren). ........ 49 9. Die Schwankungen des an bei dem Laubfrosch (mit ZABIEUTEN)E u e Ba nt 57 6. Die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei Ringel- Hattern&lmit 4,.Biguren)osr ee Nee 110 7. Beobachtungen über das der Nachtruhe vorangehende Verhalten der Vogel/(mitr 2 Riguren) 0.4 en a N. 119 H. Versuche über die Entstehung der rezeptorisch-moto- rischen Gewohnheiten: 127 1. Versuche über die optische Rezeptionsfähigkeit der Hunde {mit SE IOUrEN) a ER ee 127 2. Untersuchungen über den Werdegang rezeptorisch-motorischer Gewohnkerten (mit -IRieurgen). nu 157 3. Ein experimenteller Beitrag zur Analyse der bei Entstehung neuer Gewohnheiten mitwirkenden Faktoren (mit 3 Figuren) . . 197 Ill. Allgemeine Betrachtungen über das Verhalten der Tiere: 220 1. Körperstellungen als Ausdruck der inneren Zustände der Tiere (sat) Arte ten) a a 220 2. Der Umfang der rezeptorischen und Aktionssphäre. ..... 237 Pflüger’s Acchiv für Physiologie. Bd. 170. 1 2 J. 8. Szymanski: Vorwort. Die Abnandlungen, die in diesem Heft gesammelt sind, verfolgen trotz des heterogenen Inhalts samt allen meinen früheren Unter- suchungen das einheitliche, klar erkannte und bestimmte Ziel: sie sollen ihren Anteil zum Aufbau der vergleichenden Lehre von der Handlung beitragen. Diese gleichfalls für Theorie wie auch für Praxis so ifberaus: wichtige Lehre befindet sich heute noch im Werden. Um ihre Begriffe und Grundlagen mehr oder weniger scharf zu präzisieren, müssen noch viele und die weitestgehenden experimen- tellen Untersuchungen und Beobachtungen sowohl an Tieren wie auch an Menschen mit Hilfe objektiver Methoden unternommen werden. Wir sind erst im Stadium des Schaffens der für diese Zwecke ge- eigneten methodischen Verfahren. Sollten diese Abhandlungen neben den Arbeiten anderer Forscher einen Beitrag in dieser Hinsicht liefern und zu weiteren Untersuchungen Anregung geben, so wären sie nicht umsonst ausgeführt. Alle in diesem Heft niedergelesten Untersuchungen wurden im physiologischen Institut der Universität Wien, Une des Herrn Prof. Kreidl, durchgeführt. Herrn Prof. Kreidl für sein stetes hilfreiches Entgegenkommen . und die liberalste Unterstützung meiner Bestrebungen möchte ich den herzlichsten, tief empfundenen Dank aussprechen. I. Beobachtungen und Versuche über angeborene Handlungen. 1. Untersuchungen über das Verhalten des Borstenwurmes Tubifex. Das soziale Verhalten einer Tierart lässt sich bloss durch das Studium der Reaktionen des Einzelindividuums begründen und dem Verständnis näher bringen. Denn im angeborenen Verhalten des Individuums muss die Grundlage und überhaupt die Möglichkeit des Zustandekommens einer Kolonie liegen. Wenn man diese logische Voraussetzung nicht von vornherein als Vorbedingung für erfolgreiche Untersuchung der Gesellschaftsbildung im Tierreiche annimmt, so ist man notwendigerweise gezwungen, zu allerlei metaphysischen Begriffen als angeblichen Erklärungsgründen Zuflucht zu nehmen. („Geist des Bienenstockes“ u.s.f.) Was das Verhalten der sozialen Tiere wider dem Verhalten der Vertreter der einzeln lebenden Arten Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 3 bei analytischer Untersuchung kennzeichnet, sind die Reaktionen, für die das andere Individuum der gleichen Art, sei es direkt, sei es indirekt, als spezifischer positiver Reiz konstant dient. Sollte man diese Reaktionsseite beim Untersuchen der Einzelindividuen einer Art, deren Vertreter im diehten Durcheinander oder gar in scheinbar geordneten Kolonien zu leben pflegen, vermissen, so kann von einem sozialen Leben keine Rede sein. Höchstens lassen sich derartige Anhäufungen vieler Individuen im engen Raum als ein durch Loko- motionsart und Fortpflanzungsverhältnisse bedingtes Nebeneinander- leben. erachten !). Unter diesem Gesichtspunkte unternahm ich die Analyse des Verhaltens unserer einheimischen Wurmart Tubifex, der ganze Rasen in den schlammigen Gewässern bildet. Brehm schildert die Lebensweise dieses Wurmes folgender- maassen: „Eine höchst gemeine Art ist Tubifex rivulorum, ein 1—2 cm langes, rötliches, durchscheinendes Würmchen, das man zu Tausenden und aber Tausenden auf dem schlammigen, fauligen Grunde von Gräben und Bächen findet. Sie stecken mit dem Vorderteil im Schlamme, wo sie sich eine geräumige Röhre gewühlt haben. Das ‚herausstehende Hinterende ist unausgesetzt in schwingender und schlängelnder Bewegung, wohl der Atmung wegen. Gewöhnlich sind sie so dicht beieinander, dass die Oberfläche des Schlammes rot- gefärbt erscheint, und bei leiser Annäherung lassen sie sieh im Wedeln nicht stören. Sobald man aber einen Schlag aufs Wasser tut, verschwindet die ganze Gesellschaft im Nu einige Zentimeter tief in ihre übelriechenden Verstecke‘“ 2). Wenn eine genügende Anzahl von Individuen vom Schlamm sereinigt und in ein Gefäss mit durchfliessendem Wasser gesetzt wird, schlingen sich die Würmer umeinander und bilden schöne D Vgl. auch meine Arbeit „Zur Analyse der sozialen Instinkte“. Biol. Zentralbl. Bd. 33 S. 649 ff. 1913. 2) Brehm, Tierleben Bd. 10, 3. Aufl., S.115. 1893. Vgl. auch N. Lampert, Das Leben der Binnengewässer S. 274. 1899. Wie zahlreich eine Tubifex- Kolonie sein kann, beweist die von E. Hentschel Zitierte Angabe, dass durch die rote Farbe, welche zahllose Leiber von Tubifex dem Boden geben, sich zuweilen die Mär von blutigen Teichen gebildet hat (E. Hentschel, Das Leben des Süsswassers S. 175. 1909). 1 * 4 . J. 8. Szymanski: kugelrunde Kolonien, aus denen die, pendelnde Bewegung aus- führenden Hinterleiber der Einzelindividuen herausragen. Ich habe mir nun die folgenden Fragen gestellt: 1. bilden die Tiere in der Natur echte oder vielmehr Pseudo- kolonien, und ! 2. ist das Sichzusammenballen der frei in reine Wasser ge- setzten Tiere ein Äquivalent für die Koloniebildung unter den veränderten Lebensbedingungen (Mangel an schlammiger Unterlage); oder .aber ist die Kugelbildung der Ausdruck für eine etwaige andere Verhaltensart? Um diese Fragen einigermaassen beantworten zu können, habe ich einerseits das Verhalten der Einzelindividuen einer experimen- tellen Untersuchung unterworfen; andererseits habe ich die Bildung von Kolonien, die ich in Gefässen, deren Boden statt mit Schlamm mit feinem Sand bedeckt war (zwecks bequemerer Beobachtung), entstehen liess, beobachtet. Mit diesen Beobachtungen bezweckte ich, zunächst festzustellen, ob die Würmer diejenigen Verhaltungsarten zeigen, die die Bildung der echten Kolonien ermöglichen könnten. Sollte dies der Fall sein, wollte ich daraufhin umgekehrt die Reaktionen, die ich bei der Analyse des Verhaltens der Einzelindividuen vermutlich als die Koloniebildung bewirkenden annehmen dürfte, in der Entstehungsweise einer Kolonie wiederfinden. Der Erforschung der Reaktionen auf allerlei Reize schicke ich die Untersuchung der Lokomotionsarten von Tubifex voraus. In ein Gefäss mit Wasser gesetzt, zeigen viele Würmer zunächst sonderbare Krümmungen und Windungen, deren Eigenart schon dem wohl ältesten Beobachter dieser Tierart, Jacob Christian Schäffer in Regensburg, aufgefallen ist, wie dies die folgende Stelle aus der diesbezüglichen Schrift dieses Naturforschers zu beweisen scheint: „Manchmal machen sie (die Tubifex, die Schäffer Wasseraale nennt) lauter grosse oder kleine Schlangenkrümmungen, Wellen und Bogen, und zwar bald mit dem eanzen Leibe, bald nur mit dem oberen oder mittleren oder unteren Teil allein. Manchmal erhebt sich der Leib ohne alle Krümmungen in die Höhe, und bald darauf macht der obere Teil einen Bogen oder schlängelt sich ein- und mehrmals in einem grossen oder kleinen Ring über den Leib hinüber und herüber. Und was dergleichen abwechselnde Stellungen und Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere, 5 Bewegungen mehr sind, davon wird man sich aus der Abbildung ‘die beste Vorstellung machen können“ !). Diese Beschreibung und die Abbildungen Schäffer’s beziehen sich auf die im Schlamm sitzenden Würmer. Dass aber auch die A 6. F Fig. 1. Bewegungsstudien von Tubifex. im Wasser frei kriechenden Tiere wunderliche Krümmungen und Windungen ausführen und verschiedene Stellungen einnehmen, darüber gibt die obenstehende Figur am besten Bescheid. (Fie. 1.) 1) D. Jacob Christian Schäffer, Abhandlungen über Insekten Bd. 1 8.311. 1746. (Aufsatz „von einer besondern Art kleiner Wasseraale“.) 6 - J. 8. Szymanski: Ab und zu, besonders wenn man die Vorderleibspitze reizt (Fassen mit einer Pinzette, Berühren mit einem feinen Pinsel, Be- tupfen mit schwacher Salzsäure mittels einer kapillar ausgezogenen Pipette), beobachtet man eine Reihe reflektorischer Bewegungen, welche in ihrer Gesamtheit wohl zu den elesantesten und eigen- artigsten im Tierreiche gehören. Wenn man nämlich einen ruhig kriechenden Wurm am Vorderleib reizt (Fig. 2, 7), so kann man vielfach ‚beobachten, dass der Hinter- Rz I leib, unmittelbar darauf oder nach einigen Krümmungen (IT, a und 5b), sich um den I “> , Mittel- bis Vorderleib mehr oder weniger vollständig windet (III, 1, a,b und ec); darauf- hin zieht sich der Vorderleib al nach rückwärts durch die Schlinge des Hinterleibes hin- durch (ZIT, 2), bis die Vorder- A (I) leibspitze wieder frei zu liegen kommt; die Lage derselben ist jetzt dem Anfangsstadium mehr oder weniger entgegengesetzt . MT gerichtet (ZIZ, 3). Schliesslich beginnt manchmal das Tier sich in der neu eingeschlagenen ol... ms Richtung zu bewegen (Fig. 2). — Eine ebenfalls eigenartige Fig. 2. Stellung nimmt das Tier ein, \ wenn das Gefäss, in dem es frei kriecht, stark erschüttert ist. Das Tier windet sich derart spiral- artig, dass die einzelnen Windungen dicht übereinander zu liegen kommen. | In dieser Stellung bleibt der Wurm ein Zeitlang (Fig. 2, II, c) ruhig liegen, bevor er sich wieder zu bewegen beeinnt. Alle diese zu beobachtenden Bewegungen lassen sich vielleicht am besten in ihrer Art bestimmen, wenn wir die Bewegungen des Vorder- und Hinterleibes separat betrachten werden. | Der Vorder- und Hinterleib zeigt nämlich nicht die gleichen Bewegungsarten. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 7 Die Grundform der Bewegung des Vorderleibes sind schlingende Bewegungen; die Grundform der Bewegung des Hinterleibes ist die Spiralerbildung. Dabei windet sich der Vorderleib zum Hinterleib. Aus den Kombinationen dieser verschiedenen Bewegungsarten resultieren alle möglichen Bewegungsformen, die sich als Bildung von echten Knoten und Verschlingungen um eigene bzw. fremde . Körper äussern. Die Fig. 1 soll dies veranschaulichen. Neben den windenden Bewegungen und allerlei Krümmungen lässt sich eine andere Bewegungsart beobachten. Diese, die der progressiven Lokomotion dient, geht derart vor sich, dass der Wurm den Vorderleib möglichst weit. nach vorn streckt und sich mit der Vorderleibspitze an der Unterlage festhaftet; daraufhin schiebt sich der Mittel- und Hinterleib in der Richtung der Vorderleibspitze; dann streckt sich wieder um der Vorderleib nach vorn u.s.f.; diese - Bewegung hat auch Schäffer schon beschrieben. So schematisch, -wie hier beschrieben, vollzieht sich allerdings die Fortbewegung in der Natur nicht. \ Wenn man das Fortkriechen der Tiere beobachtet, gewinnt man den Eindruck, dass der Vorder- und Hinterleib sich unabhängig voneinander zu bewegen streben. Der Vorderleib führt kriechende, nach vorn gerichtete Bewegungen bzw. Probierbewegungen aus; der Hinterleib tendiert, Spiralbewegungen auszuführen. Diese beiden Bewegungsformen scheinen antagonistisch zu sein. Wenn die Vorderleibreflexe Oberhand nehmen, kKriecht der Wurm mehr oder minder geradlinig nach vorn. Wenn die Hinterleib- reflexe an Intensität gewinnen, rollt sich der Wurm zusammen und dreht sich um. ' Es war nun von Interesse, festzustellen, in welcher Beziehung beide Bewegungsarten zueinander stehen. Wird die ruhige Fort- bewesung regelmässig in bestimmten Zeitintervallen durch die sehlängelnden Bewegungen und Krümmungen unterbrochen? Oder stellt das Fortkriechen die normale Bewegungsart dar, und sind die Krümmungen bloss als Folgeerscheinungen der Überreizung auf- zufassen ? Um diese Fragen zu beantworten, setzte ich in die Mitte einer Porzellanschale (21,5 X 28,5 em), die mit einer ca. 1 cm tiefen Wasser- sehieht gefüllt war , einen Wurm und liess. ihn während 20 Minuten umherkriechen. .Den Weg des Wurmes habe ich auf einem Papier- blatt gezeichnet; die Stellen, wo der Wurm Krümmungen ausführte, 8 . J. 8. Szymanski: wurden durch einen’schwarzen Punkt markiert und mit einer laufenden Nummer versehen. Den gleichen Versuch habe ich an 24 verschiedenen Individuen wiederholt. Die Ergebnisse sind in der Fig. 3 eingetragen; dabei ist zu bemerken, dass 7 die Wassertemperatur in Grad Celsius be- deutet). Die ausstrahlenden, gestrichelten Pfeile in den Abb. 4, 6, 7 sollen die Probierbewegungen andeuten; etwaige andere Bewegungen hat das Tier in diesen drei Fällen überhaupt nicht ausgeführt. Wie die Einzelabbildungen zeigen, führt der ruhig kriechende, der Einwirkung starker Reize entzogene Wurm keine oder nur seltene Krümmungen aus (Abb. 21, 23, 24). Die Fälle, in denen Krümmungen öfters zu beobachten waren, beweisen, dass diese letztere Bewesunssart als Folge der Reizung zu betrachten wäre. Denn die Tiere führten diese Bewegung aus entweder zu Beginn des Versuches (Anfangserregung Abb. 8, 13, 19) oder aber zum Schluss, nachdem die Tiere mit dem als Reiz wirkenden Rand der Schale in Berührung gekommen waren (Abb. 14, 20, 22). Die Auffassung der Krümmungen als Reizungserscheinungen wird weiter durch die Beobachtung an Tieren gerechtfertigt, die in Gefässen, deren Boden mit Sand bedeckt ist, gehalten wurden. Diese Aquarien ahmen einigermaassen die normalen Lebens- bedingungen in der freien Natur nach; nur dass Schlamm statt Sand zwecks bequemerer Beobachtung verwendet wurde. In derartigen Aquarien graben sich die Tiere mit den Vorder- leibern in den Sand ein, ähnlich wie sie dies unter normalen Be- dingungen tun; bloss der Hinterleib raet frei heraus und führt die mehrfach erwähnten pendelnden und schlängelnden Bewegungen aus. Die Wände der Aquarien bedecken sich mit einem bräunlich- schlammigen Überzug; das Wasser wimmelt von Infusorien, wie ich dies unter dem Mikroskop feststellen konnte. Diese Tiere liefern wahrscheinlich den Tubifex genügende Nahrung; wenigstens konnte ich die Tiere auf diese Weise lange Zeit halten und bequem beobachten. i | 1) Das Wasser für diesen und sämtliche unten beschriebene Versuche wurde aus dem grossen Gefäss entnommen, wo ich die Würmer ausserhalb der Versuchszeit gehalten habe, so dass die Wassertemperatur und Wasserbeschaffen- heit nicht als Reiz dienen konnten. 2 ee en Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. + ‘ | $---- 9 ---r Ä 1] + 4 N ° v «m 9.) Fig. 3 (Abb. 1-8). 10 9.8. Szymanski: Fig. 3 (Abb. 9-16). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 11 Fig. 3 (Abb. 17—24). 13 . J. 8. Szymanski: Um nun zur Frage der Bewegungsart der Würmer zurück- zukehren, beobachtete ich wiederholt in den Aquarien, die also die. normalen Lebensbedingungen nachahmen sollten, die kriechenden Würmer; indessen war ich stets bloss des ruhigen Kriechens, aber nicht der Krümmungen gewahr, so dass auch diese Beobachtung für die Auffassung der Krümmungen als Reizungserscheinungen spricht. Ein noch weiterer Beweis für diese Auffassung möchte ich hier bringen: wenn das Wasser in einem mit den Würmern gefüllten Gefässe bis zu 30°C. erwärmt wird, so beginnen die bis dahin ruhig kriechenden Tiere die heftiesten Krümmungen auszuführen. Um die Beobachtungen über die Bewegungsarten der Tubifex abschliessen zu können, bleibt noch die pendelnde und gleichzeitig schlängelnde Bewegung des Hinterleibes der mit dem Vorderleib im Sande steckenden Würmer zu erwähnen. Diese Bewegungen, welche wahrscheinlich das Atmungsgeschäft zu besorgen haben, folgen mit ziemlicher Geschwindiekeit aufeinander: wie dies die nächstfolgende Tabelle, auf Grund der Untersuchung von 40 verschiedenen In- dividuen, zeigt, werden 150 Bewegungen in einer Minute bei einer Temperatur von 16,2° C. ausgeführt. Tabelle 1. : 50 Bewegungen in 50 Bewegungen in Nummer wieviel Sekunden Knast wieviel Sekunden des Tieres bei Temp. 16,20 C. des Tieres bei Temp. 16,20 C. 1 17,7 ; 21 20,5 2 19,6 22 19,3 3 19,7 23 19,7 4 19,4 24 19,5 5) 19,5 25 18,9 6 19,2 26 18,4 7 20,5 27 20,0 8 20,7 . 28 19,3 9 20,5 29 21,1 10 21,9 30 Isnl 11 24,4 3 18,1 12 18,9 32 18.1 13 17,8 33 16,4 14 Liz! 34 20,8 15 21,9 39 26,3 16 18,5 36 19,5 17 | 21,9 31 19,1 18 20,9 38 17,3 19 19,3 89 20,3 20 23,1 40 20,3 Durchschnittszahl — 19,89, d. h. 2,5 Bewegungen in 1 Sekunde bzw. 150 Bewegungen in 1 Minute. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 13 _Wenu ich nun zum Untersuchen der rezeptorischen Sphäre übergehen soll, so möchte ich mit der Empfänglichkeit für die Auf- nahme der ınechanischen Reize beginnen. Bei der mechanischen Reizung der einzelnen Körperteile habe ich folgende motorische Reaktionen beobachtet: 1. Bei Berührung mit einem Seidenfaden an der Vorderleib- spitze eines im Wasser frei kriechenden Wurmes zieht sich das Vorderende zurück; gleichzeitig führt das Hinterende die windenden Bewegungen aus. 2. Bei wiederholten Reizungen des Vorderteiles eines im Wasser freikriechenden Wurmes schlägt dieser eine Bewegungs- richtung ein, die zu dem früheren unter einem Winkel von 90, bzw. 180° steht. 3. Bei taktiler schwacher Reizung des Hinterleibes eines im Wasser frei kriechenden Individuums führt bloss dieser die windenden Bewegungen aus; der Vorderleib setzt seine Probier- bewegungen fort. 4. Bei leiser Berührung des Hinterleibes eines mit dem Vorder- leib im Sande steckenden Wurmes tritt keine merkliche Reaktion ein; bei stärkerer mechanischer Reizung, Berührung, Erschütterung, zieht sich urplötzlich der Hinterleib in sein Rohr zurück: die Nach- wirkung des Reizes, von dem Moment des Verschwindens im Rohr bis zum Moment der Aufnahme der pendelnden Bewegungen be- rechnet, kann von einigen Sekunden bis zu zirka einer halben Minute fortdauern. Die Untersuchung der Frage, ob der Wurm sich an die Reize gewöhnen kann, ergab keine unzweideutigen Resultate. Diese Unter- suchung habe ich derart ausgeführt, dass ich eine Schale, in der viele Würmer mit den Vorderleibern im Sand steckten und mit den Hinterleibern die üblichen pendelnden Bewegungen ausführten, in schaukelnde Bewegung versetzte. Die Würmer zogen sich bei den ersten Bewegungen in ihr Rohr zurück. Bei der Fortsetzung der gleichen Bewegungen durch längere Zeit hindurch erschienen wieder hier und da einzelne Tiere und fuhren fort, die pendelnden Be- wegungen mit den Hinterleibern auszuführen. Es scheint mir, dass die Tiere sich doch an die Einwirkung dieser Reizmodalität gewöhnten. Die Einwirkung mechanischer Reize, und zwar der Erschütte- rung, untersuchte ich weiter folgendermaassen: 14 if S. Szymanski: In eine Porzellanschale, deren Boden mit einem Papierblatt bedeckt war, liess ich aus einer Pipette Wassertropfen fallen; das Wasser hatte ungefähr die gleiche Beschaffenheit und Temperatur wie das Wasser des ständigen Aufenthaltsortes der Versuchstiere. Die Fallhöhe war 35 cm; die Häufigkeit 33 Tropfen in 1 Minute; der Umfang eines Tropfens betrug 0,078 cem. In die Mitte der Schale, in eine Entfernung von 10 cm vom fallenden Tropfen, setzte ich nun- den Wurm, mit dem nach oben Fig. 4 Reaktion auf die Erschütterung. Als Reiz wurde die Kraft des fallenden Troptens (Fallhöhe 35 cm, 33 Tropfen in 1 Minute, Umfang eines Tropfens 0,078 ccm). Der kleine Kreis bedeutet die Stelle des fallenden Tropfens, das Kreuz die Stelle, wo der Wurm mit. der gegen die Reizquellen gerichteten Vorderspitze gesetzt wurde; E bedeutet die Entfernung zwischen «der Reizquelle und der Stelle, wo der Wurm die Bewegungsrichtung änderte. Die Wasser- temperatur betrug 15,30 C geriehteteten Vorderteil (dies bezieht sich auf die Abb. der Fig. 4). Diese Vorbedingung ist recht wichtig, denn der Wurm pflegt im Anfanssstadium jeder Bewegung diese Richtung einzuhalten, in welcher sich derselbe unmittelbar vor dem Auftreten der Bewegung des Vorderleibes befand!). Es ist also unentbehrlich bei allen 1) Vgl. auch hierzu die Arbeit von Morgulis über den Einfluss der Lage des Hinterleibes auf die Bewegungsrichtung in Americ. Journ. of comp. Neurol. and Psychol. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 15 Versuchen, die die Fernwirkung einer Reizquelle feststellen sollen, den Wurm so zu plazieren, dass die Vorderleibspitze weder gegen den Reiz hin noch von dem Reiz weg gerichtet wird. Die passendste Lage des Wurmes wäre mit der Körperlängsachse senkrecht gegen die Riehtung der als Reiz wirkenden Kraft. In diesen und sämt- lichen derartigen unten beschriebenen Versuchen wurde der Wurm zum Versuchsbeginn stets in eine solche Lage gebracht. Nachdem also die Längsachse des Wurmkörpers in eine zur Richtung der Wasserwellen senkrechte Lage gebracht wurde, liess ich das Tier frei kriechen und die ihm zusagende Bewegungsrichtung einschlagen. Die Fig. 4 zeigt die Resultate der an 20 verschiedenen Individuen ausgeführten Versuche. Wie der Verlauf der einzelnen Versuche zeigt, bewegte sich der Wurm in der Regel anfangs geoen die Reizquelle, um erst durchschnittlich in einer Entfernung von 4,3 cm von der Reizquelle umzukehren. Es scheint also, dass der Wurm auf schwache Wasser- erschütterungen positiv, auf starke negativ reagiert. ® Dieses Ergebnis wird auch durch die Beobachtung der fest- sitzenden, also mit den Vorderleibern in einem Rohr steckenden und mit den Hinterleibern pendelnde Bewegungen ausführenden Würmer bestätigt. Diese Tiere reagieren auch auf starke Wasser- erschütterung mit einem Zurückziehen ihrer Hinterleiber ins Rohr; auf eine leise Wassererschütterung lassen sie sich in ihren pendelnden Bewegungen nicht stören. Als die’letzte Reaktion auf die Einwirkung der nechanikellen Reize habe ich den Stereotropismus untersucht. Zwei Versuchs- reihen wurden ausgeführt: In der ersten Reihe habe ich Glasperlen, von denen jede im Durchmesser 4 mm maass, als spezifischen Reiz angewendet. In einer Glasschale, deren Boden mit einem Papierblatt bedeckt war, machte ich einen 3 cm breiten Ring aus dicht aneinanderliegenden Perlen.- Der Wurm wurde in die Mitte des inneren, von Glasperlen freien Kreises (7 cm im Durchmesser) gesetzt. Von Interesse war das. Verhalten der Würmer, sobald sie den inneren bzw. den äusseren Rand des Perlenringes erreicht hatten. Wenn der Wurm positiv stereotropisch war, kehrte er nicht um, nach- dem der Perlenring betreten war, sondern blieb innerhalb desselben und machte jedesmal kehrt, sobald er. zum “äusseren bzw. inneren Ringrand gelangt war. Die negativ stereotropischen Tiere verliessen 16 “ J. 8. Szymanski: überhaupt den inneren Kreis nicht und krochen bei der Berührung mit dem inneren Rand des Perlenringes zurück. Schliesslich liessen sich die stereotropisch indifferenten Tiere durch den Perlenring in ihrer Bewegungsrichtung nicht beeinflussen !). Die Fig. 5 zeigt den genauen Verlauf von Versuchen, die an 20 verschiedenen Individuen ausgeführt waren. Fig. 5. Überwiegend positiver Stereotropismus des Tubifex. Der punktierte Ring, 3 cm breit, bedeutet einen mit Glasperlen (je eine Perle 4 mm Durch- messer) bedeckten Raum. Der Wurm wurde am Beginn jeden Versuches in der Mitte des durch den Ring begrenzten inneren Kreises (Durchmesser 7 cm) gesetzt. Die starken Linien bedeuten die Wege der Würmer. Die Zahlen rechts geben die Versuchsdauer (in Minuten) an. Die Versuche fanden in Dunkelkammern, bei dem Oberlichte einer elektrischen Lampe statt; die Wassertemperatur betrug bei den Versuchen 1 bis inkl. 10 146° C.; bei den Versuchen 10 bis inkl. 20 126° ©. Wie an den einzelnen Abbilduneen zu ersehen ist, war bloss in einem Falle (Abb. 4) der Wurm negativ stereotropisch; in zehn Fällen (1, 6,8, 8, 11, 13, 15, 16, 17, 19) liess sich das Tier in seinen Bewegungs- 1) Vgl. hierzu das Verhalten-des Paramaecium Jenning’s im Säuretropfen (Beschreibung und Abbildung in seinem „Verhalten der niederen Organismen“). Abhandiungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 17 ‘riehtungen bloss unbedeutend durch die Berührung mit den Perlen indifferent oder schwach positiv stereotropisch beeinflussen, und in neun übrigen Fällen erwies sich der Wurm stark positiv stereo- tropisch (2, 3, 5, 7, 10, 12, 14, 18, 20). Einen noch bedeutenderen . Fig. 6. Positiver Stereotropismus des Tubifes. Der dunkle Ring, 3 cm breit, bedeutet einen mit dünner Schicht Vogelsand bedeckten Raum. Der Wurm wurde am Beginn jeden Versuches in die Mitte des durch den Ring begrenzten inneren Kreises (Durchmesser 7 cm) gesetzt. Die starken Linien bedeuten die Wege der Würmer. Die Zahlen rechts geben die Versuchsdauer (in Minuten) an. Die Versuche fanden bei Tageslicht statt. Die Wassertemperatur betrug bei den Versuchen 1 bis inkl. 10 135° C., bei den Versuchen 11 bis inkl. 20 1410 C. positiven Stereotropismus zeigten die Tiere, wenn ich bei der gleichen Versuchsanordnung die Perlen durch reinen Vogelsand ersetzte (Fig. 6). Bei der Einwirkung dieser Reizmodalität erwiesen sich bloss fünf Tiere als schwach positiv stereotropisch bzw. indifferent (3, 4, 5, 8, 9). Der Rest (15 Tiere) zeigte stark ausgesprochenen positiven Stereo- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 2 ” 18 J. S. Szymanski: tropismus (1, 2, 6, 7, 10 bis einschliesslich 20). Besonders lehrreich sind die Fälle 10 und IS. Wenn wir nun ein allgemeines Urteil über die Empfänglichkeit der Tubifex für mechanische Reize fällen, so müssen wir diese Tierart als recht rezeptions- und reaktionsfähig gegenüber den ver- schiedenen Qualitäten der mechanischen Reizung ansehen. Dieses Urteil wird durch die Beobachtung der Tiere in Aquarien bekräftigt: jede mechanische Reizung von genügender Intensität, sei es unmittelbare Berührung, sei es die Erschütterung der Unterlage, veranlasst die Würmer, ihren aus den Röhren herausragenden und ‘in pendelnder Bewegung begriffenen Hinterleib blitzschnell zurück- zuziehen. Dieses Verhalten der Würmer ist schon Schäffer auf- sefallen, wie dies die folgende Stelle seiner diesbezüglichen Schrift beweist: „Sobald sie (Tubifex) nur im geringsten berührt werden oder auch nur die mindeste Bewegung des Wassers verspüren, ziehen sie sich augenblicklich tief in ihre Löcher und in den Schlamm zurück“ }). Bevor ich die Betrachtung der Empfindlichkeit des Tubifex auf mechanische Reize abschliesse, möchte ich noch die Versuche vor. Körner kurz erwähnen. : Körner hat nämlich gefunden, dass Tubifex auf Schallreize durch blitzschnelles Verschwinden im Schlamme reagiert; als Ton- quelle diente Körner eine Membranpfeife. Über die Bedeutung dieses Versuches ist Körner vollkommen im klaren, indem er: in Übereinstimmung mit Winterstein glaubt, dass „ihre Erklärung ..., zumal in Anbetracht der grossen Empfindlichkeit für mechanische Reize, keinerlei Schwierigkeit bietet. Es handelt sich offenbar um ein Phänomen, das dem grossen Gebiete der Summationserscheinungen einzuordnen ist, wie sie besonders bei der -elektrischen Reizung all- gemein bekannt sind; die schallosen Erschütterungen und Einzelwellen entsprechen den elektrischen Einzelschlägen, die rasch aufeinander- folgenden Schallwellen den tetanisierenden Strömen, die ja so oft dort einen kräftigen Effekt erzielen, wo die Einzelreizung versagt“ ?). DL. e. 8.318—314. 3) Vgl. hierzu OÖ. Körner, Über das angebliche Hörvermögen der Fische, insbesondere des Zwergwelses. Zeitschr. f. Ohrenheilk. usw. Bd. 73 S. 270. 1916. — 0. Körner, Reaktionen auf Schallreize bei Tieren ohne Gehörorgane. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23 S.554. 1909. — H. Winterstein, Über Reaktionen auf Schall- reize bei Tieren ohne Gehörorgane. Zentralbl. f. Phys. Bd. 22 S. 759. 1908. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 19 Fig. 7. Untersuch- - “> e} 9 e} ungen über den Geo- tropismus der Tubi- fex. Bine mit weissem Papier bespannte Glasscheibe von 17 ..cm . Durchmesser wurde in ein mit ; Wasser gefülltes Ge- fäss unter den Win- T kel von 10° in erster Serie, von 20° in \ zweiter Serieund von Bug) 30° in dritter Serie gesetzt. Der Wurm wurde stets im Zen- trum (durch den klei- nen Kreis markiert) mit, dem Vorderleib nach oben gesetzt. Das Zeichen — be- deutet den hoch- R "stehenden, das Zei- chen + den tief- = (>} > stehenden Scheiben- rand.e Die durch- = Sa suchsdauer betrug 2 Minuten. Die ©) S (9 Wassertemperatur war in der ersten Serie 14,1°, in der se > 2 zweiten 14° und in - der. dritten 12,6° C. S . 2* schnittliche Ver- . 20 'J. S. Szymanski: Die Reaktion der Tubifex auf Schallreize gehört hiermit in die Kategorie der Reaktionen auf mechanische Reize; sie bestätigt die oben festeesetzte ausserordentlich grosse Empfindlichkeit: der Tubi- fex auf die letzteren Reizmodalitäten. Die normale Lage der Würmer mit dem frei nach oben auf- wärts ragenden Hinterleib und mit dem in einer Röhre steckenden, und mehr oder weniger abwärts gerichteten Vorderleib liess vermuten dass die Tiere sich gegen die Richtung der Erdachse zu orientieren verstehen. Es war interessant, zu untersuchen, ob auch die frei umherkriechenden Würmer dasselbe zu tun vermögen, mit anderen Worten, ob sie positiven bzw. negativen Geotropismus zeigen. Ich habe den Geotropismus der Tubifex untersucht, indem ich die Neigungswinkel der Scheibe, auf der ich die Würmer kriechen liess, sukzessive gleich 2,5, 5, 10, 20, 30, 40, und 50° gemacht hatte. Bei dem Neigungswinkel von 2,5 und 5° waren die Breneh der Tiere geotropisch indifferent; bei dem Winkel von 40° und insbeson- bei 50° rollten die Tiere meistens passiv herab. Es bedürfen also bloss die mittleren Neigungswinkel 10, 20 und 30° einer näheren ‚Erörterung. Die Ergebnisse der Versuche bei diesen Werten zeigt die Fig 7. Um die Betrachtung der Abbildung zu erleichtern, und um die Resultate übersichtlicher zu machen, gebe ich folgende Tabelle an. Negativer Geotropismus . Positiver Geotropismus Neigungs- 5 = - Finket Zahl der |Korrespondierende| Zahl der | Korrespondierende en Abbildungen beobachteten Abbildungen der Fig. 7 Fälle der Fig. 7 10° 1,102%.6,.0,2 10, 11 34,98 9, 11, (Serie D 12, 13, 18, 20 STE lert16, 17, 19 20° 119.3, 4,.1.17° 11 ers 10, (Serie II) 12, 13, 19 1,715, 316,17 18, 20 ea ea 2, 6, 13, 14, 15 15 1,3, 4978, (Serie II) 9410; .115 12° : 16, 17, 18, 18, 19, Bei den Neigungswinkeln von 10 und 20° zeigten sich Tiere in fast der gleichen Zahl der Fälle ebenfalls negativ wie auch positiv u ie A Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 91 geotropisch. Bei dem Neigungswinkel von 30° schien der positive Geotropismus zu überwiegen. Da aber schon bei 40° die Tiere passiv herabrollen, und ieh auch: bei 30° viele Tiere herunterfallen gesehen habe, so bleibt die Frage offen, ob wir es hier mit einem wirk- lichen oder vielmehr mit einem Pseudo-Geotropismus zu tun haben. Es wäre wohl denkbar, dass bei so hohem Neigungswinkel die Körper- schwere den Tieren die aufwärts gerichtete Bewegung gar nicht ‚oder nur schwer ermöglicht und dadurch die nach abwärts gerichtete Bewegung bestimmt. Auch wenn ich den oberen, also hochstehenden - _ 20.Iem._ > 2 Es RE Be | in a Fig. 8. Negativer Phototropismus der Tubifex. I. Der kleine Kreis bedeutet die Stelle, wo der Wurm zu Beginn jeden Versuches mit dem Vorderteil nach oben gesetzt wurde. Der Pfeil links zeigt die Richtung und Kraft (32 Kerzen > 0,5 m) der Lichtquelle an. Die krummen Linien markieren die Wege der Tiere. Die Würmer wurden vor dem Versuch dunkel adaptiert. Jeder Versuch dauerte 5 Minuten. Die Wassertemperatur war 14,50 C. I. Die Lichtquelle war 32 Kerzen x 1m, also viermal geringer als in der Versuchsserie I. Die Wasser- temperatur betrug 13,4% C. Das übrige war identisch mit der Versuchsserie I. 8 & = [| Rand der Glasscheibe mit der Sandschicht, die durch den Damarlaek an ebener Unterlage festgehalten wurde, bedeckt habe, rollten viele Tiere, die an den Rand der Sandschicht gesetzt waren, passiv herab. Angesichts dieser Tatsachen ist es sehr fraglich, ob der frei kriechende Wurm sich überhaupt geotropisch zu orientieren vermag. Ebenfalls schwankend und unbestimmt sind die Reaktionen der Würmer auf Lichtreize. 22 3.8: Szymanski: Wenn ein Gefäss dem einseitig wirkenden Tageslicht ausgesetzt und dabei noch die vom Lichte abgekehrte Hälfte des Gefässes durch einen Schirm zugedeckt wird, so zeigen die im Gefäss plazierten Tiere keine besondere Orientierung gegen Lichtreize. Anders scheint es zu sein, wenn der Versuch in einer Dunkel- kammer mit einseitig wirkendem elektrischen Lizht wiederholt wird. (Vel. Fie. 8.) Fig. 9. Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit. Knapp über die Ober- fläche einer mit Wasser gefüllten Schale wurde ein dunkler Kreis von 8 cm Durchmesser aufgehängt ; oberhalb desselben wurde eine Lampe (32 Kerzen 40 cm) untergebracht, so dass man auf dem Grunde der Schale einen Schattenkreis er- hielt. Der Wurm wurde in die Mitte des Kreises gesetzt, und man beobachtete die Reaktionen des Wurmes 'an der Grenze zwischen Licht und Schatten. Der graue Kreis bedeutet den Schattenkreis, die stark ausgezogenen Linien sollen die Wege der Würmer markieren. Die Versuche fanden in dunklen Kammern statt. Die Wassertemperatur betrug 11,4° C. Bei der einseitigen Beleuchtung von 32 Kerzen X 1 m und 32 Kerzen X 0,5’ m zeigt die überwiegende Mehrzahl der Tiere negativen Geotropismus (bloss die Fälle 7 und 10 der II. Serie waren positiv phototropisch.) | Die Untersuchung der Reaktion auf die Unterschiedsempfindlieh- keit ereab ein völlig negatives Resultat: bei dem Übergang vom [ F 2) N ER a ER VD RE EEE ee Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 23 Schatten zum Licht zeigte die überwiegende Mehrzahl der Würmer keine Änderung der Bewegungsrichtung und keine merkliche Ab- nahme der Gesehwindiekeit (Fig. 9), bloss in der Abb. 5 ist eine deutliche positive Reaktioo und in den Abb. 8, 14, 18 eine An- deutung einer positiven Reaktion wahrzunehmen. Die Untersuchung der Reaktionen auf Lichtreize ergab, dass das Verhalten der frei sich bewegenden Tubifex im grossen und ganzen vom Licht nicht beeinflusst wird. Bloss in einem Falle, und . zwar bei der Untersuchung des Phototropismus in der Dunkelkammer, erwiesen sich die Würmer der Lichtintensität von 32 Kerzen X 0,5 m (bzw. 1 m) gegenüber als reaktionsfähig im Sinne eines. negativen Phototropismus. Ich wollte nun den Wert und die Kraft dieser Reaktion untersuchen. Zu diesem Zwecke stellte ich der abstossenden Wirkung des Lichtes von 33 Kerzen X 0,5 m Intensität die anziehende Kraft der taktilen Reize (feiner Sand) derart gegenüber, dass ich beide Reize simultan auf die Tiere einwirken liess. Die Versuchsanordnung war folgende: Die Hälfte der Bodenfläche einer Schale habe ich mit einer dünnen Sandschicht bedeckt und in der Dunkelkammer mit der Lichtinten- sität von 32 Kerzen X 0,5 m von der-Sandseite beleuchtet. Bei jedem Versuche war der Wurm in die Mitte des Gefässes auf den Sandrand mit nach oben (auf die Fig. 10 bezogen) gerichtetem Vorderleib gesetzt. Wenn nun die anziehende Kraft des Sandes (taktiler Reiz) sich stärker als die abstossende Kraft des Lichtes erweisen sollte, so müsste der Wurm auf die Sandschicht, also gegen das Licht zu kriechen. Sollte sich aber .die abstossende Kraft des Lichtes mehr als die anziehende Kraft des Sandes (taktiler Reiz) geltend machen, so müsste der Wurm von der Lichtquelle weg, aber gleichzeitig hiermit auch vom Sand (taktiler Reiz) sich entfernen. Die Ergebnisse dieses Versuches, der an 20 verschiedenen Indi- viduen ausgeführt worden war, fasse ich in der Fig. 10 zusammen. Die einzelnen Abbildungen der Fie. 10 zeigen, dass in 13 Fällen, also in 65%, der positive Stereotropismus sich stärker als der nega- tive Phototropismus erwies (Abb. 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9, 13, 15, 16, 17, 18, 20). In den übrigen sieben Fällen (35/0) gewann der negative Phototropismus die Oberhand (Abb. 3, 7, 10, 11, 12, 14, 19). Es geht aus diesen Versuchsergebnissen hervor, dass aller Wahrschein- lichkeit nach den taktilen Reizen eine grössere bionomische Bedeutung als den Lichtreizen im Leben des Tubifex zukommt. 24 J. S. Szymanski: Die bisherigen Untersuchungen bezogen sich auf die frei be- weglichen Tiere. Dies entspricht allerdings nicht dem natürlichen Zustand der unter normalen Lebenbedingurgen in der freien Natur lebenden Würmer; denn diese Tiere pflegen ja — wenn ungestört — ınit dem Vorderleio im Schlamm vergraben zu stecken und mit dem Hinterleib die pendelnden Bewegungen auszuführen. Es war nötig, auch in dieser Lage, die für die Tiere als biologisch normal bezeichnet BER RER 34 Fig. 10. Überwiegen des positiven Stereotropismus über den negativen Photo- tropismus. Die linke Hälfte einer Schale wurde mit dünner Sandschicht befüllt (punktiert); in der Dunkelkammer wurde das Gefäss von links mit 32 Kerzen < 0,5 m beleuchtet (die Pfeile zeigen die Richtung der Lichtstrahlen an). Der Wurm wurde auf den äussersten Rand der Sandschicht in die Mitte der Schale. gesetzt. Die stark ausgezogenen Linien markieren die Wege der Tiere. Die Wasser- temperatur betrug 16° C. werden kann, die Versuche anzustellen. Und zwar war zu untersuchen, ob die Tiere bei der plötzlichen Belichtung bzw. bei der plötzlichen Beschattung, also bei der Lichtzu- bzw. -abnahme durch Zurück- ziehen des freiragenden Hinterkörpers ins Wohnrohr reagieren würden („Schreckreaktion‘). Es hat sich herausgestellt, dass die Würmer Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 25 sowohl in diesem wie auch in jenem Falle, also bei der Belichtung bzw. bei der Beschattung, ruhig auf der Oberfläche bleiben, ihre pendelnden Bewegungen auszuführen fortsetzen und überhaupt keine merkliche motorische Reaktion zeigten. Also auch in dem Falle, in dem die Versuche an den festsitzenden Tieren ausgeführt waren, liess sich keine merkliche Veränderung des Verhaltens beobachten. Um die Einwirkung der chemischen Reize zu untersuchen, habe ich zwei Versuchsserien ausgeführt. In der ersten Serie kabe ich als Reiz den Saft von den zer- riebenen Tubifex angewendet. Mit diesem Saft wurde ein Viereck Fig. 11. Untersuchungen über den Chemotropismus der Tubifex. Als Reiz diente der Saft der zerriebenen Tubifex. Das punktierte Viereck bedeutet die mitdem Saft der zerriebenen Würmer (1 ccm von Würmern und 1 ccm H,O) angestrichene Stelle auf dem den Boden bedeckenden Papierblatt. Der Wurm wurde an die Grenze zwischen dem nicht angestrichenen und dem angestrichenen Raum (durch den schwarzen Kreis markiert) mit dem Vorderleib nach oben (die Höhe ist aus der Abbildung ersicht- lich) gesetzt. Die fetten Linien markieren die Wege der Tiere. Die Wasser- temperatur betrug 14,3°C. Die Versuchsdauer war durchschnittlich ca. 2 Minuten. Die Versuche fanden in Dunkelkammern bei der elektrischen Oberbeleuchtung statt. auf einem den Boden des Versuchsgefässes bedeckenden Papierblatt angestrichen. Auf einer Ecke dieser Figur wurde der Versuchswurm plaziert und seine Bewegungsrichtung beobachtet. Die Fig. 11 zeigt die Resultate. Es hat sich herausgestellt, dass, wie die Abbildungen der Fig. 11 zeigen, die Würmer in 14 Fällen (Abb. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 12, 13, 16, 17, 18, 19, 20) negativ, in den übrigen sechs Fällen (1, 8, 10, 11, 14, 15) wenigstens in den ersten Momenten des Fortkriechens mehr oder weniger positiv reagierten. 26 9.8. Szymanski: Zwecks Nachprüfung dieser Ergebnisse habe ich die zweite Ver- suchsserie ausgeführt. Als Reiz wurde der Bodensatz aus einem alten Aquarium, wo bloss die Tubifex von Anfang an gehalten wurden, verwendet. Mit diesem Stoff, der aus Partikelehen von Sehleim, Schlamm , verschiedenen Arten von Protozoen usf. bestand, wurde Shi ara ie Fig. 12. Untersuchungen über den Chemotropismus der Tubifex. Der dunkle Ring, 3 cm breit, bedeutet einen mit einem, einer alten Kolonie entnommenen Bodensatz beschmierten Raum. Der Wurm wurde am Beginn jeden Versuches in die Mitte des durch den Ring begrenzten Kreises (Durchmesser 7 cm) gesetzt. Die starken Linien bedeuten die Wege der Würmer. Die Wassertemperatur betrug 123,1° C. auf einem den Boden des Versuchsgefässes bedeckenden Papierblatt ein Ring angestriehen. Dann liess ich das Papier etwas trocknen, und daraufhin wurde das Gefäss mit Wasser gefüllt. Der Wurm wurde in die Mitte des inneren, vom Bodensatz freien Kreises gesetzt. Die Versuchsergebnisse, die an 20 verschiedenen Individuen ausgeführt wurden, fasst die Fig. 12 zusammen. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 27 Die Bewegungsriehtung der Mehrzahl der Individuen war durch das Berühren des mit dem Bodensatz angestrichenen Ringes gar nicht beeinflusst; diese Tiere reagieren also gegen diesen für sie spezifisch-biologischen Reiz indifferent (15 Fälle, Abb. 1 bis inkl. 7, 9, 10, 11, 13, 15, 16, 17, 19, 20). Bloss in fünf Fällen reagierten die Tiere positiv (1, 8, 12, 14, 18). Aber auch diese positive Reaktion lässt sich hauptsächlich auf den positiven Stereotropismus zurückführen. Denn in den Fällen der positiven Reaktion konnte ich deutlich wahrnehmen, dass es sich um Anschmiegen und Entlang- kriechen der grössen Schleimpartikelchen handelte. Wenn ich nun die Resultate der Untersuchungen über die Ein- wirkung der möglicherweise biologisch wichtigen chemischen Reize zusammenfasse, möchte ich doch glauben, dass die Rezeption dieser Reize und die Reaktionen auf dieselben recht schwach aus- gesprochen sind. \ Die Untersuchung der thermischen Reaktionen konnte nur in Ermittlung von Maximum‘, Minimum und Optimum bestehen. Die. ‚Untersuchung des Thermotropismus wäre kaum möglich auszuführen, wenn wir einerseits die rasche Verbreitung der Wärmestrahlen im Wasser und andererseits das äusserst langsame Fortkriechen der Würmer berücksichtigen. Auf Grund meiner Untersuchungen kann ich behaupten, dass die Bewegungen der Würmer im Wasser, das aus schmelzendem Eis gewonnen war, beinahe gänzlich aufhören. Die mittlere Temperatur, 11—13° C., begünstigt die Bewegungen und scheint für das Ausführen der Lebensfunktionen schon ganz ausreichend zu sein. Bei der Temperatursteigerung bis zu ca. 25°C. lässt sich keine Veränderung im, Verhalten beobachten. Wenn aber die Wasser- temperatur sich dem letzteren Wert nähert, so glaube ich, die ersten Spuren von auftretenden Überreizungserscheinungen (öfters und hastig sich wiederholende Probierbewegungen der Vorderleibspitze und vereinzelten windenden Bewegungen der Hinterleibspitze) bei den zehn untersuchten Würmern, je nach dem Individuum, zwischen 22° und 27° C., im Durchschnitt also bei ea. 25° C. gesehen zu haben. Das deutliche Auftreten der Überreizungserscheinungen (sich öfters wiederholende, rasch aufeinanderfolgende windende Bewegungen des Hinterkörpers) war bei dea gleichen zehn Individuen, die knapp 28 J. S. Szymanski: vor dem Versuch in Wasser von 17° C. gehalten wurden, bei der Temperatur von durchschnittlich rund 30°C. zu beobachten. (Einzelne beobachtete Fälle: 34, 30, 33, 31, 29, 30, 33, 32, 24, 27° C.) Die Ergebnisse der Untersuchung der Reaktion auf thermische Reize berechtigen zu dem Schlusse, dass die Temperaturgrenzen, innerhalb derer das Leben der Tubifex sich normal abspielen kann, zwischen oberhalb der Temperatur des schmelzenden Eises und unter halb der Temperatur von 25—30° C. liegen müssen. Bevor ich zur Untersuchung der nächsten Reaktion übergehe, möchte ich hier die Beobachtungen Schäffer’s über den Einfluss der thermischen Reize auf die Tubifex anführen: „Diese Wassertierchen Tubifex), wie die Wasserflöhe, sind des Nachts und wenn das Wasser kalt wird, wenig über dem Schlamme im Wasser, sondern zu der Zeit meistens ganz und gar im Schlamme verborgen; bei Tag aber und wenn das Wasser wärmer wird, sind sie fast ganz und gar in der Höhe und verlängern sich alsdann oft, wie schon gesagt ist, gegen 2, 3 und 4 Zoll. Endlich habe ich auch bemerkt, dass eine nicht allzu grosse Kälte ihnen eben nicht tödlich sei. Es sind einige von ihnen in meiner Kammer mehrmals eingefroren; sobald ich aber das Wasser im Glase wieder auftauen liess, kamen auch diese aus dem etwas eefrorenen Schlamme hervor und lagen alsdann eine Zeitlang zusammengerollt und wie tot auf der Oberfläche des Schlammes“ !). Zum Schluss habe ich noch untersucht, wie ein einzelnes Individuum - den ganzen Klumpen von den zusammengeballten Artgenossen findet; sind dabei die Rezeptionen der Fernsinne (etwa Geruch) oder die Rezeptionen der Nahsinne (etwa Berührung) hauptsächlich beteiligt? Zwecks Untersuchung dieses Problemes habe ich einen Klumpen von Würmern (© ccm) auf eine stets gleiche und 1] em vom Zentrum des Versuchsgefässes gelegene Stelle plaziert (Fig. 13); genau in die Mitte wurde der Wurm, dessen Länge mindestens dreimal so lang war als seine Entfernung vom Klumpen, also über 3 cm betrug, gesetzt. Der Vorderleib des Wurmes war vom Klumpen abgewendet. Er lag in der Richtung des Pfeiles, der auf der Abb. 1 der Fig. 13 die jedesmalige Lage des Versuchswurmes zeigt. ‘ Wenn nun der Wurm durch einen Fernsinn sich orientieren würde, so müsste er die Artgenossen eleich ohne Fortbewegung 1) L. c. 8. 322, 29 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 08 8 oyaIs Sunaeyal "EL "314 Ok "Jr *£ Is ‘ wog 30 J. S. Szymanski: finden können. Wenn aber der Wurm allein durch die unmittelbare Berührung sieh zu seinen Artgenossen gesellen könnte, so müsste man drei Fälle beobachten, und zwar entweder berührt der Wurm, dessen Länge 3 em, dessen Entfernung vom Würmerklumpen bloss 1 em betrug, durch die Probierbewegungen den Klumpen und kommt mit demselben in Kontakt; oder er erreicht zufällie den Klumpen erst nach einem kürzeren oder längeren Kriechen; oder schliesslich findet er seine Artgenossen überhaupt nicht, wenn er zufällig den Klumpen nicht berührt. In der Tat konnte ich alle diese Fälle beobachten, wie dies aus der Fig. 13 hervorgeht. Erklärung der Fig. 13. Der schraffierte Kreis bedeutet die Kolonie, deren Umfang 5 cm, deren Entfernung von a etwa 1 cm 'war. a markiert die Stelle, auf die der Wurm zu Begirn jeden Versuches gesetzt wurde. Der Pfeil in der Abbildung 1 zeigt die Richtung, wo die Vorderkörperspitze des Wurmes zu Be- ginn sämtlicher Versuche plaziert war. Der Weg des Wurmes ist durch eine krumme Linie: markiert; 7' bedeutet die Temperatur in Grad Celsius; die Minuten- zahl links bedeutet die Versuchsdauer. Das Zeichen # bedeutet, dass der Wurm bei seinen windenden Bewegungen die Kolonie mit dem Hinterkörper berührt. Der gestrichelte Weg der Würmer Nr. 10 und 11 bedeutet, dass der Wurm bei den Probierbewegungen, die er im Punkte a gleich zu Beginn des Versuches ausführte, mit den Artgenossen in Berührung kam. (Die Länge jeden Wurmes ‚ war mehr als 3 cm.) Denn die Figur zeigt, dass die Würmer in fünf Fällen (2, 3, 9, 10, 11) mit den Artgenossen durch unmittelbare Berührung mit dem Hinter- bzw. Vorderleib in Fühlung gekommen sind; in neun Fällen erreichten sie den Klumpen zufällig erst nach längerem oder kürzerem Kriechen (1, 3, 5, 7, 12, 15, 18, 19, 20); und in den übrigen sechs Fällen fanden sie die Artgenossen überhaupt nicht (4, 6, 13, 14, 16, 17). Die oben geschilderten Untersuchungen über die Reaktionen der Tubifex erlauben, sich Rechenschaft über die Reize abzugeben, welche das Verhalten dieser Tierart hauptsächlich bestimmten. Wie sich aus sämtlichen Versuchsresultaten ergibt, gehören die besonders wirksamen Reize hauptsächlich zur Kategorie der mechanischen Reize (Berührung, Erschütterung usf.). Die Wirkung aller anderen untersuchten Faktoren trat im Vergleich zu den letzteren - stark zurück. Die Feststellung dieser Tatsache wird durch die Betrachtung der Lebensweise der Tubifex besonders bekräftigt. Die Würmer leben mit den Vorderleibern im Schlamm eingegraben, der ihnen als Nahrung dient. Sie stecken sozusagen mit dem Kopf in der Nahrung und brauchen dieselbe nicht erst durch die Vermittlung der Fernsinne (etwa Geruch) ausfindig zu machen. Die Schlamm- a nr Pe Abhandlungen zum Aufbau der Lebre von den Handlungen der Tiere. 31 röhre, in der die Würmer stecken, schützt dieselben wirksam vor etwaigen Feinden. Allein der Hinterleib ragt heraus, und er wäre den Angreifern preisgegeben, wenn der Wurm sich nicht durch die ausserordentliche Rezeptionsfähigkeit gegen die Wassererschütterungen auszeichnete. Diese Empfänglichkeit gewinnt hier besonders vitale Bedeutung, denn sie verrät dem Tiere das Annahen des Feindes und erlaubt durch plötzliches Zurückziehen in die Wohnröhre, ihm zu entgehen. Da die Leibesspitze, die als Sitz der Fernsinnesorgane bei der Mehrzahl der Tiere dient, im Sande vergraben bleibt, ist eben die mechanische Einwirkung der Aussenreize als besonders wichtig zu veranschlagen. Wenn wir die vitale Bedeutung der mechanischen (taktilen) Reize für das Fortbestehen dieser Tierart berücksichtigen, so müssen wir den Eindruck gewinnen, dass die Ergebnisse der oben geschilderten Versuche im besten Einklang mit den Lebensgewohnheiten des Tubi- fex stehen. Die Betrachtung des Lebens der Würmer unter normalen Lebensbedingungen wie auch deren Verhalten unter experimen- tellen Bedingungen zwingen uns zu dem Schlusse, dass wir die Tubifex als Vertreter der taktilen Tiere ansehen müssen. Es genügt nicht, die Tiere in optische und osmatische einzuteilen; _ es müssen vorläufig als dritte Unterabteilung die taktilen Tiere hinzugefügt werden [die meisten sesshaften Tiere )?]. Und nun komme ich auf die Frage zurück, welche den Aus- gangspunkt für diese Untersuchungen bildete: Ist Tubifex ein soziales oder ein einzein lebendes Tier? Bei der Frage, ob ein Tier sozial oder einzeln lebend sei, sollte die Untersuchung des individuellen Verhaltens mithelfen. Wenn im Verhalten des Einzelindividuums die Reaktionen, für die dem anderen Individuum der gleichen Art, sei es direkt, sei es indirekt, der Wert eines spezifischen und positiven Reizes konstant zukommt, festgestellt werden könnte, so wäre man berechtiet, ein derartiges Tier als soziales aufzufassen. 1) Gerade lese ich in einer soeben erschienenen Untersuchung von Doflein über das Verhalten des Ameisenlöwen, dass „nach dem Ergebnis der ... Ver- suche die Thigmotaxis sich als wirksamer als alle übrigen Reizqualitäten erwies“. F. Doflein, Der Ameisenlöwe S. 105. 1916.) 39 31.8. Szymanski: Im Verhalten der Einzelindividuen von Tubifex findet man kaum die Reaktionen, die dem oben dargelesten Kriterium entsprechen würden. Zwar reagieren die Tiere auf die unmittelbare Berührung mit den Artgenossen durch Sichmiteinanderverschlingen. Da aber die Tiere stark positiv stereotropisch sind, lässt sich schwer entscheiden, ob die positive Reaktion den Artgenossen gegenüber viel mehr als blossen Stereotropismus darstellt. ‚Indessen gewinnt die letztere Vermutung an Wahrscheinlichkeit, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Tubifex gemischte Kolonien mit den Vertretern anderer Tierarten leicht und schnell bilden können. Wenn man nämlich eine Anzahl von Tubifex- individuen mit den Larven der Zuckmücken (Chironomus) in eine mit Wasser gefüllte Porzellanschale hineingibt und die Tiere durch Rühren miteinander vermischt, so bildet sich regelmässig nach einiger Zeit eine gemischte Kolonie von den Vertretern beider Tierarten. Die Larven der Zuckmücken, gleich den Tubifex Bewohner stehender Gewässer, haften sich im Aquarium separat oder viel- mehr in Klumpen mittels der Vorderleibspitze an die Unterlage an und führen mit dem Hinterleib pendelnde und schlängelnde Be- wegungen (Atmungsbewegungen) aus. Wenn man nun diese Larven zusammen mit den Tubifex in eine Schale setzt, so bilden sich zunächst kleine Klumpen von Tubifex, und an diesen heften sich die Zuckmücken an. Nach längerer Zeit (zum Beispiel über Nacht) findet man in der Schale eine grosse, schön regelmässig geordnete, gemischte Kolonie. Der Rand der Kolonie besteht aus den kranzförmig eingeordneten Larven der Zuckmücken, die mit den zentrifugal gerichteten Hinterkörpern . schlängelnde Bewegungen ausführen, und gegen die Mitte hin ballen sich wieder die anderen Larven in kuppenartigen Klumpen zusammen. In der Mitte des Klumpens ist ein zusammenhängender Schopf von Tubifex eingebettet; dabei mischen sich die Vertreter dieser beiden im zoologischen System so weit voneinander stehenden Tierarten . an den Rändern innigst miteinander. Sämtliche Tiere führen hierbei die üblichen pendelnden Bewegungen aus. “ Derartige gemischte Kolonien bestanden während der ganzen Beobachtungszeit (einige Tage), und die Tiere zeigten augenscheinlich keine Neigung zum Auseinandergehen (Fig. 14). Die Möglichkeit, gemischte Kolonien prompt“und ohne An- gewöhnung zu bilden, lässt neben den anderen oben angeführten Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 33 Tatsachen die Vermutung entstehen, dass.die Kolonien von Tubifex hauptsächlich als ein durch die Lokomotionsart, die Fortpflanuzungs- verhältnisse und die Eigentümlichkeiten des Verhaltens (die grosse Empfänglichkeit für taktile Reize) ‚mit Notwendigkeit bedingtes räumliches Nebeneinander- leben, aber kein eigent- liches soziales Gebilde dar- . stellen. Zusammenfassung. 1. Tubifex lässt sich als Vertreter der taktilen. Tiere \ im Gegensatz zu den optischen \ \ IN IN und osmatischen Tierarten \\j NW auffassen; denn die taktilen EN N INN Reize scheinen hauptsächlich — das Verhalten der Würmer N IM G zu bestimmen. an RG 2. Es lassen sich leicht | Jin gemischte Kolonien von Tubi- De fex und Zuckmückenlarven / erzeugen. 3. Die Kolonien von Tubifex sind als ein räum- liches Nebeneinanderleben Fig. 14. Eine on Kolonie von Tubifex : RER und Zuckmückenlarven. Die Zuckmücken- der Einzelindividuen, aber jarven bilden unten in der Gefässecke einen kein eicentliches soziales Ge- Polster, aus dem die Tubifex-Individuen her- RR ausragen. (Schematisch, bloss wenige Indi- bilde aufzufassen. viduen aufgezeichnet) 2.. Wird die Frequenz der Herzkontraktionen durch starke Reizung des Raupenorganismus beeinflusst? Es schien interessant, zu untersuchen, ob bei den Raupen, als Vertretern niederer Tierklassen, Blutzirkulationsstörungen bei starker Reizung auftreten. Um dieser Frage näher zu kommen, habe ich die Afterraupen einer Blattwespe (Arge ustulata) in dieser Hinsicht untersucht. Das Herz (das Rückengefäss) der Arge liegt, wie bei allen anderen Raupen, gleich unter der schwach pigmentierten Haut, so Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 3 34 J. S. Szymanski: dass die Herzkontraktionen sich mit Hilfe einer Lupe beobachten und zählen lassen N, Zwei Versuchsreihen wurden ausgeführt. In der ersten Versuchsreihe habe ich die Herzkontraktionen bei den halb erwachsenen Raupen in der Ruhestellung und darauf- hin in der „Schreckstellung“ gezählt. .Die Schreckstellung lässt sich durch Reizung des Rückens bzw. Erschütterung Aer Unterlage hervorrufen ?). Infolge des Reizes richtet die Raupe den Hinter- leib auf und verharrt in dieser -Stellung durch längere oder kürzere Zeit. Ich wollte nun untersuchen, ob die Frequenz der Herzkontrak- tionen im Zustande der Schreckstellung verändert wird. Um die äusseren Umstände so wenig als möglich zu ändern, habe ich meine Versuche in einem Garten, wo viele Arge lebten, ausgeführt. Die jungen Raupen dieser Blattwespe leben in Kolonien ; die halb erwachsenen Tiere sind mehr einzeln zu treffen. Diese letzteren Individuen dienten mir als Versuchsobjekte. Sobald ich ein passendes Tier gefunden hatte, nahm ich es so vorsichtig wie möglich mitsamt dem als Unterlage dienenden Blatte vom Baume (Weide). Daraufhin befestigte ich mit Hilfe einer Stecknadel das Blatt mit dem Tier an einem starken Baumstamm derart, dass ich die Herzkontraktionen bequem zählen konnte; daneben waren ein Thermometer und ein a) zum Notieren der Resultate unter- gebracht. | Erst nachdem das Tier sich beruhigt hatte, begann ich mit den Versuchen. Mit Hilfe einer Stoppuhr habe ieh zunächst die- Zeit gemessen, die für 20 Herzkontraktionen in der Ruhestellung nötig war. Dieses Verfahren habe ich bei jedem Versuchsobjekte fünfmal wiederholt. Dann habe ich das Tier durch Reizung des 1) Ausser bei Arge sind die Herzkontraktionen bei einigen Schmetterlings- raupen zu sehen (Cymatophora or, Scoliopteryx libatrix). Ich konnte leider wegen der geringen Anzahl der Individuen keine Versuche an diesen Arten an- stellen. Neuerdings hat O. Polimanti eine Arbeit veröffentlicht, in der er den Pulsrhythmus als Index der Wahrnehmungen der Farben bei Bombyx mori 2. verwertet hat (Osw. Polimanti, Untersuchungen über das pulsierende Gefäss - von Bombyx mori ZL. II. Der Pulsrhythmus als Index der Wahrnehmung der Farben betrachtet. Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 S. 391. 1915). ; 2) Vgl. auch meine Arbeit „Zur Analyse der sozialen Instinkte“. Biol. Zentralbl. Bd. 33 S. 652. 1913. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 35 Rückens in die Schreckstellung gebracht und wieder fünfmal nach- einander die für je 20 Herzkontraktionen nötige Zeit gemessen. Aus je fünf Messungen habe ich das arithmetische Mittel berechnet und erst diesen Wert in den nachfolgenden Tabellen eingetragen, so dass jede Zahl\in beiden Tabellen (s. unten) das arithmetische Mittel aus fünf Messungen darstellt. In einigen Fällen habe ich bei dem Tier die Messungen zuerst in der Schreckstellung und dann’ in der Ruhestellung vorgenommen; die Resultate blieben in beiden Fällen ähnlich. _ Auf diese Weise habe ich zehn Tiere geprüft; die Resultate sind in der Tabelle 2 zusammengefasst. - Tabelle 2). Zwanzig Herzkontraktionen Nummer Temperatur 2 ul a:b des Tieres Ruhestellung | Schreckstellung On, a (b) DR 12,9 13,4 0,96 2 10,6 13,8 12,6 1,09 3 10,6 14,2 14,5 0,97 4 10,6 15,8 15,8 1,00 5 10,6 14,9 h 14,3 1,00 7 242 1,8 8,7 Ir g 25,6 10,3 9,8 1,05 9 25,6 9,9 9,8 102 10 262 85 9,5 0,89 Durch- sehnittszahl \ = | = = ar Wie die Tabelle zeigt, blieb die Zahl der Herzkontraktionen bei dem gleichen Tier in Ruhe- und Schreckstellung unverändert. (@=h —ca.»l.. Vol: Tab. 2.) Die zweite Versuchsreihe bezweckte festzustellen, ob die Frequenz der Herzkontraktionen bei der Art der Reizung, die beim Menschen und wahrscheinlich bei höheren Tieren subjektiv mit dem Gefühl des Erschreckens und des Schmerzens und objektiv unter anderen mit vorübergehenden blutzirkulatorischen Funktionsstörungen einher- geht, auch bei Arge im ähnlichen Sinne verändert wird. 1) Jede Zahl ist das arithmetische Mittel aus fünf Messungen. Die einzelnen Werte jeder Gruppe wichen nur wenig vom diesbezüglichen arithmetischen Mittel ab. (Diese Bemerkung bezieht sich auf die beiden Tabellen.) 2% De 36 4 18 Szymanski: Für diese Versuche habe ich ältere, fast ausgewachsene Raupen der Arge erwählt. Diese Raupen zeigen nur eine geringe Reaktious- fahigkeit gegen eine Reizung des Rückens und nehmen bloss selten die Schreckstellung ein. Dass dennoch die allgemeine Reaktions- fähigkeit nicht nennenswert herabgesetzt ist, beweist das Vorhanden- sein aller anderen Reaktionen. (Nahrungsaufnahme, Fortbewegungs- reflexe usw.) | Um nun den Raupen „Schmerz“ zuzufügen und dieselben zu „erschrecken“, habe ich den Tieren mit einem Scherenschnitt ein ‘ Brustbein amputiert, nachdem schon die Zahl der Herzkontraktionen ‚im normalen Zustande mir bekannt war. Nach der Operation zeigte das Tier meist _'gar keine, oder nur eine geringe vorübergehende und kurz andauernde motorische Aktivität. Möglichst bald nach der Operation zählte ich die Herzkontraktionen. Diese Versuchsreihe habe ich im Zimmer ausgeführt; das Tier lag dabei samt dem als Unterlage dienenden Blatt auf einem Tisch. Die für 20 Herzkontraktionen nötige Zeit im normalen Zustand und nach der Amputation des Brustbeines habe ich ganz identisch wie in der ersten Versuchsreihe gemessen, so\dass auch hier jede Zahl in der nachfolgenden Tabelle das arithmetische Mittel aus fünf Messungen darstellt. Auch in dieser Versuchsreihe habe ich zehn Tiere zur Unter- suchung herangezogen; die Resultate gibt die Tabelle 3 an. Tabelle 3). Zwanzig Herzkontraktionen Nummer bei Temperatur 19,3° C. in Sekunden : h, u ae Normal Ein Brustbein ampo- | (a) tiert. (b) 1 15,0 13,6 1,10 2 15,5 14,8 1,04 3 10,3 11,3 0,95 4 15,3 13,6 1,12 5 11,5 11,8 0,97 6 12,2 12,6 0,96 7 14,4 14,9 0,96 8 13,5 12,9 1,04 9 997, 10,3 0,96 10 10,5 10,7 0,98 Durehschnittszahl I , Bee 1,008 1) Vgl. die Fussnote zur Tabelle 2. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 37 Aus der Tabelle folgt, dass die Frequenz der Herzkontraktionen selbst bei solcher starken Reizung bei der Arge unverändert bleibt. ab ‚ca. 1.) Wenn das Herz der Raupen sich auch in bezug auf die zen- trale Innervation als Analogon zum Herzen der Säuger und des Menschen erweisen sollte, so wäre aus diesen Versuchsergebnissen zu schliessen, dass bei einer Blattwespenraupe (Arge ustulata) eine starke Reizung, die bei den Säugetieren und dem Menschen die Frequenz der Herzkontraktionen beeinflusst, in der letzteren Hin- sieht unwirksam bleibt. 3. Über Abwehrreflexe bei Raupen. Eine der Hauptaufgaben bei der Analyse des tierischen Ver- haltens wäre, zu untersuchen, ob die verschiedenartigen streng kon- stanten Bewegungskomplexe, denen eine wichtige biologische Be- deutung im Leben der Art zukommt, sich einheitlich auffassen lassen. Mit anderen Worten, ob es möglich wäre, einerseits zwischen zwei : scheinbar heterogenen Reflexarten, die eine grosse vitale Rolle zu erfüllen haben, einen direkten Übergang: zu finden und andererseits die beiden komplizierten Reflexarten in einer dritten allgemeineren, für jede Tierfamilie besonders charakteristischen Bewegungsform wiederzuerkennen. Den Versuch einer solchen Analyse soll die vorliegende Arbeit vorstellen. In dieser Untersuchung habe ich nämlich zwei wohl der verbreitetsten Abwehrreflexe der Raupen -— und zwar das Schlagen mit einem der Körperteile und das Einrollen — einer genaueren Analyse unterworfen; ich habe ferner versucht, einen direkten Über- gang zwischen diesen beiden Reflexarten zu- finden, um dieselben schliesslich in einer allgemeineren Bewegungsart wiedererkennen zu . können. Unter den aktiven Verteidigungsmitteln, welche den Raupen im Kampf gegen ihre Feinde zu Gebote stehen, dürfte das Schlagen mit den Vorder- bzw. Hinterleib zur Kategorie der bekanntesten Abwehrreflexe gehören. Dieser Reflex, den ich der Kürze wegen mit dem Namen des Schlagereflexes belegen möchte, besteht darin, dass die Raupen bei der mechanischen Reizung des Rückens bzw. der Seite (leiser Druck, 38 J. 8. Szymanski: Streicheln, leichtes Stechen, Zwieken, Klopfen usw.) mit-dem Vorder-, seltener mit dem Hinterleib gegen die Applikationsstelle des Reizes mit einer mehr oder weniger grossen Treffsicherheit fahren. Verschiedene Raupenarten zeigen verschiedene Formen des Schlasereflexes. Es lassen sich mindestens drei Typen desselben bei den verschiedenen Arten unterscheiden. Entweder schlägt die Raupe bei ruhendem Vorderkörper mit dem Hinterleib, oder aber fährt sie mit dem Vorderleib gegen den gereizten Rücken hin; schliesslich treten bei noch anderen Arten beide Reflexformen gleich- zeitig, als Folge der gleichen Reizung auf. Jeder dieser Typen ist für eine Raupenart wohl charakteristisch. Schon eine ganz flüchtige Beobachtung des Verhaltens einer ruhenden Raupe kann uns er- een, ee. 7 4 UNE 5 Fig. 15. Drei Typen des Schlagereflexes: Typus A: Hauptstützstelle vorne, Hinterkörper zeigt den Schlagereflex. Typus B: Hauptstützstelle rückwärts, Vorderkörper zeigt den Schlagereflex. Typus C: Hauptstützstelle in der Mitte, Hinter- und Vorderkörper zeigen den Schlagereflex. (A, B, C = Ruhestellung ; Aı, Bi, C, = nach der Reizung des Rückens; schraffiert — Hauptstützstelle des SrDen) mitteln, zu welchem Typus das Tier gehört. Es lässt sich nämlich ein Zusammenhang zwischen der Hauptstützstelle des Körpers und dem Typus des Schlagereflexes feststellen. Jede ruhende ‘Raupe haftet auf der Unterlage hauptsächlich entweder mit den Brustbeinen oder mit den Bauchbeinen und den Nachschiebern (Afterfüssen), oder schliesslich bloss mit den Bauch- beinen. Die Raupen nun, die banpssachlich mit den Brustbeinen an der Unterlage‘ haften, schlagen bei der Reizung des Rückens begreif- licherweise mit dem Hinterkörper („Schlagereflex des Typus A“ Fig. 15 Abb. AA,). Wenn aber die Raupe zu jener Art gehört, deren Vertreter sich hauptsächlich mit den Bauchbeinen und den Nach- schiebern auf der Unterlage stützen, so zeigt der Vorderleib den Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 39 Sehlagereflex („Schlagereflex des Typus B“ Fig. 15 Abb. BB,). Schliesslich ist für die Arten, welche bloss mit den Bauchbeinen die Unterlage umklammern, das Schlagen (bzw. das Aufrichten) gleich- zeitix mit dem Vorder- und Hinterleib, als Folge der Reizung des Rückens, charakteristisch („Schlagereflex des Typus C* [Fig. 15 Abb. CC,)). Der Zusammenhang zwischen dem Schlagereflex und der Haupt- stützstelle des Körpers lässt sich kurz in der Form folgender Regel- mässiekeit ausdrücken: Derjenige Körperabschnitt (bzw. diejenigen Körperabschnitte), welcher nicht als Körperstützstelle dient, zeigt den Sehlagereflex. Um nun einige Beispiele für jeden Typus des Schlagereflexes anzuführen, möchte ich bemerken, dass ich den Schlagereflex des Typus A, also des Typus, in welchem die Stützstelle vorne liest und der Hinterleib den Schlagereflex zeigt, bisher ausschliesslich bei den Afterraupen einiger Blattwespen, z. B. Arge ustulata !), Eriocampoides - Arten ?) usw., beobachtet habe. In der Ruhe sitzen die Afterraupen der Arge rittlings auf dem DBlattrande mit herabhängendem und halb zusammengerolltem Hinterleib; die Last des Körpers ruht auf den Brustbeinen. . Bei der mechanischen Reizung des Rückens (Arge, Eriocampoides) bzw. bei der Fr- schütterung des als Unterlage dienenden Blattes (Arge) richtet jedes Tier seinen Hinterleib auf; dabei verharrt die Arge einige Zeit in dieser Stellung („Schreckstellung“ [Fig. 16 Abb. 1]), Eriocampoides dagesen, die mit einer Schleimhülle überdeckt sind, verhalten sich etwas abweichend. Wenn die Eriocampoides-Raupen mit einem Stäbehen mechanisch auf dem Rücken gereizt werden, schlagen sie mit dem aufgerichteten Hinterleib umher. Wenn der Hinterleib mit dem Stäbehen in Berührung kommt, so schmiegt er sich an das Stäbchen an. Auf diese Weise bedeckt das Tier das Stäbchen (also wahrscheinlich auch den angreifenden Feind) noch ne mit Schleim a 16 Abb. 2). 1) Ich ergreife diese Gelegenheit, um Herrn J. Isaak, Eintomologe, für das gütige Überlassen und Bestimmen vieler Arten meinen besten Dank aus- zusprechen. 2) Zwei Arten von Eriocampoides habe ich nee eine schwarze (auf dem Kirschbaum) und eine grüne (auf der Linde und Eiche); diese letztere allein zeigte den Schlagereflex. 40 J. S. Szymanski: “ Der Schlagereflex vom Typus B, also des Typus, in dem die Hauptstützstelle hinten liegt und der Vorderleib den Schlagereflex zeigt, dürfte wohl der verbreitetste Abwehrreflex bei den Raupen sein. Diesen Reflex habe ich bei folgenden Arten beobachtet: Aecronieta leporina, A. tridens, Cossus cossus, Deilephila euphor- biae, Lophopteryx eamelina, Mamestra pisi, M. persicaria, Papilio machaon, P. podalirius, Pergessa elpenor, Pieris-Arten, Scoliopteryx libatrix, Smerinthus oculi, S. populi, Vanessa-Arten u. a. Fig. 16. Schlagereflex. Abb. 1: Arge ustulata; Abb. 2: Eriocampoides-Sp. Abb. 3: Vanessa und Pieris; Abb. 4: Papilio podalirius; Abb. 5: Phalera buce- \phala;. Abb. 6: Harpyja vinulae. a = Ruhbestellung; 5b = Schlagereflex. Abb. 1, 2: Typus A; Abb. 3, 4: Typus B; Abb. 5, 6: Typus © (vgl. Fig. 15). Um diesen Reflex hervorzurufen, genügt meistens eine leichte mechanische Reizung (Streicheln, Stechen usw.) des Rückens. Bloss bei den sehr trägen, meist in der Form und Farbe an die Um- sebung vorzüglich angepassten Arten muss man einen stärkeren Reiz anwenden (starkes Klopfen auf den Rücken bei Papilio-Sp., Zwicken des Rückenhornes bei Smerinthus und Deilephila usw.). Der Schlagereflex des Typus B ist öfters mit anderen Ver- teidigungsmitteln verbunden !) (Austreten des Magensaftes [oder Blutes?] aus dem Mund, Ausstrecken der übelriechenden Nacken- gabel usw.). 1) Vgl. Prehn, Die ı Schutzmittel der Raupen. Ilustr. Wochenschr. f£. Entomologie Bd. 2 S. 41. 1897. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 4] Die Verbindung des Schlagereflexes des Typus B mit dem Aus- scheiden von Magensaft (Blut?) dürfte wohl die überhaupt häufigste Art der Abwehrreflexe bei Raupen darstellen; wenigstens. habe ich diese Form der. Verteidigung fast bei den sämtlichen von mir be- obachteten und oben erwähnten Arten beobachten können (Fie. 16 Abb. 3). | Das Ausstrecken der übelriechenden Nackengabel in Verbindung mit dem Schlagereflex des Typus B zeigen, wie bekannt, die Pa- pilioriden- Raupen !). Ich habe diesen Reflex bei Papilio machaon und P. podalirius beobachtet (Fig. 16 Abb. 4); eine Beobachtung über diesen interessanten Reflex möchte ich hier kurz einschalten. Diese beiden Papilioniden (machaon und podalirius) zeigen die Nackengabel passiv, wenn man an den Kopf von vorne und oben nach hinten und unten mit einem feinen Holzstäbchen. drückt, da- bei übt der Kopf den Druck auf die Kopffalte aus; dadurch wird die Nackengabel wie ein Handschuhfinger herausgestülpt. Wenn man nun den Rücken eines ruhenden Tieres mit einem Stäbchen ziemlich fest schlägt, so wird der Kopf ähnlich wie bei dem oben erwähnten Versuch durch zuckende Bewegungen ruckweise aktiv zurückgezogen; ’ infolgedessen kommt die Nackengabel zum Vorschein. Gleichzeitig hiermit richtet sich der Vorderkörper ebenfalls aktiv ruckweise auf (Schlagereflex des Typus B). Der Schlagereflex des Typus C, also des Typus, in dem die Hauptstützstelle des Körpers in der Mitte liegt und der Vorder- und Hinterleib als Folge der Reizung des Rückens gleichzeitig den Schlagereflex zeigen, scheint viel seltener als der Schlagereflex des Typus B vorzukommen. Ich habe diesen Reflex bei folgenden Arten beobachtet 2): I Bien, | Harpyja (Dieranura) -vinulae (Fig. 16 Abb. 6), Drepana falca- toria, Notodonta dromedarius, N. ziezae, Phalera bucephala (Fig. 16 Abb. 5). 1) P. Schulze, Die Nackengabel der Papilioniden-Raupen. Inaug.-Dissert. Berlin 1911. (Zit. nach Reuter.) Die Arbeit selbst habe ich leider nicht in der Hand gehabt. 2) Ausser diesen Arten, die ich selber zu untersuchen Gelegenheit hatte, scheinen noch, insofern ich dies wenigstens nach den Tafeln, die Berge-Rebel zu ihrem „Schmetterlingsbuch“ zufügen, beurteilen konnte, folgende Arten den gleichen Reflex zeigen: Cerura bifida (Taf. 22 Abb. 9a), Drepana harpagula (Tat. 22 Abb. 3a), Hoplitis Milhauseri (Taf. 22 Abb. 14a), Stauropagus fagi Tat. 22 Abb. 12a). 49 J. S. Szymanski: Die Arten, die den Typus C des Schlagereflexes zeigen, sitzen schon in der Ruhestellung meistens mit mehr oder weniger gehobenem Hinter- leib. Bei der mechanischen Reizung des Rückens (bzw. der Hinter- - leibspitze bei Drepana) hebt sich der Hinterleib noch mehr; gleich- zeitig hiermit riehtet sich auch der Vorderleib auf, so dass die Raupen einen nach oben offenen Bogen bilden. Der Raupenkörper haftet auf der Unterlage bloss mittels der Bauchbeine, die bei diesen Arten meistens als starke Umklammerunesfüsse entwickelt sind. Die Nachschieber (Afterfüsse) sind bei diesen Arten schwächer ent- wickelt: Die Leibspitze ist manchmal in ein kopfähnliches Gebilde umgewandelt (z. B. Phalera [Fig. 16 Abb. 5); die Anhänge der Leib- spitze funeieren manchmal als Scheiden für ausstülpbare stark riechende Organe (Harpyja). Im allgemeinen haben die Larven dieser Gruppe öfters einen recht wunderlichen, grotesken Habitus (z. B. Notodonta usw.), bei welchem auf den ersten Blick sich schwerlich sagen lässt, wo sich der Kopf und wo die Leibesspitze befindet. Manche Arten dieses Typus können sich ebensogut nach vorne wie auch nach rückwärts fortbewegen (Phalera). Bevor ich die Betrachtungen über den Schlagereflex schliesse, möchte ich noch hinzufügen, dass sich bei allen Typen dieses Ab- wehrreflexes ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Raupen und der Reaktionsfähigkeit beobachten lässt. Je jünger die Raupe ist, desto leichter und schöner kommt der Reflex zustande; mit zu- nehmendem Alter verliert die Raupe immer mehr an Beweglichkeit und wird auch die Reaktionsfähigkeit immer schwächer). Auch bei einer in der Fortbewegung begriffenen Raupe ist die Reaktionsfähigkeit für den Schlagereflex verschwunden. Und nun gehe ich zum Einrollereflex über. Beinahe alle oben erwähnten Raupen, die den Schlagereflex zeigen, sind auch bei der entsprechenden Reizung zum Einrollen fähig. Um den Einrollereflex hervorzurufen, ist eine Erschütterung der Raupe als spezifischer Reiz besonders wirksam. Ich habe diesen Reflex in der Weise ständig hervorrufen können, dass ich die zu untersuchende Raupe zwischen den hohlen Händen einschloss und dann die Hände einige Male schütteltee Diese Reizung genügte, 1) Vgl. meine Arbeit: Ein Beitrag zur Frage über tropische Fortbewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 343 ff. 1913. j 4 : . # Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 43 um die Raupe zum Einrollen zu bringen, falls letztere überhaupt zum Einrollereflex fähig war. Es lassen sich zwei Hauptformen des Einrollereflexes unter- scheiden: . a) Der unvollkommene Einrollereflex. Der unvollkommene Einrollereflex ist ein Abwehrreflex, bei dem die Raupe sich derart mit der Bauchseite nach innen einrollt, dass der Körper einen mehr oder weniger geschlossenen Kreis pildet (Fig. 17 Abb. 1). Diesen. Reflex zeigen z. B. Vanessa-Arten, Pieris brassicae, Spilosoma lubrieipeda u. a. b) Der vollkommene Einrollereflex. Der vollkommene Einrollereflex ist ein Abwehrreflex, bei dem die Raupe sich derart mit der Bauchseite nach innen einrollt, dass der Körper mehr als eine Windnng bildet. Dabei kann die zweite Fig. 17. Einrollerefl ex. Abb. I: Der unvollkommene Einrollereflex (Pieris, Vanessa, Spilosoma und andere); Abb. IIa: der vollkommene Einrollereflex (Mamestra); Abb. Ib: der vollkommene Einrollereflex (Cimbex-Sp.). _ Windung entweder in gleicher Ebene mit der ersten liegen (der Hiuterkörper liest dem Vorderkörper an |Fig. 17 Abb. Ila]); oder aber kann die zweite Windung spiralartig über die erste gelangen ‘(der Hinterkörper liest über dem Vorderkörper [Fig. 17 Abb. IIb]). Die erste Form des vollkommenen Einrollereflexes zeigt z. B. Mamestra pisi und M. persicaria. Wie auf der Fig..17 Abb. Ila zu seben ist, wird der Kopf bei diesen Arten durch die Bauchbeine beiderseits überdeckt; bei M. persiearia ist die Leibesspitze in Form eines Schildes ausgebildet, so dass bei dieser Art der Schutz des Vorderkörpers sich noch wirksamer ausgestaltet. Die zweite Form des vollkommenen Einrollereflexes habe ich bloss bei den After- raupen der Cimbex-Arten gesehen (Fig. 17 Abb. IIb). Infolge des Einrollens fällt die Raupe von der Unterlage her- unter und verschwindet dadurch vor den Augen ihres Feindes. Es 44 "d. S. Szymanskı:- war also von vornherein zu erwarten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Grad ‘der Ausbildung: des Einrollereflexes und der Fähigkeit einer Raupenart, sich schneller von der Unterlage loszulösen, be- stehen dürfte. In der Tat konnte ich beobachten, dass überhaupt kein Einrolle- reflex oder höchstens ein unvollkommener Einrollereflex sich meistens bei denjenigen Formen, welche auf der Uuterlage festhaften, be- obachten lässt. Den vollkommenen Einrollereflex zeigen hingegen meistens diejenigen Formen, welche ganz lose auf der Unterlage sitzen. Diese Regelmässigkeit findet ihren anatomischen Ausdruck im - Bau der Bauchbeine. N - Wenn ich die Betrachtungen über den anatomischen Bau der Bauchbeine mit denjenigen Arten, bei denen ich nie den Einrolle- reflex hervorrufen konnte, beginnen soll, so muss ich mich zunächst den Arten, die den Schlagereflex des Typus C Ei A zeigen, zuwenden. Die Bauchbeine dieser Arten sind besonders stark ent- wickelt und zum vollkommenen Um- Fig. 18. Bauchbeine der klammern der Unterlage besonders ge- Raupen. Abb. 1: Harpyja N : te N vinulae; Abb. 2: Mamestra pisi;; eignet; sie bestehen aus einigen über- a ae Ds -einanderliegenden Falten, welche sich nach oben gerichtet.) auszudehnen vermögen, wodurch die Verlängerung des Beines und ein ge- naues Anschmiegen an die Unterlage erreicht wird. Die Beinspitzen sind mit einem Hackenkranz versehen (Fig. 18 Abb. 1). Wenn die Raupe auf einer passenden Stelle sitzt (z. B. auf einem Blattstiel), so umfassen die Bauchbeine kreisförmig die Unter- lage so vollkommen, dass die beiderseitigen Hakenkränze gegenseitig in Berührung kommen. Die Raupe sitzt in diesen Fällen derart fest, dass es- manchmal bei dem Loslösen leichter ist, die Beine ab- zureissen, als das Tier von der Unterlage zu trennen; solche Fälle sind mir z. B. bei Notodonta vorgekommen. Derartige Raupen zeigen, wie ich dies schon zu bemerken Gelegenheit hatte, keinen Einrollereflex. | Jene Arten, welche den vollkommenen Einrollereflex zeigen (Mamestra), haben die Bauchbeine viel einfacher gebaut; dieselben haben keine Falten, und der Hakenkranz ist schwächer entwickelt (Fig-18 Abb. 2). sh 9. 3, Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 45 Die Beine der meisten anderen Arten, welche den unvollkommenen Einrollereflex zeigen, stehen mehr oder weniger in der Mitte zwischen diesen beiden extremen Fällen. Alle diese Raupen haften auch viel schwächer auf der Unterlage. Manche Arten befestigen sich gar mit dem Spinnfaden, um ein allzu leichtes Herabfallen zu verhindern (z. B. Pieris brassicae und viele andere). Schliesslich habe ich bei der Afterraupe einer Blattwespe (Arge ustulata) ganz rudimentär entwickelte Bauchbeine beobachtet (Fig. 13 Abb. 3). Die Vertreter dieser Art sitzen ja auch in der Ruhestellung mit herabhängendem und zusammengerolltem Hinterleib. Der unvollkommene Einrollereflex ist die häufigste Form des Einrollens, so wie der Schlagereflex des Typus B die häufigste Art des Schlagens ist. Es fragt sich nun, ob diese beiden Abwehrreflexe ganz "heterogene Erscheinungen sind, oder ob ein direkter Übergang des einen in den anderen sich finden lässt? Um diese Frage zu beantworten, habe ich die Raupen, welche den Schlagereflex des Typus B und den Einrollereflex zeigen, unter- sucht und gefunden, dass- der Schlagereflex bei der fortdauernden Reizung des Rückens entweder den Fortbewegungsreflexen Platz machen oder in den unvollkommenen Einrollereflex übergehen kann. Den Mechanismus dieses letzteren Überganges habe ich genauer bei Pieris brassicae studiert. Bei einmaliger nicht über- mässiger Reizung des Rückens wird zunächst der Schlagereflex hervorgerufen (Fig. 19 Abb. 1). Bei der fortdauernden Reizung ‚ riehtet sich der Körper immer mehr auf; dabei lösen sich die Bauch- beine ein Paar nach dem anderen von der Unterlage los (Fig. 19 Abb. 2 und 3). Wenn schliesslich dieses „Aufbäumen“ die höchste Stufe erreicht hat, kippt die Raupe auf eine Seite um und fällt herab (Fig. 19 Abb. 4). Gleichzeitig dreht sich die Raupe entlang ihrer Längsachse um einen Winkel von 90° derart, dass die Bauch- seite nach innen zu liegen kommt, und schliesslich erreicht die Raupe den Boden, wo sie eingerollt liegen bleibt (Fig. 19 Abb. 5). Der Schlagereflex ist also in den Einrollereflex übergegangen. Wenn die Raupe statt auf dem Rücken auf der Seite gereizt wird, bzw. dieselbe alt oder träge ist, dreht sich das Tier in 'einer mit der Körperlängsachse gleichen Ebene gegen die gereizte Seite bin (Fig. 19 Abb. A). Wenn die Reizung fortdauert, so wird die Drehung immer stärker, bis das Tier herabfällt. Dabei dreht sich das Tier wieder derart um die Längsachse, dass die Bauchseite + 46 J. 8. Szymanski: nach innen zu liegen kommt, und wir schliesslich einen typischen Einrollereflex zu sehen bekommen (Fig. 19 Abb. 5). x Ausserdem habe ich einen recht interessanten Fall des Über- ganges des Schlage- in den Einrollereflex bei Spilosoma lubricipeda beobachtet. Bei der Reizung des Rückens zeigt Spilosoma keinen eigentlichen Schlagereflex, sondern rollt sie sich sofort ein und fällt herab (der unvollkommene Einrollereflex [Fig. 19 Abb. A und 5]). Aber manchmal zeigt die Raupe einen Schlagereflex des Typus B mit der ent- segengesetzten bewegungs- riehtung, d. h. das Tier fährt _ mit dem Kopf gegen die Bauchseite (Fig. 19 Abb. B); dabei lösen sich die Bauch- beine von der Unterlage los, das Tier fällt herab und bleibt eingerollt auf dem Boden liegen (der un- vollkommene Einrollereflex [Fig. 19 Abb. 5]). Alle diese Fälle haben die Möglichkeit des Über- ganges des Schlage- in den Einrollereflex und somit die Möglichkeit einer einheit- lichen Auffassung beider Reflexarten gezeigt. 5 Es bleibt noch die Un- Fig. 19. Übergang des Schlagereflexes tersuchung der letzten von in den Einrollereflex. Abb. 1—5: Pieris den uns interessierenden brassicae; Abb. A: Pieris, Spilosoma; Abb. B: ° Ko i Spilosoma. Fragen übrig, und zwar die Untersuchung der Frage, ob es möglich wäre, die beiden Abwehrreflexe in einer all- gemeineren Bewegungsform wiederzufinden. Es ist dies möglich, und wir werden gleich sehen, dass diese Bewegungsform im Gebiete der „Probierbewegungen“ zu suchen ist. Wenn eine sich fortbewegende Raupe den Blattrand bzw. die Zweigspitze erreicht hat, so führt das Tier nach allen Richtungen vor. gen nn De Abhandlungen zum Aufbau der Lehre ven den Handlungen der Tiere. 47 pendelnde, sozusagen suchende Bewegungen mit dem Vorderkörper aus („Probierbewegungen®* nach Jennigs) (Fig. 20 Abb. 1). Nicht allein mit dem Vorderleib, sondern auch mit dem Hinter- leib ist die Raupe fähig, die Bewegungen, welche den Probier- ‚bewegungen durchaus ähnlich sehen, auszuführen. Wenn man eine sich fortbewegende Spannerraupe beobachtet, so sieht man öfters dieselbe Probierbeweeungen mit dem Hinterleib im Momente aus- führen, in dem der Hin- terleib bei dem be- festigten Vorderleib die Stütze sucht. Aber auch bei den anderen Raupen (Vanessa, Pieris) lassen sich die den Probier- bewegungen desV order- leibes ähnlichen Bewe- 'eungen des Hinterleibes beobachten. Um die- selben hervorzurufen, muss man bloss eine Raupe an dem Vorder- leib mit den Fingern Fig. 20. Probierbewegungen einer Raupe. fassen und sie in die | Luft heben; der Hinterleib beginnt sogleich jene Bewegungen aus- zuführen, welche mit den Probierbewegungen viel Ähnlichkeit zeigen (Fig. 20 Abb. 2). Dabei versucht manchmal die Raupe sich nach rückwärts fortzubewegen, falls sie, einen Stützpunkt für den Hinter- _leib findet. Wenn man nun eine Raupe, welche die „Probierbewegungen“ ausführt, etwas genauer beobachtet, so sieht man ohne Mühe, dass es dabei Momente gibt, in denen der Raupenkörper eine für den Schlagereflex und für den Einrollereflex charakteristische Stellung einnimmt (Fig. 19 und 20). Wir können also ohne Zwang die von uns untersuchten Abwehrreflexe als die in ihrer Richtung konstant bestimmten „Probierbewegungen“ definieren. Wenn wir zum Schluss ein einheitliches Bild der von uns analy- sierten Abwehrreflexen zu entwerfen versuchen, so können wir zu- sammenfassend sagen, dass ‘ k4s J. S. Szymanski: 1. der Schlagereflex sich als eine durch die Applikationsstelle 2 des Reizes in ihrer Richtung konstant bestimmte „Probier- , beweeung“ definieren lässt; i 2. der Einrollereflex lässt sich als der bis aufs äusserste ge- triebene Schlagereflex auffassen. j Dieses „Äusserste* hat ziemlich weitliegende Grenzen bei den. Arten, bei denen der Schlagereflex die Hauptrolle im Kampfe gegen die Feinde spielt. Dagegen wird bei den Arten, bei denen der Ein- rollereflex von der grössten Bedeutung für den Schutz des Organis- | mus gegen Angreifer ist, diese äusserste Grenze schon bald erreicht. Die Möglichkeit der Auffassung einiger typischer Reflexe als der in ihrer Richtung konstant bestimmten „Probierbewegungen“ lässt unwillkürlich an eine Theorie erinnern, die die Entstehung der Reflexe aus Probierbewegungen für wahrscheinlich hält. Ich möchte diese Theorie in der kurzen Zusammenfassung von Becher hier wiedergeben: „Die Reflexe im engen, strengen Wort- sinn sind Reizreaktionen, die in ganz bestimmter Form verlaufen; ihnen stehen unbestimmtere „Probierbewegungen“ zur Seite, die nicht unmittelbar, sondern mehr zufällig einen Zweck erfüllen. Es scheint nach sorefältigen neueren tierpsychologischen Untersuchungen (Lloyd Morgan, Thorndike, Holmes, Jennings), dass solche vielseitigen Probierbewegungen die einfachste Grundlage der Entwieklung tierischen Handelns abgeben. Ein ungünstiger Reiz bewirkt alle möglichen Bewegungen; beseitigt eine von ihnen den Reiz, so wird diese Erfahrung gedächtnismässig festgehalten. (Die Fussnote hierzu: Hierin besteht die „Selektion aus überproduzierten Bewegungen“ [Bain], oder die „Methode von Versuch und Irrtum“ beim tierischen Handeln.) Wiederholt sich der Reiz, so erfolgt nun sofort die erfahrungsmässig bewährte Reaktion. Es ist nicht un- wahrscheinlich, dass typische Reflexe ebenso wie Willenshandlungen solchen Probierbewegungen gegenüber sekundär sind !).“ Wegen Mangel am 94 J. S. Szymanski: zeigt, desto leichter und ausgiebiger sich die Putzreflexe der Sinnes- organe hervorrufen lassen. Auch unter den normalen Lebens- bedingungen putzen sich die reaktionsreichen Arten viel öfters als die reaktionsarmen. | Die Versuche haben nämlich ergeben, dass im grossen und sanzen die beweglichen Arten, soziale Insekten und überhaupt die Insekten, deren Leben unter vielseitigen und heterogenen Bedingungen gleich gut gedeihen kann, sich schon beim Versetzen in einen Zustand \erhöhter Erregbarkeit ausgiebig putzen. Hingegen putzen sich die trägen Arten und überhaupt die einer monotonen Umgebung an- gepassten Insekten erst bei direkter Applikation des chemisch- mechanischen Reizes auf die Sinnesorgane, bzw. putzen sie sich überhaupt gar nicht. Die folgende Tabelle bringt die Beispiele für diese Regel. Tabelle 5. I. Arten, bei denen die ° Putz- 1. Tausendfüssler (Lithobius-Sp.). reflexe der Sinnesorgane sich schon 2. Landjungfer (Hemerobius-Sp.). durch das Versetzen in den Zu- 3. Küchenschabe (Periplaneta orient.). stand der gesteigerten Erregbar- 4. Lappländische Schabe (Ectobia lap- keit (Schwankungen im Luftdruck, ponica). Erwachen aus der Athernarkose, 9. Heuschreckenarten. Kälte — Wärme, Dunkelheit — 6. Kleinzirpe (Triecphora-Sp.). Licht usw.) hervorrufen lassen. 7. Wanzenarten. 8. Fliegenarten. 9. Wespenarten. 10. Honigbiene. 11. Hummel. 12. Ameisenarten. 13. Laufkäferarten. 14. Moderkäferarten. 15. Totengräber. 16. Heckenweichkäfer (Cantharis fusca). 17. Plateumaris-Sp. 18. Bienenwolf (Triochodes apiarius). 19. Rüsselkäferarten. 20. Bockkäferarten. 21. Blattkäferarten. 22. Fallkäferarten (Cryptocephalus-Sp.). 23. Marienkäfer. . Assel. Il, Arten, bei denen die Putz- . Florfliege (Chrysopa-Sp.). 1 reflexe der Sinnesorgane sich erst 2 durch direkte Applikation eines 3. Skorpionfliege (Panorpa montana). chemisch-mechanischen Reizes auf | 4. Afterfrühlingsfliege (eine Perlide). die Sinnesorgane selbst hervor- 5. - Libellenarten. rufen lassen. 6. Ohrwurm. 7. Wasserläufer. 8. Blindwanze (eine Capside). 9, Schnakenarten (?). 10. Mordfliege (Laphria-Sp.). 11. Sandläufer. | 12. Aaskäfer (Silpha obscura). TER Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 39 Tabelle 5 (Fortsetzung). RIIT. . Mehlkäfer. Haselnusswickler (Apoderus coryli). Blütenbockkäfer (Agapanthia car- dui). Dickschenkelkäfer (Oedemera-Sp.). Blattkäfer (Orina gloriosa). Schildkäfer (Cassida viridis). Arten, bei denen die Putz- reflexe der Sinnesorgane mit keiner der angewandten Methoden hervor- gerufen werden konnten. Tausendfüssler (Julus-Sp.). Einige Spinnenarten. Köcherfliege. Eintagsfliege. Singzirpe. Schnake (Tipula-Sp.). Schmetterlinge. Speckkäfer (Dermestes cardarius). Vertreter der Familie Lucanidae (vel. Tab. im Anhang Nr. 56 bis inkl. 62). 10. Schnellkäferarten. 11. Greiskäfer (Dascillus cervinus). 12. Johanniswürmchen. 13. Schlichtbock (Asemum striatum [??)). 14. Der gerandete Blattkäfer (Chryso- mela marginalis [??)). TUI Die Schon beim Narkotisieren bzw. bei der Luftverdünnung unter der Luftpumpe kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit voraus- sagen, zu welcher Kategorie das untersuchte Insekt gehört. Denn es scheint, dass, je rapider eine Art sich narkotisieren lässt, desto leichter die Putzreflexe auftreten. Um nun zum Schluss sich Rechenschaft darüber zu geben, warum eigentlich ein Tier die Sinnesorgane nach dem Erwachen aus der Narkose usw. putzt, möchte ich zunächst daran erinnern, dass die Putzreflexe im Momente des Überganges von der Ruhe zur Aktivität ausgelöst werden. Es scheint mir möglich, diese Tatsachen folgendermaassen erklären zu können: Im normalen (aktiven) Leben wird der Putzreflex durch die in- folge der Verunreinigung der Sinnesorgane mangelhaften Rezeptionen der Aussenwelt ausgelöst. Im Zustande der Ruhe (Schlaf, Narkose usw.) ist die Rezeptions- fähigkeit der "Sinnesorgane herabgesetzt. Im Momente nun, in deın das Tier beeinnt,: wieder aktiv zu werden, d. h. im Beginne der gesteigerten Motilität (Erregungs- stadium beim Narkotisieren oder nach dem Erwachen bzw. während der beeinnenden Atemnot unter der Glocke der Luftpumpe usw.), 56 J: S. Szymanski: empfängt ‘es infolge der noch andauernden, teilweise herabgesetzten Rezeptionsfähigkeit die Reize der Aussenwelt nur mangelhaft, d. h. so, als ob die Sinnesorgane „verunreiniet“ wären. Es putzt also die letzteren, ohne etwaige periphere Reizung!), bloss aus inneren Impulsen. Es lässt sich diese Hypothese auch folgendermaassen zusammen- fassen: In der Ruhe, die bei den Insekten möglicherweise einem schlaf- ähnlichen Zustand nahekommt, ist die Erregbarkeit des Nerven- systems herabgesetzt. i In den ersten Momenten, in denen das Insekt infolge der Steigerung der allgemeinen Erregbarkeit beginnt, die gesteigerte Aktivität wieder zu äussern, ‘bleibt dennoch die Rezeptionsfähigkeit des Nervensystems immer noch gering. Nach dem Gesetze der exzentrischen Lokalisation überträgt nun das Tier seine mangelhafte zentrale Erregung durch die sonst wirksamen Reize der Aussenwel auf die peripheren Endpunkte der Rezeptoren. Indessen löst die mangelhafte Erregung der Rezeptoren durch die wirksamen Reize im normalen Leben reflektorisch die Putz- bewegungen aus. b) Mechanismus des Putzens. Was weiter bei der Untersuchung der Putzrefiexe der Sinnes- organe von Interesse zu sein scheint, ist der Mechanismus des Putzens. Wenn der Mechanismus des Augenputzens naturgemäss sich einfacher gestalten muss, schien mir von besonderer Bedeutung, den Vorgang des Fühlerputzens näher zu verfolgen. Der Bau der Fühler ist ja bei den verschiedenen Arten so mannigfaltig, dass un- willkürlich sich die Frage aufdrängt, wie diese oder jene Art das schwierige Problem löst, ihre mehr oder weniger abenteuerlich ge- stalteten Fühlhörner zu reinigen. Was das methodische Verfahren betrifft, so reizte ich in den Fällen, in denen ich mit der Narkose, Vakuum usw. keinen Frfolg F l 1) Dass es sich hier nicht um die Folge einer unmittelbaren Reizung der Sinnesorgane durch Äther handelt, scheint dadurch bewiesen zu sein, dass einer- seits die Putzreflexe meistens erst nach dem Erwachen, das heisst eine längere Zeit nach dem Aufhören der Ätherwirkung, auftraten, anderseits aber die gleichen Erscheinungen sich durch andere Mittel (Vakuum, Kältestarre, Wechsel zwischen Dunkelheit — Licht) hervorrufen lassen. Prasll 2 Wads Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 57. hatte, unmittelbar die Fühler (und Augen) mit der oben erwähnten Lösung (Mischung von Formalin + Seifelösung + schwarze Tusche + Syndetikon). Dieses Gemisch musste einerseits chemische (Formalin, Seife), andererseits mechanische (Tuschepartikelehez, Syndetikon) Wirkung ausüben. Die einzelnen Versuchsergebnisse möchte ich nun separat und etwas eineehender behandeln. Als erstes Resultat dieser Untersuchungen ist zunächst hervor- zuheben, dass beim Augen- und Fühlerputzen und beim Reinigen der Putzorgane (Vorderbeine) alle denkbaren und mechanisch ein- fachsten Fälle verwirklicht sind. \ =} 2. N Fig. 22.° Augenputzen. Abb. 1: Libellenarten (Libellula_ depressa und Agrion-Sc.. Abwischen der beiden Augen auf einmal je mit dem gleichsinnigen Vorderbein. Abb. 2: Abwischen des linken Auges mit dem gleichsinnigen Vorderbein, gleich- zeitig Putzen des rechten Vorderbeines mit den Mundwerkzeugen. (Vgl. auch Fig. 26: Abb. 1.) Was zunächst das Augenputzen betrifft, so sind bloss zwei mechanisch einfachste Fälle denkbar, und zwar entweder das Ab- wischen des Auses mit dem einen Vorderbein oder das Abwischen beider Augen gleichzeitig mit beiden Vorderbeinen. Beide Fälle sind in der Tat in der Natur zu treffen (Fig. 22). (Vel. Tab. 6.) Das Fühlerpützen kann entweder mit den Beinen oder mit den Mundwerkzeugen bewerkstelligt werden. Beim Fühlerputzen mit den Beinen können zwei Fälle unter- schieden werden. Im ersten Falle bleibt der Kopf und das Fühl- horn mehr oder weniger unbeweglich (Kopf: passiv), und bloss die Vorderbeine führen putzende Bewegungen aus (Beine: aktiv). 98 J. S. Szymanski: Fig. 23. Fühlerputzen mit den Beinen. (Erklärung s. S. 59.) en ne Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 359 Erklärung zu Fig. 23, 5. 58. I-IV. Beispiele von den Fällen, in denen der Kopf unbeweglich bleibt und bloss die Vorderbeine putzende Bewegungen ausführen: I. Viele Wanzenarten (z. B. Eurydema -Sp., Palomena \ prasina, Syro- mastes usw... Abb. 1: Ruhestellung. Abb. 2: Putzen eines Fühlhornes mit den beiden Vorderbeinen (charakteristische Putzstellung!). U. Laufkäfer (Carabus Scheidleri, Abb. 1: Putzen eines Fühlhornes mit dem gleichsinnigen Vorderbein. Abb. 2: Reinigen des Putzorganes am gleichsinnigen Mittelbein. Ill. Ameisenarten (Formica rufa, Campanotus herculaneus). Abb. 1: Putzen eines Fühlhornes mit dem gleichsinnigen Vorderbein. Abb. 2: Reinigen des Putzorganes mit den Mundwerkzeugen. I IV. Eine andere Haltung des Tarsus bei dem Putzen der Fühlhörner. (Abb. 1-3: Tropicoris rufipes L.) V und VI. Beispiele von den Fällen, in denen die Vorderbeine die passive Rolle eines das Fühlhorn festhaltenden Apparates spielen und der Kopf sich bei dem Putzen aktiv verhält, d. h. durch die Kopfbewegungen wird das Fühlhorn durch die Putzvorrichtung gezogen: V. Haselnusswickler (Apoderus coryli). Abb. 1: Erfassen beider Fühler auf einmal, je mit der betreffenden Putzvorrichtung des gleichsinnigen Vorder- beines.. Abb. 2: Emporheben des Kopfes und Durchziehen der Fühler durch die Putzvorriehtungen. VI. Rüsselkäferarten (Otiorrhynchus gemmatus und Phyllobius psittacinus). Abb. 1: Niederdrücken eines Fühlhornes gegen die Unterlage mit dem gleichsinnigen Vorderbein. Abb. 2: Emporheben des Kopfes und Durch- ziehen des Fühlers durch die Putzvorrichtungen. VH. Durchziehen des Fühlhornes zwischen den gleichsinnigen Vorder- und Mittelbeinen (Abb. 2) und Reinigen der Putzorgane (Abb. 1) (Bockkäfer [Agapanthia cardui)). Im zweiten Falle spielen die Vorderbeine die passive Rolle eines das Fühlhorn, festhaltenden Apparates’(Beine: passiv), und bloss der Kopf verhält sich beim Putzen aktiv, d. h. durch aufwärts gerichtete Kopfbewegungen wird das Fühlhorn durch die Putz- vorrichtungen gezogen. Beide dieser Fälle mit allen möglichen Kombinationen innerhalb jeden Falles!) habe ich gefunden (Fig. 23). Auch das Durchziehen des Fühlers zwischen den gleichsinnigen Vorder- und Mittelbeinen als Putzreflex ist verwirklicht (Fig. 23 VI). Beim Putzen der Fühler mit den Mundwerkzeugen ist es denk- bar, dass der Fühler entweder mit dem gleichsinnigen oder mit dem segenüberliegenden Vorderbein in den Mund hineingesteckt wird; ausserdem sind aber die Fälle denkbar, in denen das Fühlhorn mit dem Kiefertaster in den Mund hineingesteckt sein könnte. Während des Putzens könnte das Fühlhorn entweder mit dem Bein unter- stützt werden oder aber losgelassen sein. Alle diese Fälle?) habe ich in der Tat beobachtet (Fig. 21 VI, 24 und 25 )). 1) Mit vielleicht einer einzigen Ausnahme, und zwar Abwischen des Fühlers (bzw. des Auges) mit dem gegenüberliegenden Vorderbein. ’ 2) Mit vielleicht einer einzigen Ausnahme, und zwar-Stecken eines Fühl- hornes in den Mund auf einmal mit den beiden Vorderbeinen. 60 J. S. Szymanski: Schliesslich ist bei den Untersuchungen des Vorganges des Putzens noch zu berücksichtigen, wie die Vorderbeine, falls sie als Putzorgane dienen, gereiniet werden. Hier sind drei Hauptarten des Putzens möglich, und zwar die Vorderbeine werden entweder durch Aneinanderreiben oder mit dem Mittelbein oder schliesslich nıit den Mundwerkzeugen gereinigt. Fig. 24. Fühlerputzen mit den Mundwerkzeugen. I. Hineinstecken des Fühlers in den Mund mit dem gleichsinnigen Vorder- bein (Abb. 1—4: Heuschrecke [Platycleis brachyptera 2.]). II. Hineinstecken des Fühlers in den Mund mit dem gegenüberliegenden Vorderbein (Abb. 1a— 1b: Küchenschabe [Periplaneta orientalis)). III. Hineinstecken des Fühlers in den Mund mit dem Kieferfuss (Abb. 1—2: Tausendfüssler [Littobius-Sp.]). (Vgl. auch Fig. 25 I.) Alle diese Fälle habe ich bei meinen Untersuchungen tatsäch- lich gefunden (Fig. 23 II und IH und 26). Der Mechanismus des Futzens war in den obigen Ausführungen bloss grob skizziert: Die Einzelheiten und weitere Beispiele können der nachfolgenden Tabelle 6 (S. 61—63) entnommen werden. Was noch die Vorderbeine 2 Putzorgan betrifft, so ist hier folgendes zu bemerken: \ Falls die Vorderbeine als Putzorgane dienen, bzw. wenn die- dieselben zum Hineinstecken der Fühlhörner in den Mund ver- wendet werden, so brauchen die Vorderbeine nicht in der gleichen Weise wie die Fühler geputzt zu werden. Hier sind alle möglichen Kombinationen zu vergegenwärtigen, wie dies die auf S. 63 ab- gedruckte Tabelle 7 zeigt. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 61 Tabelle 6. NN Ne li Augen- 1. Bloss ein Auge auf einmal wird mit | 1. Kleinzirpe (Triecphora-Sp.). putzen: dem gleichsinnigen Vorderbein ab -| 2. Heuschreckenarten. gewischt. 2. Biene. 4. Marienkäfer. . Beide Augen auf einmal werden je | 1. Fliegenarten. mit dem gleichsinnigen Vorderbein- | 2. Libellenarten. abgewischt. Fühler- A. Fälle, in denen der Kopf (und die putzen: Fühlhörner) unbeweglich (passiv) I. Mit den bleiben und bloss die Vorderbeine Beinen: putzende Bewegungen ausführen (Beine: aktiv): 1. Bloss ein Fühlhorn auf einmal wird mit dem gleichsinnigen Vorderbein geputzt. 2 Bless ein Bahlhorn wird mit den beiden Vorderbeinen auf einmal abgewischt. 3. Beide Fühlhörner werden auf einmal, je mit dem gleichsinnigen Vorderbein abgewischt. 4. Beide Fühlhörner werden auf- einmal mit bloss einem Vorder- bein abgewischt. BP Sopnpppr anpeme naspwDH Papierwespe (öfters). Biene. Hummel. Ameisenarten. Laufkäfer (öfters). Plateumaris-Sp. Bockkäferarten. Landjunsfer (Hemerobius). Skorpionfliege. Viele Wanzenarten. Moderkäfer (Staphylinus). Pappelblattkäfer (Lina). Schildkäfer (manchmal). Sandläufer. Laufkäfer (öfters). Papierwespe (öfters). Blattkäfer (öfters). Schildkäfer (manchmal). Bienenwolf (Trichodes) (öfters). Dickschenkelkäfer (manchmal). Bienenwolf (Trichodes) (manch- mal). | | B. Fälle, in denen die Vorderbeine die passive Rolle eines das Fühlhorn fest- haltenden Apparates spielen, und der Kopf (und das Fühlhorn) sich beim Putzen aktiv verhält, d. h. durch die Kopfbewegungen wird das Fühlhorn durch die Putzvorrichtungen ge- zogen: 1. Bloss ein Fühlhorn wird mit dem gleichsinnigen Vorderbein gegen die Unterlage gedrückt und durch das Emporheben des Kopfes durch die Putzvorrichtungen des Vorder- beines gezogen. Bloss ein Fühlhorn wird mit den “ Putzvorrichtungen des gleich- sinnigen Vorderbeines erfasst und durch das Emporheben des Kopfes durch die Putzvorrichtungen ge- zogen. nz Rüsselkäferarten. Mehlkäfer. \ Möglicherweise manchmal einige Bockkäferarten (Saperda). Möglicherweise manchmal Blatt- käfer (Galleruca). 62 J. S. Szymanski: Tavelle 6 (Fortsetzung). 3. Beide Fühlhörner werden auf | 1. Wahrscheinlich Afterfrühlings- einmal, je mit dem gleichsinnigen fliege (eine Perlide). Vorderbein gegen die Unterlage hin gedrückt und durch das Em- porheben des Kopfes durch die Putzvorrichtungen der Vorder- beine gezogen. 4. Beide Fühlhörner werden auf | 1. Haselnusswickler (Apoderus einmal, je mit der betreffenden coryli). Putzvorrichtungdesgleichsinnigen | 2. Blattkäfer(Galleruca)(manchmal). Vorderbeines erfasst und durch das Emporheben des Kopfes durch die Putzvorrichtung gezogen. C. Das Fühlhorn wird zwischen den 1. Einige Bockkäferarten (Saperda, gleichsinnigen Vorder- und Mittel- Agapanthia) (manchmal). beinen durchgezogen. | 2. Möglicherweise manchmal Blatt- käfer (Galleruca). 1. Mit den | A. Bloss ein Fühlhorn wird in den Mundwerk- Mund gesteckt: eugen: 8 Heuschreckenarten (mit den lan- gen Fühlern, z. B. Plathycleis). Ohrwurm. Mistlieb (Philonthus). Totengräber. Aaskäfer (Silpha). Heckenweichkäfer (Cantharis). Viele Bockkäferarten. Dickschenkelkäfer (Oedemera). Küchenschabe (Periplaneta). — 1. Mit dem gleichsinnigen Vorder- bein. er IE N) Mit dem gegenüberliegenden Vorderbein. 3. Mit dem Kiefertaster. 1. Männchen von der lappländischen Schabe (Ectobia lapponica L.). 4. Mit dem Kieferfuss. 1. Tausendfüssler (Lithobius). B. Beide Fühlhörner werden auf einmal | 1. Aaskäfer (Silpha) (manchmal). in den Mund gesteckt. C. Während des Putzens wird das Fühl- horn von dem gleichsinnigen Vorder- bein: 1. unterstützt. 1. Totengräber. 2. Dickschenkelkäfer (Oedemera). 3. Aaskäfer (Silpha) (meistens). | 4. Bockkäfer (Leptura armata). 2. losgelassen. | Alle übrigen untersuchten Arten. 1. Beide Vorderbeine werden aneinander | 1. Viele Wanzenarten (manchmal). gerieben. - | 2. Fliegenarten. 3. Hummel. 4. Pappelblattkäfer (Lina populi). Reinigen der Vorderbeine, falls diesel- ben als Putz- organe dienen: ’ P Pr ” A d) hi 2. AN ne > An EEE TERN TE Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 63 Tabelle 6 (Fortsetzung). 2. Das Vorderbein wird an dem gleichsinnigen Mittelbein ge- rieben. Beide Vorderbeine werden gleichzeitig an den gleich- sinnigen Mittelbeinen ge- rieben. Das Vorderbein wird mit den Mundwerkzeugen geputzt. Tabelle 7. 1. DR SLIIT . Kleinzirpe (Triecphora). . Viele Wanzenarten (manch- mal). 1 2 3. Honigbiene. 4. 3 6 7 Sandläufer. . Laufkäfer. . Rüsselkäfer. . Viele Bockkäferarten (manch- mal). Haselnusswickler (Apoderus coryli). Landjungfer (Hemerobius). Libellenarten. Papierwespe. | Ameisenarten. Moderkäfer (Staphylinus). Plateumaris-Sp. Bienenwolf (Trichodes). Viele Bockkäferarten (manch- mal). mit kauenden Mundwerkzeugen mit den ‚Vorderbeinen . Die Fühler und das Putzorgan | 1 Vorderbeine) werden mit den | 2 einen geputzt. 52 4 5 . Die Fühler werden mit den Vorder- beinen, das Putzorgan (Vorder- beine) mit den Mundwerkzeugen geputzt. . Die Fühler werden mit den Mund- | erkzeugen, die Vorderbeine, die ie Fühler in den Mund stecken, mit den Beinen geputzt. | . Die Fühler und die Vorderbeine, die die Fühler in den Mund stecken, 2 werden mit den Mundwerkzeugen | 3. ‚geputzt. 1. 2. 9. 4. . Sandläufer (Cincindella). . Laufkäfer (Carabus). Laufkäfer (Ophonus). . Rüsselkäferarten. . Pappelblattkäfer (Lina populi). Moderkäfer (Staphylinus). Plateumaris-Sp. Bienenwolf (Trichodes; apiarius). Ameisenarten. 1: 1. Als eine der vielen anderen Kom- binationen beim roten Schmalbock (Leptura rubra). Mistlieb (Philonthus). . Weichkäfer (Cantharis fusca). Dickschenkelkäfer (Oedemera). \ 5 Wie schon oben angedeutet ist, werden die Fühlhörner in der mechanisch einfachsten Weise geputzt. Diese Behauptung findet in der folgenden allgemeinen Gesetzmässigkeit ihre Bedeutung: Lange Fühler werden im grossen und ganzen bei den Arten ‚ geputzt. Bei den Arten mit nicht kauenden Mundwerkzeugen werden ebenso kurze wie auch lange Fühler mit den Vorderbeinen geputzt. 64 Je S. Szymanski: 3\ Diese Gesetzmässigkeit gilt selbstverständlich nicht für alle Fälle. Es gibt Arten mit kauenden Mundwerkzeugen, die ihre relativ langen Fühlhörner mit den Beinen putzen, und zwar: 1. wenn die kauenden Mundwerkzeuge klein ausgebildet sind (Rüsselkäfer; Chrysomelidae) ; 2. wenn die Fühler recht steif und wenig biegsam sind, (einige Bockkäferarten). Aber auch die relativ kurzen Fühlhörner können mit den Mundwerkzeugen geputzt werden, und zwar in den folgenden Fällen: 1. wenn die Fühler am Ende Anschwellungen haben (knopf- förmige, stark keulenförmige) (Totengräber, Bienenwolf); 2. wenn die Beine recht kurz ausgebildet sind (Tausendfüssler [Lithobius]). Alle diese Tatsachen berechtigen zu der schon im Anfange dieses Kapitels ausgesprochenen Ansicht, dass beim Putzen der Sinnesorgane alle denkbaren und mechanisch am einfachsten ausführ- baren Fälle verwirklicht sind. Diese Feststellung entbehrt, wie es mir scheint, nicht einer all- gemeinen theoretischen Bedeutung). Als weiteres Ergebnis der Untersuchung über den Mechanismus des Putzens muss betont werden, dass der Putzvorgang nicht bei allen Insektenarten mechanisch vollendet und stets konstant verlaufend ausgebildet zu werden scheint. Diese Behauptung lässt sich durch folgende Tatsachen unterstützen: 1. Vielen Insektenarten gelingt es, erst nach einigen miss- lungenen Versuchen die Fühlhörner mit den Putzorganen zu fassen. (Rüsselkäferarten, Pappelblattkäfer [Lina populi]). 'l) Hier möchte ich bloss auf eine Schlussfolgerung die Aufmerksamkeit lenken. Eine von altersher eifrig diskutierte Frage ist, ob die Naturkräfte nach einer vorgefassten Leitidee oder vielmehr automatisch auf dem Wege des Überwindens des geringsten Widerstandes, sozusagen nach der Methode des Versuchs und Irrtums arbeiten? Sollte diese letztere Annahme Berechtigung haben, so müssten nach der Wahrscheinlichkeitstheorie bei der Lösung eines Problems alle als möglich denkbaren und mechanisch am einfachsten ausführ- baren Fälle in allen Vervollkommnungsstufen realisiert sein. Bei der Analyse des Putzvorganges der Insekten findet man aber in der Tat diese Voraussetzung verwirklicht. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 65 2. Der Putzvorgang scheint bei den gleichen Individuen einer Art nicht immer in der gleichen Weise zu verlaufen, und zwar scheint es, dass, je lebhafter ein Käfer reagiert, desto konstanter der Putz- vorganeg verläuft. Einerseits reagieren zum Beispiel Sandläufer, Ameisenarten. Schabenarten, Wespen, Bienen, Moderkäfer usw. prompt und konstant. Andererseits putzt zum Beispiel Blattkäfer (Galleruca) manchmal das Fühlhotn mit dem Tarsus, manchmal zwischen Femur und Tibia. Ab und zu scheint der Käfer sich dabei mit dem gleich- sinnigen Mittelbein zu helfen. Er kann aber auch beide Fühlhörner auf einmal derart mit den gleichsinnigen Vorderbeinen putzen, dass er die beiden Fühlhörner, je zwischen gleichsinnigen Femur und| Tibia des Vorderbeines festklemmt, die Beine wieder auf die Unter- lage setzt und das Fühlhorn durch Emporheben des Kopfes durch die Putzvorrichtungen zieht. Oder zum Beispiel wischt der rote Schmalbock (Leptura rubra) das Fühlhorn entweder mit dem gleichsinnigen Vorderbein ab, oder aber er putzt das Fühlhorn mit den Mundwerkzeugen. Das Vorder- bein (Putzorgan) reinigt er entweder mit dem gleichsinnigen Mittel- bein oder mit den Mundwerkzeugen. Zum Schlusse mögen bezüglich des Putzreflexes noch die Familien-, Art-, sexuelle und individuelle Unterschiede besprochen werden.. Um mit den Familienunterschieden zu beginnen, konnte ich feststellen, dass innerhalb einer Insektenordnung der Putzmechanis- mus bei nahe verwandten Familien nicht gleich ausgebildet zu sein braucht. So putzen zum Beispiel Wespen, Bienen, Hummeln und Ameisen die Fühlhörner mit den gleichsinnigen Vorderbeinen, während das Putzorgan (Vorderbein) von den Papierwespen und Ameisen mit den Mundwerkzeugen, von den Bienen mit dem gleichsinnigen Mittelbein und von den Hummeln durch Aneinanderreiben beider Vorderbeine geputzt wird. | Aber nicht nur einzelne Familien, sondern selbst ganz nahe verwandte Arten können erosse Unterschiede im Putzmechanismus der Fühler aufweisen. Alle von mir untersuchten "Schaben putzen: die Fühlhörner mit den Mundwerkzeugen. Dabei jedoch steckt die Küchenschabe das Fühlhorn in den Mund mit dem gegen- überliegenden Vorderbein, das Männchen von der lappländischen Sehabe mit dem Kiefertaster. Die Heuschreeke Chrysochraon Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 5 66 .J. 8. Szymanski: dispar putzt die Fühler mit den Vorderbeinen, die Heuschrecken Platyeleis. brachyptera Z. und Odontura punetatissima mit den Mundwerkzeugen. Der Moderkäfer (Staphylinus caesareus) putzt die Fühlhörner mit dem Vorderbein, der Mistlieb (Philonthus Sp.) mit den Mund- werkzeugen. Die Bockkäfer Saperda populnea und Agapanthia eardui putzen die Fühler entweder mit dem gleichsinnigen Vorder- bein oder zwischen den eleichsinnigen Vorder- und Mittelbeineu. Das Putzorgan (Vorderbein) wischen sie am gleichsinnigen Mittelbein ab. Die Bockkäfer der Leptura-Art putzen die Fühlhörner entweder mit dem gleichsinnigen Vorderbein oder aber mit den Mundwerk- zeugen. Das Vorderbein putzen Leptura rubra und L. melanura entweder mit den Mundwerkzeugen oder mit den Su Mittelbein, Leptura armata mit den Mundwerkzeugen. Wenn einerseits, wie wir soeben gesehen haben, nahe ver- wandte Arten der eleichen Familie Unterschiede im Putzmechanismus aufweisen können, so können andererseits die Arten, die weit von- einander entfernten Insektenordnungen angehören, einen gleichen Putz- vorgang zeigen. So putzt zum Beispiel eine Landjungferart (Heme- robius) und der eoldstreifige Moderkäfer (Staphylinus eaesareus) ein Fühlhorn mit den beiden Vorderbeinen; das Putzorgan \Noelernoin reinigen beide Arten mit den Mundwerkzeugen. Geschlechtliche Unterschiede habe ich bei der lappländischen Schabe (BEetobia lapponica Z.), deren beide Geschlechter die Fühl- hörner mit den Mundwerkzeugen putzen, beobachtet. Der Putzmechanismus des Männchens und des Weibchens zeigt insofern Unterschiede, als das Männchen das Fühlhorn in den Mund mit den Kiefertaster steckt, während das Weibchen das Fühlhorn mit den gleichsinnigen Vorderbeinen unter den Bauch schiebt, das Bein wieder auf den Boden setzt und schliesslich das so eingekniekte Fühlhorn mit den Mundwerkzeugen ergreift (Fig. 25). Individuelle Unterschiede im Putzmechanismus scheinen bei vielen Insektenarten zu bestehen. So zum Beispiel scheint es, dass bei den Bockkäferarten, bei” denen beide Hauptformen des Putzens (mit den Beinen und mit den’ Mundwerkzeugen) bestehen, das eine Individuum mehr die eine Form des Putzens (zum Beispiel mit den Beinen), das andere Individuum die andere Form (zum Beispiel mit den Mundwerkzeugen) bevorzugt. Indessen habe: ich Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 67 viel zu wenig Individuen einer Art untersucht, um in dieser Frage etwas. mehr als eine vorläufige Vermutung aussprechen zu dürfen. . Zum Schluss möchte ich bemerken, dass alle diese Betrach- tungen über den Mechanismus des Putzens bloss einer ersten Orientierung dienen sollen. Ich habe leider von vielen Arten bloss ein oder wenige Indivi- duen untersuchen können; indessen wäre es nötig, von jeder Art möglich viele Individuen zu beobachten. HERE Fig. 25. Sexuelle Unterschiede im Putzmechanismus. I. Das Männchen von der lappländischen Schabe (Ectobia lapponica Z.) (Abb. 1) steckt das Fühlhorn in den Mund mit dem gleichsinnigen Kiefertaster (Abb. 2) - und putzt dann das Fühlhorn mit den Mundwerkzeugen (Abb. 3). II. Das Weibchen von der lappländischen Schabe (Ectobia lapponica L.) senkt ‘ das Fühlhorn nieder, dann schiebt es dasselbe mit dem gleichsinnigen Vorder- bein unter die Brust (Abb. 1), setzt das Bein wieder auf den‘Boden (Abb. 2) und ergreift zum Schluss das so eingeknickte Fühlhorn mit den Mundwerk- zeugen, mit denen nun das Insekt das Fühlhorn putzt. Wenn solche Beobachtungen ausgeführt werden könnten, so würde sich möglicherweise die Notwendigkeit herausstellen, hie und da etwas korrigieren zu müssen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass die zwei Formen des Putzens, die in vielen Fällen zu beobachten sind, sich bei einigen Arten bloss als eine Form entpuppen könnten. Das Abwischen der Fühler mit dem Vorderbein (die eine Form) könnte zum Beispiel hie und da bloss ein nicht vollständig durcheeführtes Hineinstecken des Fühlers mit den eleichsinnigen Vorderbeinen in den Mund sein, = * 68 .J. 8. Szymanski: y während das Putzen mit dessen Werkzeugen (die zweite Form) die eigentliche und einheitliche Form des Putzens wäre usw. Weiteren Untersuchungen bleibt es vorbehalten, diese und ähn- liche Angaben nachzuprüfen. ec) Zur Analyse des Begriffes „Instinkt“. a) Aufeinanderfolge der Putzreflexe. Es wäre irrtümlich, den- Putzvorgang lediglich auf das Putzen des betreffenden Sinnesorganes beschränken zu wollen. Denn ein vollständiger Putzvorgang besteht aus einigen ein- zelnen Putzreflexen, und zwar ausser dem eigentlichen Putzreflex aus dem Einnehmen der Putzstellung und aus dem Reinigen der- jenigen Körperteile, mit denen die Sinnesorgane geputzt werden sollen. Dabei kann als Regel folgendes gelten: Die Aufeinanderfolge, in der die Putzreflexe auftreten, ist derartig, dass zunächst die Putzstellung eingenommen und derjenige Körperteil, mit dem die Sinnesorgane gereinigt werden sollen, ab- gewischt wird, und dann erst werden die Sinnesorgane selbst geputzt ?). Nach dem Putzen der Sinnesorgane werden meistens die Putzwerk- zeuge wiederum abgewischt. So zum Beispiel reiben die Fliegenarten zunächst die Vorder- beine aneinander und erst nachher die Augen (Fig. 26 I). Der Laufkäfer reibt zunächst das Vorderbein am ‚gleichsinnigen Mittel- bein, und dann erst putzt er das gleichsinnige Fühlhorn mit dem Vorderbein. Landjungfer Hemerobius putzt zuuächst die Vorder- beine mit den Mundwerkzeugen, und erst nachher wischt das Insekt das eine Fühlhorn mit den beiden Vorderbeinen ab. Dieselbe Reihen- folge zeigt der goldstreifige Moderkäfer (Staphylinus caesareus). Der Pappelblattkäfer reibt zunächst die Vorderbeine (Tibia) an- 1) Diese Aufeinanderfolge lässt sich bloss nach dem Erwachen aus der Narkose, nach der Luftzufuhr im Vakuum usw., überhaupt bei Anwendung von schwachen Reizen beobachten; öfters habe ich auch die gleiche Aufeinander- folge in der freien Natur bei dem spontanen Augenputzen der Fliegenarten beobachtet. Hingegen kommt diese Aufeinanderfolge bei der unmittelbaren Applikation starker Reizungen zum Beispiel nach dem Beschmieren der Fühl- hörner mit Formalinlösung, meistens nicht zum Ausdruck, denn in diesem Falle wird das gereizte Fühlhorn, wenigstens bei den reaktionstüchtigen Arten, sofort hastig geputzt, ohne zunächst das Reinigen des Putzorganes zu bewirken. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 69 einander; dann wischt er das eine Fühlhorn mit den beiden Vorder- beinen ab usw. Die Insekten, die ihre Fühler mit den Mundwerkzeugen putzen, führen zunächst eine kauende Bewegung aus, und dann erst stecken sie das Fühlhorn in den Mund. (Lithobius, Heuschrecke’ Platyeleis brachyptera, Totengräber, die Bockkäferarten usw.) Öfters putzen auch die Insekten zunächst das Vorderbein, mit dem sie das Fühlhorn in den Mund hineinstecken sollen (zum Bei- spiel Weichkäfer, Cantharis fusca, [Fig. 26 II], Heuschrecke Platycleis brachyptera L., die Bockkäferarten usw.). Das Einnehmen der Putzstellung als erster Akt in dem Putz- mechanismus lässt sich, zum Beispiel bei den Wanzenarten!) (vel. Fig. 23 I), Küchenschaben, dem grünen Schildkäfer (Cassida virida) usw., schön beobachten. Fig. 26. Die einzelnen Putzreflexe, aus denen sich der Putzinstinkt zusammensetzt: I. Aufeinanderfolge der Putzreflexe bei den Fliegenarten. Abb. 1: Ruhe- stellung. Abb. 2: Aneinanderreiben der Vorderbeine. Abb. 3: Putzen der Augen mit den Vorderbeinen. II. Aufeinanderfolge der Putzreflexe bei einem Weichkäfer (Cantharis fusca), Abb. 1: Kauende Mundbewegungen und Putzen der Vorderbeine mit den Mundwerkzeugen. Abb. 2: Hineinstecken des Fühlhornes in den Mund mit dem gleichsinnigen Vorderbein. Abb. 3: Putzen des Fühlhornes mit den Mundwerkzeugen. Wenn wir nun den ganzen vollständigen Putzvorgang mit dem alten, meistens nichtssagenden Worte „Instinkt“ benennen wollen, ® 1) Vom ästhetischen Standpunkte aus betrachtet, sind die Putzstellung und die Putzbewegung der Wanzen die schönsten, die ich je bei einem Insekt ge- sehen habe. 70 J. S. Szymanski: so haben wir ein klassisches Beispiel vor uns, an dem sich der Unterschied zwischen den Begriffen „Reflex* und „Instinkt“ er- klären lässt. Wie erinnerlich, hat Spencer die bis heute gültige Definition des Instinktes eingeführt. Der Instinkt soll nach seiner Meinung nichts anderes als „zusammengesetzter Reflex“ oder, wie wir heute sagen, „eine Kette von Reflexen“ sein. i Der Putzinstinkt ist eine solche Kette von Reflexen par excellence. Derselbe lässt sich ohne Mühe in seine Bestandteile, d. h. einzelne Reflexe (Einnehmen der Putzstellung + Reinigen des Putzorganes + Putzen der Sinnesorgane + [öfters] Reinigen des Putzorganes), von denen jeder vorhergehende meistens den nächstfolgenden auslöst, zerlegen. Ob auch diese Reflexe sich hervorrufen lassen, wenn man ein für das Zustandekommen derselben obligatorisches Organ ausser Funktion setzt, darüber sollten Amputationsversuche Aufschluss verschaffen. f ß) Amputationsversuche. Die Versuche und Beobachtungen wurden an Wanzenarten, Küchenschaben, Ameisen und einer Bockkäferart gemacht. Der Ausgangspunkt für die Amputationsversuche war die Be- obachtung, die ich an einer Baumwanze (Palomena prasina ZL.), gemacht habe. Diese Wanze hatte das linke Fühlhorn abgebrochen; ° der Fühlerstumpf bestand bloss aus zwei Gliedern. Dessenungeachtet führte die Wanze nach dem Erwachen aus der Äthernarkose die nor- nialen Putzbewegungen mit den Vorderbeinen aus, als ob sie zunächst das linke fehlende Fühlhorn putzen möchte; indessen erreichten die Vorderbeine nicht das Ende des abgebrochenen Fühlhornes. Darauf- hin putzte die Wanze das normale rechte Fühlhorn (Fig. 27 I Abb. 1 und 2). Die Amputationsversuche habe ich an Baumwanzen (Palomena prasina Z.) und an Saumwanzen (Syromastes marginatus) mit Erfolg ausgeführt. Bei den beiden Wanzenarten wurden die Fühlhörner knapp am Ansatz amputiert, und daraufhin wurden die Wanzen mit Äther narkotisiert. Nach dem Erwachen aus der Narkose taten die Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 71 Wanzen so, als ob sie die fehlenden Fühlhörner putzen möchten, d. h. die Insekten nahmen die Putzstellung ein und führten mit den beiden Vorderbeinen normale Putzbewegungen aus (Fig. 27 I Abb. 3). Fig. 27. Amputationsversuche. N I. Eine Baumwanze (Palomena prasina) mit dem verkürzten, abgebrocheren linken Fühlhorn tut, als ob sie das fehlende Fühlhorn putzte (Abb. 1); nachdem putzt die gleiche Wanze das normale” rechte Fühlhorn (Abb. 2). Die Abb. 3 zeigt eine Wanze mit dem amputierten Fühlhorn, die so tut, als ob sie die fehlenden Fühlhörner putzen möchte. (Versuche wurden an e Palomena prasina und Syromastes marginatus ausgeführt.) I. Putzreflexe einer Schabe (Periplaneta orientalis) mit dem amputierten linken Vorderbein. .A. Putzreflexe einer normalen Schabe (die Schabe steckt das linke Fühlhorn mit dem rechten, also dem gegenüberliegenden Vorderbein in den Mund hinein). Abb. 1: Die Schabe mit dem amputierten rechten Vorderbein dreht zunächst den Kopf ein paarmal nach unten und rechts, als ob das Tier das Fühlhorn mit dem amputierten Bein in den Mund - stecken möchte, ohne mit dem linken Vorderbein mitzuhelfen. Abb. 2: Die Schabe steckt zuletzt das linke Fühlhorn mit dem linken, also dem gleichsinnigen Vorderbein in den Mund hinein. Abb. 3: Das normale Putzen ‘des Fühlhornes mit den Mundwerkzeugen. II. Putzreflexe einer Ameise (Formica rufa) mit dem amputierten rechten Vorder- bein. Abb. 1: Das normale Putzen des rechten Fühlhornes mit dem rechten Vorderbein. Abb. 2: Das Putzen des rechten Fühlhornes mit dem linken Vorderbein nach der Amputation des rechten Vorderbeines. ” 72 J. S. Szymanski: Wenn bei den Wanzen die rezeptorischen Organe amputiert worden waren, so wurden bei den Küchenschaben und den Ameisen die effektorischen Organe entfernt. Die Küchenschaben (Periplaneta orientalis) putzen den Fühler mit den Mundwerkzeugen, nachdem die Insekten das Fühlhorn mit dem gegenüberliegenden Vorderbein in den Mund hineingesteckt haben. 2 Ich habe. nun ein Vorderbein amputiert und die Schabe unter _ die Luftpumpe gesetzt (um zu sehen, wie jetzt die Schabe das dem amputierten Bein gegenüberliegenden Fühlhorn in den Mund hinein- stecken wird). Der Putzvorgang war folgender: Nachdem zunächst einige misslungene Versuche ausgeführt worden waren, bei denen die Schabe einige Male den Vorderkörper aufrichtete, den Kopf niedersenkte und seitwärts drehte, als ob das Tier das gegenüberliegende Fühlhorn mit dem amputierten Bein in den Mund stecken wollte, ohne indessen anfangs mit dem gleich- sinnigen Vorderbein mitzuhelfen, steckte zuletzt das Insekt das Fühlhorn mit dem gleichsinnigen Vorderbein in den Mund (Fig. 27 I). Bei den roten /Waldameisen (Formica rufa), die normal ein Fühlhorn mit dem gleichsinnigen Vorderbein!) putzen, wurde das rechte Vorderbein amputiert, und daraufhin wurden die Insekten mit Äther narkotisiertt. Nach dem Erwachen dreht zunächst die Ameise den Kopf gegen die normale (linke) Seite, und nach vielen misslungenen Versuchen fasst es das linke Fühlhorn mit dem Putz- sporn des rechten, also gegenüberliegenden Beines, mit dem sie dann das Fühlhorn durchkämmt (Fig. 27 ID. Schliesslich habe ich folgende Beobachtung bei einer x Bockkäfer- art (Leptura melanura) gemacht. Einem Individuum dieser Art wurde bei dem Transport das - rechte Fühlhorn und die linken Tibia und Tarsus abgebrochen. Der aus der Äthernarkose erwachte Käfer bemühte sich vergeblich, einerseits das fehlende rechte Fühlhorn mit dem vorhandenen gleich- sinnigen Vorderbein und andererseits das vorhandene linke Fühl- horn mit dem fehlenden gleichsinnigen Vorderbein in den Mund zu stecken. 1) Siehe die Abbildung des Kammapparates der Ameisen bei Reuter, Lebensgewohnheiten und Instinkte der Insekten Fig. 28. 1913. N Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 73 Die Amputationsversuche berechtigen zur Feststellung der all- gemeinen Tatsache, dass, wenn die inneren Bedingungen vorhanden sind, das Tier die’ Putzreflexe ausführen kann (muss?), selbst wenn eines der beiden, entweder die rezeptorischen, den Reflex normal bewirkenden Sinnesorgane oder die normalen Effektoren !) fehlen. Was die Ergebnisse der Amputationsversuche speziell in bezug auf die eflektorischen Organe betrifft, so kann man im allgemeinen behaupten, dass dank der Organisation der Effektoren es dem Or- ganismus möglich ist, jeden Reflex auf verschiedene Arten, d. h. mit Hilfe verschiedener Effektoren auszuführen. Wenn die normalen Effektoren ausser Funktion gesetzt sind, kann ein anderer Fffektor bzw. eine andere Fffektorengruppe die- selben vikarierend vertreten, d. h. der Reflex wird auf eine andere (nicht herkömmliche!) Art ausgeführt (vgl. auch das Verhalten des Pflüger’schen Frosches?). Die Weiterführung derartiger Amputationsversuche dürfte, wie ich glauben möchte, vieles Interessantes an den Tag bringen. d) Anhang. Anhangsweise möchte ich eine systematisch geordnete Liste der untersuchten Arten hinzufügen. Dabei halte ich es für meine angenehme Pflicht, den Herren Kustos Handlirsch und Dr. Holdhaus aus dem k. k. natur- historischen Hofmuseum meinen besten Dank für das Bestimmen der Insekten auszusprechen. In der Liste bedeuten: Ä.-N. — Äthernarkose, V. = Vakuum, ch.-m. R. — chemisch-mechanische Reizung. 1) Auch „das Böckchen, das Stierkalb stösst, ehe ihm Hörner gewachsen sind“. (M. Perty, Über das Seelenleben der Tiere 8.87. 1865.) 2) E. Pflüger, Die sensorischen Funktionen des Rückenmarkes S. 124 bis 126. 1853. — E. Pflüger, Über den Sitz der Seele. Allgem. Monatsschr. f. Wissensch. u. Lit. 1854 8. 243. — Auch der Preyer’sche „Fundamental- versuch“ an Seesternen wäre hier zu erwähnen. Zitiert nach Baglioni, Physio- logie des Nervensystems in Handl. d. vergl. Dunn hrsg. v. Winterstein, Bd.4 8. er J. S. Szymanski 74 "ge uOUTHALOP.IOA UOPIO UOp Mu I1ToZ -g919[8 uIOQJUN AT auto sep uuep Jyasım "z u90n92 -NI9Mpunpp uop Im oumqulopaoA (dg-enrq -mOSn9ZHyIHMpUnN UP Yıp | opıoq Smiozgolofs ySqoeunz Jzyng °T | JTowtoyjyuny "NV -Ö19Wa) A078unlpurer] '9 \ | "LOUOqTOpIO A u9pIoq uap Au SIoZy91Ta]S JautogfynAg "y 'w-yd (ds (e134do1maN) pun () uosny ‘ossny Jzyng :'y 'w-'yg | “NV "A | -edoskıyg) odaıgıopg "G | Jo]SnyzYoN ö "U19]SE}19J9LJ] | uopıeg uep yıu Styrozyoro]o OITEIS 99219198 I9P U9NDSIMAY SEP 970[0719 "y 'w-yd ee pusdosussny ap ur ueypaIg Sep MY 0 N-YV usyreuguurdg 'F zndas U9SNEZNIOM ’ -punp uop Jıw pun 49997899 punpy uop u uIoyfyng sep Pam yaıpssomyas *e :ISSB]19 SSNJAOJOLY uadruusypla]S wop Aw paIm pun AR i \ wIOU[yun Ag Sep yoıs Yyuas 4819 uuep 'Z :uOON9ZYIOMpUn Uap Jr | uasunsamag uapuaney aIp Isyoeunz °T | AOudoyjyng "NV - dg-snıgoggrT 'g "y "w-"yd 0 N-V -dS-snnp 'Z -sareediapIo sap UOUIOT uasLuulsyaTe]d “ wg uop IIur A9udggjundg OIp Jzyng >" "U-UN “NV (BPIPSTUQ aure) TOSSY 'T gUEpIom gUAPIOM Y91U19.198 suozyng Sop yzyndes yoıpyoes = URFI10ZMT SEP IST aM SNwsTuggdoN -jänen gsg und | 2 POWON DV ; a) -sOUUIS SEUDTEM "U9IYaSUJ ddp 9ISTTT 75 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. -UOIN9ZY.IOM -punpj uop gıu souzoyjyng sop uezmg 'F ‘pump uop ur uroqdopIoA U9APUESHTIEANUAH9S WOP Im SOUJIOUUNA Sourd uay9oJsuAaLFH "€ ‘(jfos uopaom yzynd -98 MIOYJUNAT OU Sep uu9M ‘syyoaı pun uoyurg uoun yosu syu pun uogo 9UIOA UOA "MZq ‘Jos uapıoM 921ndos uIog[yuny 94y901 Sep uuom “syurp pun usJuryg us}un yoeu SIyD91ı pun u9go 9UIOA UO0A) SOpdoyy sap uENU9SAOPeIN 'Z (sıfejuoLIo eyouejd ‘stodtoN1opaıo‘ SOp uaryarzmy °T | ougoyyng "A -LIOA)ogeyosusyony ‘EI ||| — —_ u ——— — —— — — _ —_ un nn — ————— ZZ, —_ _ # _. — — ——— eis "UHSNIZYIOM -UOLISY) A9J0unlaag "ZI -Punpy uop Lu ur9qaapıo A -Ur9qI9PIOA UOSTUUISUPIA]JS weop Au of y uw e.Ppue Sep pjeq “our SNIOZUITH]S uaanYy 9Ip uazyng :y "w-yg "N (essord sep pfeq pujosyoange 9z4ng | | u en a = "y 'w-w | (dg-eaow 0 N-v | Puda) »dargsserumy ‘OT "u9PAOM U9I0ZOUIAINP uadunygaLLIoazing up ue sordoyy sop uaqaf] Sep yoınp uuep pun uopıoM 3onApa3 odefısjJun AIPp URS weg -19P.I0 A UHFLUUISTII9]S OP Jruu Hl u9.199 -z99] aIp wopur zynd aorunT a9Ip 3998 -U] Sep ssep ‘sa Juragds 19qep ge urogl u9STuuISsTpI9]5 wop Au ol nousougyng (apI[A9A UIo) uoprog aıp IIOzqaTo]S IUOSIM :'y "w-"yn y wg “A| . 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Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 79 (IoRmr uUHOnY sua9saqnd snuoydo) (sngeaeg) 6F IN IM yaroI9) | “Touaogyng "NV NEAISBAINETT '0G "I2TUI9199 UTOAIOPIOA uosLuumsmple]8 wop gm ol aouaoy "N-"V "ursqjagyıp uostuusgors]0 | -Jung uopıoq oıp Tewurs ug gone uop -ZUnNIIM wap ue AJopeyy dep Jqraı -I9M nz pun qe “ursqdopaoA uogıuuıs -UI-OULIE A (WaJprayag (wraqaopıoA) ued1ozing seq | -Y9La]3 wop yım uaoyryng ou sep 9zyng | Tausouyng -J[eM sngeaeg) aofegjuer] '6F I A ee "(u9dundanagagdseriges) ‘(jaug op UISAJOIAA U9STUISsqaLa]S UISUNFIMIT IUISEı AYOS) UTOqADPIO\ wop UR Iyasu] Sep yqroı ugsruumsmolm]ß weop yYur al, aauaoy “g "w-y (eptagÄy ejop (8137409109) (urqtopıoA)uwdaozyng seq | -IUNA OpLog jewure ag Jyosty :y u-ug NV -uUMIg)) dopmeppueg ‘SF Aal ee EN nen ee @uy) | *(£) u9uTOq1OPp.IO \ UEp Lu uasnY 9Ip Iz4ng SuOaWwyasurs]M "IF | "y 'u-y (‚dg-eu & N-V -9BIAZ) uogadoppıM "9 a, USu® (dg-eoen] 0 .n -9JN) AOeJUINIayIg "CH ‘ - (eedIsseig (e134dopıda) "N-V SLOT) SULSSTOATYoY "FF | SdurlIopouyog (eraı e9LWIo A) gstauepfeM SIOY "Er ‘(„ueduy) sopdoyyp sop opte} JEUIOUTUNM NV -U9NTOS OLP S1O9J0 IzInd !uroqaopıo‘ Ua (snuwo]na1ag snyou "w9Sn9ZNAOAPUNy UP AM | -Taursy9ra]3 wop ru waoyggng sep 3294 -odueN)osıowessoy ’zF DE TE En EEL_ EEE “Jqra1dopLLE -urOuUB HUTOqASPIOA Ip 749suJ sep wopur “Yoıura. 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(eTo91110q BUgaodor -IIyg) (aayeıun =) ZN AISSHANEIqUEJIEQ "Z9 (snyerdseJ “y w-'yo SNIYOLAL)AOJENLIEUOS 0 NV -uoynjg AaJapurqag ‘Tg —— nn "g wg | (snguejyd erdop) “NV Joe egdsjn "09 (e} ‘y 'u-ga -EIN® LIUOJINI) (AOJeH (| wey | wso =) 1eyespto9 *6g "yo9nınz (tue}seooddti ByJuof yLuyasgqeysnıg uap A9Jun uaAJesaIp Aa “y 'w-y9 -0JO) (AaeyIeN =) JgoIz A9udoufgng dop Zumziayy Aop Togl 0 N AHFENUILUEISRASSON "9G IRRE IEN EEE Wa De OT NE nee ‘ge UOUTIATHPIOA uopıaq up ur Smiazyaropo Jdoyy u9zuBd up AO IUOSIM Junsojumewiog oydemyps aıp ur SoJdoyy sep uayonE) -ny wsp 19g — 'yonımz uaqfesoIp "y 'w-yd (snaryeAjks sodun 19 Jy91z AOUIOUJUNA AOp Sunzıoyy Jap Tag] 0° “N 09H) AOFENSSOAPIEM "LG (snpadtdajapie ‘y 'w-y9 | -dedsnarog).t}01y9S 0 "A -UONTLTIUTEULIS AOL °9G YOnımz UHANJESOIP AO JyfaIz 'y 'u-g9 (snırep.ae] soJsauu JA9UIOTUNA AP Sunzıayy U9JSASIO] A9p 1og 0 NV -19J) Adapespppods ‘GG "moqTOPIOA UASLUUISTIII]S WOP yıuı ol urury punp uap ur jewuro ne A9udogjynT UopIaq OIp Ae 379998 jew -TUEN urag uaSTuusy9I9]3 map Jıu usJun UOA UIOUJUNA 9723ndad sep suays -79W SUazIng SOp Pusayemn Jzyngsaajun pun ‘urumg punp] uop ur uraqı1apıoA‘ ussıuusgoTsJ 8 Wwop m maoyjung us Ad 7999]8 Iaqep *uaSn9zy1aMmpunM ‚7 u. 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Pflüger’s Archiv für Physiologie. 1: ES Szymansk a [0.0] -u9FN9ZNIOMpUnN] UEp A WoEpIoSsSne 19 3zynd ordouyuaoygjynT oIq — 'uroq -I9PIO A UHFLUUISTDT9]9 uap Lu ol aoqe a9po uIsqIepIOA WOLID IL AOPomyJud (surzerde sop -UOFNIZNIOMPUNM uap JI | ‘ewure Jne JHuıoyjyng uoprogq aIp yIyasıy | douaoyjyny "NV -oDLI]L) JIoMUuaUIIT '69 ‘8 ul0q19pA0oA UASLULLSYI19]S -u9sn9zy.IoMpuny] up AM | wap yıw wioyjyng ours Sep yyasıy | Jouoyfyuy N -dg-stewunayeld "39 "SungyorLIoAazmg aıp yoanp S9ydoy sop uagayzodwr sep yoanp uaoyyng sep Jysız pun umy uepog uap uases | ursqTopIo‘\ UESLUUISYIIW]S WwEP yım "J wo (aoyıow UTOUINIT-3UD7 SEP IT FUED s NV OLgOUAL) LOJEIITON "29 -UOSNIZYIOMPUNN uop Aw wioyjyny sep a9 3zInd ssnjgag umz 'e (eonjıpou erıAdwe’]) "y 'w-yd (aayenygpne] —) 0 NV UOyIW.AINMSIUUBTOF 'CQ : ER) (snu1A1O9 0 NY | sumpseg)aagenstong 9 | = (T snau9® yonınz A9uIouJundy °y 'u-yd sanqui1og 'q °'2) (e193d09]09) aıp. 19 Iyaız sordoyy sap Sunzioy op og N-y “A | UsJıY - aapesjfpuuds "89 dorey ; U9PIOM JO1UTO1OD su9zng SOp le b ne yzyjnde3 yoıpyoes ; at i n uw31oz4ng Sep IST ALM. 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'07 „(woqtopıoy) weıozing seq | wep yım uIogggng aus sep JApNIq x 6* 84 J. S. Szymanski: ‘UOSIAAR UOUTIALOPIOA UOP JıLm uoqjosorp Aa mopur ‘ewurs ne Jounay -[yng uopıoq 9ıp aa yzynd nz pun qy "og uagorweu ump yım meyun OA wIoujyng sep 9 y2mJsIojun Ssuozyng sap pusıyem !urumy urmqxopaor yzynd u9dLuusy919]8 wop Ju punyy usp ur .ıo (dg-eaou -98 UHONIZAIOMPUNTN uUOP 379998 UIOUJUN.F SEAT "U9ENIZIIOMPUN]A "g u-yo -IPIO) LOFENTENUOUIS yım PAIM uroqıapıoA Se | uap rw uroyjyung Sep 920g :"y "w-"yn NV, -NJOUT Surewad Aal '6L -7z1nd95 uragq[og11 N uoSsTuuLs -1019]8 op JıuL dOPO 90 = (eınuejout -NIZYIOMPUNTN Up NW IOP -9MIu9 PALMA UIOqA9PAOA Seq | IL aN DM 08 | auogiyug "NV eınydaorg) dape1 7207 '81, "ug ao JWEeU Wap yıuı uogun uU0A wıoyjyndg 9927ndaS Sep a9 yzmısıoyun BE suazmg sap puoıgem !yeq I7999593u1d UN uUIOAI9PIOA UASTUUISTITI]S LUOP JluL uIogjyn,g Sep da wopydeu ‘uadnazy11oM -punpj uop u miogjyung Sep yone ao yzind 1oqe SA9JJQ — “yIuyad S1wagF -U9I0N A98LU9M AOPO Ayaur TOqep PITM - "yzyud ugoujyn,g 9Sue] seT yasımnge BIqLy, -98 UHSNIZAIOMPUNN] UOP yrua UIOQJUNF Sep do wopur uloqaapaoA (£) uaduy (eyewae yıur pam urnqaopaoA Sec] | uadtuuısygpra]s wapgrmmoygngsepsziag | “Touaogiyng "NV eınydarT) a0PeY 90 'LL ‘yzynd uxogng Sep uuep a9 uodnazyAo A UOSSEp u ursurg punpl uop ur uIOqLOPIOA UESTUUISTITI]S WOP yım (epum Soloar uossop AeMz pun) wıogjyng Sep 74998 dogqe A10po qe uroqdapıoA USTUUISTITI]S wep yıuu wIogjyng Sep AopaAMyua 19 IydSIM uuep 'Z :uroqjoyy uadTuuLsgDT9]o we uroqiopıo‘ Sep de Jqwa ep pun *ur9gq[oJyIpA] UOSLuursyoT9]So a9ıy a RE RE 12) AelelalalER TE Be ee I eEPEREH Feel eLtlttti]|- "Een een ae = le Denn hisie ale eo ee ee Bee gennseslessre- 3» ELSE SE cpu SEIEN BETEN keiskichukck- ” (Bsasgaszasas |sagasan [sen |Sösasn|- = << fee o = s 94 J. 8. Szymanski: gezeichnet habe, kostete dies Verfahren keine grosse Mühe. (Vel. zum Beispiel die oben gegebenen Diagramme und die entsprechen- den Rubriken in der Tabelle 5.) Nachdem ich schliesslich die Gesamtzahl der in jeder Rubrik eingetragenen Fälle gefunden habe, konnte ich ermitteln, zwischen welchen Stunden sich die Tiere be- sonders häufig in Bewegung befanden. Die -Resultate habe ich in der auf S. 93 abgedruckten Tabelle 4 zusammengefasst. EEHEESEEEHEE ii ER EEnn: AH “ re a alla NE ZI \ Ey a ee il ne a nn sässer38H Fig. 30. Häufigkeitskurve der Aktivität bei Laubfröschen. (Auf der Abszisse sind die Tagesstunden, auf der Ordinate die Zahl der beobachteten Fälle eingetragen.) SEEERSSFEEERE BuESE SE] Fee Auf Grund der in der Tabelle 4 gewonnenen Resultate habe ich die Häufigkeitskurve der Aktivität bei den Laubfröschen auf- gezeichnet (Fig. 30). Die Tabelle und die Kurve zeigen, dass sich zwei Haupt- aktivitätsperioden mit den Gipfeln zwischen 12 und 1 Uhr nach- mittags und 8 und 9 Uhr abends und zwei Hauptruheperioden mit den Gipfeln zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags und 5 bis 6 Uhr morgens beobachten lassen. Wenn wir die geringe Verspätung im Auftreten der ersten Aktivitätsperiode ausser acht lassen, so stimmen unsere experimentell Abhandlungen zum Aufbau (der Lehre von den Handlungen der Tiere. 95 gewonnenen Resultate mit den diesbezüglichen Beobachtungen über- ein, die Mojsisovies von Mojsvär in der freien Natur ge- macht hat. Denn der letztgenannte Forscher hat ebenfalls zwei Aktivitäts- perioden beim Laubfrosch beobachtet, wie dies sich aus seiner folgen- den Beschreibung schliessen lässt : „Am auffälligsten ist das massenhafte Auftreten der jungen Laubfrösche im Monat August und auch früher. Wenn man des Abends und Morgens vom Tau befeuchtete Blössen ... begeht, so wird man lebhaft an eine Wiese mit»Heuschrecken erinnert, die ohne Rücksicht die Beine der Lustwandelnden umhüpfen und durch ihr lebhaftes Getriebe die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Unter- schied ist nur darin gegeben, dass die in unglaublichen Massen hüpfenden und springenden Tierchen — Laubfrösche sind. .... . Fig. 31. Die Wirkung des Apparates. AB: Der Frosch befand sich in der Mitte des Käfigs; CD: der Frosch befand sich unten im Käfig; EF': der Frosch befand sich oben im Käfig. (Der Frosch A am 19. Juli 1915 zwischen 11—11'/a Uhr vormittags aufgenommen.) Diese Anhäufung währt des Morgens einige Stunden, dann verliert sich das Gros, und zur Zeit des Hochstandes der Sonne ist kein Stück mehr zu erspähen. Des Nachmittags erst werden aus dem Geäste des Jungholzes bekannte Stimmen laut, die an Zahl sich ver- vielfältigen, und gegen Sonnenuntergang wird das Gros wieder lebendig !).* Ich gehe nun zum zweiten und hauptsächlichsten Teil meiner Untersuchung: über, nämlich zum Untersuchen der geotropen Schwan- kungen im Verlaufe der 24stündigen Zyklen. Diese Untersuchung ermöglichte mir die Eigenschaft des Apparates, eine mehrstaffelige Kurve zu schreiben, in der Abhängigkeit von der Stelle, welche der Frosch im Käfige einnahm. Und zwar entsprach die höchste Staffel dem Aufenthalt des Frosches oben im Käfige, die mittlere dem Aufenthalt in der Mitte und die untere Staffel dem 1) A. Mojsisovics von Mo jsvär, Das Tierleben der österreichisch- ungarischen Tiefebenen 1897 S. 44. 96 4J>8, Szymanski: Aufenthalt unten im Käfige. Die Fig. 31 verauschanlicht diese Wir- kung des Apparates besonders klar (Fig. 31). Eine gewisse Schwierigkeit bereitete die Frage, was eigentlich als „oben“, was als „unten“ zu erachten sei. Die Lage im Käfige schien mir am richtigsten nicht absolut, sondern relativ zu bestimmen: was „oben“ und was „unten“ sein sollte, wurde erst durch den darauffolgenden Abschnitt bestimmt. Wenn der Frosch zum Beispiel in einem Zeitabschnitt B eine höher gelegene Stelle im Käfige als im vorhergehenden Zeitabschnitte A eingenommen hatte, so wurde‘die Lage im Zeitabschnitte A. als Feläbehmdt A anlen Zitabshnitt B Fig. 32. „unten“, im Zeitabschnitte B als „oben“ erachtet. Und umgekehrt, wenn der Frosch sich in einem Zeitabschnitt B auf eine tiefer ge- leeene Stelle im Käfige als im vorhergehenden Zeitabschnitte A niedergesetzt hatte, so wurde die Lage im Zeitabschnitte A als „oben“, im Zeitabschnitte B als „unten“ betrachtet (vgl. Fig. 32)= Durch eine derartige Lösung dieser Frage war es auch möglich, immer zu bestimmen, wie die Lage des Frosches in der Mitte des Käfies aufzufassen wäre: in: Abhängiekeit von der Lage im voran- gehenden Zeitabschnitt konnte diese Frace entweder als negativer („oben“) oder als positiver Geotropismus („unten“) betrachtet werden, wie dies aus den Beispielen, die in der Fieur 33 dargestellt sind, hervorgeht!) (Fig. 33). 1) Es wäre vielleicht genauer, bloss eine negativ geotrope (vom höchsten bis zu dem tiefsten Kurvenpunkte) und eine positiv geotrope (vom tiefsten bis zu dem höchsten Kurvenpunkte) Tendenz im 24 stündigen Zyklus zu unterscheiden. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 97 Da ich den Ausschlag der Schreibspitze gleich ca. 1 em gemacht hatte und nur wirklich nennenswerte Differenzen zwischen den ver- schiedenen Stellen berücksichtigen wollte, erachtete ich die Stelle als verändert, wenn ein diesbezüglicher Kurvenabschnitt vom darauf- folgenden ungefähr um ca. 0,25 cm differierte, was einem Stellungs- wechsel von zirka ein Viertel der Käfighöhe (ca. 7 cm) entsprach. Dazu ist noch zu bemerken, dass die geringeren Lageverände- rungen, abgesehen von Perioden der motorischen Aktivität, fast nie zu beobachten waren. : Fig. 33. In der Abbildung I wurde die Lage AB, ungefähr in der halben Höhe des Käfigs, als „oben“ (positiver Geotropismus) aufgefasst; denn der Frosch nahm im darauffolgenden Zeitabschnitte die tiefer gelegene Stelle im Käfig (410) ein. (Frosch B, aufgenommen am 27.—28. Juli 1915.) In Abbildung lI wurde die Lage AB, ungefähr in der halben Höhe des Käfigs, als „unten“ (negativer Geo- tropismus) aufgefasst; denn der Frosch nahm im darauffolgenden Zeitabschnitte die höher gelegene Stelle im Käfig (BC) ein. (Frosch A, aufgenommen am 24.—25. Juli 1915.) . Das Resultat eines jeden Versuches habe ich in Form eines Dia- gsramms dargestellt. Die Diagramme, die den Verlauf der geotropen ‚Sehwankungen während eines 24stündigen Zyklus in der Form einer geotropen Kurve veranschaulichen sollten, wurden derart aufgezeichnet, dass auf dem äusseren der drei konzentrischen Kreise die Perioden des negativen, auf dem inneren die Perioden des positiven Geo- tropismus eingetragen waren. Auf dem mittleren Kreis habe ich diejenigen Perioden aufgezeichnet, während deren der Geotropismus ‚aufgehoben wurde, d.h. der Frosch sich auf und ab bewegte. Diese Perioden entsprachen den Hauptperioden der Aktivität (eine gegen Mittag, eine gegen Abend, ‘siehe oben). Diese Perioden waren besonders stark ausgesprochen bei den Tieren, die einen hohen Beweglichkeitsquotienten zeigten (Frosch B und A, vgl. Tab. 9); bei dem Frosch C waren dieselben mittelmässig ausgesprochen, und bei dem Frosch D, der einen besonders niedrigen Beweslichkeits- quotienten zeigte, waren sie kaum angedeutet. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 7 ET S. Szymanski: 98 Tabelle 9% Negativer Positiver Geotroniäch Nummer D Geotropis- | Geotropis- | 0. 0PISC det atum (Beweg- An ET indifferent Frosches 1915 Be, (Stunden- | (Stunden- u quotient) zahl) zahl) (zahl 13.—14, Juli 1,13 9,00 9,50 9,50 14.—15. „ 0,11 0,25 22,50 1,25. 152160, 0,03 = 24.00 = 16.—17. „ 0,03 9,90 18,50 — 17.—18. „ 0,06 9,25 14,75 — N 19.—20. , 0,06 12,90 11,00 1,00 20.21. , 0.02 14,50 8,25 125 21.—22. „ 0,10 — 21,75 2,25 22.—23° ,„ 0,20 1,00 18,25 4,75 23.—24. „ 0,14 1,25 19,75 3,00 | 2.2. ) 0,11 1,25 21,00 1,75 9,96, 0,17 | 7,00 15,00 | 2,00 | | 26.—27. Juli 0,23 19,50 1,50 „3,00 27.—28. „ 0,29 9,00 9,50 9,90 28.—29. „ 0,43 6,00 13,25 4,75 | B 29.—80. „ 0,10 “18,00 3,15 2,25 er 30.—81. „ 0,28 11,00 8,90 4,50 ne 1200 120 800 8,00 7,00 1.—2. Aug 0,04 Re 23,00 1,00 2.—8. Aug 0,37 1,00 19,50 3,0 3, 0,60 16,00 6,00 2,00 4.—5. „ 0,01 ‚00 16,00 — c 5 0,18 8,50 12,00 3,50 6.—T. „ 0,06 7,50 16,50 — ie 0,02 A 24,00 = .8.—9. „ 0,01 — 24,00 _ 10.—11. Aug. 0,07 5,25 18,75 _ ln > 0,02 24,00 = —_ | D 12.—13. „ 0,01 16,00 8,00 — 13.—14. „ 0,12 9,25 14,75 — 1.15 0,04 = 24,00 Bi 15.—16. „ 0,07 8,50 15,50 a Divebschnittszahl 2.» 2... 20.0. 7,86 14,25 1,70 1) Die Stundenzahlen und sonstige Bemerkungen wurden der Einfachheit Nebel =, Wetterleuchten $. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 99 Tabelle 9. In der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie (Wien, Hohe Warte) wurde registriert: Luftdruck | Temperatur | Feuchtigkeit Datum |(Tagesmittel) | (Tagesmittel) |(Tagesmittel) Bewölkung . Be- (Tagesmittel) |merkungen!) mm 2°: SAeZ 13. Juli 740,8 20,7 66 4,0 = 14. „ 138,3 175 63 9,7 Su 4 15... „ 739,0 18,6 66 5,0 —u0 16. „ 741,3 17,3 65 6,7 = 8 re 739,0 21,5 70 6,0 = © 19, 747,6 15,3 99 9,3 — 20, 145,8 I 98 3,0 = = 21.4, 143,3 15,9 74 8,0 = © © 222, 744,4 19,3. 72 5,7 =, 0X ZN 741,4 22,4 70 3,3 =. )00 24. „ 740,0 16,5 82 9,0 = 8 DIE 738,4 16,6 78 Bene ern en 9,0 | = 8 Bee near nee. 26. Juli 742,4 15,9 76 7,0 = 8 21.2, 743,8 19,3 13 3,7 = 28. 5 145,2 16,6 83 7,3 — N) 294 2, 746,5 17,1 73 9,0 an = 30. „ 743,1 17,7 63 8,0 00) 3LaT, 142,3 15,2 13 7,3 = © © 1. Aug 742,6 17,0 67 33 6) 2. Aug 740,7 20,0 73 3,7 Zi es I, 738,3 17,1 79 9,7 SE \) A, 139,2 16,8 71 9,0 os By 742,8 16,9 13 10,0 8 63,5 745,5 18,9 - 64 10,0 = Tee 744,5 17,7 77 9,7 = 8 SEN, 744,5 16,3 S 10,0 = ®& 10. Aug. 743,7 19,0 B:lE 10,0 ZS=®R 17, 744,6 18,8 88 9,3 SRSOA 2a, 743,9 19,8 73 9,0 == 13. , 740,9 .181 87 10,0 ZORS 14. „ 739,7 17,9 & 7,0 oSsR 15: =, 741,3 17,0 66 ° 3,0 =®8 742,4 (Abweichung vom Normalstand = — 1,04) wegen weggelassen. — Zeiehenerklärung: Regen 8, Tau S, Gewitter X, Dunst oo, 7% 100 J. S. Szymanski: In der Fig. 29 Abb. 2 gebe ich ein Beispiel einer geotropen Kurve, wobei zu bemerken ist, dass ich keinen typischen Fall ge- wählt habe. Das Diagramm stellt einen Fall dar, in dem der Frosch bei ungewöhnlich grosser motorischer Aktivität (vgl. Fig. 29 Abb. C)). auch ungewöhnlich oft wechselnde Vorzeichen des Geotropismus zeigte. Um nun den Vergleich zwischen den geotropen Schwankungen und den Schwankungen des Luftdruckes zu ermöglichen, stellte ich die Tabelle 9 zusammen. In dieser Tabelle habe ich einerseits den Beweßlichkeilsgnetlent und die Gesamtzahl der Stunden, während deren ’ein Frosch im 24stündigen Zyklus positiven bzw. negativen Geotropismus zeigte oder aber geotrop indifferent (in den Hauptperioden der Aktivität) blieb; anderseits habe ich für die korrespondierenden Tage die meteorologischen Daten, die ich den „Monatlichen Mitteilungen der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik“ (Wien, Hohe Warte) für Juli und August 1915 entnommen hatte, ein- getragen (s. die auf S. 98 und 99 abgedruckte Tabelle 9). Um die Tabelle übersichtlicher zu machen, betrachtete ich jeden meteorologischen Faktor (Luftdruck, Feuchtigkeit, Bewölkung;), dessen Werte ich sukzessive in einer absteigenden Reihe angeordnet hatte, separat in den Tabellen 10 und 11 auf S. 101 und in der Tabelle 12 auf S. 102. Da meine Versuche ie: bezweckten, den Einfluss des Luftdruckes auf den Verlauf der geotropen Schwankungen zu untersuchen, habe ich, wie schon oben erwähnt, einen derartigen Versuchsraum erwählt, wo die Licht-, Temperatur- und Feuchtigkeits- verhältnisse ziemlich konstant blieben. Infolgedessen können die Tabellen 10 und 11, die übrigens nicht gestatten, wie zu erwarten war, etwaige Schlüsse zu ziehen, für uns weiters keinen Wert haben. Die Tabelle 12 allein kommt in Betracht. Diese Tabelle wie auch die Tabellen 10 und 11 wurde derart zusammengestellt, dass ich aus der grossen Tabelle 9 zunächst alle Fälle bei dem Luftdruck 738, dann 739 usw. zusammengestellt habe; daraufhin habe ich die Zahl der Fälle, in denen der negative bzw. positive Geotropismus überwog, in entsprechende Rubriken ein- getragen. Zum Beispiel an 4 Versuchstagen herrschte der Luft- druck 744 (22, Juli, 7., 8. und 11. August siehe Tabelle 9), am Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 101 11. August zeigte der Frosch während der 24 Stunden negativen Geotropismus, in den übrigen drei Fällen überwog aber der positive den negativen Geotropismus; also in der Rubrik „Negativer Geo- tropismus“ wurde 1, und in die Rubrik „Positiver Geotropismus* wurde 3 eingetragen usw. Tabelle 10. ieviel Fällen hat üb Beweglichkeitsquotient In wieviel Fällen hat überwogen (0) (Durchschn -ttezahl Feuchtigkeit negativer positiver aus sämtlichen be- Geotropismus Geotropismus obachteten Fällen) 58 1 — 0,02 99 1 — 0,06 63 1 — 0,28 64 _ 1 0,06 65 E= 1 0,03 66 —_ 3 0,61 67 — 1 0,04 68 —_ 1 0,11 70 — 2 0,10 7 _ 1 0,01 72 — 1 0,20 73 3 3 0,49 74 —_ 1 0,10 16 l — 0,23 77 — 1 0,02 78 _ 1 0,17 79 1 — 0,60 8 _ li 0,04 82 — 1 0,11 83 — 1 0,43 87 —_ 1. 0,12 88 1 1 0,015 N) _ 1! 0,07 Tabelle 1]. In wieviel Fällen hat überwogen | Beweglichkeitsquotient Bewölkung - (@) (Durehschnittszahl negativer positiver aus sämtlichen be- Geotropismus Geotropismus obachteten Fällen) 3 1 5 0,15 4 _— 1 1,13 b) 1 2 0,08 6 _— 2 0,04 7 2 2 0,67 8 — 2 0,19 he) 4 5 0,13 10 — 5) 0,09 Aus der Tabelle ergibt sich, dass (der Frosch im allgemeinen bei dem tiefen Luftdruck mehr positiv und bei dem hohen Luft- druck mehr negativ geotrop zu sein scheint, mit anderen Worten, bei tiefem Luftdruck sitzt. der Frosch mehr „unten“, bei hohem Druck mehr „oben“ im Käfie. 102 J. S: Szymanski: Tabelle 12. In wieviel Fällen hat überwogen | Beweglichkeitsquotient Luftdruck ul 2 0 03 00 222 6,(Q) (Durchschnittszahl negativer positiver aus sämtlichen be- mm Geotropismus Geotropismus obachteten Fällen) 738 1 2 0,29 739 0 4 0,03 740 0 4 0,43 741 0 3 0,08 742 2 2 0,61 743 2 3 0,15 1744 1 3 0,06 745 1 2 0,17 746 1 0 0,10 747 1 Q 0,06 Dieses Ergebnis findet seine Bekräftigung in folgendem: Nimmt man eine Durchschnittszahl für die Zahl der Stunden, welche die ‚Frösche oben im Käfig (negativ geotrop) und welche sie unten im Käfig (positiv geotrop) in 24stündigen Zyklen während sämt- licher 32 Versuchstage verbracht hatten, so ergibt sich, dass die Frösche durchschnittlich ca. 2 mal länger „unten* (positiv geotrop) als „oben“ (megativ geotrop) verblieben sind. (14,25:7,86 vgl. Tab. 9.) Der Durehschnittswert für den Luftdruck während der gleichen Zeit (vom 13. Juli bis inkl. 15. August) war 742,4; dies aber bedeutet die Abweichung vom Normalstand im Durchschnitt — 1,04 mm. Dies lässt sich vielleicht so deuten, dass das Über- wiegen des positiven Geotropismus möglicherweise dem durchschnitt- lieh — 1,04 mm unter dem Normalstand stehenden Luftdruck ent- sprach. Da ich jedoch nicht absolut, sondern bloss relativ das Vor- zeichen des Geotropismus bestimmte, so dürfte es sich allerdings bloss um kaum nennenswerte Niveauunterschiede handeln. Es lässt sich praktisch sagen, dass der Frosch diese ganze Zeit mehr oder weniger konstant in der Mitte des Versuchskäfigs blieb, so dass von den bedeutenden geotropen Schwankungen kaum die Rede sein kann. Es wäre übrigens nötig, umgekehrt zu untersuchen, ob auch bei dem Luftdruck über dem Normalstand der negative Geotropismus den positiven überwiegen würde. Da leider nur wenige Versuchs- tage in dem verregneten Sommer 1915 hohen Luftdruck aufwiesen, ist auch die Zahl meiner Versuche bei dem hohen Luftdruck zu gering, um einen definitiven Schluss ziehen zu können. