m ne EHE SE ae Fan [EFE * 2 > E a re - er Tan, Is! N en ” ” » N x BELMPLRNLDERFIDL NED] ABSLAIHLASGHT OLD TLELN R En Hr, I Oo | Dhrchechih y „* ARLEChNIP HR Apasgh SH an vie ie, “ ers & #r$) SR Me he x jet, % “ NR + eig RR UNTER « ) I eh ri srl» ° CN % 08 INNEN, EIERN BruBIeLerhdE NR ik kelerke “ N zen: ar PFLÜGER® ARCHIV # FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A. 8. FRANKFURT A. M. KIEL 173. BAND MIT 122 TEXTABBILDUNGEN UND 3 TAFELN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1919 Inhaltsverzeiehnis. Sand, Knud. Experimenteller Hermaphroditismus . ... 2.2 22.2... le Heux, Dr. J. W. Cholin als Hormon der Darmbewegung. (Mit 8 Text- Obbilduneem)e N a N ee ee Zwaardemaker, Prof. Dr. H. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. Wirgelakextabbildungen)e ne. uns ae en ee de Boer, Dr. $. Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung auf die Form des Kammerelektrogramms. (Mit 21 Textabbildungen) . . Szymanski, Dr. J. S. Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Ge- wohnheiten bei den Tieren. (Mit 8 Textabbildungen). ........ Lieb, H. und Loewi, 0. Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. III. Mitteilung. (uantitative mikro- analytische Untersuchungen über die Ursache der Calciumabgabe von SettengdesgHlerzense u 2 un. Hürthle, Prof. Dr. K. Uber die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Ge- setzes auf den Blutstrom. (Mit 1 Textabbildung). . ......... Schleier, cand. med. Josef. Der Energieverbrauch in der Blutbahn. (Mit AuNextalkildunven)e 20 an a N a ER Maschke, Konrad. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blut- druckes Tonusschwankungen der Gefässe beteiligt? (Mit 2 Text- Sp oldunsen) a ee N a Re Kisch, Dr. Bruno. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex Hess, Prof. Dr. W. R. Untersuchungen über den Antrieb des Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. (Mit Tafel I und 2 Textabbildungen) Schiefferdecker, Prof. Dr. P. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen und einiger Säugetiere in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse nebst einer Korrektur meiner Herzarbeit (1916). (Mit DowRextabbildungen) Ma Due ar a Herzfeld, E. und Klinger, R. Worauf beruht die scheinbare Undurch- lassiokeitiderBungestür Ammoniale2ı 3. le an Basler, Prof. Dr. Adolf. Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. III. Mitteilung. Ein Apparat zur Messung des Blutdruckes in den Kapillarschlingen der Cutispapillen. DIR extahbildungen). gr. as Sea Da a Willer, Dr. phil. et med. A. Versuche über die Dauer der postmortalen Er- regbarkeit der Muskulatur verschiedener Fischarten bei Sauerstoffmangel. VEgAnhextabbilänngen)gens, u 2 ee usin. Romeis, Dr. Benno. Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung innersekretorischer Organe. VI. Mitteilung. Weitere Versuche über den Einfluss von Fett- und Lipoidsubstanzen sowie von enteiweissten Ex- trakten der Schilddrüse auf Entwicklung und Wachstum. (Mit 12 Tabellen, 4 Kurven, 16 Textabbildungen und Tafel I und IN) ......... Autorenverzeichnis 400 wirt LK Experimenteller Hermaphroditismus. (Vorläufige Mitteilung.) Von Knud Sand. (Aus dem Institut für gerichtliche Medizin der Universität Kopenhagen.) In. den Jahren 1911—13!) veröffentlichte Steinach seine genialen Versuche über die Umstimmung des Geschlechtscharakters bei Säuge- tieren durch Austausch der Pubertätsdrüsen. — Ende 1916?) berichtet er von neuen Versuchen, in denen es ihm gelungen ist, durch gleich- zeitige subkutane Transplantation von Gonaden beider Art an dem- selben infantilen kastrierten männlichen Tiere ein in somatischer und psychischer Beziehung hermaphroditisches Tier herzustellen. Das Versuchstier wies im Falle eines Einwachsens beider Organe eine Entwicklung sowohl der homologen als der heterologen somatischen und psychischen Charaktere auf; der psychische Charakter war peri- odisch entweder männlich oder weiblich. Ich werde hier auf Steinach’s epochemachende Arbeit, die mir der zurzeit erschwerten Bibliotheksverhältnisse wegen erst neuer- dings zugänglich wurde, nicht näher eingehen. Zu einer experimentellen Arbeit über verschiedene Geschlechts- probleme, die ich im Sommer 1914 in gegenwärtigem Institut in An- griff nahm, gehörten unter anderem Versuche wie die Steinach’schen über Umwandlung des Geschlechtscharakters; zugleich geriet ich bereits im Herbst 1914 durch simultane Anwendung sowohl männlicher als weiblicher Gonaden an demselben Organismus auf die Untersuchung der Frage von der etwaigen Immunität der Organismen der hetero- logen Keimdrüse gegenüber, ferner der Frage von dem bereits von Herbst?) vermuteten, von Steinach beobachteten Antagonismus 3 1) Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 Nr. 17. 1911 u. Bd. 27 Nr. 14. 1913. — Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 144. 1912. '2) Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. 42. 14. November 1916. 3) Formative Reizung in der tierischen Ontogenese. 1901. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 1 2) Knud Sand: der Gonaden und schliesslich auf die spezielle Absicht, die moderne Auffassung des Hermaphroditismus und abnormer Sexualzustände durch experimentelle Herstellung von Hermaphroditen zu beleuchten. Da ich namentlich durch die Hermaphroditismenversuche, die also ganz unabhängig von Steinach stattfanden, zu Resultaten kam, die teils mit denen von Steinach übereinstimmen, teils dieselben verschiedentlich ergänzen, und da meine Arbeit äusserer Umstände halber vorläufig nieht in toto veröffentlicht werden kann, fühle ich mich veranlasst, einige der wichtigsten meiner Ergebnisse mitzuteilen. Meine Versuchstiere waren Meerschweinchen und Ratten. J. Transplantationsversuche. Hier konnte ich unter anderem in der Hauptsache Steinach’s Befunde bestätigen sowohl in betreff der Maskulierung als in betreff der Feminierung der Tiere. Zur Maskulierung der Tiere habe ich hinzuzufügen, dass ich von Anfang an speziell darauf aufmerksam war, ob es möglich sein sollte, bei den Tieren eine somatische Reaktion hervorzurufen, die der Mammahypertrophie der feminierten Tiere entspräche; es lag nahe, an eine etwaige Hypertrophie der Clitoris zu denken, eine von Steinach nicht erwähnte. Erscheinung. In einer Reihe von Fällen gelang es mir nun wirklich durch Maskulierungsversuche (an Ratten), eine unzweifelhafte Hyper- trophie der sonst ganz rudimentären, zwischen den Hautfalten ver- borgenen Glitoris hervorzurufen, und zwar eine so hoch- gradige, dass das Organ sich bei den in psychischer Beziehung aus- gesprochen männlich transformierten Tieren spontan wie ein 4—5 mm langer, turgeszenter, intens blutangefüllter „Peniculus“ hervorstülpte. Ich hatte hier eine zuverlässige, zu einem frühen Zeitpunkt beobachtbare somatische Reaktion auf die Maskulierung weiblicher Tiere vor mir, der Mamma- hypertrophie der feminierten männlichen Tiere ent- sprechend. Die mikroskopische Untersuchung der Transplantate ergab stark vermehrte Leydig-Zellen zwischen atrophischen Tubulis. — Im Journal of Physiology (September 1917) sehe ich neuer- dinss, dass Lipschütz von einer ähnlichen Beobachtung an masku- lierten Meerschweinchen berichtet. Experimenteller Hermaphroditismus. 3 II. Versuche über experimentellen Hermaphroditismus. Steinach machte (1912) darauf aufmerksam, dass die Kastration des Versuchstieres eine conditio sine qua non sei für die Einheilung und Wirkung der heterologen Gonaden. Widrigenfalls gehe das Trans- plantat zugrunde. Diese Beobachtung kann ich im grossen ganzen bestätigen. Steinach fasst dies Verhältnis als einen Antagonismus zwischen den Sexualhormonen auf. Wahrscheinlicher wäre vielleicht die Annahme einer Immunität des nichtkastrierten Organismus dem heterologen Geschlechtsdrüsen- transplantat gegenüber, und zwar ohne Antizipation der Art dieser Immunität, ob es etwa die Gonaden sind, die durch die zirkulierenden Hormone deletär auf das Transplantat wirken. Zur Untersuchung dieser Fragen stellte ich verschiedene Ver- suche an. ; A. Um beide Gonaden unter dieselben Anfangsbedingungen zu bringen, unternahm ich eine simultane Transplantation eines Testis und eines Ovariumsan demselben kastrierten infantilen Tiere. Dadurch beabsichtigte ich das „Übergewicht“ zu vermeiden, das die homologe Gonade bei heterologer Transplantation an einem nichtkastrierten Tiere in betreff des Vermögens haben möchte, vielleicht auf ein solches Transplantat wirken zu können. Ein einzelnes positives Resultat soll kurz referiert werden. Meerschweinchen a: Am 17. August 1916 im Alter von 3 Wochen kastriert; darauf wurde einer der Testes und ein konsanguines Ovarium in subperitoneale Pochen transplantiert. Nach 2 Monaten (31. Oktober) war der Penis teilweise entwickelt, und es lag eine starke Hypertrophie der Mammae vor, aus deren turgeszenten, stark pig- mentierten Papillen sich normale Milch herausdrücken liess. Nach 3 Monaten (16. November): Penis 0,6 cm (normal etwa 1 em); Basisbreite der Vesiculae seminales 0,4 cm (normal), strotzend voll von Sekret; Mammae wie beschrieben, also stark hypertrophisch; die Papille misst 0,6 cm (normal 0,1 cm); es lässt sich natürliche Milch (Mikroskopie) herausdrücken und findet sich ein reichliches Drüsen- gewebe. Dieser somatische Hermaphroditismus war mit einem aus- gesprochenen Bisexualismus des psychosexuellen Charakters verbunden, indem das Tier bei Versuchen sogar im Laufe ein und derselben Stunde momentane Wechsel von weiblichem zu ausgesprochen männ- 18 4 Knud Sand: lichem Charakter aufwies, je nach den Tieren (Männchen, neugeborenen Jungen, Weibchen), mit denen es zusammengebracht wurde. Befunde in den gut eingewachsenen Transplantaten: Testes: enorme Entwickelung von Leydig-Zellen zwischen atrophischen Tubulis; Ovarium: zahlreiche reife Follikel und etwas interstitielles Drüsengewebe; Mamma (Mikroskopie): reichliches Drüsengewebe nahe- zu desselben Typus wie in einer puerperalen Mamma. Das Tier war somit ein unzweifelhaftes Beispiel eines in somatischer und in psychischer Beziehung experimentellen Hermaphroditen. Ich kam also, unabhängig von Steinach, zu dem Re- sultat, dass es dureh simultane Transplantation männ- licher und weiblicher Geschlechtsdrüsen an einem infantilen Säugetier möglich ist, einen artifiziellen Hermaphroditen herzustellen. B. Herstellung von experimentellem Hermaphroditis- mus durch Bildung artifizieller Ovotestes. Steinach teilt mit, dass es ihm durch Lagerung der Trans- plantate direkt aneinander gelungen ist, deren Zusammenwachsen zu- einem Ganzen zu erzielen. Ich benutzte bereits November 1914 eine direkte Herstellung von Ovotestes, indem ich die Ovarien bei spezieller Technik mitten in den Testes anbrachte und diese im übrigen in ihrer normalen Lage verbleiben liess. & Es handelte sich kurz um: Intratestikuläre Ovarien- transplantatiönen. In Versuchen an Ratten gelang es mir in der Weise, künstliche Ovotestes herzustellen. Ich fand sowohl am ausgewachsenen als am infantilen Tiere nach etwa viermonatiger Observation das Follikel, interstitielle Drüse und Corpora lutea enthaltende Ovarium mitten in Testisgewebe mit voll- kommener Spermatogenese und normalen Leydig-Zellen liegen. Dadurch war dargetan: 1. dass das Ovarium sogar verhältnismässig leicht in das Testis- gewebe selbst hineinwächst, sich hier weiterentwickelt und Corpora lutea bilden kann; 2. dass auch der Testis, obschon die heterologe Gonade mitten in demselben liest und durch seine Substanz hindurch ernährt Experimenteller Hermaphroditismus. 5 wird, sich doch zu vollkommener Spermatogenese weiterentwickeln kann, und 3. dass es also möglich ist, hermaphroditische Geschleehtsdrüsen, Ovotestes, künstlich herzustellen, und dass die beiden Gonaden ver- schiedenen Geschlechts leicht in der innigsten Gemeinschaft gedeihen, ohne einander — von der traumatischen Beschädigung abgesehen — zu benachteiligen. Diese Versuche an Ratten veranschaulichten, wegen des Mangels der männlichen Ratten an Mammaanlage, nicht mit Sicherheit die Wirkung der artifiziellen Ovotestes auf die akzidentiellen Geschlechts- charaktere, wenn die Tiere auch psychosexuell etwas wechselnde Er- scheinungen aufwiesen. Leider ist die Technik dieser Versuche an Meersehweinehen überaus schwierie, da die Testes dieser infantilen Tiere weit kleiner sind als die der Ratten. Da aber das Einwachsen des Ovariums an letzteren so gut gelungen war und in der Hoffnung, dass ein positives Einheilen an Meerschweinchen deutlich beobacht- bare Doppeltreaktionen abgeben würde, stellte ich auch an Meer- schweinehen einige Versuche an, die sofort ein positives Resultat ergaben. Es mag hier folgender Fail referiert werden. Meerschweinchen b: An dem 1 Monat alten Tier fand zu beiden Seiten intratestikuläre Ovarientransplantation statt. Nach 1 Monat be- sannen sowohl Penis als Mammapapillen an Grösse zuzunehmen, letztere jedoch am meisten. Als das Tier 3 Monate nach dem Eingriff obduziert wurde, war der Penis 0,6 cm lang (d. h. nicht ganz so gross wie der des normalen Kontrolltieres); es fanden sich recht wohlentwickelte sekret- haltige Vesiculae seminales von 0,3 cm Basisbreite, aber doch ein wenig kleiner als die des normalen Kontrolltieres (Basisbreite 0,4 cm). Gleich- zeitig wiesen die Papillen eine kolossale Hypertrophie auf, waren gross und strotzend, intense pigmentiert mit breiter Areola; es liess sich normale Milch herauspressen. Psychosexuell hatte das Tier unzweifelhaften Bisexualismus auf- gewiesen. Bei der Sektion lagen beide Testes adhärent zueinander im Ab- domen, d. h. es war zugleich ein kryptorcher Zustand hergestellt. Die mikroskopische Untersuchung (Serienschnitte) ergab, dass beide Organe in Ovotestes umgewandelt worden waren mit zentral gelegenem, gut eingeheiltem Ovarium, das mehrere reife Follikel und reichliches interstitielles Drüsengewebe in intimem Kontakt mit dem Testisgewebe enthielt, welch letzteres ein infantiles Bild darbot (Kryptorchismus!). Die Mamma wies dasselbe Bild auf wie bei Meerschweinchen a, war also von puerperalem Typus. 6 Knud Sand: Dieser Versuch liefert also einen neuen Beweis davon, dass das Ovarium mitten in dem Testis gute Existenzbedingungen findet, und dass dieGonadenalso nicht direkt deletär aufeinander wirken, zugleich aber auch davon, dass die Bildung von Ovotestes durch intratestikuläre Ovarientransplantation es ermöglicht, ein in somatischer und psychischer Beziehung herma- phroditisches Tier herzustellen. Ich werde hier nicht näher auf alle die Betrachtungen eingehen, zu denen die im vorhergehenden berührten Erscheinungen auffordern möchten, nicht zum wenigsten ‘als biologische Grundlage einer Be- urteilung hermaphroditischer und sonstiger abnormer Sexualzustände; in der Hauptsache kann ich hier den von Steinach ausgesprochenen und von Hirschfeld!) anerkannten Ansichten beipflichten. Ich habe nur hinzuzufügen, dass ich durch zahlreiche andere Ver- suche, namentlich Ovarientransplantationen an Ratten, zu dem Resultat kam, dass Auto- und homologe Isotransplantationen = Homoio- transplantationen) besser gelangen als Transplantationen an kastrierten Männchen; an diesen wiesen die Ovarien ein geringeres Wachstum und — wie auch von Steinach hervorgehoben — mehr Neigung zu Atresie auf. Ganz besonders muss ich aber hervorheben, dass eine Corpus-luteum-Entwicklung bei diesen Tieren sehr selten war. An nicht kastrierten Tieren gelang auch mir eine wirkliche Ein- heilung der heterologen Gonade nie, wohingegen, wie gesagt, ein positives Resultat vorlag, wenn die Gonaden durch simultane Trans- plantation an demselben Tiere oder durch die mittels Herstellung von Ovotestes erzielte innige Gemeinschaft sofort unter einigermaassen dieselben Bedingungen gebracht wurden. Diese Erscheinungen deuten, meiner Ansicht nach, weniger auf einen eigentlichen Antagonismus, d. h. eine gegenseitig entgegen- gesetzte Beeinflussung, als auf eine Art Immunität des normalen Organismus gegenüber der heterologen Geschlechtsdrüse. Diese Immunität wäre vielleicht als eine „atreptische Im- munität“ aufzufassen, die sich etwa folgendermassen erklären liesse: In jedem Organismus finden sich gewisse für die Geschlechtsdrüsen not- wendige Stoffe, die diese in möglichst weitem Umfang an sich ziehen. 1) Zeitschr. f. Sexualwissenschaft 1917. 5 Experimenteller Hermaphroditismus. 7 Die normal gelagerten, nicht transplantierten Gonaden haben die besten Aussichten, diese Stoffe aufnehmen zu können, weshalb heterologe (vielleicht auch homologe) an normalen Organismen. transplantierte Gonaden nicht genug von diesen Stoffen bekommen können und daher zugrunde gehen. Homologe und heterologe gleichzeitig an demselben Organismus transplantierte Gonaden können beide einwachsen, da sich ihnen einigermassen die gleiche Möglichkeit darbietet, der Stoffe habhaft zu werden. _ Auch die von mir nachgewiesene Erscheinung, dass Ovarien bei Transplantation in die Testes hinein daselbst gute Entwicklungsmöglich- keiten finden, lässt sich wahrscheinlich durch eine derartige Theorie erklären, indem die für die Gonaden notwendigen Stoffe des normalen männlichen Organismus vielleicht eben in den Testes „magaziniert“ sind und somit in künstlichen Ovotestes von beiderlei Gonaden ver- wertet werden können. s Kopennagen, im Februar 1918. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Cholin als Hormon der Darmbewegung!). Von Dr. 3. W. le Heux, Assistent des Instituts, (Mit 8 Textabbildungen.) 1; Weiland?) hat aus dem hiesigen Institut im Jahre 1912 eine Arbeit „Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung“ veröffentlicht, in weleher er den merkwürdigen Befund mitteilte, dass, wenn man verschiedene Teile des Magendarmkanales (Magen, Dünndarm und Diekdarm) verschiedener Tiere (Kaninchen, Katze, Hund) nach ge- nügender Reinigung in Wasser oder Tyrode-Lösung von 38° C. bringt, die Flüssigkeit nach einiger Zeit die Eigenschaft bekommt, die Be- wegungen des überlebenden Dünndarms der genannten Tierarten be- trächtlich zu verstärken. Die Wirkung dieser wässerigen „Extrakte“ auf den überlebenden Dünndarm, die nicht artspezifisch ist, äussert sich entweder in einer Vergrösserung der Pendelbewegungen oder in Tonuszunahme oder in beiden zugleich; eine Wirkung, die der des Pilocarpins gleicht und ebenso wie diese durch kleine Dosen Atropin antagonistisch auf- gehoben werden kann. ° Auf gleiche Weise hergestellte Extrakte anderer Organe wirkten schwächer und inkonstant auf den Darm. Fortgesetzte Untersuchungen lehrten Weiland, dass der wirksame Bestandteil dieser „Extrakte“ kochbeständig ist. Nach Kochen, Filtrieren und Eindampfen der wässerigen Lösung ist der dunkel- 1) Vorläufige Mitteilung: Over den aard van het bestanddeel van Darm- extracten, dat een prikkelenden invloed op de maagdarmbewegingen uitoefent. — K. Akademie v. Wetenschappen te Amsterdam. Verslag vergadering wis-en natuurk. afd. van 29. September 1917. XXVI p. 741. 2) Weiland, Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 171. 1912. Cholin als Hormon der Darmbewegung. 