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 103 g & 3 M. L 740 740 740 es ee p en ee TRIERER EANEETERTRREIEIENGE EL, ı em | ie, Se 20 = 740 18.4, 740 E a terre eh Feat Be ae 745 Ba | . | Fig. 34. Auf den Abszissen sind die Stundenzahlen, und zwar 8 Uhr vormittags, 2.und 9 Uhr nachmittags, M. Mitternacht und 7 Uhr früh eingetragen. Auf der mittleren Ordinate sind links Datum, rechts Wert in Millimetern für den Luftdruck eingetragen. Die stark ausgezogene Linie zeigt den Verlauf der barometrischen Kurve. Die .parallel gestrichelte Linie zeigt den Verlauf der geotropen Kurve; dabei sind auf der mittleren Ordinate die Werte für indifferente (Hauptperiode der Aktivität), auf der unteren Ordinate die Werte für den positiven (unten im Käfig) und auf der oberen Ordinate die Werte für den negativen (oben im Käfig) Geotropismus eingetragen. J. S. Szymanski: 104 IHR IIAIEN MINI EINEN UNTRIWITGNIRILGN 745 140 745 145 740 740 145 745 TIEREN a ee Fig. 34 (Fortsetzung). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 105 M. 9 145 745 7145 745 745 745 740 740 Ü NEIEIERLNEN IN ED HH IS EI BARE BUBEN Bi IE na ES ES n ep 10115821099" mer une nr . = 1. a aü oe) = Fig. 34 (Fortsetzung). J. S. Szymanski: 106 740 745 745 745 745 740 745 745 NIT. JUN SSEHHSRERE HOHER 5. Aug. EHRE HERRN 1) Fig. 34 (Fortsetzung). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 107 13. Aug. 7145 1, 740 1%; 740 | 16, 740 Fig. 34 (Fortsetzung). Um weiter den eventuellen Zusammenhang zwischen dem Ver- lauf der barometrischen und geotropen Kurven in 24stündigen Zyklen ausfindig zu machen, habe ich für jeden Versuchstag den Verlauf einer geotropen Kurve und daneben den Verlauf der baro- metrischen Kurve!) für den gleichen Tag aufgezeichnet (Fig. 34). Um den eventuellen Zusammenhang zwischen beiden Kurven klarzumachen, habe ich die Vorzeichen des Geotropismus bei höchstem und tiefstem Barometerstand in jedem 24stündigen Zyklus ver- glichen (Tab. 13). Wie die Tabelle 13 erkennen lässt, gibt es scheinbar keinen merklichen Zusammenhang zwischen beiden Kurven. Auch eine etwaige andere Relation zwischen dem feineren Verlauf beider Kurven- arten in 24stündigen Zyklen konnte ich nicht feststellen. Wohl aber konnte ich eine andere Abhängigkeit gewahr werden. 1) Ich benutze hier die Gelegenheit, um dem Herrn Dr. Wilhelm Schmidt aus der k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Wien, Hohe Warte) meinen besten Dank für das Überlassen diesbezüglicher ‘barometrischer Tageskurven und der „Mitteilungen“ auszusprechen. 108 I. 8. Szymanski: Tabelle 13. Das Das Das Das Vorzeichen | Vorzeichen Vorzeichen | Vorzeichen des Geo- des Geo- des Geo- des Geo- Datum tropismus tropismus Datum tropismus tropismus bei dem bei dem bei dem bei dem tiefsten höchsten tiefsten höchsten Barometer- | Barometer- Barometer- | Barometer- 1915 stand stand 1915 stand stand 14. Juli + er 1. Aug. + 0 19.3, + En Den + — 16... + + ERER = + I — + 4. + + 18, , + 0 Ba — + 19.55 0 — 6.225 + Suz7 202° + + 12, + Ir 2, + + 8.5 + + 22.075 + + I) 0 — 2a, + + 10.275 0 + 24. „ + + 11.220, — — 2 „ + + 12.35 -+ — 26. „ — Eu 13:2 + + Br ae + —_ 1%; + + DU, + + 15. , —, == 2905 + — 30. „ + —_ Sl“ 3, + 0 Wenn man nämlich vergleicht, zu welcher Tageszeit der Um- schlag einer Art Geotropismus in die- andere, also des negativen in den positiven bzw. umgekehrt, auftritt, oder richtiger, wann über- haupt der Frosch den Aufenthaltsort im Käfig wechselt, so lässt sich eine Regelmässigkeit nicht verkennen. Wenn ich die Stundenzahlen zusammenstelle, in der der Um- schlag der einen Art des Geotropismus in die andere sich zu voll- ziehen pflegt, so lässt sich im allgemeinen sagen, dass dies meistens entweder gegen die Mittagszeit oder gegen den Abend geschieht (Tab. 14). Wir wissen aber schon, dass dies die Zeitabschnitte sind, welche sich mit den Hauptperioden der Aktivität decken; wir können also behaupten, dass der Umschlag einer Art des Geotropismus in die andere, wenn er sich überhaupt in einem 24stündigen Zyklus voll- zieht, in den Hauptperioden der Aktivität stattfindet. Es scheint also, dass der äussere Reiz über den inneren Impuls (Ruhe) nicht die Oberhand gewinnt; erst wenn die inneren Impulse (Hauptperiode der Aktivität) die Einwirkung der äusseren Reize be- günstigt, würde sich der letztere geltend machen können. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 109 Tabelle 14. Warn ist die geotrope Schwankung (die Anderung Datum des Vorzeichens) aufgetreten ? 1915 Nachmittag Abend | Morgen | Vormittag” 16.17. Juli ” 341) 2 | a 10—11 7, Re 7-8 u 10-113) ae en 0 > 910 zu. Mi 8-9 En 910 2.8. , DRE: el Bi 8-9 se . 1-2 a = 9-10 a: 101 rn en 78 ., 12 8-9 =? = 26.97. , Z 728 a 9_10 Se N: 8-9 ® 10—11%) 28.29. 9-3 9-10 4-5 10-119) 29.30. , 1-2 78 u 10-111) al. 12-1 8-9 12 10-11?) 31. Juli bis ÄR en En, \ & 67 10-113) 2— 3. Aug 12 9-11 a = a, 2 89 56 10-113) a5; = 78 u 10-11 %) Be, = es = 10—11%) Be a 78 = 11-12) 10.—11. „ 2—3 — —_ 9—101) 12.—13. „ — 8—9 3—4 — 13.—14. „ — 1—8 —_ 9—10 5: a 78 -— | 0-1 Wenn ich nun die Ergebnisse meiner Untersuchungen kurz zu- sammenfasse, so möchte ich folgendes hervorheben: 1. Der Laubfrosch macht in den Monaten Juli und August in 24stündigem Zyklus zwei Perioden der Hauptaktivität, mit dem Gipfel zwischen 12—1 Uhr nachmittags und 8—9 Uhr abends, und zwei Hauptruheperioden, mit dem Gipfel zwischen 5—6 Uhr nachmittags und 5—6 Uhr morgens durch. ‘2. Der Laubfrosch zeigt kaum nennenswerte geotrope?) Schwan- kungen in Abhängigkeit vom barometrischen Druck. 3. Der Wechsel des Aufenthaltsortes im Käfig findet in den Haupt- perioden der Aktivität statt. 1) Das Tier wurde um diese Stunde gefüttert und der Käfig gereinigt. 2) Ich habe in dieser Abhandlung stets die Ausdrücke „geotrop“ statt „geo- tropisch“ und „tropistisch“ statt „tropisch“ gebraucht. Diese neuen Benennungen stehen jetzt öfters in Anwendung. Übrigens ist die betreffende Nomenklatur noch nicht vereinheitlicht, so dass es möglich wäre, mit eben so gutem Recht „geo- taktisch“ zu sagen, falls man einen Unterschied zwischen den Begiffen Tropismus und Taxis, wie dies öfters geschieht, machen will. 110 J. S. Szymanski: 6. Die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei Ringelnattern. Bei der Beobachtung träger, nur wenig beweglicher Tiere taucht ein interessantes Problem auf. Es ist die Frage, was diese Tiere veranlasst, ihre Ruhe aufzugeben. Ist es der Hunger, der sie zum Aufsuchen der Nahrung, also zur motorischen Tätigkeit, zwingt? Oder wird vielmehr, das Auftreten der Aktivität durch innere Impulse, die mit dem Nahrungsbedürfnis nichts zu tun haben, herbeigeführt? Dank der Methode, die ich zum Untersuchen der Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei den Tieren schon früher aus- gearbeitet habe !), war es möglich, dieser Frage näher zu treten. Meine Versuche, die ich an zwei Ringelnattern in den Monaten September und Oktober ausgeführt hatte, bestanden darin, dass ich die Tiere in einem Apparat (Aktograph) -untersuchte, dessen Wir- kung ermöglichte, alle Bewegungen der Tiere auf einem Kymo- graphion mit 24stündiger Umlaufzeit zu registrieren). Der Käfig, in dem die Tiere während der Versuche untergebracht waren, hatte _ die Form eines Zylinders, dessen Höhe 13 em und dessen Durch- messer 21 cm betrug; im Käfig befand sich beständig eine kleine Aluminiumschale mit Wasser. Der Verlauf eines jeden Versuches war folgender: Nachdem die Tiere im Terrarium, in welchem sich auch das ihnen zusagende Futter (lebende Fische) in genügender Quantität beständig befand, einige Tage gehalten worden waren, wurden sie abwechselnd in den Aktograph gesetzt, so dass sich jedes Tier im Apparat in der Regel 3 Tage ohne Unterbrechung befand. Mit jedem Tier wurde der gleiche Versuch sechsmal wiederholt. Die Zwischen- zeit verbrachte das Tier wiederum im Terrarium. Die Versuche fanden vom 9. September bis zum 26. Oktober 1915 statt. | In dieser Zeit haben die Tiere bloss einige Male gefressen. und zwar Nr. 1 am 9. und 13. September und 14. Oktober, Nr. 2 vom 9.—13. September täglich, dann am 17., 18. und 22. September. Es geht daraus hervor, dass das Nahrungsbedürfnis der Tiere in den Monaten September und Oktober in der Gefangenschaft nicht 1) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 343. 1914. 2) Die detaillierte Beschreibung und Abbildung des Aktographen für höhere Landtiere s. oben :l. c. S. 365—366; die Beschreibung des Kymographion ebenda 9. 346. Zu: A ee En JE ni; Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 111 allzu gross ist, und dass die Natter wochenlang keine Nahrung zu sich nimmt. Sollten also die sich periodisch im 24stündigen Zyklus wiederholenden Aktivitätsperioden beobachtet werden, so dürften sie nicht auf das Nahrungsbedürfnis. der Tiere zurückgeführt werden. Die Jahreszeit, in der ich meine Versuche angestellt habe (Sep- tember bis Oktober), erlaubte mir auch, die Beobachtung über das dem Winterschlaf vorausgehende Verhalten der Ringelnatter zu machen. Um nun an die Schilderung der Ergebnisse meiner Versuche heran- zutreten, muss ich zunächst die beobachteten Kurvenarten beschreiben. Fig. 35. Kurvenarten von Ringelnattern. Rechts: Beweglichkeit; links: Ruhe. (Ringelnatter Nr. 1: am 23. September 1915, zwischen 12 und 1729 Uhr nach- mittags aufgenommen.) Zwei Arten der Kurven zeigte die kymograpnhische Registrierung: ‚1. eine gerade Linie ohne irgendwelche Zacken; diese Linie ent- sprach dem Zustande der Ruhe (Fig. 35, links); 2. eine mehr oder weniger gewellte Linie, än ider viele dicht nebeneinanderstehende vertikale Striche eingetragen wurden; diese Linie entsprach, wie die unmittelbare Beobachtung zeigte, dem Zustande der Beweglichkeit (Fig. 35, rechts). Was die Bedeutung der einzelnen Zackenarten betrifft, so konnte ich feststellen, dass die geringsten von ihnen, mehr oder weniger wellenartig, sich auf die Bewegungen von einzelnen Körperteilen beziehen, ohne dass das Tier eine bestimmte Stelle im Käfig ver- lassen hatte. Die grösseren Zacken markieren die Bewegungen des ganzen Tieres im Käfig und seine Versuche, entlang der Wand emporzukriechen. Bei diesen Versuchen rutschte vielfach der Tier- körper plötzlich herab; dieses passive Rutschen wurde in der Form einiger besonders langer Zacken, deren ähnliche in der Mitte der Figur 35 dargestellt sind, registriert. Die täglichen Versuchsergebnisse habe ich in der Form eines Diagramms, das die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden im 24 stündigen Zyklus zeigen sollte, dargestellt. 112 J. S. Szymanski: Tabelle 15. 5) H Dahn Nachmittag Abend aa Bee a | Fa Ill | Fee Aal ers Be ag Tieres| 1915 12-1 |1-2|2-3 3-4|4-5|5-6 6-7|7-8 8-9|9-10| 10-11 | 11-12 1210.00. Sep | a en | Ri | = KR, le re Se ee Ba ee ee ERS. RE a NE AN re BE ee m so a) an on a ee Z ee een een 97.-28. Deren ee, ee een 2.- 8. ” 1 I — 1Il-|-1-| — | — — — Bar; Brunn an ee ne ee ae a. See een, - ee za. 2 1a 15, we Baer 23.30. 4.- 5. Okt. Fe et ) 1 D PER FREE FEB area ee) EB= SerE SBB RUSS. 5 ai PbrHree m | RFrrme = Eee ehe pers FEB efekeihker zB Seren see Prerererr ee eeee Breee eeee BEL ee Ferkel ee Aero spe area nl [>] un ua} & un {>} 3 + DD [0.0] D [0 0) m [ort nt D oO [Si [u) — Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 113 Tabelle 15. Morgen Vormittag 5 | 5-6 |6-7 rm I- 9 9-10 | 10-11 | 12 Beweg- lich- keits- Be- merkungen Free) BelsoEatzak eRrel I all ee ale Kl leliel 3] 2 ll 1a ol Ela Ale Be re eines ee Bere ee Bere alle ZErFee2e — 1 ei I Fe Fr Are“ FARBE I Ile I FREE BaeE ea A Bl 1 II.l ı | el fen 0,23 Am 13. en Tp. 11,5° C. Peer Seas | Fl | al II | J Khan Free E area rn T Sa rm Dil, | Det ee P flüger’s Archiv für Physiologie. _ Ele le reelle rn ne See ee Bd. 170. - Eee | la ale zZ m————————— | E | — [>2) | 0,26 ser So | [URT = Vom 9.—13. täglich ge- fressen Am 17. u.18. in 114 : J. 8. Szymanski: Die Figur 36 zeigt einige dieser Diagramme. Ferner habe ich, wie in meinen diesbezüglichen früheren Arbeiten, für jeden Versuch den Beweglichkeitsquotienten (@) be- » “rechnet, ich die Zahl der Stunden, während welcher das Tier in I Fig. 36. Kurven der Ruhe- und Aktivitätsperioden von Ringelnattern. Auf dem inneren Kreis sind die Ruhe-, auf. dem äusseren Kreis die Aktivitätsperioden ein- getragen. In sämtlichen Abbildungen bedeutet die obere 72 Mittag, die untere 72 Mitternacht. Sämtliche Abbildungen beziehen sich auf die Ringelnatter Nr. 1. Diagramm A am 9.—10. Oktober 1915 ( 7 0,6), e) Diagramm B am 17.—18. Oktober 1915 (@ — 22 — 0,03) und Diagramm C (Q= 0,00 am 19.—20. Oktober 1915) aufgenommen. Das Diagramm D, das als Beispiel einer besonders lebhaften Aktivität dienen soll (@ _.n = 021) ‚ wurde am 11.—12. Oktober 1915 aufgenommen. I Bewegung war (a) durch die Zahl der Ruhestunden in je einem 24 stündigen Zyklus (24 — a) dividierte, so das 9 = a 24 —a _ 4:0 1+9 aqa war. Abhandiungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 115 Dieses Verfahren gestattet die Gesamtaktivität eines Tieres in einem 24stündisen Zyklus durch eine Zahl bequem zu bestimmen. . Die Versuchsergebnisse habe ich tabellarisch dargestellt. In der auf Seite 112 und 113 abgedruckten Tabelle 15 sind zunächst die Stunden, in welchen die Tiere motorische Aktivität zeigen, minde- stens eine Viertelstunde für jeden Versuch, durch die Striche an- gedeutet. Weiter sind die Beweglichkeitsquotienten, die Temperatur des Versuchsraumes und die Fresstage eingetragen. Auf Grund der Tabelle konnte ich ferner die Häufickeitskurve der Aktivität konstruieren (Fig. 37). Die Tabelle und die Kurve lassen deutlich erkennen, dass die Ringelnattern in der Zeit vom 9. September bis 24. Oktober sich regelmässig in jedem 24stündisen Zyklus und unabhäneie von der Nahrungsaufnahme eiue Zeitlang bewegt haben. Denn in diesen 32 Versuchstagen haben die Tiere bloss drei- bis viermal «efressen, blieben wochenlang, ohne etwaige Nahrung zu sich zu nehmen, und nichtsdestoweniger bewesten sie sich regelmässig in den bestimmten Tagesstunden. Die Tageszeit, in der die Ringelnattern besonders häufig eine motorische Aktivität entfalten, fallen mit den ersten Nachmittagsstunden (12—2 Uhr) zusammen. In den Vormittassstunden und den späteren Nachmittagsstunden zeigten die Nattern schon viel seltener motorische Aktivität. Die Nacht- und Morgenstunden pflegten die Tiere regelmässig der Ruhe (Schlaf?). Die Hauptperiode der Aktivität (zwischen 12 und 2 Uhr nachmittags) fiel nicht etwa mit der höchsten Temperatur und den günstigsten Liehtverhältnissen des Versuchsraumes zusammen. In der Zeit, in der die Versuche angestellt wurden, waren die günstigsten Lieht- und Temperaturverhältnisse für diese licht- und wärmebedürftigen Tiere im Versuchsraume etwa in den Vormittags- stunden. . Denn in dieser Tazeszeit war der Versuchsraum, der sonst nicht geheizt wurde, durch die Sonne beleuchtet. Dessen- ungeachtet entfalteter die Tiere die motorische Aktivität erst etwas später, aber gerade in jenen Stunden, die in der freien Natur sich durch die höchste Temperatur und intensivste Beleuchtung aus- zeichnen. Was nun den Gesamtbetrag der Aktivität betrifft, so änderte ' sieh derselbe in der Abhängigkeit von der Jahreszeit. Um einen richtigen Begriff von dem Quantum der Bewegung, die die nicht gereizten Tiere entfalteten, zu erlangen, musste ich 8*+ J. 8. Szymanski: 116 -uode1joZurg Affe I UooIDBg09g zop 1g8Z ap oeupıg op mw ‘uopungssase], pun -IqoeuN Ip pus ossızsqy A9p JuY) uf Y “uayyenfosurg Toq Ya Agay Jop Saıngspronägugg "LE "BLA puaqv deytuudeN SEyIULIOA u931oM \ : A ä A IN IN IN f & Be ren oem nn FTIR are en ee en aa a zz 2 2a na Aee > = an REINE EN ee I ee ee ee saaxaaaaaaar rm mm Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 117 zunächst die ersten Tage in jeder Versuchsserie ausser acht lassen. Denn in diesen Tagen zeigten die Tiere, welche plötzlich aus ihrem Terrarium in den Käfig des Apparates gesetzt waren, selbstverständ- lich eine lebhafte und ungewöhnlich lang andauernde Aktivität (vgl. Fig. 36, Abb. D). Diese Tage waren bei dem Tiere Nr. 1 9., 17., 25. September und 1., 8., 14. Oktober; bei dem Tiere Nr. 2 13., 20., 28. September und 4., 11., 20. Oktober. won wir den ungewöhnlich hohen Wert für den Beweslichkeits quotienten, der in diesen Tagen beobachtet wurde, unberücksichtigt lassen, so bewegte sich die Ringelnatter Nr. 1 vom 9. bis zum 28. Oktober durchschnittlich 2 Stunden 40 Minuten täglich, v 1.—10. Oktober bloss 1 Stunde 15 Minuten, vom 10.—18. Oktober bloss 30 Minuten, und schliesslich vom 18.—20. Oktober blieb sie die ganze Zeit in der Ruhe. | ' Die Ringelnatter Nr. 2 bewegte sich im September ‘und der ersten Hälfte im Oktober durchschnittlich 2 Stunden bzw. 2 Stunden 15 Minuten täglich, vom 21.—24. Oktober bloss !/s Stunde, und verblieb schliesslich während der zwei letzten Versuchstage (24. bis 26. Oktober) die ganze Zeit regungslos (vgl. Tab. 16). Tabelle 16. ee; Wieviel Stunden Ir. des „= - war das Tier Temperatur Tieres Zeitabschnitt Q durchschnittlich in Grad €. in Bewegung ? | 9.—28. Sept. 0,13 2h 40’ 18,0—15,5 1 1.—10. Okt. 0,05 _. 1b 15 15,0—13,0 \ 10.—18. ,„ 0,02 Oh 30’ 13,0—11,5 13.—20. ,„ —_ 0b 00’ 11, 14.—30. Sept. 0,09 ° 25 00’ 18,0—15,5 2 4.—14. Okt. 0,10 2h 15’ 15,5—11,5 21.- 24. „ 0,02 Oh 30’ 11,5— 12,0 2.96..% a 04.00’ 11,0 Den gleichen Schritt mit der Abkürzung der täglichen Aktivitäts- perioden in der Abhängigkeit von der fortschreitenden Jahreszeit und der korrespondierenden Abnahme der Temperatur des Versuchs- raumes hielt die Herabsetzung der Muskelkraft der Schlangen; dies liess sich nicht nur auf Grund der unmittelbaren Beobachtung, son- dern auch dureh die Abnahme der Höhe der einzelnen Ausschläge der Schreibspitze feststellen (Fig. 38). J. S. Szymanski: 118 "GI6T A940NO "co We ) SAIny aıp “CIET AOgNOINO "EI we g AAıny ap ‘cI6T Aaqwaydag '9]| we F Amy dIq :uowmmousapme (a4) Z—ZI Ueyasımz) Yejlaııy dop oporısdydnepg dep ur purs pun Z ‘IN Jopeufadurg ap Jne ypIs uogaLzaqg UHAIMy uayoIyWwes ALT uaAaLıIsUoWLAP SPoLIaT UAPUagaZue.toA OqnaIajur A Top Iop ur Aopyeufosungy op Iyeayı op Sunzyasgeaspg aIp pun mogptdemnag 19p auyeuqy op LO]]OS UoAny Ol '8E "DIA RN aan IE ee N. -_ en a Y a ne er "\rulh Pr, Aw. I m en Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 119 Die Kurve C der Fig. 38 zeigt uns noch eine erwähnenswerte Tatsache. Diese Kurve wurde am 25. Oktober, also an einem Ver- suchstage aufgenommen, an dem das Tier den ganzen Tag der Ruhe pflegte (@ = 0,00). Dessenungeachtet liessen sich in der Haupt- periode der Aktivität Bewegungsspuren beobachten, ein Umstand, der imstande wäre, zu zeigen, wie stark die inneren Impulse sind, die in der Hauptperiode der Aktivität die Bewegung hervorrufen. Die gleichen Bewegungsspuren in der Form einiger kleiner Zacken in der Hauptperiode der Aktivität habe ich auf beinahe / sämtlichen Kurven beobachten können, die an Versuchstagen auf- - genommen worden waren, an denen das Tier den ganzen Tag der Ruhe pflegte. (Einige Tage zwischen 16.—26. Oktober.) Wenn ich zum Schlusse die Versuchsergebnisse zusammenfasse, so möchte ich folgendes hervorheben: 1. Das Auftreten der motorischen Aktivität bei den Ringelnattern _ erfolgt unabhängig vom Nahrungsbedürfnis. 2. Die Ringelnattern zeigen eine grosse Regelmässigkeit in der Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden. 3. Die Hauptperiode der Aktivität fällt auf die ersten 2 Nach- mittagsstunden (von 12—2 Uhr). 4. Die Gesamtaktivität während des Monates September und der Hälfte des Oktobers beträgt durchschnittlich ea. 2 Stunden täglich. Von der Mitte Oktober ab beginnt sie bei einer Zimmertemperatur von ca. 13—11°C. zu sinken, und von der zweiten Hälfte Oktober ab fällt dieselbe auf Null. (Bei einer Zimmertemperatur von ea. 11° C.) 5. Die inneren Impulse, welche die motorische Aktivität in der Hauptperiode der Aktivität hervorrufen, sind so stark, dass selbst in den Tagen, in denen die Tiere ununterbrochen der Ruhe pflegen, sich Bewegunesspuren in der Zeit zwischen 12—2 Uhr nachmittags beobachten lassen. | 7. Beobachtungen über das der Nachtruhe vorangehende Ver- ' _ halten der Vögel. In einer jüngst erschienenen Arbeit!) ist es mir gelungen, die Ruhe- und Aktivitätsperioden bei den Kanarienvögeln während 1) Vgl. meine Arbeit. „Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei Tieren“. Pflüger”s Arch. Bd. 158. 1914, insbesondere 8. 368—379. 120 J. S. Szymanski: 24 stündiger Zyklen mit Hilfe eines eigens konstruierten Apparates (Aktographen) auf graphischem Wege genau zu analysieren. Es hat sich herausgestellt,. dass die „Aktivitätsperiode eine grosse und lang dauernde Steigerung in den Morgenstunden zeigt; in den Nachmittags- stunden sinkt die Aktivität, um mit grosser Konstanz vor dem Auf- treten der Nachtruhe wieder eine Steigerung zu zeigen, nach welcher der Schlaf mehr oder weniger unmittelbar eintritt“. Wahrscheinlich ist die gleiche Verteilung der Ruhe- und Akti- vitätsperioden für die meisten Tagvögel charakteristisch, wie dies wenigstens folgende Verallgemeinerung Brehm’s vermuten lässt: „Fast alle (Tagvögel) haben zwei Hauptzeiten zum Fressen , eine Fig. 39. Steigerung der Beweglichkeit bei Kanarienvögeln in der der Nachtruhe vorangehenden Tageszeit. ab— Endphase der motorischen Tätigkeit in Nach- mittagsstunden. bce=- Steigerung der Beweglichkeit in der der Nachtruhe vor- angehenden Tageszeit. cd —= Beginn der Nachtruhe. (Am 12. Januar 1916 zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags aufgenommen.) am Morgen, eine gegen Abend, und widmen die Mittags- stunden der Ruhe, der Reinigung des Gefieders, der Ordnung ihrer Federn }).“ Worauf ich hier die Aufmerksamkeit lenken will, ist der End- abschnitt der zweiten Aktivitätsperiode. Nach dem Sinken der Akti- vität in den Nachmittagsstunden steigt sie wieder 2—3 Stunden vor der Nachtruhe, um mit grosser Konstanz ca. '/a Stunde vor dem Schlaf an Intensität besonders zu gewinnen (Fig. 39)?). Diese kurze Periode einer besonders lebhaften motorischen Akti- vität, die der Nachtruhe unmittelbar vorangeht (Fig. 40 be — ea. 1) Brehm, Tierleben (Vögel) Bd.1 S.19. 189. 2) Diese gesteigerte Aktivität äussert sich im lebhaften Fressen, Herum- fliegen im Käfis, Auf- und Niederschlagen der Flügel und im Raufen sonst ruhiger und meistens in Eintracht miteinander lebender Vögel. Dieses letztere Verhalten ist besonders bemerkenswert, denn auch andere Vögel (Spatzen usw.) pflegen wegen des ihnen zur Nachtruhe passenden Platzes miteinander zu kämpfen. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 121 15 Minuten), beansprucht insofern ein erhöhtes Interesse, als es sich in diesem Fall scheinbar um ein interessantes Rudiment handelt. Die wildlebenden Kanarienvögel pflegen vor dem Schlaf die mit viel Bewegungen verbundenen Vorbereitungen zur Nachtruhe zu treffen. Diese Vorbereitungen bestehen darin, dass dieselben „vor Sonnenuntergang sich gern zusammenschlagen und eine gemein- schaftliche Herberge suchen“ (Bolle)!). Die gezähmten Arten, zum Beispiel die gemeinen deutschen Kanarienvögel, an denen ich meine Versuche angestellt habe, sind von solchen Sorgen nicht nur befreit, sondern durch das Züchten in Käfıgen während vieler Generationen wahrscheinlich zum Leben im Freien überhaupt unfähig geworden. Dessenungeachtet ist die alte Lebensgewohnheit allem Anschein nach nicht spurlos. verschwunden; sie hat sich in Form einer gesteigerten motorischen Aktivität vor dem Schlaf als das funktionslose Rudiment vererbt. Es ist geglückt, dieses Rudiment mit Hilfe des. AS weraphen exakt zu demonstrieren. Das Leben der wildlebenden Kanarienvögel kenne ich leider aus eigenen Beobachtungen nicht. Es ist mir deshalb unmöglich, Näheres über das dem Schlaf vorangehende Verhalten dieser Vögel mitzuteilen, Wenn es jedoch zulässig wäre, aus dem Verhalten einer Tier- art Schlüsse auf das Verhalten einer anderen Art der gleichen Famile zu ziehen, so könnte man vielleicht vermuten, dass die der Nachtruhe vorangehende Tätigkeit der un relativ ein- fach sei. Wenisstens besteht sie bei unseren Spatzen, die gleich den Kanarienvögeln zur Familie der Finken (Fringillidae)) gehören, bloss in einem Sich-Sammeln am Schlafbaum. Nach vielem nicht geordneten Herumfliesen mit lautem Zwitschern finden die Vögel die ihnen zusagenden Zweige, lassen sich nieder, — und bald beruhigt sich die ganze Gesellschaft. — Ich habe dieses Verhalten der Spatzen einige Jahre in Winter- monaten in Wien beobachten können; es finden sich nämlich in dieser Stadt an der Ringstrasse (bei dem Universitätsgebäude, gegen- 1) Zit. nach Brehm, 1. ce. S. 311. 2) Claus-Grobben, Lehrbuch der Zoologie, 7. Aufl., S. 856. 1905. 122 J. 8. Szymanski: über der Börse, beim Stadtpark) einige Linden, die als Nacht- herberge unzähliger Scharen von Spatzen dienen). Aber nicht bei allen Vogelfamilien äussert sich das der Nacht- ruhe vorangehende Verhalten in so einfacher Form. Es kann in ziemlich komplizierter Weise verlaufen und ein interessantes Spiel der auf die Vögel wirkenden Reize uns aufdecken. Dass dem so ist, haben mir Beobachtungen an Dohlen ’?) gezeigt. Da sie eines gewissen Interesses nicht entbehren, möchte ich sie kurz mitteilen. Ich habe das der Nachtruhe vorangehende Verhalten der Dohlen in einer kleinen Ortschaft, in deren Mitte sich eine grosse Kirche mit zwei hohen roten Türmen erhob, während der Monate August bis Mitte April beobachtet. Der Eisenbahndamm schnitt die Ort- schaft in der süd-nördlichen Richtung durch. Ca. 1 km im Norden und im Süden wuchs Kiefernwald; im Westen und im Osten waren bebaute Äcker gelegen. Während des Tages habe ich keine oder nur wenige Dohlen in der nächsten Umgebung der Kirche gesehen; erst um die Zeit des Sonnenunterganges änderte sich das Bild. Von Süden herankommend, erschienen die Vögel in grösseren oder kleineren Scharen in der Nähe der Kirche, indem sie sich augenscheinlich nach den Kirch- türmen als der weithin wahrnehmbaren Landmarke orientierten. Im weiteren Verhalten konnte man zwei Fälle unterscheiden, und zwar entweder steuerten die Vögel direkt den Kirchtürmen zu, verweilten daselbst längere oder kürzere Zeit, um die unten noch zu beschreibenden Spiele zu treiben, und schliesslich setzten sie nach Sonnenuntergang ihren Flug zu der nördlich von der Ortschaft ge- legenen Nachtherberge fort; oder aber es flogen die Dohlen bloss um die gewohnte Stunde an den Türmen vorüber und verschwanden, ohne sich aufzuhalten, in der Richtung der Schlafstätte. 1) Das gleiche Verhalten ist auch anderen Finken eigen; so berichtet zum Beispiel v. Tschudi, dass die Bergfinken (Fringilla montifringilla) „sich auf Strassen und Miststätten, vor Häusern und Ställen gesellig umhertreiben, aber zur Nachtruhe in die hohen Baumwipiel der Wälder gehen“. (F. v. Tschudi, Das Tierleben der Alpenwelt, 11. Aufl., S. 85. 1890.) 2) Vgl. hierzu die Beschreibung des täglichen Lebens der Krähen bei: Brehm, 1. c. S. 434—435; auch über die sozialen Schlafgewohnheiten der Tiere in Doflein, Das Tier als Glied des Naturganzen S. 689—691 und 392 ff. 1914. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 123 Es hing von den Temperaturverhältnissen und der Jahreszeit ab, welcher Fall zu beobachten war. Es lässt sich im allgemeinen sagen, dass die Dohlen in den kalten Monaten (und kalten Tagen) bloss an den Türmen vorüber- _ flogen; in den warmen -Monaten (und warmen Tagen) versammelten sich die Vögel um die Türme herum und verweilten daselbst längere oder kürzere Zeit, um schliesslich zur Nachtruhestätte u zufliegen !). Der, genauere Verlauf des Verhaltens in den warmen Monaten (und warmen Tagen) gestaltete sich folgendermaassen: Von den im Süden der Ortschaft gelegenen Weideplätzen ca. 1—1"/2 Stunden vor dem Sonnenuntergang kommend, versammelten sich die Dohlen um die Türme herum, die als Landmarke dienten. Die Vögel umkreisten die Türme, dann blieben sie einige Zeit ruhig sitzen. Plötzlich erhoben sich alle auf einmal mit einem Geschrei (mit dem „gesellschaftlichen Lärm“ nach Schurtz), gleichsam von inneren Impulsen getrieben, von den Türmen und schlugen die Rich- tung gegen Norden ein. Nachdem die Vögel eine kürzere oder längere Strecke zurückgelegt hatten, kehrten sie um, erreichten wiederum die Türme und blieben wie früher ruhig sitzen. Nach "Verlauf von einigen (ca 10—15) Minuten wiederholte sich genau das gleiche Spiel usw. : Das Spiel begann ca. 12 Stunden vor und dauerte ungefähr bis !/e Stunde nach Sonnenuntergang. 1) Ähnliche Versammlungen halten auch die Stare ab, wie dies aus der folgenden Beschreibung von Homeyer hervorgeht: „Selbst während der Brut- zeit versammeln sich die Männchen (der Stare) regelmässig auf einzelnen Bäumen, halten ein kurzes Abendkonzert und begeben sich dann gemeinschaftlich zu ihren Schlafplätzen.“ (v. Homeyer, Die Wanderungen der Vögel S. 257. 1881.) Dieses der Nachtruhe vorangehende Verhalten der Stare hatte ich selber die Gelegen- heit, wiederholt zu beobachten. Vgl. auch W. Kobelt, Die Verbreitung der Tierwelt S. 123. 1902. — In diesem Zusammenhange möchte ich noch die folgende - Beobachtung anführen, die sich wahrscheinlich ebenfalls auf das gleiche Ver- halten bezieht. „Kurz vor Sonnenuntergang beboachteten wir hier (am Rudolph- See) täglich das plötzliche Auftreten von ungeheuren Schwärmen einer Vogelart, von der Grösse einer Turteltaube, die in ziemlicher Höhe die Luft in ungeord- netem, ziellosem Zickzackfluge durchschwirrten. Plötzlich, wie sie zu kommen pflegten, sammelten sie sich nach einiger Zeit wieder zu mehreren, wolkenähn- lichen Schwärmen und verschwanden in westlicher Richtung über den See. Die ganze Erscheinung dauerte nicht länger als 20 Minuten.“ (L. R. v. Höhnel, Zum Rudolph-See und Stephanie-See S. 626—627. 1892.) 124 J. S. Szymanski: Dieses Verhalten stellte sozusagen eine Reihe von Versuchen zum Abflug in einer bestimmten Richtung vor); es machte den Eindruck, als ob diese „Probeflüge“ aus inneren Impulsen und ohne sichtbare äussere Reize unternommen worden wären. Schliesslich flogen die Vögel ca. "/s Stunde nach a unenl gang definitiv zu der im Norden der Ortschaft gelegenen Schlaf- stelle. Die umgekehrte Wanderung von der Schlafstelle zu den Weide- plätzen erfolgte, insofern ich dies feststellen konnte, in den ersten Morgenstunden bei schönem Wetter und in den Vormittagsstunden bei trübem Wetter. Was die Fluggeschwindigkeit und Flughöhe betrifft, so sind beide von den Witterungsverhältnissen abhängig: bei klarem, ruhigem Wetter ist die Geschwindigkeit wie auch die Höhe viel bedeuten- der als bei trüber bzw. regnerischer Witterung. Wenn ich zum Bei- spiel den definitiven Abflug der Dohlen an ruhigen, klaren und warmen Abenden des Frühherbstes manchmal kaum mit blossen Augen verfolgen konnte, so flogen die Vögel bei trübem, kaltem Wetter bzw. Schneegestöber manchmal knapp über die Wipfel der mittelgrossen Kiefern in äusserst langsamem Tempo vorüber. Wie sich die Vögel während der Brut- und Nistperiode ver- halten, weiss ich nicht; falls die Vögel auf den Türmen nisten, bleiben sie wahrscheinlich daselbst auch während der Nacht. Interessant gestaltete sich weiter das Spiel der Reize, die auf die Dohlen während der Probeflüge wirkten (Fig. 40). Wenn die Zeit eines Probefluges nahte, so flogen die Dohlen ‘von dem als Sammelstelle dienenden Turme in der Richtung A C (Fig. 40) durch eine Kraft y getrieben. Diese Kraft y war die an- ziehende Kraft der Schlafstätte, die in der Richtung A B lag. Nach- dem die Dohlen an einer nicht weit von den Türmen gelegenen Stelle © angelangt waren, begann eine zweite Kraft x sich wirksam zu machen. Diese Kraft & war die anziehende Kraft der Türme, die als eine fest im Gedächtnis eingeprägte Sammelstelle diente. 1) Ein ähnliches Verhalten zeigen die Zugvögel vor Antreten ihrer Saison- wanderung. Wie zum Beispiel Kobelt schreibt, „dürfte das allmähliche Zu- sammenscharen der Vögel einer Gegend und gemeinschaftlicher Wegzug für die meisten Arten ... die Regel sein. Sie sammeln sich an nahrungsreicheren Orten, streichen eine Zeitlang umher und treten schliesslich die Hauptwanderung zu- sammen an“. (W. Kobelt, Die Verbreitung der. Tierwelt S. 487. 1902.) Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 195 An der Stelle © befanden sich also die Dohlen unter dem Einfluss zweier in entgegengesetzter Richtung wirkender Kräfte x und y. Die Wirkung dieser Kräfte äusserte sich zunächst darin, dass die Vögel ihren Flug verlangsamten bzw. gar in der Luft schwebend stehen blieben. Daraufhin gewann bei einem Teil der Vögel die Kraft y Oberhand, so dass eine Anzahl von Vögeln ihren Flug in der Richtung CB, also in der Richtung der Schlafstelle, fortsetzte. Der andere Teil der Dohlen reagierte stärker auf die Kraft x, so dass diese Vögel einen Kreis in der Luft beschrieben und schliess- lich die Türme in der Linie CD wieder erreichten. Fig. 40. Das Spiel der richtungbestimmenden Kräfte bei einem Probeflug der Dohlen. & = Anziehungskraft der Türme. % —= anziehende Kraft der Richtung, in der die Schlafstätten liegen (bzw. anziehende Kraft des direkten Anblickes der Schlafstätte?). C = die Stelle, wo sich die beiden Kräfte (x und y) geltend machen. AC und CB = Flug in der Richtung, wo sich die Schlafstätten be- finden. CD = Flug in der Richtung der Türme. Wenn wir nun die Frage aufstellen, welche von beiden Kräften auf die Mehrzahl der Dohlen einen stärkeren Reiz ausübte, so kann man sagen, dass die Kraft z, also die anziehende Kraft der Türme, vor und um die Zeit des Sonnenunterganges auf die überwiegende Zahl der Dohlen sich stärker geltend machte, so dass in dieser Zeit die Mehrzahl der Vögel nach einem Probeflug A C wieder in der Linie CD zu den Türmen zurückkehrte. Nach Sonnenuntergang gewann die Kraft y, also die anziehende Wirkung der Schlafstätte, nach und nach Oberhand, so dass immer mehr Dohlen nach dem Probeflug AC ihren Flug in der Linie OB zur Schlafstätte fort- setzte. Schliesslich hörte in der tiefen Dämmerung die Kraft x auf zu wirken, so dass der Rest der Dohlen die Türme verliess, um in der Linie AB direkt zur Schlafstätte zu fliegen. 126 .J. S. Szymanski: Wie ersichtlich ist, änderte sich im Verlauf der Zeit das Verhältnis zwischen den Kräften z und y in ihrer Wirkung auf die Dohlen. Zunächst war 2>y (vor und um die Zeit des Sonnen- unterganges); daraufhin kam der Zeitabschnitt (nach Sonnenunter- gang in der ersten Dämmerung), während dessen x ungefähr gleich y (<— y) war, das heisst in jeder Richtung CD und OB flogen un- gefähr gleichviel Dohlenschwärme; und schliesslich liess sich in der tiefen Dämmerung (ca. !/g Stunde nach Sonnenuntergang) das Verhältnis zwischen beiden Kräften in der Formel x xX9 qcem grossen Stücke von schwarz abgetöntem Kopierpapier, die auf einem gleich grossen Brett mit Reissnägel befestigt worden waren. Ausserdem wurde in den oberen Teil jeder Abteilung (Fig. 42 Abb. IICOR bzw..eS) eine lökerzige Lampe hineingehängt (vgl. auch Fig. 42 Abb. ]). Der Kegel wurde stets an der Seite des offenen Ausganges auf- gestellt, so dass diese Figur zum positiv wirksamen Reiz erhoben sein sollte. Der Kegel (negativ wirksamer Reiz) diente bloss zum Vergleiche. Sollten die Hunde erlernen, den Kegel mit dem offenen Ausgang bzw. den Zylinder mit dem geschlossenen zu verknüpfen so wollte ich diese beiden Figuren, bei sonst gleichbleibender Versuchsanordnung durch ihre photographischen Aufnahmen ersetzen um feststellen zu können, ob die Hunde auch jetzt den richtigen Ausgang auswählen würden. Bei den Versuchen mit den Hunden Nr. 3 und Nr. 4 verfuhr ich umgekehrt: Ich setzte in die Fenster die photographischen Auf- nahmen vom Prisma und der Pyramide; dabei sollte dem Prisma der Wert des positiv wirksamen Reizes zukommen. Sollten die ent- sprechenden Assoziationen entstanden sein, so wollte ich nun statt der bildliehen Reproduktion wirkliche Originalfiguren auf die Hunde einwirken lassen. Diese Anordnung der Reize erwies sich als zu schwer für die Hunde: nach 40 Versuchen (Nr. 2, 3, 4) zeigte sich nicht nur kein Fortschritt, sondern im Gegenteil eher ein Rückschritt, der darin bestand, dass die Hunde immer mehr desorientiert wurden. “Ich habe mich nun entschlossen, die Versuchsanordnuug vom 41. Versuche an (Nr. 2, 3, 4 bzw. vom 13.. Versuche an bei Nr. 1) derart zu vereinfachen, dass ich die Figur bzw. die photographische Aufnahme, die zum Vergleich dienen sollte — also den Zylinder (Nr.1, 2) bzw. die photographische Aufnahme der Pyramide (Nr. 3, 4) —, entfernte. Es wirkten also fortan auf das Tier bloss einerseits ein 136 J.S. Szymanski: beleuchtetes Fenster mit der aufgestellten Figur (bzw. mit der photo- graphischen Aufnahme) auf der Seite zum. offenen Ausgang, anderer- seits ein leeres, beleuchtetes Fenster auf der Seite zum abgesperrten ‚ Ausgang ein. Auch diese Anordnung führte nicht- zum erwarteten Ziel, so dass ich sezwuneen war, die Versuchsanordnung vom 42, Versuche an‘ (Nr. 1), vom 75. Versuche an (Nr. 2, 4) und vom 69. Versuche an (Nr. 3) weiter zu vereinfachen. Diese Vereinfachung bestand darin, dass das leere Fenster auf der Seite zum abgesperrten Ausgang, un- beleuchtet blieb, so dass das Tier vor sich ein beleuchtetes Fenster mit der darin aufgestellten Figur bzw. photographischen Aufnahme hatte. Der Erfolg blieb wiederum aus. Der Hund Nr. 4 wurde derart desorientiert und unwillig, dass- er den Vorkäfig nicht mehr verlassen wollte. Infolgedessen wurden die Versuche an demselben eingestellt). Die neue Vereinfachung der Versuchsanordnung war folgende: Vom . 116. Versuche an (Nr. 1) bzw.: vom 152. Versuche an beleuchtete ich ausser dem Fenster mit der Figur (bzw. der photographischen Auf- nahme) den ganzen Gang, der zum offenen Ausgang führte (Fig. 41 Abb. III abcd bzw. a,b,cd,). Die Beleuchtung des Ganges wurde derart bewerkstellist, dass eine 16 kerzige Lampe auf dem Drahtnetzdeckel des Versuchskäfiges über dem entsprechenden Gang gelegt war. Die Lampe war derart mit Asbest umhüllt, dass das Licht bloss nach rückwärts in den Gang eindringen konnte. Bei der genaueren Analyse des Verhaltens von Nr. 3 (siehe unten) wurde die Beleuchtung des Ganges entweder wie oben durehgeführt, oder um eine etwaige stärkere Wärmewirkung zu eliminieren, die Lampe während des diesbezüglichen Versuches in ein seitlich mit Asbest umhülltes kleines Einmachglas hineingehängt; das Glas wurde dann auf dem Versuchskäfigdeckel über dem ent- sprechenden Gang aufgestellt. Der andere Gang blieb ebenso wie das lelshetenges Fenster unbeleuchtet. Diese Versuchsanordnung war wenigstens teilweise (Nr. 3) von Erfolg begleitet. Die Veränderungen in der anne der Reize, die im Ver- 1) Nach 40 Tagen noch einmal untersucht, zeigte der Hund Nr. 4 das gleiche Verhalten (Desorientierung, Unwillen, den Vorkäfig zu verlassen usw.). — Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 137 ‘ Jaufe der Versuchsserie unternommen waren, bezweckten ein fort- schreitendes Ausschalten der nicht obligatorischen Reize mit einem sleichzeitisen Hervorheben und Verstärken des obligatorischen Reiz- komplexes. Dieses Verfahren lässt sich kurz definieren: entweder als die Methode des sukzessiven Ausschaltens der nicht obligatorischen (überflässigen) Reize oder als die Methode der fortschreitenden Ver- einfachung des einwirkenden Reizkomplexes. Da der Hund Nr. 3, wie oben erwähnt, bei der zuletzt be- schriebenen Versuchsanordnung erlernte, den offenen Ausgang auf dem kürzesten Wege zu finden, so wollte ich nun weiter feststellen, welcher Reiz des eanzen einwirkenden Reizkomplexes die stärkste Wirkung auf das Tier ausübte. | Wie erinnerlich, wirkte auf das Tier auf der zum offenen Aus- gang führenden Seite gleichzeitig der beleuchtete Gang und das be- leuchtete Fenster mit der darin aufgestellten Figur. Um nun die einzelnen Faktoren analysieren zu können, liess ich zunächst auf das Tier bloss den beleuchteten Gang auf der zum offenen Ausgang führenden Seite einwirken. In den nächsten Versuchen wurde bloss das Fenster und die darin aufgestellte photographische Aufnahme des Prismas beleuchtet; der Gang blieb unbeleuchtet. In den weiteren Versuchen wurde bloss das eine Fenster beleuchtet: der Gang blieb wie oben unbeleuchtet. Die nächste Anordnung war derart gewählt, dass der Gang auf der Seite zum offenen Ausgang beleuchtet war; auf der anderen, also zum abgesperrten Ausgang führenden Seite _ war bloss das leere Fenster beleuchtet. Schliesslich waren in den letzten Versuchen beide Fenster be- leuchtet. Dabei war im Fenster auf der Seite zum offenen Ausgang die pkotographische Aufnahme des Prismas aufgestellt ; das andere ‚beleuchtete Fenster blieb leer. Die beiden Gänge waren unbeleuchtet. Mit dieser Anordnung nahm die ganze Versuchsserie ihr Ende. Der Verlauf der Versuche und die Ergebnisse sind in der nach- folgenden Tabelle Nr. 17 niedergelegt. Tabelle 17. En 138 uopunyagS ur 1102 J. S. Szymanski: zo] up Jne uorgyroy ZunyyaLL -SZuUnd9Mag zıay Op JA aaS JOYToA UOA Hund Nr. 4 srm san A ao Aaron to vom Aa na m Ser 2104 AAUESYIILM Selyas uopunyaS ur loz zog uop jae uoryeoy | ZungyaLı -SSUNIYAOT ZI op ALA orag Hund Nr. 3 AOy9J0AM UoA zIOy AAWESYIIM 3elyas uopunyag ur }oZ nun nm N a waren) nn 9 = S | ztoy uop Fue uoryyeoy ee ee en een Junyyarı -sdungomeg am mm m m m DS m nn m m DS rn m m DD ns DS m a IS DS I m em y zıoy dop JyIIM oyıac A9y0JoA UOA Hund Nr. 2 « - > zoom ktreo& arm son kan kbromivm Leon At Aa ar zIoy AAUESYILM SSR RRAaARARARRRRARARSTCARRARRATRCRRTRARRRAR (®) m RN NS NT STH Seyas uoapunyog ur 11oz an nn 2 nn 2 nn a nn nun u NDONOSNOX TA TION HNO OUIM- STH TO TO“ on a ma zIay uep me vonyeoy a sr rl ee ar el er Sungypauı -SJUNSYAAOT, por - tronmeomrmenm Serra m a I I I ee zıay op FILM oyrog doy9Jom uoA Hund Nr. 1 So co vom Io treom &m kom & an kam on kA kom zIO4y JOWESYILM ) ) ) ” Sn. S seyos soyonsio‘ Sp IOLIULUN Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 139 De) [ep ISO ap) ri aan) On Ga Ca de de ie Cr ie aBaa.ma BE EEE mom. - De cu oc - aan | | 4+++ +++ + HH EHI HH RT een ao. enrvcreom to & tomrorcrfbrtrevrbmrtbrtunrrbbmremnmsmmnoön tm B « A = e Ele: = ei = A ei A le) Sp Seren cn << en So on so son So Som ou oo om a om So & n ES EIERN NEISSE FIRE ESS BES SE SEEN SESSION SERIES ESS SS AZ, an OS . in umnunn a u nn nun Seren SE ee rer. gare ee ae ee, be nn wnmun nan na un 2 unmun 2% Ri i Re ea TR K |Ssscrercmrbermuönmbstfbmunmbmtinrmmmmmrbmurnbmbrumrmmrm m - L L - LL LA Son se &nmt so kom tm Don J. S. Szymanski: 140 « oT Se f Be a, Re et ; « 01 + e n « 9I- | — 1 > « EOL 08 2 dl « Sal 08 se l « een: ee « SE 1207 2 ı- 1 ? ge : 4 « dal - en R 4 S 101 et ; « re = ü Dean ; 7 001 Bern ee 2 Ber ae ae, ee : en Beer N ee a nee | es ee a ae. 208 + | 1 m Sg! 2% + | C « g CZ = 7 ‚ « | g GG B er di 1 7 iz ne Bu 2 [14 GE | = | 1 He (5 76 een ee ee Be a ee ee ee a lee 9L — 1 |) 4 «€ S 0% + 2 2 « g 6 + l l « 16 ee Fr De 1 « Dr “ s | 06 Be ee De, 5 ea rerı - ee ee ee ee ee i ee. ee 18 == I. 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Szymansk 142 19 IE l BD, 08 + ] 1 BOT = D ae 120% == 1 « I we 1 BE 8.1 30 3 N 1 Mal D Bee s | »e =: 1 d Te = N Me Ss | 08 a 2 d vr 0 DR &8 a N 7 — d ee S 677 Hi ton DD 18 + d IE Ze + dl d Bra 1 0 ü g R = ii N R SF N N 5 & = d 1 u + N 1 : 5 | + d . zer | + Ti 4 2 Feb 1.\ ao a 1 1 5 ie ar 4 4 2 + d 4 5 + 1 ] Je ar N N = A >> d 1 06. 7 4 1 ; Se co + 4 0 61 d d 2 u fl l NE di 1 ä Ss | 84 — 1 N 2 | + D d “ 89 = N 4 | + ü 0 2 yo 1 Eee 4 ao = 4 1 6 — .d N N 1 Mi v9 + 4 4 5 a ee 4 N De l 1 2 Sılzae, # { d 1% 1 dt 4 - Ba an L u NE a5 d u = Aa 4 1 Ken n 1 = Ser 4 4 GI + U 7 ıd, G9 + dh M) ZI ZIo uopuny nn Sun vo \ zog uopuny er au, zop og UL | me DE PU omes |Seyog | -es ur | me ke | ARE Moz Kae -saung | oyras | yroZ = -sdund | oyras 5 oil -amog | TOyoJeA IM b uoryye -mag | Tomojom u: uoA oy uoA ‘g IN pung zZ IN pung zIOy A GldeS arm JeIgas -— | EOS FE Te EIS STE ILZIeNE uopuny -ag ut 1107 > Sl a ar an Er er ers) We ne a De au = j rm rm £ m = So mr # mr m m m m m m m m m m m m m m eb m m m m m m en m m en m me ES = [m 2104 ı9p YAyITAL oyas 1oyoToM | wor -UOTT | nn mn a — Ne) ri nn [6,0] DS -— Ne) = - 3eiyds TEINSBUNE soyansToA SOp JowmmN (Junzgos}107) ZT SIEALL Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 143 mo = [ex Ko, 0] ze es. ap) a au Sorı == 23 [a an) a er San SS a en m a sSın — PIFI +31 + | ++| | +++ +44 HH HH) HH at 5 e . 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P2 s Fe Aus r { N Ba 1 1 5 8 Ze] d : Ss | 68 E a 1 Da l 1 2 6 el 4 5 s | 888 Ve 1 = Me 1 2 2 SE ar 1 1 5 LER Gage 1 4 dh Kat. ar 1 1 R v + 1 1 1 988 | + N l a De . n L 5 1 2 3 Ss | Er 2 = g N puny a N punH I N puny & 2 ET -(SunzosJ104) ZI OIIDABL Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 145 SETERIRTSTERPATSRETCHABTLTRERTATSR ae +t+4+++ | HH HH HH 44H 444 HH HH Hr IH IH — tom Lo oo co Step tpym tt tum > iu Ah La om ns tom &> im L open eo om So Song ao L iu Som a ums nn... nn RN Re A AS = 5 nor mm SEES EISEN eenar) nostarın Arm Hear m a IN mem nııeanoıhı MIN MT aTHT Han -— ie +4 +4++4++4+4+ | 4++++4++ | 4 44H | ++ | IH 444 cr - nom ot zo ion topry arm Tania Sum un LU « sep tem - sun t en samer en a auf |inSeı1. = samer su Er auf in Se- 2| 2 Reiz der NE ‚den |kunden| » Reiz der nr n den | kunden = Reiz 5 Reiz Reiz "28 | Reiz 1| 8 P 1 | Py I 21.8 & 7 N {R 3 n I ” J 4 L B I d » " I FAR )) r I are 6 : r I —_ 18 . r I — 27 U N I I + 8 5 Be 1 + 12.15 8 » T U — 71 a Pur I —_ 12 9 ; r 1 6 R r U — 10 10 ; U I + 8 " ı l + 7 11 N 1: I — 6 „ IR l — 7 12 “ Br ı + 2 :; 1: r — I 13 4 I I + 1ea.2 „ I I + 3 14| 8 i; Ta L — ? N h jr I — 7 15 | 8 Y U — 7 S s; r I — 11 16 en I I + S) 5; I I + 9, 17 h 7 1 —_ 11 \ { r + ) 154 Tabelle 18 (Fortsetzung). J. Ss. Szymanski: Nummer "des Versuchs Hund Nr. 2 u S Hund Nr. 1 Von BRe- Von Re- ® | Wirk- |weleher | aktion | Zeit | 2 | wirk- ae: E aktion | Zeit = samer F R au in Se-| 3 samer H 3 au in Se- 2 Reiz rich- den |kunden 2 Reiz ah rich- den |kunden Reiz Aue Reiz Reiz Lane: Reiz’ Py I ı ur £) S | Py I 7 22 n l I + 11 ” ı I + 16 8 3 r I — 17 e r r + 28 ed A r == f o T 7 + € SHE 1 a N ads i 1 I he = l ı + ie) 8 “ l 7 — 11 8 a r I — 11 $ i T l E= ? 5 r Tr + 18 8 r ? ? ? 8 & I r\ — 18 # l ? ? ? % r r + 10 B, Hier r + |12 8 R T l — 12 5 r r + 74 is I l + 13 . I Il + 66 N r Tr + 10 h T Tr Fi] 85 2 ı I = 10 > I l eb 50 Ss “ l T — 13 2 I I + 29 3 r r + 11 5 r r == 21 3 r 1 + 12 5 T T + 20 X ı l + 10 5 I l + 36 5 % r I _ 12 z r r .. 21 Pause von 7 Tagen. Py I I nn 13 Py ı ı SF 64 a l U Sr 43 ” ı U + 47 & Y r + 38 ‚ r 7 u DIE 8 4 I I: — 17 8 5 l 1: — 28 B Tr r + 23 5 T r + 64 R U l Fr 34 I ı 1 == 96 2 I l + 17 5 l ı + 20 8 5 T, l _ 22 N 7 r + 30 S » Tr I — 39 h r T + 29 S 5 l r — 39 5 4 I I + 16 2 r r + 22 S) 5 r ı — 61 N T r + 13 5 r r + 26 S > I r — 19\ L v I nu 17 > r r + 17 \ r r -L 19 5 1 r — 27 N l L + 19 5 I, I == 45 h l I + 17 B r l — 57 “ Tr r + 19 R r r + 15 * er Y + 15 x ı ı + | 206 n; l ı + 14 y r r + 76 » r m: — 14 S X l r — 10 u Bine ab + 14 5 I U =+ 2 h, l l + 18 B r r a N r 1 la 5 l I + 86 5 ı ı + 7 SHINE r u 30 r r r + il A U l = 39 Mr I 'T + 9 n I + 16 5 ı 1 = 6 s Me r Sr 23 Ä r r + 9 3 r r + 23 “ r Le + 6 N l + 17 ı I + 9 ee" 2 Z I Bi Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 155 Tabelle 18 (Fortsetzung). 2 Hund Nr. 1 Hund Nr. 2 No 22 Bu RENTE 2 Near. = 2 Von Ba | Von | ER Re- Es By weldien Sf | Aktion ai SI vun | welchen a 2 aktion Zi = = samer . : au in Se-| 3 _ samer : Arch au in Se- Z ® 2 Reiz U ER den !kunden| @ | Reiz N Ans den | kunden ‘= Reiz ER Reiz | Reiz une Reiz | 68 Py r r + 26 Py r | Tr + 5 69 “ T r + 18 & T | T N a) 70 i l l - 17 2 1 1 + 6 711 8 n r I = 25 ; T r En 4 72 L I DR ORT RISSE, I a 73 £ I I + 15 x l I =. 6 7141 S x {h U _ 19 a r Tr + 8 75 2 r r + 8 „ T r + 3. 76 % I I + 9 n l + 7 77 {N T + 6 r T r + 6 7381 8 4 I r Z— 11 Ss is 2 ei — 12 EI RN I U + 8 n l l + 10 0] Ss * r U — 15 5 T T + 12 sa] 5 4 l T E= 16 hs 1 I + 9 82 | 5 r r + 22 5 T r - 10 3] 8 \ I r — 17 3 l l + 5 Bes... I a ll od 1 r 8 8 | h. r r + 18 & | T T + 8 86 h T y + 6 Ss R r I — 17 87 „ ı 1 == 7 2 | I + 8 38] 8 3 r I — 9 en 7 + 11 Pause von 58 Tagen !). 39 | Py Y 7 + 13 Py T Y - 23 Bu, -) l T — 11 Al ı 1 + 16 91 r T T 3 17 n r r + 13 921 5 i I r — 12 5 I l + 10 93 " l U + 7 Y L l + 13 94 N r r + 12 REAR, r r + 11 9%] 8 5 T I — 11 5 T r r 10 96 2: I U + ) \ % I 1 + 11 97158 % r vr — 7 REES T U — ? 98 N l -L + 5 8 5 1 r - ? 99 a l 1 + 9 5 1 N + 95 100 | 8 5 r I — 11 S = T 1 — 61 101 | R l 1 + 15 5 n I r ? Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, machte der Hund Nr. 1 nach 101 Versuchen keine nennenswerten Fortschritte, das heisst dieser Hund erlernte nicht, zwischen zwei Abteilungen, deren eine leer blieb, deren andere durch eine 70 cm hohe weisse Pyramide 1) Dass die Pause von 58 Tagen keinen merklichen Einfluss auf das er- worbene Verhalten des Hundes ausgeübt hatte, bewies unter anderen auch folgende Tatsache. Nach Verlauf von 6 Monaten abermals in dem gleichen Raum und bei einer nur wenig abweichenden Versuchsanordnung untersucht, zeigte der »ämliche Hund das gleiche Verhalten, wie bei den oben beschriebenen Versuchen. 156 J. S. Szymanski: markiert war, zu unterscheiden. Der Hund Nr. 2 zeigte scheinbar Fortschritte; er lief nämlich vom 28. Versuch an meistens richtig, so dass während der nächstfolgenden 67 Versuche (Nr. 28 bis inkl. 94) das Tier bloss 5mal die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Es war aber auffallend, dass das Verhalten dieses Hundes stets schwankend blieb. Der: Hund versuchte zumeist, zunächst die falsche Abteilung zu betreten, dann machte er kehrt, beschnüffelte alle Wände und schlug schliesslich zögernd den richtigen Wee ein. Um nun zu prüfen, ob hier nicht etwaige störende Geruchsreize statt des optischen Reizes (Pyramide) mit im Spiele seien, ent- fernte ich in den letzten 7 Versuchen (Nr. 95 bis inkl. 101) den Kasten, in dem das Futter in der leeren Abteilung eingeschlossen war. Der Hund zeigte nun vollkommene Desorientierung. Ich musste also schliessen, dass der Hund Nr. 2 bei der Aus- bildung seiner motorischen Gewohnheit sich nicht von den optischen (Pyramide), sondern von den osmatischen (Geruch des Kastens) Rezeptionen leiten liess. Die beiden Hunde haben sich also als unfähig erwiesen, zu erlernen, sich nach der Pyramide bei ihren Bewegungen zu orientieren. | Zusammenfassung. Die Versuche beider Serien haben als positives Resultat bloss so viel ergeben, dass die Hunde zwischen einem beleuchteten und einem dunklen Gang unterscheiden können. Als negatives Ergebnis konnte ich feststellen, dass bei meiner Versuchsanordnung die Hunde nicht einmal fähig waren, zu erlernen, zwischen einer leeren schwarzen Wand und einer schwarzen Wand. mit einer 70 cm hohen weissen Pyramide zu unterscheiden. Die Ergebnisse meiner Versuche stimmen also gut mit den älteren Beobachtungen von A. v. Humboldt (siehe oben) wie den neuesten von Johnston!) überein. 1) Dass das Gesicht eine nicht allzu grosse Rolle im Leben der Hunde zu spielen scheint, beweisen die Versuche von Johnston insofern, als er keinen nennenswerten Unterschied im Verhalten von bliuden und sehenden Hunde beim Erlernen eines Vexierkastens gefunden hat. (H. M. Johnston, Audition and Habit-Formation in the Dog. Animal Behavior Mon. vol. 2 no. 8.) Auch die Be- schaffenheit des Akkommodationsapparates spricht dafür, dass das Formensehen bei den Hunden nicht von einer besonderen Bedeutung sein kann. Wenigstens schreibt F. Schenck folgendes über diesen Gegenstand: „Die Akkommodation fehlt ganz oder ist nur unvollkommen entwickelt bei Tieren mit nächtlicher Lebensweise, bei Raubtieren, überhaupt bei Tieren, bei denen genaues Formen- Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 157 Wie die negativen Ergebnisse meiner Versuche wiederum gegenüber den positiven Resultaten anderer Forschar (Lubbock, Orbelli!) u. a.) zu erklären sind, weiss ich nicht. Ich möchte bloss bemerken, dass die Methode von Lubbock durchaus unzuverlässig war. Was nun die neueren Versuche von Orbelli, die nach der Pawlow’schen Methode ausgeführt worden waren, betrifft, so wäre zu betonen, dass auch die Versuche über die akustischen Rezeptionen der Hunde, die nach dieser Methode semacht worden waren, keine Bestätigung seitens anderer Forscher gefunden haben ?). Es ist auf Grund dieser neuesten Befunde zu zweifeln, ob über- haupt die Pawlow’sche Methode für die Untersuchungen über die feinere psycho-physiologische Sinnestätigkeit der Tiere tauglich sei?). Es bedarf weiterer sorgfältiger Untersuchungen, um nachzuprüfen, ob in dieser Methode, deren grosser Mangel schon darin besteht, dass die Tiere verwundet und gefesselt sein müssen, nicht eine noch weitere Fehlerquelle steckt. 2. Untersuchungen über den Werdegang rezeptorisch- motorischer Gewohnheiten. Das Problem der Entstehung von rezeptorisch-motorischen Asso- ziationen kann von zweierlei Gesichtspunkten aus — abgesehen natür- lich von der prinzipiellen Frage, ob einem Tier überhaupt die Fähigkeit der Assoziationsbildung zukommt — in Angriff genommen werden. Entweder will man die Rezeptionsfähigkeit für Reize, auf die das Tier durch angeborene motorische Reaktion, also von vornherein, nicht reagiert, feststellen. Derartige Untersuchungen bezwecken das Prüfen der Sinnestätigkeit der Tiere; deren Resultate gestatten uns, eine ungefähre Vorstellung zu gewinnen, für welche Reize der Um- welt das Tier empfänglich sein kann. Unser Bild vom Umfang der sehen für die Ernährung oder die Flucht vor Feinden keine so beträchtliche Rolle spielt als das Erkennen von Bewegungen (z. B. bei Hunden, Katzen, Kaninchen).“ (F. Schenck, Der Gesichtssinn. Handb. d. Physiol., herausgeg. . von W. Nagel Bd.3 S. 68. 1905.) 3) Val. z.B. Yerkes and Morgulis, The Method of Pawlow in Animal Psychology, Psychol. Bull. vol. 6. 1909, und Watson, Behavior p. 363 ff. 1914. 2) Vgl. H. M. Johnston, |. c. 5) Vgl. auch die kritischen Betrachtungen über diese Methode in Watson, Behavior p. 65—68. 1914. 158 JS: Szymanski: rezeptorischen Sphäre eines Tieres, das wir auf Grund der Beob- achtung seiner angeborenen Reaktionen gewonnen haben, wird er- weitert und vervollständigt. Hiermit ou = > oo = | MR | 1 | +. | Linker Ausgang abge- | 17 + Linker Ausgang abge- 2 —_ sperrt, rechter Aus- 18 + sperrt, rechter Aus- 3 | + | gang offen. 19 —_ gang offen. E: ner 20 _ 6) | _ 21 = 61 — 22 Ar 21 + n 23 Ag 8 — 24 + x 9 En 25 | 10 _ 11 _ 26 | + | Beide Ausgänge offen. 12 — 27 + Be Be | 14 + 29 + 15 | + 30° +1 16 + | Goldfisch Nr. 1. 1 + Rechter Ausgang ab- 5) — Rechter Ausgang ab- 2 Sr gesperrt, linker Aus- 6 + gesperrt, linker Aus- z — gang offen. y | _ gang offen. + nr ee bhandlungen zum Aufbau ‚der Lehre von den Handlungen der Tiere. 165 =; Tabelle 19 (Goldfisch Nr. 1. Fortsetzung). B 2 Ü 2] & u . ED or | RN 59 3 pe} ee! = Bemerkungen San e Bemerkungen =e3 Seen ER Ar , ae) lin Rechter Ausgang ab- | 28 Rechter Aüsgang ab- gesperrt, linker Aus- 29 — gesperrt, linker Aus- gaug offen. ” + gang often. 21 ar 32 si de = I 34 + F 35 ar { 36 ERS ; 1 | + | Beide Aussänge offen. 38.1 4 Su Wer A ? N 40 | + «8 4 | + en \ + nk Ausgang alıge- | ER ME ea NL ‚sperrt, rechter Aus- ” gang Sen. Goldfisch Nr. 2. Linker Ausgang offen, 36 — I Linker Ausgang offen, ae Ausgang ab- | 37 | + rechter Ausgang ab- gesperrt. Se gesperrt. | 39 | + | Be | 2 \ ar ae | Ei 4 + Ku . = 4. | | ea N i A RER) IE E " + | Beide Aussänge offen. | ee BIRNEN . Fl a A IN AN j Linker Ausgang abge- ‚sperrt, rechter Aus- > gang offen. + 166 J. S. Szymanski: Tabelle 19 (Fortsetzung). Goldfisch Nr. 3. 9) 2 © a 39 |55 ss | ss: Eu En = Bemerkungen s a|® 3 Bemerkungen z>|s® z>|s= | = | 1 + Linker Ausgang abge- 14 ar Linker Ausgang abge- 2 — sperrt, rechter Aus- 15 + sperrt, rechter Aus- 3 _ gang offen. 16 Sr gang offen. 4 + 5 _ ei + |. Beide Ausgänge offen. 6 — 18 ar 7 — 19 + 8 + v 20 + i) + 21 + 10777 11 — + Rechter Ausgang ab- 12 + gesperrt, linker Aus- 13 + gang offen. Goldfisch Nr. 4. 1 + Rechter Ausgang offen, AU SE Rechter Ausgang offen, 2 — linker Ausgang ab- 22 + linker Ausgang ab- 6) SE gesperrt. 23 = gesperrt. + _ 24 + 6) + 25 —_ 6 + 26 + ale 27 die 8 Sr 23 Ar 9 + 29 = 10 + 30 Ar 11 GE : 12 ES 3l | + Beide Ausgänge offen. 13 |. — 32 ie 14 — 33 Ar 15 + 34 ar 16 — 3 a 17 _ 18 + | + Rechter Ausgang ab- 19 — gesperrt, linker Aus- 20 — | gang often. Goldfisch Nr. 5. 1 + Rechter Ausgang offen, 14 | + Beide Ausgänge offen. 2 — linker Ausgang ab- 15 + 3 + gesperrt. ._ 16 + 4 — 17 5 — 18 + | 6 Fr A + 8 a + Rechter Ausgang ab- 9 an gesperrt, linker Aus- 10 Te gang offen. 11 + 12 r 13 + Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 167 Tabelle 19 (Fortsetzung). Goldfisch Nr. 6. ol. u) 52 | > 53| e» S 2 | 8 Bemerkungen 3 2 3 Bemerkungen _ = | se ARE ae 2 { — Rechter Ausgang offen, IS Rechter Ausgang ab- Vor- -+ linker Ausgang ab- 19 Fe gesperrt, linker Aus- - + gesperrt. 20 Ei gang offen. VEerT- a 21 cB suche BR 9 Sr | 23 = 24 ai 2 ZB Rechter Ausgang ab- 2 * 3 & gesperrt, linker Aus- 97 ni 4 an gang offen. 98 M 6) ar 29 + Eee 30 | + Te 31 + 8 + BD) + 32 + Beide Ausgänge offen. 10 — 33 == 11 + 34 + 12 — 535) = 13 ı 36 | + 14 + ' 15 + AR Rechter Ausgang offen, 16 + linker Ausgang ab- 17 + | | gesperrt. Goldfisch Nr. 7. 1 — Rechter Ausgang ab- 25 + | Rechter Ausgang ab- 2 — gesperrt, linker Aus- 26 Fe gesperrt, linker Aus- 3 — gang offen. 27 — gang offen. a: -28-| +, b) _ 99 a Ds 0 | + Lu 31 | — 8 == 32 — 9 “an 33 —_ 10 En 34 + 11 + 35 4 12 — 36 ar Ber 37 4 es DE 15 + - 16 = 39 + Beide Ausgänge offen. 17 + \ 40 + 18 — 41 > en 42 | + 0 | — las 21 — \ 22 + + Lioker Ausgang ab- 23 ar gesperrt, rechter Aus- 24 nt gang offen. 168 J.S. Szymanski: Tabelle 19 (Fortsetzung). Goldfisch Nr. 8. ol oe|ıo s2| © = Bemerkungen San 0 3 Bemerkungen 3°0| 23 | RS zZ r ou ZA > o°'5 s|R Se „+ Rechter Ausgang offen, 3 — Rechter Ausgang ab- Vor- Sr linker Ausgang ab- 44 — gesperrt, linker Aus- ve ar gesperrt. 45 — gang offen. S= : 46 — suchef! __ 47 = + 48 — 49 — 50 — 1 —_ Rechter Ausgang ab- 51 Lat 2 — gesperrt, linker Aus- 59 > 3 — gang offen. ‚53 ze 4 — 54 ey er 5 | + N 56 | + Bl 57. + 5 Ei. 55 | + DR 99 10 — 60 Be 11 =. 61 as 12.07 Be 13 — 63 ar. ae 4 | + lo 656 | + 16 — 66 ae 17 — 18 — 19 — Pause von 19 Stunden. 20, 10 > 21 —_ 22 E= 67 + Rechter Ausgang ab- 28 + e 68 + gesperrt, linker Aus- 24 = 69 + gang offen. 25 — 70 15 26 E 7ı - 27 — 72 = 28 + 13 -E 29 + 74 + 30 — 75 —_ 3l e— 76 zz 32 + 77 En 39 + 78 SE 34 —_ 79 — 39 3 80 + 36 —_ 8l 38 37 — 82 ; 38 — 83 <= 39 — 84 == 40 + 8 + 41 = 86 — se + Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. Tabelle 19 (Goldfisch Nr. 8. 169 Fortsetzung). Nummer d. Versuches Bewegungs- richtung Beinerkungen Rn +++++ ++ | +++ +++++| ++ | ı Rechter Ausgang, ab- gesperrt, linker Aus- gang offen. i Goldfisch Nr. 9. | Rechter Ausgang offen, linker Ausgang ab- > ER gesperrt. eher Ausran, Rechter Ausgang ab- gesperrt, linker Aus- sang offen. Goldfisch Nr. 10. Rechter Ausgang offen, linker Ausgang ab- gesperrt. Er) ss | ©» SsreiiWeiie gs2| 25 Bemerkungen 97 + Beide Ausgänge offen. 98 un 99 oe 100 |. + 10 SH — kechter Ausgang offen, linker Ausgang ab- gesperrt. a0 ee Rechter Ausgang ab-_ = I SSb gesperrt, linker Aus 28 — gang ofien. 29 —_ 30 Se 31 — 32 — B) ar 34 — | 39 = 36 —— 37 Ar 38 Sr sau Al nun. — 4 |. + 42 eig 43 -r 44 | 45 + 46 + Beide Ausgänge offen. 47 ir 48 + 49 + 510 ae) + Linker Ausgang ab- gesperrt, rechter Aus- gang offen. 1 a Rechter Ausgang ab- 2 | | gesperrt, linker Aus- SR gang offen. 0) b) en) Be 170 J. 8. Szymanski: Tabelle 19 (Goldfisch Nr. 10. Fortsetzung). un [72] ° © © un a2|.®8 53 | 88 535 == ==} 55 Sa Es Bemerkungen g2| ns Bemerkungen 5 vo eo 5 © > © AP|o%S Fra Nor lee a) Nach dem 98. Versuche wollte der Fisch Nr. 10 sich nicht mehr bewegen. — Nachdem der Fisch ins Wonnaquarium gesetzt worden war, blieb das Tier fast die ganze Zeitin der „Ermüdungs- stellung“. Nach dem Verlaufe von 24 Stunden wurde der Fisch tot liegend aufgefunden. | 7 Zr Rechter Ausgang ab- 60 = Rechter Ausgang ab- 8 = gesperrt, linker Aus- 61 + gesperrt, linker Aus- 9 = gang offen 62 = gang offen. 10.| + ® 63 -—- 11 + . 64 + 12 45 65 == 13 Sir 66 + 14 = 67 + 15 = 68 — 16 + 69 — 17 — i 70 =+ 18 — 71 = 19 + 72 + 20 — 73 — 21 Sr 74 _ 22 — 75 + 23 + 76 — 24 — 17 -- 3 |. + Er 26 => 79 + "27 + 80 — 28 SF = H Pause von 16 Stunden. 3l — 32 m 8 SE Rechter Ausgang ab- 38 Zr: &2 | + gesperrt, linker Aus- 34 7 83 —— | gang offen. a, am 34 | + 36 — 85 Zu 37 + 86 Kal 38 3# 87 a 39 + ss |\ + 40 + 89 a Se 2 | 91 3 | + 92 | { N 93 | + 45 _ 94 ie 46 + 95 | a ae % | + 2 e 97 | + 50 — 2 + + + + "aan Pause von etwa 1!/s Stunden. ia je Be: Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 171 Wie schon oben bemerkt, konnten bloss acht Fische (Nr. 1 bis inkl. 7 und 9) restlos in einem Zug und ohne Unterbrechung die ihnen gestellte Aufgabe befriedigend lösen. Der neunte Fisch A, der eben- falls den Apparat erlernte, kommt für die weiteren Ausführungen nicht in Betracht. Denn dieser Fisch diente eigentlich als Kontroll- tier. Ich wollte nämlich prüfen, ob ein Fisch, der nicht wie alle - anderen Versuchstiere kopfwärts, sondern schwanzwärts in den Vor- hof gesetzt wurde, trotzdem imstande wäre, den Apparat zu „erlernen“. Zu diesem Zwecke verschloss ich den Vorhofeingang, also in der Fläche a der Fig. 44, durch eine Wand. Der Fisch wurde nun bei jedem Einzelversuche aus dem Wasser mit dem Netz schnell herausgeholt und mit dem Kopf gegen a (Fig. 44) in den Vorhof gesetzt. Um in das Versuchsaquarium zu gelangen, musste sich der Fisch zunächst umdrehen und dann erst den Vorhof verlassen. 'Obzwar hier die Versuchsbedingungen viel komplizierter waren und neue kinästhetische Reize eingeschaltet wurden, konnte der Fisch dennoch den Apparat erlernen. Da aber in diesem Falle die Versuchsbedingungen ab- weichend waren, ziehe ich diesen Fisch nicht in den Kreis meiner weiteren Betrachtungen. Was nun die zwei letzten Fische, die sich unfähig zeigten, den Apparat zu erlernen, anbelanst, so konnte ich den früheren Befuud bestätigen, dass die leichte Ermüdbarkeit und die Lernfähigkeit als Antagonisten gegenüberstehen. Diese Regelmässigkeit in bezug auf die Menschen formulierte Kraepelin in seiner „Arbeitskurve“ am deutlichsten !.) Hinsichtlich der Tiere ist es mir selbst schon früher gelungen, auf Grund der Analyse der Lernkurven von Küchenschaben zu zeigen, dass ein Antagonismus zwischen Ermüdbarkeit und Lerngeschwindig- keit auch hier zur Geltung kommt). Eine weitere Bestätigung dieser Regelmässigkeit fand ich bei den zuletzt erwähnten Fischen. (Nr. 3 und 10.) Der Fisch Nr. 10 war überhaupt nicht fähig, den Apparat zu erlernen. Der Fisch Nr. 8 erlernte denselben erst, nachdem nach 66 resultatlosen Einzelversuchen eine Pause von 19 Stunden ein- geschaltet worden war. l) Kraepelin, Die Arbeitskurve (Phil. Studien Bd. 2 S. 459—507. 1902). 2) Vgl. die oben zitierte Arbeit, und zwar den Aufsatz im Journal of animal Behavior. 172 J. S. Szymanski: Beide diese Tiere zeigten einen gemeinsamen Zug in ihrem Ver- halten, nämlich, dass sie ausserordentlich leieht ermüdbar waren. Die Ermüdungsspuren konnte ich auch bei einigen anderen Versuchs- fischen beobachten; indessen nieht in so hohem Grad wie bei den zunächst erwähnten. | Das Auftreten und Fortschreiten der Ermüdung lässt sich bei Goldfischen (ob bei allen oder den meisten pelagischen Fischen ?) sehr leicht und präzis beobachten. Die ermüdeten Fische nehmen nänlich eine äusserst charakteristische Stellung ein, die ich direkt als „Er- müdungsstellung“ auffassen möchte. N Der ermüdete Fisch zeigt zunächst das Bestreben, sich nahe am Boden zu halten. Wenn derselbe künstlich bzw. zufällig in die Fig. 45. Ermüdungsstellung der Goldfische. (Der Winkel « kann zwischen 0 bis etwa 45° variieren.) oberen Wasserschichten gebracht wird, so sinkt er wiederum nach unten. Nahe am Boden bleibt er regungslos derart stehen, dass die ‚Körperlängsachse unter einem gewissen Winkel «@ zum Horizont steht. Dabei wird der Kopf nach unten und gegen die Aquariumward gerichtet; der Schwanz ragt nach oben und gegen das Zentrum des Aquariums zu (Fig. 45). Der Winkel & — insofern ich dies bisher feststellen konnte — kann in den Grenzen zwischen 0 und etwa 45° variieren. Hierbei scheint es, dass der Winkel @ um- so kleiner wird, je mehr die Er- müdung zunimmt. Um nun diesen Befund nachzuprüfen und den- selben von einer etwaigen Fehlerquelle, die mit der Versuchsanordnung zusammenhängen könnte, unabhängig zu machen, führte ich den Abhandlungen zum Aufbau der Fehre von den Handlungen der Tiere. 173 folgenden Versuch an drei neuen, zu den früheren Versuchen nicht verwendeten Goldfischen aus. Drei Fische wurden mittels eines Netzes teilweise zur passiven, teilweise zur aktiven Bewegung gezwungen; nach "/a—1 Stunde nahmen die Tiere die typische Ermüdungsstellung ein. Der vierte Fisch wurde zunächst unter die Glocke einer Luftpumpe gesetzt; daraufhin wurde das Tier ins Wohnaquarium gebracht. Das Tier nahm die Ermüdungsstellung ein. Hiermit war meine frühere Beobachtung an den Versuchsfischen bestätigt ?). | Wenn ich nunmehr einen Überblick über die Versuchsergebnisse geben möchte, so will ich mich auf diejenigen Tiere beschränken, welche in jeder Hinsicht befriedigende Resultate lieferten; dies waren, wie schon oben erwähnt, Nr. 1 bis inkl. 7 und 9. Zwecks übersichtlicher Zusammenfassung der diesbezüglichen Re- sultate habe ich dieselben in graphischen Form dargestellt (Fig. 46). Wie aus dieser Darstellung und aus der Tabelle 19 zu ersehen ist, erlernte der Fisch Nr. 5 nach 8 Versuchen den Apparat Se 3,6928 RR. Ur 08 20 Eat Re NE 97.240 Bu. DE DAN Die Lernzeit dauerte von etwa 30 Minuten (Nr. 5) bis etwa 90 Minuten (Nr. 2), was allerdings vermuten lässt, dass, die ent- sprechenden Versuchsbedingungen vorausgesetzt, die Goldfische die auf kinästhetisch-motorischen Associationen basierte Gewohnheit re_ Jativ schnell erwerben können. 1) Die Ermüdungsstellung ist wahrscheinlich eine Art von Ruhestellung- Wenigstens konnte ich wiederholt beobachten, dass die Schleien, welche sich während des Tages regungslos verhalten und erst abends lebhafte Beweglichkeit zeigen, während der Ruheperiode die Körperstellung einnehmen, welche der Ermüdungsstellung’ der Goläfische analog ist. Ebenfalls nehmen die ruhenden Forellen die gleiche Stellung ein. Vgl. hierzu E. Babäk, Bemerkungen über die Hypnose, den Immobilisations- oder Sich-Totstellen-Reflex, den Shock und pen Schlaf der Fische. Pflüger’s Arch. Bd. 166 S. 207. 1916. J. S. Szymanski: 174 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 175 Diese Gewohnheit kommt, wie in den meisten ähnlichen Fällen, durch das Eliminieren der überflüssigen Bewegungen zustande: die Fische erreichen zunächst den offenen Ausgang nach vielen Um- wegen; sie schwimmen viel über dem, den abgesperrten Ausgang. bedeckendenGlas herum, um schliesslich zum offenen Ausgang zu ge- langen. (Fig. 47 Abb. L) In den nächstfolgenden Versuchen wird die Zahl der Bewegungen stets geringer (Fig. 47 Abb. II), bis die Fische zum Schlusse erlernen, den offenen Ausgang auf dem kürzesten SS Wese zu finden. (Fig. 47 Abb. III.) In diesem Zusammen- hange verdient das Ver- halten des Fisches Nr. 2 erwähnt zu werden. Dieser Fisch zeigte an- fangs die Neigung, fort- gesetzt zum rechten Aus- gang, der abgesperrt, blieb, zu schwimmen (vel. oben). Wie der Tab. 19 zu entnehmen ist, schwamm dieser Fisch während der elf ersten Einzelversuche neunmal nach rechts. Obwohl das Tier nach weiteren Ver- suchen die Bewegungs- richtung nach links ein- zuschlagen erlernte, tat er dies nicht auf dem kürzesten Wege, etwa so, wie dies die Abb. III der Fig. 47 zeigt, sondern schwamm zunächst etwas nach rechts, um dann erst gegen den linken :Aus- sang umzukehren (vel. Fig. 47 A), statt in der V\J AN ee Ae Due 2] Py\ Bu PETER 17° auf der +-Ordinate diejenigen Fälle, in denen der Fisch auf kürzestem Wege zum offenen Ausgang hst gegen den abgesperrten Ausgang schwamm, also die falsche Richtung einschlug, eingetragen.) also die richtige Richtung einschlug, eingetragen; auf der —-Ordinate sind die Fälle, in denen der Graphische Darstellung des Lernvorganges der Goldfische. "(Auf der Abszisse sind die Einzel- gelangte, Fisch zunäc BETEN, Bi a Fig. 46. versuche, I re re “ 176 J. 8. Szymanski: Linie «5 zu schwimmen, beweste sich der Fisch in der Kurve aecb). In dieser Kurve möchte ich ein Rudiment der früheren, jetzt bereits über- wundenen Gewohnheit erblicken. Ein ähnliches Rudiment beobachtete ich schon früher gelegentlich meiner Lernversuche an Hunden }). Die GewohnheiteinigerFische, _ zum Beginn der Versuche nach | rechts zu schwimmen, beeinflusste noch in einer anderen Hinsicht 1 die Versuchsergebnisse. Die Mehrzahl dieser Fische (Nr.2,,7, 9) brauchte nämlich eine längere Lernzeit als die Mehrzahl der Fische, welche im Anfange der Versuche keineBevorzugung dieses 1 oder jenes Ausgangs zeigten. Und dies ist nur zu begreiflich! Denn jene Fische mussten zunächst die frühere Gewohnheit, die der neu zu erwerbenden direkt wider- I sprach, überwinden, um dann erst die neue Gewohnheit ent- stehen zu lassen. Diese Fische mussten, mit anderen Worten, A zunächst das „negative Stadium Du der teilweisen Entwöhnung“ Fig. 47. I-IllI Eliminieren der über- 8 flüssigen Bewegungen im Verlaufe der durchmachen, um daraufhin erst fortschreitenden Aushildung der nenn in das „positive Stadium der sich des Fisches Nr. 2, die als Rudiment der vervollkommnenden Gewöhnung früheren Gewohnheit aufzufassen ist. einzutreten“ 2). Bei den indifferenten Fischen entfiel das negative Stadium; sie konnten direkt mit dem positiven Stadium beginnen ; deshalb war die Lernzeit bei diesen Tieren kürzer als bei jenen. Neben der Ausbildung der prinzipiellen Gewohnheit, den offenen Ausgang auf dem kürzesten Wege zu finden, zeigten die Fische nach einer mehr oder weniger bedeutenden Anzahl (der Einzelversuche 1) Vgl. meine Arbeit „Lernversuche bei Hunden und Katzen“ (Pflüger’s Arch. Bd. 152, insbesondere S. 319 und die Fig. 3 Abb. V). 2) Vgl. hierzu „Lernversuche an Hunden usw.“ S. 322 und die vorangehenden. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 177 einige Verhaltenseigentümlichkeiten, die auf die Entstehung neben- sächlicher Gewohnheiten schliessen liessen. Diese Verhaltenseigentümlichkeiten, die mit dem Fortschreiten der Einzelversuche entstanden, waren folgende: 1. Der Fisch verhielt sich beim Fang mit dem Netz, bevor er in den Vorhof gesetzt wurde, viel ruhiger als bei den ersten Einzel- versuchen. 2. Der Fisch fand rascher den Ausgang aus dem Fangnetz in den Vorhof. ö. In der Zwischenzeit zwischen den Einzelversuchen gewöhnt sich der Fisch, im bestimmten immer gleichen Teile der Gläaswanne sich aufzuhalten. Bevor ich die Analyse des Lernvorganges bei den Goldfischen abschliesse, möchte ich noch einer dabei beobachteten Korrelation Erwähnung tun. Es scheint nämlich ein Antagonismus zu bestehen zwischen der allgemeinen Beweglichkeit und der Fähigkeit der Assoziationenbildung in dem Sinne, dass die Assoziationenbildung bei den sehr beweglichen Tieren langsamer als bei mässig beweglichen vor sich geht. Diesen Zusammenhang zwischen einer übermässigen Lebhaftigkeit und der Lernfähigkeit kennt die Pädagogik bereits von jeher. Ich glaube, diese Regelmässigkeit nicht bloss bei den Goldfischen, sondern, was ich vorausgreifen will, auch bei weissen Mäusen und Kanarienvögeln und früher bei den Hunden!) als gültig gefunden zu haben. Die Frage nach der .Fortdauer und dem Vergehen der neu er- worbenen Gewohnheit konnte ich bei den Fischen nicht näher unter- suchen; sie schienen mir für derartige Untersuchungen keine günstigen Objekte zu sein. Einige gelegentliche Versuche liessen mich vermuten, dass die neue Gewohnheit keine lange Dauer habe. Wenigstens konnte ich bei gelegentlichen Nachprüfungen nach einem Verlauf von 24 Stunden keine merklichen Spuren von der erworbenen Gewohnheit feststellen. Wenn man zum Schluss die Versuche an Fischen von dem anfangs erörterten methodologischen Standpunkte betrachtet, so ergibt sich, dass sie bloss teilweise die daselbst gestellten Forderungen erfüllt haben. 1) Vgl. die Fussnote in der Abhandlung über „Die Versuche über die optische Rezeptionsfähigkeit der Hunde“. a Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 12 118 J. S. Szymanski: Wie erinnerlich, bestand das Problem in der kontinuierlichen, in einem Zug auszuführenden Untersuchung des Werdeganges, d. h. Entstehen — Fortdauer — Vergehen einer rezeptorisch-motorischen Gewohnheit. In den Versuchen an Goldfischen konnte ich bloss das erste Stadium des Werdeganges einer erworbenen Gewohnheit, mit anderen Worten deren Entstehen, kontinuierlich verfolgen; die weiteren Stadien blieben so gut wie unerforscht. Einen weiteren methodo- logischen Schritt konnte ich in den Versuchen an weissen Mäusen machen. Weisse Mäuse. Die Idee der Versuche an weissen Mäusen basierte auf dem Unwillen dieser Tiere, in der Mitte eines offenen freien Raumes sich aufzuhalten und eine möglichst geschlossene Herberge zu suchen. Dieses letztere Verhalten findet darin seinen Ausdruck, dass die Mäuse in einem leeren Käfig sich in der Regel an den Wänden bzw. in den Ecken aufhalten ?). Den positiven Stereotropismus dr Mäuse machte ich mir zum Nutzen. um die Entstehung einer neuen Gewohnheit auf Grund der Ausbildung von taktil- und thermisch-motorischen Assoziationen mit k Hilfe der üblichen Strafmethode zu bewirken. Der Apparat, den ich zu diesem Versuche benutzte, bestand aus einen. grossen „elektrischen Boden“, d. h. aus einem Brett, auf dem eine Reihe von 0,5 em langen und 1 mm voneinander abstehenden Zinkplatten derart befestigt waren, dass je ein Paar beide Elektroden bildete2). (Fig. 48 ab.) Der elektrische Boden betrug 90 gem. 1) Desgleichen sucht die „erschrockene“ Maus geschlossene Herberge, dabei treibt sie mitunter eine echte „Straussenpolitik“. Wie ich dies wiederholt be- obachten konnte, suchte eine durch einen plötzlichen starken Reiz (Schall usw.) beunruhigte Maus sich in ein Wattabüschel, das ihr als Netz im Wohnkäfig mitgegeben worden war, zu verkriechen; dabei streckte das Tier öfters bloss den Kopf und den Verderleib iu die Watte hinein und blieb 2 dem unbedeckten Rücken und Hinterleib regungslos stehen. 2) Eine genaue Beschreibung derartiger Einrichtungen wurde schon von Yerkes, von mir selbst und von anderen wiederholt gemacht, so dass ich auf die weiteren Details verzichten zu dürfen glaube (siehe übrigens die vorausgehende Abhandlung dieser Sammlung). Der Kürze wegen möchte ich bloss für ng: Einrichtungen einen Terminus „elektrischer .Boden“ von upEcn. \ Ara TE ah % Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 179 Auf den Boden war ein 30 cm hoher Glaskasten ohne Boden und Deckel gestellt, um das Entweichen der Versuchstiere zu ver- hindern. (Fig. 48 cd.) Jede Seite des Kastens war 90 cm lang. - Ausserdem war in der Mitte des elektrischen Bodens eine mit Löschpapier bedeckte Glasscheibe, von 17 .em Durchmesser, ange- ‚bracht. (Fig. 48e.) Der Versuch sollte nun darin bestehen, dass eine auf die Glasscheibe gesetzte Maus, die ihrem positiven Stereo- tropismus gemäss daselbst keine ihr zusagenden Lebensbedingungen - finden konnte, daher einen Ausweg suchen musste, jedesmal einen | Fig. 48. Apparat zum Untersuchen der Lernfähigkeit weisser Mäuse. elektrischen Schlag bekommen sollte, sobald sie versuchte, die Scheibe zu verlassen. Es sollte also trotz der entgesengesetzten Triebe die Gewohnheit entstehen, auf der Scheibe zu bleiben und die Berührung ‚mit, den Zinkplatten (taktile und thermische (?) Reize) zu vermeiden.’ An zehn weissen Mäusen wurde experimentiert, sieben davon waren Mängchen und zwar, Nr. 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8 und drei Weibchen (Nr. 4, 9, 10). Der Verlauf eines Versuches war folgender: Nachdem die Ver- suehsmaus auf die Glasscheibe gesetzt worden war, verhielt sie sich in den meisten Fällen zunächst einige Sekunden ganz regungslos. Daraufhin machte sie Versuche, die Scheibe zu verlassen. Indessen 208 sie sich zurück, sobald sie die Leitungsplatten berührt hatte - (Kontrast zwischen zwei taktilen Reizen, und zwar Löschpapier der ‚Scheibe und Metall der Platten). Bald jedoch (nach 0,5—2 Minuten) verliess die Maus die Scheibe gänzlich. Diese Beschreibung gilt für alle Mäuse, mit Ausnahme von Nr. 4 und 5, die die Scheibe sofort, nachdem sie darauf gesetzt worden waren, gänzlich verliessen. I 180 J. 8. Szymanski: Sobald die Versuchsmaus den elektrischen Boden mit allen vier Füssen berührt hatte, versetzte ich ihr einen Schlag '). Ich fuhr fort, die Schläge so lange auf das Tier einwirken zu lassen, bis die Maus wieder die Glasscheibe betrat. Dies dauerte im Beginne des Ver- suches mitunter ein paar Minuten; bei den Einzelversuchen genügten meistens wenige Sekunden, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Wenn ich also weiter unten von „Schlägen“ rede, so soll man unter dem Wort „Schlag“ nicht einen einzelnen Schlag, sondern eine Reihe 'aufeinanderfolgender Schläge verstehen, die der Maus vom Moment des Verlassens der Scheibe bis zum neuerlichen Betreten derselben versetzt worden waren. Mit anderen Worten erhielt das Versuchs- tier den „Schlag“ während der ganzen Zeitspanne, in welcher das- selbe auf dem elektrischen Boden verblieb. Den Versuch betrachtete ich als ergebnisvoll, sobald die Ver- suchsmaus die Glasscheibe während 30 Minuten nicht verlassen hatte, Ich möchte hier gleich erwähnen, dass alle Versuchsmäuse sich als fähig erwiesen, diese Forderung zu erfüllen. Dies war das Verfahren am ersten Versuchstag, am „Lerntag“. Da ich aber den Vorgang des Vergessens sleichfalls studieren wollte, prüfte ich noch die Mäuse (Nr. 2 bis inkl. 10) im Verlaufe der nächsten Tage („Nachprüfungstage“) derart nach, dass jede Maus einmal in den darauffolgenden 24 Stunden untersucht wurde. Diese Untersuchung bestand darin, dass die Maus neuerdings im Apparat auf die Glasscheibe gesetzt wurde, worauf ich die Zeit des Ver- bleibens der Maus auf der Scheibe, also die Zeit vom Moment, in dem dieselbe auf die Scheibe gesetzt worden war, bis zum Moment, in dem sie die Scheibe verlassen, d. h. den elektrischen Boden mit allen vier Füssen berührt hatte, maass. Daraufhin erlaubte ich dem Tier, etwa 1 Minute auf dem elektrischen Boden zu verweilen; ohne derselben einen Schlag zu geben. Schliesslich nahm ich die Maus heraus und setzte dieselbe in den Wohnkäfig zurück. Am nächsten Nachprüfungstage verfuhr ich desgleichen usw. Diese Versuche 1) Nachdem die Maus den ersten Schlag auf dem elektrischen Boden be- kommen hat, harnt dieselbe und entleert Kot. Sobald aber der Harn bzw. Kot zwischen zwei Leitungsplatten geraten ist und beide Elektroden verbunden hat, bekommt selbstverständlich die Maus keinen Schlag mehr. Es tut deshalb not, den Boden sofort zu reinigen (mit Äther und Flanelltuch), sobald man wahr- genommen .hat, dass die Maus trotz eingeschaltenen Induktionsapparats sich auf dem elektrischen Boden ruhig verhält. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 181 setzte ich so lange fort, bis die Maus die Scheibe bereits nach 1—-3 Minuten verlassen hatte Hiermit nahm die Versuchsserie mit einem Versuchstier ihr Ende. Wie sich daraus ergibt, versuchte ich sowohl das Entstehen wie auch das Vergehen einer erworbenen Gewohnheit zu untersuchen, indem ich zunächst die Zeitspanne vom Moment des Aufsetzens auf die Glasscheibe bis zum Moment des erstmaligen gänzlichen Ver- lassens der Scheibe im allerersten Versuchsanfange am Lerntage mit einer Stoppuhr (Durchschnitt 1,3 Minute) bestimmte. Daraufhin versuchte ich das Verbleiben auf der Scheibe durch das „Strafen“ der Tiere mit den elektrischen Schlägen bis auf 30 Minuten zu ver- längern. Sobald dies gelungen war, bemühte ieh mich zu bestimmen, wie lange das Versuchstier in den darauffolgenden Nachprüfungstagen auf der Scheibe bleiben würde, und an welchem Tage schliesslich das Verbleiben auf der Scheibe ungefähr solange, wie am Lerntage, d. h. vom Versuchsanfang bis zum erstmaligen Nenn der Scheibe, also etwa 1—3 Minuten dauern sollte. Es sehien mir nicht ratsam, den Versuch über diese Grenze hinaus fortzusetzen. Denn ich fürchtete, dass bei noch weiterem Fortsetzen der Versuche sekundäre Nebengewohnheiten entstehen könnten, die die Maus auf der Scheibe länger zu verbleiben zwingen und den reinen Verlauf der Versuche verwischen würden. Und zwar könnten die Mäuse länger auf der Scheibe verweilen, nicht wegen der Angst vor der Berührung des elektrischen Bodens, sondern weecen der entstandenen bzw. in Entstehung beeriffenen Gewohnheit, schlechthin auf der Scheibe zu sitzen. Die Scheibe könnte ihnen vertrauter werden als der Boden angsterregend wirken. Mit anderen Worten könnte die anziehende Wirkung der Scheibe intensiver als die abstossende Wirkung des Bodens werden. Diese Befürchtung gründete ich auf die Eigenschaft der Tiere, bei wiederholtem zwangsmässigen Aufenthalt in einem immer gleich- bleibenden Versuchsraum auch ohne das darauf eingerichtete Mit- wirken des Beobachters, ihre Bewegungen zu organisieren, d. h. eine gewohnheitsmässige, stets annähernd konstant verlaufende Verhaltungs- art entstehen zu lassen. Den genaueren Verlauf der Versuche und die Ergebnisse zeigt die Tab. 20. Zum Verständnis der Tabelle ist es vonnöten, vor- auszuschicken, dass Lt. = Lerntag und Nt. = Nachprüfungstag be- deuten. 182 J. S. Szymanski: Tabelle 20. Niimmer Lernen Vergessen des Nummer | Die Zeit vom Versuchsanfang bis Die Zeit vom Ver$uchs- . Ss . 1 £ / Tieres des a en Mezuensizee a ee DE Schlages den Schlägen (in Minuten) Scheibe (in Minuten) 1 ? | 2 15 = 17 1 nach dem dritten Schlag — die Scheibe während der 80 Minuten nicht verlassen, | d. h. — erlernt. ( 1 2 1. (Lt.) 2 2 10 2. (Nt.) 19 3 27 : 34 30 9 nach dem dritten Schlag Ai 30 — die Scheibe während der SIE, so 30 Minuten nicht verlassen, 6..,, 21 d. h. — erlernt. TR 8 San, eis, 1 B) 1. (Lt.) 9 3 Day 2. (Nt.) 10 | nach dem zweiten Schlag Bd, 3 | erlernt. 1! 0 1. (Lt.) 0 2 2 2. (Nt.) 12 3 6 en 21 a 4 28 4. „ 16 5 4 RG; 4 6 Gr 2 nach dem sechsten Schlag erlernt. 1 0 1. (Lt.) 0 2 | 4 2.(Nt.) | 15 d nach dem zweiten Schlag | 3. „ 5 erlernt., Aal, 5 | De 2 1 2 1. (Lt.) 2 2 8 2. (Nt.) so 6 nach dem zweiten Schlag I. Ns 9 eı lernt. 4. „ 6 Dan 2 1 0,5 1. (Lt.) 0,5 7 } 2 2. (Nt.) 21 nach dem zweiten Schlag ERRER 4 { erlernt. 4. „ 1 1 1 1. (Lt.) 1 2 3 2. (Nt.) S0 8 3 16 Sm 24 4 16 4. „ 3) nach dem vierten Schlag Dinge 6 erlernt. bir, 1 wr,z Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 183 Tabelle.20 (Fortsetzung). Lernen Vergessen Nummer des, Nummer | Die Zeit vom Versuchsanfang bis Die Zeit vom Versuchs- "Tieres A zum ersten Schlag bzw. die Zeit Versuchstag anfang bis zum erst- zwischen zwei aufeinanderfolgen- maligen Verlassen der Schlages den Schlägen (in Minuten) Scheibe (in Minuten) 1 0,5 | 1. (Lt.) | 0,5 & | 2 12 9. (Nt.) 13 nach dem zweiten Schlag era 3 | erlernt. 4. „ 2 m 1 0,75 1. (Lt.) 0,75 9 2. (Nt.) 9 10 nach dem zweiten Schlag 30% 17 erlernt. 4. 4 Bl 4 Bm 3 Die Tabelle zeist, dass Nr. 3, 5, 6, 7, 9, 10 schon nach zwei Schlägen, Nr. 1 und 2 nach drei, Nr. 8 nach vier und Nr. 4 nach sechs Schlägen, erlernen d. h. die Scheibe während 30 Minuten nicht verlassen haben. Die Lerndauer schwankte in ziemlich weiten 1 R. Fig. 49. Abb.1: Der Weg der Mäuse zu Beginn des Versuches. Abb. 2: Der Weg der Mäuse im weiteren Verlauf des Versuches. Grenzen: von etwa 4 Minuten (Nr. 5) bis 63 Minuten (Nr. 4), im Durehsehnitt 25,5 Minuten. Die fortschreitende Entstehung der neuen Gewohnheit äusserte sich darin, dass die Zeitspanne, während der das Versuchstier zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schlägen auf der Scheibe blieb, sich stets verlängerte. Umgekehrt sank die Zeit, die die Maus auf dem elektrischen Boden blieb, mit jedem Schlage stets mehr und’ mehr. Diese letztere Erscheinung stand damit im Zusammenhang, dass die Maus beim 184 J. S. Szymanski: erstmaligen Betreten des elektrischen Bodens und ungeachtet der Schläge entlang den Glaswänden von neuem herumlief. (Fig. 49 Abb. 1.) Im weiteren Verlauf des Versuches machte die Maus sofort kehrt, sobald sie den Schlag zu spüren bekommen hatte. (Fig. 49 Abb. 2.) | EI 30 Fig. 50 (Fortsetzung und Erklärung dieser Figur ist auf S. 185 abgedruckt). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 185 30 ang: 40 H 10, Fig. 50. Lern- (arabische Zahlen) und Vergessenskurve (römische Zahlen) für einzelne Versuchstiere.e Lernkurve: Auf der Abszisse sind die Nummern der Schläge, auf der Ordinate ist die Minuterzahl eingetragen. Die gestrichelte Linie soll andeuten, dass die Maus nach den zuletzt eingetragenen Nummern des Schlases volle 30 Minuten auf der Scheibe sitzen blieb. Die vollausgezogene Linie soll bedeuten, wie lange die Maus vom Versuchsarnfang bis zum ersten Schlag bzw. zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schlägen die Scheibe nicht ver- liess. Vergessenskurve: Auf der Abszisse sind die Versuchstage, auf der Ordinate ist die Minutenzahl eingetragen. Der erste Versuchstag ist der Lern- tag; vom zweiten Versuchstag an beginnen die Nachprüfungstage. Die gestrichelte Linie soll zeigen, wie lange die Maus auf der Scheibe am Lerntage sitzen blieb. Die vollausgezogene Linie soll zeigen, wie lange die Maus am korrespondierenden Nachprüfungstage die Glasscheibe nicht verliess. Was nun den Vorgang des Vergessens, d. h. des Vergehens der erworbenen Gewohnheit, betrifft, so blieben die Mäuse mit den fort- schreitenden Nachprüfungstagen stets kürzer auf der Scheibe sitzen, bis sie durchschnittlich am fünften Versuchstage, ‘also durchsehnitt- lich an 4 Nachprüfungstagen, schon nach 1—2!) (Nr. 4 und Nr. 10 nach 3) Minuten die Scheibe verlassen hatten. . . r . 1: a 1) Da ich bei der Maus Nr. 1 am Lerntage versäumt hatte, die Zeit vom Versuchsanfang bis zum ersten Schlag zu notieren, verzichtete ich auch auf das Untersuchen des Vorganges des Vergessens bei diesem Tier. 186 J. S. Szymanski: Desgleichen verlängerte sich die Zeit, die die Mäuse auf dem elektrischen Boden blieben, mit den fortschreitenden Nachprüfungen. Wie erinnerlich, liess ich an den Nachprüfungstagen die Maus, nach- dem sie den elektrischen Boden verlassen hatte, noch etwa 1 NER im Apparate. Eis stellte sich nun im grossen und ganzen heraus, dass die Maus an den ersten Nachprüfungstagen meistens trachtete, die nun verlassene Scheibe sofort wieder zu betreten. (Fig. 49 Abb. 2.) An den darauffolgenden Nachprüfungstagen-verlängerte die Maus ihren Weg immer mehr, um schliesslich, gerade so wie im Anfang am Lerntage, entlang den Glaswänden herumzulaufen. (Fig. 49 Abb. 1.) Zwecks der genaueren Analyse des Lern- und Vergessensvorganges bei den einzelnen Individuen konstruierte ich auf Grund der in der Tab. 20 zusammengestellten Daten für jedes Einzeltier eine Lern- und Vergessenskurve (Fig. 50). Wenn ich zunächst die Lernkurve näher zu analysieren versuche, so ergeben sich auf Fig. 50 drei Fälle, die ich tabellarisch darstellen will (Tab. 21). Tabelle 21 Lernen. Nummer desVerguchstieres Charakter der Kurve Dr: Kontinuierliche rapide Steigerung. 9,6,7,9,10 . Zunächst langsame, dann rapide Steigerung. ANNO N: Langsame kontinuierliche, Steigerung. Es ergibt sich hieraus, dass die Mehrzahl der Tiere zunächst langsamer, zum Schlusse aber schneller lernt (fünf Versuchstiere, zweiter Fall). Die zwei anderen Fälle (mit je zwei Tieren) zeigen einen kontinuierlich rapiden bzw. lanesamen Lernvorgang. Nach gleichem Muster wie die Lernkurven sollen auch die Vergessenskurven an- geordnet und analysiert werden. Es lassen sich hier vier Fälle unterscheiden, wie dies die auf S. 187 abgedruckte Tab. 22 zeist. Im ersten Falle war das Erlernte im hohen Grade und lange bewahrt (Nr. II, IV, VII). | Im zweiten Falle war das Erlernte im hohen Grade, aber blöks kurze Zeit erhalten (Nr. VI, VII). Der dritte Fall fasst die Ergebnisse zusammen, in denen zwar das Erlernte bloss im geringen Grade, aber lange Zeit hindurch be- wahrt war (Nr. V, X). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 187 Tabelle 22. Vergessen. Nummer \ Charakter der Kurve des: Versuchstieres ne Br AV, VILLL... 2. Langes Verbleiben auf einer bedeutenden Höhe, dann ' langsames Fallen. BVG: Kurzes Verbleiben auf einer bedeutenden Höhe, dann rapides Fallen. Rn. Kurzes Verbleiben auf einer geringen Höhe, dann lang- sames Fallen. na Dr Kurzes Verbleiben auf einer geringen Höhe, dann rapides Fallen. Im vierten Falle schliesslich verschwand das Erlernte, das sich dazu bloss im geringen Grade erhielt, binnen kurzer Zeit (Nr. III, IX). Eine engere Beziehung zwischen den Lern- und Vergessenskurven des gleichen Individuums konnte ich nicht feststellen. Bevor ich die Beschreibung der Versuche an den Mäusen zum Abschluss bringe, ist es angebracht, eine kurze Bemerkung über das abweichende Verhalten der Maus Nr. 4 (Weibehen) einzuschalten. Am Lerntage bis zum fünften Schlag verhielt sich diese Maus gleich den anderen Artgenossen, d. h. sie verliess die Scheibe derart, dass sie langsam die sich unmittelbar anschliessende Strecke des elektrischen Bodens überschritt. Nach dem vierten Schlag blieb die Maus auf der Scheibe 4 Minuten sitzen. Dann aber sprang sie plötzlich empor und fiel auf eine Stelle des elektrischen Bodens, die etwa 20—25 em von der Scheibenwand entfernt war. Es machte den Eindruck, als ob die Maus versuchen möchte, die Scheibe zu verlassen, ohne mit dem unmittelbar anschliessenden Teil des elektrischen Bodens, wo sie gewöhnlich die ersten Schläge verspüren musste, in Berührung zu kommen. Nachdem die Maus den üblichen Schlag bekommen hatte, kehrte sie auf die Scheibe zurück und blieb dort 23 Minuten sitzen. Dann wiederholte sie den gleichen Sprung; der Schlag veranlasste das Tier, die Scheibe wiederum aufzusuchen. Nach dem sechsten Schlag blieb das Tier 30 Minuten auf der Scheibe sitzen. Den gleichen Sprung führte das Tier an den ersten und zweiten Nachprüfungstagen aus, bekam aber selbstverständlich keinen Schlag mehr. Vom dritten Nachprüfungstage an bis zum Schluss der ganzen Versuchsserie verliess die Maus die Scheibe wiederum auf die ge- wöhnliche Weise, also indem sie von dem Scheibenrand die sich 188 J. S. Szymanski: unmittelbar anschliessende Strecke des elektrischen Bodens langsam überschritt, ohne den Sprung auszuführen. Die plötzlich erworbene nebensächliche Gewohnheit ist wegen der neuen Erfahrung (keinen Schlag mehr) wieder verlorenge- gangen. | Wenn man zum Schlusse die Versuche an den weissen Mäusen von dem in der Einleitung erörterten. methodologischen Standpunkt aus betrachtet, so zeigen sie einen Fortschritt gegen die oben be- schriebenen Versuche an Goldfischen: Es gelang, bereits neben dem Entstehen die einzelnen Stadien des Vergehens der erworbenen Gewohnheit zu untersuchen. Diese letzte Untersuchung war indessen keine kontinuierlich verlaufende. Deseleichen konnte die absolute Fortdauer der Gewohnheit nicht festgestellt werden. In den Versuchen an Mäusen konute unsere Aufgabe, die ja in kontinuierlich verlaufender Untersuchung des Werdeganges (Entstehen — Fortdauer — Vergehen) einer rezeptorisch- motorischen Gewohnheit bestand, nicht restlos erfüllt werden. Dies ist aber in den an Kanarienvözeln ausgeführten Versuchen gelungen, zu deren Schilderung ich nun übergehen möchte. Kanarienvögel. Die Idee bei den Versuche an Kanarienvögeln basiert auf der Eigenschaft dieser Vögel, als Vertreter der Baumvögel, ihren normalen Aufenthalt auf Zweigen bzw. auf einer Sitzstange zu nehmen. Die Beobachtung der Kanarienvögel im Wohnkäfig zeigt, dass die Vögel sich nur selten und kurze Zeit am Käfigboden aufhalten; meistens tun sie dies bloss, um nach daselbst zerstreuten Sandkörnern zu pieken. Auch ein „erschrockener“, zufällige am Boden verweilender Vogel sucht sofort die Sitzstange zu erreichen? Die Versuche bestanden nun darin, dass die Vögel erlernen . sollten, die Sitzstange zu vermeiden und am Boden ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen. Es sollte also eine neue Gewohnheit auf Grund der Bildung von taktil-kinästhetisch und optisch-motorischen Assoziationen entstehen. Dies Resultat sollte mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erreicht werden; der ganze Werdegang der zu erwerbenden Gewohnheit sollte während einer kontinuierlich verlaufenden Untersuchung graphisch registriert werden. | Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 189 Der Apparat!) und die ganze Versuchsanordnung waren folgende: Auf einem Brett war ein zylindrischer Käfig aus Drahtnetz, 27 cm hoch und 23 em im Durchmesser, mittels dreier gleich hoher im Boden eingeschlagener Eisenstifte montiert. (Fig. 51 Abb. IA B.) Ungefähr in dreiviertel Höhe wurden in der Käfigwand zwei diametral liegende Spalten derart ausgeschnitten, dass eine Sitzstange CD durch den Käfig hindurch lief. Die Sitzstange war mittels einer Lamellenfeder (EFF) an einen Ständer montiert. Die Stange wurde mit zwei dünnen Metallplatten beiderseits derart belegt. dass bloss zwei schmale Zwischenräume auf der oberen und der unteren Seite die beiden Platten voneinander trennten. Fie. 51. Die Versuchsanordnung zur automatischen Erzeugung und Registrierung rezeptorisch-motorischer Gewohnheiten bei Kanarienvögeln. (Nähere Erklärung im Text.) ‚Diese Metallplatten stellten zwei Elektroden dar (x und y), die mit dem Sekundärstrom eines Induktionsapparates (Z) verbunden waren. ; Die Stange, die aus leichtem trockenen Holz verfertigt war, hatte ovale Form; ihre beiden Radien betrugen 7 bzw. 12 mm. Die Abb. II der Fig. 51 zeigt die Stange von oben bzw. unten; in der Abb. III der gleichen Figur wurde der Querschnitt durch die Stange dar- gestellt (punktierter Raum — Holz, schwarze Linie an der Peripherie — Metallplatten). Am freien Ende der Stange wurde eine Klemme mit l) Die Apparate, die den Werdegang einer Gewohnheit automatisch und graphisch zu registrieren vermögen, könnten „Mnemographen“ genannt werden, 190 : J. S. Szymanski: ’ einem durchlaufenden Kupferstift derart befestigt, dass bei Belastung (durch den Vogelleib) der Stange der Stift in ein darunter be- findliches Gefäss mit Quecksilber (Z) eintauchen musste. Wenn die Stange nicht belastet war, schnellte sie durch die Kraft der Lamellen- feder (EF)) empor und stützte sich auf den oberen Spaltenrand des Käfigs, so dass der Kontakt zwischen dem Stift (@) und dew Queck- silber wieder unterbrochen wurde. Die Lage der Stange wurde so reguliert, dass ihre Exkursionen etwa U/e em betrugen. Die Höhe des Gefässes mit Quecksilber (HZ) konrte mittels der Schraube J nach Belieben eingestellt werden. Als Stütze für das Gefäss diente das Z-förmige Stäbchen 7X mit der Klemme K. Das Metallstäbehen G war mit einem der Pole des Induktionsapparates (Z) für den Primärstrom verbunden ; in die Verbindung des Stäbehens HK mit dem Akkumulator (N) war noch der elektromagnetische Zeit- markierer (M) eingeschaltet. Die Schreibspitze des Zeitmarkierers zeichnete an einem Kymo- graphion (P), dessen Umlaufgeschwindigkeit rund 1,4 mm in einer Minute betrug, eine zweistaffelige Kurve auf. Wenn der Vogel sich auf die Stange setzte und die Kette somit geschlossen wurde, schnellte die Schreibspitze empor und markierte die obere Staffel (vel. Fig. 92 ab, Kurve A323). Wenn der Vogel die Sitzstange nicht berührte, so markierte die Schreibspitze die untere Staffel (Fig. 52 cd, Kurve 43). Da die Umlaufgeschwindigkeit des Kymographion recht gering war, markierte die Schreibspitze bloss einen Strich, falls der Vogel auf. der Sitzstange bloss kurze Zeit sitzen blieb. Ja, bei den rasch aufeinanderfolgenden Auf- und Abspringen konnten die einzelnen Striche’ ganz oder teil- weise übereinanderliegen (vgl. zum Beispiel Fig. 52, Kurve N. 2 AB). Um die Beschreibung der Versuchsanordnung abzuschliessen, sei noch erwähnt, dass in dem, in den Käfig hineingehängten Gefäss a sich das Futter befand; das Gefäss b am Boden war mit Wasser gefüllt; daneben wurde etwas Vogelsand gestreut. Mit sieben Vögeln!) habe ich experimentiert; mit Ausnahme; von Nr. 2 und 4, deren Geschlecht mir unbekannt blieb, waren sämtliche ‘ 1) Eigentlich wollte ich noch den Versuch an einem achten Vogel ausführen. Da aber dieser während des Versuches ein etwas abweichendes Verhalten äusserte (Verbleiben am Boden, keine Fresslust), so setzte ich den definitiven Versuch nicht fort, da ich den Verdacht hegte, dass das Versuchstier unwohl sei. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 191 Tiere Weibchen. Die Vögel Nr. 3 und 4 waren Vertreter der ge- meinen deutschen Rasse, alle anderen — Harzkanarien. Der Verlauf eines einzelnen Versuches war folgender: Vormittags am Versuchsvortage wurde der Vogel in den Versuchskäfig, in dem sich Futter und Wasser befand, gesetzt; der Induktionsapparat und Zeitmarkierer waren ausgeschaltet. Der Vogel setzte sich sofort auf der Sitzstange nieder und blieb fast die ganze Tages- und Nachtzeit daselbst sitzen. Am nächsten Tage, also am Versuchstage, um 12 Uhr mittags begann der Vorversuch, der darin bestand, dass um diese Zeit der Zeitmarkierer, aber kein Induktionsapparat eingeschaltet wurde. Auf diese Weise musste der Vogel, der ungestört im Käfige sein Wesen treiben konnte, Auskunft geben, wann er auf der Sitz- stange sitzen blieb. Dieser Vorversuch, der etwa 2 Stunden dauerte, sollte ad oculos demonstrieren, dass der Vogel wirklich die Sitzstange "bloss für ganz kurze Zeit verlässt. Da alle’ diesbezüglichen Kurven bei sämtlichen Vögeln ziemlich gleich ausfielen, so führe ich als Bei- spiel bloss zwei derselben an, und zwar jene der Vögel Nr. 3 (45) und Nr. 4 (B4) (siehe unten Fig. 52). Die beiden Kurven beweisen, dass die Vögel die Stange beinahe die ganze Zeit berührt haben; der Vogel Nr. 3 verliess die Stange bloss dreimal für etwas längere Zeit, und zwar (Fig. 52 A 3) vor_@a (= 1,5 Minuten), nach 5 (= 2 Minuten) und zwischen e und d (= 5 Minuten); der Vogel Nr. 4 verliess die Stange für längere Zeit überhaupt nicht. Etwa um 2 Uhr begannen die eigentlichen Versuche; es wurde nun neben dem Zeitmarkierer noch der Induktionsapparat eingeschaltet, so dass nun der Vogel bei dem Berühren der Stange einen elektrischen Schlag bekommen musste. Da indessen eonditio sine qua non ist, dass der Vogel dabei feuchte Füsse !) hat, so machte ich unmittelbar vor dem Versuchsanfang die Füsse des Vogels und die Metallplatten auf der Sitzstange (aber nicht die dieselben isolierenden Zwischenräume) nass. Gleichzeitig hiermit bespritzte ich die Käfigwände, die Futter- gefässe und den mit Löschpapier bedeckten Käfigboden reichlich mit Wasser. Nachdem nun der Vogel in den Käfig zurück gesetzt worden war und die Sitzstange berührt hatte, bekam er einen Schlag; gleichzeitig markierte die Schreibspitze dieses Ereignis. Der Vogel flog davon, 1) Sonst spürt der Vogel keinen Schlag wegen der stark verhornten Epidermis, ‚die als Isolator dient. 192 J. 8. Szymanski: um gleich nachher die Stange wieder zu berühren und einen neuer- lichen Schlag zu bekommen; er verliess die Stange sofort wieder, berührte sie von neuem, bekam wieder einen Schlag, flog davon usw. Da die Umlaufgeschwindigkeit des Kymographion bloss gering war (in einer Minute rund 1,4 mm) und der Vogel im Versuchs- anfange sehr rasch nacheinander die Stange berührte, so überlagerten sich die einzelnen Striche in der Kurve Um nun die Zahl der Schläge genauer ermitteln zu können, notierte ich dieselben auf einem Papier; gleichzeitig notierte ich die Dauer der einzelnen Versuchs- stadien. Als limes bestimmte ich, dass der Vogel die Stange zu- mindestens während 30 Minuten nicht ‚berühren durfte. Nachdem nach dem letzten Schlag 30 Minuten vergangen waren, schaltete ich den Induktionsapparat aus; der Zeitmarkierer blieb indessen ein- geschaltet. Ich wollte dadurch, dass der Vogel das Verschwinden der erworbenen Gewohnheit,. d. h. die erste erneuerte Berührung der Stange auf dem Kymographion, markieren musste, die absolute Dauer der Gewohnheit und den Vorgang des Vergehens derselben genau bestimmen können. Nachdem das Versuchstier wiederum auf die ‚Stange gesprungen war, liess ich den Vogel noch einige Zeit (etwa 10 Minuten) im Versuchskäfige verweilen. Daraufhin nahm ich den Vogel heraus und setzte denselben in den Wohnkäfig zurück. Hiermit nahm der Versuch sein Ende. | Die Versuchsergebnisse, die in der Tabelle 23 und in den Kurven (Fig. 52) niedergelegt sind, gestatteten mir, die Dauer wie auch den Vorgang der einzelnen Stadien des Werdeganges der untersuchten Gewohnheit genau zu analysieren. Tabelle "23. Nun |, a ee des Vogels ue Suse Minuten heit in Minuten 1 24 37 = 9 20 2 91 3 kr 12 = 4 11 2 3 5 43 34 39 Was zunächst die Tabelle betrifft, so ergibt sich, dass die kürzeste Lernperiode 2 Minuten (Nr. 2 und 4), die längste 52 Minuten (Nr. 6) Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 193 dauerte. Die geringste Zahl der Schläge, und zwar 11, bekam Nr. 4 und. die grösste (43) Nr. 5. Die längste Dauer der erworbenen Gewohnheit (100 Minuten) wies Nr. 6 auf und die kürzeste (32) Nr. 7 (Tabelle 23). Die näheren Beziehungen zwischen der Zahl der Schläge, Dauer der Lernperiode und Dauer der Gewohnheit lassen sich nicht erkennen. Es besteht möglicherweise eine allgemeine Beziehung zwischen der Dauer der Lernperiode und der Dauer der erworbenen Gewohnheit in dem Sinue, dass bei den Tieren, die kürzere Lernperioden auf- weisen, die erworbene Gewohnheit kürzer als bei den Tieren mit längeren Lernperioden dauerte. Wenigstens verschwand die Gewohn- heit bei dem Vogel Nr. 4, dessen Lernperiode bloss 2 Minuten währte, schon nach 34 Minuten. Hingegen bewahrte der Vogel Nr. 6, dessen Lernperiode die längste war (52 Minuten), die Gewohnheit am längsten (100 Minuten). Wenn ich nun den Vorgang der einzelnen Stadien der Gewohnheit zu analysieren versuche, so möchte ich mit der Lernperiode beginnen (Fig. 52). | Der Verlauf der Lernperiode (Fig. 52, Kurven Nr. 1 bis inkl. 7 A B) zeigt deutlich zwei Typen von Vögeln. Zu dem ersten Typus gehören die Vögel, deren Lernzeit kurz, aber intensiv ist: die ganzen dies- bezüglichen Kurven sind dicht mit. Strichen (Schlägen) erfüllt. Dieser Typus lernt sozusagen in einem Zug, und die Gewohnheit wird rasch und auf einmal erworben (Nr. 2 und 4). Der zweite Typus lernt langsam und eher träge als intensiv: die einzelnen Striche (Schläge) folgen durch grosse Abstände getrennt aufeinander. Die hierher gehörigen Vögel lerren sozusagen auf Raten, und die Gewohnheit wird nur allmählich erworben (Nr. 5, 1, 6). Die Vögel Nr. 7 und 3 stehen in der Mitte zwischen diesen beiden scharf ausgesprochenen Gruppen. Der Kurvenabschnitt (B C), der sich auf die Dauer der Gewohn- heit bezieht, kann selbstverständlich bloss eine gerade Linie ohne jede Zacke darstellen. ; Der Abschnitt, der sieh auf die Vergessensperiode bezieht, könnte sich, wie dies a priori denkbar war, zweierlei gestalten, und zwar könnten die Vögel die Stange zunächst versuchsweise wiederholt be- rührt haben, um sich dann erst definitiv niederzusetzen. Wenn dies der Fall sein. sollte, so müsste die Vergessensperiode einigermaassen der Lernperiode ähneln. Denn in der Tat müsste der Vogel, bei dem die frühere Gewohnheit (auf der Sitzstange zu sitzen) punmehr Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. : 13 1: E> =. = 8 =) > N (02) un - Fig. 52. (Erklärung siehe 8. 195.) ‚Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 195 wieder die Oberhand über die neu erworbene (die Stange zu vermeiden) gewonnen haben würde, sich seinerzeit wiederum allmählich an die Stange gewöhnen. Ein solches Verhalten würde aber wahrscheinlich beweisen, dass der Vogel die Sitzstange wiederum berührt hatte, bevor die neue Gewohnheit, durch die Zeit zwar abgeschwächt, aber nicht gänzlich verlorengegangen war. Oder aber es könnte der Vogel sich auf der Stange auf einmal, ohne jeden vorangehenden Versuch, niedersetzen und dieselbe nicht mehr verlassen. Dieses Verhalten würde aber wahrscheinlich beweisen, dass der Vogel auf die Sitzstange erst dann hinaufspringen würde, wenn die erworbene Gewohnheit durch die Zeit gänzlich verschwunden wäre. Figurenerklärung. Fig. 52. Die mnemographischen Kurven von Kanarienvögeln. Die Kurven A (8 und B(4) zeigen das Verhalten zweier Vögel, Nr.3 [A (@)] und Nr. 4 [2 (4) während der Vorversuche: Bei M ist der Anfang und bei N der Schluss des Vorversuches. In der Kurve A (3) zeigen ab die obere (der Vogel berührt die Sitzstange), cd die untere (der Vogel berührt die Sitzstange nicht) Staffel. Die Kurven Nr.1 bis inkl. Nr. 7, die nach der Dauer der Leernperioden geordnet sind, zeigen den Werdegang der erworbenen Gewohnheit. In sämtlichen drei Kurven bedeuten: AB Leruperiode, BO Dauer der erworbenen Gewohnheit, OD Versessensperiode (bei C setzte sich der Vogel wiederum auf der Sitzstange nieder). In der Kurve Nr. 1 bekam der Vogel bei x keinen Schlag. Von & bis y _ wurde das ganze Kymographion vom Beobachter verschoben, so dass die Kurve um diese Strecke xy kürzer sein sollte. Die Pfeile zeigen in sämtlichen Kurven die Bewegungsrichtung des Kymographions. Wie die sämtlichen diesbezüglichen Kurvenabschnitte (CD in Fig. 52) bezeugen, war der zweite Fall realisiert: nachdem die Vögel die Stange während einer kürzeren oder längeren Zeit (BC Dauer der Gewohnheit) nicht berührt hatten, sprangen die Tiere plötzlich auf die Stange hinauf (bei C) und blieben daselbst zumindestens ein paar "Minuten ruhig sitzen. Es verdient das Verhalten der Vögel im End- ‚abschnitt der Dauer der Gewohnheit (also in dem Zeitabschnitt rechts von C) erwähnt zu werden. Dieses Verhalten zeichnet sich durch ‚eine steigende motorische Unruhe aus, die schliesslich zum Hinauf- springen auf die Sitzstange führt‘). Die einzelnen Stadien dieses Verhaltens sind folgende: 1. der Vogel bleibt am Boden bzw. an der Käfigwand ruhig sitzen 2. der Vogel beginnt sich etwas zu bewegen und zu fressen; 3. die Intensität und Extensität der Bewegungen nimmt zu; 4. schliesslich bewirkt meistens ein zufälliger leiser Reiz das plötz- liche Hinaufspringen auf die Sitzstange. 1) Ähnliches Verhalten zeigten in den oben beschriebenen Versuchen die‘ weissen Mäuse vor dem Verlassen der Scheibe während der Lernperiode. 13 * \ 196 J. S. Szymanski: Zum Schluss möchte ich noch das etwas abweichende Verhalten ° des Vogels Nr. 6 kurz beschreiben. | Dieser Vogel, der sich durch grosse Beweglichkeit auszeichnete, wies die allerlängste Lernperiode!) auf. Das Tier konnte die Neigung, auf die Sitzstange immer von neuem hinaufzuspringen, erst dann überwinden, nachdem eine neue motorische Gewohnheit ent- standen war. Diese Gewohnheit bestand darin, dass der Vogel auf der konstant bleibenden Bahn vom Käfieboden bis zu einer stets gleichen Stelle der Käfigwand heranflog, woselbst er einige Sekunden fest angeklammert blieb und hierauf wieder heruntersprang. Die Sitzstange berührte er dabei nicht. Nach kurzer Zeit wiederholte der Vogel immer von neuem die gleichen Sprünge usw. Dieser Vogel zeigte auch die allerlängste Dauer der erworbenen Gewohnheit: er berührte die Sitzstange während 100 Minuten nicht. Möglicherweise steht diese lange Dauer im Zusammenhang mit dem Erwerben der oben erwähnten Nebengewohnheit, die wiederum überwunden sein musste, bevor der Vogel, der mitunter die bekommenen Schläge ‚vergessen hatte, zur Sitzstange zurückgekehrt war. Wenn man nun die Versuche an Kanarienvögeln von dem in der Einleitung erörterten methodologischen Standpunkte aus betrachtet, so stellt sich heraus, dass es gelungen ist, den Werdegang (d. h. Ent- stehen — Fortdauern — Vergehen) einer rezeptorisch-motorischen Gewohnheit in einer kontinuierlich verlaufenden Untersuchung zu erforschen. Zusammenfassung. Die beschriebenen Untersuchungen bezweckten den Werdegang (d. h. Entstehen — Fortdauern — Vergehen) motorisch-rezeptorischer Gewohnheiten in einer kontinuierlich verlaufenden Untersuchung zu erforschen. j ONE Die Versuche wurden an Goldfischen, weissen Mäusen und Kanarienvögeln ausgeführt. Wenn .man die Versuchsergebnisse vom erwähnten methodo- logischen Standpunkte aus betrachtet, so konnte ich in den Versuchen an Fischen bloss das erste Stadium des Werdeganges einer erworbenen Gewohnheit, d. h. bloss deren Entstehen kontinuierlich verfolgen. 1) Vgl. hierzu oben die anlässlich der Beschreibung der Versuche an Gold- - fischen gemachte Bemerkung über den Zusammenhang zwischen der übermässigen Beweglichkeit und der Lernfähigkeit. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 197 Die Ergebnisse der Versuche an weissen Mäusen zeigten insofern einen methodoloeischen Fortschritt, als es bereits gelang, neben dem Entstehen die einzelnen Stadien des Vergehens der erworbenen Ge- wohnheit zu untersuchen. Diese letztere Untersuchung war indessen keine kontinuierlich verlaufende. Erst in den Versuchen an Kanarienvögeln gelang es, alle Stadien - des Werdeganges einer erworbenen Gewohnheit mit Hilfe eines eigens konstruierten und automatisch funktionierenden Apparates in konti- nuierlicher Untersuchung (äuf graphischem Wege) zu analysieren. 3. Ein experimenteller Beitrag zur Analyse der bei Entstehung neuer Gewohnheiten mitwirkenden Faktoren. Einleitung. Die prinzipielle Frage, wie eigentlich ein Tier lernt, ob passiv oder aktiv, ist bisher noch nicht entschieden. Lässt es eine motorische Gewohnheit dadurch entstehen, dass es einige motorische Reaktionen viele Male wiederholen muss, und dass schliesslich nach der Wahrscheinlichkeitstheorie diejenige Reaktion konstant bleibt, die in der kürzesten Weise zum Ziele führt !)? Oder kommt die ausschlaggebende Bedeutung beim Lernen den inneren Impulsen, der Aktivität des Tieres selbst, ‚zu? , Das Problem des Verhaltens eines Tieres beim Entstehen re- zeptorisch- motorischer Gewohnheiten lässt sich demnach auf die Frage zurückführen, ob das passive Gezwungensein zur interessen- losen Ausführung einer motorischen Reaktion genügt, um diese Reaktion in der Form einer Gewohnheit zu fixieren; oder ob es für die letztere einer durch das vitale Interesse bewirkten, aktiven An- teilnahme des Tieres bedarf). Erste Versuchsreihe. Um diesen Problemen näher zu kommen, schien mir das An- stellen der Versuche an weissen Ratten mit der Labyrinthmethode besonders aussichtsreich. 1) Vgl. hierzu J. B. Watson, Behavior 8. 251ff. 1914. 2) Dieses Problem wäre möglicherweise bei den verschieden organisierten Tierarten auch etwas abweichend zu stellen. Es ist nämlich möglich, dass die Faktoren, die die Entstebung eines gewohnheitsmässigen Bewegung-komplexes bewirken, je nach der Organisationsstufe des Nervensystems verschieden sind. 198 J. S. Szymanski: Denn einerseits ist diese Methode an die normalen Lebens- bedingungen der Ratten vorzüglich angepasst; andererseits aber haben die sorgfältigen Untersuchungen von Watson festgestellt, dass die Ratten ausschliesslich auf Grund der kinästhetischen Rezeption die Labyrinthgewohnheit ausbilden), so dass wir es hier bloss mit einer bestimmten Reihe von Rezeptionen zu tun haben. L-- on... ’J [u l ‘ ı ı U 1 ’ ' D Ü Ü ‘ U 3 [1 Fig. 53. Der Grundriss des Labyrinthes. Die gestrichelte Linie bedeutet den kurzen Weg, auf dem die Ratte das Labyrinth durchlaufen konnte. (Die näheren Erklärungen im Texte.) Die Idee meiner Versuche bestand nun darin, eine Serie von Ratten zunächst ein Labyrinth stets auf dem kürzesten Wege wieder- holt durchlaufen zu lassen, und dann ferner nach dem absolvierten Training diese Tiere, neben den untrainierten Kontrolltieren, das gleiche Labyrinth selbständig „lernen“ zu lassen. 1) J. B. Watson, Kinaesthetic and organic sensations; their röle in the reactions of the white rat to the maze. Psychol. Mon. Ser. Nr. 33. - Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 199 Der Grundriss des Labyrinthes, das ich für diese Versuche be- nutzte, zeigt die Fig. 53. | ‘Wie aus der Fig. 53 zu ersehen ist, bestand der Apparat aus vier quadratischen Kasten. Die Dimensionen der schwarz gestrichenen Kasten, die ohne Deckel und Boden waren, waren folgende: die Seite des grössten Kastens betrug 92 cm, die der zwei nächstfolgen- den 74 und 54 cm und die des kleinsten 36 cm. Die Höhe der Wände war 10 em; von oben war der ganze Apparat mit einem mit Drahtnetz bespannten Rahmen zugedeckt. Die Labyrinthgänge waren 8 cm breit; die gleiche Breite hatten die Öffnungen, durch welche je zwei Kasten miteinander in Verbindung standen (Fig. 53, I, a, w). Der kleinste Kasten bestand bloss aus drei Wänden. Dieser Kasten wurde bei dem Versuche an dem Wohn- käfıg der Versuchsratte derart angebracht, dass eine der Längswände des Käfiges die fehlende Kastenwand (vgl. Fig. 53, D) ersetzte; nach- dem die Glasscheibe, aus der diese Käfigwand bestand, entfernt worden war, konnte die Ratte direkt aus dem Labyrinth in ihren Wohnkäfig Sans. An der Vorderwand des äusseren Kastens wurde ein 20 em langer Vorhof (xy) mit der Tür (5%) (Fig. 53, I) angebracht; dieser Vorhof diente zum Einsetzen der Ratte in den Apparat zum Be- _ ginne eines Versuches. Der ganze Apparat war auf einem Tische, der mit dunklem Wachstuch bedeckt war, aufgestellt. Dass das Wachstuch nach jedem Versuche mit Seifenwasser und Schwamm gründlich gewaschen war, bedarf kaum der Erwähnung. Während des Versuches befand sich der Beobachter hinter der Tür (jy); ein schwarzer Schirm, der vom Plafond herabhing, ver- deckte den Beobachter; der letztere konnte bloss durch ein Guck- loch im Schirme das Tier im Labyrinthe beobachten. Die zu den Versuchen verwendeten acht weissen. Ratten waren zu Beeinn der Versuche ca. 9 Wochen alt; sie stammten sämtlich von einem Wurf. Die Ratten D und 4 waren Weibchen; alle anderen Männchen. Die Versuche fanden zweimal täglich, und zwar zwischen 91/a bis 11 Uhr vormittags und 1Y/„—3 Uhr nachmittags, statt. Der Verlauf der ganzen Versuchsserie war folgender: Nachdem die Versuchsratten in zwei Serien (A—D und 1-4) geteilt worden waren, liess ich die Tiere der Serie A—D täglich zweimal in den eben erwähnten Tageszeiten im Labyrinthe laufen. 200 J. S. Szymanski: Das Labyrinth war in diesen Vorversuchen so durch die Scheide- wände ab, cd, ef, hg, ik und Im abgetrennt, dass die Versuchs- ratte vom Vorhof xy auf dem kürzesten, in der Figur durch die . gestrichelte Linie angedeuteten Wege laufen musste, um zu dem im Kasten Z angebrachten Wohnkäfig zu gelangen (Fig. 53, ID). Wenn die Versuchsratte keine Neigung zeigte, sich fortzubewegen, wurde sie durch leise Stösse von rückwärts dazu angespornt. Die Ratten A : bis C bedurften relativ weniger Stösse, um den ganzen Weg zurück- zulegen; bloss die Ratte D musste man öfters stückweise fortschieben, um ‚dieselbe schliesslich zum Wohnkäfig zu bringen. An jeder Ratte wurden täglich zehn (fünf vor- und fünf nach- mittags) derartice Versuche während der 10 aufeinanderfolgenden Tage angestellt, so dass zum Schluss der ganzen Versuchsserie jede Ratte den obenerwähnten Weg vom Vorhof bis zum Wohnkäfig im Labyrinthe i00mal zurückgelegt hatte. Dabei machten die Ratten (mit teilweiser Ausnahme von der Ratte D) diesen Weg, indem sie sich aktiv bewegten und nicht etwa passiv fortgeschoben worden waren!) so dass hier alle Vorbedineungen geschaffen waren, um den Tieren die zur Ausbildung der Labyrinthgewohnheit notwendige Ent- stehung der bestimmten kinästhetischen Rezeptionen zu ermöglichen; allerdings vorausgesetzt, dass die Entstehung einer solcher Gewohn- heit ohne die durch ein vitales Interesse bewirkte aktive Anteilnahme des Tieres überhaupt möglich wäre. | | Um nun den Ratten der Serie A—D nicht den Vorsprung des rein motorischen Trainines zu gewähren, wurden die Ratten der Serie 1—4, also Kontrolltiere, in der gleichen Zeit, als die Ratten A—D im Labyrinth laufen mussten, aus ihren Wohnkäfigen heraus- genommen und in einen ca. 90 qem grossen Käfig gesetzt und ge- zwungen, sich dorthin zu bewegen. Nachdem die Vorversuche beendigt worden waren, wusch ich 1) Durch den letzteren Umstand unterschieden sich meine Versuche vom „Putting the animal through tbe act“ der- Amerikaner; um zum Beispiel die Nachahmungsfähigkeit eines Hundes zu prüfen, nimmt der Beobachter die Pfote des Tieres in die Hand und macht mit derselben alle Bewegungen durch (drückt die Hebel auf usw.), die zum Aufmachen eines Vexierkastens nötig waren. Nach- dem solche Versuche vielmals wiederholt worden waren, liess man den Hund selbständig den gleichen Vexierkasten öffnen, um sich zu überzeugen, ob die vorangegangene Übung die jetzige Handlung beinflussen könnte. (Vel. z. B. Watson, l.c. S. 276 ft.) Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 301: den ganzen Apparat mit Äther und das Wachstuch mit Seife und nachher mit Äther gründlich aus. - Daraufhin entfernte ich sämtliche Scheidewände, so dass der Apparat das Bild darstellte, wie es in Fig. 53, I gezeigt ist. In den so hergerichteten Apparat setzte ich nun beide Serien von Ratten je für einige Stunden, um die Tiere mit dem ganzen Apparat vertraut zu machen. Nachdem wiederum der ganze Apparat und das Wachstuch ge- reinigt worden waren, setzte ich ins Labyrinth die Scheidewände on, rp und ts (Fig. 53, III) derart ein, dass auch jetzt der kürzeste ‘Weg vom Vorhof bis zum Zentrum des Labyrinthes mit dem Wohn- käfıg der gleiche wie in den Vorversuchen blieb. (Vgl. Fie. 53, II ' und III die gestrichelte Linie.) Bei dieser Anordnung des Apparates führte ich nun die Haupt- versuche aus. Da ich als Impuls zur Ausführung der Handlung den Hunger verwendete, bekamen die Versuchstiere das Futter bloss nach dem Versuche. Und zwar setzte ich vor dem Versuche in den Wohn- käfıg ‘ein etwas mit Milch erweichtes Brot und einen Napf mit Wasser, so dass das Tier es, nachdem das Labyrinth durchlaufen und den Käfig erreicht hatte, in demselben stets Nahrung vorfand. Dabei war bei den Vormittagsversuchen bloss ganz wenig Futter . (ab 19. Versuch wurde diese Portion noch geringer gemacht), bei den Nachmittagsversuchen hingegen so viel, wie das Tier nur ver- zehren konnte. Eine Stunde nach dem Nachmittagsversuche wurden stets die Reste vom Futter und der Wassernapf entfernt, und das Tier bekam das Futter erst wieder am nächsten Tage nach dem Vormittagsversuche usw. Während des Versuches maass ich die Zeit, die die Ratte brauchte, um von a bis b (Fig. 53, III) zu gelangen; ausserdem trug ich in ein Diagramm ein, wie das in Fig. 53, III dargestellt ist, wie viele Male die Ratte einen Gang betreten hatte. Wenn die Ratte bloss die Hälfte eines Ganges zurücklegte und dann umkehrte, deutete ich dies durch ein Kreuz an; wenn die Ratte aber den ganzen Gang durchlief, markierte ich das durch einen Strich. Auf diese Weise konnte ich nachträglich den Weg berechnen, den die Ratte im Labyrinthe zurücklegte, bevor sie den Wohnkäfig erreicht hatte. 202 J. S. Szymanski: Tabelle 24. zer em nn ie Ratte A Ratte B Ratte C Ratte D Br nn, Ver- Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit Weg suches RER BE 1 ea RB Be AR ee ee cm Sek. cm Sek. cm Sek. cm Sek. cm 1 314 | 1369 | 28ı | 1251 | 265 | 1453 | 88 | 1071 | 237 | 1336 2 2721| 9131| ııı | 6ı | 11a | 9393| 49 | 778 | 186 | 825 3 sı | 97| 7ı | 707 | 110 11 ll 3 | 6855| 7A | 840 4 68 | 1041 | 553 | 1001 | 312 | 501 | 16 | 523 | 167 | 766 5 198 | 1427 | 380 | 1109 | 174 | 1939 | 65 | 965 | 206 | 1360 6 sı | 651 5 | 5b | Pb 31 6 7 231) 6511er era ri 6 8 27 l1008| so | ss5| 20 | 635] 8 | asıl 36 | 738 9 "4 | 909 49 | 501] az | 5ml 8 | 3835| 39 | 598 10 86 11057 | 109 | 651 45 |10ı7 | 7 | 3339| 89 | 774 11 9 | 65 u al 3a ea | 5a A| 7a 12 331 1631 ? 5411| 25 | 8ı9| 10 | 523 | 122 | 1001 13 ı8 | 3563| 32 | asıl 14 | 5011| 9 | 5383| 18 | 504 14 156 | a7 | 2 | 391 ol 65| 1. | 5983| 57 | 786 15 115 | 12271 5ı | 593| 58 | 299 | 11 | 5231 59 | 910 16 3 | 5651| 3 | ar a lurıl 7 | 5381| 30 | 731 17 16 ı 65| ı7 ı 5383| 115 151 | 50 | 85] 9 | 8133 18 17) #81] 31 | zsıl 15 | 561 9 | 5283| ı8 | 574 19 1 | 61] ı6 | 51a | 1 | 5011 5 | sol 16 | 62 20 7 | 339 7I| 39 7 | 65| 7 | 231 9 | 448 21 1! 39] 7 | aaı]l es us 11 | 5383| 29 | 621 a 1 8| 39 9 al al sale | 53 2 | 519 23 | al s|ı sl oo | sl ıs | | 16 | 565 24 5 | 339 s/i 3939| 2 | 65| 1a | 65 | 10 | 53 25 6 | 3393| 28 | 512] 21 | 66ıl A | 3231 17 | 509 36 4 | 339 8| 8339| 10 | :z0ı s | aı 7 | 40 27 2) 8339| 5 za al el a | | 22 | 539 28 4 | 339 8 | 339 6 | 3939| 5 | 339 6 | 339 239 s | 35I 8! 3351 2 | Ma7|I 8 | 3835| 13 | 40 30 5 | 339 5 | 339 s| al 9 ı 58 7 | 408 31 6 | 339 9| 339| ı1 | 4771| 10 | 481 9 | 339 32 12 | 593 6 | 339 6: | Asch ost A477 9 | 460 ? 33 6 | 339 6) sl 13 | Ami 9 | 799 | 18 | 488 34 4 | 339 5 | 8339 7/1 39| 2 | 671 7 | 42 35 23ı | 431 7 | 339 8 | 3399| 36 | 707 | 18 | 454 - 36 4 | 339 4 | 339 5| 3839| 9 | 538 5 | 385 x 37 11 | 339 7. 00930 6 3991| ı6 | 5331 ı0 | 385 38 5 | 339 5 | 339 61 331 6 | 339 5 | 352 39 10 | 339 s| 3391| ı7 | 33 | ıı | 3391| 11 | 339 40 7 | 339 5 | 339 Slanssg. ll 8 3477 6 | 39 3 41 3| aıl 2 | 39| A| 6535| 3 | sl 19 | 448 42 6 | 339 9 | 447 9 ı M7| 5 | 339 7 | 39 43 5 | 3939| 6 | sl 3 | 531 8 | 5883| 10 | 4 $ 44 5 | 339 5 | 339 4| 39h 5 | 339 5 | 339 45 10 | 339 5139| ı | 3399| 7 | 339 8 | 339 fi 46 4 |" 339 5 | 339 5139| 5 | 339 5 | 339 47 8 | 339 6 | 3391| 11 |) 3991| 1a | 5233| 10 | 335 x 48 6 | 43 6 | 339 51391 4 | 339 5 | 362 49 7 | 339 6 | 339 6 | 339 6 339 6 | 339 4 50 4 | 339 5 | 339 5.123391722 7104339 41.9399 5 51 8 | 339 6! 3393| 39| aaıl 5 | 3339| 14 | 38 52 5 | 339 4 | 339 4 | 391 4 | 339 4 | 339 { 53 71339 6 | 339 6 | 3391 5 | 339 6 | 339 u Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 203 Tabelle 24. Nummer Ratte 1 Ratte 2 Ratte 3 Ratte 4 Date des Ne Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg suches | Sek. | cm See emF Sek. | Tem | Sek. | cm | Sek. | em | Sek. | em cm | Sek. | cm | Sek. | cm | Sek. | cm 1 2363 | 907 ) 1183 | 278 | 955 | 120 | 793 | 202 | 962 2 115 | 767 1334 | 149 | 727 | 306 | 857 | 164 | 921 3 105 | 919 I 600 | 100 | 837 | 294 | 1486 | 135 | 960 4 68 | 5011| 71 712] 64 | 277 | 8 | 7a5I 7 | 809 5 IF ec | 75 95 | 501] 49 | 6 6 4 | 77 I 1939| A3| 36 | 65 | 192 11059 | 71 | 733 7 Amor 33 Ms7z ll. 25 598:1. 46 1685 1.36: 780 8 15 | 68 I 535er a5 | 5 20 | 545 9 21 | 501 7 | 651 17 | 65| 14 | 501 17 | 598 10 16 | 5011 12 | 5601 27 | 691 2% | 5238| 29 | 558 11 14 | 501 14 | 651 15 | 5983| 27 | 523] 17 | 558 12 20 | 554 6 | 339 3 | 59T 2A | 65T 18 | 537 13 23 | 393 5I 3391 3 | 7a5| 3 | 6355| 22 | 528 14 39 | 961 4 | 39] 19 | 671 18 | 671 | 20'| 610 15 27 | 6535| 10 | 5011| 20 | 5353| 12 | 501 17 | 552 16 235 | 1081 6 | 339 7| 3391 16 | 501] 66 | 565 17 151 | 17 11 | 53 s|ı 339] 2% | 3831 48 | 608 18 215 | 7a71 108 | 1483| 16 | 5383| 15 I 3399| 87 | 77 19 62 | 671 | 25 | 839 9 | 3851| 12 | 5331 97 | 604 20 29 | 393 | 19 | 1010 8 | 431 13 | 5331| 17 | 587 2 6| 39| 235 | 833 7|I 3391 12 | 5231 12 | 508 22 93/391 125 | 6351| 15 | 5283 71339] ı1 | 459 23 5| 3391| 52 | 501 10 ı 3383| 14 | 685| 20 | 466 24 7ı 3399| 10 | 501 9 | 47 5 | 339 8 | 414 25 9 |ı 3391 30 | 501 71 3391 18 | 6865| 16 | 466 26 5! 39] 16 | 745 5 | 339 6 | 339 s | 440 27 331.5 12477 8 | 523 | 10 | 460 28 513391 21 | 937 5 | 339 5 | 339 9 | 488 29 5 |. 3399| 46 | 5011| 14 | 569 6 | 3391| 18 | 437 30 4 | 339 7.| 3391| 10 | 450 5 | 339 6 | 367 31 s|ı 3391 29 | 593 8 | 391 11 | 5281 14 | 448 32 5 | 339 6 | 339 5 | 339 8 | 477 6 | 373 33 :5!3%91| 12 | 501 6 | 339 7 | 339 7.379 34 4 | 339 6 | 393 7| 339 9 | 523 6 | 385 35 7| 3391| 16 | 501 6 | 339 7.|.339 9 | 379 36 4 | 339 7339| 14 | 593 5 | 839 7 | 398 37 51 3399| 15 | 501 6 | 339 6 | 339 s | 379 38 5 | 399 6 | 339 6 | 339 9 | 54 6 | 39 39 5 | 339 6 | 339 6 | 339 7 | 339 6 | 339 40 5 | 339 5 | 339 5 | 339 Tl 431 5 | 362 41 6 | 339 7| 339 6 | 339] 10 | 339 7 | 339 42 4 | 339 5139| 10 | 501 8 | 447 7 | 406 43 6 | 339 7 | 339 6 | 339 4 | 501 6 | 379 44 4 | 339 5 | 339 8 | 339 5 | 338 5 | 399 45 6 | 3391 15 | 53 7| 3839| 14 | 5011 10 | 45 46 5 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 47 51 39] ı2 | 501 5 | 339 8 | 339 7 | 379 48 4 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 49 5 | 339 8 | 339 5 | 339 6 | 339 6 | 339 50 4 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 5 | 339 51 5 | 339 6 | 339 6 | 339 5 | 339 5 | 339 »2 4 | 339 5 | 339 6 | 339 5 | 339 5 | 339 53 5 | 339 6 | 339 6 | 339 5 | 339 5 | 339 204 J. S. Szymanski: Tabelle 24 (Fortsetzung). en ser tree en ng Ratte A Ratte B Ratte C Ratte D an Ver- | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg suches Sek. | cm | Sek. | cm | Sek. | cm Sek. | cm Sek. | cm 54 5 339 4 339 6 339 5 339 5 339 55 14 339 5 339 10 339 5 339 8 339 56 4 339 4 339 5 339 4 339 A 339 57 2 339, 8 339 3l 685 5 339 14 439 58 5 339 5 339 5 339 4 339 5 339 59 33 339 4 339 9 339 7 339 13 389 60 4 33 5 339 5 339 4 339 4 339 61 9 339 5 339 6 339 5 339 6 339 62 5 339 4 339 4 339 8 501 5 379 63 15 339 11 339 22 523 23 597 18 | 449 64 6221329 5 SIE A 339 5 339 5 339 65 9 339 5 339 24 655 4 339 | 10 418 66 6 339 4 339 4 339 4 339 4 339 67 8 339 5 339 10 339 7 339 7 339 (Ja 339 4 | 339 4 339 8 523 5 335 69 7 391.5 >39 9 393 8 431 7 375 70 5 339 4 339 4 339 5 339 4 339 Fe N Werte) 339 4 339 7 339 6 339 6 339 72 5 339 4 339 4 339 5 339 4 339 73 9 339 10 431 7 339 11 431 9 385 74 4 339 4 339 7 339 5 339 5 339 15 17 339° 5 339 10 339 7 339 10 339 76 5 339 4 339 4 339 4 339 4 339 717 ? 339 5 339 6 339 7 339 6 839 18 5 339 4 339 5 339 6 339 5 339 79 14 339 5 339 10 339 8 339 9 339 80 4 339 4 339 5 339 5 339 4 .| 839 3 8 339 5 339 6 339 1.6 339 6 339 82 5 339 4 339 4. 339 5 339 4 3839 Diese Versuche, die ich an beiden Serien von Ratten in der ganz gleichen Weise durchführte, dauerten so lange, bis sämtliche Ratten erlernt hatten, das Labyrinth auf dem kürzesten Wege zu durchlaufen. Die Versuchsersebnisse sind in der Tabelle 24, Tabelle 25 und in den Kurven der Fig. 54 dargelegt. Zum Verständnis der Tabellen ist vorauszuschicken, dass der kürzeste Weg, auf dem die Ratte vom Vorhof bis zu dem im Zentrum des Labyrinthes angebrachten Wohn- käfıe lief (die gestrichelte Linie ab in der Fig. 53, III) 339 em betrug. Bei der Berechnung der Durchschnittszahlen für die Zeit und den Weg wurde weniger als 0,5 und 0,5= 0 mehr als 05 =1 angenommen. ERS Die Tabelle der Fehler (Tab. 25) zeigt, wievielmal ein Tier bei einem Versuche den falschen Gang betreten hatte. Als Fehler wurde aufgefasst, wenn ein Tier entweder den falschen Gang betrat oder in dem richtigen Gange kehrt machte (Tab. 24, 25). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen deı Tiere. 205 Tabelle 24 (Fortsetzung). Durchschnitt te Ratte 1 Ratte 2 Ratte 3 Ratte 4 Se Ver- | Zeit | Wes | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Weg | Zeit | Wee suches Sek. | cm | Sek. | cm Sek. cm Sek. | cm Sek. | cm 4 4 339 b) 339 5) 339 4 839 4 339 bp) weh, 339 8 393 ? 339 6 339 6 352 96 4 339 b) 339 b) 339 b) 339 b) 339 97 b) 339 8 339 7 339 8 339 7 339 3 98 5) 339 5) 339 7 431 6 339 6 362 6%) 10 339 7 339 b) 839 b) 339 7 339 60 5) 839 4 839 b) 339 b) 339 5) 399 61 6 339 7 339. 6 339 D) 339 6 339 62 4 339 b) 339 b) 339 6) 339 6) 339 63 6 339 7 389 5) 339 6 339 6 339 64 4 339 B) 339 B) 339 b) 339 b) 339 65 b) 3839 6 839 6 389 9 393 6 352 66 18 487 5) 399 b) 339 b) 339 8 1.876 67 6 339 u 089 5) 339 b) 393 6 392 68 4 339 6) 239 6) 339 17 693 8 417 69 6 339 10 431 6 |°3839 b) 339 7 362 70 ° 4 339 6) 339 b) 339 4 339 4 339 71 13 339 9 393 10 339 6 339 9 352 12 4 339 b) 339 6) 339 4 339 4 339 13 8 339 6 339 6 339 6 339 6 339 74 6) 339 6) 339 5) 339 b) 339 d 339 75 5) 339 8 339 6 339 6 339 6 339. 76 8 923 5 339 B) 339 4 339 B) 389 77 4 339 6) 339 6 339 12 339 7 339 18 4 339 6) 339 b) 339 5) 339 6) 339 79 6 339 7 389 6 339 6 339 6 339 80 5) 339 4 339 7 339 4 339 b) 389 8a 4 339 6 339 9 339 6 339 6 3839 82 b) 339 9 339 5 339 4 3839 b) 339 Tabelle 25. A 2 Durch- Durch- 5 E B A B 6 schnitt 1 D) 3 schnitt SR von von > A—D 14 en NER se ee LERNEN BEN EN EN 1 7 9 11 4 7,75 3 5 5 4 4,95 2 5 2 5 B3 3,75 3 6 3 6 4,50 3 4 3 4 2 3,00 5 3 4 7 4,75 4 4 5 1 1 2,75 i! 4 6 2 3,25 Ö 6 5 8 5 6,00 2 2 2 1 1,75 6 2 1 2 2 1.75 3 | 93 4 3,50 7 2 8 2 2 2,25 3 3 2 9 3,50 8 3 4 1 1 2,25 2 ı 0 1 1,00 %) 4 1 ”) 1 2,00 1 2 2 1 1,50 10. 5 2) 4 0 2,75 1 m) 93 1 1,50 11 2 m) 5 1 2,50 il D 1 1 1.25 a 2 3 an 4,25 1 0 1 ” 1,00 13 B) 1 1 1 1,25 1 0 2 2 1,25 14 6 0 1 ii 2,00 4 N) 9 2 3,00 15 5 2 5 1 3,25 2 1 1 1 1,25 J. S. Szymanski: 206 Tabelle 25 (Fortsetzung). Ne) WOonononnnanmnnono nn Su © ı% Ye) ARESKESREREREREAFNNAABAR A BAR N a 8 SESIHRERS mM MTTIOsososoosssosoo9 9995 0990 9909 SosSooooooodcodoooooadsssoase nn nennen HD OrTMMOoOnNo NO mS SSH MmMO MS SONST O FT TSFS SS O9 9990909099090 90999999 HMO HT OO9 | | [ee) << SOTONBIOA SOmmmomomSo mount oOSOOOTMTSOOSOOTOO0O090909090909099000000MT9O9009090909990999 SOON AT AM HH ATmTSnısHomTmmSsososooosoomTSmSosoo9o9090mT 090900 909090090909999 HS HNNDANSSOOSOSSoS9Soso9sosssossooo oo S9 9909099590900 009090909009099990H 990099 mm NDS en un) 1m ie) [= Az ar [2505 Sr DR 539 ui Der BSEr ne Ser Zur nr SE Sr Sr er u Sr Se nr Sr er Sinsinninismioniscrisssossesscsooossoosonssoscoosscsedsonsse Am dreemHmQme mom rm He Nm eSsormosorTo99 9071000909090 09909099909 =, W999 9 Hm O9 SEN AM DANN AaHT Ho mm mm MHMSSoom sono 9990909090 MO 9090900090999 OWN -QO AHANOHMMSWOSNSH-TOSOOSSSOSOO9OSO09O0O0MO9OO0O9009090909090909090,T9909090009099990009 TMTUHMANOSSOMHMSSSssHsonusomSosossoHS9o9 9090 9HT 9909009090909 00009009090909090909 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 207 Tabelle 25 (Fortsetzung). „8 Durch- Durch- 5 25 A B C D schnitt 1 92 3 4 sehnitt Eon von von AB A-D 1—4 71 0 | 0 0 0 0 0 1 (0) 1) 0,25 22 0 0 0 (0) 0 0 0 0 0 0 73 0 1 0 1 0,50 0 0 0 0 0 74 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 75 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 76 0 0 0 0 0 el 0 0 0 0,25 77 0 0 0 0 1) 0 0 0 0 0 78 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 79 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0: 80 0 0 0 0 0 0 0 19) 0 0 8 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 re 00:0 0 o0j0 | old (Siehe Fig. 54 auf S, 208.) Wie aus den Tabellen und den Kurven zu ersehen ist, unter- scheiden sich die Lernvorgänge beider Serien von Versuchstieren durchaus nicht voneinander. Das 100 mal wiederholte Durchlaufen des gleichen Weges in - den Vorversuchen beeinflusste also nicht im positiven Sinne das definitive Erlernen des Labyrinthes. Und doch, wenn die Entstehung einer neuen Gewohnheit — in unserem Falle der Labyrinthgewohnheit — ohne die aktive, durch ein vitales Interesse bedingte Anteilnahme des Tieres möglich wäre, so müsste dies 100 mal wiederholte Durchlaufen des Labyrinthes auf dem kürzesten Wege die für .die Entstehung dieser Gewohnheit not- wendigen kinästhetischen Rezeptionen wohl ausfixieren und wirksam machen. In dem definitiven Versuche genügten ja bloss 20—40 Ver- suche, um diese Gewohnheit entstehen zu lassen. Daraus folet, dass eine neue Gewohnheit nicht ausschliesslich infolge der oftmaligen zwangsmässigen Wiederholung einer Handlung entsteht, sondern dazu obendrein eine aktive, durch ein vitales Interesse bewirkte Anteilnahme des Tieres unumgänglich notwendig ist. Bloss wenn das letztere der Fall ist, sind die zureichenden Vorbedingungen gegeben, um die betreffenden Rezeptionen wirksam zu machen, das heisst dieselben mit einer bestimmten motorischen Reaktion zu verbinden. Diese Behauptung findet ihre weitere Bestätigung in den Ergeb- nissen der nächstfolgenden zweiten Versuchsserie. 208 J. S. Szymanski: 10 Fig. 54. Lernkurven. I. Zeitkurve, Il. Wegkurve, III. Fehlerkurve. (Auf der Ordinatenachse sind in I die Zeit’ in Sekunden, in II der Weg in Zentimetern, in III die Fehlerzahl eingetragen; auf der Abszissenachse sind in sämtlichen Kurven die Versi@hsnummern eingetragen.) Die ausgezogenen Kurven beziehen sich auf die vorher trainierten Ratten (die Durchschnittszahlen von den Tieren A—D); die gestrichelten Kurven beziehen sich auf die Kontrollratten (die Durchschnittszahlen von den Tieren 1—4), Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 209 Zweite Versuchsserie!'). Der zweiten Versuchsserie lag folgende Überlegung zugrunde: Um eine rezeptorisch-motorische Gewohnheit entstehen zu lassen, lässt man auf das Tier zunächst einen immer gleich bleibenden Reiz- komplex, dessen Rezeption sich mit einer bestimmten motorischen Reaktion verbinden soll, wiederholt einwirken. Dies ist aber unzureichend, um die gewollte rezeptorisch-moto- “rische Assoziation herzustellen. Es muss obendrein noch ein innerer Zustand des Tieres herbeigeführt werden, der es überhaupt zur Aus- führung einer Handlung zwingt. Dieser Erreguneszustand, der seinen äusseren Ausdruck in der erhöhten allgemeinen Beweelichkeit findet, wird durch einen von dem Beobachter eigens dazu erwählten Faktoren- komplex bewirkt. Wenn man zum Beispiel bei einer Ratte die „Labyrinthgewohn- heit“ entstehen lassen will, so lässt man zunächst das Tier im immer gleich bleibenden Labyrinth wiederholt laufen. Um jedoch das Tier überhaupt zum Laufen im Labyriuth zu veranlassen, versetzt man es in einem Erregungszustand, und zwar dadurch, dass man das- selbe vor dem Versuche hungrig hält; das heisst, man lässt durch die Entziehung des Futters einige Zeit vor dem Versuche einen Komplex innerer Impulse (= Hunger), die den Erregungszustand herbeiführen, sich wirksam machen. Es entstehen nun bei weiterer Zergliederung des Problemes der für die nachträgliche Ausführung einer bereits fest erlernten Hand- lung nötigen Erregung zunächst zwei Fragen. Die erste Frage betrifft die Erregungsintensität, die für die Aus- führung der fest erlernten Handlung nötig ist. Und zwar entsteht zuerst die Frage, ob für die Ausführung ‚einer fest erlernten Handlung die Einwirkung bestimmter Faktoren, die früher bei dem Lernvorgang sich geltend machen mussten, um den nötigen Erregungszustand zu erzeugen, überhaupt noch unent- behrlich ist; oder vielmehr ob die Einwirkung des gewohnten Kom- plexes der äusseren Reize bereits genügt, um die für die Ausführung der erlernten Handlung nötige Erregung herbeizuführen. Sollte aber I) Da die in diesem Kapitel berührten Fragen — meinem Dafürhalten nach — von einer gewissen Bedeutung für die physiologische Analyse des Be- griffes „Trieb“ sind, erlaubte ich mir die hier aufgestellten Probleme und Begriffe stellenweise mit möglicherweise übertriebener Genauigkeit zu schildern. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 14 210 J. 8. Szymanski: dies nicht der Fall sein, so fragt sich, wie gross die Intensität der durch die bestimmten inneren Impulse bewirkten Erreeung sein muss, ‚um die erlernte Handlung bei der Einwirkung der üblichen äusseren Reize auszulösen. Die weitere Frage wäre, ob schon der schwächste Grad der durch die bestimmten inneren Impulse bewirkten Erregung ge- nügt, um die erlernte Handlung ausführen zu lassen, oder ob dieser - Grad erst eine gewisse Grösse erreichen muss, um im Sinne einer richtigen Ausführung der Handlung wirksam zu sein. Mit anderen Worten: ist die Erregungsschwelle zugleich das Erregunesoptimum für die richtige Ausführung der fest erlernten Handlung (sozusagen ob sie dem Alles-oder- Nichts- Gesetze unterworfen ist); oder schreitet diese Erregung von minimum über eine mittelgrosse In- tensität bis zum Optimum fort, so dass die erlernte Handlung je ‚nach dem Erregungssrad stets vollkommener ausgeführt wird. Um nun das Gesagie an dem oben erwähnten Beispiele der Labyrinthversuche zu erläutern, taucht zunächst die Frage auf, ob die Tiere, nachdem sie bereits erlernt haben, das Labyrinth auf . dem kürzesten Wege und in der kürzesten, stets beinahe konstant ‚ bleibenden Zeit zu durchlaufen, diese Handlung auch in dem Falle fehlerlos ausführen, wenn sie nicht wie sonst im hungrigen, sondern im gesättigten Zustande ins Labyrinth eingebracht werden. Da nun die inneren Impulse, die die übliche, für ein fehlerloses Durchlaufen des Labyrinthes nötige Erregung erzeugten (= Hunger), fehlen so fragt sich, ob nun die blosse Einwirkung des gewohnten äusseren Reizkomplexes (= das Einbringen ins Labyrinth) genügen, um die Ratten zum fehlerlosen Durchlaufen des Labyrinthes zu veranlassen. Sollten aber die gesättigten Ratten im gleichen Labyrinthe, das . die gleichen Tiere sonst im hungrigen Zustande fehlerlos durchliefen, desorientiert werden, also die durch den gewöhnten Komplex der äusseren Reize bewirkte Erregung sich als zu schwach erweisen, um die Ratten zum fehlerlosen Durchlaufen des Labyrinthes zu veranlassen, so fragt sich weiter, ob schon der kaum sich geltend machende Hunger die Ratte in eine solche Erregung versetzt, die bereits zur richtigen Ausführung der fest erlernten Handlung (d.h. des richtigen Durchlaufens des Labyrinthes) ausreichend ist (Minimum — Optimum). Sollte dies nicht der Fall sein, so müssten sich die in ver- schiedenen Graden hungrigen Ratten — stets ist die Rede von den pn > Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 211. Ratten, die die Labyrinthgewohnheit fest erworben haben — ver- schieden in bezug auf das fehlerlose Ausführen der fest erlernten Handlung erweisen. Also müssten die ganz satten Ratten sich im Labyrinthe ganz desorientiert und die nur wenig hungrigen weniger desorientiert verhalten; schliesslich müssten die ganz hungrigen Tiere das Labyrinth ohne Fehler durchlaufen (Minimum — mittelgrosse Er- ‚regung — Optimum der Erregung). Die zweite der oben erwähuten Fragen ist die folgende: ist die Erregung, die für die richtige Ausführung einer fest erlernten Hand- lung nötig ist, spezifisch, oder kann jede hinreichende Erregung die richtige Ausführung dieser Handlung herbeiführen; vorausgesetzt selbstredend die‘ gleichzeitige Einwirkung des gewöhnten Komplexes der äusseren Reize. | Unter der spezifischen Erregung wird hier jene verstanden, die durch die gleichen,‘ auch früher bei dem Lernvorsang wirkenden . inneren Impulse herbeigeführt wird. Als eine nicht-spezifische Fr- resung wäre in diesem Falle jede Erregung zu nennen, die durch sonstige innere Impulse bewirkt wäre. Um auf die Labyrinthversuche zurückzugreifen, lautet diese Frage einfach so, ob ausschliesslich der Hunger = spezifische Er- resung) die Ratte, die bereits die Labyrinthgewohnheit erworben hat, auch nun veranlasst, das Labyrinth fehlerlos zu durchlaufen. ” Oder ob auch andere Impulse, die eine hinreichende Erregung herbei- - führen könnten (geschlechtliche Erregung, die Wirkung der Perioden ‘der gesteigerten Aktivität im 24stündigen Zyklus, die Wirkung einiger Exeitantia usw. — die nicht-spezifische Erregung), das richtige Durchlaufen des Labyrinthes einer gesättigten Ratte bewirken könnten. Um nun zunächst der Frage nach dem Erregungsgrade, der zur fehlerlosen Ausführung einer fest erworbenen Gewohnheit nötig ist, näher zu kommen, habe ich folgende Versuche angestellt. Nachdem die erste Versuchsreihe abgeschlossen war, liess ich die gleichen Ratten, ohne nur einen Tag auszusetzen, weiter zweimal täglich um die gleichen Tageszeiten, wie in der ersten Versuchsserie, bei gleichbleibenden Versuchsbedingungen im Labyrinthe laufen. Bloss den Hungergrad liess ich dadurch variieren, dass das Futter den Ratten- von nun an in verschiedener Tageszeit verabreicht wurde, und zwar so, dass die Tiere entweder 21—24 Stunden oder 4—4,5 oder, schliesslich bloss 0,5 Stunden vor den Versuchen hungern mussten. a 14 * 212 J. 8. Szymanski: Tabelle 26. 4. Die letzte Ratte A Ratte B Ratte C Ratte D | Be BE "or [Zeit | Weg | |Zeit| Weg|= |Zeit| Weg | & |zeit Weg | & u Stunden ISek.| cm [E [Sek.| cm |& [Sek.| cm |& |Sek.| em |& 88 0,5 308 11878 | 7 | 3836| 6711| 2 1183 1703| 7 | 30 339 | 0 84 4,5 8: 339| 0 | 13) 339| 0 6| 339| 0 6| 3839| 0 te) 24 11| 339 | 0 6| 3539| 0 Da? 7| 8339| 0 86 0,5 24: 5231 1} 96| 8291 2| 41| 805) 2 | 10| 339| 0 87 0,5 120 | 1035 | 4 6| 339) 0 | 19| 339| 0 | 10| 339| 0 88 4 27| 501 | 1 | 12| 3839| 0 | 78 845| A | 7311059 | 4 39 24 9| 339!0 | 27\ 517) 2 6| 3839| 0 7 39| 0 90 0,5 166 | 1616 | 6 | 66 | 767 | 3 1105 1125| 6 | 24 | A77| 1 91 21 81, 38391 0 6| 8539| 0 | 10) 8391| 0 9| 3391 0 92 0,5 188 1081| 7 I 11) 425| 2 1130| 1228| 8 1138 1263| 5 95 21 5| 2839| 0 5| 3839| 0 9| 89 0 | 339| 0 94 0,5 198 | 1351 | 5 [141 | 1747| 5 | 1111/1465 | 7 | 35 | 593 | 2 95 0,5 117 1077 5 5! 8339| 0 1102| 1481| 6 | 16| 339| 0 96 4 63 819| 3 5 39) 0| 8!1174|) 4 | 48) 6989| 2 97 24 9| 359 0 | 8339| 0 7| 339| 0 8| 3839| 0 98 0,5 229, 1831| 7 6| 339) 0 | 133 | 2243 | 9 1183 | 2504 111 99 20 3.339| 0 5| 3539| 0 6) 3539| 0 6| 3391| 0 100 4 16 | 3839| 0 4 339| 0 8s| 339| 0 9| 8339| 0 } 101 ca. 24 5| 339 0 5) 3391| 0 | 3391| 0 6| 3910 102 ca. 24 6| 3391 0 4| 339| 0 6| 339 0 5| 3539| 0 103 ca. 24 6| 3839| 0 5| 339 | 0 7339| 0 7) 43411 104 0,5 94 | 797) 21 75 1263| 4 | 90 1277| 5 9| 3391| 0 105 0,5 125 | 1077 | 4 51 3389| 0 | 26| 561 | 1 [186 | 1841| 6 nicht genau | reguliert; die 1063| Ratten waren 8 8389| 0 8| 339! 0 | 37|1023| 5 9| 339| 0 || jedenfalls L hungrig J 107 j un 197 1239| 5 | 66 1227| 3 | 26 635| 1 | 10. 339] 0 f| wie beim Ver- : e 10sf ne \ 7 339|0| 5| 3390| ı2| 593|ı| 6| 3359| 0 109 3 hr 270 |2093 110 | 11| 523 | 1 1121 1875| 8 8s|/ 339 | 0 wie beim Ver- i 110f a \ 9! 339|0| 51 3390| 5! s3#0|0| 6| 3391| 0 Versuche um die Zeit des Sonnenunter- | 11l%| ganges; die 52| 819| 2 | 55|1127) 31 25| 5638| 2 6| 339) 0 Tiere gesät- tigt; schwach erregt nicht genau | reguliert; 112%] wahrschein- 11) 501|1 61. 8391 0 | 13| 5231 9| 8839| 0 lich schwa- cher Hunger Val Yıza ı223| 8 | 69| ess| 4 | s3\ıssı| 6 | 26) 501] ı 114 15,9 512833180 5 8389| 0 Br Asa il 6| 8339| % wie beim Ver- ß { e 11f nl 138 59312| 5! 339 o | ı8| 531 ıJ ı6| 593) 1 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 213 Tabelle 26. Ratte 1 Ratte 2 Ratte 3 Ratte 4 Durchschnitt 1 = = - Zeit| Weg| — |Zeit| Weg | = |Zeit| Weg = Zeit| Weg| = [Zeit| Weg | Feh- Sek.| em | & |Sek.! cm | & |sek.! cm | & |Sek.| cm | & |Sek.| cm | 1er 13| 339| 0 91 339] 0 | 15| 39| 0 6| 339] 0| 75| 74312 5/ 3359| 0 | 3611287 | 4| 12| 3539| 0 6 3359| O0 | 11| 457 | 05 5| 339| 0 6| 3391 0 71 39| 0 5| 8389| 0 7| 3389| 0 45| 671| 2 | 36 1211| 4 | 10! 339] O 1167 /2219| 71 53. 867! 2,25 36| 487| 1 1213123355) 6| 10| 339| 0 141 75231 811 521 717.15 119| 1281| 5 | 47| 8693| 4 8339| 0 ? | 5823| 1| 52| 719| 2,37 7| 3339| 0 | 35| 707| 2 7| 8839| 0 6) 339] O0 | 13| 407 | 05 16| 339) 0 |431|2247| 9 | 39, 487 | 1 92| 8998|. 3110| 1001| 3,62 7| 339| 0 |102| 773) 3] 19| 501! 1 20| 65| 2 | 23| 457 | 0,75 51 3391-0 1158| 1761| 7 | 14 339| 0 12| 3359| 0 | 82| 847, 35 5| 8339| 0 | 12| 339| 0 6 3389| 0 6| 3391 0 7| 3839| 0 9| 339| 0 11) 339) 0214 2371| 8 [235 2717| 10 [1191365 | 4,5 | 339| 0 7 339| 0| 15 501| 1 [116/1759| 6 | 48| 765 | 2,25 | 3391 0 I 13| 3359| 0 7 8339| 0 3.339.012. 2918541 121,12 6| 3839| 0 8 3839| 0 6 339| 0 8| 3839| 0 7| 3839| 0 26| 5653| 2 1284 2057| 81 76 1227| 3 | 35| 671) 4 1122 |1429| 5,5 5| 339| 0 6| 3399| 0 6| 3539| 0 6| 3359| 0 6| 339 | 0 6| 339| 0 5) 3389| 0 6| 39| 0 6| 3339| 0 8| 3839| 0 5| 39| 0 | 36| 7833| 3 6| 2339| 0 | 8839| 0 9| 394 | 0,37 4| 3539| 0 >| 3539| 0 7| 3539| 0 12| AT 2 6| 364 | 0,25 | 3339| 0 6| 3391 0 6| 2839| 0 5| 3389| 0 6| 3511| 0,12 %|1237| 3 | 21) 501] 1| 55| 967 | 3 6| 3389| 0 | 56 | 840 | 2,25 15 | 8839| 0 13272922 | 12 | 11111523 | 6 | 1391| 5 ]105 |1249 | 4,25 ? | 3399| 0 7| 8339| 0| 8| 339| 0 7| 339 339 501 8| 339 | (Sb) co Jo) SITE) fa D Sm oo © (0,0) {Sb} co Jo) [e=) 5| 8389| 0 | 39|1133| 3 | 15| 5983| 1 | 14) 6&5| 1| 14| 541| 0,87 46) 967 | 3 1102003 | 6 501 | 1 8 339| 0 80 1425| 5 [113 |2301| 8 48| 6855| 2 | 73 1085 | 3,87 12| 5253| 1 71 394 0,97 52| 9831| 2] 46! 933, 2,50 m co [db] So wo —- pr [e>) 6| 339| 0 |118|1795 | 6 | 98.1987 | 7 | 52| 745| 2 | 51, 964 2,75 pn 214 J. S. Szymanski: Tabelle 297. Bei diesen Ver- Nummer suchen fand dieletzte der Versuche Fütterung statt vor Stunden 83, 86, 87, 90, 92, 94, 95, 98 0,5 84%.88:..96, 100 SE ea, 4 89,89, 191.19. 97 09. 12 22 (Durchschnittszahl von 20—24) Durchschnittszahlen Zeit Weg - N Dek. cm Fehleı 83 967 3,14 25 514 0,99 370 0,2 N Dadurch habe ich gehofft, drei Grade von Hunger zu erreichen: volle Sättigung (die letzte Fütterung 0,5 Stunden vor dem Versuche); m ‘ 4 2 alerr; % VERTT. Fig. 55. I. Zeitkurve, II. Wegkurve, III. Fehler- kurve. (Auf der Ordinatenachse sind: in I die Zeit in Sekunden, in II der Weg in Zentimetern, in III die Fehlerzahl eingetragen. Auf der Abszissen- achse sind in sämtlichen Kurven die Stunden ein- getragen, in denen vor den diesbezüglichen Ver- suchen die letzte Fütterung stattgefunden hatte.) einen mittleren Grad von Hunger (die letzte Fütte- rung 4—4,5 Stunden vor dem Versuche) und schliesslich einen hohen Grad von Hunger (die letzte Fütterung 21 bis 24 Stunden: vor dem - Versuche). Die Tabellen 26 und 27 (Versuche 82 bis 100) und. die Kurven der Fig. 55 zeigen die Resultate. Den Betrachtungen der Tabellen und der Kurven sei nur voraus- geschiekt, dass selbst- redend der Hungergrad bzw. das Nahrungs- bedürfnis grossen indivi-' duellen Schwankungen unterworfen ist. Es müssten also trotz glei- cher Diät grosse in- dividuelle und persönliche Unterschiede beobachtet werden; dessen- ungeachtet zeieten die Durchschnittszahlen unzweideutige Resultate. Der Übersichtlichkeit wegen sind in der Tab. 27 die Versuche, vor / A Mn St u BE ee rn rn tan 6 aD » y r ; m IN { I, I X N Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 215 denen die letzte Fütterung vor gleicher Zeit (entweder 0,5 oder 4 oder 22 Stunden) stattfand, zusammengestellt. Die Kurven der Fie. 55 sind auf Grund der Zahlen der Tab. 27 aufgezeichnet. (Siehe Tab. 26 auf S. 212 u. 213 und Tab. 27 auf S. 214.) Die Versuchsergebnisse, die sich auf den Zustand der Sättigung (die letzte Fütterung 0,5 Stunden vor dem Versuche) und den des srossen Hungers (die letzte Fütterung 20—24, im Durchschnitt 22 Stunden vor dem Versuche) beziehen, sind ganz klar und be- dürfen keiner weiteren Erklärung. Denn die Ratten sind in jenem Falle vollkommen desorientiert!); im Falle des Hungers führen sie die erworbene Labyrinthreaktion regelmässig fehlerlos aus. Indessen bedürfen die Fälle, in denen die letzte Fütterung 4 Stunden vor dem Versuche stattfand, einer Auseinandersetzung. Diese Fälle können so gedeutet werden, dass bei diesen Ver- suchen einige Ratten bereits hungrig, die anderen noch gesättigt waren; deshalb reagierten die ersteren positiv, die letzteren negativ. Wenn man nun die Durehschnittszahlen von den beiden Gruppen ' berechnet, so könnten diese Zahlen den Zustand des Mittels der Er- regung vortäuschen. In diesem Falle aber bestünde kein echter Zustand des Mittels der Erregung, sondern bloss alle beiden extremen Zustände der minimalen und optimalen?) Erregung. In der Tat habe ich bei den Versuchen, die 4 Stunden nach der letzten Fütterung stattfanden, sowohl Fälle beobachtet, in denen die Ratten das Labyrinth fehler- 1) In den ersten Versuchen während des Lernvorganges (die Versuche der ersten Serie) liefen die Ratten so ziemlich in alle falschen Labyrinthgänge hinein; mit der fortschreitenden Entstehung der Labyrinthgewohnheit machten die Ratten _ in der Regel bloss einen der beiden Fehler, und zwar entweder betraten sie den falschen Gang aon (Fig. 53 III) oder den Gang 5t; alle anderen falschen Gänge zu vermeiden, haben sie bereits erlernt. In den oben erwähnten Versuchen, in denen die gesättigten Ratten vollkommen desorientiert waren, benahmen sich die Tiere nicht etwa wie im fortgeschrittenen Stadium des Lernens, sondern wie in den ersten Versuchstagen: sie betraten unregelmässig den oder jenen falschen Gang und nicht etwa bloss die Gänge aon bzw. 5t. 2) Wenn ich in diesem Falle von der optimalen Erregung spreche, so will ich damit nicht etwa sagen, dass ausschliesslich der 22sıündige Hunger (und nicht etwa schon 16- bzw. 30 stündiger) das Erregungsoptimum herbeiführe. Ich will bloss sagen, dass der Erregungszustand, der durch den 22stündigen Hunger herbeigeführt wird, bereits in den Grenzen der für die Ausführung der Labyrinthreaktion optimalen Erregung liege. 216 J. S. Szymanski: los auf dem kürzesten Wege (= 339 em) zurücklegten, also sich so wie die hungrigen Tiere benahmen (= optimale Erregung), wie auch solehe, in denen die Ratten das Labyrinth mit einem Fehler, das heisst nicht auf dem kürzesten Wege (der Weg länger als 339 em) durchliefen, also sich so wie gesättigte Tiere benahmen (minimale Erregung). Da ich soust keine anderen Anhaltspunkte hatte, um mir darüber Klarheit zu verschaffen, ob in den Fällen, in denen ich eine mittel- grosse Erregung vermutete, es sich wirklich um eine solche handelte, oder ob hier nur eine Täuschung vorlag und die Durchschnittszahlen, die eine mittelgrosse Erregung vermuten liessen, bloss durch die Addition zweier extremer Fälle gewonnen waren, analysierte ich die Geschwindiekeit der Tiere bei den diesbezüglichen Versuchen. Ich verfuhr dabei folgendermaassen: Zunächst suchte ich alle Fälle auf, in denen eine Ratte bei den Versuchen, die 4 Stunden nach der letzten Fütterung stattfanden (das vermutete Erregungsmittel), das Labyrinth auf dem kürzesten Wege (= 339 em) durchlief, also sich so wie eine hungrige Ratte benahm; für diese Fälle berechnete ich für jede Ratte die mittlere Geschwindigkeit, indem ich die Durchsehnittszahl für den Weg durch ‘die Durchsehnittszahl für die Zeit dividierte. In der gleichen Weise berechnete ich für jede Ratte die mittlere Geschwindigkeit, mit der die Ratte in den Versuchen, in denen die letzte Fütterung vor 22 Stunden stattfand (das Erregungsoptimum) das Labyrinth fehlerlos, also auf dem kürzesten Wege (339 cm) durchlaufen hatte. Auf diese Weise konnte ich die Geschwindigkeit der Ratten bei den Versuchen, bei denen das Erregungsoptimum (die letzte Fütte- rung vor 22 Stunden) festgestellt worden war, mit der Geschwindig- keit der Ratten bei den Versuchen vergleichen, in denen trotz der fehlerlosen Reaktion bloss das Mittel der Erregung vermutet worden war. Ausser der Berücksichtigung dieser Geschwindigkeiten habe ich auch die Geschwindigkeit für die Fälle berechnet, in denen die Ratten bei dem vermuteten Erregungsmedium (die letzte Fütterung vor 4 Stunden) das Labyrinth fehlerhaft, also nicht auf dem kürzesten Wege (länger als 339 em) zurücklegten, sich also wie die gesättigten Tiere benahmen (Minimum der Erregung). Diese Geschwindiekeiten habe ich mit den Geschwindigkeiten in den Versuchen verglichen, = _ Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 217 in denen der Zustand einer minimalen Erregung angenommen worden war. (Alle die Versuche, in denen die Ratte nach der letzten Fütterung vor 0,5 Stunden fehlerhaft reagierte.) Tabelle 28. I. Der Weg = 339 cm II. Der Weg länger als 339 cm ner Die letzte Fütterung vor Stunden | Die letzte Fütterung vor Stunden des Tieres vEz 4 22 0,5 4 A 28,2 43,7 ° 7,7 14,6 B 39,0 62,7 12 _ C 43,4 44,6 12,3 12,5 D 45,2 48,4 12,7 14 1 63,5 58,1 17,7 10,7 2 37,6 42,3 8,9 25,9 3 98,9 524,9 13,3 — 4 48,4 94,6 14,6 2 Die Ge- } schwindigkeit sek in \ 46,1, 50,9 11,7 15,0 Zentimetern J “In den meisten Fällen und auch im Durchschnitt waren die Geschwindiekeiten der Ratten in dem vermuteten Zustande des Er- regungsmittels einerseits grösser als die Geschwindigkeiten der gleichen Ratten im Zustaude der minimalen Erregung und andererseits geringer als die Gesehwindiekeiten der gleichen Ratten im Zustande der opti- malen Erregung. Daher ist man möglicherweise berechtigt, neben einem Minimum und Optimum vom einem Mittel der Erregung zu sprechen. Wenn ich nun kurz die Ergebnisse dieser Versuche zusammen- fasse, so komme ieh zum Schlusse, dass der 24stündige Hunger einen weitaus grösseren Wert für die fehlerlose Ausführung der fest erlernten Handlung hat als der „4stündige“ Hunger; der letztere erweist sich wiederum wirksamer als die Sättigung (die letzte Fütte- rung 0,5 Stunden vor dem Versuche); und schliesslich erschwert die Sättigung die richtige Ausführung der Handlung ganz bedeutend bzw. macht sie die richtige Ausführung der Handlung überhaupt un- möglich. Die Versuchsergebnisse haben also gezeigt, dass die Ein- wirkung des gewohnten Komplexes der äusseren Reize nicht immer genüst, um die für die Ausführung einer erlernten Handlung nötige Erregung herbeizuführen. Es müssen obendrein innere Impulse, die durch bestimmte, auch früher beim Lernvorgang wirkende Faktoren bewirkt werden, sich geltend machen, um den für die richtige Aus- 218 J. S. Szymanski: führung der erlernten Handlung nötigen Erregungszustand zu er- zeugen. Dieser Erregungszustand kann je nach Umständen variable Intensitätsgrade erreichen. Die Erregung schreitet hiermit von minimalen wahrscheinlich über mittelgrosse bis optimale Grade, so dass die erlernte Handlung je nach dem Erregungsgrad stets voll- kommener ausgeführt wird). Um zum Schluss auf die Frage über die spezifische Erregung näher einzugehen, wollte ich die voll gesättigten Versuchsratten durch irgendeinen Faktor in Erregung versetzen und dieselben in diesem Zustand das Labyrinth durchlaufen lassen. An dieser Stelle ist es unumgänglich nötig, zu betonen, dass bloss ein positives Resultat (das fehlerlose Durchlaufen des Laby- rinthes) derartiger Versuche als Beweis für das Nichtvorhandensein einer spezifischen Erregung dienen könnte. Das negative Ergebnis (das fehlerhafte Durchlaufen des Laby- rinthes) könnte höchstens die mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutung über das Vorhandensein einer spezifischen Errezung rechtfertigsen. Denn wir können bisher die durch verschiedene Faktoren herbeigeführten Erregungen quantitativ nicht miteinander - vergleichen. Um nun die Ratten, die zunächst selbstverständlich ausgiebig gefüttert waren, in den Zustand einer Erregung zu versetzen, ver- suchte ich verschiedene Mittel, und zwar Alkohol per os, Einspritzen : von Kokain bis 0,03, Einspritzen von Kampfer bis 0,2, Kolanüsse ‚per os, erhöhte Temperatur, Einatmen von Äther (Erregungstadium der Narkose), Anlegen einer Ligatur am Schwanz und Bepinseln des Schwanzes mit Salzsäure (erregende Wirkung von „Schmerz“). Während dieser Versuche liess ich die Ratten mindestens ein- mal täglich und in der gewohnten Versuchszeit das Labyrinth durch- laufen, um eine etwaige Abschwächung der Labyrinthgewohnheit durch Nichtübung zu verhindern. (Vgl. Tab. 26, Versuche 100 bis 110, 112, 114.) 1) Es sei hier eine kleine Bemerkung gestattet. Die zur Ausführung einer Handlung nötige Erregung spiegelt sich bei dem Menschen in seinem Bewusst- sein — insofern dies die Introspektion zeigt — als das Willensgefühl wider. Es entsteht die Frage, ob bei dem Menschen sich durch die quantitative Bestimmung dieser Erregung (zum Beispiel als Geschwindigkeit der Reflexe gemessen) nicht Schlüsse auf die Intensität des Willensgefühles würden ziehen lassen. i > j i % Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 219 Alle angewandten Mittel haben sich als völlig unwirksam er- wiesen: sie führten keinen merklichen Erregungszustand herbei; dabei schädisten sie nicht die Gesundheit der Ratten, insofern sich dies wenigstens durch die Beobachtung feststellen liess. (Die Ratten zeigten normales Verhalten und normale Fresslust.) ‘ Einen mehr oder weniger ausgesprochenen Erregungszustand sah ich bloss bei den Versuchsratten, selbst wenn dieselben völlig gesättist waren, ohne jegliche Anwendung äusserer bzw. innerer Mittel, in der Regel um die Zeit des Sonnenunterganges (die Ver- suche fanden in der zweiten Oktoberhälfte statt). Da ich vermutete, dass es sich hier um „die Hauptperiode der Aktivität“ ?) handelte, in der die Tiere sich trotz Sättigung in dem durch innere Faktoren bewirkten Erreguneszustand befinden, so suchte ich diesen Zustand für meine Versuche auszunützen. | Sobald ich also um diese Tageszeit eine gesteigerte Motilität bei den Versuchsratten beobachtet hatte, liess ich die Tiere, die vor- her reichlich gefüttert waren, im Labyrinthe laufen. . Wie die Ergebnisse zeigen (vgl. Tab. 26, Versuche 111, 113, 115), liefen die Ratten bei diesen Versuchsbedingungen das Laby- rinth mit vielen Fehlern durch. ' '- Dieses negative Resultat würde also für die Unentbehrlichkeit einer spezifischen Erregung ?), für die richtige Ausführung der Hand- lung bei diesen Versuchen sprechen. Bloss der Hunger könnte also die Ratten in diesen Versuchen zum fehlerlosen Durchlaufen des Labyrinthes veranlassen; die durch beliebige andere Faktoren be- wirkte Erregung wäre also im Sinne der richtigen Ausführung der Handlung unwirksam. Zusammenfassung. Wenn ich nun die Ergebnisse der Versuche an weissen Ratten kurz zusammenfassen, so möchte ich zunächst hervorheben, dass aus der Bedeutungslosiekeit eines zwangsmässigen Vortrainings für die Abkürzung des darauffolgenden Lernvorganges folgt, dass eine neue Gewohnheit nicht ausschliesslich infolge der öftermaligen Wiederholung einer Handlung entsteht, sondern obendrein dazu eine 1) Vgl. hierzu Pflüger’s Arch. Bd. 158 S.350. Leider konnte ich nicht die Ratten im Aktograph untersuchen. 2) Die spezifische Erregung liegt wahrscheinlich allen sogenannten „Trieben“ zugrunde. 220 J. S. Szymanski: aktive, durch ein vitales Interesse bewirkte Anteilnahme des Tieres unentbehrlich ist. Die Versuche, die die Bedeutung des Hungers für das richtige Durehlaufen des Labyrinthes zu bewerten bezweckten, zeigten, dass eine Einwirkung des gewohrten Komplexes der äusseren Reize bei den Ratten nicht genügt, um die für die Ausführung einer erlernten Handlung nötige Erregung herbeizuführen. ‘Es müssen obendrein innere Impulse, die durch bestimmte, auch früher beim Lern- vorgaug wirkende Faktoren bewirkt werden, sich geltend machen, um den für die richtige Ausführung der erlernten Handlung nötigen Erregungszustand zu erzeugen. Dieser Erregungszustand kann, je nach Umständen, variable Intensitätsgrade erreichen. Die Erregung schreitet hiermit von einem geringen (minimalem) wahrscheinlich über einen mittelgrossen bis stärksten (optimalen) Grad, so dass die erlernte Handlung je nach dem Erregungsgrad stets vollkommener ausgeführt werden kann. Die weitere Untersuchung führte zur Frage, ob die Erregung, die für die richtige Ausführung einer fest erlernten Handlung nötig ist, spezifisch ist, oder ob jede hiureichende Erregung die richtige Ausführung dieser Handlung herbeiführen kann. Die Ergebnisse der Versuche, die für die Eutscheidung dieser Frage ausgeführt wurden, lassen die Unentbehrlichkeit einer spezi- fischen Erregung für die richtige Ausfühnung einer erlernten Hand- lung vermuten. 7 Indessen haben die letzteren Ergebnisse keinen definitiven Wert für die Entscheidung der Frage nach der spezifischen Erregung. III. Allgemeine Betrachtungen über das Verhalten der Tiere. 1. Körperstellungen als Ausdruck innerer Zustände der Tiere. Die Körperstellungen, die die Tiere einzunehmen pflegen, spiegeln in anschaulicher, leicht erkennbarer Weise den inneren Zustand des Organismus wider; denn wie die alltägliche Beobachtung zeigt, besteht ein Zusammenhang zwischen Körperhaltung und Innenstimmung etwa der Art, dass beide Erscheinungen parallel verlaufen und uns einen Einblick in das Innenleben des Organismus gewähren. Es wäre a priori zu erwarten, dass bei relativ geringem Umfang der tierischen Interessensphäre auch die körperlichen Äusserungen a > ne na, Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 221 der inneren Regungen sieh nicht allzu mannigfaltig gestalten würden. In der Tat ist die uns- hier interessierende Forın dieser Äusserungen, die Arten der Körperstellungen, nicht zahlreich. Ich glaube, dass, wenn wir die übliche Klassifikation der Körperstellungen, und zwar Ruhe-, Schlaf- und Bereitschaftsstellung, beibehalten, wir die Haupt- formen ziemlich erschöpfen. Was ich hier beabsichtige, ist ein Ver- such, diese verschiedenen Typen der Körperstellungen unter einem einheitlichen Gesichtspunkte aufzufassen. Es scheint mir nämlich, dass sämtliche, scheinbar ganz hetero- gene Körperstellungen sich einheitlich auffassen liessen, wenn wir den Besriff der Aufmerksamkeit unseren Betrachtungen zu Grunde lesen und all die Körperstellungen als Ausdruck für verschiedene Stufen der Aufmerksamkeitsspaunung betrachten. Der Begriff der Aufmerksamkeit bedarf hier einer Klärung. Wir haben uns gewöhnt, diesen Begriff mehr oder weniger rein psychologisch zu betrachten. Dies ist nicht ganz richtig. Denn wir begeenen einer, in ihren Äusserungen der Aufmerksamkeit gleichen Fähiekeit selbst bei den niederen Tieren, von deren psychischer Entwicklung wir kein annähernd richtiges Urteil fällen können. Die Aufmerksaınkeit scheint demnach eine weit verbreitete Fähigkeit im Tierreiche darzustellen, und ich glaube, behaupten zu dürfen, dass sie ebenso tief wie die Fähigkeit des Gedächtnisses im Tierreiche herabreicht. Wir müssen allerdings den Begriff der Aufmerksamkeit weiter fassen und eine biologische Definition dieser überaus wichtigen, ja für das Fortbestehen und Gedeihen des Organismus beinahe un- entbehrlichen Fähigkeit zu geben versuchen. Die Aufmerksamkeit, im weitesten Sinne des Wortes, wäre die Fähigkeit einer derartigen, kürzere oder längere Zeit andauernden Einstellung der rezeptorischen Sphäre, dass bloss ein bestimmter Reizkomplex ganz besonders intensiv rezipiert werden könnte, Oder es lässt sich mit anderen Worten die Aufmerksamkeit kurz als die Fähiekeit des Beharrens im einseitig bestimmten, intensiven Rezipieren bezeichnen. Durch diese Fähigkeit des Beharrens im einseitigen Rezipieren wird das darauffolgende Auslösen der motorischen Reaktion in einer bestimmten Richtung begünstigt. Danach besteht die biologische Bedeutung der Aufmerksamkeit in der Vorbereitung zur prompten Ausführung der Handlung, was eben \ 222 J. S. Szymanski: durch eine einseitige Einengung der Rezeptionssphäre und durch das Unterdrücken der störenden bzw. voreiligen Bewegungen ereicht wird. Der Mechanismus des Vorganges der Aufmerksamkeit stellt eine echte „zirkuläre Reaktion“ (etwa im Sinne Balwin’s) dar; denn die Reizeinwirkung ruft die entsprechende Einstellung des Organismus zwecks einer genaueren Rezeptionsmöglichkeit hervor. Diese letztere bewirkt aber die noch intensivere Reizrezeption, was wiederum die für die Reizrezeption günstige Körperstellung weiterhin aufrecht- erhält usw. Durch die Auffassung des Aufmerksamkeitsvorganges als einer Art der zirkulären Reaktion lässt sich das bezeichnendste Merkmal der' Aufmerksamkeit, und zwar das kürzer oder länger währende Ausharren in einer einseitigen Einstellung der rezeptorischen Sphäre,. wohl erklären. Der zirkuläre Charakter des Mechanismus der Aufmerksamkeit . bringt es schliesslich mit sich, dass geringe Abänderungen in Reiz- qualität bzw. Reizintensität die Spannung der Aufmerksamkeit fördern; hingegen setzt die lange Zeit währende Eintönigkeit des Reizes die Aufmerksamkeitsspannung herab. Darin liegt die Ursache, warum die ihren Platz im Bam stets wechselnden Reizquellen zunächst befähigt sind, die Aufmerksamkeit der Tiere besonders zu fesseln. Ja, es eibt Fälle, in denen ausschliesslich die Bewegung eines Objektes die Aufmerksamkeit. gespannt zu erhalten vermag. Diese Fälle lassen sich vielleicht als Beispiele der elementarsten . Aufmerksamkeit auffassen (zum Beispiel wird wie bekannt, die Auf- merksamkeit eines Frosches bloss durch eine sich bewegende Beute aneespornt). Die Auffassung des Me isnus der Aufmerksamkeit als einer zirkulären Reaktion hat ihre Berechtigung, insofern die Aufmerksamkeit durch eigen, längere Zeit einwirkenden Reiz gespannt erhalten wird. Wenn aber die Aufmerksamkeitsspannung durch einen plötzlich auftretenden und bloss ganz kurze Zeit einwirkenden Reiz bewirkt wird, so lässt sich der Mechanismus der Aufmerksamkeit in diesen Fällen auf die Nachwirkung des Reizes zurückführen. Um nun auf die Körperstellungen zurückzukommen, lassen sich diese einheitlich als der äussere Ausdruck für die verschiedenen Grade der Aufmerksamkeitsspannung erachten. Die in einem bestimmten Zeitabschnitte auftretende Aufmerk- samkeitsspannung, die durch den Inhalt des derzeitigen Rezeptions- \ 223 Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. (Huydr0zedyuadq "H Uloneıg uoA ange dep yoeN) -BUNTJOIESHLUISNELET Z "ru SIq G gay “Sunpjsgspegyds 8. pun , ‘9 'gqv “Sunjfogsayguy G "yur sıq I "qqV „-'sogosoajqner] Sop_uasunjjoysaadıoyy "06 A, 21 ° IS SR = X se“ L °99 "14 Ey, el 2234 JE SE Szymanski: feldes bei entsprechendem inneren Zustand des Organismus bewirkt wird, beeinflusst die allgemeine Frregbarkeit des Nervensystems und ruft Veränderungen in der effektorischen Sphäre hervor. Alle diese Vorgänge und Veränderungen finden ihren objektiven Ausdruck in den Körperstellungen, die eiu Tier einnimmt. Wenn ich nun diese letztere etwas genauer analysieren möchte, so muss ich die Bemerkung vorausschicken, dass es verschiedene Ruhe-, Schlaf- und Bereitschaftsstellungen nicht nur bei den Individuen verschiedener Tierklassen, sondern auch bei gleichen Individuen in verschiedenen Zeitabschnitten gibt. Allerdings weist jede Art der Körperstellung einige für die gleiche Kategorie charakteristischen Züge auf, durch welche sie gleich erkannt werden kann (Fig. 56). Wenn ich mich nun zunächst den Bereitschaftstellungeu zuwende, so möchte ich unter diesem Kollektivnamen alle jene Stellungen zu- sammenfassen, welche ein sich zum Handeln anschiekender Organis- mus einnimmt. Ich fasse demnach den Begriff der Bereitschafts- stellung etwas weiter wie Doflein, der die letztere folgender- maassen definiert: „Sehr viele Tiere nehmen bei drohender Gefahr bestimmte Stellungen ein. Wir können dieselben als Bereitschafts- stellungen bezeichnen; denn je nach den betreffenden Tierarten stellen sie eine Vorbereitung zur Flucht oder zur Verteidigung dar“ SR Da aber die tierischen Handlungen meistens eben in Flucht, Verteidigung bzw. Angriff bestehen, so weichen beide Definitionen nieht weit voneinander ab?). Daraus ergibt sich die weitere Unterteilung der Bereitschafts- stellungen in einzelne Kategorien. Es lassen sich nämlich drei Gruppen trennen, und zwar ins. bereitschaftsstellung, Defensivbereitschaftsstellung und Fluchtbereit- schaftsstellung. Die beiden ersten Gruppen zeigen viel Gemeinsames, und meistens kommt es auf die Tierarten an, ob eine Bereitschafts- stellung als Offensive oder Defensive zu betrachten ist. Die Bereitschaftsstellung der Raubtiere ist meistens offensiv, die der Pflanzenfresser defensivv. Für die letzteren, und namentlich 1) F. Doflein, Das Tier als Glied des Naturganzen 8. 371. 1914. 2) In der jüngst erschienenen Arbeit von Doflein lese ich den folgenden, die obige Vermutung bekräftigenden Satz: „Wie er (Ameisenlöwe) sich dann’in Bereitschaftsstellung befiudet, so ist sein Nervensystem zu sehr prompten Reflex- reaktionen vollkommen bereit.“ (Doflein, Der Ameisenlöwe S. 33. 1916.) je Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 225 für die euten Läufer bzw. Flieger, ist allerdings die Fluchtbereitschafts- stellung am häufigsten zu beobachten. Um nun bloss ein Beispiel anzuführen, das beinahe m schema- tischer Form geeignet wäre, einen Unterschied zwischen den Bereit- schaftsstellungen eines Fleisch- (bzw. Blutsaugers) und Pflanzenfressers zu zeigen, möchte ich auf die Bereitschaftsstellung der Fliegen hin- weisen. Fig. 57. Bereitschaftsstellungen der Fliege. Abb. 1: Ruhestellung; Abb. 2: Bereit- schaftsstellung (Hausfliege, Sarcophaga Sp., Lucilla); Abb. 3: Raubfliege (Asilide : Labria Gibbossa ZL.) auf einem Pfahl auf Beute lauernd. «ab bedeutet in sämt- lichen Abbildungen die Körperlängsachse. Abb. 1 und 2: Orginal; Abb. 3: Nach Dotlein (Das Tier als Glied des Naturganzen Fig. 194. 1914, vereinfacht und durch das Eintragen der Körperlängsachse vervollständigt). Die angriffslustigen räuberischen Asilidae liegen auf der Lauer mit nach vorn, d. h. in der Richtung nach der zu erwartenden Beute geneisten Körperlängsachse, bereit, sich auf das unten vor- übergehende Beutetier, also nach abwärts, zu stürzen. Die nicht räuberischen Fliegen (Hausfliege, Sarcophaga Sp.‘, Lucilla Sp.) verhalten sich anders. Wenn sie zum Beispiel durch eine leise Handbewegung in ihrer Ruhe gestört werden, richten sie sich durch eine plötzliche ruckweise Bewegung auf, so dass die Körperlängsachse einen nach vorn offenen, spitzen Winkel mit der Unterlage bildet. Diese Fluchtbereitschafts- stellung beeünstigt aber das bei einer weiteren Reizung auftretende Abfliegen nach aufwärts in hohem Grade (Fig. 57). Der Umfang des Begriffes der Offensivbereitschaftsstellungen ist ziemlich weit; ich zähle hierher die folgenden Stellungen: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 6; 15 226 J. S. Szymanski: 1. „auf der Lauer liegen“ der Räubertiere [zum Beispiel Raub- fliege, Gottesanbeterin, Laubfrosch, Ziesel !)]; 2. „zur Verfoleung fertig“ der jagenden Räuber (Hund, Gold- adler, Schakal); 3. Balzstellung (Springspinnen, die Spinne Galeodes orientalis, Argusfasan, Glanzhuber, Grosstrappe, Waldschnepfen, Kaukasus- hirsch); 4. Stellune, die die auf Futter wartenden Nestlinge einnehmen (= Schnabel-Aufsperren) (Grünhänflinge, Pirole, Schwarzamsel, Singdrossel). Unter dem allgemeinen Begriff der Defensivbereitschaftsstellung fasse ich zusammen: 1. Trotz- bzw. Schreckstellung (,„Pseudoverteidigungsstellung“, „Stellung, als ob der Aneriff folgen sollte“) (Afterraupe Arge ustulata, Buchenspinnerlarve, Raupe von Harpya vinulae, Raupe von Notodonta Sp., Imago von Abendpfauenauge, Imago von Aretia caja, Rohrdommel); - echte Verteidigungs- bzw. Abwehrstellung (die Ameise Ocoe- phylla smaragdina, Skorpion, Varanus, die Schlange Naja haje, Hüttenuhu, Feldmaus, Hausratte, Feldhase, Hamster); 3. Sieh-Ducken der jungen Vögel und Säugetiere (Auerhuhn, Bekassine, Kiebitz, Scherenschnabel, Kitzbock, Rothirschkalb); 4. Sich-tot-stellen (viele Insekten, Unke?), Gabelweihe, Opossum). ID Schliesslich möchte ich als Beispiele der Fluchtbereitschaftsstellung anführen: Nicht räuberische Fliegen, Sinzdrossel, Gemse, Giraffen- sazelle, Zebra. Alle Formen der Bereitschaftsstellung unterscheiden sich in den Einzelheiten, selbst bei den Individuen der gleichen Art, nicht unerheblich voneinander, wie dies zum Beispiel ein Blick auf die Abb. 9 bis inkl. 22 der Fig. 56 lehren kann. 1): Vgl. den Anhang, in dem ich eine Liste der Tiere, von deren verschiedenen Stellungen uns gute Abbildungen, meist Momentaufnahmen, vorliegen, und ein Verzeichnis der Werke, in denen diese Abbildungen zu finden sind, zusammengestellt habe. Die oben zitierten und die noch anzuführenden Beispiele (mit Ausnahme vom Hund) beziehen sich auf diese Listen, so dass für jedes im Text erwähnte Tier in einem der aufgezählten Werke eine Abbildung der entsprechenden Stellung gegeben ist. 2) Die Abbildung der auf dem Rücken in Bereitschaftsstellung liegenden Unke befindet sich in der neuesten Auflage von Brehm’s Tierleben. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 297 Es scheint dabei eine Abhängigkeit zwischen der Stellung’ der Tierart im zoologischen System und der mehr oder weniger aus- gesprochenen Gleichartigkeit der Körperstellungen zu bestehen, und zwar kann als allgemeine Regel gelten, dass, je tiefer ein Tier im zoologischen System steht, desto gleichförmiger die Bereitschafts- stellung ist, die die verschiedenen Individuen gleicher Art einzunehmen pflegen. Als Beispiele möchte ich einerseits die Stellungen der Laubfrösche, die sich anschieken, eine Fliege zu erhaschen (vgl. auch Fig. 56), andererseits die „Schreckstellung“ der Raupen, zum Beispiel der Afterraupen von Arge ustulata, von deren Bereitschaftsstellung ich in einer früheren Arbeit!) eine Momentaufnahme gegeben habe, anführen. Was die scheinbar heterogenen Körperstellungen bei deu höheren ‘Tieren trotz ihrer äusseren Verschiedenheiten zur einheitlichen Kat- esorie der Bereitschaftsstellungen zusammenzufassen gestattet, ist der hohe Grad der Aufmerksamkeitsspannung, die ihnen allen einen gemeinsamer Zug verleiht. Diese plötzlich auftretende und kürzer oder länger währende Aufmerksamkeitsspannung hängt mit einer ganzen Reihe von Ver- änderungen zusammen, die den Verlauf der inneren Vorgänge im Organismus aufweisen. Alle diese Veränderungen werden durch - einen plötzlich auf die Rezeptionssphäre des Tieres einzuwirken be- sinnenden Reizkomplex, der für dasselbe von hohem, vitalen Inter- ‚esse ist, ausgelöst. | er Die bisher mehr oder weniger leere rezeptorische Sphäre wird plötzlich erfüllt und durch einen bestimmten Reizkomplex beherrscht; deren Aufnahmefähigkeit wird einseitig stark gesteigert; deren Auf- nahmepforten (diesbezügliche Sinnesorgane) werden der Reizeinwirkung, besonders zugänglich gemacht. Die Reizung der Sinnesorgane pflanzt sich auf dem Wege des Reflexbogens auf die effektorische Sphäre fort: das Tier nimmt eine Stellung ein, die gleichzeitig eine weitere Rezeption des Reizes und die noch auszuführende motorische Reaktion begünstigt; dies findet seinen physiologisch-anatomischen Ausdruck im grossen und ganzen darin, dass die Innervation der Strecker über die der Beuger prä- valiert. _ | Dazu kommt schliesslich die bedeutende Erhöhung der Erreg- 1) Zur Analyse der sozialen Instinkte. Biol. Zentralbl. Bd. 33 Fig. 3. 15 * 228 J. S. Szymanski: barkeit!) des Nervensystems, was zur Folge hat, dass jetzt die blosse Fortdauer der Reizwirkung bzw. geringe Steigerung der Reizintensität die Auslösung der motorischen Reaktion nach sich zieht. Das Zusammenwirken und das gleichzeitige Auftreten aller dieser Vorgänge macht die Einheitlichkeit der scheinbar heterogenen Körper- stellung aus und erlaubt uns, dieselbe unter der gemeinsamen Kat- egorie der Bereitschaftsstellungen zusammenzufassen. | Wie soeben erwähnt, bewirkt die erhöhte Erregbarkeit des Nervensystems das auf die Bereitschaftsstellung folgende Auftreten der motorischen Reaktion. Dies gilt für die meisten Fälle, indessen nieht für alle. Denn wir kennen Fälle, in denen auf die Bereit- schaftsstellung keine motorische Reaktion folgt, und eine etwaige Zunahme der Reizintensität bewirkt ein noch beharrlicheres Aus- harren in der einmal, eingenommenen Bereitschaftsstellung (die Fälle der Trotz-Stellung, des Sich-Duckens und des Sich-tot-Stellens). In diesen Fällen müssen wir annehmen, dass die Erregbarkeits- steigerung sich hauptsächlich auf die Hemmungszentren beschränkt. Die gleichen Eigenschaften besitzt weiter das Nervensystem jener Tiere, die entweder eine festsitzende Lebensweise führen (Polypen, Seerosen, viele Seewürmer usw.), oder die mit einem schützenden Panzer versehen sind (viele Schnecken, Einsiedlerkrebse, Icel, Gürteltiere usw.). Bei diesen Tieren ist es öfters unmöglich, die Bereitschafts- von der Schlafstellung auseinanderzuhalten [zum Beispiel Weinbergschnecke] ?). Die Gegensätze berühren sich hier eng und verwischen völlig die Grenze. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Tiere bleibt allerdings diese Grenze scharf aus- gesprochen und leicht erkennbar. Wenn ich nun die Stellungen, die einen Gegensatz zur Bereit- schaftsstellung darstellen, allgemein charakterisieren soll, so möchte ich als das sich uns objektiv darbietende Merkmal, wodurch sich * 1) Den Begriff der Erregbarkeit fasse ich etwa im Sinne der Verworn- schen Schule auf als „die Fähigkeit einer lebendigen Substanz, auf Reize mit einer Beschleunigung ihrer Lebensvorgänge zu reagieren“. (Vgl. Fröhlich, -Physiologie des Nervensystems im Handb. d. Naturw. Bd. 7.) 2) Vgl. auch hierzu die folgende Stelle in Doflein, 1. c.: „Die meisten Huftiere schlafen im Liegen, wenn auch viele von ihnen, wie zum Beispiel Pferde und Antilopen, im Stehen zu schlafen vermögen. Sie tun dies vor allem in offener Steppe, wenn, Gefahren drohen, indem sie sozusagen in Bereitschaftsstellung schlafen“ (S. 394). Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 2239 alle Schlafstellungen auszeichnen, die negative Einstellung der Auf- merksamkeit gegen die Einwirkung der Reize erachten. Das Zustandekommen der Schlafstellung lässt sich etwa folgender- maassen darstellen: Der innere Zustand des Organismus (Ermüdung) bewirkt die Herabsetzung der Erregbarkeit des Nervensystems, was ein tiefes Sinken der Aufnahmefähigkeit der rezeptorischen Sphäre zur Folge hat. Dies löst auf reflektorischem Wese einerseits die Reaktion der Schutzvorrichtungen für die Rezeptionsorgane aus, um das Rezeptions- feld leer zu halten, andererseits eine derartige Reaktion der Effek- toren, dass die Oberfläche des nunmehr wärmebedürftigen Organismus auf die geringste Dimension reduziert wird [Sich-Zusammenkauern, - d. h. Kugelformeinnehmen, der Säugetiere, Vögel; vgl. auch Fig. 56 Abb. 6, 7, 8]?). Diese letztere Reaktion lässt sich in der anatomisch-physiolo- gischen Redeweise . derart ausdrücken, dass die Innervation der Beuger über die der Strecker prävaliert. Insbesondere verdient der Schutz Beachtung, den die Tiere in der Schlafstellung ihren Sinnes- ‘organen angedeihen lassen. Hierbei ist zu bemerken, dass, insofern sich dies auf Grund der bisherigen Beobachtungen feststellen lässt, das Tier insbesondere jenes Sinnesorgan schützt, das für dasselbe im Wachleben die bedeutendste vitale Rolle spielt. Demnach würde das Augetier zunächst die Augen, das osmatische Tier die Nase dem Zugang äusserer Reize durch sorgfältigen Schutz entziehen. ‚Den Beweis dafür, dass dem so ist, können die Schlafstellungen der Vögel [zum Beispiel Sturmmöwe, Storch, Flamingo]?) und vieler Säucetiere [zum Beispiel Siebenschläfer, Haselmaus, Hufeisennase, Itis, Graufuchs, Potto]?) dienen. Als weiteres Beispiel für dieselbe Regel können die Schlafstellungen vieler Schmetterlinge angeführt werden. Die Schlafstellungen vieler Vertreter dieser Tierfamilie werden nämlich dadurch gekennzeichnet, dass sie die Antennen, 1 durch Zurücklegen auf die Körperseite vor der Einwirkung der 1) Vgl. hierzu auch Doflein, I. c. S. S94 ff. In bezug auf die Schlaf- stellung der Laubfrösche ist folgende Stelle von Wichtigkeit: „Amphibien und Reptilien, welche durch Schutzfärbungen ausgezeichnet sind, also z. B. Laub- frösche usw., schlafen, dicht an die Unterlage angeschmiegt, oft mit abgespreizten Extremitäten und nützen in dieser Weise ihre Schutzfärbung in vollkommener Weise aus“ (S. 394). 2) Vgl. den Anhang. “ 230 ES Szymanski: äusseren Reize tunlichst schützen [Pappelschwärmer, Totenkopf- schwärmer, Achateule, Ligusterschwärmer, eine Uranide, grosser Gabelschwanz!), Boarmia consortaria (nach meiner Beobachtung). Dieser Schutz der Antennen hat sich in einem Falle, den es mir zu beobachten gelungen ist, bis zur Ausbildung eines ‚hesonders wirksamen Verschlusses, sozusagen zur Bildung eines „Antennen- lides“ , entwickelt. Bei Scoliopteryx libatrix hat sich näinlich eine Art von Scheide gebildet, um dem Geruchsorgan, der Antenne, während des Schlafes Schutz zu gewähren. In der Wach- bzw. Ruhestellung hält dieser Nachtschmetter- line die Antennen hoch aufgerichtet. (Fie. 58 Abb. 1.) Anders verhält sich das Tier in der Schlafstellung, die es bei Tage einnimmt, nach- dem es sich auf der Baum- rinde niedergelassen hat. Die Antennen werden nach hinten Fig. 58. Antennenverschluss („Antennenlid“) und unten zurückgezogen ; sie von Scoliopteryx libatrix. Abb. 1: Lage legen sich in präformierte der Antennen während der Wach- bzw. Kanzlei ; sc Ruheperiode; Abb. 2: Lage der Antennen Kanäle, die beiderseits durch während der Schlafperiode. (Der Flügel ist die Rumpfseite und die hoch- etwas gehoben dargestellt, um die Lage der ar a Antennen hinter dem Beingelenk zu zeigen; ragenden Tibien der Mittel- ir normalen Stellung decken He Flug heine: gebildet werden; alk Bedächung der Kanäle dienen die Flügel, die die hinteren zwei Drittel der Antennen zudecken. (Fig. 58 Abb. 2.) In diesem Zusammenhang möchte ich schliesslich noch die Schlaf- stellung der Küchenschaben erwähnen. Diese Stellung wird dadurch gekennzeichnet, dass die Kopflängsachse parallel der Rumpflängsachse und unten zu liegen kommt. (Fig. 59 Abb. 1.) Zur Aufnahme des Kopfabschnittes dient die Aushöhlung im Unterteil der Vorderbrust; in dieser Aushöhlung liegt der Kopf mit ber Vorderfläche nach unten, so dass er vor der Einwirkung der Aussenreize geschützt wird. In der Ruhestellung bzw. beim Gehen steht die-Kopflängsachse senkrecht zur Körperlängsachse. (Fig. 59 Abb. 2.) Bei diesen allgemeinen Betrachtungen über die Schlafstellungen möchte ich das Eingehen auf Einzelfälle vermeiden. Indessen darf 1) Vgl. den Anhang. ! Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 231 ich nicht einen besonderen Fall wegen seiner Eigentümlichkeiten unerwähnt lassen; und dies sind die Schlafstellungen mancher In- sektenfawilien und insbesondere der Hymenopteren !). Dieselben sind ‘noch nicht in allen Einzelheiten klargelest; jedoch das, was wir darüber wissen, bietet recht viel Interessantes und Merkwürdiges. Bei der typischen Schlafstellung der Hymenopteren pflegen sich die Tiere an Zweigen u. del. vermittels der Mandibeln festzuhalten, wobei der Körper entweder in der Luft ausgestreckt werden oder auf einer Unterlage ruhen kann. Dabei befinden sich die Tiere nach Fiebrie in einer Art von Erstarrung. Der letztgenannte Forscher SAUBUR, Fig. 59. Körperstellungen der Küchenschaben. Abb. 1: Schlafstellung; Abb. 2: Wachstellung. versuchte die verschiedenen Formen der Stellungen, in denen schlafende Insekten beobachtet wurden, etwa folgendermaassen einzuteilen: 1. Vollstarre: Festgebissen; Beine (und Flügel) meist am Körper gestreckt; nur mit den Mandiveln den Stützpunkt berührend. 2. Mandibularstarre: Festgebissen, Beine ruhend auf dem Stütz- objekt, Körper meist gesreckt. 3. Keine Mandibularstarre: Regungslose, von der normalen Ruhe- stellung unwesentlich oder anscheinend gar nicht abweichende Stellung (l. e. 8. 355— 864). Wie dies also Fiebrie u. a. zu zeigen vermochten, unterscheidet sich bei vielen Insekten die Schlaf- von der Ruhestellung gar nicht. Oben waren wir imstande, die Fälle anzuführen, in denen auch die Be- reitschaftsstellung von der Ruhestellung kaum zu unterscheiden sei. Die Ruhestellung ist also ein Mittelding zwischen beiden anderen Formen der Körperhaltung. Zu deren Betrachtung gehe ich jetzt über?). 1) Vel. hierzu insbesondere Fiebrig, Schlafende Insekten. Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturwissensch. Bd. 48. 1912; dann Reuter, Lebensgewohn- heiten und Instinkte der Insekten S.6. 1913. 2) Zur Kategorie der Ruhestellungen bzw. Schlafstellungen gehört wohi die Er- müdungsstellung der Goldfische, die ich vor kurzem beobachtete (s. 0. die Abhandlung „Über den Werdegang der rezeptorisch-motorischen Gewohnheiten“). Sehr schöne Schlafstellungen der Fische hat bereits F. Werner beobachtet (vgl. F. Werner, Über die Schlafstellungen der Fische. Biol. Zentralbl. Bd. 31 S. 41. 1911). 232 J. S. Szymanski: Für die Ruhestellung ist in erster Linie die indifferente Ein- stellung der Aufmerksamkeit gegen wirkende Reize charakteristisch. Die Erregbarkeit des Nervensystems bleibt mittelmässig, das Re- zeptionsfeld ziemlich leer, die Aufnahmefähigkeit der Rezeptionssphäre weder gesteigert noch übermässig gesunken. Demgemäss lassen sich auch in der effektorischen Sphäre keine Erregungserscheinungen beobaehten; kein merkliches Prävalieren in der Innervation von dieser oder jener Muskelgruppe (Beuger und Strecker) lässt sich wahrnehmen (vel. Fig. 56 Abb. 1 bis inkl. 5, weitere Beispiele siehe den Anhang, die Rubrik „Ruhestellung‘“). Die Ruhestellung kann bei Einwirkung eines Reizes von be- stimmter Qualität bzw. Modalität und von genügender Intensität direkt in die Aktivität übergehen. (Putzreflexe, Nahrungsaufnahme usw.) Wenn aber der Reiz von der Intensität, die für die unmittelbare Auslösung der motorischen Reaktion zu gering wäre, eingewirkt hat, kann auf die Ruhestellung die Bereitschaftsstellung folgen. Es scheint weiter die Behauptung gerechtfertigt zu sein — in- sofern sich dies durch einfache Beobachtung feststellen lässt —, dass das Tier in der Ruhestellung auf den gleichen Reiz mit der Annahme der Bereitschaftsstellung — im Zustande der Bereitschaftsstellung — mit Ausführen der Handlung reagiert. Wenn wir zum Beispiel an einer ruhenden Fliege (Hausfliege, Lueilla, Sarcophaga usw.) leise die Hand vorbeifahren lassen, nimmt das Tier die Bereitschaftsstellung ein. Wenn wir nun die Hand- bewegung wiederholen, fliegt die Fliege fort. Diese kurze Betrachtung der Körperstellungen, die ich unter Zugrundelegung des Aufmerksamkeitsbegriffes unternommen habe, gestatten uns die einheitliche Auffassung dieser Erscheinungen. Ich möchte die gewonnenen Resultate in der nachfolgenden Tabelle zu- sammenfassen: Tabelle 29. [ Allgemeiner Körper- |Aufmerksam- | Zustand ‘ Rezeptorische Effektorische stellung | keitssphäre | des Nerven- | Sphäre . Sphäre systems Schlaf- |Negative Ein-|Herabgesetzte| Das Rezeptionsteld leer; | Die Innervation stellung. [stellung gegen| Erregbarkeit.| die Aufnahmefähigkeit | der Beuger wirkende tief herabgesetzt; die prävaliert Reize. Rezeptionsorgane vor | über die der der Reizeinwirkung tun- Strecker lichst geschützt. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 233 Tabelle 29 (Fortsetzung). Allgemeiner Körper- |Aufmerksam- | Zustand Rezeptorische Effektorische stellung | keitssphäre | des Nerven- Sphäre Sphäre systems Ruhe- Indifferente |Mittelmässige| Das Rezeptionsfeld | Kein merkliches stellung. | Einstellung | Erregbarkeit.| leer; mittelmässige | Prävalieren in gegen Aufnahmefähigkeit; | der Innervation wirkende die indifferente Ein- dieser oder Reize. stellung der Rezep- | jener Muskel- tionsorgane. gruppe (Beuger | und Strecker). | | | | Bereit- |Positive Ein-| Erhöhte Er- | Das Rezeptionsfeld | Die Innervation schafts- |stellunggegen| regbarkeit. | durch einen bestimm- | der Strecker stellung. | wirkende ten Reizkomplex be- | prävaliert über Reize. herrscht; die Auf- | die der Beuger. nahmefähigkeit ein- seitig stark gesteigert; die Rezeptionsorgane zur tunlichst scharfen Reizrezeption ein- | gestellt. Diese Resultate sind das Produkt der reinen Beobachtung. Ein experimentelles Nachprüfen derselben wurde bisher nicht durchgeführt. Mit dem Gedanken eben, den Grund für ein experimentelles Eingreifen in diese Frage durch die präzise Formulierung der Probleme zu ebnen und vorzubereiten, habe ich diese kurze Arbeit verfasst. Denn, wie ich glaube, können die verschiedenen Arten von Körperstellungen als brauchbarer objektiver Indikator für die experimentellen ver- gleichenden Untersuchungen über die Aufmerksamkeit dienen. Anhang. Ich gebe hier eine Liste der Tiere, von deren verschiedenen Stellungen (siehe Überschrift der einzelnen Rubriken) uns gute Ab- bildungen, meist Momentaufnahmen, vorliegen. Auf diese Liste der Tiere folet das Verzeichnis der Werke, in welcher diese Abbildungen zu finden sind. In der Liste der Tiere folgt auf jeden Tiernamen eine römische Zahl, die sich auf das Werk im Verzeichnisse bezieht. Die eventuell darauffolgende zweite römische Zahl bedeutet den Band; die arabische Zahl zeigt die Seitenzahl an. Zum Beispiel die in der Rubrik „Bereitschaftsstellungen“ sich be- findenden Worte und Zahlen: „Grosse Rohrdommel VII, VI 263“ be- deuten, dass sich eine Abbildung von der Bereitschaftsstellung dieses Vogels im Werke von Meerwarth und Soffel, Lebensbilder aus der Tierwelt (siehe Literaturverzeichnis), im sechsten Bande auf der Seite 263 befindet. RR 234 J. S. Szymanski: Tabelle 30. Liste der Tiere. Ruhestellung generieren | weine Parthenope investigatoris X, 92. Actea flosculata X, 9. Galavantha investigatoris X, 258. Polycheles miersii X, 272. Ein Krebs XI. Admiral XXVI, VIL, T. 5. Lindenschwärmer XXVII, VL, Ta. Nonne XXVI, VII, T. 9. Anopheles I, 196. Schlatkrankheitsfliege I, 196. Uraniide II, 355. Blattschmetterling IH, I], 186 und XIX. Spinne aus der Familie Thomisidae IV, 64. Schlammfliege XXVIL, VII, T. 16b. Blaue Libelle XXVII, VII, lt. Köcherfliege XXVH, VI, 1.18. Amphibien. Laubfrosch s. unten Text. im Reptilien. Schlangenhalsschildkröte V, VII, 617. Ringelnatter VI, 37 und XVII, 65. Glatte Natter VI, 158. Vögel. Mäusebussard V, IIl, 303. Baumfalke VII, VI, 111. - Fischreiher VIT, v, 979, 574. Gänsegeier VII, V, 368. Hüttenuhu VII, vl, Sul -Silbermöwen VII, -103. Papageitaucher vl, V, 602. Tordalke VII, V, 602. Pelikan VII, v1, "207. Segler VII, "v1, 123. Kormoran vn, V, 181. Rauchschwalbe vl, V, 249, 5 Utferschwalbe VII, VI, 134. Flamingo VII, IV, am. Bereitschaftsstellung Weichtiere. Krake XXVI, I, 164. Gliedertiere. Ital. Süsswasserkrabbe ’ I, 373. Winterkrabben XXVI, II, 102. Plastocrangon coeca X, 262. Gottesanbeterin I, 394 und XXVI, 1,30. Raubfliege A 194. Eine Fliege s. Text oben. Arge ustulata XII. Oecophyllasmaragdina(eine Ameise) I, 395 und IX, 484. Arctia caja XII, 217. Buchenspinner XIV, 132 Harpyja vinulae V, IX, 430 und XXV, 112. Podalirius XV. Abendpfauenauge I, 375. Notodonta zigzacX XV, 112. Galeoldes orientalıs (eine Spinne) I, 504. Springspinne I, 510, 511. Skorpion V, IX, 680. Ameisenlöwe(Larve)X XIX, 31. Chaerocampa elpenor (Lar- ve) XXIV, 148. Staphylınus XXVI, 111, 175. Fische. Angler (Seeteufel) XXVI, 89. ” Amphibien. Feuersalamander V, VII, 745 und XVII, 62. Laubfrosch s. Text oben. Unke XXVI, Il, 384. Reptilien. Meerechse I, 33. Varanus XVI. Uräussehlange V, 367. Streifennatter V, "301. Cobra XXVI, IL, Do Naja haje XVIl. Kragenechse XXV], II, 373. Bartechse a I, 128. Schlafstellung Gliedertiere. Achateule VIII, 75. Ligusterschwärmer VIH, Totenschwärmer YIII, 100. anne 2 vi, 4. Lycaena XX, 138 und 133. Scoliopteryx libatıix s. Text oben. Blattähnliche Lepidoptere II, 7. Dipteren 1. Ichneumonide 11. Lepidopterenlarve II. Melissophila Fıebrigi II. Prodiscoelis Fiebrigi 11. Odyverws Sp. 11. Pachodynerus II, Tetrapedia diabolica N. Discoelius hilarianus II. Thynuide 1. Dianthidium I. Discoelins auritulus II. Uraniide 11. Spinnende Locustide Il. Phasmide II. 5 Olavisia Sp. 1. Myrmeleonide I. Rhbipiphoride 11. Spilothymmus Sp. IL Ammophila Sp. Il. Bienevarten 1. Megachile Sp. I. Centris Sp. II. Colletes 8. II. Angochlora Sp. I. Bombylidae Il. Polistes Sp. II. Cerambyeidae II. Pieris napi XXVIL, VI, T. 4 Asilide II. Coelioxys Sp. 1. Rhynchote 11. Anthidium 1. Tetralonıa barbata Il. Gabelschwanz VIII, 59. Küchenschabe, s. Text oben. Fische. Lepidosieren paradoxus Fitz (im Sommerschlaf) 1, 780. Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 233 Tabelle 29 (Fortsetzung der Liste der Tiere). Ruhestellung Blaukrönchen V, V, 337. Grosstrappe V, VI, 152. Mandelkrähe VII, VI, 543. Brandente VII, 121. Graugans VII, VI, 174, 177. Junge Sperlinge XVII, 94. Stare XXVII, I, T. 17. Säugetiere. Kaninchen VII, I, 64, 65 und XVII, 160. Hase VII, II, 323, 324. Abendsegler (Fledermaus) Vıl, DO, 545. Wasserfledermaus VII, II, 924, Wildschwein VII, IL, 345, 332. Bär VII, III, 141. Dammwild VII, II, 95, 96, Wapitikreuzungshirsch VII, I, 441. Elch VII, II, 263. _ Shikahirsch IX, 380. Rehe VII, Ill, 374, 391. Renntier VII, II, 11. 2 aeokilope Vu, 111, 568, 9 Büffel IX, 420. Kamel VII, III, 613. Muffelwild VII, III, 612. Walrosse VII, 11, 509, 512. Polarfuchs V, II, 192. Hermelin VH, I, 299. Magot VI, III, 549, 555. Gorilla V, I, 42. Ziegen XXIll, 552. Bergamasker Schafe XXIII, 964. Pelztlatterer XXVI, I, 327 Orang-Utan XXVTI, U, 146. Bereitschaftsstellung Vögel. Hüttenuhu V, V, 84 und VIISVT, dl: Waldohreneule VII, IV,581. Muti (Falke) V, VI, 265. Seeadler V, VI, 312. Habichtsadler V, VI, 295. Gabelweihe VII, VI, 399. Kiebitz VIII, 90. Grürhänflinge VIII, 68. Misteldrossel XX, p. XV. Singdrossel XX, 196. Paraliesvogel III, II, Titel- bild und T, 451. Kernbeisser V., V, 294. Pirol- VII, VI, 590. Hausrötel VII, V, 227. Scherenschnabel VII, V, 89. Schwarzamsel VII, IV, 283. Junge Singdrossel VII, IV, 343. Haubenlerche VII, VI, 422. Krähenscharbe XX, 260. Eisseetaucher VII, VI, 432. Höckerschwan VII, V, 410. Rohrdommel XXI. Grosse Robrdommel VII, VI, 263. _ Trappe XIV, 420 und VL, V, 508 s > Glanzhuhn I], 448. Argusfasan I, 453. Raubseeschwalbe V,T.5 XXVI, A ‘Austernfischer XXVII, I, T. 10. Kleine Bekassine VH, VI, 232. Birkwild VII, VI, 453— 457. Kampfhahn VI, V, 471. Waldschnepfen VII, IV, 167 —168. Auerhuhn VI, VI, 339. Goldadler VII, IV, 441. Birkhahn XXIN, 314. Säugetiere. Siebenschläfer VI, 19. Feldmaus VII, I, 271. Hausratte VII, I, 220. Waldwühlmaus VII, I, 312. Feldhase VII, II, 325. Hamster VII, II, 185. Hamster VI, 108. Hamster XVII, 114. Hirsch VIl, 6. Rothirschkalb XVII, 28. Schlafstellung Amphibien. Grasfrosch VIII, 86. Laubfrosch, s. Text oben. Wechselkröte VIII, 27. Erdkröte V, VII, 69. Vögel. Waldkauz V11,V, 10u.11. Sturmmöwe VIII, 92. Storch VII, IV,-235. Flamingo VII, IV, 471. Säugetiere. Ai (Faultier) V, II, 647. Haselmaus VI, 137. Siebenschläfer VII, II, 71. Haselmaus VII, III, 425. Waldspitzmaus VII, 1,155. Igel V, II, 361. Anta (Tapir) V, III, 91. Hutfeisennase (Fleder- maus) VII, II, 518—519. Fliegende Hunde I, 450. Iltis VII, I, 285. AlpensteinbockV, III, 172. Trampeltier (Kamel) V, ll, 152. Grautuchs V, II, 206. Potto V, I, 297. Schlankkori V, I, 291. Gorilla V, I, 42. 236 J. S. Szymanski: Tabelle 29 (Fortsetzung der ‚Liste der Tiere). Ruhestellung Bereitschaftsstellung Schlafstellung Kaukasushirsch VII, I, 445. Weissbartgnus XXII, 349. Giraffengazelle XXI, 377. Gemse VII, II, 3 und 27. Kitzbock VII, III, 371. Rehwild VII, III, 376, 402. und 416. Zebra XXII, 440. Giraffenbulle XXII, 1 und 236. Opossum VII, I, 82, 89. Steinmarder VII, 11, 399. Hausmarder VII, Il, 401. Ziesel VII, II, 429. Fischotter VII, III, 87. Fuchs VIII, 82. Schakal XXII, 322, 328. Mungo I], 19. Brüllaffe I, 372. Wildkatze XXIII, 194. Luchs XXIII, 338. Hauskatze XXVII. Literaturverzeichnis zur Liste der Tiere. I. F. Doflein, Das Tier als Glied des Naturganzen. 1914. II. Fiebrig, Schlafende Insekten. Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Natur- wissenschaften Bd. 48. 1912. | III. Wallace, Der Malayische Archipel Bd. 2. 1869. IV.. Forbes, A Naturalist wanderings in the Eastern erh en 1885. V. Brehm, Tierleben, 3. Aufl., 1890. VI. Zimmermann, Tiere der Heimat. (Ohne Datum.) VII. Meerwarth und Soffel, :Lebensbilder aus der Tierwelt 6 Bände. (Ohne Datum.) VIIM. Weicher’s Naturbilder. 1908. IX. Doflein, Östasienfahrt. 1906. X. Alcock; A naturalist in Indian seas. 1902. XI. Doflein, Lebensgewohnheiten und Anpassungen bei dekapoden Krebsen. 1910. XI. Szymanski, Zur Analyse der sozialen Instinkte. Biol. Zentralbl. Bd. 33. 1913. ae XII. Isaak, Ein Fall von Leuchtfähigkeit bei einem europäischen Gross- schmetterling. Biol. Zentralbl. Bd. 36 S. 217. 1916. XIV. Haacke, Die Schöpfung der Tierwelt. XV. Szymanski, Über Abwehrreflexe der Raupen (s. oben in der gleichen Sammlung. xXV1. Siedlecki, Java. a Pd lg £ ee FED ET Zu. > N Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 237 XVNH. Braess, Tiere unserer Heimat, 2. Aufl., 1912. XVIN. Verworn, Beiträge zur Physiologie des Zentralnervensystems. I. Die sogenannte Hypnose der Tiere. Jena 1898. XIX. Baas, Zoologie. XX. Kearton, Tierleben in freier Natur. 1905. XXI. Cornish, Tierleben. . XXI. Schillings, Mit Blitzlicht und Büchse. 1905. XXII. v. Tschüdi, Das Tierleben der Alpenwelt, 11. Aufl., 1890. XXIV. Reuter, Lebensgewohnheiten und Instinkte der Insekten. 1913. XXV. Korb, Die Schmetterlinge Mittel-Europas, Taf. XXII, S. 112. XXVIl. Die Wunder der Natur, 3 Bände. XXVlI. Georg E. F. Schulz, Natur-Urkunden, 8 Hefte. 1908-1909. XXVI.-G..J acobi, Die photographische Momentaufnahme im Dienste der Tierpsychologie. Kosmos, Heft 9 S. 303. 1915. XXIX. F. Doflein, Der Ameisenlöwe S. 37. 1916. (Wenn ich in dieser Liste einige populäre Werke anführe, so geschieht dies weniger wegen des nicht immer auf der Höhe stehenden Textes als wegen der ausgezeichneten Naturaufnahmen.) 2. Der Umfang der rezeptorischen und Aktionssphäre. Die tierische Handlung lässt sich als eine Wechselwirkung: zweier Komplexe, und zwar der rezeptorischen und der Aktionssphäre, be- trachten. : Um handeln zu können, muss das Tier in seinem Ruhezustand durch eine Reizeinwirkung gestört sein. Dann handelt es, mit anderen Worten, führt es eine motorische Reaktion aus, um das innere Gleichgewicht, d. h. den Ruhezustand !), herzustellen. Die Handlung als Reaktion auf einen Reiz bzw. durch den letzteren bewirkte Rezeption betrachtet, ist ohne etwaige Änderung im bisherigen Zustande des Organismus, die bloss durch Angreifen einer Kraft bedingt sein kann, undenkbar; ebenso wie umgekehrt eine wirksame Rezeption eine Reaktion notwendigerweise hervor- rufen muss. | Der Aneriffspunkt für die Reize stellt die Rezeptionssphäre dar; ihren Gegenpol, wodurch sich der Effekt äussern kann, bildet die Aktionssphäre, | Diese elementare Erkenntnis der Wichtigkeit beider Sphären für das Verständnis der tierischen Handlung gebietet uns, sich Rechen- 1) Vgl. auch Bohn. 238 J. S. Szymanski: schaft über den Umfang der rezeptorischen und Aktionssphären ab- zugeben. Die hier herrschenden Verhältnisse sind so einfach und so auf- fallend, dass sie, obwohl sie aller Wahrscheinlichkeit nach vielen oder gar sämtlichen Forschern auf diesem Gebiete mehr oder weniger be- kannt sein dürften, als’selbstverständlich und naturgemäss betrachtet, bisher meines Wissens noch nicht formuliert worden sind. Indessen liegt stets ein grosser heuristischer Wert im Klarlegen und im exakten Formulieren von augenscheinlich und selbstverständ- lich erscheinenden Voraussetzungen. Der unmittelbaren Beobachtung sind bloss die motorischen Re- aktionen, auf Grund deren sich erst Schlüsse auf die Rezeptions- fähigkeit der Tiere ziehen lassen, zugänglich. Jede-Tierart zeigt eine gewisse, recht beschränkte Anzahl von koordinierten Bewegungskomplexen, denen eine hohe biologische Bedeutung zukommt, und deren Summe das Verhalten dieser Art ausmacht. Die hauptsächlichsten Formen solcher Bewegungskomplexe sind die Reaktionen des Nahrungserwerbes und der Nahrungsaufnahme, des Fortpflanzungsgeschäftes, der Abwehr, des Putzens und schliess- lich der Lokombotion. ee: Die Gesamtheit dieser einzelnen Bewegungskomplexe stellt den Inhalt der Aktionssphäre einer Tierart dar; sie ist für die letztere ziemlich charakteristisch und bleibt relativ konstant !). Durch die Beobachtung der Wirkung der Aktionssphäre können wir nun die Schlüsse auf die Rezeptionssphäre ziehen. Jeder Bewegungskomplex lässt sich durch verschiedene Reize schon bei deren erstmaliger Einwirkung ohne die vorhergehende Er- fahrung mehr oder weniger prompt hervorrufen; dies ist indessen bloss deshalb möglich, weil die Reize durch die Vermittlung der Sinnes- orfane in irgendwelcher Weise rezipiert und weitergeleitet werden. Auf Grund dieser Erkenntnis gelangte man zur Überzeugung, dass es angeborene, durch den Körperbau bedingte feste Ver- bindungen zwischen gewissen Rezeptionen und Bewegurgskomplexen geben müsse. 1) Vgl. auch Jennings, Das Verhalten der niederen Organismen. 1910. : X Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 239 Beispiele solcher angeborenen Verbindungen zwischen Rezeption und Reaktion stellen die sogenannten Instinkte dar. Wenn zum Beispiel planktonische Krebsarten, frisch ausgeschlüpfte Hautflügler und allerlei andere Insekten gleich beim erstmaligen Ver- such gegen die Lichtquelle hin fliegen bzw. schwimmen, so lässt sich hier eine feste, angeborene, von jeder Erfahrung unabhängige Ver- binduns zwichen der bestimmten Lichtrezeption und der progressiven Lokomotion vermuten. Wenn Tubifex, ein einheimischer Borstenwurm, ohne jegliche vorangehende Erfahrung auf viele mechanische Reize mit einem blitzschnellen Zurückziehen des sonst herausragenden Hinterkörpers ins Wohnrohr reagiert, so ist man zur Annahme einer angeborenen, von jeder Erfahrung unabhängigen Verbindung zwischen den Rezep- tionen dieser Reize und der motorischen Reaktion des Zurückziehens des Hinterleibes wohlberechtigt. Oder wenn ein Stück Sardinenfleisch mit einem Tentakel der Meduse Aiptasia in Berührung gebracht wird, so reagiert zunächst der berührte Teil ohne jedes Lernen mit Entladung der Nesselkapsel- zellen und hierauf mit Kontraktion und Biegung des ganzen Tentakels nach einwärts. Sodann erfolgt die Beteiligung der anderen Tentakeln, welche sich dabei einwärts bewegen und über dem ergriffenen Bissen zusammenklappen !). Der Mechanismus dieser komplizierten Handlung wird nur dann begreiflich, wenn wir die angeborene, von jeder Erfahrung unabhängige Verbindung zwischen gewissen Rezeptionen und der Bewegungskette der Tentakeln voraussetzen usw. usw. | Wenn man imstande wäre, bei einer Tierart sämtliche an- geborenen Verbindungen zwischen allen Rezeptionen und allen Be- wegungskomplexen festzustellen, so könnte man sich Rechenschaft von der Gesamtheit der von Geburt an wirksamen, d. h. eine moto- rische Reaktion obligatorisch und ohne jede Erfahrung hervorrufenden Rezeptionen geben. i Diese Kategorie von Rezeptionen würde einen ansehnlichen Teil der Rezeptionssphäre einer Tierart ausmachen, wohl aber nicht die ganze Rezeptionssphäre für sich in Anspruch nehmen, wenigstens bei den Tierarten nieht, die neue Verbindungen zwischen bisher unwirk- 1) Zitiert nach Baglioni, Physiologie des Nervensystems. Handb. d. vergl. ° Physiol. herausgeg. von Winterstein S.42—43. 1910. 240 | J. S. Szymanski: samen Rezeptionen und einer bestimmten, dem angeborenen Be- wegungskomplex angehörenden motorischen Reaktion durch wieder- holt gemachte Erfahrung entstehen lassen können. Die meisten (alle?) Tierarten reagieren nicht bloss auf die von Geburt an wirksamen Rezeptionen mit bestimmten Bewegungen, sie können auch auf bisher unwirksame Reize doch schliesslich reagieren erlernen. Man sagt, dass das Tier neue Assoziationen ausgebildet hat bzw. eine Gewohnheit entstehen liess. Dies bedeutet aber nichts weiteres als das Wirksamwerden eines bisher unwirksamen, jedoch rezeptionsfähigen Reizes der Aussenwelt. Wenn man zum Beispiel vor einem Affen Gefässe von ver- schiedenen Formen aufgestellt hat, bevorzugt das Tier kein Gefäss, wie dies aus seiner motorischen Reaktion zu schliessen ist. Der Affe wird nicht durch ein Gefäss von bestimmter Form angezogen und richtet nicht seine Bewegung zur Stelle, wo dieses oder jenes Gefäss sich befindet: alle Formen sind scheinbar für das Tier indifferent. Wir können nicht wissen, ob das Tier überhaupt die Formen wahr- nehmen und unterscheiden kann. Wenn man aber dem Tier in einem stets gleichen Gefäss von bestimmter Form längere Zeit hin- durch das Futter verabreicht, so lernt das Tier schliesslich die Form des Gefässes kennen. Der Affe unterscheidet nun dieses Gefäss unter vielen anderen Gefässen von allerlei Formen und bevorzugt dasselbe, was sich darin äussert, dass das Tier die Bewegungsrichtung gegen dieses Gefäss einschlägt. Mit anderen Worten, der bisher unwirk- same, jedoch der Rezeption zugängliche Reiz ist wirksam geworden )). Oder zum Beispiel können wir nicht wissen, ob eine weisse Ratte Lieht und Dunkelheit unterscheiden kann. Wenn ein Tier in einen Käfig, von dem zwei Ausgänge, der eine beleuchtet, der andere dunkel gelassen, hinausführen, gesetzt wird, so bevorzugt das Tier weder den einen noch den anderen Ausgang; es erwählt unregelmässig jene, oder diese Tür, um in die Freiheit zu gelangen. Wenn aber das Tier stets einen elektrischen Schlag erhält, falls es sich gegen den dunklen Ausgang wendet, so erlernen schliesslich einige Tiere nach vielen Versuchen das Licht von der Dunkelheit zu unterscheiden, was sich dadurch erkennen lässt, dass das Tier nun stets den beleuchteten 1) Zitiert nach Edinger und Claparede, Methoden der vergleichenden Psychologie. he, va Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere. 241 Ausgang erwählt‘). Das heisst, es ist der bisher unwirksame, jedoch der Rezeption zugängliche Reiz, wirksam geworden usw. Die Möglich- keit der Ausbildung neuer gewohnheitsmässiger Reaktionen beweist, dass das Tier mehr Rezeptionen empfängt und hiermit sein Unter- scheidungsvermögen entwickelter sein muss, als dies auf Grund der instinktiven, von Geburt an bestehenden, nicht erworbenen Verbin- dungen zwischen Reiz und Reaktionen zu schliessen wäre. Wenn das Tier auf jeden der Rezeption zugänglichen Reiz unausbleiblich mit einer motorischen Reaktion antworten müsste, wäre die Entstehung neuer Verknüpfungen zwischen bisher unwirksamen, jedoch rezep- tionsfähigen Reizen und den Bewegungskomplexen undenkbar. Das Tier muss also mehr rezipieren, als dies seine angeborenen Hand- lungen würden vermuten lassen. Wenn wir uns nun Rechenschaft vom ganzen Umfang der Rezep- tionssphäre eines Tieres geben wollen, so müssen wir zunächst unser Augenmerk auf jene Rezeptionen richten, die von Geburt an und ohne vorangehende Erfahrung wirksam sind und mit Notwendigkeit eine motorische Reaktion nach sich ziehen müssen. Zu diesen Rezep- tionen gesellen sich noch weitere, die. das Tier dank dem Bau seiner Sinneswerkzeuge empfangen muss: sie bleiben jedoch zunächst un- wirksam. Sie bilden jedoch Vorrat und conditio sine qua non für die Möglichkeit der Entstehung neuer Assoziationen zwischen Reiz und Reaktion. Schliesslich bilden die letzte Kategorie jene Rezeptionen, welche, früher unwirksam, jetzt aber durch eiue erworbene assoziative Verbindung mit gewuhnheitsmässiger Bewegung, also durch Erfahrung, effektiv geworden sind und vom Tier wiedererkannt werden; sie bilden seine Wiedererkennunessphäre. Die Wiedererkennungssphäre ist aber wohl viel geringer als die eigentliche Rezeptionssphäre. ‘Der Umfang der ganzen Rezeptionssphäre besteht also aus drei Kategorien von Rezeptionen, die in Hinsicht auf ihre Wirksamkeit, d.h. die Fähigkeit, eine motorische Reaktion zu bewirken, folgende sind: 1. ohne jegliche Erfahrung wirksame. 2. ohne vorhergehende Erfahrung unwirksame, 3. durch Erfahrung wirksam gewordene. Alle wirksamen Rezeptionen, sei es von ‘Geburt an wirksame, sei es durch Erfahrung wirksam gewordene, rufen eine motorische . 1) Vgl. meine Arbeit: Lernversuche bei weissen Ratten. Pflüger’s Arch. ‘Bd. 158. ) Pflüger’s Archiv für Physiologie... Bd. 170. 16 242 RN 1. Su Szymanskei: Reaktion hervor, die zum; engen Kreise des für jede Tierart .charak- teristischen Bewegungskomplexes gehört, so dass wir auf Grund. der motorischen Reaktion nicht auf die Art der Rezeptionen (von Geburt an wirksame, durch Erfahrung wirksam gewordene?) schliessen dürfen !). Als Kriterium für die Klassifikation der Handlungen kann hiermit: lediglich die Art und Weise, wie die Rezeption wirksam geworden ist, dienen; nicht aber die für verschiedene Rezeptionen,. die stets gleich bleibenden motorischen Reaktionen. Denn im End: stadium ihrer Entwicklung sind alle Handlungen, von der effek- torischen Seite her betrachtet, ziemlich gleich. Dies kommt: davon, dass das Tier gleich von Geburt an bzw. schon nach kurzer Übung im Jugendalter ziemlich alle für die ‚Art charakteristischen und in der phylogenetischen Entwicklung fixierten Bewegungsarten in der Wirklichkeit beständig vollführen muss, um sich im Leben behaupten zu können. :Es reagiert aber weit nicht auf alle Erscheinungen der Aussen- welt, die es auf Grund des Baues seiner Sinnesorgane rezipieren kann. ‘Wir sehen, dass bei. den erwachsenen Individuen der meisten (allen?) Tierarten den drei oben beschriebenen Kategorien von Rezep- tionen (von Geburt an wirksame, ohne vorhergehende Erfahrung un- wirksame und ‘durch Erfahrung - wirksam gewordene) bloss eine Kat- egorie von Aktionen, und zwar schon von Geburt an bzw. von der frühesten Jugend an perfekt und beständig-ausgeübten, gegenübersteht. ‚Diese Tatsachen beweisen, dass der Organismus neben einer bestimmten. Anzahl von wirksamen Rezeptionen einen Vorrat von Reserverezeptionen. besitzt, aus denen er Verbindungen zwischen bisher unwirksamen Rezeptionen und Aktionen herstellen kann. ' Er verfügt: aber! nicht. über einen Vorrat von Reserveaktionen, d. h. es. können nicht Verbindungen zwischen irgend welchen Rezeptionen'und einer neuen, bisher nicht bekannten und vom Tier schon früher voll- führten Aktion ausgebildet werden?). Das erworbene Verhalten wird 1) In diesem Zusammenhang möchte ich die folgende Äusserung Lotze’s anführen: „Die Muskeln können überhaupt mehreren Herren dienen, wie sie nicht bloss auf Reize des Willens, sondern auch auf Erregungen sensibler Nerven sich im Reflex zusammenziehen.“ (Mediz. Psychol. S. 303. 1852.) Vgl. auch » das Sherrington’sche, Prinzip der gemeinsamen Strecke. 2) Alle Abrichtung besteht bloss in der Anpassung der schon früher im normalen Leben wiederholt vollführten Bewegungskomplexe an die vom Menschen bestimmte Aufgabe. Auch die sogenannten vikarierenden Bewegungen sind nichts anderes, als das Vertreten einer Effektorengruppe durch die andere, die die ähn- liche Reaktion unter abweichenden Umständen bereits früher öfters ausführte, (Vgl. oben die Abhandlung „Über die Putzreflexe der Insekten“.) S ca K Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den. Handlungen der Tiere. 248 eben dadurch charakterisiert, dass die schon öfters ausgeführte Aktion sich durch neue ungewöhnliche, das heisst bisher unwirksame Rezep- tionen herbeiführen lässt. Wir können alle diese Befunde in der Form. einer Gesetzmässigz keit. ausdrücken, die etwa besagen würde, dass, vom psycho-physio- logischen Standpunkte aus betrachtet, die Rezeptionssphäre mannig, faltiger und umfangreicher als die Aktionssphäre ist. Die Tatsache der grösseren Mannigfaltiskeit ber Rezeptionssphäre als der Aktionssphäre, die zum wichtigsten und elementarsten Gesetz der vergleichenden Lehre von der Handlung gezählt werden muss, bildet die Grundlage, auf der sich die Weiterentwieklung des tierischen Verhaltens vollziehen kann. Diese Weiterentwicklung bestünde eben in der fortschreitenden Fähigkeit, eine immer grössere Rezeptionen- menge wirksam werden zu lassen; je weniger Zeit die Entstehung einer neuen Gewohnheit bzw. die Ausbildung einer neuen Assoziation erfordert, um so vollkommener gestaltet sich die Evolution. Damit steht im Zusammenhang, dass bei den niederen Tierklassen vielleicht das Bemerkenswerteste jenes ist, was die Tiere tun, bei den höheren Tierklassen bzw. beim Menschen aber, was sie tun können. Der grössere Umfang und die grössere Mannvigfaltigkeit der Rezeptionssphäre als der Aktionssphäre ist schliesslich eine der Vorbedingungen für die Entstehung des Denkvermögens. Denn die Entwicklungsmöglichkeit für dieses Vermögen ist eben gegeben in der Empfänglichkeit für mannigfaltige Reize (Eindrücke), von denen keiner so wirksam wäre, dass er eine unmittelbare motorische Reaktion hervor- rufen würde, und jedoch stark genug wirkte, um die Aufmerksamkeit zu fesseln und apperzipiert zu werden. Indessen betreten wir mit dieser Bemerkung, die ausschliesslich durch die Introspektion gewonnen und begründet werden kann, das weite Gebiet der empirischen Psychologie. Es ist nicht meine Absicht, mich weiter in dieses Gebiet zu ver- tiefen; ich möchte nur zum Schluss hervorheben, dass wir viel mehr Gedanken in uns aufkommen lassen, als wir Handlungen ausführen, die durch diese Gedanken sich motivieren liessen!). Man kann also 1) Wie diese Motivation vom erkenntnis-theoretischen Standpunkte auf- zufassen wäre, d. h. ob sie vom Standpunkte der Wechselwirkungslehre oder des psycho-physischen Parallelismus betrachtet werden sollte, halte ich bei diesen Ausführungen für eine nebensächliche Frage. 16* 44 J. S. Szymanski: Abhandlungen zum Aufbau der Lehre usw. getrost sagen, dass auch die Erkenntnissphäre umfangreicher und mannigfaltiger ‚als die Aktionssphäre ist. Wenn aber viele Hand- lungen sich als Ausdruck der die letzteren motivierenden Gedanken betrachten lassen, so, gibt es ganze Reihen von Gedanken, die von Haus aus niemals zur Handlung führen können. Im Bewusstwerden des Missverhältnisses zwischen der Erkenntnis- und Aktionssphäre, wie auch in der Unmöglichkeit, manchen Gedanken in die Handlung umzusetzen, liest die psycho-physiologische Quelle mancher Dis- harmonie im menschlichen Leben. 245 (Aus dem Institut für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg. Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. (Kritische Bemerkungen über die Arbeiten von: - Asher, Elliott, Cannon und de la Paz, Anrep, Tscheboksareff, Kahn und Eiger.) | Von Prof. Dr. L. Popielski. Im Hinblick auf die Tatsache, dass der geringste, mittelbare oder unmittelbare mechanische Druck auf die Nebenniere zum Auftreten von Adrenalin im Blute führt, äusserte ich die Meinung, dass die bis- herigen Versuche den Nachweis von nervösen Finflüssen auf die Adrenalinsekretion der Nebenniere sowie den Nachweis von Adrenalin im Blute, als eines ständigen Sekretes der Nebenniere zu führen, nicht als überzeugend angesehen werden können. Insbesondere hob ich in bezug auf die Untersuchungen von Asher über Sekretionsnerven der Nebennieren hervor, dass er nicht mit der Möglichkeit des Einflusses von mechanischer Reizung der Nebenniere durch Druck auf den Ausfall seiner Versuche mit Splanch- nieusreizung rechne. Als Beweis der. Richtiekeit meines Schlusses führte ich die entsprechenden Stellen aus Asher’s Arbeit wört- lich an. In seiner Antwort auf meine Einwendungen erklärte Asher!), dass er die Nn. splanchniei mittels Gotech’scher Elektroden reizte, die in der Bauchhöhle angebracht waren, und fügte hinzu: „Fast möchte man aus Popielski’s Angaben ver- muten, dass ihm die einzige zulässige Art der Reizung des Splanch- nicus ohne jeden Eingriff am Tiere während der Reizung unbekannt ist.- (S..373.) | Ich kann nicht umhin, hier darauf hinzuweisen, dass die Kennt- nis der Elektroden von Gotech und ihre Anwendung keine hinreichende Garantie für die Exaktheit der damit vorgenommenen Urtersuchungen l)L. Asher, Pflüger’s Arch. Bd. 166 S. 372—374. 1917. 246 L. Popielski: bietet. Drücken der Nebenniere führt zum Auftreten von Adrenalin im Blute. Jedoch der Druck auf die Nebennieren ruft die Blutdruck- steigerung nicht während des-Druckes selbst hervor, sondern erst nach seiner Beendigung. Es kam vor, dass sowohl während des Druckes als auch nach Beendigung desselben der Blutdruck nur um weniges stieg, und erst, nachdem der Hund auf die andere Seite ge- legt war, bedeutend in die Höhe ging. Daraus ist zu schliessen, dass hier nicht das Drücken der Nebenniere allein von Bedeutung ist, sondern auch das "Ausdrücken der Elemente der Marksubstanz, ihre Verschiebung der Nebennierenvene entlang in der Richtung des all- gemeinen Blutkreislaufes. Diese Tatsache ist wichtig, da sie darauf hinweist, dass in den Anfäugen der Nebennierervenen sich Mark- substanz befinden kann, die erst unter dem Einfluss von ganz un- bedeutenden Maassnahmen in den allgemeinen Blutkreislauf hinein- gelangt — sei es als Ganzes auf einmal oder nur teilweise all- mählich — und den Blutdruck steigern kaen. Asher (Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 S. 280. 1912) unterband in seinen Versuchen vor der Exstirpation des Darmes, Magens und der Milz die Art. coeliaca und mesenterica sup., die in der Nachbarschaft der Nebennieren liegen, und unterband dann nach Entfernung des Blutes aus den Därmen durch Streichen mit den Händen und sanftes Kneten doppelt die Pfortader. „Dann fand die Abbindung und Durch- schneidung der beiden, schon vorher präparierten Nn. splanchniei statt, worauf nach passenden Ligaturen die Exstirpation aller Därme, des Pankreas, der Milz und des Magens erfolgte“ (Asher, |. ce. 5. 280). Dann wurde die Nebenniere, „sobald man ihrer ansichtig wird, durch mit warmer Kochsalzlösung getränkte Watte bedeckt“. Zum Zwecke der Abklemmung (Asher, |. e. S. 282) wurden die Nebennierenvenen zu Beginn des Versuches schonend freigelest. Die durchschnittenen Nn. splanchniei kamen in Gotech’sche Elektroden, was auch mit der Möglichkeit von Drücken der Neben- nieren verbunden ist. Die beschriebenen Maassnahmen führten un- vermeidbarerweise zum Druck auf die Nebennieren; als Folge davon sammelte sich in den. Anfängen der Venen der Organe eine gewisse Menge von Marksubstanz an. Aus diesen Venen gelangte beim Reizen der Nn. splanchniei, was zur Erweiterung der Blutgefässe der Nebennieren führte, Adrenalin ins Blut. Besondere, von mir vorgenommene Versuche beruhten darauf, dass ich die Brustaorta während 1 Minute 'abklemmte und gleichzeitig während dieser Zeit Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 247 einen Druck auf die Nebenniere ausübte. Nach Abnahme der Klemme von der Aorta stieg ‘der Blutdruck erheblich über die Norm, was nicht der Fall’ war, wenn die Aorta ohne gleichzeitigen Druck ‘auf die Nebenniere abgeklemmt wurde. Dieser Versuch be- weist, dass das in den Anfängen der Nebennierenvene angesammelte Adrenalin mit Leichtigkeit in den allgemeinen Kreislauf übergehen kann. Schliesslich ist während der Reizung der Nn. splanchniei selbst, in den Versuchen von Asher ein Drücken der Nebennieren nieht ausgeschlossen. Die in Watte gewickelten Elektroden mit den Nerven beliess Asher in der Bauchhöhle, ohne ihre Lage zu fixieren. Die Elektrodendrähte erstreckten sich durch die Wunde der Bauchdecken zum elektrischen Apparate. ‘Bei den Atem- beweegungen konnten die Elektroden ihre Lage verändern und einen mittelbaren oder unmittelbaren Druck auf die Nebennieren ausüben. ‚Ferner spricht Asher von Stromausbreitungen (l. e. S. 286), welche durch Reizung des Peritoneums auf 'reflektorischem Wege Herabsetzung des Blutdruckes als ersten und — man muss zu- geben — hauptsächlichsten Effekt der Splanchnicusreizung in seinen ‚Versuchen hervortreten liessen. Diese Stromausbreitungen konnten auch auf den Plexus coeliacus!) übergreifen, und Berührung, wie überhaupt Reizung dieses bewirkt auch in tiefer ERS starke Kontraktionen des Körpers des Tieres. BR Nehmen wir an, dass Stromausbreitungen auch nur einen schwachen Reiz auf den Plexus coeliacus ausübten und nur bei einer gewissen Lage der Elektroden abhängig vom Aus- und Ein- atmen des Tieres waren, so konnten Bewegungen oder Kontraktionen einzelner Muskelgruppen des Tieres mit Leichtigkeit eine Ver- schiebung der Blektroden mit Zerrung der Nn. splanchniei oder mit direkter Berührung der Nebenniere hervorrufen. Wenn auch Asher (S. 298) sagt, dass der Effekt der Reizung der Nn. splanchniei nicht von Bewegungen abhängt, die ganz aus- geschlossen waren, so konnten sie doch leicht der Aufmerksamkeit entgehen, wenn sie gleichzeitig mit den Atembewegungen erfolsten. So entscheidet also die Bekanntschaft mit den Elektroden von Gotech nicht über die Exaktheit der Untersuchungen. Im Hinblick auf diese nicht greifbaren, aber unvermeidlichen und von Asher 1) Popielski, Zur Physiologie des Plexus coeliacus. Arch. f. Anat. u. Physiol, physiol. Abt. 1903 S. 338—360. 248 0. L. Popielski: nicht erwogenen mechanischen Einflüsse auf die Nebenniere ist der unbeständige, schwankende und unbestimmte Ausfall seiner Unter- suchungen erklärlic. Wenn Asher aus seinen Experimenten den Schluss gezogen hätte, dass der N. splanchnicus der Sekretions- nerv für die depressorischen Substanzen der Nebenniere ist, so wäre das mehr begründet als der Schluss auf Sekretionsnerven für pressorische Substanzen beziehungsweise Adrenalin. Der blutdruck- senkende Effekt tritt als die allererste Wirkung der Reizung der Nn. splanchniei auf beim ersten Eindringen des Stromes in die Nerven, was an den Einfluss der Chordareizung auf die Speichel- sekretion erinnert. Ferner tritt in vielen Versuchen die Blutdruck- senkung- ungleich deutlicher hervor als die Erhöhung. So beträgt in Nr. 2 die Senkung 4 mm Hg gegen 3 mm Er- höhung; in Nr. 3 die Senkung: 9 mm, die Erhöhung:.6 mm; in Nr.:4 die Senkung: 9 mm, die Steigerung: 7 mm; in Nr. 19 be- tragen beide Werte 3 mm; in Nr. 22 die Senkung: 9 mm, die Er- höhung: 0; in Nr. 23 die Senkung: 14 mm, während die Erhöhung überhaupt fehlt; diese fehlt auch in Nr. 24, dabei beträgt die Senkung 10 mm. N In einigen Versuchen wird nur Senkung angetroffen, wie zum Bei- spiel in Nr. 10 und den schon erwähnten Nr. 22, 23, 24. Schliesslich ist in zahlreichen Versuchen die Blutdrucksteigerung so unbedeutend, dass man sie nicht als Effekt der Splanchnieusreizung ansehen kann. In den Versuchen Nr. 1 beträgt die Erhöhung 3 mm, in Nr. 2: 5 mm, inNr. 3: 5 mm, in Nr. 4: 7 mm, in Nr. 12:4 mm, in Nr. 19: 2 mm, in Nr. 20:3 mm. Zu.deu Versuchen Nr. 22—29, in denen eine so starke Blutdrucksenkung erfolete, bemerkt Asher, dass er diese Erscheinung mehrfach beobachtet habe und erklärt, dass dies nach einer grösseren Anzahl von Reizen, die 1'/s Minuten und mehr andauern, auftritt. Diese Erklärung widerspricht den Resultaten des Versuches vom 14. Juni 1910, wo er nach einer erheblich grösseren Zahl von Reizungen eine Blutdruckerhöhung um 12 mm Hg (Nr. 17) fand. Beweise für die Richtigkeit seiner Anschauung, dass die Nn. splanchniei die Sekretionsnerven für das Adrenalin seien, sieht Asher in den Arbeiten von Elliott, Cannon und Anrep.: Er weist darauf hin, dass ich die „schöne Arbeit von Elliott“ merk- würdigerweise nicht erwähne. Auch von anderen, nicht weniger schönen Arbeiten spreche ich nicht. Ich unterliess das, um den Umfang der Arbeit, in der ich mich vor allem bemühte, die eigenen a Be de ee ae AR de TE Se SR RO Be) r Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 349 Untersuchungen gedrängt darzustellen, nicht zu vermehren. Jeder Forscher, der sich speziell mit dem gleichen Thema beschäftigt, vervollständigt sich ohne Schwierickeit die bescheidene Anzahl der von mir zitierten Autoren. Die Arbeit von Elliott verdient in der Tat volle Aufmerksamkeit. Er schreibt mit Beziehung auf die vor- läufige Mitteilung von Asher (Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 S. 928. 1910) über Sekretionsnerven: „Several years earlier I hat attempted identical experiments and with a like result, but did not regard them as suffiecienty convineing for publication because the blood-pressure sise produced from the suprarenals, like that in Asher’s series, was never as much as 20 mm. A rise of 15 mm. is too near to the limit of error.“ (p. 399). Über die definitive Arbeit von Asher (Ztschr. f. Biol. Bd. 58 S. 274. 1912) äussert sich Elliott wörtlich, wie folgt: „Since the above was written, Prof. Asher has published the full account of his experiments. No tracings are reproduced. The blood-pressure figures certainly do show the effect of the suprarenal exeretion, though as a matter of fact none are hieher than the low figures which I had obtained in my own earlier experiments and thought to be in- eonelusive.“ (p. 399). Elliott wiederholte Asher’s Experimente und fand die Resul- tate von dessen Untersuchungen „definite and certain“. An der dezerehrierten Katze konnte er leicht Blutdrucksteigerung _ um 40-60 mm feststellen, und er hält das für keinem Zweifel unter- liegend. Zum Glück gibt er das genaue Protokoll des Versuches an der dezerebrierten Katze an. Ich führe diesen Versuch wörtlich an, da daraus unmittelbar ersichtlich sein wird, wovon die Blutdruck- steigerung in Elliott’s!) Versuchen abhing, S. 399 (57): Kleine Katze. 10% 00’ Gehirn und oberer Anteil des Rückenmarkes vollkommen zer- stört. Brusthöhle eröffnet und beide Nn. sympathiei durch- schnitten und auf die Elektroden gelegt. 10% 15° Reizung beider Nn. splanchniei. Erhöhung des Blutdruckes von 48 auf 166 mm. 10% 25’ Exstirpation des Magen-Darm-Kanales und der Nieren; der Blutdruck sank nicht. 10% 37’ Reizung beider Nn. splanchnici. Nach einer Latenzperiode von 15 Sekunden stieg der Blutdruck von 36 auf 84 mm, das l) T. R. Elliott, The control of the supraren:] glands by the splanchnie nerves. Journ. of Physiol. vol. 44 p. 374. 1912. 350 L. Pöpielski: ist un 48 mm. Keine Stromschleifen zur Körpermuskulatur, aber Rumpfhaare stark gesträubt. 10% 43' Drücken der linken Nebenniere; keine Blutdrucksteigerung. 10% 45’ Erneute Reizung beider Nn. splanchnici. Erhöhung des Blutdruckes von 40 auf 96 mm, das ist um 56 mm. 10% 48’ Exstirpation beider Nebennieren ohne Verletzung der Nn. splanchnici. 10% 55’ Reizung der Nn. splanchniei, anfangs bei Rollenabstand: 17, dann bei 0. Der Blutdruck bleibt unverändert auf 26 mm, aber Rumpfhaare stark gesträubt. In Wirklichkeit erhob sich jedoch der Druck auf Grund der Kurven (Fig. 8) um 6 mm Hg, was bei der Beurteilung von Asher’s Versuchen in Betracht gezogen werden muss. Diesen Befund wiederholte er mit dem gleichen Erfolge in fünf verschiedenen Versuchen an Katzen. Der Blutdruck stieg maximal um 66 mm, minimal um 34. Diese Steigerung hing jedoch ‚nicht von der Reizung von Sekretionsnerven, sondern vom Druck auf die Nebenniere ab: 1. während der Exstirpation des Magen-Darm-Kanales und der Nieren,, 2. vom direkten Drücken der Nebenniere, wonach Elliott die Nn. splanchniei reizte. Das oben angeführte Experiment zeigt weiter, dass er nicht mit der Bedeutung des Drückens der Nebenniere auf den Ausfall der Versuche rechnet. Hier ist. noch einmal hervorzuheben, dass Elliott die Nebenniere drückt und un- mittelbar danach die Nn. splanchniei reizt. Es ist klar, dass seine Versuche nur als Beweis des Einflusses des Drückens der Nebenniere auf den Übergang von Adrenalin ins Blut dienen können. Ich“will hier nicht ‘tiefer auf seine Versuche über den Adrenalingehalt der Nebennieren unter dem Einfluss von #-tetranaphthylamin, Morphin, Äther, Chloroform, Urethan, Diphtherietoxin, $-Imid. eingehen. Dabei tritt die Verminderung des Adrenalins nur in der Nebenniere mit erhaltenen Nn. splanchniei auf, während der Adrenalingehalt auf der Seite der durchschnittenen Nerven unverändert bleibt. Aus diesen Versuchen würde hervorgehen, dass die Nervenzentren einen Einfluss auf die Adrenalinsekretion ausüben. | | Vor allem ist hervorzuheben, dass Kahn bei der Narkose weder Übergang von Adrenalin ins Blut noch Verminderung des- selben in der Nebenniere bzw. Abnahme der Chromierbarkeit der chromaffinen Substanz feststellen konnte. (Kahn, Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 519. 1909.) Diese Frage verlangt also weitere Unter- suchungen. Ferner, falls es sich zeigen sollte, dass die Versuche von Elliott nach ihrer faktischen Seite richtig sind, so können sie BE ee Me ae ur Se Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 251 doch anders erklärt werden, unabhängig von der Annahme einer sekretorischen Innervation der Nebennieren. Nach Durchschneidung des einen Nerven erfolgt in der gleichen Nebenniere im Vergleich mit der anderen Gefässverengerung ein Zustand von relativer Anämie, der ähnlich wie in meinem Versuche mit Kompression der Brustaorta (Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 572, 573. 1911) zu vermehrtem Entstehen von Adrenalin gegen- über der anderen Nebenniere führen kann. Die Durchschneidung des N. splanchnieus an sich bewirkt keinen Unterschied im Adrenalingehalt in beiden Nebennieren unter der Bedingung, dass das Tier sich ruhig verhält. Die Ver- winderung erfolgt während des Exzitationsstadiums bei der Äther-, Chloroformnarkose, nach Morphium (bei Katzen); P-tetra .. . usw. - In diesem Falle erhält die Nebenniere mit erhaltenen Nn. splanch- miei viel mehr Blut als die andere (der Blutdruck steigt an, die Nerven bewirken noch stärkere Erweiterung). Bei der stärkeren Durchblutung wird der Stoffwechsel intensiver ablaufen und als Folge den Gehalt an den zusammengesetzten Substanzen, an die gebunden das Adrenalin wahrscheinlich in den Nebennieren vorhanden ist, herabmindern. Daher müsste, damit die obigen Versuche von Elliott als Beweis für das Bestehen von Sekretionsnerven dienen könnten, der Einfluss der Durchblutung auf den Adrenalingehalt ausgeschaltet werden. ; Die Untersuchungen von Cannon!), welche er gemeinsam mit de la Paz anstellte, sollen ein Beweis für das Bestehen von Nerveneinflüssen auf die Adrenalinsekretion sein, insofern psychische Erregungen sein Auftreten im Blute bewirken. Doch führt seine Methode der Blutentnahme aus der Nebennierenvene leicht zum Druck auf das Organ. Cannon führt einen Katheter von 2.6 mm Durehmesser durch die V. iliaca in die V. cava inferior oberhalb _ des Eintrittes der Nebennierenvenen. Der eingeführte Katheter braucht am ruhigen Tiere keinen Druck zu veranlassen. Ich habe die Methoden von Cannon«selbst angewandt, aber wieder ver- lassen, da sich herausstellte, dass sie ungleichmässige, einander widersprechende Resultate ergeben. Weiterhin überzeugte ich mich, nach Eröffnung der Bauchhöhle an Hunden und Kaninchen, dass beim Bewegen des Katheters entlang der V. cava inferior Druck auf die 1) Cannon and de la Paz, Americ. Journ. of Physiol. vol. 28 p. 64. 1911. - 352 L. Popielski: Nebenniere erfolgen kann, was verständlich ist wegen der schrägen Lage der V. iliaca zur V. cava inferior. Offenbar kann durch das Einführen bei einem unruhigen, während einer Reihe von Minuten (12 Minuten) aufgereizten Tiere noch. viel leichter ein Druck auf die Nebenniere erfolgen. Ich habe diese Methode als unzweckmässig verlassen und durch eine von mir be- sehriebene ersetzt (Pflüger’s Arch., Bd. 165 8. 583, 584). Die Untersuchungen von Cannon können also keinesfalls als Beweis des Vorhandenseins von sekretorischen Nervenzentren gelten und sind nur dafür ein Beweis, dass mechanischer Druck auf die Nebenniere Adrenalin ins Blut überführt. Interessant sind die Versuche von Anrep!), auf die sich Asher beruft. “Er beschäftiete sich mit der Untersuchung der Beobachtung von Bayliss, dass Reizung des peripheren Endes des N. splanchnieus erst Erweiterung, dann’ Gefässverengerung der hinteren Extremität bewirkt, wenn diese durch una der N. ischiadieus und eruralis entnervt ist. Bayliss und Lehndorff sehen das als eine Lokalreaktion der Blutgefässe an. Anrep überzeugte sich, dass nach der Exstirpation der Neben- nieren die Gefässverengerung an der hinteren Extremität nicht mehr auftritt; die Gefässe verhalten sich dann vollkommen passiv: sie er- weitern sich nach Maassgabe der Erhöhung des Blutdruckes und kehren zur Norm zurück bei dessen Absinken. Anrep fasst des- halb die Gefässverengerung an der Extremität als Adrenalinwirkung auf, welches dureh Nerveneinfluss ins Blut gelangte. Er führt dann eine Tatsache an, die- man als ungewöhnlich bezeichnen kann. Wenn man die Nebenniere nur auf einer Seite exstirpiert und auf derselben Seite das periphere Ende des N. splanchnicus reizt, so erfolet Gefässverengerung an der Extremität. Diese bleibt jedoch aus, wenn auch der andere N. splanchnieus durchtrennt ist. Wir haben es also mit der ungewöhnlichen Tatsache zu tun, dass durch Reizung von zentrifugalen Nerven reflektorisch Tätiekeit eines Organes ausgelöst wird, im gegebenen Falle der Nebenniere. Die Nayasan Tatsachen der Physiologie?) geben keine Möglieh- 1) Anrep, On the part played by the suprarenals in the nerv-and Zar cubn reaction of the body. Journ. of Physiol. vol. 45 p- 307. 1912. 2) Kahn (Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 519) kommt’zu dem Schlusse, dass der linke N. splanchnicus einen Zweig an die rechte Nebenniere abgibt. Der Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 253 keit, diesen ungewöhnlichen Befund zu verstehen. Dagegen erklärt uns Anrep’s experimentelle Methodik das Entstehen dieser Erschei- nung. Er nahm seine Versuche in der Weise vor: „The splanchnies were exposed extraperitoneally from the back, and a string was passed round each suprarenal in order to exelude either or both as quiekely as possible from the eireulation by tying the string“ (p. 307). So waren also nicht die Nerven, sondern die mechanischen Eingriffe an der Nebenniere die Ursache des Überganges von Adrenalin in die Gefässbahn. Das. Experimentieren unter solchen Bedingungen kann beliebige, unerwartete Resultate bringen. Solche sehen wir in der zweiten Arbeit von Anrep!), in der er Gefäss- verengerung am Hinterbein bei Reizung des zentralen Endes des N. ischjadieus und bei Erstickung erhielt. Nach Durchschneidung des Nn. splanehniei trat die Gefäss- verengerung nicht melr auf. Die Nervendurchschneidung nahm er in einem besonderen Versuche vor, in dem er, wie wohl anzunehmen ist, keine Lieatur um die Nebennieren anleste und keinen Druck ausübte. Am interessantesten sind Anrep’s Untersuchungen über den Einfluss der Erstickung auf die Gefässverengerung am Hinter- bein. Auf einer der beigefügten Kurven sehen wir, dass mit dem - Augenblicke der Erstickung sofort eine 20 Sekunden dauernde Ge- fässverengerung an der hinteren Extremität erfolgt, danach erweitern sich die Gefässe. Nach Exstirpation der Nebennieren bewirkt die Erstickung Erweiterung der Extremitätengefässe, gleichzeitig mit Blutdrucksenkung, was vom Gesichtspunkte Anrep’s aus ganz un- verständlich ist, da gerade nach der Exstirpation der Nebenniere die Gefässe der Extremität sich passiv verhalten sollten. Weiter- hin ist vollkommen ‚unverständlich, wenn nach FExstirpation der Nebennieren und bei Erhaltung der Nn. splanchniei, wie aus der angefügten Kurve hervorgeht, der Blutdruck bei der Erstickung sinkt. Nach Durchschneidung der Nn. splanchniei tritt keine Gefäss- verengerung mehr auf (während der Erstickung). Darauf gestützt, gelangt Anrep zum folgenden Schluss: „The action is taking place entirely throush the intermediation of secretory nervous system so we see that the sereretory nervous apparat of the suprarenals can rechte N. splanchnieus dagegen geht nur zur rechten. Anrep gibt nicht an, welchen Nerv er reizte; übrigens experimentierte er an Katzen. 1) Anrep, On local vascular reaction and their interpretation. Journ. of Physiol. vol. 46 p. 318. 1912. 254 L. Popielski: be exeited in all its parts, namely by the exeitation of afferent nerves, or of the centre of efferent nerves“ (Journ. of Physiol. vol. 46 p- 321. Dec. 1912). | Was das Verhalten des Adrenalins bei der Erstickung betrifft, so ist auf Gruud der.in meinem Institute von Czubalski!) aus- geführten Versuche folgendes anzuführen: Während der Erstickung erscheint Adrenalin im Blute, aber niemals früher als am Ende der dritten oder Arfang der vierten Minute. Adrenalin, das man mit der Methode von Magnus am isolierten Darme nachweisen kann, tritt im Blute auf auch nach Durchschneidung des Rückenmarkes unter der Medulla oblongata und Durchtrennung der Nn. splanch- niei, das ist also ganz unabhängig vom Zentralnervensystem. Es erscheint im Blute bei der Erstickung aller Wahrscheinliehkeit nach deswegen, weil die im Blute angesammelte CO, es aus einer kom- plexen, aber nicht beständigen Verbindung frei macht und das frei- gewordene Adrenalin ins Blut diffundiert. Was die Versuche von Tscheboksareff?) betrifft, so habe ich sie in meiner Arbeit schon kurz erwähnt, Da Asher dessen Ver- suche von neuem als Beweis des Vorhandenseins von Sekretionsnerven für das Adrenalin anführt, gehe ich auf einige Einzelheiten der Unter- suchunsen von Tscheboksareff ein. Er führte seine Versuche an der linken Nebenniere von Hunden durch. Erst machte er die Lapa- rotomie; senkrecht zum ersten Schnitte legte er einen zweiten von 15 em Länge an. Mit Hilfe eines Schwammes drängte er den Magen und die Milz nach oben, den Darm nach rechts und die Niere nach unten. Dann eing er folgendermaassen vor: „Nachdem das peritoneale Blatt längs derselben (Lumbalvene) eingerissen war, präparierte ich zuerst das zentrale Ende der V. lumbalis sin. ab, d. h. denjenigen Teil derselben, welcher zwischen der Nebenniere und V. cava in- ferior gelegen ist, und legte mittels eines gekrümmten Hakens hier: eine Ligatur um die Vene an. Darauf wurde ein Stück des peripheren Endes der V. lumbalis abpräpariert und in einer 3—4 cm langen Ent- fernung von der Nebenniere eine zweite Ligatur um dieselbe angelegt, welche sofort zugebunden wurde. Ferner wurden mittels Ligaturen alle kleinen venösen Ästehen unterbunden, welche gewöhnlich in der 1) Czubalski, Asphyxie und Adrenalin. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 Nr. 11 8. 580. 1913. 2) Tscheboksareff, Pflüger’s Bi. Bd. 137 8.63. 1911. # Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 2355 Zahl von drei bis vier in die auf diese Weise isolierte Partie der V. lumbalıs münden. - Bindet man jetzt auch die erste Ligatur zu, die zwischen der Nebenniere und der unteren Hohlvene angelegt war, so erhalten wir dadurch .einen von allen ‚Seiten isolierten Abschnitt der V. lumbalis, zu: welchen nur das der linken Nebenniere zufiiessende Blut Eintritt "hat. In diesen Abschnitt der V. lumbalis wurde eine ungefähr 20 eem lange Glaskanüle: eingeführt“ (S. 63, 64). Noch eine Stelle führe ich an:.„Falls das Blut in der Kanüle und der Vene koagulierte, wurde erstere mittels eines Dräahtes gereinigt, die Entfernung des Blut- koagulums wurde auch mit Hilfe eines vorsichtigen Ausquetschens mit den Fingern aus der Lumbalvene erzielt“ (S. 66). ‘Aus den angeführten Zitaten geht hervor, dass Tscheboksareff “Adrenalinausscheidung allein als Ausdruck von mechanischer Be- einflussung der Nebenniere erhielt, nicht aber als nervöse Sekretion. Zweifel, ob Tscheboksareff es mit Adrenalinsekretion zu tun hatte, erhebt auch Kahn (Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 212. 1901). Hierbei .sind die Worte, welche Kahn mit Rücksicht auf die Ver- suche zum Nachweise von Nerveneinflüssen auf die Adrenalinsekretion aussprach, anzuführen: „Vor allem haftet allen Methoden der nicht unbedenkliche Übelstand an, dass die zur Gewinnung des Blutes nötigen Manipulationen sehr umständlich sich gestalteten. So kam es meistens der Natur der Sache nach zu länger und kürzer dauernder Stauung des Blutes in den Organen (S. 212). Auch mussten die mit der Venenpräparation verknüpften Manipulationen unbedingt mit erheblicher Ziehung der Nebenniere verbunden sein, ein Umstand, welcher: keineswegs vernachlässigt werden darf. In den zentralen Partien des Nebennierenmarkes befinden sich nämlich sehr weite, un- semein dünnwandige venöse Gafässe, an deren Lumen die adrenalin- führenden chromaffinen Zellen fast unmittelbar heranreichen. Die leiseste Kontinuitätstrennung der Venenwand wird den Übertritt adrenalinhaltigen Zellinhaltes in das Blut zur Folge haben, und dieser Umstand kann bei der enormen Wirksamkeit des Adrenalins leicht spezifische Wirkung des abströmenden Blutes bewirken.“ Es sind das Worte eines Forschers, welcher der Nebenniere viele Unter- suchungen widmete. Sie fanden vollkommene Bestätigung in meinen Versuchen (Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 565. 1916). ‚ Ich. erlaube mir hier anzufügen, dass Wiederholung der Versuche ohne Eliminierung der Irrtümer der früheren Autoren die Wahr- zZ 256 ... L. Popielski: scheinlichkeit des beobachteten Resultates nicht erhöht, sondern im Gegenteil vermindert. Es können also die Arbeiten von Elliott, Cannon, Anrep, Tscheboksareff, da sie mit dem Eiuflusse von Druck auf die Nebennieren nicht rechnen, nicht als Stütze für die Schlussfolgerung von Asher gelten, der ebenfalls die Möglich- keit der mechanischen Beeinflussung der Nebenniere nicht ausschloss. Hier ist an die Versuche über Glykosurie nach Zuckerstich, welche Kahn (Pflüger’s Arch. Bd. 140 S, 209) geneist ist, als zentral ausgelöst und auf dem Wege des Splanchnicus vermittelte Adrenalin- sekretion des Markes anzusehen, zu erinnern. Die Grundlagen dieser Selrlussfolgerung sind folgende: 1. Fehlen der Glykosurie bei Zucker- stich nach Exstirpation der Nebennieren; 2. Verminderung des Adre- nalins in der im Zusammenphange mit den Zentren belassenen Neben- niere ungefähr um die Hälfte. Es ist als sicher anzusehen, dass nach Entfernung der Nebenniere der Zuckerstich keine Glykosurie mehr hervorruft. Doch kann die Adrenalinverminderung in der Nebenniere nicht als Beweis einer erhöhten Sekretion angesehen werden. Kahn schliesst auf die Adrenalinmenge aus der Höhe der Blutdrucksteigerung zum Beispiel von 1 em einer bekannten Adrenalinlösung. Die Adre- nalinmenge konnte gleich sein, aber seine Konzentration in jeder Nebenniere konnte verschieden sein, so dass die Adrenalinmenge in 1 ecem der Lösung aus einer Nebenniere verschieden sein konnte von der aus der anderen bei gleichem absoluten Adrenalingehalt in beiden. Unter diesen Bedingungen wird der Unterschied in der Wirkung um so geringer sein, je grössere Flüssigkeitsmengen sie zur Bereitung der- Auszüce verwenden. Es ist eine Tatsache, dass die Nn. splanchniei Dilatatoren der Gefässe der Nebenniere sind. Deshalb wird die Blut- menge, also der Gehalt an flüssigen Bestandteilen, welche das Adre- nalin verdünnen, in der mit den Zentren verbundenen Nebenniere grösser sein als in der anderen mit durehtrennten Nerven. Ferner ist damit _zu rechnen, dass bei stärkerer Durchblutung die Wirkung des Sauerstoffes auf die Marksubstanz viel energischer sein wird. Der Sauerstoff zerstört aber das Adrenalin. Ferner hätte gezeigt werden müssen, dass die Zuckermenge im Harn nach Zuckerstich der Zuckermenge entsprechen würde, die nach einer Adrenalindose auftritt, wie sie — schätzungsweise — von der mit den Zentren ver- bundenen Nebenniere - ausgeht. Ich kann nicht umhin, hier auch darauf dass die Versuche von Asher (Asher und Flack, Zeitschr. f. Biol. z Ada 33 Eh a Er ae a a ud a; Über die sekretorische Innervation der Nebennieren. 9257 Bd.-55 S. 83. 1911) zum Nachweise von Sekretionsnerven für die Schilddrüse ebensowenig überzeusend sind wie seine Versuche über die Sekretionsnerven des Adrenalins. Wenn ich die Untersuchungen von Asher über die Schilddrüse hier erwähne, so geschieht das deshalb, weil der scheinbare Nachweis von Sekretion und Sekretionsnerven der Glandula thyreoidea mittel- bar auch als Beweis für die Möglichkeit von Sekretionsnerven der Nebenniere dienen könnte. Diesen mittelbaren Beweis führt Asher zu Beginn seiner Arbeit an: „Nachdem ich zusammen mit Flack (Asher und Flack. Zeitschr. i. Biol. Bd. 55 S. 83. 1911) den Nachweis erbracht hatte, dass die Schilddrüse unter dem Einfluss von sekretorischen Nerven steht, erschien es geboten, auch andere Drüsen mit innerer Sekretion auf ihre etwaige Abhängigkeit von sekretorischen Nerven zu prüfen“. (Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 274. 1912.) Gleichfalls nieht überzeugend sind seine Untersuchungen (Eiger), welche den Nachweis der Gegenwart von Schilddrüsensekret im Blute bei Fütterung mit entsprechenden Präparaten zum Ziele haben (Deutsche Med. Wochenschr. 1916 Nr. 39, Sep.-Abd. S. 6, 7). ‚Ferner ist es schwer, keine Zweifel über die Folgerungen aus Eiger’s Versuchen auszudrücken (Zentralbl. f. Physiol. 1917, Bd. 32, Nr. 2, S. 66). Dieser Autor ist im Besitz der inneren Sekrete, nicht mehr und nicht weniger als von folgenden Organen: Schilddrüse, Pankreas, Hoden, Leber, Milz, Muskeln, Gehirn, Plazenta usw. Die genaueren Resultate seiner Untersuchungen wird Eiger noch bringen. Über diese kann ich natürlich noch nichts aussagen. Doch kann ich nicht umhin, schon jetzt die Aufmerksamkeit auf den Gedanken zu lenken, der Eiger bei seinen Untersuchungen an ‚, überlebenden Organen in situ oder nach der Entfernung aus dem Körper bestimmte. Eiger spült die Organe in bekannter Weise mit solchen Flüssigkeiten, wie physiologische Salzlösung, Ringer-, Locke-, Thyrode-Lösung, mit künstlichem und natürlichem Serum durch und findet in den aus den Organen abfliessenden Lösungen die physiologischen Produkte der betreffenden Drüsen oder Organe. Es ist bemerkenswert, dass beinahe wörtlich denselben Gedanken Dozent Dr. Czubalski (Gazeta lekarska 1917. No.1, p. 7, 8) in seiner Antrittsvorlesung!) ausspricht. Man muss nicht so sehr die 1) Czubalski teilt in seiner Antrittsvorlesung den Zuhörern folgende irrtümliche Nachrichten mit: 1. #-Jmid. entspricht chemisch und pharmakologisch dem Ergotoxin von Dale, dem wirksamen Körper des Secale cornutum (8. 6); Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 17 258 L. Popielski: Ingeniosität wie die Sicherheit dieser Autoren bewundern, mit der sie behaupten, dass ein mit Hilfe von NaCl ernährtes Organ komplizierte organische Sekretionsprodukte hervorbringen kann, die, falls sie exi- stieren, nur auf Kosten der Blutbestandteile erzeugt werden können. Offenbar stellt sich Eiger!) vor, dass die Zelle eine Art Magazin von Nährmaterial und die Durchströmunesflüssiekeit der Reiz ist, der ihre Tätigkeit auslöst. Natürlich können die Sekrete, - wenn sie existieren, nur Kristalloide sein, denn sonst könnten sie nicht durch die Zellwände ins Blut treten. In den Versuchen von Eiger können in die Durchströmmunesflüssiekeiten Salze, Zerfalls- produkte des Protoplasmas übergehen, unter denen sich stark wirkende Amine befinden können. | u re A Le Die ganze Angelegenheit der inneren Sekretion überhaupt kaun eine vollständige Umwälzung erfahren, und die Organe, die gegen- wärtig als Drüsen von ausschliesslich innerer Sekretion aufgefasst werden, können ganz andere Funktionen haben. Für diese Auf- fassung erscheinen schon jetzt Beweise. Es genügt, die Versuche von OÖ. Löwi anzuführen (Zentralbl. f. Physiol, Bd.23 Nr. 12, S. 726. 1914), der das Blut von Fröschen einführte und eine hochgradiee Ver- langsamung der Herztätiekeit feststellte. Atropin hebt diese Ver- langssamung auf, wie es auch die Herzhemmune des Frosches mit ausgeschnittenen Nebennieren behebt. Daraus folet, dass im Blute von Fröschen, nach Exstirpation der Nebennieren,, ein basischer Körper von den Eigenschaften des Muscarins auftritt. | Was die Frage betrifft, in welchem Zustande sich das Adrenalin in der Nebenniere befindet, so ist das nach meinem Erachten nicht in fertiger Form, sondern gebunden als labile Substanz, sehr mög- lich mit den Eiweisskörpern der Nebenniere. Aus dieser Verbindung löst sich das Adrenalin leicht los unter dem Einfluss: erstens zum Bei- x spiel von erösserem ‚CO,-Gehalt, wie bei der Erstickung; zweitens bei Anämie der Nebenniere.' Diese Möglichkeit der Loslösung von basi- schen Körpern mit starker Wirkung aus zusammengesetzten Eiweiss- 2. Edkins, Tweedy, Tomaszewski stellten sehr starke Magensaftsekretion nach intravenöser und sogar subkutaner Injektion der Magenextrakte fest. In Wirklichkeit ergibt intravenöse Injektion fast keine Sekretion, subkutane da- gegen eine sehr starke. 1) Diese Metbode hielt Eiger für notwendig, einem engeren Kreise von Forschern zu demonstrieren. RT ; Uber die sekretorische Innervation. der Nebennieren. 359 molekülen kommt vor, was aus folgenden Tatsachen folst. Wenn wir ein frisches Organ, zum Beispiel das Pankreas, mit Wasser be- handeln oder 0,9°0 NaCl, so kann man schon nach sehr kurzer Zeit darin die Gegenwart von stark wirkenden Körpern: Vasodilatin und Gastrin, nachweisen. Ersteres, in die Blutbahn injiziert, be- wirkt eine kolossale Blutdrucksenkung nebst allen schon früher von mir beschriebenen Erscheinungen. Gastrin, eine hypothetische Sub- stanz mit gewissen, bekannten chemischen Eigenschaften, bewirkt ohne andere Fffekte eine reichliche Absonderung von Magensaft. Diese Körper können nieht in den Organen im fertigen Zustande vorhanden sein, da sie als gut im Wasser lösliche Substanzen, leicht durch tierische Membranen hindurehtreten und zweifellos im Blute _ kreisen würden, wo man sie Jeieht nachweisen könnte. Interessant ist, dass Gastrin und Vasodilatin zwar nicht mit £-Imid, dem Dekarbonisationsprodukte des Histidins identisch sind, aber doch mit ihm gemeinsame chemische und physiologische Eigenschaften aufweisen, welche erlauben, das Vasodilatin und Gastrin zu den Aminbasen zu zählen; und zwar bewirkt #-Imid bei subkutaner In- jektion eine mächtige Absonderung von Magensaft !); 0,0032 erzeugen bei einem Hunde von 15 kg Gewicht die Sekretion von 502 ccm Magensaft mit normaler Azidität und normaler Verdauungskraft. In einer Dosis von 0,0003 pro Kilo_in.die Blutbahn injiziert, senkt es den Blutdruck von 116 mm auf 20 mm He. Trotzdem ist Vasodilatin nieht mit ß-Imid. identisch, da Pepton Witte, das ersteres enthält, keine Sekretion von Magensaft bewirkt. ! "Wahrscheinlich sind Vasodilatin und Gastrin Substanzen, die aus dem lebenden Eiweissmolekül durch einfachere chemische Prozesse gewonnen werden als $-Imid. -Gestützt auf die obigen Tatsachen könnte man die Vermutung aussprechen, dass unter gewissen anormalen Bedingungen (Fr- stickung, Anämie) in der Nebenniere Adrenalin entstehen kann, das auf dem Diffusionswese ins Blut übergeht. Hier ist noch die Arbeit von Trendelenburg hervorzuheben (Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 79 S. 154. 1915), der das Adrenalin als Stoffweehselprodukt an- sieht und gleichzeitig betont, dass es kein Sekret, kein Hormon sei. 1) Vorgelest der Akad. d. Wissensch. in Krakau am 11. Dezember 1916. 260 . 2. Tomaszewski: (Aus dem Institute für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg.) Über die chemischen Erreger der Magendrüsen!). Erster Teil. Der Einfluss von Organextrakten auf die Sekretion des Magensaftes. Von Privatdozent Dr. Z. Tomaszewski. Assistent der medizinischen Klinik. Die ersten Untersuehungen über den Einfluss der Organextrakte‘ auf die sekretorische, Tätiekeit der Magendrüsen sind im Jahre 1901 durch Popielski?°) ausgeführt worden. Aus diesen im Jahre 1908 veröffentlichten Untersuchungen folgt, dass aus verschiedenen Or- ganen bereitete Extrakte, nach subkutaner Einführung, eine sehr reichliche Sekretion des Magensaftes hervorrufen. Die Frage über die Wirkung der Organextrakte als solche blieb aber offen, weil in den erwähnten, in chronischer Form angestellten Untersuchungen von Popielski die Wirkung, des psychischen Momentes auf die Sekretion nicht auseeschaltet war. Eine besondere Bedeutung ge- winnt die Frage über die Wirkung der Organextrakte auf die Se- kretion des Magensaftes in Anbetracht der Untersuchungen von Edkins®), welcher als Anhänger der Hormonentheorie behauptet, dass allein die Extrakte aus der Pylorusschleimhaut, in die Blut- bahn eingeführt, die Fähiekeit besitzen, die Sekretion des Magensaftes anzuregen. Diese Behauptung von Edkins steht jedoch im Wider- spruch mit seinen eigenen Experimenten, welche zeigen, dass auch die Extrakte aus der Schleimhaut der Cardia dieselben Eigenschaften 1) Vorgelegt der Akademie der Wissenschaften in Krakau am 5. Juni‘ 1916. 2) Popielski, Über physiol. Wirkung von Extrakten. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 191—221. 1909. 38) Edkins, Journ. of Physiol. vol. 34 p. 139 and 139. 1906. Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. a6 besitzen wie die Extrakte aus dem Pylorus: Edkins hat seine ‘Untersuchungen in akuter Form an Katzen angestellt; er beurteilt die Wirkung der Extrakte auf-Grund der Tatsache, dass eine in den, vom Darme mittels am Pylorus und Cardia angeleeten Ligaturen isolierten Magen eingeführte NaCl-Lösung nach der Einspritzung der Extrakte eine Steigerung der Azidität aufweist. Gleichzeitig gibt Bdkins an, dass die Extrakte aus verschiedenen Teilen der Magen- schleimhaut die Eigenschaft besitzen, den Blutdruck herabzusetzen, eine Eigenschaft, welche nach Untersuchungen von Popielski den Extrakten aus allen Organen des Körpers gemein ist. Eines der Symptome der Wirkung der Extrakte, welches hauptsächlich vom Blutdruck abhängig ist, ist die Sekretion des Magensaftes. Mit Rücksicht aber auf die speziellen anatomischen Eigenschaften der Pepsindrüsen des Magens verursachen die Extrakte, welche den Blut- ‚druck stark herabsetzen, entweder keine oder nur sehr geringfügige Sekretion des Magensaftes. Nach den Untersuchungen von Popielski beobachten wir auch dann keine Sekretion, wenn der Extrakt lang- sam eineeführt wurde und deswegen keine deutliche Blutdrucksenkune eriolete. Nur solehe Extrakte, nach deren Einführung eine mässige Blutdrucksenkung erfolet und die Symptome der Allgemeinwirkung in milder Form auftreten, verursachen die Sekretion des Magensaftes. * Die Sekretion des Magensaftes nach intravenöser Einführung der Oreanextrakte trägt oft einen explosiven Charakter, . dauert kurz, ea. 1 Minute‘, ist unbedeutend und abhängig vom Grade der Blutdrueksenkung. Im Gegenteil dazu dauert die Sekretion. nach subkutaner Einführung des Extraktes über eine Stunde und ist über- haupt sehr reichlich, wie es die Untersuchungen von Popielski schon im Jahre 1901 festgestellt haben. Der Charakter der Sekretion in diesen beiden Fällen ist demnach so verschieden, dass schen dieser einzige Umstand auf die in beiden Fällen verschiedene Ur- sache der Sekretion hinweist. ' Ich führe kurz auch die Ergebnisse anderer Autoren an. Ems- mann!) hat nun durch Untersuchungen an Hunden mit Heiden- hain’schem Magen gezeist, dass die HCI-Extrakte aus fast allen “R Organen, subkutan eingeführt, die Magensaftabsonderung hervor- l) Emsmanu, Über hämatogene Erregung van Magensekretion durch salzsaure Extrakte der grossen drüsigen Organe des Körpers und des Darm- inhaltes. Intern. Beitr. z. Pathol. u. Ther. d. Ernährungsstörungen Bd. 3 8. 117. % 263 7. Tomaszewski: rufen. Der aktive Körper befindet sich in den Organen nicht im fertisen Zustande; er entsteht vielmehr. aus der Muttersubstanz erst beim Extrahieren mit Salzsäure. Ehrmann!) hat an Hunden mit dem Bickel’schen Magen nach- gewiesen, dass die Extrakte aus der Mucosa von Pylorus, Fundus und Duodenum, subkutan eingeführt, eine kurz dauernde Magensaft- sekretion bewirken. B. E. Maydell?) gelangt auf Grund seiner an Hunden mit Magenfistel und Ösophagotomie durchgeführten Unter- suchungen zu der Sehlussfolgerung, dass die subkutane Injektion von keinen anderen, sondern nur von Pylorusextrakten die Sekretion von Magensaft hervorruft, dass also Edkins, der nach Einführung von Pylorus- und Kardiaextrakten ins Blut in akuten Experimenten Magen- saftsekretion erhielt, recht hat. R. W. Keeton und F.C. Koch?) haben nachgewiesen, dass der im 95—98%oigen Äthylalkohol lösliche Teil des festen Rückstandes der Organextrakte Gastrin enthält, einen Körper, welcher nach intramuskulöser Injektion in Dosen von 1 cem (entsprechend vier bis fünf g. frischen Gewebes) eine 1—1!/sz Stunden dauernde Magen- saftsekretion bewirkt. In die Vene eingeführt, setzt dieser Körper den Blutdruck herab. Gastrin ist in der Schleimhaut des Magens eleichmässig verteilt. In kleinen Mengen befindet sich Gastrin auch im Ösophagus und Duo- denum. Dagegen ist dieser Körper in der Bauchspeicheldrüse, den Speicheldrüsen und den Muskeln nicht vorhanden. Die Wirkung der Extrakte auf die Magendrüsen musste also einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden, um den Mecha- nismus der noch von Popielski beobachteten reichlichen Sekretion festzustellen, sich zu überzeugen, ob die Wirkung der subkutan ein- geführten Extrakte eine spezifische ist, und um die chemischen Eigenschaften des wirksamen Körpers der Extrakte zu bestimmen. 1) Ehrmann, Physiologische und klinische Untersuchungen über die Magensaftsekretion. Intern. Beitr. z. Pathol. u. Ther. d. Ernährungsstörungen Bd. 3 S. 383. & 2) B. E. Maydell, Zur ‚Frage des Magensekretins. Pflüger’s Arch, Bd. 150 $. 390404. 1913. — L. Popielski, Zur Frage des Magensekretins. Pflüger’'s Arch. Bd. 152 S. 168—170. 1913. 3) R. W. Keeton,und F. C. Koch (Albany Med. Coll.), On the distri- bution of gastin in the body. Americ. Journ. of Physiol. vol 37 p. 481—504 BE (Juni 1915). Ref. Zentralbl. f. Biochemie u. Biophysik Bd. 18 S. 748 Nr. 2423. 1916. N \ Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 263 Diesen Untersuchungen ist die vorliegende, in den Jahren 1912 bis 19])£ an fünf Hunden in chronischer Form ausgeführte Arbeit gewidmet. | Methodik. Eine entsprechende Methodik, deren Hauptziel die Gewinnung eines reinen, durch Galle, Darm- und Pankreassaft nicht verunreinigten Magensaites ist, hat eine entscheidende Bedeutung für die Ergeb- nisse der Experimente über die sekretorische Tätigkeit des Magens. Diese Aufeabe kann auf zweierlei Art gelöst werden, und zwar ent- weder durch die Anlegung des „kleinen Magens“ nach Pawlow oder nach Heidenhain — oder durch die Methode der Fisteln. Die Pawlow’sche Methode ist deswegen besser als die Heiden- hain’sche, weil die Innervation des „kleinen Magens“ besser er- halten bleiht. Bei der Heidenhain’schen Methode werden alle Schichten der Magenwand, also auch die darin verlaufenden Nerven, vollkommen durchtrennt. Die Experimente am „kleinen Magen“ haben aber diesen Nachteil, dass sie nur an einem kleinen Teil des Masens vorgenommen werden, welcher auch bei der Pa wlo w’schen Methode einer beträchtlichen Arzahl von Nerven beraubt ist. Geringe Mengen des sezernierten Magensaftes bieten keine Möglichkeit, .die Schwankungen der Sekretion zenau zu verfolgen. Auch das Tech- nische des Eingriffes allein ist bei-dieser Methode sehr schwierig. Viel besser ist angesichts dieser Tatsachen die Methode der Gewinnung eines reinen, mit Darmsaft nicht verunreinisten Magen- saftes mittels Anlegung einer Magen- und gleichzeitig einer Duodenal- fistel. Durch die unweit des Pylorus angeleste Duodenalfistel wird in der Richtung gegen den Pylorus ein harter, mit einem Gummi- - ballon armierter Katheter eingeführt; nach Aufblähung des Gummi- ballons ist der Durchgang vom Magen zum Darm vollständig ab- gesperrt, der Darminhalt kann also in den Magen nicht zurück- fliessen. Die Anlegung der Magenfistel gelingt immer mit Leichtigkeit, die Ausführung der Duodenalfistel bietet jedoch gewisse Schwierig- keiten, welche, falls nicht bestimmte Vorschriften beobachtet werden, das Misslingen der Operation zur Folge haben können, und zwar entweder stirbt das Tier infolge von Bauchfellentzündung, oder bei fehlerhafter Ausführung der Fistel gelangt der Darminhalt neben der Fistel nach aussen, was eine unerwünschte Komplikation darstellt. |: 7 ar" N N 364 ' Z. Tomaszewski: Deswegen muss bei der Anlegung der Duodenalfistel in der Weise vorgegangen werden, dass nach dem Einnähen des einen Fistelrohr- endes in den Darm das andere in der Weise nach aussen geführt werden muss, dass das Fistelrohr durch die Bauchdecken fest um- schlossen wird. e Pawlow operiert in der Weise, dass er an der gewählten Stelle der Haut ein Troikart in die Bauchhöhle einstieht, seine Spitze in das freie Ende des Fistelrohres hineinschraubt und durch starken Zus am Troikart das Fistelrohr nach aussen führt. Im Laboratorium von Popielski wird das Hinausleiten des Fistelrohres auf eine viel einfachere Weise bewerkstelligt. In das freie Ende des Fistelrohres wird eine ca. 4 cm lange Stahlspitze in Gestalt eines Kegels oder zweischneidigen Messers eingeschraubt; am Ende dieser Spitze be- findet sich ein kleines Loch. An der gewählten Stelle der Haut werden die Bauchdecken mit einem Messer durchstochen, an diesem entlang eine Kornzange in die Bauchhöhle eingeführt, mit ihr der durch das Loch an der messerartigen Spitze durchgeführte Faden erfasst und auf diese Weise die Spitze nach aussen geleitet. An Stelle des Bindfadens wird jetzt in das Loch ein biegsamer Draht eingeführt und durch starken Zug an diesem die Fistel nach aussen gebracht. Die Bauchdecken umklammern jetzt fest das Fistelrohr. Das Anlegen von Nähten, welche die Darmschlinge halten sollen, ist überflüssig; es genügt, unterhalb des nach der Ent- fernung der Spitze am äusseren Ende des Fistelrohres angesehraubten Ringes dieses mit einem Gazestückchen zu umwickeln, was eine Senkung der Fistel in der Richtung der Bauchhöhle verhindert. Um die bessere Verlötung des Duodenum mit: dem Peritoneum zü er- reichen und sich vor der Peritonitis infolge eines möglichen Zer- reissens des Darmes durch den unteren Fistelring zu sichern, ‚soll die Fistel beim Hinausleiten durch das Omentum durchgeführt werden, welches auf diese Weise den Darm umsehliesst und gegen die eventuellen verderblichen Folgen des Zerreissens seiner Wand sichert. Die gewöhnlichen Fistelröhren haben 2?/s em Lümen und sind 4 em lang. Bei entsprechend gewähltem Rohre und peinlicher Aseptik gelingt die Operation ohne weiteres, so dass bereits nach 14 Tagen das Tier zu einem Versuche benutzt werden kann; es ist am zweck- mässigsten, beide Fisteln gleichzeitig anzulegen. Am ersten Tage nach der Operation bekommen die Tiere nur Wasser, am zweiten Milch, am dritten Milch mit Brot; nach einer Woche können sie Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 265 schon mit gewöhnlicher Kost gefüttert werden, welehe im Labora- torium von Popielski aus Fleisch, Brot, Polenta oder Reis in ge- nücender Menge besteht, so dass die Hunde an Gewicht zunehmen. Nach Verlauf von 16-20 Tagen, wenn das Gewicht des Hundes auf einer gewissen Höhe gleich bleibt und das Tier vollkommen wohl ‚ist, beginnen die Experimente. Es war sehr wichtig, die Experimente am Tiere unter möglichst normalen Verhältnissen, d. h. anfangs ohne Durehschneidung der Nn. vagi auszuführen. Um aber die psychischen Einflüsse auf die Sekretion des Magensaftes möglichst auszuschalten, sind die Tiere stets in folgender Weise vorbereitet worden: Die Fütterung der Versuchstiere besorete immer ein und derselbe Laboratoriumsgehilfe, stets zu der Zeit, wo gewöhnlich das Experiment beendet wurde. Der Versuch wurde immer in einem weit vom gemeinsamen Hunde- stall entfernten Zimmer des Laboratoriums ausgeführt, und der Ge- hilfe, welcher die Fütterung des Versuchstieres besorgte, durfte diese Abteilung des Laboratoriums, wo der Versuch im Gange war, bis zu dessen Abschluss nieht betreten. Die Experimente wurden immer früh morgens angefangen, um die Zeit, wo im Laboratorium ver- hältnismässig am meisten Ruhe herrschte und der Verkehr nicht sehr rege war (kein Läuten der elektrischen Klingel, kein Tür- aufmachen), für das Experiment auszunützen. Auf diese Weise trachtete ich bei meinen Versuchen, die Einwirkung des psychischen Momentes auf die Sekretion fernzuhalten. Die letzte Fütterung am Vortage des Versuches geschäh um 6 Uhr ‚abends, wobei dem Tiere nur eine kleine Menge von Reis und Milch ‚gereicht wurde; Wasser trinken konnte: das Tier soviel es wollte. Vor dem Versuche wurde der Hund gewogen und sofort an einen Ständer, welcher in seiner einfachsten Form die Gestalt eines mit den Füssen nach oben ge- kehrten Tisches hat, stehend angeschnallt, und zwar mittels Hand- tücher, welche unter jedem Bein durchgeführt waren. Die Durch- führung der Handtücher unter den Bauch soll vermieden werden. weil die mechanische Kompression der Bauchdecken auf den Ver- lauf: des Versuches einen unerwünschten Einfluss ausüben kann. Nach Öffnung der Maseufistel wurde der Mageninhalt, falls sich noclı solcher darin befand, entfernt und der Magen mit warmem Wasser mittels eines Gummidrains so lange durchgespült, bis das abfliessende Wasser vollkommen. klar blieb, Jetzt wurde in die Duodenalfistel, in der Richtung gegen den Pylorus ein mit einem Gummiballon ver- 66 2. Tomaszewski: DD sehener harter Katheter, welcher durch den das Fistelrohr dicht abschliessenden Kork durchgeführt war, hineingeschoben. Es muss bemerkt werden, dass während der Operation der Anlezung der Duodenalfistel immer ausgemessen wurde, wie weit sich der Pylorus von der Fistel befindet, was deswegen nötie war, um beim Ab- schliessen des Darmlumens mit dem Gummiballon den Katheter entsprechend weit vorzuschieben und nicht'in den Magen zu gelangen, wodurch die Abschliessung des Darmes illusorisch würde. Der Magen- saft wurde durch ein Glasrohr gesammelt, welches in dem Korke steckte, der die immer am Fundus angelegte und durch die Linea alba hinausseführte Magenfistel abschloss. Falls innerhalb ?/ı bis 1 Stunde sich aus der Fistel gar keine Flüssigkeit oder nur ein schwach alkalischer Saft tropfenweise entleerte, wurde in der Lumbal- gegend rechts oder links dieser oder jener untersuchte Organextrakt subkutan eingespritzt. Um bei der Eimspritzung das ‚psychische Mo- _ ment auszuschalten, haben wir einige Maassregeln, welche an ent- sprechenden Stellen erwähnt werden, angewandt. Vorbereitung der Organextrakte. . Die Extrakte wurden aus verschiedenen Teilen des Magens vor- bereitet, um endgültig die Frage zu eutscheiden, ob sieh in der Pylorusschleimhaut das spezifische „Gastrie-Sekretin® von Edkins befindet. Später wurden auch aus dem Pankreas und aus dem Darıne Extrakte hergestellt. Zur Herstellung der Extrakte aus dem Masen benutzte ich Schweinemagen. Pars pyloriea wurde von der Pars fundalis, welche sich von der ersteren ziemlich deutlich abereuzt, getrennt. Um genügend sicher vorzugehen, habe ich den Schnitt durch den Pars fundalis, 5 welche nach Edkins kein „Gastrie-Sekretin“ enthält, geführt und — dann die Kardia abgeschnitten. Von jedem auf diese Weise ab- getrennten Teile wurde die Schleimhaut vollständig abgeschabt, die Museularis eines jeden Teiles separat in der Hackmaschine zer- kleinert und dann: sowohl die Schleimhaut als auch die Museularis mit Wasser oder Salzsäure im Verhältnisse 1:2, 1:1 oder 1:0,9 extrahiert. Anfänglich, als die physikochemischen Eigenschaften des wirksamen Körpers der Extrakte mir noch nicht bekanıt waren, habe ich das Aufkochen der Extrakte vermieden und, uın.sie vor Fäulnis zu schützen, .nur iu vakuo aufbewahrt. Als es sich aber zeigte, dass in der Temperatur des kochenden Wassers ihre physio- BE Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 267 logischen Eigenschaften nicht verändert werden, habe ich die fertigen - Extrakte nach jedem Versuche im Koch’schen Apparate während einer !/s Stunde sterilisiert. Ich bemerke hier, dass die mit Wasser - hergestellten Extrakte, besonders die aus den Schleimhäuten, sehr lang- sam filtrieren; das Filtrieren im Vakuo beschleuniet das Durch- gehen der Flüssiekeit durch das Filter nicht, und man musste, um den Vorgang möglichst zu beschleunigen, das Filter öfters wechseln. Da es sich gezeigt hat, dass die mit HCl hergestellten Extrakte in ihrer Wirkung sich in nichts von Wasserextrakten unterscheiden, habe ich später alle Extrakte mit 0,36°%o HCl hergestellt; diese Extrakte lassen sieh nach dem Aufkochen sehr gut filtrieren. In jedem zu den Versuchen verwendeten Extrakte sind die organischen. und anorganischen Bestandteile quantitativ bestimmt worden; nach dem Ahbdampfen der Flüssigkeit im Wasserbade wurde der Rück- stand bei 105° C. bis zum konstanten Gewicht getrocknet. Im sanzen wurden über 60 Experimente ausgeführt, deren Er- gebnisse ich nun folgen lasse. Die Untersuchungen über den Mechanismus der Magensaftsekretion. Es war die erste Aufgabe zu entscheiden, auf welche Weise Extrakte aus verschiedenen Organen die Sekretion des Magensaftes beeinflussen, und, falls- wirklich die Sekretion erfolgt, nachzuweisen, auf welche Teile des sekretorischen Apparates die Extrakte wirken. Versuch I. 22. November 1913. Hund „Czarny“, Gewicht 11 kg, mit Magen- und Duodenalfistel ; Duodenalfistel ist am 2. Oktober 1913 angelegt worden. Der Magen wurde in oben schon beschriebener Weise durchgespült, das Duodenum mittels Gummiballons abgesperrt. Um 8b 00’ Anfang der Beobachtung 8h 20’ gesammelt 2,0 ccm Saft ” =. 835° » 20 5„ ” sh 45° N h 0,5 ” ” „ 8h 50’ er AN subkutane Einspritzung von 20 ccm eines mit 0,360/o HCl hergestellten Fundus- extraktes (1:0,5) mit 1,3300 organischer Bestandteile „ 85 55’ gesammelt 0,4 ccm Magensaft. Das Tier ist ruhig, beleckt sich „99h 00' 0.2 „ 95 03' bis 9h 04" die Sekretion wird stärker „ 9% 05’ gesammelt 1,0 „ 9 10’ ” n 5) „A ” 268 7. Tomaszewski: Um 95 15’ gesammelt 6,5 ccm „.9h 20’ 58100055 5) yh 25° ” 8,0 » > 9h330% x 80, : ”» 9h 35 ” 9,5 2 ” 9h 40° >») 6,9 „ 9hlds) x Br; ” yR 50 INA 4,0 ” NL NUR \ an „206007 5 a, »,20.h.05° 5 1122, 210810) \ DIS N: .Die Sekretion des Magensaftes hat 13—14 Min. nach Einführung des Extraktes angefangen und dauerte 1 Stunde 10 Min. (von 9h bis 10h 10). In dieser Zeit sind 71 ccm Magensaft gesammelt worden. Das Maximum der Sekretion fällt auf 25. Min. nach der Einspritzung des Extraktes und erreicht in 5 Min. 10 ecm. Diese gesteigerte Sekretion dauerte 20 Min. und verringerte sich dann all- mählich bis auf 0,8 cem in 5 Min; hier wurde der Versuch ab- geschlossen. Während des Versuches hat man keine Symptome einer Allgemeinwirkung beobachten können. Der nun folgende Versuch veranschaulicht den Verlauf der Se- „ kretion unter dem Einfluss des Extraktes aus der Pylorusschleimhaut. Versuch II. 27. November 1913. Derselbe Hund „Czarny“ wie im Versuche I. Gewicht 11 ks. 7b Anfang des Versuches. Bis 95h. 40’ beträgt die je 5 Minuten notierte Sekretion von 0,0—0,1—0,5 ccm. Subkutane Einspritzung (in die rechte Lumbalgegend) eines mit 0,36°/o HCi in der Ver- dünnung 1:1 hergestellten, genau nentralisierten Extraktes aus der Eylorun slim ak, Der Extrakt enthält: 1,07 %/o feste Bestandteile, 0,77 °)o organische Bestandteile, 0, 30 °%/o anorganische . 9h 45’ 0,5 ccm 95.5005, 9h 55’ die Sekretion des Magensaftes beginnt 105 00' 2,5 cem Magensaft in 10 Minuten Ä 10h 05’ 3,5 „ 5 N 10.6./10° 5,0 .\, y eo e 100, 152.8.0.0 j Se 10h 20’ 2,5 , MEERE 10h 95' 2,0 , . ER ER 10h 30’ 20 , n PEST, 10h 35° 4,5, f N 106 200000 : BAR 10n 45.02. l BNESEEHN \ Gen u 4 a Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 269 Die Sekretion hat um 95h 55’, also 15 Min. nach der Einführung des Extraktes angefangen. Das Maximum der Sekretion wurde nach 25 Min. beobachtet, wobei in 5 Min. 5 ccm ausgeschieden wurden. Die Sekretion dauerte von 95 55’ bis 10b 40’, also im ganzen 45 Min.; die Gesamtmenge des sezernierten Saftes betrug 22 ccm. Es scheint mir wichtig, schon hier darauf hinzuweisen, dass in dem Pylorusextrakt 0,7700 organischer Bestandteile, d. h. beinahe zweimal weniger als in dem Fundusextrakt (1,33°/o) des ersten Versuches, enthalten waren. Gemäss der kleineren Quantität der organischen Bestandteile war auch die Sekretion viel geringer (ca. viermal) und dauerte auch kürzere Zeit (zweimal). Falls das psychische, mit der subkutanen Einspritzung der Extrakte zusammenhängende Moment eine ausschlaggebende Rolle spielen würde, müsste in beiden Versuchen die Sekretion gleich bleiben, was aber nicht der Fall war. Die psychische Sekretion fängt spätestens 5 Min. nach dem Eingriffe an, während in unseren Versuchen die Sekretion erst 14—15 Min. nach Einspritzung der Extrakte sich ein- stellte. 'Die Sekretion des Magensaftes wird auch durch einen Darım- extrakt angeregt, wie es der folgende Versuch III veranschaulicht. Versuch IIl. 16. Dezember 1913. Hund „Czarny“. Gewicht 11,70 kg. Vorbereitet wie gewöhnlich. Um 8h Anfang der Beobachtung. Keine Sekretion; Reaktion der Magenschleimhaut alkalisch, Um 95h 17’ subkutane Einspritzung (rechte Lumbalgegend) von 3,5 cem e eines konzentrierten Darmextraktes von folgender Zu- sammensetzung: feste Bestandteile . . .. 7,510, organische Bestandteile . 5,34 /o, anorganische ä ENDET, Oo. Um 9b 27’ wurde saure Reaktion der Magenschleimhaut mit Lackmus- papier festgestellt „ 9% 30’ 0,7 ecem Magensaft: Anfang der Sekretion „ 9u 35" 4,3 ” ED) 73440.:6,0 231745. 7,5 „ 9% 50' 85 ey: 7,5 10 00° 5,5 7.10.5.052.5,5 --10:.10-4,0 ©106.157.3;55 106 20',3,0 210/252 2,0 „ 105 30" 1,5 „ 10635’ 15 „ 10h 40’ 2,0 10h,A5.: 1:5 270 Z. Tomaszewski: , Um 10% 50’ 1,3 cem Magensaft OR NH NONGE N 11 6002,08. % Da bei diesem Versuche die keaktion anfangs alkalisch war, kann durch das Erscheinen einer sauren Reaktion an, der Oberfläche der Magenschleimhaut der Zeitpunkt des Beginnens der Sekretion ganz senau bestimmt werden. Die Sekretion hat 10 Min. nach der Ein- führung des Extraktes begonnen; die ersten Tropfen des Magensaftes erscheinen auch hier in Übereinstimmung mit den vorigen Versuchen nach 13 Min. Das Maximum der Sekretion fällt auf die 23. Min. Die Phase gesteigerter Sekretion (5,5 ecem bis 8,5 cem in 5 Min.) dauert 25 Min. Die Gesamtdauer der Sekretion beträgt 1 Stunde 28 Min, (von 9h 27' bis 106 55’), und in dieser Zeit sind 66,58 ccm Magen- saft sezerniert worden; auf 1 kg Gewicht des Tieres und auf 1 cem des eingespritzten Extraktes entfällt somit 1,63 cem, ” ‚Die Ausschaltung des psychischen Momentes auf eine absolut sichere Weise kann nur durch das Durchschneiden der Nn. vagi er- reicht werden. Die Durehschneidung dieser Nerven am Halse ist in operativer Hinsicht ein sehr leichter, für das Tier aber ein sehr folgenschwerer Eingriff. Ich habe eine andere, operativ vielschwierigere, aber für das Tier in ihren Folgen nicht so verderbliche Methode wie die am Halse gewählt. Ich habe nämlich gleichzeitig beide Nn. vagei in der Brusthöhle!) durehschnitten, wodurch die Pulmonal- komplikationen, welchen die Tiere meistens erliegen, vermieden wurden. Die Schwierigkeit bei der Ausführung dieser Operation beruht darauf, dass die Hunde nach Öffuung der Brusthöhle, wenn auch nur auf der einen 'Seite, nicht atmen können und ersticken. Beim Menschen besteht diese Schwierigkeit nicht, und die Brust- höhle kann ohne Gefahr auf der einen Seite geöffnet werden. Um der Erstickungsgefahr beim, Tiere vorzubeugen, habe ich während der Operation künstliche Atmung angewandt, welche in ihrer ein- fachsten, im Laboratorium von Popielski gebräuchlichen Form in der Weise ausgeführt wird, dass durch einen in die Trachea ein- führten Katheter die Luft direkt in die Lunge eingeblasen wird, was der mit der Chloroformierung des Tieres betraute Laboratoriums- sehilfe besorgt. ! Die Operation gestaltet sich in folgender Weise: Dem Hunde 7 wird subkutan Morphbium, "/s cem einer 1/oigen Lösung auf 1 ke Gewicht, eingespritzt. Unter der Kontrolle des Auges wird in die 7 1) Adelhef und Mering, Kongress für innere Medizin 1899 3. 333. — Rubaschew, Intern. Beitr. f. Pathol. d. Ernährungsstörungen Bd. 3 5.462, 1911. Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 271 Trachea ein weicher Katheter eingeführt. Das Tier wird tief, d.h. bis zum Verschwinden des Kornealreflexes, chloroformiert und in diesem Zustande wird die Narkose ca. 10 Minuten unterhalten. Ent- lang der Linea axillaris in der Gegend der neunten Rippe wird ein 6—8 cm langer Hautschnitt ausgeführt; auf die neunte Rippe werden zwei 5 cm voneinander entfernte Ligaturen angelegt, welche den Zweck haben, die Blutung bei der nächstfoleenden Resektion der Rippe zu verhindern. Die Resektion wird erst in tiefer Narkose nach Verschwinden der Cornealreflexe schnell ausgeführt, wobei 4 cm Rippe entfernt werden; in dem Momente beginnt der Gehilfe ‚Luft in die Lunge einzublasen. Mit einer Kornzange wird nun der untere Teil des Ösophagus gefasst und gegen die Öffnung des Brust- korbes gezogen; nun sieht man die Nn. vagi ganz genau als zwei starke Stränge beiderseits entlang des Ösophagus verlaufen. Ohne Schwieriekeit werden beide Nerven nahe dem Zwercehfell durch- schnitten. Ich habe gewöhnlich, anstatt die Nerven zu durchschneiden, von jedem ein Stückchen reseziert. Die Wunde in der Brusthöhle wird dann etagenweise genäht, also zuerst die Muskeln, dann die Haut; die ganze Operation dauert etwa 5 Minuten. Nach der Vagotomie treten beim Hunde Störungen in der motorischen und sekretorischen Tätigkeit des Magens auf. Weun aber dieNn. vagi sehr tief, dicht über dem Zwerchfell durchsehnitten worden sind, gelinst es, die Störungen in der Innervation der Kardia zu vermeiden. Die Hunde erbrechen dann sehr selten und nur in den ersten 3—4 Tagen nach der Operation. Dieses Erbrechen kann aber manchmal einen so hohen Grad erreichen, dass die dadurch 'entkräfteten Tiere abmagern und an Erschöpfung zusrunde gehen; _ diese Zustände kommen aber sehr selten vor. Der Hund muss nach der Operation immer nur flüssige Nahrung bekommen; wenn man ihm Brot gibt, muss man auch grössere Mengen Wasser reichen, da _ das Brot, allein gefressen, ohne dass nachher Wasser getrunken wurde, unverdaut bleibt und im Magen faulen kann, was eine Entzündung der Magenschleimhaut, eine für den Hund immer sehr ernste Er- krankung, verursacht. Um der Lungenentzündung vorzubeugen, habe ich bei manchen \ älteren Hunden eine Ösophagotomie ausgeführt und auf! diese Weise der Aspiration des Mageninhaltes beim Erbrechen vorgebeugt. Diese Operation wurde auch zu dem Zwecke ausgeführt, um zu verhindern, dass der Speichel in den Magen gelangt; durch Speichelbeimengung u 272 Z. Tomaszewski: hätte der Magensaft verunreinigt werden können, und auch die quanti- tativen Ergebnisse der Versuche könnten störend beeinflusst werden. Wir haben aber später aufgehört, diese Operation auszuführen, da es sich gezeigt hat, dass die Ausscheidung des Speichels nach der Ein- führung eines Organextraktes beinahe gar nicht erfolgt oder nur in sehr spärlicher Menge und dann immer in den ersten 5—5 Minuten nach der Einspritzung; die Quautität des ausgeschiedenen Magensaftes, dessen Sekretion erst nach 13-—15 Minuten beginnt, konnte dadurch‘ nieht beeinflusst werden. Die Schwierigkeiten, den Hund am Leben und in gutem Zu- stande zu erhalten, sind sehr gross; der Magen muss jeden Tag durch- gespült und die stagnierenden Speisereste entfernt werden; ein Ööso- phagotomierter Hund muss durch die Magenufistel zweimal täglich ge- füttert werden. Diese Fütterungsart ist aber sehr langwierig,. und deswegen haben wir, um dieses zu vermeiden, am Halse, an der Stelle der Ösophagusfistel ein Stück Wachsleinwand angeschnallt, so, dass der Hund nun allein imstande war, die ihm gereichte feste Nahrung: Brot, Polenta, Fleisch zu schlucken. Durch die Magenfistel wurde nur eine entsprechende Quantität von Flüssigkeit, Wasser, . Mileh oder Fleischbrühe eingegossen. Um die Fütterung des Hundes durch die Magenfistel zu vermeiden, haben wir auch versucht am Halsteile des Ösophagus anstatt der Ösophagotomie eine ‘der Magen- fistel ähnliche, aber kleinere Fistel anzulegen; nach 4 Tagen fiel aber das Fistelrohr gewöhnlich heraus. Das vollkommene Gelingen 7 der Operation könnte man aber vielleicht erreichen bei Anwendung *” eines möglichst leichten Fistelrohres und derselben Methode der 1 Hinausleitung der Fistel, wie es bei der Operation der-Duodenalfistel beschrieben worden ist. Es wird dann nach Entfernung des die Fistel abschliessenden Korkes der Speichel während des Versuches nach aussen gelangen, und durch das Verschliessen der Fistel mit dem Korke wird die Leitungsfähigkeit des Ösophagus wieder her- gestellt. Jeder physiologische Eingriff muss die Merkmale der Sicherheit 2 aufweisen können; deswegen musste man sich auch in unserem Falle = nach der Durchschneidung der Nn. vagi überzeugen, ob die bezweckte Ausschaltung des psychischen Einflusses auf die Sekretion des Magen- ® saftes in Wirklichkeit erreicht worden ist. Es war sehr leicht das zu beweisen, indem nach Öffnung der Magenfistel dem Hunde klein- geschnittene Fleischstückehen durch 10 Minuten gegeben wurden. Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 973 Dieses Fleisch fiel immer durch die Fistel nach aussen. Dieser Probe wurde ein jeder vagotomierter Hund unterzogen. In beschriebener Weise wurden am 20. Februar 1914 dem Hunde „Czarny“ (demselben, an welchem der Versuch vom 16. Dezember 1913 angestellt wurde) beide Nn. vagi durchschnitten. Versuch IV. 23. Februar 1914. Hund „Czarny“. Gewicht 12 kg. Nn. vagi am 20. Februar 1914 durchschnitten. Bei der Scheinfütterung keine Sekretion. - Um 85h Anfang der Beobachtung „ 85h 50’ ist die Reaktion der Magenschleimhaut alkalisch; es wurden nun 3 ccm desselben Darmextraktes, welcher im Versuche III * benutzt wurde, in die rechte Lumbalgegend subkutan ein- gespritzt 9b 00’ die Reaktion wird sauer 9h 05’ 3,0 cem 95 504,0 ., a „ 9 40'230 , 27904520 , om 50 15,., gh 55’ 1,5 , 0800. 10 ., 106 05’ 10 , RM IoR 10 10... ion 15°.0,5.%., „ 16h 20° 05 „ Die Sekretion hat 10 Min. nach Einspritzung des Extraktes ‚angefangen und 1 Stunde 20 Min. lang gedauert (von 9h bis 10h 20°); in dieser Zeit wurden 58,5 ccm Magensaft ausgeschieden. Auf 1 kg Gewicht und 1 ccm des Extraktes entfällt 1,6 ccm, also ebensoviel wie im Versuche III, welcher bei noch intakten Nerven angestellt wurde. An demselben Hunde wurde der Versuch mit demselben Darm- extrakte wiederholt; die Sekretion, wie das der folgende, Versuch V veranschaulicht, war ein ‚wenig geringer. Versuch V. 16. März 1914. Hund „Czarny“. Gewicht 13 kg. Nn. vagi am 20. Februar 1914 durchschnitten. Der Hund erbricht nicht, hat guten Appetit. Um 85 Anfang der Beobachtung Bis 85h 30’ 2,5 cem neutral reagierende Flüssigkeit Oh An 2 > 3 ; D Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 18 274 Z. Tomaszewski: Bis 9h 00'.0,3 ccm neutral reagierende Flüssigkeit. Es wurden nun subkutan 3 ccm desselben Extraktes, welcher in den Versuchen III und IV benutzt win ein- gespritzt 9h 10’ 0,0 „ Reaktion wird sauer = 7 Er) » = > Ey N er) m (>) =2 eV) [e=} S SHmHHHuoHrm ePePPRrouıunoe 9 no > „10h ııh Die Sekretion hat 15 Min. nach Einführung des Extraktes angefangen und dauerte bis 10h 50’, d. h. 1 Stunde 35 Min. In dieser’ Zeit sind 38,5 cem Magensaft ausgeschieden worden. [Sr [211 — So ae &) (=>) o [211 Ki Im Folgenden werden noch einige Versuche an vagotomickten Hunden sn {723 Versuch VL 10. an 1918. SER Lupt . "Gelber Hund „Mysliwy“. Gewicht 26 kg, mit Magen- an! Duo- denalfistel, Ösophagotomie und beiderseitiger intrathorakaler Vagotomie, Um 8h 00’ Anfang der Beobachtung 8b .15'.0.0 cem »..95 00’ 0,0 „ Reaktion neutral „ 9b 11’0,0 „ in die rechte Lumbalgegend werden subkutan 20 ccm eines mit 0,36°o HCl aus der Pylorus- schleimhaut im Verhältnis 1:0,5 hergestellten Extraktes eingespritzt Gesamt-Azidität Freie HCl Pepsin 95.25’. 1,0 „ Magensaft — — BE: „ 9h 40'270 , ; 0} 100 60 NONE 130 120 40. 10B.10:.49.- i 102 95 _ ET Me 3 * Über die chemischen Erreger der »Magendrüsen. I. 275 Gesamt-Azidität Freie HCl Pepsin Um 105 25’ 2,0 cem Magensaft} 72108 40.14, 3 h 81 63 40 ee Die Sekretion hat 14 Min. nach Einführung des Extraktes angefangen und dauerte 1 Stunde 30 Min.; in dieser Zeit wurden 52,4 ccm Magen- saft ausgeschieden. Wie die chemische Untersuchung zeigt, besitzt dieser Saft ausgesprochen peptische Eigenschaften. Versuch VII. I Mai 1913. Derselbe gelbe Hund „Mysliwy“, an welchem der Versuch VI an- gestellt wurde. Gewicht 26 ke. Um 85 30’ u der Beobachtung .Gesamt-Azidität Freie HCl (Kongo) „ 95 00’ 0,5 cem Magensaft Pu — SEN Le 5 3 — subkutan werden nun 20 ccm desselben Pylorus- schleimhautextraktes, welcher im Versuch VI ver- wendet wurde, eingespritzt. Gesamt-Azidität Freie HC] (Kongo) =] „ 9h 40’ 3,5 cem Magensaft 52 + on 13'050 ., ’ 108 u „08 10' 14,0, ; 128 N aha 55. ' 96 Hi ao. a, ’ 81 ep ons ı1s., $ 83 x Eile 08, / 57 a> Anfang der Sekretion 15 Min. nach Einspritzung des Extraktes, Maximum nach 30 Min., Gesamtdauer 1 Stunde 50 Min. In dieser Zeit sind 52,9 ccm Magensaft, d. i. beinahe genau soviel wie im vorigen Versuche ausgeschieden. Die chemische: Untersuchung ergibt, dass dieser Saft Eigenschaften eines normalen Magensäftes besitzt. Einen ausgesprochenen Einfluss auf die Sekretion hat der sub- kutan eingeführte Extrakt auch aus der Fundusschleimhaut beim vaeo- tomierten Hunde; diesen Einfluss illustriert das nun folgende v2 . suchsprotokoll. - Nr Ve Versuch YVIIa. 12. April 1913. Derselbe gelbe Hund „Mysliwy“, an welchem der Versuch VII angestellt wurde. Beiderseitige intrathorakale Vereins Um 8h 00’ Anfang der Beobachtung 8h 55’ aufgefangen 2,0 ccm einer schwach sauren Flüssigkeit; Reaktion auf freie HCl nesativ. ‘In die rechte Lumbal- gegend werden subkutan 20 ccm eines Extraktes aus der Fundusschleimhaut, jedoch von einem anderen Magen stammend als der Zum Versuch VII benutzte Pylorusextrakt, eingespritzt. "Der Extrakt wurde im Verhältnis 1,0 : 0,5 vorbereitet ” 187 Um 9h „u o 9h erg „105 „10h 10h - 10h 11h 10’ 25 40' 55" 10' 25° 40' 55' 10’ Ze Tomaszewski: Gesamt-Azidität Freie HCl Pepsin + (Edestin-Methode) 0,0 ccm Magensaft _— — — 190 \ 95 85 62,5 24,0 „ & 130 120 _ 13,0 „ = 130 120 22,0 20 ® 120 110 _ SUN, ? 120 110 — 45 „ x 100 80 _ 0, 3 75 60 - — en 5 64 41 62,5 Anfang der Sekretion 15 Min. nach Einführung des Extraktes, Dauer der Ausscheidung 1 Stunde 45 Min.; in dieser Zeit sind 82,5 cem Magensaft ausgeschieden worden. Um &h 10’ Anfang der Beobachtung Gesamt-Azidität Freie HCl 45' 1,5 ccm Magensaft 7 — 15' 0,0 » B) 1 FR 20’ 0,0 „ in die rechte Lumbalgegend werden 13 ccm eines aus der Fundusschleimhaut des Schweine- magens mit 0,3600 HCl im Verhältnis 1,0: 0,5 (= 1,0 Schleimhaut auf 0,5 ccm HCl) vor- bereiteten Extraktes subkutan eingespritzt Gesamt-Azidität Freie HC] . Magensaft (R. sauer) (Koago ) Pepsin 30' 1,0 \ 34'. Die Sekretion age en — 13,0 ccm 70 55 62,5 42" 7,0 45' 3,0 50’ 5,0 55" 4,0 "—=125 „ 115 105 _ 00' 3,9 05’ 3,0 10' 1,0 |- 9,95, 120 110 100,0 1 1,5 20’ 05 1 N 106 93 = Sonn 08 j 35' 0,7 \ } 40’ 0,5 — 1,6‘, 70 60 80,0 45" 0,4 j Versuch VII. 5. Juli 1913. Hund „Nerus“. Gewicht 13 kg, mit Magen- und Duodenalfistel. Am 1. Juli 1913 intrathorakale beiderseitige Vagotomie (aus beiden Nerven sind kleine Stücke reseziert worden). an EEE hie N ” TE bias ae Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 277 Die Ausscheidung des Magensaftes hat 14 Min. nach Einführung des Extraktes angefangen und dauerte 1 Stunde 15 Min. Die in dieser Zeit sezernierte Gesamtmenge des Saftes beträgt 34,1 ccm. Das Maximum der Sekretion fällt auf die 20., das Maximum der Azidität auf die 44. Min. nach Einführung des Extraktes, Wie der nächstfoleende Versuch beweist, beeinflusst auch der Extrakt aus der Museularis die Magensaftsekretion in derselben Weise wie die Schleimhautextrakte. Versuch IX. 9. Mai 1913. Hund „Czarny“. Gewicht 27 kg, mit Magen- und Duodenalfistel. Um 95 00’ Anfang der Beobachtung Gesamt-Azidität Freie HCl 9h 10’ 1,0 cem Magensaft — en 90.,95...2,0: °, = — — » 210: 2,0 b) ” DT: EL „ gu 557, 20 „ » Kan, ER „ 106 10'’10 „ S = '— in die rechte Lumbalgegend werden nun subkutan eingespritzt 20 cem des Muscularis- extraktes aus demselben Magen, dessen Pylorus zur Herstellung des Extraktes für den Versuch VII verwendet wurde. Um 10h 25’ 1 cem Magensaft Gesamt-Azidität Freie HCl "108 40% 8,0. , s „ 10h 55’330 „ - 110 90 ik 10° 26.0. , s 130 120 0 1195% 15.0. -, \ 115 100 Herz eh 40" 16,0. , 2 115 100 Min 55" 90; 5 110 95 ars, . 75. 55 »: 12010 9, ” Die Sekretion fängt 15 Min. nach Einführung des Extraktes an und dauert 1 Stunde 45 Min. In dieser Zeit sind 112 ccm Masgen- saft ausgeschieden worden; es entfällt demnach auf 1 kg Gewicht und 1 cem des Extraktes Us cem, also soviel wie im Versuche VII unter dem Einfluss des Pylorusextraktes. Dieses Ergebnis ist nicht zufällig; es beweist, dass in dem IX. Versuche das psychische Moment nicht mitgespielt hat und zeigt, dass die Schleimhautextrakte aus dem Pylorus und Fundus, auf möglichst gleiche Weise hergestellt, qualitativ und quantitativ ganz dieselbe Wirkung haben. Obwohl ich mein Augenmerk speziell auf die Sekretion des Magensaftes richtete, habe ich in manchen Versuchen auch die Gallen- sekretion beobachtet und zu diesem Zwecke die sonst immer ge- schlossene Duodenalfistel während des Versuches offen gelassen. ? 278 Z. Tomaszewski: Versuch X. 11. April 1913. Hund „Uzarny“. Gewicht 27 kg mit Magen- und Duodenal- fistel. Nach Einführung des Gummiballons in das Duodenum blieb die Duodenalfistel offen. | Um 85h 00’ Anfang der Beobachtung | 9h 30' die ganze Zeit bisher war die Reaktion neutral. Es wurden subkutan 20 cem des Muscularisextraktes ein- gespritzt, welcher aus demselben Magen stammt, dessen Pylorus und Fundus zur Herstellung der Extrakte für die Versuche VII und IX benutzt wurden. Dieser Extrakt wurde mit 0,36% HCl im Verhältnisse 1,0:0,5 vor- bereitet 9h 42’ Anfang der Sekretion des Magensaftes. Gleichzeitig setzt aus der Duodenalfistel eine reichliche Sekretion der Galle . ein; die Ausscheidung der Galle dauert während des ganzen Versuches fort und verringert sich gleichzeitig mit dem Nachlassen der Magensäftsekretion. Gesamt-Azidität Freie HCI' Pepsin » Um 9h 45’ 6,5 ccm Magensaft 100 90 160 108007 45.05, ö ja 400 ei 10h 151.550... i 140 . 130 62 "106 502. 98.0:. i 145 ° 135 = „10h 45,230. , an 30 62 „11h 00’ 20,0 „ ie 75 60 a 45100. i un re Be Le lumene er) ke 2 35 ae a RE NE 95 5 Men Der Anfang der Sekretion fällt auf die 12., das Maximum auf die 30. Min. nach Einführung des’ Extraktes. Die Ausscheidung dauert . von 9 Uhr 42 Min. bis 11 Uhr 15 Min., d. i. beinahe 1'/2 Stunden. : In dieser Zeit wurden 197,5 ccm Magensaft aufgefangen, es entfallen _ somit auf 1 kg Gewicht und 1 ccm des Extraktes ®%ıoo cem. Dieser Versuch ergibt auch, dass gleichzeitig mit der Magensaftsekretion sich auch die Gallensekretion einstellt, und obwohl der Sekretionsvorgang einer genaueren Untersuchung nicht unterzogen wurde, verdient er er- wähnt zu werden, da er auch bei anderen Versuchen beobachtet wurde. Die Untersuchungen an vagotomierten Hunden ergeben, dass die Organextrakte peripher wirken; es war nun wichtig, den Angriffspunkt dieser Wirkung näher zu bestimmen. Die Wirkung der’ Extrakte könnte sich erstrecken: a) entweder auf die Endigungen der auto- nomen, sekretorischen, in den N. vaeci verlaufenden Nerven, oder b) auf die Endigungen der sekretorischen, sympathischen Nerven, oder ec) auf die Drüsenzellen allein. i Im Atropin besitzen wir ein Mittel, welches uns gestattet : die Endigungen der autonomen Nerven, die durch das Atropin gelähmt. BU Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 279 werden, auszuschalten. Die Versuche mit dem Atropin haben aber das Störende, dass das Tier nach der Einspritzung sehr aufgeregt ist, schreit, sich herumschleudert und sich vom Ständer loszureissen ver- sucht. Das unruhige Verhalten des Tieres erschwert das Sammeln des Mägensaftes sehr, so dass ein Teil immer auf diese Weise verloren- geht; deswegen sind auch die in Zahlen angegebenen Mengen des aus- gesehiedenen Saftes in diesen Versuchen niedriger als in Wirklichkeit. Für die Atropinversuche habe ich einen von Natur aus sehr ruhigen und geduldigen Hund seRallı, Versuch XI. 30. Mai 1913. " Hund „Kudlaty I“. Gewicht 18 kg, ot Magen- und Duodenalfistel. Um Ih 3a. subkutane Einführung (in die linke Lumbalgegend) von 1 cem 1°Joiger frisch vorbereiteter Lösung von Atropinum En, sulfuricum ‚. g9h a0 Pupillen erweitert, reagieren auf Licht 9b 45’ maximale Erweiterung der Pupillen, keine Reaktion auf Licht; Nase trocken 3 95:50’ der Hund stark aufgeregt, wirft sich herum und schreit. In der rechten Lumbalgegend werden subkutan 20 ccm desselben Muscularisextraktes, welcher beim Versuche IX 0 © sam Hunde „Czarny“ benutzt wurde, eingespritzt „10h 00’ keine Sekretion: der Hund aufgeregt „106 05’ Anfang der Sekretion Gesamt Aridität Freie HCl "„ 10h 10’ 18 ccm Magensaft 115 105 wiss. : 5 105 on 5: \ ls . 105 MoRas' 3° : 15 105 „10650! 2., $ ? ? ° der Hund schreit, bellt, schleudert sich fortwährend herum und atmet schwer. Der Versuch wurde daher abgebrochen und der Hund losgeschnallt. Ein Teil des Magensaftes ist ver- lorengegangen. BR Li ' N Der Anfang der Sekretion, welche 35 Min. beobachtet wurde, fällt auf die 15. Min. nach Einführung des Extraktes; in dieser Zeit wurden 43 cem Magensaft gesammelt. Wenn wir berücksichtigen, dass erstens ein Teil des Magensaftes verlorengegangen ist und zweitens der Versuch früher als die Sekretion des Magensaftes aufhörte, ab- geschlössen wurde, so kann ohne grossen Fehler die Quantität des nach Atropin ausgeschiedenen Magensaftes mit 50 ccm angenommen werden. ' Die Azidität dieses Saftes ist normal. Auf 1 kg Gewicht und 1 cem des Extraktes entfallen °/ss ccm. Unter dem Einflusse des- selben Muskularisextraktes im Versuche IX am Hunde „Özarny“ habe ich bei der Umrechnung auf 1 kg Gewicht und 1 ccm Extrakt ?/a6 cem, . eine von' der obigen sehr wenig abweichende Zahl erhalten. : Aus diesem Versuche folgt, dass die Organextrakte un die Endigungen der 280 Z. Tomaszewski; autonomen Neryen keine Wirkung ausüben. Es könnte sich nun handeln, entweder um die Wirkung auf die Endigungen der sympathischen Nerven oder auf die Drüsenzellen allein. Die sympathische Innervation der Magendrüsen ist nicht bewiesen, obwohl sehr wahrscheinlich. Wenn wir in Erwägung ziehen, dass die Sekretion des Speichels und des Pankreassaftes infolge Reizung der sympathischen Nerven nur sehr unbedeutend ist, können wir in Anbetracht der reichlichen, unter dem Einflusse der Organextrakte erfolgenden Magensaftsekretion mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuten, dass die Extrakte nur auf die sekretori- schen Zellen der Magendrüsen allein ihre Wirkung ausüben. Es wäre nun noch die Frage zu streifen, ob der Einfluss der Organextrakte auf die Magendrüsen bei subkutaner Einführung die einzige Wirkung dieser Extrakte ist, oder ob sie noch eine andere entfalten können. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann man auf Grund des Versuches Nr. IX behaupten, dass die Extrakte die Gallensekretion in förderndem Sinne beeinflussen. Die allerdings sehr unbedeutende Sekretion des Speichels beobachtet man nur die ersten 5 Minuten nach der Einführung des Extraktes, ; Ich habe auch Gelegenheit gehabt, den Einfluss des Extraktes auf die sekretorische Tätiekeit der Bauchspeicheldrüse zu beobachten. Zu dem diesbezüglichen Versuche wurde der Hund „Czarny“, welchem anfangs nur die Magen- und Pankreasfistel (Mitte März 1913) angelest worden sind, verwendet. Während der Sommerferien 1913 ist die Pankreasfistel zugewachsen, worauf man dem Hunde die Duodenalfistel anlegte, und ihn zu den oben beschriebenen Ver- suchen verwandte. Versuch XI. 4. April 1913. Hund „Czarny“. Gewicht 10!