9 sefärbte Rückstand ebenso wirksam als das ursprüngliche Extrakt. Das auf dem Wasserbade zur Trockne eingedampfte Extrakt konnte weiter durch Ausziehen mit absolutem Alkohol gereinigt werden. Dieser wurde filtriert, das Filtrat von neuem eingedampft und darauf der Rückstand mit Äther extrahiert. Von der abfiltrierten klaren ätherischen Lösung wurde der Äther verjagt und der Rückstand in Wasser oder Tyrode’scher Flüssigkeit gelöst. Auf diese Weise bekam Weiland eine Lösung, welche beinahe quantitativ die ursprüngliche Menge der wirksamen Substanz enthielt. Dieselbe reagierte gegenüber Lackmus deutlich alkalisch, enthielt nur geringe Mengen Stickstoff, gab keine Millon’sche und nur eine sehr schwache Biuretreaktion. Phosphorwolframsäure und Phosphor- molybdänsäure gaben einen kräftigen weissen Niederschlag, Platin- chlorid nur eine geringe Fällung. Kein Niederschlag entstand mit Kaliumquecksilberjodid, Kaliumbismutjodid, Kaliumperjodid, konzen- trierter Sublimatlösung und Pikrinsäure. In Aceton war die wirksame Substanz unlöslich. Ihre Reindarstellung ist Weiland seinerzeit nicht gelungen. Die auf die angegebene Weise gereinisten Extrakte waren nicht nur auf den überlebenden isolierten Dünndarm wirksam, sondern auch am intakten Tier. Bei intravenöser Einspritzung bei Katzen und Kaninchen trat eine durch die Bauchdecken sichtbare Peristaltik auf. Nach täglich wiederholter intravenöser Einspritzung beim Kaninchen erfoleten nach einigen Tagen Durchfälle ohne Störungen des Allgemein-. befindens. Bei Röntgenversuchen an Katzen sieht man nach intravenöser Einspritzung Verstärkung der Magenperistaltik und hochgradige Er- resung der Dünndarmbewegung, während ein Einfluss auf den Dick- darm nicht zu bestehen scheint. | Weiland macht darauf aufmerksam, dass sein Befund, dass die Darmwand selbst eine Substanz enthält, welche die Darmbewegungen errest, es wahrscheinlich macht, dass wir für die automatische Be- wegung des Darms eine chemische Ursache anzunehmen haben. Bei der Bedeutung dieses Befundes unternahm ich es, den wirk- samen Bestandteil der Darmextrakte rein darzustellen und seine chemische Struktur zu bestimmen. Über das Ergebnis soll in folgendem berichtet werden. Ich bin dabei in der Weise vorgegangen, dass ich die Wirksam- keit der ursprünglich aus dem Darm erhaltenen Lösung am isolierten 10 J. W. le Heux: Kaninchendünndarm in 50 cem Tyrode-Lösung bei 38° C. quan- titativ bestimmte, indem ich die Lösung so lange verdünnte, bis gerade eine Grenzreaktion auftrat. Bei der chemischen Verarbeitung der Lösung liess sich dann Schritt für Schritt feststellen, in welche Fraktion und in welcher Menge der wirksame Bestandteil überging, ob er zer- setzt wurde und dergleichen mehr. Anfänglich bereitete ich die Lösungen aus Katzendünndarm. In diesen und allen folgenden Versuchen wurde niemals die Darmwand zerhackt und extrahiert, sondern stets nach dem Vorgang von Weiland nur dasjenige weiterverarbeitet, was von der Serosaseite des Dünn- darms aus in Wasser oder Salzlösung diffundierte; auf diese Weise war bereits die zu verarbeitende Ausgangslösung verhältnismässig arm an Verunreinigungen. Der in Äthernarkose durch Nackenschlag getöteten Katze wurde sofort der Dünndarm entnommen und in einer Schale mit körperwarmer Tyrode-Lösung zweimal mit Tyrode-Lösung und dann noch mit einem kräftigen Wasserstrahl durchgespritzt, an beiden Enden zugebunden, von aussen mit Tyrode-Lösung sorgfältig abgespült und darauf in etwa 100 ccm destilliertem Wasser von 38° C. so aufgehängt, dass die Darm- enden nicht untertauchten. Nach 1 Stunde wurde die etwas opali- sierende, wenig gefärbte Flüssigkeit abgegossen, auf ein Volum von 30 ccm eingedampft, filtriert und das Filtrat in einem Porzellanschälchen auf dem Wasserbade getrocknet. Der braune Rückstand wurde darauf mit warmem absoluten Alkohol ausgezogen, der Auszug filtriert und zur Trockne eingedampft; der Rückstand mit Äther ausgezogen. Dann wurde abfiltriert, der Äther verjagt und der Rückstand in Wasser auf- genommen. Die so bereiteten und gereinigten Extrakte enthielten meistens, wie die Wertbestimmungen am isolierten Dünndarm zeigten, den gesuchten wirksamen Bestandteil. Beim Fortgang der Versuche stellte sich heraus, dass beim Verarbeiten grösserer Mengen der Alkohol nur langsam und unvollständig den wirksamen Stoff aus dem zähen Rückstand der wässe- rigen Lösung auszieht. Daher wurde diese auf reinem Quarzsand zur Trockne gedampft und mehrere Stunden im Extraktionsapparat mit - Alkohol ausgezogen. Von der so erhaltenen dunkelgefärbten Lösung wurde der Alkohol abdestilliert, der Rückstand im Vakuum über Schwefel- säure getrocknet und darauf mit viel Äther extrahiert. Hierbei stellte sich heraus, dass der wirksame Bestandteil in den Äther nur unvollständig überging, besonders wenn, wie in späteren Ver- suchen, eine Reinigung mit Aceton vorangegangen war. In grösseren Äthermengen löste sich nur wenig, in kleinen fast gar nichts auf. Daher wurde davon abgesehen, ein ätherisches Extrakt zu erhalten, vielmehr der Rückstand der alkoholischen Lösung nur mit wenig Äther gewaschen. Der Rückstand wurde dann in wenig Wasser aufgenommen und folgender- maassen weiter behandelt. Cholin als Hormon der Darmbewegung. 11 Es wurde 5 °o Schwefelsäure zugesetzt und darauf mit konzen- trierter Phosphorwolframsäurelösung ein reichlicher weisser Niederschlag ausgefällt,;, dieser wurde abgesogen, gewaschen und mit Barytwasser zersetzt. Das Filtrat wurde durch Baryt von Phosphorwolframsäure befreit und die so erhaltenen Lösungen auf ihre Wirksamkeit am über- lebenden Kaninchendünndarm untersucht. Hierbei ergab sich, dass, wenn in geringen Flüssigkeitsmengen und mit konzentrierter Phosphorwolframsäurelösung gearbeitet wurde, un- sefähr 80—90 °/o des wirksamen Bestandteiles niedergeschlagen war. In dieser Lösung entstand durch Silbernitrat oder Silbernitrat mit Baryt nur ein geringer Niederschlag, der im allgemeinen keine darmerregende Substanz enthielt; das Filtrat von diesen Niederschlägen war jedoch nicht mehr von derselben Wirksamkeit auf den Darm wie vorher; es hatte ein Verlust stattgefunden. - Wurde dieses Filtrat nach Entfernung von Spuren Silbersalz und Baryt eingedampft und danach mehrmals mit wenig absolutem Alkohol ausgezogen, dann liess sich durch alkoholische Sublimatlösung ein weisser Niederschlag hervorrufen, der den wirksamen Bestandteil, wenn auch nicht vollständig, enthielt. Es glückte nicht, durch Ausziehen dieses Niederschlages mit kochendem Wasser und Ein- engen der Lösung ein reines Quecksilbersalz abzuscheiden. In der alkoholischen Lösung liess sich ebenso wie mit Sublimat auch mit Platin- chlorid ein Niederschlag erzeugen, .der die Hauptmenge der wirksamen Substanz enthielt und sich schon in kleinen Mengen Wassers löste. Nach Einengen der Lösung oder Zusatz von Alkohol liess sich jedoch kein reiner Körper abscheiden. Nach Zersetzen der Platinverbindung mit Schwefelwasserstoff bildeten sich auf Zusatz von Goldchloridlösung nur wenige Kristalle, die sehr unscharf bei 210— 215° C. schmolzen. Auch bei Verarbeiten von grösseren Mengen von Ausgangsmaterial glückte es auf diese Weise nicht, die gesuchte Substanz oder eine ihrer Verbindungen im reinen Zustand zu isolieren. Die Menge des Gold- salzes war stets sehr gering und enthielt nur einen Teil des wirksamen Prinzipes des ursprünglichen Darmextraktes. Ein Versuch, um grössere Materialmengen aus Schweine- oder Rinderdärmen zu bekommen, lieferte gut wirksame Extrakte, bot aber im übrigen keinen Vorteil. Da durch die oben beschriebene Arbeitsweise die Wirksamkeit zum grossen Teil verloren ging, versuchte ich, die Lösungen durch Extraktion mit verschiedenen leicht zu entfernenden Lösungsmitteln zu reinigen. Zu diesem Zwecke wurde die Flüssigkeit von 5 Katzen- dünndärmen getrocknet, mit Alkohol extrahiert und nach Verjagen des Alkohols der Rückstand nacheinander mit Äther und Chloroform ausgezogen. Der Rückstand wurde mit etwas Eisessig behandelt; nach Abdampfen dieser Lösung wurde der Rückstand in 5 cem Tyrode- Flüssigkeit gelöst und die Wirksamkeit hiervon bestimmt. Es stellte sich heraus, dass nach der Behandlung mit Eis- essig die Wirksamkeit sehr beträchtlich zugenommen 12 J. W. le Heux: hatte. Diese Tatsache bestätigte sich bei allen späteren Unter- suchungen. Durch Erhitzen mit Essigsäure oder noch besser mit Essigsäureanhydrid steigt die Wirksamkeit der Lösungen. sehr be- trächtlich, manchmal bis auf das 500 fache. Beispielsweise besass in einem Falle die Ausgangslösung eine Wirksamkeit, dass Yıo—!/ı2 der Gesamtmenge die Grenzreaktion hervorrief, während nach Aze- tylieren !/5000 genügte. Beim weiteren Fortgang meiner Arbeit benutzte ich diese Eigen- schaft der Extrakte, um festzustellen, inwieweit die verschiedenen Niederschläge und Filtrate- noch einen Teil des wirksamen Bestand- teils enthielten. Diese starke Zunahme der Wirksamkeit nacn Aze- tylieren imZusammenhangmit der Eigenschaft des ge- suchten Körpers, mit Phosphorwolframsäure und mit Sublimat und Platinchlorid in alkoholischer Lösung Niederschlägezugeben, machtenessehr wahrscheinlich, dass das wirksame Prinzip Cholin oder eine'hiermit analoge Verbindung sei. Denn nach den Untersuchungen von Hunt und Taveau, Dale!) und anderen wird die physiologische Wirksamkeit von Cholin durch Azetylieren beträchtlich verstärkt. Ich habe daher untersucht, ob auch die Darmwirkung des Cholins durch Azetylieren verstärkt wird, was tatsächlich der Fall ist. Inzwischen haben Guggenheim und Löffler?) dieselbe Beobachtung mitgeteilt. Die weitere Untersuehung wurde nur durch den Plan bestimmt, zu ermitteln, ob die Wirksamkeit der Darmextrakte ganz oder zum erössten Teil auf Cholin beruht, und ob es gelingt, dasselbe in chemisch reiner Form aus den Extrakten zu isolieren. Allerdings glückte es nicht, aus Extrakten- von Katzendünndärmen chemisch 1) Reid Hunt and R. de M. Taveau, The effect of a number of derivates of choline and analogous compounds on the bloodpressure. Bull. N. 73. Hygenic Laboratory, U. S. Public Health and Marine-Hospital Service. Washington 1911. — H. H. Dale, The action of certain esters and ethers of cholin and their relations to muscarin. Journ. of pharmacol. and exper. ther. vol. 6 p. 146. 1914/15. 2) N. Guggenheim u. W. Löffler, Bioch. Nachweis proteinogener Amine in Organextrakten und Körperflüssigkeiten. Bioch. Zeitschr..Bd. 728.303. 1915. — Dieselben, Über das Vorkommen und das Schicksal des Cholins im Tierkörper usw. Bioch, Zeitschr. Bd. 74 8. 208. 1916. Cholin als Hormon der Darmbewegung. 13 reines Cholin abzuscheiden bzw. quantitativ mit chemischen Methoden zu bestimmen. Dagegen führten Versuche mit Kaninchendünndärmen zum Ziel, deren Extrakte stets stärker wirksam waren als von Katzen. Hierbei wurde folgendermassen vorgegangen. Das Kaninchen wurde durch Nackenschlag getötet und aus den Karotiden entblutet, der Dünndarm vorsichtig vom Mesenterium ab- getrennt und darauf nacheinander in mehreren Schalen mit warmer Tyrode-Lösung abgespült und dabei gleichzeitig 2—3 mal mit Tyrode- Lösung durchgespritzt; die beiden Enden wurden dann abgebunden, _- der Darm nochmals abgespült und darauf eine Stunde lang in 75 cem Wasser von 38° C. aufgehängt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde die Flüssiekeit, welche farblos und vollständig durchsichtig war und schwach alkalisch gegen Lackmus reagierte, zunächst durch Einleiten von Kohlensäure oder Zusatz von wenigen Tropfen Yıo N-Salzsäure gegen Lackmus neutralisiert und aufgekocht, Von dem hierbei entstehenden flockigen Niederschlag wurde ab- filtriert und das klare Filtrat bei 50° C. unter vermindertem Druck ohne Schäumen auf ein sehr kleines Volum eingedampft. Durch Zu- satz von 25 cem Methylalkohol entsteht hierin ein Niederschlag, der wenig oder nichts von dem wirksamen Bestandteil enthält. Dagegen besitzt die abfiltrierte methylalkoholische Lösung die Wirksamkeit des ursprünglichen wässerigen Darmextraktes in unvermindertem Maasse. Der Methylalkohol wird nun grösstenteils abdestilliert und die Lösung dann mit der 4—5fachen Menge Aceton versetzt, wodurch ein massiger Niederschlag entsteht, der nur wenig von dem wirksamen Prinzip enthält. Die abfiltrierte Flüssigkeit wird unter vermindertem Druck auf ein kleines Volum eingedampft und darauf im Vakuum- exsikkator getrocknet. Darauf wird die hellgelbe Masse wiederholt mit kleinen Mengen absoluten Alkohols so lange ausgezogen, bis mit Kaliumtrijodid in einigen Tropfen des Filtrates kein Niederschlag mehr hervorgerufen werden kann. Diese von Stan&ck!) angegebene emp- findliche Reaktion auf Cholin bewährte sich sehr gut. Diese Lösung wurde nunmehr mit Sublimat gesättigt, wobei die wirksame Substanz in einem weissen Niederschlag ausfällt, der nach mehreren Stunden abgesaugt und mit alkoholischer Sublimatlösung 1) Stanöck, Über das Cholinperjodid und die quantitative Fällung von Cholin durch Kaliumtrijodid. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 46 S. 280-285. 1906. 14 J. W. le Heux: und darauf mit absolutem Alkohol gewaschen wird. Der Niederschlag wird nunmehr mit wenige warmem, mit einem Tropfen Salzsäure an- gesäuertem Wasser ausgezogen, wobei der wirksame Bestandteil (als Quecksilberdoppelsalz) in Lösung geht. Nach dem Abkühlen (mötigen- falls Einengen) scheiden sich aus dieser Lösung leichtgefärbte Kristalle in der Form von Säulchen ab. Diese zeigten nach mehrmaligem Umkristallisieren einen Schmelz- punkt von 244° C. Die Kristalle wurden darauf mit dem Quecksilber- doppelsalz von reinem Cholin (Schmelzpunkt 246° C.) gemischt und danach ein Schmelzpunkt 244—245° C. gefunden. Zur fernern Identifizierung wurde noch das Platindoppelsalz bereitet, das bei 215° C. schmolz. Denselben Schmelzpunkt zeigte das Platindoppelsalz _ von reinem Cholin; bei der Mischprobe trat keine Erniedrigung des Schmelzpunktes ein. Das Golddoppelsalz schmolz bei 238—239° G., ebenso das Goldsalz des reinen Cholins. _ Hieraus ergibt sich, dass der abgeschiedene wirksame Bestandteil Cholinist. Dementsprechend fielen auch verschiedene mikrochemische Reaktionen aus. Mit Natriumgoldcehlorid entstanden gelbe, schief ab- geschnittene Säulchen, welche vollständig denen aus reinem Cholin bereiteten elichen. Mit Kaliumquecksilberjodid (Mayer’s. Reagens) entstand das charakteristische Doppelsalz, das in feinen Nadeln kristallisierte; auch die Niederschläge mit Pikrolonsäure und mit _ Kaliumperjodid hatten genau das gleiche Aussehen wie die mit reinem Cholin erhaltenen. Durch Behandeln mit Benzoylchlorid und nachheriges Fällen mit Platinchlorid nach Nothnagel!) wurden Kristalle er- halten, welehe denen aus Benzoylcholin erhaltenen völlig gleich waren. Auch die Wirkung auf den isolierten Kaninchendünndarm in Tyrode-Lösung entsprach der von reinem Cholin. 0,3 mg der aus dem Dünndarm isolierten Verbindung wirkte ungefähr gleich stark erregend wie 0,3 mg reines Cholinchlorid. Nach Behandeln mit Essigsäureanhydrid rief 0,003 mg eine sehr starke Erregung hervor, welche ebenso gross war wie nach der gleichen Menge mit Essig- säureanhydrid behandelten Cholins. Es ist also bewiesen, dassCholinein Arleikdann en Be- standteil des Dünndarmextraktes ist. 1) 6 Nothnagel, Über Cholin und Muscarin. Arch. d. Pharm. Bd. 232 S. 267. 1894. \ Cholin als Hormon der Darmbewegung. 15 Die Cholinmenge, welche auf diese Weise aus dem Extrakt eines Kaninchendünndarmes als Quecksilberdoppelverbindung abgeschieden werden konnte, beträgt ungefähr 1 mg. In einzelnen Versuchen wurden bis zu 3 mg erhalten. Sicherlich ist dies nicht alles in dem ursprünglichen wässerigen Extrakt vorhandene Cholin und noch viel weniger das gesamte in der Darmwand vorhandene Cholin. Schon der Niederschlag, der sich durch Behandeln mit Aceton bildet, enthält stets eine geringe Menge des wirksamen Bestandteils. Auch das alkoholische Filtrat vom Sublimatniederschlag ist stets mehr oder weniger wirksam, und man kann hierin mit Kaliumperjodid die Anwesenheit von Cholin leicht nachweisen; durch Azetylieren liess sich sowohl im Acetonniederschlag als im alkoholischen Filtrat eine beträchtliche Zunahme der Wirkung wie bei Cholin nachweisen. Be- stimmt man die Wirkungsstärke quantitativ und nimmt an, dass die Wirksamkeit der genannten, bei der Darstellung des Cholins erhaltenen Fraktionen ebenfalls auf Cholin beruht, dann ergibt sich, dass der gesuchte wirksame Bestandteil des Extraktes aus Kaninchendünndärmen mindestens zu 75°o aus Cholin besteht. Es sei aber nachdrücklich betont, dass nicht in allen Versuchen ein so grosser Prozentsatz des in den Extrakten vorhandenen Cholins isoliert werden konnte, da bei den verschiedenen Ausfällungen usw. stets mehr oder weniger grosse Verluste auftreten. Dies ergab sich aus Kontrollversuchen , in denen zu dem ursprünglichen Darmextrakt Cholin zugesetzt war; dieses liess sich mit Hilfe der beschriebenen Darstellungsmethode niemals vollständig zurückgewinnen. Es muss deshalb unentschieden bleiben, ob Cholin der einzige wirksame Bestandteil der Darmextrakte ist oder ob ausserdem noch andere Körper in geringer Menge mitwirken. Sicher aber ist, dassdieerregende Wirkungder Extrakte aus Kaninchen- dünndärmen zum allergrössten Teil (mehr als ®ı) auf das Vorhandensein von Cholin bezogen werden muss. II, Auf Grund dieser Feststellungen erhob sich nunmehr die Frage, ob auch die physiologisehen Wirkungen der Darmextrakte dureh ihren Cholingehalt erklärt werden und ob sie quantitativ übereinstimmen mit der Wirkung reiner Cholinlösungen von gleichem Gehalt. 16 J. W. le Heux: Die Versuche haben ergeben, dass dies tatsächlich mit sehr grosser Genauigkeit zutrifit. Zunächst erklären sich die Beobachtungen von Weiland!) über die physiologische Wirkung seiner Darmextrakte durch die Anwesen- heit von Cholin in denselben. Er fand bei Kaninchen auf intravenöse Injektion von 1 ccm nach Seinem Verfahren gereinigten Darmextraktes ‚(nach meinen Erfahrungen entsprechend höchstens 1 mg Cholin) keine .oder höchstens ganz vorübergehende Verstärkung der Atmung. Bei Katzen fehlte überhaupt jede Erregung. Es stimmt das mit den Feststellungen von Lohmann?) überein, der nach 4 mg Cholin beim Kaninchen (3 kg) und nach 3,8 mg bei der Katze keine Ver- änderung der Atmung auftreten sah, während grössere Dosen die Atmung zuerst erregen und dann stillstellen. In einem Versuch am Kaninchen (2,4 kg) konnte ich mich eben- falls von der Wirkungslosigkeit des Cholins in Dosen von !/ıo mg, 1 mg und 10 mg intravenös auf die Atmung überzeugen, 5,3 ccm gereinigter Darmextrakt (entsprechend 5,3 mg Cholin) bewirkte bei dem gleichen Tier ausser einer leichten vorübergehenden Beschleuni- gung keine weitere Änderung der Atmung. Ferner beobachtete Weiland, dass nach intravenöser Ein- spritzung. von 1 cem Darmextrakt bei der Katze eine deutliche vorüber- gehende Blutdrucksenkung auftrat, während nach der gleichen Dosis beim Kaninchen der Blutdruck unverändert blieb. Es erklärt sich dieses durch den Befund von Lohmann?°), dass Katzen sehr viel empfindlicher gegen die Blutdruckwirkung des Cholins sind als Kaninchen. Weiland beobachtete ferner nach der intravenösen Einspritzung der Extrakte bei Kaninchen und Kätzen das Auftreten von gesteigerter Darmperistaltik. In Röntgen-Versuchen an der Katze liess sich Ver- stärkung der Magenbewegung und sehr deutliche Erregung der Dünn- darmbewegung beobachten. Auch dieses wird durch die bekannte er- regende Wirkung des Cholins auf die Magendarmbewegungen erklärt. 1) Weiland, l.c. S. 183. 2) A. Lohmann, Cholin, die blutdruckerniedrlgende Substanz der Neben- niere. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 215. 1907. — Derselbe, Über einige Bestandteile der Nebenniere, Schilddrüse und Hoden. Zeitschr. f. Biol. Bd. 56 Sal lONT. 3) Lohmann, |. c. S. 221. Cholin als Hormon der Darmbewegung. 7 In meinen eigenen Versuchen habe ich die Wirkung gereinigter Darmextrakte in unverändertem Zustande und nach der Azetylierung verglichen mit Cholinlösungen bekannter Stärke und mit azetyliertem Cholin. Darm, Folgende Versuchsbeispiele mögen die erhaltenen Ergebnisse veranschau- lichen. Abb. 1 zeigt die blutdrucksenkende Wirkung von 1 mg Cholin intravenös bei einem Kaninchen von 2,6 kg in Äthernarkose; der Blutdruck sinkt um 10 mm Quecksilber }). Abb. 2 zeigt bei demselben Tier die Blutdrucksenkung (11 mm Hg) nach 0,3 eem einer Lösung der isolierten Darmsubstanz, Darstellung E 1?). Bei dem gleichen Tier bewirkte 0,3 mg Cholin eine minimale Blutdruck- senkung von 4 mm und 0,1 cem der Lösung EI eine minimale Blutdruck- senkung von 1 mm. 1 cem. dieser besonders der vom Darm abgegebenen Substanz entsprach also etwa 3 mg Cholin. Dasselbe Ergebnis hatte auch die Wertbestimmung am isolierten Ka- ninchendünndarm in 50 cem Tyrode- Lösung. Abb. 31 zeigt die Erregung nach 1,5 mg Cholin; Abb. 32 nach 2 mg Cholin; Abb. 4 1 zeigt an derselben wirksamen Reindarstellung Untersucht wurden die Wirkungen auf den isolierten auf den Blutdruck und auf das isolierte Froschherz. Aa nf ER a BR a u a o * Abb. 1. Blutdrucksenkende Wir- kungdesCholins. Kaninchen 2,6 kg. Äthernarkose; Blutdruck 1232 mm Hg. 1-2: Injektionvon ImgCholin in die Vena jugularis; Blutdruck- senkung 10 mm Ha. EU NER RR, N PN, er a m, eh uf RHEIN ee Abb. 2. Blutdrucksenkende Wir- kung der Darmsubstanz. Dasselbe Tier wie in Abb. 1. Blutdruck 122 mm Hg. 1—2: intravenös 0,3 ccm der isolierten Darmsub- stanz von Darstellung E I, ent- sprechend 0,3 eines Kaninchen- dünndarms; Blutdrucksenkung 11 mm Hg. 1) Es handelt sich also hier um ein gegen Cholin. besonders empfindliches ‘Kaninchen. In anderen Fällen haben ’wir nach 1 mg Cholin bei gleich schweren Kaninchen jede Blutdrucksenkung vermisst. 