/e kg, mit Magen- und Pankreas- fistel (gleichzeitig angelegt am 15. März 1913). Um 85 00° Anfang der Beobachtung Pankreassaft „...9h 00’ 0,0 cem Magensaft 0,8 ccm 2), 9h 45" 0,0 ” Ö ” 0,3 „ „.10h 00’ 0,0 „ „ (Reaktion schwach sauer) 0,1 „ In die linke Lumbalgegend wurden 12 ccm eines Pylorusschleimhaut- extraktes, welcher mit 0,36°0 HCl im Verhältnisse 1:0,5 vorbereitet wurde, subkutan eingespritzt. Dieser Extrakt wurde nicht gekocht; nach der Neutralisierung mit Natr. bicarbon. und Filtrierung deutliche Opaleszenz. 10h 14’ Anfang der Sekretion des Magensaftes Pankreassaft ‚„ 10h 15’ 0,6 ccm Magensaft 0,1 ccm (Hund schläft) ” 10h 20° 1,8 ” ” 0,1 » R' R. 9 7 Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 281 Pankreassaft Um 105 30’ 4,6 ccm Magensaft 0,1 cem 10545. 70 , = 0,0 ,„ (Hund ist ruhig) „41500 5,0, » 20, in ı55:, i 00% er 11 h 30’ 3,9 b>] p)] 0,0 ” 14.45°1.5 , - DORT: ” Eine Sekretion des Pankreassaftes fand nicht statt, dagegen sind im Verlaufe von 1!/s Stunden 26!/a ccm Magensaft ausgeschieden worden. Die Symptome der Allgemeinwirkung nach einer richtig ausgeführten subkutanen Injektion des Extraktes treten nicht auf, Ausgesprochene Veränderungen des Blutdrucks treten, wie das Studziuski durch seine Versuche mit Darmextrakten nachgewiesen hat, nach Einführung soleher Mengen, wie ich sie in meinen Versuchen gebrauchte, nicht auf; die Blutdrucksenkung ist nur sehr gering, kaum angedeutet. Die Gerinnung des Blutes habe ich nicht untersucht. Die Wir- kung intravenös eingeführter Extrakte aus verschiedenen Organen ist schon früher durch Popielski!) einer eingehenden Untersuchung unterzogen worden. Es hat sich gezeigt, dass auf die intravenösen Einspritzungen eines jeden dieser Extrakte immer ein und derselbe komplizierte Symptomkomplex, welcher durch Popielski genau physiologisch analysiert worden ist, folet. In drei weiter unten angeführten Versuchen habe ich den Ein- fluss der intravenösen Einführung, insbesondere der Pylorus- und Fundusschleinihautextrakte, auf die Magendrüsen studiert. Versuch XIII. 4. April 1913. Fortsetzung des Versuches Nr. XII am Hunde „Czarny‘. Um 12 Uhr 25 Min. wurde in die V. saphena eine Glaskanüle eingeführt und um 12 Uhr 30 Min. der Hund an den Ständer angeschnallt. ; Pankreassaft Um 12h 30' 0,0 cem Magensaft 0,0 ccm „ 12h 441’ 0,0 „ h 0,0 „ in die V. saphena werden 51/g ccm des Extraktes aus der Fundus- schleimhaut (1:0,5) eingeführt _„ 12h 45’ der Hund wirft sich umher, Atmung beschleunigt „ 12h 46’ 50” 0,0 cem Magensaft 1 Tropfen des Pankreassaftes a 0:0; 5 2 » » » E) 12h 48’ 0,0 n 2) d $)) ” b) ‚” 12h 49’ 0,0 » 12 ” ” b,] l) Popielski,l. c. - 282 Z. Tomaszewski: Um 125 50' 0,0 cem Magensaft 9 Tropfen des Pankreassaftes ” 12h 51 0,0, ” 4 3. lan x n n 12h 52' 0,0 ” ” 2 ” ” ” ” jan 53° 0,0 » ” 3 » » 6) la 0,0 5 „ a n n » 12h 55’ 0,0 1 2) $ ” „ 12h 57’ Anfang der Sekretion 1 I Ye 3 Er) 12h 58" 1 » ” A 02 Eh OO d.DNlccm Magensatt 2 N in 2 Minuten, » IR20s, 02 „ » 3 » „9 Rn nls 0,3 „ 7 a) ‚In die Y. saphena werden 5l/e ccm. He 'Ex- traktes aus der DEU u nn] ein- geführt » ..15 15’ 30” der Hund wirft sich umher, aber nicht stark ER. TG 0,1 cem Magensaft (Hund ruhig) 0 Tropfen H » iR 18, pn ” 0 5) N 14187 30% — » D) | 1 » » 1b 20) Di, D) 0 ” OD La 21° 0,1 ” 0) 1 D) a N 0,05 „ H 0 n muy. KO,0B, a 1.6.1057 4.0,05 \, h il er ” 15,307; 0.1 ;,, R: 3 „. Indie V. er saphena werden 1? ccm desselben Extraktes aus der Pylorusschleimhaut, wie vorher eingeführt. 1h 30° 10" der Hund wirft sich umher ” 1 h 30' 20 2 ” n ” ” „2. 15.80''30% Aufregung ls a EL ir Hund ruhig hr 0,1 ccm Magensaft 0 ccm Pankreassaft ss, 00 „ u 2 Tropfen D) ıh 34 9,17, 3 Bien, ” 1 h 38 ; 0,1 ” ” 4 e)] » 1h 36' 0,1 D) » 2 .» ” ne, 0,1 » » 1 » N Nach der ersten Einführung erfolgt eine ziemlich reichliche Sekretion des Pankreassaftes in der Weise, wie es gewöhnlich nach der Einführung des Vasodilatins in die Blutbahn der Fall ist. Der Magensaft wurde eigentlich gar nicht abgesondert. Die ganz unbedeutende Menge der sauren Flüssigkeit, die 1% Min. nach Einführung des Extraktes zum Vor- schein kam, konnte von der mechanischen Auspressung‘ der in den . Schleimhautfalten übrig gebliebenen Magensaftreste abhängig sein. Die Ursache dieser Auspressung sind gesteigerte Bewegungen der Magen- wände bei plötzlich infolge Einführung des Extraktes ‘in das Blut sich einstellender Blutdrucksenkung. Nach der zweiten Einführung sind } schon Symptome der Immunisation aufgetreten, die Allgemeinwirkung ist sehr schwach und von kurzer Dauer; dementsprechend war die Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1]. 283 Sekretion des Pankreassaftes kaum angedeutet, und auch die Magensaft- sekretion war sehr geringfügig. Nach der dritten Einführung des Ex- traktes in 21/a so grosser Menge war die Allgemeinwirkung deutlich und dementsprechend auch die Pankreassaftsekretion ausgiebiger; die Sekretion des Magensaftes erfolgte nicht. Im folgenden Versuche habe ich den 0,77 °/o organischer Bestand- teile enthaltenden Pylorusextrakt intravensös ganz langsam eingeführt, um die langsame Resorption subkutan eingeführter Flüssigkeiten möglichst nachzuahmen. Versuch XIV. 20. November 1913. Hund „Kudlaty‘. Gewicht 17 kg. In die V. saphena wurde eine Glaskanüle eingeführt und der Hund am Ständer angeschnallt. Um 95h 00' Reaktion alkalisch „ 9b 05° 0,0 ccm Magensaft 9h 10’ 0,0 „ „ Reaktion alkalisch h 9h 12’ Es wird mit der Einführung von 20 cem eines0,77°/oorganischer Bestandteile ent- haltenden Pylorusextraktes angefangen. Re ‘ eingeführt 2 ccm » 9b 15° » 4 » n ab ” a „9 19" le 250" 20 _, „ ausgeschieden. Hund ein wenig unruhig. i Die intravenöse Einführung von 20 ccm - Extrakt beendet, dauerte also 9 Min. A £ aa 0,5, 1 re „ mit Gallenbeimengung 2 3340°.0,5 , » Aus der Magenfistel sind insgesamt 5 ccm mit Galle gemischter Flüssigkeit, die auf Lackmus sauer reagierte, ausgeschieden; eine ge- naue Aziditätsbestimmung wurde nicht vorgenommen. Da bei dem Versuchstiere die Ösophagotomie nicht ausgeführt wurde, war in der aus dem Magen ausgeschiedenen Flüssigkeit ausser Galle auch Speichel vorhanden; die Menge des Magensaftes war also mit Rücksicht darauf sicher nur sehr gering. Ähnlich wie im vorigen Versuche (XIII) wurde dieser Saft auch hier aus den Falten der Magenschleimhaut mechanisch ausgepresst. Dieselbe Menge desselben Pylorusextraktes wurde jetzt in die Vene rascher als vorher, also in 4!/ı Min. eingeführt. Um 9h 42’ Anfang der Einführung „ 9% A2l/a’ 0,0 ccm Masensatt. Eingeführt 4 cem in 30: Sek. 9b 431/,’ 0.0 ;, N 5 Ally N a Fe Ä a he kn GENE . 94.1514:0,.0°, 2 h SUR S30 N), „ 94614’ 0,0 , 5 Ann 90 die Einführung‘ von 20 ccm Extrakt beendet - 284 Z. Tomaszewski: Um 9h 50’ 0,9 cem Magensaft. ; OH 5 I ” 10h 00’ 0,9. ” ) 106057 °.0,5 7, & Im Verlaufe von 20 Min. sind 3,9 cem Flüssigkeit aus dem Magen ausgeschieden worden; demgegenüber betrug die Menge des sezernierten Saftes nach der subkutanen Einspritzung des Extraktes 35 ccm. In der Fortsetzung dieses Versuches wurde die intravenöse Ein- führung mit derselben Schnelligkeit ausgeführt, es wurde aber anstatt des Pylorusextraktes ein konzentrierter, 6,276 °/o organische Bestand- teile enthaltender, oft zu den Versuchen verwendeter Darmextrakt zur Einspritzung gewählt. Von 105 17!/g’ bis 10h 18’ wurden in die Vene 4 cem des konzen- trierten Darmextraktes eingeführt. Um 10h 18!/2’ 1 . Hund unruhig, beleckt sich; die Sekretion wird grösser. ‚» ccm Magensaft mit Gallenbeimengung Binnen 37 Min. wurden aus der Magenfistel 7 ccm einer saueren, mit Galle gemischten Flüssigkeit gesammelt. In dieser Flüssigkeit war zweifellos auch Speichel vorhanden, weil der Hund, wie während des Versuches beobachtet wurde, sich abschleckte; die Quantität des Magensaftes an und für sich dürfte also nur sehr gering gewesen sein. Gleiche Menge desselben Extraktes wurde sulkutan eingespritzt. Um 10h 55’ subkutane Einspritzung (4,0 Ba in die rechte Lumbalgegend 115 00’ 0,8 ccm Magensaft. 11h 05'135 , N 11h 08° die Sekretion wird stärker 11& 10° ala ln 11h 20° ar 11h 30’ 11h 35° 11h 40° 11h 45’ 11h 50° 11h 55’ 12h 00’ 12h 05° 12h 10’ 12h 15’ Mc © < nno Er ER „rom mn or NOUNSoS 9 wmun oo 0090 Skrrareo Er Über die chemischen Erreger der Magendrüsen 1. 2385 In 1 Stunde 10 Min. sind 50,8 ccm Magensaft ausgeschieden worden. Auf 1 kg Gewicht und 1 cem des Extraktes entfällt demnach 0,81 cem. Die Einspritzung ganz gleicher Menge des Extraktes ergab bei demselben Hunde am 10. November 1913 die Ausscheidung von 1,07 ccm Magensaft auf 1 kg Gewicht. Es folgt ein Versuch mit intravenöser Einführung eines, 1,33 °/o organischer Bestandteile ent- haltenden Fundusextraktes, welcher an demselben Hunde am 22. No- vember 1913 (Versuch I) bei subkutaner Einführung geprüft wurde. Die Einführung geschieht im langsamen Tempo aus einer, mit der Vene verbundenen Bürette. Versuch XV. 19. November 1913. Hund „Czarny“. 11 kg Gewicht; mit Magen- und Duodenaliistel. Aus dem Magen keine Sekretion; Reaktion alkalisch. Um 9% 35’ Anfang der intravenösen Einführung des Fundusextraktes 9h 37' Reaktion der Magenschleimhaut wird sauer; Hund ein wenig unruhig, beleckt sich „ 9b 38’ 4 ccm Extrakt eingeführt. In den Magen gelangt die Galle gran 7 5 Eu H Magensaft ganz rein “9545.15. ., \ 5 Einführung von 15 ccm des Extraktes beendet; Hund ruhig „ 945’ 2,0 „ Magensaft ausgeschieden ” gb 50’ 1 0,5 DE ” » woh55r 05°, 5 S eo 20, » = 105,05 ..08. , 2 » Bo 10 0,7. = a N 10h 15’ 0,3 ” » » Pe 20.0.2 |, 3 Die Sekretion hat 2 Min. nach Einführung des Extraktes an- gefangen und, wenn die Ausscheidung von 0,2 ccm in 5 Min. als Ende der Sekretion angenommen wird, im ganzen 43 Min. gedauert. Inner- halb von 43 Min. wurden aus der Magenfistel 7 ccm einer saueren, mit Gälle gemischten Flüssigkeit, in welcher zweifellos auch Speichel vorhanden war — das Versuchstier wurde nicht ösophagotomiert —, gesammelt; auf 1 kg Gewicht und 1 ccm des Extraktes entfällt dem- nach 0,07 ccm. Nach subkutaner Einführung von 20 ccm desselben Extraktes, demselben Hunde am 22. November (Versuch I), sind 71 cem Magensaft (auf 1 kg Gewicht und 1 ccm Extrakt 2,5 ccm) ausgeschieden worden. ‚ Aus den Versuchen mit intravenöser Einführung der Extrakte ist wohl ersichtlich, dass eine eigentliche Magensaftausscheidung in keinem Falle stattgefunden hat. Den geringen Mengen der aus der 286 Z. Tomaszewski: Magenfistel gesammelten, mit Galle verunreinigten Flüssigkeit war auch Speichel beigemengt, da die Versuche an nicht ösophagoto- mierten Tieren angestellt wurden und während. des Versuches, wie schon oben bemerkt, die Tiere sich abschleckten. Die Quantität des eigentlichen Maeensaftes dürfte nur sehr gering gewesen sein, So dass sie nicht als Sekretionsprodukt, sondern bloss als Folge der mechanischen. durch Kontraktion der Magenwand bewirkten Aus- pressung aus den Magenschleimhautfalten betrachtet werden muss. Diese Kontraktion der Magenwand stellt sich bei plötzlicher, der intravenösen Einführung der Extrakte folgenden Blutdrucksenkung ein; als Begleiterscheinung der Flüssigkeitsabsonderung (Auspressung) ‘aus dem Magen beobachtet man tatsächlich Symptome der all- gemeinen Wirkung des eingeführten Extraktes, und zwar die Auf- regung der Versuchstiere. Ein zwecks Prüfung des Verhaltens des Blutdruckes angestellter akuter Versuch ergab, dass die verwendeten Fxtrakte den Blutdruck ganz ausgesprochen erniedrigen, womit sich nur die bereits bekannte Tatsache bestätigt, dass die Organextrakte infolge Wirkung des in ihnen enthaltenen Vasodilatins eine Blut- drucksenkung hervorrufen. Die Versuche von Edkins haben eine ganz andere Bedeutung, als ihnen der Autor selbst und die Anhänger der Hormonentheorie 4 zugeschrieben haben. Vor allem muss betont werden, dass Edkins nicht die Sekretion des Magensaftes, sondern nur eine ganz unbedeutende Aziditätserhöhung (Gesamtazidität in den einzelnen Versuchen: 0.0022% — 0,0057%0 — 0.0147% — 0,033 %/o — 0,036 Io — 0,096 % — 0,0125 %o — 0,0164 ®o) der in den Magen eingeführten 0,9 %oigen NaCl-Lösung festgestellt hat. Nach Einführung der Ex- trakte in die Blutbahn beobachtete Edkins starke Blutdrucksenkung, was, wie Popielski nachgewiesen. hat, eine Steigerung der Magen- uud Darmbewegeungen zur -Folge hat; die verstärkten Magen- bewegungen können nun zum mechanischen Auspressen der in den Schleimhautfalten befindlichen Magensaftreste führen. Um die Frage der Magensaftabsonderune möglichst: beiriediachl entscheiden zu können, habe ich nach der Methode von Edkins (Journ. of Physiol. vol. 34. p. 138—139. 1906) Versuche an Katzen angestellt. In sieben auf diese Weise ausgeführten Experi- menten habe ich tatsächlich eine unbedeutende Ansäuerung der in den Magen eingeführten NaCl-Lösung festgestellt. Die Katzen wurden 24 Stunden vor dem Versuche nicht mehr gefüttert, um eine Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1 2387 selbständige Sekretion des Magensaftes möglichst zu vermeiden, es war aber damit noch keine Gewähr gegeben, dass die Sekretion des Magensaftes tatsächlich nicht erfolgen würde. Um die Schleimhaut- falten auszuglätten und etwaige Magensaftüberreste möglichst eründ- lieh zu entferuen, wurde der Magen vor der Injektion der Extrakte unter hohem Druck gründlich ausgespült; aber auch diese Vorsichts- ‚ maassregel konnte nicht dafür bürgen, dass keine Magensaftreste auftreten würden. Sämtliche Versuche sind an Katzen mit durch- schnittenem Rückenmarke (unterhalb der Med. oblongata) ausgeführt, und der Gang der operativen Vorbereitung der Versuchstiere war folgender: Es wurden freigelegt: Art. carotis dextra zwecks Blutdruck- _ messung und Vena jugularis sin. zwecks Einführung der Extrakte; demnächst Tracheotomie, Rückenmarksdurchschneidung unterhalb der _M. obloneata und künstliche Atmung mittels Press- und Saugpumpe. Nach Eröffnung der Bauchhöhle wurde oberhalb der Cardia eine Ligatur angelegt; nachdem auch das duodenale Ende des Magens abgebunden wurde, habe ich in den pylorischen Teil eine Glaskanüle eingeführt, mit einer Ligatur fixiert und die Bauchwunde, bis auf eine kleine, für die nach aussen führende Kanüle bestimmte Öffnung mit Peans ‚abgeklemmt. Versuch I. 16. November 1912. :Katze,. Gewicht 2800 g. In üblicher Weise vorbereitet. Vor dem Versuche fastet das Tier 24 Stunden. Die Extrakte für diesen Versuch wurden frisch aus zwei Hundemagen hergestellt. Azidität der NaCl- Lösung im Magen nach 15 Minuten, ausgedrückt In den Magen wurden einseführt Kubikzenti-|I" die V. jugul. wurden Zeit meter 9%oige NaCl- eingeführt a in and Lösung Eier DELLanı jo NaOH 0) - 10b 30’! Der Magen wird mehrmals mit je 100 ccm 0,9°/oiger NaCl-Lösung ausgewaschen 10h 55’ 25 . — 2,0 11h 10’ 25 — 1,0 11h 23’ "25 = weniger als 1,0 11% 35'] Wiederholte Waschung des Magens mehrmals mit je 50 ccm 0,9P/oiger NaCl-Lösung 12h 2’ 25 — — 12h 5’ — 4 cem Extrakt aus der — Museularis fundi 12h.20'|.. _ —_ 3,0 288 Z. Tomaszewski: (Versuch I, Fortsetzung.) Azıdität der Nacı- Lösung im Magen nach 15 Minuten, ausgedrückt In den Magen wurden eingeführt Kubikzenti-|In die V- jugul. wurden Zeit meter 9%Yoige NaCl- eingeführt Kubikzenti-| in Kubikzentimetern Dosnne meter Extrakt N Na0H % 10° 12h 21’| Waschung des Magens einmal mit 50 ccm 0,90%oiger NaCl-Lösung 12h 25’ 25 — .— 12h 27’ — 5 ccm Extrakt aus der — Museularis fundi 6 12h 42! == — 6, 12h 57' 25 4,5 ccm Extrakt aus der — Mucosa pylori 1h 12° —_ 2 7,0 Versuch II. 20. November 1911. Katze. 2000 g. Operativ in üblicher Weise vorbereitet. Azidität der nach 15 Minuten In den Magen & aus dem Magen entfernten u ag u a NaCl in Kubikzentimetern Zeit Kubikzentimeter geführte Kubik- NET 0,9% ige NaCl- | zentimeter Extrakt 10 NaOH Ioeun absolut | % .11b 10’| Waschung des Magens wiederholt mit kleinen Mengen NaCl-Lösung 11h 32’ 15 | = | 0,22 1,9 11h 35’ Waschung des Magens wie oben 11h 55’ 15 | _ | vai als | weniger als ’ 7 11h 59’ Waschung des Magens mit NaCl-Lösung 12h 10’ 15 — — | — 12h 15’ — 8 ccm Extrakt aus 0,45 3,0 der Muscularis fundi Waschung des Magens mit NaCl-Lösung 12h 45’ 15 k ccm Extrakt aus der Mucosa fundi Das Tier geht ein, bevor der Versuch zu Ende gelanste. Versuch III. 25. November 1911. Katze. Gewicht 2600 g. Vorbereitet in der üblichen Weise. Spülung des Magens mehrmals mit 0,9 J/oiger NaCl-Lösung. nF ee ef & Über die chemischen Erreger der Magendrüse. ]. 389 15 cem 0,9 °/oige NaCl-Lösung im Se durch 15 Minuten be- lassen; Azidität nach 15 Min. 0,45 0] 10 NaOH. Es werden wiederum 15 cem ac a, in den Magen ein- gegossen und in die Vene 2 ccm eines konzentrierten Extraktes aus der Muscularis fundi eingeführt; plötzliche Blutdrucksenkung; das Tier geht nach 30—40 Sek. ein. Nach 15 Min. wird die NaCl-Lösung aus dem Magen entfernt; die Azidität dieser Lösung beträgt 2,0 ccm N u H ° E 10 NaOH °o Die Aziditätszunahme der NaCl-Lösung beträst in diesem Ver- suche das Fünffache des ursprünglichen, vor der Einführung des Ex- ‚traktes festgestellten Wertes. Von einer Magensaftsekretion kann aber selbstverständlich nicht die Rede sein,. da das Tier 30—40 Sekunden nach Einführung des Extraktes verendete. Aus dem zweiten Versuche ergibt sich, dass die Azidität der 0,9 Y!oigen NaCl-Lösung unter dem Einflusse einer zweimal als im Versuche I grösseren Menge des Extraktes aus der Muscularis fundi nur eine unbedeutende Steigerung, und zwar um 0,23 n NaOH er- fährt. Von besonderem Interesse ist es, dass eine 30 Minuten nach der ersten ausgeführte zweite Injektion einer etwas grösseren Menge desselben Extraktes eine derart bedeutende Blutdrucksenkung herbei- führt, dass das Tier 30—35 Sekunden nachher verendet. Ich muss es ausdrücklich betonen, dass die bei titrimetrischer Aziditätsbe- stimmung zur Neutralisation verbrauchten NaOH-Mengen im all- gemeinen so gering waren, dass sie noch im Bereiche der Fehler- grenzen der Methode liegen; falls beim Titrieren von 5 eem (und diese Menge wurde stets zur Aziditätsbestimmung verwendet) der Fehler nur 0,1 ccm beträgt, erhalten wir bei der Umrechnung auf Prozente bereits den Fehler von 2 ecem. Im Versuche II kann also von der Steigerung der Azidität kaum gesprochen werden, und die ganz unbedeutende Zunahme derselben kann ebensogut von dem CO, abhängig sein; es ist recht zweifelhaft, ob überhaupt freie HC] vor- handen war. Die im Versuche III festgestellte Steigerung der Azidi- tät um nur 1,2 °0 kann nicht als Ausdruck der stärkeren Wirkung des Extraktes aus der Mucosa pylori betrachtet werden. Versuch IV. 4. Dezember 1912. Katze. Gewicht 2800 g. Seit 24 Sun den nüchtern, vorbereitet in der üblichen Weise. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 19 290 2. Tomaszewski: In den Magen Azidität der nach 15 Min. aus eingeführte dem Magen entleerten. NaCl- Zeit | Kubikrente In die Vene eingeführte Lösung, ausgedrückt in Kubik- meter physiol. Kubikzentimeter Extrakt zentimetern 10 NaOH NaCl- Lösung AD 0, 11h 30’ | Waschung des Magens ee mit kleinen Mengen 0,9°Joiger Na0l- ösung 11h 40’ 15 = 0,7 4.09 12h 05’ 25 — er EN 12h 10° — 5 cem Extrakt aus der 0,25 1,0 Mucosa fundi (2 ccm des konzentriert. Extraktes aut 8 ccm NaCl-Lösung, davon 5 ccm eingelührt) Waschung des Magens mehrmals mit 0,9 Yoiger NaCl-Lösung 12h 40’| 25 5 ccm Extrakt aus der| weniger als | weniger als Museularis fundi (Verdün- 0,25 1, nung 1:10) Waschung des Magens mit NaCl-Lösung 12h 59' 25 5 ccm Extrakt aus der 0,25 10 Museularis fundi (Verdün- nung 8:10) Waschung des Magens wie oben 1h 6' 28. 1 cem des konzentrierten 0,5 2,0 Extraktes aus der Muscu- larıs fundi, nach 3 Min wiederum 2 ccm desselben Extraktes 1b 40' 25 3 cem des konzentrierten 0,8 32 Extraktes aus der Mucosa pylori Die im Versuche IV festgestellte Steigerung der Azidität von nur 1,2 °/0 kann nicht als Ausdruck der stärkeren Wirkung des Ex- traktes aus der Mucosa pylori betrachtet werden. Versuch V. 7. Dezember 1912. Katze. Gewicht 1800 sg. Fastet seit 24 Stunden; operativ in der üblichen Weise vorbereitet, außerdem Ligatur der Bauchaorta unterhalb der Art. coeliaea. Für den Versuch wurden gemischte nn trakte aus Hunde- und Schweinemagen verwendet. Um 65 10’ Durchspülung des Magens mit 0,9%/oiger NaCl- od N Azidität der Spülflüssigkeit beträgt 1 Tropfen m 6h 25’ in den Magen wurden 25 ccm 0,9 /oiger NaCl- Lösung eingeführt. „ 65 28' in die Vena jugularis: 5 cem des Extraktes aus der Mu- cosa fundi (Verdünnung 1:10 Na0Cl- Lösung = 0,5 eem konsenktionise Extraktes) | » Über die chemischen Erreger der Magendrüse. 1. 29] Um 6h 33’ in die Vena jugularis: 5 cem des Extraktes aus der Mu- cosa fundi (Verdünnung 3:7 NaQl- Lösung —= 1,5 ccm des konzen- 2 trierten Extraktes) 6h 43’ die Azidität der NaCl-Lösung im Ma:en beträgt 1 Tropfen N Et El 10 Na0 6h 45’'in die Vena jugularis: 3 ccm des konzentrierten Extraktes aus der Mucosa fundi | „ 65 50’ in die Vene 5 ccm desselben konzentrierten Extraktes „ 65 05’ die Azidität der NaCl-Lösung im Magen beträgt 1,0 7h 07’ in die Vena jugularis: 5 cem des konzentrierten Extraktes aus der Musecularis fundi; starke Blutdrucksenkung „ Th 19’ die Azidität der NaCl-Lösung im Magen beträgt 1 Tropfen N > H. 10 Na0 7h 22’ in die Vena jugularis: 4 ccm des Extraktes aus der Mu- cosa pylori os... 3 S ccm desselben | „ 7h 40’ die Azidität der NaCl-Lösung im Magen beträgt 1,5 cem N — NaOH. 0 Die Aziditätswerte sind in diesem Versuche so gering, dass sie ohne weiteres als im Bereiche der titrimetrischen Fehlererenzen liegende betrachtet werden können; die unbedeutende Steigerung der Azidität kann auch vom CO, abhängig sein. Versuch VI. 11. Dezember 1912. Katze. Gewicht 3300 g. Seit 48 Stunden nüchtern, in der üblichen Weise vorbereitet. Azidität der aus dem Magen BE allagenein: nach 15 Minuten entfernt Be 28 i 5 . ch 15 Minuten entfernten seführte Kubik-|In die Vene eingeführte NaCl-Lösung in Kubikzenti- Zeit zentimeter der Kubikzentimeter des 0,9%oigen NaCl- Extraktes zu 10 NaOH Lösung absolut %o Waschung des Magens mehrmals mit NaCi-Lösung 12h 30’ 20 | — | 0,8 4,0 12h 35’ Waschung des Magens wie oben 12h 45’ _ —- — _ 12h 54’ E 10 cem des Extraktes 4,5 18,0 aus der Muscularis fundi Spülung des Magens wie oben 10 cem des Extraktes aus der Mucosa fundi 1 05’ 1h 08’ 1 ST 4,0 16,0 Log 292 7: Tomaszewski: (Versuch VI, Fortsetzung) In den Magen ein- Azidität der aus dem Magen geführte Kubik-|In die Vene eingeführte ne Zeit zentimeter der | Kubikzentimeter des 0,9%%igen NaCl- Extraktes ANELELN 10 N20H Lösung absolut % 1h 15’ Spülung des Magens mehrmals wie oben ih 30’ 25 | 1h 33’ = 10 ccm des Extraktes aus der Mucosa pylori Spülung des Magens wie oben 2,2 9,0 1h 47’ 25 — En le nen 1h 50’ — 20 ccm des Extraktes 3,0 12,0 aus der Mucosa fundi Spülung des Magens mehrmals wie oben 2h 09'| 25 | —_ | 0,75 3,0 Im Versuche VI wurde von allen Versuchen die grösste Steigerung der Azidität festgestellt, wobei diese nach Einführung des Extraktes .aus der Mucosa fundi viel ausgesprochener war als unter dem Ein- flusse des Pylorusextraktes; und zwar steiet die Azidität unter dem Einflusse des Extraktes aus der Mucosa fundi von 4,0 auf 18,0, eventuell 16,0—12,0, nach Einführung des Pylorusextraktes wächst sie nur bis auf 9,0. Die Azidität der NaCl-Lösung, die nach Ab- schluss des Versuches mit den Extrakten in den Magen noch ein- mal eingeführt wurde, betrug beinahe ebensoviel wie ihr ursprüng- lich noch vor dem Einführen der Extrakte festgestellter Wert. Auf Grund dieser Feststellung dürfen wir also folgern, dass die Ein- führung der Extrakte tatsächlich als Ursache der Aziditätssteigerung betrachtet werden kann. Es muss aber andererseits berücksichtigt werden, dass die anfängliche Azidität (4,0 ecem + -NaOH) um vieles grösser als in den übrigen Versuchen war, und dass dementsprechend auch die Steigerung der Azidität nach Extrakteinführung grösser als in anderen Experimenten sein musste; diese Überlegung macht es recht wahrscheinlich, dass der mechanisch aus der Magenschleimhaut ausgepresste Saft die Steigerung der Azidität verursacht hat. Versuch VII. 20. Dezember 1912. Katze. Gewicht 3400 g. Nüchtern seit 24 Stunden, vorbereitet wie gewöhnlich; außerdem Unterbindung der Bauchaorta unterhalb der Art. coeliaca. Durchspülung des Magens mit physiol. NaCl-Lösung. a re nd A = Über die chemischen Erreger der Magendrüse. 1. 293 Um 6h 05’ in den Magen wurden 22 ecm 0,9°/oige NaCl - Lösung eingeführt 6h 20°’ Azidität dieser Lösung beträgt 1,5 „ 6b 25’ Durchspülung des Magens mehrmals mit je 100 ccm 0,9% ige NaCl-Lösung „ 6% 85’ in den Magen wurden 25 ccm 0,9°/oige NaCl- Lösung eingeführt „ 6h 37’ in die Vena jugularis: 2 ccm 5°/o Pepton Witte (0,5 cem auf 1 kg Gewicht) Rn b39, . 9 cem 5°/o Pepton Witte „ 64 54’ die Azidität der NaCl-Lösung im Magen beträgt 3,0 Das Tier verendet aus unbekannter Ursache. (Anmerkung: In diesem Versuche hat das Pepton den Blutdruck erhöht; vide ähnliche Beobachtung von Popielski, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 126, S. 490.) Die oben dargestellten, nach der Edkins’schen Methode aus- geführten Experimente an Katzen berechtigen also zu der Schluss- folgerung, dass: 1. die Extrakte aus der Pylorusschleimhaut keines- wegs wirksamer sind als Extrakte aus anderen Magenteilen und 2. die Aziditätssteiserung in manchen Versuchen ganz unbedeutend ist, in anderen unter Berücksichtisung der Fehlergrenzen der titri- metrischen Aziditätsbestimmung von der Steigerung der Azidität nicht die Rede sein kann. Die in einigen Versuchen beobachtete ge- ringfügige Steigerung der Aziditätswerte kann nicht auf die Sekretion des Magensaftes bezogen werden, weil sie auch in diesem Falle, wo das Versuchstier nach 30—40 Sekunden eingerangen ist, wo also von einer Sekretion nicht gesprochen werden konnte} festgestellt wurde. Es wäre hier zu bemerken, dass das Wasser und Kochsalz seitens der Pawlow’schen Schule als energische Sekretionserreger für die Magendrüsen betrachtet werden; diese Anschauung wird je- doch durch die in weiterer Folge der vorliegenden Arbeit angeführten Versuche als vollständig unrichtig widerleet. Da nach intravenöser Einführung der Organextrakte in allen Fällen Blutdiucksenkung. er- folgt, da ferner die Aziditätssteigerung um so grösser ist, je höher die ursprüngliche Azidität der NaC] Lösung im Magen ist, und end- - lieh diese Aziditätssteigerung auch im Falle, wo das Versuchstier nach 30—40 Sekunden infolge gewaltiger Blutdrucksenkung eingeht, festgestellt wurde, darf mit Recht behauptet werden, dass die un- bedeutende in manchen Versuchen beobachtete Steigerung der Azidität nur von dem infolge regerer Magenmotilität mechanisch ausgepressten Magensafte abhängig ist. | 294 2. Tomaszewski: Das Ergebnis der. vorliegenden Versuche an Katzen deckt sich vollkommen mit den Ergebnissen der Versuche an Hunden mit chronischer Magenfistel. Nach Injektion eines Organextraktes oder von Pepton Witte in das Blut erfolgte manchmal bei letzteren ganz plötzlich die Absonderung von etwa 20 cem einer saueren (Gesamt- azidität 60 bis 80) Flüssiekeit (vide II. Teil dieser Arbeit), in einigen Versuchen jedoch wurde keine Sekretion beobachtet, nach einer zweiten Injektion desselben Extraktes blieb die Absonderung in der Regel aus. Es ist daraus zu schliessen, dass die manchmal aus dem Magen er- scheinende Flüssigkeit von geringer Azidität keinesfalls ein Ausdruck einer Sekretion, sondern nur einer reim mechanischen Auspressung des Saftes aus den Magenschleimhautfalten ist. Demnach erfolgte auch in den Versuchen von Edkins keine Magensaftsekretion, und der Besriff „Gastric-Sekretin“ bezieht sich auf etwas in Wirklichkeit gar nicht Existierendes. Es wären hier die Ansichten anderer Autoren bezüglich des „Gastrie- Sekretins“ anzuführen. Krzyszkowski aus der Pawlow’schen Schule!) sagt, dass bis jetzt die Hauptfrage, ob die Sekretine Körper „sui generis“ die bei der vitalen Funktion in der normalen Schleim- haut gebildet sind, oder ob sie nur, bei Bearbeitung mit verschie- denen Reagentien entstehende Kunstprodukte sind, noch nicht ent- schieden ist. Derselbe Autor sagt weiter: „Es unterlieet keinem Zweifel, dass bei der Bearbeitung der Schleimhaut mit verschiedenen Körpern, Produkte, die safttreibende Eigenschaften besitzen,’ ent- stehen können.“ Zielonyj und Sawicz, ebenso aus der Pawlow- schen Schule?), nachdem sie betont haben, dass nach Edkins die Bildung des Gastrins analog zum Pankreassekretin ist, sagen weiter, die Folgerungen von Edkins seien etwas verfrüht, weil sie auf Grurd der in sehr anormalen Bedingen ausgeführten Versuche aufgebaut sind. Zielonyj°) (Pawlow’sche Schule) sagt, dass man sich bei: der Edkins’schen Auffassung nicht aufhalten kann, weil sie sich auf Versuche, die in weit von normalen entfernten Be- 1) Krzyszkowski, Nowyje materyaly po fizyologji zeludocznych zelioz sobaki. Dissertation (russisch). S. 57. St. Petersburg. 1906. 2) Zielonyj und Sawicz, Trudy obszezestwa russkich wraczej. S. 10. St. Petersburg. 1911-1912. | 8) Zielonyj, Archiv biologiezeskich nauk. Bd. XVII H. 5. Dez. 1912. Sonder-Abdr. 8. 6. ya Uber die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 295 dingungen ausgeführt sind, stützt. R. Ehrmann!), aus der Schule Bickel’s, sagt von den Baylis und Starling’schen Sekretinen folgendes: „Es ist also überhaupt fraglich, ob im Organismus der- selbe Körper (Sekretin für Pankreas) sich bildet, der ausserhalb des- selben erst durch erhebliche Eingriffe, nämlich durch Kochen mit 0,36 %% HCl entsteht.“ Von den Gastric-Sekretinen (Gastrinen) sagt er: „Was nun die Beziehungen solcher Substanzen bezüglich der Masensekretion anlanet, so sind sie wohl noch unklarer.“ Bemerkens- wert ist endlich die Auffassung von Aschner und Grigoriu, welche von den Sekretinen folgendes sagen?): „Es wird ja auch in neuerer Zeit an der Spezifität des Starling’schen Pankreassekretins ge- zweifelt, denn es ist trotz der relativen Hitzebeständigkeit eines sehr bekannten Hormons, des Adrenaljns, im allgemeinen überhaupt sehr schwer anzunehmen, dass Kochextrakte von Organen noch ihre Spezi- fität in biologisch wirksamer Weise behalten können.“ Das sind also Stimmen der Autoren, welche sich speziell mit der sekretorischen Tätigkeit der Drüsen unter dem Einflusse von verschiedenen Organextrakten beschäftigt haben. Wir stehen nun vor einer hochinteressanten, merkwürdigen Tat- sache, welche den bisherigen Anschauungen, dass die intravenöse Einführung irgendwelchen Körpers immer die sicherste und wirksamste Methode zum Nachweis seiner physiologischen Eigenschaften ist, schein- bar widerspricht. Eben deswegen ist die Frage nach den chemischen Eigenschaften des wirksamen Körpers subkutan eingeführter Extrakte, interessant und wichtig. In dieser Richtung angestellte Untersuchungen haben zwar den chemisch ‘reinen Körper nicht zu isolieren vermocht, haben aber viele von seinen Eigenschaften entdeckt, was in Hinkunft zum Ziele führen kann. Chemische Eigenschaften des wirksamen Körpers der Extrakte. Dieser Körper ist ein organischer, weil die im Versuche Nr. XVI (am 9. Juli 1913) dem beiderseits vagotomierten Hunde „Nerus‘“, 13 kg Gewicht, eingeführten Salze keine Sekretion hervorrufen. 1) Ehrmann, Internat. Beiträge (herausgegeben von A. Bickel) Bd. 3 $. 385. 1911. U 2) Aschner und Grigoriu, Archiv f. Gynäkologie Bd. 94 8. 770. 1911. 296 Z. Tomaszewski: Da die Extrakte zwecks Sterilisierung sehr oft gekocht wurden, musste der Einfluss der Temperatur auf den wirksamen Körper unter- sucht werden. Die Temperatur, bei welcher die Extrakte im Wasser- bade eingedampft werden, vermindert die Intensität ihrer Wirkung nicht; dieses ereibt sich aus dem Versuche Nr. XVII, in welchem ein konzentrierter, bis zu einem Fünftel des ursprünglichen Volumens eingedampfter, mit 0,36 °%0 HCl im Verhältnisse 1,0 : 0,5 vorbereiteter Extrakt eingespritzt wurde. Versuch XVII. 31. September 1913. Hund „Kudlaty“. Gewicht 161/s kg; mit Magen- und Duodenalfistel. Um 75 30’ Anfang des Versuches 8h 30’ sind 1,8 cem schwach saueren Magensaftes ans W orden. Subkutane Einführung in der linken Lumbal- gegend von 20 ccm eines Darmextraktes mit 3,16 %/o fester, 0,96 %/o organischer und 0.2 °/o anorganischer Bestandteile, welcher durch 20 Stunden in der Temperatur von 130° C. gehalten wurde. 3—5 Min. nach der Einführung beleckt sich der Hund und speichelt, erbricht auch Speichel. Bis. keine Sekretion. In der rechten Lumbalgegend werden nun subkutan 20,0 cem einer frisch vorbereiteten 5 Yo igen Lösung von Pepton Witte eingespritzt. Bis „. 9h 50’ erfolgt keine Sekretion. Der Hund ruhig. Subkutane Einführung von 20 ccm eines bis zu einem Fünftel des ursprünglichen Volumens eingeensten Extraktes aus dem Pylorus (600 cem wurden auf 120 ccm eingedampft). In diesem konzentrierten Extrakte waren 6,7 Jo feste, 4,1°/o organische und 2,6°/o anorganische Bestandteile enthalten. 10 00’ Anfang der Sekretion; Hund ruhig „ 105 05° 11 cem Magensaft job or ın : 10h 15’ 10 , ok ” 10h 20' 18 ” P2] „una u, „ 10h 30'112 „ } ohren : ” 10h 40° 15 ” ” 10h 45’ 15 , , 10h 50'115 , \ 10h 55’ 14 „ : 11h 00'122 „ . 11h 05’ 12 , i ii 1013 0 i ” = 9h 15 Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 297 Um 11h 15’ "9 ccm Magensaft = 11%920/ 12, Ne. „ 2 25" 12 » » » 116 50 11 „ ” Bun 12, „ Di 40 13, E 11h 45’ 10 „ hu at: 50 10 ., „ 11h 55° „ 12h 00' „ 125 05' ‚125 10' „ 12h 15 12h 20! 12h 25’ 3256,30 2126,35" „ 125 40’ x x Der Versuch wurde abgeschlossen; die Sekretion dauert noch fort. Anfang der Sekretion 10, Maximum 20 Min. nach Einführung des Extraktes; im Verlaufe von 2 Stunden 40 Min. sind 350,0 ccm Magensaft ausgeschieden worden. Aus diesem Versuche folst, dass das Erwärmen der Extrakte durch 20 Stunden in der Temperatur von 130° C. den wirksamen Körper vernichtet, da 20,0 ccm desselben Extraktes dem Hunde „Czarny“ am 28. Oktober 1913 (Vers. XVIıl) subkutan eingeführt, die Sekretion von 89,0 ccm Magensaft in 1!/a Stunden hervorgerufen haben. . : m XAISOSOSIOO© Das Erwärmen desselben Extraktes nur durch 10 Stunden in der Temperatur von 132° C., schwächt die Wirkung des Extraktes be- deutend ab, hebt jedoch seine Wirkung nicht gänzlich auf, wie das aus dem Versuche XIX ersichtlich ist. Versuch XIX. 30. Oktober 1913. Hund „Czarny“. 10!/e kg Gewicht, mit Magen- und Duodenalfistel, Um 7h 55’ Anfang der Beobachtung Bis 85 10’ 1,8 cem Magensaft gesammelt &8h 55’ 0,9 cem Magensaft gesammelt; subkutane Einführung von 20,0 cem desselben Darmextraktes, welcher ‚zu den Versuchen XVII und XVIlI benutzt wurde, jedoch nach vorhergegangener Ewärmung durch 10- Stunden in der Temperatur von 1320 C! Um 9h 15’ Anfang der Sekretion „. 95h 20' 2,0 ecem Magensaft 2.x95.2527:2,0 ©, ns » 9h 30° 2,0 ” ” 298 2. Tomaszewski: Um 95 35’ 1,5 cem Magensaft ” 9h 40" 1,2 ” „ a VONWAHR 0 # b) 9b 50' 0,7 b) » DE lt n ,„ 10h 00° 0,5 „ s „ 10h 051.00, N ” 10h 10' 0,7 n ” „1051570062 »„ In 1 Stunde sind 13,0 ecm Magen- saft gesammelt worden; subkutane Einführung von 20,0 ccm desselben, jedoch vorher nicht erwärmten Darm- extraktes 5) 10h 20° 0,5 » » »210)57 29.521,65 N „ 102230769, » » 106 35' 13,0 „ ” „.10R.401 11,0: >; R „10h 45''12,0 ., ie „10h 590' 11,0 „ u „ 10h 55’ 10,0 „ 5 „dt 000,90 5 »..LLh 057.50, n ” 11h 10 5,0 » ” soll ‚15%, 4,03, 3 2020, R: ih 9527 2,0%, 5 “eh 30. 146%. L (unbedeutende Gallenbeimengung) na 00 n AU 11,6.407,0,5%%, » In 1 Stunde 20 Min. sind 96,0 cem Magensaft ausgeschieden worden. Im Versuche XVIIL an demselben Hunde sind nach Ein- spritzung gleicher Menge desselben Extraktes 89,0 ccm Magensaft aus- geschieden worden. Ich habe nun weiterhin mich mit der Frage beschäftigt, ob bei autolytischen und Verdauungsprozessen unter dem Eıuflusse der Fer- mente in der Körpertemperatur, der wirksame Körper sich verändert. Um diese Frage zu entscheiden, habe ich folgenden Versuch aus- geführt: 1. 200 & der frischen Bauchspeicheldrüse eines Ochsen wurden in der Temperatur von 39°C. im Thermostat durch 4!/s Stunden ge- halten. Nach Ablauf dieser Zeit wurde die Drüse in der Hack- maschine zerkleinert und mit 250 cem -B01 übergossen;, der Auf- guss wurde am nächsten Tage filtriert, das Filtrat mit Natrium on Ss r Fai Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 299 biearbenieum neutralisiert und aufgekocht, wiederum filtriert und das Filtrat auf 200 ccm mit Wasser aufgefüllt. 2. Zum Vergleiche habe ich in ähnlicher Weise 200 g Bauch- speicheldrüse verarbeitet, ohie sie jedoch vorher im Thermostat zu halten. 3. Zum neutralisierten Filtrate habe ich Magensaft hinzugegeben und dieses Gemisch im Thermostat durch 2 Tage gehalten. Versuch XX. 4. November 1913. Hund „Czarny“. Gewicht 11 ke, mit Magen- und Duodenal- Sistel. ! Um 85 00° Anfang der Beobachtung Bis 8h 50’ keine Sekretion. In die rechte Lumbalgegend werden 20 cem des Pankreasextraktes, welcher auf die unter (1) beschriebene Weise vorbereitet wurde, eingespritzt Um gh 07' der Magensaft entleert sich tropfenweise 9h 10’ 1,3 ccm ‚Magensaft =,9h 1 3,7 < u Pe „ 9b 20’ 45 „ » „ 9b 25 4,0 5 ) 2937302 4,0..., 5 » 9h 35° 3,0 ” ”» ”» yh 40° 2,9 br] ” 5 gh 45’ Kr; en $)] 9h 50’ 0,8 ” ” 38 55210 ;, u ei "oh 00° 1,0 ,: a i „10h 05'055 „ N Der Versuch wurde abgeschlossen, In 1 Stunde sind 28,0 cem Magensaft ausgeschieden worden. Der zum Ver- suche verwendete Extrakt enthält: feste Bestandteile ...... 4,17 0lo organische Bestandteile... 3,20 %o anorganische Bestandteile. . 0,97 /o 2 Versuch XXI. 6. November 1913. ‚Hund „Czarny“. Gewicht 11 kg. _ Um 85 00' Anfang der Beobachtung Bis 8b 30' 1,0 ecm einer schwach sauren Flüssigkeit 2480.89. 1,5,., ' " In’der rechten Lumbalgegend werden 20 ccm des Pankreasextraktes, welcher in der sub (2) beschriebenen Weise (also ohne dass die Drüse 9 » 5>) ” 300 Z. Tomaszewski: vorher im Thermostat gehalten wurde) vorbereitet wurde, subkutan eingespritzt. Dieser Extrakt enthält: feste Bestandteile » -. . . 2... 3,16% organische Bestandtele . . . . . 2,90 %0 anorganische Bestandteile . . . . 0,96 %o Um 95 10' Anfang der Sekretion 9h 15’ 1,5 cem Magensaft 9;h 920’ 2,5 al RB) » EN = el u le n 9h 40' 1,5 ENDE AS E,O.N, „ B 9h 50’ 1,2 ” ” ” 9h 55" 0,7 ” $)] 10.200210:3. , 5 10 ABS. H (in 15 Minuten) \ Die Gesamtmenge des in 1 Stunde 15 Min. ausgeschiedenen Masgensaftes beträgt 18,2 ccm. Es werden nun 15 ccm des bereits in den Versuchen XVIII und XIX an demselben Hunde verwendeten Darmextraktes subkutan ein- gespritzt; dieser Extrakt wurde jedoch, mit 5 ccm Magensaft ge- mischt, vorher durch 2 Tage im Thermostaten bei 39° C. gehalten. Um 10h 20’ 0,1 ecm Magensaft 10h 25’ 04 „ N 10h 50’ 1 10h 35" 1. on) ” 10h 40° 50 , i 10h 45’ 2,6 10h 50’ 4,0 „ \ 10h 55’ 8,0 „ i 11h 00’ 26 „ £ 11% 057.16, #6 11m 1040.87, 5 an j 11h 20'005 „ ‘ 11h 5520,30 % : 11h 30' 04 „ { Von 10 Uhr 30 Min. bis 11 Uhr 30 Min., also innerhalb 1 Stunde, sind 25,3 ccm Magensaft gesammelt worden. 2 8 ” ” 7 Aus diesem Versuche folet, dass der Extrakt, aus der nicht im Thermostat _ gehaltenen Bauchspeicheldrüse vorbereitet, schwächer wirkt als ein Extrakt, welcher mit HCl nach vorhergehendem Ver- weilen der Drüse im Thermostaten hergestellt wurde. Wenn man aber die in der Mehrzahl der Versuche deutlich zutage tretende Tat- sache berücksichtigt, dass die Quantität des ausgeschiedenen Magen- % Kost . EN ee ae a N Er BT ve N "Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 301 saftes im proportionellen Verhältnisse zu den im Extrakte vorhandenen organischen Bestandteilen sich befindet, so besteht in der Wirkung beider Extrakte eigentlich keine Differenz. In dem Extrakte aus der im Thermostat gehaltenen Bauchspeicheldrüse finden sich 3,2 %0 organische Bestandteile, wogegen der Extrakt aus dem sofort mit 1, -HC1 extrahierten Pankreas 2,2 %o organische Bestandteile enthält. Auflg organischer Bestandteile entfällt in beiden Fällen beinahe die- selbe Menge des ausgeschiedenen Magensaftes: im ersten 0,88 ccm, im zweiten 0,83 cem. Die im Thermostat gehaltene Bauchspeichel- drüse wird sehr leicht zu einer homogenen, halbflüssigen Masse, aus welcher in den Extrakt mehr organische Bestandteile übergehen als \T N 10 Das in den Extrakten enthaltene Trypsin sehwächt die Wirkung der Extrakte nicht ab; der Magensaft aber setzt die Wirksamkeit der aus der gleich mit -HC1 extrahierten Drüse. Extrakte in deutlicher Weise herab. Nach Einführung von 15 cem des der Wirkung des Pepsins nicht unterzogenen Darmextraktes (Vers. XVII und XIX) werden 70,5 cem Magensaft ausgeschieden; im Gegenteil dazu werden nach Einführung von 15 eem desselben, durch 2 Tage mit Pepsin vorbehandelten Extraktes nur 25,3 eem, d. h. beinahe dreimal weniger, Magensaft ausgeschieden. In der Verfolgung der Frage nach der chemischen Natur des - wirksamen Körpers der Extrakte war es das Nächstliegende, zu ent- scheiden, ob dieser Körper nicht mit dem Vasodilatin identisch ist. Auf Grund der Versuche mit intravenöser Einführung der Extrakte habe ich behauptet, dass dieser Körper nicht das Vasodilatin sein kann. Einen weiteren physiologischen Beweis bildet der Versuch XVII; das Vasodilatin findet sich in Pepton Witte; nach Einführung von 20 eem einer 5 °/oigen Pepton-Witte-Lösung erfolgt keine Sekretion (Vers. XVII). Die Bedeutung dieses Versuches wird, dadurch ab- geschwächt, dass sich im Pepton Witte sehr viele Albumosen befinden, welche möglicherweise das Vasodilatin einhüllen und auf diese Weise wie mechanisch seine Resorption in die Blutbahn verhindern. Dieses Bedenken habe ich durch folgende Überlegung und ent- sprechenden Versuch zerstreut: Falls die Albumosen in Wirklichkeit die ihnen oben zugeschriebene Rolle spielen, muss ihre hemmende Wirkung auch dann voll zur Geltung kommen, wenn zum Pepton Witte, ein, die Sekretion des Magensaftes sicher und deutlich hervor- 302 7. Tomaszewski: © rufende Menge des Extraktes hinzugefügt wird. Um mich davon zu überzeugen, habe ich folgendes Experiment ausgeführt. ‚Versuch XXII. 12. November 1913. Hund „Kudlaty“. Gewicht 16 kg; mit Magen- und Duodenalfistel. Um 38h 00’ Anfang der Beobachtung Bis 85h 45’ sind 21/g cem neutral reagierender Flüssigkeit gesammelt worden. Subkutane Einführung von 1,0 g Pepton Witte, gelöst in 16 ccm Wasser (entspricht 20 cem einer 5% igen Pepton- Witte Lösung) + 4 ccm des Darmextraktes. Um 85 50’ 0,3 cem Flüssigkeit von neutraler Reaktion ER a ER „ 95 00° 0,7 „ Magensaft E05, n ”„ 9h 10’ 11,9 ” ” LE R 3098 12053.9,05: 5, » 902054..00%, » ” 9h 30' 8,0 ” ” ” 9h 35' 6,0 ”» ” 2] 9h 40' 9,0 A) be] = GInAye 450% 2 ” 9h 50' 4,0 ” » ” gh 55° 4,0 ” br) ] a 10h 00’ 2,0 „, a5 -.. 106052.2,0 5, hs „108 10, 1,5%, ’ 106,75 11,0,,,, " N 10% 20°20,6. } 5 In 1 Stande und 10 Min. sind 77,6 ccm Magensaft ausgeschieden worden; unter dem Einflusse derselben Menge des Darmextraktes an demselben Hunde sind im Versuche XXIII am 10. November 73 ccm, d. i. beinahe die gleiche Menge Magensaft ausgeschieden worden. Um 105 25’ 0,2 ccm Magensaft. In die linke Lumbalgegend - werden 4 ccm des alkoholischen Filtrates aus dem Darmextrakte eingeführt, welcher in folgender Weise vorbereitet wurde: Zu 600 ccm absoluten Alkohols wurden 100 ccm 'Darmextrakt hinzugefügt, filtriert und der Alkohol vom Filtrate in Vakuo abdestilliert „10%. 30'710 „ 10h. 35’ 4,0 „10h 40’ 9,0 „ 10h 45' 18,0 „.105h 50’ 15,0 Se en Sn 3 x \ ee Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 303 Um 10h 55’ 15,0 cem Magensaft TR 0013,60. , Ä 05 11,0 ;, R in 400 11,0, ; Bllh 15" 11,0, N E20: 6,01; e Bike 95° 8,0. , N BL 50' 7,0 .., R Perth 35:20. , ’ en 40. 2,5: -, \ ln45' 10, r E50‘. 0,3 .., \ "Innerhalb 1 Stunde 20 Min. wurden 134,8 ccm Magensaft, d. h. beinahe zweimal soviel als nach Einführung von 4,0 ccm des mit Alkohol nicht vorbehandelten Extraktes ausgeschieden, Aus diesem Versuche folgt, dass die Albumosen die ihnen zu- geschriebene Wirkung nicht entfalten. Man kann also mit Bestimmt- heit behaupten, dass ‚das Vasodilatin nicht den wirksamen Körper subkutan eingeführter Extrakte bildet. Dieser Versuch zeigt ferner, dass durch die Hinzufügung von 6,0 eem absoluten Alkohols auf 1,0 cem des Extraktes die Wirkung dieses letzteren verstärkt wird, möglicher- . weise dadurch, dass die den wirksamen Körper bindenden Eiweiss- _ körper entfernt werden, mit anderen Worten, durch Befreiung des Extraktes vom Übermaass an verschiedenen kolloidalen Körpern. Die chemische Untersuchung 'zeigt aber, dass nach Vorbehandlung des Extraktes mit Alkohol in der Zusammensetzung des Extraktes keine bedeutenden quantitativen Veränderungen auftreten. Der Extrakt enthält vor der Behandlung mit Alkohol: feste Bestandteile. . . . 2 2°.20...8,926 %o organische Bestandteile. . . . ... 6,276 Jo anorganische Bestandteile . . . . . 2,650 %o Nach der ‚Behandlung mit Alkohol enthält derselbe Extrakt: ' feste Bestandteille- .. . : . 2 ..2.2...2.8,76 %o organische Bestandteile . . . 2. .2...6,20 Yo anorganische Bestandtelle . . . . . 23,56 Yo Man muss also vermuten, dass durch die Vorbehandlung mit Alkohol im Extrakte nur qualitative Veränderungen auftreten, welche möglicherweise darin bestehen, dass der wirksame Körper frei und in einen Zustand übergeführt wird, in dem er sofort seine Wirkung entfalten kann. 304 h Z. Tomaszewski: Das Ergebnis des letzten Versuches hat mich veranlasst, den Extrakt noch einmal mit Alkohol zu bearbeiten. Ich habe das in folgender Weise ausgeführt: Zu 600,0 cem absoluten Alkohols wurden - 100,0 eem Extrakt hinzugefügt und filtriert; nach dem Abdestillieren des Alkohols in Vakuo wurde das Filtrat auf 50,0 cem aufgefüllt und in 600,0 eem Alkohol hineingegossen, da ich vermutete, dass ver- schiedene Verunreinigungen aus dem mehr konzentrierten Filtrate leichter entfernt werden können. Nach neuerlicher Filtrierung wurde wiederum der Alkohol in Vakuo abdestilliert und das Filtrat auf das Volumen von 100,0 ecm aufgefüllt. Die Analyse dieses, auf die oben beschriebene Weise vorbereiteten Extraktes ergab: feste Bestandteile - . - ..2 2.2... 5,16 %0 organische Bestandteile . . . . .... 340 °o ‚anorganische Bestandteile . . . . ..176%o Versuch XXIV. 14. November 1913. Hund „Kudlaty“. Gewicht 16 kg; mit Magen- und Duodenalfistel, Um 75 50’ Anfang der Beobachtung Bis 85h 55’ erfolgt keine Sekretion. Subkutane Einführung von 4 ccm des bereits in den Versuchen XXII und XXIU ver- wendeten Darmextraktes, welcher jedoch diesmal in oben beschriebener Weise, zweimal mit absolutem Alkohol bearbeitet wurde Um 9h 10’ Anfang der Sekretion n„ 9% 15° 3,5 ccm Magensaft oh ag | „. 9h 25'240 „ on 60. „a 30, 10,00, » “gn2017.50 an. 31420,3,9,0. 5 4 » 16.90,90%,.25 ol 52 106002 2,0 105 05° 1,0 6) — ” ” Innerhalb 1 Stunde sind 86 ccm Magensaft ausgeschieden worden; unter dem Einflusse des mit Alkohol nicht vorbehandelten Extraktes (subkutane Einführung derselben Menge) sind. im Versuche XXIH 73,0 cem und im Versuche XXI 77,6 ccm sezerniert worden. Die dreimalige Behandlung des Extraktes mit Alkohol auf oben beschriebene Weise schwächt seine Wirksamkeit derart ab, dass die nach subkutaner Einführung erfolgende Sekretion, wie der Ver- such XXV beweist, sehr geringfücig ist. Uber die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 305 Versuch XXV. 17. November 1913. ‘ Hund „Kudlaty“. Gewicht 16 kg; mit Magen- und Duodenalfistel, Um 8h 00’ Anfang der Beobachtung Bis 106 00° erfolgt keine Sekretion. Die Reaktion ist alkalisch. Es werden nun 4,0 ecm des dreimal mit absolutem Alkohol behandelten Extraktes eingeführt. Dieser Extrakt enthält 2,43 0/0 feste, 1,36 °/o organische und 1,07 Jo an- organische Bestandteile Um 105 20’ Anfang der Sekretion „ 10b 25’ 1,8 ccm Magensaft 1053015 , R ” 10h 35 2,2 ” » Pin 40 20 „ » „ 10h 45'033 „ n „ 10h 5005 „ nn In 30 Min. sind 8,3 ccm Magensaft ausgeschieden worden, d. i. zehnmal weniger als im vorigen Versuche unter dem Einflusse des nur zweimal mit absolutem Alkohol behandelten Extraktes. Es ist auch auffallend, dass die Menge organischer Bestandteile in dem dreimal mit Alkohol behandelten Extrakte viel kleiner ist (1,36 °/e) im Ver- gleiche mit dem Extrakte, welcher nur einer zweimaligen Behandlung unterzogen wurde (3,4°/o), und zwar zweieinhalbmal. In Fortsetzung der letzten Experimente habe ich weiterhin ver- sucht, den Trockenrückstand von ÖOrganextrakten mit Alkohol zu extrahieren. Der Extrakt wurde in einer Hofmeister’schen, mit feinstem Sand gefüllten Schale im Wasserbade langsam abgedampft, dann senau pulverisiert und das Pulver in der Temperatur von 90°C. getrocknet. In ein diekwandiges Glasgefäss gebracht, wurde nun das Pulver mit absolutem Alkohol im Schüttelapparate einige Stunden lang geschüttelt. Nach Abfiltrieren habe ich den Alkohol aus dem Filtrate in Vakuo abgedampft, den Rückstand in Wasser gelöst und auf das ursprüngliche Volumen ergänzt (1). Der nach dem Abfiltrieren des Alkohols im Glasgefässe verbleibende Rückstand wurde auch mit Wasser behandelt, der Alkohol verjagt, auf das ursprüngliche Volumen ergänzt und zu den Versuchen verwendet (2). Die Ergebnisse der Prüfung auf diese Weise gewonnener Extrakte _ veranschaulichen die folgenden Versuche XXVI und XXVH. Versuch XXVI. 7. November 1913. Hund „Kudlaty“. Gewicht 16 ke. Um 85 00’ Anfang der Beobachtung Bis 9h 20’ keine Sekretion. Reaktion alkalisch. Subkutane Ein- führung von 20,0 ccm eines alkoholischen, auf obige Weise (vgl. 1) gewonnenen Extraktes (Filtrat); das Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 20 306 Z. Tomaszewski: Präparat ist aus dem bereits am 13. Oktober an dem- selben Hunde geprüften Pylorusextrakte, durch Aus- schütteln des Trockenrückstandes mit absolutem Alkohol 15 Stunden lang hergestellt worden Um 9h 35’ Anfang der Sekretion „. 95h 40' 3,5 eem Magensaft 9458,00 » ” 9h 50’ 4,5 ” ” 9h 55’ 70 „ N 10h 55’ Mh 0020,50 2 Die Gesamtmenge des in 1 Stunde 25 Min. ausgeschiedenen Magen- saftes beträgt 47,2 cem; nach Einspritzung gleicher Menge desselben Extraktes, jedoch ohne dass er mit Alkohol behandelt wurde, sind innerhalb 2 Stunden 40 Min. beinahe 350 cem Magensaft, also etwa siebenmal soviel, gesammelt worden. Um 115 00’ subkutane Einspritzung von 20 ccm des wässerigen, aus dem Rückstande nach Abfiltrierung des Alkongls ge- wonnenen Auszugs (vgl. oben sub 2) 11h 05’ 0,5 ccm Magensaft 118,107 0,7 „ n ” 116'75/ 0,8 ” » 115.20) 05 „ n a : 11h 50'005 „ s SL. 1 50 11h 40'05 „ Dieser Versuch ergibt, dass der absolute Alkohol einen be- deutenden Teil des wirksamen Körpers vernichtet; in den alkoholischen Extrakt geht kaum ein Siebentel dieses Körpers über. Versuch XXVII. 26. November 1913. Hund „Kudlaty“. Gewicht 17 kg; mit Magen- und Duodenalfistel. In diesem Versuche wurde der alkoholische Schüttelauszug aus dem mehrmals schon verwendeten (vgl. Versuch vom 10. und 12. No- vember 1913) Darmextrakte hergestellt, auf seine Wirksamkeit geprüft. Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I]. 307 Um 8h 00’ Anfang der Beobachtung 8h 55’ keine Sekretion. Reaktion alkalisch. Subkutane Ein- spritzung von 20,0 cem des erwähnten alkoholischen Schüttelauszuges 9h 05’ Anfang der Sekretion 9h 10’ 1,5 eem Magensaft 91:15 7.0.,, » 9h 20’ 95 „ 5 Ba 9h 25' 8,0 ” ” gu i gh 35'45 , i 9h 40'238 „ \ Bh7asl 23, 2 hi 50',1.0 , ; „ 9h 55' 1,0 )) » 10h 00’ 0,5 °, n z 106 05' 05 , i In 1 Stunde sind 46,5 ccm Magensaft gesammelt worden; diese Menge entspricht ungefähr der Hälfte der Saftmenge, welche im Versuche XXII (am 12. November) an demselben Hunde nach Einspritzung fünfmal kleinerer Menge des gleichen Extraktes gewonnen wurde. Bei der Ausschüttelung mit Alkohol ist der neunte bis zehnte Teil des wirksamen Körpers verlorengegangen. Die chemische Untersuchung des Extraktes ergab: Vor der Ausschüttelung Nach der Ausschüttelung mit Alkohol mit Alkohol Feste Bestandteile. . . 8,926 °/o 1,86 jo Organische Bestandteile .. 6,276 9 1,60 Jo Anorganische £ . 2,650 lo 0,26 °/o Von den organischen Bestandteilen, unter welchen der wirksame Körper sich befindet, ist kaum der vierte Teil in den Alkohol über- gegangen. Durch Ausschüttelung mit wasserfreiem Methylalkohol gelingt es auch nieht, den wirksamen Körper zu extrahieren; Versuch XVI anı beiderseits vagotomierten Hunde „Nerus“ (am 9. Juli 1913) zeigt, dass auch hier ein bedeutender Teil des wirksamen Körpers während der Extraktion verloren geht. In dem oben bereits erwähnten Ver- suche wurden 13,0 cem eines mittels Methylalkohol hergestellten Schüttelauszuges aus dem Fundusextrakte subkutan eingespritzt und danach innerhalb 1 Stunde 15 Min. kaum 1,8 cem Magensaft ge- wonnen; unter dem Einflusse gleicher Menge (desselben , jedoch mit Methylalkohol nicht behandelten Extraktes sind 34,1 eem i 20 * 308 Z. Tomaszewski: Magensaft, d. i. dreimal mehr, ausgeschieden worden (Vers. VIH an demselben vagotomierten Hunde am 5. Juli 1913). Die chemische Zusammensetzung des Extraktes wird durch die Ausschüttelung mit Methylalkohol bedeutend verändert; die folgende Zusammenstellung des Ergebnisses der chemischen Untersuchung des Fundusextraktes, vor und nach Ausschüttelung mit Methylalkohol, zeigt ausgesprochene Unterschiede in der Zusammensetzung beider Prä- parate: Vor der Ausschüttelung Nach der Ausschüttelung mit Methylalkohol mit Methylalkohol Feste Bestandteile. . . 2,7200 0,902 90 Organische Bestandteile . 1,866 9o 0,836 lo Anorganische R .. 0,855 lo 0,066 lo Die Quantität des wirksamen Körpers wird noch am wenigsten durch die Fällung mit kolloidalem Eisen verändert; auf 100 ecm des 8,926 °/o feste Bestandteile enthaltenden Darmextraktes habe ich zur vollständigen Fällung 200.0 eem des kolloidalen Eisens gebraucht. Das gewonnene Filtrat enthielt 4,62 °/o feste Bestandteile. Versuch XXX. 11. November 1913. Hund „Ozarny“. Gewicht 10%/a kg; mit Magen- und Duodenalfistel. Um 7h 50' Anfang der Beobachtung. Bis 9h 05’ erfolgt keine Sekretion. Subkutane Einführung von 2!/a ccm eines mit kolloidalem Eisen gefällten Darmextraktes (mit 4,62 %/o fester Bestandteile) „ .9% 20’ Anfang der Sekretion „ 95h 25’ 3,0 cem Magensaft 92480 8,57, » ” ah 35' 4,0 ” ” £] 9h 40’ 3,9 ” ” N” 9h 45 4,0 ” » ” 9h 50' 3,8 ” » ” 9h 55" 2,0 $7] ” „ 105 00’ 2,0 „ N „u..105705..4150%3., N ” 105 10' 1,0 ” ” ” 10h 157 0,8 7 ” ” 105 20’ 0,6 ” ” ” 10h 25" 0,2 2 ” Die Sekretion dauerte 1 Stunde; es wurden in dieser Zeit 29,1! com + Magensaft ausgeschieden, d. i. mehr als die Hälfte dieser Saftmenge) welche nach Einspritzung von 2!/s cem mit kolloidalem Eisen nicht behandelten Darmextraktes gewonnen wurde. Ey N ER Ey BR, Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 309 Nach Fällung des Extraktes mit Phosphorwolframsäure erhält man kaum den vierten Teil des wirksamen Körpers wieder. Der nach Fällung mit Phosphorwolframsäure entstehende Niederschlag wird mittels Ba(OH), zerlegt, Barium mittels H,SO, und diese wiederum mittels Soda entfernt. Die Prüfung der Wirksamkeit eines auf obige Weise hergestellten Präparates aus dem zu .dem Ver- suche XXX bereits verwendeten Darmextrakte, ist an demselben Hunde „Czarny“ ausgeführt worden. Versuch XXXI. Um 7h 40° Anfang der Beobachtung Bis Sh 25' erfolgt keine Sekretion. Subkutane Einspritzung von 2!/a ccm der Lösung, welche aus dem Niederschlage nach Fällung mittels Phosphorwolframsäure hergestellt wurde. - Um 85 35’ Anfang der Sekretion 8h 40’ .1,2 eem Magensaft » 86 45° 2,8 ” » 8h 50'335 „ 5 Sn 5522,54, 5 9h 00' 2,0 ,„ 2 » 9h 05' 1,5 ” ” 20.0, » ” 9h 15' 0,6 ” ” 95720°:.0,7.: '; & 995.0,6 , * Innerhalb 50 Minuten sind 16,1 cem Magensaft gesammelt worden; _ diese Quantität entspricht beinahe der Hälfte derjenigen Menge, welche nach Einspritzung des mit kolloidalem Eisen gefällten Extraktes ge- wonnen wurde, und dem vierten Teile der nach Einführung des ur- sprünglichen Extraktes ausgeschiedenen Saftmenge. Die chemische Zusammensetzung des Extraktes vor und nach der Fällung mit Phosphorwolframsäure weist bedeutende Unterschiede auf: Vor der Fällung mit Nach der Fäilung mit Phosphorwoltramsäure Phosphorwolframsäure Feste Bestandteile . . . 8,9260 1,95% Organische Bestandteile. . 6,276 /o 1,60 %/o Anorganische \ .12..22,067.0.010 0,35 lo Es ergibt sich also, dass nach Fällung mit Phosphorwolframsäure nur der vierte Teil ursprünglich vorhandener organischer Bestandteile in dem Fxtrakte zurückbleibt, und dementsprechend ist auch die Wirkung nach der Fällung viermal schwächer. 310 Z. Tomaszewski: Der wirksame Körper wird durch das Sublimat nicht gefällt, was sich aus dem Versuch XXXII am beiderseits vagotomierten Hunde „Nerus“ (11. Juli 1913) ergibt; nach Einführung von 20,0 cem einer Lösung, welche aus dem Sublimatniederschlage nach Entfernung des Hg und Neutralisierung hersestellt worden ist, trat keine Aus- scheidung des Magensaftes auf. Als Ergänzung der Untersuchungen über die chemischen Eigen- schaften des wirksamen Körpers der Organextrakte kaun auch hinzu- gefügt werden, dass dieser Körper in den wasserfreien Äther und Chloroform nicht übergeht. Damit schliessen die Untersuchungen über die chemischen Eigenschaften des wirksamen Körpers der Extrakte ab. Diese Untersuchungen haben den wirksamen Körper nicht zu isolieren vermocht, haben aber viele seiner Eigenschaften entdeckt, welche in Hinkunft den Ausgangspunkt zur Gewinnung des Körpers in reinem Zustande bilden dürften. Insbesondere betrachte ich als Aus- sangspunkt für weitere chemische Untersuchungen die nachgewiesene Tatsache, dass die Extrakte durch Füllung mit kolloidalem Eisen ohne grössere Verluste an wirksamen Körper gereinigt werden können, dass dieser Körper bei Fällung des Extraktes mit Phosphorwolframsäure in den Niederschlag übergeht, und dass er bei weiterer vorsichtiger Behandlung mit 80—85 °/o Äthylalkohol gewonnen werden kann. Es ist auch für uns wichtig, festgestellt zu haben, dass der wirk- same Körper nicht mit dem Vasodilatin identisch ist, was sich in erster Reihe aus den oben angeführten physiologischen Versuchen ergibt. Man könnte an das Cholin denken, dessen Anwesenheit in den Organextrakten nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar sehr wahrscheinlich ist. Gegen das Cholin sprieht aber die Tatsache, dass nach subkutaner Einführung des reinen Präparates die Sekretion des Magensaftes nicht erfolgt, und auch die chemische Eigenschaft des Cholins, dass es sich im absoluten Alkohol gut löst und in ihm nicht zerfällt. Die Zerfallsprodukte des Cholins können auf Grund der Tatsache nicht in Betracht kommen, dass das Atropin ihre Wirkung aufhebt, was in meinen Versuchen nicht der Fall war. Die erwähnten Zerfallsprodukte regen schliesslich sehr energisch die Sekretion des Speichels an und verursachen die Verlangsamung des Herzschlages, was ich bei meinen Experimenten nie beobachten konnte. Es ist also sehr naheliegend, dass wir mit einem neuen, bisher nicht bekannten Körper zu tun haben, und es bleibt den weiteren Untersuchungen vorbehalten, festzustellen, ob diese Vermutung die Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. 1. 311 richtige ist. Das ‚wichtigste Ergebnis vorliegender Arbeit ist die bisher in der Physiologie einzig dastehende Tatsache, dass ein Körper sich nur bei subkutaner Einführung wirksam zeist. Es ist zwar aus den. Untersuchungen von Popielski!) bekannt, dass manche Körper wie Morphin, Dionin, Atropin und Kokain, bei intravenöser Einführung - solehe Symptome hervorrufen, welche nach subkutaner Einspritzung nicht auftreten; ihre eigentliche Wirkung aber offenbart sich deutlich - sowohl bei der subkutanen, als auch bei der intravenösen Einführung. Die Symptome, welche nur nach intravenöser Einführung von Morphium auftreten, bilden einen Symptomenkomplex, welcher mit den nach intravenöser Einführung des Vasodilatins auftretenden Symptomen identisch ist. Dieses komplizierte Bild der Symptome ist durch die Untersuchungen von Popielski aufgeklärt. Zum ersten Male stossen wir aber in der Physiologie auf die Tatsache, dass die subkutane Einführung eine energische, die intra- venöse hingegen gar keine Wirkung (gegebenenfalls auf die Magen- drüsen) ausübt. Über die Ursache dieses Phänomens sind wir bis jetzt nur auf Vermutungen angewiesen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass im 'subkutanen Gewebe aus dem eingeführten Extrakte sich entweder ein Körper neu bildet oder von den im Extrakte vor- handenen zusammengesetzten Körpern ein neuer Körper von ein- facherer chemischer Struktur loslöst. Auf einen, sich im subkutanen Gewebe abspielenden chemischen Prozess können wir daraus schliessen, dass zwischen der Einspritzung des Extraktes und dem Anfange der Sekretion ein Zeitraum von 10—15 Minuten liest. Der neu ent- stehende Körper übt auf die Magendrüsen einen mächtigen Reiz aus, mit welcheın kaum der psychische, bei der Scheinfütterung des Tieres entstehende, verglichen werden kann. Im Versuche am Hunde „Kudlaty“ (31. Oktober 1913) nach Einführung von 20,0 ccm des 4,1 °/o organischer Bestandteile ent- haltenden Extraktes haben wir im Verlaufe von 2 Stunden 14 Min. die kolossale Menge von 350,0 cem Magensaft gewonnen. Bei dem- selben Hunde (17. Februar 1914) nach der Fütterung mit 250 g Fleisch sind in 2 Stunden 300,0 cem Magensaft, also etwas weniger als nach Einspritzung des Extraktes, ausgeschieden worden. Nach Fütterung mit 200,0 g Brot und 400 cem Wasser (9. Dezember 1913) sind in 1) Popielski, Erscheinungen bei direkter Einführung von chemischen Körpern in die Bluthahn. Zentralbl. f. Physio. Bd. 24 H. 24. 1910. je. „. 312 Z. Tomaszewski: Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. 21/2 Stunden 139 cem Magensaft, nach 200 g Brot und 800 ccm Wasser (13. Dezember 1913) in 21/g Stunden 165 cem Magensaft ausgeschieden worden. Die Wirksamkeit .des in den Organextrakten enthaltenen Körpers ist sehr gross. Bei subkutaner Einführung von 20 cem des Extraktes (31. Oktober 1913) sind - — (0,82 organische Bestandteile eingeführt worden. Auf 1 kg des Gewichtes entfallen 0,048 organische Substanzen, unter welchen den grösseren Teil sicher die Verunreinigungen bilden. Auf diese Einspritzung hin haben wir eine kolossale Sekretion des Magensaftes erhalten wenn wir diese Zahl verdoppeln, bekommen wir 350 -2—=700 cem Magensaft, also eine Saftmenge, welche um vieles die bei der Scheinfütterung beobachteten Saftmengen über- sehreitet. Diese Folgerung ist deswegen berechtigt, weil die Menge des ausgeschiedenen Magensaftes in der Mehrzahl der Fälle zu der Menge organischer Bestandteile der Extrakte proportionell ist. Wir können also behaupten, dass in den Extrakten sich ein mächtiger Erreger für die Magendrüsen befindet. Das zweite wichtige Ergebnis vorliegender Untersuchungen ist der erbrachte Nachweis, dass die Eigenschaft, die Sekretion des Maeen- saftes anzuregen, nicht für den Extrakt irgendeines Organes spezifisch ist, sondern dass die Extrakte aller von mir verwendeten Organe (Schleimhaut des Pylorus, Fundus, Magenmuscularis, Bauchspeichel- drüse, Dünn- und Dickdarm) dieselbe Wirkung haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass überhaupt alle Organextrakte die gleiche Kigen- schaft besitzen. RE 313 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität und dem Kriegsspital der Finanzinstitute Budapest.) Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. r Von Dr. Julius Veszi, Privatdozent für Physiologie in Bonn. (Mit 1 Textfigur.) Seit alter Zeit hat die Frage nach dem Mechanismus der Narkose das Denken der Physiologen und Pharmakologen lebhaft beschäftigt. Das ist auch sehr leicht verständlich: ist doch die Narkose eine Giftwirkung, deren praktische Wichtiekeit kaum ihresgleichen hat. Diese rege experimentelle und kritische Tätigkeit hat auch zu An- schauungen über den Mechanismus der Narkose, zu Narkosetheorien geführt, die die Wirkung der Narkotika verständlich zu machen suchen. Im folgenden sollen nun einerseits die bisher vorliegenden Narkosetheorien experimentell und kritisch behandelt werden, ander- seits soll der Grundriss einer neuen, auf Grund von physikalisch- chemischen Betrachtungen gewonnenen Theorie der Narkose ge- geben werden. Von der Behandlung der älteren Narkosetheorien, deren Dis- kussion sich heute wohl erübrigt, wollen wir hier absehen. Eine gute Zusammenstellung derselben ist in Overton’s vorzüglichem Buch zu finden. Eine fundamentale Tatsache, deren Behandlung und Erklärung in jeder Theorie der Narkose einen wesentlichen Punkt bilden sollte, ist die von E. Overton!) und Hans Meyer!) experimentell ge- fundene Regel, nach welcher die narkotische Wirkung verschiedener 1) Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. — H. Meyer, Zur Theorie der Alkoholnarkose. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 42. 1899. 314 Julius Veszi: Narkotika den Verteilungskoeffizienten derselben zwischen Fett und Wasser symbat ist. Immer gelanet das Narkotikum in wässeriger Lösung zu der Zelle. Haben wir zwei Narkotika N, und N,, und nennen‘ wir ihre Konzentrationen im wässrigen Medium der Zelle en,w Und cy,w, ‚so ist N, „stärker“, wenn es bei einer geringeren: Konzentration im wässerigen Medium, d. h. bei einem geringeren cn,w dieselbe Wirkung hervorruft, welche N, bei einer grösseren Konzentration, d. h. erst bei einem grösseren cn,w hervorzurufen imstande ist. Nennen wir die Konzentrationen im wässerieen Medium, welche eben genügen, um eine narkotische Wirkung hervorzurufen, die „Schwellenkonzentration“ cy,s resp. cn,s, SO ist N, ein stärkeres Narkotikum, wenn cms vxr,. Je grösser also die Fettlöslichkeit eines Narkotikums im Verhältnis zu seiner Wasserlöslichkeit ist, um so stärker wirkt es narkotisch. In der Tat haben wir hier eine fundamentale Tatsache vor uns: die Wirkung eines Giftes steht im engsten Zusammenhang mit einer physikalisch-chemischen Konstante des Giftstoffes! Wie wir später sehen werden, muss diese Regel einen integrierenden . Be- standteil unserer Anschauungen über den physikalisch-chemischen Mechanismus der Narkose bilden. Obwohl nun die Overton-Meyer’sche Regel eine so ausser- ordentlich interessante und wichtige Beziehung enthält, ist sie be- züglich ihrer Bedeutung für die Theorie der Narkose sehr ver- schieden gewertet worden. Overton selbst hält sie für eine grund- legende Tatsache in bezug der Wirkung des Narkotikums. Andere wieder haben die Anschauung vertreten, die Fettlöslichkeit des Narkotikums sei nur eine Vorbedingung dazu, damit das Narkotikum in die Zelle gelange, habe aber mit der eigentlichen Wirkung wenig oder nichts zu tun. Lassen wir vorläufig die Diskussion dieser Frage, auf ie wir später bei der physikalich-chemischen Betrachtung der Narkosewirkung noch zurückkommen werden, und wenden wir uns anderen Gedanken- gängen zu, welche — aus ganz anderen Betrachtungen gewonnen — sich mit: dem Mechanismus der Narkose. beschäftigen. Auf Grund von experimentellen Untersuchungen, die in: seinem Be Zierituu VE ch B; EEE I EETER u E15 Be sic be Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 310: Laboratorium ausgeführt wurden, kam Verworn!) zu dem Schluss, dass dieJähmende Wirkung der Narkotika dadurch zustande kommt, dass in Anwesenheit des Narkotikums die Oxydationsvorgänge in der Zelle verlangsamt, resp. sistiert werden. Der Grundversuch war folgender): Bei einem mit Strychnin vergifteten Frosch wird die Zirkulation durch eine künstliche Durchspülung mit physiologischer Kochsalz- - lösung, die sauerstofffrei: gemacht wurde, ersetzt, Infolge der erreg- barkeitssteigenden Wirkung des Strychnins auf die sensiblen Ganglien- zellen des Rückenmarks bekommt der Frosch starke Krämpfe. Wenn _ die Durchspülungsflüssiskeit sauerstofifrei ist, werden die Krämpfe mit der Zeit immer schwächer, bis sie schliesslich ganz schwinden. Der Frosch liest regungslos da und kann auch durch äussere Reize nieht mehr erregt werden. Dies ist die Folge des Sauerstoffmangels in den Ganglienzellen. Wenn wir nun eine sauerstoffhaltige Lösung durchspülen, so kehrt die Erregbarkeit in kurzer Zeit wieder zu- rück. Es treten auch spontane Krämpfe auf. Wir können nun wieder sauerstofffreie Lösung durchspülen, wobei die Erregbarkeit wieder allmählich abnimmt. Wenn wir nun diesen Versuch wieder- holen, es aber so einrichten, dass wir die Ganglienzellen gleichzeitig mit der Darbietung des Sauerstoffes narkotisieren, so finden wir, dass die Ganglienzellen. in Anwesenheit des Narkotikums den dar- - gebotenen Sauerstoff nieht ausnützen Können, denn die Erregbarkeit kehrt in diesem Fall nach Sauerstoffzufuhr nieht zurück. Der Ver- such wurde später an erstickten Nerven wiederholt und führte zu demselben Ergebnis ?). Die narkotisierte Ganglienzelle und der narkotisierte Nerv können also den Sauerstoff in der Narkose nicht ausnützen, auch wenn in ihnen — infolge der vorhergehenden Erstiekung — ein starker „Sauerstoffhunger“ herrscht. Die Richtigkeit dieses Satzes ist wohl nicht zu bezweifeln. Die Versuche beweisen in der Tat, dass in der Narkose die Sauerstoff- zufuhr unwirksam war. Ist. es aber auch durch die Versuche un- zweideutig bewiesen, dass der Lähmung der Oxydationsvorgänge im Mechanismus der Narkose die ausschlaggebende Rolle zukommt? 1) Verworn, Die Narkose. Jena 1912. 2) Winterstein, Zur Kenntnis der Narkose. Zeitrchr. f. allgem. Physiol. Bd. 1. 1902. — Fr. Fröhlich, Zur Kenntnis der Narkose des Nerven, Zeitschr. 3% en Physiol. Bd. 3. 1904. 316 Julius Veszi: Es wäre auf Grund der Versuche, die im Verworn’schen Labora- torium ausgeführt wurden, ebenso möglich, dass die Narkose nicht nur die Oxydation, sondern auch noch eine Reihe anderer Vorgänge in der Zelle lähmt, ja vielleicht alle Reaktionen. Auch. in diesem Falle wären der narkotisierte Nerv oder die narkotisierte Ganglien- zelle nicht imstande, die infolge des Sauerstoffmangels gesunkene Frregbarkeit bei gleichzeitiger Darbietgng des Sauerstoffes und des Narkotikums zu restituieren. In diesem Falle würde aber die Vor- zuesrolle der Oxydationsprozesse, auf welche das Narkotikum allein primär wirken sollte, wegfallen. Diese Theorie ist auch nicht ohne Widerspruch geblieben. Eine sute Übersicht der Gründe, die gegen sie angeführt werden können, findet sich in Winterstein’s!) Arbeit. Hier wollen wir nur auf eine Tatsache hinweisen, die physiologisch von. Bedeutung ist. Der Froschnerv bleibt in reinem Stickstoff mehrere Stunden erregbar, während in einem Luft-Äthergemisch die Erreebarkeit in wenigen Minuten nicht mehr nachweisbar ist. Nach Verworns Ansicht kaun der Nerv im sauerstofffreien Medium deshalb noch längere Zeit erreebar bleiben, weil in ihm Reservesauerstofft enthalten ist. Wie solleu wir uns aber diesen Reservesauerstoff vorstellen ? Er kann gelöst, adsorbiert oder in lockerer chemischer Bindung vor- handen sein. Der gelöste Saueıstoff muss aber in sehr kurzer Zeit aus dem Nerven herausdiffundieren, wenn wir durch die Kammer, in welcher der Nerv sich befindet, ein Gas durchleiten, in dem der Partialdruck des Sauerstofis gleich Null ist. Dasselbe eilt für den adsorbierten Sauerstoff. Wäre endlich der Reservesauerstoff in lockerer chemischer Bindung, in einem „Sauerstoffdepot“ abgelagert, so müsste er auch nach kurzer Zeit herausdiffundieren. Wir hätten dann nämlich folgenden Fall: die Bindung des Sauerstoffs an das chemische Substrat des Depots wäre eine reversible chemische Reak- tion. Der Sauerstoffvorrat des Depots, d. h. die Masse der hypothe- tischen locker gebundenen Verbindung, wäre dann abhängig von der Konzentration des chemisch nicht gebundenen Sauerstofis. Wenn wir mit D den hypothetischen sauerstoffbindenden Stoff bezeichnen, hätten wir also folgende Gleichung: D+n0;, 27 DO;., 1) Winterstein, Beiträge zur Kenntnis der Narkose. Biochem. Zeitschr. Bd. 51. 1913. ; Ei, Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 317 wenn ein Molekül D sich mit n Molekülen Sauerstoff zu einem Molekül DO,, verbindet. Für diese chemische Umsetzung gilt aber nach dem Massen wirkungsgesetz.: ao) (DO:.) ' wo die eingeklammerten Grössen die Konzentrationen der be- treffenden Stoffe bedeuten. Hieraus sieht man, dass bei Abnahme der Konzentration des Sauerstoffs in der Flüssigkeit des Nerven die Verbindung DO,, dissoziieren muss, und dass diese Dissoziation - vollkommen wird, wenn die Konzentration des Sauerstofts in der Lösung eleich O wird. Letzten Endes würde daher auch der so gebundene Sauerstoff in dem den Nerven umgebenden Gas gleich 0 werden. Eine einfache Überleseung zeiet, dass dasselbe der Fall sein würde, wenn zwischen Depot und dem äusseren Medium des Nerven irgendwo , auch eine oder mehrere adsorbierende Oberflächen wären. Aus dieser kurzen Betrachtung folgt, dass die Annahme, nach welcher der Nerv in reinem Stickstoff stundenlang auf Kosten des Reservesauerstofis erregbar bleiben könnte, mit unseren physikalisch- chemischen Anschauungen schwer zu vereinbaren ist. Es liegt viel- mehr der Gedanke nahe, dass sich im Nerven in dem Stickstoff- medium anoxydative Spaltungen abspielen, welche die für die Erreg- barkeit notwendige freie Energie liefern. Durch das Narkotikum könnte die Geschwindigkeit: dieser anoxydativen: Reaktionen nun ebenso herabgesetzt werden wie die der oxydativen. Dann wäre es erklärt, warum der narkotisierte Nerv so schnell unerregbar wird im Vergleich zum erstickenden Nerven, — ohne dass wir zur Existenz von Reservesauerstoff, die auch von anderen Gesichtspunkten aus bestritten wird, greifen müssten. Wie wir später sehen werden, ist diese Annahme durchaus wahrscheinlich. In einer Reihe interessanter Untersuchungen zeigte Mannsfeld'), dass Sauerstoffmangel und Narkose an verschiedenen Objekten in gleichen Sinne wirken. Indessen beweisen auch seine Untersuchungen nicht, dass den oxydativen Vorgängen eine bevorzugte Rolle im Mechanismus der Narkose zukommt. Dass Narkose und Sauerstoff- mangel bei aeroben Wesen zu sleichen oder ähnlichen Endresultaten D) Mannsfeld, Narkose und Sanerstoffmangel. Pflüger’s Arch. Bd. 129, 131, 143. 318 Julius Veszi: führen kann, beweist dies jedenfalls durchaus nicht, da man aus der Ähnlichkeit der Wirkung und der gegenseitigen Verstärkung der Wirkung durchaus nicht immer auf eine direkte Analogie: im Mechanismus schliessen darf. Ein Beispiel mag angeführt werden. Die Leitungsgeschwindiekeit des Kaltblüternerven wächst mit Er- höhung der Temperatur, auch mit Erhöhung des osmotischen Drucks, natürlich mit beiden nur bis zu einem gewissen Grade. Dar- aus dürfte man aber weder schliessen, dass die Erhöhung der Temperatur dadureh wirkt, dass der osmotische Druck dabei steigt, noch umgekehrt. Mannsfeld versucht auch, seine Ansicht physi- kalisch-chemisch zu stützen, indem er annimmt, dass der Sauerstoff dureh die Lipoidhülle in die Zelle diffundiert, und dass die Lösungs- fähigkeit der Lipoide für Sauerstoft herabgesetzt ist, wenn die Lipoide Narkotikum gelöst haben. Wie nun Winterstein mit Recht be- tont, ist im allgemeinen nach dem Henry-Dalton’schen ‚Gesetz die Konzentration eines gelösten Gases in einer Lösung nur vom Partialdruck des Gases abhängig, und zwar mit dem Partialdruck proportional. Fine Ausnahme bilden nur die Klektrolyte in Wasser, bei denen eine Hydratbildung der Ionen stattzufinden scheint, wo- dureh tatsächlich weniger Wasser für die Auflösung des Gases zur Verfügung steht. Dieser Fall liest aber hier nicht vor. In der Tat konnte Winterstein!) zeigen, dass die Versuche E. Hamburger’s?), die eine geringere Löslichkeit des Sauerstoffs in Lipoiden bei gleich- zeitiger Lösung eines Narkotikums zu beweisen schienen, fehler- “haft sind. 1 Die Narkose der Anaeroben. Wenn die Lähmung der energetischen Leistungen der Zelle nur dadurch zustande käme, dass ın Anwesenheit des Narkotikums die Reaktionsgeschwindigkeit der oxydativen Vorgänge herabgesetzt wäre, so wären anaerobe Lebewesen nicht narkotisierbar. In diesen Systemen spielen sich die energetischen Leistungen nicht auf Kosten von oxydativen Vorgängen, sondern auf Kosten von anderen exother- mischen chemischen Reaktionen ab, während die von uns gewöhn- lich untersuchten Systeme, wie zum Beispiel das Nervensystem der Aeroben, die Arbeit in der Tat auf Kosten der Oxydationen leisten. 1) Winterstein, sen 2) E. Hamburger, Narkose und Sauerstoffmangel. Pflüger’s Arch. Bd. 143. > Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 319 Offenbar von ähnlichen Gedanken geleitet, untersuchte bereits Winterstein!) die Narkose der Eingeweidewürmer. Er konnte feststellen, dass sie in der Tat narkotisierbar sind. Ich beschloss nun, Systeme zu untersuchen, bei denen die Mög- lichkeit, dass die freie Energie aus oxydativen Vorgängen gewonnen wird, gänzlich ausgeschlossen ist. Solche Systeme sind die absolut anaeroben Bakterien. Als Indikator wählte ich die Eigenbewegung der Bakterien. Die Versuchsmethodik war folgende: Die Bakterien wurden in gewöhn- licher Bouillon oder Traubenzucker-Bouillon (1%o Traubenzucker) gezüchtet und in hängendem Tropfen mit Immersion- untersucht. Manchmal benutzte ich auch das Kondenswasser von Schrägagar- kultnren. Bei der Herstellung des hängenden Tropfens kommt es darauf an, dass der Tropfen die richtige Dichte hat. Man muss ge- nüsend viele Bakterien im Gesichtsfeld haben, um auf einmal mög- liehst viele Individuen beobachten zu können. Anderseits dürfen die Bakterien nicht zu dicht in der Flüssigkeit suspendiert sein, damit sie genügend freie Bahn haben. Ich verwendete grundsätz- lieh nur Kulturen mit guter Eigenbewegung, in denen die Bakterien durch das ganze Gesichtsfeld durchschwimmen. Beachtet man dieses Moment nicht, so wird man leicht das Opfer von Täuschungen. Die schwache Eicenbewegung der Bakterien, das Zittern und Drehen auf einem Fleck ohne nennenswerte ÖOrtsveränderung kann man nämlich schwer von der Brown’schen Molekularbewegung unter- scheiden. Folgendes Verfahren bewährte sich, besonders bei den obligat Anaeroben, die überhaupt sich träger bewegen. Eine Bouillon- kultur wird so lange (24—48 Stunden) bebrütet, bis sie eine starke Trübunse eventuell auch Bodensatz zeist. Untersucht man eine solehe Kultur im hängenden Tropfen, so ist sie zunächst für die Versuche nicht geeignet. Erstens ist die Bakteriensuspension näm- lieht zu dicht, um die fortlaufende Bewegung gut beobachten zu können, zweitens ist die Eigenbewegung der Bakterien sehr schwach. Wenn man nun zum hängenden Tropfen mit der Platinoese etwas sterile Bouillon zusetzt, so wird erstens die Dichte der Suspension entsprechend, zweitens fangen alle Bakterien momentan an, mit kräftiger Eigenbewegung durch das Gesichtsfeld zu schwimmen. Dieses Verfahren bewährte sich ganz besonders bei Bacillus oede- 1) Winterstein,l. c. 320 Julius V&6szi: matis maligni und Bacillus gangraenae emphysematosae sehr ut. Wenn man den Tropfen mit physiologischer Kochsalzlösung statt mit Bouillon verdünnt, tritt diese „Auffrischung“ auch auf, doch schien sie mir dann nicht ganz so ausgeprägt zu sein. : Es scheint, dass die Abschwächung der Eigenbewegung bei zu grosser Dichte der Suspension :weniger dem Mangel an Nährstoffen als der An- häufung der Stoffwechselprodukte in der Bouillon zuzuschreiben ist. Da der Vorgang reversibel ist, kann man an Selbstnarkose denken, besonders bei Bakterien, die alkoholische Gäruns machen. Die anaeroben Bakterienkulturen stellte ich mit der Pyrogallus- methode an. Nachdem die in einem Reagensglas befindliche Bouillon beimpft ist, wird der Wattestopfen etwas in den Hals des Glases geschoben. Auf die Watte wird Pyrogallussäure in Substanz ge- schüttet und etwa fünf Tropfen konzentrierte Kalilauge getropft. Dann wird die Öffnung schnell mit einem Korkstopfen geschlossen und mit Siegellack abgedichtet. Die Mischung Pyrogallussäure plus Lauge auf der Watte absorbiert sehr schnell den Sauerstoff aus dem Inhalt des Reagensglases. Um die Bakterien im hängenden Tropfen narkotisieren zn können, verwendete ich eine Versuchsanordnung, die im wesentlichen der Methodik des Verworn’schen Laboratoriums entspricht, wie sie zum Beispiel Ischikawa!) für die Narkose der Protozoen benützt hatte. Ein grosses Glasgasometer enthält reinen Stickstoff, der nach ‘der Methodik des Verworn’schen?) Laboratoriums hersestellt ist. Der Stickstoff wird aus dem Gasometer noch durch zwei Waschflaschen geleitet, die ebenfalls mit Sauerstoff absorbierender Ferrosulfatlösung gefüllt sind. Aus diesen kam das Gas in einen Verworn’schen Narkoseapparat, in dem er mit Ätherdämpfen gemischt werden konnte, und von da aus in die Kammer, in welcher der Tropfen hing. Die Kammer, die Ischikawa benützt hatte, eionet sich für Narkose der Bakterien nicht, da sie zu hoch ist und deshalb das Beobachten mit Immersion wegen der grossen Entfernung des Kondensors vom Objektiv nicht gestattet. Ich liess mir daher eine Durchströmungskammer anfertigen, deren Höhe geleich der eines ausgehöhlten Objektträgers h 1) Ischikawa, Über die Wirkung der Narkose an Amöben. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 13. 1912. 2) H. v. Baeyer, Das Sauerstoffbedürfnis des Nerven. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 2. 1902. Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose, 321 ist). Auf der oberen Fläche dieser Kammer ist eine runde Öffnung. Der Rand dieser Öffnung wird gut mit Vaseline beschmiert, das Deckglas mit dem hängenden Tropfen aufgelest und ringsherum gut angedrückt, damit die Vaseline luftdieht abschliesst. Das Zuleitungs- - rohr der Kammer war mit dem Narkoseapparat, das Ableitungsrohr mit einer Ventilflasche verbunden. Um auch Luft durchleiten zu können, war vor dem Narkoseapparat ein kurzes T-Rohr angebracht, von dessen Schenkeln der eine zu den erwähnten Waschflaschen ‚resp. zum Stickstoffgasometer, der andere zu einer mit Wasser ge- füllten Waschflasche resp. zu einem Luftgasometer führte. So konnte ‚also nach Belieben Luft, Stickstoff, Luft + Ätherdampf oder Stick- stoff + Ätherdampf durchgeleitet werden. Es empfiehlt sich, das Gas nicht allzu stürmisch durch die Kammer zu lassen, da leicht Strömungen im Tropfen entstehen können. Zuerst untersuchte ich zwei fakultativ anaerobe Arten: einen Stamm von Baeillus mesenterieus und einen von Bacillus proteus vulgaris. Beide eignen sich sehr gut zu diesen Versuchen. In frischen Kulturen bewegen sie sich lebhaft. Der B. mesent. ist wegen seiner Grösse ein hübsches Objekt. Ein Nachteil ist nur, dass er in älteren Kulturen Kahmhaut bildet und dann seine Eigen- bewegung verliert. Proteus bewegt sich ebenfalls in jungen Kulturen sehr lebhaft. Angenehm zum Beobachten sind die grossen Variationen des Proteus. Die Versuche wurden mit Luftkulturen in Luft gemacht. Sie ergaben, dass der B. messent. und B. prot. mit Äther sehr leicht zu narkotisieren sind. Liess ich zum Beispiel sechzig. bis neunzig Blasen des Luftäthergemisches in 40—60 Sekunden durchströmen, so standen alle Bazillen still. Sowie die fortlaufende Bewegung aufhört, so dass man im Gesichtsfeld keinen einzigen Bazillus durch- schwimmen sieht, sondern nur noch stilliegende oder leicht sich an einem Fleck drehende, muss man das Narkotikum vertreiben, sonst wird die Erholung mangelhaft, oder sie tritt schon nicht mehr ein. Bei einiger Übung gelingt es aber regelmässig, bei allen Bakterien die fortlaufende Bewegung durch Narkose in 40—60 Sekunden zum Stillstand zu bringen und bei sofortiger Durchleitung von Luft in “ . EN etwa. 1—2 Minuten fast alle wieder erholen zu lassen, so dass sie wieder durch das Gesichtsfeld schwimmen. Man kann sogar mehrmals 1) Die Kammer wurde von Herrn Alexander Huber, Budapest, Eszter- _ häzy utca 9, angefertigt. . Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 21 322: Julius Veszi: mit demselben Tropfen Narkose und Erholung machen. Dabei wird, aber die Erholung immer unvollkommener. .V Ventilflasche. 4ı Stickstoffgasometer, 99 Luftgasometer, 20,, %77. und w77r Waschflaschen, IANTTELTTITEITTTTT IIHRHHHHAHH | S $ LT = } \ SI s N se! « ‚ers 4 | ul EINEN E a R TRIEEHEESTEITT 4 ii arır CUT a 3 A, E; E x [«B) Ya ei “ N Verworn’scher Narkoseapparat, AZ Ätherbehälter, X Durchströmungskammer, © Objektiv des Mikroskops, . F3H ie. 1. Man bemerkt bei genauerem Zusehen geringe individuelle Unter- i | schiede, obwohl sie bei jungen, kräftigen Kulturen nicht gross sind. Man sieht zum Beispiel, wie in der Erholung zuerst das eine dann S y - Die physikalisch-chemische Theorie dee Narkose. 393, das andere Bakterium erst leichte Zitterbeweeuneen auszuführen anfängt, die dann immer kräftiger werden, in eine kräftige Rotation übergehen, bis dann eine zuerst langsame, dann aber immer kräftiger werdende fortlaufende Bewegung auftritt. Man sieht auch inko- ordinierte Bewegungen bei der Erholung, „torkelnde Bakterien“, deren pendelndes und unsieheres Schwimmen an das Torkeln der Betrunkenen erinnert. Wahrscheinlich kommen diese Erscheinungen so zustande, dass ein Teil der Geisseln kräftiger schläst, der andere zurückbleibt. Die Versuche ergaben also das Resultat, dass fakultativ anerobe Bakterien in Luft narkotisierbar sind. Somit decken sieh meine Ergebnisse mit denen Winterstein’s. Man könnte nun daran denken, dass in unserem Fall der Über- gang vom oxydativen zum anoxydativen Stoffwechsel nicht schnell genug vor sich gehen kann. Man könnte meinen, dass der B. mesent. ° oder B. prot. jedesmal, wenn sie aus einem sauerstoffhaltigen Medium: in ein sauerstofffreies gelangen, eine gewisse Zeit brauchen, bis sie sich den neuen Bedingunsen anpassen können, d. h. bis sie vom: oxydativen zum anoxydativen Stoffwechsel übergehen. Bei der schnellen Narkose bliebe ihnen dazu keine Zeit. Ein anderer Einwand wäre auch möglich, dass nämlich diese Bakterien zwar auch ohne Sauerstoff wachsen können, aber sich nur - auf Kosten von oxydativen Vorgängen bewegen. Dann würde ihre Beweeune in der Narkose deshalb sistiert, weil die Narkose eben die oxydativen Vereänge lähmt. Dann würden unsere Versuche die Vorzussstellung der Oxydationen in der Narkosetheorie nicht aus dem Wege räumen. In der Tat eäbe es hierfür eine Analogie. Unter den Leuchtbakterien gibt es Arten, die auch ohne Sauerstoff leben können. Leuchten können sie aber nur auf Kosten oxydativer Vor- sänge in Anwesenheit von Sauerstoff !). Beide Einwände fallen bei der Untersuchung der obligater Anaeroben weg. Bei diesem kann von einem Übergang vom oxy- dativen zum anoxydativen Stoffwechsel keine Rede sein, da sie nur anoxydativ leben können. Der Sauerstoff wirkt ja direkt giftig. auf diese Organismen. Ferner bewegen sie sich gerade in einem sauerstoff- freien Medium, während die Bewegung bei Anwesenheit von Sauerstoff immer schwächer wird, endlich ganz aufhört. Ich untersuchte deshalb die Narkose der obligat anaeroben. 1) Kruse, Allgemeine Mikrobiologie. Leipzig 1910. 21* f 324 Julius Veszi: Bakterien. Als Versuchsobjekte wählte ich Baeillus oedematis maligni und Bacillus gangraenae sarcophysematos bovis. Beide Arten sind für die Beobachtung reeht angenehme Objekte, denn sie sind gross, und ihre fortlaufende Bewegung ist, wenn auch etwas träger als die der Aeroben, doch kräftig, genug. Die plumpen Stäbchen, von denen manche am Ende oder in der Mitte des Körpers Sporen tragen, schwimmen kräftig durch das Gesichstfeld. Nach Auflegen des Deckglases mit dem Tropfen habe ich zunächst einige Minuten lang Stickstoff durchgeleitet, damit der schädliche Sauerstoff aus dem Tropfen herausdiffundiert. Dann machte ich Narkose und Erholung _ in der oben beschriebenen Weise, Auch hier steht die fortlaufende Bewegung aller Bakterien nach Durchleitung von sechzig bis neunzig Blasen in 40—60 Sekunden still und kehrt in kurzer Zeit nach Verdrängung des Äthers mit reinem Stickstoff bei fast allen Bakterien ‘ wieder zurück. Wenn eine Person beobachtet und eine andere die Hähne handhabt, bringt man es bald so weit, dass jedesmal der richtige Moment für die Unterbrechung der Narkose erfasst wird. Wenn man dann gleich reinen Stickstoff durchleitet, sieht man noch zunächst, wie alle Bakterien still liegen und wie allmählich die Be- wegungen anfangen, bis schliesslich fast alle wieder kräftig durch das Gesichtsield schwimmen. ee E Ergebnisse der Versuche. Die obligat anaeroben Bakterien lassen sich ebenso Baron a wie die streng aerobe Ganglienzelle. Mit diesem Satz haben wir den unestagalichen Beweis geliefert, dass die Narkose nieht nur die oxydativen Prozesse lähmt. Wir wollen nun kurz untersuchen, aus welchen ehemischen Reaktionen die freie Energie bei den Anaeroben bestritten wird. Eine kurze Be- trachtunze mag hier genügen; die Frage ist im schönen Buch Kruse’s!) eingehend behandelt. - Schon Pasteur hat erkannt, dass die für das Leben der Klein- wesen notwendige freie Energie je nach der betreffenden Art und den äusseren Bedingungen bestritten werden kaun: 1. aus oxydativen, 2. aus anoxydativen Spaltungen. Die oxydativen Spaltungen können wir auch als Atmung der Kleinwesen bezeichnen, ‚die anoxydativen werden Gärungen genannt. So können Kleinwesen den Traubenzucker zu Kohlensäure und Wasser verbrennen, ebenso wie der menschliche 5 £ ’r = x op Bhlian ell a "nu ni ei a an vr 1) Kruse, Allgemeine Mikrobiologie. Leipzig 1910. Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 325 i Organismus. Sie können aber den Traubenzucker zum Beispiel zu Kohlensäure und Alkohol oder zu Milchsäure vergären. Atmung wie Gärung sind exothermische Reaktionen, in denen Wärme frei wird. Aus dieser freien Enersie leisten die Kleinwesen Arbeit. Insofern ist alse kein erundsätzlicher Unterschied zwischen Atmung und Gärung, als beide exotherimische Reaktionen sind. Doch ist die freiwerdende Wärmemenge bei der Atmung im allgemeinen grösser als bei den Gärungen. Dementsprechend müssen Anaerobier bzw. Gäruneserreger viel mehr Stoff umsetzen, um genügend freie Energie zu erhalten. Nach Kruse: „Bei Aerobiern wächst die Ausbeute ziemlich regelmässig mit dem Verbrennungswert der Nahrungsstoffe, die Anaerobier bzw. die Gärungserreger verbrauchen weit mehr Nahrung, weil durch Gärung viel weniger Energie. gewonnen wird als durch vollständige Oxydation der Nährstoffe.“ Dementsprechend finden wir, dass zum Beispiel die Hefe, die den Traubenzucker sowohl bei Sauerstoffzutritt zu oxydieren wie auch bei Sauerstoffabwesenheit . zu vereären vermag, bei Sauerstoffabwesenheit langsamer wächst im Verhältnis des umgesetzten Zuckers. Die Hefe kann also bei Sauerstoff- zutritt den Zueker oxydieren, dann genügt ihr wenig Zucker als Enersiequelle. Sie kann aber hei Sauerstoffabwesenheit den Zucker in Alkohol und Kohlensäure zerlesen. In diesem Falle muss sie für dieselbe Leistung weit mebr Zucker umsetzen. / Obligat anaeroben Kleinwesen stehen nun als chemische Energie- quelle die Gärungen allein zur Verfügung. So bildet zum Beispiel der Ödembazillus aus Traubenzucker, Buttersäure, Äthylalkohol und Milch- säure: (CeH150; —= C,H30, + 200; + 2 H, (+ 14,2 Kal.), C,H150, = 2 C;H,0 + 2C0, (+ 22 Kal.), C,H120; = 2 03H,0; (+ 15 Kal.). Dazu kommt noch die tiefgehende Spaltung des Eiweissmoleküls. Wir sehen also, dass wir es hier mit Reaktionen zu tun haben, die sich wesentlich von der Oxydation des Traubenzuckers unter- scheiden. Bei diesen Gärungen wird nicht dadurch Wärme frei, dass Kohlenstoff und Wasserstoff feste Bindung mit Sauerstoff eingehen, ‚wie bei der Verbrennung ‘des Zuckers, sondern aus der Spaltung einer längeren Kohlenstoffkette in kürzere. WET "Wir können also feststellen, dass bei der Narkose der obligaten ‚Anaeroben es sieh keineswees um eine Verhinderung der Sauerstoff- ‚aufnahme oder um eine Lähmung der Oxydationen handelt, / Hier ‚sind vielmehr ganz andere chemische Reaktionen zum Stillstand 'ge- kommen als in Winterstein’s Versuchen an den Ganglienzellen 326 Julius Veszi: des Froschrückenmarks. Dabei fällt aber die Vorzugsstellung der oxydativen Vorgänge in der Theorie, der Narkose weg. Die Theorie von Verworn und Mannsfeld muss als zu speziell erklärt werden, ‘da von ihrer Anwendung bei der Narkose der Anaerobier nicht die Rede sein kann. Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. Wir haben gesehen, dass wir die energetische Leistung der Anaeroben durch Narkose ebenso zum Stillstand bringen können wie die der Ganglienzellen. Es drängt sich da der Gedanke auf, dass die Narkose nicht nur eine Art chemischer Reaktionen der Zellen — etwa die Oxydationen — verlangsamt, sondern eine ganze ‚Reihe solcher. Wie kann das geschehen? Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, müssen ‚wir uns mit den Wechselwirkungen zwischen Zelle und umgebendem Medium beschäftisen. Jede Zelle — sei sie eine Bakterienzelle oder eine Ganglien- zelle — ist von einem wässerigen Medium umgeben. Mit diesem Medium steht die Zelle in steter Wechselwirkung. Die für das Leben notwendigen Stoffe, aus deren chemischen Umsetzungen — seien diese nun Verbrennung oder Gärung — die für das Leben der Zelle notwendige Energie frei wird, müssen andauernd in die Zelle hinein. Andererseits müssen die Stoffwechselprodukte, die Endprodukte der erwähnten Reaktionen stets aus der Zelle herausgelangen. Würde diese Wechselwirkung aufhören, so müsste das Leben stillstehen. Nach dem Massenwirkungssesetz nämlich ist die Reaktionsgeschwindigkeit proportional der m), Ma...ten Potenz der Konzentrationen der reagierenden Stoffe, umgekehrt proportional der m’,, m’,...ten Potenz der Konzentrationen der Reaktionsprodukte, wenn diese Stoffe mit m, Mg... resp. m’; m’s... Molekülen in der betreffenden Re- aktion teilnehmen. Wenn nun die reagierenden Stoffe nicht in die Zelle hinein, die Reaktionsprodukte nicht aus ihr heraus könnten, so würde die Reaktionsgeschwindiekeit bald gleich Null werden, d. h. die freie Energie, die für das Leben notwendig ist, würde eben- | falls gleich Null werden. Wie gelangen aber die Stoffe aus dem Medium in die Zelle? Um hineinzugelangen, müssen sie die Zelloberfläche passieren. Die Zusammensetzung der Zelloberfläche ist also’ von ausserordentlicher Wichtigkeit für das Leben der Zelle. Nach allem, was wir heute über diese Frage wissen, scheint die Bedeutung der Lipoide für: die Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 327 Zelloberfläche festzustehen. Wenn wir auch nicht so weit zu gehen brauchen, dass wir die Zelle von einer reinen Lipoidhülle umgeben ‚denken, kann es doch heute als feststehend gelten, dass die Zell- ‘oberfläche an Lipoiden reich ist. Nach Bayliss!) können wir das uns dadurch erklären, dass die Lipoide die Grenzflächenspannung herabsetzen. Daher werden sie an die Grenzfläche adsorbiert. ‘Wenn nun lipoidlösliche Stoffe in die Zelle hinein oder aus der Zelle heraus gelangen sollen, so müssen sie diese lipoidreiche Ober- Hächenschicht passieren, sie müssen dureh die Lipoide „wandern“. | Wir wollen uns nun etwas mehr mit dieser „Durcehwanderung“ der Lipoide?) befassen. Wenn wir zunächst das Eindringen eines ‚Stoffes S; aus dem äusseren Medium in das Lipoid betrachten, so haben wir hier eine zweiphäsische Reaktion vor uns. Das äussere ‘Medium ist die erste, das Lipoid die zweite Phase. Zwischen beiden ist eine Grenzfläche. Was wissen wir auf Grund der physikalisch- chemischen Theorie über diese Reaktion? Es sei die Konzentration des Stoffes S, im wässerigen Medium cs, im Lipoid gleieh Null. An die Grenzfläche Lipoid-wässeriges Medium gelangt der Stoff durch Adsorption, wenn er die Grenzflächenspannung Lipoid-wässeriges Medium herabsetzt. Wenn wir mit «s, die auf der Flächeneinheit adsorbierte Menge von S, bezeichnen, so gilt®): 1 Us, —ks, 6% SICHERN a) A EL ee (1), "wo ks, und ns, für unser System charakteristische Koustanten be- deuten, d. h. die auf die Flächeneinheit adsorbierte Menge ist pro- . ‚portional der „u -ten Potenz der Konzentration des Stoffes im ı wässerigen Medium. Ist der Stoff nun im Lipoid löslich, so wird ‘er einen Diffusionsdruck von der Grenzfläche nach dem Lipoid haben. ‘Diesem Drucke folgend wird .er also von der Grenzfläche aus ins Lipoid .diffundieren, wobei die Geschwindigkeit der Diffusion ab- 'hängig sein wird von %s,, von der auf der Flächeneinheit adsorbierten ‚Menge von $,. Wenn nun die Zelle sehr klein im Vergleich zum wässerigen Medium ist, oder wenn das wässerige Medium sich fort- "während erneuert — wie das tatsächlich unter physiologischen Be- 1) Bayliss, Prineiples of General Physiology. London 1915. 2) Im folgenden wird stets statt lipoidreicher Phase stets Lipoid kurzweg ‚gesetzt. 8) Freundlich, Kapillarchemie. Leipzig 1909. 328 Julius Veszi: dingungen der Fall ist —, so wird die durch die Grenzfläche ge- wanderte und an ihr adsorbierte Masse des Stoffes die Konzentration desselben im äusseren Medium kaum beeinflussen, so dass wir Cs,w konstant halten können. Dann wird in dem’ Maasse, wie der Stoff von der Oberfläche ins Lipoid diffundiert, aus der wässerigen Phase nachadsorbiert. Wenn. nun dieser Stoff $, stetig aus dem Lipoid entfernt wird, indem er entweder im Lipoid eine chemische Reaktion eingeht, oder an der inneren Seite des Lipoids in eine innere wässerige Phase hineindifundiert und dort eine Reaktion eingeht, wird die Geschwindigkeit dieser Reaktion davon abhängen, wie schnell der Stoff ins Lipoid diffundiert. Dies wird aber wieder von %s,, von der an der Flächeneinheit adsorbierten Menge des Stoffes, abhängen. Zusammenfassend können wir also folgendes sagen: Wenn der Stoff $, eine chemische Reaktion in der Zelle eingeht, so wird. die Reaktionsgeschwindigkeit dieser Reaktion von der auf der Lipoid- oberfläche adsorbierten Menge %s, abhängen. Wir haben hier den Fall einer mehrphasischen Reaktion, deren Geschwindigkeit von der Adsorption „geregelt“ wird. . Eine ganz analoge Betrachtung können wir auch für ein Reaktions- dankt 5, das aus der Zelle entfernt werden soll, anstellen. Die Geschwindigkeit der Reaktion, in dem dieses Stoffwechselprodukt gebildet wird, ist nach dem Massenwirkuzgsgesetz umgekehrt pro- portional der m’,, m',... ten Potenz der Konzentration dieses Stoffes in der Phase, in der die Reaktion sich abspielt. Die Reaktions- geschwindigkeit wird also um so grösser, je schneller dieser Stoff durch die Grenzfläche Lipoid-wässeriges Medium wandert. Diese Ge- schwindigkeit wird nun wieder von der Adsorption geregelt, wird von %s, abhängen. 4 Da nun die auf der Flächeneinheit adsorbierten Mengen dieser Stoffe von der Grenzflächenspannung abhängig sind, so können wir sagen, dass die Gesehwindigkeit einer chemischen Reaktion in der Zelle, an der ein Stoff teilnimmt, welcher von aussen durch die Lipoide in die Zelle oder von innen .in die Lipoide und so aus der Zelle wandert, von der Grenzflächenspannung Lipoid-wässeriges Medium abhängt. Was’ geschieht ‚also, wenn ‚sich diese Grenzflächenspannung ändert und wie kann sich diese ändern? Sie kann abnehmen, wenn ein dritter Stoff N im wässerigen Medium gelöst wird, welcher die Grenzflächenspannung. Lipoid-wässeriges Medium vermindert. ‚Dieser Stoff wird dann ebenfalls auf die Grenzfläche adsorbiert. Um das tun zu können, wird er die Stoffe $, und 8, von der Grenzfläche ver- Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 329 drängen, und zwar um so mehr, als er selbst adsorbiert wird. Nennen wir die auf die Flächeneinheit adsorbierte Menge des Stoffes vun, so wird %s, und ws, um so kleiner, je grösser uy ist. Da aber die Ge- 'schwindigkeit der chemischen Reaktion in der Zelle um so grösser ist, je grösser %s, und %s, sind, so wird sie um so kleiner, je grösser x ist, d. h. je mehr der Stoff N auf die Grenzfläche adsorbiert wird, - um so kleiner wird die von uns behandelte Reaktionsgeschwindigkeit. un ist nun bei unserem System abhängig von der Konzentration ‚des Stoffes N im wässerigen Medium, cyw nach der Gleichung: lt ir et N ee (2); wo ky und nv für das System charakteristische Konstanten sind. Wenn wir nun Cxw verkleinern, indem wir N aus dem wässerigen Medium entfernen, so wird «y immer kleiner, daher die Geschwindig- keit der von uns behandelten Reaktion immer grösser. Bei eyw — 0, wenn N aus dem wässerigem Medium vollkommen verschwunden ist, erreicht sie ihre alte Höhe. Hier haben wir also die reversible Lähmung einer Stoffwechsel- reaktion vor uns durch ein Narkotikum, wenn wir unter N das Nar- kotikum verstehen. Bei steigender Konzentration des Narkotikums im _ wässerigen Medium sinkt die Reaktionsgeschwindigkeit. Lassen wir die Konzentration des Narkotikums im wässerigen Medium wieder auf Null sinken, so erreicht die Reaktionsgeschwindigkeit ihren ursprüng- lichen Wert. Wir können noch weiter gehen! Nicht nur durch die Zell- oberfläche verlaufen mehrphasische Reaktionen. Auch in der Zelle selbst haben wir solche Phasen, um so mehr, als dort Kolloide sind, mikroheterogene Systeme. Auch hier wird das Narkotikum ‚die _ Reaktionsgeschwindigkeit herabsetzen, wenn es an die Grenzfläche der Phasen adsorbiert wird. Auch scheinen nach den interessanten - Erwägungen Bayli ss’) speziell den Enzymwirkungen mehrphasische Reaktionen, Oberflächenkatalysen zugrunde zu liegen. Man muss also auch die Lähmung von Enzymen in Betracht ziehen. In der Tat hat Warburg?), dem wir eine Reihe wertvoller Arbeiten, über die Funktion der Zelloberfläche verdanken, nachgewiesen, dass die katalytische Verbrennung der Oxalsäure auf Holzkohle durch N 1) Bayliss, Principles of General Physiology. London 1915. 2) Warburg, Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle und die Hem- mung dieser Reaktion durch indifferente Narkotika. Pflüger’s Arch. Bd. 155. 1914. 330 Julius Ve&szi: Narkotika gehemmt wird. Indessen .ist das nur ein spezieller Fall, wenn die Reaktion an der Oberfläche selbst verläuft, der sich eben- falls der alleemeinen Theorie unterordnet. Bis jetzt haben wir nur von der Adsorption des Narkotikums an die Grenzfläche Lipoid-wässeriges Medium gesprochen. Die meisten Narkotika sind aber auch lipoidlöslich. Diese werden: von der Grenzfläche aus ins Lipoid diffundieren. Aus dem Lipoid werden sie auch in die innere wässerige Phase eelangen. Dabei wird stets aus dem wässerigen äusseren Medium nachadsorbiert, so dass, wenn die Zelle wieder genügend klein im Vergleich zum äusseren Medium ist, oder wenn sich letzteres fortwährend erneuert, cxyw und damit ‚auch #y konstant bleiben. Dann wird aber zum Schluss ein Gleiech- gewicht sich einstellen, nach dem alle Phasen der Zelle, also auch das Lipoid mit Narkotikum gesättigt sind. Nennen wir im Gleich- gewicht die Konzentration des Narkotikums im Lipoid cv, im { ‚wässerigen Medium cnw.- Wenn Gleichgewicht herrscht, ist das Narkotikum nach Maassgabe seines Verteilungskoeffizienten zwischen Lipoid und wässerigem Medium gelöst, d. h. CHE E — N N Re le CNW Ä wo vv den Verteiluneskoeffizienten des Narkotikums bedeutet. | Betrachten wir nur zwei Narkotika, N, und N,. Narkotisieren wir mit N,, so wird die „narkotisierende Wirkung“ von uy,, von der auf die Flächeneinheit adsorbierten Menge dieses Narkotikums F abhängen, da von dieser Grösse die Geschwindigkeit der Reaktionen @ 'abhängt, welche durch die Grenzfläche verlaufen. Die „narkotische Wirkung“ des Narkotikums N, hängt wieder ebenso vom uy, ab. \ Wenn mit N, narkotisiert wird, so eilt im Gleichgewicht, da Jetzt \ beide Phasen, Lipoid und wässeriges Medium, N, enthalten: R. FRE DUNE & UN, — kn, CnLw ER AENE ND (4). s Ebenso wenn mit N, narkotisiert wird: » UN, — Kn,Cy,ıw BE nel an len hir Akne (5). BR Aus Gleichung 3 folgt: | "3 en,z = vn, Cn,w Und Cm,2 — vn, Cn,W- # 1) Über die Anwendbarkeit des Henr y‚'schen Satzes für den Fall, dass das K Adsorbierte sich im Adsorbens löst, s. Freundlich, Kapillarchemie S. 52 und 89. $ Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 331 ‚Setzen wir das in Gleichung 4 resp. 5 ein, so erhalten wir: a1 a Lane, N N, N a : 1 “un, = ku v v% Cnw und un, = kn,vy ). Hieraus: EEE RC DE Be NM = N, un, x, nw E = K 1 SOSUHY. . . . . . . (6). N, en ZUN, Ne Yy, mw Das Verhältnis der „narkotisierenden Fähigkeit“ ‚zweier Nar- kotika hängt nun davon ab, um wieviel stärker die Wirkung des einen Narkotikums bei. gleicher Konzentration im äusseren Medium wirkt. Wenn zum Beispiel N, fünfmal so stark wirkt als N, bei der gleichen Konzentration im wässerigen Medium, so ist N, ein fünfmal so starkes Narkotikum als N,. Umgekehrt muss dann N, m fünfmal so erosser Konzentration im wässerigen Medium anwesend sein, um die eleiche Wirkung hervorzurufen. Setzen wir also CN, wW — CnW; d. bh. vergleichen wir die „narkotisierende Fähigkeit“ zweier Nar- kotika bei eleicher Konzentration derselben im wässerigen Medium, so ergibt sich, wenn ny, annähernd gleich ry, ist‘): Are : 1 Be. an —K(r8)". a eo). UN, vy, Die narkotisierende Fähigkeit eines Narkotikums N, ist grösser als die eines Narkotikums N,, wenn der Verteilungskoeffizient Lipoid-wässeriges Medium für N, grösser ist als für N,. Dies ist ‚die Ableitung der Meyer-Overton’schen Regel. Dass unsere ‚Voraussetzungen uns hierhin geführt haben, ist ein schlagender Beweis für ihre Richtigkeit. Es ist zu betonen dabei, dass wir mehr über das Verhältnis der narkotisierenden Fähigkeit sagen können als die Overton-Meyer’sche Regel. Wir haben hier eine quanti- tative Beziehung erhalten, welche das Verhältnis der narkotisierenden Fähickeiten zweier Narkotika aus ihren physikalisch- chemischen u! Konstanten ergibt. Wir haben .bis jetzt angenommen, dass das Narkotikum N, die Stoffe S, und S,, die durch die Zelloberfläche von aussen nach innen resp. umgekehrt wandern und die die Grenzflächenspannung ‚Lipoid-wässeriges Medium erniedrigen, aus ihrer Adsorptionsbindung verdrängt. Die Gleichung 6 gibt uns auch über diesen Punkt näheren TRIERER ’ ; : ® 7 3) Freundlich, Kapillarchemie S. 66. 332 Julius Veszi: Aufschluss. Wenn wir sie nun nicht auf zwei Narkotika, sondern zum Beispiel auf den Stoff Sı einerseits und auf ein Narkobkun N, andererseits anwenden: ee R UN, iy Br w een 1 di a Rare Kan 24 ; — ns UST DE wo 4y, und %s, die auf die Flächeneinheit adsorbierte Menge des Narkotikums resp. des $,, 2x, und ns, für das System charakte- ristische Konstanten, vy, und vs, die Verteilungskoeffizienten von N, resp. 5, bedeuten. Hieraus ergibt sich, dass ein Narkotikum um so mehr den Stoff 5, aus der für die Reaktionsgeschwindigkeit maassgebenden Adsorptionsbindung verdrängt, je grösser der Ver- teilungskoeffizient des Narkotikums im Vergleich zu der des Stoffes 8, ist. Je schwer löslicher also ein solcher Stoff in Lipoid im Ver- gleich zu Wasser ist, um so stärker wird er durch das Narkotikum aus der Adsorptionsbindung verdrängt Die obigen Gedankengänge mögen genügen, um den Grundriss der Theorie verständlich zu machen. Für die speziellen Fälle sind die charakteristischen Konstanten der betreffenden Substanzen maass- gebend. Nur noch ein spezieller Fall sei hier kurz gestreift: die Kohlersäurenarkose. Kohlensäure ist ein Stoff, der im allgemeinen häufig unter denen vorkommt, die aus dem Inneren der Zelle nach aussen wandern. Sie entsteht zum Beispiel bei der Verbrennung und N. bei der alkoholischen Vergärung des Traubenzuckers. Wird nun die Konzentration der Kohlensäure im äusseren Medium sehr gross, SO wird die Kohlensäure die anderen Stoffe, die durch die Grenzfläche wandern, aus ihren Adsorptionsbindungen verdrängen. Das wäre die Kohlensäurenarkose. Ausserdem verlangsamt die erhöhte Konzen-" tration der Kohlensäure in der Zelle selbst die Reaktion nach dem” Massenwirkunesgesetz. Die Wirkung ist also eine doppelte: die” Kohlensäure wirkt sowohl durch Herabsetzung der Grenzflächen- x “bel spannung wie auch im Sinne des Massenwirkunesgesetzes. Es ist.weiter möglich, dass das Narkotikum, nachdem es adsorbiert und im Lipoid gelöst ist, eine chemische Reaktion init Bestandteilen der Zelle eingeht, die wieder zu irreversiblen Schädigungen führt. In diesem Fall haben wir die rein ‚narkotische ANMERLDE mit 'einer 2 VE u Fa re ” sekundären Giftwirkung zusammen. u Die Verhältnisse. bei der Mischnarkose sind aus unseren Glei- chungen 6 resp. 7 leicht abzuleiten. Sind N; und N; zwei Nar- Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 333 [3] kotika, vx, und vy, die entsprechenden Verteilungskoeffizienten und €x,w und cx,w ihre Konzentrationen im äusseren Medium, so ergibt sich ihre Verteilung an der Grenzfläche im allgemeinen durch An-. wendung der Gleichung 6. Wenn ferner ey,w = cn,w und nz, ist, so gilt auch hier Gleichung 7 Es ergibt sich also, dass die Lipoidtheorie und die Adsorptions- theorie nicht nur einander nicht widersprechen, sondern dass der Overton-Meyer’sche Satz aus der Adsorptionsformel abgeleitet werden kann. —#N, ‚Das Verhältnis der physikalisch-chemischen Theorie zu den früheren Theorien. Aus den vorhergehenden Sätzen können wir eine spezielle An- wendung der Theorie auf den Sauerstoffwechsel machen. Es ergibt sieh insbesondere, dass der Sauerstoff in Anwesenheit des Narkotikums lanesamer durch .die Grenzfläche wandern wird. Somitı sind die Versuche des Verworn’schen Laboratoriums und Mannsfeld’s als ein Spezialfall der Theorie zu betrachten. Auch. die Idee Winterstein’s, dass in Anwesenheit des Narkotikums die Stoffwechselprodukte langsamer aus der Zelle ent- fernt werden, ereibt sich in klarer Weise als eine spezielle Anwendung der Theorie. Was nun den Meyer- Deren; schen Satz betrifft, so haben wir gesehen, dass dieser Satz aus der Theorie direkt folgt, ja sogar, dass wir ihn jetzt quantitativ formulieren können. In der Tat ist ein Hauptvorzug der Theorie darin zu erblieken, dass der von Overton und Meyer in oenialer Weise gefundene Satz eine physikalisch- ehemische Erklärung und quantitative Formulierung erhält. Seit einer Reihe von Jahren lieferte Traube!) sehr bemerkens- cr werte Arbeiten zur Theorie der Narkose. Dass sie hier zuletzt an- geführt werden, soll keineswegs bedeuten, dass wir ihren Wert ver- kennen wollen. Im Gegenteil: wir wollen gern feststellen, dass Traube die wichtige Beziehung zwischen Narkose und Kapillarität, die in der 'vorgehenden Arbeit eingehend behandelt wird, hervor- | “ gehoben hat. Er zeiste, dass die narkotische Wirkung verschiedener ‚Stoffe der Verminderung der Oberflächenspannung Wasser-Luft, die ‚diese Stoffe hervorrufen, parallel geht. Nun kommt ja zwar für die / Zelle die Oberfläche Wasser-Luft nieht in Betracht. Vielmehr ent- 1) Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 105, 132, 140, 153. or RE 334 Julius Ve&szi: halten die Zellen, wie wir wissen, Lipoide, und die Lipoide sind: an die Oberfläche. angereichert, da sie die Grenzflächenspannung ver- windern. Eine ungewöhnliche Terminologie und. Begriffsbildung (Haftdrucktheorie) erschwerte das Verständnis der Traube’schen Ideen. Wenn die von ihm aufgestellte Beziehung zwischen der Ober-: flächenspannungsverminderurg an der Fläche Luft-Wasser meines Er- achtens auch nicht das Wesen des Vorganges trifft, so gebührt: Traube doch das Verdienst, auf die wichtige Beziehung zwischen Narkose und Kapillarität hingewiesen zu haben. Wir hoffen, dass durch die vorliegende Arbeit diese Beziehung genügend festeestellt und formuliert wurde. Dass Traube, der kein Biologe ist, sagt, die Lipoidlöslichkeit der Narkotika sei keine Bedingung der Narkose, können wir natürlich nicht gutheissen. Bei der: Verminderung der "Reaktionsgeschwindigkeit in anderen Systemen mag ja nicht die Lipoidlöslichkeit, sondern die Adsorption an der Grenzfläche dieser‘ Systeme in Betracht kommen. Bei den lebenden Systemen handelt. | es sich aber um die Grenzfläche Lipoid-wässeriges Medium, und hier ist eben die Lipoidlöslichkeit des Narkotikums ein wesentliches. Moment, da nach Gleichung 6 die Adsorption des lipoidlöslichen Narkotikums von der Lipoidlöslichkeit desselben abhängt. Wir hoffen, dass die Traube’sche Anregung durch unsere Resultate zu einer nachträglichen Würdigung selangen wird. Die obigen kurzen Ausführungen zeigen, dass dıe verschiedenen Narkosetheorien einander durchaus nicht widersprechen. Die physi- kalisch-chemische Betrachtung der Narkose umfasst sie alle. Das Zeitmoment. En Wir haben nun die physikalisch-chemischen Bedingungen der Narkose — wenigstens in grossen Zügen — kennen gelernt. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit nun einem Punkt zuwenden, über den wir im speziellen wenig aussagen können: dem Zeitmoment. ® Wir wissen, dass während der Narkose etwas in der Zelle vor sich geht, was — früher oder später — zu irreparablen Schädigungen führt. Wir können nicht einen bestimmten Grad der Narkose ad: : infinitum aufrechterhalten, ohne dass die Zelle in kürzerer oder längerer Zeit schwere Schädigungen erlitte, die zum Tod der Zelle‘ a führen können. Mit der Narkose kann man also nicht Dornröschen: spielen. Die Chirurgen kennen diese Tatsache sehr wohl. Sie wissen, \ dass die Dauer der Narkose Gefahren bringen kann. Nach dem Obigen können wir folgende allgemeine Erklärung dieser Tatsachen geben. Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. 335 Während der Dauer der Narkose sind nicht alle Prozesse in der Zelle unterdrückt, sogar auch dann nicht, wenn das Narkotikum in maximaler, möglicher Konzentration einwirkt. Das Narkotikum verdrängt ja die Stoffe S,, S, usw., die durch die Grenzfläche wandern, nie vollkommen aus der Adsorptionsbindung. Nach unserer Gleichung 6. ist für diese Verdrängung bei jedem lipoidlöslichen Stoff sein Ver- teiluueskoeffizient maassgebend. Die Geschwindigkeit der Stoff- wechselreaktion wird also klein, aber nicht gleich Null sein. Wenn nun das normale chemiche Geschehen auf diese Weise gestört ist, - kommt es entweder zur Bildung intermediärer giftiger Produkte, die sonst nicht gebildet werden, oder es häufen sich Stoffwechsel- produkte, die auch normalerweise gebildet werden, in einer ab- normalen Konzentration an. Wir haben gesehen, dass die Narkose nur die Geschwindigkeit jener mehrphasischen Reaktion lähmt, die durch eine Grenzfläche verlaufen, an die das Narkotikum adsorbiert wird. Andere Reaktionen, zum Beispiel Reaktionen, die sich nur in der wässerigen Phase abspielen, können weiter verlaufen. Nun ist wohl die Geschwindigkeit aller Reaktionen unter physiologischen Bedingungen in einem Gleichgewicht, die Reaktionen sind anfeinander - abgestimmt, sonst käme kein harmonisches Arbeiten derselben zu- stande. Diese Harmonie ist in der Narkose gestört: die Geschwindig- keit mancher Reaktionen sinkt stark herab, 'andere verlaufen zu- nächst noch unbeeinflusst weiter, es kommt zur Bildung intermediärer - Produkte, zur Anhäufung von Stoffwechselprodukten. Mit einem Wort: es kommt zu einem perversen Stoffwechsel. Dieser perverse Stoffwechsel führt früher oder später zum Tod der Zelle, weil er zu einer irreperablen Schädigung. der Zellstruktur führt. Die Zelle ist also eine Maschine, die zugrunde geht, wenn man sie dadurch missbraucht, dass man das harmonische Zusammenarbeiten der Teil- prozesse stört." Zusammenfassung. Die obligatanaeroben Bakterien sind narkotisierbar. Die Narkose lähmt nicht nur die oxydativen Vor- gängein der Zelle. Die Reakionsgeschwindigkeit der mehrphasischen Stoffwechselreaktion hängt von der Grenzflächen- Spannung an derjenigen Fläche ab, dureh oder an welcher Fläche die Reaktionen verlaufen. Die Narkose besteht in einer reversiblen Herab- setzung dieser Grenzflächenspannung. I Bi Mi. L- ‘3: ! 336 Julius Veszi: Die physikalisch-chemische Theorie der Narkose. Die physikalisch-chemischeBehandlungdieses Vor- sanges setzt unsin die Lage, denselben mit Hilfe von physikalisch-ehemischen Begriffen zu beschreiben und mit Hilfe von physikalisch-chemischen Grössen die allgemeinen quantitativen Beziehungen herzu- stellen. Insbesondere ergibt sieh aus der Adsorptions- formel und dem Henry-Dalton’schen Satz eine quan- titative Beziehung, welche die Meyer-Overton’sche qualitative Beziehung in sich enthält. Der Plan zur Ausführung dieser Arbeit bestand schon vor dem Kriege, musste aber bis jetzt wegen meiner Felddienstleistung auf- seschoben werden. In meine Vaterstadt zurückgekehrt, wurde mir von Herrn Hofrat Prof. AÄrpäd von Bökay im pharmakologischen Institut der Universität ein Arbeitsplatz gastfreundlich eingeräumt. Herr Dozent Wilhelm Manninger nahm mich in das Labora- torium des Kriegsspitals der Finanzinstitute auf. In diesen Labora- torien führte ich die experimentelle Arbeit aus. Ich möchte beiden Herren für die gütige Aufnahme auch an dieser Stelle innigst danken, Herrn Adjunkt Dr. Rudolf Manninger verdanke ich nicht nur die verwendeten Bakterienstämme, ich verdanke ihm überhaupt die Einführung in die bakteriologische Technik. Für seine stets freund- liche Unterstützune danke ich auch ihm herzlichst. N 391 Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. Von ©. Hess. (Mit 3 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. 1. Theoretische Einwände gegen meine Befunde . . .» ..... 271088 Dressurversuche} .. .. 4... 200 SR USER, BEE er Belle Dressuren der Zoologen. . . ... ... we... ae fon. 347 DJ, Bigene Versuche. .. . ..... .. DE RR 353 3. Messende Versuche über Entwicklung und Umfang der Dunkeladaptation BEEbrerteree a en ee Eee 362 4. Die Vorführung dressierter Bienen beim Freiburger Zoologentag . . . 364 a ee U N LE EIERN ee 369 Die Zoolosie steht noch ganz im Banne jenes alten, vor 100 Jahren wohl verzeihlichen, heute aber schwer verständlichen „Analogie- schlusses“, da der Mensch Farbensinn habe, müssten auch die Bienen Farben sehen. Wenn jemand aus dem Vorhandensein farbiger Photo- graphien schliessen wollte, alle photographischen Apparate müssten farbige Aufnahmen liefern, so erkennt man leicht das Unzulässige einer solchen Verallgemeinerung!); denn es ist auch dem Laien geläufig, dass die Farbigkeit oder Nichtfarbigkeit einer Photographie 1) Noch unverständlicher ist es, wenn Doflein Fische, Krebse und Korallen, die sich 15—50 m unter der Meeresoberfläche befinden, in roten und gelben Farben abbildet und dazu schreibt, dies sei „alles nach der Natur“, wodurch die ' Meinung entstehen muss, jene Farben seien in der Natur, d. i. unter den natür- lichen Lebensbedingungen jener Tiere sichtbar, Traut er damit doch (um in dem eben gebrauchten Bilde zu bleiben) dem photographischen Apparate die Fähigkeit zu, auch in einem nur von blauen Strahlen erhellten Raume, in dem uns also alles nur mehr oder weniger blau, und insbesondere alles bei Tageslicht rot und gelb Gesehene schwarz oder grau erscheint, die Gegenstände doch in solchen Farben wiederzugeben, wie sie selbst ein normales Menschenauge nur bei Tages- licht und nur in Luft wahrnehmen kann. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 22 338 C. Hess: nieht sowohl vom dioptrischen Apparate als von der besonderen Art der lichtempfindlichen Schicht abhängt. Aber ist es besser, wenn man aus dem Vorhandensein physikalisch-dioptrischer Vorrichtungen zur Bilderzeugung am Bienenauge schliesst, das innere Auge der Biene, Netzhaut und Sehzentrum, müsse, trotz so grosser Verschiedenheiten im Aufbau von Seh- und Zentralorgan, mit jenen beim Menschen identisch sein? Zur Entscheidung der Frage, ob eine gegebene photographische Platte farbige oder farblose Bilder liefern kann, wird zurzeit im allgemeinen die mikroskopische oder chemische Untersuchung der Platte genügen. Die vielen Bemühungen, durch mikroskopische oder chemische Untersuchung der Netzhäute zu erfahren, in welcher Weise ein Tierauge die Welt der Farben sieht, sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben. . Dagegen gelang mir durch Entwicklung von Methoden, bei welchen ich die Helligkeitsempfindungen der Tiere unter verschiedenen Bedingungen messend bestimmte und mit jenen des unter gleichen Bedingungen sehenden Menschen verglich, auch die Lösung der Frage nach den Sehqualitäten der Bienen’). 1. Theoretische Einwände gegen meine Befunde. Mit den von mir entwickelten Methoden lässt ‚sich feststellen, dass für das Bienenauge die verschiedenen farbigen Lichter unter allen Versuchsbedingungen den gleichen Helligkeitswert haben wie für ein total farbenblindes Menschenauge; die Bienen verhalten sich in allen hier in Betracht kommenden Be- ziehungen so, wie ein unter entsprechenden Bedingungen sehender total farbenblinder Mensch. ; Die Zoologie kann sich noch nicht ln aus diesen Feststellungen die notwendigen Folgerungen zu ziehen und die alten Sprengel’schen Anschauungen von der Bedeutung der Blumenfarben sowie Darwin’s Lehre von den Schmuckfarben aufzugeben). Da man die Richtigkeit der von mir gefundenen Tatsachen nicht an- 1) C. Hess, Vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. Fischer, Jena 1912. — C. Hess, Experimentelle Untersuchungen über den angeblichen Farbensinn der Bienen. Zool. Jahrb., Abt. f. Physiol, Bd. 34. 1913. — C. Hess, Messende Untersuchung des Lichtsinnes der Biene. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 163. 1916. 2) Genaueres ‚hierüber siehe in meiner Arbeit über den Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuckfarben. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 166. 1917. Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 339 zuzweifeln vermag, versucht man die Zulässigkeit meiner Schluss- folgerungen zu bestreiten. Nur, weil verschiedentlich der Wunsch geäussert wurde, meine Stellung zu diesen Einwänden kennen zu lernen, erörtere ich letztere im folgenden, soweit sie allgemeineres Interesse haben können. v. Buttel-Reepen!) glaubt folgenden Einwand gegen meine Untersuchungen erheben zu können: „Es hat sich herausgestellt, dass nur die Bienen sich gut — für die hier in Frage kommenden Experimente — eigneten, die soeben im Begriffe waren, das dunkle Stockinnere zu verlassen. Diese aber sind dunkeladaptiert! Nun reagiert jedoch — nach E. Hering — auch das normale menschliche Auge, wenn es dunkeladaptiert ist, wie das Auge eines total farbenblind Geborenen, und auch der Helligkeits- wert verschiebt sich wie bei einem total Farbenblinden (Purkinjesches Phänomen). Auch dieser Einwand müsste daher zuvor in wirklich überzeugender Weise beseitigt werden, bevor man sich der Ansicht von Hess anzuschliessen vermöchte.*“ In meinen Darstellungen ist aber klar gesagt, dass ich meine Versuche bei Helladaptation, einen grossen Teil sogar bei extremer Helladaptation angestellt habe: Die Bienen werden an sonnigen Tagen in Glasbehältern vom Stocke geholt, die messenden Versuche mit farbigen Papierflächen werden in hellen, von Tageslicht erhellten Räumen angestellt, die Bienenbehälter sind ‘von dem hellen, von den farbigen Papierflächen zurückgeworfenen Lichte durchstrahlt. Andere messende Versuche habe ich am Pupilloskop und am Spektrum angestellt, unter Bedingungen, unter welchen unsere in eleichem Adaptationszustande wie die Bienen befindlichen Augen leuchtend helle Farben wahrnehmen usw. Alle diese Messungen lassen gerade das Fehlen des Purkinje’schen Phänomens auch bei den Bienen eindringlich erkennen. v. Buttel-Reepen hat offensichtlich unzureichende Vorstellungen von Dunkel- und Hell- Adaptation; eine erneute Erörterung dieser elementaren Tatsachen der Farbenlehre gehört nicht hierher ?). 1) v. Buttel-Reepen, Sind die Bienen wirklich farbenblind? „Die Natur- wissenschaften“ 4; Jahrg. Nr. 22. 1916. 2) Seine Angabe, nur die Bienen hätten sich geeignet, die soeben im Be- griffe waren, das dunkle Stockinnere zu verlassen, ist, wie man sieht, unrichtig. Ich habe an mehreren Stellen meiner Arbeiten wiederholt ausdrücklich erwähnt, dass die Tiere während der ersten 10—20 Minuten, ja bis zu !/ Stunde nach der Entnahme gut reagierten, während .doch die Dunkeladaptation nach Übergang ins 22 * 340 | C. Hess: Der zweite Einwand v. Buttel-Reepen’s gegen meine Unter- suchungen über die Helligkeitsempfindungen der Bienen besteht in einem Hinweise auf Fröhlich’s bekannte Messungen der Aktions- ströme bei Belichtung der Cephalopoden-Netzhaut. Der Autor meint, diese Messungen Fröhlich’s bedeuteten „eine vollkommene Wider- legung“ meiner „Schlüsse“, da dort „zwei verschiedene Farben bei gleicher Lichtintensität ganz verschiedenartige Erregungen (Aktions- ströme) im Auge verursachen“. Er meint, hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, „dass eine wirkliche Farbenempfindung und * nicht nur eine Helliekeitsempfindung vorhanden sein muss“, und hält es für eine „berechtigte Forderung, zuerst diese bedeutsamen Ex- perimente zu widerlegen“. Nun enthalten aber. meine messenden Untersuchungen über die Sehqualitäten der Cephalopoden (die ihm unbekannt zu sein scheinen) hinreichend Tatsachen zur Widerlegung dieser Meinung; ich darf mich daher, unter Hinweis auf meine früheren Untersuchungen !), auf die folgenden kurzen Angaben beschränken. Die Vorgänge, die unter dem Einflusse des Lichtes in der aus dem Auge ausgeschnittenen Netzhaut eintreten und in Änderung ihres elektromotorischen Verhaltens zum Ausdrucke kommen, können uns selbstverständlich keinen Aufschluss geben über die hier allein interessierenden physischen Regungen in der nervösen Substanz des lebenden Zentralorgans und deren psychische Korrelate, die als Helligkeit und Farbe ins Bewusstsein treten. Ich musste wiederholt darauf hinweisen, zu wie auffälligen Irrtümern die Autoren bei ihren Schlüssen von Aktionsströmen auf Helliekeitsempfindungen geführt Helle, » ‚wie ae weiss, schon in den ersten Sekunden schwindet. Seine Angabe, das dunkeladaptierte normale Menschenauge reagiere so, wie das eines total Farben- blinden, ist gleichfalls in einem wesentlichen Punkte unrichtig; denn es verhält sich so nur gegenüber sehr lichtschwachen Reizlichtern: Jeder weiss und kann es jeden Augenblick an sich selbst feststellen, dass wir auch nach ausgiebigster Dunkeladaptation bei Tageslicht nach Öffnen der Augen nicht farblos, sondern sofort farbig sehen. v. Buttel-Reepen wirft mir wieder- holt vor, ich triebe „Physiologie ohne Biologie“, die habe „schon mehrfach auf Irrwege geführt“; vielleicht veranlassen seine Irrtümer ihn, dem Thema „Biologie ohne Physiologie“ näher zu treten; seine und Y. Brisch"s Ar Bazı bieten dazu Stoff in Fülle. ER 1) C.Hess, Neue Untersuchungen über den Lichtsinn bei wirbellosen Tieren. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 136. 1910. — C. Hess, Messende Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Pupillenspieles. v. Gräfe’s Arch. ıB Ophthal. Bd. R. 1915. u ne 7 Y Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 341 werden; ich brauche hier nur daran zu erinnern, dass zum, Beispiel Hühner, mittels dieser Methode untersucht, einer durch Zunahme der Aktionsströme gekennzeichneten Lichtempfiudlichkeitssteigerung durch Dunkelaufenthalt nur in minimalem Maasse fähig sein sollten, während doch mit den von mir entwickelten Methoden eine solehe von sehr beträchtlichem Umfange nicht nur leicht nachzuweisen, sondern auch nach Art und Umfang messend zu verfolgen ist. Bei Schildkröten konnten selbst bei starker Belichtung nur äusserst schwache Aktions- ströme wahrgenommen werden usw. | Schon aus diesem Grunde wäre eine eingehendere Analyse der Angaben über die Aktionsströme ausgeschnittener Kopffüssernetzhäute bei Untersuchungen über die Helligkeitsempfindungen lebender Bienen nicht erforderlich. Mit welcher Vorsicht aber Fröhlich’s Mei- nungen!) auch aus anderen Gründen aufzunehmen sind, möge das Folgende zeigen: Die Qualität der Cephalopodenempfindungen soll nach ihm „durch die Frequenz der Netzhauterregungen“ beherrscht sein, diese letzteren aber sind nach ihm in hohem Grade von der Temperatur abhäneige. Nach seinen Tabellen soll zum Beispiel schon eine Temperaturänderung von weniger als 4° C. genügen, um die „Fre- quenz der Erregungen“ derart zu ändern, dass die zum Beispiel ‚durch grünes Licht bedingte Frequenz der sonst durch blaues hervor- gerufenen ähnlich oder gleich wird usw. Danach würde ein Tinten- fisch, der aus einer schattigen, kühlen Stelle, etwa einer Grotte des Meeres, in den hellen Sonnenschein schwimmt, plötzlich eine wesentliche Änderung seiner farbigen Sehqualitäten erfahren. Das Meerwasser im _ Neapeler Golf hat im Februar eine durehschnittliche Temperatur von 15° CG., im August eine solche von 24,5—25° C,; der Farbensinn der Cephalopoden wäre also nach diesen Angaben Fröhlich’s im Sommer grundverschieden von jenem im Winter usw. Es ist nicht wahr- scheinlich, dass die Physiologie sich zur Annahme eines solchen von der Temperatur abhängigen Farbensinnes entschliessen wird, um so weniger, als wiederum mit den von mir entwickelten Methoden leicht nachzuweisen ist, dass die Helligkeitsempfindungen der Cephalopoden von der Temperatur des Wassers selbstverständlich im wesentlichen unabhängig sind. 1) Friedr. W. Fröhlich, Beiträge zur allgemeinen Physiologie der Sinnes- organe. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 48. 1913. 342 C. Hess: ‚Drittens endlich scheint die Heranziehung der Netzhautaktions- ströme "ausgeschnittener Augen bei Erörterung der Helligkeits- empfindungen der Kopffüsser um so weniger angezeigt, als wir ge- rade hier, bei den Cephalopoden, diese Helligkeitsempfindungen selbst auf verschiedenen von mir eingeschlagenen Wegen messend so genau verfolgen können, dass wir über sie heute kaum weniger genau unterrichtet sind, als über unsere eigenen:. Durch Untersuchung erwachsener Cephalopoden mit Hilfe des Pupilloskops konnte ich den Nachweis liefern, dass das Verhalten ihres lebhaften Pupillenspieles gegenüber den verschiedenen farbigen Lichtern bei sehr verschiedenen Lichtstärken und Adaptationszuständen durchaus mit jenem des total farbenblinden Menschenauges überein- stimmt, dass also auch dort wie hier ein pupillomotorisches Purkinje’sches Phänomen fehlt. Durch Untersuchung junger Cephalopodenembryonen konnte ich nachweisen, dass diese, die stets lebhaft nach der jeweils hellsten Stelle ihres Behälters schwimmen, bei Einwirkung farbiger Lichter auch bei sehr verschiedenen Licht- stärken sich stets zu jener Farbe wenden, die dem total farben- blinden Menschenauge am hellsten erscheint. Hier ist also der Nachweis der totalen Farben- blindheit der Kopffüsser auf zwei ganz verschiedenen, voneinander unabhängigen Wegen möglich geworden. Fröhlich’s Versuche, weit entfernt, die Annahme eines Farben- sinnes der Cephalopoden wahrscheinlich zu machen, bestätigen also nur aufs neue die bekannte Unzulässigkeit eines Schlusses von Aktions- strömen ausgeschnittener Augen auf Sehqualitäten lebender Tiere. Ein dritter Einwand v. Buttel-Reepen’s gilt meinen Ver- suchen an farbigen Fluglöchern. Er schreibt, nachdem ich farbiges Papier vor das Flugloch eines Stockes gebracht und die Bienen durch längeren Flug daran gewöhnt, hätte ich die Maske an eine unmittelbar anstossende grosse leere Kiste befestigt und. eine andersfarbige Maske als Ersatz gegeben; er bemerkt dazu: „diese Bedingungen sind nicht einwandfrei; da die Bienen die Form beachten, mussten zwei ganz gleich aussehende Stöcke gewählt werden, da ferner der bewohnte Stock auf derselben Stelle stehen bleibt, kommen die Bienen ja nicht zu einer den Flug wesentlich beirrenden Unsicherheit, sie fliegen an der gewohnten Stelle, un- behindert durch alles, ein“. Diese Angaben des Autors kann ich nicht besser widerlegen als durch wörtliche Wiedergabe meiner Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 343 ‚einschlägigen Versuche; solches erscheint um so mehr angezeigt, als sie die einzigen bisher bekannt gewordenen sind, bei welchen allen in Betracht kommenden Fehlerquellen Rechnung getragen und der Weg angegeben ist, auf dem auch solche Fluglochversuche zu wissen- schaftlich verwertbaren Ergebnissen führen können. Ich schrieb!): „Vor. dem Flugloche eines Stockes waren durch drei Wochen zwei blaue Flanellstücke derart angebracht, dass das eine, vertikale, das Flugloch oben und seitlich umgab, das andere, horizontale, das vor dem Flugloch befindliche, zum Einflug dienende Holzbrettchen überdeckte... Nun wurden, während die Bienen leb- haft flogen, rasch die beiden blauen Flanellstücke entfernt und an ihrer Stelle das eben geschilderte (im folgenden kurz als Glasvorsatz be- zeichnete) Gestell vorgehängt, nachdem unter das Glas mattweisse Kartons gebracht waren: Dicht neben dem Flugloche wurde ein zweites angebracht, dessen Mitte nur 30 cm von der Mitte des ersten entfernt war und dasnur den Eingang zu einer grossen leeren Kiste bildete, Vor diesem „blinden“ Flugloche wurde ein anderer, dem ersten völlig gleicher Glasvorsatz befestigt, unter dessen Glas blaues Papier von der gleichen Farbe wie der früher benützte Flanell lag. Das An- bringen der beiden Glasvorsätze erforderte nur wenige Sekunden Zeit. Die Bienen flogen sofort in dichten Schwärmen zu ihrem alten, früher von Blau, nun von Weiss umgebenen Flugloch, und nach wenigen Sekunden gingen sie dort ebenso ein und aus wie früher, als es noch mit blauem Flanell umgeben war. Zu dem daneben stehenden blauen Glasvorsatze flog nur ganz vereinzelt eine Biene, meist blieb dieses Flugloch leer. Legte ich nun aber auf die Glasplatte vor dem blinden Flugloche den blauen Flanell, der vor- her vor dem wirklichen gelegen hatte, so waren bald zahlreiche Bienen auf diesem angesammelt und liefen in das blinde Flugloch. Legte ich aber über den Flanell eine Glasplatte, so blieben die Bienen wieder von dem blinden Flugloche weg. Diese Versuche wurden im Verlaufe der ersten halben Stunde nach Anbringen der Vorsätze mehrmals mit dem gleichen Erfolg wieder- holt. Solange für die Bienen nur die blaue Farbe am blinden Flug- loche wahrnehmbar war, wurden sie von ihr nicht im geringsten an- gezogen, obschon sie durch drei Wochen an das von Blau umgebene Flugloch gewöhnt worden waren. Dass aber nicht etwa nur die Ge- wöhnung an die den Tieren vertraute Stelle des Flugloches an der Nichtbeachtung des von Blau umgebenen blinden Flugloches ‚schuld war, zeigt der Versuch, in welchem sie zu dem nicht von Glas bedeckten Flanell vor dem blinden Flugloche gingen. Da sie gleichzeitig am richtigen Flugloche in grossen Mengen -anflogen, obschon dieses jetzt mit Weiss umgeben und die Anflugstelle mit Glas bedeckt war, so kann man ihr Verhalten zu dem blinden Flugloche nicht etwa allein dadurch erklären wollen, dass sie an letzteres nicht angeflogen seien, weil hier die Glasplatte ihnen un- gewohnt und störend gewesen sei.“ | 1) Die für uns hier wichtigsten Stellen hebe ich im Drucke hervor. 344 C. Hess: - Aus meiner Darstellung geht also erstens klar hervor, dass, was doch auch selbstverständlich war, die beiden Stöcke gleiches ‚Aussehen hatten; hinter der für beide gleichen, gemeinsamen Vorder- wand befand sich entsprechend dem „blinden“ Flugloche eine leere Kiste, von der von vorn selbstverständlich nichts zu sehen war. Ausserdem ist ja auch ausdrücklich erwähnt, dass bei gewissen Ver- suchen die Bienen zahlreich durch das „blinde“ Flugloch in die Kiste liefen. Ferner hat v. Buttel-Reepen nicht erkannt, dass gerade die Hauptaufgabe meines Versuches die war, zu ermitteln, ob und in- wieweit die Farbe den Anflug an die gewohnte Stelle beeinflussen kann. Das bei Imkern übliche Färben der Umgebung der Fluglöcher, „um das Erkennen des Flugloches zu erleichtern“, setzt doch die Annahme voraus, dass ausser der gewohnten Stelle auch die Farbe für die Flugriehtung der Bienen bestimmend sei. Denn welchen Sinn hätte, selbst wenn man an einen Farbensinn der Bienen glaubt, das Färben, wenn für die Flugriehtung nur die gewohnte Stelle in Betracht kommt? Aus diesem Grunde mussten ja gerade solche Versuchsanordnungen ausgearbeitet werden, bei welchen die gewohnte Farbe mit der gewohnten Stelle gewissermaassen kon- kurriert, was bisher noch nicht versucht worden war. So konnte ich zeigen, dass bei sorgfältigem Ausschalten aller Fehlerquellen, ins- besondere auch der durch Geruchssinn bedingten, die Farbe der Umgebung des Flugloches ohne jeden Einfluss auf die Flugricehtung der Bienen ist. Dabei ist von grösster Wichtigkeit, was v. Buttel-Reepen ganz übergeht, dass, sobald der Gerucehssinn mitspielen kann, die Bienen eben nicht an die gewohnte Stelle, sondern an das blinde Flugloch an ungewohnter Stelle anfliegen und in den leeren Kasten laufen. Damit erledigt sich auch dieser Einwand des Autors. Auf v. Frisch’s „Widerlegung“ einzelner meiner Flugloch- versuche, bei welcher er aber selbst zugibt, einen etwaigen Einfluss des Geruches der von ihm benutzten Farben vernachlässiet zu haben, brauchen wir nicht mehr einzugehen, nachdem er selbst den Nach- weis erbracht hat, dass seine Bienen, die nach ihm die Fluglöcher an dem umgebenden Blau und Gelb unterscheiden sollen, tatsäch- lich Blau und Gelb nieht voneinander zu unterscheiden vermögen (siehe den folgenden Abschnitt). Einen weiteren von v. Buttel-Reepen, Knoll und anderen Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 345 immer wieder vorgebrachten Einwand kleidet v. Frisch!) (1914) in die folgenden Worte: „Dass Tiere mit solchem Helligkeitssinn, wie ihn v. Hess bei Fischen und Wirbellosen gefunden hat, total farben- blind sein müssten, ist eine Verallgemeinerung eines am Menschen gewonnenen Erfahrungssatzes, eine Verallgemeinerung, deren Be- rechtigung durch nichts erwiesen ist“. Auch als unzulässigen „Analogieschluss“ hat er bezeichnet, dass ich ein Wesen, das die Merkmale der totalen Farbenblindheit zeigt, als total farbenblind betrachte. Im Hinblick auf die grosse Verbreitung, die er bei Zoologen gefunden hat, sei der diesem Einwande zugrunde liegende Irrtum etwas ausführlicher erörtert: Die Helligkeit einer farbigen Empfindung wird, wie uns Hering gelehrt hat, bestimmt durch den farblosen sowie durch Art und Grösse des farbigen Empfindungsanteiles. Rot und Gelb wirken erhellend, Grün und Blau verdunkelnd auf die Helligkeit der Gesamtempfindung, um so mehr, je stärker der farbige gegenüber dem farblosen Empfindungsanteil hervortritt. Hiermit hängen unter anderm auch ‚ die Helligkeitsänderungen zusammen, die farbige Lichter mit der Änderung von Lichtstärke und Adaptationszustand erfahren, also auch die Erscheinungen des Purkinje’schen Phänomens. Dieses kann nach dem Gesagten nur bei solchen Menschen und Tieren vorkommen, die Farbenempfindung besitzen, während die totale Farbenblindheit unter anderem auch durch Fehlen des Purkinje’schen Phänomens gekenn- zeichnet ist. Ich habe in früheren Untersuchungen zum Beispiel für Tagvögel ein ausgesprochenes Purkinje’sches Phänomen durch Spektrum- versuche wie auch durch Beobachtung des Pupillenspieles bei farbiger Beliehtung nachgewiesen. Anderseits zeigen meine ausgedehnten Messungen an einer grossen Zahl von Wirbellosen und insbesondere auch an Bienen, dass hier, wie beim total Farbenblinden, das Purkinje’sche Phänomen fehlt. Die Helligkeiten, in welchen ein Lebewesen farbige Lichter sieht, sind sonach für die normale Farbentüchtigkeit, für gewisse Arten von partieller Farbenblindheit (rel. blausichtige Rot-Grünblinde) sowie für die totale Farbenblindheit in ganz charakteristischer Weise ver- schieden. Der Einfluss der verschiedenen farbigen DK. v. Frisch, Der Farbensinn und Formensinn der Biene. Zool. Jahrb., Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. d. Tiere, Bd. 35 H. 1 und 2. 346 ' C. Hess: Empfindungsanteile auf die Helligkeit der Gesamt- empfindung ist selbstverständlich nur von der Art des farbigen Empfindungsanteils, nicht aber von der Art des eben untersuchten Sehorgans abhängig, also auch unabhängig davon, ob. es sich um ein Menschen- oder Tierauge handelt. Man pflegt, um einem Anfänger zu veranschaulichen, dass 2%x2—=4 ist, etwa je 2 Äpfel zweimal zusammenzulegen; wollte ein des Rechnens Unkundiger es als unzulässigen „Analogieschluss“ und als eine durch nichts berechtigte „Verallgemeinerung“ eines an Äpfeln gewonnenen Erfahrungssatzes bezeichnen, wenn ich statt der Äpfel etwa Birnen oder Nüsse benütze, so erkennt auch der Laie leicht das Ungereimte eines solchen Einwandes. Viel schlimmer noch ist der Verstoss gegen die Elemente der Logik, dessen v. Frisch sich schuldig macht: Er bestreitet nur mir die Berechtigung zu jenem „Analogieschluss“, bedient sich seiner aber selbst, wo es ihm nur immer passt; gründet er doch seine ganze Annahme einer Rot-Grün- blindheit bei Bienen lediglich auf diesen von ihm selbst für un- zulässig erklärten „Analogieschluss“. Bei der partiellen Farben- blindheit ist es für v. Frisch selbstverständlich, dass er aus den charakteristischen Merkmalen auf die Art. der Farbensinnstörung schliesst; bei der totalen Farbenblindheit ist das gleiche nach ihm eine durch nichts gerechtfertigte Verallgemeinerung. Er hat nicht bemerkt, dass alles, was er selbst über Farbensinn bei Tieren gefunden zu haben meint, hinfällig wird, sobald er sich auf den hier von ihm vertretenen Standpunkt stellt. Die Helligkeiten, in welchen Bienen oder Menschen die ver- schiedenen farbigen Lichter wahrnehmen, sind für ihre Sehqualitäten ganz ebenso charakteristisch, wie zum Beispiel die chemischen Reak- tionen für bestimmte Elemente. Die Meinung der Zoologen, ein Tier, das die für totale Farbenblindheit charakteristischen Reaktionen zeigt, könne doch „auch“ Farbensinn haben, wirkt auf den Physiologen nicht anders, als auf den Chemiker die Meinung wirken würde, eine Flüssigkeit, welche die für Wasser charakteristischen Reaktionen zeigt, könne doch „auch“ Öl oder Quecksilber sein. ”.. Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 347 2. Dressurversuche. a) Die Dressuren der Zoologen. Für den Laien haben, wie es scheint, die sogenannten Dressur- versuche bei Bienen besonderen Reiz; man pflegt dabei so vorzugehen, dass man den Bienen eine Zeitlang Futter auf einer bestimmten Farbe bietet und danach beobachtet, welche unter verschiedenen Farben von ihnen am häufigsten besucht werden. Ich habe bereits 1912 bei Gelegenheit von Untersuchungen über die Sehqualitäten der Fische die Gesichtspunkte entwickelt, nach welchen derartige „Dressur“- Versuche angestellt werden müssen, um wissenschaftlich verwertbar zu werden, und wies insbesondere darauf hin, dass den Tieren dabei neben den farbigen Flächen solche farblos graue geboten werden müssen, die für ein total farbenblindes Auge gleichen Helliekeits- wert haben. v. Frisch hat später versucht, aus den von mir entwickelten Gesichtspunkten an die Frage nach einem Farbensinne der Bienen heranzutreten. Seinen ersten einschlägigen Versuchen nahm die Nichtberücksichtigung eines möglichen Einflusses des Geruches jede Beweiskraft; ich zeigte dann, wie dieser Fehlerquelle zu begegnen ist, indem ich Methoden entwickelte, bei welchen die benützten farbigen und farblos grauen Flächen unter grossen Glasplatten sichtbar gemacht werden. In seinen späteren Veröffentlichungen schloss v. Frisch sich nunmehr nicht nur in den Grundgedanken, sondern auch in den technischen Einzelheiten meinen Darstellungen an. Seine Protokolle zeigen nunmehr, durchaus in Übereinstimmung mit den von mir seit einer Reihe von Jahren mitgeteilten Befunden, dass die Bienen, für die er früher bereits Rot-Grünblindheit zugegeben hatte, auch sattes Blau und Gelb nicht von Grau, also auch Blau nicht von Gelb unterscheiden können. Freilich hat er dies selbst nicht bemerkt, versucht er doch noch immer, an seiner Annahme einer wenn auch nur partiellen Farben- tüchtigkeit der Bienen festzuhalten und sosar die Richtigkeit meiner Befunde zu bestreiten. Aber ein Blick in seine Protokolle und Tabellen zeigt dem Physiologen leicht, dass seine Versuche gerade das Gegenteil von dem beweisen, was er mit ihnen beweisen möchte. Ich fasse im folgenden das Wesentlichste aus seinen einschlägigen Beobachtungen zusammen, wobei zugleich an einem Beispiel erläutert werden möge, auf welchem Wege auch diese Fragen zahlenmässiger Behandlung zugängig gemacht werden können. 348 | Bares v. Frisch schreibt auf Grund seiner Dressuren, die Bienen vermöchten ein gesättigtes Blau von Grau zu unterscheiden !), ver- wechselten aber dieses gesättigte Blau „völlig“ mit einem für unser Auge nur schwach bläulichen Rot, das ihnen blau, und zwar mit jenem gesättigten Blau „sehr ähnlich oder identisch“ erscheine; anderseits habe ein für uns viel ausgesprochener bläuliches Blaugrün für die Bienen „keine Ähnlichkeit mit Blau“ und werde von ihnen mit Grau verwechselt; dieses angebliche Verhalten der Bienen zeige, so meint er, in allen wesentlichen Punkten Übereinstimmung mit dem eines partiell farbenblinden, und zwar eines „rotblinden* Menschen (sog. „Protanopen“). Der Physiologe erkennt, in wie schroffem Widerspruche diese Angaben untereinander, wie auch mit elemen- taren Tatsachen der Farbenlehre stehen; es ist daher auch leicht, zum Beispiel mit der Methode der Kreiselgleichungen, die Unrichtigkeit seiner Annahmen auch durch Messung darzutun. Man befestige auf dem Farbenkreisel in der üblichen Weise . eine kleinere Scheibe (von etwa 10 cm Durchmesser) von dem bläulich-roten ?) Papier, das den Bienen mit dem sattblauen „sehr. ähnlich oder identisch“ erscheinen soll; hinter dieser kleineren Scheibe, ihr . unmittelbar anliegend, mache man drei radiär auf- geschlitzte und ineinandergesteckte grössere Scheiben (von etwa 23 em Durchmesser) sichtbar, von welchen die eine mattschwarz, die zweite mattweiss ist, die dritte dem zu den Dressurversuchen benützten satten Blau entspricht. Beim Rotieren des Kreisels zeiet also die innere Scheibe für uns die gesättigt bläulich-rote Farbe, der äussere Ring die Mischfarbe aus Schwarz, Weiss und Blau. Man variiere nun die Grösse der Sektoren der drei grösseren Scheiben so lange, bis für einen rotblinden Menschen eine genaue 1) Trotzdem haben Bienen, die nie auf Blau gefüttert worden waren, auch wenn er sie 8 Tage lang auf Grau dressiert hatte, blaue und purpurfarbige Papiere äusserst zahlreich und in viel grösseren Mengen aufgesucht als die grauen, auf die sie „dressiert“ waren! (Vgl. auch Abschnitt 4.) 2) v. Frisch, der bei seinen Tierversuchen anfänglich Glanzpapiere benutzt hatte, ging, nachdem ich die Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens dargetan, zum Gebrauche der von mir seit vielen Jahren auch zu meinen vergleichenden Untersuchungen benutzten Hering’schen Farbenpapiere über. Dadurch ist es nunmehr möglich geworden, seine Angaben an den von ihm selbst benutzten Farben mit den Methoden der wissenschaftlichen Farbenlehre zu prüfen und zu widerlegen. Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 349 Gleiehung zwischen dem bläulichen Rot der inneren Scheibe und dem weisslichen Blau des äusseren Ringes hergestellt ist. Bei mehreren solehen Versuchen erhielt ich die Gleichung: 360° Bläulichrot — 27° Blau + 28° Weiss + 305° Schwarz). Dem normalen farbentüchtigen Auge erscheint diese Mischfarbe fast farblos grau mit einem nur eben merklichen Stich ins Bläuliche. Auch der Rotblinde gibt an, sie erscheine ihm, ebenso wie die innere, für uns satt purpurfarbige Scheibe, nur sehr schwach bläulich, Nun verfahre man in der eleichen Weise mit dem blaugrünen Papier, für das der Autor, wiederum im Anschlusse an meine früheren Untersuchungen, nunmehr gleichfalls zugibt, dass die Bienen es nicht von Grau unterscheiden können. Ich erhielt für den „Rotblinden“ folgende Gleichung: 360 ° Blaugrün — 82° Blau + 89 0 Weiss + 189° Schwarz, Unserem normalen Auge erscheint, ebenso wie dem Rotblinden, diese Mischfarbe ausgesprochen bläulich, das Blau tritt hier ‚merklich deutlicher hervor als in der vorherigen Mischfarbe, die dem Rotblinden mit dem bläulichen Rot gleich erschienen war; mit anderen Worten: der Rotblinde sieht das zu v. Frisch’ s Dressurversuchen benützte blaugrüne Papier gesättigter blau als das von ihm nahezu farblos grau gesehene bläulich- rote Papier. ” Somit hätten seine auf ein gesättigtes Blau dressierten, angeblich „rotblinden‘ Bienen in einem für sie nahezu farblosen Grau einen äusserst schwachen bläulichen Ton erkannt, ‚nicht aber das viel stärker ausgesprochene, „gesättigtere“ "Blau, obsehon dieses dem Dressurblau für den Rotblinden viel ähnlicher ist als das nur eben merklich blauen Ton zeigende bläuliche Rot ?). | Die Bienen sollen also ein sehr ungesättigtes, weissliches bzw. grauliches Blau von Grau scharf unterscheiden, während sie es mit einem sehr gesättigten Blau „völlig verwechseln“; dagegen soll ein gesättigteres, schöneres Blau für sie mit diesem Blau keine Ähnlichkeit haben, obschon ‚sie es mit dem ihm viel weniger ähnlichen Grau ver- wechseln. Ins ist natürlich ein ‚Unding. 