2) 1 ccm dieser Lösung EI entsprach einem Kaninchendünndarm. Im ganzen wurden 12 Dünndärme zusammen verarbeitet. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 18.5 J. W, le Heux: Darmschlinge die Erregung nach 0,5 ccm der Lösung EI; Abb. 4 3 nach 0,67 cem und Abb. 44 nach 1 cem dieser Lösung. Abb. 3. Darmversuch; erregende Wirkung des Cholins. Isolierte Kaninchen- dünndarmschlinge in 50 ccm Tyrode-Lösung, E=38° C. Bei 1: Zufügung von 1,5 mg Cholin, Vergrösserung der Pendelbewegungen; geringe Tonuszunahme. Danach ausgewaschen und bei 2: 2 mg Cholin zugesetzt: Vergrösserung der Pendel- bewegungenr, deutliche Tonuszunahme. Die Erregung ist in Abb. 3 Z und 47 und in Abb. 32 und Abb. 4 3 ungefähr gleichgross, während auf Abb. 4 4 eine viel grössere Erregung zu sehen ist. Es entspricht also auch nach den Versuchen am isolierten Darm 1 cem der Lösung EI 3 mg Cholin. Abb, 4. Darmversuch, erregende Wirkung der isolierten Darmsubstanz. Dieselbe Darmschlinge wie in Abb. 3, ausgewaschen, in 50 com Tyrode-Lösung. Bei 1:1/g ccm der Lösung EI (isolierte Darmsubstanz) zugesetzt, entspr. }/z.Kaninchen- dünndarm.‘ Vergrösserung der Pendelbewegungen und Tonussteigerung. Bei 3 Zugabe von 0,67 ccm derselben Lösung; Wirkung nahezu gleich der von 2 mg Cholin (Abb. 3 2). Bei 4:1 ccm derselben Lösung beigefügt, sehr starke Tonus- steigerung und Vergrösserung der Pendelbewegungen; bei 2 und 5 ausgewaschen. Ferner wurde festgestellt, dass sich die Wirksamkeit der isolierten Darmsubstanz auf den Blutdruck in der gleichen Weise durch Azetylieren verstärken lässt wie die Wirksamkeit einer entsprechenden Cholinlösung: Cholin als Hormon der Darmbewegung. 19 Das Azetylieren wurde mit Azetylchlorid nach der Vorschrift von Nothnagel!), und Hunt und Taveau?) vorgenommen. Abb. 5a zeigt die Blutdrucksenkung (26 mm Hg) nach 0,001 mg Azetylcholin; Abb. 5b die Senkung (8 mm Hg) nach 0,0001 mg Azetylcholin. BR Br N Bee Ai, ? BEN H Klee En GE 2% Abb. 5a. Abb. 5b. Abb. 5. Blutdrucksenkende Wirkung des Azetylcholins. Dasselbe Kaninchen wie in Abb. 7, a: Blutdruck 130 mm Hg. 1—2: intravenöse Injektion von 0,001 mg Azetylcholin; Blutdrucksenkung um 26 mm Hg. b: Blutdruck 121 mm Hg. 1—2: intravenöse Injektion von 0,0001 mg Azetylcholin; Blutdrucksenkung um 8 mm Hg. Abb: Ba; ie Abb. 6b. Abb. 6. Blutdrucksenkende Wirkung der Darmsubstanz (Darstellung E I) nach dem Azetylieren; dasselbe Kaninchen wie in Abb. 1, 2und 5. a: Blutdruck 122 mm Hg. 1—2: Injektion von azetyiierter Darmsubstanz, entsprechend. !/10000 Kaninchen- dünndarm; Senkung 15 mm Hg. b: Blutdruck 115 mm Hg. 1—2: dasselbe nach 1/30000 azetylierter Darmsubstanz; Senkung 9 mm Hg. Abb. 6a zeigt eine Blutdrucksenkung von 15 mm Hg nach Ein- spritzung von !/ıoooo der wirksamen, von einem Kaninchendünndarm abgegebeneı, reindargestellten Substanz (EI) nach dem Azetylieren. Abb. 6b eine Blutdrucksenkung von 9 mm He nach Einspritzung der azetylierten Substanz von !/aoooo Kaninchendünndarm. '1) Nothnagel, 1. c. 8.266. 2) Hunt und Taveau, |. c. 8. 18. 9*+ 20 J. W. le Heux: Die Blutdrucksenkungen auf Abb. 5b und 6b sind nahezu gleich. Auch hier ergibt sich also, dass 1 ccm der Lösung EI etwa 3 mg Cholin 'entsprieht, und dass die Wirksamkeit durch Azetylieren quantitativ in demselben Maasse gesteigert wird wie die von reinem Cholin. In beiden Fällen findet sich eine Wirkungszunahme um etwa das 10000fache!). Hierdurch wird ebenfalls bewiesen, dass die reindargestellte, vom Darm abgegebene Substanz keine anderen Bestandteile von blutdrucksenkender Wirkung enthielt als Cholin. Am Darme fand sich ebenfalls eine sehr beträchtliche Zunahme der Wirkung durch Azetylieren. Abb. 7. Asa Abb. 8b. Abb. 7. Darmversuch; erregende Wirkung der isolierten Darmsubstanz nach dem Azetylieren. Kaninchendünndarm, dieselbe Schlinge wie in Abb. 4; bei 1: azety- lierte Darmsubstanz, entsprechend ?/ıo00o Kaninchendünndarm: Vergrösserung der 2 Pendelbewegungen. Abb. 8. Isoliertes Froschherz, Straub-Kanüle, 1 ccm Ringer’sche Lösung. a: 1 Stillstand nach Azetylcholin, 1:2,5 Millionen. b: 2 Stillstand nach azety- ierter Darmsubstanz, 1:5 Millionen. R: Auswaschen mit Ringer’scher Flüssigkeit. !/ıooo mg Azetylcholin wirkte etwas stärker erregend als 2 mg Cholin (Wirkungssteigerung auf das 2000fache). Nach dem Azety- lieren wirkt 2/10000 eem ungefähr ebenso stark (Abb. 7) wie 1/2 eem der Lösung EI vor dem Azetylieren (Abb. 4 7). Die Wirkungs- steigerung beträgt also das 2500 fache. 1) In einem anderen Blutdruckversuch am Kaninchen (1,7 kg) in Urethan- narkose bewirkte 1 ccm einer Lösung keine Blutdrucksenkung, während 4,2 cem eine Blutdrucksenkung von 20 mm Hg hervorrief. Nach dem Azetylieren mit Essigsäureanhydrid bewirkte "/ıooo ccın eine Blutdrucksenkung von 19 mm Hg; die Wirkung ist also etwa 4200 fach verstärkt worden. “ Cholin als Hormon der Darmbewegung. 21 Auch hieraus ergibt sich, dass die reindargestellte Darm- substanz keine anderen auf den Darm wirksamen Substanzen ent- hielt als Cholin. Versuche am isolierten Eseulentenherz an der Straub-Kanüle mit 1 cem Ringer’scher Flüssigkeit ergaben ebenfalls eine vollständige Übereinstimmung in der Wirkung der wirksamen gereinigten isolierten - Darmsubstanz und entsprechend konzentrierter Cholinlösungen. In der Mehrzahl der Fälle bewirkte 1 mg Cholin und die gereinigte Darmsubstanz aus einem Dünndarm keinen Herzstillstand, sondern nur eine Verkleinerung der Kontraktionen. Durch Azetylieren liess sich eine beträchtliche is der Wirkung hervorrufen. Abb. 8a zeigt den Herzstillstand nach 0,0004 mg Azetylcholin; Abb. 8b den Stillstand nach Zufügung von der azetylierten Darm- substanz aus 0,0002 Kaninchendünndarm. In beiden Fällen beginnen nach dem Auswaschen mit reiner Ringer’scher Flüssigkeit die Kon- traktionen wieder und erreichen schnell die ursprüngliche Höhe. In einem anderen Versuch, in welchem die Wirksamkeit von Cholin und Azetylcholin, von Darmsubstanz und von azetylierter Darmsubstanz am selben Froschherz und am selben Darmpräparat physiologisch bestimmt wurde, ergab sich folgendes Resultat: Azetylcholin wirkte am Froschherz 10 000 mal stärker als Cholin, azetylierte Darmsubstanz wirkte 10000mal stärker als die ur- sprüngliche Darmsubstanz. Die kleinste Dosis, welche Stillstand am Froschherzen hervorrief, war die isolierte wirksame Substanz aus einem Dünndarm vor dem Azetylieren und aus !/ıoooo Darm nach dem Azetylieren. Aus dem Vergleich der Wirkung von Cholin mit der der Darmsubstanz ergab sich, dass die Menge der Substanz aus einem Darm mit etwa 3 mg Cholin übereinkam; aus dem Vergleich der Wirkungen von Azetylcholin mit azetylierter Darmsubstanz ergab sich, dass ein Darm etwa 2,5 mg Cholin enthielt. Die gleichzeitige Be- stimmung am Darm mit Cholin und Darmsubstanz ergab, dass ein Darm 2,5 mg enthielt. Bei den Versuchen am isolierten Darm wurde die Wirksamkeit von Cholin durch Azetylieren zwischen 600 und 1200 mal verstärkt, während an demselben Darmstück die Wirksamkeit der Darmsubstanz um etwas weniger als das 800 fache verstärkt wurde. J. W. le Heux: ID ID Aus diesen physiologischen Versuchen ergibt sich also, dass die gereinigte Darmsubstanz qualitativ und quantitativin genau derselben Weise auf Atmung und Blutdruck, auf die Magendarmbewegungen, den isolierten Darm warm- blütiger Tiere und das isolierte Froschberz einwirkt wie Cholinlösungen entsprechender Konzentration, und dassihre Wirksamkeitaufden Blutdruck, denisolierten Darm nnd das Froschherz durch Azetylieren quantitativ in dergleichen Weise gesteigert wird wiedievonCholin- lösungen. Bei einstündigem Verweilen in Wasser oder Tyrode’scher Flüssig- keit gibt der isolierte Kaninchendünndarm bei Körpertemperatur von seiner Serosaoberfläche etwa 1 bis über 3 mg Cholin an die Aussen- flüssigkeit ab. Es entspricht das ungefähr 0,0055 °/o seines Gewichtes. Kinoshita!) konnte aus dem zerkleinerten und mit verschiedenen ein- greifenden Methoden behandelten Rinderdarm in maximo 0,03 °/o Cholin darstellen, das natürlich nicht alles präformiert in der Darmwand vor- handen zu sein braucht. Bei der vergleichenden Bestimmung der abgegebenen Cholin- mengen am isolierten Darm und am isolierten Froschherz oder am isolierten Darm und am Blutdruck des Kaninchens erhält man fast genau übereinstimmende Werte. Nach meinen Erfahrungen eignet sich zur Wertbestimmung von Flüssigkeiten, welche Cholin oder Azetylcholin enthalten, der isolierte Kaninchendünndarm in Tyrode’scher Flüssigkeit besser als das isolierte Froschherz oder der Blutdruckversuch am Kaninchen, weil die Empfindlichkeit der einzelnen Präparate während der Bestimmung am Darme sich viel weniger ändert, auch wenn die Versuche viele Stunden lang fortgesetzt werden. Ä Durch Azetylieren liess sich in unseren Versuchen die Wirksam- keit der isolierten Darmsubstanz und des Cholins steigern: am Blut- druck des Kaninchens 4200—10000 fach, am isolierten Froschherzen 5000—10000fach, am isolierten Kaninchendarm 400—2500 fach. Nimmt man die Versuche von Weiland, welche zeigten, dass der überlebende isolierte Dünndarm (ebenso Magen- und Dickdarm) 1) T. Kinoshita, Über den Cholingehalt tierischer Gewebe. Pflüger’s Areh. Bd. 132 S. 607. 1910. Cholin als Hormon der Darmbewegung. 233 von seiner Serosaoberfläche an die Aussenflüssiekeit eine Substanz abgibt, welche die Darmbewegungen erregt, zusammen mit den in dieser Abhandlung geschilderten Versuchen, in welchen es gelang, diese“ Substanz chemisch zu isolieren und ihre Identität mit Cholin festzustellen, so ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für die Physiologie der Bewegungen des Magendarmkanals. 5 Da das Cholin vom Magen und Darm abgegeben wird, während derselbe in überlebendem Zustande lebhafte Normalbewegungen aus- führt, so ist es sicher, dass sich Cholin in freiem Zustande in der Magendarmwand befindet und nicht etwa erst postmortal oder durch eingreifende chemische Eingriffe des Experimentators aus Vorstufen (z. B. Lezithin) abgespalten wird. Es ist demnach jetzt möglich, die in der Weiland’schen Arbeit gezogenen Schlüsse schärfer zu formulieren. Der isolierte zirkulationslose Dünndarm führt in Salzlösung stunden- und tagelang rhythmische Bewegungen aus, welche unter der Herrschaft des Auerbach’schen Plexus stehen und welche auch andauern, wenn die beiden rezeptorischen Oberflächen, die Schleim- haut und die Serosa, mit den in ihnen liegenden sensibeln Nerven- enden entfernt werden. Wir haben es also mit echten automatischen Bewegungen zu tun, deren Ursache bisher unbekannt war. Es ist nunmehr nachgewiesen, dass die Wand des Magendarm- kanals freies Cholin in solchen Mengen enthält, dass dadurch die Be- wegungen des Magendarmkanals erregt werden können; werden doch sogar solehe Cholinmengeu nach aussen abgegeben, dass dadurch andere Darmschlingen erregt werden können. | | Der Schluss ist daher berechtigt, dass das Cholin das, oder vorsichtiger ausgedrückt, eines der physiologischen Erregungsmittel für die spontanen Darmbewegungen ist. (Dabei ist natürlich stets daran zu denken, dass von der Schleimhaut oberfläche des Darmes aus eine Reihe von chemischen Reizen die Darmbewegung beeinflussen, und dass vom Blute aus zahl- reiche Gifte auf die Darmbewegungen wirken können.) Es erhebt sich jetzt die Frage nach dem Angriffspunkt der Cholinwirkung am Darm. Weiland hat festgestellt, dass seine Darmextrakte in Dosen, welche auf den intakten Darm deutlich erregend wirken, auf zentren- freie Präparate der Ringmuskulatur des Darmes keine Wirkung be- 24 J. W. le Heux: sitzen, und hatte daraus geschlossen, dass ihr Angriffspunkt im Auerbach’schen Plexus liest. Nachdem sich als wirksamer Be- standteil der Darmextrakte Cholin gefunden hatte, musste dieses Er- gebnis nochmals überprüft werden, denn Cholin gehört pharmakologisch zur Gruppe des Pilocarpins und Physostigmins, für welche beide durch Magnus!) gezeigt worden ist, dass sie ihren Angriffspunkt peripher vom Auerbach’schen Plexus (Nerv, Nervenende oder Muskel) haben. Es war daher nicht ausgeschlossen, dass auch das Cholin peripher vom Auerbach’schen Plexus angreift, und dass die Ergebnisse Weiland’s dadurch bedinst sind, dass er mit zu schwachen Lösungen arbeitete. Ich habe daher gemeinsam mit Prof. Magnus die Versuche Weiland’s mit reinem Cholin wiederholt und seine Ergebnisse im wesentlichen bestätigen können. Am isolierten Dünndarm der Katze in 50 cem Ringer’scher Flüssigkeit rief in mehreren Versuchen 1 mg Cholinchlorid eine schwache Erregung hervor (Grenzwirkung); 2 mg bewirkten deutliche Tonussteigerung und Vererösserung der Kontraktionen. Isolierte Ringmuskelstreifen desselben Katzendünndarms, welche nach dem Verfahren von Magnus oberflächlich mit AgNO, zur Zerstörung des Auerbach’schen Plexus verätzt und von der Submucosa abgezogen waren, reagierten in denjenigen Fällen, in welchen der Auerbach’sche Plexus nicht vollständig ausgeschaltet war und die Präparate daher noch Spontanbewegungen ausführten, noch auf 10 mg Cholinchlorid und in einigen Fällen noch auf 2 mg Cholinchlorid mit deutlicher Verkürzung. Hierdurch wird bewiesen, dass die Präparation als solche die Anspruchsfähigkeit des Präparates auf Cholin nicht aufhebt. Nach völliger Ausschaltung des Auerbach’schen Plexus ändert sich dagegen das Verhalten des Präparates, wie folgendes Versuchs- beispiel zeigt. Eine Katze wird in Äthernarkose durch Nackenschlag getötet; eine intakte Darmschlinge des Tieres in 50 cem Ringer’scher Flüssigkeit reagiert auf 2 mg Cholinchlorid mit deutlicher Erregung. Von einer anderen Darmschlinge wird die Längsmuskulatur sorgfältig mit Nadel und Pinzette abgezogen, die freie Oberfläche mit AgNO, verätzt, das Präparat mit Ringer’scher Flüssigkeit abgespült und ein Ringmuskel- streifen von der Submucosa abgezogen. Das Präparat wird unter Sauer- l) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren 5. Mitteilung. Wirkungsweise und Angriffspunkt einiger Gifte am Katzendarm. Pflüger’s Arch. Bd. 108 S. 1. 1905. s Cholin als Hormon der Darmbewegung. 25 stoffzufuhr in 50 cem Ringer’scher Flüssigkeit aufgehängt; es reagiert auf Dehnungsreiz mit Kontraktion und führt weder spontan noch auf Zusatz erregender Gifte rhythmische Bewegungen aus. Zusatz von 2,5, 10 und 20 mg Cholinchlorid bleiben ohne jede Wirkung auf das Präparat, während auf 1 mg Pilocarpin eine deutliche Kontraktion erfolgt !). Ebenso wirkte 0,1 mg Azetylcholin stark erregend.. Danach wurden 100 mg Cholinchlorid zugesetzt; es trat eine ganz schwache, kaum wahrnehm- bare Verkürzung auf, und das Präparat war danach für 10 mg Pilo- earpin, 1 mg Azetylcholin und für Dehnungsreiz unerregbar geworden. Hieraus ergibt sich, dass Dosen bis 20 mg Cholinchlorid, welche auf den normalen Darm maximal erregend einwirken und welche zweifellos viel höher liegen als der Gesamteholingehalt des ganzen Dünn- darmes, auf zentrenfreie Präparate der Darmmuskulatur ohne Wirkung sind, und dass daher der Angriffspunkt der physiologisch in Be- tracht kommenden Cholinmengen ausschliesslich im Auerbach’schen Plexus liegt?).- Dass sehr grosse Cholindosen, welche physiologisch nicht in Betracht kommen und welche bereits Jähmend wirken, ausser- dem noch peripher vom Auerbach’schen Plexus eine schwache Wirkung entfalten können, erscheint möglich, ist aber noch el mit Sicherheit bewiesen. Wir können also jetzt die Frage, wodurch die automatischen Be- wegungen im Auerbach’schen Plexus zustande kommen, dahin be- antworten, dass jedenfalls eine der Bedingungen die Anwesenheit von Cholin in der Darmwand ist. Damit ergibt sich, wie schon Weiland betonte, eine wichtige Ähnlichkeit mit dem Atemzentrum, für dessen automatische Tätigkeit wir in dem Kohlensäuregehalt des Blutes ebenfalls eine chemische Bedingung kennen. Wir können somit das Cholin als Hormon der Darmbewegung ansprechen. Weiteren Untersuchungen bleibt vorbehalten zu ermitteln, - aus welchen Quellen das Cholin der Darmwand stammt, wie seine Menge in der Darmwand geregelt wird und welche Beziehung es zu dem Cholinbestand anderer Organe besitzt. Ebenso sind weitere Untersuchungen im Gange, welche feststellen sollen, inwieweit sich ‘die Wirkung verschiedener Arzneimittel, Gifte und sonstiger chemischen - Substanzen auf die Darmbewegung auf eine Reaktion mit Cholin, 1) Nach Zusatz der Gifte wurde jedesmal sorgfältig ausgewaschen. 2) Im Gegensatz zum Cholin greift dagegen das Azetylcholin ebenso wie Pilo- carpin und Physostygmin peripher vom Auerbach’schen Plexus an, wobei es unentschieden bleibt, ob es ausserdem auch noch den Aulsebash schen Plexus selbst erregt. 26 J. W. le Heux: bzw. auf eine Beeinflussung der Cholinwirkung am Darme zurückführen lässt (Atropinwirkung). Es ergeben sich hieraus wichtige Frage- stellungen für die Pharmakologie der Darmbewegungen. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass nach den Angaben von Weiland das „Hormonal“ in der gleichen Weise auf die Darm- bewegung wirkt wie seine Darmextrakte Es ist daher zu unter- suchen, ob sich die Wirksamkeit des Hormonals ebenfalls auf Cholin zurückführen lässt. Infolge des Kriegszustandes habe ich leider bis- her von der Fabrik kein geeignetes Hormonalpräparat zur Unter- suchung bekommen können und muss daher diese, für die weitere Entwicklung der Hormonaltherapie wichtige Frage noch aufschieben. Zusammenfassung. Weiland hat im hiesigen Institut gefunden, dass der isolierte überlebende Magendarmkanal verschiedener Säugetiere an Wasser oder Salzlösung von der Serosaseite eine Substanz abgibt, welche die Be- wegungen des Magens und Dünndarms erregt. In der vorstehenden Arbeit konnte mit chemischen und physiologischen Methoden der Be- weis geliefert werden, dass diese erregende Substanz mindestens zu 2/4 aus Cholin besteht. | Die wirksame Substanz ist kochbeständig, löst sich in Alkohol und Methylalkohol, ist unlöslich bzw. schwer löslich in Aceton, ‘ Chloroform und Äther, in wässeriger Lösung fällbar mit Phosphor- wolframsäure, nicht fällbar mit Silbernitrat und -Baryt; in alkoholischer Lösung fällbar mit Sublimat und Platinchlorid. Der Sublimatniederschlag ist leicht löslich in heisser verdünnter Säure, schwer löslich in kaltem Wasser. Der Platinniederschlag ist leicht löslich in Wasser. Der Schmelzpunkt des Quecksilberdoppelsalzes liegt bei 244—246 ° C., des Platindoppelsalzes bei 215° C., des Gold- doppelsalzes bei 238—239° C. und stimmt mit den Schmelzpunkten der entsprechenden Verbindungen aus reinem Cholin überein. Bei dem Mischversuch mit den genannten Doppelsalzen aus reineın Cholin und aus der vom Darme abgegebenen reindargestellten Substanz trat keine Erniedrigung des Schmelzpunktes ein. Mikrochemisch verhielt sich die vom Darme abgegebene rein- dargestellte Substanz geradeso wie Cholin beim Behandeln mit Natriumgoldchlorid, Kaliumquecksilberjodid, Kaliumperjodid, Pikrolon- säure und Benzoylchlorid. Cholin als Hormon der Darmbewegung. Di Durch Eindampfen mit Eisessig oder durch Azetylieren mit Essigsäureanhydrid oder Azetylehlorid lässt sich die physiologische Wirksamkeit der reindargestellten Darmsubstanz in quantitativ der- selben Weise steigern wie die von reinem Cholin. Dieses wurde für die Blutdrucksenkungbeim Kaninchen (Steigerung 4200—10 000 fach), die Erregung der Bewegung des isolierten Säugetierdünndarmes (400 bis 2500fach) und die Stillstellung des isolierten Froschherzens (5000 bis 10000 fach) nachgewiesen. Die Darmsubstanz wirkt qualitativ und quantitativ in der gleichen Weise auf Atmung, Blutdruck, Magendarmbewegung, den isolierten Säugetierdarm und das isolierte Froschherz wie Cholinlösungen ent- sprechender Konzentrationen. Vergleichende Wertbestimmungen am Blutdruck des Kaninchens und am isolierten Kaninchendünndarm ergaben für die isolierte Darm- . substanz den gleichen Cholingehalt; dasselbe liess sich bei vergleichender Wertbestimmung am isolierten Froschherz und am isolierten Dünn- darm feststellen. In einer Stunde wird von der Serosaseite eines ganzen Kaninchen- dünndarmes bis über 3 mg Cholin an die Aussenflüssigkeit abgegeben. Da der normale Magendarmkanal während des Überlebens und während er normale Bewegungen ausführt, Cholin an die Aussen- flüssigkeit abgibt, so muss sich dieses in freiem Zustand in der Magen- darmwand befinden und wahrscheinlich auch während des Lebens als solches vorhanden sein. Der Angriffspunkt derjenigen Cholin- mepgen, welche physiologisch in Betracht kommen, liegt im Auer- bach’schen Plexus. Cholin ist jedenfalls eine der Bedingungen für die automatische Tätigkeit des Auerbach’schen Plexus und kann daher als Hormon der Darmbewegung bezeichnet werden. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. Von Dr. H. Zwaardemaker, o.ö. Prof. der Physiologie in Utrecht. (Mit 12 Textabbildungen.) $ 1. Einführung. Bekanntlich beteiligt sich nur eine ganz kleine Schar chemischer Elemente beim Aufbau des Organismus. Im ganzen sind es deren zwölf, die in keinem Gewebe fehlen. Ihr Atomgewicht ist im all- gemeinen gering, obgleich das Eisen in dieser Hinsicht eine Aus- nahme macht. Wir begegnen in erster Linie den Elementen des Wassers, und zwar in ausserordentlich grosser Menge, weil das Wasser etwa 60°/o des Körpers ausmacht; dann dem Kohlenstoff, der, wie Lawrence J. Henderson!) ausführlich betont, die wichtigste Stelle in allen organischen Verbindungen einnimmt; ferner dem Stick- stoff und dem Schwefel, die in keinem Protoplasma fehlen. Der Phos- phor verleiht einer ganzen Reihe scharf charakterisierter Verbindungen . das ihnen eigene Gepräge, und auch das Chlor erscheint ungemein verbreitet. Unter den Kationen bilden Natrium und Kalium einerseits, Calcium und Magnesium ?) andererseits zwei einander fast immer be- gleitende Paare. Das Eisen endlich ist, maskiert, im Chromatin aller Zellarten vorbanden®). ER | Auch die Pflanze enthält obligatorisch dieselben Elemente. Von den zwölf soeben genannten sind, allem Anschein nach, konstant bloss H,0,C,N,S,P,K (in Protoplasma), Ca, Mg (im Chlorophyll) und Fe (im Zellkern) in messbaren Quantitäten vorhanden. . Zusammen bilden diese zehn Elemente nach G. Bertrand‘) 99,9°/o der Materie des pflanzlichen Organismus. Das fehlende 0,1 %/o 1) L. J. Henderson, Die Umwelt des Lebens S. 101. Wiesbaden 1914. 2) G. von Wendt in Oppenheimer’s Handb. d. Bioch. Bd. 4 T. TI, S. 617. 3) A. B. Macallum, Ergebn. d. Physiol. Bd. 7 S. 533. 4) G. Bertrand, Conference tenue & Amsterdam 6. Nov. 1912. Ned. Tijdschr. v. Geneeskunde vol. I p. 2%. 1913. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 239 umfasst fünf andere: Natrium, Chlor, Silicium, Mangan und Aluminium. Verschwindend kleine Mengen ihrer Verbindungen reichen aus, wenigstens ist es so in Kulturversuchen auf reinem Sand, dem sorg- fältig gewählte Nährsubstanzen beigemischt sind. Durch kolloidale Adsorption werden letztere von im Wasser gequollener Gelatine fest- gehalten, genau wie es in dem Nährboden der Bakterienkulturen von der Gelatine geschieht }). Es sind übrigens auch im natürlichen Boden nicht die festen, sondern die durch Adhäsion angehefteten, leicht diffusibeln Substanzen, welche dem Leben zugute kommen. Namentlich gilt dies für die im Dünger absolut unentbehrlichen Nitrat- und Phosphatanionen und die K-, Ca- und Mg-Kationen?). is ist gewiss auffallend, dass, während überall in der Umgebung tierischer Zellen Natrium und Chlor in reichlichen Mengen vorhanden, _ diese beiden so charakteristischen Elemente in der Pflanze im all- gemeinen auf eine kleine Menge herabgesunken sind. Bloss das Chlor ist bei den Meeres- und Strandpflanzen ziemlich stark vertreten, was begreiflich, da sie im Boden fortwährend mit rund 3° Natrium- chlorid in Berührung sind und ziemlich viel Salz resorbiert haben). Zur selben Zeit ist Natrium vorhanden, welches als Kation entgiftend *) wirkt, dem Magnesium gegenüber und auch in Fällen besonders hohen Kalium- und Caleiumgehalts gerade deswegen Bedeutung gewinnen kann. Nach Stoklasa?°) soll es ferner in der Zuckerrübe das Wachstum der Epidermiszellen fördern. Jedoch alle diese Dinge sind Ausnahmen. Im allgemeinen bleibt der Gegensatz bestehen. Das Chlor und das Natrium sind in den Pflanzen selten und entbehr- lich. In der Tierwelt hingegen dürfen sie nicht fehlen. Man be- kommt den Eindruck, dass im tierischen Organismus Natrium und Chlor hauptsächlich als Regulatoren des osmotischen Drucks in den Vordergrund gekommen sind. Begreiflich wird es dann auch, dass 1) E. F. Burton, The physical properties of colloidal solutions p. 192. London 1916. 2) W. Kleberger, Grundz. der Pflanzenernährungslehre und Düngerlehre 8.64. Hannover 1915. 8) Jost, Vorlesungen üb. Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., S. 97. Jena 1908. 4) Osterhout, Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik Bd. 46 S. 119. 1909. 5) J. Stoklasa und A. MatouSek, Beiträge z. Kenntnis der Ernährung der Zuckerrübe S. 207. Jena 1916. 30 H. Zwaardemaker: das Natrium in künstlicher Zirkulationsflüssigkeit zu einem. ansehn- lichen Teil [ein Drittel!)] durch Lithium ersetzt werden kann, und es bleibt dann noch dahingestellt, ob man nicht noch weiter herab- sehen könnte, wenn gleichzeitig die Caleiummenge herabgesetzt werden könnte, In der Pflanzenzelle sehr verhrettek: obeleich in minimaler Menge, ist nach Bertrand das Mangan. Es scheint ein konstanter Be- standteil aller oxydierenden Fermente zu sein. In diesem Zusammen- hang ist es angebracht zu betonen, dass nach manchem Forscher das Mangan auch im Tierkörper der konstante Begleiter des Eisens?) ist, welches letztere sich ebenfalls in allen Oxydasen vorfindet?). Alles in allem bewegt man sich sowohl in der Pflanzen- als in der Tierwelt in einem engen Kreis, wenn man aus den etwa 80 in der Natur überhaupt vorkommenden chemischen Elementen die bio- logisch wichtigen zusammensucht. Mehr als 15 bringt man nicht zu- sammen. Nun möchteich hervorheben, dass es unter diesen 15 biologisch unentbehrlichen Elementen zwei gibt, die eine ganz besondere, in beiden verschiedene, vollkommen abweichende, atomistische Eigenschaft besitzen: das Eisen und das Kalium. Eisen. ist paramagnetisch. Auch in den Verbindungen bleibt die Eigenschaft erhalten, wenn sie auch selbstverständlich vom Dia- magnetismus der umgebenden Atome übertönt werden kann. Infolge- dessen sind alle biologischen Eisenverbindungen, sogar das Hämo- elobin, diamagnetisch. Bloss bei der Nebelzerstäubung einer 2°/oigen Hämoglobinlösung gelang es mir, in einem starken ma- gnetischen Felde inmitten der diamagnetischen Tröpfchen vereinzelte paramagne- tische Mizellen ultramikroskopisch zu verfolgen. Auf diesen Geeen- stand hoffe ich ausführlich zurückzukommen, wenn die’ systematische Beobachtung des Phänomens, die eine komplizierte Apparatur er- fordert, möglich geworden sein wird. Dem starken Paramagnetismus des Eisens nähert sich, obgleich sehr viel schwächer, der Paramagne- tismus des. Sauerstoffs. Kalium ist radioaktiv, eine atomistische ‚Pieenschaft, welche keinem l) Overton, Pflüger’s Arch. Bd. 92 S. 378. 1902, Has, dass der Frosch- muskei in 0,4% NaCl + 0,145 %/o LiCl funktionsfähig bleibt (0,145 %0 LiCl isosmot. mit 0,20/°0 NaC]). 2)H. Aronin ee s Handb. d. Bioch. Bd. 1 S. 8. 3 O0. Hammersten, Physiol. Chemie S. 851. Wiesbaden 1914. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 31 der anderen, biologisch wichtigen, chemischen Elemente zukomint. Die Radioaktivität des Kaliums. wurde 1906 von N. R. Campbell entdeckt‘), in allen Kaliumverbindungen nachgewiesen, und als un- abhängig von zufälligen Beimischungen erkannt. Auch längere Zeit im Dunkeln aufbewahrte Kaliumpräparate zeigen die Erscheinung, so dass sie vollkommen unabhängig ist von einer Phosphorescenz oder von einer zufälligen ultravioletten Beleuchtung. Die Radioaktivität des Kaliums ist ausserordentlich gering und beruht ausschliesslich auf $- und y-Strahlung ?). Man hat also eine grosse Ionisationskammer zu nehmen, wenn man die durch die Strahlung hervorgerufene Luftionisation studieren will. Auch muss die Kapazität der empfindlichen Messinstrumente möglichst gering ge- macht werden, Aus diesem Grunde wird das Elektrometer un- mittelbar über die Ionisationskammer aufgestellt. Nach Campbell findet man das Doppelte der Ionisation, welche die Radioaktivität des Bodens und die Strahlung der bleiernen Wände der Ionisations- kammer bereits für sich allein zustandebringen. Auch die vollkommene Reinheit der Gefässe und die Abwesenheit aller anderen radioaktiven Präparate soll gewährleistet sein. Wir haben alle diese Schwierigkeiten in vollstem Maasse emp- funden, als ich zusammen mit Dr. W. E. Ringer daran ging, die von mir in den unten zu beschreibenden physiologischen Versuche ver- wendeten Kaliumpräparate auf ihre Radioaktivität zu prüfen. Dennoch braucht man nicht an der Radioaktivität des Kaliums zu zweifeln. Sie ist von allen hervorragenden Radiologen?) gefunden und lässt sich auch photochemisch zeigen. Zwar ist es dann notwendig, sehr lange Expositionszeiten zu wählen. Kalium erfordert 56 Taget), Rubidium braucht 90 2) u gab bisher nie eine sichere An- N. R. Campbell and A. word. Proc. Oaulsieine Pie Soc. vol. 14 p. 5. 1906-1908. Eine Bestätigung fand kurz nachher von Mc Lennan and Kennedy, Phil. Mag. (6) vol. 16 p. 377. 1908, statt. 2) Also kann sie nach Rutherford nicht auf Beimischung von Spuren der sehwer-atomistischen Radioelemente beruhen. Büchner überzeugte sich 1912 ab- sichtlich, dass keine «-Strahlen vorhanden seien. (Akad. Amsterdam Bd. 20 S. 1338.) 8) Rutherford in Marx’ Handb. (d. Radiologie Bd. 2 S. 11. 1913. — St. Meyer u. v. Schweidler, Radioaktivität S. 427. Leipzig 1916. — Elster u, Geitel, Jahrb. d. Radioaktivität u. Elektronik. Bd, 10 S. 323. 1913, .4) E. H. Büchner, SUDED nu ans ann zu 18 S. 91. 1909 u. . Bd. 20 S. 1338. 1912. 32 | ° H. Zwaardemaker: weisung!). Nach Campbell ist das Ionisationsvermögen des Kaliums 1/1000 der - und y-Aktivität des Urans. Bekanntlich danken die ge- wöhnlichen, nicht besonders gereinigten und frisch bereiteten Uran- verbindungen ihre ß- und y-Radioaktivität dem aus dem Uran entstehen- den Uran X. Man bekommt diese Strahlung des Uraniums X für sich allein, wenn man das Uransalz mit einer Stanniol- oder Aluminiumfolie abdeckt. Dieses Kunstgriffes bediente sich Campbell, als er eine summarische Vergleichung machte zwischen der Strahlung seiner Kaliumpräparate und jener eines alten Uraniumsalzes. Eine Ver- gleichung mit einer Uran- oder Radiumeinheit ist prinzipiell un- zulässig. Kalium ist ein nie fehlender Bestandteil aller Gewebe. Zwar sucht man es vergeblich im Zellkern, jedoch im Protoplasma ist es immer vorhanden?).. Auch ist seine Unentbehrlichkeit jedem Physio- logen geläufig. Man darf sich hiervon überzeugt halten auf Grund der zahl- losen Versuche an überlebenden Organen, die für viele Organe dar- getan haben, dass die Funktionsfähigkeit auf die Dauer nicht be- stehen bleibt, wenn in der Zirkulationsflüssigkeit®) das Kalium fehlt und die Gewebe infolgedessen nach einiger Zeit mehr oder weniger vollkommen von dem diffusibelen Kaliunr befreit sind. Gleichfalls ist in der Pflanze das. Kalium allgemein und auch notwendig‘). In der ganzen lebenden Natur hat jenes ubiquitäre Element offenbar seine Bedeutung, und dasselbe ist nach der Campbell- schen Entdeckung radioaktiv. | Bereits an sich wäre diese Tatsache bemerkenswert. Jedoch auch durch andere Überlegungen war schon längst meine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt, und ich empfand es als meine Pflicht, nach Mitteln mich umzusehen, um die biologische Bedeutung dieser normalen Radioaktivität zu prüfen. Dabei wurde ich keineswegs durch teleo- 1) St. Meyer, Wiener Sitzungsber. Bd. 124, II A. S. 259, nimmt an, dass das _ Durchdringungsvermögen der Cäsium-£-Strahlen zu unbedeutend ist, um wahr- nehmbar zu sein. 2) A. B. Macallum, Ergebn. der Physiologie Bd. 7 S. 604. 1908. 3) Eine hübsche Zusammenstellung über die jetzt gebräuchlichen physio- logischen Ersatzflüssigkeiten findet sich bei A. von Tschermak, Alle. Physiol. Bd. 1 S. 126. 1916. 4) F. Czapek, Biochemie der Pflanze S. 85. Jena 1908. . Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 33 logische Betrachtungen geleitet, sondern ganz einfach durch die Er- wägung, dass ein rein mechanisches Prinzip, welches mir in nuce eine Form des d’Alembert’schen!) Prinzips zu sein schien, die innere Notwendigkeit mitbringt, keine Eigenschaft der Materie zu vernach- lässigen, so gering man sie anfänglich auch veranschlägt. Den Satz, worauf ich mich stützte, möchte ich in folgenden Worten formulieren : „Im Gleichgewicht der physikalischen und chemischen Kräfte ist keine einzige Kraft wertlos, denn im Gleichgewicht ist I (F) —= 0*. Literarische Notizen über die biologische Bedeutung der Radio- aktivität des Kaliums fehlen, soviel ich weiss. Nur Achalme?) hat in seinem Buch über Elektrotonik in der Biologie mit einigen Worten an die Radioaktivität des Kaliums und des Rubidiums erinnert, und Stoklasa und MatouSek?°) haben am Schluss ihrer Monographie über die Ernährung der Zuckerrübe eine halbe Seite hinzugefügt, in welcher sie Soddy’s und Elster’s und Geitel’s Bestätigung. der Campbell’schen Befunde kurz referieren. Sowohl Achalme als Stoklasa und MatouSek scheinen eine Ahnung des oben von mir hervorgehobenen Zusammenhangs gehabt zu haben. Schade, dass sie ihr nicht gefolet sind; denn weil diese Autoren sich ganz anderen Teilen der Biologie widmen als ich, so würden sie ohne Frage andere Seiten des Problems zutage gefördert haben, als seit 1915 in den Arbeiten meines Laboratoriums in Angriff genommen wurden. $ 2. Di eErsetzbarkeit des diffusibeln Kaliums einer künstlichen Zirkulationsflüssigkeit durch alle anderen radioaktiven Elemente. Bereits vor mehr als 20 Jahren zeigte S. Ringer‘), dass das Kalium in der nach ihm genannten Flüssigkeit ohne Nachteil durch Rubidium und Cäsium ersetzt werden kann. Die Mengen sollen sich äquimolekular verhalten. Eine Nachprüfung der S. Ringer- 1) Das d’Alembert’sche Prinzip lautet in Worten: Sind die Kräfte, welche auf einen Punkt wirken, nicht im Gleichgewicht, so können wir immer eine Kraft hinzufügen, welche ihnen das Gleichgewicht hält, und sodann das Prinzip der virtuellen Verschiebungen anwenden. 2) Achalme, „Electrotonique et biologie“ p. 46. Paris 1913. 8) J. Stoklasa u. A. MatouSek, Beiträge z. Kenntnis der Ernährung der Zuckerrübe. Jena 1916. 4) 8. Ringer, Journ. of Physiol. vol. 4 p. 370. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 3 34 H. Zwaardemaker: schen Versuche bestätigte den Befund für Rubidium unmittelbar, für Cäsium nach einigem Herumprobieren !). Es erschien mirin dem $ 1 skizzierten Gedankenkreis erwünscht, jetzt auch die übrigen radioaktiven Elemente dem gleichen Versuch zu unterwerfen, und zwar, weil es irrationell gewesen wäre, nach äquimolekularem Maassstabe vorzugehen, nach einer Dosierung strebend, die für die verschiedenen Elemente auf ungefähr gleiche Radioaktivität hinausgehen würde. Die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens waren sehr gross, weil der Literatur nur spärliche Daten entnommen werden konnten. Zwar lehrte Campbell, wie bereits gesagt, dass die Radio- aktivität des Kaliums Y/ıooo beträgt der A-Aktivität des Urans, im Gleichgewicht mit Uranium X, und diese soll wieder nach allgemeiner Annahme ungefähr !/ıoooooo sein der ß-Aktivität des Radiums, im Gleichgewicht mit seinen Umformungen. Um aber der totalen Radio- aktivität der zu vertauschenden Elemente in den zu wählenden Dosierungen auf die Spur zu kommen, wie meine Absicht war, ge- nügt dies nicht. Ich hielt es, der Theorie Rutherford’s folgend, für notwendig, auch das Durchdringungsvermögen der Strahlungen in Rechnung zu ziehen. Das Durchdringungsvermögen der £-Strahlung des Kaliums ist recht bedeutend, ungefähr das Achtfache jenes der 8-Strahlung des Radiums?). Ferner kamen noch Wahrscheinlichkeits- betrachtungen hinzu. Das in der physiologischen Salzlösung ver- wendete Kaliumion muss durch Diffusionskräfte frei beweglich ge- dacht werden und hat ein bedeutend geringeres Gewicht als die Uranyl-, die Thorium- und die Radiumionen, die zum Ersatz herbei- gezogen werden sollten. In einem bestimmten Gewicht befinden sich also relativ mehr K-Ionen als Ionen der Schwermetalle. Die Wahr- scheinlichkeit eines Zusammentreffens von denin 1 mg erhaltenen Ionen mit den Herzmuskelzellen ist beim Kalium bedeutend grösser als bei den Schwermetallen. Zunächst entschlossen wir uns daher, die Dosen der das Kalium ersetzenden, schweren Ionen proportional ihrem Atom- gewicht zu vergrössern. Mein Assistent cand. med. T. P. Feenstra erhielt den Auftrag, auf Grund von in dieser Weise auszuführenden Berechnungen orientierende Versuche am Froschherz vorzunehmen. 1) H. Zwaardemaker, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. in Amsterdam Bd. 26 S. 776. 1917. 2) Landolt und Börnstein, Phys.-chem. Tab., 4. Aufl., S. 1228. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 35 Das Froschherz wurde gewählt, weil bei diesem Objekt die unmittel- bare Umspülung der bloss vom Endothel der Lakunen ausgekleideten Muskelzelle die denkbar einfachsten Verhältnisse darbietet und eine doch immerhin mögliche Pufferwirkung einer Gewebsflüssigkeit fort- fällt. Von den berechneten Dosen aus wurde, tastend vorgehend, die Dosis gesucht, in welcher sowohl die Uranylionen als die Ionen des Thoriums und des Radiums sich imstande zeigten, während längerer Zeit ein Fortpulsieren des Froschherzens zu sichern. ‘Herr Feenstra führte diesen Auftrag mit grossem Geschick aus, und als sich später die Gelegenheit darbot, auch die Herren I. Gunzburg, S. de Boer, E.H. Jannink, J. W. Lely, C. de Lind van Wyngaarden, M. den Boer und A. M. Streef an den Versuchen zu beteiligen, war es möglich, im Laufe der Zeit alle 'Radioelemente in für das Froschherz geeignete, künstliche Zirkulations- flüssigkeiten aufzunehmen. Alle Radioelemente ohne Unterschied zeigten sich imstande, das Kalium der Ringer’schen Flüssigkeit zu ersetzen. Wenn in derselben dazu noch pro Liter 6,5 oder 7 g NaCl, 200 mg NaHCO, und 200 oder 250 mg CaCl, (ohne Kristallwasser) enthalten sind, ist die Dosierung der Radioelemente in folgender Weise vorzunehmen: Winterdosierung Sommerdosierung (bei 200 mg CaCl,) ' (bei 250 mg CaCl,) 100 mg Kaliumehlorid . . 20 —50 mg 150. , Rubidiumchlorid . 30 —80 „ — Cäsiumchlorid . . 40 —80 „ 25 „ Uranylnitrat. . . 0,6—6 „ 50 „ Thoriumnitrat!) . 2 —l0 „ 0,000005 „ Radiumsalz . . . 0,000003 „ etwa 100 Macheeinheiten Emanation —_ Später habe ich auch noch das Lanthan geprüft, von dem man be- hauptet, dass es schwach radioaktiv sei, infolge immer vorhandener Ein- schlüsse von Aktinium?). Hierzu wurde ein Lanthaniumnitratpräparat, das mir zur Verfügung stand, jedoch nicht in Ringer’scher Flüssig- keit löslich war, nach dem Rat meines verehrten Kollegen Kruyt, 1) In schwach alkalischer Ringer’scher Flüssigkeit bloss einige Stunden haltbar; die Regelung der Alkaleszenz fand nach Hinzufügung einiger Tröpfchen einer Neutralrotlösung statt. 2) Man vergleiche Rutherford in Marx’ Handb. d. Radiologie Bd. 2 S. 11. BE 36 H. Zwaardemaker: zu einer kolloidalen Flüssiekeit verarbeitet, die zwar wenig stabil ist, jedoch sehr wohl zulässt, wenigstens während einiger Tage mit ihr zu experimentieren. Das kolloidale Lanthan zeigte sich noch in einer Verdünnung wirksam, in welcher es nicht mehr die der Jod- Amylum-Reaktion analoge Lanthan- Amylum -Reaktion gibt. Herr Streef prüfte zuletzt auch das Thorium in kolloidaler Lösung. Es lässt sich unbeschränkt haltbar nach einer von Prof. Kruyt angegebenen Methode, die in Dr. Streef’s Doktordissertation genau beschrieben worden ist, herstellen. Sie enthielt die gleiche Konzentration an Thorium wie die Thoriumnitratlösung. In der Fussnote findet man die bis jetzt erschienenen Veröffentlichungen unseres Laboratoriums über die radioaktiven Ersatzflüssigkeiten verzeichnet). Während der technischen Ausführung dieser Versuche ist auf einige Details zu achten. Bisher haben wir in den systematischen Versuchen immer die klassische Durehströmungsmethode Kronecker’s gewählt. Mit anderen mehr modernen Methoden gelingen unsere Versuche jedoch ebensogut. Ich beschränke mich in der jetzt vorliegenden Beschreibung auf das Kronecker’sche Herz. Am geeignetsten sind mittelgrosse Eseulente oder Temporarien. Die Ligatur, welche das später gänzlich zu isolierende und aus dem Körper zu entfernende Herz auf der Doppelwegkanüle befestigt, wird halbwegs zwischen Sinus und Atrio- ventrikulargrenze angebracht. Dadurch kommt der erste Stannius- sche Versuch zustande, infolgedessen nach einiger Zeit Stillstand ein- tritt, bis die weiteren Manipulationen die Bewegungen zurückrufen. 