1) Bei einem zweiten Rotblinden ‚erhielt ich nahezu genau die gleichen Zahlen. 2) Auf Grau dressierte Bienen gehen nach v. Frisch in grossen Mengen auf Blau und Purpur, während Bienen, die er auf das dem Rotblinden deutlich blau erscheinende Blaugrün dressiert hatte, das Blau nicht aufsuchten. 350 | C. Hess: Ganz Entsprechendes konnte ich auch für Gelb nachweisen: Für ein als reines bezeichnetes, in Wirklichkeit aber sehr deutlich ins Gelbe gehendes Rot (s. u.) wird mir wiederum zugegeben, dass die Bienen es nicht von Grau unterscheiden können. Anderseits aber sollen sie ein als Grasgrün bezeichnetes, viel weniger ins Gelbe gehendes Graugrün mit Sicherheit von Grau unterscheiden. Lege ich einem „Rotblinden“ das gelblichrote und das grasgrüne Papier nebeneinander vor, so erklärt er ersteres für deutlich gelber als das Grün. Die in der gleichen Weise wie mit Blau für einen Rotblinden hergestellten Kreiselgleichungen ergaben: - 860° Rot— 24° Gelb + 4° Weiss + 332° Schwarz. Der Rotblinde sieht also das von den Bienen mit Grau ver- wechselte Rot nicht farblos, sondern gelb. Ersetzte ich nun die. kleine rote Kreiselscheibe durch die gras- grüne, liess aber an den grossen Kreiselscheiben die für den Rot- - blinden dem gelblichen Rot gleiche Mischfarbe, so gab der Rotblinde wiederum an, dass diese letztere für ihn viel deutlicher gelb ist als das Grasgrün. Wie der Rotblinde die fraglichen beiden Farben sieht, führt sich ‚der Farbentüchtige am eindringlichsten vor Augen, indem er zum Beispiel auf den drei grossen Scheiben die für den partiell Farben- blinden dem Rot entsprechende, auf drei kleinen Scheiben die dem Grasgrün entsprechende Mischung aus Gelb, Weiss und Schwarz herstellt: beim Rotieren sind dann die beiden Gelb unmittelbar aneinandergrenzend sichtbar. Es ergab sich bei zahlreichen solchen Versuchen, dass die für den Rotblinden dem Rot entsprechende Mischung dem Normalen als dunkles Gelb, die dem Grasgrün ent- sprechende dagegen uns als ein beträchtlich weniger gesättigtes (mehr mit Grau verhülltes), etwas helleres Gelb erscheint. Der Sättigungsunterschied zwischen den beiden Gelb ist für ihn wie für uns sehr deutlich. Auch hier haben also in v. Frisch’s „Dressur“versuchen die Bienen ein sehr ungesättigtes Gelb mit sattem Gelb, dagegen ein beträchtlich gesättigteres Gelb mit Grau verwechselt!). 1) Eine Zeitlang gab der Autor, im Anschlusse an meine Darstellung, zu, dass die Bienen das Rot des Mohns dunkelgrau oder schwarz sehen; nachdem ich darauf hingewiesen hatte, dass dieses Zugeständnis in-Widerspruch mit seiner Annahme einer Rotblindheit der Bienen steht, setzte er an Stelle seiner früheren Angabe eine ganz andere und schrieb, die Bienen sähen den Mohn nicht farblos, 2 I = Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 351} Wenn aber die Bienen einerseits ein weissliches Blau und Gelb mit Grau und anderseits ein noch weisslicheres Blau bzw. Gelb mit gesättigtem Blau bzw. Gelb verwechseln, so ist damit der Beweis er- bracht, dass sie auch sattes Blau und Gelb mit Grau und somit auch sattes Blau mit sattem Gelb verwechseln. In einer früheren Untersuchung habe ich auf Grund meiner eigenen ausgedehnten Beobachtungen an lange Zeit hindurch dressierten Bienen die bis dahin bekannten Angaben über „Bienendressur* wider- legen können. Mit seinen neuen, hier besprochenen Versuchen liefert v. Frisch, ohne es zu bemerken, eine erfreuliche Bestätigung meiner Be- obachtungen und bringt nunmehr selbst den Nachweis, dass seine Ansaben über Farbensinn der Bienen sämtlich un- richtig sind. Seine eigenen Protokolle lassen ihm nur die Wahl zwischen dem Zugeständnis, dass seine Bienen überhaupt nicht dressiert, oder aber, dass sie total farbenblind waren. Für die Beantwortung der Frage, was die „Bienendressuren“* des Autors etwa zu leisten vermögen, sind auch folgende Tatsachen von Interesse. N Wenn man Bienen zwei beliebige farbige oder farblose Flächen sichtbar macht, so lässt sich, sobald der Helligkeitswert der Flächen für das total farbenblinde Menschenauge bekannt ist, nach den von sondern als sehr dunkles Gelb. Während er früher meinte, es möge sein, dass beim Mohn die Farbe keine Bedeutung habe (und doch vertritt er gleichzeitig die Behauptung, die Blumenfarben seien um der Insekten willen da), meint er jetzt, der Farbe dürfte hier keine „grosse“ Bedeutung zukommen, auch als dunkle Blüte sei die Mohnblüte noch auffallend genug. Das Mohnrot sollen die Bienen in der Mehrzahl der Versuche richtig aus einer Reihe grauer Papiere. herausgefunden haben, doch kam es auch noch mehrmals auf Dunkelgrau und Schwarz zur Klumpenbildung. Das von ihm benutzte „grasgrüne“ Papier enthält viel weniger Gelb als das mohnrote, und doch sollen die Bienen dieses Grasgrün nach kurzer Dressur mit Sicherheit aus den grauen Papieren herausgefunden haben. Also- auch hier, wie beim Blau, wird zugegeben, dass die Bienen ein verhältnismässig- gesättigtes Gelb mit Grau verwechseln, obschon sie viel weniger gesättigtes Gelb von Grau sicher unterscheiden sollen, und sie sollen einerseits das ungesättigte Gelb im Grasgrün mit gesättigtem Gelb verwechseln, andererseits das viel ge- sättigtere Gelb in einem leicht gelblichen Rot, ja zum Teile sogar im Mohnrot mit Grau verwechseln! 352 C. Hess: mir entwickelten Methoden mit mathematischer Bestimmtheit voraussagen, wie die (dressierten oder nicht dressierten) Tiere sich zu diesen farbigen Flächen verhalten werden. Dagegen ist das Ver- halten der „dressierten“ Bienen gegenüber diesen Flächen nach v. Frisch’s Dressurprotokollen unberechenbar: auf Hellgrau dres- sierte Bienen gingen stark auf Dunkelgrau, blaue und purpurfarbige Flächen wurden nicht nur von blaudressierten, sondern auch von graudressierten Bienen in sehr grossen Mengen besucht; auf Blau dressierte Tiere gingen besonders zahlreich auf Purpur, besuchten aber gelezentlich auch sehr dunkles Grau, sehr helles Grau und Gelb, „offenbar zufällig“ auch Grün in grossen Mengen; auf Grasgrün dressierte Bienen gingen „aus unbekanntem Grunde“ in grossen Mengen auf Blau usw. BET Macht man nach der von mir früher geschilderten Methode der gleichzeitigen Belichtung von zwei einander gegenüberliegenden Seiten her frisch vom Stocke ‚geholten Bienen einerseits eine frei blaue, anderseits eine purpurfarbige Fläche sichtbar, wie sie bei v. Frisch’s Dressuren benützt und nach ihm von den dressierten Bienen „völlig verwechselt“ wurden, so zeigt sich, dass nicht- dressierte Bienen diese Flächen niemals verwechseln, sondern stets lebhaft nach der blauen Fläche eilen, die für deä total Farben- blinden einen wesentlich grösseren Helligkeitswert hat als die purpur- farbige. Meine früher mitgeteilten Messungen lehren, wie kleine Lichtstärken- bzw. Helligkeitsunterschiede farblos grauer Flächen von nichtdressierten Bienen mit Sicherheit wahrgenommen werden. Da- gegen zeigen zahlreiche Dressurversuche v. Frisch’s überein- stimmend, dass seine dressierten Bienen auch bei viel grösseren Helliekeitsunterschieden grauer Papiere vollständig versagen. Schon diese wenigen Beispiele, die leicht beliebig vermehrt werden können, lehren, dass bei Benutzung farbiger wie farbloser Reizlichter dres- sierte Bienen nicht imstande sind, auf Helligkeits- bzw. Farbenunterschiede zu reagieren, die von nicht- dressierten Tieren augenblicklich mit voller Sicher- heit wahrgenommen werden!). 1) Ein Münchener Zoologe schreibt über meine Untersuchungen unter anderem, sie litten „an dem grossen Mangel, dass sie aus der Studierstube eines Gelehrten stammen und nicht aus der Werkstätte der Natur. Wo Hess gezwungen ist, Nachprüfungen durch freie Dressurexperimente zu machen, gelingen sie ihm nach seinem eigenen Eingeständnis nicht, obwohl er das Misslingen anderen Ur- sachen zuschreibt‘“. Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 353 'b) Eigene Dressurversuche. Da; v. Frisch, wie wir sahen, auch neuerdings wieder mit den von mir entwickelten Methoden, deren auch er sich nunmehr bedient, Ergebnisse erzielt zu haben meint, aus welchen er auf Farbensinn bei Bienen schliessen möchte, und da nicht nur Laien in seinen Angaben noch eine Stütze für diese übliche Annahme sehen, so sei im folgenden zur Beurteilung der Dressurfrage etwas ausführlicher ein besonders einfaches Verfahren geschildert, das jeder Bienen- liebhaber unschwer üben kann, und das leicht zu eindringlichen Ergebnissen führt; Eine quadratische Glasplatte von 24 em Seitenlänge wird mit blauen und gelben quadratischen Tuchstücken von 6 cm Seitenlänge so: beklebt, dass ein Schachbrettmuster von sechzehn unmittelbar aneinander grenzenden Feldern entsteht!). Diese Platte wird unter einer etwas grösseren Glasscheibe sichtbar gemacht, die an den vier Ecken mit etwa !/s cm hohen Füsschen versehen ist, so dass das Schachbrett an einem passend angebrachten Griffe bequem unter der Glasplatte verschoben werden kann (s. Fig. 1 u. 2). Die kleine Vorrichtung wird auf ein passendes Brett am Fenster des Arbeits- zimmers, etwa 100 m vom Bienenstocke entfernt, aufgestellt. Man beginnt nun mit der „Dressur“, zum Beispiel auf Gelb, indem man die Bienen genügend lange Zeit — ich „dressierte“ meine Tiere zum Teil 6 Wochen lang auf eine bestimmte Farbe — von kleinen und grossen gelben Feldern füttert, über welchen Zuckerwasser ?) 1) Das farbige Tuch ziehe ich hier vor, weil seine sehr lebhaften, satten Farben viel lichtbeständiger sind, als die der farbigen Papiere; selbst bei wochen- langen Versuchen im Sonnenschein bleichen sie kaum nennenswert aus und sind auch gegen Schmutz und Feuchtigkeit viel weniger empfindlich als die Papiere. 2) Schon in meinem ersten Berichte über Dressurversuche hob ich ausdrücklich hervor, dass ich meine Fütterungen „ausser mit Honig auch mit Zuckerwasser“ mit gleichen Ergebnissen vorgenommen habe. Auch hier wird meine Dar- stellung von v. Frisch fortgesetzt unrichtig wiedergegeben, was um so bedenk- licher ist, als gerade ich zuerst. auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, bei den Dressurversuchen dem Geruchssinne der Bienen Rechnung zu tragen, was v. Frisch bis dahin versäumt hatte (s. o.). War doch auch die Methode der Versuche unter Glas von mir eben im Hinblick auf .diesen Fehler des Autors entwickelt worden. Trotzdem er meinen Arbeiten auch dieses Verfahren entlehnt und nunmehr, wiederum in Anlehnung an meine Darstellung, zugibt, dass bei Versuchen, die nicht unter Glas angestellt werden, der Geruchssinn entscheidend mitspielen kann, veröffentlicht er doch wieder lange Versuchsreihen, die ohne diese Vorsichtsmaassregel angestellt und also schon deshalb für die Farbensinnfrage zugestandenermaassen wertlos’sind. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 23 354 C. Hess: in passenden Schälchen oder in Form kleinerer und grösserer Tropfen auf der Glasplatte sichtbar ist. -Ist längere Zeit ausschliesslich auf Gelb gefüttert und Sorge getragen, dass die Tiere dort beständig Nahrung finden, also nach der üblichen Ansicht auf Gelb „dressiert“ sind, so beginnen die Versuche. Die Bienen kommen in grossen Scharen zu den Schälchen bzw. Tropfen und sammeln sich auch hier wieder, wie ich dies schon früher beschrieb, in der Weise, dass sie zunächst eine Zeitlang suchend hin und her fliegen, bis sich eine an eine Stelle des Schälchenrandes setzt; nun dauert es nicht lange, bis eine zweite und dritte heran- kommt, ünd diese neuen Bienen fliegen, was von früheren Beobachtern nicht erwähnt, aber nicht unwesentlich ist, fast immer direkt auf die erste zu und setzen sich neben, oft auf diese. So sieht man nicht selten einen Klumpen von 10—12 Stück aufeinander sitzender Bienen, . während der ganze übrige Rand des Schälchens bzw. Tropfens frei ist. Hat man nun auf einige gelbe Quadrate Nahrung ‘gegeben, auf andere dagegen ‘nur leere Schälchen, so gehen die Bienen nur zu den ge- füllten bzw. mit Tropfen versehenen Flächen. Wird eine reine Platte ohne Zuckerwasser aufgelegt, so gehen die Bienen niemals auf gelbe Flächen usw., was insbesondere im Hinblick auf die Angabe: v. Frisch’s erwähnt sei, 1—2 Tage von einem blauen bzw. gelben Papier gefütterte Bienen flögen sogar auf blaue Jacken und gelbe Bleistifte!). In anderen Versuchsreihen ging ich so vor, dass ich 1) Ich hatte bemerkt, man könne dem an biologisches Beobachten und Denken Gewöhnten „doch unmöglich zumuten, zu glauben, bei so hoch ent- wiekelten und sonst so zweckmässig organisierten Wesen, wie es die Bienen sind, hätte sich die so unzweckmässige, ja schädliche Eigentümlichkeit entwickelt, dass die Tiere, wenn sie einmal einen oder zwei Tage auf einem vorwiegend blauen oder gelben Blütenfelde Nahrung gefunden haben, nunmehr auf alle vorwiegend blauen oder gelben Gegenstände fliegen, auch wenn diese ihnen keinerlei Nahrung bieten und mit ihren natürlichen Honigspendern, den Blüten, so wenig Ähnlichkeit haben wie Jacken und Bleistifte“. Dazu schreibt nun v. Frisch: „ich habe diese ab- surde Behauptung nicht aufgestellt“. Es genüge demgegenüber die Feststellung, dass er auch heute noch ausdrücklich die Behauptung vertritt, seine 1—2 Tage auf ein gelbes bzw. blaues Stück Papier „dressierten“ Bienen seien nachher, lediglich der Farbe wegen, auf gelbe Bleistifte und blaue Jacken geflogen und hätten, wenn sie auf dem Dressurtisch keine Nahrung fanden, in auffallender Weise blaue Kleider, Krawatten und Hutbänder der Zuschauer umschwärmt! Auf Grund seiner Beobachtungen an Jacken und Bleistiften betonte er 1913, es gehe daraus hervor, „dass die dressierten. Bienen der Farbe nachgingen unabhängig Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 355: nach einer. durch viele Tage fortgesetzten Dressur durch leichtes Klopfen auf die Unterlage die Bienen zum Aufschwärmen brachte, sie flogen. dabei meist nur 1—2 cm hoch über der Fläche hin und. her; nun änderte ich rasch die Unterlage durch ‘Verschieben des Schachbrettes, so dass das Zuckerwasser, das bis dahin über gelben Feldern siehtbar war, über blaue zu liegen kam, oder ich brachte neue Schälchen auf blaue Felder oder schob eine neue, ganz reine Glasplatte über das Muster usw. Ich machte das Zuckerwasser bald in gleicher Weise auf allen blauen und gelben Feldern, bald nur auf einem Teile derselben sichtbar, während andere leer blieben, usw. Die Bienen, die noch bis vor wenigen Sekunden seit vielen Tagen dauernd von .Gelb gefüttert, also viel ausgiebiger auf Gelb dressiert waren, als es je bei v. Frisch’s Versuchen der Fall war, flogen nun sofort, ohne zu zögern, auf die blauen Flächen, ganz so, wie sie vorher auf die gelben gegangen waren. Bei genügend lange fort- gesetzter Wiederholung solcher immer aufs neue abgeänderter Ver- suche überzeugt man sich leicht, dass die Bienen, auch wenn sie wochenlang ausschliesslich auf Gelb Nahrung bekommen hatten, nicht die geringste Neigung zeigen, die gelben Felder mehr aufzusuchen als die blauen, oder gar sich, wie behauptet wird, auf leeren gelben Feldern zu sammeln und die benachbarten blauen, auch wenn auf ihnen Zuckerwasser geboten wird, zunächst ganz unbeachtet zu lassen. RL RR N Nach v. Frisch sollen die Bienen die blauen und gelben Felder an der Farbe erkennen, und doch hat er selbst den Nachweis er- bracht, dass sie Gelb und Blau weder voneinander noch von Grau unterscheiden können (Ss. 0.). Wie ausschlaggebenden Einfluss v. Frisch der „Dressur“- farbe zuschreibt, geht auch aus folgender Angabe hervor: Wenn sich ein Bienenknäuel über dem Dressurblau gebildet hatte, verschob er die Glasplatte. samt den Bienen vorsichtig so, dass der Bienen- . von’ den Geruchsqualitäten und auch von. der Form der Gegenstände“. In dem gleichen Jahre vertritt er aber auch die Meinung, „dass für die Bienen beim Blumen-, besuch auch die Anordnung der Farben in den Blumen (bei mehrfarbigen Blüten), vor allem aber auch die Form der Blüte eine wesentliche Rolle spielt“. Er glaubt den Widerspruch mit seinen Angaben über Besuch von Jacken und Bleistiften verkleinern zu können, indem er nachträglich (1914) die Angabe macht, „dass dies nur dann geschah,' wenn sie auf dem Dressuttisch kein Futter vorfanden, und: dass sich auch dann nur die Minderzahl. der Bienen so benahm“. 23° 356 C. Hess: knäuel auf ein graues Papier kam. Binnen !/a—"/s Minute habe sich dann der Knäuel aufgelöst, und auf dem Blau sei ein neuer entstanden, obschon auf ihm keine Nahrung zu holen war. Im Hin- blick darauf stellte ich unter anderem folgende Versuche an, bei welchen selbstverständlich jede Erschütterung der Bienen, wie sie bei v. Frisch’s Anordnung unvermeidlich ist, auszuschliessen war. Hat sich einmal über einem gelben Felde eine grössere Zahl „auf Gelb dressierter“ Bienen gesammelt, und verschiebt man das Sehachbrett unter der unberührt gelassenen. Platte so, dass nunmehr ein blaues Feld unter den Bienenhaufen zu liegen kommt, so stört das die Tiere nicht im geringsten, sofern ‘die Verschiebung unter Vermeidung jeder Erschütterung der Glasplatte erfolgt. Besonders eindringlich erscheint ‚auch .die folgende, von mir oft: gemachte Beobachtung. Auf der Glasplatte ist über der gelben Fläche an einer grossen Lache Zuckerwasser eine dicht gedränste Bienenschar versammelt; die Tiere saugen unermüdlich, so dass die Lache allmählich kleiner wird; in dem Augenblicke, in dem der letzte Rest aufgesogen ist, fliegt die ganze Schar, die: hier schon tagelang und bis zum letzten Augenblieke'so reich- lich Nahrung gefunden hatte, auf, und es kehrt keine zu dieser selben Fläche zurück, wohl aber zu anderen, auch anders- farbigen, sofern sie hier Zuckerwasser finden. Einmal glaubte ich wahrzunehmen, eine grössere Zahl auf Gelb dressierter Bienen! sei auf eine leere gelbe Fläche geflogen, was also bei oberflächlicher Be- trachtung etwas wie Dressur hätte vortäuschen können; bei genauerem Hinsehen: zeigte sich, dass die Platte an einer Stelle mit einer Spur Zuckerwasser beschmutzt war; die Bienen waren damit in wenigen Sekunden fertig, flogen dann sofort auf und kehrten nicht mehr zu dieser ihrer „Dressurfarbe“ zurück. Derartige Befunde, deren Zahl ich leicht vermehren könnte, zeigen, dass es eben auch hier nicht genügt, ab und zu einmal eine Zeitlang den Bienen zuzuschauen, sondern dass man sich die Mühe nicht verdriessen lassen darf, wochenlang immer und immer wieder lange Zeit ununterbrochen die Tiere sorgfältig zu be- obachten, wenn man ihr Verhalten gegenüber farbigen und farblosen Lichtern gründlich kennen lernen will. Ähnliche Versuche wie die oben für Blau und Gelb geschilderten habe ich häufig auch mit..einem grösseren Schachbrettmuster aus 36 weissen und schwarzen Feldern von je 6 cm Seitenlänge vor- genommen. Ich fand nach lange fortgesetzter Fütterung von Weiss Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 357 nicht, dass die „auf Weiss .dressierten“ Bienen weisse Felder vor den schwarzen bevorzugten. Nachstehende Photographien (Fig. 1 und 2), Fig. 2. - die kurz nacheinander (in Zwischenräumen von 1—2 Minuten) an dem gleichen Schaehbrettmuster bei verschiedener Stellung desselben zu der darüber liegenden Glasplatte aufgenommen sind, mögen zur 358 s "»"i0. Hess: Veranschaulichung der Methode dienen. Man sieht auf der, Glas- tafe] Zuckerwassertropfen auf weissen und schwarzen ‚Feldern; die Bienen waren eine Reihe von Tagen hindurch auf Weiss „dressiert“ worden, haben sich aber, wie man sieht, angenähert gleichmässig auf weisse und schwarze Felder niedergelassen. Auch hier lassen sich die auf Weiss „dressierten“ und auf einem weissen Felde an- gesammelten Bienen durch Verschieben der Schachbrettfelder unter der unberührt gelassenen Glastafel nicht im geringstenstören, sie bleiben ruhig sitzen, wenn der Grund unter ihnen schwarz wird. Die hier mitgeteilten sind nur einige wenige aus einer grossen Zahl einschlägiger Versuche, bei welchen ich statt des blaugelben Schachbrettes gelegentlich auch andere farbige Gegenstände, Farben- skalen und ähnliches unter den Glasplatten sichtbar machte. Um gewissermaassen in einem Kollektivversuche alle einschlägigen Möglichkeiten zusammenzufassen und alle Fehlerquellen auszu- schliessen, hatte ich früher den folgenden Versuch angestellt, den ich im Hinblick auf eine fehlerhafte Wiedergabe desselben durch v. Frisch, sowie auf unzulässige Folgerungen, die er daraus zog, hier kurz besprechen muss. Ich schrieb: „Der eindringlichste von allen meinen Versuchen ist wohl der folgende: Ich hatte mir ein aus Pigmentpapieren zusammen- gestelltes ‚Spektrum‘ verschafft, das durch Aneinanderreihen von 185 verschiedenen farbigen Papierstreifen von je 1 cm Breite und 30 cm Höhe gebildet war und in fast kontinuierlichem Übergang alle Farben vom äussersten Rot bis zum äussersten Violett in solcher Aus- dehnung zeigte, dass zum Beispiel die vorwiegend blauen Streifen eine etwa 40 cm breite Partie bildeten. Das Ganze war auf schwarzem Grunde sichtbar und, von einem breiten weissen Rande eingefasst, unter einer über 2 m breiten und 50 cm hohen Glasplatte gerahmt. Ich zog nun mit einer honiggefüllten Pipette einen langen Strich ent- sprechend der Mitte der Farben über die Glasplatte, so dass ein langer, überall gleichmässig breiter Streifen Honig auf dem etwa 2 m vor dem Flugloche der Bienen horizontal gelagerten ‚Spektrum‘ sicht- bar war. In mehreren Versuchen, zwischen welchen die Glasplatte wieder sofort gereinigt wurde, änderte ich die Lage der Fläche zum Flugloche, so dass die ein- und ausfliegenden Bienen jedesmal in etwas anderer Richtung über die verschiedenen Farben des Spektrums gingen. Hätten die durch 3 Tage auf Blau dressierten Bienen nur die ge- ringste Neigung gehabt, das Blau irgend zu bevorzugen, so hätte dies bei der hier gewählten Versuchsanordnung notwendig zum Ausdruck kommen müssen. Nichts davon war der Fall; die gezeich- neten Bienen flogen regellos bald zu dieser, bald zu jener Farbe des Spektrums“ usw. . Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 359 Entsprechende Versuche stellte ich mit Bienen an, die ich 3 Tage auf Gelb dressiert hatte; auch sie zeigten nicht die geringste Neigung, ‘sich auf der Dressurfarbe in u Zahl niederzulassen als auf einer anderen. ' Der Versuch ‚verfolgt, wie man sieht, die Aufgabe, den auf eine bestimmte. Farbe dressierten Bienen alle ‚möglichen Farben unter ‚ganz gleichen äusseren Bedingungen sichtbar zu machen, damit eine etwaige Verschiedenheit der Anziehungskraft der verschiedenen . ‚Farben, wie sie nach Meinung der Zoologen durch die Dressur herbei- geführt werden soll, klar zum Ausdrucke komme. v. Frisch versucht zunächst die Verwendung von Honig als | einen „Fehler“ bei meinen Versuchen hinzustellen; aber erstens er- wähnt. er nicht, dass ich alle meine Versuche, wie in meiner Arbeit ausdrücklich hervorgehoben ist, nicht nur mit Honig, sondern mit dem gleichen Ergebnisse auch mit dem von ihm benutzten Zucker- wasser angestellt habe (s. o.), wodurch allein schon sein Einwand hinfällig ist; zweitens scheint er ganz übersehen zu haben, dass es gerade bei meiner Versuchsanordnung gleichgültig ist, welches Lock- mittel auf die verschiedenen Farben gebracht wird, falls nur überall das gleiche in gleicher Form und gleicher Menge sich befindet, weshalb ich dieses ja eben in Form einer gleichmässigen Linie über alle Farben ausstrich; endlich nimmt er ohne genügenden Grund an, dass das Zuckerwasser, weil es uns geruchlos erscheint, auch für die Bienen keinen Geruch habe. Er selbst gibt an, wenn er blaudressierten Bienen eine Fläche geboten habe, auf der ein blaues Quadrat mit leerem Uhrgläschen und in nächster Nähe auf zahlreichen grauen Quadraten: zucker- wasserhaltige Gläschen sichtbar waren, hätten sich die Bienen „Scharenweise“ auf das leere Schälchen auf dem Blau gestürzt und die gefüllten in nächster Nähe auf dem Grau „zunächst ganz un- beachtet“ gelassen. Um so mehr hätten dann bei meinem Versuche ‚die blaudressierten Bienen sich auf dem Blau sammeln müssen, da sie doch auch hier reichlich Zuckerwasser fanden; man überzeugt sich aber leicht, so oft man den Versuch auch wiederholen mag, dass die Bienen sich niemals auf Blau früher oder in grösserer Zahl niederlassen als auf den anderen, unter, gleichen Bedingungen gebotenen Farben. Einen zweiten „Fehler“ meiner Versuchsanordnung sucht der ‚Autor darin, dass. ich „den Bienen stets bei den Versuchen andere ‚Gegenstände. vorgesetzt“ haben soll als bei der Dressur. Hier scheint 360 C. Hess: er erstens zu übersehen, dass dies ja gerade im Sinne seiner Anschauung geschehen ist und um von seinem Standpunkte die Bedingungen für ein Gelingen der Dressur auf die betreffende Farbe möglichst günstig zu gestalten: wenn ich tagelang die Nahrung nur auf blauen Papieren, blauem Enzian, künstlichen blauen Kornblumen und blauem Flanell biete, so muss, von seinem Standpunkte, für die Bienen doch erst recht eindringlich werden, dass Nahrung nur auf blauen Gegenständen zu finden ist. Sollen doch die Bienen, wie er selbst uns versichert, wenn sie auf dem Dressurtische kein Futter fanden, lediglich um der Dressurfarbe willen sogar von ähnlich gefärbten Krawatten, Bleistiften, Jacken, Hutbändern und Kleidern angelockt worden sein, auch wenn sie nur auf ein Stück farbiges Papier dressiert worden waren. Nun schreibt er aber: „Die lange schwarze Tafel mit dem Spektrum, die den Bienen in dem oben besprochenen Versuche vorgesetzt wurde, ist ihnen gänz- lich fremd, was ein Stutzen und Zögern zur Folge haben musste und so die Entdeckung des überall gebotenen Honigs begünstigte.“ (Von dem vom Autor hier angenommenen „Stutzen und Zögern“ liessen meine Bienen nichts erkennen.) | Er scheint zu übersehen, dass meine Dressur ja auch auf blaue Papiere und Flanellstücke, also doch sehr ähnliche Gegenstände er- folgte, wie jene, die dann zum Versuche dienten; seine Angabe, ich hätte „stets andere Gegenstände“ zum Versuche benutzt als zur Dressur, ist also unrichti.. Und ist denn der Unterschied zwischen dem Stück Papier und der Dame mit Hutband oder dem Herrn mit Krawatte bei seinen Versuchen so viel kleiner als der zwischen Papier und Papier oder zwischen dem Stück Flanell und dem Papier bei den meinen? Dort umschwärmten die Bienen, wenn sie auf dem Dressurtische kein Futter fanden, die Damen und Herren mit blauen Krawatten und Hutbändern trotz der grossen Verschiedenheit dieser Gegenstände vom Dressurobjekt, und trotzdem sie auf ihnen kein Futter fanden, nach v. Frisch lediglich der Farbendressur wegen; hier, bei meinem Versuche, hätten sie sich auf dem blauen Papiere nicht gesammelt trotz der grossen Ähnlichkeit mit den Dressurobjekten, trotz der gleichen Farbe und trotzdem sie auf ihr reichlich Nahrung fanden! - Dabei hat er selbst den Nachweis er- bracht, .dass. seine Bienen die Krawatten und Hutbänder sicher nicht um ihrer Farbe willen umsehwärmten, da sie dieses Blau, wie er zeigt, weder von Grau noch von Gelb unterscheiden können. v Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. :361 Somit ist auch die von mir vorgeschlagene Methode am „Spektrum“ gut geeignet, zu zeigen, dass v. Frisch’s Angaben über Farben- dressur der Bienen sämtlich unrichtig sind. Die oben nur kurz geschilderte „Schachbrettmethode“ hat neben ‚ihrer Einfachheit und leichten Anwendbarkeit auch den Vorzug, dass ‚sie ermöglicht, die Beobachtungen unter mannigfachsten Abände- rungen der Versuchsanordnung vorzunehmen, von welchen ich im vor- stehenden nur einige wenige kurz angedeutet habe. Ich hätte meine Beobachtungen über das Verhalten der Bienen bei Änderung der Farbe des Grundes nicht so ausführlich geschildert, wenn nieht aucb Doflein die Angaben v. Frisch’s ausdrücklich als richtig bezeichnet hätte. Das Vorkommnis ist ein lehrreiches Beispiel dafür, in wie hohem Grade althergebrachte Vorstellungen die Beobachtung auch verhältnismässig einfacher und leicht zu über- blickender Vorgänge erschweren können!). In welchem Umfange solehes nicht nur bei Einzelnen, sondern selbst bei einer grossen Versammlung ausgezeichneter Forscher der Fall sein kann, lehren die im vierten Abschnitte dieses Aufsatzes besprochenen Versuche. Auch die Lehre von „Lieblingsfarben* der Bienen gehört zu diesen Beispielen. Trotz meiner eingehenden Widerlegungen dieser früher verbreiteten Annahme vertritt Doflein noch immer die Meinung, die Bienen hätten eine „Vorliebe“ für Rot; nun haben aber selbst meine hartnäckigsten Gegner mir bereits zugegeben, dass die Bienen Rot nicht wahrnehmen, es vielmehr mit Dunkel- srau bzw. Schwarz verwechseln. Somit hätten die Bienen eine 1) Ein weiteres interessantes Beispiel hierfür bietet die Lehre vom Licht- sinne der Fische. Die übliche Annahme eines Farbensinnes der Fische sucht v. Frisch unter anderem durch die Angabe zu stützen, alle Ellritzen färbten sich auf gelbem Grunde gelb, diese Gelbfärbung gehe auf farblosem Grunde wieder zurück. Ich habe früher eingehend gezeigt, in welcher Weise solche Versuche angestellt werden müssen, um wissenschaftlich verwertbar zu sein und, insbesondere unter Hinweis auf die grossen individuellen Verschiedenheiten der Färbungen und Färbungsänderungen der Ellritze, betont, dass man nur durch eine grosse Anzahl von lange fortgesetzten Beobachtungsreihen ein klares Bild bekommen und durch Zufälligkeiten bedingte Täuschungen vermeiden könne. Trotzdem hatR.y. Hertwig auf Grund der Teilnahme an einem einzigen (!) verwertbaren und an zwei weiteren, infolge zugestandener Versuchsfehler wertlosen Versuchen v. Frisch’s die Richtigkeit jener Angaben bestätigt, deren Unrichtigkeit für den aufmerksamen Beobachter so leicht und eindringlich festzustellen ist. Ber 362 ö : C. Hess: ‚Vorliebe für eine von ihnen gar nicht wahrgenommene Farbe, und die bunten Farben der Blüten hätten sich entwickelt, obschon die ‘ Bienen eine Vorliebe für farbloses Grau haben sollen! Von anderer ‚Seite wird im Gegensatze zu Doflein die Meinung vertreten, „die schwarze Farbe erzürne die Bienen, weil instinktive Erinnerungen ‚auftauchen an den Feind von jeher, nämlich den (schwarzen) Bären“. Ich würde auch dies nicht erwähnen, wenn nicht ein so geschätzter Bienenbiologe, wie v. Buttel-Reepen, meinte, diesen „Erfahrungen“ sei nach seinen eigenen Erlebnissen „eine Berechtigung nicht abzu- sprechen“. Dass von einem „Erzürnen“ der Bienen durch schwarze Farbe ebensowenig die Rede sein kann wie von einer „Vorliebe“ für sie, bedarf heute wohl keines besonderen Nachweises mehr. 3. Messende Versuche über Entwicklung und Umfang der Dunkeladaptation bei den Bienen. Von befreundeter Seite wurde gesprächsweise die Frage an mich gerichtet, ob es nicht möglich sei, etwas über die Adaptationsvorgänge im Bienenauge zu erfahren. Ich schildere daher im Folgenden ein iR Fig. 3. einfaches Verfahren, mit dessen Hilfe die einschlägigen Fragen auch messend verfolgt werden können; ich habe es in ähnlicher Weise zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Wirbellosen mehrfach heran- gezogen. | | Im Innern eines 3 m langen, innen mattschwarzen, in einem Dunkelzimmer mit schwarzen Wänden aufgestellten Tunnels 7 ist ‚eine fünfkerzige Mattglasbirne S messbar verschieblich, welche die am einen Tunnelende unter einem Winkel von 45° aufgestellte 'mattweisse Fläche A beleuchtet (Fig. 3). Dieser Fläche gegenüber be- findet sich in der Tunnelwand ein quadratischer Ausschnitt, das durch . ihn austretende, von der weissen Fläche zurfickkenorlene Licht trifft Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Biener. 363 ‚den Glasbehälter B mit den Bienen. Es- werden nun in vielen ver- ‚schiedenen Versuchsreihen mit verschieden lange hell bzw. dunkel ‚gehaltenen Tieren durch Verschieben der Lampe jeweils die kleinsten ‚Lichtstärken aufgesucht, die noch eben merkliche Ansammlung der ‚Tiere auf der dem Lichte zugekehrten Seite ihres Behälters herbei- führen. Wenn zum Beispiel bei Bienen, die einige Zeit an der Sonne gestanden hatten und dann möglichst rasch vor den Behälter gebracht ‚werden, also nur momentan bzw. möglichst kurz dunkeladaptiert sind, ‚die Lampe auf 30 cm herangeschoben werden muss, um merkliche An- sammlung der Tiere herbeizuführen, während nach Dunkelaufenthalt von einigen Minuten auch bei einem Lampenabstande von 3 m noch . deutliche Ansammlung erfolet, so hat die Lichtempfindlichkeit der Bienen in dieser Zeit um etwa das 100fache zugenommen. Um die Lichtstärken noch weiter herabzusetzen, stellte ich vor dem Tunnel- ‚ausschvitte bei # einen elektrisch betriebenen Episkotister mit messbar ‚veränderlichem Ausschnitte auf. In einer grösseren Reihe solcher ‚Versuche konnte ich feststellen, dass die Lichtempfindlichkeit meiner Bienen beim Übergange aus dem Hellen ins Dunkle zunächst ver- hältnismässig rasch, weiterhin langsamer zunimmt und schon nach Dunkelaufenthalt von 15—20 Minuten um mehr als das 500fache bis zum 1000fachen grösser ist als unmittelbar nach dem Eintritte aus dem Hellen ins Dunkle. Zur Ansammlung auf der dem Lichte zugekehrten Behälterseite genügen bei länger dunkel gehaltenen Bienen überraschend kleine Lichtstärken, so dass die Beobachtung der Tiere ohne besondere Hilfsmittel schwer ist; damit ihre Dunkeladaptation durch die Be- obachtung möglichst wenig gestört wurde, bediente ich mich (da das Rot für die Bienen nur äusserst geringen Helligkeitswert hat) eines kleinen mit rubinrotem Glase versehenen Taschenlämpchens und ‚brachte dieses jeweils nur für Bruchteile einer Sekunde zum Glühen, wobei ich es so weit entfernt von den Bienen hielt, dass ich die Tiere eben noch genügend beobachten konnte. Um anderseits möglichst ausgiebige Helladaptation herbeizuführen, stellte ich in einem Teile „meiner Versuche den Glasbehälter mit den Bienen an die Sonne, in ‚anderen liess.ich ihn an Ort und Stelle vor dem Tunnel und brachte ‚einen Nernst-Faden unmittelbar an der Glaswand zum Glühen. Es ist ‘von biologischem Interesse, dass selbst lange dunkeladaptierte und ‚entsprechend lichtempfindliche Bienen sofort auf diese enorm helle Lichtquelle zulaufen, so dass sie schon nach wenigen Sekunden sich 364 C. Hess: in Scharen kaum 1 cm von dem glühenden Faden entfernt tummeln ; sie laufen dann in nächster Nähe des Fadens hin und her, oft eine kleine Strecke weit weg ins Dunkle, kehren dann wieder um und eilen aufs neue dem weissglühenden Faden zu. Bei Benutzung grosser Glasbehälter (20 x 10 >10 em) konnte ich solche Versuche ‘oft "/s Stunde und noch länger nach Entnahme aus dem Stock durch- führen, danach erfolgte wieder das früher von mir beschriebene Fest- setzen der Tiere an einer Stelle (oft mit heftigem Flügelschwirren). Sie reagierten dann überhaupt nicht mehr auf Lichtstärkenunterschiede und waren also für weitere Beobachtungen unbrauchbar. 4. Die Vorführung dressierter Bienen beim Freiburger Zoologentag. Besonderen Eindruck scheinen in weiteren Kreisen die „Dressur“- versuche gemacht zu haben, die v. Frisch 1914 dem Freiburger Zoologentage vorführte!). Doflein schreibt?), v. Frisch habe „die sämtlichen bei Gelegenheit des Kongresses versammelten Zoologen und Physiologen von der Richtigkeit seiner Annahme zu überzeugen vermocht“, und Stellwaag?°) meint, die Auffassung von K. v. Frisch werde von namhaften Zoologen geteilt, und „der Zoologenkongress 1914, auf dem v. Frisch seine Experimente vor- führte, drückte seine Befriedigung aus, dass die alte Lehre von den Wechselbeziehungen der Blumenfarben und Insekten, die: durch K. v. Hess ins Wanken zu kommen schien, eine neue Stütze er- halten hatte“. 2 iR Es erscheint also wünschenswert, auch diese Vorführungen auf ihre Beweiskraft zu prüfen. Auf einer Tischplatte waren verschieden hell- und dunkelgraue Papiere und zwischen ihnen ein: blaues Papier sichtbar gemacht. Bienen liessen sich alsbald in Scharen auf dem blauen Papier nieder und umschwärmten in auffallender Weise „die mit blauen Krawatten versehenen Zuschauer und die mit blauen Kleidern und Hutbändern I) K. v. Frisch, Demonstration von Versuchen zum Nachweis des Farben- sinnes bei angeblich total farbenblinden Tieren. Verhandl. d. Deutschen zool. Gesellsch. a. d. 24. Jahresvers. zu Freiburg i. B. 1914. = 2) Doflein, Der angebliche Farbensinn der Insekten. „Die Naturwissen- schaften“ 1914 S. 708. | 5 3) Stellwaag, Über die Beziehungen des Lebens zum Licht. Münchener med. Wochenschr. 1915 Nr. 48. in Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. 365 versehenen Zuschauerinnen“. v. Frisch teilte den Zuschauern nur mit, dass er diesen Bienen an den beiden der Vorführung voraus- gehenden Tagen auf blauem Papier Nahrung geboten habe. Die Zuschauer zogen daraus den Schluss, der Besuch der blauen Fläche, Krawatten und Hutbänder sei Folge jener „Blaudressur“. Ohne Kenntnis des Kontrollversuches mit Bienen, die auf Grau dressiert waren, fehlt dem von dem Autor vorgeführten Blaubesuche natürlich jede Beweiskraft, und der von den Teilnehmern gezogene Schluss auf „Blaudressur“ war voreilig.. Überraschenderweise kam keiner der Zuschauer auf die naheliegende und für die Beurteilung unerlässliche Frage nach jenem Gegenversuche. v. Frisch hatte ihn angestellt und schon 1912 ermittelt, dass Bienen, selbst wenn sie niemals auf Blau gefüttert waren, sogar nach 8 Tage langer Dressur auf graue Papiere trotzdem vorwiegend blaue und purpurfarbige Papiere befliegen und sich hier in viel grösseren Mengen sammeln als auf den grauen, auf die sie dressiert waren; auf dem Purpur liessen sie sich gar in so grossen Mengen nieder, dass sie nieht mehr gezählt werden konnten. Er hatte also selbst festgestellt, dass die Auffassung des Blaubesuches als Folge der Blaudressur ausgeschlossen ist!). Wäre in Freiburg die Frage nach dem Gegenversuche mit Graudressur gestellt und gemäss v. Frisch’s eisenen Befunden beantwortet worden, so würde niemand mehr an eine Farbendressur der Bienen glauben. Das Vorkommnis zeigt, zu welchen Trugschlüssen selbst in einem grossen Kreise ausgezeichneter Forscher „Dressurversuche“ bei so unzulänglicher Vorführung Anlass geben können. 5. Schluss. Es wird der Nachweis erbracht, dass auch jene „Dressurversuche“ der Zoologen, die einen Farbensinn der Bienen dartun sollen, eine volle Bestätigung meiner die totale Farbenblindheit der Bienen be- weisenden Untersuchungen erbringen. Denn auch v. Frisch’s Protokolle lehren, ganz in Übereinstimmung mit den meinen, dass 1) Aus meinen eigenen einschlägigen Versuchen, die ich in grösserem Um- fange durch viele Monate fortführte (s. o.), sei hier nur erwähnt, dass Bienen, die ich 6 Wochen lang täglich ununterbrochen auf Gelb „dressiert“ hatte, als ich ihnen unter einer reinen Glasplatte farbige Flächen sichtbar machte, in grossen Scharen auf Blau, Purpur und Schwarz flogen, während dicht daneben liegende gelbe Felder nicht besucht wurden. 366 €. Hess: Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. die angeblich auf Blau bzw. Gelb dressierten Bienen tatsächlich nicht imstande waren, beide Farben zu unterscheiden, sie vielmehr unter- einander und mit Grau verwechselten. Die Unzulänglichkeit der in der Zoologie üblichen Bienen- dressuren lässt sich an Hand der neuen Beobachtungen und Messungen eindringlich dartun. Für die adaptativen Änderungen im Bienenauze lässt sich durch Messung; zeigen, dass sie sowohl hinsichtlich des zeitlichen Verlaufes wie hinsichtlich ihres Umfanges weitgehende Ähnlichkeit mit jenen bei den anderen von mir untersuchten Wirbellosen wie auch im Menschenauge zeigen. Auch die neuerdings von zoologischer Seite gegen meine Unter- suchungen erhobenen Einwände erledigen sich durch die hier mit- geteilten neuen Befunde. Mit seinen Dressuren und den Freiburger Vorführungen hat v. Frisch selbst der Annahme eines Farbensinnes bei Bienen die letzte Stütze genommen. 367 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. I. Mitteilung. Der Oxydationsvorgang in getöteter Hefe und Hefeextrakt. Von Otto Meyerhof. (Mit 3 Textfiguren.) Inhaltsverzeichnis. Seile Erstes Kapitel. Die Atmung nicht gewaschener Acetonhefe ......» . 369 eBassälterrder Acetonhefe.. . 1... am net 369 EEBIERT Konzentration Na me weh 9 fee men 'e 370 3. Die „Konzentration® der Acetonhefe . . : 2: 2 2 nn... 372 Andere Milteueinflüsse 2.2... 0. Lese. als. BY62 BE SGBaRnB In Sauerstolle. 2 un a nee ee 373 6. Atmung in Gegenwart von Methylenblau . .. 2.2.2202... 373. de Wirkung der. Narkotika.. „2 0... 2... 2.0. a 977 Bewyarkung der Blausaure . 0. we le. sie 0 en ae re O8 9. Wird Kohlensäure entsprechend dem Sauerstoffverbrauch gebildet?. 378 Zweites Kapitel. Die Atmung gewaschener Acetonhefe .... .. » old 1. Der wasserlösliche „Atmungskörper“ im Extrakt. ........- 379, 2. Die Eigenschaften des Atmungskörpers . » » 2 2 ec. 000. 385 3. Erregung der Atmung durch andere Hefeextrakte . ...... 397 Drittes Kapitel. Die Atmung des Hefemazerationssaftes. . » ».... 400 1. Der Oxydationsvorgang im unveränderten Saft... 2... 0... 400. 2. Fällung des Atmungssystems durch Alkohol...» .. 2... 0... 407 3. Ultrafiltration des Mazerationssaftes und des Auszuges aus Trocken- DEI? 5 Ve en EL Se N et nA NER 41% Dass die nach dem Verfahren von Buchner-Rapp getötete, Hefe: Acetondauerhefe!) in Lösung eine gut messbare .Sauerstoff- atmung aufweist, ergab sich schon in einer früheren Untersuchung ?); 1) Buchner-Hahn, Zymasegärung S. 265. 2) O. Meyerhof, Pflüger’s Arch. Bd. 149 8.250. 1912. 368 Otto Meyerhof: auch noch ältere Arbeiten des Palladin’schen Instituts enthielten Hinweise auf einen solchen Sauerstoffverbrauch !). Aber mehr als die Tatsache, dass er vorhanden ist, ist bisher nicht festgestellt. Im folgenden wird dieser Oxydationsvorgang einer systematischen Unter- suchung unterzogen und in verschiedenen Richtungen aufzuklären versucht. Eine gleiche Bearbeitung erfährt die Sauerstoffzehrung des nach dem Lebedew’schen Verfahren gewonnenen, stark gär- wirksamen Hefeextrakts („Mazerationssaft“)°), die meines Wissens bisher überhaupt nicht bekannt gewesen ist. Hierbei wird auch die eigentümliche Steigerung, die die Oxy- dationsgeschwindigkeit in Gegenwart von Methylenblau erfährt und die den besonderen Gegenstand der älteren Mitteilung bildete, er- neut in Bearbeitung genommen, nachdem dieselbe Einwirkung dieses Farbstoffs auf die Atmung getöteter Staphylococcen in der vorigen Arbeit untersucht worden ist?®). Doch hängt diese Steigerung, wie wir sehen werden, so intim mit der unbeeinflussten Sauerstoffzehrung zusammen, dass eine Herausschälung der Benelenlın Versuchsserien aus dem Ganzen unzweckmässig erschien. Zur Methodik der Versuche sei auf die Henne Arbeit verwiesen. Die Versuchstemperatur für die Atmungsversuche war stets 29° G. .Die Störung, die. Sauerstoffmessungen mit unserer Methode an frischer Acetonhefe infolge von deren beträchtlicher Selbstgärung erfahren können, liess sich durch verschiedene Hilfs- mittel fast vollständig ausschliessen. Gelegentliche Versuchsfehler hierdurch waren leicht erkennbar, so dass Irrtümer nicht entstehen konnten. In der Regel wurde die stark basenbindende Aufschwemmung der Acetonhefe in Wasser oder Bouillon bis zur spurenhaften Rosa- färbung von Phenolphthalein (p m 8) mit 10 NaOH versetzt, WOo- durch sowohl die Selbstgärung verzögert, als, auch durch diese ge- - bildete Kohlensäure längere Zeit zurückgehalten wird. Wo aber eine andere H*- Konzentration benutzt werden sollte, wurde alko- holische Thymollösung bis fast zur Sättigung mit Thymol hinzu- gegeben. Hierdurch wird für eine Reihe von Stunden die Selbst- gärung — mit Ausnahme von ganz frisch hergestellter Acetonhefe — 1) Telesnin, Zentralbl. f. Bakt. II Bd. 12 S. 205. 1904. — Warschawskr, Zentralbl. f. Bakt. II Bd. 12 S. 400. 1904. 2) Lebedew, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 73 S. 447. 1911. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 169 S. 87. 1917. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 369 vollständig unterdrückt. Bei dem Lebedew’schen Extrakt fällt . diese Komplikation ganz fort: Er zeigt keine Selbstgärung, da die Hefe bei der Trocknung glykogenfrei wird. Acetondauerhefe und Trockenhefe nach Lebedew wurden in der ersten Zeit von Schroder, München, bezogen. Als die Firma ihre Lieferung einstellen musste, stellte ich die Trockenhefe nach der Vorschrift von Lebedew selbst her aus Reinzuchtunterhefe der Berliner Hochschulbrauerei. Der Extrakt verhielt sich gleich dem aus Münchner Unterhefe. Die Versuche an Acetonhefe mussten dagegen abgebrochen werden. Erstes Kapitel. Die Atmung nicht gewaschener Acetonhefe. Die Atmungsgrösse einer bestimmten Menge Acetonhefe fällt schon bei gerinefügiger Variation der Umstände so verschieden aus, dass dies auf den ersten Blick verwirrend wirkt. Eine genauere Analyse zeiet dann aber, dass dies bedingt ist durch den starken Einfluss, den eine kleine Zahl gut übersehbarer Faktoren auf die Oxydationsgeschwindigkeit hat. Diese Faktoren sind bei ungewaschener Acetonhefe an erster Stelle die Reaktion der Flüssigkeit, das Alter, die Konzentration der Suspension. Andere Milieuvariationen spielen eine geringe Rolle. 1. Das Alier der Acetonhefe. Beim Lagern der Acetonhefe im Zimmer (Temperatur 17—20° C.) nimmt die Atmungsgrösse in einigen Monaten stark ab. So ergeben zum Beispiel die. Messungen bei einem Präparat unter sonst an- nähernd gleichen Bedingungen das Folgende: Acetonhefe, hergestellt etwa am 15. November, geliefert Anfang Dezember 1916. Stets Aufschwemmung in Wasser, mit NaOH neu- tralisiert. 1]. Kubikmilli- Alter Kubikmilli- meter O, Datum er Menge | meter O, Zeit verbraucht ae verbraucht von 0,2 g 8 in Ih 15. Dez. 1916 1 Monat 0,17 218 3h 85 20. Mäız 1917 4 Monate 0,2 107 3h 36 3. Mai 1917 5'/a Monate | 0,2 59 3h 20’ 1% Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 2 370 Otto Meyerhof: 2. Die H*-Konzentration. Überraschend stark erweist sich die Abhängiekeit der Atmungs- grösse von der Reaktion der Flüssigkeit. Das Optimum der Atmung liegt am Neutralpunkt, zwischen p,.—= 6,5—7; nach beiden Seiten fällt sie steil ab. Infolgedessen wird schon durch die bei der Selbst- gärung gebildete Kohlensäure, die in der Lösung zurückbleibt, die Atmungsgrösse fortwährend geänderte Wird, wie angegeben, die Lösung bis zur schwachen Rosafärbung von Phenolphthalein mit NaOH überneutralisiert, so steist infolgedessen die Atmung in den ersten Stunden dauernd an, da die Reaktion sich durch die gebildete Kohlensäure nach dem Neutralpunkt verschiebt. Dieser Anstieg: ist nicht etwa durch Bakterieninfektion bedingt: Abgesehen davon, dass er ganz regelmässig ist und in den späteren Stunden einem Nach- lassen der Atmung Platz macht, findet er ebenso statt beim Zusatz bakterienhemmender Substanzen, wenn diese nur die Selbstgärung nicht oder nur wenig beeinflussen, zum Beispiel Heptylalkohol in Sätticungskonzentration. Anders dagegen wirkt die Zugabe von Thymol: Hier wird die Selbsteärung gehemmt, die Reaktion bleibt konstant, und die Atmung bleibt längere Zeit gleich. Beispiele für den Anstieg der Atmung: [2.] 0,15 g in 2 ccm verdünnter Bouillon ohne Zusatz verbrauchen Kubikmillimeter Sauerstoff in den ersten 20 Minuten . . . .. u „. Zweiten 2000 5, N „ dritten 20 5 sl Ben en RE [3-] 0,16 g in 2 ccm destilliertem Wasser ohne Zusatz verbrauchen Kubikmillimeter Sauerstoff in der ersten Stunden. 2. mare zweitens ut Wa TS den folgenden 3 Sm Ber 2 2 P7„. anfangs etwa.8,5, am Schluss 6,5. [4.] 0,16 g in 2 ccm verdünnter Bouillon — Überschuss von Heptylalkohol zugesetzt (0,1 ccm) — yalbanhen Kubikmillimeter Sauerstoff in u enelen Ei: ulze 3} ersten Stunde er 22 „ zweiten !/a u le zweiten „ RE, folgenden 3 Stunden je 27 P,. anfangs etwa 8,3, am Schluss 7,0. \ [5.] Vergleich der Atmung mit und ohne Thymolzusatz. Je 0,15 g in destilliertem Wasser, 2,2 ccm, ) ohne Zusatz, b) mit 0,22 com 2°o iger Thymollösung in 50% Alkohol. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. SıR (Thymolkonzentration 0,2°/o berechnet, durch Anreicherung in den Zellen etwas unter Sättigungskonzentration sinkend.) Atmung in Kubik- millimeter Sauerstoff a) ohne Zusatz b) mit Thymol erste 20 Minuten. . 10 ) zweite 20 ae Ib 3 Glare el) 8 vierte 20 ROTE IT] ) Py. am Schluss etwa. 6,5 8,2 Mit zunehmendem Alter der Acetonhefe wird die allmähliche Steigerung der Atmung immer mehr kompensiert durch Nachlassen der Atmungsgrösse in den späteren Stunden, so dass sie dann nur noch zu Beginn oder überhaupt nicht mehr zur Beobachtung kommt. Um den starken Abfall der Atmung mit zunehmender Alkaleszenz zu demonstrieren, genügt es, zwei Proben mit verschiedener Menge NaOH zu versetzen und die Atmung zu vergleichen. Für genauere Versuche und besonders wenn auch der Abfall nach der sauren Seite untersucht werden soll, muss die Selbstgärung durch Zugabe von Thymol beseitigt werden. Die geringe Hemmung dadurch stört nicht, da sie in den Parallelversuchen einer Serie gleichmässig auf- tritt. Um Unterschiede der Thymolkonzentration zu vermeiden, wird Thymol zu der gesamten Hefeaufschwemmung zugegeben; von dieser in die Atmungseläschen abpipettiert, dazu destilliertes Wasser n bzw. 10 NaOH in steigender Menge hinzugegeben. 4 a) Vergleich der Atmungsgrösse bei annähernd neutraler und alkalischer Reaktion ohne Zusatz. [6.] 0,15 g in 2 ccm verdünnter Bouillon verbrauchen in 1h bei p,. etwa 7: 42 cmm O,; bei p,. etwa 9: 12 cmm O,. [7.] 0,2 g in 2,3 cem dest. Wasser verbrauchen in 4h 20° bei P,.. etwa 7: 178 cmm 0O,; bei p,. etwa 9,5: 42 cmm Ö,. b) Atmungsgrösse bei verschiedener Reaktion in Gegenwart N von Thymol. [S.] 0,2 & in 2 cem verdünnter Bouillon + 0,15 °/o Thymol ver-. brauchen in 1h Kubikmillimeter Sauerstoff: bei 9 ,. 5,5—6 (1 cem Bouillon + 1 cem dest. Wasser)... .. 14 oe ga 15-Na0H + 0,6 ccm dest. W.) 38. a —-NaoH 1.0,8 com dest. W.) 25 24. * 972 Otto Meyerhof: [9] 0,2 g in 2 ecm verdünnter Bouillon + 0,15% Thymol in 31h 430) verbrauchen Kubikmillimeter O, bei 9,..: 6,5—7 (1 ccm Bouillon + 0,4 I _Na0H + 0,6 ccm dest. W.) 57 10 8 (1 0.8 15" NaOH + 0,2 ccm dest. W.) 45 ee 15 Na0H) . RE (In diesen und allen anderen Fällen wurden als Indikatoren benutzt: Methylorange, Methylrot, Neutralrot, Phenolphthalein, Thymolphthalein.) 3. Die „Konzentration“ der Acetonhefe. Gewöhnlich wurde eine Acetonhefeaufschwemmung von 0,15 bis 0,28 auf 2 cem Flüssigkeit benutzt; in diesem Fall ist die Suspension mässig diekflüssig. Bei stärkerer Konzentrierung besteht die Gefahr ungenügender Sauerstoffversorgung bei der hier benutzten Methode. Man sollte annehmen, dass bei Verwendung der halben Menge Hefe auf 2 cem die Atmung die Hälfte sein müsste. Tatsächlich ist aber die Atmung erheblich geringer als die Hälfte. Das ist also gerade das Gegenteil von dem, was aus Gründen methodischer 'Ungenauig- keit, bei schlechter Luftversorgung, zu erwarten sein würde. Dieser Befund deutet bereits auf einen Umstand hin, dessen Vorhandensein in dem nächsten Kapitel nachgewiesen wird: Dass nämlich die Atmungsgrösse abhängt von der Konzentration eines aus der Hefesuspension in Lösung ibern chen Stoffes. Beispiele: [10.] a) 0,15 g in 1,5 cem verd. Bouillon verbrauchen in 1h 38 cmm 0% b) 0.075 Sen 5 5 h a ll auf gleiche Menge berechnet "also AR RER NR et BEN Verringerung der Atmung um 40%. [11.] a) 0,12 g in 1,2 cem verd. ken verbrauchen in 11 50’ 60 „ 0,. b) 0, 128g „ 9,4 a „165042 4225 ,7.05: Verringerung der Atmung um 30°). [12.] >) 0,12 g in 1,2 ccm verd. Bouillon verbrauchen in 1h40'’ 45 „ 0%. 5b) 0, ‚12 u) 2,4 BD) ” b) » 1b 40° 25 D) O,. "Verringerung der Atınana um 45 °)o. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 373 4. Andere Milieueinflüsse. Der Einfluss der bisher besprochenen Faktoren ist so überragend, aass daneben anderweitige Milieuänderungen ganz zurücktreten bzw. wegen der Schwierigkeit, die Reaktion stets genau eleich zu machen, schwer nachweisbar sind. Beispielsweise ist die Atmung in destilliertem Wasser, 1°/oiger NaCl-Lösung und Fleischwasserbouillon bei gleicher Reaktion gleich. Die Bouillon puffert nur die H‘-Konzentration etwas besser; infolgedessen ergeben sich in den späteren Zeiten hierauf zurückzuführende Differenzen der Oxydationsgeschwindigkeit. 5. Atmung in Sauerstoff. In reinem Sauerstoff ist die Atmungsgrösse gegen- über Luft gesteigert. Das gleiche Resultat werden wir im dritten Kapitel bei dem Mazerationssaft wiederfinden. Wir sehen hier, wie fernerhin noch mehrfach, eine starke Abweichung von der Atmung lebender Zellen, die durch reinen Sauerstoff nicht gesteigert wird!). Der Oxydationsmechanismus besitzt offenbar einen ele- mentareren -Charakter. Zur Messung der Atmung in reinem Sauerstoff dienten die in Pflüger’s Arch. Bd. 164 S. 410 (1916) abgebildeten Atmunes- gefässe. Vor Beginn des Versuchs wurde etwa 30 Minuten lang Sauerstoff unter Schütteln des Gefässes hindurchgeleitet. [13.] 0,12 g in 1,2 ccm verd. Bouillon verbrauchen in 15 20°: int Buktl ne 2... 3 228.cmm? 0, in>Sanersiolßs ea... 2040,2.202.0, Steigerung 30 'o. [14.] 0,15 3 in 1,5 ccm verd. Bouillon verbrauchen in 1h 20°: InDe Puls ae. 2% 08,rcmm,. 0, Ink Sauerstom.u u. 201.292.2.0, Steigerung 35 /o. 6. Atmung in Gegenwart von Methylenblau. Die Atmung der Acetonhefe wird, wie schon früher gezeigt wurde, durch Methylenblau in der Konzentration von 0,02—0,1 /o um das Mehrfache gesteigert. Es fällt dabei auf, dass a) die opti- 1) Vgl. O. Warburg, Asher-Spiro’s Ergebn. d. Physiol. Bd. 14 S. 263. 1914. — Siehe auch O0. Meyerhof, Pflüger’s Arch. Bd.-164 S. 411, Bd. 166 S. 253; 374 Otto Meyerhof: male Methylenblaukonzentration sehr viel höher ist als bei den Acetoncoccen, b) die Steigerung in weitem Umfang schwankt zwischen 20 und 500%. a) Betreffs des ersten Punktes sei daran erinnert, dass das Optimum für erhitzte Acetoncoccen 0,005—0,01°/o Methylenblau beträgt. Dass höhere Konzentrationen keine Steigerung verursachen, hängt nun offenbar mit der starken Giftigkeit des Methylenblaus für Staphylo- coccen zusammen. Denn 0,005 °/o Methylenblau hemmt ja die Atmung lebender Staphylococcen schon um 30 °/o. Lebende Hefe ist dagegen sehr viel unempfindlicher: Bei einer Konzentration von 0,05 0/0 be- trägt die Hemmung nur 10—20°/o. Bei entsprechend höheren Kon- zentrationen tritt aber jedenfalls die Giftigkeit auch gegenüber den getöteten Zellen in Erscheinung. Der Einfluss der Methylenblau- konzentration auf die Atmungssteigerung beruht unter anderem darauf, dass die Reduktionskraft der Acetonhefeaufschwemmung so gross bzw. die Geschwindigkeit der Reoxydation des gebildeten Leukomethylenblaus so gering ist, dass bei den niederen Kon- zentrationen die Lösung trotz Schüttelns an der Luft fast ganz farb- los bleibt. Aber auf den Gehalt an verküptem Farbstoff, der in diesen Fällen ja ausserordentlich gering ist, kommt es für die Sauer- stoffübertragung an. | Beispiele: Atmungssteigerung bei verschiedenen Methylenblau- konzentrationen: [15.] Je 0,15 g Acetonhefe in 2 eem verd. Bouillon verbrauchen in 50 Minuten ohne Zusatz . . 20.20. .830cmmO;, mit 0,005 °/o Methylenblau. ee. 4450550 aan: „0,05 % 2 a N sn s Bu ee ee Lebende Hefe: [16.] 2 ccm Suspension von Kieler Brauerei- hefe verbrauchen in 2 Stunden ohne Zusatz Ne mr a OO 2 mit 0,01 0/0 Methylenblau ee 8.0, 10N/e/Hemmune „0,05% : EB nl [17.] 3 ccm Suspension von Berliner Hoch- schulbrauereihefe verbrauchen in sbz4l, ohne Zusatz: S42 Syn ee O0, mit 0,050 Methylenblau.. . . . .14 „ 0,= 10% Hemmung Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. Il. 375 Die Atmungssteigerung durch Methylenblau beruht aber offen- bar bei Acetonhefe prinzipiell auf der gleichen Ursache wie bei den Acetoncoccen, und die dort angenommene Hypothese gilt auch hier. Nur bedurfte es dort noch des Erhitzens der Acetonzellen, um die Steigerung in Erscheinung treten zu lassen. Der Unterschied kommt wohl daher, dass die Atmung der Hefe durch die Aceton - Äther- behandlung allein schon auf etwa 2°/o fällt, während ein solcher Abfall bei den Staphylococeen nur durch Aceton-Ätherbehandlung und nachfolgendes Erhitzen zu erreichen ist. Wir sahen aber schon dort, dass die Steigerung durch Methylenblau um so grösser wird, Je stärker die absolute Atmungsgrösse herabgedrückt wird. Auch die Entgiftung der Blausäure durch Methylenblau bei lebenden Zellen finden wir in vollem Umfang wieder: [18.] 2 ccm Suspension von Berliner Hefe verbraucht in 15 30’ Sbre Alnseız Wege no a a ee RER I len cal 97 Ben KUN. 3.0. m an en Sen BEN, 08 E03 .lo Methylenblau‘. . .*.... 20.98.2012 1,78.,-0% =.0.05° 0/0 x + 0,0015% n KCN. . . O0 „ 0% b) Die Schwankungen, die die prozentuale Atmungssteigerung durch die‘ gleiche Methylenblaukonzentration in verschiedenen Ver- suchen zeigt, haben mehrere Gründe. Wieder hat die Reaktion einen überragenden Einfluss; und zwar wird die prozentuale Steigerung nach der sauren Seite zu immer grösser, nach der alkalischen immer geringer, unabhängig von der absoluten Atmungsgrösse. Kubikmillimeter O0, Pr 5 06.65.17 070808 8,5 Fig. 1. T ohne Methylenblau, ZT mit Methylenblau. 376 Otto Meyerhof: Zur Illustration mögen die Kurven der Fig. 1 und die Tabelle I dienen. In der Fig. 1 ist die unbeeinflusste Atmung bei 9,7 —= 100 gesetzt. Tabelle I. De Me- Na Br thylen- | Prozent. Zusammensetzung Zeit Pa Kubikmillimeter bla Steige- der Lösung RT Konzen- rung Methylen-| Methylen-| tration blau blau [19.] 0,158: 2 ccm verd. | 1 7,9 42 82 0,02 95 Bouillon ohne Zusatz 9,0 12 18 0,02 50 [20.] 0,18 g: 2 ccm verd. | Ih 9,9—6 14 68 0,05 380 Bouillon, 0,15 %0 Thy- 7,0 33 94 0,05 190 mol, 0,5°o Alkohol [21.] 0,18 8: 2cem verd. | 1b 30’| 6,5 57 173 0,05 230 Bouillon, 0,15%/0 Thy- | - 8,0 45 111 0,05 150 mol, 0,5% Alkohol 8,9 3 70 0,05 110 Neben der Reaktion gibt es aber noch viele andere Einflüsse auf die Methylenblausteigerung der Atmung. So ist diese — ceteris- paribus — in Bouillon erheblich grösser als in destilliertem Wasser, während, wie erwähnt, die Atmung selbst keinen Unterschied zeigt. Beispiel: > [22.] 0,12 g verbrauchen in 80 Min. Kubikmillimeter O5: a) in 1,2 ccm dest. Wasser ohne Methylenblau 40 mit 0,06°0 Methylenblau . . . 48, Steigerung 20 %/o b) in 1 2 ccm Bouillon ohne Methylenblau . . 42 mit 0. 06° Methylenblau . . . » .. .. 70, Steigerung 65 /o Auch die verschiedensten Zusätze sind von Einfluss auf die Methylenblauatmung. So steigern Phosphate dieselbe, besonders gegen- über destilliertem Wasser, wie schon früher gezeigt wurde. In gleicher Richtung wirken die Alkohole in kleiner Konzentration. Während diese in höheren Dosen die Atmung selbst gemäss den bekannten Regein hemmen, nimmt bei nicht zu hoher Alkoholkonzentration die absolute Grösse des Sauerstoffverbrauchs in Methylenblaugegen- wart zu. Dies ist auch aus methodischen Gründen zu beachten, weil in vielen Versuchen entweder Thymol oder späterhin meist Phenyl- urethan in alkoholischer Lösung zu den Suspensionen hinzugefügt wurde (nicht nur zur Unterdrückung der Selbstgärung, sondern auch Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. Soc um bakterielle Infektion in vielstündigen Versuchen auszuschliessen). Hierbei wird — infolge des Alkoholzusatzes — die Methylenblau- atmung gesteigert. Beispiele für die Wirkung des Äthylalkohols. [23.] 0,15 g Acetonhefe in 1,5 ccm verdünnter Bouillon ver- brauchen in 16h onnepAusatze. sw ennno. dh cmm 0, m SAD Alkohol. =. 2.230 oO, R 0.05 0/o Methylenblau . 72 ,„ 05, Steigerung 130 %/o- „ 2,4°/o Alkohol + 0,05 N Me- thylenblau ER 99 „ 0,, Steigerung 220 %/o. [24.] 0,12 g Aestinhefe in 1 ‚2 ccm verdünnter Bouillon ver- brauchen in 1 50°: ohne Zusatz ... we22...2.60, cmmr0, mit 0,06 %/o Methylenblau 0.1327 „ 9%, Steigerung 110% R 4% Alkohol. . Be ART 3 4° Alkohol +4 0,06°o Me- thylenblau. . . . . 155 cmm 0,, Steigerung 280 %/o [25.] 0,15 g Kestonhete in 1,5 cem verdünnter Bouillon ver- brauchen in 2h ohne Zusatz . . ee 299 Cmma 08 mit 0,07 lo Methylenblau ......180 „ 0, Steigerung SO %o & 30/9 Alkohol. . . SR 1 0 „ 3%e Alkohol + 0,07 oo Me- thylenblau. . . . . 249 ,„ 0,, Steigerung 220 %/o- Ähnlich verhält sich auch der Methylalkohol; ob auch höhere Alkohole, ist nicht festgestellt. Man könnte daran denken, dass die Steigerung auf einer Bildung von Aldehyd beruht, zumal Aldehyde selbst die Methylenblauatmung auch stark vermehren; doch ist diese Frage nicht weiterverfolgt worden. 7. Wirkung der Narkotika. Die Narkotika hemmen die Sauerstoffatmung der Acetonhefe in einer Konzentration, die der „Extrakthemmung“ in den Versuchen von Warburg entspricht!). Diese ist ungefähr gleich der Gärungs- hemmung der Acetonhefe nach den Versuchen von Warburg und Wiesel?). Ausser bei den erwähnten Alkoholen sind die Hemmungen in An- und Abwesenheit von Methylenblau gleich. Dies letztere ent- spricht dem Verhalten der Acetoncoccen. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 19. 1914. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 465. 378 Otto Meyerhof: Tabelle I. \ - | Kubik- Kubik- Me ill milli- | u thylem H Zusammensetzung : em- Blaue meter em- 2 Zeit meter | mun 0, mit | mun der Lösung 0 5 || konzen- | Me- 5 tration iglen braucht 5 I 0/0 0/0 blau 0/o 126.] 0,15 g: 2,2 ccm verd. Bouillon . . .|1h 44 0,07 97 do. + 7°/o Athylurethan ) 80 0,07 12 8 [27.] 0,18 g: 2ccm verd. | Bouillone.. ..... 1h 30’ 82 0,05 183 do. + 1°/o Isobutylure- Ns 28 66 0,05 19 1870 128.] 0,18 g: 2,2 ccm | - verd. Bouillon . . .|Ih 47 i do. + Thymol im Über- SCHUSB. SR 2 22 99 —-. 8. Wirkung der Blausäure. Das Verhalten gegenüber Blausäure zeigt besonders deutlich, dass es wir es mit einem schon weitgehend veränderten Oxydations- vorgang zu tun haben. Denn dieser für die Zellatmung so stark giftige Stoff ist fast ohne Wirkung darauf. Schon die Atmung der Acetoncoccen war ja viel unempfindlicher gegen Blausäure als die n 100 schwach, etwa 10—20°o hemmt; die Indifferenz gegenüber der Methylenblauatmung tritt daher neben der Indifferenz gegenüber der Atmung selbst gar nicht mehr hervor. Dasselbe werden wir bei der Atmung des Lebedew’schen Hefeextrakts wiederfinden. der lebenden; hier aber finden wir, dass selbst -HCN nur ganz 9. Wird Kohlensäure entsprechend dem Sauerstoffverbrauch gebildet? Diese Frage lässt sich direkt bei Acetonhefe nicht entscheiden, weil die Selbstgärung zu sehr überwiegt. Dagegen kann man bei Hemmung. der Selbstgärung durch Thymol feststellen, dass in diesem Fall jegliche Kohlensäurebildung ausbleibt, also auch der Oxydationsprozess keine. veranlasst. Ein sicherer Schluss auf die Atmung in Abwesenheit von Thymol lässt sich daraus nicht ziehen. Mit mehr Erfolg wird diese Frage im dritten Kapitel am Mazerationssaft behandelt werden. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 379 Zweites Kapitel. Die Atmung gewaschener Acetonhefe. 1. Der wasserlösliche „Atmungskörper“ im Extrakt. Wird die neutralisierte Acetonhefe in der Zentri- fuge mit destilliertem Wasser, Salzlösung oder Bouillon gewaschen, soist dieAtmung erloschen; gibt man aber zuihr den ersten, mit wenig Wasser gewonnenen „Ex- trakt“ wieder hinzu, kehrt die Atmung zurück Um den sich hier ab nielenden Vorgang besser zu ' verstehen, betrachten wir die quantitativen Verhältnisse: [29.] 2,7 g Acetonhefe werden mit verdünnter Bouillon + 10, Na0H auf 30 cem aufgefüllt, 15’ unter Umrühren im Zimmer stehen gelassen, 2 ccm für den Kontrollversuch abpitettiert; dann in zwei graduierten Zentrifugengläsern je 14 ccm zentrifugiert. Der Extrakt, je 11 ccm, abgegossen. Der Bodensatz mit Wasser aufgewirbelt; jeder in ein srosses Zentrifugenglas übergefüllt und dort zweimal mit 80 cem ver- dünnter Bouillon gewaschen. Bodensatz von Glas I mit altem Extrakt auf 14 ccm aufgefüllt. e 0 JEW) verd:zBouillon.. , 14 ccm 5 Im Atmungsversuch zeigt sich: 2 cem der Kontrolle verbrauchen in 1P. . . . ....66 cmm 0 2 ccm aus Glas Il: gewaschene Acetonhefe verbrauchen 1 „ 0 2 cem aus Glas I: gewaschene Acetonhefe + Extrakt verbrauchen . . ER ale, BDA 0 2 ccm des Extrakts für sich verbrauchen I BE Er Nehmen wir an, die Atmungsgrösse würde bedingt durch einen Stoff, der sich gleichmässig zwischen der Hefe und der wässrigen Lösung verteilt, so kann offenbar der blosse Extraktzusatz die alte Atmung nicht voll wieder hervorrufen wegen des Volumens des Hefe- niederschlags. Im obigen Beispiel beträgt derselbe etwa 3 cem; um - ist daher mindestens der Extrakt nach Zusatz zu gewaschener Hefe verdünnt gegenüber der Kontrolle. In der Tat ergibt sich, dass die Geschwindigkeit der wiedererweckten Oxydation ziemlich genau pro- portional der Konzentration und Menge des zugesetzten Extrakts ist. Füllen wir beispielsweise die gewaschene Acetonhefe in Glas I zu- nächst mit verdünnter Bouillon bis zur Hälfte auf und dann Extrakt bis zum alten Volumen hinzu, so dass die Extraktkonzentration jetzt genau halb so gross ist wie in der Kontrolle, so erziht sich in einem en Versuch: 380 Ä Otto Meyerhof: [30.] a) 2 ccm Hefesuspension (0,18 g)i in ver ante Bouillon, als Kontrolle verbrauchen in 80" . 3 . 45 cmm 0, (Je 12 cem der Suspension zentrifugiert, Extrakt abgenommen, je einmal mit 80 ccm dest. Wasser gewaschen; in Glas I und II mit dest. Wasser auf 6 ccm aufgefüllt.) b) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in dest. Wasser (0,1822) seem. dest. Wasser in80. 2. 20...0.221022022705 c) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in dest. Wasser (01882) ccm Extrakt in 807, 22 0 20 ae Die alte Atmungsgrösse lässt sich aber ganz wiederherstellen, wenn man den Extrakt in geeigneter Weise konzentriert, zum Beispiel im Vakuum bei 40° C. eingedampft. So ergibt sich zum Beispiel: 130 a.] Der lan s 1,2 ccm anne (0,1 8) in dest. yassch in3h 94 cmm 0, 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe in dest. Wasser No 1 g)-+6 ccm dest. Wasser in 3h. . (or. c) 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe in dest. altes (0, 1 g) + 0,6 cem Extrakt der ursprünglichen Sus- - pension in gh , AI ER O0, d) 0,6cem gewaschene Acetonhefe i in dest. Wasser (0, ei N) I 0,6 ccm im Vakuum eingedickten Extrakt n3h 6 „ 0, Diese Feststellung, dass die Konzentration eines wasserlöslichen Stoffes die Atmungsgrösse bestimmt, hat in zahlreichen Versuchen ihre Bestätigung erfahren. Eine gar zu grosse quantitative Genauig- keit darf man schon aus methodischen Gründen hier nicht verlangen ;. vor allem wird dies durch die starke Abhängigkeit der Atmung ‘von der Reaktion unmöglich. Doch hat sich immer wieder ergeben. dass man bei Einhaltung möglichst gleichmässiger Bedingungen nach der Menge zugesetzten Extrakts die Grösse der wiedererweckten Atmung vorher sagen und daher auch umgekehrt, bei bestimmten. Einwirkungen auf den Extrakt aus der Grösse der dann noch resul- tierenden Atmungserregung durch ihn, auf die Konzentration : des atmungserregenden Stoffes in ihm schliessen kann. Diesen Stoff‘ bzw. Stoffgemisch, dessen Natur uns ausgiebig beschäftigen wird, werde ich im folgenden als „Atmungskörper“ bezeichnen. Bei den meisten Versuchen ist die Acetonhefe nach Abzentri- fugieren des Extrakts im graduierten Glas in der Regel nur einmal mit 80 ccm destilliertem Wasser oder Bouillen gewaschen; es ge- nügt das, um die Atmung fast ‚ganz zu unterdrücken, besonders wenn man mit destilliertem Wasser und nicht mit Bouillon wäscht. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. I. 381 Aus diesem Grunde wurde in allen späteren Versuchen nur destilliertes Wasser benutzt. Die noch übriggebliebene „Restatmung“ ist stets so gering, dass sie zu keinen Fehlern Anlass gibt. Genau wie die Atmung verhält sich die Steigerung der Atmung durch Methylenblau, die „Methylenblau- atmung“. Auch sie erlischt vollständig durch Waschen der Acetonhefe und wird durch Zugabe des Extrakts wiedererweckt. Einige Beispiele für das Gesagte sind in der folgenden Tabelle enthalten. Tabelle II. Hefesuspension !) Waschung Zusätze suchs- meter : 0: zeit - Bl] 0,22 g in 2,2 ccm verd. weBouillon. . ...... . — — 173 | 35 40' 0,22 g in 2,2 ccm verd. Bomllon .......... —_ 0,05 °/o Methylenblau 400 0,22 g gewaschen in 2,2 ccm verd. Bouillon | 2mal verd. Bouillon — 3 0,22 g gewaschen in 2,2 ccm verd.Bouillon | 2mal „ r 0,05 %/o Methylenblau 14 | — B2.] 0,18 g in 2,0 cem verd.|, we Boullon... .... — — 66 | 15 10° 0,13 g in 2,0 ccm verl. weBoullon...... : —_ 0,05°/0o Methylenblau 140 0,18 g gewaschen in - 2,0 ccm verd. Bouillon | 2mal verd. Bouillon — 1 0,18 g gewaschen in 2,0ccm verd. Bouillon]| 2mal „ 4 0,05°/o Methylenblau 3 \ 0,18 g gewaschen. . .| 2mal „ 4 Extraktauffüllung auf2 ccm 90 0,18 g PB Bel 2mall:), s „+ 0,05% Meth. 85 It [33.] 0,18 g in 2,0 ccm verd. Bonllom.. 2.2... — — al ıın 0,18 g in 2,0 ccm verd. weBouillon. ....... . — 0,05°/o Methylenblau 77 0,27 g gewaschen in 1,5ccm verd. Bouillon]| 1mal verd. Bouillon —_ an! U 27 g gewaschen in _ _ 1,5cem verd. Bouillon| Iimal „ 0,05 °/o Methylenblau 22 0,27 g gewaschen. . .| Imal „ „ Extraktauffüllung a. 1,5 ccm 37 0,27 8 e Baer Lmalı 2% 5 „ + 0,05° Meth. 85 1) Acetonhefe, sowohl in Bouillon wie in destilliertem Wasser, stets gegen Phenolphthalein mit 15 NaOH neutralisiert. Hefesuspension [34.] 0,18 g in 2,0 ccm dest. Wasser. EN 0,185 g gewaschen in 2,0ccm verd. Bouillon 0,18 g gewaschen in 0,9 ccm dest. Wasser [B5.], 0,13 g in 2,0 ccm verd. Bouillon. ..... 0,18 g gewaschen in 2,0 ccm dest. Wasser 0,18 g in 1,0 ccm dest. Wasser ee Seite eu e [36.]. 0,13 g in 2,0 ccm dest. Wasser 0,18 g gewaschen in 2,0 ccm dest. Wasser 0,18 g in 0,9 cem dest. Wasser uiNliel er Mal other, [37.1 0,18 g in 2,0 ccm dest. Wasser bar 1.00: 0,18 & gewaschen in 2,0 ccm dest. Wasser 0,18 g gewaschen in 0,9 ccm dest. Wasser 138.] 0,18 g in 2,0 ccm verd. Bonllowae 0,18 g gewaschen in 2.0 ccm verd. Bouillon 0,18 g gewaschen in 1,0 ccm verd. Bouillon Otto Meyerhof: ‘Tabelle III (Fortsetzung). Waschung 1 mal verd. Bouillon lömalseı 5 1 mal dest. Wasser imal „ a l mal verd. Bouillon 1 mal ) ” 1 mal verd. Bouillon mal, n 1 mal 0,5°%/oige NaCl-Lösung Zusätze + 1,2 ccm Petra 2 + 1,0 cem Extrakt + 1,1 cem Extrakt + 1,0 cem Extrakt 57 32 $h 53h Da die Atmungsgrösse von der Konzentration des wasserlöslichen Atmungskörpers abhängt , verstehen wir jetzt, warum schon in un- behandelter Hefe die Oxydationsgeschwindigkeit mit wachsender Ver- dünnung zurückgeht. In der Regel wurde sowohl für die Versuche mit ungewaschener Acetonhefe sowie zur Extraktdarstellung eine Verdünnung 0,9:10 oder 1:10 gewählt, also für eine Versuchsserie 1,5—2 g Acetonhefe auf 20 cem Flüssigkeit gebracht. Höhere Kon- meter suchs- 0, Zeit 40 1h ih 34 >20 Ei 40’ a er / Ben ‘ SCHERE TE An ne a pn Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 383 zentrationen zu wählen, verbietet sich wegen ihrer Dieckflüssigkeit aus methodischen Gründen. Doch schien, auch davon abgesehen, bei weiterer Konzentrierung der Acetenhefe die relative Atmungsgrösse nicht mehr oder nur ganz unbedeutend anzusteigen. Andererseits wird die Grösse der Atmung aber auch bei ge- gebener Konzentration des Extrakts durch die Menge der zugesetzten gewaschenen Acetonhefe bestimmt. Bei gleicher Extraktkonzentration und halber Menge Acetonhefe ist die Atmung nur etwa halb so gross. Wenn man daher sowohl Extrakt als gewaschene Acetonhefe auf die Hälfte herabsetzt, ist die resultierende Atmung nicht gleich der Hälfte, sondern höchstens gleich einem Viertel der Kontrollatmung. Es entspricht dies ungefähr dem Versuch [10] bei ungewaschener Hefe. Beispiele: [39.] 1,9 g Acetonhefe in 20 cem verdünnter Bouillon (Thymol- zusatz). Je 10 ccm zentrifugiert in graduiertem Rohr I und II, mit je 80 cem verdünnter Bouillon gewaschen, Rohr I mit Extrakt auf 5 cem gebracht, Rohr II mit verdünnter Bouillon auf 5 cem. Ta) 1,0 ccm Acetonhefe (0,19 g) + 1 ccm Extrakt (zusammen etwa1,6 ccm Extrakt) verbrauchen in 2b 20’ 138 cmm 0, Ib) 0,5 ccm Acetonhefe (0,095 8) + 1,5 ccm Extrakt (zusammen 1,8 ccm Extrakt) verbrauchen {is DR DE a a NN Ice) 1,0 cem Acetonhefe (0,19 8) + 1 ccm verdünnter Bouillon (zusammen etwa 0,6 com Extrakt) werbrauchtiin) oh 201.215. 128... aaa. 49,20, Id) 1,0 ccm Acetonhefe in verdünnter Bouillon (0,19 g)+ 1 ccm verdünnter Bouillon (ohne Mstrakt) verbrauchen n 24 20", 2... Beamer ‚OL Ile) 1,0 ccm Acetonhefe in verdünnter Bouillon (0,19 g) + 0,5 cem Extrakt + 0,5 cem verdünnter Bouillon (0,5cem Extrakt) verbrauchen in2h20° 40 „ 0, [40.] 2,0 g Acetonhefe in 24 ccm dest. Wasser, je 12 ccm zentri- fugiert, einmal mit 80 ccm verdünnter Bouillon gewaschen. Rohr I mit Extrakt, Rohr II mit verdünnter Bouillon aufgefüllt. 1a) 1,0 cem Acetonhefe (0,18 g) in Extrakt + 1,0 ccm Extrakt (Extrakt etwa 1,5 ccm) verbrauchen Bee... ee 2.0 4 emm..0% Ib) 0,5 ccm Acetonhefe (0,09 g) in Extrakt + 0,5 cem Extrakt (Extrakt 0,7 ccm) verbrauchen in3bh 40°’ 24 „ 0, II c) 1,0 cem Acetonhefe (0,18 g) in Bouillon + 1,0 cem dest. Wasser (Extrakt O ccm) verbrauchen in 3h 40’ 3022.05 IId) 1,0 ccm Acetonhefe (0,18 g) in Bouillon + 1,0 cem ; Extrakt (Extrakt 1,0 cem) verbrauchen in 3h 40’ 110 „ 0 | Der erste Versuch zeigt, wie bei gleicher Acetonhefemenge die Atmungsgrösse genau mit der Extraktmenge variiert, bei gleicher 384 Otto Meyerhof: Extraktmenge dagegen mit der Menge Acetonhefe. Der zweite Ver- such zeigt dementsprechend, dass bei Herabsetzung von Extrakt und Acetonhefe auf die Hälfte die Atmung weniger als ein Viertel be- trägt. In der Tat fällt die Atmung unter diesen Umständen noch etwas mehr, als der Rechnung entspricht. Eine Beobachtung, die in qualitativer Hinsicht dem Verschwinden und Wiederauftreten der Methylenblauatmung gleichgesetzt werden kann, ist, wie ich inzwischen aus der Referatenliteratur ersehen habe, kürzlich von Harden und Norris gemacht!). Sie fanden, dass die Reduktionsfähigkeit von Acetonhefe und der Lebedew’schen Trockenhefe gegenüber Methylenblau beim Waschen mit Wasser er- lischt und durch Zugabe der Extrakte wieder hervorzurufen ist. Doch haben sie diesen Vorgang nicht in Beziehung zur Sauerstoff- .atmung der Acetonhefe gesetzt, die ihnen offenbar nicht bekannt geworden ist, sondern sich nur bemüht, durch Zugabe von ver- schiedenen Stoffen, besonders Aldehyden, die Reduktionsfähigkeit wieder hervorzurufen. Diese stellen aber, wie ich fand, den ur- sprünglichen Oxydationsvorgang nicht wieder her und wirken nur in ausserordentlich abgeschwächtem Maasse reduzierend, im Vergleich zu ungewaschener Acetonhefe. Ich glaube nicht, dass hieraus ein Schluss auf die in der Acetonhefe wirksamen Substanzen zu ziehen ist; dagegen werden wir in der folgenden Arbeit einen anderen Stoff aufzeigen, der in vieler Hinsicht die Eigenschaften des Atmungs- körpers besitzt und gleichzeitig des „Reduktionskörpers“. Denn diese Feststellung ist für das Verständnis der „Methylenblauatmung“ und ‘° damit auch des Reduktionsvorgangs von grosser Wichtigkeit: Immer, wenn durch Beeinflussung des Extrakts oder der ex- trahierten Hefe, ebenso des Mazerationssaftes der Oxydationsvorgang erlischt, verschwindet auch die Methylenblauatmung; wird ersterer restituiert, ver- mehrt oder abgeschwächt, so gilt ein gleiches von dem Sauerstoffmehrverbrauch durch Methylenblau und damit auch von derReduktionskraft. Hierfür werden wir im folgenden die verschiedensten Beispiele kennen lernen. Aber mit dieser Regel soll nicht gesagt sein, dass nun auch stets die Ver- änderung der Atmung und der Methylenblauatmung quantitativ über- 1) Biochem. Journ. vol. 8 p. 100. 1914, vol. 9 p. 330. 1915. (Zitiert nach Chem. Zentralbl.) Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. I. 385 einstimmt. Dies ist schon wegen der grossen Variabilität der letzteren kaum zu erwarten, doch zeigen sich in einzelnen seltenen Fällen auch systematische Abweichungen, wo zum Beispiel die Atmung stets etwas stärker restituiert wird als die Methylenblauatmung. Ein solcher Fall wird später, im dritten Kapitel, erwähnt werden. 2. Die Eigenschaften des Atmungskörpers, Um die Natur des Atmungskörpers zu analysieren, brauchen wir den Extrakt nur irgendwelchen Einwirkungen auszusetzen und ihn dann zu gewaschener Acetonhefe hinzuzugeben; vergleichen wir mit der so resultierenden Sauerstoffatmung diejenige, die durch Zu- gabe des unbeeinflussten Extraktes in der Acetonhefe „errest“ wird, so haben wir ein Maass für die Veränderung des Atmungskörpers im Extrakt. In ähnlicher Weise können wir auch auf die extrahierte Hefe einwirken und unveränderten Extrakt hinzusetzen, um die Eigenschaften der in der gewaschenen Hefe atmungswirksamen Sub- stanz kennenzulernen. a) Beschränkte Thermostabilität des Atmungskörpers. Diese beiden Komponenten, in die das Atmungssystem zerlegt - werden kann, haben nun völlig verschiedene Eigenschaften: Die extrahierte Hefe ist thermolabil, der Atmungskörper beschränkt thermostabil. Kocht man die extrahierte Hefe auf und gibt sie zu unbehandeltem Extrakt hinzu, so ist die Atmung fast erloschen; kocht man den Extrakt auf und gibt ihn zu un- veränderter, extrahierter Acetonhefe hinzu, so ändert sich die Atmung und Methylenblauatmung nicht gegenüber der Benutzung ungekochten Extraktes. Beispiele: [41.] Acetonhefesuspension 0,8: 10 in verdünnter Bouillon, einmal gewaschen. Je 0,2 g in 2 ccm benutzt. Sauerstoftverbrauch in 1h: Gewaschene Acetonhefe mit verd. Bouillon aufgefüllt 1 cmm 0, Gewaschene Acetonhefe mit Extrakt . . 40 „0% Gewaschene Acetonhefe mit Extrakt + 0 ‚05 Oo Me- thylenblaur. > & a Or Gewaschene Acetonhefe gekocht, mit Extrakt Se 20 Gewaschene Acetonhefe nn mit Extrakt m 0,05 a Methylenhlaas 2... 1,04. .0, 2 cem Extrakt für sich . . a Ei 1440: 2 ccm Extrakt für sich + 0,05 fo "Methylenblau ER ON Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 25 386 Otto Meyerhof: [42.] Acetonhefesuspension. 0,9: 10 in verdünnter Bouillon einmal gewaschen. i Je 0,27 g in 1,5 cem benutzt. Sauerstoffverbrauch in 1#: Auffüllung mit unbehandeltem Extrakt .. . 97 cmm 05 Auffüllung mit unbehandeltem Extrakt 2 0 ‚05 0 Me- TE thylenblau . . . - EN. Se Auffüllung mit gekoehtem Extrakt. . a 2 RR 0: Auffüllung mit gekochtem Extrakt + 0,05 07 Methylenblau 74 0.20, Der erste Versuch zeigt die Thermolabilität der extrahierten Hefe, der zweite die Thermostabilität des Extrakts. Diese ist aber doch keine unbeschränkte: Durch längeres Erhitzen auf dem Wasserbad wird der Atmungskörper in seiner Wirksamkeit geschwächt. Dampft man völlig zur Trockne ein und nimmt den Rückstand wieder in Wasser auf, so ist die Wirkungsstärke schon erheblich herab- . gesetzt, aber doch noch nicht erloschen. Wird der Trockenrückstand des Extrakts geglüht, so wird der Atmungskörper zerstört. Ohne oder mit ganz geringfügiger Schädigung lässt sich der Extrakt im Vakuum bei etwa 40°C. zur Trockne eindampfen. Schneller und bequemer gelingt die Konzentrierung des: Atmungskörpers auf dem kochenden Wasserbad unter Absaugen der Luft durch die Wasserstrahlpumpe. Die berechenbare Schädigung liegst dann zwischen der bei gewöhnlichem Eindampfen und Vakuumeindunstung. Dies Verfahren wurde immer gewählt, wo es auf schnelle Konzentrierung des Extrakts ankam. Den Grad der Schädigung kann man jeweils bestimmen, wenn man die ursprüngliche Extraktkonzentration wiederherstellt und die so erregte Atmungsgrösse mit der vergleicht, die man bei Benutzung unbehandelten Extrakts erhält. Man kann aber auch den einge- dampften Extrakt konzentrierter verwenden und den Ausschlag mit dem vergleichen, der sich dann für ungeschädigten Extrakt berechnen lassen würde. Dies gilt jedoch nur, wenn die Ausschläge nicht er- ‘ heblich grösser sind als bei unbehandeltem Extrakt. Denn die Atmungsgrösse steigt bei wachsender Konzentrierung des Atmungs- körpers schliesslich nicht mehr, eigentlich nie über den Wert, der sich in der gleichen Menge ungewaschener Acetonhefe bei Ver- dünnung 1:10 ergibt. Beispiele: [43.] Je 12. ccm (1 g) Acetonhefe in dest. Wasser zentrifugiert, einmal mit verdünnter Bouillon gewaschen, I mit Extrakt, II mit ver- dünnter Bouillon auf 6 ccm aufgefüllt. In 53h 40’: SER R Mistne 8 e z ee HER Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 3837 Ia) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe 0 16 g) in Extrakt + 1 ccm Extrakt. . . . ..143 cmm 0, IIb) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe in “ Bouillon Eelmeem es Bostrakb ee er ee NEO, IIc) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe in Bouillon + 1 cem Extrakt, auf Wasserbad von 100° C. dreifach eingedickt ERS N a) an nee ‚ Id) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe in Bouillon ne 1 cem Extrakt, auf Wasserbad zur Trockne eingedampft; mit Wasser aufgenommen, dreifach eingedickt . . . So. 200 10 Ile) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe in Bouillon B2 Trockenrückstand geglüht; in 1 ccm Wasser so ” z aufgenommen, zweifach eingedickt . . . . . 22,05 If) 1,0 ccem gewaschene Acetonhefe in Bouillon + 1 ccm "dest. NMasser, Sr.t. s 932700, Aus ce ergibt sich schon eine gewisse chadienne beim Ein- dampfen (da die Atmung sonst über 200 sein würde); aus d eine sehr viel grössere beim Eindampfen zur Trockne. Endlich e ist gleich f. Der Atmungskörper ist zerstört. - [44.] Je 12 ccm (1 g) Acetonhefe in dest. Wasser zentrifugiert, einmal mit verdünnter Bouillon gewaschen, I mit Extrakt, II mit ver- dünnter Bouillon auf 6 ccm gebracht. In 3h 20’: Ia) l1ccm gewaschene Acetonhefe in Extrakt + 1ccm Baxtrakt.. .. . 125 cmm 0, IIb) 1 ccm gewaschene Acetonhefe i in Bonillon+ 1c ccm Bxtrakt 7.8, 0, 2.90), Ilc) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in Bouillon a 1ccm Extrakt, im Vakuum bei 40° C. zur Trockne eingedampft, mit Wasser aufgenommen, vierfach eaedichkti ee u re a, IId) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in Bouillon +0,7 ccm dest. Wasser + 0,5 ccm des im Vakuum vierfach eingedickten Extrakts . . . 128 „ IIe) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in Bouillon +1 ccm dest. Wasser . . . ge Sn 1.3.05 Hier ergibt sich aus d, dass die Merk durch die Vakuumeindampfung nicht nachgelassen hat, denn die Extraktkonzen- tration ist eher kleiner als die von a. Bei verdoppelter K onzentrierung des Extrakts über die Ausgangskonzentration c erhält man aber keine dementsprechend gesteigerte Atmung, wie schon oben hervorgehoben wurde; die Atmung ist vielmehr gleich der berechneten Ausgangs- atmung. [45.] 25 cem (2,2 g) Acetonhefe in dest. Wasser, 12 ccm zen- trifugiert, einmal mit verdünnter Bouillon gewaschen. Auf 6 cem mit dest. Wasser aufgefüllt, in Sh: a) 1,2 ccm ungewaschene Hefesuspension (0,1 g) 20,34 6m Bowlen nn ss ara OAscenmmi 05 25 * 388 Otto Meyerhof: b) 1,2 ecm ungewaschene Hefesuspension + 0,53 ccm Bouillon + 0,05°/o Methylenblau.. . . 131 cmm O0, c) 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe (0,1 e) au 0, 6 cem Extrakt + 0,3 ecm Bouillon . . 49, % d) 0,6ccm sahne Acetonhefe + 0, 6 ccm Extrakt, im Vakuum bei 40°C. fast zur Trockne, mit was ” 0, aufgenommen, vierfach eingedickt+0,3 ccm Bouillon 86 e) 0,6 cem gewaschene Acetonhefe + 0,6 ccm gleichen, vierfach eingedickten Extrakt + 0,3 ccm Bouillon + 0,05 Methylenblau. . . 1003ER, f) 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe + 0, 2 ccm 1 gleichen, vierfach eingedickten Extrakt + 0, 3 ccm Bouillon 33 „ 0 g) 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe in 0,15 ccm vier- fach eingedickten Extrakt + 0,3 ccm DBouillon + 0,05°/o Methylenblau. . . 46 „0 h) 0,6 ccm gewaschene Acetonhefe ar 0, 6 cem dest. Wasser + 0,3 com Bouillon . . a 3 0, Hier ist (f<{c) eine geringe Schädigung des Kxtrakts dürch Ein- dampfen anzunehmen, wenn man von möglichen Versuchsungenauig- keiten absieht. Der Wert von d (konzentrierter Extrakt) steigt wieder nicht über die Ausgangsatmung. Man sieht ferner, dass die Methylen- blauatmung mit der Atmung variiert, wenn auch keine quantitative Proportionalität herrscht. [46.] 26 cem (2,2 g) Acetonhefe zentrifugiert, einmal mit dest. Wasser gewaschen; auf 13 cem aufgefüllt in 3h 30’: a) 1 ccm gewaschene Acetonhefe (0,085 g) in ver- dünnter Bouillon + 1 ccm dest. Wasser. . . 9 cmm 0, b) 1 ccm gewaschene Acetonhefe (0,085 8) + E. ccm Extrakt Sr 50 D) 0, c) 1 ccm gewaschene Acetonhefe (0, 085 2) + 1 ecm Extrakt, auf Wasserbad vierfach eingedickt. . . 78 b) Alkoholfällung des Extrakts. Der Atmungskörper lässt sich aus dem Extrakt durch Alkohol ausfällen. Beträgt die Alkoholkonzentration nach Zusatz zum Ex- ‚trakt etwa 75°/o, so ist nur weniger als ein Drittel gefällt, der Rest ist im alkoholischen Filtrat geblieben und lässt sich zum Teil durch Eindampfen desselben wiedererhalten; enthält aber das Fällungs- gemisch etwa 85 °/o Alkohol, so ist die allergrösste Menge ausgefallen, und nach Abfiltrieren und Aufschwemmen in Wasser durch die Atmungserregung nachzuweisen. Beim Mazerationssaft werden wir unter diesen Umständen sogar eine quantitative Ausfällung erhalten, die beim Acetonhefeextrakt nie gelungen ist. Beispiele: [47.] 1,4 g Acetonhefe in 15 ccm dest. Wasser zentrifugiert, einmal mit verdünnter Bouillon gewaschen, mit Bouillon auf 7 cem auf- Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. 11. 389 gefüllt. Vom Extrakt 8 ccm mit 24 ccm absolutem Alkohol versetzt (75 °o), abfiltriert, mit absolutem Alkohol gewaschen; in 1,3 cem dest. Wasser gelöst. Alkoholisches Filtrat eingedunstet, auf 1,3 cem ge- bracht. In 1b: a) 0,9 cem gewaschene Acetonhefe (0,08 g) + 1,1 ccm dest, Wasser >... . 4 cmm (0, b) 0,9 ccm. on Kuastan ne (0, 08 5) +1 1 1: ccm Befrakt. ° a 31 ” 07 €) 0,9 ccm Be aschene Neetoüheiet 1,1 ccm Aus schwemmung des Alkoholniederschlages oe Extrakt) „0. 5 I d) 0,9 ccm emasnens Nee anheke + 1 ‚l ccm ein- | gedunstetes Filtrat (sechsfach Extrakt) en, :0g [48.] Acetonhefe (1,3 g) in 15 ccm dest. Wasser zentrifugiert, einmal mit verdünnter Bouillon gewaschen, auf 7,5 ccm mit verdünnter Bouillon aufgefüllt. Vom Extrakt 4 cem mit 12 ecm absolutem Alkohol versetzt (75 °/o), abfiltriert, in 1,3 com Wasser aufgeschwemmt. In 3h40': a) 0,9 ccm gewaschene Acetonhefe (0,08 g) + 1,1 ccm dest. Wasser . . 22.22 122cmm 0, b) 0,9 ccm gewaschene Kertonhefe (0, 08 8) 2 1 ‚l cem Ba roh 87 ” 0, ec) 0,9 ccm Sersnleng hasiontheit (0, 08 6) * 1, Ri ccm Niederschlagsaufschwemmung (dreifach Extrakt) RO [49.] Acetonhefe (1,3 g) in 15 cem dest. Wasser zentrifugiert, einmal mit verdünnter. Bouillon gewaschen, auf 7,0 ccm aufgefüllt. 10 cem Extrakt auf Wasserbad unter Absaugen eingedickt auf 3 ccm. Davon 2 cem + 10 ccm absoluten Alkohol (84 °/o); mit absolutem Alkohol gewaschen, an Luft getrocknet, in 1,2 ccm Wasser aufgeschwemmmt. Filtrat auf Wasserbad eingedunstet. zur Trockne, in 1,2 ccm dest. Wasser aufgenommen. In 3h: a) 0,9 cem gewaschene Acetonhefe (0,08 g) + 1,1 ccm dest. Wasser . '. 10 cmm 0, b) 0,9 ccm gewaschene A setouhieie (0, 08 5) ’ 1, 1% cem Extrakt. BIER 4 ,„ %: c) 0,9 ccm EN acchene netonhere (0, 08 5) Si 1. 1% cem Extrakt dreifach eingedickt . . 83 „.0 d) 0,9 cem gewaschene Acetonhefe (0, 8 8) r n 1 cem . Niederschlagsanfschwemmung (1,6 fach Kan ermien gegenüber eingedicktem Extrakt) . . . 93.2,..0, e) 0,9 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,1 ccm ein- gedunstetes Filtrat (1,6fach konzentriert a eingedicktem Extrakt) .. BERN RE a Dein O);, [50.] Vgl. Versuch [46]. 2,2 g Acetonhefe gewaschen, auf 1,3 cem aufgefüllt. 18 cem Extrakt auf 4,5 cem eingedickt. Davon 2,7 ccm + 20 cem absoluter Alkohol (85 %/o). Niederschlag wieder in 2,7 ccm Wasser aufgeschwemmt. Filtrat eingedunstet, mit 2,3 ccm dest. Wasser aufgenommen. In 3h 30’: 390 Otto Meyerhof: 2) 1 cem gewaschene Acetonhefe ” 1 cem dest. Wasser . . REN, 5 cmm 0, b) lcem Bewaschene Acetonhefe “ l ccm eingedickter Extrakt Ta en 29.912.005 ec) 1 cem gewaschene Acetonhefe + hi ccm Nieder- schlagsaufschwemmung (= eingedicktem Extrakt) 57 „ 0% d) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm Nieder- schlagsaufschwemmung + 0,05 °/o Methylenblau . 110 „ @ e) 1 ccm gewaschene Acetonhefe +1 ccm einge- dunstetes Filtrat (—=1,2fach gegenüber einge- dicktem Extrakt). . . ne Bra Mes 20S d zeigt, dass die Steigerung durch Methylenblau erhalten ge- blieben ist. Von anderen Einwirkungen auf den Extrakt erwähne ich, dass sich der Atmungskörper durch Äther nieht ausschütteln lässt: Der Ätherrückstand ist wirkungslos, während die wässerige Lösung nach Verdunsten des Äthers etwa die halbe Atmuneserregung gibt. Ebenso erhält man nach Fällung des Eiweisses mit Kaolin im Filtrat noch etwa die halbe Wirksamkeit, während der Rest nicht mehr nach- weisbar ist. c) Ultrafiltration des Extrakts. Durch ein Berkefeld-Filter geht der Atmungskörper un- geschwächt hindurch, nicht aber durch ein Ultrafilter. Wegen der zahlreichen im folgenden beschriebenen Ultrafiltrationsversuche seien einige methodische Bemerkungen vorangeschickt. Ein Bechhold’scher Apparat stand mir nicht zur Verfügung. Es wurden alle Ultrafiltrationen mit der einfachen Zsigmondy’schen Nutsche vorgenommen, die an eine Wasserstrahlpumpe angeschlossen wird !). In einer Beziehung ist dieser Apparat unvollkommen, darin, dass man sich die Membranen selbst herstellen muss, und dass diese trotz der ziemlich grossen Übung, die man sich mit der Zeit in ihrer Herstellung erwirbt, doch in ihrer Durchlässiekeit nicht ganz gleichmässig ausfallen. Ob hier die kürzlich von W. Brown angegebene Methode weiter hilft, vermag ich nicht zu entscheiden?). Am zweckmässigesten wäre es daher, die vergleichenden Versuche einer Serie alle mit derselben Membran zu machen; aber abgesehen von ihrer beschränkten Haltbarkeit 1) Von Warmbrunn & Quilitz, Berlin. 2) Biochem. Journ. vol. 9 p. 591. 1915. (Zitiert nach Chem. Zentralbl.) Längeres Eintauchen der lufttrockenen Membranen nach der Herstellung in Alkohol-Wassergemische bestimmter Zusammensetzung. Je grösser die Alkobol- konzentration, um so höher die Durchlässigkeit. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 39] nimmt auch die Durchlässigkeit einer Membran bei mehrfacher Be- nutzung allmählich zu; wahrscheinlich wegen der jedesmaligen Dehnung beim Festsaugen auf die Filterplatte (vielleicht spielt auch die Aufbewahrung der Membranen in alkoholhaltigem Wasser eine Rolle, woran man nach den Versuchen von W. Brown denken kann). Übrigens kommt dies alles nur für die Versuche dieses Abschnittes in Betracht. Die späterhin zu beschreibende Zurück- haltung des „Enzyms“ war stets vollkommen. Die Schwankungen der Durchlässigkeit halten sich also jedenfalls in beschränkten Grenzen. Andererseits bietet der Apparat mehrere Vorteile vor anderen — abgesehen von seiner Billigkeit —, dass man wenige Kubik- zentimeter ohne Verlust ultrafiltrieren kann, sowohl das Ultrafiltrat quantitativ (im Reagenzglas) auffangen, als den Rückstand leicht und vollständig erhalten kann; dass man ferner während der Filtration genau die durchgehende Flüssigkeitsmenge messen und in berechen- ‚barer Weise mit Wasser nachwaschen kann, ohne die Durchsaugung abzustellen. Trotz des geringen Druckes von einer Atmosphäre ist auch die Durchflussgeschwindigkeit nicht erheblich langsamer als zum Beispiel bei dem Bechhold’schen Apparat, weil die Membranen entsprechend dünner sind. Sie hängt wesentlich von der Viskosität der Lösung ab, ist daher ziemlich gross bei dem Acetonhefeextrakt, aber sehr klein bei dem schwerflüssigen Mazerationssaft. Geringe Abweichungen von den Vorschriften Zsigmondy’s erwiesen sich vorteilhaft: 1. Der obere Glasring des Apparats wurde durch einen auf einer Gummischeibe ruhenden Messingring ersetzt, so dass die Klammern fester angezogen werden konnten und die Dichtung ver- bessert wurde. 2. Die Membranen wurden aus sehr viel konzen- trierterem Kollodium, aber mit 96 °/o Alkohol hergestellt, so dass sie viel dieker und daher haltbarer, aber doch nicht so viel schwerer durchlässig ausfielen. Das Kollodium war durch Lösung von Zelloidin (Schering) in gleichen Volumina 96 °o Alkohol und Äther gewonnen, etwa 6—8°/o. Derartig dieke Membranen sind recht gut haltbar; die Mehrzahl aller Ultrafiltrationsversuche konnte während zweier Monate mit derselben Membran gemacht werden. Auch bleiben sie beim Aufbewahren tellerförmig, so dass sie bei späterer Benutzung nieht mehr stark gedehnt werden. Die „Molekülgrösse* bzw. Aggresatgrösse des Atmungskörpers fällt gerade etwa mit der durchschuittlichen Porosität der Membran zu- sammen. Durch frische Ultrafilter wird er zum grösseren Teil zurück- 392 Otto Meyerhof: gehalten. Dementsprechend reichert er sich im Rückstand stark an und geht nur in geringfügiger Konzentration ins Ultrafiltrat über. Bei jeder folgenden Benutzung derselben Membran nimmt die Durchlässiekeit für ihn zu. Bei alten, viel benutzten Membranen zeigt das Ultra- filtrat nur mehr eine geringe Abschwächung der Wirksamkeit, ohne dass eine messbare Konzentrierung über der Membran zu finden ist. Dureh Waschen mit Wasser kann man mit geeigneten Membranen einen von dialysierbaren Bestandteilen befreiten, noch wirksamen Rückstand erhalten. Doch ist die Wirkungsstärke natürlich sehr abgesunken gegenüber dem ungewaschenen Rückstand und würde bei weiterer Waschung schliesslich auf Null herabgehen. Ein solcher Versuch ist unter Nr. [54] beschrieben. Beispiele: I. Versuche mit derselben Membran an auf- einanderfolgenden Tagen: [51.] Zweimal je 12 ccm Acetonhefe (1 g) zentrifugiert, einmal gewaschen, auf 6 cem mit Bouillon aufgefüllt. 8 cem Extrakt in 20 ultraältriert. In Ih 20’: a) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm verdünnte Bouillon . . 5 cmm (0, bb) ercem Sewaschene Acetonhefe R 1. ccm Extrakt .si46.5 2.0, c) 1 cem gewaschene Acetonhefe + I1cem Ultrafiltrat 8 „ 0 Im Ultrafiltrat nur 10°/o des Atmungskörpers. [52.] Genau wie [51]; am folgenden Tage. In 1a Sir 3h 20' a) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm dest. Wasser . . 3 8 cmm 0, b) 1 ccm gewaschene "Acetonhefe ne 1 ccm Extrakanne : N A ET 29220, o)lz ccm gewaschene "Acetonhefe vw ccm Ultraulrau a Re U ABER 0) Nach beiden Zeiten DEN: Im Ultrafiltrat 20-—30°%o des Atmungskörpers, [53.] Am dritten Tage: 1,8 g Acetonhefe in 20 cem verdünnter Bouillon, davon 15 ccm zentrifugiert, gewaschen, auf 7,5 cem mit Bouillon aufgefüllt. ‚ 9 cem Extrakt ultrafiltriert. Rückstand: 0,3 ccm mit 0,6 ccm dest. Wasser aufgenommen. In 1h a) 2 ccm (ungewaschene) Acetonhefe in verdünnter Bonllonerar te OR b) 1 cem gewaschene Acetonhefe in n Bouillon H: l ccm dest. Wasser 2: 072505 c) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in ı Bouillon B 1. ccm Brtrakt EI EN aD: Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 393- d) 1 ccm gewaschene Acetonhefein Bouillon + 0,5 cem dest. Wasser + 0,5 ccm verdünnter Ultrafilter- rückstand (= 0,17 ccm unverdünnter Rückstand —srecm Extrakt)... ., Ba 64 -„ 0% e) 1 ccm gewaschene Acetonhefe in 1 Bonillon +1 ccm Ultrafltrat. 4... en La Kl Nach e berechnet: 60.90 N es körpers im Ultrafiltrat. Die Eindickung der zurückgebliebenen 40°/o führt dazu, dass nur 0,17 ccm Rückstand die Atmung doppelt so stark erregt wie 1 ccm Extrakt und ebenso stark wie die Atmung der Ausgangssuspension. WI. Andere Membranen. [54.] 2,4 g Acetonhefe in 27 cem dest. Wasser, davon zweimal je 12 ccm zentrifugiert, gewaschen, je auf 6 ccm aufgefüllt. 17 ccm ultrafiltriert. Rückstand: 1,8 ccm auf 4 ccm gebracht. 2,2 ccm zurück- behalten (Rückstand I), 1,8 ccm des Rückstandes auf dem Ultrafilter mit 15 ccm Wasser gewaschen, auf 0,6 ccm eingedickt, wieder auf 1,5 ccm gebracht (Rückstand II. Waschung — Dialysatverdünnung mit der 27 fachen Wassermenge). In 1b: a) 2 ccm ursprüngliche Hefesuspension . . „ . . 47 cmm 0, b) 0,9 cem gewaschene Acetonhefe + 1,1 cem dest. Wasser. 7... N 9 c) 0,9 ccm gewaschene Asa e 1, ii ccm noeh. 203.05 d) 0,9 ecm gewaschene Acetonhefe + 1 ‚l cem Rück- stand I (= 0,5 cem unverdünnter Rückstand —4cem Extrakt). .. 46. 2.41120% e) 0,9 cem gewaschene Acetonhefe ar 0, 5 dest. Wasser +0,55 ecem Rückstand I (=, 25 cem unver- dünnter Rückstand —2 ccm Extrakt) ER: ES 0, f) 0,9 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,1 ccm Rück- stand II en cem Bxtrakt).. \.). DIE RO &) 0,9 ccm gewaschene Acetonhefe + 1, i ccm "Ultra filtrat GE. R en re le SIR 5.05 Im Ultrafiltrat 50 09% m se Dementsprechend Eindickung über dem Ultrafiltrat: Rückstandsmenge von 2 cem Extrakt erregt die Atmung wie 1 ccm Extrakt, Rückstandsmenge entsprechend 4 ccm Extrakt erregt wie 2 ccm bzw. wie die Ausgangssuspension. Durch Waschen des Rückstands sinkt dessen Wirkungsstärke. [55.] 2,2 g Acetonhefe in 25 ccm dest. Wasser, davon zweimal je 11 ccm zentrifugiert, gewaschen, auf 6, 0 ccm mit dest. Wasser auf- gefüllt. 15 cem Extrakt dreimal hintereinander durchs Ultrafilter gesaugt, am Schluss 4 cem Rückstand zurückbehalten. In 2h 20’: a) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1 ccm dest. Wassers. h 1 cmm 0, b) 1 ccm gewaschene Acetonhefe =D 1 cem “ Extrakt 45 07 e) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1 cem Rückstand 233 SCHasakta FO ” 394 Otto Meyerhof: [56.] 2,5 g in 30 cem verdünnter Bouillon, zweimal je 13 cem zentrifugiert, gewaschen, je auf 6,5 cem aufgefüllt mit Bouillon. : 20 cem Extrakt ultrafiltriert. 18 cem Ultrafiltrat bei 40° C. im Vakuum auf 1 ccm eingedunstet, auf 2,7 cem Flüssigkeit gebracht. In 1$: “ 2 ccm ursprüngliche Hefesuspension. . ı » 52 cmm 0, 2 ccm ursprüngliche Hefesuspension + 0,05 of Me- eher ee. 1355 „ 0% c) 1 cem gewaschene Aectonher ir 1 ccm das Wasser . . nee 2 d) 1 ccm gewaschene Acetonhefe an 0,5 ccm dest. Wasser + 0,5 ccm eingedicktes Ultr afiltrat er 3ccm Extrakt)... "30: 0, e) 1 ccm gewaschene Acetonhefe 2 0, 5 cem dest. ' Wasser + 0,5 cem eingedicktes Ultrafiltrat + 0,05 0 Methylenblau N a a DEV t Dieser letzte Versuch soll zeigen, dass trotz der manniefaltigen Einwirkungen auf den Extrakt: Ultrafiltration, Eindampfen des Ultrafiltrats und Verdünnen die Methylenblausteigerung der Atmung verhältnismässig dieselbe ist wie in der unbehandelten Acetonhefe. d) Saerieiseabe ch des Extrakts und Zerstörung ‚des Atmungskörpers. Aus Möhren der hier angeführten Versuche war schon zu er- sehen, dass auch der Extrakt für sich ohne Zugabe zur extrahierten Hefe einen — allerdines sehr geringen — Sauerstoffverbrauch zeigt. Diese Sauerstofizehrung verhält sich nun in mancher Beziehung ähnlich wie die des Systems: Extrahierte Hefe + Extrakt, zum Beispiel wird sie durch Methylenblau gesteigert. Entsprechend ist auch der Extrakt für sich imstande, Methylenblau zu reduzieren. Aber in einem Punkt weicht diese Oxydation fundamental von der der Acetonhefe ab. Sie steigt nämlich im geraden Gegensatz zu dieser mit zunehmender Alkaleszenz stark an. Es fällt nun auf, dass der Abfall der Acetonhefeatmung bei alkalischer Reaktion stark progressiv ist. Ist dieser Abfall vielleicht durch eine oxydative Zerstörung des Atmungskörpers in alkalischer Lösung hervorgerufen ? Dies lässt sich experimentell prüfen. Der Extrakt wird alkalisch gemacht, mehrere Stunden bei höherer Temperatur an der Luft gehalten und nach Neutralisation zu gewaschener Acetonhefe zugesetzt, dann die Atmungserregung mit der des unbehandelten bzw. neutral gehaltenen und entsprechend verdünnten Extrakts verglichen. Derartige Versuche mit „Inkubation“ des Extrakts wurden mit verschiedenen Modi- fikationen ausgeführt. Stets wurde der inkubierte Extrakt mit Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. I. 395 Phenylurethan gesättigt, um Bakterieninfektion zu verhindern. (Auch sonst wurde zu allen länger dauernden Versuchen Phenylurethan hinzugegeben, was nicht besonders erwähnt wird.) Zur Inkubation. wurde entweder gewöhnlicher oder eingeengter Extrakt benutzt, diese bei 29 oder 36° C. für mehrere Stunden vor- ©enommen, wobei eine neutrale und eine alkalische Probe benutzt wurde, während eine dritte neutrale auf Eis blieb. -In allen Fällen ereibt sich, dass der alkalisch inkubierte Extrakt die Atmung schlechter erregt als der neutral inkubierte, dieser aber wiederum meist schlechter als der auf Eis gestandene. Die Unterschiede im ersten Fall sind bei 36° C. grösser als bei 29° C. Wenn dieses also ganz im Sinne der Hypothese ist, dass die Steigerung der Oxydation des Extrakts durch Alkali einer Schädigung des Atmungskörpers entspricht, so sei doch betont, dass damit allein der progressive Abfall der Atmung in alkalischer Lösung nicht er- klärt wird. Vielmehr wird auch das „Enzym“ in der extrahierten Hefe dadurch geschädigt. Mit der Azetonhefe habe ich keine dies- bezüglichen Versuche gemacht, aber ganz analoge mit dem Mazera- tionssaft, die, wie wir sehen werden, mit den hier beschriebenen in Parallele zu setzen sind. Dort ergibt sich, dass die irreversible Schädieung des „Enzyms“ in alkalischer Lösung noch grösser ist als die des Atmungskörpers. Beispiele: I. Sauerstoffverbrauch des Extrakts und Reaktion. [57.] 2,2 g Acetonhefe in 22 ccm Wasser; -15 ccm zentrifugiert. In 3% 30/: a) 2 cem ursprüngliche Suspension . . . 101 cmm 0, b) 2 cem Extrakt + 0,2 cem dest. Wasser era Br... TR (0 c) 2 cem Extrakt 1 0 r ccm Ale. en: + 0, 02 9% Methylenblau . . 5 > 29: 1,3, .:05 d) 2 ccm Extrakt + 0,2 2 S.mon (vr 8,5— N 122.,0, [55.] 2 g Acetonhefe in 20 ccm Wasser; 15 ecm zentrifugiert und gewaschen. 11 cem Extrakt bei 65°C. auf 4,5 ccm im Vakuum eingedampft. In 2h 40': a) 1,7 ccm eingeengter Extrakt + 0,15 ccm dest. Wasser (pr: etwa 8) . ll /emm‘ 05; . b) ‚1,7 cem eingeengter Extrakt 0, isn NaOH (D# 9 a) 29, 0, 396 Otto Meyerhof: [59.] + g Acetonhefe in 40 ccm Wasser, zweimal je 15 ccm zentrifugiert, gewaschen. 20 ccm Extrakt bei 50° C. im Vakuum auf 10 ccm eingeengt. a) 2ccmursprünglicheHefesuspension + 0,2cem n2h40'° 5h dest. Wasser (pr. etwa 7). . » ».....107 191 cmm 0, b) 2 ccm ursprüngliche Hefesuspension + 0,15 n NaOH (pr etwa 9,5). . BERN) 48 „0, c) 2 ccm eingedickter Extrakt IE 0,2 cem dest. Wasser (pr etwa 7,5) . _ 9-523205 d) 2 ccm eingedickter Extrakt Se 0,2 n NaOH (pr. etwa 10—11). . . un ls 23 „ 0% Dieser Versuch zeigt den en ee zwischen der Atmung der Acetonhefe und der des Extrakts, sowie das starke zeitliche Ab- sinken der ersteren in Alkali. ; II. Extraktinkubation. .[60.] Vgl. Versuch [58]. Eingeengter Extrakt, neutral: 1,7 ccm + 0,15 cem dest. Wasser; alkalisch: 1,7 ccm + 0,15 n NaOH. 31/eh bei 29° C. inkubiert. In 2h 10’: a) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,0 ccm dest. Wasser. . . 0 cmm 0, b) 1,0 cem gewaschene "Acetonhefe e 0, 9 cem Extrakt (4h auf Eis, neutral) + 0,5 ecm dest. Wasser. . 86 „RO c) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,0 cem neutral inkubierter Extrakt + 0,4 cem dest. Wasser . . 59 d) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,0 ccm alkalisch inkubierter Extrakt + 0,4 1, Ha. BERNIE 7, ® 0,. [61.] Vgl. Versuch [59]. Eingeengter Extrakt 5!/ah bei 299 C. inkubiert; neutral: 2 ccm + 0,2 cem dest. Wasser; alkalisch: 2 ccm +02n 'NaoH. Im a a) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,3 ccm dest. Wasser Na . 6 cmm 0, b) 1,0 cem gew aachen Rermer a 0, 9 ccm Extrakt (6h auf Eis, neutral) + 0,4 cem dest. Wasser 830 ec) 1,0 cem gewaschene Aoetonhefe + 0,9 ccm neutral inkubierter Extrakt + 0,4 ccm dest. Wasser . . 22 „ 0% d) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,9 ccm alkalisch inkub. Extrakt + 0,4 mon N 0 [62.] 1,5 g Acetonhefe in 15 ccm Wasser, Zen gewaschen, auf 7,5 cem aufgefüllt. Extrakt bei 36° C. 4\/oh inkubiert: 2 ccm. + 0,3 ccm dest. Wasser und 2 cem + 0,3 15 NaOH, In. 34h°207- a) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,3 ccm dest. Wasser LEN . 1 cmm 0, b) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe =i 1 o ccm Extrakt (5h auf Eis) + 0,3 ccm dest. Wasser . . ES DANDETE SE LO Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 397 c) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,15 cem neutral inkubierter Extrakt + 0,15 cem dest. Wasser. . 21 „ ® d) 1,0ccm gewaschene Acetonhefe + 1,15 ccm alkalisch inkubierter Extrakt + 0,15 1, Ha ie 0, [63.] 1,5 g Acetonhefe in 15 ccm dest. Wasser, zentrifugiert, gewaschen, auf 7,5 ccm gebracht. Extrakt 5h bei 36° C.: 4 ccm —+ 0,2 ccm dest. Wasser und 4 ccem + 0,2 n NaOH. In 3h 40': a) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,2 ccm dest. Wasser EEE “2725 cmma05 b) 1,0 cem gewaschene Meat M 1, 0 ccm Extrakt (6 h auf Eis) + 0,3 ccm dest. Wasser . . 58.2.0, c) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,1 cem neutral inkubierter Extrakt + 0,2 cem dest. Wasser . . 598 „0% d) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe + 1,1 cem alkalisch inkubierter Extrakt + 0,2 na Se 0er 0, 3. Erregung der Atmung gewaschener Acetonhefe durch andere Hefeextrakte. Ohne jede spezielle Hypothese über die Natur des Atmungs- körpers muss man doch mutmaassen, dass er sich auch aus anders präparierter Hefe gewinnen lassen wird. Sonst läge wenigstens der Verdacht nahe, dass es sich dabei um ein Kunstprodukt handeln könnte, welches erst bei der Acetonätherbehandlung der Hefe ent- steht. Gelingt es umgekehrt, seinen Nachweis auch in anderen Hefeextrakten zu führen, so ist dieser Verdacht beseitigt und damit gleichzeitig dem Atmungskörper eine allgemeinere Bedeutung für ‚die Atmung getöteter Hefe zugewiesen. Und dies gelingt in der Tat. a) Extrakt aus gekochter Bierhefe. Schwemmt man lebende Bierhefe in Wasser oder Bierwürze auf und zentrifugiert, so ist dieses Hefewasser gänzlich unwirksam. Kocht man aber die Hefe in Wasser und zentrifugiert dann, so erhält man einen „Kochsaft“, der imstande ist, die Atmung gewaschener Acetonhefe zu erregen. Die Atmungserregung war niemals sehr ’sross, aber die Zahlen sind auch mit den früheren gar nicht vergleichbar, da die Ab- messungen willkürlich gewählt wurden. Eine beliebige Menge frischer Kieler Brauereihefe wurde mit Wasser zu einem dünnflüssigen, Brei verrührt, kurze Zeit gekocht, zentrifugiert und dann von der über- stehenden Lösung zu gewaschener Acetonhefe : hinzugegeben. Im ersten der folgenden Beispiele wurde dieser Auszug direkt benutzt, 398 Otto Meyerhof: im zweiten noch auf dem Wasserbad bis auf ein Viertel des ur- sprünglichen Volumens eingedampft. Dann war die Wirksamkeit gestiegen. [64.] 1,6 g Acetonhefe in 18 ccm Wasser; 13 cem zentrifugiert, einmal mit dest. Wasser gewaschen, auf 6,5 ccm aufgefüllt. In 36: a) 2 ccm der ursprünglichen Suspension . . . . 128 cmm 0, b) 1 ecm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm dest. : Nass ae Br 020 c) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1 cem Bierhefe- AUSZHESRWERSAFL). .., «4 4.2, lee Kanye) oe 2 de [65.] 1,8 g Acetonhefe in 20 ccm Wasser, 15 ccm zentrifugiert, gewaschen, auf 7,5 ccm aufgefüllt. In 3h 30’: a) 2 ccm der ursprünglichen Suspension . . . . 118 cmm 0, b) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 cem dest. Massen... 2... 000 2 EA a RR IR RE c) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1 cem Bier- | hefeauszug (vierfach eingedickter Kochsaft) . . 24 „ 0% d) 1 ccm Bierhefeauszug + 1 ccm dest. Wasser. . 0202 b) Mazerationskochsaft. Viel bessere Resultate erhält man mit dem Lebedew’schen Mazerationssaft. Seine atmungserregende Wirkung auf gewaschene Acetonhefe ist direkt allerdings nicht zu prüfen, weil er, wie das nächste Kapitel zeigt, eine starke Sauerstoffatmung aufweist, die der Acetonhefeatmung völlig eleichzustellen ist. Wird er aber kurze Zeit auf S0—100° C. erhitzt, so ist diese Oxydation bis auf einen geringen Rest beseitigt, und dieser „Mazerationskochsaft“ ist nun vorzüglich geeignet, die Atmung gewaschener Acetonhefe zu erregen. Berücksichtiet man die Ausgangsvolumina der Extrakte im Vergleich zu den Mengen Trockenhefe und rechnet diese für Acetonhefe und Lebedew’sche Hefe auf die entsprechende Menge Presshefe um, so würden beide Extrakte wohl ungefähr den gleichen Gehalt an. Atmungskörper aufweisen. Im nächsten Kapitel werden wir den umgekehrten Versuch be- schreiben: An sich atmungsunfähiger Rückstand aus Mazerationssaft wird durch Acetonhefeextrakt in ähnlichem Umfang wie durch Mazerationskochsaft wieder zur Atmung: gebracht. Es besteht hier also eine, für die theoretische Deutung des Vorgangs wichtige Sym- metrie. Ob diese Symmetrie auch quantitativ besteht, dazu. sind die gemachten Versuche zur Entscheidung nicht ausreichend, zumal die hier folgenden zu den ersten mit Mazerationskochsaft angestellten Bern Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. Il. 399 gehören, und daher an verschiedenen Unvollkommenheiten leiden, die später überwunden wurden. Zur Darstellung des Mazerations- kochsaftes ist späterhin immer so verfahren, dass der genuine Saft 40 Sekunden bis 1 Minute und für bestimmte Zwecke 4 bis > Minuten in kochendes Wasser gestellt, die geronnene Masse auf ein Faltenfilter gebracht und der klare ablaufende Saft benutzt wird, wobei man etwa das halbe Volumen des Ausgangssaftes erhält. Dieser Kochsaft wird dann für die Atmungsversuche gegen Phenol- phthalein neutralisiert. Bei diesen ersten Versuchen dagegen wurde der Mazerationssaft zuerst neutralisiert, dann 1:1 verdünnt und so mehrere Minuten auf etwas tiefere Temperatur, 80 oder 95° C., er- hitzt. Auf diese Weise erhält man eine Flüssigkeit mit feinem Niederschlag, die direkt ohne Filtration benutzt wurde, . Hierbei setzt natürlich die Verdünnung 1:1 die Wirksamkeit entsprechend herab. Auch scheint ein kurzes Erhitzen auf 100° C. zweckmässiger als ein längeres auf tiefere Temperaturen zu sein, In dem letzten der hier angeführten Beispiele wurde die Atmung ausser durch Mazerationskochsaft auch erregt durch den gekochten Auszug aus Trockenpulver des Mazerationssaftes, dessen Herstellung im Kapitel III, 2 beschrieben wird. Beispiele: 166.] 4 g Acetonhefe in 40 ccm Wasser, zweimal je 15 ccm zentrifugiert, gewaschen, auf je 7,5 ccm aufgefüllt. 5 ccm Mazerations- saft + 0,75 m NaOH + 4,25 cem dest. Wasser (neutral) 5’ auf 80°C. erhitzt. In 2h: a) 2 ccm En, Suspension + 0,5 cem dest. : Nasser.. .... ee a 00, En Os. b) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1,3 cem dest. Wasser... 647° 5305 e) 1 cem gewaschene Acetonhefe ae 0, 9. ccm 1 Acetonhefe- extrakt + 0,4 ccm dest. Wasser . . 30.0.5: 08 d) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1,3 ccm verdünnter erhitzter Mazerationssaft . . . 24007, 0s e) 1,3 cem verdünnter erhitzter News msenn ir 1.0 Penmdese Wasser... 2u 2 250 a rahee 0 [67.] 1,2 & Acetonhefe in 12 ccm Wasser. 9 ccm zentrifugiert, gewaschen, auf 4, 5 ccm aufgefüllt. 3 ccm Mazerationssaft + 0,45 n Na0H + 2,5 ccm ‚dest. Wasser (neutral) 3’ auf 95° C. erhitzt. In 4Ysh a) 2 ccm ursprüngliche Suspension . . enge cmm'.O, b) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 1,0 ccm dest. Wasser ne ana Brei Os 400 Otto Meyerhof: G)e IL cem gewaschene Acetonhefe = 1,0 cem Maze- rationskochsaft . . . 60 cmm 0, d) 1,0 ecm Mazerationssaft a 1: 0" com dest. Wasser A sh): [68.] 1,8 g Acetonhefe in 18 ccm Wasser. 15 ccm zentrifugiert, ‚gewaschen, auf 3 ccm aufgefüllt. 2 ccm Mazerationssaft + 0,3 n NaOH + 1,7 cem dest. Wasser, 3’ auf 95° C. erhitzt. 1,2 g Trockenpulver mit 11 ccm Wasser aus- sezogen, Wasserauszug neutralisiert. 1:1 verdünnt, 3’ 95° C. (die ‚Konzentration entspricht der des Bw In 15 40‘: a) 2 cem ursprüngliche Suspension. . 416 Cam 03 b) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ‚0 ccm dest. Wasser le, 4.2.0209 ec) 1,0 cem gewaschene Acetonhefe +1 1 ccm "Maze- rationskochsaft rt 25. ,.0 d) 1,0 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm nonter Pulverauszug . \ 175.304 e) 1 ccm Mazerationskochsaft in 1 cem dest. Wasser 2 „0 f) 1 ccm gekochter Pulverauszug + 1 cem dest. Wasser. . ER en ERROR ED Weitere Versuche siehe Ts], [120]. Hiermit verlassen wir zunächst die Atmung gewaschener Aceton- hefe und die Frage nach der Natur und Rolle des Atmungskörpers, die wir in der folgenden Arbeit wieder. aufnehmen werden, und wenden uns dem Oxydationsvorgang im Mazerationssaft aus Trocken- hefe zu. Drittes Kapitel. Die Atmung des Hefemazerationssaftes. 1. Der Oxydationsvorgang im unveränderten Saft. Die Herstellung der Trockenhefe, soweit sie nicht von Schroder, München, bezogen werden konnte, sowie des Mazerationssaftes daraus, geschah senau nach der Vorschrift von Lebedew)). Nach zwei- stündiger Mazeration der: Trockenhefe mit dem dreifachen Gewicht destillierten Wassers bei 33—36 ° lässt sich mittels Faltenfilter ein völlig klarer, braungelber Saft gewinnen, dessen Menge bei Filtration im Eisschrank während 12—16 Stunden etwas über ein Drittel des zugesetzten Wassers beträgt. Dieser Saft, bei 29° C. im Atmungsapparat geprüft, zeigt eine starke kontinuierliche Sauerstoffzehrung. Da der Saft infolge der Herstellung der Trockenhefe glykogenfrei ist, wird die Messung nicht 1) Zeitschr. f. physiol.. Chemie Bd. 73, a. a. O. Untersuchungen :zur Atmung getöteter Zellen. II. 401 durch Selbstgärung gestört. Die Reaktion des genuinen Saftes be- trägt etwa 9,.—6, sie ist durch beträchtlichen Salz- und Eiweiss- gehalt stark gepuffert. Oxydationsgrösse und Gärkraft waren bei dem Extrakt der selbst hergestellten Trockenhefe meist etwas kleiner und weniger gut konstant als bei der Münchener Hefe, was wohl daran lag, dass mehrere Tage alte Hefe zur Trocknung benutzt werden musste. Der Unterschied war aber nicht beträchtlich. Ähn- liche Unterschiede fanden sich übrigens auch zwischen verschiedenen Münchener Lieferungen, während der Saft aus Trockenhefe der- selben Herstellung unter gleichen Umständen immer denselben Sauerstoffverbrauch zeigte.° Ein Nachlassen der „Oxydationskraft“ der Trockenhefe innerhalb einiger Wochen habe ich — wenigstens bei der am besten wirksamen — nicht deutlich bemerkt. In ihren wesentlichen Eigenschaften stimmt diese Sauerstoff- atmung mit der der Acetonhefe überein: Durch Neutralisierung des Saftes steigt die Atmungsgrösse auf mehr als das Doppelte. Das Optimum liegt wie bei Acetonhefe am Neutralpunkt und fällt nach der alkalischen Seite N SENSESEANNE EEEEEEEERN BENNENE Kubikmillimeter Sauerstoff m >45 50055 60 65 70 25. 80 85 90...109, 105 Fig.. 27 Mazerationsaft, LI Kochshft. Pflüger’ s Archiy für Physiologie, Bd. 170. 26 402. Abe: Otto: Meyerhof: wieder steil ab, vgl. hierzu Fig. 2, Kurve I und die folgenden: Beispiele. Bei der Neutralisierung kommt es zu.einer geringen Ei- weissfällung, die für den: Oxydationsvorgang ohne Bedeutung ist. Beispiele: } [69.] Münchener Hefe. 25 g + 75 ccm dest. Wasser a 25 ccm Saft. In 3h: a) 1 ccm Mazerationssaft + 1.cem dest. Warst (Pr: etwa 5 Do). A: . - 53 cmm 0, b) A neem ee onesaft + 0, 15 cem n "NaoH .. 0,85 ccm dest. Wasser (pz. etwa 7) ; 159 °,70% c) 1 ccm Mazerationssaft + 0,3 cem n NaOH " 0,7 cem dest. Wasser (pz etwa 9). » ....8 [70.] . Berliner Hefe. In 25 40': a) 1 ccm Saft + 0,2 ccmn HC1-+ 0,8 ccm dest. Wasser (Pr. etwa a 3 2. Bilscmmu0. b) 1 cem Saft +1 ccm dest. Wasser (Pr etwa S). 105 „0% c) 1 ccm Saft + 0,1 ccm n NaOH + 0,9 ccm dest. ” 0, Wasser (pz- etwa 7,5) . . 2290..,2005 d) 1 ccm Saft + 0,4 ccm n Na0oH +0 0 er ccm des Wasser (pr etwa KO 74 21] Münchener Hefe. In 2h: a) 0,9 ccm Saft + 0,1 ccm n NaOH we: 1,0 ccm dest. Wasser (pr 65) . . . 79 :cmnr20s b) 0,9 ccm Saft + 0,1 cemn NaOH + 0,4 ccm From + 0,6 ccm dest. Wasser Pr 7) -. .». . 2... „8% c) 0,9 ccm Saft + 0,1 cem n NaOH + 0,8 ccm 10 Na0H + 0,2 ccm dest. "Wasser (pe 82)... .. 2.2 8274770, Durch Erhitzen des Saftes auf 55—100°C. wird die Atmunginsteigendem Maasse aufgehoben. Die restierende Oxydation des Kochsafts wird im folgenden noch näher untersucht. Sie stimmt in wesentlichen Punkten mit der des wässerigen Aceton- hefeextrakts überein. Beispiele: [72.] Münchener Hefe. In 3h: a) 2 ccm Saft, neutralisiert, 1:1 verdünnt . . . 159 cmm O5 b) 2 ccm Saft, neutralisiert, 1:1 verdünnt, 15’ 55°C, BEL erhitzt a RI LO) c) 2 ccm Saft, neutralisiert, 1 verdünnt, gekocht. 13..20,.0 0, [73.] Berliner Hefe. In 2h 40': a) 1ccmSaft + 0,1ccmn NaOH + 0,9 ccm dest. Wasser 995 cmm 0, b): 1’ecm filtrierter Kochsaft (40 Sec. 100 .) 3 0, I cem n „a0 + 0,9 cem dest, Wasser, . . 12% 2.20% .- Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 403 Die Atmung wird durch Blausäure fast gar nicht beeinflusst, dagegen durch Narkotika ähnlich gehemmt wie die Atmung der Acetonhefe, [74.] In ih 5h %/o Hemmung 2 cem Saft 1:1 verdünnt neutralisiert 48 220 cmm ©, 2 cem Saft 1:1 verdünnt neutralisiert +6°%o Äthylurethan . . . 1417062..20 70 2 cem Saft 1:1 verdünnt anreisen! S + gesättigt Phenylurethan . . . 41 174 „ % 15—20 [75.] In 2b: 0/0 Hemmung Kontrolle: 2 cem Saft 1:1 verdünnt neu- malisiert ... 02 218,7 cmm: O0, 32 cem Saft 1:1 Fantnh enelhsten: = + 0,5 °/o iso-Butylurethan. . . Ten 0 2 ccm Saft 1:1 verdünnt emselnsiem: + on iso-Butylurethan. . :...... 118,0 37 [75 a.] 0%/o Hemmung Kontrolle: 2 cem Saft (1: 1); in 2h 40°: 76cmm 0, 2 cem Saft .(1:1). mit a Benz- aldehyd . N, - San 28 20, 65 Dureh Zusatz von Methylenblau in Konzentration von etwa 0,05% wird die Oxydationsgeschwindigkeit anfangs um das Mehrfache gesteigert; und zwar ist auch hier die prozentuale Steigerung nach der sauren Seite zunehmend grösser. Die Reduktion frischen Saftes ist: in der Regel stärker als die gleich stark atmender Acetonhefe von gleicher Reaktion und. auch die Atmungssteigerung sanz am Anfang entsprechend höher. Aber diese lässt schon in der ersten Stunde erheblich nach, mehr noch in den foleenden, so dass sie schliesslich ganz aufhört, ja sogar einer Hemmung Platz machen kann (vgl. Fig. 3). Sehr auffällig ist hierbei das Verhalten der Färbung. 0,02 %o Methylenblau . wird durch 1 cem (neutralisierten) Saft, zu Anfang auch bei stärkstem Schütteln an der Luft völlig entfärbt, im weiteren Verlauf des Versuches nimmt aber die Blaufärbung immer mehr zu, schon ehe die Methylenblausteigerung \ der Atmung aufdehört: hat. Sicherlich ist zu Anfang die Geschwindigkeit der Wiederverküpung des Farbstoffs in Iuftgesättigter Lösung geringer als die der Reduktion. Hierauf weist atch der’ 'Umstand’ hin, dass bei Erhöhung der Sauerstoffkonzentration, also'ih sauerstoffgesättigter Lösung, keine völlige Entfärbung stattfindet. 26 * 404 Otto Meyerhof: Kubikmillimeter Sauerstoff 1 Sta. 2. Std. 3 Sta. 4 Std. 5 Sta. Fig. 3. Oxydationsgeschwindigkeit: I ohne Methylenblau, 17 mit Methylenblau. [76.] Beispiel. (Ein anderes Beispiel gibt Fig. 3). a) 0,85 ccm genuiner Saft + 1,15 cem Wasser (sauer). b) 0,85 cem genuiner Saft + 1,15 ccm Wasser. (sauer) + 0,075 %/o Methylenblau. c) 0,85 cem Saft + 0,15 cem n NaOH + 1 ccm Wasser (neutral). d) 0,85 cem’ Saft + 0,15 cem n NaOH + 1 ccm Wasser (neutral) + 0,075 °/o Methylenblau. i a) b) c) d) Pro 4a Stunde Saurer Neutral. Zeit Saurer Saft + Neutral. Saft + Prozent. | Prozent. Saft | Methylen- Saft | Methylen- | Steigerung | Steigerung blau blau b) d) 30' 8 39 27,5 61 | 400 | 120 Ih 16 69 55 113° 280 90 1h 30’ 24 93 19 163 200 100 2h sl 108 102 207 100. 90 Die Oxydationsgeschwindigkeit ist in reinem Sauerstoff 30—40°%o grösser als in Luft. In Gegenwart von Methylenblau sieht man diese Steigerung nur zu Anfang; später- hin fällt die Methylenblauatmung in Sauerstoff noch rascher ab als in Luft. | Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 405 Beispiele. [77.] Vgl. vorigen Welsuch, In 1h 2h a) 0,85 ccm Saft + 0,15 cem n NaOH + 1,0 ccm dest. Wasser . . 55 102 cmm 0, b) 0,85 ccm Saft + 0, 15 ccm n NaOH a # ‚0 ccm dest. Wasser + 0 ‚075 0/o Methylenblau.. . . 113 207 „ ec) wie a) 30° Sauerstoff duzeheeleitet . 2... 76 1567), d) wie b) 30’ Sauerstoff durchgeleitet . . . . 129 184 „ [78.] In 25 30’: 2 cem Saft neutr., 1:1 verdümt. . . 84 cmm 0, 2 ccm Saft neutr., 1:1 verdünnt, 30’ 0, durchgeleitet 413 22.2.0: Ausser dem starken Nachlassen der Methylenblauatmung mit der Zeit und dem sehr viel geringeren der Atmung selbst besteht eine wesentliche Abweichung des Oxydationsvorgangs im Saft gegenüber Acetonhefe nur darin, dass die Atmungsgrösse mit zunehmender Verdünnung nicht geringer wird. Umgekehrt ist sogar die Atmung bei Verdünnung 1:1 deutlich etwas grösser geworden. Die Atmung des Mazerationssaftes lässt sich im Eisschrank einige Tage konservieren,, allerdings wird sie von Tag zu Tag geringer; der Abfall war bei Berliner Hefe viel grösser als bei Münchener. Bezüglich der absoluten Atmungsgrösse interessiert vor allem, wie sie sich verhält erstens gegenüber der einer entsprechenden Menge Trockenhefe und zweitens gegenüber der von lebender Hefe, die zur Darstelling der Trockenhefe gedient hat. 1. Die Annahme, die Trockenhefe könnte eine ähnliche Rolle spielen wie die gewaschene Acetonhefe, erweist sich als unrichtig; die extrahierte und gut gewaschene Trockenhefe atmet weder für sich allein noch nach Zugabe des Extrakts. Vielmehr findet die ganze Atmung lediglich im Mazerationssaft selbst statt und wird auch durch Zusatz der ihm entsprechenden Menge Trockenhefe nicht verändert. Damit bestätigt sich, was schon aus den bisherigen Angaben zu entnehmen ist, dass die Atmung des Saftes der von ungewaschener Acetonhefe gleich- zusetzen ist und beide Komponenten enthält: die thermolabile Substanz der extrahierten Acetonhefe („Enzym“) und den Atmungskörper. Man kann sich fragen, was den Unterschied verursacht, dass aus der Acetonhefe durch Extraktion mit Wasser nur der Atmungs- körper ausgewaschen, das „Atmungsenzym“ aber nicht gelöst wird, 406 Fe - „Otto Meyerhof: während aus Lebedew’scher Trockenhefe beide Komponenten ex- trahierbar sind, obgleich sie doch mit denen der Acetonhefe fraglos identisch sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass. sich ein völliger Parallelismus dazu bei der Gärung findet: Aus der Acetonhefe lässt sich mit Wasser nur das Koferment ausziehen, die Zymase bleibt zurück;. aus der Trockenhefe werden aber beide durch Wasser ex- trahiert. Buchner hat nun kürzlich hierfür die ansprechende Hypothese aufgestellt, dass bei dem Trocknen der Hefe nach Lebedew die Protoplasmaeiweissstoffe reversibel koaguliert werden, während sie durch die entquellende Wirkung: des Acetons bei der Aceton- Ätherbehandlung irreversibel gefällt werden '). Ebenso spricht aber auch ‚vieles für die Eiweissnatur unseres Atınungsenzyms wie für ‚die des Zymasekomplexes. B% [79.] 20. g Trockenhefe + 60, ccm: dest, ‚Wasser era in 15% 20 ccm Saft. Die abfiltrierte Hefemasse zweimal mit. 180.ccm Wasser gewaschen‘ und so verdünnt, dass’ ı ccm = 8 "Trockenhefe ent- sprechen. In-1h 20: & ea 0,85 cem Saft + 0,15 ccm n NaOH + 1,0 ccm dest. ‚Wasser . 8 . . 44 cmm (0, ») 0,85 ccm Saft a 0 ot cem n 1 NaOH + 1 ccm n (0, 12 8) . N ‚ Hefesuspension °. 497,000, ee) i ccm dest. Wasser ae 1 ccm 0, 13 Hefesuspension a OL » ..[80.] 25 ccm Trockenhefe + 75 ccm dest. :Wasser gibt 26 ccm Saft. ‚Die ‚abfiltrierte :Hefemasse. wird nicht gewaschen, aber so verdünnt, dass 2 ccm 0,5 ccm neutralisiertem Saft entsprechen. In ah; 0. 5 cem neutralisierter Saft + 1,5 cem dest. Wasser "+ Phenylurethan’ gesättigt . . . & . 73 cmm 0, on ‚ccm: Hefesuspension + Phenylurethan gesättigt 1a Verfährt nan wie in dem zweiten Beispiel, aber ohne mit Phenyl- urethan zu sättigen, so ist die Atmungsgrösse für Hefe und Saft zwar auch in den ersten Stunden eleich, dann- aber steigt die Hefeatmung an, offenbar weil sich einzelne lebende Zellen Dazwischen BeRnEn. ) Bericht, es en yon. ner nl S. en vom 10. Mai 1917-in der Physikal.-medizin. Gesellschaft zu Würzburg. „Naturwissenschaften“ ‚vom 29. Juni. 1917 Bd. 5. Man könnte noch bestimmter sagen, dass durch die Aceton-Ätherbehandlung die Zelloberfläche zwar ihre diosmotischen Eigenschaften gegenüber Salzen verliert, aber‘ infolge irreversibler Schrumpfung gegenüber den höheren Zellkolloiden noch impermeabel bleibt. Dafür spricht, dass nach Zer- reiben.der Acetonhefe sich auch die Zymase aus ihr extrahieren lässt. Anmerkung bei der Korrektur: Wie die eben erschienene ausführliche Veröffentlichung zeigt, entspricht das auch der Ansicht \ von Buchner und Skraup. ‚Biochem. ‚ Zeitschr, Bd. 82 8. 107. 1917. Sassnebnnget zur Atmung getöteter Zellen. I. 407. 2. Zum Vergleich. der Atmungsgrösse des Extrakts mit der lebenden Ausgangshefe diene folgendes Beispiel: [S1.] Aus 1000 g Reinzucht-Unterhefe der Berliner Hochschul- brauerei werden 200 g Trockenhefe erhalten. 1 ccm’ Saft entspricht 0,3 g Trockenhefe. 0,125 g lebende Hefe in 2 ccm 1 °/o NaCl-Lösung ver- brauchen in 70’ 73 cmm Sauerstoff, also 1g in 1h 500 cmm. 1.ccm Saft + 0,1 ccm n NaOH + 0,9 ccm dest. Wasser verbraucht in ih 53 emm Sauerstoff. Also gibt Saft entsprechend 0,2g Trocken- hefe=1glebende Hefe 35 cmm Sauerstoffinih oder 7°]o. Unter Benutzung. anderer Messungen ergibt sich für dieses Verhältnis 6—8 0. 2. Fällung des Atmungssystems durch Alkohol. Gibt man zum Mazerationssaft ein solches Quantum Alkohol, dass eine mindestens 85 °/oige alkoholische Lösung entsteht, so er- hält man einen sehr starken gelblichweissen Niederschlag. Derselbe wird 'abgenutscht, mit absolutem -Alkohol und dann mit Äther ge- waschen und im Vakuum über P,O, zu einem bröckligen Pulver ge- trocknet. Bei richtigem Arbeiten erhält manin diesem Trockenpulver die ganze Atmung des Mazerations- saftes ohne Verlust wieder, wenn man es in einer ent- sprechenden Menge Wasser aufschwemmt und neutralisiert. Diese Versuche sind nicht ganz. in Parallele zu setzen mit der Alkohol- fällung des Acetonhefeextrakts ,. denn hier handelt es sich um die Ausfällung des ganzen Atmungssystems und nicht nur des Atmungs- körpers. In dem Pulver lässt sich die Atmung gut konservieren, jedenfalls viel besser als in dem im Eisschrank aufbewahrten Saft. Genauere Versuche über. die Haltbarkeit habe ich nicht angestellt. Wenn man das-Pulver entsprechend der Menge des Ausgangs- saftes in Wasser aufschwemmt und neutralisiert, so löst sich auch nach gründlichem, erst trockenem, dann feuchtem Zerreiben in der Reibschale nur.ein Teil. wieder, ein erheblicher Teil bleibt als un- gelöster Niederschlag zurück. Filtriert oder zentifugiert man diese Aufschwemmung, so erhält man die ganze Atmung in der wässerigen Lösung. Der Niederschlag atmet weder für sich, noch verstärkt er merklich die Atmung. des. Wasserauszuges. Das: ganze Atmungs- system ist also’ wieder in Wasser löslich. Die Atmung des Wasser- auszuges ist zwar öfters etwas geringer als die der ganzen Sus- pension, wird aber auch dann nicht oder’ nur ganz unwesentlich durch Zugabe des: gewaschenen Niederschlags verstärkt. Offenbar löst ‚sich das Atmungssystem erst nach einer gewissen Zeit voll- ständig in Wasser.- 408: Otto Meyerhof: Die Atmung dieses Wasserauszuges bzw. der ganzen Suspension verhält sich völlig analog der Atmung des Mazerationssaftes. Dies - wurde hinsichtlich aller dort festgestellter Regelmässigkeiten und einiger weiterer geprüft: Die Atmung ist optimal am Neutralpunkt, fällt nach beiden Seiten steil ab; sie wird durch Kochen vernichtet, durch Blausäure nicht, wohl aber durch Narkotika in dem gleichen Maasse wie dort gehemmt, durch Methylenblau und in reinem Sauer- stoff gesteigert. Weitere Übereinstimmungen ergeben sich in noch zu besprechenden Experimenten. Als einziger Unterschied sei erwähnt, dass die Reduktion des Methylenblaus nie so stark ist wie im Saft und dass bei genauem Vergleich auch die Methylenblausteigerung der Atmung sich geringer zeigt. - Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, seien die betreffenden Ergebnisse im Zusammenhang der Versuchsserien, in denen sie ge- ‘ wonnen sind, mitgeteilt. [82.] Vergleich: Mazerationssaft, Suspension des Pulvers, Filtrat der Suspension, gewaschener Niederschlas, Buestand der Alkohol- fällung. 10 ccm Mazerationssaft + 100 cem 96 %/o Alkohol, Niederschlas abgesaugt, mit absolutem Alkohol, Äther gewaschen, getrocknet —= 1,24 g. Die alkoholische Lösung (130 ccm) bei 35° im Vakuum eingeengt auf 6,5 cem; neutralisiert mit 0,7 ccm n NaOH (Alkohol abgedunstet). 1,0 g Pulver in 7,0 ccm dest. Wasser zerrieben, mit 0,7 cem n NaOH neutralisiert. Davon 4,5 ccm filtriert. Niederschlag zweimal auf Filter gewaschen, dann in 3 ccm dest. Wasser aufgeschwemmt, In 3h 30': a) 1,0 cem Mazerationssaft + 0,15 ccm n Na0oH + 0, ‚85 ccm dest. Wasser . . . 170 cmm 0, b) ‘2,0 ccm neutralisierte Einengung des alkoholischen Filtrats (— 2,8: ccmasal 20,20% - ce) 1,15 cem neutralisierte Pulversuspension \ 1ccm Saft) + 0,85 cem dest. Wasser . . 167 „8% d) Saft) + 0,85 cem dest. Wasser . . 140° .2..x05% e) 1,0 ccm Suspension des gewaschenen Nieder- schlags + 1,0 ccm dest. Wasser. . . 0.20 2.5)211,15 lecm neutralisiertes Pulverfiltrat + 1 ccm Suspension gewaschenen Niederschlags . . . ». 154 „ 0% [83.] Mazerationssaft, Pulversuspension, Wasserauszug, ge- waschener Niederschlag, Wasserauszug + gewaschener Niederschlag, Methylenblausteigerung. 16 ccm Mazerationssaft + 150 ccm 96% Alkohol; Alkohol, Äther gewaschen, getrocknet: 1,8 g Pulver. 1,8 g in 14,0 cem dest. Wasser + 1,6 cem n NaOH suspendiert. 10 ccm der Suspension zentrifugiert, Untersuchungen: zur Atmung getöteter Zellen. II. 409 Niederschlag zweimal in Zentrifuge gewaschen, Niederschlag auf 8,5 ccm gebracht. In 1h 20": 0% Steigerung RR mit Methylenblau a) 1,0 ccm Mazerationssaft + 0,15 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser "72 cmm 0, b) 1,0 ccm Mazerätionssaft + 0,15 cem n NaOH + 0,35 ccm dest. Wasser - mit 0,05% Methylenblau. . . . 15 „o, 9 e) 1,1 ccm Pulversuspension (1,1 cem Saft) + 0,9 cem dest. Wasser... % „ d) 1,1 ccm Pulversuspension 1,1 cem Saft) + 0,9 ccm dest. Wasser mit ; 0,05 90 Methylenblau ee 183 0,.0,05,2.45 e) 1,1 ccm Wasserauszug (1, “ ccm Saft) + 0,9 ccm dest. Wasser . . 87 02 f) 1,1 ccm Wasserauszug (=1,1 cem Saft) +0,9 eem dest. Wasser mit 0,05 /o Methylenblau Dre 22= 7.02.48 8) 0,9 cem Niederschlag (= 1 cem Saft) + 1,1 cem dest. Wasser. . . 02.2005 h) .0,9 cem gewaschener nalen + 1,1 cem Wasserauszzug . . . 958,0 [84.] Vergleich: 3 Tage alter im Eisschrank aufbewahrter Mazerationssaft, 3 Tage altes Pulver: Suspension, Wasserextrakt, Methylenblausteigerung. 28 ccm Saft in 300 ccm 96 °/oigem Alkohol; Alkohol, Äther ge- waschen; getrocknet: 2,8 g. 1,2 g in 10 ccm dest. Wasser + 1,0 ccm n NaOH suspendiert. Davon 8,5 ccm zentrifugiert. Prozent. Methylen- blausteig. In 40’ In 3h 40’ in 3h 40’ a) 1,0 ccm Mazerationssaft + 0,15 cem n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser 18 106 cmm 0, b) 1,0cem Mazerationssaft + 0,15 ccm n NaOH + 0,85 cem dest. Wasser + 0,12 °/o Methylenblau . . . 50 130: .47..05 7375 c) 1,0 Suspension -+ 1,0 dest. Wasser _ cRm Salt) . 4 1° 28 143 ,„ 0 d) 1,0 Wasserextrakt + 1,0 dest. Was- ser (= 1,05 ccm Saft). URN Ve 159 „ & e) 1,0 Nsserestralt +0,12 u Me- thylenblau ST NR . 56 193 „. %& 3 [85.] Vergleich: Mazerationssaft, Pulversuspension, Wasserauszug ; alkalischer Wasserauszug. 24 cem Saft + 240 ccm Alkohol 960; Alkohol. Äther. Aus- beute 3,0 g. 1,2 g + 10,5 dest. Wasser + 0,85 cem n NaOH. 410 Otto Meyerhof: D. | | In1h In 4h30’ a) 1,0 cem Saft + 0,15 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wassers. . . 39cmmO, 166 b) 1,1 ccm Suspension a 0,95 dest. akenn ( 10cm sam). 39 „ & 159 ec), A, cem Wasserextrakt + 0,95 cem dest. \ Wasser. C_1,05.cem Saft) .. .. . 35 „ 0; 134 d) 1,1 ccm Wasserextrakt +0, 15 ccm n "Na0H In 0,75 ccm dest. Wasser (alkalisch. .. 8,0%, 2 [S6.] Wasserauszug so, gekocht, Hemmung mit iso-Butylurethan, Methylenblausteigerung. 0,85 8 Pulver + 9,0 ccm dest. Wasser + 0,65 n NaOH nat. In 2h 40” Differenz a) >d, 6 ccm Wasserauszug ae, 0, 4 cem dest. Wasser 168cmm 0, b) 1,6ccm Wasserauszug, gekocht . Re Ra Line ll c) 1,6 ccm Wasserauszug + 0,4 ccm dest. Wasser mit 19% iso- Butylurethan. . 1412, 02.8506 d) 1,6ccm Wasserauszug mit 0,1 °/o Methylenblau 254, 0; +50% [87.] Suspension des Pulvers und Wasserauszug. He mit Äthylurethan. 1,5 g Pulver + 13,0 ccm dest, Tassen + 1,5 ccm NaOH. ‚Da- von 12 ccm zentrifugiert. BER In 70’ ee - a) 1,0 cem Suspension + 1,0 ccm dest. Wasser 64cmmO, b) 1,0 cem Wasserextrakt (= 1,05 cem Susp.) 2 1,0 cem dest. Wasser. . . DO | _ ec) 1,0 ccm Wasserextrakt mit 7 °/o Äthylurethan 13 „ 0 800 [Ss] Nassau des Pulvers, Methylenblausteigerung, reiner Sauerstoff. . In ih 3) 1,0 ccm Wassers + 1,0 ecm dest. Wasser. . 42cmm 0, b) 1,0 ccm Wasserauszug + 0,075°/o Methylenblau . 63 „ 0; In reinem Sauerstoff: c) 1,0 ccm Wasserauszug + 1,0 ccm dest. Wasser. . 49 „0 d) 1,0 cem Wasserauszug + 0,075°/o Methylenblau . 58 „ 0 Die bisher beschriebenen Versuche wurden so ausgeführt, dass das: in Wasser aufgeschwemmte Pulver erst neutralisiert und dann zentrifugiert wurde, wobei man einen opaleszierenden Extrakt er- hält. In anderen Fällen wurde das in Wasser verrührte Pulver erst zentrifugiert, — dann bekommt man einen klaren Extrakt, der erst jetzt neutralisiert wird. Wird in beiden Fällen genau gleich neu- tralisiert, so :atmen die beiden Wasserauszüge genau gleich stark. In anderen noch näher zu besprechenden Punkten unterscheidet sich jedoch der Extrakt aus „saurem“ Pulver von dem aus neutralem, in dem:dieser letztere viel labiler gegenüber erneuter Alkoholfällung und Ultrafiltration ist. Au i Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 411 - [89.] Beispiel: Vergleich vonsaurer Pulversuspension, saurem Wasserauszug, vor und nach Neutralisation, neutraler Suspension, neutralem Wasserauszug. | 2,2 g Pulver + 21 ccm Wasser verrieben; I: 10 cem-+ 0,8 ccm n NaOH, davon 9,5 ccm zentrifugiert; II: 11 ccm, davon 9,5 cem zentrifugiert. In 3h a) I: 1,1 ccm neutrale Suspension + 0,9 ccm dest. Wasser (pr, —=175) . - . . ..... 116cmm 0, b) 1,1 cem neutraler se a 0, 9. ccm dest. Wasser (Narr 22 2 08 - ce) I: 1,0 cem saure Suspension ae 1,0: ccm ern Wasser (p— 6,0). “0. 64 „ 0 -.d) 1,0 ccm saurer Wasserauszug a 1.0 ccm dest \assan (pn) 6b2.,..08 e) 1,0 ccm saurer, Wasserauszug + 0,9 ccm "Non I ER a ll, 00, _ Die Atmungsgrösse ist also in jedem Fall halb so ‘gross bei PH: = 6,0 wie bei p4. — 7,5, und in letzterem Fall gleich, en von der Vorgeschichte. 2. £ Bekanntlich Jässt sich auch die Zymase durch Alkohol aus Press- saft ausfällen, doch geht sie bei der Aufschwemmung in Wasser nicht vollständig wieder in Lösung. Das von mir hergestellte, oft von 1—2 Tage altem Saft stammende Pulver war nicht mehr gärwirksam. Im Anschluss. an Buchner”s Zymasefällung wurde wiederholt versucht, das Atmunespulver durch mehrfache Fällung mit Alkohol weiter zu reinigen. Das Pulver wurde in Wasser auf- geschwemmt, zentrifugiert, der Wasserauszug mit Alkohol gefällt, der Niederschlag mit Alkohol und Äther gewaschen und im Vakuum getrocknet. Diese Versuche führten nur dann überhaupt zu einem positiven Ergebnis, wenn das. Pulver sauer extrahiert und der nicht neutralisierte Extrakt gefällt wurde. Aber auch in diesem Fall war stets eine bedeutende Abschwächung der Wirksamkeit eingetreten, mindestens auf die Hälfte, so dass die Atmungsstärke pro Gewiehts- einheit des Pulvers nicht zunahm, sondern bestenfalls gleichblieb. Doch würde sich dies wohl kai Modifikationen der an lung verbessern lassen. [90.] . Beispiel: 2, 55 g Pulver + 21,5.ccm Wasser zentrifugiert. 3,5 ccm des Wasserauszuges + 40 ccm 9% Ooigen Alkohol, . Alkohol und Äther‘ gewaschen, ee Ausbeute 0,21 g, auf 3,2 ccm gebracht und neutralisiert. ee 412 Otto Meyerhof: In 1% verbraucht a) 1,0 ccm Me 0,11 2 Dulyen) =; 0 8 ccm 15 NaOH + 0,2 ccm dest. Nass . 35 .cmm 0, b) 2, 0 cem Aufschwemmung des Sereimteiien raten (0,13 € 2.2 cem Wasserauszug), >. . 890.8 Absolute Abschwächung 50 °/o, Wirkungsstärke von 0,1 g Pülver ungefähr gleich. Bildung von Atmungskohlensäure im Wasserauszug. Obwohl die Atmungsmessungen mit Mazerationssaft nie durch Selbstgärung gestört werden, so lässt sich diese bei dem stark gär- wirksamen Saft doch nicht so vollkommen ausschliessen, dass es gestattet wäre, geringe Kohlensäuremengen als Atmungskohlensäure anzusprechen. Anders liegt dies aber beim Wasserauszug aus Trockenpulver. Denn dieser gab auch in Gegenwart. von Zucker immer weniger Kohlensäure ab, als er Sauerstoff aufnahm, gärte also sicher nicht mehr. Es zeigt sich nun hier, dass (in Abwesen- heit von Zucker) Kohlensäure gebildet wird, gleich ein Viertel bis ein halb des verbrauchten Sauerstoffs. Diese darf man wohl auf den Atmungsvorgang zurückführen. _Der respiratorische Quotient liegt aber unterhalb der physiologischen Grenzen. Die Kohlensäure wurde wie in der vorigen Arbeit (nach Warburg) bestimmt. Beispiele: [91.] 1,8‘'g Pulver + 14,0 ccm dest. Wasser + 1,6 ccm n NaOH, davon 10 ccm zentrifugiert. 1,1 cem Wasserauszug ver- braucht in 80 Min. 87 cmm 0,, gibt 33 cmm CO,. Resp. Quotient — 0,44. - [92.] 1,55 g + 13,0 ccm dest. Wasser + 1,5 ccm n NaOH, da- von 13,0 ccm zentrifugiert. 1,0 cem + 1,0 ccm dest. Wasser ver- brauchen in 70 Min. 65 cmm 0, geben 18 cmm Di: Resp. u — 0,28. [93.] 0,65 g + 6,5 cem dest. Wasser + 0,5 com n NaOH, Sus- pension direkt benutzt. 1,65 cem + 0,4 ccm dest. Wasser verbrauchen in 80 Min. 75 cmm On geben 45 emm CO,. Resp. Quotient — 0,6. 3 albainet des Mazerationssaftes und des Sun aus Trockenpulver. a) Dingerernneerie von Atmungskörper und ragen im Mazerationssaft. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen gelang die Trennung der beiden Komponenten - des Atmungssystems hier ebenso be- friedigend wie in der Acetonhefe. Die Trennungsmethode. besteht Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 413 in der Ultrafiltration: Das Atmungsenzym bleibt zurück, während der Atmungskörper das Ultrafilter sehr allmählich passiert. Die Erfahrungen von Kap. II, 1 können uns hier zum Leitfaden dienen. Bei mehrfach gebrauchten Ultrafiltern geht schon beim blossen Ab- saugen der grössere Teil des Atmungskörpers hindurch, durch weiteres Waschen mit Wasser verarmt der Ultrafiltrationsrückstand mehr und mehr an ihm. Da aber, wie sich dort zeigte, der Atmungs- körper nicht glatt dialysabel ist — er lässt sich ja auch bei älteren Filtern noch etwas über ihnen anreichern —, muss diese Waschung sehr gründlich'geschehen, um den Rückstand des Mazerationssaftes von : den letzten Resten des Atmungskörpers zu befreien. Erst bei Waschung mit der etwa 800 fachen Wassermenge — unter Umrechnung auf die jeweils eingedickte Flüssigkeitsmenge — das heisst bei einerentsprechen- den Dialysatverdünnung des Rückstandes von 1: 800 zeigt dieser, wenn er aus stark wirksamem Saft gewonnen ist, für sich gar keine Oxydation mehr; diese Waschung braucht natürlich nicht in einmaligem Zusatz der 800fachen Menge Wasser zum Saft zu bestehen ; dieser wurde vielmehr zunächst auf dem Ultrafilter stark eingedickt, dann nach Messung des Volumens des eingedickten Rückstandes etwa die fünffache Menge Wasser hinzugefügt, wieder eingedickt und so noch drei- bis viermal mit der fünf- bis zehnfachen Menge Wasser gewaschen. Der Grad der Dialysatverdünnung des Rückstandes wird bei den Versuchen jeweils angegeben. Bei bloss. zehn- bis zwanziefacher Dialysatver- dünnung sinkt die Atmung des Rückstandes gegenüber der Menge Saft, aus der er stammt, nur auf etwa die Hälfte, .bei 100—200 facher Verdünnung auf den fünften bis zehnten Teil. Die Versuche wurden zum grossen Teil mit demselben sehr dieken Ultrafilter gemacht, es ergaben sich aber im einzelnen ziemliche Unterschiede bei den Trockenhefen verschiedener Herstellung. Bei einem Schroder- schen Präparat, dessen Atmung auch sonst geringer und unbestän- diger war, sank die Atmung des Rückstandes durch Waschen etwa 5mal so schnell ab, so dass sie bei 200 facher Dialysatverdünnung erlosch. Auf diese Differenzen werde ich in der nächsten Arbeit noch zu sprechen kommen. Übrigens dauert es bei dem zäh- flüssigen Saft recht lange, um eine derartige gründliche Waschung durchzuführen. Die 800fache Waschung von 10 ccm Mazerationssaft erfordert 4—6 Stunden. Um Fehler durch Bakterien zu vermeiden, wurde in allen Atmungsversuchen mit Ultrafiltration Phenylurethan im Überschuss hinzugefügt. 414 er Otto Meyerhof: Gibt man jetzt das bei derersten Eindicekung des Mazerationssaftes gewonnene Ultrafiltratzu dem nicht mehr atmenden Ultrafiltrationsrückstand hinzu und neutralisiert, so kehrt die Atmung zurück. Da aber ja der. Atmungskörper nicht glatt dialysabel und deshalb im Ultrafiltrat: in geringerer Konzentration vorhanden ist als im Ausgangssaft, so versteht man, dass, auch abgesehen von einer geringen Schädigung des „Enzyms“ durch die starke Waschung, die Atmung bei stark ge- waschenem Rückstand nicht mehr auf die alte Höhe kommt, sondern nur auf etwa zwei Drittel derselben. Eine völlige Restitution der Aussangsatmung erreicht man aber durch Zugabe von Mazerations- kochsaft zum Rückstand. Dieser wurde durch 40 Sek. bis 1 Min. langes Erhitzen des Saftes im kochenden Wasserbad und nachträgliche. Filtration hergestellt. Durch blosse Eindiekung des Saftes ohne oder mit ganz ge- ringer Waschung lässt sich andererseits die Atmung konzentrieren. Engt man den Saft durch Ultrafiltration auf die Hälfte ein, so atınet er zwar nicht doppelt so stark, aber immerhin 30—-40 %% mehr. Bei allen Versuchen dieses Abschnittes wurde der nicht neu- tralisierte Saft ultrafiltriert. Vor der Atmungsmessung wurden aber, soweit nichts anderes angegeben, Rückstand, Ultrafiltrat, Kochsaft ebenso wie der Ausgangssaft mit NaOH genau neutralisiert, was an Vorproben für alle Gemische ermittelt wurde. Nur dann bekommt. man vergleichbare Resultate. Zum Belege des Gesagten mögen folgende Beisniele dienen: A. Stark sewaschener Rückstand. [94.] | Münchener Hefe. 12 ccm Macerationssaft in gut 4h mit 930facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand in 3facher Kon- zentration gegenüber dem Ausgangssaft benutzt. a) 1:cem Mazerationssaft + 1,2 cem 10 NaOH i in1h30’ 72cmm0, b) 0,36 cem Rückstand + 1,6 ccm dest. Wasser in o.B, 0.:,2.0, [95.] Münchener Hefe. 12 ccm Saft in 51/e h mit 840 facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand 3 fach konzentriert. a). 1 cem Saft + 1,0 cem 1, NaOH in2h .....54cmmO, ; b) 0,35 ecm Rückstand + ı - ccm Wasser in 2h. . 0,0% c). 0,35 ccm Rückstand + 1, 1 com Kochsaft f (neutralisiert) | un 0,5 cem dest. Wasser, in 2h 52 „ O0, id) 1;1.ecm Kochsaft te v = 0 9 ccm dest. Wasser | RN. in p7 h . » . . . 9 ” O0; Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. I. 415 [96.] Berliner Hefe. 10 ccm Saft in 4Y/ah mit 340 facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand 2,5 fach konzentriert. In 1640’: a) 1 cem Saft + 0,13 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser... . .. 76 cmm 0, b) 0,4 cem Rückstand z. 2 6 ecm Klee lassen] \ „+0; e) 0, ‚4 „ Rückstand +1 h) cem Ultrafiltrat + 0,3 ccm 7 NaOH -EWorcemrdest.i Wasser... 0.214640, d) 6. em Rückstand + 1,0 ccm Kochsaft ® 0,1n NaOH .+ 0,5 cem dest. Nissan Kae CRECHR 6002.05 e) 1,0 ccm -Ultrafiltrat + 0,3 ccm 1 1 Non 40,2. 7 cem ‘dest. Wasser . . 3954,05 f) 1,0 cem Kochsaft a1. 0, 1’cem n NaOH A 0, 9 ccm dest. Wasser . . . 5 AN 0 [97.] Berliner Hefe, 11 ccm in en, mit 450 facher Menge ‘Wasser gewaschen. Rückstand 3fach konzentriert. Lösungen nicht neutralisiert. In 1R 30’: a) 1,2 ccm Saft + 0,8 ccm dest. Wasser. . . . . 54cmm.0, b) 0,4 „° Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser . . 19 „ 0 c) 04 „ Rückstand +1, ‚2 ccm Ultrafiltrat + 0,4 ccm dest. Wasser . . sl d) 1,2 cem Ultrafiltrat \ 0 8 ccm dest. Wasser ra 2 0: B. Schwächer gewaschener Rückstand. [98.] Münchener Hefe mit unbeständiger Atmung. 10 ccm in 35 mit 60 facher Menge Wasser gewaschen. 3 fach konzentrierter nnae stand. In 5h: a) 1ccmSaft-+ 0,15 ccmn NaOH +0,85 ccm dest. Wasser 177 cmm 0, b) 0,35 eem Rückstand + 1,6 ecm dest. Wasser . „ 31 „O0, c) 0,35 „ Rückstand +1 ‚0 cem Kochsaft + 0,12 ccm n NaOH + 0,5 ccm des Wasser . . .14 „ d) 0,35 cem Rückstand +-1,2 ccm (neutr alisierter) Aceton- ed + 0,4 ccm dest, Wasser . . „143 1,09 .. 199.] Berliner Hefe. 30 cem in 4h mit 140 facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand 3,3fach konzentriert. ‚In 1440’: Eu | ccm Saft +1 ccm 15 NaOH 51, umgerechnet 61 cmm 0, b) 0 ‚4 ccm Rückstand (= 1,2 ccm Saft) 13 1,6 ccm dest, Wasser . . 34 e) 0,4 cem Rückstand ©, Il 2 cem Saft) ar 1 ‚0 cem Ultra- filtrat + 0,3 cem -—- NaOH an. 0,3 ccm dest. Wasser 61 „ 0, » % ie d) 0,4 cem Rückstand CC Eörrcem = vr 1,6 ccm (neutralisierter) Acetonhefeextrakt c 79 5 % e) 1,0 ccm Ultrafiltrat # 0 ‚3 ccm, u +0,7cm g s dest. Wasser . . 0 „ :0 „2: .1,6 cem Acetonhefeextrakt En 0,4 as lag Warzen 045,2:0, 416 Otto Meyerhof: [100.] Münchener Hefe. 15 ccm auf 5 ccm eingedickt. Davon 3,6 ccm in 5k mit 120 facher Menge Wasser gewaschen. Eingedickter und gewaschener Rückstand 3fach konzentriert. In 2h 40': a) 1,0 ccm Saft + 1,0 cem 15 NaOH ne ea 4 7 9Dkemm 0: b) 1,0 cem eingedickter Rückstand — 3 cem Saft) + 0,13 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser . . 128 c) 1,0 ccm men Rückstand (= 3 cem Saft) + 0,20%, In NaoH + 0,8 cem dest. Wasser. . . 99 „ % d) 1,0 ,„ gewaschener Rückstand (= 3 cem De 1,0 ,„ eutral.) Ultrafiltrat. . . 1100 EAU Ultranltrat (meutralen nn a nee C. Sehr schwach gewaschener Rückstand. [101.] Berliner Hefe. 9 ccm in 4!/sh mit 15facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand 2fach konzentriert. In 2h a) 1,0 cem Säft + 1,0 ccm 15 NaOH RS tchlenein,iO); b) 0,5 „ Rückstand + 0,2 ccm 15’ NaOH + 1,2 ccm dest; Wasser Nr aan ne SE a en DER c) 0,5 ccm Rückstand + 0,2 ccm oe NaOH + 1,2 cem neutral. Ultrafltrat . .- . Pe} We LÜ) d) 1,2 cem neutral. Ultrafiltrat 0, 8 ccm dest wo 207.405 [102.] Berliner Hefe. 9,2 ccm in 1?/ah mit 9facher Menge Wasser gewaschen. Rückstand 3fach konzentriert. In 5R: a) 1 ccm Saft + 1,0 ccm 15° NaOH art axcmmas b) 0,37 ccm Rückstand (= 1,1 ccm Saft) + 0,3 ccm 15” NaOH 1,3 .cemedest.» Wasser... „.. 2.2.310272720;5 c) 0,37 ccm Rückstand (= 1,1 ccm Saft) + 1,2 ccm neutral. Ultrafiltrat + 0,4 cem dest. Wasser . .179 „ © d) 0,37 ccm Rückstand (= 1,1 ccm Saft) + 1,0 ccm Kochsaft + 0,15 com n NaOH + 0,5 ccm dest. Wasser 236 „ 03 e) 1,2 ccm neutral. Ultrafiltrat + 0,8 ccm dest. Wasser 12 „ 0; f) 1,0 „ Kochsaft + 1,0 ccm 157 NaOH IE Mag or [103.] Münchener Hefe. 12 ccm eingedickt auf 5,5 cem. 3,6 ccm mit 5facher Menge Wasser gewaschen. Gewaschener Rückstand doppelt konzentriert. In 2h 30': a) 1 ccm Saft + 0,15 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser o . * o D . “ U) . . . * . ee 34 cmm O3 Untersuchungen: zur Atmung getöteter Zellen. II. Alm, -b) 1 cem gewaschener Rückstand (= 2 ccm Saft) + 0,5 cem __Na0H + 0,5 ccm dest. Wasser. . . 122cmm0, 10 ec) 1,6 ccm Ultrafiltrat + 0,4 ccm 15 Na0H a 2°6.%..0, d) 1,6 ccm Ultrafiltrat gekocht + 0,4 ccm 1, Na0H 912,10, »b) Ultrafiltration des wässerigen Auszugs aus Trockenpulver. Der Wasserauszug aus „Atmungspulver“ lässt sich wegen seiner Dünnflüssigkeit sehr viel schneller ultrafiltrieren. Wird aber hier der Wasserauszug aus neutralisiertem Pulver benutzt, so ist das Ultrafiltrat nicht mehr imstande, die Atmung des ge- waschenen Rückstands zu erregen; wird dagegen der Extrakt aus nicht neutralisiertem (schwachsaurem) Pulver ultrafiltriert, so findet die Wiederbelebung der Rückstandsatmung statt, wenn man das nach- träglich neutralisierte Ultrafiltrat hinzugibt. Das Verhalten hängt hier also von der „Vorgeschichte“ ab. Offenbar wird der Atmungs- körper bei der Filtration des neutralen bzw. ganz schwach alkalischen Extrakts zerstört. Auf diesen, wie ich glaube, bedeutungsvollen Um- stand werde ich in der nächsten Arbeit noch zu sprechen konımen. Beispiele: A. Neutralisierter Extrakt. [104.] 