1) T. P. Feenstra, K. Akad. d. Wiss. Amsterdam Bd. 24 S. 1822; Bd. 25 S. 37. — H. Zwaardemaker, ebenda Bd. 25 S. 517. — H. Zwaardemaker, C. E. Benjamins, T. P. Feenstra, Ned. Tijdschr. v. Geneesk. 1916. Bd. 2 S. 1924. — H. Zwaardemaker, ebenda 1917. Bd. 1 S. 1174. — Derselbe, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 25 S. 1096. — Derselbe, ebenda Bd. 25 S. 1282.— H. Zwaardemaker u. J. W. Lely, Arch. Neerland. de Physiol. t. 1 S. 745. 1917. — H. Zwaardemaker, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 S. 12. — Derselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 169 S. 122. — Derselbe, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 S. 555. — Derselbe, ebenda Bd. 26 S. 776. — Derselbe, Ned. Tijdschr. v. Geneesk. 1918. Bd. 1. S. 601. Ferner vergleiche man die Sitzungsberichte der Niederländischen Physiologen- tage von Dezember 1916 und Dezember 1917 sowie jene des Niederländischen Kongresses der Naturwissenschaften und Medizin im April 1917. Die meisten Mitteilungen sind aufs neue abgedruckt im „Onderzoekingen Physiol. Lab. Utrecht“, fünfte Reihe, Bd. 17 und 18. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 37 Hierzu ist es manchmal notwendig, mit Hilfe einer Mariotte- schen Flasche einen geeigneten Druck zu unterhalten (9 cem H,O). Um sicher zu sein, mit einem kräftigen, normalen Herz zu tun zu haben, wurde jeder Versuch eingeleitet mit einer Durchströmung mit gewöhnlicher Ringer ’scher Flüssigkeit, die, ausser den obengenannten Salzen, im Winter 100, im Sommer 20—80 mg Kaliumchlorid ent- hielt. Diese provisorische Durchspülung wurde wenigstens während einer Viertelstunde vorgenommen. Dann folgte eine Durchströmung mit der gleichen Salzlösung ohne Kaliumchlorid. In etwa einer halben bis einer ganzen Stunde folgt dann Stillstand des Kammerteils des Herzens. Während der Ventrikel sich zuvor während einer Systole langsam und vollständig entleert, hören die Pulsationen jetzt plötzlich oder allmählich gänzlich auf. Der bequemeren Beobachtung wegen wurde der Ventrikel gewöhnlich, mit der Spitze nach oben, nach Gaskell- Engelmann’scher Methode, suspendiert und die Be- weeung auf einem langsamen Kymographion registriert. In den für die weiteren = oeei 3]- Abb. 1. Stillstand des Froschherzens per crisin Experimente geeigneten Fäl bei vollzogener Kaliumentziehung. len geschieht die Sistierung der Bewegung urplötzlich. In anderen weniger geeigneten Fällen gehen Gruppenbildungen, geteilte Systolen und andere Unregelmässig- keiten‘ dem endgültigen Stillstand voran. Auch mit diesen Herzen lässt sich weiterarbeiten, obgleich weniger leicht. Störend sind ferner jene Exemplare, wobei der Herzstillstand nach Kaliumentziehung länger als eine Stunde auf sich warten lässt. Statistisch sind dieselben als Ausnahmen zu betrachten, da die ge- wöhnlichen, regelmässigen Fälle, jene, in welchen der Stillstand inner- halb einer Stunde erreicht wird, eine Frequenzkurve des Quetelet- Galton-Typus bilden. Die Ausnahmen liegen meist ausserhalb des Fünffachen der wahrscheinlichen Fehler und sind also als abnorm zu betrachten. Der Arbeit des Dr. Streef. ist eine Kurve, die diese Abnormalität demonstriert, beigegeben. Wir haben uns vielfach bemüht, durch Änderung der Bedingungen 38 H. Zwaardemaker: die abnormen Fälle zur Norm zurückzuführen. Sowohl der osmotische Druck als die Alkalinität des Salzgemisches wurden geändert. Auch die Caleiummenge wurde erhöht oder erniedrigt, endlich in einigen Versuchen Glukose hinzugefügt. Nichts half. Die abnormen Herzen blieben manchmal stundenlang fortpulsierend. Nichtsdestoweniger existiert ein souveränes Mittel, um einen regelmässigen Stillstand zu bekommen. Man hat bloss umsichtig einige Tröpfchen einer Uranyl- nitratlösung hinzuzugeben. Sobald diese in geeigneter Zahl (in jedem Falle verschieden) der kaliumchloridfreien Ringer’schen Flüssigkeit beigemischt worden sind, steht der Ventrikel in gewöhnlicher Weise still und verhält sich auch weiter, vorausgesetzt, dass man die ge- wählte Urandosis immer beibehält, absolut wie ein regelmässiges Versuchsobjekt. Im Zusammenhang mit der weiter unten zu ent- wickelnden Hypothese erkläre ich mir dieses Verhalten durch die An- nahme einer etwas ausgiebigeren Freistellung des Kaliums aus fester Bindung innerhalb der Herzzellen. Auch normaliter wird fortwährend diffusibeles Kalium freigemacht und wandert aus, wenn das Gleich- gewicht des Kaliums in der Zelle jenem in der Zirkulationsflüssigkeit übertrifit. Wir bestimmten die Menge des in dieser Weise aus den Zellen des Herzens tretenden Kaliums auf ungefähr 1 mg Kalium pro Liter durchfliessender, ursprünglich kaliumfreier Ringer’scher Flüssigkeit. Angenommen, dass 1 Liter Durchströmungsflüssigkeit im Mittel ein paar Stunden braucht, um durch das Herz zu fliessen, ist das pro Liter mitgeschleppte Kalium (1 mg pro Liter) bei dem geringen Gewicht des Froschherzens ein ziemlich ansehnlicher Teil (vielleicht 1°/o) des innerhalb der Zelle angehäuften fixen Kaliums. Ich stelle mir vor, dass in den abnormen Fällen ein besonders grosser Anteil des Kaliums frei wird. Dass alle Reagenzien und Ingredienzien kaliumfrei sein müssen, ist selbstverständlich.. Wir überzeusten uns mittelst der Reaktion von de Koninck, dass jedenfalls nicht mehr als 1 mg pro Liter Durch- strömungsflüssigkeit vorhanden war und dass nachher die Durch- strömungsflüssigkeit nicht länger als während eines Tagesim Mariotte- schen Fläschehen aus gewöhnlichem Glas verweilte. Kautschukverbindungen haben wir möglichst eingeschränkt. Am besten bewährte sich ein System von Glasröhren mit Glas- hähnen, die in nachfolgender Weise kombiniert wurden. Die erste Mariotte’sche Flasche war mit Ringer’scher Lösung, ze 1 DAB ALU I m 0 44 Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 39 die zweite mit kaliumfreier Ringer’scher Lösung und die dritte mit der Ersatzflüssigkeit gefüllt. Letztere wurde zum Herzen zu- seführt, nachdem wir uns überzeugt hatten, dass in dem durch Kaliun- entziehung stillstehenden Ventrikel keine latente Automatie, d. h. beim Auftreten kleinerer oder grösserer Gruppen von Pulsationen nach einmaliger Berührung, mehr vorhanden sei. “ Die Entziehung des Kaliums, ohne dass gleichzeitig das Caleium verringert wird, bringt auf die Dauer eine Zunahme des Tonus zu- stande. Gerade aus diesem Grunde sind die langsam zum Stehen kommenden Herzen für unsere Zwecke weniger geeignet, denn im tonischen Zustande lassen sich die Pulsationen schwieriger beurteilen. Wir haben für unser Endurteil ausschliesslich vollständige Ventrikel- systolen in Betracht gezogen. Pulsationen eines Teils des Ventrikels oder der Vorkammerreste wurden nieht als die Zeichen einer wiederkehrenden oder nachbleibenden Automatie der Kammer betrachtet. Noch einen anderen Nachteil haben die in Tonus geratenden Herzen, dass nämlich viele der Lakunen geschlossen bleiben und man daher immer zweifeln kann, ob die ursprüngliche oder später die Ersatzflüssiekeit wirklich aus allen Lakunen weggespült ist. Die Dosierungen, die oben in der Tabelle zusammengetragen sind, sichern alle ein stundenlanges Fortpulsieren, das kurze Zeit, nachdem die Ersatzflüssigkeiten an Stelle der kaliumfreien Ringer- schen Flüssigkeit zugeführt worden sind, meistens urplötzlich, manch- mal allmählich anfänst. Die Dosierungen wurden nach voran- gegangener, ungefährer Berechnung empirisch gefunden. Einigermaassen äquimolekular sind sie nur in der Alkalienreihe (konform Sydney, Ringer), in jener der Schwermetalle gewiss nicht. Bis zu gewisser Höhe scheinen sie äquiradioaktiv zu sein). Der neue Zustand, welcher durch die Ersatzflüssiekeiten im pulsierenden Herzen entsteht, hat einen bleibenden Charakter. In- folgedessen bin ich geneigt, die Anwesenheit einer kleinen Menge eines Radioelementes in der Zirkulationsflüssigkeit als eine Bedingung zur Kroneckerschen Karule Abb. 2. Schema. 1) K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 S. 556. 40 H. Zwaardemaker: aufzufassen, die neben jener des osmotischen Drucks, der fast neu- tralen schwach alkalischen Reaktion, des angemessenen Calcium- gehalts, der Balancierung der Ionen, des Drucks, der Temperatur usw. zu stellen ist. Wenn die Bedingung der Anwesenheit des Kaliums oder eines ihn ersetzenden, ebenfalls radioaktiven Elementes nicht erfüllt ist, fällt die Möglichkeit einer andauernden Automatie fort. Durch irgendeinen Reiz kann vorläufig noch eine vereinzelte Systole oder eine Reihe von Systolen hervorgerufen werden; ein Fort- pulsieren auf längere Zeit ist nicht mehr möglich. Schliesslich schwindet bei vollständiger Abwesenheit des Radioelements auch die Irritabilität für äussere Reize. Durch diesen bleibenden Charakter unterscheidet sich der be- schriebene Zustand von dem Zustand, worin ein durch Kalium- entziehung stillstehendes Herz versetzt wird, wenn man der Zirkulations- flüssigkeit zum Beispiel Jodothyrin hinzufügt. Dann folgt eine ziemlich lange Reihe von Pulsationen, allem Anschein nach spontan, aber bald lassen sie nach, um einem .bleibenden Stillstand Platz zu machen; hingegen ist das Pulsieren in Gegenwart eines gut ge- wählten radioaktiven Elements, falls auch die übrigen Bedingungen zweckmässig erfüllt sind, zum Beispiel während einer ganzen Nacht gesichert. Auch treten im letzteren Falle die Pulsationen sicher spontan auf, denn sogar im schallsicheren und erschütterungsfreien Ort entstehen sie ohne weitere Veranlassung des Experimentators. Die Automatie bleibt bei gut gewählter radioaktiver Dosierung, wie gesagt, stundenlang mit vollkommener Regelmässigkeit und Voll- ständigkeit erhalten. Sie hört erst auf, wenn die allgemeine Vitalität abnimmt. | Eine höchst auffallende Besonderheit dieser Untersuchungen ist die Verschiedenheit in der Winter- und Sommerdosis, welche für alle Radioelemente festgehalten werden muss, um so auffallender, weil die physikalische Eigenschaft des radioaktiven Atoms mit voller Sicherheit im Sommer und Winter die gleiche ist. Man wird ge- zwungen, entweder einen Unterschied in chemischer Bindung oder einen Unterschied in kolloidaler Adsorption anzunehmen, wenigstens wenn man die Verschiedenheit nicht auf verschiedene Reizbarkeit des Organs zurückführen möchte, wozu keine Veranlassung besteht, wenn man die Wirkung der kleinen Mengen radioaktiver Atome als Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 41 die Erfüllung einer für die Automatie und die Reizbarkeit notwendigen Bedingung auffasst. Bekanntlich hat J. Loeb!) bisher in der Wirkung der balan- eierenden Ionen einen Effekt des Wettstreits der Massenwirkungen gesehen, mit anderen Worten, ein Eindringen der Ionen in die Grenz- schicht der Zelle und eine chemische Bindung an die dort gelagerten Proteine angenommen. Ich glaube, dass meine Befunde sich besser mit der Annahme einer Adsorption vertragen. Ein unmittelbarer Grund für diese Hypothese ist die vollkommen übereinstimmende Wirkung des freigelösten T'horiumnitrats?) und des kolloidal gelösten Thoriumhydroxyds. Die erforderliche Thoriummenge ist in beiden Fällen genau dieselbe. Offenbar ist das Atom Thorium entscheidend. Nachdem die kaliumfreie Ringer’sche Flüssigkeit durch die Thorium- flüssigkeit ersetzt worden ist, setzen die Systolen so rasch und plötzlich ein, dass an die Möglichkeit eines Eindringens in die Grenzschicht der Zelle noch nicht gedacht werden kann, wenigstens nicht, wenn das Thorium in einem kolloidalen Zustand zugeführt wird. Auch noch in einigen, unten zu beschreibenden Tatsachen wird der Leser Anhaltspunkte finden, um sich die radioaktiven Ionen oder Komplexen nicht nach dem Massengesetz gebunden, sondern eher nach dem Adsorptionsgesetz der Grenzschicht angeheftet zu denken. Wenn wir uns auf diesen Standpunkt stellen, liegt es auf der Hand, eine Verschiedenheit der Adsorption im Winter und im Sommer anzunehmen. Versuche machten es vorläufig wenig wahrscheinlich, dass die Temperatur daran schuld ist. Ebensowenig ist die Reaktion Ursache. Unsere Aufmerksamkeit wurde dann auf den Caleiumgehalt gelenkt. In einem kleinen Aufsatz in den „Archives neerlandaises“ wird Dr. S. de Boer?°) das Thema näher ausarbeiten. Auf unsere Bitte hat ferner mein verehrter Freund Prof. H. J. Hamburger in seinem Institute den Caleiumgehalt des Blutserums der Winter- und Sommerfrösche bestimmen lassen, nachdem die Serumproteinen durch Ultrafitration durch Kollodium entfernt worden waren. Es zeigte 1) J. Loeb in C. Oppenheimer’s Handb. d. Biochem. Bd: 3 S. 104. 2) Frisch bereitete Thoriumnitrat-Ringer-Lösung ist, auch nachdem sie auf die richtige Alkalinität gebracht wird, nicht kolloidal. Später entsteht ein Prä- zipitat, ohne kolloidal zu werden, als Zwischenstufe. 3) 8. de Boer, Arch. neerland. de physiol. t.2 p. 352 (im Druck). 42 H. Zwaardemaker: sich, dass der Caleiumgehalt des Serums im Winter die Hälfte von ‘dem im Sommer betrug. Somit erklärt es sich, dass man gezwungen ist, die Caleiummenge der Ringer’schen Flüssigkeit im Sommer zu erhöhen. Offenbar wird erst hierdurch das geeignete Adsorptions- gleichgewicht hergestellt. Dann ist es jedoch klar, dass gleichzeitig das Adsorptionsgleichgewicht der univalenten Ionen und jenes der Schwermetalle verschoben worden ist, so dass man andere Mengen derselben in die Zirkulationsflüssigkeit zu bringen hat, um im Gleich- gewicht einer bestimmten Anzahl derselben an die Muskelzellen an- geheftet zu bekommen. Es zeigt sich, dass bei mehr Caleium, also im Sommer, weniger Alkalionen und weniger Schwermetalle in die Flüssigkeit aufgenommen zu werden brauchen, um eine gleiche Anheftung, d. h. eine eleiche radioaktive Wirkung der adsorbierten Atome, zu bekommen. Wie wir später dartun werden, beherrschen ausser Calcium noch ganz andere Faktore den Sommer- resp. Winter- status. Abgesehen von seiner Bedeutung für die Adsorption speziell der radioaktiven Ionen und Komplexe, ist das Caleiuın auch noch für die Balancierungsfrage wichtig. Das Caleium balaneiert nach Loeb der Summe Na + K gegenüber. In ähnlicher Weise fanden wir, dass es sich gegenüber Na + U und Na + Th verhält. Radium und Emanation gegenüber gelang es nicht, eine Balancierung darzutun. $ 3. Der Ersatz der kleinen Menge Radioelements, die jede gute Durchströmungsflüssigkeit enthalten muss, durch die Bestrahlung des Herzens bei kaliumfreier Durchströmung. Durch die Tatsache, dass in einer Ringer’schen Flüssigkeit alle Radioelemente sich gegenseitig vertreten können, wird es wahr- scheinlich, dass die äusserst geringe, den Herzmuskelzellen aus un- mittelbarer Nähe durch die angehefteten Ionen und Komplexe dar- gebotene Strahlung der eigentliche Grund ist der Gleichwertigkeit der richtig zusammengestellten aktiven Durchströmungsflüssigkeiten. Wir haben sie als die Ursache oder als eine Bedingung der Automatie und der Reizbarkeit kennengelernt. A priori lassen sich jedoch zwei Ein- wände gegen mögliche weitere Konsequenzen aufwerfen: Erstens, dass die Strahlung der mit Erfolg verwendeten Elemente differenter Natur ist. Kalium und Rubidium senden, wenn wir vorläufig die y-Strahlen vernachlässigen, %-Strahlen aus, das von Uranium X be- Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 43 freite!) Uran und das Thorium reine «-Strahlen, ebenso die Emanation reine «-Strahlen, während das Radium beide liefert (energetisch be- trachtet jedoch vorwiegend «-Strahlen). Den beiden Arten der Strahlen kommt die gleiche biologische Wirkung zu. Diese Schwierigkeit ist nicht sehr gross, denn wie wir bald sehen werden, begegnet man dieser Übereinstimmung im Effekt bei Verschiedenheit der Strahlungs- art in vielen Systemen. Der zweite Einwand, den man a priori gegen weitere Konse- quenzen aufwerfen kann, muss jedoch sehr ernst genommen werden. Das natürliche Element, das Kalium, sendet sehr durchdringende Strahlen aus, so dass man annehmen muss, dass auch das fixe Kalium, welches sich nach Macallum übexall in den anisotropen Stellen der Muskelsubstanz befindet, ebensogut wie die zugehörigen Ionen die sanze Zelle in allen Richtungen mit Strahlen erfüllen muss. Ich habe zur Entkräftung dieser letzten Schwierigkeit zwei Hilfshypothesen herangezogen, eine, welche auf der möglichen topographischen Ver- schiedenheit des Sitzes der Erregung und jenes der Kontraktion fusst ?), und eine zweite, dass bloss eine wechselnde Einwirkung die beim Auf- treffen von frei diffundierenden Ionen auf die Grenzschicht der Zelle plötzlich möglich wird, als die wirkliche Ursache eines Reizes und der wirkliche Ursprung einer Bedingung anerkannt werden darf. Eine Wahl zwischen diesen beiden Hilfshypothesen wollen wir vor- läufig nicht treffen und uns lieber bemühen, die beiden Ansichten durch Experimente zu prüfen. | Man kann jedoch auch das Grundproblem selbst in Angriff nehmen. Hierzu habe ich im Spätsommer 1916 zusammen mit Dr. C. E. Ben- jamins und med. cand. I T. P. Feenstra versucht, an’von diffu- “siblem Kalium befreiten Herzen die gleiche Wirkung als durch innere Durebströmung durch äussere Strahlung zu erhalten. Es standen uns bloss schwache Präparate zur Verfügung, angeblich von 3 mg Radium, 5 me Mesothorium und 6 me Mesothorium, alle in geschlossenen Be- hältern (Ebonitkapsel mit Druckdeckel und Glaskügelchen). Um dem Leser einen ungefähren Eindruck des biologischen Wertes 1) In "einer besonderen Versuchsreihe hat sich herausgetan, dass sich Uran ohze Uranium X ebenso wirksam zeigte als Uran mit Uranium X. K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 24 S. 1825 (Proceedings vol. 18). 2) H. Zwaardemaker, Ned. Tijdschr. v. Geneesk. Bd. 1 S. 1179. 1917. — Derselbe, ebenda Bd.I S. 613. 1918. 44 H. Zwaardemaker: solcher schwachen Präparate zu geben, habe ich das 5-mg-Präparat auf eine dicht ausgesäte Kultur leuchtender Bakterien in einer Petrischale wirken lassen, die Fräulein C. M. Voormolen, Assistent des hiesigen botanischen Instituts, freundlichst angefertigt hatte. Das Präparat in einer flachen Ebonitkapsel sandte seine 8-Strahlen durch ein 20 u Micafenster und durch ein abermals 20 u dickes Mica auf die '/,; cm tieferliegende Kultur. An der von den Strahlen beschienenen Stelle blieb ein Wachstum der Kultur während 3 Tagen völlig aus, während die ganze Umgebung sich üppig weiterentwickelte. Wir entfernten den kupfernen Deckel mit zentraler, vom Micafenster verschlossenen Durchbohrung der Petrischale und stellten die Kultur auf einer optischen Bank auf, worauf sich ausserdem noch eine einfache Quarzlinse (Kol- lektor oder Kollimator von Zeiss) und eine lichtempfind- liche Platte befanden. Mit Hilfe des Eigenlichtes der Kultur wurde auf ein etwas verkleinertes Bild eingestellt und durch halbstündige Ex- position eine Photographie ; angefertigt. Die weisse, etwas Abb. 3. Photograpbie einer Kultur leuchtender efleckte Scheibe ist das vom Bakterien. Zentral entwickelten die Bakterien Figenlicht der Kultur ent- sich nicht, weil sie hier bestrahlt wurden (Meso- 2 ; thorium). Eigenlicht. Quarzlinse. worfene Bild. Das Loch in der Mitte ist die Stelle, wo jedes Wachstum fehlte und die £- und y-Strahlen des schwachen Mesothoriumpräparats während voller 3 Tage eingewirkt haben. «-Strahlen fehlten vollkommen (keine Skintillation.) Hierauf wurde der gleiche Versuch mit Polonium angestellt. Letzteres befand sich in einer 3>< 1 em ausgedehnten Schicht auf Kupferblech !), welches mit einem Kanadabalsam-Wachsgemisch der 1) Aus der Chininfabrik Büchler & Co., Braunschweig, bezogen. Ich schulde der Firma grossen Dank, dass sie ungeachtet der schwierigen Umstände des Krieges die Zusendung des Präparates ermöglicht hat. a nn tue A ai Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 45 inneren Seite des Glasdeckels der Petrischale angeklebt wurde. Auch dieser Stelle gegenüber entwickelte sich die Kultur nicht. Ebenfalls nach 3 Tagen wurde in oben beschriebener Weise mit halbstündiger Exposition eine Photographie genommen. Die Eigenlichtwirkung ist gleichmässiger als im ersteren Falle, die Begrenzung der Defekte schärfer. Hier waren ausschliesslich «-Strahlen vorhanden. Obgleich mit verschwindend kleiner Energie, sendet das Meso- thorium auch noch y-Strahlen aus. Diese waren aber nicht der Grund der Wachstumshemmung, denn als wir das Präparat in einem Ab- stand von 1 cm aufstellten, hörte die Wirkung grösstenteils auf. Das Polonium sendet reine a-Strählen aus neben einer unbedeutenden Quantität ö-Strahlen. Man kann also ruhig schliessen, dass sowohl die «- wie die -Strahlen schwacher Präparate eine starke Wachstumshem- mung auf die Kulturen leuchtender Bakterien aus- üben. Es genügte, die Kultur während 3 Tagen im Dunkeln der fortwäh- renden Einwirkung ent- weder der «- oder der Aue 4. Photographie einer Kultur leuchtender R akterien. An der von Polonium bestrahlten Stelle P-Strahlen BZSBLLEN. entwickelten die Bakterien sich nicht. Eigenlicht. Der Effekt war, wie die Quarzlinse. Abbildungen dartun, identisch. Dasselbe ist übrigens auch die all- gemeine Erfahrung in der Radiobiologie. Auf das lebende Protoplasma wirken die «-Strahlen am stärksten. Dann folgen die weichen $-Strahlen. Die y-Strahlen haben erst einen Effekt, wenn sie in grosser Menge oder während längerer Zeit eingewirkt haben. Durch Blei abgeschirmt, können sie sekundäre Strahlen bilden, die wieder als #-Strahlen wirken). 