0,55 g Pulver + 9,5 ccm dest. Wasser + 0,35 cemn NaOH. 9,5 ecm zentrifugiert; vom Auszug 6,5 ccm ultrafiltriert; sehr stark gewaschen; Rückstand 3 fach konzentriert. In 4h 30': a) 2 cem Wasserextrakt . . . . Leiters. 22hemm)O, b) 1 ccm gewaschener Rückstand e 3. ccm Wasser- extrakt) + 1 ccm dest. Wasser. . . . 40,05 c) 1 ccm gewaschener Rückstand + 1 ccm Ultrafiltrat 9, 72..705 een Ulratlirat : 2.220.000 ea 3 „ 0 [105.] 2,15 g Pulver + 17 cem dest. Wasser + 1,4 ccm n NaOH. 17,5 cem zentrifugiert; vom Auszug 10 ccm ultrafiltriert; Rückstand 3fach eingedickt. 2 ccm davon mittelstark gewaschen, 3fach kon- zentriert benutzt. In 3h 30’: a) 1 ccm Wasserextrakt + 1 cem dest. Wässer . . 49cmm 0, b) 1 eem eingedickter Rückstand (= 3 cem Wasser- extzaks)e Neem dest. Wasser. . . ....... 84, 0 €) 1 cem gewaschener Rückstand (= 3 cem Wasser- extrakt) + 1 ccm dest. Wasser. . . 8 „ 0 d) 1 ccm gewaschener Rückstand + 1 ccm Ultrafiltrat 16. ,:03 Olsen Bra le weile. |, 1 lOg Ptlüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 27 418 Otto Meyerhof: B. Nicht 'neutralisierter Extrakt. [106.] 2,55 g Pulver + 21,5 ccm dest. Wasser zentrifugiert, davon 12 cem ultrafiltriert, auf 4 ccm eingedickt, 2,6 cem des Rück- stands mit 10 facher Menge Wasser gewaschen, gewaschener Rückstand 2 fach konzentriert; nachher alles genau neutralisiert. In 3h: a). 1. ccm Wasserextrakt + 0,8 cem De + 0,2 ccm dest. Wasser . . . ! . 105 cmm 0, b) 1 ccm eingedickter Rückstand ei 3 ccm | Extrakt) + 0,7 cn 15" NaoH + 0,3 cem dest. Wasser . 186 „ 0, c) 1 cem gewaschener Rückstand (= 2 ccm Extrakt) + 0,15 ccm I _Na0H +1 ccm dest, Waser . 44 „® 10 d) 1 cem gewaschener Rückstand + 1 ccm Ultrafiltrat eayss5 com -- NaOH ee EL OB TOTEN e) 1.6 ccm ÜUltrafiltrat + 0,4 cem 15" NaOH a LEER 0), ec) Verhalten von Ultrafiltrat und Kochsaft. Dureh die Ultrafilträtion des Mazerationssaftes, Auffangen des Ultrafiltrates und Waschen des Rückstandes haben wir „Atmungs- körper“ und „Enzym“ in ähnlicher Weise getrennt wie bei der Acetonhefe durch Zentrifugieren und anschliessendes Waschen. Der Rückstand ist thermolabil, das Ultrafiltrat thermostabil. Das Ultra- filtrat und ebenso der Mazerationskochsaft stimmen auch sonst in ihren wesentlichen Eigenschaften mit dem Acetonhefeextrakt überein. Das Ultrafiltrat zeigt- für sich- meist eine geringe Sauerstoffzehrung, diese ist wiederum am geringsten in saurer Lösung, stärker in neutraler, noch stärker in alkalischer Lösung. Auch gelingen die Versuche mit „Alkaliinkubation* des Ultrafiltrats: solches, das einige Stunden alkalisch gemacht an der Luft gestanden hat, errest die Atmung des Rückstands nicht oder schwächer als ein neutral erhaltenes. Diese Alkaliinkubation lässt sich, wie es scheint, durch 5 Minuten langes Kochen in alkalischer Lösung ersetzen. Beispiele: A. Sauerstoffverbrauch des Ultrafiltrats. [107.] Ultrafiltrat aus Pulverextrakt. In 3b: a) 1,6 ccm Ultrafiltrat (nicht aaualisiert) a 0,4 ccm eh Wasser (Pr = — ET R 6 cmm 0, ; !b) .1,6 ccm ‚Ultrafiltrat + 0,4 cem jo NaoH na 8) ::10 „30a Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 419 [108.] Ultrafiltrat aus Mazerationssaft. In 1h 30’: a) 1,0 ccm Ultrafiltrat + 0,2 com —-NaOH + 0,8 cem 10 dest. Wasser (neutral). . - 5 cmm O5 b) 1,0 cem Ultrafiltrat + 0,2 cem n \ NaoH N 0, Sc ccm - dest. Wasser (alkalisch) RR ne. | 352.02 B. ol inkakation des Ultrafiltrats. - [109.] Berliner Hefe. 10 cem Mazerationssaft ultrafiltriert; Rück- stand in 4h 140fach gewaschen. 2 ccm Ultrafiltrat + 0,25 ccm n NaOH 21/eh bei 29° C. an der Luft; dann mit 0,25 ccm n HCl neutralisiert. In Ih 20’: a) Kontrolle: 2 cem Mazerationssaft neutralisiert. . 49cmm 0, b) 0,4 ccm Rückstand (= 2 cem Kontrolle) + 1,6 cem dest. Wasser . . 2idi,=::05 e) 0,4 ccm Rückstand Ks 3% v ccm Ultrafiltrat Ar 0, 3. ccm dest. Wasser + 0,3 ccm 15 Na0H ar 290,0 d) 0,4cem Rückstand + 1,2 ccm inkubiertes Ultrafiltrat + 0,3 ccm 15" Na0H =.0. 0 cemı. dest. Wasser ,..17..,.70, ‘e) 1,0 ccm Ultrafiltrat + 0,3 ccm - -Na0OH + 0,7 ccm al, NV EISSEEN el a a Pan er 0 ,:.0 [110.] 11 ccm Saft ultrafiltriert; Rückstand 450 fach gewaschen. 2,5 cem Ultrafiltrat + 0,3 ccm n NaOH 5’ auf 100° G,; dann mit 0,3 cem n HCl neutralisiert. Rückstand 3fach konzentriert. In 15 30': a) 1,2 cem Saft + 0,8 ccm dest. Wasser . . . . 54cmm 0, b) 0,4 ccm Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser . . 19 „ 0% ec) 0,4 ccm Rückstand + 1,2 ccm Ultrafiltrat Eu 0,4 ccm dest. Wasser . . 51...,2.0, d) 0,4 ccm Rückstand ir 1 5 cem alkalisch Sekdchtes Ultrafiltrat + 0,1 ccm dest. Wasser . . ee. SO e) 1,2 ccm Ultrafiltrat + 0,8 ccm dest. lass: AN 4: 20, Der Kochsaft verhält sich im ganzen ähnlich wie das Ultra- filtrat, in einzelnen Punkten aber abweichend. Zunächst ist seine Oxydationsgrösse von. der Kochdauer abhängig. Wird er statt 40—60 Sekunden 4—5 Minuten in kochendem Wasser erhitzt, so tritt eine spontane Wiederverflüssigung unter Ausscheidung eines festen Gerinnsels ein. Die Sauerstoffzehrung beträgt jetzt nur noch die Hälfte. Der Oxydätionsvorgang des 40 Sekunden er- hitzten Kochsafts ist aber nicht ein hitzebeständiger Teil der Saft- atmung, sondern verhält sich ganz reziprok zu ihr: am geringsten ist er. bei- deren Optimum, in neutraler Lösung, nimmt noch ‚stärker 27 * 420 Otto Meyerhof: als im Ultrafiltrat nach der alkalischen Seite zu, aber abweichend von diesem und vom Acetonhefeextrakt auch — wenn auch in nicht so hohem Grade — nach der sauren Seite. Die „Alkali- inkubation des Kochsaftes“ und das Erhitzen in alkalischer Lösung führten nie zu einer deutlichen Abschwächung der Atmungserregung durch ihn; vielleicht geschah beides nicht lange genug — aber hier unterscheidet er sich doch von den bisher besprochenen Extrakten. In einigen Fällen wurde auch Wasserauszug aus Trockenpulver zu- nächst in saurer, neutraler und alkalischer Lösung atmen gelassen, dann nach einigen Stunden neutralisiert, aufgekocht und nunmehr die verschiedenen Proben zur Erregung der Atmung gewaschener Acetonhefe benutzt; auch hier ergab sich kein Unterschied. Jeden- falls wird hier der Atmungskörper nicht so leicht in alkalischer Lösung zerstört. Diese Versuche zeigten ferner, dass die starke und progressive Herabsetzung der Atmung in alkalischer Lösung, die wir in allen Fällen antrafen, wesentlich auf einer Schädigung des „Enzyms“ beruhen muss. Denn derselbe „alkalisch inkubierte“ Wasserauszug aus Pulver, der nach Neutralisation und Aufkochen die Atmung gewaschener Acetonhefe noch erregte, also den Atmungs- körper noch besass, atmete selbst, neutralisiert, aber nicht erkitzt, gar nicht mehr. Beispiele: A. Sauerstoffverbrauch des Kochsaftes. [111.] Kochsaft verschieden lange nme, Atmung mit und ohne Methylenblau. I 40" I 5’ bei 100° C. In 2h 40': a) 1,1 ccm von Kochsaft I neutralisiert + 0,9 cem dest. Wasser . . . 32 cmm 0, b) 1,1 ccm von Kochsaft I neutralisiert a 0,9 ccm dest. Wasser + 0.025°o Methylenblau . . . 912250. ec) 1,1 cem Kochsaft II neutralisiert + 0,9 ccm dest. Wasser SR 13 „ 0% d) 1,1 ccm Kochsaft II neutralisiert ir 0, 9 ccm dest. Wasser + 0,025° Methylenblu . . . . 22800 [112.] Kochsaft bei nr Reaktion. a‘ bei 100° C.). In 2h: a) 1,0 ccm Kochsaft 2 1,0 ccm dest. Nass Dan — 5,5— De aan . . 15cmm 0, b) 1,0 cem Kochsaft + 1,0 cem na mon ni = 7,5) 9 „0 ec) 1,0cem Kochsaft + 0,4 cemn NaOH en — etwa en a 0,6 ccm dest. Wasser. . . . 29 „ 0 UNE IEUC een zur Atmung getöteter Zellen. I. 42] [113.] Kochsaft bei verschiedener Reaktion. (1 bei 100° C.). In 15h 40': a) 1,0 cem Kochsaft + 1,0 ccm dest. Wasser (pz- — 6) 9 cmm 0, b) 1,0 cem Kochsaft + 1,0 cem 15" NaOH (Ba — 145) 4 ".1.:0a c) 1,0 eem Kochsaft + 0,4 cem n NaOH es — etwa ) + 0,6 ccm dest. Wasser a 30 „ 0 [114.] Kochsaft bei verschiedener Reaktion. (40” bei 100° C.). In 2b 40': a) 1,0 ccm Kochsaft + 1,0 cem dest. Wasser (p-—=6) 3lcmm 0, b) 1,0 cem Kochsaft + 0,1 ccm n NaOH + 0,9 cem dest. Wasser Ge Be 12.,,,..08 ec) 1,0 cem Kochsaft + 0,4 cem n "Na0H + 0 6 ccm dese Wasser (pr 11) a. .. 45 „ 0% (Vgl. hierzu auch- Fig. 2.) . B. „Alkaliinkubation“ des Kochsaftes. [115.] Alter Mazerationssaft. 10 ccm auf Ultrafilter 450 fach gewaschen; 3 fach konzentriert. Kochsaft (1’ 30” bei 100° C.) in- kubiert 31/ah bei 29° C. | I. neutral: 2,3 cem + 0,2 ccm n NaOH, II, alkalisch: 3,3 cem + 1,0 cem n NaOH; dann mit 0,7 ccm HCl neutralisiert. In 2b: a) 1,0 cem Saft + 0,14 cem n NaOH + 0,85 ccm dest) Wasser . ... 26 cmm 0, b) 0,35 cem Rückstand Ai 1 ‚5 ccm ueei Wasser ; 8.0..20, c) 0,35 cem Rückstand + 1,1 cem neutral inkubierter Kochsaft + 0,5 cem dest. ‚Wasser „2.8 sl „ 0 d) 0,35 cem Rückstand + 1,6 alkalisch rien Kochsatt . . . 21.10 e) 1,1 ccm -. era Rene) 1 0,9 ccm dest. Massen... 0.105 f) 1,6 cem alkalisch le ana neben + 0, ae cem dest. NMasser .... ER 15 ....05 [116.] 11 ccm auf Ultrafilter 450 fach gewaschen, Rückstand 3fach. 2,4 cem Kochsaft + 0,72 ccm n NaOH (stark alkalisch) 5’ gekocht; dann mit 0,7 cem n HCl neutralisiert. In 1'/eh a) 1,2 cem Saft + 0,8 cem dest. Wasser (nicht neu- tralisiert) . ; . .. 4 cmm 0, b) 0,4 cem Rückstand a 1, 6 ccm est: Wären ler. O5 ec) 0,4 cem Rückstand + 1,2 ccm Kochsaft + 0, 4 cem dest. Wasser . ü 45 „ 0 e) 0,4 cem Rückstand + 1 9 cem alkalisch Eekonle: Am Kochsaft HE . EN ITS NET ERRN 02 422 Otto Meyerhof: [117.] 9 cem Saft auf Ultrafilter 780 fach gewaschen. Rück- stand 3 fach: Kochsaft I: 3,5 cem + 1,0 ccm n NaOH (20’ bei 90—100° C.) Kochsaft II: 3,5 cem + 0,5 ccm n HCl (20° bei 90—100° C.) Nachher beides neutralisiert. In 1h 30’: a) 1,0 ccm Saft + 0,15 cem n NaOH + 0,85 ccm dest, Wasser . . . 34+cmm 0, b) 0.4 cem Rückstand Ge 1. 2 ccm - 1. Saft) an 1 Bi ccm dest. Wasser . . 07.42.05 c) 0,4 cem Rückstand ne 1 6 ccm Alkalıseh gekochter Kochsaft Mn. 23; 39 „ &% d) 0,4 ccm Rückstand as il, 3 cem sauer gekoehter Kochsaft II + 0,3 ccm dest. Wasser. . 32 „ &% e) 1,2 ccm (neutralisierter) Kochsaft I+ 0, 8 ccm dest. Wasser Sa 41,103 f) 1,0 cem (neutralisierter): "Kochsaft II + 1,0 ccm dest. Wasser 0. 0. ie: a hr 8205.20, C. „Alkaliinkubation“ von Pulverextrakt. [11S.] 1.2 g Pulver + 10,5 ccm dest. Wasser + 0,85 ccm n NaOH, zentrifugiert. I. 1,1 cem Wasserextrakt + 0x 9 ccm dest. Wasser auf Eis (neutral) für 5h, U. 1,1 ccm Wasserextrakt + 0,9 ccm ‚dest. Wasser bei. 29° C, (neutral) für ob, 0 IM. 1,1 ccm Wasserextrakt + 0,75 cem dest. Wasser + 0,15 ccm n NaOH bei 29° C. (alkalisch) für 5h. Dann I—III 3’ auf 95 °C. und IH neutralisiert. 1,3 g Acetonhefe: 18 ccm Wasser. 15,2 cem zentrifugient, ge- waschen; auf 8.ccm aufgefüllt. In 1b 40': a): 2 ccm Acetonhefesuspension ungewaschen . . . 76 cmm 0, b) 1 ccm Acetonhefe gewaschen + 1 ccm dest. Wasser 4 „ 0, c) 1 cem Acetonhefe gewaschen + 1 cem Wasser- „‚extrakt I (gekocht). .. 5 17.3. ,...0, d) 1 cem Acetonhefe gewaschen = ” cem Weasser- extrakt II (gekocht) . . 51959752200, e) 1 ccm Acetonhefe gewaschen I" ccm a extrakt UL (gekocht) en ne Nano [119.] 1,5 g Pulver + 11,5 cem dest. Wasser + 1,1 cem'n NaOH, zentrifugiert. I. 3,2 ccm Wasserextrakt + 0, 4 ccm dest. Wasser auf Eis (neutral) für 5h, 11, 3,2 cem. Wasserextrakt + 0,4 ccm dest. Wasser bei 29° C, (neutral) für 5h, 11.7 3:2,cem en. a 0, 4cem n NaOH bei 29° C. ‚lkalsen) er 5h - Untersuchungen :zur Atmung getöteter Zellen. II. 433 1,5 & Acetonhefe: 15 cem Wasser. 13 ccm zentrifugiert, ge- waschen; auf 6,5 ccm aufgefüllt. III neutralisiert; I—III je zur Hälfte aufgekocht. In 2h: a) 2 ccm Acetonhefesuspension ursprünglich . . . 39cmm 0, b) 1ccm gewaschene Acetonhefe + 1 ccm dest. Wasser 0 „ 0 ec) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,9 ccm gekochter Wasserextrakt VERY ea En 30 „ 0% d) 1 ccm gewaschene Aerenkeie) a 0, 9 ccm elkoalnen Wasserextrakt Il. . . 23: 1.108 e) 1 ccm gewaschene Acetonhefe 2% 1 ‚0 ccm sekochter neutralisierter Wasserextrakt II . . . 2753 0% f) 1,0 cem gekochter Wasserextrakt I + 1,0 ccm dest. Wasser . . 22.708 g) 1,8 ccm Wasserextrakt II, nicht gekocht 2 0, 4 com r dest. Wasser . . 36 „ &% h) 2,1ccm WasserextraktIII, Ha che neutralisiert 7.9.09 Während h zeigt, dass der alkalisch inkubierte Extrakt nach Neutralisation nicht mehr atmet, erregt er, gekocht, die Atmung der Acetonhefe wie der neutral inkubierte ( — cd): [120.] 1,28 Pulver + 10 ccm dest. Wasser + 1,0 com n NaOH zentrifugiert. 21.7 cem "Wasserextrakt + 0,3 ccm dest. Wasser bei 29° C. 4l/eh, II. 1, 7 ccm Wasserextrakt + 0,3 com n NaOH bei 29° C. 4/eh, El neutralisiert; I und I gekocht. 2 g Acetonhefe: 20 cem Wasser. 15 ccm zentrifugiert, gewaschen ; auf 7,5 cem aufgefüllt. In 1h 10': a) 2 ccm Acetonhefe ungewaschen. . . » 62 cmm 0, - b) 1cem gewaschene Acetonhefe + 1,0 ccm dest. Wasser 263: 05 €). 1 ccm gewaschene Acetonhefe + A 0 ccm gekochter Wasserextrakt I. . 24 „0 d) lccm gewaschene Acetonhefe, 2 ii; 0 com gekochter Wasserextrakt Il (neutralisiert). . 22 2..10, e) 0,8 cem gekochter Wasserextrakt I + 1 In ccm dest. Wasser . . 0.8.,..05 f) 0,8 cem gekochter Wasserextrakt u +1 1 © ccm. n.dest, DB une Re a 4 0 .4) une des Ultrafiltr Blionsrückalindes durch ‚Acetonhefeextr akt. Schon im Kapitel II habe ich auf die Symmetrie im Verhalten von Acetonhefe und Mazerationssaft aufmerksam gemacht, dass nämlich ebensogut wie der Mazerationskochsaft oder der erhitzte Wasserauszug aus 'Troekenpulver imstande ist, die Atmung der gewaschenen Aceton- hefe zu erregen, auch umgekehrt der Acetonhefeextrakt die Atmung des ‚Ultrafiltrationsrückstandes des Saftes erregt. Hierfür sind schon bei 494 Otto Meyerhot: den Versuchen 98 und 99 Belege gegeben. Andere Beispiele seien hier angeschlossen. Die Atmungserregung ist dabei sehr stark; die ursprüngliche Oxydationsgrösse wird annähernd erreicht oder auch noch übertroffen. Dass bei den umgekehrten Experimenten des Kapitel II kein ebenso vollständiges Ergebnis erzielt wurde, liegt, wie dort schon gesagt wurde, wohl nur an technischen Mängeln. Endlich wurde zur weiteren Bestätigung, dass die Atmungserregung des Mazerationssaftrückstandes unter genau den gleichen Bedingungen vom Acetonhefeextrakt hervorgebracht wird wie die der gewaschenen Acetonhefe, dieser ebenfalls ultrafiltriert. Da ein sehr viel benutztes Ultrafilter verwandt wurde, war nur eine schwache Verdünnung des Atmungskörpers im Ultrafiltrat, eine. noch geringere Konzen- trierung über dem Filter zu erwarten. Beides liess sich aber fest- stellen. Ebenso wurde auch der Mazerationskochsaft ultrafiltriert. Dabei ergab sich nun ebenfalls, dass der ultrafiltrierte Kochsaft schwächer erregt als der Ausgangskochsaft und genau so stark wie das Ultrafiltrat des — ungekochten — Mazerationssaftes. Dieser Versuch bestätigt einmal, dass die Differenz zwischen Atmungs- erregung von Ultrafiltrat und Kochsaft durch die Verringerung des Atmungskörpers beim Ultrafiltrieren bedingt ist, und andererseits, dass der Atmungskörper durch 40 Sek. langes Erhitzen auf 100° C. nicht geschädigt wird. Beispiele. [121.] 10 ccm Mare lonssutt ultrafiltriert, 60 fach gewaschen; Rückstand 3 fach konzentriert. 9 cem Acetonhefeextrakt (24h mit Phenylurethan im Eisschrank aufbewahrt) ultrafiltriert; 1,5 cem Rück- stand davon. In 5h: a) 1 ccm Mazerationssaft + 0,15 ccm n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser. . . . 177 cmm 0, b) 0,35 cem Rückstand + 1,6 cem "dest. "Wasser . a 1 NEBEN (O), c) 0,35 cem Rückstand + 1, 2 ccm Acetonhefeextrakt '+ 0,4 cem dest. Wasser. . . 145 „ % d) 0,35 cem Rückstand + 1,0 ccm Extraktrückstand ä 0,6 ccm dest. Wasser. . 151 „ & e) 0,35 cem Rückstand + 1,2 cem "Extraktultrafiltrat = 0,4 cem dest. Wasser. . - nd Er a [122.] 12 cem Saft ultrafiltriert, 860 fach gewaschen; Rückstand 3 fach konzentriert. Kochsaft (40” bei 100° C.) ultrafiltriert. Aceton- hefeextrakt 24h mit Phenylurethan im Eisschrank aufbewahrt. In 2h: a) 1 ecm Mazerationssaft + 1,0 ccm 25" NaOH An | 54 cmm 0; --b) 0,35 eem Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser. . Me 0) Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 495 ec) 0,35 cem Rückstand + 1,1 cem Kochsaft N siert) + 0,5 cem dest. Wasser. . . 52 cmm 0, d) 0,35 cem Rückstand + 1,1 ccm Kochsaft- Ultrafiltrat (neutralisiert) + 0,5 cem dest. Wasser .„ . el’, 0%, e) 0,35 cem Rückstand + 1,0 ccm Ultrafiltrat .L 0,6 ccm 5 Na0H (deutrahsterh)a.. 00. 0.02, ann 05 f) 0,35 cem Rückstand + 1,1 ccm Acetonhefeextrakt elle cemr dest, Wasser. »...20..2%02.2.02..90. 38108 e) Methylenblauatmung. Schliesslich sei auch bei diesem Abschnitt darauf hingewiesen, dass die Methylenblausteigerung der Atmung mit dieser parallel geht. Dies gilt für den Kochsaft, soweit er selbst eine Oxydation aufweist, für die restierende Atmung des gewaschenen Rückstandes sowie ihre Wiederbelebung. Es erscheint danach sehr wahrscheinlich, dass der- selbe Körper sowohl die Atmung als die vermehrte Oxydation in Gegen- wart von Methylenblau verursacht. Da diese vermittelst der Reduktion des Methylenblau zustande kommt, heisst das soviel, als dass Atmungs- körper und Reduktionskörper identisch sind. Ehe wir mehr über diese Vorgänge wissen, hat es keinen Sinn, weitere Hypothesen an diese Feststellung zu knüpfen. Nur sei nochmal, wie schon in der vorigen Arbeit, darauf hingewiesen, dass deshalb das Enzym der Atmung und Reduktion nicht identisch zu sein braucht. Schluss: Trotz der Einführung besonderer Ausdrücke, wie _„Atmungskörper“, „Atmungserregung“, und der Bezeichnung der thermolabilen Substanz von Acetonhefe und Mazerationsextrakt als _ „Enzym“ habe ich die Darstellung in dieser Arbeit möglichst hypothesenfrei gehalten. In der folgenden, wo wir die Natur des Atmungskörpers genauer bestimmen wollen, kann das nicht ge- schehen. Dabei werde ich mich neben weiteren Experimenten auch auf die hier mitgeteilten stützen, die uns dabei noch in anderem Zusammenhang begegnen werden. Zusammenfassung. Die wesentlichen Ergebnisse der vorstehenden Arbeit sind die folgenden: I. Die Atmungsgrösse nicht gewaschener Acetonhefe schwankt in weiten Grenzen; sie lässt mit zunehmendem Alter des Hefe- präparats sehr nach, ist stark abhängig von der Reaktion — das 426 Otto Meyerhof: Optimum liegt am Neutralpunkt — und nimmt bei Verdünnung der Suspension von einer gewissen Konzentration an relativ ab. In reinem Sauerstoff wird sie gesteigert. Die prozentuale Steigerung der Atmung durch Methylenblau nimmt dagegen nach der sauren Seite kontinuierlich zu und ist ausserdem von mannigfaltigen Milieu- einflüssen abhängig. — Durch Narkotika wird die Atmung in ähn- lichen Konzentrationen wie die Gärung der Acetonhefe gehemmt, nicht aber durch Blausäure. | II. Die Atmung der Acetonhefe erlischt durch Waschen mit Wasser und lässt sich durch Zugabe des Wasserextrakts wieder hervorrufen. Die Grösse der wiedererweckten Atmung ist proportional der Kon- zentration einer wasserlöslichen Substanz oder Substanzgemisch, des „Atmungskörpers“. Genau entsprechend verhält sich die Methylen- blauatmung. Während die extrahierte Hefe thermolabil ist, kann. der Atmungskörper ohne Schädigung gekocht werden, durch längeres Erhitzen auf dem Wasserbad wird er allmählich inaktiviert; doch lässt er sich im Vakuum ohne Verlust zur Trockne eindampfen. Durch 85°/o Alkohol wird er ausgefällt. Bei der Ultrafiltration reichert er sich teilweise über-dem Filter an. — Der Extrakt für sich ver- braucht etwas Sauerstoff, mehr in alkalischer Lösung, wobei der Atmungskörper einer teilweisen Zerstörung unterliegt. — Der Acetonhefeextrakt lässt sich für die Atmungserregung sarah Auszug aus gekochter, Bierhefe ersetzen sowie durch gekochten Maze- rationssaft und den Auszug des aus Mazerationssaft hergestellten Trockenpulvers. III. Der Hefemazerationssaft (Lebedew) zeigt auch eine starke Sauerstoffatmung, die in ihren wesentlichsten Eigenschaften mit der der Acetonhefe übereinstimmt. Dies gilt für die Abhängigkeit von der Reaktion, Thermolabilität, Hemmung durch Narkotika, Steige- rung durch Methylenblau und in reinem Sauerstoff. Nur findet sich nicht der Einfluss der Konzentration wie bei der Acetonhefe. Die gewaschene Trockenhefe atmet weder für sich, noch steigert sie die Atmung des Mazerationssaftes. Das Atmungssystem lässt sich aus dem Saft durch 85—90 ?/o - Alkohol: quantitativ ausfällen. Durch Waschung mit Alkohol-Äther und Vakuumtrocknung erhält man ein haltbares „Atmungspulver“. Nach Aufschwemmung in Wasser geht das Atmungssystem aus dem Pulver: vollständig wieder in Lösung; der nichtgelöste Teil des Niederschlags ist inaktiv. Die Atmung des Wasserauszugs entspricht Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 497 völlig der des Mazerationssaftes. Im Wasserauszug bildet sich Kohlen- säure gleich ein Viertel bis zur Hälfte des Sauerstoffverbrauchs. Beim Absaugen des Saftes oder des Auszugs aus Trockenpulver auf dem Ultrafilter lässt sich die Atmung zunächst konzentrieren. Durch gründliches Waschen mit Wasser wird dagegen der Ultra- filtrationsrückstand völlig inaktiv; seine Atmung wird aber durch Zugabe des Ultrafiltrats und in noch höherem Maasse durch ge- kochten Mazerationssaft wieder erregt. Der Rückstand entspricht der extrahierten Acetonhefe, der Kochsaft und das Ultrafiltrat dem Acetonhefeextrakt. Sie können sich wechselseitig vertreten und zeigen auch sonst viele gleiche Eigenschaften. — Überall verhält sich die Steigerung der Atmung durch Methylenblau qualitativ wie die Atmung selbst. Br 428 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. Mitteilung. Die Atmungserregung in gewaschener Acetonhefe und dem Ultrafiltrationsrückstand: von Hefemazerationssaft. Von Otto Meyerhof. (Mit 4 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. BE Erstes Kapitel. Versuche zur Wiederbelebung der Atmung durch chemische Bubstänzen. "1 U Se ee ee RE er 428 Zweites Kapitel. Spielt die Sulfhydrilgruppe eine Rolle bei der Atmungs- SITEFUNE RP. TE A en ae ee ee 1. Das Vorkommen der Sulfhydrilgruppe im Extrakt... ..... 432 2. Sauerstoffübertragung durch Thioglykolsäure und «-Thiomilchsäure in Gegenwart von gewaschener Acetonhefe. . 2... 2. ..2.. 437 Drittes Kapitel. Die Atmungserregung durch Hexosephosphat. ..... 452 1. Versuche mit Ultrafiltrationsrückstand. . . . . » 2.2 2220200 454 2. Versuche mit nicht filtriertem Mazerationssaft. . ». . 2.2.2 .. 465 8: Versuche-mit! Atetonhefennu.su. 1 m ee 471 Erstes Kapitel. Versuche zur Wiederbelebung der Atmung durch chemische Substanzen. In der voranstehenden Arbeit ist unter anderem gezeigt, dass Acetonhefe durch Extrahieren mit Wasser und Mazerationssaft aus Lebedew’scher Trockenhefe durch Ultrafiltration und gründliches Waschen des Rückstands ihr Atmungsvermögen einbüssen, aber durch Zugabe der betreffenden Auszüge oder Kochsaft wiedererlangen. Die wasserlösliche Substanz, die für die Atmung erforderlich ist — bzw. das Substanzgemisch —, wurde als Atmungskörper bezeichnet. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Natur dieses Atmungskörpers näher zu ergründen. Wir können dabei so vorgehen, dass wir in den Extrakten nach Stoffen suchen, die zur Atmungserregung in irgend- einer Hinsicht befähigt erscheinen, und auch so, dass wir durch Zusatz bestimmter chemischer Substanzen an Stelle der Extrakte die Atmung wiederbeleben. Vollkommen wäre die Aufgabe gelöst, wenn sich Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 429 zeigen liesse, dass nach der ersten Methode gefundene Stoffe, nach dem zweiten Verfahren geprüft, die Atmung in genau berechnetem Umfang wiederherstellen. Von einer solchen Lösung ist diese Arbeit erheblich entfernt, zumal einzelne Teile vor ihrer Beendigung infolge des gegenwärtigen Mangels an Material abgebrochen werden mussten. Ihre Fortsetzung muss einer späteren Zeit vorbehalten werden. Auf den ersten Blick fallen gewisse Analogien zwischen unserem Atmungskörper und anderen von verschiedenen Forschern beschriebenen Substanzen des Stoffwechsels auf. So geben Batelli und Stern!) an, dass die Atmungsgrösse zerkleinerten Muskelgewebes durch Waschen mit Wasser stark zurückginge, aber durch Zugabe des Wasserauszuges wiederhergestellt würde. Die wirksame Substanz des Extraktes nennen sie Pnein.. Sie ist dialysabel, kochbeständig, lässt sich im Vakuum konzentrieren, wird durch 75°/o Alkohol ge- gefällt. Sie ist für sich nicht autoxydabel, wird bei 200° C. zerstört. Nach Thunberg?) lässt sich das Oxydationsvermögen der zer- kleinerten extrahierten Muskulatur wieder auf seinen ursprünglichen Wert bringen durch Zusatz von Bernsteinsäure. Der Sauerstoff- mehrverbrauch dient hier aber, wie späterhin nachgewiesen wurde, der Oxydation der Bernsteinsäure zu Fumarsäure °), und es ist wenig wahrscheinlich, dass sich dieser Vorgang in annähernd ähnlichem Umfang in der ungewaschenen Muskulatur als hauptsächlichster Oxydationsprozess abspielen sollte. Auch wurde von Batelli und Stern die Ähnlichkeit mit der Atmungserregung durch das Pnein bestritten, weil dieses im Atmungsprozess nicht verbraucht oder auch nur verringert werden soll. Eine weitere Analogie besteht zwischen dem Atmungskörper und dem von Harden und Young*) entdeckten Koferment der alkoholischen Gärung: es ist dialysabel und kochbeständig, durch Alkohol und Aceton einigermaassen fällbar, wird der Acetonhefe und Trockenhefe durch Waschen mit Wasser entzogen, im Hefepresssaft durch Ultrafiltration vom Zymaserückstand getrennt, wird durch längeres Kochen in alkalischer Lösung zerstört, ebenso durch Glühen. Die Über- 1) Zusammenfassung: Abderhalden, Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3 T.1 8.468. 2) Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 25. S. 37. 1911. 3) Einbeck, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 87 S. 145. 1913, Bd. 90 8. 301. 1914. 4) Journ. of Physiol. Bd. 32. 1904 (Proceedings). Zusammenfassung : Harden, Alcoholic Fermentation p. 54ff. London 1911. 430 Otto Meyerhof: einstimmung mit dem von uns beschriebenen Körper geht sogar noch weiter, denn wie aus den Zahlen von Harden und Young!) sowie von Buchner und Antoni?) hervorgeht, stellt der Kochsaft aus Hefepresssaft die Gärkraft in stärkerem Maasse wieder her als das Ultrafiltrat. Schliesslich wird auch der Atmungskörper, wie ich nach Abschluss der vorigen Arbeit noch feststellte, ebenso wie nach Harden’s Beobachtung das Koferment der Gärung durch Bleiacetat in neutraler Lösung nur zum kleineren Teil gefällt?). Doch da auch die Zusammensetzung des Koferments nicht bekannt ist, wollen wir die durch die chemischen wie physiologischen Eigenschaften nahe ge- legte Möglichkeit hier nicht weiter diskutieren, ob unser Körper vielleicht mit dem Koferment der Gärung identisch ist*). Es sei noch hervorgehoben, dass auch das bei der Gärung gebildete Hexose- phosphat in den erwähnten Eigenschaften abgesehen von seiner Fällbar- keit durch Bleiacetat mit unserem Atmungskörper übereinstimmt. — Dass es sich bei dem Atmungskörper um eine Substanz oder ein Substanzgemisch handelt und nicht um einen blossen „Bedingungs- komplex“ der Atmung, geht aus sehr vielen Umständen, so zum Beispiel den Fällungen mit Alkohol hervor. Diese Substanz könnte auch bei der Atmung die Rolle eines Kofermentes oder eines Nährstoffs oder von beidem spielen. Das eigentlicheEnzym dagegen dürfte indem thermo- labilen Rückstand gelegen sein. Mit dessen Eigenschaften beschäftigt sich diese Arbeit nicht. Doch sei gegen die gelegentlich geäusserte Vermutung, Atmungs- oder Reduktionsenzym seien mit der Zymase identisch, angeführt, dass noch gut atmende und reduzierende, mehrere Monate alte Acetonhefe nicht mehr gärte, obwohl ihr Wasserauszug imstande war, gärungsunwirksamen Ultrafiltrationsrückstand zu akti- vieren, das Koferment also noch vorhanden war, Mithin war der Zumal mindestens teilweise zerstört. Unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtähuiniee wurde eine grosse Zahl von Stoffen meist an gewaschener Acetonhefe, zum Teil am Rückstand des Mazerationssaftes geprüft, ob sie zur Wieder- belebung der Atmung befähigt wären. 1) Zum Beispiel a. a. O. Tabelle S. 56. 2) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 46 S. 136. 1905. ‚3) Harden, Alcoholic Fermentation p. 62. | 4) Anmerkung bei der Korrektur: Inzwischen konnte ich weitere Benbach tungen machen, die eine eine teilweise Identität beider Körper sehr wahr- scheinlich machen. Untersuebungen zur Atmung getöteter Zeiten. II. 431 Zur Atmungserregung unwirksam erweisen sich: Eiereiweiss, Blutserum, Hämoglobinlösung, Pepton, Bouillon, Fleischwasser- bouillon, Bierwürze, Nuklein aus Hefe, Glykogen, Traubenzucker, Kreatin, Kreatinin, Milchsäure, Bernsteinsäure, Fumarsäure, Oxal- säure, Acetaldehyd, Benzaldehyd, Alloxantin, Cystein, Äthyl- merkaptan, Thiodiglykolsäure, Natriumphosphat, Fe-Salz, Mn-Salz. Dagegen erhält man eine sehr eigenartige Oxydation bei gewaschener Acetonhefe durch bestimmte Sulfhydrilverbindungen: Thioglykolsäure und «-Thiomilchsäure (nieht ausgesprochen durch ß-Thiomilchsäure) und eine ausser in quantitativer Beziehung mit der Extrakterregung weitgehend übereinstiimmende Wieder- belebung des Atmungsvorganges durch hexosephosphorsaures Na. Dieser nahe verwandt endlich eine ähnliche Wirkung von Hexosen in Verbindung mit anorganischem Phosphat, „käuflicher Lävulose“ (ohne Phosphat) und viel schwächer von organischen Phosphor- säureverbindungen:: nukleinsaurem Na, Glycerinphosphorsaurem K. Diese, wie ich glaube, wichtigen positiven Befunde werden in den beiden folgenden Kapiteln ausführlich behandelt. Hier seien nur einige Bemerkungen über die übrigen Substanzen gestattet. Von den genannten Stoffen wurden selbst hergestellt: Nuklein- substanz aus Bierhefe nach Kossel!), Cystein aus Merck ’s Cystin durch Reduktion mit Zinn und Salzsäure nach Baumann?), ß-Thiomilehsäure aus #-Jodpropionsäure mit KSH nach Fried- mann?). Das hexosephosphorsaure Na wurde durch Schütteln mit oxalsaurem Na aus dem Ca-Salz gewonnen. Dies hatte Herr Prof. Euler dem Institut bei früherer Gelegenheit zur Verfügung gestellt. Vondenals unwirksam bezeichneten Substanzen sind Alloxantin, Cystein und Äthylmerkaptan in Lösung autoxydabel. Ein negatives Ergebnis bedeutet hier, dass diese in Gegenwart von gewaschener Acetonhefe nicht mehr und nicht schneller Sauerstoff aufnehmen wie ohne die Hefe unter sonst gleichen Umständen. Bei Zusatz von milchsaurem Na und von bernsteinsaurem Na zu gewaschener Acetonhefe findet man öfters einen Mehr- verbrauch von einigen Kubikmillimetern Sauerstoff gegenüber der: Kontrolle innerhalb 4—5 Stunden, meist stärker ausgeprägt noch 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 3 S. 284. 1879, Bd. 4 S. 290. 1880, Bd. 7 8.7. 1883. RT: 2) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 8 8. 299. 1888... 8) Hofmeister’s Beitr. Bd. 4 S. 501. 1903. 432 Otto Meyerhof: bei gleichzeitiger Gegenwart von Methylenblau. Diesen selbst bei hohen Salzkonzentrationen die Fehlergrenze kaum über- schreitenden Sauerstoffverbrauch konnte ich mich nicht ent- schliessen, als positives Resultat anzusprechen. Wenn dieser wohl auch die gleiche Ursache haben dürfte wie in den ent- sprechenden Versuchen von Thunberg an extrahierter Mus- kulatur!) und Harden und Norris an gewaschener Trockenhefe - — nicht Acetonhefe — ?), so kann es sich dabei doch bei der Kleinheit und Unregelmässigkeit der Ausschläge unmöglich um eine Wiederherstellung des ursprünglichen Oxydationsvorgangs handeln. — Endlich steigert Benzaldehyd deutlich die noch vor- handene Atmung in Methylenblaugegenwart, ohne die „Restatmung“ der gewaschenen Acetonhefe selbst zu vermehren. Dasselbe findet sich aber auch bei nicht gewaschener Hefe und dem Mazerations- saft und kommt auf Rechnung der „Aldehydsteigerung“ der Methylenblauatmung. Zweites Kapitel. Spielt die Sulfhydrilgruppe eine Rolle bei der Atmungserregung ? 1. Das Vorkommen der Sulfhydrilgruppe im Extrakt. Eine Reihe von Tatsachen legt den Gedanken nahe, dass hei dem als Atmungskörper bezeichneten Komplex eine Sulf- hydrilgruppe als Sauerstoffüberträger mitwirken könnte, dass also sich ein Stoff vermittels dieser Gruppe im Sinne eines Koferments der Atmung betätigt. Dafür bieten die folgenden Tatsachen aller- dings keine Sicherheit; ja, einige sprechen sogar mit Bestimmtheit dagegen, dass diese Gruppe die ganze Rolle des Atmungskörpers er- klärt. Doch ist ihre Mitwirkung immerhin nicht unwahrscheinlich, weil eine recht weitgehende Übereinstimmung besteht, erstens zwischen der atmungserregenden Wirkung des Extrakts und der je- weiligen Konzentration der Sulfhydrilgruppe darin, zweitenszwischen dem Einfluss des Extrakts auf gewaschene Acetonhefe und dem von «-Thiomilchsäure und Thioglykolsäure bei gleicher Reaktion. 1) a. a. ©. 2) Biochem. Journ. vol. 9 p. 330. 1915, eitiert nach Diebe Skandin. Arch. Bd. 35 S. 163. 1917. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 433 Vor einigen Jahren hat Heffter!) die Hypothese aufgestellt, dass die vitale Reduktionsfähigkeit der Gewebe gegenüber Farb- stoffen und Schwefel allgemein auf der Anwesenheit einer thermo- stabilen Sulfhydrilgruppe beruhe, etwa im Cystein, indem 2 Mole- küle unter Ausscheidung von 2 H-Atomen in ein Disulfid (Cystin) übergingen: 2RSH=R,S;+2H. Gleichzeitig leugnet er die Mit- ‚wirkung von Fermenten (Reduktasen) bei diesen Reduktionsvor- gängen. Diese Hypothese ist auch von Thunberg?) und anderen ernstlich in Erwägung gezogen und auf das Problem der Sauerstoff- affinität der Zellen überhaupt angewandt worden. Es kann aller- dings nicht übersehen werden, dass es sich dabei doch eigentlich nur um eine durch verschiedene Analogien nahegelegte Vermutung han- delt, dass die Annahme in quantitativer Beziehung wenig befriedi- gend und in mancher Hinsicht auch widerspruchsvoll ist. Eine andere, - hier mehr interessierende Frage ist aber, ob in der Heffter’schen _ Hypothese nicht ein zutreffender Kern steckt, der sich in unserem Fall, der Bedeutung des Atmungskörpers, herausschälen lässt. Heffter und seine Schüler haben gezeigt, dass eine unter be- stimmten Kautelen für dieSulfhydrilgruppe alsch arakteristisch zu be- trachtende Reaktion sich an den meisten tierischen Organen mit wechselnder Stärke nachweisen lässt; dass diese Organe ungefähr in gleichem Verhältnis Farbstoffe und Schwefel reduzieren, dass endlich Cystein und andere Thioverbindungen Methylenblau zu reduzieren im- stande sind. Diese sehr empfindliche Reaktion ist die purpurrote Färbung, die bei Gegenwart von Natriumnitroprussid. und Am- moniak entsteht, während mit NaOH statt Ammoniak eine etwas schneller verblassende, ziegelrote Färbung auftritt. Nach Ab- blassen der Färbung, Zusatz von Essigsäure und Kochen er- hält man Berliner Blau. [Aceton gibt auf Zusatz von Essig- säure tief purpurrote Färbung, Brenztraubensäure gibt nur mit NaOH, nicht mit NH, eine rote Farbe, Kreatinin gibt mit Ammoniak und Natriumnitroprussid eine ziegelrote, allmählich auftretende Färbung°).] In der Tat erhält man mit Trockenhefe und Acetonhefe 1) Mediz.-naturw. Arch. Bd. 1 S. 8t. Urban & Schwarzenberg 1908. 2) Thunberg, Asher-Spiro’s Ergebn. d. Physiol. Bd. 11 S. 328. 1911. 3) Die Färbung mit Nitroprussid und Natronlauge ist ja eine sehr all- gemeine Reaktion auf Ketongruppen; die momentane Purpurfärbung mit NH, da- gegen scheint allerdivgs nur bei SH-Gruppen vorzukommen, obwohl das noch nicht ausreichend kontrolliert zu sein scheint. Im folgenden wird sie als Sulf- hydrilreaktion aufgefasst. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 28 434 Otto Meyerhof: diese charakteristische Reaktion (Aceton, Kreatinin, Brenztrauben- säure lassen sich ausschliessen), dagegen zum Beispielbeiden ebenfalls Methylenblau reduzierenden Acetoncoecen nicht. Allgemein kann also die Reduktionsfähigkeit der Zellen gegenüber Farbstoffen nieht auf ‚ dieser Gruppe beruhen. Schätzt man die Konzentration der Sulf- hydrilgruppe in einer Aufschwemmung von frischer Acetonhefe in Wasser (1:10) nach der Stärke der Reaktion im Vergleich zu definierten chemischen Verbindungen, wie Cystein, Merkaptan, Thioglykolsäure, bei denen die Reaktion bei gleicher molarer Kon- Im. 3000 >H- Das Reduktionsvermögen entspricht aber, sowohl was die Ge- schwindigkeit als den Umfang der Reduktion betrifft, einer mehr- hundertfach höheren Konzentration im Vergleich zu dem von Heffter studierten Cystein. Dessen Reduktionszeit wird ferner durch Kochen kaum verändert, die der Acetonhefe enorm ver- längert, ein Beweis, dass eben doch ein thermolabiles Ferment dabei mitwirkt, usw. Doch brauchen wir uns bei diesen der Hypothese in ihrer originalen Form anhaftenden Widersprüchen nicht aufzuhalten und verfolgen die uns hier interessierenden Tatbestände. Die beschriebene Probe auf SH-Gruppen wurde bei sämtlichen in der vorigen Arbeit verzeichneten Atmungsversuchen und noch vielen anderen, im ganzen weit über 1000 Fällen, an- gestellt — Zusatz von 0,2 cem 4°o Kaliumnitroprussid + 0,1 cm 25 °/o Ammoniak zu 2 ccm Lösung — und ergibt im Zusammen- hang das folgende Bild: A. Acetonhefe. Frisch hergestellte Präparate geben in m >00 ältere erheblich schwächer (vgl. Versuch 1 in der vorigen Arbeit). Die SH-Gruppe geht vollständig in den wässerigen Extrakt über; nach einmaligem Waschen ist die Acetonhefe selbst schon fast frei davon (vgl. Versuch 29—38). Im allgemeinen ist die Stärke der Reaktion proportional der atmungserregenden Wir- kung des Extraktes. Die „Reaktion“ lässt sich auf dem Wasser- bad konzentrieren, wird aber bei längerem Erhitzen abgeschwächt (vgl. Versuch 43). Eine Konzentrierung ohne Verlust gelingt im Vakuum (vgl. Versuch 44). Beim Glühen des Rückstands ver- schwindet sie (Versuch 43). Durch 85 %o Alkohol wird die SH- Gruppe gefällt und findet sich in der Auflösung des Nieder- zentration ungefähr gleich ist, so Kommt man auf etwa Wasser 1:10 die Reaktion in Stärke von höchstens Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 435 schlages, während das Filtrat frei davon ist (Versuch 48, 49). Durch 66 °/o Alkohol wird dagegen nur ein geringer Teil gefällt _ (Versuch 47). Durch ein Berkefeld-Filter geht die Gruppe un- geschwächt hindurch, nieht aber durch ein Ultrafilter. Im all- semeinen ist die Stärke der Reaktion im Ultrafiltrat parallel der Atmungserregung desselben (Versuch 51—56). Durch Alkali wird die Gruppe an der Luft allmählich beseitigt, während sie in neutraler Lösung viel beständiger, noch mehr in nicht neutrali- siertem, saurem Extrakt ist (Versuch 57—63). Eine quantitative Übereinstimmung zwischen atmungserregen- der Wirkung und SH-Konzentration besteht aber nicht durchweg: Durch Eindampfen auf dem Wasserbad wird die Atmungserregung des Extraktes relativ stärker abgeschwächt als die Reaktion, so dass sich zum Beispiel in Versuch 43 die Reihe der Färbungs- stärken anders ordnet als die der Atmungsgrössen. Obwohl die Reaktion im Ultrafiltrat stark verringert ist, hat sie doch im Rück- stand nicht entsprechend zugenommen. Die SH-Gruppe ist also nicht teilweise zurückgehalten, sondern bei der Ultrafiltration zerstört worden. Schliesslich wird bei der „Alkaliinkubation“ des Extrakts die SH-Gruppe meist stärker geschwächt als die Atmungserregung. B. Mazerationssaft. Frisch gewonnener Saft zeigt eine äusserst starke SH-Reaktion, die bei dem bestatmenden Münchener Hefesaft etwa a: beträgt. Es zeigt sich hier derselbe — nicht ganz vollständige — Parallelismus zu der Atmungsgrösse. Bei schlechter atmendem, insbesondere viel labilerem Berliner Mazera- tionssaft, dessen Atmung durch 24stündiges Stehen auf Eis stark zurückgeht, ist auch die SH-Reaktion geringer und ebenfalls viel weniger gut konstant. Ein besonders schlecht atmender, aus zu langsam. getrockneter Kieler Hefe hergestellter Extrakt, der in der vorigen Arbeit nicht erwähnt ist, gab nur eine minimale Reaktion. Bei Ausfällung mit 85° Alkohol geht die SH-Gruppe vollständig in den Extrakt, doch ist die Konzentration in der Aufschwemmung des Atmungspulvers etwas kleiner als im genuinen Saft, während die Atmungsgrösse ziemlich gleich geblieben ist (Versuch 82 ff... Aus dem Pulver geht die Reaktion quantitativ in den Wasserauszug über, während der gewaschene Niederschlag völlig frei davon ist (Versuch 82, 83). Auf dem Ultrafilter wird die SH-Gruppe nur durch sehr gründliches Waschen aus dem Rück- 28% 436 Otto Meyerhof: stand entfernt, erst in dem atmungsunwirksamen, mit 1000 fach Wasser gewaschenen Rückstand ist sie nahezu verschwunden (Versuch 94, 95). Zum Teil findet sie sich im Ultrafiltrat, aber ist hier nicht nur schwächer, sondern auch unbeständiger. Dagegen ist sie in unveränderter Stärke im Mazerationskochsaft (Versuch 95—102). Die Labilität im Ultrafiltrat hängt einmal wieder zusammen mit der H- Konzentration, indem sie bei zunehmend alkalischer Reaktion immer unbeständiger wird, anderseits spielt die Abtrennung vom Eiweiss hier offenbar eine besondere Rolle; dieses „schützt“ die Gruppe. Daher wird sie nach Zugabe des gewaschenen Rückstands zum Ultrafiltrat wieder beständiger. Übrigens hängt in allen Fällen die Beständigkeit der SH-Gruppe noch von der Temperatur:ab und ist am grössten auf Eis. Aus den zuletzt geschilderten Gesetzmässigkeiten erklärt sich nun vollständig das eigentümliche Verhalten der SH-Reaktion bei der Ultrafiltration des wässerigen Auszugs aus Trockenpulver: Wird der Auszug aus neutralisiertem Pulver gewonnen, so ist die SH-Reaktion im Ultrafiltrat von vornherein sehr schwach und obendrein ganz unbeständig. Gibt man solches Ultrafiltrat zum gewaschenen Rückstand hinzu, so zeigt das Gemisch die Reak- tion nicht mehr. Ultrafiltriert man dagegen einen Auszug aus nicht-neutralisiertem, saurem Pulver, und neutralisiert das Ultrafiltrat erst unmittelbar vor der Zugabe zum gewaschenen Rückstand, so enthält jetzt das Gemisch ziemlich beständige SH- Gruppe. Genau die gleiche Abhängigkeitvonder Vor- geschichte fanden wir bei der Atmungserregung dieser Ultrafiltrate; wir haben hier einen völligen Par- allelismus, mit der Annahme, dass es auf die Intaktheit der SH- Gruppe bei der Atmungserregung ankäme, auch eine Erklärung für diese Differenz der Aktivität (vgl. Versuch 104—106). Durch „Alkaliinkubation“ des Ultrafiltrats und des Kochsafts und ebenso durch Erhitzen bei alkalischer Reaktion wird die SH-Gruppe zerstört; hier ist der Parallelismus mit der Atmungserregung unvollständig, denn der Kochsaft wurde durch die gleichen Ein- wirkungen in seiner Aktivität kaum beeinträchtigt (vgl. Versuch 115—120). Die mangelhafteste Übereinstimmung zwischen Stärke der SH-Reaktion und Atmungserregung muss aber in der so vielfach höheren Sulfhydrilkonzentration des Mazerationssaftes und -koch- Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 437 saftes gegenüber dem Acetonhefeextrakt gesehen werden, während beide doch ungefähr gleich wirksam sind (zum Beispiel Versuch 98). Will man trotzdem in dem immerhin recht weitgehenden Zusammen- stimmen keinen Zufall sehen, so lassen sich diese Tatsachen mit der Hypothese von der Bedeutung der SH-Gruppe nur durch die Annahme vereinigen, dass für die Grösse der Atmungserregung noch ein zweiter Körper in Betracht kommt, der bei einem Über- schuss an Sulfhydrilgruppen zum beherrschenden Faktor der „er- regten* Oxydationsgeschwindigkeit wird. Diese Annahme wird aber auch aus noch zu besprechenden Gründen wahrscheinlich. 2. Sauerstoffübertragung durch Thioglykolsäure und «-Thio- milchsäure in Gegenwart von Acetonhefe. Es "besteht ein enormer Unterschied zwischen Umfang und Geschwindigkeit der Oxydation bei Sulfhydrilgruppen bekannter Verbindungen und der Oxydationsgrösse der Acetonhefe. Setzen wir die SH-Konzentration einer ee gleich = so erfordert der Übergang von ı RSH zu (07 3000 m Rab, En —= 237 mg — 2 cem. In 2 ccm Acetonhefeaufschwemmung also 4 cmm O,. Eine derartige Suspension verbraucht aber in 3 Stunden schon etwa 200 cmm O,, mit Methylenblau das Doppelte, und kann in den nächsten Stunden noch ebensoviel Sauerstoff aufnehmen, ohne dass die SH-Reaktion besonders abgeschwächt und ohne dass die Oxydationsgeschwindigkeit stark gesunken wäre. Anderseits haben Mathews und Walker!) und Thunberg?) festgestellt, was ich in vielfachen Nachprüfungen bestätigen konnte, dass aut- oxydable Thioverbindungen in schwach alkalischer Lösung so und in Anwesenheit katalytisch wirkender Metallsalze nicht mehr Sauerstoff aufnehmen, als dem Übergang zum Disulfid entspricht. Und dann ist die SH-Reaktion verschwunden! Unsere Hypothese ist nur dann überhaupt diskutabel, wenn die Sulfhydrilgruppe den Sauerstoff nicht zur Disulfidbildung verwendet, sondern auf „dys- oxydable“ Verbindungen der Zelle überträgt, ohne dabei selbst 1) Journ. of biol. Chemistry vol. 6 p. 299. 1909. Die Oxydation des Cystins findet erst in stark alkalischer Lösung statt. Ebenda S. 289. 2) Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 30 S. 285. 1913. 438 Otto Meyerhof: oxydiert zu werden. Das war schon von Heffter für die Reduk- tionsfähigkeit lebender Zellen vermutet worden, doch gab es keinen Beweis dafür. Eine solche Übertragung findet aber in unserem Fall in der Tat statt. Setzt man zu gewaschener, nicht atmenderAcetonhefeinneutraler(oderauchschwach saurer) Lösung thioglykolsaures oder «a-thiomilch- saures Na, so nimmt das System das Vielfache von dem Sauerstoff auf, der für den Übergang zum Di- sulfid erfordert wird. In meinen 6—8stündigen Versuchen, betrug die aufgenommene Menge Sauerstoff das Fünf- bis Sechs- fache der bei katalytischer Oxydation gleicher SH-Menge er- forderten bzw. berechneten. Bei der katalytischen bzw. spontanen Oxydation der Thioglykol- säure in schwach alkalischer Lösung blieb die aufgenommene Sauerstoffmenge bis zum Verschwinden der SH-Reaktion 20 °o hinter der berechneten zurück, offenbar weil das Kahlbaum’sche Präparat schon Disulfid enthielt. Kleiner war die Differenz bei _ m 20 5 Abwiegen der Säure und Neutralisation mit 5 NaOH bis zum a-Thiomilchsäure. Die Stammlösungen, meist wurden durch Umschlagspunkt von Neutralrot (ziegelrot) hergestellt. Waren die Stammlösungen schon einige Tage alt, so konnte die aufgenommene: Sauerstoffmenge noch etwas kleiner sein wegen vorher gegangener geringer Spontanoxydation (vgl. dazu das weiter Folgende). Esist da- her richtig, die in Gegenwart der Acetonhefe aufgenommene Sauer- stoffimenge nicht mit der für die Disulfidbildung berechneten, son- dern jeweils bestimmten zu vergleichen. Übrigens waren alle Abmessungen nur auf etwa 10° genau. Da die katalytische Oxydation mit MnC],, die von Thunberg entdeckt und von mir zum Vergleich der maximalen Sauerstoffaufnahme meist benutzt wurde, sehr rasch verläuft, durfte der Katalysator natürlich nicht vor Schluss der Manometerhähne zur Thiosäure zugesetzt werden. Es wurden daher die sonst zur Kohlensäurebestimmung dienenden Atmungsgläschen benutzt, die MnCl,-Lösung in den Anhang ge- füllt und nach Schluss des Manometerhahns vorsichtig umgekippt, ohne dass die KOH des Einsatzes auslaufen konnte. (Diese KOH- Füllung des Einsatzes ist zur Absorption von Kohlensäure, die beim Zusammenfliessen der MnC],-Lösung mit der Thiosäurelösung freigesetzt werden könnte, erforderlich.) Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. u) © FE | ° * HANBSTOTLULONTT, (&% )) zo | zsı | "9ANESUOTILIOHTL, (% )) °0 + 35998598 ueggoampkuayg + ul 9 FE © oanesroyäisonmg, (00) #0 | 21a | amzstostorngg (%)) 20 + 3o1esod ueggoangkuagg + u _. wuaz cI - - 3on8898 megpoamfduogg + I IL | " 98198898 | | | | | veggaanpkuoyg + '< - - HmpstöfttuorgT, (% )) 20 TET | "HANBSUITTUIOITLT, (& )) 50 | | \ + -Jangesod wegyoangkuayg + ur = — | = 0°" ommesod uegompiuogg + | z2 | ° © ° > asımesos | | uepppanfkuoyg+ 7 ‚Or ul g sr | ° OamesporÄjsongL Mr )) vo | 785 9anespopipsongs, (fF )) vo + 30198809 uengoanpkuagg -+ ‚09 ul“ 5 Ze = 03 Dre zyesuz ouygo | 902 |. : "Hommesan uegpoanpÄuayg -F 'E Te ER re 19 v | Oamespoydsong] (7 )) vo | 21 OamgsponKjsongL (F )) v0 | : | + uegpankmg-IT 09@T + | = = ST | 0 nn eenz euygg.| SITE | =" esnz Buyg '< ‚08 u & F5 | OamespoKTsongL (& )) 50 | EHE SumgsjonKisorg, (&)) 30 + | ı06 uS Ss ze = sl a er zyeeng, auyg. | zog. = zyesnzeanug °0 °0 0) a °9:'JKjeyey wu wu wu) Sn. ® . - ee Se Er == u, — pe I =: = 77 En En a ee > 0: '9Y 'yosemnad -u0J99Yy SOp i yumunsoq UoNepÄxQ apoyuolwdy 1197 PEN 19yosmATeye] Ta YOnerqıoA-°0 nad 9uaToSsemasu |] -(19S8Se AM UI OL:T W009 Z 81998) UOLOTSUEÄSNSPJOLILONI0Y pAnp oIsıoneg WIOJOULIEFTUINTgNM Ur YONBIgTaA 1 oT194eL A440 Otto Meyerhof: Wenn die Acetonhefeversuche nach den angegebenen Zeiten abgebrochen wurden, so war, wie die chemische Probe ergab, die SH-Konzentration der Thioglykol- oder «@- Thiomilchsäure zwar stets erheblich gesunken, auch war die Oxydationsgeschwindigkeit zurückgegangen, aber die Gruppe war durchaus noch nicht völlig oxydiert und das Vermögen zur Sauerstoffübertragung nicht er- schöpft. Blieben die Atmungsgefässe über Nacht ohne Schüttelung im Thermostaten hängen, so konnten noch weiterhin 100—150 cmm Sauerstoff aufgenommen werden. Wenn aber die chemische Probe das Verschwundensein der SH-Gruppe anzeigte, so hatte auch die Fähigkeit zur weiteren Sauerstoffaufnahme in Gegenwart ge- waschener Acetonhefe aufgehört. Diese Sauerstoffaufnahme ist nun gewiss nicht mit der normalen Oxydation der Acetonhefe identisch, aber sie zeigt doch manche verwandte Züge und ist auch für sich eine interessante Reaktion, so dass darüber noch folgende Angaben gemacht seien: Von den untersuchten autoxydabeln Thioverbindungen sind nur die beiden genannten dafür brauchbar. Cystein und ebenso Äthylmerkaptan nehmen in Anwesenheit von Acetonhefe nicht mehr und nicht schneller Sauerstoff auf als auch sonst, bei gleicher H‘-Konzentration, also nur zur Disulfidbildung. /-Thiomilchsäure zeigt in Anwesenheit von Acetonhefe nur eine äusserst langsame Sauerstoffiaufnahme, wie sie auch für sich am schwächsten autoxy- dabel ist. | Wässerige Lösungen von Thioglykolsäure und a-Thiomilchsäure sind bei der Cz 10° —107, bei der sie das Maximum von Sauerstoff auf gewaschene Acetonhefe übertragen, für sich tage- und selbst wochenlang an der Luft fast ganz beständig, selbst in Anwesenheit von Metallsalz wie MnC],. Der schein- bare Widerspruch mit den Experimenten Thunberg'’s, der die rasche Spontanoxydation dieser Verbindungen an der Luft und. den enorm beschleunigenden Einfluss von MnCl, auf sie studiert hat — ıoooooo m MnCl, vervierfacht die Oxydationsgeschwindig- keit von Thioglykolsäure —, erklärt sich so, dass dieser Forscher: die Sauerstoffaufnahme ausschliesslich bei schwach alkaliscker Reaktion bestimmt hat (Phenolphthalein eben schwach rosa). In der Tat: bei der geringsten Verschiebung der Reaktion nach der alkalischen Seite beginnt die Spontanoxydation dieser Verbindungen Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. Ill. 441 und nimmt mit steigender Alkalinität rasch zu; und erst dann übt auch MnCl, seinen enorm beschleunigenden Einfluss aus. Daher hing auch die Beständigkeit der „Stammlösungen“ nur davon ab, ob dieselben keine Spur zu weit neutralisiert waren. Die Abhängigkeit der Oxydationsgeschwindigkeit von der Reaktion in An- und Abwesenheit von MnC], ist am besten aus den beiden Figuren zu ersehen, die je einen Versuch wiedergeben. Die konstante Reaktion wurde durch Boratgemische (Sörensen) hergestellt = 7,6, 8,7, 9,7. In jedes Atmungsgläschen wurde Kubikmillimeter O,. Bio.cT. x I= p7% 15, Ia — p5. 1,5 + MnC],. . II = py„ 359, IIa = py: 85 + MoCl.. OIN = p,. 93. 1 cem hiervon gefüllt, dazu 0,4 ccm = thioglykolsaures Na, dessen theoretische Gesamtaufnahne an Sauerstoff 56 emm betragen würde, aber in Wirklichkeit wie angegeben, mindestens 20 %o weniger betrug, im ersten Beispiel 44 cmm, im zweiten 40 cmm. Zu der Hälfte der Versuche wurde dann noch 0,6 cem dest. Wasser ge- geben, zur anderen Hälfte in die Anhänge der Atmungsgläschen 0,6 ecm einer 0,0002 m MnC],-Lösung, und diese erst nach Schluss der Manometerhähne in die Thioglykolsäure umgekippt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die wässerige, genau neu- m trale Lösung. von 40 thioglykolsaurem Na mit der gleichen Menge MnC], in 16 Stunden keinen Millinieter Sauerstoff aufnahm. — Kubikmillimeter O,. 449 Otto Meyerhof: Genau ebenso verhält sich «@-Thiomilehsäure, nur ist bei gleicher Reaktion mit und ohne Katalysator die Oxydationsgeschwindig- keit stets langsamer als bei Thioglykolsäure. So war zum Bei- spiel 0,4 ccm einer 5, Lösung + 1,6 eem Phosphat- bzw. Borat- gemisch (ohne Katalysator), in 2 Stunden bei pr- = 9 zur Hälfte umgesetzt, bei pu. —7 und 8 noch gar nicht oxydiert. Endlich zeigen sich dieselben Gesetzmässigkeiten auch bei ß-Thio- milchsäure, nur ist hier die Oxydation noch langsamer. Eine Fig. 2. >< Ta — p,. 7,5 + MnQ],. oe II = p„. 85, JIa = pz. 85 + MnQ],. OH —=9,95 IHa— py. 9,5 + Moll, Lösung von 0,2 cem 5 auf 2 cem Flüssigkeit wird bei pz: — 9 in 3 Stunden ohne Katalysator etwa zu einem Fünftel oxydiert, mit 0,6 ccm 0,0002 m MnC], nur etwa doppelt so schnell; auch der MnC],- Einfluss ist hier also: geringer. Auf Grund dieser Feststellungen über die Spontanoxydation | der Thioglykolsäure — die als leichtest autoxydable uns als Para- digma dient — verstehen wir die folgende Eigentümlichkeit: Setzen wir 0,2 ccm an thioglykolsaures Na zu 2 com ge 20 waschene Acetonhefe, dass eine Mal bei genau neutraler Reaktion, das zweite Mal bei schwach alkalischer, so geht im ersten Fall die Sauerstoffaufnahme stundenlang fort unter geringem Nach- Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 443 lassen der Geschwindigkeit; im zweiten aber, wo sie anfangs etwa ebenso rasch verläuft, hört sie alsbald auf, nachdem wenig mehr Sauerstoff aufgenommen ist, als zur Disulfidbildung erfordert wird. Nach Aufhören des Versuches fällt die SH-Reaktion im ersten Fall trotz beträchtlich grösserer Sauerstoffaufnahme positiv aus, im zweiten negativ: Durch Alkali ist also die Thio- glykolsäure oxydiert und durch ihre oxydative Zer- 200 LP IrrZBE ci. f Sa . 7, . ee 100 2 Z II: 80 Kubikmillimeter 0, 0 4A Ah 3% ah sh Fig. 3. I = Ohne Zusatz, II = Thioglykolsäure neutr., 11I = Thioglykolsäure alk. störung die Sauerstoffübertragung unmöglich ge- worden. Hierbei sei an die weitgehende Analogie zu dem Ver- halten der SH-Reaktion des Extraktes und der Atmungserregung durch ihn erinnert, wie es sich bei verschiedener Reaktion und nach „Alkaliinkubation“ ergab. - Ein solcher Versuch ist auf Fig. 3 abgebildet: In 51/2 Stunden betrug die Sauerstofizehrung von (7) 1 ccm ge- waschene Acetonhefe + 1 ccm dest. Wasser!): 12 cmm 0,. 1) In allen Fällen wurde mit Phenylurethan gesättigt. - 444 Otto Meyerhof: (II) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,6 ccm dest. Wasser + 0,4 cem (>) thioglykolsaures Na (Lösung gegen Neutralrot rot) 189 cmm O,;; die Sauerstoffaufnahme war aber noch nicht beendet. In den folgenden 2 Stunden wurden weitere 45 cmm 0, aufgenommen. (III) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,4 cem (45) thioslykol- saures Na + 0,3 \ NaOH + 0,3 ccm dest. Wasser (Phenolphthalein schwach rosa) in 5 Stunden 64 cmm O,; die letzte halbe Stunde ist nur noch ebenso viel 0, verbraucht wie in der Kontrolle. Die SH- Probe fällt negativ aus. Durch die Thioglykolsäure ist also in ZZ 189 — 12 (Kontrolle) — 177 cmm 0, aufgenommen, in III 64 — 10 — 54 cmm 0,, während bei katalytischer Oxydation von der gleichen Menge Thioglykolsäure 42 cmm O, verbraucht wurden. Ebenso verliefen Wiederholungen des Versuches. Der Übergang zum Disulfid stellt also gleichsam den Ver- brauch des „Oxydationskatalysators“ vor. Dieser vollzieht sich rasch in alkalischer, sehr langsam in neutraler und übrigens noch langsamer in schwach saurer Lösung. Dagegen findet die Sauerstoff- übertragung selbst wahrscheinlich nicht unter einfachem Über- gang. zum Disulfid statt. Denn die Zugabe der entsprechenden Disulfide: Dithiodiglykolsäure und «-Dithiodilactylsäure zu ge- waschener Acetonhefe bewirkt keine Sauerstoffaufnahme. Um dies festzustellen, wurden Thioglykolsäure und «-Thiomilchsäure in alkalischer Lösung mit MnÜCl, oxydiert und dann die neutrali- sierten Lösungen zu gewaschener Acetonhefe hinzugefügt. Wie weit erklärt nun die Sauerstoffübertragung durch Thio- glykolsäure die Atmungserregung des Extrakts, und wie weit lässt sie sich ihrerseits erklären oder doch mit anderen Arten der Sauerstoffaufnahme der Thiosäuren in Verbindung bringen? Zwischen der Rolle des Extrakts und der Thioglykolsäure gegen- über gewaschener Acetonhefe finden sich beträchtliche Unter- schiede, die eine direkte Gleichsetzung beider Vorgänge nicht gestatten. Zunächst gehört die SH-Gruppe im Extrakt natürlich keiner der beiden hier studierten Säuren an, diese werden zum Beispiel nicht durch Alkohol gefällt. Anderseits beschleunigt MnCl, die Oxydation der SH-Gruppe des alkalisch gemachten Extrakts nicht usw. Ferner bedarf es einer zum mindesten zehnfach höheren SH - Konzenration, um mit Thioglykol- säure eine Oxydation gewaschener Acetonhefe von annähernd gleicher Geschwindigkeit zu erzielen wie mit Extrakt, dessen Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. A445 SH-Gehalt gleich ist. Die prinzipiellste m m 2000 3000 gesetzt Differenz beider Vorgänge ist aber darin zu sehen, dass die Sauer- stoffübertragung durch Thioglykolsäure von dem „Atmungsenzym“ der Acetonhefe unabhängig ist. Wird die gewaschene Acetonhefe im kochenden Wasserbad erhitzt, so ist die Sauerstoffaufnahme mit Thioglykolsäure zwar manchmal etwas verlangsamt, aber doch nicht wesentlich geändert. Ebenso wird sie auch durch Urethane nicht gehemmt, ja öfters sogar beschleunigt. Endlich steigert Methylenblau nicht die Oxydationsgeschwindigkeit, sondern setzt sie sogar herab. Offenbar handelt es sich nach allem hier um eine direkte (chemische) Übertragung des Sauerstoffs auf die Hefesubstanz. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der ge- waschene Ultrafiltrationsrückstand von Mazerationssaft nicht zur Sauerstoffübertragung durch Thioglykolsäure Anlass gibt. Welche Umstände bedingen die Oxydationsgeschwindigkeit im System Acetonhefe + Thiosäure ? Über diese Frage kann ich leider trotz recht zahlreicher diesbezüglicher Versuche nur un- genügend Auskunft geben. Bei Benutzung der Thioglykolsäure er- gibt sich in verschiedenen Versuchen wenigstens immer die gleiche Grössenordnung der Geschwindigkeit unter sonst nicht erkennbar veränderten Bedingungen, bei «-Thiomilchsäure ist die Sauerstoff- aufnahme meist langsamer, aber in den einzelnen Versuchen ausser- ordentlich wechselnd. Hier scheinen kleine Unterschiede der Re- aktion eine Rolle zu spielen: bei «-Thiomilchsäure war die Oxy- dationsgrösse bei nicht-neutralisierter (saurer) Azetonhefe sehr vermehrt, bei Thioglykolsäure ergab sich kein erheblicher Unter- schied. Durch verschiedene Zusätze, Urethane,. Alkohol, Salze wird die Geschwindigkeit in unregelmässiger Weise beeinflusst, in der Regel dureh Phenylurethan und i-Butylurethan vermehrt. Trotzdem lässt sich so viel sagen, dass unter sonst möglichst gleichen Umständen die Geschwindigkeit einigermassen der Kon- zentration der Acetonhefe und der Thioglykolsäure proportional ist. (Die «-Thiomilchsäure-Oxydation ist zu schwankend für derartige Feststellungen.) Für diese seien folgende beiden Beispiele gegeben: 1. In 5h 30’ Kubikmillimeter Sauerstoff verbraucht von a) 1 ccm gewaschener Acetonhefe + 1 ccm dest. Wasser. 12 b) 1 cem gewaschener Acetonhefe + 0,4 ccm 10 Thioglykol- säure + 0,6 ccm dest. Wasser + Phenylurethan gesättigt 189 446 Otto Meyerhof: co) Sl eem gewaschener Acetonhefe + 0,2 ccm 2, Phioglykol- säure + 0,8 cem dest. Wasser + Phenylurethan gesättist 91 d) 0,5 cem gewaschener Acetonhefe + 0,4 ccm 1 Phio- glykolsäure + 1,1 ccm dest. Wasser + Phenylurethan Besätiei ee N EN ee LUG 2. In 2h 45’ Kubikmillimeter Sauerstoff verbraucht von a) 1 ccm gewaschener Acetonhefe + 0,5 cem dest. Wasser + 0,arcem 5 lo igem i-Butylurethan nn mn 0 b) 1 cem gewaschener Acetonhefe + 0,2 cem >, Phioglykol- säure + 0,5 cem 5 V/oigem i-Butylurethan + 0,3 ccm dest. Wasser . 91 c) 0,4 ccm gewaschener Acetonhefe + 0,2 ccm 5, Phio- glykolsäure + 0,5 cem 5 Yo igem i-Butylurethan + 0,9 cem dest. "Wasser. Ja a ne REN Eee Infolge der geschilderten Schwankungen ist auch das Ver- halten der Thioglykolsäure gegenüber ungewaschener Acetonhefe nicht besonders beweisend. Die ungewaschene Hefe zeigt ja eine eigene Sauerstoffzehrung. Wird diese nun um denselben Betrag vermehrt, wie der O,-Übertragung durch Thioglykol- säure entspricht? In der Regel findet sich ‚hier ein Mehr- verbrauch an Sauerstoff, der im Verlauf von 6—3 Stunden die zur Disulfidbildung erforderte Sauerstoffmenge weit übertreffen kann, doch bleibt dieser Mehrverbrauch stets erheblich hinter der in gleicher Zeit von gewaschener Hefe + Thioglykolsäure auf- genommenen Sauerstoffmenge zurück; manchmal bleibt er auch ganz aus. In dem obigen Versuch 1 ergab sich zum Beispiel in 5& 30’ für 1,6 ecm ungewaschene Acetonhefe + 0,4 cem dest. Wasser + Phenylurethan gesättist . . . ....180 cmm 0, 1,6 ccm ungewaschene Acetonhefe + 0,4 ccm 2, Phio- elykolsäure + Phenylurethan gesättist .. . . . 272 „ 0. KatalytischwurdenvonderselbenMengeThioglykolsäure 42 ,„ 0% aufgenommen. Wenn die Sauerstoffübertragung der Thioglykolsäure auf ge- waschene Acetonhefe ein chemischer, durch Fermenttätigkeit nicht beeinflusster Vorgang ist, der wohl demonstriert, wie die SH- 447 Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. Gruppe des Extrakts wirken könnte, aber doch mit dieser Wirk- ‚samkeit nicht identisch ist, so müssen wir uns anderseits fragen, ob denn vielleicht auch in Gegenwart anderer Zellsubstanzen, etwa Eiweisskörper, eine solche Sauerstoffübertragung durch Thioglykol- säure stattfinden kann. Ich habe verschiedene Eiweisslösungen ge- prüft, eine Übertragung von annähernd ähnlichem Umfang nicht ge- funden, aber doch auch in bestimmten Fällen eine Mehraufnahme von Sauerstoff gegenüber der katalytisch verbrauchten Sauerstoffmenge. Ein genauer studiertes Modell ist: Bouillon + Thioglykolsäure. Dies System nimmt 30—50 % mehr Sauerstoft auf als bei gleich- zeitiger (katalytischer) Autoxydation zur Disulfidbildung benötigt wird. Der Vorgang unterscheidet sich auch darin prinzipiell von dieser Spontanoxydation, dass er in neutraler und schwach saurer ‚Lösung ebenso schnell verläuft wie in alkalischer. Dieser Oxydations- ‚prozess hängt daher auch nicht von der etwaigen Anwesenheit von Metallsalzen in der Bouillon ab.” — Da die Reaktion ziemlich rasch bis zum völligen Verschwinden der SH-Gruppe vor sich geht, wurde für genauere Versuche wie bei der katalytischen Tabelle 1. Thioglykol Katalytische Oxydation Bouillon-Oxydation IKIE I ver- säuremenge is au Dane 2 2 0 | | 18 + 0,6ccm Boratgemisch } + Sr gen dest. } m| (94:87) + 0,8 cem + 0,3 cem i-Butyl- | 0,4 cem ( 40 sikeethän. 4% | 2 urethan 4°%o | 0,8 ccm } 62 | 50 0,5 ccm MnCl, 0,0002 m || Bouillon neutr. um- | umgekippt . 2... . ) gekippt. .c. .. -| | 2. + 0,7 ccm Boratgemisch (Pp-:92) + 0,4 ccm! 0,4 cem Ge + 0,7 ccm dest. Wasser | { 40 | i-Butylurethan 4% | |0,7 cemBouillonneutr. ? 54 | 35 0,5 cem MnQl, 0,0002 m | umeekippte .22. umgekippt . .... | 3. ee 1 ccm Boratgemisch | +1 ccm dest. Wasser ) mf (Pr :92) | 0,7 ccm | | 0,7 ccm Bouillon |! . Be >» cem (75 | Mucı, 0,0002 m um- fu alkal. (p7. :92) um- f Er BEREBREERR 7 J gekippt. ce aan ) 4. + 0,8ccm Boratgemisch |\ 0,5 cem ( (24:87) + 0,2 ccm |] + 0,9 ccm dest. Wasser . 20 | dest. Wasser | 0,5 ccm |492 | 10,6ccm Bouillonneutr. (122 30 MnQl, 0,00005 m um- umgekippt . .. . J Sekippen urn. J 448 Otto Meyerhof: Oxydation verfahren, die Bouillon in den Anhang der Atmungs- gefässe gegeben und erst nach Schluss der Manometerhähne in die Thioglykolsäure umgekippt. 0,2—0,4 cem 50 Thioglykolsäure in etwa 1,5 ecm werden mit 0,5—1,0 cem Bouillon in ca. 2 Stunden völlig oxydiert. | Es wurde u. a. untersucht, wie sich die verschiedenen Systeme gegen Blausäure verhalten. Von Mathews und Walker war eine sehr hohe Giftigkeit der Blausäure für die Spontanoxydation des Cysteins auch in Abwesenheit von Metallsalzkatalysator fest- gestellt verzögert etwa 50°. Demgegenüber musste die n ° 10000 Unwirksamkeit der Blausäure auf die Acetonhefeatmung auffallen, falls bei dieser der SH-Gruppe eine Bedeutung zukommen sollte. In der Tat verhalten sich die einzelnen studierten Oxydations- systeme gegen Blausäure ganz verschieden. Das System: ge- waschene Acetonhefe+ Thioglykolsäure ist völlig unempfindlich noch gegenüber 200 KCN; ebenso un- empfindlich ist die katalytische Oxydation mit MnCl,, bei der Spontanoxydation ohne Katalysator in alkalischer Lösung ver- zögert — KCN etwa 50°/o; beträchtlich ist dagegen die Blau- säurehemmunpg im System Bouillon + Thioglykolsäure (oder «- Thiomilchsäure): nm KCN hemmt hier gut 60 %, = fast kom- plett. Zum Vergleich gebe ich den Sauerstofiverbrauch in Zeiten, in denen die Kontrolle etwa zur Hälfte oxydiert ist. I. Thioglykolsäure und gewaschene Acetonhefe. 1. In 3 Stunden Kubikmillimeter Sauerstoff: 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 1 cem dest. Wasser 4cmm 0, 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,3 ccm >, Phio- glykolsäure + 0,7 cem dest. Wasser . ...89 ,60 1 cem gewaschene Acetonhefe + 0,3 ccm 50 Phio- glykolsäure + 0,5 cem og BON + 0,2 ccm dest. Wasser (— 2 _KCN) ee ae BAR I DE ARDE 400 Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 449: 2. In 4 Stunden Kubikmillimeter Sauerstoff: 1 ccm. gewaschene Acetonhefe + 1 ccm dest. Wasser 3cmm 0, 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,3 ccm 30" Phio- 3) glykolsäure + 0,7 cem dest. Waser . . ..96 „ 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,3 ccm 5, Thio- glykolsäure + 0,2 ccm ag KON + 0,5 ccm dest. Wasser (— KON) ER a nr 5. Do EMO 200 1. Thioglykolsäure alkalisch + Mn(l,. 1. In 50 Minuten (Gesamtumsatz 90 cmm 0,): e ‚3 cem Borat (Pr: : 8,7) + 0,5 ccm 0,00005 m MnC], + 0,5 ccm (55 -Thioglykolsäure + 0,2 ccm dest. Wasser . . ee s2kcımm 0: 1,3 ccm Borat (pa : 8 87) \ 0, 5 ccm 0, 000 05 m MnC], + 0,5 cem ee + 0,2 ccm RO ae a ER ade n m 2. In 15 Minuten (Gesammtumsatz etwa 45 cmm O3): 1,2 ccm Borat (pr: : 8,7) + 0,5 cem 0,0002 m MnCl, + 0,2 ccm ne + 0,1 .ccm. dest. Wasser . . „aan, 05 1,2 ccm Borat we P 7) 4 0, 5 ccm 0,0002. m MC) + 0,2 ccm 50 Thioglykolsäure +0,1cem n -KCN —_ IND) N DDr Os ann 11. Thioglykolsäure und Thiomilchsäure, alkalisch. 1. In 1 Stunde 50 Minuten (Gesamtumsatz etwa 90 cmm 03): 1,3 ccm Borat (pr. : 8 ‚”) + 0,5 ccm — -Thioglykolsäure + 0,2 ccm dest. Wasser. . . . . 0... .40cmm 0, 1,3 ccm Borat (pr: 8,7) + 0,5 ccm MR Tnioglgkalsäure 0,2 == — FERN + 0,2 ccm m KCN _ N) 4 ,„ ©% Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 29 450 Otto Meyerhof: 2. In 1 Stunde 20 Minuten (Gesamtumsatz etwa 45 cmm 0,), Hemmung 50 lo: 1,7 ccm Borat (9x: : 9,2) + 0,2 ccm >, "Thioglykolsäure + 0,1 ccm dest. Wasser 21 cmm 0, 1,7 cem Borat (P,- : 9,2) + 0,2 ee nt N Rp com 7 KENT En o. Mh Ra (0). 3. In 2 Stunden 40 Minuten (Gesamtumsatz 107 cmm 0,), Hemmung 50 °/o: 1,3 ccm Borat (pa-: 8,7) + 0,5 cem 55 Phioglykolsäure + 0,2 cem dest. Wasser. 43 cmm 0, 1,3 cem Borat (94.: 8,7) + 0,5 ccm nr Thioglykolsäure 1 0,2 cem sg KON e Ey} ee 4. In 17 Stunden (Gesamtumsatz etwa 120 ccm 0,): 1,3 ccm Borat (Pr-: 8,7) + 0,5 ecm 55 [hiomilchsäure + 0,2 cem dest. Wasser 76 cmm 0, 1,3 ccm Borat (Pa-: 8,7) + 0,5 cem 55" Thiomilchsäure n + 0,2 ccm 100 KEN (= = KON) a Er: 5. In 3 Stunden 40 Minuten (Gesamtumsatz etwa 120 cmm 0,), Hemmung 35 %o: 1,4 ccm Borat (px: : 9,3) + 0,5 ccm 55 Pbiomilchsäure + 0,1 ccm dest. Wasser 69 cmm 0, 1,4 ccm Borat (pr. : 9,3) + 0,5 cem >, Phiomilchsäure + 0,1 cem Ag. KCN ee: = -KON). KU 7A0 10 IV. Thioglykolsäure und Thiomilchsäure mit Bouillon. 1. In 50 Minuten (Gesamtumsatz 122 cmm 0,), Hemmung 65 lo: 0,5 ccm 55 [hioglykolsäure + 0,9 ccm dest. Wasser 0 ‚6 cem Bouillon 59 cmm 0, Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 451 0,5 ccm >, Phioglykolsäure + 0,7 ccm dest. Wasser n + 0,2 ccm Too gen = —. Beullon) Sy nn. en 2 Emm 02. 2. In 2 Stunden (Gesamtumsatz 136 cmm 0,), Hemmung 90 Jo: 0,5 ccm 55 Thioglykolsäure + 0,9 ccm dest. Wasser 220.0. cem Boullon.a. sun 20. 22 0%. 22 1218 cmm.0, 0,5 ccm an + 0,7 cem dest, Wasser + 0,2 ccm - -KCN + 0,6 ccm Bouillon(—,o, KEN) #17. 0, 3. In 1 Stunde 10 Minuten (Gesamtumsatz 110 ccm 0,), Hemmung 100 Po. 0,5 ccm (55 "Thioglykolsäure + 0,9 ccm dest. Wasser 26 Cem Bomllon . ..: .. 20. nennen. 0a cmm.0; 0,5 ccm (55 Thioglykolsäure + 0,7 ccm dest. Wasser +0,2 Cem >, -KCN + 0,6 cemBouillon =, —— gen) 1 4. In 1 Stunde 10 Minuten (Gesamtumsatz 121 ccm 0,5), Hemmung 80 Jo. ” 0, 0,5 ccm 55" Vhiomilchsäure + 0,8 ccm dest. Wasser Rule cam Bouillony sr av 2.2. N42.cmm?'0s 0,5 cem 55" Phiomilchsäure + 0,7 cem dest. Wasser + 0,1 cem KON + 0,6 cemBouillon (=;,,,-KON) 0 Ausser MnCl, wurde öfters FeCl, als Katalysator benutzt. Dies beschleunigt aber die Autoxydation nur sehr wenig (nach Thunberg von 0,0001 m an, in meinen Versuchen noch schwächer). KCN hemmte fast gar nicht, höchstens wie bei der Autoxydation ohne Zusatz in alkalischer Lösung. Das gegensätzliche Verhalten von Cystein und den beiden Thiosäuren gegenüber Fesalz und MnCl,-FeC], beschleunigt enorm die Spontanoxydation des Cysteins, ist schwach wirksam gegen- über Thioglykolsäure; MnC], beschleunigt enorm die Thioglykol- säureoxydation, ist unwirksam gegenüber Cystein, — liess mich öfters versuchen, ob im Acetonhefeextrakt, der alkalisch gemacht BI 452 Otto Meyerhof: ist, FeCl,;, oder MnC]l, das Verschwinden der SH-Reaktion bei „Inkubation“ im Thermostaten beschleunigt oder die Eigenoxy- dation des alkalischen Extraktes (ohne Acetonhefe) vermehrt, um daraus einen Rückschluss auf die Art der Thioverbindung des Extrakts zu ziehen. Die Ergebnisse waren aber ganz negativ: Beide Salze beschleunigen in 0,00005 molarer Konzentration weder das Verschwinden der SH-Reaktion noch die Eigenoxydation im alkalischen Extrakt. Drittes Kapitel. Die Atmungserregung durch Hexosephosphat. Das Natriumhexosephosphat ist die einzige Substanz, die ich bisher gefunden habe, die imstande ist, die Atmung gewaschener Acetonhefe und des Ultrafiltrationsrückstands von Mazerations- saft in der typischen Weise zu erregen, wie es durch Extrakt, Kochsaft oder Ultrafiltrat geschieht. Mit dem einzigen Unterschied, dass selbst bei 0,3—1 °/o Hexosephosphatzusatz die Atmung nur einen Bruchteil der durch Extrakt erregten beträgt, stimmen diese beiden in allen bisher untersuchten Eigenschaften fast ganz überein. Nicht nur, dass sich hier gewaschener Rück- stand von Mazerationssaft und gewaschene Aceton- hefe gleich verhalten, istauch die Atmungserregung an die Unversehrtheit des Enzyms gebunden: Auf erhitzte Acetonhefebzw. Rückstand ist Hexosephos- phat ohne Wirkung. Besonders deutlich zeigt sich die enzymatische Natur der durch Hexosephosphat erregten Atmung darin, dass diese durch Urethane annähernd ebenso gehemmt wird wie die Ausgangs- atmung. Endlich wird die durch Hexosephosphat erregte Atmung durch Methylenblau um das Mehr- fache gesteigert, dementsprechend wird Methylen- blau von dem System gewaschener Rückstand + Hexosephosphat stark reduziert. All dies legt natürlich die Annahme nahe, dass letzten Endes die Atmungserregung der Extrakte auf darin enthaltenem Hexosephosphat beruht, nur müsste es sich ja dabei um unvergoren gebliebene Spuren handeln, und ein weiterer Umstand müsste für den starken Wirksamkeits- unterschied verantwortlich sein. Dieser könnte in der Richtung der im vorigen Kapitel erörterten Sauerstoffübertragung durch Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 453 SH-Gruppen liegen. Unter Berücksichtigung der allerdings viel schwächeren Wirksamkeit anderer organischer Phosphorsäure- verbindungen und der nur teilweisen Fällbarkeit des Atmungs- ‘ körpers mit Bleiacetat ergibt sich jedoch noch eine andere Mög- lichkeit: Der Atmungskörper könnte mit dem Koferment der Gärung identisch sein und dieses, wie schon von anderer Seite vermutet wurde, eine dem Hexosephosphat nahestehende organi- sche Phosphorsäureverbindung sein. Doch sei hier auf die Aus- malung bestimmter Hypothesen verzichtet, da dafür das Versuchs- material noch sehr erweitert werden muss. Geschieht die Atmungserregung durch das Hexosephosphat ‚selbst oder durch den Zucker, der durch die Tätigkeit der Phos- phatase hieraus abgespaltet wird ? Diese Frage ist noch nicht völlig geklärt, doch ist das letztere wahrscheinlich aus folgenden Gründen: 1. Die durch Hexose- phosphat im Ultrafiltrationsrückstand erregte Atmung steigt in den ersten Stunden — auch bei Zusatz von Phenylurethan — stets ein wenig an, während die Atmung des Mazerationssafts selbst, besonders aus der für diese Versuche benutzten ziemlich. schlecht wirksamen Hefedarstellung, in gleicher Zeit erheblich abfällt. Ähnliches beobachtet man auch bei Hexosephosphatzusatz zu nicht filtriertem Saft. 2. Nach Harden und Young!) verhält sich der durch die Phosphatase abgespaltene Zucker chemisch wie Fruktose: er gibt neben dem typischen Osazon die Seli- wanoff’sche Ketosenreaktion mit Resorein und Salzsäure. Nun zeigt aber Fruktose gegenüber dem gewaschenen Rückstand im Gegensatz zu Glukose und Galaktose ein eigentümliches Verhalten: während diese in Abwesenheit von Phosphat die Atmung gar nicht erregen, gibt schon der Zusatz gereinigter Fruktose (Mercks Lävu- lose puriss. eristall.) zum Rückstand eine regelmässige, allerdings sehr unbeträchtliche Sauerstoffzehrung in den ersten 1—2 Stunden, die dann völlig sistiert. Durch nicht gereinigte Fruk- 'tose (Kahlbaums ‚,käufliche* Lävulose) wird aber der Rückstand in der gleichen Zeit sehr beträchtlich aktiviert, anfangs mehr als doppelt so stark wie durch Hexosephosphat von gleicher Konzentration. Auch diese Atmungserregung, die im übrigen alle Eigenschaften 1) Harden and Young, Proc. Roy. Soc. Ser. B vol. 82 p. 326. 1910. 454 Otto Meyerhof: echter Atmungsaktivierung besitzt — Steigerung durch Methylen- blau, Aufheben durch Erhitzen des Rückstands und Urethan —, lässt dann aber in den folgenden Stunden rasch bis zum völligen Versehwinden nach. (Einzelheiten s. später.) Zur Herstellung der Stammlösung von hexosephosphorsaurem Natrium wurde in der Regel 4 °/o Caleiumhexosephosphat (Euler) von der Formel C,H,.0,[(PO,)Ca], mit der entsprechenden Menge Natriumoxalat geschüttelt (0,4 g auf 0,8g Ca-Salz), nach 3 bis 6 Stunden die hellgelbe Lösung abfiltriert. Wie einige orien- tierende Zuckerbestimmungen ergaben (Säurespaltung in der Hitze, Bertrand-Titration), wird so mindestens die Hälfte umgesetzt. Die Konzentrationen sind daher im folgenden gleich der Hälfte der benutzten Ca-Salzkonzentration angenommen. Die gewöhn- liche Stammlösung ist dann 0,05 m. Wegen Mangels an Acetonhefe und der Unmöglichkeit, die zu ihrer Herstellung erforderlichen Chemikalien zu beschaffen, konnten mit diesem Material nur sehr wenige Versuche gemacht werden; die Mehrzahl wurde mit dem Ultrafiltrationsrückstand des Mazerationssaftes angestellt, was leider sehr viel umständ- licher ist. Diese seien hier vorangestellt. 1. Versuche mit Ultrafiltrationsrückstand. In der Mehrzahl der Versuche wurde 0,8 bis 1 cem 0,05 m Hexosephosphat auf 2 cem Versuchslösung benutzt. Diese Mengenverhältnisse waren nach einem orientierenden Vor- versuch gewählt, aus dem sich zu ergeben schien, dass die Atmungserregung mit zunehmender Konzentration des Phosphor- säureesters immer mehr stiege. Genauere Versuche “führten jedoch später zu dem Resultat, dass ein solcher Anstieg nur bis zu etwa 0,3—0,4 ccm auf 2 cem Lösung, also etwa bis 0,01 m erfolgt. Eine Erhöhung der Konzentration darüber hinaus führt sogar für den Anfang wieder zu einer Verringerung der Atmungs- grösse, so dass die in den meisten Versuchen gewählten Mengen- verkältnisse nicht mehr ganz optimal sind. Erst in langer Zeit, die die übliche Versuchszeit von 3—5 Stunden übertrifft, findet ein allmähliches Absinken der kleinen gegenüber den höheren Kon- zentrationen statt. Unter 0,01 m wird die Atmungserregung mit abnehmender Hexosephosphatkonzentration rasch verringert, zu- dem fällt die Atmung hier schon in den ersten Stunden ab. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 455 Die Reaktion wurde durch Zugabe von 11 NaOH zum ge- waschenen Rückstand neutral gehalten. Auch die Änderung der Reaktion hat etwa denselben Einfluss wie auf die Atmung des Mazerationssaftes. Sowohl nach der sauren wie nach der alkali- schen Seite fällt die Atmung mit Hexosephosphat ab. Die absolute Grösse der Atmungserregung hängt ausser von den erwähnten Umständen noch etwas von der Waschung des Rückstands ab. In dem für diese Versuche benutzten Saft aus recht schlecht wirksamer Hefe wird die Atmung schon durch Waschen mit der 100—200 fachen Menge Wasser ganz oder nahezu aufgehoben (vgl. dazu die vorige Arbeit), Wird nun sehr viel stärker mit der 1000—3000fachen Wassermenge gewaschen , so wird die Atmungserregung ziemlich erheblich geschwächt. Zunächst seien einige Beispiele für die Atmungserregung in An- und Abwesenheit von Methylenblau gegeben. 1. Ultrafiltrationsrückstand, mit 240fach Wasser gewaschen. Rückstand gegenüber Ausgangssaft 3fach konzentriert. In 44 40’, a) 1,0 ccm Mazerationssaft + 0,15 n NaOH + 0,85 ccm dest. Wasser (Phenylurethan gesättistt) . . . 132 cmm 0, b) 0,35 ccm gewaschener Rückstand (neutral) + 1,65 ccm dest. Wasser (Phenylurethan gesättist) 4:43.05 ec) 0,35 ccm gewaschener Rückstand (neutral) + 1,4 eem dest. Wasser + 0,2 cem 0,5 /oiges Me- thylenblau (Phenylurethan gesättigt). ; 8012405 d) 0,35 cem gewaschener Rückstand (neutral). re 0,8 ccm Hexosephosphat (0,05 m) + 0,8 cem dest. Wasser (Phenylurethan gesättiet) . BR 61 „ 09 e) 0,35 ccm gewaschener Rückstand (neutral) ıL 0,8 ccm Hexosephosphat (0,05 m) + 0,2 ccm Methylenblau 0,5% + 0,6 cem dest. Wasser (Phenylurethan gesättigt) . 145 „ 0 f) 0,35 cem gewaschener Pickend neutral) Y 1,1 cem Ultrafiltrat + 0,4 ccm 15 Na0H +0,2 ccm dest. Wasser (Phenylurethan gesättigt). . . . 67 „ 0 2. Rückstand, mit 860 fach Wassser gewaschen; 3fach kon- zentriert. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 2%: a) 1 cem Saft + 1 ccm 15 Na0H als! aim 08 b) 0,35 ccm Rückstand (neutral} + 1,5 ccm dest. Wasser + 0,1 ccm Natriumphosphat == RED 0; 2 456 / Otto Meyerhof: c) 0,35 cem Rückstand (neutral) + 0,5 ccm dest. Wasser + 1,1 cem Hexosephosphat (0,05 m). . d) 0,35 cem Rückstand (neutral) + 1 ccm Ultra- filtrat + 0.6 cem 15 Na0H 3. Rückstand, mit 930 fach Wasser gewaschen; zentriert. Alles mit Phenylurethan gesättigt. a) 1 ccm Saft + 1,2 ccm 15 Na0H eibt in’1h 30’ b) 0,35 ccm Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser gibt in 5h. c) 0,35 cem Rückstand a 1e ccm Hexosephosphat (0, 05 m) + 0,6 cem dest. Wasser gibt in 5h d) 0,35 ccm Rückstand + 1 ccm Hexosephosphat (0, 05 m) + 0,1 ccm a lenblau = 0,5 ccm dest. Wasser gibt in 5h EN 14 cmm 0, 32.2.2000, 3fach kon- 72 cmm 0, 0 e)) 0; DI 20 N 4. Rückstand, mit 50 N Wasser gewaschen; 2fach konzentriert. Alles mit Phenylurethan gesättigt. a) 1 cem Saft + 1,2 cem 15" Na0H gibt in Ih. b) 0,5 cem Rückstand + 1,6 ccm dest. Wasser gibt in5h. ec) 0,5 ccm Raketen be il, ne ccm dest. Wasser. 2 0,1 cem Methylenblau 0 5% gibt in 5h d) 0,5 cem Rückstand + 1 ccm Hexosephosphat (0,05 m) + 0,6 ccm dest. Wasser gibt in 5 e) 0,5 ccm Rückstand + 1 ccm Hexosephosphat, (0,05 m) + 0,1 cem Methylenblau gibt. in 5h 39 ccm 0, » 0, 152.57 10, 39:..,...0, 102, 0. 5. Rückstand, mit 100 fach Wasser gewaschen; 2fach konzentriert. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3h 30': a) 1 ccm Saft + 1,2 ccm 16 NaOH b) 0,5 cem Rückstand + 1,6 ccm dest. Wasser . c) 0,5 cem Rückstand + 1,5 ccm dest. Wasser + 0, 1 cem Methylenblau 0, 50% L d) 0,5 ccm Rückstand + 1 cem Hexosephosphat (0, 05 m) + 0,6 ccm dest. Wasser h e) 0,5 cem Rückstand + 1 ccm Hexosephosphat (0, 05 m) + 0,1 cem ee A 0,5 ccm dest. Wasser . > Einfluss der Konzern des Hexosephosphats. 144 cmm 10 „ ins 23, s0 ,„ ®- 6. Rückstand, mit 260 fach Wasser gewaschen. Alles mit Phenyl- urethan gesättigt. a) 0,4 ccm Rückstand ar 1,6 ccm dest. Wasser gibt in Ak 15’. . is - 0 cmm 0, Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 457 ») 0,4 ccm Rückstand+1 c cem end 05m) gibt in LE 1 nn. . 34 cmm 0, ec) 0,4 cem Rückstand + 08 ccm Hesosephosphat (0, Oam).ahe in ans‘... 36 „0. 7. Rückstand, mit 105 fach Wasser gewaschen. Alles mit Phenyl- urethan gesättist. Kubikmillimeter O0, in: 1h 40° Ah a) 0,45 cem Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser 0 0 b) 0,45 cem Rückstand + 1,6 ccm Hexosephosphat 05=m).. + 11 28 c) 0,45 ccm Ruckstand et 0,4 ccm Hesosephosphät (0, 05 m) + 1,2 ccm dest. Wasser . . 15 36 d) 0,45 ccm Rückstand + 1 ccm Her seenhosplat 0, 005 m) + 0,6 ccm dest. Wasser . . . I 16 e) 0,45 cem Rückstand + 0,25 ccm Hexosephosphat (0,005 m) + 1,3 ccm dest. Wasser . . 3 > Einfluss der Reaktion. 8. Vgl. Versuch 7. Je 0,45 ccm Rückstand (neutr.) auf 2 ccm in 4b: a) Mit dest. Wasser . . EU RT 0 cmm 0; b) Mit 0,4 cem Besosenlinenhat ea sebl „105 e) Mit 0,4 ccm Hexosephosphat + 0,25 cem a (Br — 8 NE A 102.005 d) Mit 0,4 ccm Hexosephosphat + 0,35 cem 2 a0 ee ED) ee en ee en ae | ER 6 > Einfluss der Waschung des Rückstandes und Erhitzen des Rückstandes. 9. A. 1,2 ccm neutraler Mazerationssaft + 0,8 ccm dest. Wasser verbrauchen in 3b 30° . . NE 120. cmm0,. B. Rückstand, mit 130 fach Wasser gewaschen; 3fach kon- zentriert benutzt. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3% 30': a) 0,4 com Rückstand + 1,6 cem Wasser. . . . 3 cmm O5 b) 0,4 ecm Rückstand + 1,5 ccm dest. Wasser a 01 ccm Methylenblau 0,5 %% ER 0 2.0 e) 0,4 ccm Rückstand + 1 cem Hexosephosphat \. 0,6 ccm dest. Wasser . . 385 „0 d) 0,4 cem Rückstand + 1 ccm Bio eo 2 0, 1 ccm Methylenblau + 0,5 cem Wasser. . . 35 „ 09% C. Rückstand , mit 2800fach Wasser gewaschen; 3Sfach kon- zentriert benutzt. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3& 50’: a) 0,4 com Rückstand + 1,6 cem dest. Wasser. . 0 „ 0% b) 0,4 ccm Rückstand + 1 ccm en vr 0,6 ecm: dest. Wasser. . . 15 I » O2 458 Otto Meyerhof: c) 0,4 ccom Rückstand + 1 ccm a — 0,1 ccm Methylenblau . . . 96 cmm 0, d) Gekocht: 0,4 ccm ieh u Itcem Blerean- phosphat 0,6 cemedest. Wasser . ,„, 2.2 17 7420;: Um zu zeigen, dass die Hemmung der Hexosephosphat- atmung durch Urethane ähnlich ist der Atmungshemmung im unveränderten Mazerationssaft, wurden dieselben Narkotikum- konzentrationen wie in den entsprechenden früheren Versuchen (Nr. 74 und 75 der vorigen Arbeit) gewählt. Nur war es nicht angängig, die Kontrolle selbst ohne Phenylurethan zu lassen, wegen der durch die lange Ultrafiltration und das Hexosephosphat er- höhten Gefahr der bakteriellen Verunreinigung. Es wurde daher in einem Fall die Atmung in gesättigt Phenylurethan (+ 3°/o Methyl- alkohol) mit der in 6°/o Äthylurethan und in 1°/o i-Butylurethan verglichen; in den anderen alle Proben mit Phenylurethan ge- sättigt (+ 3°/o Methylalkohol) und ausser zur ersten noch 6°/o Äthyl- urethan bzw. 1,0 und 1,2 °/o i-Buthylurethan oder 5 °/o Propylurethan hinzugefügt. Die Versuche führen zu gut übereinstimmenden Resultaten. Auch die narkotische Hemmung in Gegenwart von Methylen- blau wurde so verglichen. Diese Hemmung der „Methylenblau- atmung“ ist zwar beim Mazerationssaft nicht untersucht, wohl aber bei Acetonhefe, wo sie sich gleich der Atmungshemmung ergab (Versuche 26 und 27). In der Tat ergibt sich auch hier für Äthylurethan und Propylurethan eine ähnliche (etwas geringere) Hemmung der Methylenblauatmung wie der Atmung. (Der Ein- fluss des i- Butylurethan auf die Methylenblauatmung wurde nur in einem Fall untersucht, bei dem weder mit noch ohne Methylen- blau eine Hemmung stattfand.) Beispiele. 1. Atmung in 5: Je 0,55 ccm Ultrafiltrationsrückstand auf 2 ccm Flüssigkeit (vgl. Versuch 3 oben). Sn ne P) U) a) Mit dest. Wasser; mit Phenylurethan gesättigt v — b) Mit 1 ccm Hexosephosphat (0,05 m); mit Phenyl- urethan gesättist . 29 — c) Mit 1cem Hexosephosphat (0, ‚05 m); mit Phenyl urethan gesättist + 0,025 °/o Methylenblau. . 77 — d) Mit 1 cem Hexosephosphat; Äthylurethan 6% 12 60 e) Mit 1 cem Hexosephosphat; Äthylurethan 6% + 0.025 %/o Methylenblau . . 42 45 f) Mit 1cem Hexosephosphat; i- Butylurethan ıl 2 00 24 17 Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 459 2. Atmung in 5t: Je 0,5 ccm Rückstand auf 2 ccm Flüssigkeit (vgl. Versuch 4 oben). Alle Lösungen mit Phenylurethan gesättigt (+ 3° Methylalkohol): cmm Ummane 6} 0) DeNmerdest Wasser... 0 22.0.0, s an b) Mit dest. Wasser; 0,025°/o Methylenblau . . 15 — e) Mit 1 cem Hexosephosphat (0.05:m) °®. ..89 — d) Mit 1 ccm Hexosephosphat; 0,025 °/o Methylen- blau... . 102 — e) Mit 1 ccm Hexosephosphat:: "6% Äthylurethan 14 65 f) Mit 1 cem Hexosephosphat; 6°/o Äthylurethan 2.025,90, Methylenblau, .% 2. u. 122 22% 2%. 2,57 45 3. Rückstand, 130fach gewaschen. Je 0,4 ccm au 2 ccm Flüssigkeit. ‘Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 5Y/eh cmm Hemmung %/o 2 a) Mit dest. Wasser . . ee ur 5) — b) Mit 1 cem Hexosephosphat . ® 3 0 — e) Mit 1 ccm Hexosephosphat + 0,025 0 Methylen- Blaiı ..2.. 53 — d) Mit 1ccm Hexosephosphat A 6% rar ethan 11 70 e) Mit 1 ccm Hexosephosphat + 1°/oi-Butylurethan 40 0 f) Mit 1 ccm Hexosephosphat + 1 /o i- ne 2 0035%0.Methylenblau ..°. 2.2... ss 0 4. Rückstand, 260 fach gewaschen. Je 0,4 ccm auf 2 ccm Flüssiekeit. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 4* 15’: cmm Eleromung 0 lo a) Mit dest. Wasser . . URS 0 — b) Mit 1 ccm Hexosephosphat . ; 34 — c) Mit 1 cem Hexosephosphat + 0,025 % Methylen- Blauss=.; s2 — ‘d) Miticcm Hexosephosphat. + 5% Pr or Inrethan 3 90 e) Mit 1 ccm Hexosephosphat + 5°/o Propylurethan + 0,025°/o Methylenblau . . 28 65 f) Mit 1 cem at +1 2% i- -Butyl- urerhan "0... 26 24 Es beträgt demnach die Hemmung durch 6° Äthylurethan 65— 70% (mit- Methylenblau 45 °/o), 5 °/o Propylurethan 90 o (mit Methylenblau 65%), 1,2°/o iso-Butylurethan 20 %/o (1 %o iso -Butylurethan 0 %/o). Demgegenüber fanden wir in der vorigen Arbeit für die Atmung des Mazerationssaftes: 6% Äthylurethan hemmt 70°, 1°/o iso-Butylurethan 35 0, gesättigt Phenylurethan 20 °/o. Ferner ergibtsich nach Versuchen von Dorner!) die Hemmung 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 81 S. 100. 1912. 460 Otto Meyerhof: der Gärung im Hefepresssaft durch 8°o Äthylurethan zu 80 %o, durch 6% Propylurethan zu 95/0, 1% iso-Butylurethan zu 24%, gesättigt Phenylurethan fast 0 — alles für Vs Stunde. ‚Für längere Zeiten steigen die Hemmungen dabei stark an, was sich etwas schwächer auch in unserem Falle zeigt. Wir finden hier also überall fast dieselben Zahlen, und ebenso lässt sich der von Warburg und Wiesel!) sowie Dorner beobachtete Parallelis- mus mit der Niederschlagsbildung im Saft nicht nur mit dem Mazerationssaft ebenso wie mit dem Presssaft beobachten, sondern auch mit dem gewaschenen Ultrafiltrationsrückstand unter Zu- gabe von Hexosephosphat in den hier beschriebenen Versuchen. Es ist wohl nicht zufällig, dass die Hemmung durch iso-Butyl- urethan im Vergleich zu Äthylurethan in diesen Fällen noch geringer ist als bei der Atmung der Acetonhefe, wo sich für 7° Äthylurethan 80%, für 1° iso-Butylurethan 66 eo ergab. Vielmehr kann man in Konsequenz der Warburg’schen Regel von dem verstärkenden Einfluss der Zellstruktur auf die _ Wirkung der Narkotika, der sich bei den höheren Homologen mehr als bei den niederen geltend macht, annehmen, dass die Acetonhefe (und noch mehr die Acetonkokken, vgl. Pflüger ’s Arch. Bd. 169 S. 87. 1917) noch eine gewisse „Struktur“ besitzt. Vielleicht ist sogar bei der Hemmung der Hexosephosphatatmung diese Tendenz noch gegenüber der Atmungshemmung im un- filtrierten Saft gesteigert. Durch Glukose- wird die Atmung gut gewaschenen Rück- ° stands nicht erregt, ebensowenig durch Phosphat; nur zeigt das letztere die schon in der vorigen Arbeit erwähnte Eigenschaft, die Atmungssteigerung durch Methylenblau zu erhöhen. Gleich- zeitiger Zusatz von Glukose und Phosphat hat da- gegen einen Ähnlichen Einfluss wie Zusatz von Hexosephosphat; allerdings bleibt die Grösse der Atmungs- erregung, besonders stark in Methylenblaugegenwart, hinter der durch schwächere bzw. ähnliche Konzentrationen Hexosephosphat bewirkten zurück. Zweifelloes kommt es hier durch die „Phos- phatese“* des Rückstandes zu einer, wenn auch (wegen Coferment- mangels?) unvollkommenen, Synthese des Hexosephosphats. Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, dass auch die Atmung 1) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 465. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 461 des Mazerationssaftes durch Hexosephosphat gesteigert wird. Wir verstehen deshalb ohne weiteres, warum Glukose allein zwar die Atmung des inaktiven Rückstandes nicht erregt, aber die dureh Ultrafiltratzusatz in ihm erregte Atmung steigert; das zur Synthese erforderliche Phosphat ist hier im Ultrafiltrat enthalten. Beispiele. 1. Vgl. Versuch 1 der Zusammenstellung auf S. 455. Je 2 ccm Flüssigkeit. Äquivalente Mengen Saft, Rückstand, Ultrafiltrat. Alles mit Phenylurethan gesättist. In 4" 40": a) 1 ccm Saft + NaOH + dest. Wasser. . . . . 132cmm 0, b) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser . . u e) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 0,05 Of Methylenblau . . SEW.105 d) Rückstand (neutr.) E 0,8 ccm Hexosephosphat eosm).. 6 ,„ & e) Rückstand (neutr.) r 0,8 ccm Hexosephosphat + 0,05°/o Methylenblau. . . 3 . .14501,...0, f) Rückstand (neutr.) + 1°/o Glukose . . 625.0,.03 g) Rückstand (neutr.) + ei Glukose + 0,05% Methylenblau . . h 32320, h) Rückstand (neutr.) + 1 Ai. cem Ultrafiltrat . . . - 67 „0, i) Rückstand Gen B, 1 1 ccm Ultrafiltrat u 1°lo Glukose... 134 ,„ 0. 2. Vgl. Versuch 5 auf S. 456. Je 2 ccm Flüssiskeit. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3% 30': a) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser . . ....10cmm 0, a) Rückstand (neutr.) + 0,025 %o Methylenblau NETTE 0, c) Rückstand (neutr.)+1 ccm Hexosephosphat (0,05m) 28 „ © d) Rückstand (neutr.) + 1 ccm ne = 0,025°o Methylenblau . . . : 5058,20, €) Rückstand (neutr.) + 1/o Glukose . . 10 „ © f) Rückstand (neutr.) + 1°/o Glukose " 0,025 L Methylenblau . . 107,709 g) Rückstand (neutr.) + 1 ccm ne hen. Ben ERS) 2 Oo h) Rückstand (neutr.) + 1 ccm 15 Na - Phosphat -- DO20 Meikwlenblau %... .....2..0..0%-.2 2E 5.2.0. 3. Vgl. Versuch 4 auf S. 456. Je 2 ccm Flüssigkeit. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 5h: a) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser . . 8 cmm 0, b) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 0,025 0 Methylenblau . . 15 „ © c) Rückstand u u ir cem Mexosephosphal | (.08.m) : 39 0, 462. Otto Meyerhof: d) Rückstand (neutr.) + 1 ccm Hexosephosphat (0,05 m) + 0,025°/o Methyelnblau . » . . . 102 cmm 0, e) Rückstand (neutr..) + 1° Glukose + 1 ccm 75 Phosphat (ER) ah). 05 f) Rückstand (neutr.) + 1°/o Glukose + 1 ccm 15 "Phosphat (neutr.) + 0,025 °/o Methylenblau . 54 „ 0, 4. Vgl. Versuch 9B auf S. 457. Je 2 ccm Flüssigkeit. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3h 30': a) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser. . . ; 3 cmm 0, b) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 0,025 %/o Metbylenblau . . ee c) Rückstand (neutr.) + det losen: AL ao De phosphat . . . 33 „0% d) Rückstand (neutr.) u dest. Wasser an 1 ccm Ense phosphat + 0,025 °/o Methylenblau . . 8a 224.05 e) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 1 °/o alnkess 2 f) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 1 °/o Glukose +1ecm-—-Phosphat (neubrn)e ia 1 a O5 0) 8) Rückstand (neutr.) + dest. Wasser + 1 /o Glukose +leem-, -Phosphat (neutr.) + 0,025 °/o Methylen- blau | DR ee 0 ER EL Worin genn 1.5 rt: jener (erahnen) ee 26 ) O,. 5. Vgl. Versuch 9 C auf 8. 457. Je 2 cem Flüssigkeit. In 3% 50': a) Rückstand + dest. Wasser . . RE 0 cmm 0, b) Rückstand + 1 ccm Hexosephosphat® RR 51.8100): c) Rückstand + 0,8/o Glukose + 0,8 ccm 75 Phosphat 64.002:.05 Ähnlich wie Glukose verhält sich Galaktose: Ohne Phosphat keine Atmungserregung des gewaschenen Rückstands, mit Phos- phat eine geringe, die aber noch hinter der durch gleiche Kon- zentrationen Glukose hervorgerufenen zurückbleibt. Dagegen seben die Pentosen, Xylose und Arabinose mit Phos- phat nicht die geringste Spur einer Atmungserregung, weil es mit diesen eben nicht zur „Hexosephosphatbildung“ kommt. Ganz anders aber Fruktose! Das eigentümliche Verhalten der „käuflichen* sowie der gereinigten Lävulose, von dem schon oben die Rede war, ist aus den folgenden Versuchsdaten und besonders deutlich aus der Fig. IV zu ersehen, wo der Verlauf der Sauer- stoffzehrung mit Hexosephosphat und käuflicher Fruktose in An- und Abwesenheit von Methylenblau wiedergegeben ist. Die Atmungs- Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 463 erregung durch 1°/o „käufliche Lävulose“* ist in der ersten Stunde nicht viel geringer als durch Kochsaft in Mengen des Ausgangs- safts, fällt aber sehr rasch ab; und ein noch stärkeres Absinken zeigt die anfangs gesteigerte Atmung mit Methylenblau. Die so sehr viel schwächere Atmungserregung mit reiner Fruktose hat doch prinzipiell den gleichen Verlauf. Zunächst liesse sich „ 9 y0 60 J 67) 40 ‚g0 20 40 Kubikmillimeter Sauerstoff. Zeit in Stunden. Fig. 4. ><——< 1 gewaschener Rückstand, Ia gewaschener Rückstand mit Methylenblau. e II do. mit Hexosephosphat, IIa do. mit Hexosephosphat und Methylenblau. Do © III do. mit unreiner Fruktose, 11Ia do. mit unreiner Fruktose und Methylenblau. daran denken, dass die Atmung ähnlich wie durch Glukose + Phos- phat zustande kommt, also infolge von Hexosephosphatbildung, indem der ungereinigte Fruchtzucker die benötigte Menge Phos- phat enthielte. In der. Tat findet .man nach Säureveraschung im Präparat der „käuflichen“ Lävulose mit Ammoniummolybdat einen 464 Otto Meyerhof: : Ausserst geringen Phosphatniederschlag, während die reine Fruk- tose völlig frei von Phosphat ist. Dass aber trotzdem die Atmungs- erregung nicht auf Hexosephosphatbildung beruht, geht daraus hervor, dass 1. die Atmungskurve eine ganz andere ist als durch Glukose + Phosphat sowie Hexosephosphat, 2. die Atmung durch Zusatz von Phosphat zur ungereinigten Lävulose (die doch nur Spuren davon enthält), nicht vermehrt und die Atmungskurve nicht verändert wird, und 3. vor allem, dass der Zusatz von wenig Phosphat zur reinen Lävulosederen Atmungs- erregung überhaupt nicht steigert. Höchstens sinkt jetzt hier die minimale Oxydation weniger rasch ab, offenbar weil eine geringe Hexosephosphatsynthese hinzukommt. Entsprechend dem Versuch Fig. 4 wurden noch einige weitere angestellt, die hier folgen mögen: 1. Vgl. Versuch IC auf S. 457. Je 0,4 ccm Rückstand auf 2 ccm. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Sauerstoffverbrauch in Kubikmillimetern in: ; 1730/2322508 a) Mit dest. Wasser . . Nee 0 0 b) Mit 1 ccm Hexosephosphat (0, 05 m)‘ ae 6) 15 c) Mit 1 ccm Hexosephosphat + 0,025 & Methylen- blau . ; BL: 36 d) Mit 0,8 Oo. „käufl. “ Fruktose . . 13 23 e) Mit 0,8% " käufl. “ Fruktose + 0,025 fg Me- thylenblau . . 24 31 f) Mit 0,8 /o „käufl.“ Fruktose; Rückstand gekocht 0 0. 2. Je 0,4 cem Rückstand nt 2 ccm, 130fach gewaschen. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter 0, in: Te a) Mit dest. Wasser . BE 2 5 b) Mit 1 ccm Hexosephosphat (0, 05 m) N 7 35 ec) Mit 1°/o reiner Fruktose . 5 ) d) Mit 1° reiner Fruktose + 6% Äthylurethan 1 1. 3. Je 0,4 cem Rückstand auf 2 ccm, 260fach gewaschen. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter O0, in: 1% 20° 4 15 a) Mit dest. Wasser . . BEN 0 0 b) Mit 1 ccm Hexosephosphat (0, 05 m) ke 34 ce) Mit 1°/o reiner Fruktose . . u 5 6 d) Mit 1° „käufl.“ Fruktose . . . Ni 29. 4. Je 0,45 ccm Rückstand auf 2 ccm, 105 fach gewaschen. Alles mit Pheny lurethan gesättigt. Kubikmillimeter 05 n=2 Im270r 4b a) Mit dest. Wasser . . 3 0 0 b) Mit 0,4 ccm Hexosephosphat (0, 05 DE Bere, 36 ce) Mit 1° reiner Fruktose + 0,1 cem 75" Phosphat (neutr)) SON NEL. NE Pi 3), Mit 19/0 „„kauflaierukftose... ...2 02er 27. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 465 Anhangsweise seien noch die Versuche mit Nukleinsäure und Glyzerinphosphorsäure erwähnt. Während erstere nur in hoher Konzentration wirksam ist, unterscheidet sich die letztere von der Hexosephosphorsäure durch den starken Abfall der Wirkung und das Fehlen der Methylenblausteigerung. Beispiel: Je 0,4 cem Rückstand, 100 fach gewaschen, auf 2 ccm. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter Sauerstoff in 25 4h 20' eo) Mit dest. Wasser . . le 4 b) Mit dest. Wasser + 0,025 0fg Methylenblau- en. 6.2 ec) Mit 1,5 ccm 10 °o nukleinsaures Na (Merck) 5 11 d) Mit 1,5 cem 10°%o nukleinsaures Na Rn + 0,025 °/o Methylenblau . . \ 9 19 -e) Mit 1,0 cem 20 elyzerinphosphorsaures K..2 3 f) Mit 1,0 cem 2°%)o Re, K 0,025 Oo Methylenblau . . KR 24 35 2. Versuche mit nicht filtriertem Mazerationssaft. Die bisher beschriebenen Versuche werden dureh Gärung nicht kompliziert, wenigstens wenn sie mit sehr gut gewaschenem Rück- stand angestellt wurden. Denn trotz der Anwesenheit von gär- fähigem Zucker und Phosphat bzw. des vergärbaren Hexosephos- phats und gärkräftiger Zymase im Rückstand kann die Gärung nicht stattfinden, weil das Koferment ausgewaschen ist. Anders ist das aber bei Zusatz des Hexosephosphats oder der Glukose zu nicht ultrafiltriertem Saft. Und diese Komplikation ist aus einem merkwürdigen Grunde sehr viel grösser bei Hexosephosphat- zusatz als bei Glukose oder Fruktose. Zu diesen Versuchen dienten Extrakte aus einem nicht sehr garkräftigen Präparat Münchener Trockenhefe und ebensolcher Berliner. Diese Extrakte gerieten bei Gegenwart von Glukose niemals in Gärung, wenn sie gegen Neutralrot völlig neutralisiert waren (p#-—=17—8), sondern nur bei ihrer gehuinen Reaktion (pr-—6), und ebensowenig, wenn neutrales Phosphat hinzugegeben wurde. Wohl aber gärten sie bei dieser neutralen Reaktion in Gegenwart von Hexosephos- phat. Ferner zeigten sie in ausgesprochenem Maasse die Eigentümlichkeit, die sich angedeutet auch bei besser gär- kräftigem Saft und bei nicht ganz frischer Acetonhefe findet, dass die Gärung auch bei ursprünglicher oder schwach abgestumpfter saurer Reaktion nicht sogleich einsetzt, sondern erst nach längerer Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. i 30 466 Otto Meyerhof: „Inkubationszeit“, öfters von 2—3 und mehr Stunden — besonders in verdünntem Saft — und dann oft „explosiv“ beginnt: hierbei handelt es sich nicht etwa um CO,-Retention, sondern durch An- säuern mit Phosphorsäure lässt sich feststellen, dass in der ersten Zeit keine Kohlensäure gebildet wird —: auch durch Zugabe von Phosphat wird die Inkubationszeit nicht aufgehoben, sondern nur die später gebildete Kohlensäure vermehrt. Dagegen beginnt, bei Zugabe des Hexosephosphats zu zuckerhaltigem Saft die Gärung ohne Verzögerung. — In all diesen Punkten verhält sich übrigens die „käufliche“ Fruktose wie Glukose und nicht wie Hexosephos- phat. Endlich drittens gehören hierher Beobachtungen über die Gärung von derartigem ultrafiltrierten Saft: es zeigte sich, dass man durch Zugabe von Kochsaft oder Ultrafiltrat die Gärung eines inaktiven Ultrafiltrationsrückstands mit Glukose nur dann wieder hervorrufen kann, wenn der Rückstand mit nicht mehr als der 15—20fachen Wassermenge gewaschen war; wurde weiter gewaschen, so schien der Rückstand irreversibel das Gärvermögen verloren zu haben. Gab’ man aber Hexosephosphat hinzu, so geriet ein selbst mit der tausendfachen Wassermenge gewaschener Rückstand mit Kochsaft wieder in Gärung, ja mit Hexosephophast särte sogar der nur l5fach gewaschene Rückstand noch spontan ‘ohne Zugabe des Kochsaftes. In eine Diskussion dieser Beobach- tungen möchte ich hier nicht eintreten, da sie mehr zur Ver- meidung von Versuchsfehlern bei den Sauerstoffmessungen an- gestellt wurden, ferner in dieser Stärke nur bei schlechter gärendem Saft sich zeigten und daher nicht verallgemeinert werden können. Es sei nur auf manniefaltige Analogien hierzu in der neueren Gärungsliteratur verwiesen !). Die Deutung, dass es sich im Saft um einen Mangel des Hexosephosphat synthetisierenden ‚Ferments handelt, dürfte nach der Harden’schen Gärungstheorie ‚nicht zutreffen und ist wohl abzulehnen. 1) Zur Gärverzögerung: Buchner-Hahn, Zymasegärung S. 234 f. — Lebedew, Biochem. Zeitschr. Bd. 10 S. 456. 1908, Bd. 20 S. 114. 1909. — Im Mazerationssaft: Ann. de l’Inst. Pasteur t. 26 p. 16ff. 1912. — Harden, “Proc. Royal Soc. Ser. B. vol. 77 p. 415. 1906. — Aktivierung des Zuckers: Euler, Biochem. Zeitschr. Bd. 41 S. 215. 1912. — Stimulierung der Zuckergärung im Mazerationssaft (mit Brenztraubensäure): Oppenheimer, Zeitschr. f. physiol, . Chemie: Bd. 93 S. 235. 1914-15. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 467 Mehrere Messungen des Sauerstoffverbrauchs des Mazerations- safts in Gegenwart von Hexosephosphat schlugen fehl, weil dieses auch im neutralisierten Saft vergärte. Diese Fehlerquelle liess sich nur dadurch ausschalten, dass der ja schon für sieh nicht stark gärwirksame Saft nicht ganz frisch benutzt wurde. Zu lange (z. B. 2 Tage) gestandener Saft ist wiederum nicht brauch- bar, weil dann die Atmungssteigerung sehr gering ist oder ganz wegbleibt. Hexosephosphat steigert die Atmung von neutralisiertem Mazerationssaft anfangs nur sehr wenig; mit der Zeit ergibt sich aber eine wachsende Differenz zugunsten der Hexosephosphat- ‚haltigen Lösung, daher rührend, dass die Oxydationsgeschwin- diekeit darin gar nicht nachlässt oder sogar etwas steigt, während die Atmung selbst besonders bei dem -hier benutzten Saft ziemlich stark abfällt. Dagegen wird die Reduktion des Methylenblau von vornherein durch Hexosephosphat stark ver- mehrt, oft so stark, dass es zu anhaltender Entfärbung der Lösung, selbst bei starkem Schütteln an der Luft, kommt. In diesen Fällen erhält man dann scheinbar auch zunächst keine Vermeh- rung der Methylenblausteigerung durch Hexosephosphat. Dass das aber nur von zu weit gehender Reduktion herrührt, kann man durch Erhöhung der Methylenblaukonzentration feststellen: dann steigert Hexosephosphat die Methylenblauatmung von vorn- herein recht beträchtlich. Im Mazerationssaft haben nun Glukose, Fruktose und Galaktose ungefähr denselben Effekt gegenüber der Atmung wie Hexosephosphat, wie das nach dem Vorangehenden erwartet werden muss: es kommt hier eben zur Synthese des- selben, da das Phosphat im Saft enthalten ist. Auch hier nimmt die Steigerung mit der Zeit zu, doch ist sie schon von vornherein recht erheblich, ja sogar-grösser als durch Hexosephosphat, wo- für der Grund nicht recht klar ist. Beispiele. 1. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter 0, in: | ern Dura, a) 1,1 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,9 ccm dest. Na lBseika a 08 Ro u 134 b) 1,1 cem neutr. Mazerationssaft + 0,9 cem dest. Wasser + 0,3 ccm Methylenblau 0,50. . . 85 246 LEN 30 * 468 Otto Meyerhof:. Ing! c) 1,1 cem neutr. Mazerationssaft + 0,9 cem Hexose- phosphat (0:05 33 268 d) 1,1 cem neutr. lee keines: + 0, 9 ccm ass phosphat (0,05 m) + 0,3 ccm Methylenblau 0,5% 90%) 450 2. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter O0, in: 330, HE a) 1,1 cem neutr. Saft + 0,9 ccm dest. Wasser 135 177 b) 1,1 cem neutr. Saft IR 0,9 cem De (0, Yanm) . 166 266 3. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter O0, in: 3ı50, 6% a) 1,1 ccm neutr. Saft + 1,3 ccm dest. Wasser 82 110 Dinlalcem neutr. Salt -t- 0,8 cem dest. Wasser ar 0,5 cem Methylenblau 0,5% . . 130 158 ce) 1,1 cem neutr. Saft + 0,8 ccm Elesosenirsns- (0, 05 m) + 0,5 cem dest. Wasser . 2. . (78)?2) 159 d) 1,1 ccm neutr. Saft + 0,3 ccm et + 0,5 cem Methylenblau 0:50 ee: 347 425 4, Mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter O, in: 30° at a) 1,1 ecm neutr. Mazerationssaft + 0,5 ccm dest. Wasser Ele 19 85 b) 1,1cem neutr. IB mereinerzeisehts + 0, na Anne Dhosphat (0,05 m) + 0,5 ccm dest. Wassers 2.29% 95 c) 1,1 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,7 ccm dest. Wasser + 0,2 ccm 10 Joige Glukose (1 Yo) . 31 142 5. Je 2,4 ccm. Mit Phenylurethan gesättigt. In 3% 30': a) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + dest. Wasser . 144 cmm 0, b) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,4 ccm Methylen- blau. 0,5%0 + dest. "Wasser. . 1 02.7 246.°20% c) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,8 ccm Eu phat (Pr = 7,7) + dest. Wasser. . „. ..13 ,„ & d) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,8 ccm 7-Phos- phat (Pr: = 17,7) + 0,4 ccm Methylenblau 0,5 %/o 240 „03 e) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,2 ccm 10 a Glukose (1°) + dest. Wasser . . 282. „. 03 f) 1,2 ccm neutr. Mazerationssaft + 0,2 ccm 10 Oi ide ; Glukose .(1°%/0) + 0,4 ccm Methylenblau 0,5 0/2) 334 1) Völlig entfärbt. 2) Ungenaue Messung. 3) Erste Stunde ganz reduziert. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen, III, 469 6. Je 0,8 cem Saft, neutr., auf 2 ccm Flüssigkeit. Alles mit Phenylurethan gesättist.. Kubikmillimeter O, in: 2: 20’ 4 40’ BMadesin Wasser an. la I6 b) Mit 0,120 Methylenhlan RE ee A LO, 196 c) Mit 1% Glukose . . ns Hole, 159 d) Mit 1°/o Glukose + 0, 12% Methylonblau 201.288 378 e) Mit 1°/o Glukose + 0,3 ccm 15 Phosphat (neutr.) 90 165 f) Mit 1/0 Glukose + 0,3 com 15 Phosphat au @i2/6sMethylenblau.. . 3.0.20... 878!) 337 g) Mit 1° Galaktose. . . . 104 158 h) Mit 1%0 Galaktose + 0,12 Yo Methylenblau ... 166 280 i) Mit 10 „käufl.* Fruktose . . . 54 153 k) Mit1°/e „käufl.“ Fruktose+0,12/o Madkranhlar 176 320 Die Regeln, die sich früher für die Methylenblauwirkung auf den Saft ergaben (vgl. vorige Arbeit), werden durch Hexose- phosphat oder Zuckerzusatz nicht geändert. Die Methylenblau- steijgerung der Atmung lässt auch hier allmählich, wenn auch nicht so rasch wie ohne Zusatz, nach, und die ganz reduzierte Lösung bläut sich spontan wieder. Nach 4—5 Stunden ist die Oxydations- geschwindigkeit mit und ohne Methylenblau ziemlich gleich ge- worden. Als letzten Beweis dafür, dass wir es bei der Atmungs- erregung durch Hexosephosphat mit einem enzymatischen Vor- gang zu tun haben, möchte ich die Versuche mit Mazerations- kochsaft anführen. Hier wird die geringfügige Oxydation, die im 40 Sekunden auf 90—100° C erhitzten Saft fortbesteht, nur höchstens in demselben Verhältnis — absolut also viel weniger — gesteigert wie die Atmung des unveränderten Saftes. Dagegen ergibt sich mit Methylenblau wieder eine sehr starke Steigerung und, da schon die Methylenblausteigerung im Kochsaft selbst in nicht lang erhitztem Saft und bei nicht zu hoher Farbstoff- konzentration meist grösser und besser konstant als im unerhitzten Saft ist (wohl als Ausdruck der erhöhten Thermostabilität der Methylenblauatmung), so kann diese Atmungszunahme bei An- wesenheit von Hexosephosphat 500—1000 °/o betragen. 1) Zum Teil reduziert, 470 Otto Meyerhof: Beispiele. 1. 40 Sekunden im kochenden Wasserbad erhitzter Saft von Versuch 1 auf S. 467. Alles mit Phenylurethan gesättigt. Kubikmillimeter 0, in: 2174020527402 a) 1,1 ccm neutr. Kochsaft + 0,9 ccm dest. Wasser 9 18 b) 1,1 ccm neutr. Kochsaft + 0,9 cem Hexose- Phosphat ONE a ie 23. 2. 40 Sekunden erhitzter Saft. In 12 40’: a) 1 ccm neutr. Kochsaft + 1 ccm dest. Wasser. . 9Icmm 0, b) 1 cem neutr. Kochsaft mit 0,025 /o Methylenblau. 48 „ 0, c) 1 cem neutr. Kochsaft + 0, 9 ccm Hexosephosphat 0.,05,m)2n 16:14.0905 d) 1 cem neutr. Kochsaft _ o ‚9 cem Hesosephosphat (0,05 m) mit 0,025 °/o Methylenblau ER 118%25..0, 3. Kochsaft, knapp 40 Sekunden erhitzt. In ie a) 1,1 ccm neutr. Kochsaft + 0,9 ccm dest. Wasser 38 cmm 0, b) 1,1ccm neutr. Kochsaft mit 0,025 °/o Methylenblau 112 „ @ 6) 1,1 ccm neutr. Kochsaft + 0,8 ccm Hexosephosphat RN r 0,1.ccm dest. Wasser. . . 31.,1152.°05 d) 1,1 ccm neutr. Kochsaft + 0,8 ccm Hesosephosphat mit 0,025°/o Methylenblau . . . : 9208 Schliesslich sei noch bemerkt, dass das Hexbdephesphat für sich -weder Sauerstoff verbraucht, noch Methylenblau reduziert. Fragen wir, wie die Oxydation mit Hexosephosphat zustande kommt, so darf es wohl zunächst als wahrscheinlich bezeichnet werden, dass (das Hexosephosphat bzw. der abgespaltene Zucker selbst oxydiert ‘wird. Nehmen wir das an, so erscheint uns der Vorgang nicht so ‘ohne Analogie, weil die Hexosen schon für sich in alkalischer Lösung in der Kälte Sauerstoff-aufnehmen!) und auch Methylen- blau reduzieren. Viele Autoren haben aber schon darauf hin- gewiesen, dass die labile Form der Hexose, die sich zu Beginn der Gärung bildet, also im Hexosephosphat selbst vorliegt oder in seiner 'Gegenwart oder dürch seinen Zerfall entsteht, sich ganz ähnlich einer Hexose . in alkalischer Lösung verhält. Möglicherweise ist diese labile Form in- gewisser Menge in der „käuflichen Lävu- lose“ enthalten, wird aber bald verbraucht oder umgewandelt. So könnte sich deren anfänglich starke Atmungserregung, die dann rasch nachlässt, erklären, während der labile Zucker aus dem Hexosephosphat fortwährend nachgebildet werden würde und 1) Vgl. Mathews and Walker, Journ. of biol. chemistry vol. 6 p. 1. 1909. Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. II. 471 daher zu einer konstanten oder sogar langsam ansteigenden Oxy- dation Anlass gibt. Sobald die Umstände es gestatten, sollen die Versuche in dieser Richtung weiter fortgesetzt werden. Auch muss die Diskussion darüber, wie weit diese Überlegungen zur. Erklärung der spontanen Atmung und Farbstoffreduktion der Hefeextrakte selbst dienen können, bis zu weiterer Aufklärung der Verhältnisse vertagt werden. 3. Versuche mit Acetonhefe. Für diese Versuche stand leider nur noch sehr wenig, über- dies schlecht atmende, 6. Monate .alte Acetonhefe zur Verfügung, und da neue nicht beschafft werden konnte, muss die Ausarbeitung vorläufig unterbleiben: Im Prinzip stimmen die Ergebnisse mit den Mazerationssaftversuchen überein. Die gewaschene, nur noch in Spuren atmende Acetonhefe wird durch Hexosephosphat ‚er- regt“, diese Atmungserregung unterbleibt nach Erhitzen der ge- _ waschenen Hefe. Glukose hat diesen Effekt nicht. Die Atmung der ungewaschenen Hefe wird durch Hexosephosphat beträchtlich gesteigert. Diese Steigerung ist noch grösser gegenüber der Methylenblauatmung, ebenso wie die Reduktion stark vermehrt ist. Dagegen ergab sich bei gewaschener Hefe durch Methylen- blau nur eine geringe Steigerung der Hexosephosphatoxydation. » Versuche. A. Gewaschene Hefe. 1. Kubikmillimeter 0, in: 25 30' 16% a) 2 cem ungewaschene Hefesuspension (1:10) . 45 — ı /b)e12 ccm gewaschene Acetonhefe (gleiche Menge) + 0,9 com dest. Wasser + 0,1 cem 15 Phosphat (Phenylurethan sesättiohl. ..,..,. 4 26 c) 1 cem gewaschene Acetonhefe (eich Mens) + 0,9 ccm dest. Wasser + 0,1 ccm 15 "Phosphat a ur a mit 0,025 or an blau une 70 ‘d) 1ccem Bewaschehe: Neetonhefe nr ccm es phosphat ((0,1 m) (Phenylurethan gesättist) . 17 9 €) 1 ccm gewaschene' Acetonhefe + 1 cem Hexose- phosphat ((0,1 m) nn fon A mit 0,025 %o Methylenblau. BR >1 123. 472 Otto Meyerhof: 2. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 4%: a) 1 ccm gewaschene Acetonhefe + 0,9 ccm dest. . Wasser + 0,1 ccm 75 Phosphat EN IRNLLE 3 cmm 0, b) 1 ccm. gewaschene Acetonhefe + 0,9 ccm Hexose- Phosphat 4(0,05,m)er nn. 2.2. RE 16 „ &% c) 1 cem gewaschene Acetonhefe + 0,9 cem bei phosphat (0,05 m) mit 0,025 /o Methylenblau BL a (0% d) 1ccm gewaschene Acetonhefe im kochenden Wasser- bad erhitzt + 0,9 ccm Hexosephosphat . . . 31,005: 3. Frische Acetonhefe. In 1% 20': a) 1 ccm gewaschene Acetonhefe (1:6) + 1 ccm Acetonhefeextrakt . . . . 46 cmm. 0, b) 1 ccm a esta, a: 6) 4 1 ccm Bouillon . . 9 .2..:08 9) 30 won schen Rresunhofe Mi: o) a" 0, Su cem 2 °/oige Glukose + 0,5 cem Bouillon . . 29,2...05 B. Ungewaschene Hefe 4. Alles Phenylurethan ge- sättigt. In ol: a) 1 ccm ungewaschene Acetonhefe (1: 2) +1 ccm dest. Wasser . . et AO Cmma0R b) 1 ccm ungewaschene“ A ektonhefe a: 5) +1 ccm dest. Wasser mit 0,05°o Methylenblau. . . . 146 „ ®& c) 1 ccm ungewaschene Acetonhefe + 0,8 ccm Hexose- phosphat (0,05 m) + 0,2 cem dest. Wasser . . 146 „ @ d) 1 ccm ungewaschene Acetonhefe + 0,8 ccm Hexose- phosphat (0,05 m) + 0,2 ccm dest. Wasser mit 0,05 °/o Methylenblau . . A 513 ,„ 0% 5. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 4#: a) 1,8 ccm ungewaschene Acetonhefe ur 11)+0,6 ccm dest. Wasser 41 cmm 0, b) 1,8 ccm ungewaschene Mehr a: 1) +0 0, 6. ccm Hexosephosphat (0,05 2m) er: 54 „0% 6. 1 Jahr alte Acetonhefe. Alles mit Phenylurethan gesättigt. In 3!/2h a) 1 cem ungewaschene Acetonhefe s :5)+1 ccm dest. Wasser . . ne a 80 mm b) 1 ccm nahen. N eeannefe mit 0,05% Methylenblau . . . u 56: 1505 c) 1 ccm ungewaschene, en - 0, 8 ccm oe Phosphat (0,05 m) une N: PO d) 1.ccm ungewaschene Acetonhefe + 0, 8 cem phosphat (0,05 m) mit 0,05 %o Methylenblan . Bee | ı 1 Dean. (07 Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen, III. 473 Zusammenfassung: 1. Die meisten Substanzen sind wir- kungslos zur Wiedererregung der Atmung gewaschener Acetonhefe und des gewaschenen Ultrafiltrationsrückstands von Hefemaze- rationssaft, so Aldehyde, Eiweisskörper, organische Säuren, Cystein usw. Dagegen erhält man eine typische, nur quantitativ hinter der Wirkung des „Atmungskörpers“ zurückbleibende Atmungs- erregung mit Hexosephosphat und eine eigenartige Oxydation bei gewaschener Acetonhefe mit Thioglykolsäure und «-Thio- milchsäure. 2. Die den Atmungskörper enthaltenden Extrakte geben die Reaktion auf Sulfhydrilgruppen. Zwischen der Stärke der SH- Reaktion im Acetonhefeextrakt und der Atmungserregung durch ihn besteht im allgemeinen ein Parallelismus, sowohl unmittel- bar, wie bei verschiedener Behandlung des Extrakts: Eindickung, Ultrafiltration, Alkoholfällung, Alkaliinkubation. Das gleiche gilt für das Ultrafiltrat und den Kochsaft des Mazerationssaftes und für den wässerigen Auszug aus „Atmungspulver*. Doch finden sich einige nicht unerhebliche Abweichungen von der Regel. 3. Die SH-Reaktion des Acetonhefeextraktes entspricht etwa = Zur Disulfidbildung wären auf 2 cem nur 4 cmm Sauer- stoff erforderlich, während die Acetonhefe in einigen Stunden die hundertfache Menge aufnimmt, ohne dass die SH-Reaktion ganz verschwindet. Also könnte die Mitwirkung der Sulfhydrilgruppe ‚bei der Atmungserregung durch Extrakt nur in einer Übertragung von Sauerstoff bestehen, ohne gleichzeitige Disulfidbildung. Eine solehe Übertragung von Sauerstoff findet sich nun bei Thioglykol- säure und «-Thiomilchsäure auf gewaschene Acetonhefe in neu- traler und schwach saurer Lösung. Dabei wird in 6 Stunden etwa das Fünffache an Sauerstoff aufgenommen, als zur Disulfidbildung benötigt wird, ohne dass die SH-Gruppe ganz oxydiert wäre. 4. Bei’ dieser neutralen oder schwach sauren Reaktion sind wässerige Lösungen von Thioglykolsäure und «- Thiomilchsäure völlig stabil an der Luft, selbst in Gegenwart von MnC],. Zur Spontanoxydation und katalytischen Beschleunigung derselben durch Metallsalz ist mindestens spurenhaft alkalische Reaktion erforderlich. Daher wird auch die Sauerstoffübertragung in al- kalischer Lösung unmöglich, weil dabei auch in Gegenwart von Acetonhefe alsbald die SH-Gruppe quantitativ in Disulfid über- 474 : Otto Meyerhof: ‘geht, also eine „oxydative Zerstörung des Sauerstoffüberträgers“ stattfindet. Dies entspricht der „Alkaliinkubation des Extrakts“ und der Atmung in alkalischer Lösung. 5. Trotz mancher Ähnlichkeit entspricht aber die Sauerstoft- übertragung durch ‘die genannteu Säuren nicht genau der Wir- kung des Extrakts, denn erstens ist die für gleiche Oxydations- geschwindigkeit erforderliche SH-Konzentration mindestens zehn- mal so- gross; zweitens geschieht die Übertragung auch auf ge- kochte Acetonhefe, ist drittens durch Narkotika nicht zu hemmen, wird viertens durch Methylenblau nicht gesteigert. Endlich fünftens findet keine Übertragung auf den Rückstand von Maze- rationssaft statt. 6. Eine erheblich geringere Vermehrung der Sauerstoff- aufnahme über die zur Disulfidbildung erforderliche Menge findet bei der Oxydation von Thioglykolsäure und «-Thiomilchsäure auch in Gegenwart anderer eiweisshaltiger Lösungen statt, zum Beispiel von Bouillon. Sie beträgt hier 25—500/o. Diese Reaktion verläuft auch in neutraler und schwach saurer Lösung. Sie unter- scheidet sich überdies dadurch von den anderen Oxydationen, dass sie durch Blausäure stark gehemmt wird. Die katalytische Oxy- dation und die Sauerstoffübertragung auf Acetonhefe ist gegen Blausäure unempfindlich, ebenso wie es ja die Acetonhefeatmung selbst ist. 7. Hexosephosphorsaures Natrium erregt die Atmung des ge- waschenen Ultrafiltrationsrückstands vom Mazerationssaft und der gewaschenen Acetonhefe schwächer als der betreffende Extrakt. aber. in wesentlichen Punkten übereinstimmend: 1. Die „Hexose- phosphatatmung“ ist an die Intaktheit des „Atmungsenzyms“ ge- bunden und wird durch Kochen desselben aufgehoben. 2. Sie wird durch etwa die gleichen Urethankonzentrationen gehemmt wie die Atmung selbst. 3. Sie wird durch Methylenblau um das Mehrfache gesteigert. Glukose und Galaktose erregen die Atmung für sich nicht, ebensowenig wie Natriumphosphat. Zusammen mit Phosphat haben diese Zucker jedoch einen ähnlichen, wenn auch schwächeren Effeckt auf den Rückstand wie Hexosephosphat, offenbar weil es zu dessen Synthese kommt. Die Pentosen sind dagegen auch in Phosphatgegenwart wirkungslos. Anderseits ruft Fruktose und insbesondere nicht gereinigte „käufliche“ Fruktose eine sehr starke, aber rasch abklingende Atmungserregung hervor, Otto Meyerhof: Untersuchungen zur Atmung getöteter Zellen. III. 475 die nicht an die Gegenwart von Phosphat gebunden ist. Dadurch wird es nahegelest, dass die der Fruktose ähnliche labile Form der Hexose, die bei der Spaltung des Phosphorsäureesters durch die Tätigkeit der Phosphatase entsteht, für die Atmungserregung durch Hexosephosphat verantwortlich ist. 8. Die Atmung des (unfiltrierten) Mazerationssaftes wird durch Hexosephosphat am Anfang wenig gesteigert, mit der Zeit immer stärker, da der sonstige Abfall der Atmung ausbleibt. Be- trächtlicher ist von vornherein die Steigerung der Methylenblau- atmung und Reduktion des Farbstoffs. Hier wirken aus naheliegen- den Gründen Glukose, Galaktose und Fruktose ähnlich wie der Phos- phorsäureester. Die Eigenoxydation des Kochsaftes wird durch Hexosephosphat nur ganz unbeträchtlich vermehrt, sehr erheblich aber in Gegenwart von Methylenblau. Endlich wird auch die Atmung ungewaschener Acetonhefe durch Hexosephosphat ge- steigert und naeh stärker die Methylenblauatmung. 476 Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. Von Dr. E. Koch, Kiel. (Mit 8 Textfiguren.) Aus allem, was man als „Unterbrechunestöne“ bezeichnet hat, wählt die vorliegende Arbeit die beiden Gruppen aus, die man mit Hilfe der Lochsirenen erzeugen kann. Bei ihnen besteht der Vor- zug, dass man die Versuche ohne grosse Mühe variieren kann. Wenn auch das Schlagen der Scheiben die Präzision der Versuchsbedingungen vielfach schädigt, so stört es die Erscheinungen doch nicht so sehr, dass jeder Einblick in die Entstehungsweise der Unterbrechungstöne ausgeschlossen würde. i Die erste Gruppe der Töne, die wir untersuchen wollen, ent- steht dadurch, dass auf einem Kreise periodisch immer nur eine bestimmte Anzahl von Löchern mit gleichem Abstand voneinander ausgeschlagen wird, während auf sie Zwischenräume, frei von Öff- nungen, folgen. So teilte Dennert!) drei Kreise in 96 gleiche Teile und bildete auf dem ersten immer Gruppen von vier, auf dem zweiten solche von drei und auf dem dritten solche von zwei Öff- nungen; zwischen den einzelnen Gruppen bestanden nichtdurch- seschlagene Bögen von derselben Länge, wie jene sie besassen. Der erste Kreis enthielt also 12, der zweite 16, der dritte 24 Perioden. Wurden sie einzeln angeblasen, so hörte man neben dem Hauptton bei langsamer Rotation zunächst Stösse, die bei grösserer Um- drehungsgeschwindigkeit „in Töne übergingen“. Dennert über- zeugte sich durch Kontrollversuche, dass der Hauptton immer so viel Schwingungen hatte, als wenn gar keine Unterbrechung der Loch- reihe stattfände, während die Schwingungszahlen für die tiefen Töne — die sogenannten Unterbrechungstöne — bei jeder Umdrehungs- geschwindigkeit der Periodenzahl der angeblasenen Kreise pro- 1) H. Denzer 5 Akustisch-physiologische Untersuchungen. Arch. f. Ohren- heilkunde Bd. 24 S. 171ff. 1887. Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 47 | portional waren, sich also verhielten wie 1 2 :2. Dasselbe Resultat stellte sich ein, wenn er die Pausen wegliess und in jeder Periode zwei verschiedene Arten von Öffnungsdurchmessern benutzte. Trug z. B. der erste Kreis Perioden von vier grossen und vier kleinen, der zweite solche von drei grossen und drei kleinen, der dritte solehe von zwei grossen und zwei kleinen Öffnungen, so hörte man neben dem Hauptton wiederum tiefere Töne im Verhältnis der Perioden auf jedem Kreis, also im Verhältnis 1 = ar Die Überlegungen Dennert’s — im wesentlichen der Inhalt der König’schen Theorie — sind infolge der Unbestimmtheit seiner Begriffe und der nur andeutenden Art der Darlegung nicht leicht wiederzugeben. Ihr Ausgangspunkt sind die Tonstösse, die man bei langsamen Umdrehungen der Scheibe hört. Gemeint sind damit die kurzen Toneindrücke, die jede Unterbrechungsperiode für sich hinterlässt und die durch Pausen von ihren Nachbarn getrennt sind. Diese Tonstösse, ein Produkt der Unterbrechung, sollen bei schneller Umdrehung „in einen Ton übergehen“. Nach Dennert beantwortet das Ohr nicht nur regelmässige Schwingungen mit einer Ton- empfindung, sondern auch solche, die „nicht einfach pendelartig sind“. Diese merkwürdige Eigenschaft sucht er durch Beobachtungen über Geräusche dem Leser näher zu bringen. Er fand solche Geräusche nicht nur dann, wenn er die Öffnungen in unregelmässiger Weise auf der Kreisperipherie verteilte, sondern auch dann, wenn er Löcher- gruppen benutzte und bei ihnen entweder die Anzahl der Löcher in der Gruppe oder die Entfernung der Gruppen voneinander variierte. Fasst man also seine Erörterungen zusammen, so kommen sie schliesslich darauf hinaus, dass das Ohr einmal auf die Einzel- impulse, wie sie durch die einzelnen Öffnungen erfolgen, mit einem Ton reagiert, daneben aber auch auf die komplizierten, durch Pausen abgegrenzten Lochgruppen. In zwei Arbeiten!) nahmen K.L. Schäfer und O. Abraham die Versuche Dennert’s wieder auf. Sie liessen zunächst seine Anordnung ‘unverändert und fanden, dass die Unterbrechungstöne durch Resonatoren verstärkt wurden, besonders dann, wenn man sie dicht an die Scheibe gegenüber dem Anblaserohr hielt. Wurde die Geschwindigkeit der Scheibe eine andere, so hörte mit der ver- ° änderten Tonhöhe die Wirkung des Resonators auf. -s Bubuische .]) Pflüger’s Arch. Bd. 83 S. 207ff. u. Bd. 85 S. 536 ff. 1901. 478 E. Koch: Regel“ ergab sich, dass die Pausen des Haupttones „ohne Schaden für die Wahrnehmbarkeit des Unterbrechungstones durch Luftstösse von verschiedener Anordnung und Grösse“ ausgefüllt werden können. Auch wenn die Verfasser Perioden aus grossen und kleinen Löchern herstellten, wobei die Anzahl beider innerhalb jeder Gruppe nicht wie bei Dennert’s Versuchen gleich zu sein brauchte, bildete sich der Unterbrechungston deutlich aus und erwies sich wieder als ver- stärkbar durch Resonatoren. In diesen Tatsachen sehen die Ver- fasser den Beweis dafür, dass die Unterbrechungstöne objektiv als pendelförmige Komponenten in der durch Anblasen einer Lochreihe entstehenden Klangwelle enthalten sind, und dass kein Grund vor- liegt, dem Öhre eine neue Fähigkeit zuzuschreiben}. Eine weitere Erklärung versuchen sie nicht. Dagegen findet sich noch eine neue Auffassung dieser Art von Unterbrechungstönen bei F. A. Schulze?) und E. Waetzmann?). Sie nimmt von vornherein ihren Ausgangspunkt nicht von der Periode des Haupttones, sondern von der der Unterbrechungen. Unter Leitung dieses Gedankens führt Waetzmann folgendes Beispiel aus: „Wird z. B. ein Ton von der Schwinguneszahl 200 20mal pro Sekunde in der Weise unterbrochen, dass immer nach je fünf Schwingungen die nächsten fünf fortfallen, so ist die Perioden- zahl dieses Vorgangs nicht mehr 200, sondern 20. Der tiefste Ton in dem entstandenen komplizierten Klang wird also ein Ton von der Schwingungszahl 20 sein, der sogenannte Unterbrechungston ; der ursprüngliche Ton von der Schwingungszahl 200 tritt jetzt als neunter Oberton auf. Je nach den speziellen Versuchsbedingungen ist er mehr oder weniger stark. Diese Art der Ableitung der Variationstöone, zu denen wir als Spezialfall auch den Unter- brechungston zählen können, hat den Vorzug, dass sie mit dem früher von uns eingeschlagenen Weg zur Analyse einer kompli- zierten Schwingung identisch ist und uns deshalb am besten von dem Vorurteil befreit, als wären die Variationstöne, speziell der Unterbrechungston, mit dem Ohm’schen Gesetz und der Rerauanz theorie des Hörens nicht vereinbar.“ Man hat zunächst den Eindruck, dass durch solche Umkehrung der Problemstellung das Problem selbst verwischt wird. Wenn ge- fordert wird, dass die Unterbrechungsperiode als die objektiv gegebene, 1) K.L. Schäfer in Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 535. 2) Annal. d. Physik Bd. 26 S. 217 ff. 1903 u. Bd. 45 S. 283 ff. 1914. 3) Resonanztheorie des Hörens S. 130. 1912. Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 479 akustisch wirksame Grundperiode anzusehen sei, so wird gerade das Überraschende und Unerklärte an den Anfang gestellt. Wenn ferner der Hauptton zum Oberton des Unterbrechungstones gemacht, zu- gleich aber zugestanden wird, dass er auch ohne Mitwirkung des Unterbrechungstones auftreten muss, so ist man geneigt, die gegebene Deutung als einen Umweg zu betrachten. Trotzdem verdient diese Auffassung eine besondere Aufmerksamkeit, seitdem sie F. A. Schulze in den mitgeteilten Abhandlungen auf der breiten Grundlage fremder und eigener Versuche zu einer Theorie aller Unterbrechungstöne herausgearbeitet hat. Was von ihr für die vorliegenden Versuche in Frage kommt, ist von Waetzmann zum Ausdruck gebracht worden. Nur sei hinzugefügt, dass es ganz im Zuge dieser Gedanken liegt, wenn die Bezeichnung „Unterbrechungston“ für den Ton, dessen Schwingungs- zahl gleich der Anzahl der Unterbrechungsperioden ist, abgelehnt wird. Nahe verwandt mit der bisher besprochenen Art von Unter- brecehungstönen ist die andere, die durch einen periodischen Wechsel der Loehdurchmesser entsteht. Schon R. König!) stellte drei. Kreise mit 96 Löchern her, deren Durchmesser auf dem ersten l6mal, auf dem zweiten 12- und auf dem dritten 8mal von. I—6 mm zu- und wieder abnahmen. Blies er die Scheibe mit einer Röhre von 6 mm Durchmesser an, so hörte er bei langsamer Rotation auf allen Kreisen die Lochperioden als „gesonderte Stösse“ neben dem Hauptton, dessen Schwingungszahl gleich der Anzahl der: pro Sekunde vom Luftstrom. durchsetzten Öffnungen war. Bei: schnellerer Drehung gingen zuerst die 16, dann die 12, endlich die 3 Stösse „in einen Ton über“. Dennert?) wiederholte den Ver- such genau in derselben Weise mit demselben Erfolg. Bei der Erklärung dieser Tongruppe ist die allgemeine Voraus- setzung die, dass. Intensitätsschwankungen des Haupttones ihre Grundlage bilden. König lässt die „periodischen Schwingungs- maxima“ bei genügender Anzahl in einen Ton übergehen. Wieder . hat das Ohr die Fähigkeit, nicht nur auf die Einzelimpulse zu reagieren, sondern daneben auch auf die Maxima. Dennert setzt die Intensitätsschwankungen in Parallele zu den Intermittenzen und kommt ‚im wesentlichen zum selben Ergebnis. F. A. Schulze und Waetz- ‚mann dagegen sehen in der Periode der Durchmesser die Grundperiode, 1) Poggendorff’s Ann. Bd. 157 S. 177ff. 1876, dazu K.L. Schäfer’s. Bericht in Nagel’s Handb. d. LE niol Bd. 3 8. 535. 2) a.a. 0. 480 | E. Koch: während der Hauptton wieder als Oberton erscheint. K. L. Schäfer und OÖ. Abraham endlich begnügen sich damit zu betonen, dass auch der jetzt in Frage stehende Ton durch Resonatoren verstärkt werde, also physikalischen Ursprungs sei. II. Wir stellen nun einige Punkte zusammen, deren Besprechung durch die im übrigen einfache Versuchsanordnung nahegelest wird. Es wurden Scheiben der bisher erwähnten Art aus Zink und Karton benutzt. Das Anblasen besorgte in den meisten Fällen eine manometrische Flamme. Mit der Scheibe war ein rotierender Spiegel verbunden, dessen spiegelnde Flächen bis auf eine abgeblendet waren. An der Flamme!), die unter einer rotierenden Scheibe steht, unterscheidet man einen Schweif unter der Scheibe und eine Säule über ihr (Fig. 1). Die Säule ist gegenüber dem Schweif verschoben, und — wie man sich leicht über- zeugen kann — um so mehr ver- schoben, je grösser die Umdrehungs- geschwindigkeit ist. An ihr fällt zu- dem die etwas geneigte Lage auf. Befindet sich zunächst noch keine Öffnung über der’ Flamme, so werden ihre Teilchen von dem Luftstrom, den die Scheibe mit sich führt, mit fortgerissen. Ja, die Luft dringt in die der Scheibe am nächsten liegenden Schichten der Flamme teilweise ein, und das setzt sich unter und über der Scheibe fort, wenn eine Öffnung eben anfängt, über der Flamme zu erscheinen. Erst nach’ einiger Zeit hat der Druck der brennenden Gase die Luftschicht überwunden und ihnen den Durchtritt erzwungen. Während ihres Aufsteigens über der Scheibe rückt die Öffnung stetig vor. Die nachfolgenden Gasteilchen treten also immer etwas weiter, im Sinn der Drehung verschoben, durch die Öffnung. Der seitliche Druck, unter dem ‘die zuerst durchgetretenen Teilchen in den höheren Schichten. ‚stehen, ist verhältnismässig gering, da die Geschwindigkeit der mit- Fig. 1. 1) Die Eorkrllne die das Bild infolge des ee der Scheibe ist wohl ohne weiteres kenntlich. Die Entstehung der Unterbrechungstöne ber Lochsirenen. 481 gerissenen Luft mit der Höhe über der Scheibe sehr bald abfällt. So kommt es, dass nicht nur die Säule als Ganzes im Sinne der Drehung verschoben wird, sondern auch ihr Fuss eine besondere Neigung aufweist. Nicht zum Ausdruck kommt im Bild die zerrissene Form der Säule. Sie ist nicht nur dadurch bedingt, dass die mitgerissenen Luftströme stets gegen die aufsteigenden Gasteilchen prallen, sondern auch dadurch, dass der Durchtritt der Teilchen sich unter teilweise sehr verschiedenen Geschwindigkeiten vollzieht. Davon erhält man wohl den besten Eindruck, wenn wir die Resultate mitteilen, die eine Messung der Geschwindigkeit der Luft- teilehen in den verschiedenen Höhen über der Scheibe ergab. Sie wurden mit Hilfe der Abkühlung gewonnen, die ein sehr dünner, von einem elektrischen Strom durchflossener Platindraht in der Luft- strömung erfährt‘). Dieser Draht mit einem Durchmesser von 0,05 mm und von ungefähr 2,33 mm Länge war: zwischen schmalen Ausläufern kleiner Kupferbleche festgelötet. Von ihm. führte eine Zweigleitung zur ersten Rolle eines Differentialgalvanometers. In der Hauptleitung war eine Strecke abgegrenzt, die ungefähr den- selben Widerstand: besass wie der Platindraht. Von ihr wurde ein Zweig zur zweiten Rolle des Galvanometers geführt. In beiden Zweieleitungen befanden sich Widerstände, die die Empfindlichkeit der Vorrichtung regulierten. Tauchte nun der nicht ganz bis zur Rotglut erhitzte Platindraht in den Luftstrom über: der Scheibe ein, so machte die Nadel einen kräftigen Ausschlag. Durch die be- trächtliche Abkühlung hatte sich im Platindraht der Widerstand ver- ringert, während er in der abgegrenzten Strecke unverändert geblieben war. Die Eichung wurde mit einem Gasausströmungsapparat vollzogen. ‘ Höhe über | Geschwindigkeit im Abstande r von der Achse asp Deneiliess 022 BuPrap EEE mm r=350 mm r—=60 mm | r = 90 mm — : | 0—0,75 68°/o (0,68 m sec") - TR re) 10 alo 42.0%/0 . 48% —125 237 O0 Sao al 23 00n ln N 2:27 8/6 2490. 8196 —1,75 . 21090 19 %o 21 /o —2,0 - 16.90 14 %/o 2.47.06 zo 12.99... SERIEN 13 %0 20 99% a 10 9/0 N N re Leer 49/0: 7%o 1) Vgl. dazu A. Oberbeck, Ann. d. Phys. u. Chemie Bd. 56 5397. 1895. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. al 483 Es E, Koch: Bei jedem der drei gewählten Abstände ‚des Platindrahtes von der Achse wurde die Umdrehungsgeschwindigkeit des Motors be-. sonders gemessen. Die Werte lagen sehr nahe zusammen. Um aber sofort über den Grad der erreichten Genauigkeit zu orientieren, bringt die Tabelle die Zahlen, die die Geschwindigkeit der .Luft-: teilchen in Prozenten der Geschwindigkeit des unter ihnen liegenden Scheibenpunktes angeben. Da das Schlagen der Scheibe nicht ab- gestellt werden konnte, so sind die Schwankungen nicht unerheblich. Aus demselben Grunde fehlen auch die Werte für die Schichten unmittelbar. über der Scheibe. . Immerhin tritt ein Wachsen der | Geschwindiekeiten mit dem Abstand von der Achse hervor, und man kann weiter sagen, dass schon in 1 mm Höhe ‘über der Scheibe die Geschwindigkeiten nur noch 50°/o der Scheibengeschwindigkeit betragen, Wenn also der Flammenschweif von den Luftströmen mitgerissen wird, so hat man sich auch in ihm: die einzelnen Sehiehten in sehr verschiedenen Bewegungszuständen zu. denken. Treten sie nun durch die Scheibenöffnungen durch, so bieten sie den einstürmenden Luftströmen verschiedene Widerstände dar; da- durch erhält die Form der Flammensäule etwas Zerrissenes. Es sei noch hinzugefügt, dass in allen Fällen die Platinstrecke in Richtung des Radius aufgestellt wär. Die Anordnung konnte vor- läufig nicht stabil genug gemacht werden, um den: Einfluss der Zentrifugalkraft auf die Teilchen zu messen. — Die folgenden Bemerkungen .beziehen sieh auf die Abflösung der Vorgänge in der Flamme durch den rotierenden. Spiegel, Lässt man eine beiderseits reflektierende Fläche ss um die Achse O0 im Abstande r rotieren und konstruiert man die Bildpunkte der Licht- quelle Z, so erhält man zwei Pascal’sche Schnecken A und B mit einem Knoten in Z, A wird von den Fusspunkten der Lote geliefert, die von Z auf die reflektierende Fläche in ihren ver- schiedenen Stellungen gefällt sind; B ist die Kurve = Erdpune selbst. Jede Pascal ’sche Schnecke lässt sich u en Art als Konchoide mit einem Kreis als Basis konstruieren. Für die Kurve A ist LO der Durchmesser der Kreisbasis. Zieht man von: L aus Strahlen unter allen möglichen Winkeln und trägt von ihren zweiten Sehnittpunkten mit der Kreisbasis r nach beiden Seiten auf ihnen ab, so lässt sich beweisen, dass die erhaltene Kurve mit der Fuss- ‚punktkurve des Kreises ‚O.(r) :in bezug auf den Pol Z zusammen- Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 483 fällt?). Bezeichnet man OL mit ! und macht es zur Achse eines Koordinatensystems. mit dem Doppelpunkt ZL als Anfangspunkt (Fig. 2), so erhält man im Anschluss an die Konstruktion als eng von A sofort a u. (0) und nach kurzer Umformung Aare) ....0® Fig. 2. Fig. 2 enthält auch einen Teil der Kurve B. Man gewinnt ‘sie aus A, indem man jeden Radiusvektor verdoppelt. Dadurch verdoppelt sich aber auch die Entfernung der beiden Kurvenpunkte, die auf jedem Radiusvektor liegen, und der Durchmesser der Kreis- basis. Man kann deswegen B als Fusspunktkurve eines Kreises O, (rı = 2r) in bezug auf den Pol Z auffassen, wenn man 0, Z= 20L macht. Ihre Gleichungen erhält: man, indem- man in (1) und (2) ! und r durch 27 und 2r ersetzt. Man wird leicht finden, dass sowohl bei A als auch bei B die äussere und innere Schleife mit- 1) Vgl. G. Loria, "Spezielle algebraische und fragezendente Kurven, über- setzt von Fr. Schütte, S. 137. Leipzig 1902. 5 a 33 484 E. Koch: einandar denselben Winkel bilden, nämlich den, unter dem die Kreise O(r) bzw. O, (rı) von L aus erscheinen. Wir bestimmen nunmehr die Geschwindigkeit eines Punktes auf B, wenn r die Geschwindigkeit ® besitzt. Wenn der Radius mit dem Spiegel sich um den Winkel d3 dreht, sa auch der Radius- vektor der Kurve. Bezeichnet ds das Bogendifferential, so wird also ds ds d$__ds Bea un Es ist aber Verl) also 2 12 219] 3 an oyE+r:+2lr coss. Fie. 3 gibt einen Überblick über den Verlauf von v. In ihr ist r—=1,1—=4, —=(,5 angenommen. Wird r kleiner, so rücken innere und äussere Schleife der Kurve B — von A sehen wir im weiteren ab — immer mehr auf- einander zu, bis sie für r — 0 beide mit der Kreisbasis, deren Durch- # messer LO, = 21 ist, zusammen- fallen. Die Polargleichung für B lautet dann e—2] cos 9, und 7) X AR Fig. 3. ds ferner ist © FEN ee 2lw. Da wir in diesem Fall auch sagen können lan, so it », —=2w. Der Bildpunkt beschreibt also einen Vollkreis, wenn r mit dem rotierenden Spiegel eine halbe Umdrehung vollzieht!). Ähnlich beschreibt ein Punkt der Kurve 5 im Fall »>o die Hälften einer äusseren und inneren Schleife, wenn r sich um z dreht. Nimmt 2 ab, so schrumpft die innere Schleife der Pascal’schen Schnecke zusammen. Für = r erhält man entsprechend der Gleichung e=2r (1-+ cos 3) eine Kardioide mit einer Spitze in /. Bei der gebräuchlichen Anordnung kommt dieser Fall ebensowenig 1) Vgl. Wheatstone, Über die Dauer des elektrischen Lichteg. Eger rs dorff’s Ann. Bd. 34 S, set 1835. & Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 485 in Betracht wie der andere, bei dem ? 1mm im Durchmesser) in die Flamme und horchen ihre einzelnen Teile ab. An der Spitze der Flammensäule hat man einen knarrenden Gehörseindruck, der sich etwas weiter nach unten zu einem kräftigen Ton 1 entwickelt. Je mehr das Hörrohr sich der Scheibe nähert, um so deutlicher gesellt sich Ton 3 zu ihm, um unmittelbar über der Scheibe zu dominieren. Das Ergebnis des Abhorchens stimmt gut mit der Beobachtung von Schäfer und Abraham zusammen, die fanden, dass der Resonator besonders kräftig ansprach, wenn man ihn dicht an die Scheibe gegenüber dem Anblaserohr brachte. Nur unterscheiden sie nicht die höheren Schichten von den tieferen. Sucht man eine weitere Aufklärung im rotierenden Spiegel, so fällt sofort auf, dass die zwei Flammensäulen jeder Unterbrechungs- periode eine verschiedene Höhe über der Scheibe haben: die erste ist niedriger als die zweite, wenn wir im Sinn der Basen 1) Vgl. Schäfer in ee Handb. d. Physiol, S. 5014. | Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 487 zählen. Damit ist wenigstens in allgemeinen Umrissen über die Ent- stehung des Unterbrechungstones entschieden. Während jeder Unterbrechungsperiode taucht der oberste Flammen- teil nur einmal auf, während in den der Scheibe näher gelegenen Schichten der Flammensäule zwei Impulse erfolgen mit einem Intervall, das gleich einem Drittel der Unterbrechungsperiode ist. Der Unterbrechungs- ton entsteht also auf dieselbe Art und Weise wie der Hauptton, nämlich durch eine bestimmte Anzahl von Impulsen, die. pro Sekunde erfolgen. Was zunächst über- rascht, ist die Tatsache, dass die zweite 'Flammensäule einem doppelten Zweck dienen kann. Mit ihrem oberen Teil. erzeugt sie in einem. relativ abgegsrenzten Raumstück den Unterbrechungs- ton, mit ihrer unteren Schicht fügt sie in einem ebenso. abgegrenzten Raumstück dem schon erfolgten ersten Impuls einen zweiten hinzu, der zur Entstehung des Haupttones nötig ist. Das Überwiegen der zweiten Flammensäule erklärt sich folgender- massen. ‘Treten die: von der Scheibe und ihren Luftströmen zu- nächst mitgerissenen Gasteilchen durch die erste Öffnung, so:ziehen sie die bereits voraufeilenden Reste der Flamme unter. der Scheibe zurück. All diesen Teilchen gelingt es nicht, durch die Öffnung zu treten. Die zurückbleibenden haben aber wenigstens eine Ver- zögerung erfahren, und die ermöglicht es dem Gasdruck, durch die zweite Öffnung eine grössere Gasmenge hindurchzutreiben als durch die erste. Auf die zweite Öffnung folgt eine Brücke bis zum Be- ginn der zweiten . Unterbrechungsperiode. Durch. sie. .werden die Gasteilchen von neuem für einen. längeren Zeitraum mitgerissen und beschleunigt. Ihre Geschwindigkeit. wächst: wieder ‚auf denselben Betrag, den sie zu Beginn der ersten Periode hatte, und das Spiel kann sich wiederholen. Der Grund für die Entstehung des Unterbrechungstones liegt also in. der :Ungleich- mässigkeit oder Störung, die die Scheibe mit ihren Öffnungen und Pausen in den. Wirkunesgrai die Reibung hineinbringt.. Am besten beobachtet man die Erscheinung der imeleichen Flammenhöhen bei langsamer Drehung. Wächst die Umdrehungs- geschwindigkeit, so nimmt die Höhe beider Flammensäulen ab, und eine ‚Verschiedenheit beider ist schliesslich nicht mehr mit dem Auge zu konstatieren. Nur einen geringen Anteil an dieser Veränderung hat die 488 RL 5 Ka . E. Koch: Abkühlung, die die schneller herbeigeführten Luftströme bewirken !). Ausschlaggebend ist vielmehr der Umstand, dass die Öffnungen jetzt nur eine kurze Zeit über der Flamme verbleiben und den Teilchen die Möglichkeit, durch sie hindurchzutreten, sehr bald genommen ist, ferner der Umstand, dass die Reibung während der Pause infolge der grösseren. Geschwindigkeit der Brücke keine Zeit findet, die Geschwindigkeit der Teilchen wesentlich zu steigern. Trotz dieser Beeinträchtigungen unterscheidet das Ohr mit dem Hörrohr noch zwei Schichten, eine tiefere für den Hauptton 3 reservierte und eine höhere für den Unterbrechungston 1. Beide Schichten nehmen jetzt eine geringere Höhe über der Scheibe ein; mit abnehmender Geschwindigkeit dehnen sie sich weiter nach oben aus, doch so, dass die untere stets unmittelbar über der Scheibe ansetzt. Von dieser Ausdehnung .nach oben kann man sich durch folgende Versuche überzeugen. Man stelle das Hörrohr in einem Punkte der Flammen- säule fest, an dem bei. schneller Rotation nur der Unterbrechunes- ‚ ton wahrzunehmen ist. Verlangsamt man den Umlauf der Scheibe, so taucht neben ihm allmählich der Hauptton auf. Oder man suche bei schneller Rotation den Punkt auf, in dem der Unterbrechungs- ton eben nicht mehr wahrgenommen wird. Eine kleine Verzögerung der Scheibengeschwindigkeit lässt ihn sofort deutlich werden. Zu diesen Versuchen, die auch im umgekehrten Sinn angestellt werden können, gehört. eine gewisse Übung. Wenn man sich mit dem Kopf in: ziemlicher Nähe der Scheibe befindet, kann man nicht immer entscheiden, welche Eindrücke man durch das Rohr, welche man auf anderem Wege erhält: In solchen Fällen verhilft eine geringe Verschiebung des Hörröhrs zu einem sicheren Urteil. Die kleine Veränderung, die dadurch der zugeleitete Eindruck erfährt, gibt der Aufmerksamkeit einen Anhaltspunkt, über das zu urteilen, was vor-- her in ihm vorhanden war oder ihm fehlte?). Während bisher die Pause nur ein Drittel der Unterhrerhnn periode betrug, lassen wir sie jetzt anwachsen, so dass sie einen grösseren Bruchteil jener Periode einnimmt. Die Anzahl der Öff- nungen betrage weiterhin 2 (Fig. =D Wiederum hört man den $ 1) Für ee ahaleeh wurde die Flammensäule durch eine Bolt vor zu starker Beeinflussung durch die Luftströme geschützt. | 2) Auf andere naheliegende Vorsichtsmassregeln — - Verschluss-eines Ohres, Verlängerung des Schlauches usw. — En, wir nicht ei da eine Nach Dan auch ohne sie möglich ist. 2: Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 489 Hauptton, wie er bei ungestörter Fortsetzung der Öffnungen auf- treten müsste, und den Unterbrechungston mit einer Schwingungs- zahl, die gleich der Anzahl der pro Sekunde stattfindenden Unter- brechungen ist. Der Hauptton hört sich dabei um so rauher und heiserer an, je länger die eingeschobenen Pausen werden; der Unter- brechungston ist deutlich und kräftig entwickelt. Die langen Pausen, die im Verein mit der geringen Zahl der Impulse der Bildung des Haupttons zu einem deutlichen und glatten Eindruck im Wege stehen, fördern die Ungleichmässigkeit in der Geschwindigkeit der Gasteilchen vor und nach der ersten Öffnung und damit den Unter- brechungston !). Umgekehrt ist es, wenn in einer Unterbrechungsperiode die An- zahl der Öffnungen auf Kosten der Pausen vermehrt wird (Fig. 4e). Der Hauptton gewinnt jetzt an Deutlichkeit und Glätte, der Unter- brechungston tritt ihm gegenüber zurück. Wir gehen davon aus, dass während der kurzen Pause die Gasteilchen eine Beschleunigung erfahren haben. Nach ihrem Durchtritt durch die erste Öffnung sind sie verzögert und treten mit einer höheren Kuppe durch die zweite Öffnung durch. Vor der dritten und jeder folgenden werden sie nun aber ungefähr im selben Bewegungszustand sich befinden wie vor der zweiten. Es bleiben also die erhöhten Kuppen beim dritten und bei jedem folgenden Durchtritt erhalten, und sie müssen ebenso wie die unter ihnen liegenden Schichten den Hauptton verstärken. Wenn nun auch niemals eine absolute Gleichheit in den Kuppen- höhen bestehen. wird, so kommt es doch auch zu keinem aus- geprägten Übergewicht einer ‚einzigen Flammensäule. Der Unter- brechungston wird jedenfalls in seiner Entwicklung stark gestört, zumal dann, wenn die Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe so gross gewählt wird, dass während der Pausen eine Beschleunigung der Gasteilchen infolge der Kürze der Zeit kaum einsetzen kann. ‚Unter Umständen bewirkt der Unterbrechungston eine Periodi- sierung, die zwei verschiedenartige und stets abwechselnde Gruppen von Öffnungen und Pausen zusammenfasst. So hört man bei einer Anordnung, wie Fig. 5a sie zeigt, den Hauptton,: geradeso als ob gar keine Pausen vorlägen, und den Unterbrechungston mit DL Hermann (Pflüger’s Arch. Bd. 146. 1912) fand, dass bei Scheiben, die vor Stimmgabeln rotierten, sich der Unterbrechungston erst dann einstellte, wenn der Abstand der Löcher gross genug im Verhältnis zu ihrem Durchmesser war. Dabei Aeen wohl mehr als eine blosse Parallele vor. 490 E. Koch: einer fünfmal geringeren Impulszahl, also Ton 5 und 1. Das Spiegel- bild klärt sofort den Tatbestand auf. Von den beiden unmittelbar nebeneinanderliegenden Flammensäulen ist die. zweite, wenn man im Sinn der Scheibendrehung zählt, deutlich höher .als ihre Nach- barin und auch höher als die vereinzelte Flammensäule. Man braucht nur eine günstige Umdrehungsgeschwindigkeit zu wählen, um davon einen sinnfälligen Eindruck zu bekommen. Bei schnellerer Um- drehung, bei der der Augenschein versagt, konstatiert das Hörrohr im oberen Teil der Flammensäule den Unterbrechungston, unmittel- bar über der Scheibe den Hauptton. Dass auf die ganze Periode oe S00008.0..03 ı000000.:.00. ©00000:.0.00. . 000020: Beecdıe.. d. Br meirs} nur eine Banpenerhunde fällt, ist nach unsern früheren Be- merkungen selbstverständlich. Sind die Gasteilchen nämlich durch die erste der beiden zusammenliegenden Öffnungen hindurchgetreten, so ist ihre Geschwindigkeit im Sinn der Drehung verhältnismässig gering, wenn sie vor die zweite Öffnung gelangen. Der Gasdruck treibt sie also höher als früher. Nun folgt wieder eine Pause mit einer Beschleunigung der Teilchen; infolgedessen erreichen sie über der isolierten Öffnung nur eine geringe Höhe. Letztere könnte ganz fehlen, ohne dass sich am Eindruck etwas Wesentliches ändern würde. Das ist im Grunde genommen die von Schäfer und Abra- ham gefundene Regel, nach der in die Pausen Luftstösse eingefügt werden können , ohne dass der ‚Unterbrechungston wegfiele. Wir können ihr den Charakter einer „nur“ empirischen Regel nehmen und betrachten zu diesem Zwecke eine Auswahl aus den Anord- Fig. 9 a—e. Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 491 nungen, die Schäfer und Abraham selbst mitteilen (Fig. 5b). Benutzt man Perioden der Art, wie sie in der ersten Zeile vorliegen, so sind nach der bisherigen Erklärungsweise über den beiden iso- _ lierten Öffnungen nur kleine Erhebungen der Flammenkuppen mög- lich. Eine Störung des Unterbrechungstons kann also nieht ein- treten. Nicht so einfach zu erledigen sind die folgenden Zusammen- stellungen. Sie enthalten in den Pausen zwei aufeinanderfolgende Öffnungen, von denen die zweite — wenn man im Drehungssinn zählt — stets eine erhöhte Flammensäule über sich aufweisen wird. Aber auch sie kann den Unterbrechungston nicht beeinträchtigen. ‘Da nur zwei Öffnungen nebeneinanderliegen, wird die Gesehwindig- keit der Gasteilchen im Sinn der Drehung vor der zweiten Öffnung immer noch etwas grösser sein als vor einer der ersten sechs Öff- nungen, die durch die wiederholte Möglichkeit des Durchtritts eine stärkere Verzögerung der Teilchen herbeiführen. Bei allen Kom- binationen wird man Ton 1 und 12, beide durch die ersten sechs Öffuungen gesichert, erwarten müssen. Die Perioden, die durch die eingestreuten Impulse innerhalb der Pausen abgegrenzt werden, können nur unbedeutende Nebeneindrücke zu jenen hinzufügen. Etwas anderes ist es schon, wenn die in den Pausen eingeschobenen Im- pulse eine Periodik besitzen, die der ursprünglichen gegenüber fremd ist. Würde man z. B. in der Pause der ersten Anordnung zwischen den beiden isolierten Impulsen nicht zwei, sondern noch drei andere in gleichem Abstande voneinander anbringen, so erhielte man neben dem Unterbrechungston 1 und dem Hauptton 12 noch die ‘höhere Quart, den Ton 16 (Fig. 5e)). nt Statt der Pausen kann man Öffnungen mit kleinerem Durch- messer wählen, wenn man Unterbrechungstöne erzeugen will (Fig. 5.d). Wir könnten uns damit begnügen, darauf hinzuweisen, dass zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied besteht, dass die Verzögerung, die die Teilchen durch die kleinen Öffnungen erfahren, nur gering- fügig und in diesem ‚geringem Maasse nicht einmal. bei allen Teil- chen gleich gross ist. Doch wir können die Vorgänge noch mehr im einzelnen fassen. . Wir denken uns über allen Öffnungen die zu- gehörigen Flammenzylinder und legen an die kleineren von ihnen Tangentialebenen, die von den großen nach beiden Aussenseiten hin Segmente abschneiden. Für sich allein ergeben diese. Segmente 1) Mit einer ähnlichen Anordnung wurde in gewissen Oktaven auch der so- genannte Zwischenton vernommen; seine Lokalisation misslang vorläufig. 492 E. Koch: Ton 8 und 1 — den Hauptton 8, weil vier Impulse für die Hälfte der Periode vorliegen, den Unterbrechungston 1, weil jeder Impuls- reihe eine Pause folgt. Alles, was früher zur Erklärung des Unter- brechungstones gesagt wurde, gilt auch hier. Ebenso erhält man von den zwischen den Parallelebenen liegenden mittleren Schichten der Zylinder beide Töne. Auch bei ihnen besteht der eigentliche Unterbrechungseffekt, das heisst dadurch, dass die Brücken zwischen den ersten vier Öffnungen kleiner sind als zwischen den letzten, wird: eine Ungleichheit im Bewegungszustande der Gasteilchen vor den Öffnungen erzielt. Infolgedessen fallen auch die Höhen der Flammensäulen verschieden aus. Es kommt aber ein Nebenmoment hinzu, das selbst nichts mit der Unterbrechung zu tun hat und doch auch den Ton 1 zu erzeugen vermag. Denken wir uns eine Periode nach Art der Fig. 5e. Vor und nach der ersten Öffnung enthält sie kleine Brücken, eine grössere zwischen der zweiten und dritten. Die Höhen der Flammensäulen über den beiden ersten Öffnungen werden jedenfalls grösser ausfallen als die über der dritten. Zu- gleich aber steht den Teilchen vor der ersten Öffnung eine ver- hältnismässig lange Zeit zum Durchtritt zur Verfügung, da ihr Längendurchmesser die der andern Öffnungen übertrifft. Dies Neben- moment verstärkt die eigentliche Unterbrechungswirkung und lässt die Kuppe über der ersten Öffnung am grössten ausfallen. Werden die grossen Öffnungen in der Unterbrechungsperiode zahlreicher an- gebracht, so stört ihre Vielheit eine kräftige Entwicklung des Tones 1 aus demselben Grunde, den wir schon früher angaben. So wird also auch bei der Periode 5d der Hauptbeitrag zum Unterbrechungston von den äusseren Segmenten stammen. — ‚Mit den letzten Bemerkungen ist nun auch die Besprechung der zweiten Gruppe von Unterbrechungstönen vorbereitet. Jede Periode enthalte Öffnungen von 4, 6 und 8 mm Durch- messer nach Art der Fig. 6a. Die Mittelpunkte der Öffnungen haben alle dieselbe Entfernung voneinander. Der anblasende Spalt hat eine Breite von wenigstens 8 mm. Wiederum denken wir uns über den Öffnungen die Flammenzylinder und legen an sie die Tangentialebenen. Wir können sofort sagen, was wir zu erwarten haben. Die äusseren Segmente des grössten Zylinders ergeben den Ton l, wenn wir den Hauptton mit 5 bezeichnen. Dieser Ton 1 ist aber keine spezifische Unterbrechungswirkung, sondern nur eine Folge der getroffenen Anordnung: die äusseren Segmente {| Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 493 wirken während jeder Periode nur einmalals Impuls. Die folgenden Schichten, die den Öffnungen von 6 und 8 mm Durch- messer zugehören, werdend urch eine Pause unterbrochen, ergeben also den Hauptton 5 und zugleich den Ton 1 als Unterbrechungston. Bei ihnen wird der Unterbrechungseffekt durch das schon erwähnte Nebenmoment unterstützt, das mit der Unterbrechung selbst nichts zu tun hat. Wie man der Figur entnimmt, steht nämlich den Luft- teilchen für den zweiten Durchtritt eine etwas längere Zeit zur Ver- fügung als für den ersten. Auch die mittleren Schichten endlich, bei denen alle Öffnungen in Betracht kommen, tragen aus denselben beiden Gründen zur Verstärkung der Töne 5 und 1 bei. Über- schlägt man das Ergebnis, so darf man sagen, dass bei dieser zweiten Gruppe hauptsächtlich Nebenmomente bei der Bildung des Unterbrechungstones wirksam sind. Davon, dass die gegebene Analyse der Vorgänge im grossen und ganzen zu Recht besteht, kann man sich schnell überzeugen. Führt man den anblasenden Spalt oder auch die manometrische *- OU IIND Flamme langsam von aussen nach innen unter der Loch- ae -€}- sirene her, so vernimmt man © © Di; ) zunächst nur den Ton 1; all- ® mählich gesellt sich ihm der bir’ o8 (G Ze GO). Hauptton bei, um schliesslich wieder zu verschwinden. Oder | man lasse den Spalt unter der B J 8 Bi Lochreihe ruhig stehen und horche die durchtretenden Luft- massen ab. Man macht dieselben Wahrnehmungen. Fig. 6b gibt einige Modifikationen der Anordnung. Aus der Analyse folgt zugleich, dass die Töne dieser zweiten Gruppe nur in beschränktem Maasse die Bezeichnung „Unter- brechungstöne“ verdienen. Die Hauptträger dieses Namens sind die Töne der en Gruppe. Fig. 6 a—b. Ey. ‚Es hat sich folgendes HE ukBesteilt Die Methode des Abhorchens der tönenden Flamme beslatikt die Ergebnisse, die Schäfer und Abraham mit den Resonatoren 494 E. Koch: erhielten. Ja, sie erlaubt darüber hinaus eine Abgrenzung der Stellen, an denen der Unterbrechungston in der Flamme entsteht, Die Auflösung im rotierenden Spiegel klärt über den eigentlichen Unterbrechungseffekt auf und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Be- deutung der Reibung für seine Entstehung. Danach erfahren die Gasteilchen - während der Unterbrechung der Lochreihe in den Pausen eine Beschleunigung, die sie durch die erste Öffnung nicht so hoch hindurchtreten lässt wie durch die zweite (oder eine folgende). Über der letzteren entsteht so ein Zuwachs, der während der Unterbrechungsperiode nur einmal als Impuls wirksam wird und den Unterbrechuneston liefert. Die Vorbedingung für den eigent- lichen Unterbrechungseffekt ist nur da gegeben, wo in eine Loch- reihe regelmässig Pausen eingeschoben sind oder allgemeiner: wo eine Verschiedenheit der Brücken zwischen den Öffnungen besteht. In ausgezeichnetem ‚Maasse ist das bei der ersten Gruppe. der Fall. Hierbei sind noch zwei Feststellungen bemerkenswert. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um Be- wegungen eines Massenpunktes oder eines Systems gekoppelter Massenpunkte handelt, sondern um Bewegungen stets wechselnder Massenteilchen, die eine grosse Verschiebbarkeit geseneinander be- sitzen. Diese relative Unabhängiskeit der Teilchen gegeneinander erlaubt es der Anordnung und den. wirksamen Kräften, in jeder Periode an: bestimmten Stellen bestimmte Massen auftreten und dort allein zum Impuls werden zu lassen. Von diesen umgrenzten Stellen aus wird. eine Wirkung auf das Ohr ebenso, erfolgen wie von jeder andern, an der ‚regelmässige Impulse stattfinden. Doch man kann noch ‚einen Schritt weitergehen, ohne eine Kenntnis der dynamischen Vorgänge in der Flammensäule im einzelnen zu be- sitzen. Die Impulse nämlich, die von den Zuwüchsen in einem umgrenzten Raumteil ausgeübt werden, können keinen Beitrag zur Bildung: des Haupttones liefern; sie können also. auch nichts an seiner Intensität ändern. So ergibt sich der zunächst über- raschende Satz, dass diese „Amplitudenänderungen“ nicht zugleich Intensitätsänderungen bedeuten, ob .man nun dabei an die Intensität der physikalischen Vorgänge oder an die der Tonempfindungen denkt. ‘Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass in jeder Periode neben jenem Zuwachs, der den, Unterbreehungston -ergibt, andere Änderungen durch Anlagern neuer Schichten .an schon vor- Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen, 495 handene einhergehen, die die Intensität des Haupt- tones beeinflussen. Man kann das schon aus der Periode 6a entnehmen. Die zwischen den mittleren und äusseren Segmenten liegenden Schichten weisen einmal den Unterbrechungseffekt auf, liefern zugleich aber auch ‘den Hauptton 3. Da sie neue erregte - Sehichten zu den mittleren durch Anlagerung hinzufügen, verstärken sie deren Wirkung. Man denke sich nun die Zahl der Öffnungen “ mit veränderlichem Durchmesser in jeder Periode vermehrt, Man erkennt dann sofort, dass deutlich ausgeprägte Intensitätsänderungen des Haupttones zugleich mit einem Unterbrechungston auftreten können. Damit sind die Gesichtspunkte für eine Kritik der König- schen Theorie gewonnen. König selbst beschäftigte sich, wie wir sahen, nur mit den Tönen der zweiten Gruppe; Dennert übertrug seinen Gedankengang, um eine Erklärung auch der eigentlichen Unterbrechungstöne zu gewinnen. Bei beiden dominiert die Vorstellung. des schwingenden Massenpunktes, Nach König rufen die Schwingungsmaxima den Unterbrechungston hervor, nach Dennert die Intensitätsschwankungen bzw. bei der ersten Gruppe die „Intermittenzen“. Im jedem Fall’ aber hat das Ohr die merk- würdige Fähigkeit, nicht nur auf einfache Schwingungen zu ant- worten, sondern daneben auf ihre Maxima bzw. auf ganze Gruppen von Schwingungen. Im Grunde genommen beruht die Unzulänglich- keit dieser Erklärungsweise auf der Vorstellung vom schwingenden Massenpunkte. Überträgt'man sie ungezwungen auf die Gasteilchen, so findet sich in der Tat nichts, was eine Grundlage für die 'Ent- stehung ‘der Unterbrechungstöne bilden könnte, während bei Be- rücksichtigung der. Verteilung der Massen an ver- sehiedene Raumteile, wie sie während jeder Unter- breehungsperiode erfolgt, jedes Geheimnis fortfällt und jede Zusatzhypothese unnötig wird. Man wird -auch nicht mehr von einem Schwingungsmaximum sprechen; Augenschein und Analyse ergeben in gleicher Weise statt dessen Flammen- zuwüchse, die durch Übereinanderschichtung erreicht werden. 'Endlich können Intensitätsänderungen .des ‘Haupttones durch. Anlagern neuer Schichten ‚ die: in. der Periodik ‚des. Haupttones von Impulsen er, rest sind, neben den Flammenzuwüchsen , die den Unterbrechungs- ton ergeben, auftreten, Letztere tragen selbst-.zum ,Hauptton nichts bei. Damit wird der Annahme, die Intensitätsänderungen könnten „in einen Ton übergehen“, der Boden ENtZOgEN, Hu, = - 496 E. Koch: Es ist nicht uninteressant, dass man auch bei den Differenz- tönen die in der letzten Bemerkung mitgeteilte Möglichkeit bestätiet gefunden hat. So teilt Waetzmann!) einen Versuch mit zwei Stimmgabeln auf Resonanzkästen von den Schwingungszahlen 700 und 640 mit. Er schreibt: „Man hört hier noch deutlich die Schwebungen zwischen den beiden Primärtönen und daneben einen sehr tiefen Differenzton, dessen Schwingungszahl vermittels einer Hilfsgabel eleich 60 gefunden wird. Die Annahme, dass die Ampli- tudenschwankungen als solche die Veranlassung für beide Hör- phänomene sein sollen, ist mehr als unwahrscheinlich.“ Wie schon früher betont wurde, ist der kritische Zusatz durchaus berechtigt, — wenn man in seinen Überlegungen von der Vorstellung des schwingenden Massenpunktes als der beherrschenden ausgeht. Ob darin ein ‚Wechsel eintreten kann, bleibt freilich abzuwarten. Von besonderer Wichtigkeit ist die zweite Feststellung. Der Unterbrechungston ist ein primäres Produkt; sein Auftreten hat eine Reihe von sekundären Tönen zur Folge. RU In der Literatur zeigt sich vielfach die Neigung, Tongruppen, deren physikalische Erklärung Schwierigkeiten bereitet, als Differenz- töne irgendwelcher Komponenten eines akustischen: Eindrucks hin- zustellen. Gerade in unserm Zusammenhang gibt es ein nahe- liegendes Beispiel. Man erhält nämlich eine dritte Gruppe von Unterbrechungstönen, wenn man eine Lochscheibe vor: einer Stimm- gabel rotieren lässt und die Eindrücke untersucht, die man durch die Löcher der Scheibe erhält. Vielfach haben sich dabei die so- genannten Variationstöone »-+ m und n— m konstatieren "lassen, wenn » die Schwingungszahl der Gabel, m die Anzahl der pro Sekunde an der Gabel vorbeilaufenden Scheibenlöcher bedeutet. Kom- biniert man die Schwingungszahl eines Variationstones mit der des Primärtones », so erhält man jedesmal als Differenz m; tut man dasselbe mit den Schwingungszahlen der beiden Variationstöne selbst, so erhält man als Differenz 2 m. Und so lautet der Schluss: „Wenn ein Primärton mit seinen beiden Variationstönen zusammen erklingt, so wird man, der Differenztonbildung günstige Verhältnisse selbst- verständlich vorausgesetzt, geradezu mit Bestimmtheit : erwarten müssen, dass der zweifach bedingte und eventuell durch seine 1) Resonanztheorie 8. 115. Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. 497 Oktave 2 m verstärkte Differenzton m hörbar sei!).“ Mit anderen Worten: es muss ein Ton auftreten, dessen Schwingungszahl der Anzahl der pro Sekunde stattfindenden Unterbrechungen des Wellen- zuges gleich ist. Diese Erklärungsweise findet in den Ergebnissen unserer Versuche keine Stütze. Bei den von uns untersuchten Gruppen bedürfen die Unterbrechungstöne zu ihrer Entstehung keiner anderen Töne bzw. ihrer physikalischen Äquivalente. Sie sind unmittelbare Wirkungen der Anordnung, die man den Öff- nungen gibt, und der Kräfte des Gasdrucks und der Reibung. Die physikalischen Vorgänge, die ihnen entsprechen, bedingen im ae) ; | ; b IE EN | —— ge Bl): .- | Fr) Do Fig. 7a—d. Fig, 8. Gegenteil selbst Vorgänge sekundärer Art, die die Grundlage einer beim ersten Abhorchen oft überraschenden Fülle von Tönen höherer Ordnung bilden. | Benutzt man z. B. eine Unterbrechungsperiode nach Art der Fig. 7a, so hört man neben dem Unterbrechungston 1 und dem Hauptton 3 auch deutlich den Ton 2, also die Oktave des Unter- brechungstones. Die Periode Fig. 7b erlaubt die Bildung der Töne 1, 3 und 4, wobei 4 den Hauptton bezeichnet; die höhere Oktave des Unterbrechungstones, also Ton 2, ist nicht zu finden. Mit der Periode 7e erhält man als Komponenten die Töne 1, 3, 4, 5. Und so liessen sich die Beispiele beliebig vermehren. Erwähnt sei nur noch die Anordnung der Fig. 7d. Sie enthält in jeder Periode drei Öffnungen , deren Mittelpunkte 15 mm voneinander entfernt liegen. Die Grösse der ersten Öffnung beträgt 116, die der kleinen je 5% 4 qmm. Angeblasen wurde mit der manometrischen' Flamme. Mit dieser Periode hört man die Töne 1, 3, 5, 6, also etwa c, 9, €, 9, wobei 1 den Unterbrechungston, 3 den Hauptton I) K.L. Schäfer in Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 534. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 32 498 EB. Koch: bezeichnet, wie Kontrollversuche ergaben. Auch bei diesen Tönen gelingt eine Lokalisation in bestimmten Raumteilen der Flamme im allgemeinen gut. Schwierigkeiten treten nur dann auf, wenn die Tonstärke sehr gering wird. Ihr Bereich kann in den Teilen über oder unter der Scheibe lieeen, ‚wie es Fig. 8 für die Periode 7d anzudeuten versucht. Vielfach lässt er sich auch noch in die nächste Umgebung der Flamme, die wegen starker Ab- kühlung der Luftströme selbst nicht mehr leuchtet, verfolgen. Der Auflösung im rotierenden Spiegel sind nur noch die Teile der Flamme unter der Scheibe zugänglich. Von ihrer periodischen Erregung kann man sich schon mit einem einfachen Spiegelelas, das man mit der Hand schnell hin und her bewegt, überzeugen. Bringt man das Glas auf einer horizontalen Achse drehbar an, so gelingt es in ge- wissen Fällen, im Bilde die Periodenzahl dieser Erregungen zu be- stimmen. ° Auf Grund dieser Tatsachen kann man in mancher Hinsicht eine Stellung zu den Fragen gewinnen, die F. A. Schulze durch seine Theorie der Unterbrechungstöne angeregt hat. Zunächst ist es nicht, wie diese Tbeorie behauptet, die Unterbrechungsperiode als solche, die nach Art einfacher Perioden einen Toneindruck hervorruft. Vielmehr entsteht der eigentliche Unterbrechungston dadurch, dass während jeder Unterbrechungsperiorde die Gasmassen eine ver- schiedene Verteilung erfahren nnd dadurch in gewissen Raumteilen nur ein Impuls zur Wirkung kommt. Daneben gibt es noch andere Momente, die denselben Erfolg auf anderm Wege erzielen und darauf hinweisen, welche Manniefaltigkeit der Ursachen ‘unter Umständen zu berücksichtigen ist. Nach der Theorie der Unterbrechungstöne tritt der Hauptton als Oberton auf. Dazu sei folgendes bemerkt. Untersucht man die einzelnen Teile der Flamme auf die verschiedenen Klang- komponenten hin, so findet man den Hauptton immer im zentralen Teil der Flammensäule. Immer schliesst er sich eng an die Loch- reihe an und reicht bei langsamer Umdrehung in grössere Höhen als bei schneller, bei der die Gasmassen nur eine kurze Zeit zum Durchtritt haben, ihren Impuls also nur eine kurze Strecke vortragen können. Teilweise findet der Haupton sich auch in den Gasmassen unter der Scheibe, bleibt aber dabei immer in einem Gebiet, das der direkten Beeinflussung durch die Lochreihe untersteht. Anders die Die Entstehung der Unterbrechungstöne' bei Lochsirenen. 499 Töne sekundärer Art. Sie stellen sich im äussersten Saum. des Flammenschweifes unter der Scheibe ein, vielleicht dort, wo er rechtwinklig umbiegt, oder über der Scheibe an Stirn- und Rücken- seite der Flammensäule, womöglich sogar in ihrer nächsten, nicht- leuchtenden Umgebung. Nimmt man noch die frühere Beobachtung hinzu, dass der Hauptton mit Zunahme der Lochzahl in der Unter- brechungsperiode an Deutlichkeit und Glätte gewinnt, mit ihrer Ab- nahme in beider Hinsicht einbüsst, so wird ein Zweifel daran, dass er primär hervorgerufen ist, unmöglich. Sind aber vielleicht die sekundären Töne als Obertöne des Unterbrechungstones anzusehen? Da der Hauptton ebenso ein primäres Erzeugnis ist wie der Unterbrechungston, so.sind. ohne Zweifel beide an der Bildung der sekundären Töne beteiligt. Deswegen könnte man sie mit grösserem Recht als Kombinationstöne bezeichnen. Da wir aber von deren Natur bis jetzt wenig wissen. — ebensowenig übrigens wie von der der Ober- töne —, so haben wir den unverfänglichen Namen der „sekundären Töne* oder der „Töne höherer Ordnung“ vorgezogen. Auch darin verfehlt die Theorie von F. A. Schulze ihr Ziel, wenn sie von vornherein eine vollständige Reihe der sekundären Töne erwarten lässt, d.h. also eine Reihe von Tönen, deren Schwingungs- zahlen sich wie die Reihe der natürlichen Zahlen verhalten. Wir sehen davon ab, dass der Hauptton ausscheidet, auch davon, dass diese Reihe je nach den Versuchsbedingungen bald nach oben hin abbricht. Aber selbst innerhalb enger Grenzen zeigt sie hartnäckig gewisse Lücken. Die Anzahl der sekundären Töne erweist sich abhängig: von der Intensität des anblasenden Stroms, der Anordnung der Öffnungen nach Durchmesser und Abstand, der Umdrehungs- geschwindigkeit der Scheibe. — Eine Übertragung der gewonnenen Ergebnisse auf die Versuche mit Zahnrädern lag nahe. Schneidet man eine Lochsirene längs des Kreises, der durch die Mittelpunkte der Öffnungen geht, durch, so erhält man eine Anordnung, die einem Zahnrad ähnlich ist. So kann denn abschliessend mitgeteilt werden, dass die bisherige Methode auch in diesem Fall sich bewährt hat. Verschliesst man von je drei Lücken immer eine und bringt die Flamme unter die Zahnreihe, so hört man den Hauptton und Unterbrecehungston. Der Spiegel zeigt deutlich, dass die im Sinn der Drehung gezählte zweite Flammensäule eine grössere Höhe besitzt als ihre Vorgängerin. 32* 500 E. Koch: Die Entstehung der Unterbrechungstöne bei Lochsirenen. Horcht man ab, so findet sich der Hauptton dieht über den Lücken, der Unterbrechungston an der Spitze der Flamme. Vergrössert man die Zahl der verschlossenen Lücken in der Unterbrechungsperiode, so nimmt der Unterbrechungston an Deutlichkeit zu; vermehrt man dagegen die der Lücken, so gewinnt der Hauptton. Eine nicht uninteressante Modifikation zeigt sich bei Versuchen dieser Art. Seitwärts von der Zahnreihe stellt sich ein Wulst von Gasmassen ein, der auch den Unterbrechungston ergibt, wenn der Verschluss der Lücken genau vollzogen ist. Wie die Auflösung im Spiegel bei sorgfältiger Annäherung der Flamme an das Rad zeigt, tritt dieser Wulst nur einmal während jeder Periode neben den verstopften Löcken auf. Er rührt daher, dass jedesmal, wenn die Gasmassen durch die Öffnungen getreten sind, ein Teil von ihnen nach aussen gedrängt wird. Ragen die Zähne etwas aus der verschliessenden Masse hervor, so verliert der Wulst leicht seine Einförmigkeit und gibt nicht mehr den Unterbrechungston. Berichtigung von Julius Veszi. In meiner Arbeit: „Die physikalisch-chemische Theorie der: Narkose“ !) sollte es auf S. 326 Zeile 27 statt „umgekehrt“ heissen: „die der umgekehrten Reaktion“. Ferner auf S. 328 Zeile 21 statt: „Die Geschwindigkeit der... proportional...“ ist zu setzen: „Die Geschwindigkeit der Reaktion, die im umgekehrten Sinne verläuft als die, in der diese Stoffwechselprodukte gebildet werden, ist nach dem Massenwirkungsgesetz proportional... .“ 1) Dieses Archiv Bd. 170 'S. 112. 01 (Aus dem Physiologischen Institut zu Leipzig.) Ewald Hering zum Gedächtnis, Von Siesfried Garten. . Mit Ewald Hering hat dieses Archiv einen langjährigen Mit- arbeiter verloren, dessen Beiträge jeder Leser, unabhängig von seiner Stellung zu einzelnen Streitfragen, zu den wertvollsten der Zeitschrift zählen wird. Aber auch zahlreiche Veröffentlichungen. seiner Mitarbeiter und Schüler haben hier Aufnahme gefunden, die unter seinen Augen entstanden, Zeugnis von der literarischen und wissenschaftlichen Zuverlässiekeit ablegen, die Hering auf seine Schüler zu übertragen suchte. So dürfte der Wunsch der Heraus- geber, wie seinerzeit beim Tode des Gründers des Archives und des langjährigen Mitarbeiters Heidenhain’s, durch ein kurzes Lebens- bild den grossen Forscher zu ehren, von den Lesern des Archives geteilt werden. Wie Cyon in Pflüger’s Nekrolog') es als eine Unmöglichkeit bezeichnete, im Rahmen eines solchen den Werken und Leistungen eines Forschers gerecht zu werdeen, da sonst ein ganzer Band des Archivs für die Darstellung notwendig wäre, so erscheint es mir auch bei Ewald Hering nur möglich, hier ein kurzes Lebensbild zu entwerfen und an einzelne seiner Schöpfungen zu erinnern, die ja grösstenteils schon zum Gemeingut der Wissenschaft geworden sind. Hering war es vergönnt, in seiner langen Forscherlaufbahn den grossen Aufschwung der Physiologie, wie er sich an die Namen Du Bois-Reymond, Brücke, Fick, Helmholtz, Hensen, Hermann, Kühne, Ludwig, Pflüger, Voit und andere knüpft, wissenschaftlich mit zu durchleben und gleich jenen in dem Streben nach Wahrheit um die Wahrheit zu kämpfen. Hering konnte noch verfolgen, wie der von ihm gegründete Bau vielen . Anfeindungen zum Trotz unter Hilfe zahlreicher Mitarbeiter wuchs und umgestaltet wurde. Auch die Erkenntnis, dass manches nur I) Ev. Cyon Nachruf auf Pflüger. Pflüger’s Arch. Bd. 132. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd, 170. 33 502 Siegfried Garten: Stückwerk war, und neue Forschungsmittel einzelne Anschauungen umgestalten mussten, blieb ihm, wie jedem Forscher, nieht erspart. Er war sich bewusst, dass jede physikalische, chemische oder physio- logische Theorie nichts mehr war „als eine blosse Annäherung an die Wahrheit. Sterile Theorien verfallen leicht der Unsterblichkeit; die fruchtbaren vererben ihren unsterblichen Teil ihren Kindern, während ihre sterbliche Hülle zerfällt“). Immerhin hatte er die Freude, dass das meiste und namentlich die von ihm zuerst klar- gestellten Tatsachen der Feuerprobe der Kritik widerstanden und zum Gemeingut der physiologischen Wissenschaft geworden sind. Der fast 84 jährige Gelehrte, der sich noch bis zuletzt einer vollen geistigen Frische erfreute, konnte auf eine Periode der physiolo- gischen Forschung zurückblicken, wie sie wobl selten in einer Wissen- schaft wiederkehrt. Ewald Hering war in Altgersdorf in der Lausitz 1834 geboren. Schon früh weckte das Landleben iın väterlichen Pfarrhaus seine Liebe zur Natur, die ihm den Weg zu seinem späteren Studium wies. Er studierte in den Jahren 1853—58 in Leipzig Medizin, und schon während der Studienzeit beschäftigte er sich eingehend mit Fragen aus Gebieten, die dem Durchschnittsstudenten der Medizin fern lagen. So trieb er namentlich eifrig Zoologie. Von seinen Lehrern, die damals bestimmenden Einfluss auf seine Studien aus- übten, nannte er selbst in Dankbarkeit Ernst Heinrich Weber, Fechner, Funke und Carus. Namentlich hatten aber auch die Schriften Johannes Müller’s auf seine physiologischen An- schauungen einen entscheidenden Einfluss und er nennt sich selbst noch im Jahre 1884 in seinem bekannten Vortrag über die spezifischen Energien des Nervensystems?) „einen begeisterten, wenn auch nicht unmittelbaren Schüler J. Müller’s“ ?). Während seiner Studienzeit entstand bereits als Frucht seiner zoologischen Studien seine erste wissenschaftliche Arbeit, die die Anatomie und Physiologie der Generationsorgane des Regenwurmes behandelt). 1860 promovierte er mit einer Dissertation über die 1) Hering, Erklärung der Farbenblindheit aus der Theorie der Gegen- farben. Lotos S. 13. 1380. 2) Hering, Über die spezifischen Energien des Nervensystems. Lotos N.F.Bd.5 S. 116. 1884. 8) Hering, Zur Anatomie und Physiologie der Generationsorgane des Regenwurmes. Zeitschr. f. Zool. Bd. 8. S. 400. 1856. Ewald Hering zum Gedächtnis. >03 Aleiopiden !), Anneliden, die er im Golf von Messina, wo er mit seinem Lehrer Carus im Wintersemester 1858/59 weilte, untersucht hatte. In den Jahren 186065 war er als praktischer Arzt und zugleich als poliklinischer Assistent von Ernst Wagner in Leipzig tätie. Trotz seines Berufs fand er noch Musse für die Ausarbeitung seines ersten, gross angelegten Werkes „Die Beiträge zur Physio- losie“°). Während die Erstlingswerke vieler Forscher noch gewisse Unvollkommenheiten in der Ausdrucksweise und in der Behandlung schwieriger Fragen erkennen lassen, bot er hier eine vollendete klassische Darstellung in einem Gebiet, das mit zu den schwierigsten der Physiologie zu rechnen ist. Nach gründlicher Prüfung ‚seiner Beobachtungen und Schlussfolgerungen trat er kühn in dem genannten Werke dem damals schon angesehenen Forscher Helmholtz, und Wundt, dem späteren grossen Psychologen, entgegen. Gerade auf dieses Werk empfiehlt es sich hier, näher einzugehen, da es uns am besten in die Denkweise Ewald Hering’s einführt. Das Werk behandelt in erster Linie die wichtigen Beziehungen, die in motorischer und sensorischer Hinsicht zwischen beiden Augen bestehen. Was die durch gleichzeitige Erregung beider Augen be- dinsten Empfindungen betrifft, so zeigte er im Anschluss an Johannes Müller, dass ein Objekt, das sich in beiden Augen auf sogenannten identischen Stellen abbildet, einfach gesehen wird, während die Ab- bildung auf disparaten Stellen bei genügender Lagedifferenz Doppel- bilder liefert. Die Vorstellung über die Lage des Objektes im Raum wird hierbei nicht, wie es Helmholtz und Wundt annahmen, dadurch gefunden, dass man sich gewissermaassen von jedem Auge die Richtungslinie bzw. Visierlinie nach aussen gezogen denkt und auf Grund der Erfahrungen am Schnittpunkt jener Linien sich das Aussending vorstellt. Es wird vielmehr die Reizung zweier be- stimmter Netzhautteile in beiden Augen durch das Bild. des gleichen Objektes in den zentralen Teilen, bildlich in dem sogenannten Ein- auge oder Zyklopenauge, uns gesetzmässig die Empfindung eines Objektes liefern, dessen Ortsbestimmung nach Breite, Höhe und Tiefe nach der Lage der erregten Teile im Zyklopenauge fest ge- geben ist (seine „Sehrichtung“). Dieser nervöse Zusammenhang zwischen beiden Netzhäuten ist angeboren, und die Grundlagen der l) Hering, De alcioparum partibus genitalibus organisque excretoriis. Diss., Leipzig 1860. 2) Hering, Beiträge zur Physiologie. Engelmann, Leipzig 1861—64. 33 * 504 Siegfried Garten: Orientierung werden nicht erst durch Erfahrung erworben. Sehr wohl kann aber im späteren Leben, wie Hering 1899 noch selbst darlegte !), zu der angeborenen eine abnorme, erworbene Lokalisation treten. Sie ist beim Sehen Schielender bisweilen festzustellen, kommt aber in bezug auf Dauerhaftiekeit und Zuverlässigkeit der. an- geborenen Lokalisation nicht gleich. Übrigens ist, wie Hering selbst hervorhebt, gerade dieser Unterschied kein prinzipieller, da die angeborene Verknüpfung auch eine erworbene darstellt, allerdings im Laufe zahlreicher Generationen. Bei dieser Untersuchung ergab sich als eine wichtige Grund- frage, die nach der Lage der Aussendinge, die sich bei bestimmten Augenstellungen jeweilig auf identischen Punkten abbilden, d. h. also nach der Lage des Horopters. Diese auch mathematisch nicht ein- fache Untersuchung wurde von Hering erschöpfend durchgeführt, so dass sein Referent in den Jahresberichten (A. Fick), der sonst durchaus nicht immer mit Hering übereinstimmte, schrieb: „Hering hat die Horopterfrage vom rein mathematischen Gesichtspunkte aus prinzipiell zur vollständigen Erledigung gebracht.“ Und auch Helm- holtz°), der gleichzeitig auf analytischem Wege das Horopter- problem löste, erkennt Hering’s Verdienste um den Horopter voll- ständig an, indem er schreibt: „Im Gegenteil kann ich seine“ (d.h. Hering’s) „Behandlung des Problems meinen Lesern nur als sehr elegant, übersichtlich und vollständig anenıpfehlen.“ Wie von Hering eine angeborene sensorische Korrespondenz beider Netzhäute gelehrt wurde, so forderte er auch für die Be- wegung beider Augen eine zentrale einheitliche Innervation. Ein- gehender ist dieser Punkt noch in seiner 15868 erschienenen Lehre vom binokularen Sehen *) ausgeführt worden. Man kann sich nach ihm vorstellen, dass von einem Zentrum aus, das wir uns bildlich in das Zyklopenauge an der Nasenwurzel verlegt denken können, drei 1) Hering, Über anomale Lokalisation der Netzhautbilder bei Strabismus alternans, Deutsch. Arch. f. klin. Mediz. Bd. 64 8. 15—32. 1899. Vgl. hierzu auch Bielschowsky, Über monokulare Diplopie. v. Gräfe’s Arch. £. Ophth. Bd. 46 S. 164. 1898. A. Tschermak, Über anomale Sehrichtungsgemeinschaft der Netzhaut bei einem Schielenden, Arch. f. Ophth. Bd. 47 S.508. 1898, 2) A. Fick, Jahresber. über die Leistungen der Physiolog.' Wissenschaften 8.12. Würzburg 1864. ; 3) Helmholtz, Pogg. Ann. 1864 S. 158. 4) Hering, Die Lehre vom binokularen Sehen. Engelmann, Leipzig 1868., Ewald Hering zum Gedächtnis. 505 Gruppen von Innervationen, Hebung und Senkung, Seitenwendungen und Konvergenz den Muskeln beider Augen mitgeteilt werden. Durch das Zusammenwirken dieser drei Innervationsgruppen ist jede wirk- lieh erfolgende Augenbewegung, soweit sie die Richtung der Gesichts- linie betrifft, abzuleiten. Da wir diesen Augenbewegungen bei der Lokalisation der Aussendinge stets Rechnung tragen, erhob sich die weitere Frage, wodurch jeweilig bei einer Augenbewegung die Veränderung der Lokalisation bewirkt würde. Hier trat Hering sehr entschieden der Bedeutung der Innervations- und Muskelempfindung entgegen und leste das Hauptgewicht auf die Verlagerung der Auimerksam- keit auf einen anderen Punkt des Sehfeldes, der die Lokalisierung des Kernpunktes und so des scheinbaren Ortes des fixierten Objektes bestimmt. Dass Augenbewegungen, die nicht durch Verlagerung der Aufmerksamkeit hervorgerufen werden, uns keine Empfindung von der veränderten Blicklage geben, konnte Hering dadurch über- zeugend nachweisen, dass ein Nachbild unbewegst blieb, auch wenn unter den geschlossenen Lidern nach Rotation des Körpers die Augen nystagmisch bewegt wurden. Mit diesen Andeutungen aus diesen ersten grossen Werken Hering’s muss ich mich hier begnügen, da sie ja den meisten Fach- genossen durch eignes Studium bekannt sind. Nur sei an einem Beispiel noch hervorgehoben, wie seine scharfe Beobachtungsgabe Eigentümlichkeiten der Gesichtswahrnehmungen aufdeckte, an denen andere achtlos vorübergingen. Gegenüber der Projektionstheorie, dass wir alles am richtigen Ort sehen, _ betont Hering vielmehr, dass die richtige Lokalisation eine Ausnahme sei. Überhaupt müssten, schreibt er S. 133: „Wenn jeder beliebige sichtbare Punkt im Durch- schnittspunkte seiner Richtungslinien erschiene, die räumlichen Ver- hältnisse der Sehdinge genau dieselben sein wie die der wirklichen Dinge. Der Sehraum müsste bis ins einzelne den wirklichen Raum, jedes Sehding das entsprechende wirkliche Ding decken. Statt dessen lehrt uns jeder Blick in die Aussenwelt, dass fast alle Dinge in ihrer Erseheinpng andere Raumverhältnisse haben als in der Wirklichkeit, und wenn man gleich weiss, dass die ferneren Bäume einer Allee dieselbe Grösse und Distanz haben wie die näheren, so sieht man sie dennoch kleiner und näher aneinandergerückt. Unsere An- schauung der Aussenwelt deckt fast nie die Wirklichkeit, weil die Tiefenauslegung des Netzhautbildes stets eine unvollkommene ist und 506 ' Siegfried Garten: auf halbem Wege zwischen dem flachen Netzhautbilde und der körperhaften Wirklichkeit stehen bleibt. Unsere Anschauung ist gleichsam ein Relief, das zwischen Planbild und volier Körperlich- keit die Mitte hält. Daraus folst, dass höchstens einige wenige Punkte am richtigen Ort erscheinen können.“ Diese Darlegungen haben später, namentlich durch Hillebrand!) und Heine), ihre weitere Bestätigung gefunden. Baute Hering seine Lehren hier auch auf die namentlich von Johannes Müller gegebene Darstellung der identischen Netzhaut- stellen auf, so muss doch betont werden, dass die bei Johannes Müller gewissermaasser im Keim vorhandene Lehre erst durch Hering folgerichtig weiterentwickelt wurde. „Beide Theorien,“ so schreibt er?) (Projektionstheorie und Identitätstheorie), „stimmte nalso darin überein, dass sie gemeinschaftlich annahmen, die Netzhaut- bilder erschienen auf ihren sogenannten Richtungslinien. Nachdem ich bewiesen hatte, dass letzteres entschieden falsch sei, musste ich die sogenannte Projektionstheorie von Grund aus und die Identitäts- theorie wenigstens in ihrer seitherigen Form verwerfen, und ich setzte an ihre Stelle die von mir sogenannte Theorie der iden- tischen Sehrichtung.“ So haben wir auch seine Bemerkung im Vorwort zu seinen Beiträgen als einen Ausdruck seiner hohen Bescheidenheit in der Einschätzung seiner eigenen Leistungen auf- zufassen, wenn er schreibt: „Nur einen aber gab es, der in dem vorliegenden Hefte nichts weiter finden könnte als die Anpassung seiner eigenen Bearbeitung des Gegenstandes an die jetzt mehr ins einzelne gehenden Bedürfnisse der Wissenschaft, und dieser eine ist der unsterbliche Johannes Müller, der in seiner Darstellung der Gesichtssinnslehre der Wissenschaft ein fast vergessenes Erbe hinter- liess, das anzutreten ich in diesen und einigen späteren Heften ver- suchen will.“ : Unter dem Eindruck dieses grossen Werkes wurde Hering 1865, obgleich er sich erst 1862 in Leipzig habilitiert hatte, als Nachfolger Carl Ludwig’s an die Kaiserliche militärärztliche 1) Hillebrand, Theorie der scheinbaren Grösse bei ln Sehen. Denkschr. Bd. 72, Math? naturw. Kl. d. k.k. Akad.d. Wiss. zu Wien. 1902. 2) Heine, Über Orthoskopie. v. Graefe’s Arch. f. Ophth. Bd. 51 H.3 S. 563. 1900. 3) Hering, Bemerkung zu Volenan s neuen Untersuchungen über das Binokularsehen. Reichert u. Du Bois- Reymond’s Arch. 1864 S. 364. Ewald Hering zum Gedächtnis. 507 Akademie nach Wien berufen.. Sehr bald entfaltete er hier als junger Professor eine reiche und fruchtbare Lehr- und Forscher- tätigkeit. Fragen aus den verschiedensten Gebieten der Physiologie, auf die er wohl durch seine Lehrtätigkeit geführt wurde, regten ihn zu neuen eingehenden Untersuchungen an. Hatte sich Hering in seinen Beiträgen zur Physiologie mit einem Schlag als ein Meister der sinnesphysiologischen Untersuchungen gezeist, so trat sein mikroskopisch-anatomisches Können in seinen Untersuchungen über den Bau der Wirbeltierleber!) hervor. Zur Zeit dieser Unter- suchung Hering’s herrschte über den Bau der Leber, das Lage- verhältnis der Gallenkapillaren zu den Leberzellen und Blutkapillaren noch grosse Unsicherheite. Hering hat nun bei verschiedenen Wirbeltierklassen vereleichend den Bau der Leber untersucht und sich dabei mit Erfolg der Doppelinjektion der Blutgefässe und Gallen- kapillaren bedient, die er mit einer ganz aussergewöhnlichen Kunst- fertigkeit ausführte. Noch jetzt besitzt das Physiologische Institut zu Leipzig eines seiner Injektionspräparate, das Zeugnis von seinem meisterhaften Können gibt. Das wesentliche Resultat seiner Forschung gipfelt in dem Satz: '„Dass die Leber siecb nach ihrem feineren Bau durchaus den übrigen Absonderungsdrüsen anreiht, dass sie als eine tubulöse Drüse mit netzförmigen anastomosierenden Gängen aufgefasst werden darf, und dass die Galle gleich dem Sekret anderer Drüsen durch die von den Drüsenzellen gebildeten Lichtungen der Drüsengänge abfliesst.“ Ein Verständnis des Baues der Säugetierleber wird, wie Hering zeigte, dadurch leicht möglich, dass man, von dem übersichtlichen noch echt tubulösen Bau der Reptilienleber beginnend, bis zu dem der Säuge- _ tierleber eine zusammenhängende Reihe von Übergängen vor sich sieht. Bei ersteren sind noch echte tubuli, mit fünf aneinander- stossenden Zellen vorhanden, deren Zahl sich, in der Tierreihe auf- steigend, schliesslich bis auf zwei reduziert, was zu den bekannten Folgeerscheinungen für die Lage der Blut- und Gallenkapillaren führt. Die Wichtigkeit, die schon kurz nach ihrem Erscheinen dieser Abhandlung Hering’s von maassgebender Seite beigemessen wurde, geht unter anderem daraus hervor, dass Max Schultze Hering 1) Hering, Über den Bau der Wirbeltierleber. I.: Die Leber von Coluber ratrix. Sitzber. d. k. k. Akad. d. Wiss. zu Wien, Abt. I, Bd. 54 S. 335. 1866 u. II.: Die Froschleber. Ebendas. S. 496. . Abgedruckt im Arch. f. mikr. Anat. Bd. 3. 1867. 508 Siegfried Garten: um die Erlaubnis bat, die Abhandlung in seinem Archiv für mikros- kopische Anatomie unverändert abdrucken zu dürfen. Mit welchem Gebiet sich Hering damals auch beschäftigte, fast immer gewannen seine Befunde über kurz oder lang eine grosse biologische Bedeutung. Er besass den Goethe’schen Blick in der Anschauung der Naturvorgänge, dem sich auch das kleinste und scheinbar unbedeutendste nicht entzog. Es sei hier nur an die Ent- deckung der Selbststeuerung der Atmung und die Atembewegungen des Gefässsystems erinnert. Was die erstgenannte wichtige Tatsache der Selbststeuerung der Atmung durch den Nervus vagus betrifft, so setzte er sie auf Grund der Versuche Breuer’s in einer kleinen, anspruchslosen, nur sechs Seiten umfassenden Mitteilung!) auseinander. Wie so oft ist auch hier die wichtige Entdeckung die Folge der An- wendung der richtigen Untersuchungsmethode. Man hatte schon oft vor Hering’s Versuchen den Einfluss der künstlichen elektrischen Vagusreizung und der Durchscheidung des Vagus auf die Atmung untersucht, war aber nicht auf die genial einfachste und einwand- freiste Methode, die Hering hier anwandte, verfallen, die Endigungen des Nervus vagus durch Aufblasen und Zusammenfallenlassen der Lungen zu reizen. Mit Recht sagt daher Hering, wo irgend also bei Untersuchung von Reflexwirkung es angeht, einen Nerven von der Peripherie her durch sozusagen natürliche Mittel zu reizen, soll man es tun, ehe man es versucht, den zentralen Stumpf des durch- schnittenen Nerven künstlich zu erregen. Auch in seinen Untersuchungen über die Atembewegungen des Ge- fässsystems?) verrät sich sein glücklicher Blick. Hatte Traube die periodischen Blutdruckschwankungen, die er zuerst beobachtete, auf eine rhytmische Erreeung und Ermüdung des vasomotorischen Zentrums unter Einfluss der Kohlensäure zurückgeführt, so sah Hering mit scharfem Blick, dass bei nicht ganz vollständig curarisierten Versuchs- tieren jede Blutdruckswelle von einem sonst der Atmung parallel- gehenden abortiven Zucken des Beines begleitet war. Damit erschien die Hypothese Traube’s ausgeschlossen, und die Traube- 1) Hering, Die Selbststeuerung der Atmung durch den Nervus vagus. Nach Versuchen von Breuer. Sitzber. d. k.k. Akad. d. Wiss. zu Wien, Bd. 57 S. 672. 1868. 2) Hering, Über den Einfluss der Atmung auf den Kreislauf. I.: Über die Atembewegungen des Gefässsystems. Sitzber. d. k.k. Akad. d. Wiss. zu Wien, Abt. II, Bd. 60 S. 829. 1869. Ewald Hering zum Gedächtnis. 509 Hering’schen Blutdruckschwankungen konnten auf ihre wahre Ursache, die Überleitung der Erreeung vom Atemzentrum auf das vasomotorische Zentrum zurückgeführt werden. Ausser diesen Arbeiten veröffentlichte Hering in seiner fünf- jährigen Wiener Tätigkeit auch noch seine mikroskopischen Beob- achtungen über das Leben der Blutzellen !), in denen er namentlich die Ursachen der Diapedese behandelt. Aber auch seine Lehre vom binokularen Sehen ?), die das in seinen Beiträgen Gelehrte nament- lich im Hinblick auf die motorische Innervation beider Augen er- sänzt, erschien in dieser Zeit. Die erst in Prag 1871 veröffentlichte Untersuchung über reflektorische Beziehungen zwischen Lunge und Herz°®) (II. Mitteilung) geht cffenbar ebenfalls auf Untersuchungen in der Wiener Zeit zurück. Für die Gründlichkeit seiner Arbeits- weise ist die hier angeführte Bemerkung charakteristisch, dass sich seine an mehr als 30 Hunden durchgeführte Untersuchungen über mehrere Jahre erstreckten, um die Erklärung der Erscheinung, dass Aufblasen der Lunge eine Herzbeschleunigung liefert, ganz sicher zu stellen. So konnte er, nachdem er durch Experimente alle anderen Möglichkeiten sicher ausgeschlossen hatte, die Erklärung geben, dass die Reizung der sensiblen Nervenfasern der Lunge eine schon bestehende Erregung des Zentrums der Herzhemmungsnerven herabsetzt. Durch die Berufung nach Prag im Jahre 1870 als Nachfolger von Purkinje erhielt Hering einen grösseren Wirkungskreis, in dem er bis 1895 tätig blieb, obgleich während dieser Zeit mehrfach Berufungen an ihn herantraten. So schlug er namentlich eine sehr ehrenvolle Berufung an die neugegründete Universität Strassburg, die ihm persönlich grosse Vorteile gebracht hätte, 1872 aus, um in Prag nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für das arg- bedrängte Deutschtum wirken zu können. Mit grösster Energie und 1) Hering, Zur Lehre vom Leben der Blutzellen. I.: Überwanderung der Biutzellen aus den Blutgefässen in die Lymphgefässe. Sitzber. d. k.k. Akad. d. Wiss. zu Wien, Abt. II, Bd. 56 S. 691. 1867, u. II.: Die Beschaffenheit der Blut- zellen in ihrer Bedeutung für die Extravasation derselben. Ebendas. Bd. 57 S. 170. 1868. 2) Hering, Die Lehre vom binokularen Sehen. Engelmann, Leipzig 1868. 8) Hering, Über den Einfluss der Atmung auf den Kreislauf. II. Mitt.: Über eine reflektorische Beziehung zwischen Lungen und Herz. Sitzber. d. k. k. Akad. d. Wiss. zu Wier, Abt. II, Bd. 64 S. 333. 1871. 510 Siegfried Garten: viel Geschick verfocht er die deutsche Sache, und ihm war es haupt- sächlich zu danken, dass 1832 nach reinlicher Scheidung eine deutsche Universität gesründet wurde, zu deren ersten Rektor man ihn in Dankbarkeit erwählte.e Er war damals, wie Zeitungsartikel der tschechischen Blätter beweisen, der von den Tschechen bestgehasste unter den deutschen Professoren. Wenn man Hering, wie es mir und vielen seiner jüngeren Schüler geht, nur aus seiner späteren Leipziger Zeit kennt, kann man sich kaum vorstellen, wie temperament- voll er in Prag für das Deutschtum und für das Ansehen der deutschen Wissenschaft an der Prager Universität gekämpft hat!). Ein klares Bild gibt uns aber das Urteil seiner Zeitgenossen. So schrieb Knoll?) 1883 unter dem unmittelbaren Eindruck der Erfolge, die Hering als Rektor der neugegründeten Universität erzielt hatte: „Einen unter den glänzendsten materiellen Bedingungen an ihn“ (d. h. Hering) „ergangenen Ruf, an der Hochschule zu Strassburg mitzuwirken an der Wiedererorberung eines verloren gegangenen Stückes deutschen Kulturgebietes, hat er mit Verzicht auf jeden eigenen Vorteil und entgegen der Neigung seines Herzens abgelehnt, als ihm die Aussicht eröffnet wurde, in der sesensvollen Umgestaltung der alten deutschen Kulturschule in Prag sich zu bewähren. Eine Reihe von Berufungen deutscher Gelehrter nach Prag und der Auf- bau einer erheblichen Zahl wissenschaftlicher Institute, die mit den besten gleichartigen Instituten Deutschlands konkurrieren können, knüpfen sich an dieses persönliche Opfer Herings. Wie stände es heute um die deutsche Universität in Prag! Ja, hätten wir dort überhaupt noch eine deutsche Universität, wenn dieser Mann damals Prag verlassen hätte, wenn er nicht rastlos und mit der zwingenden Macht eines idealen Charakters und eines Denkers von seltener Schärfe und Tiefe stets eingetreten wäre für die Förderung der deutschen Wissenschaft in Prag!?“ Aber auch noch fast 20 Jahre später hatte man ihn in Prag in. 1) Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass er auch in seiner Leipziger Zeit alle deutschen Bestrebungen, insbesondere das bedrohte Deutschtum in Österreich in jeder Weise zu fördern suchte, nur hat er sich selbst, wohl infolge seiner Schwerhörigkeit und seines zunehmenden Alters, hier nicht mehr öffentlich poli- tisch betätigt. 2) Ph. Knoll, Das erste Lebensjahr der neugestalteten Deutschen Uni- versität in Prag. „Deutsche Zeitung“, 18. Okt. 1883. Aus Knoll, Beiträge zur heimischen Zeitgeschichte, S. 74. Prag 1900. Ewald Hering zum Gedächtnis. | 511 oleicher dankbarer Erinnerung. „E. Hering,“ schreibt Knoll!) in seiner Schrift „Deutsche Wissenschaft in Böhmen“, „der geradezu reformatorisch wirkte, zugleich aber weitschauend seinen Einfluss im Unterrichtsministerium in Wien auch zugunsten der Förderung der deutschen Wissenschaft an den anderen Fakultäten und der Sieherung des nach und nach immermehr untergrabenen deutschen Charakters der Prager Universität aufbot.* | Hering’s energische Haltung in deutschen Fragen wird auch durch folgende Äusserungen eines tschechischen Blattes aus jener Zeit beleuchtet. So schreibt „Politik“, 16. Jänner 1884: „Auch der Prorektor“ (d.h. E. Hering) „der deutschen Universität hat dem akademischen Senat seinen Rücktritt vom Prorektorate angezeigt und diesen Schritt damit motiviert, er könne unter den gegenwärtigen Verhältnissen diese Stelle nicht begleiten. Die schlimmen Verhält- nisse, wenn sich böhmische Theologen nieht zwingen lassen wollen, in die Hände des Rektors der deutschen Universität, der sie not- gezwungen angehören, das Gelöbnis abzulegen...“ Am 2. Oktober 1882 findet sich in der gleichen Zeitung ein Artikel, überschrieben „Minister und Herine“. Das Blatt beklagt sich zunächst bitter, dass die Unizersitätsinsignien, die nach der Darstellung des Blattes die böhmische Universität mit zu beanspruchen hätte, ihr bei „dem gestrigen Heiligengeistamt“ nicht ausgeliefert worden wären. Bissig bemerkt das Blatt: „Aber was ist Gesetz, was ist Minister, wenn der Hering nicht will...“ „Aber Tatsache ist es, dass dieser, seinen Willen über die Anordnung des Ministers setzend, die Insignien nieht herausgab.“ Weist Hering’s erfolgreiche politische Tätigkeit schon darauf hin, dass er auf der Höhe seiner Schaffenskraft stand, so geht das noch viel mehr aus seinen bedeutungsvollen wichtigen wissenschaft- lichen Arbeiten hervor, die er während der Prager Zeit veröffent- lichte. In erster Linie ist hier seine bekannte Lehre vom Licht- sinn zu nennen, die als einzelne kurze Mitteilungen während der Jahre 1872—74 erschienen?). Er ist sich vollbewusst, dass er hier 1) Ph. Knoll, Deutsche. Wissenschaft in Böhmen. Deutsche Arbeit in Böhmen. 8. 284. Herausg. v. Bachmann. Concordia-Verlag, Berlin 1900. 2) Hering, Zur Lehre vom Lichtsinn. Sitzber. d. k.k. Akad. d. Wiss. zu Wien. 1.: Bd. 66, 8. Juni 1872; II.: Bd. 68, 11. Dezember 1873; III.: Bd. 68, 18. Dezember 1873; IV.: Bd. 69, 19. März 1874; V.: Bd. 69, 23. April 1874; VI.: Bd. 70, 15. Mai 1874. Desgl. als Monographie. C. Gerold’s Sohn, Wien 1878. 512 Siegfried Garten: gegen die Strömungen der damaligen Zeit ankämpfen musste. So schreibt er in seinen Vorbemerkungen auf Seite 2: „Es zieht sich durch die moderne Sinnesphysiologie ein verhängnisvolles Vorurteil, wie früher, durch die Physiologie überhaupt. Wie man nämlich einst alles, was man nicht physiologisch untersuchen konnte oder wollte, aus einer Lebenskraft erklärte, so erscheint jetzt auf jedem dritten Blatte einer physiologischen Optik die ‚Seele oder der ‚Geist‘, das ‚Urteil‘ oder der ‚Schluss‘ als deus ex machina, um über alle Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Wie es ferner in der Tat noch unzählige Lebenserscheinungen gibt, die früher, und zwar selbstverständlich ganz überflüssigerweise, wenn auch zuweilen recht scharfsinnie, aus der Lebenskraft erklärt worden sind, und die wir uns auch heute noch mit unserer ganzen Physik und Chemie nicht annähernd klarmachen können, so gibt es auch noch zahllose Sinnesphänomene, die wir für jetzt einer eigentlich physiologischen Untersuchung noch nicht unterwerfen können, und diese sind für die spiritualistische Physiologie ein sehr dankbares Gebiet, das ihr vorerst niemand streitig machen wird. Dass aber auch zahlreiche Erscheinungen, die schon jetzt eine physiologische Untersuchung zu- lassen, noch immer mit physiologischen Gemeinplätzen abgetan werden, ist wohl zu bedauern.“ Hering stellt sich hier im Gegensatz zu der spiritualistischen Richtung der Sinnesphysiologie auf physiologischen Boden. „Ich habe mich bemüht,“ fährt er fort, „die Phänomene des Bewusstseins als bedinst und getragen von organischen Prozessen anzusehen und Verlauf und Verknüpfung der ersteren aus dem Ablauf der letzteren zu erläutern, soweit dies eben bis jetzt überhaupt möglich ist.“ Er folgt hier einem Gedanken, ‚den er schon 1870 in seinem Vortrag über das Gedächtnis in den Worten aussprach: „Was die Materie seinem Forscherauge nicht. enthüllen will, das findet der Forscher im Spiegel des Bewusstseins; freilich nur im Bilde, aber doch in einem Bilde, das in gesetzmässiger Beziehung steht zu dem, was er sucht.“ So sind für ihn die letzten Ursachen der Licht- und Farbenempfindung die Vorgänge in den Sehsubstanzen, deren gesetz- mässige Veränderungen in dem Simultan-, Suksessivkontrast und der Lichtinduktion als physiologische Prozesse der Untersuchung zugänglich sind. Aus dem gegensätzlichen Verhalten von je zwei der sechs von ihm angenommenen Grundempfindungen folgert er, dass die Farbenempfindungen die Folgen der gegensinnigen Stoff- Ewald Hering zum Gedächtnis. 513 _ wechselvorgänge in den drei psychophysischen Substanzen sind. Wie jede lebendige Substanz fortwährend assimiliert und dissimiliert, so werden auch die Sehsubstanzen einem fortwährenden Stoffwechsel _ unterworfen sein. Äussere Reize, hier die Wirkung der Lichtstrahlen auf unser Sehorgan, können nun nach Hering, und das ist der für seine Theorie bezeichnende Grundgedanke, nicht nur die Zersetzung, Dissimilation, sondern, je nach ihrer Qualität auch die Assimilation begünstigen. Eine solche Zunahme der Assimilation gegenüber der Dissimilation würde ebenso wie die Verstärkung der Dissimilation von einer bestimmten Farbenempfindung begleitet sein. Jedes farbige Licht hat dabei nieht nur einen Reizwert für ein oder zwei der farbigen Sehsubstanzen, sondern auch für die schwarzweisse Seh- substanz. Es sind dies die sogenannten farbigen und farblosen Valenzen des Lichtes. Das wären in kurzen Worten die Grund- gedanken seiner bekannten Theorie der Gegenfarben, die in zahl- reichen Schriften ausgestaltet und weitergeführt wurden. Ich er- innere an die Anwendung seiner Lehre auf die partielle und totale Farbenblindheit. Der Streit, ob sich die Unterschiede der sogenannten Rot- und Grünblinden (im Hering’schen Sinn der blau- und gelb- siehtigen Rotgrünblinden) durch die Theorie der Gegenfarben be- driedigend erklären liesse, die Frage nach einer spezifischen Hellig- keit der Farben, der Nachweis, dass das Purkinje’sche Phänomen nieht durch die Beleuchtung der Sehdinge, sondern von der Adap- tation des Auges abhängt, die Gültigkeit des Purkinje’schen Phänomens im Gebiet der Fovea centralis und viele andere Fragen, die einmal in die Erörterung gezogen, von verschiedener Seite be- leuchtet wurden, haben in Anschluss an die Theorie der Gegen- farben unsere Kenntnisse über die Funktionsweise unseres Sehorgans jedenfalls weitgehend gefördert. Diese Andeutung der den meisten Lesern bekannten Lehren müssen hier genügen. Wie die obige Aufzählung zeigt, hat jeden- falls die Theorie der Gegenfarben in der Folge zu zahlreichen Einzeluntersuchungen und polemischen Erörterungen Anlass gegeben. Hering selbst wie mehrere seiner Mitarbeiter haben die Theorie meist auf Grund gründlicher Experimentaluntersuchungen in vieler Hinsicht erfolgreich verteidiet. Ein entscheidendes Urteil über die Zulänglichkeit der Theorie wage ich nicht zu fällen, Selbst seine Gegner haben viele der tatsächlichen Beobachtungen anerkennen müssen und sogar versucht, die Hering’sche Lehre mit der Drei- 514 Siegfried Garten: fasertheorie von Helmholtz zu vereinigen, wie es zum Beispiel v. Kries in seiner Zonentheorie neuerdings wieder angedeutet hat). So wird sich vielleicht auch an dieser Theorie das schon oben an- geführte Wort erfüllen. „Fruchtbare Theorien vererben ihren un- sterblichen Teil ihren Kindern, während ihre sterbliche Hülle zerfällt.“ Scheinbar ganz unabhängig von seinen optischen Untersuchungen und doch in gewissem inneren Zusammenhang mit ihnen stehen seine gemeinsam mit Biedermann in den achtziger Jahren durchgeführten elektrophysiologischen Arbeiten. Galt es ihm doch als Grundsatz, dass die elektrischen Erscheinungen am Tierkörper nicht, wie noch Du Bois-Reymond betonte, einfache physikalische Veränderungen sind, sondern die physikalisch-chemischen Folgen der Stoffwechsel- voreänge in der lebendigen Substanz darstellen?). Als charakte- ristisch für die Gründlichkeit seines Arbeitens sei angeführt, dass er zunächst bei seinen ersten Untersuchungen in diesem Gebiete mehrfach bisherige Versuchsfehler aufdeckte [vel. zum Beispiel seine Mitteilung über die negative Schwankung des Nervenstromes infolge unipolarer Reizung beim Tetanisieren®)] und neue Methoden der Untersuchung angab. Hierher 0,003 75 6 { 363 5,00 | 0,0025 4 0,003 125 6) 0,003 75 6 370 5,09 | 0,001 875 63 0,001 875 3 0,001 875 B3 373 5,00 | 0,0075 12 0,007 5 12 0,007 5 12 1550 5,00 | 0,003 125 5) 0,003 125 5 0,003 125 5 332 I 10,00 | 0,004 375 7 0,008 125 13 0,005 625 9 335 | 10,00 | 0,001 875 3 0,0025 4 0,003 125 5 343 | 10,00 | 0,001 875 3 0,001 875 3 0,001 875 | 63 350 | 10,00 | 0,0025 4 0,004 375 7 0,004 375 7 355 I 10,00 | 0,0025 a! 0,002 5 4 0,002 5 4. 862 | 10,00 | 0,004 375 7 0,004 375 7 0,004 375 7 372 | 10,00 | 0,003 75 6 0,0025 4 0,003 75 6 (376 | 10,00 | 0,009 375 15 0,009 375 15 0,010 625 17 377 | 10,00 | 0,0025 £ 0,003 125 | > 0,005 8 379 | 10,00 | 0,01 16 0,010 625 17 0,010 625 17 381 | 10,00 | 0,004 375 7 0,004 375 7 0,004 375 7 382 ı 10,00 | 0,003 75 6 0,005 625 9 0,005 625 9 325 | 25,00 | 0,001 25 2 0,002 5 4 0,003 75 6 336 | 25,00 | 0,005 s 0.005 s 0,005 8 340 | 25,00 | 0,0025 4 0,002 5 4 0,0025 4 344 | 25,00 | 0,003 125 b) 0,003 125 5) 0,003 125 5 851 | 25,00 | 0,004 375 7 0,008 125 13 0,010 625 17 356 I 25,00 | 0,005. 3 0,008 125 13 0,008 75 14 360 | 25,00 | 0,002 5 4 0,005 625 0) 0.005 625 9 366 I 25,00 | 0,005 S 0,007 5 12 0,007 5 12% 368 | 25,00 I 0,007 5 12 0,006 625 10 | 0,006 25 10 869 | 25,00 | 0,004 375 | 7 0,005 S 0,005 s Tabelle IV. Mittelwerte von sämtlichen Versuchen aus Tabelle II. { Pilocarpin- Atropindosis in Vielfachen von 0,000 625 mg Atropin. sulfur. | dosis Gefässe von Gefässe von Gefässe von | Mittelwerte aus mg 15 ccm 75 ccm 150 cem allen Versuchen 0,05 2,29 2,11 3,14 2,711 0,25 2,25 3,08 3,9 2,94 1,00 2,319 3,915 3,625 3,125 5,00 4,8 5,1 5,1 5,2 10,00 6,8 1,9 825 1,67 25,00 6,5 3,6 9,3 813 538 A. P. van Lidth de Jeude: Bei Betrachtung von Tabelle IV ergibt sich nun folgendes: 1. Die zur Auslösung des Antagonismus nötigen Atropinmengen Steigen nicht proportional den vorher gegebenen Pilocarpinmengen. Das ergibt sich ohne weiteres aus der Betrachtung der senkrechten Stäbe von Tabelle IV. Die Pilocarpindosen nehmen in den Versuchen von 0,05 me bis 25 mg zu, d. h. um das 500fache, die Atropindosen ändern sich dagegen um sehr wenig, im Mittel von 2,71 auf 8,13 me. 2. Die Atropinmengen steigen nicht proportional der Pilocarpinkonzentration. Das erkennt man aus den wage- rechten Reihen der Tabelle IV. Jede Pilocarpindosis ist in Gefässen von 15, 75 und 150 cem angewendet worden. Die Konzentrationen ver- halten sich also wie 1:5:10. Die zum Antagonismus nötigen Atropin- mengen sind aber in den drei Gefässen fast die gleichen. Ja, mit sinken- der Pilocarpinkonzentration steigen die Atropinmengen sogar etwas an. In der grossen Tabelle III sind zahlreiche Versuche enthalten (zum Beispiel Vers. 352 und 357), in denen in den drei Versuchs- gefässen bei gleicher Pilocarpindosis trotz wechselnder Pilocarpinkonzen- tration gleiche Atropinmengen zum Antaxonismus erforderlich waren. In Tabelle V (nach den Zahlen von Tabelle III und IV berechnet) sieht man, dass bei gleichen Pilocarpinkonzentrationen die Atropin- mengen wechseln, wie der Vergleich von Stab 3 mit Stab 4 zeigt. Tabelle V. 1. IE: zu 4. STD m Atropinmenge I er ER: u Piloearpin- in Vielfachen Atropin- E konzentration von konzentration mg ccm 0,000 625 mg 0,05 15 1:800 000 2,29 I. IE 500000 : 0,25 BEE 1: 300 000 3,08 1:39 000 000 5,00 15 1: 83000 4,8 1: 5000000 25,00 75 1: 3000 8,6 1:14 000 000 1,00 15 | 1: 15000 2,375 | 1: 10 100 000 5,00 15 1: 15000 5,1 1:23 500 000 10,00 150 | 1: 15000 8,25 1:29 100 000 3. Die Atropinkonzentrationen et nicht an portional den Pilocarpinkouzentrationen. Das ist aus Tabelle VI zu sehen, wo die Konzentrationen für Pilocarpin und Atropin für sämtliche Werte der Tabelle IV ausgerechnet sind. Vergleicht man die senkrechten Stäbe (Konz. ri. und Konz.Atrop.) für eine bestimmte Gefässgrösse miteinander, so sieht man, dass die “A . Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 1. Tabelle VI. 399 P ilo- Gefässe von 15 ccm Gefässe von 75 cem Gefässe von 150 ccm carpin- Ar a f; Konz.p;], | Konz. ıtrop. | Konz.p;ı, | Konz. \tyop. Fe pi. a, Strom. 0,05 | 1:300000| 1:10500000 | 1:1500000 | 1:44000000 | 1:3000000 | 1:76000000 0,25 11: 60000| 1:10200000 | 1: 300000 | 1:39000000 | 1: 600000 | 1:68500000 ° 1,00 1: 15000'1:10000000 | 1: 75000 |1:35500000 | 1: 150000 | 1:66000000 5.00 1: 3000|1: 5000000|1: 15000 |1:23500000 | 1: 30000 | 1:42000000 10,00 |j1: 15001: 3500000] 1 7000 |1:15000000| 1: 15000 | 1:29000000 25,00 |1: 600| 1: 3700000 | 1 3000 | 1:14000000 | 1 6000 | 1:26000 000 Pilocarpinkonzentrationen stark ansteiren (um das 500fache), die Atropinkonzentrationen nur wenig zunehmen (etwa auf das 3fache). Aus Tabelle V (Stab 3 und 5) erhellt, dass bei gleichen Pilocarpinkonzentrationen durchaus nicht gleiche Atropinkonzen- trationen gefunden werden. Ferner lehrt Tabelle VII, dass sogar beiabnehmenden Pilocarpinkonzentrationen steigende Atropin- konzentrationen gefunden werden können. Br Tabelle VI. S en nn Pilocarpin- Atropin- konzentration konzentration ne, .| Ba le ee ER 25,00 150 1! 6 000 1: 26 000 000 9,00 76) 1: 15000 1:23 500 000 v. 25 15 | 1: 60000 1:10200000 : 10,00 150 1: 15000 1:29000 000 0, 05 15 1: 300.000 1:10 500 000 10,00 75 1: 7500 1:15 000 000 0,05 15 1: 300 000 1: 10 500 000 4. Die Atropinkonzentrationen steigen nicht pro- portional den Pilocarpinmengen. Das ist aus Tabelle VI zu sehen. Während in den senkrechten Stäben die Pilocarpinmengen um das 500fache steigen, nehmen die Atropinkonzentrationen nur um etwa das Sfache zu. Ja, auch bier sind Fälle vorhanden, wo mitsteigender Pilocarpinmenge die Atropinkonzentration absinkt. Das lehrt Tabelle VIII. 5. Aus.den unter Nr. 1—4 abgeleiteten Sätzen er- gibt sich, dass überhaupt keine Proportionalität irgendwelcher Art zwischen dem erregenden Pilo- earpin und dem die Erregung antagonistisch auf- hebenden Atropin besteht. 540 A: P..van Lidth de Jeude: Tabelle VII. Pilocarp indosis Gefässgrösse Atropin- mg cem konzentration 0,05 15 1: 10 500.000 25,00 150 1:26 000 000 0,25 15 1: 10 200 000 10,00 150 _1:29 000 000 1,00 15 1: 10 000 000 5,00 150 1:42 .000 000 Es muss nun entschieden werden, ob eine vollständige Unabhängigkeit zwischen Pilocarpin und Atropin besteht, oder ob die Atropingabe doch in irgendeiner Weise von der vorherigen Pilocarpingabe beherrscht wird. Eine vollständige Unabhängigkeit wäre vorhanden, wenn in allen Fällen beim Antagonismus nach den verschiedensten Pilocarpindosen entweder die absolute Menge oder die Konzentration des Atropins konstant gefunden würde. 6. Ist dieKonzentrationdes Atropins, die zur Aus- lösung des Antagonismus führt, in allen Fällen konstant? Ein Blick auf Tabelle VI lehrt, dass das nicht der Fall ist. Vielmehr schwanken die Atropinkonzentrationen von 1:3,7 bis 1:76 Millionen. 7. Ist die absolute Menge des Atropins, die zur Auslösung des Antagonismus führt, in allen Fällen konstant? Dies wäre nach dem oben angeführten vorläufigen Befund von Magnus möglich gewesen, und bei meinen ersten, weniger genauen Versuchsreihen glaubte ich auch, eine derartige Gesetzmässigkeit zu finden. Je genauer aber meine Versuche wurden, um so mehr stellte es sich heraus, dass die Atropindosen nicht konstant sind, sondern mit den Pilocarpindosen sehr langsam ansteigen. Die senk- rechten Stäbe von Tabelle IV zeigen dieses Verhalten deutlich. Es fand sich als konstanter Befund bei allen meinen späteren Versuchsreihen }). 8. Es ergibt sich also schliesslich als Resultat der Versuche, dass mit stark steigenden Pilocarpindosen die Atropin- dosen auch ansteigen, aber nur sehr wenig. Tabelle IV 1) Dasselbe ergibt sich aus einer Versuchsreihe, in welcher die grösste Pilocarpinmenge und -konzentration im kleinsten Gefäss, und umgekehrt die kleinste Pilocarpinmenge und -konzentration im grössten Gefäss vorkanden war, wie nach- stehende Tabelle zeigt. \ Gefässgrösse Pilocarpinmenge Pilocarpin- Atropinmenge im Viel- cem mg konzentration fachen von 0,000625 mg 15 | 3000 | 6,36 (uantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. 541 zeiet, dass, wenn (senkrechte Stäbe) die Pilocarpindosis von 0,05 auf 25 mg, also um das 500fache, wächst, die Atropinmengen dabei etwa um das Sfache (von 2,29 auf 6,5 mg in 15 cem, von 2,71 auf 8,6 mg in 75 ccm und von 3,14 auf 9,3 mg in 150 eem, im Mittel von 2,71 auf 8,13) zunehmen. In einer anderen, hier nieht näher geschilderten Versuchsreihe, die in meiner Dissertation (Tab. XV S. 80) mitgeteilt ist und die allein in Gefässen von 75 ccm vor- genommen wurde, fanden sich foleende Mittelwerte: Tabelle IX. Pilocarpin- Atropindosis dosis in Vielfachen von mg 0,000 625 mg 0,05 2,42 0,25 St 1,00 4,49 5,00 ak 25,00 12,13 Hier steigen also die Atropinwerte um etwa das 5fache an. Der Verlauf dieser Zunahme ist nach den Zahlen in Tabelle IX auf Fig. 1 dargestellt. In den Versuchen von Tabelle III und IV war die kleinste verwendete Pilo- earpindose 0,05 me, welche stets noch eine sehr deut- liche Erregung bewirkte, deren antagonistische Auf- hebung zweifelsfrei beobach- tet werden konnte. Ich habe Bere ED een ein san FE Fig. 1. Langsame Zunahme der antagonistischen Atropindosis bei starkem Steigen der erregenden Pilocarpindosis. — ä © Baer ja Nele 3 SSreEzan ae : ZuaRammaNTEnn 1 EEE ET Se > ee 2 oO -sısopurdoryy K—— 542 A. P. van Lidth de Jeude: noch besondere Versuche darüber angestellt, welche Atropinmengen nach Schwellendosen von Pilocarpin zum Antagonismus erforderlich sind. Die kleinste noch erregende Pilocarpinmenge war 0,00125 mg in 15 cem Flüssigkeit. Im Mittel von drei Versuchen betrug die hierbei antagonistisch wirkende Atropindose 2,3 0,000625 mg. Sie ist also nicht kleiner, als die nach Tabelle IV gegen 0,05 mg Pilo- carpin in 15 eem Flüssigkeit wirksame Menge. Aus Tabelle III ergibt sich, dass in seltenen Ausnahmefällen schon 0,000 625 mg Atropin zum Auslösen des Antagonismus genügt. Häufig ist 2 0,000625 — 0,00125 mg erforderlich.‘ Nun wurde oben S. 533 gezeigt, dass die kleinste Atropindose, welche am un- vergifteten, nicht durch Pilocarpin erregten Kaninchendünndarm in Tyrode-Lösung Verkleinerung der Pendelbewegungen bewirkt, 0,001 mg beträgt (0,0005 mg hat ausnahmsweise geringe Wirkung). Beide Werte sind nahezu identisch. Es ergibt sich also, dass die Atropindose, welche gegen Pilocarpin antago- nistisch wirkt, und die, welche am normalen Darm die Anfangshemmung hervorruft, übereinstimmen. Diese Tatsache wird für die Erklärung der Anfangshemmung der Darmbewe- gungen durch Atropin in einer späteren Arbeit Bedeutung gewinnen. | Bei Betrachtung von Tabelle IV erscheint die Tatsache merk- würdig, dass in allen Fällen im Gefäss von 150 ccm, :wo also die seringste Pilocarpinkonzentration war, etwas mehr Atropin ge- braucht wurde als im Gefäss von 15 ccm (die Werte für das Gefäss von 75 ccm stehen in der Mitte). Die Erklärung ist aber einfach. Im grössten Gefäss dauert es — bei der von mir angewandten Technik — immer etwas länger, bis die zuerst zugefügte Atropinmenge sich ganz mit der Flüssigkeit der Versuchsgefässe gemischt hat. Infolgedessen st in diesem Gefäss die Möglichkeit, dass nach 20 Sekunden noch ein zweites Mal !/a ccm Atropinlösung zugefügt werden muss, grösser als in den kleineren Gefässen !). Es wurde oben $. 532535 gezeigt, dass die erregende Wir- kung des Pilocarpins auf den Darm abhängt von der in der Versuchsflüssigkeit vorhandenen Pilocarpinkonzentration, während die hemmende Wirkung kleinster Atropindosen auf den Darm nieht von der Konzentration, sondern von der absoluten Giftmenge abhänst. Aus diesem Grunde hätte man von vornherein erwarten sollen, dass beim Antagonismus das langsame Ansteigen der Atropin- mengen nicht entsprechend den stark steigenden Pilocarpinmengen, sondern entsprechend den Pilocarpinkonzentrationen erfolgen 1) In der Versuchsreihe S. 540 Anm. 1 ist dieser Fehler vermieden. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. 543 müsse. Tatsächlich scheint aber letzteres nicht der Fall zu sein. In Tabelle X sind die Versuchsergebnisse aus Tabelle IV bzw. VI’ nach steigenden Pilocarpinkonzentrationen geordnet und die zu- gehörigen Atropinmengen beigefügt. Man sieht, dass die letzteren keineswegs mit der Pilocarpinkonzentration ansteigen, sondern dass ein sanz regelloses Verhalten herrscht. Selbst wenn man berück- sichtigt, dass, wie oben auseinandergesetzt wurde, in den grossen Versuchsgefässen meist etwas höhere Atropinwerte gefunden werden als in den kleinen, stellt sich keine volle Gesetzmässigkeit heraus. Und dasselbe ergab sich auch in anderen Versuchsreihen. Tabelle X. Atropin- A Pilocarpin- menge in Viel- u konzentration fachen von er 0.000625 me com 1:3000 000 3,4 150 1: 1500 00 9,71 75 1: 600000 3,9 150 1:. 300.000 2,29 15 1: 300 000 3,08 75 1: 150000 3,625 150 1: 75000 3,375 75 1: 60000 2.25 15 1: 830000 9,1 150 1: 15000 2,375 15 1: 15000 1 75 1: 15000 9,29 150 12.7500 7,9 75 ie: 6 000 9,3 150 1,8 3.000 4,8 15 1223000 8,6 75 12150 6.8 15 ‚ie: 600 6,5 15 Er 50 wurde zum Beispiel in einer grösseren Vergleichsuntersuchung zur Erregung stets 1 mg Pilocarpin. hydrochlor. verwendet. Die Pilo- carpinmengen waren also stets gleich, die Konzentrationen in den Ver- suchsgefässen von 15, 75 und 150 cem nahmen aber wie 10:5:1 ab. Trotzdem stiegen die antagonistischen Atropindosen entsprechend der Gefässgrösse wie 2,125 ::2,75:3,75. Von einem Einfluss der Pilo- carpinkonzentration war nichts zu spüren. Es bleibt also bei dem oben aufgestellten Satze, dass mit stark steigerden Pilocarpinmengen die antagonistischen Atropindosen nur sehr wenig zunehmen. Das von mir erhaltene Ergebnis stimmt also mit dem tatsäch- lichen Befunde von Magnus überein, welcher die Atropindosen in seinen Versuchen in grossen Sprüngen (um das 10fache) steigen 544 A. P. van Lidth de Jeude: liess und dabei fand, dass bei Zunahme der Pilocarpindosis um das 50fache !/ıo mg Atropin antagonistisch wirkte, während !/ıoo mg nur unvollständige Wirkung ausübte. In meinen Versuchen, wo ich erstens die Pilocarpindosis sehr viel stärker ansteigen liess, anderer- seits die Atropindosen sehr viel feiner abstufte, ergab sich, dass die antagonistischen Atropindosen nicht. konstant sind, sondern langsam ansteigen. Der hier untersuchte Fall gehorcht also weder den Regeln, welche Langley für den Antagonismus Nikotin-Curare am quer- gestreiften Muskel, noch denen, welche Cushny für den Antagonis- mus Pilocarpin-Atropin an der Speicheldrüse des Hundes aufgestellt hat. In den Versuchen von Cushny handelt es sich um dasselbe Giftpaar wie in meinen Experimenten. Der Widerspruch in den Ergebnissen kann entweder darauf beruhen, dass es sich um ver- schiedene Organe — Darm, Speicheldrüsen — handelt, an welchen vielleicht der Antagonismus anderen Regeln folgt, oder darauf, dass Cushny am ganzen Tier arbeitete, die Gifte subkutan einspritzte und daher wegen der unbekannten Resorptionsgeschwindigkeit und der unbekannten Giftverteilung im Körper sehr viel verwickeltere Verhältnisse schuf, als sie in Versuchen am isolierten Organ in kon- stanten Mengen Versuchflüssiekeit vorhanden sind. Nachdem die quantitativen Verhältnisse beim Antagonismus Pilo- earpin-Atropin festgestellt waren und sich dadurch eine feste Basis für eine spätere Theorie dieses Antagonismus ergeben hatte, habe ich noch den Einfluss verschiedener Faktoren, wie Zeit, Tem- peratur, Reaktionder Aussenflüssigkeit, auf den Eintritt des Antagonismus untersucht, um auch hierdurch Material für eine solche Theorie beizuschaffen. d) Einfluss des zeitlichen Abstandes zwischen dem Zusatz der Pilocarpin- und Atropindosen. Die zu diesen Versuchen verwendeten Pilocarpindosen betrugen lundö mg. Nach Eintritt der Pilocarpinerregung wurde 0—60 Mi- nuten gewartet und dann die zum Antagonismus nötige Atropindosis bestimmt‘). Das Ergebnis ist in Tabelle XI und XII verdeutlicht. 1) In dieser Versuchsreihe durfte der Sauerstoffstrom nur schwach genommen werden, da sonst aus den Gefässen von 15 ccm Inhalt zu viel Flüssigkeit im Laufe der Zeit verdunstete. = c alte e EEE) | VEREHPE GERN Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. 545 Tabelle XI. Pilocarpin- Zeit zwischen | Mittlere Atropindosen in Vielfachen von 0,000 625 mg dosi dem Zusatz Den beider Gifte Gefässe Gefässe Gefässe Im Mittel mg Minuten von 15 ccm | von 75 cem |von150cem | "m le 1 0 39 3,0 39 3,25 1 1 — 3,0 | — 3,0 1 5 1,67 BB) 3,9 2,75 1 10 2,5 2,0 3,0 2,5 1 15 1,0 2,0 3,0 2,0 Die Zahl der Einzelversuche, weiche der Tabelle XI zugrunde liegen, ist nicht sehr gross, so dass auf die absoluten Zahlen kein zu srosses Gewicht gelegt werden darf. Immerhin zeigt aber die Tabelle, dass, wenn zuerst Pilocarpin, danach Atropin gegeben wird, der Antagonismus (innerhalb der ersten Viertelstunde) um so leichter eintritt, je mehr Zeit zwischen dem Zusatz der beiden Gifte ver- streicht. Der Einfluss ist aber kein sehr grosser, so dass er, wenn man Versuche über Antaconismus in der von mir geübten Weise (Zusatz von !/ı ecm Atropinlösung alle 20 Sekunden vom Eintritt der maximalen Pilocarpinerreeung an) vornimmt, als Versuchsfehler keine störende Rolle spielt; um so mehr, wenn man diesen Einfluss der Zeit kennt und berücksichtigt. Tabelle XII beruht auf einer sehr grossen Anzahl von Einzel- versuchen, so dass die Resultate auf Zuverlässigkeit Anspruch machen können. Tabelle XI. . Pilo- ) Zeit zwischen| Mittlere Atropindosen in Vielfachen von 0,000 625 mg carpin- dem Zusatz dosis beider Gifte Gefässe Gefässe Gefässe Im Mittel mg Minuten von 15 ccm | von 75 ccm | von 150 cem | =! 1 0 9 7,7 7,56 6,83 1 20 311 3,7 9,22 4,0 1 40 2,67 4,3 4,6 3,9 1 60 2,6 4,0 4,2 3,6 Auch hier sieht man, dass um so kleinere Atropindosen erforderlich sind, je längere Zeit (innerhalb 1 Stunde) seit dem Zusatz der erregenden Pilocarpinmenge ver- strichen ist. Nach 1 Stunde genügt fast die Hälfte der Atropin- .dosis, welche sofort nach dem Pilocarpinzusatz nötig war. 546 A. P. van Lidth de Jeude: Wird erst Atropin und danach Pilocarpin zugefügt, so tritt nach den Erfahrungen von Magnus am Katzendarm noch eine Pilocarpin- erregung ein (doppelseitiger Antagonismus). Wie Kress!) zeigte, wird dagegen am Kaninchendarm in Ringer-Lösung durch einiger- maassen grössere Atropindosen (12,5—50 mg) das Zustandekommen der späteren Pilocarpinerregung verhindert. In meinen Versuchen am Kaninchendarm in Tyrode-Lösung fand sich, dass nach vor- herigen Atropingaben unter 0,5 mg (dem 100 fachen einer sicher gegen Pilocarpin antagonistisch wirksamen Dosis) sich noch häufig eine Pilo- earpinerregung auslösen lässt, während nach Atropingaben über 1,5 mg dieses nur in Ausnahmefällen eintrat. Auch nach den kleinen vor- herigen Atropindosen braucht man zur Erregung deutlicher Tonus- zunahmen sehr viel grössere Pilocarpindosen als am unvergifteten Darm. Das wirksame ist auch hier die Pilocarpinkonzentration, Der zeitliche Abstand zwischen der Zufügung von Atropin und Pilocarpin hat nur wenig Einfluss auf den Eintritt der Pilocarpinerregung.. Jedenfalls nimmt bei längerer Dauer der Atropinvergiftung die Möglichkeit, einen Darm durch Piloearpin zu erregen, nicht ab, sondern vielleicht sogar etwas zu. Der Grad der Erregung durch eine bestimmte Pilo- earpindosis nimmt jedenfalls mit der Dauer der Atropinwirkung fast stets etwas zu. Für die experimentelle Begründung dieser Sätze sei auf meine Dissertation verwiesen. Magnus?) hatte am Katzendarm in Ringer-Lösung in einigen Versuchen gefunden, dass nach vorheriger Atropinisierung die Möglich- keit, nachher durch Pilocarpin eine Erregung zu bekommen, mit der Zeit abnimmt, und hatte dieses vermutungsweise auf eine allmählich eintretende Verfestigung des Atropins am Darme bezogen®?). Hedin*) und Jahnsohn Blohm°) fanden bei der Aufnahme von Fermenten 1) K. Kress, Wirkungsweise einiger Gifte auf den isolierten Dünndarm von Kaninchen und Hunden. Pflüger’s Arch. Bd. 109 S. 608. 1905. 2) R. Magnus, Untersuchungen am überlebenden Dünndarm von Säuge- tieren. Mitt. 5. Pflüger’s Arch. Bd. 103 S.1. 1905. 3) R. Magnus, Die Bewegungen des Verdauungskanals. Ergebn. d. Physiol. Bd. 7 8.28. 1908. 4) S. G. Hedin, Antitryptic effect of charcoal. Biochemical. Journ. vol. 1 p. 484. 1906. — 8. G. Hedin, Über Reaktionen zwischen Enzymen und anderen Substanzen. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 82 S. 175. 1912. 5) G. Jahnsohn Blohm, Die Einwirkung einiger kolloiden Substanzen auf die Hemmung der Enzymwirkungen. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 82 S. 178. 1912. — . F F F Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. 547 durch Tierkohle eine derartige mit der Zeit zunehmende Verfestigung. Auch Cushny!) sah bei Hunden, dass nach längerer Dauer der ° Atropinwirkung grössere Pilocarpindosen nötig waren, um Speichel- absonderung hervorzurufen. Meine Versuche am Kaninchendarm in Tyrode-Lösung haben ein derartiges Verhalten nicht ergeben. Die Pilocarpinerregbarkeit nahm nach längerer Dauer der Atropinwirkung nicht ab, soudern eher etwas zu. Wenn bei einem vorher atropinisierten Darm eine Pilocarpin- erregung hervorgerufen war, so konnte diese durch eine weitere Steigerung der Atropindosis wieder antagonistisch aufgehoben werden. Dazu war, in Übereinstimmung mit den Befunden früherer Unter- sucher, stets eine grössere Atropindosis nötig, als wenn die Wirkung - der gleichen Pilocarpindosis ohne vorherigen Atropinzusatz hätte auf- gehoben werden müssen. e) Einfluss der Temperatur auf den Antagonismus. Der Antagonismus wurde bei Temperaturen von 22°, 27°, 32° und 33 ° untersucht. Entsprechend den Beobachtungen von Magnus?) nimmt mit sinkender Temperatur die Frequenz der Pendelbewegungen ab. Bei 22° waren die Därme in der Normalperiode fast stets be- wegungslos, oder sie führten ganz kleine Bewegungen aus; bei 27° blieb ein Teil der Därme ruhig, die anderen zeigten kleine und un- regelmässige Bewegungen, bei 32° waren die Pendelbewegungen ebenso gross wie bei 38°. Die nach dem Pilocarpinzusatz auftretende Erregung äusserte sich bei den Temperaturen von 22—38° nach Art und Ausmaass in gleicher Weise. Nur trat bei niedriger Temperatur (22° und 27°) die Pilocarpinerregung verspätet auf; die Darmkontraktion begann nicht sofort nach Zufügen der Gifte, sondern erst nach einigen Se- kunden. | Der Einfluss der Temperatur auf die zum Antagonismus nötige Atropinmenge ist aus Tabelle XIII ersichtlich. Es zeigt sich, dass der Einfluss der Temperatur, wenn ein solcher überhaupt vorhanden ist, jedenfalls sehr gering ist. Vor allem sieht man, dass keinesfalls die Atropindosen 1) A. R. Cushny, Quantitative observations on antagonism. Journ. of pharmacol. and exper. therap. vol. 6 p. 439. 1915. 2) R. Magnus, Untersuchungen am überlebenden Dünndarm von Säuge- ‚tieren. Mitt. 1. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123. 1904. 548 A. P. van Lidth de Jeude: entsprechend der van’t Hoff’schen Regel ansteigen. Ziemlich konstant werden bei 35° die niedrigsten Atropinwerte gefunden. Letzteres lässt sich erklären durch die Annahme, dass ebenso wie die Pilocarpinwirkung auch die Atropinwirkung bei niederer Tem- peratur verspätet eintritt. Das würde bei unserer Versuchsanordnung zur Folge haben, dass mehr Atropin zugesetzt wird, ehe die Pilo- carpinerregung aufgehoben ist. Tabelle XI. Pilo- Mittlere Atropindosis in Vielfachen von 0,000 625 mg carpin- | Temperatur dosis Gefässe | Getässe | Gefässe Im Mittel mg 0.0; von 15 ccm | von 75 ccm | von 150 cem | NE 1 22 614 | 7,43 S,14 7,24 1 27 6,25 9,17 8.8 7,54 1 32 6,25 | E29 ı 11. ED 8,13 1 38 5,18 7,18 7,0 6,85 f) Einfluss der Alkalinität (H-Ionen-Konzentration) und der chemischen Zusammensetzung der Aussenflüssigkeit auf den Antagonismus. Eine spätere Thecrie des Antagonismus wird vor allem die Frage zu erörtern haben, ob es sich dabei um eine Gleichgewichts- reaktion irgendwelcher Art handelt. Es erhebt sich dann die Frage, ob es gelingt, das (zunächst hypothetische) Gleichgewicht durch irgendwelche Maassnahmen zu verschieben. Dass das durch Temperaturänderungen nicht gelingt, wurde im vorigen Abschnitt gezeigt. Daher wurde versucht, ob man durch Änderung der H- Ionen-Konzentration nicht eine derartige Wirkung erreichen könne. 0. Gross!) zeigte, dass man durch Zusatz von NaOH und NaHCO, die Giftigkeit von Salzen der Lokalanästhetika (Kokain, Novokain u. dgl.) beträchtlich steigern kann und bezog das darauf, dass dabei durch hydrolytische Dissoziation mehr von der wirksamen Base in Freiheit gesetzt wird. J. Traube?), Berczeller und Czaki?°) fanden, dass Zusatz von Soda und von Laugen die Oberflächenspannung von Alkaloidsalzlösungen vermindert und Er Giftigkeit steigert. 1) O. Gross, Über Narkotika und Lokalanästhetika. Arch, f. exper. Path, u. Pharm. Bd. 63 S. 80. 1910 u. Bd. 67 S. 126. 1912. 2) J. Traube, Über die Wirkung von Basen und er Salzen auf Alkaloidsalzen, Biochem, Zeitschr. Bd. 42 S. 470. 1912. 3) L. Berczeller und L. Czaki, Wirkungen von Laugen auf die Ober- flächenspannung der Alkaloidsalzlösungen. Biochem, Zeitschr. Bd. 53 S.238. 1913. \s Pe Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. I. 549 Ich stellte daher vergleichende Versuche an in fünf verschiedenen Aussenflüssigkeiten. Die H-Ionen-Konzentration desselben bestimmte freundlicherweise Herr Dr. W. E. Ringer im hiesigen physiologi- schen Institut auf elektrischem Wege. Die Zusammensetzung der Flüssigkeiten war folgende: | 1. 0,8500 NaCl. Ca=0,8-10-°. In dieser Flüssigkeit führten Kaninebendärme spontan entweder keine oder nur sehr ge- ringe Bewegungen aus. Pilocarpin bewirkte plötzliche, starke Tonus- zunahme, die etwas geringer war als in Ringer- oder Tyrode- Lösung. 2. Ringer-Lösung (NaCl 9, KC1 0,42, CaC], 0,24, NaHCO, 0,3, H;0 1000) Cu = 9,19:10”°. Hierin waren die Darmbewegungen ziemlich regelmässig, aber meist etwas kleiner als in Tyrode- Lösung!). Pilocarpiz wirkte prompt erregend. 3. Tyrode-Lösung (NaCl 8, KCl 0,2, CaC], 0,2, MeC!, 0,1, NaH;PO, 0,05, NaHCO; 1, Glukose 1, H,O 1000) Cu-— 7,54- 10-9 2). Beste Aussenflüssigkeit für Kaninchendärme. Prompte Pilocarpin- wirkung. 4. Modifizierte Tyrode-Lösung A (NaHCO, ist durch die gleiche Menge Na,C0, ersetzt; von dem bei der Darstellung ent- stehenden Niederschlag wird abfiltriert), Cu = 897-1011. In dieser Lösung gerieten die Därme in starken Tonus und führten nur kleine und unregelmässige Bewegungen aus. Pilocarpin bewirkte eine lang- same, treppenförmig ansteigende Kontraktion, die vorüberging, worauf die Därme vergrösserte Bewegungen bei niedrigem Tonus ausführten. Atropin wirkte deutlich antagonistisch. 5. Modifizierte Tyrode-Lösung B (die vorige Lösung A ohne 1) Nach der Entnahme der Därme aus dem Körper der Tiere wurden sie, wie erwähnt, in Tyrode-Lösung von 283—29° C. aufbewahrt und blieben so ‚stundenlang in gutem Zustand. Wurden sie aber statt dessen in Ringer- Lösung bewahrt, so hatten sie meist in weniger als 1 Stunde ihre Bewegungs- fähigkeit eingebüsst. Nach dem Zurückbringen in Tyrode-Lösung stellten ‘sich, falls sie nicht zu lange in Ringer-Lösung gelegen hatten, zach einiger Zeit die Bewegungen wieder ein. Die Ausschläge waren dann aber immer geringer ‚als bei Därmen, die von Anfang an in Tyrode-Lösung aufbewahrt waren. 2) Neukirch, und Rona (Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. III. Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 273. 1902) fanden auf kolorimetri- schem Wege für diese Lösung Ca = 0,2-10-7, also einen beträchtlich niedrigeren "Wert. Dementsprechend geben sie als Optimum für die Darmbewegungen eine niedrigere Zahl an, als wir gefunden haben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 36 550 A.P. van Lidth de Jeude: MsCl,, NaH,;PO, und Glukose, vom entstehenden Niederschlag ab- filtriert) Cu = 3,34-10-1, Die Tonussteigerung ist lange nicht so ausgesprochen wie in Lösung A; die Bewegungen sind, solange die Lösung frisch ist, klein und unregelmässig. Pilocarpin wirkt prompt erregend. — Nach einiger Zeit fällt aus dieser Lösung aller Kalk aus. Dann hören alle Spontanbewegungen auf, und Pilocarpin wirkt nicht mehr erregend. Y In allen. Versuchen wurde 5 mg Pilocarpin gegeben. Die zum Antagonismus nötigen Atropinmengen sind aus Tabelle XIV ersichtlich. Tabelle XIV. Atropinmengen Zahl der Aussenflüssigkeit Cy Einzel- in Vielfachen von versuche 0,000 625 mg!) DRM IENABE 2...’ WEST 10577 10 16—48 Bramene ae 0er 9.191022 18 12—40 RED A I 7,5410 ° 26 12—44 Modifizierte Tyrode A . 8,97.10-11 15 12—23 Modifizierte TyrodeB . 3,94. 10-11 8 16—28 Wie man sieht, ergibt sich kein wesentlicher Unterschied der tropinmengen in den verschiedenen Versuchsflüssigkeiten, und vor allem ist ein gesetzmässiges Steigen derselben, ent- sprechend der H-Ionen-Konzentration, nicht vorhanden. Dasselbe ergab sich auch beim Vergleiche der (in meiner Dissertation zusammengestellten) Einzelversuche. Eine Gleichgewichtsverschiebung beim Antagonismus scheint also durch wechselnden H-Ionengehalt der Lösung nicht einzutreten. 8) Antagonismus von Atropin gegen Physostigmin und Muskarin (Grübler). "Wie in der Einleitung erwähnt, habe ich im Anfang meiner Untersuchungen, ehe die Methodik in der geschilderten Weise aus- gebildet war, den Atropinantagonismus gegenüber Pilocarpin, Physo- stigmin und Muskarin (Grübler)?) an Därmen von Kaninchen, 1) Die angeführten Atropinwerte liegen durchweg höher als in den übrigen in dieser Arbeit verwerteten Versuchen. Das kommt daher, dass in dieser Ver- 'suchsreihe eine viermal konzentriertere Lösung verwendet wurde, welche im ‘Kubikzentimeter 0,01 mg Atropin enthielt (vgl. oben S. 529). 2) Aus Cholin dargestelltes „Muskarin“ ist nach Dale der Salpetrigsäure- Ester des Cholins. I P Quantitative Untersuchungen über den Antagoaismus von Giften. I. 551 Katzen und Meerschweinchen untersucht. Wenngleich die erhaltenen Resultate noch nicht auf dieselbe Zuverlässigkeit Anspruch erheben können wie die im vorstehenden geschilderten Ergebnisse, so stellte sich doch dabei heraus, dass der Antagonismus des Atropins gegen Physostigmin und Muskarin im wesentlichen denselben Gesetzen gehorcht wie der gegen Pilocarpin; das heisst, dass bei stark steigenden Dosen von Physostigmin und Muskarin die zum Antagonismus nötigen Atropindosen jedenfalls nur sehr wenig zunehmen. i Zusammenfassung. 1. Die Methodik für Antagonismusversuche am isolierten Darm wird geschildert, und die Fehlerquellen, welche dabei vermieden werden müssen, angegeben. 2. Die erregende Wirkung des Pilocarpins auf den isolierten Darm hängt von der Konzentration des Pilocarpins in der Aussen- flüssigkeit ab. 3. Die hemmende Wirkung kleinster Atropindosen ist dagegen von der absoluten Giftmenge abhängig. 4. Es besteht keine Proportionalität zwischen Menge oder Kon- zentration des erregenden Pilocarpins und der Menge oder Konzen- tration des die Erregung aufhebenden Atropins. 5. Ebensowenig ist zur Aufhebung der Erregung nach steigenden Piloearpinmengen oder -konzentrationen stets eine konstante Atropin- menge cder -konzentration erforderlich. 6. Vielmehr steigen mit stark zunehmenden Pilocarpindosen die Atropinmengen sehr langsam an. 7. Je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Zusatz des Pilocarpins und dem späteren Zusatz des Atropins ist, desto kleinere Atropindosen genügen zur Auslösung des Antagonismus. 8. Ein Einfluss wechselnder Temperaturen und verschiedener H-Ionen-Konzentration der Aussenflüssiekeit auf die zum Antagonis- mus erforderlichen Atropindosen liess sich nicht nachweisen. 9. Der Antagonismus des Atropins gegen Physostigmin und Muskarin gehorcht im wesentlichen denselben Gesetzen wie der gegen Pilocarpin. 5523 A.P. van Lidth de Jeude: Quantitative Untersuchungen usw. Zusatz bei der Korrektur. Von R. Magnus. Bei der Fortsetzung der Versuche im hiesigen Institut hat es sich herausgestellt, dass durch den Gebrauch von Versuchsgefässen von nur 15 ccm Inhalt ein weiterer Versuchsfehler eingeführt wird, zum Teil sicher dadurch, dass bei etwaigem Schäumen der Flüssigkeit zugesetzte Gifte sich nicht quantitativ mischen. Es wurden daher neue Experimente von Storm van Leeuwen und Le Heux mit Verwendung grösserer Gefässe vorgenommen, welche die Resultate obiger Untersuchung im wesentlichen bestätigten und ebenfalls zu dem Ergebnis führten, dass bei stark steigender Pilocarpinmenge und -konzentration nur sehr wenig mehr Atropin zum Antagonismus nötig ist. ENTER: Es scheint aber die antagonistische Atropinwirkung nicht so sehr von der absoluten Menge als von der Konzentration des Atropins abzuhängen. Die ausführliche Mitteilung wird folgen. en er “ DEREN Te a nn IE 5 999 (Aus dem medizinisch-poliklinischen Institute der Universität Berlin und dem elektromedizinischen Laboratorium der Siemens & Halske A.-G. Wernerwerk; Siemensstadt.) Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. Von P. Schrumpf und H. Zöllich, (Mit 24 Textfiguren.) Bei der weitaus überwiegenden Zahl-von Messgeräten werden Kraftäusserungen der zu messenden Grösse, des Druckes, der elek- trischen Spannung, des elektrischen Stromes, zur Verschiebung von beweglichen Teilen entgegen einer diese zurückhaltenden, meist durch Federn gelieferten Kraft nutzbar gemacht. Es herrscht ganz allgemein das Bestreben, hierbei alle bewegten Teile, die Kraftträger oder das Triebwerk, den. Zeiger, das Schreibzeug, so leicht zu bauen, wie es überhaupt möglich ist, ohne dass Verbiegungen auftreten. Plumpe, massige Teile lassen sich viel schwerer in Bewegung setzen als feine, leiehtgebaute und erfordern Kräfte, die meist nicht zur Verfügung stehen. Doch ist es nicht dies, also die Erhöhung der Empfindlich- keit, allein, das zur sparsamen Verwendung von trägen Massen zwingt; die Forderung wird dringender, wenn rasch veränderliche Vorgänge mit den Messgeräten verfolgt werden sollen. Da müssen die Messsysteme, um keine schnell vorübergehenden Schwankungen der zu messenden Grösse auszulassen, sich recht geschwind bewegen und um so geschwinder, je rascher die Schwankungen ablaufen. Die gleichen Massen aber auf grössere Geschwindigkeit zu bringen, er- fordert stärkere Kräfte, die besonders dann nicht aufgebracht werden können, wenn es sich um die Messung besonders geringfügiger Grössen handelt. Daher werden Marey’sche Kapseln, Lautschreiber, Herztonschreiber mit recht dünnen und leichten Membranen von kleinem Durchmesser versehen, die nur mit ausserordentlich geringen Massen in Gestalt von Zeigern oder Spiegeln belastet sind. Daher 554 P. Schrumpf und H. Zöllich: werden auch elektrische Messgeräte mit Drehteilen versehen, die nicht weit ausladen und keine an längeren Hebelarmen sitzenden Schwung- massen aufweisen. Nach diesen Grundsätzen entworfene Messgeräte, die rasch ablaufenden Schwankungen nachkommen oder noch besser sie recht getreu aufzeichnen können, vermögen natürlich auch, sich selbst überlassen, ohne Einwirkung äusserer Kräfte nur durch die Kraft ihrer Federn mit ihren Arbeitsteilen rasche Bewegungen aus- zuführen, vorausgesetzt, dass keine besondere Bremsung stattfindet. Diese Bewegungen bestehen in Schwingungen um die Ruhelage, da die bewegten Teile infolge ihrer Massenträcheit immer wieder über sie hinausschiessen und dann wieder durch die rückstellenden Federn zurückgetrieben werden. Die für Messgeräte zur Anzeige oder Auf- zeichnung rasch wechselnder Vorgänge hinsichtlich der Rückstellkraft der Messfedern und hinsichtlich der bewegten Massen zu erfüllenden Be- dingungen lassen sich demgemäss auch dadurch ausdrücken, dass man eine kurze Eigenschwingungsdauer oder eine hohe Eigenschwingungs- zahl in der Zeiteinheit verlangt. Doch dies allein genügt nicht. Es ist bekannt, dass Messgeräte, deren bewegliche Teile sich hemmungs- los bewegen können, scheinbar Schwankungen der zu messenden Grösse anzeigen oder schreiben, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Dies tritt insbesondere bei stossweisen Änderungen der zu messenden Grösse auf, weil die bewegten Teile infolge ihrer Massen- trägheit über die neue geänderte Lage, die sie einnehmen sollten, hinausschleudern, die Messfedern aufziehen, soweit Kraft dazu vor- handen ist, dann zurückschnellen und weiterhin fortwährend um ihre richtige Stellung hin- und herpendeln, d. h. eben Eigenschwingungen ausführen. Um diese Eigenbewegungen abzufangen, muss man richtig abgestimmte Bewegungshindernisse einführen, die gerade so kräftig wirken, dass die der Kurve des zu verfolgenden Vorganges über- lagerten und dessen Verlauf fälschenden Schwingungen oder Zacken nahezu im Entstehen erlöschen. Noch stärkere Bremsung der be- wegten Teile, als zu ihrer Beruhigung nötig, ist unzweckmässig, da man dann die durch den zu messenden Vorgang selbst hervorgerufene Bewesung der arbeitenden Teile des Messgerätes mit abdämpfen würde. Diese würden nur kriechend einer in Wirklichkeit weit rascher - vor sich gehenden Änderung der Messgrösse nachfolgen oder gar sie nicht mehr anzeigen, falls inzwischen bereits neue Schwankungen in anderem Sinne auftraten. Sollen nicht die Angaben des Messgerätes, seine Eichung, mit = Pe Ks ww Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 555 beeinflusst werden, dürfen die Bremskräfte lediglich durch die Be- wegung selbst ausgelöst werden, sie müssen mit ihr verschwinden und mit der Geschwindigkeit wachsen. Mit den Kräften, die den Ausschlag des Messgeräts selbst hervorrufen und begrenzen, arbeiten sie zwar zusammen, um die’ wirklich stattfindende Bewegung hervor- zurufen, aber sie beeinfiussen sich nicht gegenseitio. Beide treiben die Teile, ohne sich umeinander zu kümmern. Man kann sie daher gedanklich auseinanderhalten und von einer Eigenschwingungeszahl des Messgerätes sprechen, auch wenn dies tatsächlich keine Schwin- gungen vollführt. Man hat dann die Schwingungen im Auge, die entstehen würden, wenn man sämtliche‘ Bewegungshindernisse forträumte. Dabei ist es gleichgültig, ob man diesen Versuch wirk- lich oder, wie es meist der Fall ist, nur in Gedanken ausführen kann. In diesem Sinne sind auch im folgenden die Begriffe „Eigen- , sehwingungsdauer“ oder „Eigenschwingungszahl in der Sekunde“ (kurz: Eigenfrequenz) aufzufassen. Zwei Bedingungen sind es also, denen Messgeräte zur Auf- zeichnung schnell veränderlicher Grössen genügen müssen: aus- reichend hohe Eigenschwingungszahl des Messsystems, die sich nach der Raschheit der zu schreibenden Veränderungen richtet, und eine passende Dämpfung. Die erste Bedingung ist besonders schwer zu erfüllen, wenn gleichzeitig eine hohe Emp- findliehkeit für die zu messende physikalische Grösse verlangt wird; dann wirken nur schwache Richtkräfte (treibende, rückstellende Kraft), und es bleibt lediglich übrig, die trägen Massen auf das äÄusserste zu beschränken. Es ist daher erst in der neuesten Zeit gelungen, die geringen Spanrungen oder schwachen Ströme aufzuzeichnen, die erregte tierische Gewebe und insbesondere das schlagende Herz liefern. Es war ein ausgeprägtes Spannungsmessgerät, das Lipp- mann’sche Kapillarelektrometer, mit dem 1887 von Waller zum ersten Male beim Menschen die bei jedem Herzschlage auf- tretenden elektrischen Schwankungen aufgezeichnet wurden. Die von Schwefelsäure überlagerte Quecksilberkuppe in der Kapillare dieses Elektrometers hebt und senkt sich entsprechend den Schwankungen der angelegten Spannung, folgt ihnen jedoch wegen der übergrossen Reibung in dem engen Röhrehen nur sehr träge und kriechend. Der mit ihr auf vorbeigezogener lichtempfindlicher Schicht aufgezeichnete Schattenriss mit ausgezacktem Rande ist nicht einmal angenähert ein Bild der Spannungsschwankungen, sondern dies ist vielmehr erst 556 P. Schrumpf und H. Zöllich: durch eine umständliche Konstruktion abzuleiten. Andere, genügend empfindliche Messgeräte, die nur auf Spannungen ansprechen, gibt es nicht. Man’ misst daher statt der gesuchten Spannungen die durch sie in einem geschlossenen Leiterkreis von bekanntem Leitungs- widerstand hervorgerufenen elektrischen Ströme. Spannung, Strom- stärke und Widerstand hängen nach dem Ohm'’schen Gesetz in ein- deutiger Weise miteinander zusammen, und man kann daher ein Messgerät, das in Wirklichkeit nur Stromstärken misst, auch in Spannungen eichen. Das geschieht bei den jetzt verwendeten Mess- geräten zur Aufzeichnung der Herzströme, dem Saiten-, Schlingen- und Spulengalvanometer. Ä Das erste Saitengalvanmometer entstand durch die aus wirt- schaftlichen Rücksichten entsprungene Aufgabe, über die teuren Unter- seekabel sehr rasch getastete Ferndrucke empfangen zu können. Die Grundform der hierzu zunächst verwendeten Empfänger war die einer im Magnetfeld drehbaren starren Stromspule gewesen. Eine weitergehende Verringerung der trägen Massen schien ohne Schaden für die Steifigkeit der Messsysteme nicht möglich. Daher verwandte der französische Telegrapheningenieur Ader 1897 in seinem Kabel- empfänger einen im Magnetfeld ausgespannten biegsamen Leiter, wie ihn bereits der auf einem Gedanken von Cumming beruhende Gold- blattelegraph enthielt. Er baute sich einen kräftigen, aus einzelnen Lamellen zusammengesetzten Hufeisenmagnet mit keilförmig zuge- spitzten Polschuhen. Diese näherten sich mit ihren schmalen Stirn- flächen einander bis auf "/s mm. In dem gebildeten engen Spalt lief längs der Polschuhschneiden ein etwa 1 m langer und nur 0,02 mm dicker Kupferdraht. Dieser konnte, wie eine Geigensaite mit dem Wirbel, durch eine Federwage verschieden stark gespannt werden. Wird nun durch diese Saite ein Stromstoss gesandt, so baucht sie sich je nach der Stromrichtung nach der einen oder anderen Seite parallel zu den schmalen Stirnflächen der Polschuhe aus: Der hin- und herzuckende Draht war etwa in der Mitte durch Holzmark- körperchen verstärkt und wurde durch eine Bohrung in dem einen Polschuh hindurch stark beleuchtet. Sein Schatten fiel durch eine Bohrung im zweiten Polschuh auf einen hinter einem engen Spalt vorbeigezogenen Film. Die Stromempfindlichkeit dieses ersten Saitengalvanometers war schon sehr erheblich, reichte indessen für elektrobiologische Arbeiten bei weitem nicht aus. Einthoven erhöhte sie daher im Jahre 1903 Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 557 sehr wesentlich durch Einführung einer mikroskopischen Vergrösserung der Saitenbewegung, durch Verwendung des allerdünnsten technisch herstellbaren Leiters, des Blattaluminiums oder des silberüberzogenen Quarzfadens, und durch Verwendung der allerstärksten Magnetfelder, wie sie nur ein Elektromagnet liefern kann. Das neue Saiten- salvanometer ist in Fig. 1 schematisch dargestellt. Die Polschuhe ‘ des dureh zwei Wicklungen erresten Elektromagneten nähern sich mit ihren keilförmig zugeschärften Enden einander so weit, dass sie einen langen und schmalen Luftspalt zwischen sich lassen. In diesem ist die Saite s ausgespannt, zu deren einem Ende der Strom zugeführt und aus deren anderem Ende er weggeführt wird. Je nach der Strom- Fig. 1. Saitengalvanometer nach Einthoven. s — Saite, m — Elektromagnet; b — Bogenlampe, ! —= Sammellinse, bm — Beleuchtungsmikroskop, pm = Projektionsmikroskop, sch — Schirm. stärke wird die federnd nachgebende Saite mehr oder weniger aus ihrer Ruhelage herausgedrängt, und zwar quer zu den Kraftlinien, die den Luftspalt zwischen den Polschuhen auf kürzestem Wege über- brücken. Die Saitenmitte wird ‚von der Bogenlampe db mittels des mit einer Sammellinse /! zusammenwirkenden Beleuchtungsmikroskopes bm stark beleuchtet und durch das Projektionsmikroskop pm auf dem Schirm sch abgebildet. Auf diesem erscheint dann als Querschnitt des aus dem Projektionsokular von pm austretenden Lichtkegels eine hell beleuchtete Kreisfläche, die von einem Schattenstreif durchschnitten ist. Da die Ausbauchung der Saite nicht in Richtung der Polschuhe erfolgt, sondern seitlich, müssen Beleuchtungs- :und Projektions- mikroskop in Bohrungen der Polschuhe sitzen. Damit ist aber an der wichtigsten Stelle das Magnetfeld geschwächt. Im Schlingengalvanometer (Bock-Thoma) werden statt einer Saite deren zwei dicht nebeneinander ausgespannt, und es dient die eine Saite zur Hinleitung, die andere zur Rückleitung des Stromes. } 558 P. Schrumpf und H. Zöllich: Beide Saiten bauchen sich aus wie die Saite des Einthoven’schen Saitengalvanometers, aber wegen der entgegengesetzten Stromrichtung beide nach verschiedenen Seiten. Ein zwischen ihnen eingeklemmtes Spiegelchen wird daher verdreht nnd wirft ein auf.es geriehtetes Lichtbündel mehr oder weniger seitlich wege. Die Urform des Spulengalvanometers wurde zum ersten- mal verwirklicht in dem im Jahre 1867 von William Thomson (Lord Kelvin) gebauten Heberschreiber (Siphon Recorder). Dessen wesentlichster Teil ist eine zwischen zwei Seidenfäden regelbarer Spannung aufgehängte leichte Drehspule in Form eines starren, recht- eckigen Rahmens, die im Felde eines starken Magneten schwingt. Es ist das dieselbe Anordnung, die im Jahre 13581 von dem Physio- - losen d’Arsonval in Verbindung mit dem Techniker Deprez neu erfunden wurde und weiterhin in den meisten Strommessern für Gleichstrom und in Spiegelgalvanometern Verwendung fand. So Bene aussiehtsreich es schien, aus mehreren elektrisch voneinander isolierten Windungen bestehende starre Gebilde in der äussersten Feinheit mit sicheren Stromzuführungen herzustellen, gelang dies doch Siemens & Halske 1911 durch besondere, aus langwierigen Versuchen entwickelte Herstellungs- verfahren. Ihr neues Messgerät, der Elektrokardiograph, ist in Fig. 2 sche- matisch dargestellt. Die äusserst leichte und schmale, aus mehreren Windungen bestehende Drehspule s!) ist zusammen Te er lenealsanameter von mit den beiderseitigen straff gespannten Siemens & Halske. Aufhängefäden aus einem Stück eines s — Spule, m — Elektromagnet, nur wenige Tausendstel Millimeter star- um, Som ee ken Drahtes hergestellt. Ihr ist ein winziges Spiegelchen aufgekittet. Die zugeschärften Polschuhe des Elektromagneten »n lassen gerade so viel Raum zwischen sich, dass in ihm die Spule sich um ihre Auf- hängefäden drehen kann. Die langen Seiten, Leiterbündel, in deren einem der Strom aufwärts und in deren anderem er abwärts fliesst, werden wie die Saite des Einthoven’scheu Galvanometers seitlich 1) Der Übersichtlichkeit halber ist in der Figur nur eine Windung an- gedeutet. Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 559 herausgedrängt, aber nach entgegengesetzten Seiten, und drehen da- dureh das Spiegelchen. | Die rücktreibende Federkraft wird nicht, wie bei dem Saiten- und Schlingengalvanometer, durch das Ausbauchen des herausgedrängten Leiters selbst geliefert, sondern durch Verdrehen der Aufhängedrähtchen mittels des starren Rähmechens. Diese Drähtchen dienen also lediglich zur Stromzuführung und als Richtfedern. Sie brauchen nicht, wie die Saite des Saitengalvanometers, durch ein Magnetfeld geführt zu werden, und die Polschneiden werden verhältnismässig kurz. Mittels der Sammellinse ! wird ein Bild des hellen Kraters der Bosenlampe auf das Spiegelchen der Spule geworfen. Dieses wirft dann je nach seiner Stellung ein Lichtbündelehen mehr oder weniger schräg zurück. Das Bündel durchsetzt eine kleine, unmittelbar vor dem Spiegelchen angeordnete (nicht dargestellte) Sammellinse. Diese bildet einen in den Wez des festen Lichtbündels gesetzten Spalt sp auf dem Schirm sch ab. Auf diesem ist dann ein schmaler Licht- streifen sichtbar, dessen Breite von der einstellbaren Spaltweite abhängt. Schaltet man die beschriebenen Galvanometer in geschlossene Stromkreise ein, in denen schwacher Strom rasch wechselnder Stärke iesst, so zuckt auf den Schirmen sch der Schattenstreifen oder die Lichtlinie hin und her. Diese Bewegungen werden bei beiden Mess- seräten in gleicher Weise auf eine lichtempfindliche Schicht, auf ab- rollendes Bromsilberpapier, aufgezeichnet. In den Weg des Licht- oder Schattenzeigers wird eine Zylinderlinse so gestellt, dass die Bilder der Saite oder des Spaltes senkrecht zu ihrer Achse liegen. Die Linse zieht dann bei dem Spulengalvanometer den Lichtstreifen in einen gleich breiten Lichtfleck zusammen und bei dem Saiten- salvanometer den von der Linse ausgeschnittenen Teil des Lichtkreises in eine feine Lichtlinie mit breiter Lücke. Auf dem entwickelten Papier erscheint dementsprechend die Kurve der Stromschwankungen bei dem Spulengalvanometer als schwarzer Linienzug auf weissem Grunde, bei dem Saitengalvanometer als helle Linie auf grauem Grunde Wie Kraus-Nicolai in ihrem Lehrbuch S. S1ff. nach- oewiesen haben, werden bei bestimmter Steilheit der geschriebenen Stromschwankungen, nämlich wenn die Stromkurve in der Diagonale des durch die Zylinderlinse auf die Schicht entworfenen schmalen Schattenrechtecks verläuft, die Linien fast unsichtbar. Der Schatten- fleck hinterlässt erst dann eine entwickelbare Spur auf der Schicht, wenn deren Fortbewegungsgeschwindigkeit geändert wird. Das gleiche 560 P. Schrumpf und H. Zöllich: erreicht man aber auch durch Verbreitern oder .Verschmälern des Schattenflecks beim Saitengalvanometer, des Lichtflecks beim Spulen- galvanometer; doch ist dies bei dem Saitengalvanometer praktisch schwer durchführbar, da es nur durch Änderung der mikroskopischen Vergrösserung erfolgen kann, gleichzeitig würde auch die Strom- empfindlichkeit geändert; bei dem Spulengalvanometer hingegen kann durch passende Einstellung der Spaltbreite jeder steile Anstieg oder Abfall deutlich geschrieben werden. Sind ausser den Galvanometerkurven auf dem gleichen Papier- streifen andere zu zeichnen, z. B. Pulskurven, Herztonkurven usw., so müssen zusammen mit Saitengalvanometern Membrankapseln mit Massezeigern verwendet werden, deren Spitzen, in den Lichtkreis gestellt, ihren Schatten auf das Papier werfen. Mit Spulengalvano- metern können weniger träge folgende Membranen ohne jede Be- lastung durch Zeiger mit ganz kleinen aufgekitteten Spiegelchen zusammenarbeiten. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der beiden hauptsächlich zum Aufzeichnen der Herzströme dienenden Galvano- meter, des Saiten- und des Spulengalvanometers, sind drei Eigen- schaften wesentlich: ihre Empfindlichkeit für elektrische Ströme oder Spannungen überhaupt, eine dieser gleiche Empfind- lichkeit für rasch wechselnde Schwankungen bestimmter Ablauf- geschwindigkeit oder, physikalisch ausgedrückt, genügend hehe Eigenschwingungszahl (Eigenfrequenz) des Messgerätes, und schliesslich ihre Dämpfung, die für die Treue der Wiedergabe der Schwankungen mitbestimmend ist. Die Empfindlichkeit des Saitengalvanometers wird be- einflusst einmal durch die Stärke des Magnetfeldes, dann durch die Masse der Saite selbst, durch die angewandte Vergrösserung der Saitenbewegungen und vor allem durch die mechanische Spannung der Saite, also von der Richtkraft, welche die Saitenmitte in die gestreckte Ruhelage zurückzwingt. Je stärker die Saite angespannt * wird, um so grössere Kräfte gehören dazu, die Saitenmitte heraus- zudrängen, d.h. um so stärkere Ströme sind zur Erzielung einer be- stimmten Ablenkung erforderlich. Und umgekehrt, je schlaffer die Saite gespannt ist, desto schwächere Ströme genügen hierzu. Die Empfindlichkeit des Spulengalvanometers hängt ebenfalls ab von der Stärke des Magnetfeldes, von den Abmessungen der zur Aufhängung dienenden Saiten, von der angewandten Vergrösserung Ba uni nnd u 2 Kaas - u € [63 a Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 561 der Spulenbewegungen und auch, aber nur in geringem Maasse, von der Spannung der Aufhängedrähtehen. Es kommt noch hinzu die Abhängigkeit von der Windungszahl der Spule, durch die die ab- lenkende Kraft des hindurchfliessenden Stromes vervielfältigt wird. Unter Voraussetzung gleicher Feldstärke und gleicher Richtkraft für die um einen bestimmten Betrag ausgebauchte Saitenmitte und die um den gleichen Betrag herausgedrehten Leiterbündel der Spule ist demgemäss das Spulengalvanometer weit empfind- licher als das Saitengalvanometer, denn diese Ablenkung wird bei dem Spulengalvanometer durch einen viel: kleineren Strom hervorgerufen: Jeder Leiter des eine Spulenseite bildenden Bündels wird von demselben Strom der gleichen Richtung durchflossen , bei Ersatz aller dieser Leiter durch einen einzigen Leiter müsste zur Erzielung der gleichen Wirkung etwa der Gesamtstrom durch diesen gesandt werden, der in einer Spulenseite gewissermaassen sich in mehrere Kanäle zerteilt. Die Empfindlichkeit des Spulengalvano- meters wird aber auch dadurch weiter erhöht, dass viel stärkere Vergrösserungen des Herausdrehens der Spule aus der Ruhelage an- sewendet werden können, als es überhaupt mit Mikroskopen möglich ist. Die beim. Saitengalvanometer übliche Vergrösserung ist eine etwa sechshundertfache. Man kann sie auf das Tausendfache steigern. Genau dieselbe Ablenkung einer Spulenseite wird aber durch das Übersetzunesverhältnis des optischen Hebels, bestehend aus sehr kurzem Hebelarm infolge des schmalen Baues der Spule und etwa 1 m langem Hebelarm des Lichtzeigers, und durch die Ver- doppelung der: Drehung des Lichtzeigers gegenüber der Spulen- drehung auf mindestens das Viertausendfache, meist noch viel mehr, vergrössert. ; Wenn nun auch das Spulengalvanometer an Strom- oder Spannungs- empfindlichkeit das Saitengalvanometer bei weitem überragt, könnte man doch meinen, dafür sei es zweifelhaft, ob das mit grösseren ‘Massen begabte Spulengalvanometer in der Raschheit des Nach- foleens bei plötzlichen Änderungen der Strom- und Spannungswerte und überhaupt in der Treue der Wiedergabe von Stromschwankungen mit dem Saitengalvanometer wetteifern könne. Man könnte ent- 'gegenhalten, die träge Masse, die sich bei einem Saitengalvanometer 'in Bewegung zu setzen hat, sei viel kleiner als die bei dem Spulen- galvanometer in Schwung zu setzende. Und deshalb müsste ein ‚Saitengalvanometer auf jeden Fall rascher folgen können. Dieser 562 P. Schrumpf und H. Zöllich: Gedankengang, dem man hier und da auch in der Literatur begegnet, ist unzutreffend, so bestechend er auf den ersten Blick erscheinen mag. Man kann nur gleichartige Messsysteme in dieser Weise einander gegenüberstellen. Die Saite führt Quer- oder Biegungsschwingungen aus, die Aufhängefäden der Drehspule hingegen Drehsehwingungen. Für ein und dieselbe Saite haben aber Biegungsschwingungen eine weit geringere Schwingungszahl bzw. eine grössere Schwingungsdauer als die Drehschwingungen. Man kann also unbedenklich die Drehschwingungen ausführende Saite noch mit Massen belasten, ohne dass ihre Eigenschwingungszahl niedriger wird als die einer Biegungs- oder Querschwingungen aus- führenden Saite. Wie aus den unten beschriebenen Versuchen folgt, führt die Drehspule in der Zeiteinheit ebensoviel Eigenschwingungen aus, sie hat, kurz gesagt, dieselbe „Eigen- freguenz“ wie die Saite von der Spannung, die zur Aufzeichnung von Herzströmen notwendig und üblich ist. Im übrigen ist die Eigenfrequenz für ein und dieselbe Saite oder Spule regelbar: Zwar sind die in Bewegung zu setzenden trägen Massen unveränderlich, aber eine Richtkraft, die Saitenmitte oder Spule in ihre Ruhelage zurücktreibt, kann geändert werden. Und zwar bei der Saite wesentlich durch die Spannung, wie ja die straff gespannte Saite eines Streichinstrumentes einen viel höheren Ton eibt als die lockere. Nur gering ist die Änderung der Richtkraft durch Spannen der Aufhängedrähte bei dem Spulengalvanometer. Etwas grösser ist bei diesem schon der Einfiuss der Feldstärke wegen des para- magnetischen Verhaltens des Spulenmaterials, indem zu der mecha- nischen Richtkraft der verdrehten Aufhängedrähte eine magnetische Richtkraft verstärkend hinzutritt. Doch auch diese Wirkung ist nicht von Bedeutung. Das Anspannen der Aufhängedrähte dient bei dem Spulengalvanometer also mehr zur Sicherung einer ordnungsmässigen Drehbewegung der Spule, damit sie nicht schaukelt, bei dem Saiten- galvanometer aber zur Änderung der Empfindlichkeit und gleichzeitig der Eigenfrequenz. Sehr verschieden ist das Verhalten von Spulen- und Saiten- galvanometer hinsichtlich der Dämpfung ihrer bewegten Teile. Das Saitengalvanometer hat fast nur reine Luft- dämpfung, über die man keine Gewalt hat: Wird die Saite lose gespannt, so bewegt sie sich nicht nur wegen Verminderung der sie in die gestreckte Ruhelage zurückschnellenden Kraft langsamer, > Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 563 sondern sie findet auch noch an der ihre Bewegung hemmenden Luft einen Widerstand, den sie kaum überwinden kann, so dass sie nur sehr langsam auf ihre augenblickliche Sollstellung zukriecht. Spannt man die Saite stärker, so überwindet sie den Widerstand der Luft, der bei jeder Saitenspannung nahezu der gleiche bleibt, viei leichter. Sie wird weniger gedämpft. Bei noch stärkerer Saitenspannung kann sogar der Luftwiderstand die durch die Träg- heit der Saite bei schnellen Ausschlagsänderungen entstehenden Eigenbewegungen nicht mehr unterdrücken. Die Dämpfung ist zu schwach. Spannt oder entspannt man daher die Saite, damit sie schneller schwingt und dementsprechend rascheren Vorgängen folgt oder damit sie auf schwächere Ströme anspricht, so muss man eine ganz bestimmte, meist ungenügende oder übermässige Dämpfung hinnehmen. Die Dämpfung des Spulengalvanometers ist nur zum Teil Luftdämpfung, vorwiegend dagegen elektromagnetischer Natur. Und zwar rührt das daher: Zwischen den Enden einer im Magnetfeld schwingenden Spule, die auf irgendeine Weise in Bewegung versetzt wird, ‚entsteht eine Potentialdifferenz; die Spule ist gewissermaassen der Anker einer winzigen Dynamomaschine. Verbindet man die Spulenenden - durch einen Schliessungskreis, so wird in ihm also Strom fliessen; dieser ist dem entgegengesetzt gerichtet, der die Spulenbewegung hervorrufen würde. Dieser Vorgang tritt auch dann noch auf, wenn die Spulenbewegung durch einen hineingesandten Strom hervor- gerufen wird. Dann entsteht also in der sich bewegenden Spule nur durch die Bewegung und mit ihrer Geschwindigkeit wachsend, ein Gegenstrom, der lediglich bremsend wirkt. Dieser Gegenstrom wächst mit dem Masnetfeld!).. So kommt es denn, dass man bei dem Elektrokardiographen von Siemens & Halske die Dämpfung .des Messsystems durch Veränderung des Magnetfeldes in weitgehender Weise regeln kann, und dies fast unabhängig von der die Spule in ihre Ruhelage zurücktreibenden Richtkraft. Kurz zusammengefasst sind die wesentlichsten Eigentümlichkeiten der verglichenen Messgeräte: 1) In sich geschlossene Leiterkreise, die sich im Magnetfeld bewegen, bilden auch der dünne Metallbelag des Spiegelchens, oder besondere, z. B. das Spiegel- chen umrahmende „Kurzschlussringe“ aus dünnstem Draht, die zur Erhöhung der Dämpfung aufgekittet werden können. 564 P. Schrumpf und H. Zöllich: Dem Saitengalvanometer kann man durch Änderung der mechanischen Anspannung seines Fadens ver- schiedene Eigenfrequenz und Empfindlichkeit ver- leihen, muss dabei aber eine ganz bestimmte Dämpfung, meist eine unerwünschte, in Kauf nehmen. Es ist daher zur Aufnahme von Herzströmen nur mit einer ganz bestimmten Saitenspannung brauchbar, und zwar mit der, bei welcher die Dämpfung durch die wider- stehende Luft gerade so gross ist, dass die ‚Saite keine Eigen- bewegungen ausführt, aber den Stromschwankungen genügend rasch folgt. Die elektrische Empfindlichkeit ist für eine solche Anspannung verhältnismässig gering. Die praktisch meist überflüssige Regelbarkeit der Eigsenfrequenz besitztdasSpulengalvanometer nicht; dagegen kann man seine Dämpfung mühelos durch Stromregelung auf jeden gewünschten Betrag ein- stellen. Ferner ist die elektrische Empfindlichkeit sehr hoch. Durchschnittiswerte. E Empfindlichkeit Eigenfrequenz Wider- bei gerade Art des Messgerätes stand 1 Millivolt schwingungs- gibt einen ilmm= ‚ loser Ohm |Ausschlag von Einstellung 1. Saitengalvanometer mit silberüberzoge- nem Quarzfaden. . 10000 ° 10 mm 0,1 Millivolt]| ' 40-50 2. Saitengalvanometer . mit Platinsaite . . 2000 29, ., 0,04 „ 40—50 3. Spulengalvanometer 1500 2007, 001725 40—50 Welche Eigenfrequenzen und welche Dämpfungen sind zur Auf- zeichnung der Herzströme zweckmässig einzustellen? Hierüber hat der eine von. uns sehr eingehende mathematische Untersuchungen angestellt; sie hier darzulegen, ist nicht möglich. Denn die Verhält- nisse sind für eine zusammenfassende Übersicht zu verwickelt. Doch seien die grundlegenden Überlegungen und einige Ergebnisse hier kurz angedeutet. Wie schon eingangs hervorgehoben, gibt es kein Messgerät, das rasch wechselnden Vorgängen augenblicklich folgen kann. Es sind immer Massen in Bewegung zu Setzen, um den Zeiger in die neue Stellung zu bringen, zum Beispiel die Saite beim a u AM DE a re A rn ann ' D 4 f Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 565 Saitengalvanometer zur Verschiebung des Schattenzeigers, die Drehspule beim Spulengalvanometer zur Verschiebung des Lichtzeigers. Die hierzu erforderliche Beschleunigung muss durch irgendeine Kraft hervorgerufen werden. Diese kann aber nur die Richtkraft selbst sein, nämlich überschüssige Kraft der Richtfeder des Messgerätes oder überwiegende ablenkende Kraft der zu messenden Grösse, des elektrischen Stromes. Der Zeiger muss also dauernd nacheilen, da- mit ständig eine ihn treibende Kraft vorhanden ist. Sind grosse träge Massen in Bewegung zu setzen, so sind grosse Kräfte erforder- lich, und um diese zu schaffen, muss der Zeiger entsprechend mehr nacheilen, so dass ein grösserer Unterschied zwischen wirklicher Ein- stellung und Solleinstellung entsteht. Das gleiche gilt, wenn starke bremsende Kräfte vorhanden sind, die der Bewegung entgegen- wirken. Sie zu überwinden, muss eine stärkere Richtkraft in die Schranken treten, und demnach muss auch hier eine grosse Spannung zwischen wirklicher Einstellung und Solleinstellung bestehen. Brems- kräfte wirken schädlicher als Massenträgheit, denn das Messsystem hat dann noch nebenher anderweitige, für den Vorgang der Auf- zeichnung des Stromes wertlose Arbeit zu leisten. Verlaufen die aufzuzeichnenden Schwankungen verhältnismässig langsam und glatt, so braucht man das Messsystem nur schwach zu dämpfen. Es zeichnet nahezu ohne Entstellung die wirklichen Schwankungen, und nur diese. Bei einer ganz bestimmten Dämpfung kann sogar die Wiedergabe streng richtig sein, nämlich, wenn sie eine derartige ist, dass das Messsystem, zwangs- weise aus seiner Ruhelage herausgedrängt und dann plötzlich sich selbst überlassen, um etwa 4,3 °o von der vorhergehenden Ablenkung über die Ruhe- lage hinausschnellt. In diesem Falle macht der Zeiger sämtliche Schwankungen der Messgrösse, wenn sie nieht allzu rasch vorübergehen, getreu mit und eilt den wirklichen Vorgängen dauernd um eine ganz be- stimmte „Verzögerungszeit“ nach. Es muss nur die Bedingung erfüllt sein, dass die Schwank ungen so langsam verlaufen, dass sie innerhalb eines jeden Zeitraumes, der gleich der Verzögerungszeit ist, durch ein Parabelstück dargestellt werden können. Die Verzögerungszeit selbst ist aber für jedes Mess- gerät eine charakteristische Grösse; denn sie hänst, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 97 566 P. Schrumpf und H. Zöllich: wie aus den oben angestellten Betrachtungen folgt, von den in Bewegung zu setzenden Massen des Systems ab und auch von der Stärke der Richtfedern, kurz gesagt, von der Eigenfrequenz des Gerätes. Der Zusammenhangergeibtsich.aus dem folgenden Täfelehen, aus dem für einige Eigenfrequenzen die entsprechende Verzögerungszeit zu entnehmen ist!). Eigenfrequenz Verzögerungszeit (Vollschwingungen in der Sekunde) S ek. 20 0,011 Son 0,007 40 0,005 50 0,004 75 0,003 100 0,002 Um zu beurteilen, welche Eigenfrequenz dasMess- gerät zur treuen Wiedergabe gegebener, glatt ver- laufender Schwankungen der Messgrösse haben muss, braucht man nur für die Stellen raschester Änderung festzustellen, innerhalb welcher längsten Zeit der Verlauf parabelähnlich ist. Das ist die zu wählende Verzögerungszeit, und aus ihr ergibt sich ohne weiteres die erforderliche Eigenfrequenz. Für jede noch so rasche Schwankung ergibt sich so die Mindestfrequenz, die das Messgerät zur ge- nauen Aufzeichnung besitzen muss. Aber nicht immer ‘steht ein solches zur Verfügung, besonders wenn es auch noch hochempfindlich sein soll. Man muss sich dann damit abfinden, dass die Schwankungen so rasch verlaufen, dass sie nicht mehr innerhalb einer Zeit- spanne gleich der Verzögerungszeit des Messgerätes durch ein glatt verlaufendes Parabelstück (wenigstens angenähert) dargestellt werdenkönnen. Wenndiesder Fall ist, zum Beispiel ruekweise Änderungen oder Knicke in dem aufzuzeichnenden Linienzug enthalten sind, dann gelten ganz andere Regeln. Denn solche Schwankungen 1) Das Produkt von Eigenfrequenz und Verzögerungszeit ist — 0,0225. Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 567 nähern sich bereits Unstetigkeiten. Mathematisch idealisiert sind unter Unstetigkeiten zu verstehen Änderungen der Messgrösse oder der Richtung der die Messgrösse als Funktion der Zeit darstellenden Kurve in der Zeit Null. Ebenso wirkt aber praktisch eine Wert- änderung der zu messenden Grösse innerhalb einer Zeit, die nur einen kleinen Bruchteil der Verzögerungszeit des verwendeten Mess- gerätes darstellt. Solche Wertänderungen und in derselben Zeit auftretende starke Richtungsänderungen sind für das gebrauchte Mess- gerät „Unstetigkeiten“, wenn auch allerdings nicht mehr für Mess- geräte mit sehr kurzer Verzögerungszeit, also höherer Eigenfrequenz. Würde man die Messgrösse sprungweise in unmessbar kurzer Zeit bzw. gegenüber der Verzögerungszeit sehr kleinen Zeit von einem zunächst unveränderlich eingehaltenen Wert zu einem anderen, dann fortan eingehaltenen ändern, so würde bei der oben festgestellten, zur Wiedergabe „stetiger“ Vorgänge günstigsten Dämpfung der Zeiger um. 4,3 °/o des Unterschiedes beider Werte über die neue Gleich- gewichtslage hinaus fliegen, also eine Zacke zeichnen, die im tat- sächlichen Vorgang nicht vorhanden ist. Dasselbe tritt bei einem Knick in der zu zeichnenden Kurve auf. Am „ähnlichsten“ würde das geschriebene Bild des Vorgangs diesem selbst sein, wenn über- haupt keine solche Zacke gezeichnet würde, wenn also die Dämpfung so weit gesteigert wird, dass gerade noch ein blosses Einlenken des Zeigers in seine neue Stellung ohne jedes Hinüberschiessen erfolgt. Grösser darf die Dämpfung nicht sein, damit der Zeiger nicht zu langsam kriecht und eine zu stark abgerundete statt der in Wirk- lichkeit scharfen Ecke zeichnet. Die ganze Fälschung besteht dann nur darin, dass statt des plötzlichen Abrisses ein mehr oder weniger steiler Anstieg oder Abfall mit schwacher Abrundung am Ende ge- zeichnet wird. Die Steilheit hänst ähnlich wie die Verzögerungszeit von der Eigenfrequenz ab. Als Faustregel kann man sich merken: Bezeichnet man als Einstellungszeit des Messgerätes die Zeit, die sein Zeiger bei plötzlicher Veränderung der Messgrösse zum Erreichen der neuen Gleichgewichtslage mit 1 °o Genauigkeit braucht, so ist _ das Produkt von Einstellungszeit und Eigenfrequenz ungefähr = 1. Bei Saitengalvanometern sind die Einstellungszeiten für die sich gerade schwingungslos bewegende Saite, für die Saite im so- genannten aperiodischen Grenzfall, mehrfach gemessen worden. Th. Lewis schreibt in seinem Handbuch „The mechanism of the heart beat“, dass bei einer Empfindlichkeit von lmm =10-* Volt 37* 568 P. Schrumpf und H. Zöllich: im Patientenkreis die Einstellungszeit 0,02—0,03 Sekunden beträgt. Bei dieser Empfindlichkeit ist die Saite gerade aperiodisch gedämpft. Die gleichen Zahlen geben auch Kraus und Nicolai in ihrem Lehrbuch an. Samojloff hat zahlreiche Saiten untersucht und die gleichen Zahlen, im Mittel 0,025 Sekunden, gefunden. Aus den von Einthoven auf Taf. 7 im Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 99 wiedergegebenen Kurven lässt sich eine FEinstellungszeit von 0,03 Sekunden ablesen. Wir selbst haben für eine, in ein Edel- mann’sches Saitengalvanometer eingezogene Platinsaite von 87 mm Länge und 1700 Ohm Widerstand (wahrscheinlich 0,003 mm dick) je nach der Grösse des Ausschlages erhalten 0,025—0,029 Sekunden. Eine gleichlange dünnere Saite von 7600 Ohm (wohl 0,0013 mm dick) erwies sich bei gerade aperiodischer Dämpfung als viel zu un- empfindlich. Ihre Einstellungszeit war bei einer solchen Saiten- spannung, dass sich die Empfindlichkeit Ile m=1 Millivolt ergab, etwa 0,025 Sekunden. Ausnahmsweise sind längere Einstellungs- zeiten bis zu 0,05 Sekunden angegeben und aus den geschriebenen Kurven zu entnehmen. Die von uns untersuchte dünnere Saite er- reichte erst nach 0,053 Sekunden ihre neue Lage, wenn sie bis zu einer Empfindlichkeit von 2 em = 1 Millivolt entspannt wurde. Diese Empfindlichkeit hat man sehr häufig eingestellt. Andererseits finden sich auch kürzere Zeiten angegeben, zum Beispiel 0,016 Sekunden (Angabe der Cambridge-Gesellschaft), noch kürzere Zeiten sind äusserst seltene Ausnahmen, wie zum Beispiel die der Saite, deren Daten Einthoven 1911 der Deutschen Naturforscher - Gesellschaft vorführte, und von der er erklärte, dass ihr keine der im Handel erhältlichen Saiten in der Empfindlichkeit auch nur annähernd gleichkäme. Sie hatte im aperiodischen Grenzfall eine Einstellungs- zeit von nahezu 0,01 Sekunde. Die Einstellungszeiten für das Spulengalvanometer von Siemens & Halske liegen um 0,02 Sekunden herum; in Fig. 3 sind Aus- schnitte aus drei verschiedenen Aufnahmen mit besonders hohen Papier- geschwindigkeiten (etwa 1250 mm in der Sekunde) dargestellt, und zwar A Ausschaltevorgang, 5 und © —= Einschaltevorgänge. Die Wellen- linie ist geschrieben mit einer Stimmgabel mit 50 Vollschwingungen in der Sekunde und dient zur Zeitmessung. Messungen, die der eine von uns in derselben Weise an einer grossen Zahl von Spuleneinsätzen zum.Elektrokardiograph von Siemens & Halske ausführte, .er- gaben Werte zwischen 0,016 und 0,027 Sekunden. Am häufigsten Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 569 traten die Werte 0,020—0,024 Sekunden auf. Nach der oben angeführten Faustregel sind die entsprechenden „Eigenfrequenzen“ 40—50. Fig, 3. Aufzeichnung des Spulengalvanometers von Siemens & Halske bei Ausschaltung (A) und Einschaltung (B, O0) eines Gleichstromes, darüber als Zeitmaassstab Kurve einer Stimmgabel von 50 Voll- schwingungen in der Sekunde. Sprungweise Änderungen der Messgrösse werden also, wie die Versuche zeigen, mitdem Spulengalvano- meter genau So getreu wiedergegeben wie mit dem Saitengalvanometer. Daraus folgt Gleichheit der Eigenfrequenzen. Da ferner die Treue der Wieder- gabe von unstetigen Schwankungen jeder Art, auch von Spitzen und Knicken im zeitlichen Verlauf der Messgrösse, bei richtiger Dämpfung des Messgerätes nur von dessen Eigenfrequenz abhängt, gibt das Spulengalvanometer auch solche Unstetigkeiten ge- nau so wieder wie das Saitengalvanometer. Es bleibt nun nur noch zw untersuchen, wie solche Vorgänge wiedergegeben werden, die nicht so glatt verlaufen, dass sie richtig gezeichnet werden, aber auch nicht so plötzlich sich ändern, dass sie als Unstetiskeiten für das betreffende Messgerät aufzufassen sind. Es ergibt sich, wie man auch schon nach dem Gefühl urteilen kann, dass dann zweckmässig Dämpfungen des Messgerätes einzustellen sind, die stärker sind als die für sanft sich ändernde Vorgänge günstigste und schwächer als der aperiodische Grenzfall. Das Elektrokardiogramm enthält überwiegend glatt verlaufende Schwankungen, aber auch Spitzen und kleine Zäckchen (P-Zacke, 570 P. Schrumpf und H. Zöllich: Vorhofflimmern), die für Saiten- und Spulengalvanometer fast wie Unstetigkeiten wirken. Es ist daher zweckmässie, Dämpfungen ein- zustellen, die für Sprünge der Messgrösse gerade noch schwingungs- lose Bewegungen hervorbringen, oder solche, bei denen man ein Zäckchen gerade noch- erkennen kann. Keinesfalls dürfen. jedoch stärkere Dämpfungen angewendet werden. Das ist aber bei der üblichen Aufnahme von Elektrokardiogrammen mittels des Saiten- galvanometers häufig der Fall. Denn man ist geneigt, dessen geringe Empfindlichkeit durch Entspannen der Saite zu erhöhen, und das ist oft genug geschehen, wie zahlreiche veröffentlichte Kurven zeigen. Wie die Dämpfung des Messgerätes auf das gezeichnete Bild der Herzstromschwankungen wirkt, zeiet Fig. 4. Links sind hier sogenannte Eich- oder Dämpfungskurven wiedergegeben, wobei ein Strom entsprechend einer Spannung von 1 Millivolt wechselweise ein- und ausgeschaltet wurde. Rechts sind die Elektrokardiogramme ver- zeichnet, wobei zur Eichung in die Leitung vom Menschen zum Mess- gerät eine Spannung von 1.Millivolt eingeschaltet und da durch die Nullinie entsprechend der eingestellten Empfindlichkeit gehoben wurde. Ähnlich wie in Fig. 3 das Elektrokardiogramm für die übermässige Dämpfung fallen Aufaahmen mittels Saitengalvanometer aus, deren Saite zwecks Erhöhung der Empfindlichkeit lose gespannt wurde. Ja es ist die Verzeichnung noch krasser, da auch die Eigenfrequenz der Saite durch die Entspannung herabgedrückt wird. Nach unseren Untersuchungen muss aber ein Messgerät zur Aufzeichnung von Herzströmen mindestens eine Frequenz von 40 bis 50 besitzen. Bei den vergleichenden Versuchen, bei denen wir Elektrokardiogramme mittels des Saiten- und des Spulengalvanometers herstellten, haben wir daher besonders darauf geachtet, dass für das Saitengalvanometer diese Bedingung erfüllt war, dass dieses also keine höhere Einstellungszeit als 0,03 Sekunden aufwies. Auf Er- höhen der Empfindlichkeit durch Entspannen der Saite liessen wir uns nicht ein. Zunächst sandten wir reinen Wechselstrom von 3—60 Perioden durch Saiten- und Spulengalvanometer und fanden bei beiden fast die gleiche Verkleinerung der gezeichneten Schwingungen gegen- über denen, die ein unbegrenzt rasch folgendes Messgerät zeichnen würde. Ferner verglichen wir die Leistungsfähigkeit beider Messgeräte in der Wiedergabe der Herzströme, und zwar. um jeden Einwand aus- Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 571 zuschliessen, auf drei Weisen: a) durch Aufn ahme des Elektro- kardiogrammes an demselben Menschen rasch hinter- Obere Kurven dämpftem inie mässig ge über i In diesem ist zuletzt zur Eichung die Null em, untere Kurven be lt in den Körperstromkreis gehoben. htig gedämpft rokard durch Zuschalten von 1 Mill iogramm. s Messgerätes auf das Elektrokardiogramm. 1 rie ivo ttlere Kurven bei i Links Dämpfungskurve, rechts Elekt Fig. 4 Einfluss der Dämpfung de ügend gedämpftem, m bei ungen Messgerät. einander unter den Bedingungen, unter denen die Messgeräte sonst für sich arbeiten; b) durch gleich- zeitige Aufnahme mit nebeneinander an den Menschen \ 972 P. Schrumpf und H. Zöllich: angeschlossenen Messgeräten und e) durch gleichzeitige Aufnahme mit in Reihe hintereinandergeschalteten Messgeräten. Das erste Verfahren der getrennten Aufnahme lässt Spulen- ekanıe® RETTEN TE TE = (unten). (Originalgrösse.) u desselben Patienten, rasch hintereinander aufgenommen mittels Spulen- 1,3 w dicker Saite galvanometer (oben) und Saitengalvanometer mit Fig. 5. Elektrokardiogramme galvanometerund Saitengalvanometer cegenüber der üblichen Anordnung unverändert, d. h. das eine Mal ist der Mensch über den verhältnis- mässig kleinen Widerstand des Spu- lengalvanometers, der noch durch den zur Fmpfindlichkeitsverminde- rung zu ihm parallel geschalteten Widerstand stark herabgesetzt ist, das andere Mal über den hohen Eigen- widerstand des Saitengalvanometers geschlossen. Fig. 5 zeigt einen kleinen Ausschnitt aus den auf diese Weise erzielten Elektrokardiogram- men. Unterschiede in der Kurven- form sind nicht wahrzunehmen. Zum etwaigen Nachweis feinerer Unter- schiede, vielleicht in den kleinen Unregelmässiekeiten des Kurven- zuges, die hier und da auftreten können, ist eine gleichzeitige Aufnahme des Elektrokardiogrammes mit Spulen- und Saitengalvanometer erforderlich. Die Herabsetzung der Empfindlichkeit des Spulengalvano- meters auf die des Saitengalvano- meters kann hierbei nicht mehr durch einen Nebenschluss erfolgen, da dieser gleichzeitig Nebenschluss . zum Saitengalvanometer wäre und dessen Empfindlichkeit erheblich herabsetzen würde. Vielmehr muss die Empfindlichkeitsregelung durch Vorschalten eines hohen Wider- standes vor das Spulengalvanometer allein erfolgen, und es muss daher eine Schaltung nach Fig. 6. verwendet werden. Das Saiten- galvanometer sg ist unmittelbar an den Menschen m angeschlossen, Ei nn Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 573 das Spulengalvanometer spg dagegen unter Vorschalten des Wider- ‚standes 7,, der so eingestellt wurde, dass das Spulengalvanometer den gleichen Ausschlag gab wie das Saitengalvanometer. Das Spulen- galvanometer arbeitet hierbei unter anormalen Verhältnissen. Für eine bestimmte Feldstärke, d. h. einen bestimmten Erregerstrom in der Magnetwieklung, ist die Dämpfung eine viel schwächere als sonst, wenn die Spule über einen kleinen Widerstand geschlossen ist. Um die elektromagnetische Dämpfung auf den früheren hohen Wert zu bringen, muss das Feld verstärkt werden... Ähnliches gilt auch für Fig. 6. Fig. 7. Schaltungen für gleichzeitige Aufnahme von Elektrokardiogrammen mittels Spulen- und Saitengalvanometers: Messgeräte im Nebenschluss (Fig. 6) und Messgeräte . „in Reihe (Fig. 7). sg— Saitengalvanometer, spg— Spulengalvanometer, m = Mensch, sp = Spannungs- teiler, », und ra — Widerstand. die zweite, in Fig. 7 dargestellte Schaltung, doch sind die Arbeits- verhältnisse den normalen ähnlicher, da zu dem Spulengalvanometer spg ein Nebenschluss », parallel geschaltet ist. In die eine Leitung von den Messgeräten zu dem Menschen m ist beidemal ein Spannungsteiler sp eingeschaltet. Durch Verschieben seines Gleitkontaktes konnte eine in gewissen Grenzen fein abstuf- bare Spannung zur Kompensierung des vom Menschen ausgehenden Körper- oder Nullstromes entgegengeschaltet werden. Wohl zu beachten ist, dass bei gleichzeitigem Anschluss von Saiten- und Spulengalvanometer eine gegenseitige Beeinflussung auftreten kann, und zwar, wenn man zwei verschieden träge Messgeräte mit- einander verkoppelt. Es zeichnet dann das schnellere nicht nur die vom Menschen ausgehenden Ströme, sondern auch Schwankungen mit, die auf Bewesungen des trägeren Messgerätes zurückzuführen sind !). 1) Um einen bestimmten Einzelfall festzulegen, bei dem die Erscheinungen besonders deutlich hervortreten, sei vorausgesetzt: das eine Messgerät sei ausser- . . ‚974 Ausschnitte aus den zahl- hergestellten Vergleichsaufnahmen. P. Schrumpf und H. Zöllich igen einige Die Figuren 8—12 ze 1Se Wei ieser d von uns ın hen, relc x . 15 eın- £ (9SSOASTEWISLIO) wg — NUN I Moyyonpaydumg op 1oq °sp Syyoeı ‘wo T = YoAuTy I oyyopuydurg aop 104 wuwıs -OIPAEJONINOIH SI uaAmmysdungdweq su !a9yowourapesuopndg usyun oe Aasppıp 7 E yıu I99woURBATLSuaegUago :OWWEASEIPOAINO]J OUAWWOUHASFTNE UOJEIOASSSOM U9FJOIJEY9ASAS Jojjeaed I4rw Sryrozy9ro]g 8 LT [2 Von aussen her werde in beide Galvano- ordentlich träge, während das andere, mit ihm in denselben Stromkre geschaltete sich sehr rasch einstellt. re A, Fa Be N mi an 7 ne a A Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 575 Sie zeigen, dass auch die feinsten Einzelheiten, verschiedenartige Spaltungen der Vorhofszacke, auf Muskeizuckungen zurückzuführende Zäckchen usw. in zusammengehörigen Elektrokardiogrammen voll- kommen gleich wiedergegeben sind. (In allen Aufnahmen war die Fig. 9. Gleichzeitig mit parallel geschalteten Messgeräten auf- senommene Eiektrokardiogramme: oben Spulengalvanometer, unten Saitengalvanometer mit 1,3 u dicker Saite. Eingestellte Empfindlichkeit. 1 Milli- volt = 1 cm. (Orisinalgrösse.) meter ein Stromstoss gesandt, der so rasch verläuft, dass das träge Instrument sich erst in Bewegung setzt, wenn er vorbei ist. Die Spule des trägen Instru- mentes schwingt aus ihrer Ruhelage wie ein angestossenes Pendel lediglich aus eigener Kraft heraus und kehrt bei richtiger Dämpfung sanft in die Ruhelage zurück. Sie erzeugt hierbei durch ihre Bewegung im Magnetfeld einen Gegen- strom, der hemmend wirkt und wesentlich die Dämpfung des Messsystems mit hervorruft. Was zeigt nun das rasch schwingende Messgerät? Es wird den richtigen Verlauf des Stromstosses angeben, hernach aber Ausschläge vollführen durch den Strom, der in es von dem trägen Instrument gesandt wird. Der Gegen- strom wirkt also hier nicht mehr lediglich dämpfend, sondern ruft eine besondere Bewegung hervor. Die von den beiden Messgeräten gezeichneten Kurvenzüge verlaufen grund- verschieden. Das träge Messgerät gibt nur die wirklichen Stromschwankungen, aber vollständig entstellt, an, das andere die wirklichen Stromschwankungen wenig entstellt und ausserdem noch Schwankungen, die man irgendwie aus dem vom trägen Messgerät gezeichneten ganz entstellten Bild der wirklichen Strom- schwankungen herleiten kann. Sind die Messgeräte, die infolge der gewählten Schaltung aufeinander arbeiten, einander Stück für Stück vollständig. gleich, so treten keine Kompli- kationen auf, die geschriebenen Kurvenzüge fallen vollkommen gleich aus. Das gleiche ist angenähert der Fall, wenn die Messgeräte nur in ihren mechanischen Verhältnissen einander gleich sind, aber zum Beispiel bei ihrer Bewegung ver- schiedene Gegenströme erzeugen, wie dies bei Spule und Saite der Fall ist. 576 P. Schrumpf und H. Zöllich: Papiergeschwindigkeit ungefähr 40 mm in der Sekunde.) Ganz beson- ders deutlich wird die Übereinstimmung an der Aufnahme, die Fig. 12 wiedergibt, bei der durch zögerndes Einschalten und dadurch hervor- gerufene unsichere Kontaktbildung sehr unregeimässige und rasch wechselnde Spitzengruppen' gezeichnet sind. Sämtliche Zäckchen finden Fig. 10. Wie Fig. 9. (Originalgrösse.) sich in beiden Aufnahmen. Winzige, nur mit der Lupe feststellbare Verschiedenheiten in dem zeitlichen Auftreten einzelner Spitzchen sind auf die ein wenig grössere Einstellungszeit des Saitengalvanometers zurückzuführen. Aus dem Mitgeteilten ereibt sich, dass die Gleichwertigkeit der | . \ Fig. 11. Gleichzeitig mit hintereinander geschalteten Messgeräten aufgenommene Elektrokardiogramme: oben Spulengalvanometer, unten Saitengalvanometeer mit 1,3 u dicker Saite. Eingestellte Empfindlichkeit 1 Milli- volt—=1 cm. (Originalgrösse.) Leistung des Saiten- und Spulengalvanometers, entsprechend unseren theoretischen Erwägungen, auch durch den praktischen Versuch ein- wandfrei bewiesen wird. Auch die genaueste Ausmessung der gleich- zeitig, sowohl mit nebeneinander wie mit hintereinander geschalteten Messgeräten aufgenommenen Kurven zeigt, dass dieselben. völlig identisch sind. ‚Doch da die Eiektrokardiographie keine blosse Laboratoriums- Ärzte beherrschen sie. Auch er- Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 577 methode, sondern vielmehr ein integraler Bestandteil unserer modernen -praktischen Herzdiagnostik darstellen soll und immer mehr darstellen wird, so dürfen bier einige weitere, aus der Praxis sich ergebende Vorteile des Spulengalvanometers gegenüber dem Saitengalvano- meter nieht unerwähnt bleiben. 1. Jeder, der mit dem Saitengalvanometer gearbeitet hat, weiss, wie tückisch die Seele des Apparates, die Saite ist, wie leicht sie springt. Die Technik des Einspannens der Saite ist schwer zu erlernen; nur wenige Mechaniker, geschweige denn fenen Störungen. Oben Spulen- unten Saitengalvanometer mit 1,3 « dicker Saite. fordert das richtige Spannen dr - _”, Saite eine grosse Übung. Diese sanzen Nachteile, die das Arbeiten mit dem Saitengalvanometer sehr komplizieren, fallen bei dem Spu- lengalvanometer weg; Störungen an demselben lassen sich bei h einigermaassen sorgsamer Hnd- habung, auch durch den wenig Geübten, leicht vermeiden. Dazu kommt noch die enorme Emp- | findlichkeit des Saitengalvano- meters äusseren Erschütterungen (Fuhrwerken, Trambahnen auf der Strasse) gegenüber, die bi , dem Spulengalvanometer deshalb : \ weit weniger in Betrachtkommen, | ! Br weil dessen weit geringeres Ge- wicht (Edelmann — 75 kg, Siemens & Halske = 7!s kg!) seine Lagerung auf Erschütterungen auffangenden Gummibällen er- möglicht. 2. Durehblättert man die umfangreiche Literatur, in der Saiten- galvanometerkurven abgebildet sind, so sieht man, wie schwierig es ist, auch technisch gut gelungene, weiss auf schwarzem Untergrund galvanometer, m Fig. 12. Gleichzeitig mit parallel geschalteten Messgeräten gezeichnete Kurven: Elektrokardiogramm mit absichtlich durch losen Kontakt hervorgeru 578 P. Schrumpf und H. Zöllich: registrierte Kurven mit genügender Deutlichkeit in Autotypie wieder- zugeben. Schnelle Vorgänge in der Kurve, z. B. die R-Zacke, kommen, besonders bei nieht einwandfreiem Licht (Regulieren der Lampe), nicht oder kaum zur Erscheinung und müssen nachretouchiert werden. Auch ist zum Druck nur teures Glanzpapier zu verwenden. Auch diese Nachteile fallen bei einigermaassen gut gelungenen Spulen- galvanometeraufnahmen, da sie schwarz. auf weiss geschrieben sind, auch bei Verwendung mässigen Druckpapiers weg. 3. Wie aus demnächst zur Veröffentlichung kommenden Unter- suchungen von Schrumpf hervorgeht, lässt sich das Spulengalvano- meter mit mehreren Spiegelkymographen nach Frank’schem Prinzip sowie Herztonregistrierapparaten der- art kombinieren, dass gleichzeitig ein Elektrokardiogramm, ein Venenpuls werden können, eine Methode, die in der feineren Herzdiagnostik prak- tisch und theoretisch viel leistet und zu leisten verspricht. Fig. 13. und 14 zeigen solche polygraphische Kurven. Fig. 13. Gleichzeitige Aufnahme : ; von Carotis, Elektrokardiogramm 4. Entgegen Nicolai, Stru- und Jugularis. (°/s Originalgrösse.) bell u. a. haben Lewis und vor allen Dingen A. Hoffmann betont, wie wichtig es ist, in jedem Fall das Elektrokardiogramm nicht bloss in Ableitung 1, sondern auch, und zwar gleichzeitig, in Ableitung 2 und auch 3 abzunehmen, eine Auffassung, deren Richtiekeit wir auf Grund unserer eigenen Erfahrungen voll und ganz bestätigen müssen. Nur dadurch wird es möglich, kleine Abweichungen des Elektrokardio- gramms von der Norm auch sicher aufzudecken. Diesem Postulat der gleichzeitigen Aufnahme des Elektrokardiogramms in verschiedenen Ableitungen entspricht nun A. Hoffmann dadurch, dass er gleich- zeitig mit drei konvergent aufgestellten Saitengalvanometern arbeitet, deren Kurven übereinander zu liegen kommen. Es ist dies jedoch eine teure und komplizierte Apparatur, die wohl den wenigsten zu- sänglich sein dürfte. Weit leichter kann nun durch das Spulengalvano- meter die gestellte Anforderung erfüllt werden, indem in einen Apparat mehrere Schleifen eingebaut werden. Über einen derartigen Apparat, der ebenfalls mit den oben erwähnten Marey’schen' Kapseln ver- sehen werden kann, werden wir demnächst genauer berichten. und ein Arterienpuls aufgezeichnet. EN EEE En a > E Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 579 Ein technisch gutes Elektrokardiogramm muss von jeder lästigen Beimengung dureh fibrilläre Zuckungen der Körpermuskulatur frei sein, ein Postulat, welches leider, gleichgültie, ob ein Saiten- oder Spulengalvanometer benutzt wird, nicht immer leicht zu erfüllen ist. Da vor kurzem die Anfrage an uns gerichtet worden ist, ob nieht diese manchmal vorkommenden Zitterbewegungen im Elektro- kardiogsramm auf ein fehlerhaftes Arbeiten des Apparates zurück- NN Aa I Y AN Y AR &% Erreere Fig. 14a. Arrhythmia totalis. Vorhofflattern. (?/s Originalgrösse.) Fig. 14b. Arrhythmia totalis. Vorhofflattern. (2/s Originalgrösse.) ‚zuführen seien, so halten wir es für angebracht, diese Frage hier näher zu erörtern. Bei manchem nervösen Menschen erhält man verzitterte Elektro- kardiogramme, wie sie in Fig. 15—24 dargestellt werden. Wir haben eingehende Versuche, speziell auch an uns selbst, angestellt, um zu finden, wie sich diese störenden und oft völlig unbrauchbaren Zitter- kurven vermeiden lassen, und empfehlen auf Grund derselben zunächst folgende Vorsichtsmaassregeln bei der Aufnahme: Vor der Aufnahme lässt man die Patienten zunächst, im warmen Raum, mindestens "/s Stunde ruhig sitzen oder liegen. Die Aufnahme selbst muss in bequemer Rückenlage vorgenommen 580 P. Schrumpf und H. Zöllich: werden, die Arme bequem ohne jegliche Anspannung der Muskeln ausgestreckt. Sehr wichtig ist, dass der Patient nicht friert; es muss daher der Raum recht warm, es dürfen die angelegten Elektroden nicht kalt sein. Ängstigt sich ferner der Patient vor der Aufnahme, oder wird er durch Geräusche und Bewegung um sich herum ab- NN gelenkt, so kann seine Kurve dadurch 5 N | £ | unruhig werden (daher verdunkelter Raum, kein Lärm, keine Zuschauer); 12 vb aniht en dasselbe geschieht, wenn er zum Bei- m spiel einen Harndrang verspürt. Was n da alles für Momente mitsprechen, Land et Nana A\, begreift man am besten, wenn man an = un N sich selbst Aufnahmen vornehmen ) u ! | lässt; die leichteste Unbehaglichkeit, ed \ Umbequemlichkeit in der Lage, innere Be . Unruhe usw. ruft ein Zittern in der Fig. 15. (®s Originalgrösse) Kurve hervor, und als genauer Selbst- beobachter. ist man bald in der Lage, zu fühlen, ob die aufgenommene Kurve glatt oder verzittert ist. Trifft man nun diese verschiedenen Vorsichtsmaassregeln, und es ist dies eine nicht bloss technische, sondern auch psychologische Fig. 16. Kies Ida. (2/3 Originalgrösse.) (?