1) Ch. Packard, Journ. of exp. Zool. vol. 19. 1915. 46 H. Zwaardemaker: In unserem Falle können wir behaupten, dass die Wirkung der a-Strahlen überwältigend viel grösser ist als jene der ß-Strahlen, denn die weitere Geschichte der Kulturen, nachdem die Präparate entfernt worden waren, lehrte, dass das Polonium die Kultur getötet, das Mesothorium aber sie bloss gehemmt hatte. Die von uns zur Bestrahlung des Herzens verwendeten Präparate, abgesehen vom Polönium, enthielten angeblich 3,5 und 6 mg. Wenn ich, zusammen mit Dr. W. E. Ringer, mittelst y-Methode sie indirekt mit einem Präparat, im Besitze von Dr. E. H. Büchner, verglich, stellte sich heraus, dass sie bedeutend schwächer sind. Die Feststellung der richtigen Werte behalten wir uns vor, sobald es möglich sein wird, sie auf eine offizielle Einheit zurückzuführen. Nachdem ein Froschherz in der früher beschriebenen Weise mit einer Kronecker’schen Kanüle versehen und suspendiert worden war, wurde es mit einer von Kaliumchlorid befreiten Ringer’schen Lösung durchströmt. In der anfänglichen Reihe von 34 Versuchen, die der Beantwortung unserer Frage zugrundegelest wurde, trat in 1—60 Minuten, im Mittel 31 Minuten, Ventrikelstillstand ein. Dana begann die Bestrahlung aus unmittelbarer Nähe (!/a—2 cm Entfernung). Im Anfang geschieht nichts Besonderes; nach 1—60 Minuten beim Mesothorium, nach 1—82 Minuten beim Radiumpräparat jedoch be- ginnt der vollständig stillstehende Ventrikel regelmässig zu pulsieren, ohne dass irgendwelche äussere Veranlassung die Systolen hervorrufen konnte. Der Zeitpunkt, in welchem die durch die Anwesenheit des diffusibeln Kaliums fehlende Automatie zurückkehrt, liegt im Mittel 25 Minuten nach dem Beginn der Bestrahlung. Die durch die Strahlung erneuerte Automatie bleibt jedoch bei Fortsetzung der Bestrahlung keine unbeschränkte Zeit bestehen. Nach kürzerer oder längerer Frist macht sie wieder einem, jetzt definitivem, Stillstand Platz. Im Mittel dauert die Periode der Bewegungen etwa !/& Stunde. Entfernt man hingegen das strahlende Präparat kurze Zeit, nachdem die Systolen sich gezeigt haben, so dauert die regel- mässige Pulsation noch 1—55 Minuten, im Mittel 25 Minuten fort. In allen Fällen also kommt es zu einer Nachwirkung, bei unseren schwachen Präparaten von etwa "2 Stunde, während auch die Latenz zwischen dem Beginn der Strahluug und dem sichtbaren Fffekt eben- falls '/s Stunde beträgt. Offenbar gibt es zwei Arten des Stillstandes: eine durch ein Zu- Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 47 wenie an Radioaktivität hervorgerufen und eine durch ein Zuviel. Es existiert ein einfaches Mittel, zwischen beiden zu unterscheiden. Im ersteren Falle bringt eine Durehströmung mit kaliumhaltiger Ringer’scher Lösung die Pulsation zurück, im zweiten Falle ver- harrt das Herz im Stillstand, auch wenn eine normale, physiologische Durchströmungsflüssigkeit durchgeleitet wird. Im nächsten Paragraphen kommen wir auf dieses eigentümliche Verhalten zurück. Es ist möglich, den Versuch durch ein abwechselndes Annähern und Wiederentfernen des Mesothoriumsan einem und demselben Herzen wiederholt anzustellen. Es gelang uns sogar fünfmal hintereinander !). In diesem Falle wurde etwas Fluorescein-Natrium?) (100 mg pro Liter kaliumfreier Durchströmungsflüssigkeit) hinzugesetzt, weil wir den Eindruck bekamen, dass unter dem Einfluss dieses Sensibilisators alle Erscheinungen rascher verliefen °). Wie wir bereits wiederholt hervorhoben, wurde in unseren 34 Strahlungsversuchen das Herz zuvor möglichst vollständig durch kaliumfreie Ausspülung vom diffusiblen Kalium befreit und während der Bestrahlung die kaliumfreie Durchspülung ununterbrochen fort- gesetzt. Es ist ausgeschlossen, dass man mit unseren schwachen Präparaten auch nur irgendeine Wirkung der Bestrahlung erreichen würde, wenn man mit Blut oder mit normaler Ring er’scher Flüssig- keit durchströmte. Die Durchströmungsflüssigkeit muss unbedingt kaliumfrei sein. In alien unseren Versuchen erhielt sie weniger als 1 mg pro Liter. Wir haben die Strahlungen auch angewendet bei caleiumfrei durehströmten und infolgedessen selbstverständlich stillstehenden Herzen. 1) In vielen Versuchen hindert der infolge der Störung der Caleiumbalancierung auftretende Tonus die vielfache Wiederholung der Strahlungsversuche. 2) Im Zusammenhang mit den in $ 5 zu erörternden Tatsachen stelle ich mir vor, dass das Fluorescein die Festhaltung an der Oberfläche der Muskelzellen von jenen Kaliumionen befördert, die, aus den fixen Kaliumverbindungen freigestellt, allmählich aus der Zelle auswandern. Anfänglich unterstützten sich die Strahlungen dieser Ionen und die von aussen kommende Strahlung bei der Hervorrufung der Automatie. 3) Übrigens gingen bis jetzt die Zeitbestimmungen für die Bestrahlungs- versuche weit auseinander. In unberechenbarer Weise ist die Periode des Ab- wartens, bis die Automatie unter Bestrahlung erneuert wird, sowohl als die Periode der zurückgewonnenen Automatie selber von Fall zu Fall verschieden. Ich ver- stehe noch keineswegs die Bedingungen, die hier ausschlaggebend sind. ® 48 H. Zwaardemaker: Sie erwachen durch die Bestrahlung nicht. Dennoch sind sie auch im ealeiumfreien Zustand irgendeinem Einfluss der Bestrahlung unter- worfen, denn wenn man die Systolen durch Durchströmung mit ealeiumhaltiger, kaliumfreier Ringer’scher Flüssigkeit zurückgerufen hat, sistiert der Ventrikel seine Bewegungen unmittelbar, wenn nach- her gewöhnliche, normale Ringer’sche Flüssigkeit zugelassen wird. Die Bestrahlung hat eine Nachwirkung zurückgelassen, während welcher sogar die normale Menge an diffusiblem Kalium stört. Alle unsere Präparate strahlten nur f-Strahlen aus, wenn wir von den begleitenden y-Strahlen absehen., Wir überzeugten uns wiederholt, dass auf vorzügliche Zinksulfidschirmehen auch nicht die geringste Spur einer Seintillation wahrnehmbar wurde. In neuester Zeit haben Dr. Grijns und ich die Strahlungs- versuche mit Polonium fortgesetzt. Einseitige Bestrahlung des von diffusiblem Kalium dauernd befreiten Ventrikels ergab ein entschieden negatives Re- sultat. Es zeigte sich keine Abb. 5. Erwachen der Automatie durch Polo- Spur einer spontanen Be- niumbestrahlung. Das Kymographion wurde wegung. Wenn wir dann während der 30. Systole vom Experimentator BE berührt zum Beschreiben des Wortes „spontan“. aber durch Umbiegen unseres Poloniumkupferblechstreif- chens (3>< 1 cm) das Herz von drei Seiten zu bestrahlen anfingen, gelang die Wiederherstellung der Automatie einige Male nach langer Latenz. Die unter allen denkbaren Kautelen im schall- und erschütterungsfreien Raum ausgeführten und immer von fort- laufender Registrierung auf ein langsames Kymographion begleiteten Versuche werden demnächst in den Archives neerlandaises de Physio- logie zur Publikation gelangen. Sie* führten uns zum Schluss, dass nieht nur die reine ß-Strahlung, sondern auch die reine «-Strahlung die Pulsationen eines durch die Abwesenheit des diffusibeln Kaliums stillstehenden Ventrikels zurückzurufen imstande ist. Dass die Zahl der gelungenen Versuche gegenüber den mit negativem Erfolg so gering ist, rührt unseres Erachtens vom geringen Durchdringungs- vermögen der «-Strahlen her. Erstens muss das Perikardium durch- bohrt werden und zweitens bis zum Atrioventrikulartrichter oder dessen Umgebung eingedrungen werden. Die Mesothorium-, Radium-, Poloniumversuche bringen den Be- he " Mi, Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 49 weis, der nach $ 2 noch ausstand. Die Radioaktivität und keine andere Eigenschaft der sich gegenseitig ver- tretenden Atome erfüllt die für die Automatie notwendige Bedingung. Es ist gleichgültig, ob diese Radioaktivität von den an der Muskelzelle anhaftenden Ionen oder Komplexen oder von ausserhalb aufgestellten Präparaten ausgeht. Erforderlich ist nur, dass sie in genau dosierter Menge vorhanden ist. Eine doppelte Dosis wird dem Herzen gefährlich, sei es auch vorläufig noch in um- kehrbarer Weise; eine unterschwellige Dosis reicht nicht aus, obgleich eine gewisse Nachwirkung zurückbleibtt. Das Kommen und Ver- schwinden der Automatie zeigt sich besonders deutlich von der Radio- aktivität abhängig, wenn man in der Nähe des Nullpunktes ist, d. h. wenn kein diffusibles Kalium mehr innerhalb der Zelle und keine anhaftenden Atome der Radioelemente ausserhalb anwesend sind. — $ 4. Paradoxa und Antagonismus. Während der Durchströmungs- und während der Bestrahlungs- versuche sind wir auf eine Anzahl anfänglich sehr paradoxer Er- scheinungen gestossen, die wir jetzt besprechen wollen. Unsere Technik erlaubte, möglichst rasch und unter Vermeidung eines auch nur in irgendeiner Weise ansehnlichen, toten Raumes die verschiedenen Flüssig- keiten, die wir prüfen wollten, zu wechseln. Da stellte sich heraus, dass es nicht immer möglich ist, bei Vertauschung zweier, an und für sich vorzüglicher Durchströmungsflüssigkeiten die Bewegungen fort- bestehen zu lassen. Im Gegenteil, in einer gewissen Rubrik der Fälle tritt gerade durch die Umschaltung des Herzens auf eine gleich gute Flüssigkeit, als die es verlässt, fast unmittelbar Stillstand ein, während in einer anderen Rubrik die Umwechslung der Flüssigkeiten flott und ohne irgendwelche Störungen der Funktion vor sich gehen kann. Ungestörte Umwechslung ist möglich zwischen Durchströmungs- flüssigkeiten mit: Kaliumehlorid, Rubidiumchlorid, Cäsiumchlorid. Diese Lösungen kann man sogar zu gleichen Teilen mischen, ohne dass die Pulsationen des Herzens bei der Durchfliessung des Ge- misches geschadet werden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Band 173. 4 50 H. Zwaardemaker: In ähnlicher Weise darf man unmittelbar von der einen Flüssig- keit zur anderen übergehen bei: Uranylnitrat, -acetat, ka, Thoriumnitrat, kolloidalem Thoriumhydroxyd, Radiumsalz, Emanation. Auch diese Lösungen können ohne Gefahr für de Systolen unter sich zu gleichen Teilen gemischt werden. ‘Die beiden Gruppen lassen jedoch untereinander keine unmittel- bare Auswechslung zu. Falls man eine solche versucht, steht das Herz plötzlich still, sobald die ersten Tröpfehen in die Lakunen gelangt sind. .Erst nach einer Pause von mehreren Minuten, in welcher man annehmen darf, dass die zweite Flüssigkeit die erstere vollkommen ersetzt hat, womit unter Umständen ziemlich viel Zeit vergeht, fangen die Systolen aufs neue an. - Auch darf man die Durchströmungsflüssigkeiten der zwei Rubriken nicht ohne weiteres mischen. Wenn man es, zu gleichen Teilen, ver- sucht, bekommt man eine zur. Unterhaltung der Pulsationen un- brauchbare Flüssigkeit. Anders jedoch, wenn man die Konzentrationen abändert und in verschiedenen Verhältnissen gegeneinander abwägt. Dann lassen sich Mischungen herstellen, die je nach der Zusammen- setzung Stillstand oder Automatie bedingen. Allem Anschein nach halten sich in den für die Systolen untauglichen Mischungen die radioaktiven Elemente im Gleichgewicht. 1 Schematisch kann man sich die en in folgender Weise denken: Kaldım Uranium a ln Be —— | Radium Cäsium- Niton (Emanation). Ein Zuviel nach der einen Seite ruft Pulsationen hervor, die durch Kalium resp. Rubidium oder Cäsium bedingt sind; ein Zuviel nach der anderen Seite Pulsationen, die auf Uran-, Thorium-, Radium- oder Nitonwirkung beruhen. = Man ist deshalb gezwungen, wenn man von der ersten auf die zweite Gruppe, oder umgekehrt, ohne Störung in der Automatie über- Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 51 gehen will, auf kurze Zeit eine Durchströmungsflüssigkeit dazwischen zu Schieben, die frei ist von Radioelementen. Man könnte geneigt sein, die Erklärung dieser paradoxen Er- scheinung zu suchen in einem Wettstreit der J. Loeb’schen Bindungen zwischen den Salzionen und den Proteinen der Grenzschicht der Muskel- zelle (angenommen, dass die Ionen das Lakunen-Endothel leicht durch- wandern, was keineswegs sicher ist). Dann befremdet gewiss die ungemeine Raschheit der Erscheinung. Wie bereits hervorgehoben, sistiert der Ventrikel seine Bewegungen vom ersten Augenblick an, in welchem etwas von der mit der Automatie unverträglichen Flüssigkeit in die Lakunen hineingekommen ist. Manchmal vergeht nicht einmal eine Minute, gemessen von der Umdrehung der Hähne bis zum Moment, bis das Herz innehält. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass in so kurzer Zeit die Ionen in die Grenzschicht eindringen und sich dort nach dem Massengesetz binden würden. Auch die Annahme einer Adsorptionsverdrängung lässt im Stich. Faktisch wird eine solche vorkommen, jedoch an und für sich ist sie ausserstande, den Stillstand zu erklären. Letzteres wäre noch mög- lich, wenn wir uns immer solcher Flüssigkeiten bedient hätten, in welehen nicht mehr vom Radioelement vorhanden ist, als gerade not- wendig. Dann wäre es denkbar, dass der Wettstreit der Adsorptionen serade beide wetteifernden Elemente unter die Schwelle ihrer Wirkung herabgedrückt hätte und der Effekt sowohl der einen oder der anderen verlustig geworden sei. Aber im Winter kann man ohne Gefahr die Konzentration des Radioelements, wenn es allein vorhanden ist. bedeutend erhöhen (beim Kalium bis zum Vierfachen, beim Uran und Thorium bis zum Doppelten), und wenn im Wettstreit beiderseits reichlich Atome adsorbiert sind, kommt der Stillstand beim genauen Gegeneinanderabpassen der Flüssigkeiten dennoch zustande. Ebensowenig kann ein eventueller, chemischer Gegensatz zwischen den Leicht- und Schwermetallen die Erklärung bringen, ‘denn eine | in bestimmter Dosierung mit Emanation beladene kaliumfreie Ringer- sche Flüssigkeit verhält sich zu Kalium-Ringerlösung antagonistisch. Es befinden sich dabei einige wenige Nitonatome (Emanation) einerseits, eine reichliche Zahl Kaliumionen andererseits. Rein ehemische Wirkungen sind kaum denkbar. Man wird ganz andere Tatsachen zur Erklärung herheiziehen müssen. Es wird dem Leser aufgefallen sein, dass die Gruppe links vom Doppel- 4* 52 H. Zwaardemaker: pfeile die Elemente umfasst, die durch die Aussendung von £-Strahlen (neben y-Strahlen) charakterisiert sind!), Die Gruppe rechts vom Doppelpfeileenthält ausschliesslich «-Strahler 2). Offenbar existiert ein biologischer Gegensatz, der sich deckt mit dem physikalischen Unterschied. Die «- und £-Strahler sind biologische Antagonisten, physikalisch verschieden. Die Annahme liest auf der Hand, dass der Grund des Gegensatzes in den Zeichen der Ladungen zu suchen ist, die beide Strahlungen mitführen. Denn alle ihre anderen physikalischen Eigenschaften wirken gleichsinnig; nur die eine Eigenschaft, die Ladung, welche sie tragen und die sie anderen Körpern mitteilen können, ist in den beiden Rubriken ent- gegengesetzt. Wenn die Adsorption der Ionen und der Komplexe an die Grenz- schicht durch ein Proportionalgesetz beherrscht würde, so würden die höheren Gleichgewichte durch Dosierungen der einander ent- gegenarbeitendenRadioelemente herbeigeführt werden; die Mul- tipla sind die gerade aus- reichenden Dosen. Aber die Adsorptionen grösserer Mengen vollziehen sich nach dem be- 7 6 - Strahler kannten Exponentialgesetz°), Abh. 6. Kurve der Gleichgewichte, und die gegenseitigen Verdrän- gungen gehorchen verwickel- teren Regeln, die zum Teil noch unerforscht sind *). Wir gingen also daran, die höheren Gleichgewichte empirisch aufzusuchen, und fanden dabei ganz allgemein, dass die «-Strahler bei zunehmender Konzentration der beiden Komponenten der Mischung relativ einen weit grösseren Einfluss bekommen als die £-Strahler. Eine graphische Darstellung ja der ou -Automatie Fe &- Strahler Feld der ß -Aufomalie 1) Cäsium muss den #-Strahlen zugerechnet werden, denn es ist antagonistisch, unter anderem mit kolloidalem Thorium, das ein reiner «-Strahler ist; übrigens auch mit der Emanation. 2) Das Radium hat in unmittelbarer Nähe einen unendlich grösseren «- als ß- oder y-Eifekt. 3) H. Freundlich, Zeitschr. f. physikal. Chemie Bd. 57 S. 393. 1906. 4) H. Freundlich und M. Masius, Gedenkboek J. M. van Bemmelen 8.83. 1910. F ne ah rl so u EEE EEE ER EEE Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 53 der Gleichgewichte hat als Konsequenz dieses Verhältnisses eine immer wiederkehrende Form, die die Abbildung schematisch wieder- zugeben versucht. ; Wenn man in einem Koordinatensystem auf der Achse der Ab- seissen die Menge der £-Strahler verzeichnet, die in einer Mischung vorhanden sind, und auf der Achse der Ordinaten die Menge der a-Strahler, so skizziert die Kurve die Lage der aufeinanderfolgeuden ‚Gleichgewichte, wobei die Wirkungen der beiden Strahler genau gegeneinander aufgewogen worden sind und das Herz infolgedessen stillsteht. In der Abbildung finden sich über der Kurve die Zu- sammenstellungen lokalisiert, die eine auf «-Strahlung beruhende Automatie bedingen, unter der Kurve jene, die einer $-Strahlung-Auto- matie entsprechen. Wir studierten diese Verhältnisse bis jetzt für: die Kalium-Uran-Gleichgewichte, die Rubidium-Uran-Gleichge- en ; Abb. 7. Gleichgewichtzwischen 3000. mg die Kalium-Thorium-Gleichge- Kaliumchlorid und 14 mg Uranylnitrat Sichte bei einem Sommerfrosch. Der Anfang I der Kurve fällt mit der Einstellung die Kalium-kolloidales-Thorium- des Gleichgewichts zusammen. 1Min. ; ; später Stillstand. Keine latente Auto- hydroxyd-Gleichgewichte. matie, denn eine stossweise Berührung (die Stelle der plötzlichen Erhebung ruft Alle entsprachen dem allge- unbedeutende, eine sanfte Berührung, meinen Bild, das in der Figur ver- eine deutlicheTonusschwankung hervor. zeichnet wurde. Eine leichte Abänderung der Alkalität der Flüssig- keit modifiziert weder die Lage noch den Verlauf der Kurve. Für Kalium-kolloidales-Thoriumhydroxyd zum Beispiel waren die Gleich- gewichte bei 100 und bei 200 mg NaHCO, pro Liter Durchströmungs- flüssiekeit einander vollkommen ähnlich. Eine Abänderung des Caleiumgehalts jedoch übt einen bedeutenden Einfluss aus, indem sie bei zunehmendem Caleiumgehalt die Lage der Kurve hinaufschiebt ?). In der Gegend der sehr hohen Gleichgewichte verläuft die Kurve fast horizontal, so dass man sehr grosse Mengen der £-Strahler 1) H. Zwaardemaker, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 25 S. 1101 (Proc. vol. 19 p. 1046). Ned. Tijdschr. v. Gen. 1918. Bd.1 S. 608. Über die Ver- schiedenheit der Lage der Gleichgewichtskurve im Sommer und im Winter, siehe k. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 S. 805. 54 H. Zwaardemaker: hinzuzufügen hat, um eine ganz kleine Menge a-Strahler extra auf- zuheben. Es wird hierdurch möglich, unglaublich grosse Mengen Kalium in eine Durchströmungsflüssigkeit aufzunehmen. Man hat bloss zu sorgen, dass entsprechende geringe (uanten Uran oder Thorium gleichzeitig vorhanden sind). Die Technik der Aufsuchung dieser Gleichgewichte ist für den Erfahrenen sehr leicht. Am geeignetsten ist, erst den «-Strahler in die Flüssigkeit zu bringen und dann tastend den ß-Strahler hinzu- zufügen. Man fange immer mit einem niederen Gleichgewicht an und steige erst allmählich zu höheren Gleichgewichten. Falls man unsicher ist, ob die gesuchte Grenze schon überschritten, so spüle man gründlich mit kaliumfreier Ringer’scher Lösung aus, und erst wenn das Herz zum völligen Stillstand gekommen ist, fange man aufs neue an. .Nie versuche man, ein Gleichgewicht von oben her zu erreichen. Ist der Punkt gefunden, so überzeuge man sich, dass der Stillstand definitiv ist. Wir begnügten uns mit einem Zeitraum von 5—10 Minuten und schritten dann zu neuen Be- stimmungen. In einer früheren Mitteilung in dieser Zeitschrift?) habe ich ge- zeigt, dass ein ähnlicher Gegensatz, wie zwischen den «- und ß-Radio- elementen, zwischen Mesothoriumbestrahlung und Uran-Ringer- Durehströmung besteht. Wir fanden darin ein Hilfsmittel zur bio- logischen Wertbestimmung eines Radiumpräparats. Das Präparat von angeblich 3 mg entsprach einer Urandosis von 19 mg pro Liter Durchströmungsflüssiekeit und das Präparat von angeblich 5 mg einer Urandosis von 30 mg. Wir schlossen, dass die hier in Frage kommende Wirkung von den sehr weichen £-Strahlen herrührt (offenbar die gleichen Strahlen als die, welche die Wachstumshemmung verursachten, als wir sie auf die Kultur der leuchtenden Bakterien wirken liessen). Eine Urandosis von 30 mg pro Liter würde einer Radiumdosis von etwa 80 Mikromilligramm (= 30-107 mg) entsprechen, d. h. einer Dosis, die etwa zehnmal grösser ist als die, welche, in einem Liter kalium- freier Ringer’scher Lösung aufgenommen, ausreicht, um die Pul- sationen eines Froschherzens fortdauern zu lassen. Beim Kalium ist ungefähr das Vierfache einer Minimumdosis eiftie. Wir verstehen 1) Zwaardemaker, Ned. Tijdschr. v. Gen. 1918. Bd.1 S. 608. 2) Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 169 S. 122. 1917. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 55 also, dass eine allzulange fortgesetzte Bestrahlung nachteilig ist. Ihre Toxizität und jene des Kaliums haben eine Verwandtschaft. So aufgefasst, liegt in der Nachwirkung der Be- strahlung etwas dem Kalium Ähnliches. Andererseits ist es in diesem Gedankengang selbstverständlich, dass sogar eine kurze Bestrahlung ein Gleichgewicht verschieben macht. Wir haben diesen Kunstgriff wiederholt benutzt, wenn wir beim Suchen nach Kalium - Uran- oder Kalium - Thorium - Gleichgewichten unsicher waren, an welcher Seite der Kurve wir uns befanden. Kam das Herz zum Stehen, so hatten wir es mit einem Uran- oder Thoriumherz zu tun, wenn nicht, so blieben die Pulsationen in den erstfolgenden Minuten fortbestehen. Die Labilität eines solchen Gleichgewichts ist der Grund, weshalb man leichter von einem Gleichgewicht ausgehend ein stillstehendes Herz zum Pulsieren bringt, als vom früher definierten Nullpunkt aus, wobei sich weder innerhalb noch »ausserhalb der Muskelzelle diffusibles Kalium findet. Wir verstehen jetzt auch, weshalb früher die kaliumfrei un- gemein lang pulsierenden, abnormen Organe durch Hinzugabe kleiner Mengen Uran zu normalen Herzen gemacht werden konnten. Die kleine Urandosis genügte, um der in den Zellen selbst zurück- gebliebenen Menge des diffusiblen Kaliums, die wahrscheinlich in solchen Fällen infolge der Vorgeschichte etwas grösser ist, die Wage zu halten. Noch ein anderes Paradoxon als das, welches zur Entdeckung des Antagonismus zwischen «- und ß-Strahlern geführt hat, liegt in den bisher beschriebenen Versuchen verschlossen. Wenn ein von kaliumfreier Flüssigkeit durchströmtes stillstehendes Herz aufs neue durch Mesothoriumbestrahlung zum Pulsieren gebracht worden ist, wird man es während der ersten fünf bis zehn Systolen ohne Gefahr dem Einfluss gewöhnlicher Ringer’ scher Flüssigkeit aussetzen können; später, zum Beispiel nach 20 oder 40 Systolen, nicht mehr, denn dann wird es im Momente, worin die kaliumhaltende Flüssigkeit Zu- gang bekommt, unmittelbar stillstehen. Das Phänomen ist, wenn man in der Nachwirkung der Strahlung etwas dem Kalium Ähnliches sieht, wohl verständlich. Begreiflich wird es dann auch zu gleicher Zeit, dass, wie wir’in einer absichtlich vorgesehenen Versuchsreihe feststellten und früher bereits kurz angedeutet haben, die normale Ringer’sche Flüssigkeit nicht verträglich ist mit einem wirklich über- 56 H. Zwaardemaker: strahlten Herzen, d. h. einem Herzen, das anfänglich durch Bestrahlung seine Automatie zurückgewonnen, nachher aber durch fortgesetzte Be- strahlung zur Ruhe gekommen ist. Man kann in einem solchen Zustand einZuvieldesdemKalium Ähnlichen sehen, hervorgebracht zuerst durch die £-Strahlung des Mesothoriums, die infolgedessen noch nach- wirkt, und nachher durch die ß-Strahlung des neu zugetretenen Kaliums. Diese Vorstellung wird gestützt durch die Tatsache, dass ein in dieser Weise durch Überstrahlung stillstehendes Herz unmittel- bar zu pulsieren anfängt, wenn man statt der kaliumfreien oder der vergeblich versuchten Ringer’schen Lösung eine uranhaltige an- wendet. Der Antagonist Uran vernichtet die übermässige Nachwirkung (das dem Kalium Ähnliche), welche die zuvor in allzu grosser Menge über das pulsierende Herz ausgeschüttete weiche ß- Strahlung in den Muskelzellen zurückgelassen hat. Manchmal genügt zu diesem Zweck die gewöhnliche Urandosis der Ta- belle, manchmal jedoch auch nicht. In letzterem Falle hat man zu einem Multiplum zu greifen, bis man die Dosis er- ‚Abb. 8. Sekundärer Zustand der Radio- reicht, die ein gewisses Über- ee a aut Rn _ maass liefert, gross genug, um auf kaliumfreier Lösung. die schlummernde Automatie wachzurufen. Seltenerweise kann kurze Zeit nach längerer Überbestrahlung, be- sonders nach wiederholtem Herumprobieren mit Kalium- resp. Uran- durchströmungen, ein Zustand eintreten, in welchem die Bewegungen bei Durchspülung mit inaktiver Flüssigkeit zwar spontan zurück- kehren, die zurückgewonnene Automatie -aber sowohl durch eine normale Ringer-Lösung als durch eine sonst geeignete uranhaltige Ringer-Lösung vernichtet wird. Wir wollen diesen abweichenden Status vorläufig, um ihn einen Namen zu geben, den Zustand se- kundärer Radioaktivität nennen. Nachdem wir in $ 3 die Sicherheit erhalten hatten, dass die Bedingung, welche normaliter vom diffusiblen Kalium geschaffen wird, radioaktiven Ursprungs ist, und dass aus diesem Grunde alle anderen Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 57 radioaktiven Elemente das Kalium vertreten können, gelangten wir in $ 4, geleitet durch den aufgefundenen Gegensatz zwischen «- und 8-Strahlern, zu der Vorstellung, dass das eigentliche Wesen der bio- logischen Radioaktivität in der fortwährenden Herbeischaffung einer elektrischen Ladung liest. Im isoelektrischen Punkt herrscht Ruhe. Wenn nach der einen oder nach der anderen Seite eine Ladung -hirzukommt, entsteht im vorher erstarrten Substrat der Erregung aufs neue Automatie. Der vom diffusiblen Kalium befreite Zustand, so gut wie die höheren Gleichgewichte, bildet solche isoelektrischen Punkte. Wird die Nachwirkung der Bestrahlung als etwas dem Kalium Ähnliches aufgefasst, so ist es am einfachsten, sich den durch die Bestrahlung neu- gebildeten, hypothetischen Stoff als freies, intrazellu- lares Kalium zu denken,das sich während der Bestrah- lung aus den fixen Verbindungen gelöst hat und sich in derZelle anhäuft. Noch ein Schritt weiter, undman wird zur Hypothese geführt, dass die Strahlung des Kaliums der fixen Verbindungen normaliter derFaktor ist, welcher fortwährend das Atom Kalium aus dem festen Gefüge der anisotropen Muskelsubstanz befreit. Dann wird auf einmal alles klar und übersichtlich. Normaliter findet durch die Eigenstrahlung des Kaliums in der Muskelzelle eine ständige Mobilisierung von Kaliumatomen statt, die als Ionen durch die normaliter permeabele Grenzschicht die Zelle verlassen und nach der Zirkulationsflüssigkeit auswandern. Hier bilden sie das diffusible Kalium, welches eine notwendige Bedingung ist für eine regelmässige Automatie. Während einer von aussen herbeigeführten Bestrahlung wird das Kalium in besonders grossen Mengen aus den fixen Verbindungen freigestellt. Wenn jedoch die Balanciernng gestört ist, wie im von kaliumfreier Ringer’scher Flüssigkeit durchströmten Herzen, so kann zwar etwas vom diffusiblen Kalium entweichen, jedoch nicht genug, so dass das überschüssige Kalium, dem natürlichen beigemischt, im Innern der Zelle eine. solche Anhäufung der frei beweglichen Kaliumionen zustandebringt, dass hierdurch ein Übermaass entsteht, welches schliesslich den Herz- stillstand herbeiführt. In dieser Weise erscheint uns die von der Be- strablung hervorgerufene Nachwirkung ungezwungen als etwas dem Kalium Ähnliches. Nach einiger Zeit mindert sich die intra- 58 H. Zwaardemaker: zellular angehäufte Menge durch langsame Auswanderung der Ionen, und ‘(der sekundäre Zustand entsteht, in welchem die Automatie er- wacht, jedoch eine kleine Zugabe von Kalium oder Uran die Be- weegungen unterdrückt. Letzteres Freignis erklärt sich für die Zugabe von Kalium aus Übermaass, für jene von Uran aus der Neuentstehung eines isoelektrischen Punktes, eines Erstarrungspunktes des Substrats der Erregung. Es. wäre wichtig, für diese ad hoc aufgestellte Hilfshypothese experimentelle Belege herbeizuschaffen. Bis jetzt gelang es mir nicht. Während der Bestrahlung zum Beispiel war die Kaliummobilmachung nicht grösser als ohne Bestrahlung. Jedoch ist es fraglich, ob die chemische Reaktion von de Koninck, die wir anwendeten, zu diesem Zweck ausreicht und ob nicht die Unregelmässigkeiten der Durch- strömung die in einem pulsierenden und den Tonus wechselnden Herzen nicht zu vermeiden sind, nicht allzu grosse Komplikationen hervorrufen. Die schwache Seite aller unserer Theorien ist, dass die Ladungen, welche die «- und die #-Teilchen antragen, äusserst gering sind. Sie existieren ohne Frase, aber die Mengen sind verschwindend klein. Hingegen werden sie ins Innere der lebenden Materie getragen, bis an Ort und Stelle, wo die Erregungen entstehen und vergehen. Auch ist die immer erneute Zufuhr kontinuierlich, und alle von uns be- obachteten Wirkungen 'erforderten lange Zeit. Eine Vorstellung über die Quantitäten, um welche es sich hier handelt, bekommt man, indem man sich bewusst ist, dass 3-1071? & Radium pro Gramm der Zirkulationsflüssigkeit ausreicht, um die Automatie des Froschherzens im Gange zu halten. Weniger ergibt Stillstand durch ein Zuwenig, das Doppelte Stillstand durch ein Zuviel. | ; Die Radioaktivität der Ackererde ist von derselben Ordnung 1-10712 g pro Gramm der festen Substanz im getrockneten Zustand. Wenn später das Wasser durch kolloidale Adsorption eindringt und . die spärlichen, winzigen Radiumatome, wahrscheinlich nur zu einem verschwindend kleinen Teil, mobilgemacht werden, kann ihre bio- logische Wirkung anfangen. Dann aber werden sich die wenigen Radiumatome über eine unendlich viel grössere Wassermenge ver- teilen, als in welcher unsere 3.1071? & aufgenommen sind. Und selbst in dieser unendlich verdünnten Konzentration hat die Radioaktivität Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 59 für die Pflanzenwelt noch eine gewisse Bedeutung'!). Im Vergleich hiermit ist die am Froschherzen zur Verwendung gebrachte Dosis sehr gross. An einem anderen Ort?) habe ich die von der Durchströmungs- flüssigkeit durch das Herz geführte radioaktive Energie auf 4.1077 bis 2-10? Erg. pro Sekunde veranschlagt. Ein Teil derselben wird von den Muskelzellen absorbiert, ein Teil fliesst unbenutzt ab. Wir sind gewiss nicht fern von der Wahrheit, wenn wir annehmen, dass der resorbierte Anteil von einer Ordnung sein wird gleich der, die in vielen Fällen den biologisch wirksamen Reizen zugeschrieben wird). Aber wir haben es hier nicht mit einem Reiz, sondern mit einer Bedingung zu tun. Auf diesen Punkt hoffe ich weiter unten zurück- zukommen. $ 5. Die scheinbaren Sensibilisierungen. Weil mir bekannt war, dass von klinischer Seite versucht worden ist, die Wirkung der Radiumbestrahlungen zu verstärken dadurch, dass man das erkrankte Gewebe vorher mit Fluorescein anfärbte, habe ich von Anfang an in allen meinen Versuchen den Einfinss einer Zugabe von Fluoreseein zu den Durchströmungsflüssigkeiten studiert. Wir benutzten ein giftfreies Präparat von Fluoresceinnatrium, von Merck bezogen, das nach der Reaktion von de Koninck kein Kalium ent- hielt. Durchgehend kam eine Dosis von 100 mg pro Liter in An- wendung. Die doppelte Dosis erwies sich als störend. Die Wirkung aller radioaktiven Elemente wurde durch Fluorescein aktiviert, die Leichtmetalle jedoch in geringerem Grade als die Schwer- metalle. Vom Kalium genügt zum Beispiel bei Gegenwart von Fluorescein 34 mg pro Liter statt sonst 50; vom Uran 12 mg statt sonst 25 mg; vom kolloidalen Thoriumhydroxyd 20 mg statt sonst 80 mg usw. Der Grund des Phänomens ist nicht klar, denn im Dunkeln gelingen die Versuche ebensogut als bei Tageslicht, und auch 1) Eine Anregung des Wachstums durch Strahlung und durch Emanation beobachtete in sorgfältigen Versuchsreihen Molisch, Wiener Sitzungsber. Bd. 121 Abt.I S. 12] u. 833. 1912; er erreichte seine Resultate mittelst Quanten, die den meinigen ähnlich sind (0,0000063 mg pro Tag). 2) H.Zwaardemaker, K. Akad. d. Wiss. Amsterdam Bd. 25 S. 1098. 1917 3) H. Zwaardemaker, Erg. d. Physiol. Bd. 4 S. 482. 1909. 60 H. Zwaardemaker: lange im Dunkeln aufbewahrten Salze geben dasselbe als im Licht gehaltenes. Mit Fluorescenz oder Phosphorescenz hat die Sache also nichts zu tun. Bloss lässt sich behaupten, dass eine gleichzeitige Anwesenheit von Fluorescein vorteilhaft ist für das rasche Einsetzen der Automatie, nachdem die kaliumfreie Lösung durch eine ein Radio- element enthaltende ersetzt ist. ’ Fluorescein an und für sich bringt keine Automatie. Wir besitzen einen sehr empfindlichen Indikator, um die Er- scheinung quantitativ zu verfolgen. Die aufeinanderfolgenden Gleich- gewichte zwischen den «- und den £-Strahlern werden nicht in der- selben Weise wie vorher fortbestehen können, wenn den Gemischen Fluorescein beigegeben ist; denn die Wirkung beider antagoristischen Elemente wird verstärkt, jedoch nicht im gleichen Maasse. Die a-Strahler bekommen ein Übergewicht, und das Gleichgewicht muss sich verschieben. Das Resultat stimmte mit unserer Erwartung über- ein. Durch Erhöhung der Kaliumdosis lässt sich die Störung wieder aufheben, und das Maass der hierzu erforderlichen Erhöhung ist zu- gleich ein Maass für die Fluoresceinwirkung. Es zeigte sich, dass um so mehr Kalium zu nehmen ist, je nachdem man mit einem höheren Gleichgewicht zu. tun hat. Statt Kalium im Übermaass lässt sich auch Mesothoriumbestrah- lung anwenden. Auch hierdurch wird der Einfluss des Urans, der durch das Fluoresceein mehr zugenommen hat als gleichzeitig der Einfluss des Kaliums zunahm, zurückgedrängt, so dass aufs neue das Gleichgewicht zurückgewonnen wird. Ein solches Gleichgewicht, nach unserem Dafürhalten ein isoelektrischer Punkt, hat eine gewisse Breite. Die Doktorarbeit des Herrn Streef macht darüber nähere Angaben. Die Breite wächst beim Ansteigen längs der Gleich- gewichtskurve. Auch durch Eosin (kaliumfrei) wird die Wirkung aller Radio- elemente aktiviert, aber jetzt die Wirkung der leichten Elemente mehr als jene der schweren (vom Kalium hat man zum Beispiel 60 mg zu nehmen statt sonst 100 mg, vom Thorium 42 mg statt sonst 50 mg). Auch muss man eine relativ und absolut grössere Dosierung des Sensibilisators wählen: 900 mg Eosin pro Liter, eine Dosis, die sich der toxischen Grenze (1000 mg pro Liter) sehr nähert. Wiederum verschiebt Eosin alle radioaktiven Gleichgewichte, aber jetzt nach der Seite der ß-Strahler. Um das Gleichgewicht zurückzugewinnen, hat Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 61 man Uran oder Thorium extra hinzuzufügen, und diesmal bemüht man sich vergeblich, um durch Mesothoriumbestrahlung auf den Ausgangs- punkt (den isoelektrischen Punkt) zurückzukommen. Im Dunkeln (und mit im Dunkeln aufbewahrten Präparaten) gelingen die Experi- mente ebensogut. Falls man Fluorescein und Eesin gleichzeitig hinzugibt, kommt keine gegenseitige Aufhebung ihrer Wirkungen zustande, Im Gegen- teil, das Ergebnis der Versuche ist genau dasselbe, als wenn Eosin für sich allein vorhanden ist. Man bekommt den Eindruck, dass das Eosin das Fluorescein ohne weiteres verdrängt, und wirklich gelang es, diese Anschauung durch Modellversuche zu stützen. Wenn man eine wässerige 0,0005 °/o Fluoresceinlösung über be- stimmte Adsorbentia (Taleum venetum, Kieselsäure, Alumen plumosum oder Infusorienerde) filtriert, nachdem man die Lösung vorher mit dem Adsorbens geschüttelt hat, läuft das Wasser ungefärbt ab. Das Fluorescein wird also vom Adsorbens zurückgehalten. Wenn man unmittelbar nachher eine 0,0045 °/o wässerige Eosinlösung aufgiesst, wird Eosin zurückgehalten, und es fliesst das Wasser (das Fluorescein mitnehmend) grünlich (die Farbe des Fluoresceins) ab. Offenbar geschieht im Organ dasselbe, was für unser Auge jetzt am Adsorbens stattfindet. Eosin vertreibt Fluorescein. Das Umgekehrte findet weder im Organ noch im Modell statt. Methylenblau und Neutralrot aktivieren die Wirkungen der Radio- elemente nicht. Es ist klar, dass der Grund der scheinbaren Sensibilisierung nicht in den Radioelementen zu suchen ist, denn diese bleiben unter allen Umständen dieselben. Die Adsorptionsversuche zeigen die Richtung, in welcher wir die Lösung des Rätsels zu suchen haben, wenigstens was die Verschiebungen des Gleichgewichts angeht. Die Aktivierung, welcher die Wirkung jedes Elementes für sich allein unterworfen ist, wird dann übereinstimmend als eine Verbesserung der Adsorption dieser Ionen oder Komplexe aufzufassen sein. .Der Caleiumeinfluss, der sich gleicherweise erklären liess, stützt diese Ansicht. Es bleiben jedoch Schwierigkeiten. So verschiebi eine Erhöhung des Bestands an Caleium die Gleichgewichtskurve in der Richtung der £-Strahler, während im Sommer die Kurve in die Richtung der «-Strahler ver- legt wird. Der Reichtum des Blutserums an diffusiblen Caleiumionen während des Sommers kann diese Differenz nicht erklären. 62 H. Zwaardemaker: $ 6. Radioelemente und Skelettmuskeln. Kurze Zeit nachdem wir mit der Untersuchung über die Ver- tretung des Kaliums durch andere Radioelemente in der Zirkulations- flüssigkeit des Froschherzens begonnen hatten, hat mein Mitarbeiter Privatdozent Dr. J. Gunzburg angefangen, die gleiche Frage für die Skelettmuskeln zu bearbeiten. Hierbei wurde der ganze, vorher getötete Frosch von der Aorta aus mit kaliumfreier Ringer’scher Flüssigkeit durchspült. Ein stundenlang fortpulsierendes Herz, aus dem die Flüssigkeit bald farblos abströmte, war für die Vollständigkeit der Durchströmung sehr förderlich. Die abfliessende Flüssigkeit ent- hielt immer noch Kalium, auch dann noch, wenn die Durchströmung stundenlang fortgesetzt worden war. Wir müssen annehmen, dass dieses Kalium aus allen Geweben des Körpers hergenommen wird und infolgedessen in so grosser Menge vorhanden bleibt. Zu einer voll- ständigen Befreiung des Muskelgewebes von diffusiblem Kalium kam es daher in diesen Versuchen nicht. Sie, stehen in dieser Beziehung gegenüber den Versuchen am Froschherz weit zurück. Be Wenn die Salzfrösche in dieser Weise vorbereitet worden waren, wurde eine 1%oige Kurarelösung von der Aorta aus eingespritzt und, von der künstlichen Zirkulation mitgenommen, überall im Körper verbreitet!). Es folgte eine komplette Kurareintoxikation der Muskeln, so dass indirekte Reizung erfolglos blieb, während die direkte Reizung durch den konstanten Strom schwache Kontraktionen hervor- rief, niedere Myogramme auf Einzelreize, kurze und niedere Ergo- eramme auf wiederholte Reize. Wenn man darauf die Muskeln während 8 Minuten in eine kaliumfreie Ringer-Lösung mit 12,5 mg Uranyl- nitrat legte, bekam man nach einer Latenz von ungefähr einer Viertelstunde eine enorme Verstärkung, nach ®/s Stunde eine enorme Abschwächung der in der beschriebenen Weise hervorgerufenen Kon- traktionen. Sie waren im ersten Stadium nicht geringer, als wenn die Muskeln in normale Ringer’sche Lösung getaucht wurden, nachdem sie der Kurarisierung unterworfen waren. Das Uran hat also die Reizbarkeit erhöht, obgleich ein Teil des Urans in der Lösung zur Kompensation des zurückgebliebenen Kaliums notwendig war und bloss ‚das übrige Uran als Ersatz des fehlenden Kaliums gedient hat. Die verwendete Dosis, die viel niedriger liegt als jene, die beim 1) J. Gunzburg, Ned. Nat., u. Gen.