/s Originalgrösse.) Kunst, die meist nur ein Arzt und wohl kaum eine Hilfsperson ge- nügend beherrschen wird, so gelingt es in den meisten Fällen, ein- wandfreie Kurven zu erzielen. Bei genügender Geduld lässt sich dies in einer Sitzung erreichen (Fig. 15); sonst muss man eben den Patienten an einem anderen Tag wieder aufnehmen; wenn er sich an die Prozedur gewöhnt und besonders eingesehen hat, dass er keinen „elektrischen Schlag“ bekommt, wird seine Kurve ruhig (Fig. 16 u. 17), Es ist uns aufgefallen, dass manchmal ein starkes Zittern in Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 581 Ableitung 1 in Ableitung 2 und 3 viel schwächer ist oder verschwindet ; es scheint uns dies hauptsächlieh bei mit ihren Armen schwer arbeiten- .den Menschen der Fall zu sein. Es dürfte auch bei denselben plau- sibel sein, dass ihre Armmuskulatur besonders stark zittert. Es gibt nun ganz wenige Menschen, bei denen es trotz aller Vorsichtsmaassregeln nicht gelingt, in Ableitung 1, 2 oder 3 glatte Kurven zu erlangen. Essind dies durchweg schwer nervöse Individuen, wie sie zurzeit besonders unter Kriegsneurotikern (Verschütteten) angetroffen werden, denen man das Zittern oft schon mit blossem Auge ansteht. Hier hilft bloss die direkte Abnahme des Elektro- Ks, "niit va | ! en A | ıı; rn | wen, abe. Fig. 18. (?s Originalgrösse.) Fig. 19. (2/3 Originalgrösse.) kardiogrammes von der Brustwand, wobei die eine Elektrode (zirka 155 em grosse Bleiplatten in mit Kochsalzlösung angefeuchtetem Mull eingewickelt) auf die, Herzbasis, die andere auf die Herzspitze durch Gurte festgeschnallt wird. Auf diese Weise erhaltene Elektro- kardiogramme sind immer glatt, auch bei den stärksten Zitterern. Leider ist aber bei dieser Ableitung der maximal zu erreichende Ausschlag oft so klein, dass die P-Zacke, auf die es ja oft besonders ankommt (Leitungshemmungen, Vorhofflimmern!), nur sehr schwach oder gar nicht ausgeprägt ist (Fig. 18—21). In jedem Fall muss man beide Elektroden unter Beobachtung des Spiegelbildes in der Mattscheibe so lange hin und her schieben, bis man das Optimum des. Ausschlages gefunden hat. In vielen Fällen liefert jedoch auch die direkte „Herzableitung“ recht ansehnliche Ausschläge (Fig. 18, 19, 22). Fig. 24 zeigt intermittierendes Zittern einer Kurve. Bei manchen schwer dyspnoischen Patienten, die nicht ruhig liegen können und daher zittern, versucht man zunächst die Auf- nahme im Sitzen, dann die direkte Herzableitung. Wiehtig ist die Entscheidung, ob ein Zittern in der Kurve durch Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 38 582 P. Schrumpf und H. Zöllich: ein Flimmern der Vorhöfe oder durch fibrilläre Zuckungen der Körper- muskulatur hervorgerufen wird. Für das Vorhofflimmern spricht natürlich eine absolute Unregelmässigkeit der Ventrikelausschläge. a Er TR Bee | Hinyabe. Fig. 20. (2/3 Originalgrösse.) Fig. 21. (2/3 Originalgrösse.) Oft superponieren sich auch Flimmerausschläge des Vorhofs und Zittern der Muskulatur. In diesen Fällen auch greift man zur „Herz- ableitung“, in der, wenn auch nur sehr schwach, das Flimmern des Vorhofs sichtbar wird (Fie. 23). Jedoch wird der Geübte im Elektrokardiogramm obne weiteres, besonders in Ableitung 2 und 3, ein Vorhofflimmern und besonders ‘ein Vorhofflattern resp. eine Vorhof- tachysystolie erkennen können. Wir haben uns des längeren damit “beschäftigt, zu untersuchen, ob Zitter- bewegungen in der Kurve durch Be- nutzung verschiedener Arten von Elektroden beeinflusst werden können, und sind hierbei zu einem negativen Ergebnis gekommen, speziell auch was die Anwendung unpolarisierbarer Elektroden an- Fig. 22. (2/s Originalgrösse.) Mm PMWwWAN? AANPERREREREERG, Peer AMT N Fig. 23. (/s Originalgrösse.) F belangt. Wir benutzen zurzeit nur noch Bleibinden von 1 m Länge und 5 cm Breite, eingewickelt in mit Kochsalzlösung getränktem Mull: oder Flanell. Dieselben werden um Vorderarme resp. Unter- a a SL in = N4aile aa en ae Saiten- und Spulengalvanometer zur Aufzeichnung der Herzströme. 389 schenkel gewickelt und müssen bei jeder Aufnahme neu angefeuchtet werden, da sonst elektrolytische Vorgänge die Reinheit der Kurve stören können. Auch die Bleistreifen müssen öfters erneuert werden. Das Benutzen dieser Bleibinden ist, wenn man Zitterkurven vermeiden will, entschieden empfehlenswerter als die Ver- wendung des Vierzellenbades, da in demselben die Vorderarme einen nicht genügend ruhigen Halt haben. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass schuld an Zitterkurven ausschliess- lieh der Patient und der Untersucher, nieht der Apparat ist. Eine Verminderung der Empfindlichkeit des Elektrokardiographen, wodurch auch et- waige Zitterbewesungen verringert würden, wäre ein Fehler. Wir brauchen Kurven mit genügend grossem Ausschlag, um Feinheiten des Reiz- ablaufes zu untersuchen, und dass das Spulen- galvanometer wesentlich. empfindlicher ist als das Saitengalvanometer, halten wir für einen Vorteil des ersteren letzterem gegenüber. Be- sonders alte Individuen geben mit dem Saiten- galvanometer oft so kleine Ausschläge, dass ie betreffenden Kurven ganz unbrauchbar sind, und dass eine „Herzableitung“ mit ihm in vielen Fällen kaum gelingt. An den Fig. 13 bis 23 ist die untere Kurve jedes Mal mit der grösstmöglichen Empfindlichkeit aufgenom- men, während die obere noch grösser hätte dar- gestellt werden können. Bis vor einigen Jahren wurde der Fehler begangen, die Elektrokardiographie als eine „Herzfunktionsprüfungsmethode“ zu betrachten, ein Irrtum, der die Methode in den Augen vieler Ärzte, und besonders vieler Praktiker, diskredi- tiert hat. Aus dem Verhältnis der Grösse der verschiedenen Zacken zu einander, der Aus- giebiekeit der negativen Bestandteile der Kurve, dem Verhalten der T-Zacke (Nachschwankung) ; er = . er en, F [) [0 2} * (2/s Originalgrösse.) Fig. 24. 584 P. Schrumpf und H. Zöllich: Saiten- und Spulengalvanometer usw. wurden zum mindesten sehr unvorsichtige Schlüsse über die Funk- tionstüchtigkeit des Herzens, über die Herzkraft gezogen. Von all dem lässt sich heute nicht mehr viel aufrechterhalten. Die viel umstrittene Bedeutung der S-Zacke (Ip) ist mehr als problematisch. Sieher bedeutet ferner zwar eine relativ niedrige, fehlende oder gar negative Nachsehwankung eine Schwäche der Ventrikel, aber ein Todesurteil für den betreffenden Patienten bedeutet sie noch lange nicht. Gerade in diesem Punkte ist das Vergleichen der Elektro- kardiogramme in verschiedenen Ableitungen von grösster Wichtigkeit; wie oft ist bei ganz normalen Herzen in Ableitung 2 oder 3 die Nachschwankung negativ. Endlich ist nicht zu vergessen, dass viele schwer kranke Herzen kurz vor dem Tode besonders stark aus- gebildete Nachschwankungen des Elektrokardiogrammes, auch in Ab- leitung 1, aufweisen. Deshalb erscheint uns das genaue Ausmessen der einzelnen Kurven, des Grössenverhältnisses der einzelnen Be- standteile zueinander, die genaue Eichung der Kurve, wenigstens für die allgemeine Praxis eine unnötige Mühe. Viel wichtiger ist das Aufsuchen auch geringfügiger Abweichungen in der Form der P- und R-Zacke in verschiedenen Ableitungen, alles Momente, die auf ein ungleichmässiges Arbeiten der kongruenten Herzabschnitte hinweisen, ein Gebiet, auf dem noch viel zu erforschen bleibt. Vor allem aber ist die Elektrokardiographie für die Ergründung aller Störungen des Herzrhythmus sowie aller Störungen des Reizablaufes innerhalb des Herzens die mö&thode de choix; darin leistet sie, was keine andere Methode leistet, und in dieser Richtung weiter ausgebaut, wird sie immer mehr ein unentbehrlicher Bestandteil unserer modernen Herz- diagnostik werden, sowohl allein wie in Verbindung mit der Auf- nahme der Venenpulskurve und der Herztöne. 585 Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration auf die Giftigkeit von Lösungen, besonders von Elektrolyten. Von Otto Hartmann, Graz. (Mit 3 Textfiguren und Tafel III und IV.) Einleitung. Vor allem sind es folgende Aufgaben, deren Bearbeitung nach- stehende Zeilen dienen. Zunächst: eine möglichst grosse Anzahl ver- schiedenster, meist anorganischer Chemikalien in ihrem Einfluss in Lösung auf die Lebensdauer bei verschiedener Konzentration und je drei verschiedenen Temperaturen zu untersuchen, um auch den Ein- ‘ fluss verschiedener Konzentration auf die Grösse der Temperatur- koeffizienten, sowie einen eventuellen Einfluss der Temperatur auf. den Verlauf der Konzentrationsgiftigkeitskurve festzustellen. Dann: eine srössere Anzahl Stoffe bei einer Konzentration aber über ein grosses Temperaturgebiet in möglichst vielen Temperaturintervallen zu untersuchen, um das Verhalten der Temperaturkoeffizienten der Lebensdauer in verschiedenen Temperaturbereichen und bei ver- schiedenen Stoffen kennen zu lernen. Ausserdem wird zu erfahren versucht, wie sich die Giftiekeitsabnahme verschiedener Stoffe bei Verdünnung wie bei Temperaturabnahme gestaltet und wie sich der Einfluss dieser eben bei verschiedenen Stoffen stark verschiedener Abnahme auf die Giftigkeitsreihenfolge der Substanzen bei niederer Temperatur bzw. Konzentration einerseits und hoher Temperatur bzw. Konzentration anderseits gestaltet. Auch werden die Gleichungen für die Beziehung: Konzentration-Lebensdauer und: Temperatur- Lebensdauer untersucht und der Einfluss des Grades der absoluten und spezifischen Giftigkeit der untersuchten Substanz auf die Gestalt 586 . Otto Hartmann: ihrer diesbezüglichen Kurven festzustellen versucht. Andie Temperatur- experimente schliesst sich eine Betrachtung über die den absoluten Grad der Giftigkeitszunahme bei Temperaturerhöhung sowie den „Gang“ der Temperaturkoeffizienten etwa bestimmenden Momente physioloeischer nnd physikochemischer Art an. Endlich wird eine neue Gleichung abgeleitet, die den Einfluss von Temperatur und Konzentration im Zusammenhange auf die Lebensdauer bzw. Giftig- keit von Lösungen einigermaassen darzustellen erlaubt. Material und Methode. Bei der quantitativen Untersuchung des Einflusses von Temperatur und Konzentration und der Kombination beider Faktoren auf die Giftigkeit von Lösungen gemessen an der Lebensdauer, kann man offenbar mehrere Wege einschlagen. Entweder man misst die Ab- nahme der Individuenzahl nach gleichen Zeiten der Einwirkung des Giftes — Gift hier im weitesten Sinne gebraucht — und bestimmt aus den so erhaltenen, auf einer Kurve bestimmter Gestalt liegenden Werten den Giftiekeitskoeffizienten (Desinfektionskonstante) für die betreffende Konzentration und Temperatur. Dieser Weg wurde bei der Giftwirkung auf die Keimfähigkeit von Bakteriensporen bisher besonders angewendet. Handelt es sich um Organismen, deren Ab- sterben man unmittelbar verfolgen kann, so wird man die mittlere Lebensdauer aus einer grossen Anzahl von Einzelbeobachtungen er- rechnen. Schliesslich kann man auch — eine Methode, die Zehl bei der Untersuchung der Giftwirkung auf Pilzsporen anwandte — die Maximalkonzentrationen empirisch ermitteln, die gerade noch die Sporenkeimung gestatten bzw. hemmen (Methode. der Grenz- konzentrationen und ihre Beeinflussung durch Temperatur). Diese Methode bringt allerdings einen komplizierenden Faktor, durch den sie sich von den anderen Untersuchungsweisen prinzipiell unterscheidet, dadurch hinein, dass sie beim Studium des Temperatureinflusses auf die Giftigkeit — und gleiches gilt, wenn man hei derselben Temperatur die Giftigkeit verschiedener Substanzen nach ihren Grenz- konzentrationen vergleichen will — je nach der Temperatur verschieden starke Grenzlösungen findet, die miteinander auf Grund ihrer molaren bzw. perzentuellen Konzentration verglichen werden sollen, wobei aber je nach der Verdünnung der Gehalt an den meistens die Giftig- keit bestimmenden Ionen ein relativ zur Konzentration sehr ver- Kr Me. nn uUszr?tT + Vohle- re ae TR yr a N FR Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 587 schiedener ist, so dass uns diese kein einfach proportionales Maass jener, ergibt. Obige Bestimmungsmethode wäre dann einwandfrei, wenn, was eben nicht der Fall ist, die Giftigkeit bei gleicher Tem- peratur einfach der Konzentration proportional wäre. Die. von mir verwendete Untersuchungsmethodik ist zwar mit keiner der vorbesprochenen identisch, aber mit ler zweiten sehr nahe verwandt. Das Untersuchungsobjekt ist die zu den Cladoceren (Familie Bos- minidae) gehörige, sehr kleine (etwa 0,5—0,7 mm grosse) Bosmina longirostris O. F. M. Diese Objekte standen von Mai bis Juli 1916 im Plankton eines kleinen Teiches in ungeheurer Menge und fast wie in Reinkultur ohne Beimengungen anderer Organismen zur Verfügung. Auf diese Verhältnisse gründet sich meine Methodik. In weithalsige Eproubetten wurde die betreffende Lösung bis zu einer bestimmten Höhe eingefüllt, hierauf wurde dem eingedickten, mit destillierttem Wasser ausgewaschenen, stets frischen Plankton- material mit einer Pippette eine stets annähernd gleich grosse Menge (mindestens 70—100) Tiere entnommen'), in die Lösung gebracht, hierauf schnell gut durchgemischt und nun mit der Lupe oder mit freiem Auge beobachtet. Die kleinen, annähernd kugelförmigen Tiere schwimmen nun mit schwirrenden Antennenschlägen ausserordentlich rasch umher, bis sich ziemlich plötzlich (besonders bei höherer Kon- zentration) eine Verlangsamung bemerkbar macht, der bald’ das Absinken der toten Tiere folgt. Dieses Absterben, als dessen Krite- rium eben das ziemlich ausgeprägte Aufhören der Antennenbewegungen dient, findet in Anbetracht der absolut kurzen Versuchsdauer und der grossen Gleichartiekeit des Materials bei der Hauptmasse der Ob- jekte annähernd gleichzeitig statt. So kann man also die mittlere Lebensdauer einer grossen Anzahl von diesen Tieren in theoretisch zwar nicht einwandfreier, praktisch aber, wie die Versuche und zahl- reiche Kontrollen gezeigt haben, in völlig zureichender Weise be- stimmen ?). Andere Cladocerenfamilien und überhaupt Entomostraken 1) Die dabei mitgenommene, annähernd immer konstante Menge von Aqu. dest. kommt wegen dieser Konstanz und wegen ihrer Kleinheit kaum in Frage. 2) Da diese Tiere im Laufe ihrer parthenogenetischen Fortpflanzung zu verschiedenen Monaten oft verschiedene Vitalität zeigen, so sind nur Versuche an diesbezüglich homogenem Material, also nur innerhalb eines Zeitraumes von etwa 1—2 Wochen, gut vergleichbar. Ein und derselbe Stoff wurde natürlich immer innerhalb 1—2 Tagen bearbeitet. 588 Otto Hartmann: - eignen sich für derartige Untersuchungen, bei denen die Giftigkeit nach dem Aufhören der Antennenbewegungen bestimmt wird, über- haupt wenig, denn sie schwimmen in den Lösungen oft überhaupt nicht, sinken, obwohl keineswegs tot, wie man durch mechanische Reizung feststellen kann, offenbar infolge einer Art Chokwirkung zu Boden, während meine Untersuchungsobjekte lebhaft umher- schwimmen und später ziemlich unvermitteltes Aufhören der Be- wegungen zeigen. Eine besondere Besprechung erfordern noch die Untersuchungen bei 0°C. Zunächst habe ich auch hier dieselbe direkte Methode der Todespunktsbestimmung angewendet, nur wurde hier in Anbetracht der an sich bewegungshemmenden niederen Temperatur nicht das Absinken als Todesanzeichen betrachtet, sondern das Aufhören der auch am Boden noch einige Zeit andauernden trägen und deshalb zum Schwimmen unzureichenden Antennenbewegungen. Wenn man nun aber nach Eintritt dieser allgemeinen Beweeungslosiskeit die Versuchstiere plötzlich in der betreffenden Lösung auf 10—20° C. erwärmt, so treten von neuem die Antennenbewegungen und in An- betracht der hohen Temperatur ziemlich lebhaft auf. Also ist die völlige Bewegungssistierungin der Giftlösung bei 0 ° C. eine Temperatur- wirkung allein, die deshalb hier relativ viel zu geringe Lebensdauer vortäuscht. Demnach sind alle Werte für 0° C. auf der Tabelle I zu niedrig und wie leicht ersichtlich die- jenigenbeiniederer Konzentration, wohl auch etwas mehr als die bei höherer. Dass ich trotzdem diese Versuchsergebnisse, die eben noch vor Erkenntnis der durch die Methode bedingten Fehler gewonnen wurden, mitteile, hat seinen Grund darin, dass die relativen Verhältnisse, wenn sie von den niedersten Konzen- trationen absehen, trotzdem einigermaassen dargestellt werden. Um diese Versuchsfehler bei 0° C. zu eliminieren und zu richtigen absoluten Werten, wie sie der Tabelle III zugrunde liegen, zu gelangen, verfuhr ich folgendermaassen. Es wurde nämlich durch zahlreiche Versuche bestimmt, wie lange es dauert, bis die in der betreffenden Lösung bei 0°C. befindlichen Versuchstiere bei plötzlicher Erwärmumg des Versuchsglases auf 10—20° C., also nach Aufhebung der an sich lähmenden niederen Temperatur, eben kein Wiedererwachen der Antennenbewegungen mehr zeigen. Diese Zeit ist dann natürlich die Lebensdauer bei 0° C., die allein von der Giftwirkung der gelösten Substanz und Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 589 nicht von der vorübergehenden Temperaturlähmung abhängt. Auf diese Weise gelangt man allein zu exakten Werten für die grosse Lebensdauer in Giftlösungen bei 0° C., die eben offenbar gerade durch diese lähmende und den Stoffwechsel aufs Minimum herab- setzende Temperaturwirkung bedingt ist. Zu bemerken wäre noch, dass sich die Temperaturen der Versuchsflüssigkeit natürlich mit praktisch unendlich grosser Geschwindigkeit auf die winzigen Versuchs- tiere übertragen, wodurch ebenfalls unser Material als sehr günstig charakterisiert ist. Die Konstanterhaltung der Temperatur erfolgte in allen Ver- suchen durch ein Wasserbad, und es ist ein leichtes die Temperatur innerhalb der in Betracht kommenden Versuchszeiten konstant zu erhalten. Dass sowohl die höchste verwendete Temperatur (35,5° C.) als auch reines destilliertes Wasser für sich allein die Tiere inner- halb des Vielfachen der Versuchszeiten nicht schädigen, wurde eben- falls zur Kontrolle festgestellt. Für alle Versuche wurden die FerreHonden Substanzen natürlich in chemisch reiner Qualität in bestimmt konzentrierten Ausgangs- lösungen (meist 1 Mol.) zugrunde gelegt, deren Konzentration gleich- zeitig als Konzentration 1,0 in den Tabellen figuriert. In den Kon- zentrationsversuchen wurden dann die Lösungen in zehn Konzen- trationen von 1,0—0,1 verwendet. Die Ausgangskonzentration (1,0) ist fast immer die molare, und demgemäss geben die Dezimalbrüche der Tabellen unmittelbar Molenbrüche an, nur in Fällen sehr giftiger oder schwer löslicher Substanzen wurden als Einheitslösungen stärkere Verdünnungen zugrunde gelest, was in den Tabellen immer vermerkt -ist. In der zweiten Versuchsserie, die den Einfluss stark verschiedener Temperaturen vornehmlich untersucht, bei Konstanz der Konzentration, wurde diese je nach der Substanz so gewählt, dass leicht messbare, weder zu lange noch zu kurze mittlere Lebensdauern resultierten. Die Ergebnisse wurden absichtlich nach allen Richtungen hin in Tabellenform ausgewertet, da.nur so ein einigermaassen guter Über- blick über die verschiedenen Beziehungen zwischen spezifischer Giftig- keit, Temperatur und Konzentration der zahlreichen Stoffe gewonnen werden kann. Otto Hartmann EEE 590 or 087 | 9 066 | Er 081 ae ce | 60T | Fa 08 UT 09 vr 0G vr or 88 08 01 een re) ee reine” u = v2 0087| 82006: |, 8.079 |, 88007 | ©Eüge | 8008 S2088 | 722067 | OEONT el ©ONH — or 0897| 8 0957 | 8 006 | org | eos | 2 0or | Fr org | ST 008 | 0 098 ) ‘) 6 07% | 69 08T | or coL ve 68 2.G,, «3.09 81 97 st 07 “rg 1 98 08 oL 08, CE 018 „ 088 „ 008 „081 „ sl „el OIT | .r 001 sI u SOEEUTET 2 2200002 820085 2062| Lore 2 00 se or ze Oo osen ss 0081| #s OFIL | or 0#8 0% 089 | a0 | Fo ron | Foo | ro | 0078 0 “u Her 068 | 88 G6T | 89 0GL 07.06, 2. 0G 0% Gy 98 188 E77 vr 8 oL g*Lt 08, &TL 0IS 98 06€ gr 608 2 0,1 Sa 001 De 06 9°7T Oo) FL {e10) 0° GH SI u „or O8OT | 36 009 | 7 018 See la ale 2 00T BIC), 01.09 el HO09°H.) = 9 08gT | =r 0807 | 808, | 2009 | Feogr | roge | Frag | TIgyg | Kr 0% 0 r se 0 | vs ge | SacoL | LEG, “1 89 WL.C9 vr cg Er 8q vg | dry 08 08 SE0SOT | 27005 | ren |. 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Konzentration und Giftigkeit. 1. Die Giftigkeitsreihenfolge der Stoffe, die Form der Kon- zentrationsgiftigkeitskurve und ihre Abhängigkeit vom absoluten Giftigkeitsgrade der Substanz. Vorstehende Haupttabelle I stellt die Gesamtergebnisse der Messungen der ersten Versuchsreihe dar, bei der der Einfluss der Temperatur auf die konzentrationsbedingte Lebensdauer im Vorder- erund des Interesses stand. Bei den einzelnen Substanzen ist die Konzentration in Molenbruchteilen angegeben, die Vertikalkolonnen stellen in absteigender Reihe die Lebensdauer für die Verdünnungen 1,0—0,1 der Ausgangslösung dar. Die Werte für die Versuchstemperatur 0°C. sind aus früher angegebenen Gründen in dieser Tabelle absolut zu niedrig und werden deshalb nicht berücksichtigt. Die Temperatur 30° GC. ist genauer 30,5, nur der Kürze halber wurde 30° C. ge- schrieben. Sämtliche grossgedruckten Zahlen der Tabelle geben die Lebensdauer in Sekunden an (7). Die kleinen, rechtsstehenden Zahlen sind die relativen (reduzierten) Lebensdauern, wenn die bei der Konzen- tration 1,0 als Einheit gesetzt wird. Diese Zahlen veranschaulichen also die relative Zunahme der Lebensdauer bei abnehmender Konzentration, unabhängig von der absoluten Giftigkeit der Untersuchungssubstanz, so dass also hinsichtlich der „reduzierten“ Lebensdauern alle Stoffe unmittelbar in ihrem Konzentrationseinfluss auf die Giftigkeit ver- gleichbar sind. Die Gesamttabelle zerfällt in drei Teile, deren erster die Säuren, der zweite die anorganischen Salze, der dritte einige organische Salze und Alkohole umfasst. In jeder dieser drei Gruppen sind die Stoffe unter sich nach ihrer Giftigkeit bei gleicher Temperatur und molarer Konzentration angeordnet. Jene Salze, die in abweichender Konzentration in der Ausgangslösung ver- wendet wurden, wurden so eingereiht, als ob ihre Konzentration gleich der der anderen Stoffe wäre, was leicht möglich ist, denn zum Bei- spiel Sublimat, dessen stärkste Konzentration "/ıo Mol. beträgt muss offenbar mit der Lebensdauer bei dieser Konzentration, die in der ersten Vertikalreihe (1,0) steht, mit der Lebensdauer in der zehnten Reihe (0,1) von Salzen verglichen werden, deren Ausgangskonzentration (1,0) die molare ist. Diese Reihenfolge der Stoffe kann jedoch nur für ein bestimmtes Konzentrationsgebiet eindeutig festgestellt werden (zugrunde gelegt wurden die hohen Konzentrationen), da, wie wir - a iy u “. Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 597 sehen werden, die Verdünnung die Giftigkeitsreihenfolge nicht un: beträchtlich zu verschieben imstande ist. Zunächst kurz einiges über die bekannte Anionen- und kat- ionenreihe bei den hohen Konzentrationen, soweit sie gut aus den ja nicht speziell hierzu angestellten Untersuchungsergebnissen erkenn- bar ist. » Für die Na-Salze gilt etwa folgende Anionenreihe') in absteigender Giftigkeit: OH NO,, €0, NO32), Br, €l, HCO,,.SO,, S:O;,;. HPO,. Die entsprechende Reihenfolge findet man, soweit die Salze unter- sucht wurden, bei den Anionen von K, NH,, Fe, Mg. Die Kationen- reihe ist für die einwertigen: K>NH, >Na. Die mehr- wertigen zeigen in abnehmender Giftigkeit etwa die Reihe: : (für das Sulfat als Anion) Cu, CO, Zn, Mg, Fe*+ E23, Chlorid‘; „.) Ba, Fett, Ca, Me. ‘Was die Giftigkeitsreihenfolge der Säuren betrifft, so ist schon durch Barrat?°) gezeigt worden, dass die organischen Säuren insofern eine Ausnahmestellung den anorganischen gegenüber zeigen, als sie eine entsprechend ihrer sehr kleinen Dissoziationskonstante (und die H+-Konzentration ist doch sonst bei den Säuren offenbar das spezifisch wirksame) viel zu grosse Giftickeit haben, die sogar die der hoch- dissoziierten Salzsäure übertrifft. wie auch meine Versuche zut zeigen. Nach Overton‘) erklärt sich dieses auffallende Verhalten dadurch. dass die organischen Säuren die Plasmahaut als undissoziierte Mole- küle permeieren, während die stärkeren Mineralsäuren die Plasmahaut entsprechend ihrem Gehalt an H-Ionen einfach zerstören und auf solche Weise erst tödlich wirken, ganz ähnlich, wie ja auch offenbar das Ver- halten von starken und schwachen Basen aufzufassen ist°). Um den Einfluss der Konzentration auf die Giftigkeit 1) Bezüglich Theorie und Literatur dieser Reihen vgl. R. Höber, Physik. Chemie d. Zelle u. d. Gewebe, 4. Aufl. Leipzig 1914. 2) Die Stelle dieses Ions ist mit Hilfe der K-Salze bestimmt. 3) J. ©. W. Barrat, Die Wirkung von Säuren und Basen auf lebende Paramäcien. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 4 S. 458. — Vgl. auch J. Loeb, Pflüger’s Arch. Bd. 69 S. 1 u. Bd. 71 S. 457, sowie Handb. d. Biochem. d. Menschen Bd. 2 (1. Teil) S. 109. 4) Pflüger's Arch. BJ. 92 S. 115. 1902. 5) Vgl. darüber die Zusammenstellung bei Höber, I. c. S. 479 ff. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. . 39 598 Otto Hartmann: rechnerisch darzustellen, hat sich bekanntlich Wo. Ostwald!) als erster in sehr erfolgreicher Weise der Adsorptionsisotherme in der natürlich entsprechend. veränderten Form - — K. c” bedient. Hier bedeutet Tr die reziproke Lebensdauer, also die Giftigkeit, e die Konzentration, X und m sind Konstante. Logarithmiert man diese Gleichung, so geht sie über in die Gleichung einer Geraden, und diese Tatsache kann man nun benutzen, um an einem gegebenen Zahlenmaterial überhaupt erst einmal auf konstruktivem Wege zu entscheiden, ob die Gleichung für das Geschehen anwendbar ist. Später?) hat dann Ostwald auf Grund theoretischer Erwägungen, auf die wir später noch zurückkommen, eine Modifikation der Gleichung Ka i : S 5 h vorgerommen in 7 — K (e—n)”, worin n die physiologiseh opti- male Salzkonzentration im normalen TLebensmedium der Tiere be- deutet, die naturgemäss von der absoluten Konzentration in den Experimenten abgezogen werden muss. Durch diese Gleichung haben sich besonders die Messungen in Seewasser, als giftigem Medium, vollständig exakt darstellen lassen. Ich habe die Konzentrationsgiftiekeitskurven für sämtliche unter- suchte Stoffe und die drei Temperaturen konstruiert und gebe davon auf Tafel III und IV eine Auswahl besonders charakteristischer und typischer Kurven®). Schon ein flüchtiger Überbliek lässt die Kurven 1) Wo. Ostwald, Die Giftigkeit des Seewassers für Süsswassertiere (Gammarus). Pflüger’s Arch. Bd. 120. 1907. — Vgl. auch A. Dernoscheck, Studien über die Giftigkeit des Seewassers für Süsswasseitiere. Pflüger’s Arch. Bd. 143. 1911. Auch anderweitig sind Ostwald’s Befunde bestätigt worden, so z. B. von H. Chick (Journ: of Hygien. vol. 8. 1908) für Bakterien, von Black- mann u. N. Darwin (Brit. Assoc. 1908) für höhere Pflanzen, von Harey (Ann. of Bot. vol. 23. 1909) für Chlamydomonas, von Herzog u. Bretzel (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 74. 1911) für Hefe (zit. nach Czapek, Biochem. Bd. 1, 2. Aufl.; vgl. auch Paul, Birnstein u. Reuss, Biochem. Zeitschr. Bd. 29. 1910. 2) Wo. Ostwald u. A. Dernoscheck, Über die Beziehungen zwischen Adsorption und Giftigkeit. Koll.-Zeitschr. Bd. 6. 1910. 3) Die Kurven für die verschiedenen Temperaturen sind der Deutlichkeit halber auf übereinanderliegenden Abszissen gezeichnet, so dass also nur die relativen Werte zur Darstellung kommen. Die dicke Kurve ist die Lebens- dauer-Konzentrationsbeziehung. Die dünne (diese ist nur für einige Temperaturen gezeichnet) stellt die Beziehung zwischen log der Konzentra- tion und log der Lebensdauer dar. Die zwei anderen Kurven sind von Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 599 auf Grund ihrer spezifischen Form in zwei Hauptklassen einteilen: solche von gleichmässig gebogenem Verlaufe, also mit sehr gleich- mässiger Giftigkeitszunahme, wie zum Beispiel die Kurven von CrO,, Na Br (bei 13° C.), Natriumsalizylat, Na, CO, (bei 18° C.), Natrium- formiat (bei 30° C.), und andererseits solche mit bei hoher Konzen- tration sehr langsamer Giftigkeitsabnahme, die jedoch innerhalb weniger Konzentrationseinheiten darauf ziemlich plötzlich ausser- ordentlich stark ansteigt, so dass also die Lebensdauerkurve einen stark geknickten Verlauf nimmt, wie zum Beispiel bei MgCl,, CuSO,, HCOOH. Es zeigt sich nun, dass die Kurven von letzterem Charakter, wenn man die Lebensdauer und Konzentration logarithmiert, eine von der Geraden viel stärkere Abweichung geben als die ersteren, welche ziemlich geraden Verlauf erkennen lassen. Zur Erklärung dieser typischen Kurvenunterschiede, die natürlich durch mannigfache Über- gänge verbunden sind, muss ich etwas weiter ausholen. In einer seiner Arbeiten‘) hat es sich Wo. Ostwald zur Auf- gabe gemacht, auf Grund der Giftigkeitsuntersuchungen der Seewasser- komponenten einzeln und in Kombination auf synthetischem Wege physiologisch aquilibrierte Salzlösungen herzustellen ?). Es zeigte sich nun, dass die Konzentrationslebensdauerkurven von Gammarus in reiner NaCl-Lösung verschiedener Konzentration einerseits und in van t’Hoff’scher Lösung bzw. Seewasser verschiedener Konzen- tration andererseits stark verschiedene Gestalt aufweisen — ein Umstand, auf den mir Ostwald nicht genügend hingewiesen zu haben scheint. Reine NaCl-Lösungen zeigen nämlich bei abnehmender Konzentration eine gleichmässig zunehmende Lebensdauer, etwa ähnlich mit meiner Kurve für CrO, (Tafel Nr. 1), binäre, also teilweise aquilibrierte, minder giftige Mischungen von Seewasser- nebensächlichem Interesse. Die Stricbkurve zeigt die Verhältnisse, wenn man die Lebensdauer allein, ohne die Konzentration logarithmiert, die Strich- punktkurve, wenn man die Lebensdauer zweimal logaritbmiert, wieder ohne die Konzentration zu logarithmieren. Mau sieht, dass bei den stark geknickten Kurven keine der drei Beziehungen ein befriedıgendes Resultat ergibt. Jedoch stellt die logarithmierte Adsorptionsisotherme die Verhältnisse auch in diesen Fällen immer noch am besten dar. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 106. 2) Zur Theorie der Äquilibrierung vgl. Höber, I. c. 8. 521ff. — J. Loeb, Handb. d. Biochem. v. Oppenheimer Bd. 2 T. 1 S. 110f. — Eingehende Literatur bei T. Br. Robertson, Ergebn. d. Physiol. Bd. 10. 39 * 500 Otto Hartmann: komponenten zeigen dementsprechend schon einen etwas steileren Verlauf bei Konzentrationsabnahme. Bei ternären ist das noch deutlicher, bei quaternären noch ausgeprägter, bis endlich bei der van t’Hoff’schen Lösung bei einer gewissen Konzentrationsabnahme eine scharfe, sprunghafte, ausserordentlich starke Vergrösserung der Lebensdauer stattfindet. Sehr lehrreich ist diesbezüglich die Tafel VI der Ostwald’schen Arbeit, auf der vier bzw. fünf Hauptstufen dieser zunehmenden Synthese aquilibrierter Lösungen nebeneinandergestellt sind. Bei reiner NaCl-Lösung finden wir gleichmässige und mit geringer Krümmung in grossem Bogen verlaufende Lebensdauerkurve, wie in meinen Versuchen bei den Stoffen CrO,;, Chloralhydrat (bei 13° C.), HCOOH, Natriumsalizylat. Der zunehmenden Entgiftung in binären und ternären Lösungen geht eine immer stärkere und unvermitteltere Kurvenkrümmung parallel, bis bei der van t’Hoff- schen Lösung beide Kurvenschenkel fast senkrecht aufeinanderstehen, ähnlich, wie es meine Kurven für Na;HPO,, MeCl, zeigen. Wir können also in gewissem Gegensatz zur reinen NaCl-Lösung bei der van t’Hoff’schen Lösung und dem Meerwasser verschiedener Konzentration geradezu von einer kritischen Konzentration — einen Ausdruck, den aueh Dernoscheck!) braucht — sprechen, und nach Ostwald „gibt es... eine kritische Konzentration der Aussenlösung, bei welcher die vorher kaum nachweisbare Giftwirkung hypertonischer Salzlösungen einen ganz ausserordentlich schnellen Zuwachs erreicht“, Aber eben auf die graduellen Unterschiede dieses raschen Zuwachses scheint mir Ostwald nicht genügend hinzuweisen. Ich glaube näm- lich, dass eben dieser so verschiedene Grad der absoluten Giftigkeit von NaCl-Lösungen und Seewasser gleicher Konzentration der Grund dieser verschiedenen Kurvengestalt ist oder besser uns auf den Grund aufmerksam macht. Die van t’Hoff’sche Lösung als vollkommen physiologisch aquilibriertes Salzgemisch, bei der also, möge man was immer für eine Theorie der „Entgiftung“ anerkennen, jedenfalls die verschiedenen Ionen sich gegenseitig in ihrer schädliehen Wirkung auf das Plasma hemmen, wirkt in den von Ostwald verwendeten, stark hypertonischen Lösungen offenbar eben wegen ihrer geringen spezifischen Giftigkeit überhaupt nur durch ihren osinotischen Druck, mithin durch ihre Konzentration, sei es auf was immer für eine Weise, tötend. Ist aber die Konzentration bzw. bestimmte Hyper- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 143. 1911. a Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 601 tonie das maassgebende, bzw. wirkt die van t’Hoff’sche Lösung überhaupt erst dadurch nach relativ kurzer Zeit tötend, dass sie in so starker Konzentration einwirkt, so ist klar, dass bei einer gewissen Konzentrationsverminderung derjenige Punkt erreicht werden muss, wo Konzentration und osmotischer Druck überhaupt relativ zu gering werden, um eine einigermaassen schnelle Wirkung auf die Zellen auszuüben, weil eben die Widerstandsfähigkeit gegen den osmotischen Druck der Umgebungsflüssigkeit eine gewisse kritische Zone der Kon- zentration besitzt, innerhalb der die bis dahin einigermaassen grosse und widerstandsfähige Resistenz und Unempfindlichkeit des Plasmas bei weiterer Konzentrationssteigerung an die Grenze ihrer möglichen Resistenz gelangt, wo dann, natürlich sprunghaft rasch, sich eine Zu- nahme der Giftigkeit mit Konzentrationssteigerung ergeben muss. . Das Plasma verhält sich nicht unähnlich einem festen, mehr minder elastischen Körper im Gebiete seiner Elastizitäts- und Zerreissungs- grenze. Hier spieit also die begrenzte, bei gewisser Konzentration sehr rasch abnehmende Plasmaresistenz eine bestimmende Rolle. Ganz anders bei den im engeren Sinne giftigen Lösungen, die — die ‚einen mehr, die anderen weniger — dank der spezifischen Giftigkeit ihrer Ionen auf das Plasma einwirken, wobei natürlich eine kritische Konzentration, bedingt durch begrenzte Plasmaresistenz, überhaupt nieht in Frage kommt; rein physikochemische Prozesse einfacherer Art beherrschen hier die Kurvengestalt. Es ist nun klar, dass ich auf ähnliche Weise auch die ver- schiedenen Kurvenformen meiner Untersuchungen einigermaassen erklären möchte, indem ich mir wohl bewusst bin, dadurch nur in einseitiger Weise gewisse Momente, die hier mehr, dort weniger im Vordergrund stehen, unterstrichen zu haben !). Stark und spezifisch dank ihrer Konstitution giftige Substanzen, wie HeCl,, NaNO,, CrO; zum Beispiel besitzen dieser Auffassung entsprechend eine langsam und gleichmässig aufsteigende Lebensdauerkurve. Diese Lösungen wirken jedenfalls — schon in Anbetracht der geringen Konzentration von H2gCl, — nicht osmotisch, sondern der schnellere und wirksamere 1} Ich selbst wurde leider auf diese Verhältnisse zu spät aufmerksam, so dass ich die van t’Hoff’sche Lösung nicht untersuchte, um somit einer wirklich, im spezifischen Sinne fast ungiftigen Lösung die Bestätigung für obige Beziehungen in einwandfreiester Weise zu erbringen. Jedoch liegt diese Deutung wohl auch schon nach Ostwald’s Befunden nicht ferne. 602 Otto Hartmann: Vorgang ist jedenfalls ein chemischer. Hingegen ist der Kurven- verlauf von MeCl,, Na;HPO, usw. ein sehr stark geknickter, also mit ausgesprochener kritischer Konzentration. Diese Stoffe sind, dem- entsprechend verglichen mit den übrigen untersuchten Stoffen, von geringster Giftiekeit, und demeemäss ist in Anbetracht der hohen Konzentration der osmotische Druck bzw. die Konzentration in ihrer Wirkung der schnellere und kräftisere Faktor, so dass er die Kurven- gestalt bestimmt, oder besser die charakteristische Kurvenkrümmung kommt eben durch das Auftreten der Konzentration als giftigkeits- bestimmender Faktor innerhalb der Konzentrationssteigerung vom kritischen Gebiete aufwärts in Betracht; und eben das Auftreten dieses neuen Faktors durch den Umstand der begrenzten Widerstands- fähigheit des Plasmas bzw. der bei gewisser Konzentration rapiden Abnahme derselben bedingt eben die Kurvenkrümmung. Bei: diesen minder giftigen Stoffen wird offenbar ihre spezifische Wirkung, die in mehr kontinuierlicher Weise mit der Konzentration zunimmt, bei höherer Konzentration, vom kritischen Gebiet ab, vom osmotischen Druck usw. ganz verdeckt und in den Hintergrund gedrängt, woraus sich auch bei weiterer Konzentrationszunahme nur sehr geringe weitere Lebensdauerabnahme erklärt, da bei grosser Hypertonie ein kleines Mehr oder Weniger nichts vermag. Dieses Zurückdrängen der spezifischen Substanzwirkung durch die Konzentrationswirkung hoch konzentrierter Lösungen, die besonders schön bei an sich geringerer spezifischer Giftwirkung auftritt, ver- anschaulichen gut die Experimente von KriZenecky!). Bestimmt man die Lebensdauer von Enchytraeiden (Anneliden) in absolut konzentrierten Lösungen von NaCl, MgC],, MgSO,, KCI, NaBr, K,SO,, so zeigt sich, dass die Lebensdauer in den verschiedenen Stoffen nicht der perzentuellen Konzentration, wohl aber der molaren umgekehrt proportional ist, und zwar nimmt sie beiläufig in Hyperbelform ab. Hier ist also offenbar die spezifische Giftwirkung ganz durch die Wirkung des enorm hohen osmotischen Druckes in den Hintergrund gedrängt, der als schnellster und wirksamster Faktor die Lebensdauer allein bestimmt). Nur MeSO, (und in geringem Grade MgCl,) ver- 1) J. KiiZenecky, Beitrag zum Studium der Bedeutung osmotischer Ver- hältnisse des Mediums für Organismen. Pflüger’s Arch. Bd. 163. 2) Es gilt also auch für die Giftwirkung in gewisser Beziehung das Prinzip des „limiting factors“ (Blackmann), nur dass hier nicht der langsamste, sondern der schnellste und wirksamste Faktor den absoluten Grad der Giftigkeit bestimmt. Lau 8 = 22 0» >20 Sn eu Cat nt ra an 2 nu De eo ed Rt en Ze WEN ZZ BIS FERFE SEITE EIER Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 603 hält sich abweichend, insofern seine absolut konzentrierte Lösung eine ihrer Molarkonzentration entsprechend viel zu geringe Giitigkeit äussert!). Es ist also in gewisser Beziehung, besonders bei gewissen Stoffen und in bestimmtem Konzentrationsbereich eine osmotische Theorie der Giftwirkung berechtigt, bzw. sie muss herangezogen werden, um die Kurveneigentümlichkeiten zu erklären, die offenbar durch das Neuauftreten eines bestimmenden Faktors charakterisiert sind. Dass daneben noch viele andere in Betracht kommen, und dass die Konzentrationsgiftigkeitskurve in ihren Eigenheiten von Substanz zu Substanz das Resultat komplizierterer Kombinations- wirkungen sein kann, ist natürlich klar ?). 2. Veränderungen in der Giftigkeitsreihenfolge der untersuchten Substanzen infolge der Verschiedenheit ihrer Konzentrations- giftigkeitsquotienten. Wir haben früher die Konzentrations-Lebensdauerkurven ver- schiedener Stoffe miteinander verglichen und so spezifische Unter- schiede konstatiert, wobei wir das Hauptgewicht auf die verschiedene Form des Kurvenanstieges legten. Nun wollen wir weniger auf die Form im einzelnen, sondern darauf achten, um wievie] von den hohen zu den niederen Konzentrationen die Lebensdauer bei den einzelnen Substanzen zunimmt. Zu diesem Zwecke können wir ent- weder die sogenannten reduzierten Lebensdauern der Tabelle I bei den niederen Konzentrationen vergleichen, die uns ein Maass der Giftiskeitsabnahme bieten, oder um mehr mittlere Werte der Lebens- dauerzunahme zu erhalten, stellen wir den mittleren Wert der Lebens- dauer bei den Konzentrationen 1,0—0,7 dem bei den Konzentrationen 1) Kfizenecky vermag sich dieses Verhalten nicht zu erklären. Wie ich jedoch dem Werke von Höber (I, c. S. 547) entnehme, hat MgS0, einen seiner - Konzentration nach auffallend niederen osmotischen Druck, fast so, als ob es ein Nichtelektrolyt wäre (was jedoch nicht der Fall ist), offenbar weil Doppel- moleküle und sehr geringe Dissoziation vorliegt. Überhaupt nehmen die Mg-Salze innerhalb der Alkali- und Erdalkalisalze in ihrer Dissoziation eine eigene Stellung ein und können in gewissem Sinne einen Platz für sich einnehmen. 2) Dass zum Beispiel auch der perzentuelle Gehalt an dissoziierten Ionen in Betracht kommt, der bei hoher Konzentration stark zurückgehen kann, zeigt die Arbeit von N. Arcichovskij, Biochem. Wirkungen höchst konzentrierter Lösungen. (Biochem. Zeitschr. Bd. 50.) Formaldehyd, Ag(NO;),, H;SO, entfalten in höchst konzentrierten und ganz schwachen Lösungen dieselbe geringe Giftig- keit auf Erbsensamen. 504 Otto Hartmann: 0,4—0,1 gegenüber. Wir erhalten so einen relativen Wert für die mittlere Lebensdauerzunahme zwischen den hohen und niederen Kon- zentrationen. Das ist für eine ausgewählte Reihe Stoffe in nach- folgender Tabelle II geschehen. Sämtliche Messungen .sind bei 15° C. gemacht. In der ersten Vertikalkolonne (I) sind die Stoffe ihrer mittleren Lebensdauer (Tin Sekunden) zwischen 1,0—0,7 Kon- zentration in aufsteigender Reihenfolge geordnet, in der zweiten (II) für die Konzentrationen 0,4—0,1, in der dritten Hauptkolonne (III) sind die Stoffe nach ihrer Giftigkeit bei der grössten Verdünnung (0,1) geordnet, so dass uns also die drei Stäbe einen Überblick über die Lebensdauer zwischen hohen, niederen und der niedersten Konzentration geben. In der letzten Vertikalreihe sind aus der mittleren Lebensdauer für Konzentration 0,4—0,1 und Konzentration Tabelle I. Vergleich der Lebensdauer (7, bei 15° C.) bei hoher und niederer Kon- zentration (Konzentration 1,0 — molar) und die Quotienten der GiUeke, abnahme bei Verdünnung. IR 1. | nl. Konzentration 1,0—0,7 | Konzentration 0,4—0,1 Konzentration 0,1 7 0,4—0,1 JE Substanzen der T | Substanzen der| 7 | Substanzen der | 71,0-0,7 . in | Giftigkeit nach in. | Giftigkeit nach | in | Giftigkeit nach Sek. geordnet Sek. | geordnet Sek. geordnet -.52| KNO, 20 | KNO, 2281.60; 1,4 17,7| K,Cr,0; 51,5 Hell; | 80 HeCl; 2,2 1837| KNO, 56 KaCr0; 90, K,Cr50, Sl 19,5| NaOH!) 57,2 KNO, 90 KNO; 3,0 AN OKBr 67 Ferrozyankal. 95 Ferrozyankal. 318, 23 HeQl,; !) 67,7 BaCls 105, Ba0ls; 22 »0,2| BaCl, 8,2 KBr 140 | Ferrizyankal. 2,0 382,2) NH,NO, 91,7. Ferrizyankal. 160 KBr 4,0 34 Ferrozyankal.!)| 112 NH,C 195", NH,Cl 3 35,7, NH,CI 127 | NaOH 280 NaNO, 2,8 45,2 | Sr(NO3) 1638 | NaNO, 315 | N2500; - 31 45,5 | Ferrizyankal.!) | 190 | Na,00; 320| NaOH 6,6 57,2| NaNO, 195 | NH,NO, 390. (NH,)S0, 2,6 60,7) Na0O; 231 (NH,)SO, 420, NH,NO, 6,1 78,7 | FeCls 262 Sr{NO3)» 480 (NH,)HPO, 2,4 86,2) (NH,)SO, 263 NaBr 570 | FeQls 3,8 y3,2| Cal; 303 ° "FeClz 660 | Sı(N O3) 5,8 98,7 |: NaBr: : 321 | (NH,.HPO, 1200 | CaCl, 5,7 127,5 | CuSO, 538 |. CaCls 1500 | CuSQ, 6,4 128,7) (NH,.HPO, 706 | MeÜls 1800 | MgQ], 37 186,2 MegCl, 823 | CuSO, 2000, NaBr 2112.06 815 | NasS,0; 1375 | N3a8,0; 3600, Na3S50, 4,83 1) Diese Substanzen sind zum Unterschiede von allen anderen in der Ausgangs- knzentration (1,0) schwächer als eine molare Lösung (vel. die Tabelle ]). a A A a a ne a $ 7 Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 605 1,0—0,7 Quotienten gebildet, die uns also ein Maass der mittleren Lebensdauerzunahme ergeben. Für unsere Zwecke an dieser Stelle genügt diese überschlagsmässige Vergleichung. Aus’ dieser letzten Rubrik ersehen wir nun ohne weiteres, dass die mittlere Giftigkeitsabnahme gleichkonzentrierter Lösungen bei Verdünnung für die einzelnen Stoffe sehr verschieden ist. So be- sitzen zum Beispiel NaOH, KBr, NH,NO,, CuSO, usw. eine sehr starke, K,CO,, Ferro- und Ferrizyankali, HgCl, usw. eine sehr ge- ringe Giftigkeitsabnahme. Es ist klar, dass, wenn zwei Salze mit stark verschiedener Abnahme in molarer Lösung (1,0 Konzentration) sJeich iftig sind, sie bei Konzentration 0,1 oft ausserordentlich stark diesbezüglich differieren werden. Ja, auch eine Umkehrung der Giftigkeitsreihenfolge zwischen hohen und niederen Konzentrationen ist denkbar und auch realisiert, wie die Tabelle zeigt. Als Beispiel für eine derartige Reihenfolgeverschiebung und Veränderung der relativen Giftiskeit zueinander mögen einige Salze dienen. Ganz Analoges findet man auch für die Temperaturen 30,5° und 13° C. Bei starker Konzentration verhält sich die Giftigkeit von NH,NO, zu der von (NH,)HPo,. wie 4:1, bei niederen Konzentrationen im Mittel wie 1,6:1, noch näher kommen sie sich natürlich bei der stärksten Verdünnung (Kolonne III, die keinen Mittelwert darstellt). ‘Der Grund für dieses Verhalten zweier Salze desselben Kations liest einfach darin, dass die mittlere Giftigkeitsabnahme, wie die letzte ‚Vertikalreihe zeigt, beim Nitrat so ungemein viel stärker als beim ‚Phosphat ist. Infolgedessen verschiebt sich das erstere stark in der ‚Reihenfolge nach unten, das letztere, daesrelativ giftiger wird, nachoben. Noch auffallender ist die Reihenfolge der. verschiedenen ‚Ammoniumsalze hinsichtlich ihrer Anionen bei verschiedener Konzen- ‚tration.. So konstatieren wir auf Grund der Tabelle bei hohen Kon- zentrationen die Reihe NO,, Cl, SO,, HPO, in absteigender Giftigkeit, bei niederer Konzentration hingegen Cl, NO,, SO,, HPQ,, also eine Giftiekeitsverschiebung des Nitrats gegen das Chlorid, bei Konzentration ‘0,1 ist die Verschiebung noch grösser. Obwohl ich auf diesen ver- ‚einzelten Befund kein grosses Gewicht legen.will, da speziell, um dieses Problem zu verfolgen, keine ausgedehnten Versuche mit verschiedenen Kationen gemacht wurden, so halte ich doch die Möglichkeit für eventuell oft gegeben und demgemäss diese Verhältnisse für sehr beachtenswert. Es würde sich daraus ergeben, dass die Giftiekeitsab- bzw. -zunahme einzelner Salze desselben Kations bei Verdünnung bzw. Konzentrierung der Lösung eine so stark verschiedene ist, 6065 Otto Hartmann: dass sogar ein Wechsel in der Giftigkeitsreihenfolge auftreten kann. Es ist wahrscheinlich, dass sich diesbezüglich auch die einzelnen Untersuchungsobjekte verschieden verhalten werden. Gewisse Unter- schiede in den bisher festgestellten Reihenfolgen bei anderen Forschern scheinen ohnehin auf derartige Tinflüsse hinzudeuten. Im Gegensatz zu diesen extremen Verschiebungen der relativen Giftigkeit der Salze zueinander kommen auch Fälle strenger gegen- seitiger Koinzidenz vor. Zum Beispiel bleibt das Giftigkeitsverhältnis von Na NO, und Na,CO, bei allen Konzentrationen strenge das gleiche. Offenbar sind neben der spezifischen Empfänglichkeit des Plasmas für verschiedene Konzentrationen, für die verschiedene bzw. gleiche Giftigkeitsabnahme verwandter Salze die Dissoziations- verhältnisse und die Hydrolyse bzw. deren Änderung mit der Kon- zentration maassgebend. Auf Grund unserer Tabelle können wir also sagen: Stoffe mit gleichem Konzentrationsgiftigkeitsquotienten, wie erin der letzten Rubrik eingetragen ist, behalten ihr Giftigkeitsverhältnis bei Konzentrationsänderung bei, solehe mit mehr minder verschiedenem Quotienten verändern es. HgCl, zum Beispiel mit äusserst geringem Giftigkeits- quotienten und dementsprechend geringer Giftigkeitsabnahme ist bei hoher Konzentration (I. Kolonne) an siebenter Stelle verglichen mit den anderen Salzen, bei niederer Konzentration (II. Kolonne) aber schon an dritter, weil alle seine Nachbarn stärkere Giftiekeitsabnahme und demgemäss Abrücken in der Zeile zeigen. Dass nicht alle stark giftigen Stoffe nach der Tabelle auch einen kleinen Koeffizienten haben — eine Parallele, die man nach früheren Ausführungen viel- leicht vermuten könnte —, kommt wohl daher, dass auch an sich wenig giftige Stoffe doch in der verwendeten hohen Konzentration eben dadurch schon stark giftig wirken müssen. Diese Vortäuschung zu grosser Giftigkeit würde bei Verdünnung sofort erkennbar, indem bei an sich gering spezifisch wirkenden Stoffen oberhalb einer ge- wissen kritischen Konzentration starke, fast sprunghafte Abnahme der Giftigkeit sich zeigen würde, während an sich stark und spezifisch giftige Stoffe nur langsame und gleichmässige Zunahme der Lebens- dauer aufweisen würden, wie ja das früher schon angedeutet wurde. Be- züglich der vielen interessanten Einzelheiten im Giftigkeitsverhältnisse der Salze und seiner Konzentrationsbeeinflussung muss auf die Ta- bellen verwiesen werden. rn er nn Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 607 II. Temperatur und Giftigkeit. 1. Die Temperaturkoeffizienten der Giftigkeitszunahme und ihre Ursachen. - Über den Einfluss der Temperatur auf die Giftigkeit, besonders von Salzlösungen, sind relativ erst wenige Untersuchungen gemacht worden. Vor allem sind natürlieh die Desinfektionsverhältnisse bei Bakterien von diesem Gesichtspunkte aus studiert worden !). Jeden- falls aber war es notwendig, ebenso wie bei den Konzentrationsver- suchen auch bei den Temperaturexperimenten, einmal eine grössere Reihe von Substanzen zu untersuchen. Das ist zunächst über ein grosses Temperaturbereich nur für je eine Konzentration geschehen, für ein kleineres Intervali bei verschiedener Konzentration sind die Zahlen der Haupttabelle I zu vergleichen. Die speziellen Temperaturexperimente sind auf nachstehender Haupttabelle III zusammengefasst. Bei den einzelnen Stoffen ist daneben die molare Konzentration der Versuchsflüssigkeit angegeben, _ die so gewählt wurde, dass sich in jeder Hinsicht gut messbare Lebens- dauern ergaben, ohne im allgemeinen allzu stark verschiedene Kon- zentrationen anzuwenden. Die grossen Zahlen geben die Lebensdauer in Sekunden an (7), die kleineren die auf die Lebensdauer bis 35.5 °C. als Einheit reduzierte Lebensdauer. Trägt man die Temperaturen auf der Abszisse, die Lebensdauern auf der Ordinate auf (wozu ich zweckmässigerweise die reduzierten T verwende, um dasselbe Maass anwenden zu können), so erhält man Kurven, wie sie nachfolgend (Fig. 1 a und 1 b) dargestellt sind. Die einzelnen Substanzen sind hier so geordnet und mit Ziffern bezeichnet, dass zuerst die flachsten Kurven, also die mit geringster Temperatur- beeinflussbarkeit, und dann sukzessive immer steilere folzeer. Mit Aus- nahme der ersten zwei Kurven von ZnSO, und NaOH, die fast linearen Verlauf nehmen, kann der Verlauf als typisch angesehen werden, dass die Lebensdauer bei niederen Temperaturen rascher sinkt als später, um in manchen Fällen bei den höchsten Temperaturen wiederum‘ stärkere Abnahme zu zeigen. Auf diese Verhältnisse kann erst ge- legentlich der Analyse der Temperaturkoeffizienten eingegangen werden. Die Kurven sind der Deutlichkeit halber übereinander gezeichnet. 1) Eine Zusammenstellung der Resultate und Literatur über Temperatur und Giftwirkung findet man in der Monographie von A. Kanitz, Temperatur und Lebensvorgänge. Biochemie in Einzeldarstellungen Bd. 1. 1915. Otto Hartmann: EEE u ne A ta 99UD9A19g [oWAoT Aap yaeu uIHpuos Yolyaegoaq Paaıp Fydıu uapına 7) „6 laq uolyez uoya9awwe]yNosure og (I | ‘ [4 B (7 [4 a “ernennen Pag ; 0% FE 08 st 076 280g), 0° 006 (0gTT) ı Fr 081 ro "osuz | Fe or 081 | vr ceB ST 088 se 069 °r 078 GEODE = 320087 7,0, MULNEN Eee zu £3 DH 00T „EC08 ra 488 ve 098 ve 00% 2 000 2 ld. HORN | ekee 0005 2 72.08] vs 08T 5 098 098 009 UT ONE le ee | | 3 "u 000 sr 068 009 |, 32 LEN Ne 0E DSEh SR SE LchL E50, se 088 272098 "8 099 IB er KORDEN 6L 00 SESORNT BERLER vs 0LE USER az | el re Seil r.gq er qL, »"s 06] ve 608 er 096 (82H) Gas | ee || Ge Seas) > Oi VEzOGT (er8) | ©en 0967 00 "on | 91 rg | El | Fr | Sec | ee le a a |, ei Se) | Fer | #061 008 Luna a al loan Das 1 00 OL scan 0» 008 SUs0rS ee ee De er ee EL ae 088 „09m. 000 rn oszan Sc) re DEU] na are ee ori! 11 ee ee ed REEL vs 0L8 DERAOGN, _ #000 .HOOOH | 01 se nr 00 | 3 or 08 | °.%a OL Or 007 6022009 Pa EL nung 6 Guose erın | 0e.0g 08.06 se 00T 22 021 "E00 ee 0 ONE 8 01.0, 7 > ve 09 | vr OT us 006 7 098 be 067 Ve TE EN rn on 2 DE u E73 ee ER ea EEE O8 0's 98 Se ee a 008 DrOerOgen 2 VE ONOHerN ER or pl vr 9] ET 08 DE le (88) aSH0sT ee Re N a € 07 LT 2'z ST y'z 28 | gr [re ,‘s 2 sr 06 Den Orte 9 Ki: den 01 es gI “eg | Er as 69 «zu 081 a eg elle 070 I | | z x uorYeIJU9Zuoy 10) 0g'GE | 10) re | i0) 096 | 10) o6T Do&l I 08 D 00 9ejowm pun zueIsqng JoutumN 608 ‘(‚uaonepsusgaT AaLpnza9a pun 9ynjosgqe Kınyerodua], A9P UOA UHZURISqNS TAU9APOITIS.TOA UASUNSOT AOP MOYSTIFLI A9p MOYSISURYygY "II oIlea®ıL Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 609 Logarithmiert man die Lebensdauer ohne die Temperatur, so erhält man in der Mehrzahl der Fälle eine Kurve, die mit grosser Annäherung eine Gerade ist, wenigstens kann man dieses Resultat 0 5 13 19 26 30,500.33,30.0: Fig. 1a. Temperatur und Lebensdauer. (Die Kurven sind der mittleren Grösse ihrer Temperaturkoeffizienten entsprechend geordnet.) 1 ZnSO,, “/ıo m. 2 NaOH, m 3 NaBr = 4 KNO,, - 5 MeCl,, 2/5 m. 6 Sr(NO3)s, 2/5 m. Fr HgQCl,, m m 8 NH,CI, =: 9 Phenol, 100° m 100° als Grenzfall ansehen. Einige solche Kurven sind auf nachfolgenden Figuren 2a und 2 b gezeichnet. Es gilt also im Falle der Geraden — dieses ist zum Beispiel bei Cal, fast fehlerfrei realisiert (vgl. Fig. 3 S. 640) — offenbar die Temperaturgleichung für die Lebensdauer: log T=a,t + b, worin a, und 5b Konstanten, eben die Richtungs- konstanten der Geraden sind. Besser jedoch formt man die Gleichung um, indem man das reziproke Verhältnis von 7’ und ? unmittelbar 610 Otto Hartmann: zum Ausdrucke bringt und die Konstante 5 verschwinden lässt, in- dem man die Grade durch den Koordinatennullpunkt gehen lässt, was man erreicht, wenn man die Lebensdauer bei 0°C. als Einheit setzt, J 0 5 13 19 26 30,5 35,50 C. Fig. 1b. Temperatur und Lebensdauer. (Die Kurven sind der mittleren Grösse ihrer Temperaturkoeffizienten entsprechend geordnet.) 10 HCOOH, 10 11 CaCls, 2/6 m. 12 NaCl, ?/s m. 13 Chloralhydrat, ?/s m 14 K;00;, 1: 15 CrO, 2/so m. 16 BaCl,, = u ne Be en eure es rer re ie Da 3 Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 611 DB “18 210. 26 30,5 35,50 C. Fig. 2a. Einige Kurven der Fig. 1a und 1b mit logarithmierter Lebensdauer (Ordinate). 1 Chloralhydrat, 0,4 m. 2 NaCl, 04 m. 3 MgCl, 0,4 m. 4 NaOH, 0,01 m. ) 5 Rs 19 26 30,5 35,50 C. Fig. 2b. Einige Kurven der Fig. 1a und 1b mit logarithmierter Lebensdauer (Ordinate). 1 CrO;, 0,04 m. 2 Phenol, 0,01 m. 3 KNO, 0,1 m. #£ ZnSO, 0,4 m. 612 Otto Hartmann: womit der log gleich O0 wird. Wir erhalten also log 7 =at oder 100 d. b. die Giftigkeit ist der Temperatur als Exponenten der Basis des Brigg’schen Logarithmus proportional. Dass diese Gleichung für manche Stoffe sehr strenge eültig ist, wurde für CaCl], schon erwähnt. | Wie ersichtlich, stimmt diese Gleichung in formaler Hinsicht überein mit der für die Geschwindiekeit der Konzentrationsabnahme bei monomolekularen Reaktionen !). Setzen wir in unserer Gleichung i—=0, so ist ,— T;; also zu Beginn der verwendeten Temperatur- skale (0° C.) ist die Giftigkeit gleich eins, die Gerade geht durch den Nullpunkt; für 7; =0 wird =, d.h. theoretisch erst bei unendlich hohen Temperaturen ist die Lebensdauer Null, die Giftigkeit . unendlich. Es ist klar, dass diese Gleichung ungefähr dasselbe 'be- sagt, als die zur Berechnung der sogenannten Temperaturkoeffizienten 10 —t (Qi0) verwendete: log Q —, T; \ } log — —; es ist also, wenn ich Tr | log Qso 10 | mässige Beziehung beider Konstanten. Praktisch ist das aber nicht _ der Fall, denn diese „Konstanten“ sind eben bei verschiedenen Temperaturintervallen keine Konstanten, und damit sind unsere Voraussetzungen für die Gleichungen nicht einwandfrei. Unter diesen Umständen machen sich nun die Unterschiede, ob ich die eine oder die andere Formel der Berechnung zugrunde lege — ganz abgesehen davon, dass die beiden Konstanten im Verhältnis von Logarithmus und Numerus stehen —, stark bemerkbar, und zwar aus folgendem Grunde: In der ersten Formel mit der Konstante a bleibt nämlich der Temperaturgrad bzw. die Lebensdauer, auf die ich alle anderen Lebensdauern bei höherer Temperatur beziehe, gemäss unserem Ansatze immer der gleiche, nämlich die Lebensdauer bei 0°C. Die verschiedenen «a sind also die Richtungskonstanten der jeweils vom Ausgangspunkt der Kurve (0° C.) bis zu dem betreffenden Punkte gezogenen Geraden. Ich bestimme also a immer für das Temperatur- t—( setze, a = , es besteht also theoretisch strenge gesetz- 1 16) 5 ; 0,138 log A hier bedeutet ? die Zeit, der Bruch vor dem Logarithmus den Umwandlungsfaktor für den /n, C bedeutet die Ausgangs- konzentration, Ü—x die Konzentration zur Zeit t. )) Ki 2. 2 Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 613 intervall 0°-5° C., 0°—-13° C., 0°—-19° C. usw. Bei Berechnung des Q,. kann ich zwar auch so verfahren, meistens und unserem Ansatze entsprechend geht man jedoch so vor, dass man diese Kon- stante für aufeinanderfolgende Temperaturintervalle, als zum Beispiel 0%-5° GC. 5°—13° C., 13°—19° C. usw., berechnet. Es ist klar, dass, für den Fall die Kurve nicht strenge der Gleichung gehorcht, sich das viel stärker in der Konstante 9,0. als in a bemerkbar machen wird, weil @,0. jeder Kurvenschwankung viel stärker und ausgeprägter folgt als a, eben weil es nicht auf einen fixen Ausgangs- punkt bezogen wurde. Dadurch ist aber zugleich die Möglichkeit gegeben, dass Q,, auch zufällige, experimentell bedingte Kurven- unregelmässigkeiten, wie wir sie zum Beispiel bei CaC], finden, folgt und einen „Gang“ vortäuscht, der wenigstens innerhalb des mittleren Temperaturbereiches sicher nicht vorhanden ist. Hier erweist sich « als zuverlässiger. Zeist aber sogar «a einen deutlichen Gang, so kann man wohl sicher auf typische Veränderungen jenseits von Messungs- fehlern schliessen. Im übrigen möge man die beiden Tabellen IV und V vergleichen, deren eine die Konstanten Q,., die andere a enthält. In beiden Fällen wurden die Werte für die Konstanten in der letzten Rubrik, um eine beiläufige Übersicht über den Mittelwert bei den verschiedenen Stoffen zu gestatten, für das ganze Temperatur- gebiet gegeben, wobei naturgemäss bei a das arithmetische Mittel aller Werte für « genommen wurde, dieser Wert also die möglichst von allen Schwankungen freie Richtungskonstante der Geraden an- gibt, die am ehesten mit der logarithmierten Kurve sich deckt. 9,0 wurde unmittelbar für das gesamte Temperaturgebiet bestimmt. Im folgenden wollen wir unseren Untersuchungen nur die Werte von @,0. zugrunde legen !). Auf eine zunächst eigentümlich erscheinende Beziehung muss jedoch in diesem Zusammenhange noch aufmerksam gemacht werden. Madsen und Nyman?°), Paul, Birnstein und Reuss?°) 1) Von einer Darstellung der Befunde durch die Arrhenius’sche Formel, nl K;— K,-e T2'Tı, wurde Abstand genommen, da der typische „Gang“ von Qıo viel zu stark und verschieden ist, um dadurch erkärt zu werden. 2) Madsen und Nyman, Zur Tbeorie der Desinfektion. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 57. 1907. 3) Paul, Birnstein und Reuss, Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I, II. Biochem, Zeitschr. Bd. 29. Vgl. auch dieselben, Biochem. Zeitschr. Bd. 25. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 170. 40 Otto Hartmann: Gl 961 9LT sc1 eg g&1 8 a PR OBEZ 120 LIT 96.1 sul 783 LET TEL 70 une “nespäzueg 86 #91 OLT 86T sel gl! Tal 99% ee 0 ON 86 IS‘L 20,8 20% ug S6L GT 6gT 282270. SloaN 18 or T TUT srl 19T mL 08 | 008 a EN! 08 688 96 1 88% 60.% IYL ers |, = 108 TEE TORIDEN 6L LET pres 7252 70:077oWWyq ° IS | (88) FE OIM I 0810 080 uorye1juazuoy] daOWUnN :feAdogurinyerodwe], WI OT» U0A ao Mm 91ejou pun zuwIsqng "HTTEATOJULINJETIÄWOT, AOUHPITTISAOA ATETIAUUL 9 UHJUHTZHFOONSNONSIFISAINETOdUM], "A 91199% L 40 * 616 Otto Hartmann: haben nämlich festgestellt, dass die Abnahme der Keimzahl von Bakterien bei konstanter Temperatur und Konzentration in Gift- lösungen, als Funktion der Zeit dargestellt, ebenfalls die Form der monomolekularen Reaktion annimmt. Das hat zunächst zu einem Meinungsaustausch geführt), findet jedoch darin seine Erklärung, dass diese Formel eben nicht nur monomolekulare Reaktionen dar- stellt und überhaupt keine Spezialgleichung ist, „sondern auch der Ausdruck ist, der sich aus den Wahrscheinlichkeitsgesetzen für die Lebensdauer einer grossen Anzahl gleichzeitig entstandener und infolge einer gemeinsamen Ursache sterbender Individuen ergibt“. (Kanitz.) Was nun den sogenannten „Gang“ der Werte von @,. betrifft (Tabelle IV), so sehen wir ziemlich verschiedene Verhältnisse; im allgemeinen wird jedoch ein Maximum bei hohen und tiefen Tem- peraturen erreicht, während im mittleren Temperaturgebiet die Koeffizienten kleiner sind. Die Unregelmässigkeiten bei den höchsten Temperaturen, wodurch die Werte für @,, zwischen 26° C. und 30,5° C. zu gross, die zwischen 30,5 °—35,5° C. dementsprechend zu klein sind, erklären sich durch Materialverschiedenheiten. da die Messungen bei 30,5° C. zu einer um 1—2 Wochen anderen Zeit gemacht wurden, was oft schon Unterschiede in der Widerstands- fähigkeit der Tiere bedingt. Das Maximum von @,, bei niederen und ein zweites kleineres bei hohen Temperaturen ist bei vielen Neutralsalzen erkennbar. Das Minimum bei mittleren Tem- peraturen wurde auch von Dernoscheck?°) bei Einwirkung von Seewasser auf Daphina beobachtet. Hingegen konstatiert H. Chick°) innerhalb des Temperaturintervalles 0 °—40°C. bei: der Einwirkung von AgNO, und HgCl auf Bakteriensporen eine auffallende Konstanz der übrigens sehr hohen Q,0-Werte. Diese Konstanz ist vielleicht wohl durch die eigenartisen Verhältnisse des Untersuchungsmaterials erklärbar, da sonst in der Literatur meistens ein ausgesprochener Gang sich findet, wie er auch für die verschiedensten Lebensäusserungen beobachtet wird. | Seharf unterschieden sind in meiner Tabelle die Säuren HCl, H,SO,, CrO,, auch Phenol, denn ihre Koeffizienten nehmen mit steigender Temperatur dauernd zu, ohne ein Maximum bei tiefsten 1) Literatur bei A. Kanitz, Temperatur und Lebensvorgänge S. 98. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 143. 1911. - 3) Journ. of Hyg. vol. 10. 1910. an Br . Fa Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 617 Temperaturen zu zeigen. Eine Ausnahme macht nur HCOOH und das vielleicht wegen seiner geringen Dissoziation (vgl. darüber S. 597). Aber auch bei den Säuren ist oft eine ganz geringe sekun- däre Abnahme der Koeffizienten bei mittleren Temperaturen zu be- obachten. Dieses Verhalten der Säuren ist sowohl von Paul, Birnstein und Reuss!) als auch in Czapek’s Laboratorium?) beobachtet worden. Ähnlich verhalten sich die Alkohole, was auch in meiner Tabelle sehr schön zu sehen ist, sowie MnSO, nach H. Nothmann- Zuckerkandl?). Auch nach den Tabellen Zehl’s?®) berechnen sich für verschiedene Neutralsalze, wenn man die Maximalkonzentrationen, die Keimung von Aspergillussporen zulassen, zugrunde lest, für das mittlere Temperatur- bereich 12—22 °C. kleinere Werte für Q,, als für das Temperatur- gebiet 350—40° C. Eine Abnahme der Koeffizienten mit der Tem- peratur aber beobachten Paul, Birnstein und Reuss) für die Einwirkung von Luft und Sauerstoff auf die Lebensdauer von Bakterien, und zwar finden sie für Luft zwischen 18 und 37,4° C., Q,, zu 3,16, für Sauerstoff 2,83, im Temperaturintervall 24—37,4° C. sind die entsprechenden Zahlen 2,04 und 1,90. Auf die nähere Diskussion des „Ganges“ von @,. soll später noch eingegangen werden. Was meine übrigen Resultate betrifft, so kann ich einfach auf die Tabelle IV verweisen; bemerken möchte ich nur noch, dass auch in den Fällen, in denen Q,., bei den niedersten untersuchten Tem- peraturen nicht merklich grösser wird, immerhin die Möglichkeit besteht, dass gemäss der spezifischen Giftigkeit und Temperatur- beeinflussbarkeit des physikochemischen Zustandes des Stoffes eine Zunahme des Temperaturkoeffizienten erst bei noch niederen Tem- peraturen möglich wäre, wenn diese Verhältnisse untersucht werden könnten. Die absolute Grösse der Temperaturkoeffizienten ist, wenn wir von den Schwankungen innerhalb verschiedener Temperatur- bereiche abstrahieren, sehr verschieden gross gefunden worden. Madsen und Nyman’°) finden sie für die Wirkung von HgCl, 1) Biochem. Zeitschr. Bd. 29. 1910. 2) Vgl. Czapek, Biochemie der Pflanzen, 2. Aufl., Bd. 1 S. 174. 3) Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 8. 1908. 4) Biochem. Zeitschr. Bd. 25. 1910. 5) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 57. 1907. 618 Otto Hartmann: auf Milzbrandbakterien zu 2,5, Chick für HgCl, 3,0—3,9, für AgNO, 2,3— 93,0, also wesentlich höhere Werte. Die Zahlen von Paul, Birnstein und Reuss für die Luft- und Sauerstoffeinwirkung wurden früher schon angegeben. Dieselben Autoren finden für Säuren, je nach der Temperatur, Koeffizienten zwischen 1,5—2,6. Nach der Untersuchung von Paul!) beträgt der Temperaturkoeffizient für die Lebensdauer in Sauerstoff bei niederer Temperatur für Bak- terien etwa 1,7. Auffallend niedere Koeffizienten findet Zehl (l. e.): Für Neutralsalze verschiedener Kationen ergibt sich bei niederer Temperatur 1,09—1,30, bei hoher 1,2—2,3. Auffallend stark ist der Unterschied für niedere und hohe Temperatur bei Chloralhydrat, wo die entsprechenden Zahlen 1,30 bzw. 4,33 sind. Dernoscheck endlich, dessen Untersuchungen ja an auch Cladoceren (Daphnia) gemacht wurden, findet 90 —=1;8—2,5, und Warren gibt 2,0—1,7 an (Quart. Journ. of mieros. Seience 1900). Es scheint also, wenn wir auch meine Versuchsergebnisss be- rücksichtigen, der Temperaturkoeffizient für die Giftig- keit je nach der betreffenden Substanz, nach Unter- suchungsobjekt und wahrscheinlich physiologischem Zustand desselben, weiters je nach dem Temperatur- gebiet und endlich, wie wir sehen werden, vielleicht auch je nach der absoluten Konzentration der Unter- suchungsflüssigkeitziemlichstark verschiedenzusein. Bei dieser Sachlage mag es nun allerdings zweifelhaft erscheinen, ob man überhaupt aus der gleichen Grösse an Q,, eines bestimmten physiologischen Prozesses, bei uns also der Abtötung durch Gifte, mit dem Temperaturkoeffizienten eines einfachen physikochemischen Geschehens auf die wesentliche Identität beider Rückschlüsse zu machen berechtigt ist?). Jedenfalls wird aber der Gang dieses Koeffizienten sehr berücksichtigt werden müssen, und seine Er- klärung erscheint wertvoller als die gerade bei der Giftwirkung schwierige Parallelisierung auf Grund des absoluten Wertes von @o mit einem einfachen, bekannten Geschehen. Der Tatsache, dass besonders bei Stoffwechsel- und Wachstumsprozessen bei verschiedenen 1) Th. Paul, Der chemische Reaktionsverlauf beim Absterben trockener Bakterien bei niederer Temperatur. Biochem. Zeitschr. Bd. 18. 2) Auf die Unsicherheit derartiger Schlüsse weist namentlich A. Pütter (Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 16. 1914) nachdrücklich hin, Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 619 Temperaturen meist sehr stark verschiedene Temperaturkoeffizienten bestehen, deren Gang ein ganz gesetzmässiger ist, hat man durch die Theorie der begrenzenden Faktoren!) gerecht zu werden versucht. Sie besagt, dass jeweils der langsamste Prozess mit seiner Temperaturbeschleunigung den Wert, den Q,, für den Gesamtprozess annimmt, bestimmt, und dass durch den Wechsel dieser jeweils ge- schwindigkeitsbestimmenden Faktoren der Gang der Werte ‘für die Temperaturkoeffizienten des Gesamtprozesses bestimmt wird. Diese Theorie scheint mir auch auf die Giftwirkungen anwendbar, nur dürfen wir hier nicht versuchen, so einfache bestimmende Faktoren wie bei Stoffwechsel und Wachstum, wo man in der Diffusion, der chemi- schen Reaktionsgeschwindigkeit, der Sauerstoffspannung usw. diese wechselnden Faktoren zu erkennen geglaubt hat, heranzuziehen, vielmehr sind offenbar komplexere Zustandsänderungen des lebenden Systems in erster: Linie maassgebend, die in Kombination mit den von Stoffgruppe zu Stoftgruppe oft stark verschiedenen physikochemi- schen Zustandsänderungen der Giftlösungen mit der Temperatur sich mannigfach kombinieren. Nur so ist es offenbar erklärlich, dass die einen Stoffe wachsende, die anderen fallende Koeffizienten der Giftigkeit besitzen, während wieder andere bei mittleren Tempera- turen ein Minimum aufweisen. Um einigermaassen einen Überblick zu gewinnen, will ich ver- suchen, die hier in Betracht kommenden, zum Teil einfachen, zum Teil sehr komplexen Veränderungen, die möglicherweise auf die Art der Zunahme der Giftwirkung mit der Temperatur Einfluss haben, in drei Hauptklassen unterzubringen. Wir können offenbar be- trachten: 1. die Veränderungen in der Lösung selbst als Aussen- system, die eine Veränderung der Giftigkeit veranlassen können; 2. die Veränderungen des lebenden Systems selbst, die die grössere oder geringere Empfindlichkeit und Durchdringbarkeit usw. be- dingen; 3. die Veränderungen, die in den Wirkungen der Gifte auf das System bestehen, und überhaupt alle Verhältnisse, die eine Gift- wirkung ermöglichen, und deren Veränderung auch diese beeinflussen muss. Überhaupt muss bemerkt werden, dass es nicht so sehr ein 1) Vgl. A. Pütter, Temperaturkoeffizienten. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Ba.16. 1914. — L. Jost, Über die Reaktionsgeschwindigkeit im Organismus. Biol. Zentralbl. Bd. 26. 1906. — Weitere Literatur bei Kanitz, |. c. 620 Otto Hartmann: Problem ist, warum überhaupt Giftiekeitserhöhung mit der Tem- peratur bei den meisten Stoffen vorkommt, wir mithin positive Koeffizienten, die grösser als eins sind, finden, wozu eventuell schon die Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit zur Erklärung genügen würde, als vielmehr die Tatsache des auffallenden und scheinbar gesetzmässigen Variierens dieser Koeffizienten , in verschiedenen Temperaturbereichen. A. Veränderungen im Aussenmedium der Lösungen!) Die Dissoziation darf man nicht, wie Zehl will, allgemein als die Giftigkeit bei Temperaturerhöhung vergrössernden Faktor hinstellen, denn die Dissoziation in Ionen geht gemäss der Tatsache, dass sie bei der Mehrzahl anorganischer Elektrolyte ein exothermer Vorgang ist, bei Temperaturerhöhung zurück. Diese positive Disso- ziationswärme?) ist sehr bedeutend bei Säuren und Basen (etwa 1000—2000 g/Cal), bei Salzen viel geringer (200—600 g/Cal). Orga- nische Säuren wie HCOOH hingegen haben sehr grosse, aber nega- tive Dissoziationswärme, und demgemäss nimmt der Zerfall der Mole- küle in Ionen bei Temperaturerhöhung zu. Allerdings scheinen eben gerade bei diesen Säuren die undissoziierten Moleküle das eiftigkeitsbestimmende Prinzip zu sein (vel. S. 597). Bei den anorganischen Säuren nimmt die Dissoziationswärme, wie ich den Tabellen von Landoldt-Börnstein entnehme, ausserdem mit der Temperatur ab®), so dass also jedenfalls dieser Faktor (die Disso- ziation) und seine Temperaturvariabilität nicht bestimmend für die Giftigkeitsverhältnisse ist, sie überdies höchstens vermindern könnte. Rechnet man sich, um einen Begriff von der Kleinheit des Disso- 1) Vgl. dazu neben Höber, ]l. c., die Artikel: Dissoziation (Bd. 2 S. 105), Lösungen (Bd. 4 S. 440), Hydrolyse (Bd. 5 S. 336), Thermochemie (Bd. 9 S. 1097) im Handwörterb. d. Naturwissensch. Jena 1912—1915. 2) „Die Dissoziationswärme ist die in Gramm/Kalorien gemessene Wärme- menge, die bei der Dissoziation von 1 g/mol. der undissoziierten Elektrolyten in ihre freien Ionen entwickelt wird. Wenn die Dissoziation mit steigender Temperatur steigt (fällt), ist die Dissoziationswärme nach dieser Definition negativ (positiv).“ Landoldt-Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, 4. Aufl., 1912, woher auch das Zahlenmaterial entnommen wurde. 3) Zum Beispiel für HCl Dissoziationswärme bei 21,50 C. + 2000 g/Cal. D) » n ” 35,0°C. +1080 „ „ HNO, N „ 215° 0.4 2800 , B) n » „ 35,0°.C. + 1360 „ We = Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 621 ziationsrückganges mit der Temperatur zu bekommen, die Q,.-Werte dafür aus, so erhält man unter Zugrundelesung der Zahlen von Noyes!) für NaCl 1,002, für HCl 1,004, für K,SO, als besonders hohen Wert 1,006. Diese Werte sind weit unter den für uns in Betracht kommenden Grössenordnungen. Dass trotz des Dissoziationsrückganges die Leitfähigkeit steigt, hat seinen Grund in der stark vermehrten Ionenbeweglichkeit, die den Einfluss des Dissoziationsrückganges weitgehend überkompen- siert. Für Leitfähigkeit und Ionenbewerlichkeitszunahme ergibt sich aus den Zahlen im Landoldt-Börnstein für Neutralsalze 9,0 — 122, für Säuren und Laugen etwa 1,16. Auch dieser Faktor wird aber in Anbetracht der grossen absoluten Geschwindigkeit der Ionenbewegung überhaupt kaum von nennenswertem Einfluss auf die Giftiskeitszunahme sein, schon in Anbetracht des viel zu geringen Temperaturkoeffizienten, der höchstens durch Koeffizientenmultipli- kation ?) vergrössert werden könnte?°).. B. Veränderungen im Zellsysteme selbst. Sie beanspruchen nicht nur dadurch unser besonderes Interesse, dass sie die Faktoren enthalten, die offenbar auch teilweise den ab- soluten Wert von Q,, entscheiden, sondern auch insofern sie es auch sind, die den ausgesprochenen Gang des Temperaturkoeffizienten be- dingen. Wir betrachten zunächst die Permeabilität, die allerdings in ihrer Veränderung durch die Temperatur nicht streng von den dadurch bedingten inneren Zellveränderungen zu trennen ist. Die Permeabilität wird offenbar überhaupt bei allen jenen Giftwirkungen wenig in Frage kommen, die bei ihrem Eindringen wie die Mineral- säuren und starken Basen die Zellhaut einfach zerstören. Wohl aber haben wir offenbar in der mit der Temperatur veränderten l) Zit. nach Höber, 1. c. S. 679. 2) Vgl. diesbezüglich A. Pütter, Temperaturkoeffizienten. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 16. 1914. 3) Hingegen wird der Hydrolysengrad durch die Temperatur stark er- höht, was in unserem Falle der nicht neutral reagierenden Salzlösungen auf die Giftigkeit von Einfluss sein muss. Eine 0,2 mol. Na,C0;-Lösung ist bei 18% C. zu 1,3%), bei 25° C. zu 1,7 %0 hydrolysiert; für eine 0,1 mol. Lösung sind die entsprechenden Zahlen 2,2%0 und 2,9°0. Aus diesen von F. Auerbach und Pick (Arbeiten a. d. kais. Gesundheitsamt Bd. 38. 1911) gefundenen Zahlen berechnet sich Q1 zu 1,45; also eine ganz bedeutende Steigerung der Giftigkeit. 622 Otto Hartmann: Permeabilität vielleicht ein Maass und Zeichen für die spezifische Widerstandsfähigkeit gegen äussere, chemische Eingriffe überhaupt, und insofern sind die diesbezüglichen Temperaturkoeffizienten auch für unere Frage interessant. Die Permeabilität nimmt nun so- wohl für Wasser [Rysselberghe'!)] als auch für Traubenzucker |Masing?)] mit Temperatursteigerung bedeutend zu, und zwar ist nach Masing 9, bei 0,5° C. 12,0, bei 25° C. 2,25, zeigt also einen auch quantitativ ähnlichen Ganz, wie wir ihn für die Stoff- wechsel- und Wachstumsvoreänge kennen. Es weist uns das darauf hin, dass mit steigender Temperatur das Plasma innerhalb der niederen Temperaturgrade ungemein rasch, später zunehmend langsamer Zu- standsänderungen erfährt, die, weil es sich offenbar überhaupt um leichtere Angreifbarkeit und grössere Labilität handelt, auch für den Gang der Koeffizienten der Giftwirkung besonders maassgebend sein müssen. Betrachten wir das Plasma als Ganzes, so ist offenbar bei niederer Temperatur, wo der Stoffwechsel und überhaupt die chemische Aktivität des Plasmas ausserordentlich herabgesetzt ist, den Giftstoffen besonders wenig Gelegenheit zu rascher Zerstörung gegeben, während bei schon etwas höherer Temperatur, bei der die Stoffwechselvorgänge schon sehr intensive, die Plasmabeschaffenheit demnach eine hoch- aktive ist, zu tiefgreifendster Zerstörung reiche Gelegenheit ist und demnach die Lebensdauer in Giften ausserordentlich abnimmt. So erklären sich die oft grossen Temperaturkoeffizienten bei niederer Temperatur in meiner Tabelle sowie bei anderen Autoren. Für niedere Temperaturen hat diese Gedankengänge, allerdings von ganz anderen Problemen ausgehend, in ganz ähnlicher Weise ' Sehaffnit°) in einer interessanten Arbeit entwickelt, und zwar auf Grund der reichen Erfahrungen der Pflanzenphysiologen über die spezifische Resistenz der Pfianzen gegen niedere Temperatur und ihre Abhängiekeit vom kolloidehemischen und physiologischen Zustande des Protoplasmas. Aufdiese Fragen werde ich sogleich näher zurückkonımen. 1) Fr. v. Rysselberghe, Influence de ia t&mperature sur le perme&abilite du protoplasme vivant pour l’eau et les substances dissoutes. Bull. Acad. de Belg. 1901 p. 173—221. 2) E. Masing, Über die Verteilung von Traubenzucker im Menschenblut‘ und ihre Abhängigkeit von der Temperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 156. 1914. Vgl. über weitere Literatur Kanitz, 1. c. S. 89 ff. 3) E. Schaffnit, Über den Einfluss niederer Temperaturen auf pflanz- liche Zellen. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 12. 1911. Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 623 Dass lebendes Plasma starke Zustandsänderungen hinsichtlich seiner Permeabilität und inneren Jonisation bei Temperaturerhöhung aufweist, ist in lehrreicher Weise jüngst von Osterhout!) gezeigt worden. Die Leitfähigkeit lebenden Gewebes (Laminaria- Thallien) ist viel höher als die des toten, offenbar wegen des spezifischen Widerstandes des lebenden Plasmas gegen die Ionenpermeierung. Der Temperaturkoeffizient der Leitfähigkeit verhält sich jedoch um- sekehrt, indem er beim lebenden Gewebe viel grösser als beim toten ist, bei welch letzterem er mit dem für Meerwasser zusammen- fällt. Das zeigt gut, wie gerade dadurch, dass vitale Eigentümlich- keiten den absoluten Wert für die Leitfähigkeit bestimmen, sie eben infolge ihrer starken Temperaturbeeinflussbarkeit, die viel grösser als die rein physikochemisch zu erwartende ist, auch den hohen Wert des Temperaturkoeffizienten bestimmen. Offenbar ganz Ähn- liches wird man für Temperatur und Giftwirkung anzunehmen haben. Den nächsten Faktor könnte man als Erhöhung der Akti- vität des Plasmas im weitesten Sinne bezeichnen; auch die Permeabilitätserhöhung ist ja eigentlich nur ein Ausdruck für diese Zustandsänderung des Systems. Dass diese innerhalb der unteren Temperaturgrenze der Stoffwechselvorgänge besonders rasch zunimmt, haben wir schon gesehen, ähnliches ist offenbar auch für die hohen Tem- peraturen anzunehmen. Ebendieselben Veränderungen, die bei Wachs- tum und Stoffwechsel offenbar infolge irgendwelcher Gegenreaktionen ?) eine Verkleinerung der Temperaturkoeffizienten bei hohen Tempera- turen, ja sogar eine negative Beschleunigung bedingen, werden bei der Giftwirkung durch Summation mit dieser natürlich eher ein An- wachsen der Koeffizienten bewirken. Bei niederer Temperatur wird das Plasma offenbar durch den schwellenwertartigen Eintritt des über sein Minimum gesteigerten Stoffwechsels für Gifte sprungartig besonders empfindlich ; bei den höchsten physiologischen Temperaturen ist das lebende System, wie die hohen Temperaturkoeffizienten der Lebensdauer bei diesen Temperaturen lehren, offenbar in ein Stadium der höchst gesteigerten Empfindlichkeit und gewissermaassen ins labile 1) W.J. V.Osterhout, Über den Temperaturkoeffizienten des elektrischen Leitvermögens im lebenden und toten Gewebe. Biochem. Zeitschr. Bd. 67. 2) Eine eingehende Theorie und Begründung dieser Gegenreaktionen hat A. Pütter (Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 16. 1914) entwickelt. 624 Otto Hartmann: Gleichgewicht!) geraten, so dass die Temperaturkoeffizienten der Giftwirkung wieder ansteigen, was wohl noch deutlicher und durch- greifender der Fall sein würde, hätte ich in den Experimenten noch etwas höhere Temperaturen dazugenommen. Dass sich im einzelnen die verschiedenen Stoffe und wohl auch Untersuchungsobjekte be- züglich dieses Ganges von @,, verschieden verhalten, hat seine, im speziellen unbekannten Gründe, jedenfalls wäre eine eingehendere Be- handlung der Frage, von welchem Einfluss die chemische Konstitution bzw. die spezifische Wirksamkeit das Giftes darauf ist, sehr wünschenswert. Es erübrigt nur noch, auf einige diesen Ausführungen verwandte Vorstellungen anderer Autoren hinzuweisen. Paul, Birnstein und Reuss?) haben, wie erwähnt, bei der Einwirkung von Säuren auf' Bakterien mit der Temperatur anwachsende Werte von Q,, gefunden. Indem sie darauf verweisen, dass unsere Gleichungen ein Konstant- bleiben der physikochemischen Verhältnisse voraussetzen, da nur unter dieser Bedingung eben eine Konstante in @,, berechenbar ist, entwickeln sie folgande nähere Vorstellungen über den Gang der Temperaturkoeffizienten. Die Konstante A in der Arrhenius’schen Formel, die einen ähnlichen Gang wie Q,, zeigt, eibt die Wärmetönung der Umwandlung von 1 Mol. des inaktiven Stoffes in 1 Mol. des aktiven an. Danach kann zwar der Temperaturkoeffizient unabhängig von der Temperatur innerhalb eines bestimmten Temperaturgebietes sein, muss es aber nicht. Finden wir also zunehmende Temperaturkoeffizienten, so be- sagt das, „dass die Umwandlung der inaktiven Plasmabestandteile in die aktiven?) mit einer negativen Wärmetönung verläuft, die mit steigender Temperatur zunimmt,“ womit unter der auch von mir semachten Annahme, dass die aktiven Stoffe für die Giftwirkung empfindlicher sind, die zunehmenden Temperaturkoeffizienten der Giftwirkung erklärt sind. Zu beachten bleibt aber, dass die vielfach vorkommende starke Zunahme der Koeffizienten bei den untersten Temperaturen dadurch nicht auch erklärt werden kann, so dass neue 1) Vgl. dazu auch W. W. Lepeschkin, Ber. d. Deutschen bot. Gesellsch. Bd. 28. 1910; Bd. 30. 1912. 2) Paul, Birnstein und Reuss, Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. Einfluss der Neutralsalze und der Temperatur auf die Desinfektionsgeschwindig- keit von Säuren. Biochem. Zeitschr. Bd. 29. 3) Ganz ähnliche Ansichten hat Schaffnit, ]. c., entwickelt. a cz Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 625 Annahmen gemacht werden müssen. Dass es sich hier um andere Verhältnisse handelt, ist auch wahrscheinlich, wenn wir bedenken, dass wir es hier mit dem schwellenartigen Einsetzen des Stoffwechsels und überhaupt der Plasmaaktivität und den damit verbundenen kolloidehemischen Zustandsänderungen !) bei Übergang von den Tem- peraturen nahe an 0° C., also dem physiologischen Minimum, zu den schon einen intensiveren Stoffwechsel und Lebensaktivität ge-' ‚ stattenden, etwas höheren Temperaturen zu tun haben. Hier sind die ähnlichen Vorstellungen zu erwähnen, die Kanitz?) zur Er- ‚klärung der hohen Temperaturkoeffizienten entwickelt hat. Bei ge- wissen Temperaturen, die für Kaltblüter an 0°C., für Warmblüter aber schon bei 20° C. liegen, nehmen die Stoffwechselvorgänge un- messbar kleine Geschwindigkeiten an, und demnach sind die Tem- peraturkoeffizienten kleiner Temperaturerhöhungen sehr gross. Da- für gebraucht Kanitz zutreffend den Ausdruck „Auslösung“, „womit wir die Ursache für das Eintreten irgendeines Lebensvorganges nahezu immer zu bezeichnen pflegen“. Für alle katalytischen und fermenta- tiven Prozesse, die beim Stoffwechselablauf doch eine ausserordent- liche Rolle spielen, vermutet er nun folgendes. Der Temperatur- koeffizient der Enzymzersetzung ist nach Arrhenius°) um 50°C. herum ein ausserordentlich hoher (Q,, bis 8000), wodurch sich die hohen Temperaturkoeffizienten abnehmender Lebensdauer an der oberen Temperaturgrenze erklären. Es wäre nun aber ganz gut denkbar, dass auch für die Bildung dieser Fermente und Kataly- satoren oder doch für die Bildung ihrer entsprechenden Kinasen an der unteren Temperaturgrenze des Stoffwechsels bei geringer Tem- peraturerhöhung, also im Gebiete der Auslösung, ebenso hohe oder ähnlich hohe Temperaturkoeffizienten in Betracht kommen, wodurch die fast sprungartig erfolgende Stoffwechsel- und Wachstums- beschleunigung in diesem Bereich bei Temperaturerhöhung erklärt sein würde. Was hier speziell vom Standpunkte der Stoffwechsel- 1) Vgl. diesbezüglich die Zusammenfassungen von Wo. Pauli, Allgemeine Physikochemie der Zellen und Gewebe. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 8.1, Bd.3 8.1, Bd. 6, und Pflüger’s Arch. Bd. 67, 71, 136. 2) A. Kanitz, Arbeiten über die R.-G.-T.-Regel bei Lebensvorgängen. Zeitschr. f. Elektrochem. 1907, und Bezüglich der gleich grundlegenden Bedeutung extrem hoher Temperaturkoeffizienten für die Entstehung und Dauer des Lebens. Zeitschr. f. Biol. Bd. 52. 1909. 3) Sv. Arrhenius, Immunochemie. Leipzig 1907. 626 Otto Hartmann: physiologie erörtert ist, gilt offenbar allgemeiner und auch für die Giftwirkung, die ja offenbar aufs eneste mit der Aktivität des Plasmas und dessen Stoffwechsel verknüpft ist, ähnlich, wie wir das früher schon anzudeuten versucht haben. Als Problem, dessen Bearbeitung uns tieferen Einblick in die spezifische Art der Giftwirkung ver- schiedener Stoffe und Ionen verspricht, bleibt aber noch der von Stoff zu Stoff oft verschiedene „Gang“ sowie absolut verschiedene Wert der Temperaturkoeffizienten der Giftwirkung bestehen. C. Die Wirkung der Lösungen auf das Plasma als Produkt der äusseren und inneren Faktoren. Da es nicht meine Aufgabe sein kann, speziellere Vorstellungen über die Art der spezifischen Giftwirkung !) sowie über den Einfluss der Temperatur auf die Reaktionsgeschwindigkeit?), die ohnehin bisher im Zentrum des Interesses gestanden hat, zu entwickeln, so kann ich mich hier kurz fassen. Nur auf die Verhältnisse der Adsorption und ihrer Temperatur- variation will ich kurz hinweisen, da sie es ist, die ja auf Grund der Ostwald’schen Arbeiten vor allem zur Erklärung der Be- ziehungen zwischen Konzentration und Giftwirkung herangezogen wurde. Auch der Verteilungssatz, der ja auch die Beziehungen der Giftlösung zum lebenden System ausdrücken hilft, muss erwähnt werden. Die Adsorption?), die uns ihrer grossen Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung halber nur als schon vollendeter Gleich- gewichtszustand interessiert, zum Unterschiede zum Beispiel von der Diffusion, wo wir die kinetische Beziehung in den Vordergrund rücken, nimmt — das ist besonders klar bei Gasen, komplizierter bei Lösungen — mit der Temperaturerhöhung ab. Und zwar berechne ich nach einer Angabe von Travers (zitiert nach Freundlich, Kapillarchemie) 1) Vgl. die grosse Zusammenfassung und Literaturangaben bei T. Br. Robert- son, Über.die Verbindungen der Proteine mit anorganischen Substanzen und ihre Bedeutung für die Lebensvorgänge. Ergebn. d. Physiol: Bd. 10. 2) Vgl. diesbezüglich unter Kanitz, Temperatur und Lebensvorgänge Ss. 1ff. u. S. 164 ff., die Zusammenfassung von M. Trautz, Chemische Kinetik. Handwörterb. d. Naturwissensch. Bd. 2 S. 529—543. 1912. 3) Vgl. H. Freundlich, Adsorption. Handwörterb. d. Naturwissensch. Bd. 1 8. 59. 1912. Uber den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 627 für das System. Kohle-CO, innerhalb des Temperaturintervalles 0-35° C., den Temperaturkoeffizienten der Abnahme des adsor- bierten Kohlendioxyds zu 1,17, also jedenfalls ein geringer Wert. Deshalb ist die Verschiebung des Adsorptionsgleichgewichts wohl kein Faktor, der Einfluss auf die Giftiekeitszunahme bzw. ihre Ver- minderung mit der: Temperatur hat. Hingegen ist der Grad der Adsorbierbarkeit verschiedener Stoffe vielleicht sehr maass- gebend für ihre Giftigkeit bei gleicher Temperatur. So adsorbieren sehr wenig anorganische Salze, Säuren und Basen, stärker Salze mit organischem Kation oder Anion, sehr stark zum Beispiel Phenole. Jedenfalls kommen aber auch andere Verhältnisse sehr stark in Be- tracht, da gerade die organischen Salze meiner Tabelle eine auf- fallend geringe Giftigkeit haben. Interessante Ergebnisse liefert der Teilungskoeffizient und seine Verschiebung mit der Temperatur, und obwohl ich über keine einschlägigen Experimente verfüge, möchte ich doch darauf etwas eingehen, weil dieses Beispiel mir zu zeigen scheint, wie wenig man aus der absoluten Grösse physiologischer Temperaturkoeffizienten auf bestimmte physikochemische Prozesse als Hauptkomponenten folgern darf!), und dass der „Gang“ der Koeffizienten das viel interessantere und wirklich oft lösbare Problem bildet. H. H. Mayer?) hat den Einfluss der Temperatur auf die Giftiskeit und Verteilung einiger lipoidlöslichen Stoffe untersucht. Nachstehend habe ich die Werte für @ aus seinen Zahlen berechnet. Die drei ersten Stoffe zeigen entsprechend der Zunahme des Ver- Er O mit Temperaturzunahme ein Wachsen, Wasser die anderen drei entsprechend der Abnahme des Verteilungs- koeffizienten ein Sinken .der Giftigkeit bzw. die kritischen Narkose- konzentrationen. Die drei ersten Q-Werte geben also die Zunahme der Giftigkeit, die drei letzten die Abnahme mit steigender Tem- peratur innerhalb 3—30° C. an. Der Einfachheit halber ist Q statt Q,, ausgerechnet worden. teilungskoeffizienten 1) Vgl. dazu besonders A. Pütter, Temperaturkoeffizienten. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 16. 1914. 2) H. H. Mayer, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 46. 1901 (zit. nach Höber, I. c. S. 452). 628 Otto Hartmann: De en Ce Qs7 des Verteilungs- koeffizienten Aceton ar un Ar 2 Vor Bee. Bea. ee 2,3 1,6 Asthylalkoholee ne ee 2,3 : 1,8 CGhloralhydrat,. 22 2. 22 208 5,0 4,4 Salızylamid .2 „1 „22.24 Denen 21 1,5 Benzamid 2... Se Wale 2,9 1,5 Monacetin? 22 27 0 rs 12 1,5 * Es ist nun unzweifelhaft, dass die Giftiekeitszu bzw. -abnahme im wesentlichen von den bezüglichen Verhältnissen des Teilungs- koeffizienten bei Temperaturveränderuug bestimmt wird. Dennoch ist aber der absolute Wert dieses Koeffizienten für denselben Stoff für Giftigkeit und Verteilung sehr stark verschieden. Würde man also lediglich auf Grund der Grösse der Temperaturkoeffizienten der Giftigkeit sich ein Urteil über die diese Giftigkeitsveränderung haupt- sächlich bewirkenden, einfachen physikochemischen Faktoren mit be- kanntem Temperaturkoeffizienten bilden wollen, so würde man wohl schwerlich in Anbetracht der so stark verschiedenen Koeffizienten auf die Verteilungsverhältnisse schliessen, wenn uns deren Bedeutung nicht aus anderen Überlegungen bekannt wäre. Dieser Fall scheint mir zu zeigen, wie vorsichtig man bei derartigen Schlüssen aus der absoluten Grösse der Temperaturkoeffizienten sein muss, da in einem Falle, wo die Art der Giftiekeitsveränderung mit der Temperatur wohl besonders klar liegt, offenbar durch die spezifischen Wirkungs- weisen der Stoffe auf das Plasma und die Veränderung der Empfind- lichkeit des Plasmas an sich, unabhängig von der aufgenommenen Giftmenge, mit Temperaturänderung, Temperaturkoeffizienten von ganz anderer Grösse für die Giftigkeitsveränderung erscheinen, .als sie der Temperaturvariabilität jenes hauptsächlich die Giftigkeit bestimmenden physikochemischen Faktors entsprechen. Nur das Grössen verhältnis sowie die Richtung der Giftiekeitsveränderung sind entsprechende. 2. Veränderung in der Giftigkeitsreihenfolge der untersuchten Substanzen infolge der Verschiedenheit ihrer Temperaturgiftig- keitsquotienten. Ganz ähnlich, wie die Reihenfolge der untersuchten Stoffe bei grösserer und geringerer Konzentration eine verschiedene ist, weil Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 62% . die Giftigkeitszu- bzw. -abnahme mit der Konzentrationsänderung bei verschiedenen Stoffen verschieden stark ist, so finden wir ganz dasselbe auch hinsichtlich verschiedener Temperatur. Auch hier macht sich entsprechend der verschieden grossen Thermovariabilität der Giftiekeit der einzelnen Substanzen eine Verschiebung der relativen Reihenfolge bei höheren, mittleren und niederen Tem- peräturen geltend. In nachfolgender Tabelle VI, die aus den spe- ziellen Temperaturexperimenten, wie sie in Tabelle III angegeben sind, zusammengestellt ist), sind diese Verhältnisse gut erkennbar. Um Unregelmässiegkeiten der Messungen auszuschalten, sind je die Mittelwerte der Lebensdauer (7) in Sekunden für die Temperaturen Tabelle VL Vergleich der Lebensdauer (T) bei verschiedener Temperatur und der Quotienten der Giftigkeitszunahme bei Temperaturerhöhung. Temperaturintervall 0 Temperaturintervall BT a up 1980. 305-3550 0. T: ER | Substanzen der | T | Substanzen der | T | Substanzen der To_35 in | Giftigkeit nach | in ; Giftigkeit nach | in | Giftigkeit nach Sek. geordnet Sek. geordnet Sek. geordnet | N 80 | Phenol | 22 | Phenol 129,.10K,60; 13,5 104 | KNO, 26 | K,CO; 11 | Phenol 7,2 122 | KsCO; 34 | KNO, 15 | KNO, 6,9 220 | Sr(NO3)s 75 | KNO; 27 | Aethylalkohol 12,2 235 NO; 90 | Sr(NO3) 28,5| KNO; 8,2 255 | HgCl, 95 | HgCls, 29,5| Na500, 13,4 330 | Athylalkohol 100 | HCOOH 37,5, HgCl, 6,8 345 | HCOOH 110 | Na:C00, 3 ECOOH 9,0 390 | Na500; 120 | Chloralhydrat 38,5] St(NO3)s 1 420 | NH,Cl 130 | BaCl, 39 | Ball, 10,9 427 | Ball, 135 | NH,Cl 40 | Chloralhydrat 12,7 495 , NaBr 165 | Äthylalkohol 58 | CaCl, 11,8 510 | Chloralhydrat 195 | CaCls 59 NH,CI Ash 530 | CuSO, 195 | HCl 65 | H5S0, 8,7 540 | NaOH 205 | HsSO, 71,5| CuSO, 7,4 569 | H,SO, 210 NaBr 75 | HCl 10,0 883 | HCOONa 240 | MeCl, 75 , CrO; 14,0 690 | CaCl, 240 CrO; 82 | HCOONa 7,1 690 | MeCi, 255 HCOONa 82,5 NaOH 6,5 750 | HCi 265 CuSO, 90 | NaCl 10,6 960 | NaCl 285 ı NaCl 92,5, NaBr 9,9 1051 | CrO, 285 | NaOH 110 | MgCl, 6,2 1120 | Salizyls. Natr. | 690 | Salizyls. Natr. |217 | Salizyls. Natr. 5,1 1235 | ZnS0, 750 ; ZnSO, 360 | ZnS0, 3,4 Konzentrationsversuche der Tabelle I. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. . 41 1) Ganz entsprechende Resultate, nur infolge des geringeren Temperatur- intervalles weniger ausgeprägt, ergeben sich für die drei Temperaturen der 630 Otto Hartmann: 0 und 5° C. einerseits, für 30,5 und 35;5° C. anderseits und für _ die Mitteltemperatur: 19° C. angegeben und die Substanzen in den entsprechenden drei Vertikalkolonnen ihrer Giftigkeit nach in ab- steigender Reihenfolge angeordnet, so dass die relative Ortsver- änderung eines Stoffes zu den anderen bei Temperaturveränderung eut erkennber ist. In der letzten Vertikalrubrik sind dann die Quotienten aus der mittleren Lebensdauer bei 0—5° C. und 30,5—35,9° C. gebildet, eine Methode, die uns für den jetzigen Zweck hinreichend genaue Vergleichswerte der relativen Giftigkeits- zunahme verschiedener Substanzen innerhalb des angegebenen Tem- peraturintervalles gibt. Im einzelnen hebe ich folgendes hervor: NaBr zeigt starke Verschiebung in den einzelnen Vertikal- kolonnen, indem es bei niederer Temperatur relativ viel giftiger ist als bei höherer. Ähnlich verhält sich NaOH und Sr(NO,),; über- haupt, wie leicht ersichtlich, alle Stoffe, die im Vergleich mit anderen einen geringen Quotienten der Giftigkeitszunahme zeicen. Um- gekehrt wie die eben erwähnten Stoffe verhält sich CaCl, usw. All das ist ohnehin aus der Tabelle ersichtlich. In mancher Hinsicht ist auch eine Betrachtung der früheren Tabelle III lehrreich. Stoffe, die zum Beispiel bei hoher Temperatur annähernd gleiche absolute Giftiekeit besitzen, wie NaCl und NaBr, unterscheiden sich bei tiefen Temperaturen, eben infolge ihres stark verschiedenen Temperaturkoeffizienten bzw. -quotienten (Tabelle VI), oft ganz ausserordentlich in der Giftigkeit, zum Beispiel ist NaBr bei tiefer Temperatur zweimal so giftig als das so nahe verwandte Salz NaCl — ein schönes Beispiel für den Einfluss des Anions auch auf die Temperaturvariation der Giftiekeit! Andere Stoffe, wie HCl und H,SO,, verhalten sich in ihrem Giftiekeitsverhältnis bei niederer und hoher Temperatur ganz gleich, während CrO, bei hoher Tem- peratur die gleiche Giftigkeit wie H,SO, besitzt, bei 0°C. hingegen nur halb so giftig ist. Hier sind offenbar die Dissoziations- und Konstitutionsverhältnisse und überhaupt die spezifische Art der Wirksamkeit im ersteren Falle Ursache der Gleichheit, im letzteren Ursache der Verschiedenheit des Grades der Temperaturvariabilität der Giftiekeit. Ganz allgemein ist es offenbar klar, dass bei Stoffen mit starker Giftigkeitszu bzw. -abnahme die Temperaturveränderung offenbar in irgendeinem Sinne, sei es durch Beeinflussung der Plasmaempfindlichkeit oder durch Veränderungen der Eigenschaften: der Lösung selbst, als Aktivator der Giftwirkung eine grosse Rolle Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 631 spielt und sehr wesentlich ist. Dass an und für sich sehr giftige Stoffe, wie HgCl,, Nitrite, NaOH, die dank ihrer spezifischen Ionen eine hohe Zerstörungskraft ausüben, eine geringere Temperatur- beeinflussbarkeit ihrer Wirksamkeit zeigen, ist dann verständlich, da hier die Temperaturerhöhung nicht erst wie bei minder spezifisch wirkenden Stoffen die Rolle eines notwendigen Katalysators der Giftwirkung spielt. Der Wirksamkeit der einen Stoffe kommt die Temperatur durch ihren Einfluss auf die Plasmabeschaffenheit stark entgegen, für die anderen weniger, für sehr giftige kommt der Plasmawiderstand und seine Temperaturbeeinflussbarkeit überhaupt fast nicht in Betracht, hier ist die cheinische Reaktionsbeschleunigung zum: Beispiel das allein Bestimmende. Überall sind wir also auf die spezifische Konstitution und Wirkungsweise der Stoffe in Be- ziehung zur Plasmabeschaffenheit als Erklärung der so stark ver- schiedenen Temperaturvariation der Giftigkeit und des „Ganges“ der. Temperaturkoeffizienten hingewiesen. Da wir also annehmen müssen, dass unter gleichen physikochemischen Zustandsänderungen verschiedener Giftlösungen es die temperaturbedingten Zustands- änderungen des plasmatischen Systems sind, die der Giftwirkung des betreffenden Stoffes je nach dessen chemischem Charakter und spezifischer Wirksamkeit mehr oder minder bei Temperaturerhöhung förderlich sind, wodurch der verschiedene Gang sowie die absolute Veränderung der Temperaturkoeffizienten zustande kommt — Ver- hältnisse, die bei Stoffen, die sich bei Temperaturerhöhung rein physikochemisch stark verschieden verhalten, noch ausgeprägtere Unterschiede im Verhalten der Temperaturkoeffizienten der Lebens- dauer im Gefolge haben werden. —, so wäre von diesen Gesichts- punkten aus die systematische Untersuchung der Anionen- und Kationenreihe in ihrem Verhalten hinsichtlich der Temperatur- koeffizienten ihrer Giftigkeit von hohem Interesse für die Vor- stellungen, die wir uns überhaupt über die spezifische Wirksamkeit der ' verschiedenen Ionen bzw. undissoziierten Moleküle auf das Plasma zu machen haben. Ill. Temperatur und Konzentration im Zusammen- hange und in ihrer Wechselwirkung auf den Grad | der Giftigkeit betrachtet. ‘Bei Betrachtung der Kurven auf Tafel III und IV, welche die Giftigkeitszunahme mit der Konzentration. bei verschiedener Tem- 41* 632 Otto Hartmann: peratur zeigen, wie auch Tabelle I, die alle Ergebnisse im Zahlen- material enthält, findet man, dass die Lebensdauerkurve bei 30,5 C. später aufbiegt; besonders deutlich ist das bei NH,NO,, CrO;, Chloral- hydrat, CuSO,, HCOOH. Auch die Kurvenkrümmung ist demgemäss weniger stark, sondern mehr abgerundet, auch in den Fällen, in denen sie bei mittlerer Temperatur ziemlich stark gekrümmt ist. Dies ist auch bei den oben genannten Stoffen, gut bei Natriumformiat, NaHPO,, MgCl,, Natriumsalizylat, NaBr, also fast bei allen ge- zeichneten Kurven, zu sehen. Diese Verhältnisse aber bedeuten nichts anderes, als dass nicht bloss die absolute Giftigkeit in der hohen Temperatur. grösser ist, sondern dass auch die Lebensdauer bei Verdünnung weniger zunimmt als in der mittleren Temperatur, so dass also auch relativ grössere Giftigkeit der verdünnten Lösungen im Vergleich zu den konzentrierten bei hoher Temperatur vorliegt. Die Temperatur hat also einen Einfluss auf den Grad der Giftiekeitsabnahme bei Verdünnung, insofern dieser bei mittlerer Temperatur in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle ein bedeutenderer ist. Dadurch ist — wenn wir die Ausnahmen, die offenbar Komplikationen darstellen, beiseite lassen — auf ganz anderem Wege eine Stütze für frühere Induktionen gewonnen, denn wir hatten es wahrscheinlich gemacht, dass mit ab- solut grösserer spezifischer Giftigkeit verschiedener Stoffe eine weniger ‘ stark und mehr gleichmässig bogig ansteigende Lebensdauerkurve bei Verdünnung erhalten wird. Da nun bei höherer Temperatur die Giftigkeit desselben Stoffes absolut bedeutend vermehrt ist, wir aber gleichzeitig Abflachung und langsames Ansteigen der Lebensdauer- kurve bei Verdünnung beobachten, so ist dadurch eine starke, un- abhängige Stütze für die früheren Vermutungen gegeben. Daraus ereibt sich nun natürlich, dass, da die Kurvengestalt je nach der Temperatur verschieden ist, auch die einer Substanz entsprechenden Konstanten der Adsorptionsisotherme für allzu stark verschiedene Temperaturen nicht dieselben sind. Eine eingehendere Untersuchung dieser Verhältnisse wäre von dem aller- grössten theoretischen Interesse !). 1) Ähnlich wie sich die Konzentrations-Lebensdauerkurve bei verschiedener Temperatur verschieden gestaltet und demgemäss die Konstanten der Gleichung 1 2 ; : Tee verschiedene sind, ebenso ist wohl auch der Grad der absoluten Konzentration, innerhalb deren die Verdünnungsexperimente vorgenommen werden, a Über den Einfluss von Temperatur und Konzentration usw. 633 Auch aus Tabelle I (S. 590 ff.) kann man die geringere Giftigkeits- abnahme mit Konzentrationsverminderung bei 30,5 ° C. gegenüber 18 und 13° CE. unter Zugrundelegung der reduzierten Lebensdauern gut erkennen. Besonders deutlich und auch natürlich um so mehr, je grössere Verdünnungen man untereinander vergleicht, da ja die absoluten Unterschiede immer grösser werden, kann man das sehen bei HCOOH, Pikrinsäure, CH;COOH, K;Cr;0;,, KNO,;,, NaOH, NH,NO;, K,SO,, Eisenalaun, Sr(NO,)s, FeCl,;, CuSO,, (NH,)HPO,, Na,S,0,, Na;HPO,, FeSO,, Chloralbydrat usw. Im manchen vereinzelten Fällen ist allerdings typischerweise das Umgekehrte der Fall, so bei BaC],,“ K,CO,;, Na,CO,, NaHCO,; vielleicht sind bei den drei letzten, ähnlich gebauten Salzen Dissoziations- bzw. Hydrolysierungs- verhältnisse dafür maassgebend. Einzelne Salze gibt es auch, die keinen Unterschied der relativen Konzentrationslebensdauerkurve bei verschiedener Temperatur zeigen. Jedenfalls sind diese Beziehungen viel zu kompliziert, um in unser Schema alle eingefügt zu werden, was aber nicht hindert, dass obige Beziehung in der Mehrzahl der Fälle weitgehende Gültigkeit besitzt. Da, wie wir eben gesehen haben, die Temperatur Einfluss auf die Art der Giftigkeitsabnahme mit Konzentrationsverminderung ausübt, so wäre auch der umgekehrte Fall denkbar, dass die Konzentration der untersuchten Lösung von Einfluss wäre auf Grösse und Gang der Temperaturkoeffizienten bei verschiedener Versuchstemperatur. Da ich diese Verhältnisse nicht über ein grösseres Temperaturintervall verfolgt habe, vielmehr auf meine zu anderem Zwecke angestellten Messungen der Tabelle I angewiesen bin, so kann ich diese Möglichkeit nicht be- weisen. Nichtsdestoweniger gebe ich aber in nachfolgender Tabelle VII die aus der Tabelle I für je ein Temperaturintervall und für die zehn Konzentrationen berechneten Temperaturkoeffizienten %,,. Auf die absolute Grösse der Koeffizienten ist jedoch, da die Messungen bei verschiedener Temperatur bei vielen Stoffen nicht gleichzeitig gemacht wurden, kein Gewicht zu legen. Es scheint mir nun mit aller Reserve, dass tatsächlich in vielen Fällen die Temperaturkoeffizienten eine Ver- grösserung bei grösserer Verdünnung erfahren. Da auch das Um- gekehrte vorkommt, wären erst noch genauere Untersuchungen über eine diesbezügliche Gesetzmässigkeit anzustellen. für diese Konstanten nicht gleichgültig, sie wären zum Beispiel zwischen 5-—15 %0 andere als zwischen 0,01 und 0,1°o, manches scheint darauf hinzuweisen. Otto Hartmann: 634 4 Ai: = 618 IL@ 118 68.6 SE% 19.3 87% 815 078 0881 g = 947 lage ww 9LT era 187 62T 96T 183 8I-El °ONH 4 = : . = a E > or 143 20% 995 88,8 76,3 18,3 09°8 998 843 <0'E 0881 ur 187 LEI vet 12T mw orT 00°T Frl 8TT gel SIEL "OS°H | 25 Te ee ee 98% 188 08,8 88% i [| 10 mm dick. !/ioo mol. J | Lichtbogen. !/ı mol.) Aufn. III. 1 Sek. ? ww 1 I Acetaldehyd. OR 10 mol. fr R | j 10 mm dick. (m !/100 mol. J Lichtbogen. !/ı mol. Nm \ Aufn. IV. 1 Sek.? I Milchsäure. d I 1 /1o mol. 2 10 mm dick. CT —— !/100 mol. J Lichtbogen. l/ı mol.\ Aufn. V. 1 Sek 1/ | Jodkalium. 10 mol. } e j 10 mnı dick, 1/ıo0o mol. J ( I | Verlag von Martin Hager, Bonn, Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 170. Tafel II. Absorptions-Spektren. 400 vv. 300 vn. Marke 1 j ! nes T Aufn. 1. Neid RE i Dialysiertes Eiweiß mm dick. Va Sm 10 °/a Gelatine. Aufn. 1. | 10 nım dick. flüssiges Kollo- dium. 10 mm stark. Aufn. II. Namen 1°) Bromkalium- 1/a %/o f lösung. 1/4 Yo) 10 mm dick. ( Aufn. IV. 1 x ® ( 1 "io Höllenstein- l/a Yo 2 lösung. 1/4 %o ) 10 mm dick. ( Aufn. V. 1 == | ( Verlag von Marlin Hager, Bonn. . “ BRREIC Ser. Aa ZAERGR 677 (Aus dem pharmakologischen Institut der k. k. Universität Graz.) Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. I. Mitteilung. Ein Beitrag zur Wirkung der Alkalien aufs Herz. Von O0. Loewi. (Hierzu Tafel V und VI.) Bekanntlich ist Durchströmung mit Kochsalzlösung nicht ge- eignet die Funktionen des isolierten Herzens aufrechtzuerhalten; bei dieser Art der Speisung kommen nur schwache Kontraktionen zustande, und die Herztätigkeit hört nach verhältnismässig kurzer Zeit ganz auf. Anders, wenn man das Herz nicht mit grösseren NaCl-Mengen im künstlichen Kreislauf durchströmt, sondern, wie dies die Straub’sche Anordnung erlaubt, mit einer verhältnis- mässig geringen Menge NaCl-Lösung beschickt; auch dann sind an- fangs die Pulse sehr klein, aber nach kurzer Zeit werden sie grösser und schliesslich können sie sogar so gross werden wie bei Speisung mit Ringer-Lösung. Als Ursache dieser „Selbsterholung* wurde von Böhm!) und Arima?) die Abscheidung von funktionswichtigen Stoffen aus dem Bestand des Herzens in die Füllflüssigkeit nach- gewiesen. Es sollte nun geprüft werden, ob und wodurch der Ab- lauf der „Selbsterholung“ sich allenfalls beeinflussen lasse. Zunächst wurde der Einfluss der Steigerung der Natriumbikarbonatkonzen- tration der Kochsalzlösung über 0,01 /o hinaus geprüft; 0,010 ist die übliche der Ringer-Lösung, und der Einfluss der darunter- liegenden Konzentrationen wurde bereits von Böhm untersucht. Die 1) Böhm, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 75 8.230. 1913. 2) Arima, Pflüger’s Arch. Bd. 157 8. 531. 1914. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 44 678 0. Loewi: hierbei erhobenen Befunde machten es notwendig, ganz allgemein die auch heute noch nicht geklärte [Tigerstedt!)] Wirkung der Alkalien auf die Herztätigkeit einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Methodik. Da der Ablauf der Erholung bei verschiedenen Herzen auch bei gleicher Speisung natürlich quantitativ verschieden ist, musste ich den Vergleich des Einflusses höherer Alkaleszenz (0,1°/o Na- triumbikarbonat) mit dem niederer (0,01 °/o Natriumbikarbonat), der nur ein quantitativer sein kann, am gleichen Herzen anstellen. Ich konnte nun zu diesem Zweck nicht etwa derart vorgehen, dass ich abwechselnd NaCi mit 0,1°o Natriumbikarbonat (im folgenden wird diese Konzentration mit NaCl I bezeichnet) und NaCl mit 0,01 %o Natriumbikarbonat (im folgenden wird diese Konzentration mit NaCl II bezeichnet) — diese Konzentrationen verglich ich — einfüllte; denn bei länger dauernder NaCl-Speisung ändert sich regelmässig der Zustand des Herzens’ dadurch, dass es ealeiumüberempfindlich wird (betreffend die Erscheinungen der Caleiumüberempfindlichkeit vel. Böhm und Arima [loe. eit.] ferner Loewi?). Dadurch wird aber die vergleichende Beurteilung des Einflusses der verschiedenen Lösungen unmöglich gemacht. Aus diesem Grunde musste man nach jeder NaCl-Periode das Herz erst in Ringer-Lösung sich so lange erholen lassen, bis der Zustand der Caleiumüberempfindlichkeit seschwunden und Typus, Grösse und Frequenz der Pulse sich wieder auf die Norm eingestellt hatten. Im einzelnen gestaltete sich der Versuch folgendermaassen: Das Herz wurde nach Entfernung der sichtbaren Blutreste durch wieder- holte Einfüllung von Ringer-Lösung zunächst mit 1 cem dieser 5—10' schlagen gelassen; dann wurde die Ringer-Lösung durch 1 cem NaCl-Lösung ersetzt und diese Füllung im Abstand von 1 bzw. 1,5’ noch zweimal gewechselt, um die Reste der Ringer- Lösung möglichst zu entfernen; die Erholung setzt dann gewöhlich 1—2' nach der letzten Füllung mit NaCl bzw. 4—5' nach der ersten ein. Sie nimmt dann dauernd zu, wurde aber in der Regel nicht länger als bis nach Ablauf von 10’ nach der ersten Füllung be- obachtet. Dann wurde wieder Ringer-Lösung eingefüllt, bis sich das Herz völlig erholt hatte, dann wieder NaCl, wie oben angegeben, usw. 1) Tigerstedt, Ergebn. d. Physiol. Bd. 12 S. 269. 1912. 2) Loewi, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 82 S. 131. 1917. Über S pontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 679 Die Erholung bei wiederholter Speisung mit NaCl II. Um eine Unterlage für die Beurteilung des Einflusses von _ NaCl I auf den Gang der Erholung zu haben, musste erst fest- gestellt werden, wie diese sich bei wiederholter Dusch plune des Herzens durch NaCl II gestaltet. Bei wiederholter Einwirkung von NaCl II ist, wie Fig. 1 (Taf. V) zeigt, das Bild der einzelnen Erholungskurven qualitativ jedesmal das gleiche, quantitativ aber insofern anders, als zwar die Erholung _ immer annähernd im gleichen Zeitpunkt beginnt, aber die Erholungs- pulse von Mal zu Mal eine geringere Höhe erreichen. Schliesslich tritt Erholung überhaupt nicht mehr ein. Die Ursache dieses all- mählichen Versagens ist, wie Clark!) nachwies, der allmählich eintretende Verlust des Herzens an Stoffen, die es an die Füllung abgiebt sei es nun, dass diese, wie das Calcium selbst, Reize für die Herztätigkeit darstellen oder, wie die alkohol - äther- lösliehen Substanzen (8. u.), die Reizanspruchsfähigkeit des Herzens gewährleisten. Man hätte von vornherein erwarten können, dass bei der Zwischenschaltung von Ringer-Perioden das Herz in diesen seinen in den NaCl-Perioden erlittenen Stoffverlust an Salzen hereinbringen würde. Die Tatsache, dass von NaCl-Periode zu NaCl-Periode die Erholung immer geringer wird, spricht gegen die Berechtigung dieser Annahme, wenigstens wofern die zwischengeschaltete Ringer- Periode wie in unseren Versuchen nur kurz ist (5—15’). Um fest- zustellen, ob das Herz etwa bei längerem Einwirken von Ringer- Lösung seinen ehemaligen Bestand an Salzen ganz oder teilweise ersetzen kann, wurde nach mehrmaliger Erschöpfung Ringer- Lösung stundenlang einwirken gelassen. Das Ergebnis war das gleiche wie oben; es trat auch danach Erholung nicht in grösserem Ausmaass ein als oben; mithin hatte offenbar das Herz aus der Ringer- Lösung nichts aufgenommen, was es hätte wieder abgeben können. Dieser Befund ist insofern von Interesse, als er dartut, dass die blosse Verarmung des Herzens an Kationen als Bedingung zur Auf- nahme derselben — streng genommen von Caleium — aus Ringer- Lösung nicht genügt. 1) Clark, Journ. of physiol. vol. 47 p. 66. 1913. 44 * 68 : 0. Loewi: Die Erholung bei Speisung mit NaCl 1. Ich ging nunmehr zur Prüfung der Frage über, ob die Er- holung bei Speisung mit NaCl I anders abläuft als mit NaCl II, und zwar ging ich derart vor, dass ich unter Einschaltung von Ringer- Perioden jene beiden Lösungen abwechselnd einwirken liess. Die Versuche fielen grundsätzlich gleichsinnig aus, und zwar derart, dass allemal die Erholung in den NaCl I-Perioden zunächst deutlich grösser war als in den NaCl II-Perioden; nach und nach wurde der Unter- schied immer geringer, bis er schliesslich ganz schwand. Wohl aber zeigte sich in den verschiedenen Versuchen ein gewaltiger Unter- schied des Grades; bei einer Gruppe der Versuche war die Er- holung in NaCl I von Anfang an nur um ein weniges orösser als in NaClll. (Fig. 2 [Taf. V].) Bei einer zweiten Gruppe dagegen war die Erholung in NaCl I, und zwar ebenfalls nur anfangs, wesentlich grösser. Und zwar fiel zu meinem grössten Erstaunen beim Übergang von Ringer- Lösung zu NaCl I oft die Pulsgrösse kaum ab, auch nicht, als ein zweites und drittes Mal — innerhalb der gleichen Periode — NaCl I war eingefüllt worden, und nach 10’ waren die Pulse oft so gross wie von Anfang an in Ringer-Lösung. (Fig. 3 |[Taf. V].) In anderen Versuchen dieser. Gruppe war der Abfall nach der ersten Ein- füllung von NaCl I beträchtlich, dann aber stiegen die Pulse noch während der ersten Minute rasch wieder an, und dieser Anstieg hielt dann trotz Einfüllung neuer Lösung an (Fig. 4 [Taf. V], vgl. auch Fig. 9 [ Taf. VI]). Oder schliesslich, der Abfall war zunächst beträcht- lich, die Erholung aber eine sehr viel grössere als in NaCl II (Fig. 5). Immer also war in diesen Versuchen die Erholung weit stärker in NaCl I als in NaCl II, nur dass sich diese Wirkung verschieden rasch zeigte. Selbstverständlich existieren zwischen den Versuchen der ersten Gruppe, in denen die Umschaltung von Ring&r-Lösung auf NaCl 1, also auf eine kalinm- und. caleiumfreie Lösung, eine starke und denen der zweiten Gruppe, in denen sie eine geringe Beeinträchtigung der Herzaktion bzw. eine starke Erholung herbeiführt, keine scharfen Grenzen, sondern allerhand Übergänge. Immerhin sind bei Be- trachtung sämtlicher sehr zahlreichen Versuche diese beiden Typen ohne weiteres trennbar. Was ist die Bedingung des Unterschiedes? Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 681 Der erste Versuch, in dem die Umschaltung von Ringer- Lösung auf NaClI kaum einen Einfluss auf die Grösse der Pulse ausübte, war am 25. November 1915 am Herzen einer ungarischen Eseulenta angestellt worden, die, im März 1914 bezogen, seitdem im Keller des Institutes ohne jegliche Nahrung war gehalten worden. Die Wiederholung des Versuches an Hungerfröschen ergab jedesmal das gleiche Resultat. Frische, im Oktober 1915 gefangene unga- rische Eseulenten zeigten im Gegensatz dazu regelmässig nur einen geringen Unterschied in der Reaktion auf NaCl I und II, .d. h. die Erholung in NaCl I war von Anfang an nur um ehr weniges besser als in NaCl II. Ich prüfte nun systematisch jeden Monat die Reaktion auf NaCl I und II an den Herzen von Fröschen, die im Oktober gefangen, also im besten Ernährungszustand waren; bis zum März waren die Pulse in NaCl I bzw. die Erholung nicht viel srösser als in NaCl II. Von da ab — möglicherweise infolge Auf- brauchs des Wintervorrates — verhielt sich das Herz wie das Herz der Hungerfrösche (s. o.). Herzen von Fröschen, die im Mai und im Juli in Graz und in Ungarn gefangen wurden, zeigten keine Regelmässigkeit des Verhaltens. Da die aus dem März 1914 stammerden Hungerfrösche in allen Jahreszeiten das gleiche Verhalten zeigten, existiert möglicherweise kein vom Ernährungszustand unabhängiger Saisoneinfluss, sondern es kommt für das Verhalten der Ernährungszustand selbst als be- stimmender Faktor in Betracht. Es erhebt sich nun die Frage, weshalb namentlich zu Beginn der Versuche bei Gegenwart von 0,1°o Natriumbikarbonat der schädigende Einfluss von NaCl-Lösung geringer ist bzw. besser, und zwar bei Hungerherzen um so vieles besser, ausgeglichen wird als bei Gegenwart von 0,01 0 Natriumbikarbonat. Die Beantwortbarkeit dieser Frage setzt die Kenntnis von der Wirkungsweise des Natrium- bikarbonats auf das Herz voraus. Über die Ursache des Unterschiedes in der Wirkung | von NaClI und NaC1i Il. A. Über die Ursache des Untersehiedes im allgemeinen. Es ist durch zahlreiche Untersuchungen übereinstimmend fest- gestellt, dass Säure die Herztätiekeit, und zwar innerhalb weiter 682 * O0. Loewi: Grenzen reversibel, schädigt. Da weiter durch Gaule!) und neuer- dings durch Böhm (loe. eit.) festgestellt wurde, dass die Alkali- nität ins Herz gebrachten Alkalis allmählich herabgesetzt wird, bei der Herztätigkeit also saure Produkte entstehen, ist die Tatsache verständlich, dass bei Gegenwart von Natriumbikarbonat in der Durchströmungsflüssigkeit die Herztätigkeit besser ist als bei Fehlen von Alkali. Die günstige Wirkung des Natriumbikarbonatzusatzes zur Durchströmungsflüssigkeit ist also, wie dies auch allgemein an- genommen wird, mindestens teilweise auf seine säureneutralisierende Wirkung zurückzuführen. Ich habe ebenso wie Böhm feststellen können, dass „Selbst- erholung“ auch in reiner NaCl-Lösung eintritt, aber erheblich rascher und stärker in NaCl Il. Da die Selbsterholung dadurch zustande kommt, dass funktionswichtige Substanzen, wie Calcium, von seiten des Herzens in die Füllung abgeschieden und in dieser wirksam werden, diese Substanzen aber, wie wir soeben sahen, bei saurer Reaktion weniger wirken, ist kein Grund anzunehmen, dass die Ursache der besseren Erholung in NaCl II als in NaCl eine andere als die neutralisierende Wirkung des Bikarbonats auf die bei der Tätigkeit sich bildenden sauren Produkte ist. Natürlich liegt es von vornherein nahe, anzunehmen, dass die bessere Er- holung in NaCl I als in NaCl II in unseren Versuchen auch mit der neutralisierenden Wirkung des Alkali zusammenhängt, und dass sich diese in NaCl I besser vollzieht als in NaCl II. Es kann sich dabei aber kaum um die N eutralisierung der Spuren von sauren Produkten handeln, die bei der Tätigkeit des Herzens in der kurzen NaCl-Periode allenfalls gebildet werden; zu ihrer Neutralisierung müsste auch die 0,01 %/o Bi- karbonatlösung ausreichen. Wollen wir trotzdem die bessere Wirkung der 0,1°/oigen Bikarbonatlösung auf bessere Neutralisation durch diese beziehen, so müssen wir annehmen, dass sich diese nicht auf während des Versuches, sondern vor diesem gebildete saure Produkte bezieht, dass mit anderen Worten das frische Herz in nicht neutralisiertem Zustand in den Versuch gekommen ist. Bei dieser Annahme würde auch der grosse Unterschied, der sich bei gut genährten und Hungerfröschen gegenüber NaCl I zeigt, dem Ver- ständnis keine Schwierigkeit machen; er würde auf eine grössere Säuerung der Hungerherzen zurückzuführen sein, eine Annahme, die 1) Gaule, Arch. f. Anat. u. Phys. 8.291. 1878. Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 683 mit unseren sonstigen Kenntnissen vom Hungerstoffwechsel in Über- einstimmung steht. Wenn diese Vorstellung richtig ist, sollte der Unterschied in der Wirkung von NaCl I und NaCl II wesentlich geringer sein bzw. entfallen, wenn die dem Tier entnommenen Herzen nicht direkt bzw. kurze Zeit nach Begiun des Versuches der Wirkung der beiden genannten Lösungen ausgesetzt werden, sondern behufs Neutra- lisierung von vornherein allenfalls vorhandenen sauren Produkten vorher längere Zeit in bikarbonathaltiger Ringer-Lösung gehalten werden. Fig. 6 (Taf. V) zeigt, dass in der Tat der Unterschied auch bei Hungerfröschen nach einstündiger Vorbehandlung mit R I sehr gering ist (Periode I und II). Füllt man jetzt wieder längere Zeit bikarbonatfreie Ringer-Lösung ein, so wird er wieder viel stärker (Periode III und IV). Es gelingt also in der Tat durch vorgängige lange Alkalibehandlung den Unterschied zwischen NaClI und NaCl sogar beim Hungerherzen zum Schwinden zu bringen. Der Ausfall dieses Versuchs ist kein Beweis — er kann auch anders gedeutet werden (S. u.) —, aber eine Stütze für die Richtigkeit unserer An- nahme, dass das Herz sauer in den Versuch kommt und die an- fänglich um vieles bessere Wirkung von NaCl I durch seine stärkere Neutralisationswirkung bedingt ist. Weitere Stützen bringt das folgende Kapitel (B). Dabei bleibt die Frage zunächst offen, weshalb ein, wenn auch nur geringer, Unterschied in der Wirkung der beiden Lösungen fast bis zuletzt, da Erholung überhaupt nicht mehr eintritt, bleibt. Vor allem bleibt aber zu erklären, wie es kommt, dass die Pulse in NaCl I, also in der Ca-freien Lösung, anfangs oft kaum niederer sind als in Ringer-Lösung (s. Fig. 3 [Taf. V]). B. Über die Ursache der absoluten Grösse der Pulse in NaClI. Nun habe ich bereits erwähnt, dass Caleiummangel überempfind- lich macht für Caleium. So war auch die Möglichkeit gegeben, dass . Säuerung wenigstens vorübergehend überempfindlich macht für Al- kali und sich dies in der Grösse der Pulse während der Neutrali- sation zeigt. Auch andere sonst rätselhafte Beobachtungen liessen sich so verstehen. Dahin gehört zunächst die häufig gemachte Erfahrung, dass ein mit NaCl längere Zeit durchspültes Herz bei Zusatz von Bikarbonat sich stark erholt, aber nur vorübergehend; nach unserer 684 0. Loewi: Meinung. überwiegt die günstige Wirkung der Empfindlichkeits- steigerung für Alkali die ungünstige, bedingt durch die Caleium- freiheit der Lösung. Ferner findet sich auch in der zitierten Unter- suchung von Böhm eine derartige Beobachtung; er schreibt: „Es war nach den Beobachtungen von Merunowiecz, Gaule, Göthlin u.a. zu erwarten, dass die durch Spülung mit bikarbonat- freier Ringer-Flüssigkeit bewirkte Schädigung oder Erschöpfung des Ventrikels durch Zufuhr von Bikarbonat wieder zu beseitigen ist. Füllt man das Herz nach Unterbrechung der Spülung mit Ringer-Flüssig- keit (mit 0,1 /oo Bikarbonat), so kehrt die Ventrikeltätiekeit, auch wenn sie lange Zeit sistiert war, in der Tat in kurzer Zeit. wieder, die Amplitüden steigen in steiler Treppe an, und schon nach etwa 5 Minuten ist die normale, zuweilen auch eine übernormale Schlaghöhe!) erreicht.“ Ich habe nun, um den speziell in unserem Fall angenommenen, analoge Verhältnisse herzustellen, folgenden Versuch gemacht (s. Fig. 7 [Taf. VI): Es wurde zunächst der Ablauf der Erholung in NaCl I beobachtet (Fig. 7, 7—-IV [Taf. VI]); es ergab sich dabei die übliche, von Periode zu Periode fortschreitende Abnahme. Jetzt wurde 5 Minuten lang Ringer-Lösung ohne Bikarbonat, aber 1/1 Million Essigsäure enthaltend, eingefüllt und danach wieder die Erholung in NaCl verfolet; die Pulse waren dabei bedeutend höher als in den vorangegangenen Perioden (Fig. 7, V [Taf. VI]). Nunmehr war noch zu prüfen, ob unter der Bedingung vor- sängiger Säuerung die grösseren Pulse in NaCl I sich auch dann zeigten, wenn, wie dies in unseren ursprünglichen Beobachtungen der Fall war, die Herzen nach der Säuerung Gelegenheit hatten, sich erst in RIIl. bzw. NaCl II eine Zeitlang zu erholen; war es doch auffällig, dass diese Perioden zur Neutralisation nicht genügsten. Die Fieur zeiet, dass die Erholung von der Säuerung zwar auch in der NaCl II-Periode (Fig. 8, III [Taf. VI]) etwas grösser war als vorher, aber besonders gross war sie in der NaCl I-Periode (Fig. 8, IV [Taf. VI]). Die Gesamtheit der Versuche zeist, dass Alkali nach vorgängiger Säuerung, wo es also seine neutralisierende Wirkung entfalten kann, viel grössere Pulse erzeugt als ohne vorgängige Säuerung; diese macht also in der Tat das Herz alkaliempfindlich, wobei znnächst I) Im Text nicht gesperrt. Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. 1. 685 die Frage offen bleibt, was das Wesen der Alkaliempfindlichkeit ist. Hierüber belehrt das folgende Kapitel (C). Ferner zeigt sich, dass die Erholung unter dieser Bedingung in NaCl I sich wesentlich kräftiger gestaltet als in NaCl II; wir waren also in der Lage, unsere Ausgangsbeobachtung unter von uns beherrschten Bedingungen auch im einzelnen zu reproduzieren. €. Über die Ursache des Fehlens des Unterschiedes in der Wirkung von RI und RII. a) Beziehungen zwischen Säure-, Alkali- und Caleiumwirkung. Wir haben die Annahme gemacht, und die bisherige Prüfung seheint ihre Richtigkeit zu bestätigen, dass die Herzen sauer in den Versuch kommen; und dass die mindestens zu Beginn bessere Er- holung in NaCl I die Folge der stärker neutralisierenden Wirkung dieser Lösung ist. Diese Annahme stösst aber noch auf eine grosse Schwieriekeit. Wenn sie richtig ist, sollte man erwarten, dass ebenso wie NaCl I anfangs günstiger wirkt wie NaCl II, so auch RI an- fangs günstiger wirkt als RII. Das ist aber durchaus nicht der Fall; die Pulse des dem: Tier entnommenen Herzens sind in diesen beiden Lösungen, ja sogar oft in bikarbonatfreiem Ringer, gleich oder doch fast gleich gross. Es tritt mit anderen Worten der Unter- schied im Bikarbonatgehalt nicht oder kaum bei Benutzung von Ringer-Lösung, also caleiumreicher, sondern nur bei Benutzung ealeiumfreier (NaCl I und NaCl II) Lösung in die Erscheinung. Fig. 9 (Taf. VI) zeiet übrigens, dass er sich nicht nur in ealeciumfreier, sondern auch in ealeiumarmer Lösung („ — Ringer { 10 mit 0,001 CaCl, und 0,001 KCı) zeiot: kaum ein Unterschied der Pulsgerösse in RI und R, enormer Unterschied in 0,1 °/o bikarbonat- haltigem und bikarbonatfreiem = Es fragt sich nun, ob und wie dieser Befund mit der Annahme, dass es sich beim Unterschied in der erholenden Wirkung von NaCl I und NaCl II um Neutralisations- unterschiede handelt, vereinbar ist. | . Aus jüngst mitgeteilten Versuchen hat Burridge!) geschlossen, dass Säurespülung des Froschherzens dessen normale Reaktion gegen Caleium- und Kaliumsalze ändert, und zwar stellt er sich vor, dass 1) Burridge, Quarterly journ. of physiol. vol. 7 p. 167. 1914. 686 O0. Loewi: die Säurespülung die Permeabilität von Membranen für diese Salze ändert. Ob letztere Erklärung zutrifft oder nicht, jedenfalls scheint nach den Versuchen Burridge’s das saure Herz unempfindlicher gegen die Caleiumwirkung zu sein. Ein solcher Befund würde natür- lich den von uns gefundenen Unterschied in der Wirkung des Bikar- bonatgehaltes einmal von ealeiumreicher, das andere Mal von calcium- armer Lösung ohne weiteres erklären. Ist, wie in Ringer-Lösung, ein Überschuss von Caleium über die für die optimale Herzaktion benötigte Caleiumkonzentration gegeben, so wird sich die Wirkung von Säure, wenn überhaupt, natürlich viel weniger geltend machen müssen als in calöumarmer Lösung, die nur so viel Caleium enthält, als zur Aufrechterhaltung einer geringen Herzaktion gerade not- wendig ist. Die Unterlage der Folgerung Burridge’s bilden Versuche, in denen säuregespülte Herzen nach Ersatz der Füllung durch alkali- freien, aber reichlich Caleium enthaltende Ringer sich, wenn auch nur vorübergehend, erholten. Dies Ergebnis steht im Einklang mit anderweit gemachten Erfahrungeu; wir wissen ja, dass es gelingt, einer Herabsetzung der Erregbarkeit dadurch Herr zu werden, dass wir erreebarkeitssteigernde Mittel anwenden, oder dadurch, dass wir die Erregbarkeitsherabsetzung belassen, aber den Reiz steigern. Bei der grossen Wichtigkeit der Frage schien es mir daher notwendig, auch noch zu prüfen, ob Caleiumanreicherung der Füllung auch bei gleichzeitiger Gegenwart von Säure günstig wirkt. Fig. 10 [Taf. VI] zeigt, dass es in der Tat gelingt, die natürlich nicht maximale Säurewirkung durch Steigerung des Caleiumgehaltes der die Säure enthaltenden Füllungsflüssigkeit stark abzuschwächen. Diese Klärung der Säurewirkuag lässt uns natürlich auch die Alkaliwirkung verstehen; da Alkali die Säurewirkung aufhebt, muss es derart wirken, dass es die durch Säure gesetzte Herabsetzung der Caleiumempfindlichkeit des Herzens behebt. Diese Wirkung haben wir unter allen Umständen zur Erklärung der beobachteten Erholungswirkungen heranzuziehen, wobei wir zunächst die Frage offen lassen, wie gross ihr Anteil daran ist, und wie gross der Anteil der Abscheidung von funktionswichtigen Sub- stanzen in die Füllflüssigkeit. Mit Rücksicht auf diesen Befund, dass nämlich bei der Erholung in NaCl -Lösung funktionswichtige Substanzen in diese abgeschieden werden und teil an der Erholung haben, ist es wichtig, zu betonen, dass die eben erörterte Alkali- Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 687 wirkung ganz unabhängig von dieser Abscheidung eintritt. Wir beobachten sie auch da, wo diese Abscheidung gar nicht wirksam werden kann, weil der Inhalt des Herzens dauernd erneuert wird. So tritt die Erholung eines Herzens von der NaCl-Spülung durch Zu- satz von Bikarbonat auch dann ein, wenn man die Durchspülungs- Hlüssigkeit dauernd abfliessen lässt, so dass es gar nicht zu einer wirksamen Anhäufung von Erholungsstoffen in der Herzfüllung kommen kann. In ähnlicher Weise zeist Fig. S [Taf. V], dass die einmal begonnene Erholung in NaCl I weitergeht und steigt, auch bei Wechsel der Füllung: hier wird nur das im Herzen-selbst ent- haltene Caleium wirksam. Ob Alkali in Konzentrationen, die über die neutralisierende hinaus- sehen, die Empfindlichkeit des Herzens für Caleium noch weiter steigert, also eine der der Säure entgegengesetzte sensibilisierende Wirkung ausübt, werden wir im nächsten Abschnitt prüfen. Jeden- falls aber genügt das Bisherige dazu, dass wir. eine grosse Reihe von vorliegenden Erfahrungen besser verstehen als bisher; so be- greifen wird die alte, bereits oben angeführte Beobachtung, wonach das durch NaCl-Spülung geschädigte Herz auf Bikarbonatzusatz sich erholt; das Herz wird durch die Neutralisation wieder empfindlich für das in ihm enthaltene funktionswichtige Calcium. Es ist überhaupt die von uns oben nachgewiesene „Alkali- empfindlichkeit“ eigentlich nichts anderes als Wiederherstellung der Caleiumempfindlichkeit des Herzens. Es wird die Aufgabe weiterer Untersuchungen sein, festzustellen, ob der am Herzen erhobene Befund Allgemeingültigkeit besitzt, ob mit anderen Worten die Bedeutung von Säure und Alkali ganz all- gemein, wenn auch nicht allein darin besteht, dass sie die Empfind- lichkeit für das für die Funktionen so wichtige Caleium bestimmen und den jeweiligen Zwecken des Organismus entsprechend abstufen. Durch die bisherige Untersuchung sind der Unterschied im an- fänglichen Ablauf der Erholung in NaCl I und II namentlich beim ‚Hungerherzen und die einzelnen Erscheinungen dabei zureichend er- klärt. Nicht ohne weiteres verständlich ist aber die Tatsache, dass der Unterschied in der Grösse der Erholung in NaClI einer-, in NaCl II andererseits bis fast zum Schluss des Versuches, .wo Neutrali- sation längst eingetreten sein sollte, wenn auch in geringerem Maasse, anhält. Es ist darum weiter zu untersuchen, ob Natriumbikarbonat etwa, noch weitere, vielleicht von der neutralisierenden unabhängige 688 OÖ. Loewi: spezifische Wirkungen hat. Auch’nach der letzten zusammenfassenden Darstellung über die Bedeutung der Alkalien für die Herztätiekeit') ist diese Frage noch offen. b) Kommen dem Alkali ausser seiner neutralisierenden davon unabhängige Wirkungen auf die Herztätigkeit zu ? 1. Steigert Alkali die Caleiumempfindlichkeit? So wie mit steigender Säurekonzentration die Caleiumempfindlich- keit mehr und mehr fällt, so könnte auch mit steigender Alkali- konzentration die Caleiumempfindlichkeit entsprechend ansteigen. In diesem Zustand tritt bekanntlich leicht Kontraktur ein. Es könnte nun für eine durch Alkali bedingte Ca-Empfindlichkeit sprechen, dass in Versuchen, die zur Frage der Alkaliwirkung vorliegen, wiederholt gezeigt wurde, dass man mit Natronlauge eine mit Säure behebbare Kontraktur herbeiführen kann [Gaskell?), Burridge]. Tiger- stedt hält auf Grund von Versuchen von Ringer Verlängerung der systolischen Kontraktion und Kontraktur für eine spezifische Wirkung auch von Natriumbikarbonat sogar in ganz geringer Konzentration (0,025 0/0); sie soll sich auch — gerade wie die Caleiumkontraktur — durch Spuren von Kalium beheben lassen. Man kann sich aber leicht davon überzeugen, dass Natriumbikarbonat selbst in einer Konzen- tration von 0,1°/o bei Gegenwart von Caleium in der Konzentration der Ringer-Lösung niemals auch nur zu einer Andeutung von Kontraktur führt. Das Herz verhält sich nicht anders, als wenn es ohne Natriumbikarbonat in Ringer schlägt. (Vel. Fig. 9 Taf. VIA. u5B.) Ich untersuchte nun, ob bei irgendeiner Alkalikonzentration An- zeichen von einer für Caleium sensibilisierenden Wirkung sich er- gaben. Zu diesen Versuchen benutzte ich statt Bikarbonat Natron- lauge (Natrium hydrieum purissimum e Natrio pro.analyei, Merck), einerseits um die bei der Tätigkeit sich bildende Kohlensäure zu binden, andererseits um der bei Verwendung höherer Bikarbonat- konzentrationen unvermeidlichen raschen Ausfällung von Calzium- karbonatspuren zu entgehen; natürlich wurden die laugehaltigen Lösungen vor jedem Versuch frisch bereitet. Das Ergebnis der Versuche war immer das gleiche: sämtliche 1) Tigerstedt, loc. -cit. 2) Gaskell, Journ. of physiol. vol. 3 p. 48. 1880—1882. Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 589 Konzentrationen von der eben wirksamen gewöhnlich 0,02 %/o Natron- lause in Ringer, bis zur maximal wirksamen (0,06 °/o) hatten nur die eine Wirkung, dass sie zu einer graduell von der jeweils gewählten Konzentration abhängigen Kontraktur (Tonussteigerung) führten. Das Bild ist also ein ganz anderes, als wir es von Calcium- sensibilisierung her, sei es durch Digitalis, sei es durch caleiumfreie Durehspülung des Herzens, kennen. Handelte es sich um Calcium- sensibilisierung durch NaOH, dann müssten ja deren charakteristische Wirkungen bei steigender NaOH-Konzentration stufenweise und all- mählich sich einstellen. Es kann sich demnach nicht um Caleium- sensibilisierung handeln. Es erhob sich nun die Frage, ob über- haupt ein Zusammenhang zwischen dieser Alkalikontraktur und Caleium bestehe. Buürridge!), der zuletzt diese Frage geprüft hat, kam auf Grund seiner Versuche dazu, zwei Arten von Alkali- kontraktur zu unterscheiden; die eine soll auftreten, wenn das Herz mit niedriger Natronlauge-Konzentration in Ringer durehströmt wird. Sie sei abhängig von dem in der Lösung vorhandenen Calcium und soll sich leicht beheben lassen. Die zweite tritt auf bei Durch- strömung mit Natronlauge in entsprechender Konzentration in NaCl- Lösung. Durch sie wird die rhythmische Fähigkeit des Herzens rasch aufgehoben, und es kommt zu einer einzigen, starken Dauerkontraktur, die sich nicht beheben lässt. Meines Erachtens handelt es sich nicht um einen grundsätz- lichen, sondern nur um einen graduellen Unterschied; die Wirk- samkeit geringer Natronkonzentrationen ist geknüpft an das Vor- handensein von mehr Calcium als das der höheren; es genügt nicht das Caleium des Herzens, es muss vielmehr auch Caleium in der Durchströmungsflüssigkeit vorhanden sein; daher Nichteintritt der Kontraktur in NaCl-Lösung, Behebung der in Ringer zustande ge- kommenen durch natronhaltige, aber caleiumfreie Lösung. Für die Wirksamkeit der höheren Konzentrationen genügt das Vorhandensein des Caleiums im Herzen selbst; dies aber ist Bedingung: nach Oxalatvorbehandlung tritt die Kontraktur in NaCl-Lösung nicht mehr ein, ebensowenig nach Erschöpfung des Caleiumvorrates durch Durch- spülung des Herzens. Es ist also die Natronkontraktur geknüpft an die Gegenwart von Caleium. Sie ist aber nicht wie etwa die Digi- taliskontraktur in Wirklichkeit eine Caleiumkontraktur; dann könnte 1) Burridge, Journ. of physiol. vol. 44 p. 8. 1912. 690 0. Loewi: sie ja nur den höchsten Grad im Bild einer Caleiumsensibilisierung darstellen, die aber, wie wir oben sahen, gar nicht eintritt, und weiter müsste auch die durch höhere Natronkonzentration bedingte, wie jede Caleiumkontraktur, zum Beispiel auch die Digitaliskontraktur durch ealeiumfreie Spülung zu beheben sein, was aber nach Bur- ridge’s und unseren Erfahrungen nicht der Fall ist. Sie ist also eine Kontraktur sui generis, offenbar der Ausdruck einer von der physiologischen Alkaliwirkung (Neutralisation) durch einen weiten Abstand getrennten chemischen Reaktion der Lauge mit dem Herzen. Mit Rücksicht darauf, dass wir in unseren Erholungsversuchen bis zuletzt einen Unterschied in den NaCl I- und NaCl II-Perioden beobachteten, galten weitere Untersuchungen der Frage, ob etwa bei niedrigerer Caleiumkonzentration als der der Ringer-Lösung ein Unterschied in der Wirkung der Alkalikonzentration sich zeigt. War es auch von vornherein nicht sehr wahrscheinlich, so lag doch die Möglichkeit vor, dass zur Ausübung der vollen physiologischen Wirkung unzureichende Mengen von Caleium durch Steigerung des Alkaligehaltes wirksamer würden. Ich untersuchte also, und zwar um die Konzentrationsänderung, die infolge der Abscheidung von Caleium aus dem Herzen eintritt, auszuschalten, mittels der Böhm- schen Durchströmungsmethode, ob in der Wirksamkeit von In und 10 — sowie auch in der von NaCl I mit 0,001 CaCl, und NaCl II mit 0,001 CaCl, ein Unterschied sich zeige. In all diesen Ver- suchen hatte ich, um Neutralisationswirkungen auszuschalten, die Herzen erst 1 Stunde lang in R I schlagen lassen. Es waren wohl mitunter, aber keineswegs regelmässig, Unter- schiede zugunsten der 0,1 °/o-Konzentration festzustellen, doch waren sie immer äusserst geringfügig; jedenfalls treten sie völlig hinter dem grossen Unterschied in der neutralisierenden Wirkung verschiedener Konzentrationen zurück. Es stimmt dies auch zu sonstigen physio- logischen Erfahrungen, wonach Steigerung der Alkaleszenz über eine bestimmte Grenze ohne erkennbaren Einfluss ist. 2. Ist am Wirkungsunterschied von NaClI und NaClIl ein Unterschied in der Abscheidungsgrösse erholender Stoffe von seiten des Herzens beteiligt? Wir haben nunmehr noch zu untersuchen, ob an der stärker er- holenden Wirkung von NaCl I etwa auch noch eine Mehrabscheidung Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 691 der an der Selbsterholung beteilisten Stoffe von seiten des Herzens mitbeteiligt ist. Von diesen kennen wir bis jetzt einmal alkohol- ätherlösliche Stoffe (s. u.), ferner Caleium. Wie rasch die Er- holungsstoffe von seiten des Herzens abgegeben werden, und wie wirksam sie sind, zeigt Fig. 11 [Taf. VI]. Es genügt das ®/s Minute dauernde Verweilen der NaCl-Lösung im Herzen, um sie so anzureichern, dass der hochgradige Erfolg (Fig. 11 nach A+) zustande kommt. Der Versuch zeigt aber gleich- zeitig, dass es unmöglich ist, die Menge dieser Stoffe physiologisch zu titrieren; es sind ja die Pulse nach A + viel grösser als in der ' Periode, der der Inhalt entstammt (7 1'—2%). Dieser Wirkungs- unterschied kann, da der Inhalt ja der gleiche ist, offenbar nur von Änderungen der Empfindlichkeit des Herzens im Lauf des Versuches abhängen. So macht jegliches Regime für das entgegengesetzte vor- übergehend überempfindlich z. B., caleiumreiches für ealeiumarmes und umgekehrt usw. Aber auch der allmähliche Verlust des Herzens an funktionswichtigen Substanzen ändert ja fortwährend seine Re- aktion’den gleichen Reizen gegenüber. Infolgedessen sind auch alle Versuche gescheitert, die Wirksamkeit der Inhalte von Herzen, die 10 Minuten lang sich in NaCl I bzw. NaCl II erholt hatten, mit- einander zu vergleichen; es war die Wirkung auf die Pulsgrösse nicht nur immer viel grösser als in der Periode, aus der der Inhalt stammte, sondern, was wichtiger, fast immer gleich gross, ob die Er- holung in NaCl I oder NaCl II stattgefunden hatte. Ich musste daher die Frage nach der Beteiligung der in die Füllflüssigkeit abgegebenen Stoffe an der Erholung auf anderen Wegen zu entscheiden suchen, : a) Die alkohol-ätherlöslichen Stoffe. Was zunächst die alkohol-ätherlöslichen Stoffe anbetrifft, so fand ich in Bestätieung der Versuche von Clark, dass sich ebenso wie, aus dem Froschherzen, Froschserum und Kaninchenserum, auch aus Rinderserum ein Alkohol-Ätherextrakt gewinnen lässt, der in mini- maler Menge zu Ringer zugesetzt, ein durch stundenlange Spülung mit Ringer erschöpftes und nur noch schwach schlagendes Herz momentan völlig erholt, so dass die Pulse wieder so gross werden und bleiben, wie sie am frischen Herzen, also vor der Durchspülung, waren. Wenn an der besseren Erholung in der NaCl I-Periode eine Mehrausspülung von Alkohol-Ätherextrakt, damit die Anwesenheit 692 O0. Loewi: einer grösseren Menge in der Füllung, oder auch eine Sensibilisierung seiner Wirkung infolge der höheren Bikarbonatkonzentration mit- beteiligt ist, dann muss sich nachweisen lassen, dass die Erholung in NaCl I mit Zusatz von Alkohol-Ätherextrakt stärker ist als in NaCl I allein. Dem ist aber nicht so. Dieses negative Ergebnis spricht nicht dafür, dass an der besseren Erholung des Herzens in NaCl I zu Beginn der Versuche eine Mehr- ausscheidung oder stärkere Wirkung des Alkohol- Ätherextraktes mit- beteiligt ist. Wohl aber scheint es mir bedeutsam zu sein mit Rücksicht auf die Frage nach dem Wirkungsmodus des Alkohol- Ätherextraktes. Schon Clark hat gezeiet, dass er nur wirksam ist bei Gegenwart von Caleium in der Füllungsflüssigkeit, also zum Beispiel in Ringer’scher Lösung, nicht aber bei Fehlen von Caleium, also in NaCl-Lösung. Ferner hat Clark gezeigt, dass sein Zusatz zu Ringer-Lösung am frischen Herzen wirkungslos, aber äusserst wirksam am durchspülten und so erschöpften Herzen ist. In Erweiterung dieses Befundes konnte ich nachweisen, dass er auch bei geringem Caleiumgehalt der Speisungsflüssigkeit (NaCl I mit 0,001°/o CaCl,) nicht zu Beginn, sondern nur nach langer Durchspülung des Herzens die Pulse ver- grössert. Mit anderen Worten, solange noch alkohol-ätherlösliche Stoffe im Herzen vorhanden sind, ist die Steigerung ihrer Kon- zentration (durch Zusatz) wirkungslos; es tritt dadurch keine Stei- gerung der Empfindlichkeit des Herzens auf den Caleiumreiz ein; erst wenn sie ausgespült sind, reagiert das Herz auf ihren Zusatz, und zwar derart, dass es auf den Caleiumreiz wieder reagiert wie das frische Herz. Daraus geht hervor, dass die alkohol-ätherlöslichen Stoffe des Herzens ähnlich wie Alkali nur die normale Empfindlichkeit des Herzens für Calcium gewährleisten, nicht aber die vorhandene steigern; es bildet also ihre Anwesenheit ebenso wie ein bestimmter Alkaleszenzerad nur eine notwendige Bedingung für die normale Anspruchsfähiskeit des Herzens auf den Caleiumreiz. Wie ich bereits in einer früheren Mitteilung erwähnte, ist es nicht ausgeschlossen, dass unter pathologischen Verhältnissen Fehlen dieser Stoffe unter Umständen Ursache des Herzversagens ist. Es liegt die Frage nahe, ob nicht die hier in Rede stehenden, für die Funktion des Herzens unerlässlichen alkohol-ätherlöslichen Substanzen die gleichen sind, die für Wachstum und Erhaltung des IT Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. II. 693 Organismus unerlässlich sind, und deren Fehlen die normale Ent- wicklung bei synthetischer Nahrung illusorisch macht, £) Calcium. Nachdem Böhm den chemischen, Arima den physiologischen Nachweis geliefert hat, dass während der Erholung in NaCl-Lösung das Herz Caleium abgibt, war an die Möglichkeit zu denken, dass an der besseren Erholung in der NaCl I-Periode etwa eine stärkere - Abgabe von Caleium von seiten des Herzens mitbeteiligt sei, sei es als Begleiterscheinung oder Folge der Neutralisationswirkung oder unabhängig von dieser als Alkaliwirkung. Die absolute Grösse der Caleiumabscheidung wiederum dürfte sich richten nach dem Gehalt und nach der Abgabefähigkeit des Herzens, und diese Momente dürften wieder von der Jahreszeit ab- hängen. Wenigstens führten Burridge!) und Sakai?) hier nicht weiter zu erörternde Versuchsergebnisse zur Annahme von Saison- differenzen (Ernährungszustandsdifferenzen?) im gegenseitigen Ver- hältnis von Caleium zu Kalium. Wahrscheinlich erstrecken sie sich aber auch auf den Bestand an anderen Stoffen, unter anderem die alkohol-ätherlöslichen Substanzen. Auffällig ist jedenfalls der Unter- schied in der Grösse der Pulse beim Versuchsbeginn in Ringer- Lösung zugunsten der Winterfrösche (Hungerfrösche) ?). Nachdem wir gesehen haben, dass die physiologische Methode zur Bestimmung von Quantitätsunterschieden versagt, war dieser Frage nur auf chemisch-analytischem Weg beizukommen. Diesen Weg hat auf meine Anregung Herr Dr. Lieb eingeschlagen und wird. in einer demnächst erscheinenden Mitteilung selbst über die Ergebnisse berichten. | Zusammenfassung. Es wurde beobachtet, dass die Selbsterholung von Froschherzen in NaCl-Lösung in höherem Grad, und zwar von Hungerherzen in viel höherem Grad eintritt bei Gegenwart von 0,1°/o Natrium- 1) Burridge, Quarterly journ. of physiol. vol. 5 p. 357. 1912. 2) Sakai, Zeitschr. f. Biologie Bd. 64 S. 527. 1914. 3) Man hat wiederholt bei Hungertieren eine relative Anreicherung an Asche festgestellt. (Vgl. Lipschütz, Zur allgem. Physiologie des Hungers. Vieweg, Braunschweig 1915.) y Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 170. 45 694 | 0. Loewi: karbonat als bei Gegenwart von 0,01 °/o Natriumbikarbonat. Dieser Unterschied zeigt sich stark nur zu Beginn der Versuche; all- mählich klingt er ab und gleicht sich schliesslich aus. In Ringer- Lösung zeigt sich ein Unterschied in der Wirkung verschiedenen Bikarbonatgehaltes nicht. _ In Analogie zu den bekannten Wirkungen der Alkalien wurde die Annahme gemacht, dass mindestens eine Ursache der besseren Wirkung von 0,1°%oigem Natriumbikarbonat darin liegt, dass die Herzen in nicht neutralisiertem Zustand in den Versuch kommen und 0,1°/oiges Natriumbikarbonat stärker neutralisiert als 0,01 /oiges Natriumbikarbonat. In der Tat konnte nachgewiesen werden: 1. Die Selbsterholung eines mit Säure vorbehandelten Herzens vollzieht sich besser in 0,1°/oigem als in 0,01 °/oigem Natrium- bikarbonat (Frklärung der besseren Erholung in 0,1" igem Natriumbikarbonat). 2. Nach vorgängiger Säurung sind die Pulse in NaCl I viel grösser als in der gleichen Lösung ohne vorgängige Säurung; das Herz wird durch Säurung alkaliüberempfindlich (Erklärung der absoluten Grösse der Pulse bei Hungerfröschen in 0,1°/oiger natriumbikarbonathaltiger NaCl-Lösung). 3. Säure setzt die Empfindlichkeit des Herzens gegen Caleium herab. Diese Wirkung wird bei geringer Säurung durch den hohen Caleiumgehalt der Ringer-Lösung verdeckt, sie äussert sich nur bei geringem Caleiumgehalt der Füllung (Er- klärung, weshalb kein Unterschied der Pulsgrösse einerseits in bikarbonatfreiem, andererseits in bikarbonathaltigem Ringer, ein grosser aber einerseits in bikarbonatfreier; andererseits in 0,01- oder 0,1°/oiger bikarbonathaltiger ealeiumfreier oder -armer NaCl-Lösung existiert). Diese Befunde genügen zur Erklärung der Ausgangsbeobachtung. ‚Vielleicht sind bei dieser aber auch noch andere Momente im Spiel. Bei der Prüfung dieser Möglichkeit ergaben sich schon bisher Tat- sachen, die auch für die Kenntnis der allgemeinen Physiologie des Herzens bedeutsam sein dürften; so hat sich gezeigt, dass die Alkalien wesentlich dadurch, dass sie neutralisieren, physiologische Bedeutung haben, und zwar liegt die Bedeutung der Neutralisation wie die der Anwesen- Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzur. Kationenspeisung. I, 695 heit einer gewissen Menge jener alkohol-ätherlös- liehen Substanzen, die das Herz bei Durchspülung abgibt, darin, dass beide Faktoren notwendige Vor- bedingungen für die normale Caleiumempfindlichkeit des Herzens darstellen. Fine für Caleium sensibili- sierende Wirkung kommt weder den Alkalien über. die neutralisierende Konzentration, noch den alko- hol-ätherlöslichen Substanzen über die im frischen Herzen gesehene Menge hinaus zu. An die Mitarbeiter und Leser von Pflüger’s Archiv. Mit dem 171. Bande geht Pflüger’s Archiv in die Hände eines anderen Verlegers über. ‚Bei dieser Gelegenheit haben sich Mei- nunesverschiedenheiten über die Art der Fortführung des Archivs zwischen dem neuen Verleger und mir ergeben, welche mich und meinen bisherigen Mitherausgeber, Herrn Professor Schöndorff, ver- anlassen, die Redaktion mit dem Schluss dieses Bandes niederzulegen. Wir verabschieden uns daher mit diesem Hefte von unseren bis- herigen Mitarbeitern und Abonnenten, denen wir bei dieser Gelegen- ‚ heit unseren wärmsten Dank für ihre langjährige Unterstützung des Archivs zum Ausdruck bringen möchten, und bitten zugleich, die Manuskriptsendungen und Briefe in Zukunft nicht mehr an uns nach Bonn richten zu wollen. Hochachtungsvoll Max Verworn. Die neuen Herausgeber sind die Herren Geheimrat Professor Dr. E. Abderhalden in Halle a. d. Saale, Geheimrat Professor Dr. A. Bethe in Frankfurt a. Main und Professor Dr. R. Höber in Kiel. Den Verlag hat die Firma Julius Springer in Berlin W 9 übernommen. Nähere Mitteilungen an die Herren Mitarbeiter und Leser folgen im ersten Heft des 171. Bandes. Die Verlagsbuchhandlung. Pflüger's Archiv fd ges Physi =, Bd 170 im Figd in bp comes. mc nern ame nern tem 1 uhr ea ii DEE a ik Ungar. Esculenta ogen Oktober 1915. Versuch 6. IV. 13916 t Ringer lösung INa DIT. (Nac $ Na CI L (Na Ci mit ) Waren die Pulse der N. was höher als die der Na Ci II Periode Ungar. Esculenta.: bezogen März 1914. Versuch 12. XI. 1915 ARE. YNallI. {NaClI Ungar. Esculenta FRI RN Ungar Esculenta ogen 197 ar RU Aa ANaclI Ungar Eseulenra Bezogen Ortaher 1915. Versuch 18.V 1916. 9 vor Periode I 1Stunde RT. ANaC/I {NaCl I Verlag v Martin Hager. Ban Zwischen Periode IT und IT 1 Stunde R (Ringer ohne Bicarbonat) Pflüger’s Archiv f.d ges Fl ie, Bd 170 IRZ YNacl DT $NaC! T Tio'R+ ACı 1/1 Million NN, Il tazya Her tk Alle nach 10' Einwirkung 4 ı EN a : Nat, AR VRsCalis 002%) RU tNacII ER+HLI (9500007) en 1° eingefüllte Na C/ I Lösu 7 3 len im Herzen bei A- entnommen n der zweiten Periode bei Ar staff Na CI I wieder eı ÄR+Ca (i5.0,02%)+H 01 (1/500007) “ '. . * “ Kr # 5 # . « » % % AR . et 2° SSR ee : : BESSER RER x ® 4 N 2 Eae SE ar 3 RE .. a. . ..+ “00% ya ® ° LE DA EN Y 2 nt ae s RR .. = > R int ged hy te 2 * Ta 2er 2 “: ra * HIRFFNKK A e. . ”.# N) » I SEN es RR = A ... 2% N RAR x “er x A .. 2 ae ”* 2 #08: 4 LAN A) “2aa: 76) ” ” #“ ” »” “ u. « ..... DIE DE a 5 EN “ “nn. ee ” CHE 6% ni + # “n “ * . ”-“on 4 “ie im “ e } + .. re 20% .. BETRIEBE x \ . ae KHRE 2 ö * ‘ 200% x * . rs x hu * * « ® ® .“s .n. « ner. * er ” nu BER ? ei Re ” ... 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