-Kongress Haag, April 1917. Ber. S. 318. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 63 Herzen in Anwendung kommt, hat in befremdender Weise hierzu genügt. i In ähnlichen Versuchen, jedoch mit nichtkurarisierten Tieren, wurde die gewöhnliche freie Mischbarkeit der Kalium- und Rubidium- lösungen sowie die Mischbarkeit der Uranium- und Thoriumlösungen dargetan, im Gegensatz zu der Vermischung von «- und ß-Strahlern, welche genau die nämlichen Myogramme und Ergogramme ergab, wie man an den halbwegs von diffusiblem Kalium befreiten Muskeln bekommt. Bloss zeigte Sich noch dazu der Autotonus abnorm zu- genommen. Man wird also wohl nicht fehlgehen, wenn man auch für die 'Skelettmuskulatur den Radioelementen die früher geschilderte Be- deutung zuerkennt und namentlich auf diesem Gebiet den Antagönis- mus anerkennt. Die Unvollständigkeit der Entfernung des Kaliums schafft noch Komplikationen, mit denen Rechnung zu: tragen ist. In jüngster Zeit bin ich noch auf die Möglichkeit der Vertretung des Kaliums durch Uran in der Gefässmuskulatur aufmerksam geworden. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Antagonismus zurückgefunden und in Gleichgewichtskurven näher verfolgt. Die Reizung fand am Laewen- Trendelenburg-Präparat indirekt durch die Vasomotoren: statt. Es ergaben sich Verengerungen und Erweiterungen. Der isoelektrische Punkt, d. h. die völlige Unerregbarkeit der Gefässmuskeln vom Nerven aus, wurde unter Hinzufügung von 4 mg Uranylsulfat pro Liter zur kaliumfreien Ringer’schen Lösung erıieicht. Ausser diesem Null- isoelektrischen Punkt wurden auch die höheren Gleichgewichts-iso- elektrischen Punkte der Reihe nach festgestellt. Die ‚Schwierigkeiten der unvollständigen Entfernung des Kaliums sind an diesem einfacheren Präparat durch die Zugabe der kleinen, unveränderlich beibehaltenen Urandosis überwunden. ; 7. Badioele mente und. Gewebe ohne nennenswerte _ fixe Kaliumverbindungen.- Wenn man in der oben beschriebenen Weise Salzfrösche möglichst von diffusiblem Kalium zu befreien sucht, zeigt sich nach einigen, zum Beispiel 3 Stunden ein allgemeiner Hydrops'). Am ausgesprochen- 1) J. Gunzburg, Niederl. Physiologentag Dezember 1916 in Amsterdam, Ned. Tijdschr. u. Geneesk. 1917. Bd. 2 S.1270. 64 uk Zeasrdemelker: sten findet diese Ödembildung statt, wenn ein kräftig pulsierendes Herz für eine rasche Durchströmung sorgt (abgesehen vom konstanten, 20 em hohen Druck der Mariotte’schen Flasche, aus welcher die Durehströmungsflüssigkeit hergenommen wird). Dann darf man an- nehmen, dass das Endothelium der Kapillargefässe überall mit dem wenigen, noch in der Zirkulationsflüssigkeit enthaltenen Kalium im Gleichgewicht sein wird. Die infolgedessen stattfindende Abnahme des Kaliums in der Grenzschicht der Endothelzellen stört die Permea- bilität derselben, so dass in allen Organen ein Ödem entsteht, das Gunzburg recht genau durch Gewichtsbestimmungen kontrolliert hat. Die Gewichtszunahme beträgt im ausgebildeten Zustand etwa 8-—-15 °. Der allgemeine Hydrops bleibt gänzlich aus und fehlt bei kräftig pulsierendem Herz auch nach 24 Stunden noch, wenn man der Durch- strömungsflüssigkeit 100 mg Kaliumchlorid, 12Ys mg Uranylnitrat oder 50 mg Thoriumnitrat beigibt. Eine Mischung der Kalium- und der Uranflüssigkeit zu gleichen Teilen lässt das Ödem zurückkehren; während eine Mischung von Uran- und Thoriumflüssigkeit ebensogut präservativ wirkt als Kalium, Uranium und Thorium für sich allein. Erhöhung der Konzentration der Flüssigkeiten an Radioelement über die von Gunzburg gefundenen, optimalen Dosierungen hinaus ergaben wieder starken, allgemeinen Hydrops. Wir dürfen also annehmen, dass auch für das Gefässendothel die Radioelemente bedeutungsvoll sind. Das normale Zirkulationskalium scheint, selbstverständlich zusammen mit den übrigen balaneierenden Ionen, ein Überwacher der Permeabilität zu sein, nicht allein, sondern dazu noch die Entstehung allgemeiner Ödemen zu verhindern. Es hat in letzterer Hinsicht gewiss einen anderen Einfluss, als das Caleium besitzt, dessen Wegschaffung kein oder nur unbedeutendes Ödem entstehen lässt. Zu gleicher Zeit, als Dr. Gunzburg auf dem Physiologentag in Amsterdam, Dezember 1916, seine Mitteilungen über das Ödem durch Kaliumdefekt und über die Vertretung des Kaliums durch andere Radioelemente machte, war mein verehrter Freund. Prof. H. )J. Hamburger in Groningen mit Durchströmungen der Froschniere von der Bauchaorta aus beschäftigt. Er hatte gefunden, dass bei Kaliumdefekt die Niere für Glukose durchgängig wird!). Ich bat 1) H. J. Hamburger u. R. Brinkman, K. Akad. d. Wissensch. Amster- dam Bd. 20 S. 944. 27. Jan. 1917. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 65 ihn, Kalium durch Uran ersetzen zu wollen und auch den Ant- agonismus zu prüfen. Die Versuche fielen positiv aus (l. ec. S. 952). Es genüste, statt 100 mg Kaliumchlorid 15 mg Uranylnitrat in der gebräuchlichen, reichlich vom Sauerstoff durchspülten Ringer ’schen Lösung (diesmal mit 75 mg CaC],) aufzunehmen, um eine maximale Herabsetzung der Durchlässigkeit der. Niere für Glukose und eine fast vollständige Zurückhaltung derselben in der Durchströmungs- flüssigkeit hervorzurufen. Später haben die Herren Hamburger und Brinkman ihre Untersuchung noch weiter vom radioaktiven Stand- punkt aus verfolgt. Sie sind durchwegs zu mit unseren Befunden mutatis mutandis übereinstimmenden Ergebnissen gelangt. Man darf wohl behaupten, dass die gleichen Gesetze, als sie von uns für das Froschlierz entdeckt worden sind, auch für das Glomerulusepithelium Geltung haben. Es ist jedoch zu beachten, dass Hamburger und Brinkman bei ihren Durehströmungen von der Aorta communis aus nie bis zur völligen Befreiung der Niere von diffusiblem Kalium ge- langt sein können. Wahrscheinlich wird man auch hier der Durch- strömunesflüssigkeit eine ganz kleine Menge Uran beigeben müssen, um wirklich den isoelektrischen Punkt zu erreichen. Diese Kompli- kation der Versuche, in der Form, in welcher sie bis jetzt ausgeführt wurden, wird man gut tun, bei der Deutung der Resultate ins Auge zu fassen. Wenn wir auch schon eine stattliche Reihe Organe kennengelernt haben, für deren normale Funktion das radioaktive Element unbedinst notwendig ist, so zeigt sich das Phänomen doch nicht ganz all- gemein. So scheinen weder die Leukocyten noch die Wimperzellen das Kalium als ständigen Bestandteil nötig zu haben. Und auch wenn man am Magnus’schen Präparat des Katzendarms den Auerbach’schen Plexus freilegt und die äussere Muskelschicht mit dem Plexus in einer kaliumfreien Ringer’schen Lösung aufhängt, sistiert der normale Rhythmus nicht. Ein Aufhören der spontanen, regelmässigen Bewegungen findet erst statt, wenn man der den Darm umspülenden Flüssigkeit ziemlich viel Uran und dazu noch Fluorescein hinzufügt; aber alles dies ist ein Muskelphänomen und nicht ein Phänomen, das seine Begründung im Plexus hat. Über diesen Gegen- stand wird in der Doktorarbeit des Herrn J. H. Jannink ausführlich berichtet. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. b} 66 H. Zwaardemaker: $ 8. Stromwirkung beim Uranherz. Kehren wir noch einmal zum Froschherzen zurück. Zusammen mit Herrn M. den Boer!) durchströmte ich es, nach vorhergehender Be- freiung von diffusiblem Kalium, mit 15 mg Uranylnitrat pro Liter kaliumfreier Ringer’scher Lösung. Als ersten Befund stellten wir fest, dass, sobald der Uranzustand vollständig geworden ist, die Un- möglichkeit vorliegt, durch Schliessungs- oder Öffnungsschläge eines Schlitteninduktoriums Extrasystolen in bekannter Weise hervorzurufen, während die mechanische Reizbarkeit erhalten geblieben ist. Eine Aneinanderreihung solcher Schläge mittelst eines kleinen, rasch um- drehenden, oberflächlich in Quecksilber tauchenden Speichenrades (1000 Reize pro Minute) ergab noch eine weit bemerkenswertere Erscheinung. Einem unter dem Einfluss des Urans regelmässig pul- sierenden Herzen zugeleitet, macht die während einer Minute an- gehaltene Reizserie, fast ohne Latenz, plötzlichen Stillstand, der ‚nach einer vorübergehenden Nachwirkung wieder einer normalen Pulsation Platz macht. Ein durch kaliumfreie Durchströmung primär still- stehendes Herz würde durch die gleiche Reizserie zu regelmässigen Systolen veranlasst sein, ungefähr während derselben Zeit, als im Uranherz unter dem Einfluss der elektrischen Reizung Ruhe herrscht. Ähnliche Resultate bekamen wir bei der Reizung mit einem kleinen Sinusinduktor (Modell des Wiener physiologischen Instituts), ebenfalls etwa 1000 Reize pro Minute gebend. In diesem Falle kamen statt unpolarisierbarer Elektroden fiache Platinelektroden zur Verwendung, weil sonst der Widerstand des Systems der Elektrolyten allzu gross wird. Im von diffusiblem Kalium befreiten Herz ohne Uran rufen die sinusoidalen Reize während ihres Durchgehens eine vollkommen normale Pulsierung hervor, im vollständigen Uranherz Stillstand. Sogar ein konstanter Strom von 1—3 Milliampere?) kann ana- loge Befunde ergeben, d. h. die Automatie hervorrufen, wenn diese durch Entfernung des diffusiblen Kaliums verschwunden ist, und die Automatie unterdrücken, wenn sie durch die Anwesenheit des Urans in der Zirkulätionsflüssigkeit bedingt wird. Alles dies lässt sich dartun, indem man das Herz abwechselnd in inaktiven Zustand (Ringer- 1) Zwaardemaker, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 S. 12 (Proc. vol. 20 p. 189). 2) Individuell verschieden und nieht höher aufzuführen als gerade notwendig. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 67 Lösung ohne Radioelement) und in vollständigen Uranzustaud (Un- möglichkeit elektrischer Extrasystolen als Kennzeichen) bringt. Je- doch darf man den Versuch nicht zu oft am nämlichen Herz wieder- holen oder auch die Reizungen zu lange fortdauern lassen. Ebenso soll man stärkere Reize vermeiden als gerade erforderlich, denn auch hier vernichtet ein Zuviel die Automatie, sogar in umkehrbarer Weise. Die Systolen werden kleiner und seltener, die mechanische Reizbar- keit sinkt und schwindet. Manchmal bildet sich ein störender Tonus - aus, der die Durchströmung aufs äusserste beschränkt. Die Richtung, in welcher die Ströme durchgehen, ist gleichgültig. Endlich ist uns der gleiche Versuch noch mit den Tesla- Schwingungen gelungen, die von einem kleinen Diathermieapparat !) geliefert wurden. Die Zuleitung fand quer durch den Ventrikel statt. Vorläufig habe ich aus meinen Versuchen - mit M. deu Boer ge- schlossen : a) ein Herz ohne zir- Abb. 9. Stillstand eines Uranherzens während : . 4 Sekunden durch gleichfalls 4 Sekunden anhaltenden Eleas Kali- konstanten Strom von 3 m.a. umionen gewinnt seine verlorengegangene Automatie zurück: 1. durch Kalium, 2. durch Bestrahlung, 3. durch Elektrizitätszufuhr ; b) ein regelmässig pulsierendes Uranherz wird gehemmt: 1. durch Kalium, 2. durch Bestrahlung, 3. durch Elektrizitätszufuhr. Lassen wir es dahingestellt, ob es sich im Falle der Elektrisierung um Reizungen oder Abänderung der Bedingungen gehandelt hat; jeden- falls steht fest, dass Kalium, Bestrahlung und Elektrisierung unter sieh ähnliche Wirkungen auf das Froschherz ausüben, Erregung er- weckend im isoelektrischen Nullpunkt, Hemmung bringend, wenn die Urandosis bei Abwesenheit von diffusibllem Kalium einen richtigen Uranzustand geschaffen hat. Vom Standpunkt der Antagonismustheorie lassen sich diese scheinbar weit auseinandergehenden Tatsachen leicht vereinigen, wenn man annimmt, dass man in der Wirkung der elek- trischen Ströme und Wellen etwas der Wirkung der ß-Strahler Ähn- liches sehen darf. Das wäre möglich, wenn man annehmen dürfte, dass der elektrische Strom, wie die £-Strahlung, innerhalb der Zelle einen Teil des fixen Kaliums freistellt. 2) Von Koch & Starzel in Dresden bezogen. 5* 68 H. Zwaardemaker: $ 9. Radioelemente und Empfindlichkeit für Vaguswirkung. Zusammen mit J. W. Lely babe ich die Empfindlichkeit des Froschherzens für Vaguswirkung geprüft, wenn zuvor der Zustand des Herzens durch Modifikation der radioaktiven Bedingungen geändert war. Wir schlossen uns dabei der Howell’schen Theorie!) an, nach welcher die hemmende Wirkung des Vagus auf eine ausgiebigere Mobilmachung des fixen Kaliums zurückzuführen ist. - In erster Linie: zeigte sich eine erhöhte Reizbarkeit, wenn zuvor eine 1 pro Mille KCl-Lösung, eine 0,9 pro Mille RbCl-Lösung oder ein Gemisch dieser auf das suspendierte Herz aufgetröpfelt worden war. Bei fortgesetzter Einwirkung folgt eine Abnahme?). Genau die gleichen Erscheinungen bemerkte man, wenn eine 0,2 pro Mille Uranylnitrat- lösung oder eine frisch bereitete 0,2 pro Mille Thoriumnitratlösung zur Auftropfung ver- wendet wurde. Wahrscheinlich wird die später eintretende Verringerung der Vagus- reizbarkeit im ersten Falle durch ein Zuviel des Radioelementes oder der Radioelemente, im zweiten Falle durch den Antagonismus zwischen den X-Strahlen und dem im Körper noch zurückgebliebenen Kalium zustande gebracht. Das Herz würde sich im zweiten 0... Falle nicht was dem Sitz der Automatie an- ea m geht, sondern, was die Übergangsstelle von Ve der postganglionären Vagusfaser auf die unten kaliumfreie. Muskelzelle betrifft, im isoelektrischen Punkt befunden haben. Für die Begrün- dung dieser Ansicht sei auf unsere Abhandlung in den Archives neerlandaises verwiesen. Sehr klar zeigte sich auch der Einfluss der Auftropfung einer Radiumlösung. Ihre Konzentration war das Sechsfache jener, welcher 1) Howell, Americ. Journ. of Physiol. vol. 15 p. 280. 1906. — Howell and Duke, ebenda vol. 21 p. 51. 1908. 2) Auch eine Verminderung des diffusiblen Kaliums infolge Durchströmung mit kaliumfreier Ringer’scher Lösung ergibt eine Erhöhung der Empfindlichkeit des Herzens für Vagusreizung, (Man vergleiche Arch. nerl. de physiol. t. 1 p- 745. 1917.) ee 5 ET Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 69 man bedarf, um bei Ringer- Durchströmung die Automatie für un- beschränkte Zeit im Gange zu halten. Die Empfindlichkeit des Herzens für Vagusreizung würde während langer Zeit bedeutend er- höht. Später folgt bei fortgesetzter Auftropfung eine Abnahme (um- kehrbar, denn die Vagusempfindlichkeit erholte sich nachher voll- kommen, wenn kaliumfreie Flüssigkeit aufgetropft wurde). Schliesslich fanden wir auch die Emanation, einer kaliumfreien Ringer’schen Lösung beigegeben, und die Bestrahlung aus einer kleinen, unmittelbar über der Herzbasis und der Atrioventrikulargrenze “des suspendierten Froschherzens aufgestellten Glaskugel mit 5 mg Meso- thorium in derselben Weise wirksam. An manchen Einzelheiten der Abb. 11. Ohne Radium. Abb. 12. Mit Radium. 15 cm R.A. 15 cm R.A. Versuche gehen wir stillschweigend vorüber; diese sind in der aus- führlichen Abhandlung soviel wie möglich zusammengestellt. Bloss sei hier noch ausdrücklich hervorgehoben, dass in den Bestrahlungs- versuchen die Expositionszeit 95, 30 und 60 Min. betrug, bevor der Effekt wahrnehmbar wurde. Es war aus diesem Grunde not- wendig, auch vorher die Empfindlichkeit des Herzens für Vagusreize gemessener Grösse über längere Perioden zu verfolgen. Für solche Fälle, jedoch auch für gewöhnliche Versuche, ist es praktisch, die Prä- paration des N. vagus tags vorher vorzunehmen. Wenn man den ‘ Vagus gegen Austrocknung schützt und das durch Zerstörung des Zentralnervensystems getötete Tier auch sonst sorgfältig aufbewahrt, bleibt der Nerv vorzüglich, ja sogar besser reizbar. Unser Schlitten- induktorium war in gewöhnlicher Weise (nach Fick) geeicht. 70 H. Zwaardemaker: In einem Falle, wo durch andauernde Bestrahlung die hemmende Wirkung des Vagus vollständig verlorengegangen war, gelang es, sie in kurzer Zeit wieder herzustellen mittels Durchströmung mit kalium- freier Ringer’scher Lösung, weleher 100 mg Uranylnitrat beigegeben war. Es ist daher nicht zu sehr gewast zu schliessen, dass der Vagus- innervation gegenüber Strahlung und Uran Antagonisten sind. Die theoretische Deutung der in diesem Paragraphen kurz an- gedeuteten Versuche ist nicht leicht, weil die ganze Frage des Zu- sammenhangs der postganglionären Fasern des Vagus mit den reiz- baren Substraten der Herzmuskelzellen noch sehr dunkel ist. Viel- leieht sind sie in Zusammenhang zu bringen mit den Tatsachen des $ 7. Es eröffnen sich Ausblicke auf diese Möglichkeit, wenn man sich auf den Howell’schen Standpunkt stellt, wobei angenommen wird, dass die Vaguswirkung in letzter Instanz durch eine plötzliche und vorübergehende Vermehrung der normalen Kalium- mobilisierung aus den Muskelzellen verursacht wird. Die früher in dieser Abhandlung befürwortete Hypothese, dass die normale Mobili- sierung auf die Wirkung der Eigenstrahlung zurückzuführen ist, die durch hinzukommende £-Strahlungen vermehrt wird, kann bei einer späteren Diskussion aller auf diesem Gebiete bekannten Tat- sachen möglicherweise von einigem Nutzen sein. $ 10. Schluss. Es hat sich manches herausgestellt, das ich jetzt kurz zusammen- fassen will. \ Der Übersichtlichkeit wegen Setzen wir voraus, dass die Balan- eierung der Ionen nichts mit der Radioaktivität zu tun hat. Inzwischen hat J. Loeb!) festgestellt, dass die Balancierung eine Grundbedingung bildet für die Permeabilität der Grenzschicht der Zellen. Das Kalium kann daher nicht aus dem Innern der Muskelzelle heraus oder um- gekehrt, wenn die richtige Balaneierung ne = gestört ist?). Aus diesem Grunde hat die Balaneierung in allen unseren Versuchen eine mitbestimmende Bedeutung. 1) J. Loeb and Me Keen Cattell, Journ. of biol. Chem. vol. 23 p. 41. 1915. — Derselbe, Proc. nat. Acad. of Science vol. 1 p. 473. 2) Eine Balancierung wurde übrigens ausser für das Loeb’sche System noch von uns festgestellt für U/Ca, Th/Ca, U/Sr, Th/Sr. A ET Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 71 Die Ionen schweratomiger Radioelemente dringen wahrscheinlich nicht oder nur sehr langsam, die kolloidalen Komplexe als solche gewiss gar nicht durch die Grenzschicht. Deswegen und wegen des Erfolgs, den alle Betrachtungen, die von einer Adsorptionshypothese ausgingen, bisher aufwiesen, sei es gestattet, uns des weitern auch auf diese Basis zu stellen und alle Bindungen und Freigebungen der Radioelemente während der Durchströmungen als + - Adsorptionen derselben an die Grenzschicht der Zellen zu deuten. In diesem Spiel der Adsorptionen kommt auch den Caleiumionen eine gewisse Be- deutung zu. Unendlich weniger fühlbar ist der Einfluss der OH-Ionen. Die unter den verschiedenen. Ca- und OH-Bedingungen gefundene Lage der Gleichgewichte gibt zur Beurteilung dieser Verhältnisse ein bequemgs, ungemein feines Reagens her. Die Ersetzbarkeit des diffusiblen Kaliums durch prinzipiell alle anderen Radioelemente [inklusive Cäsium, für welches die Radioaktivität physikalisch nicht feststeht, jedoch biologisch erwiesen werden konnte')], wurde im Verlauf der zwei letzten Jahre demonstriert: a) für das Froschherz, b) für die Gefässmuskulatur, ce) für die Skelettmuskeln, d) für das Gefässendothelium, e) für das Epithelium des Glomerulus der Niere. Die Allgemeinheit unserer Erscheinung schliesst von selbst den Gedanken aus, dass die Radioaktivität des Kaliums und seiner Ver- treter irgendeinen spezifischen Reiz ausüben würde, der zum Beispiel für die Automatie verantwortlich gemacht werden könnte. Offenbar haben wir es mit einer sehr verbreiteten Bedingung zu tun, bei deren Nichterfüllung eine Anzahl von Geweben unmöglich funktionieren kann, während andere, unter welche, wie ich vermute, das Nerven- system einzureihen ist, dieser Bedingung nicht bedürfen. Die Vertretung der Radioelemente unter sich findet in ungefähr äquiradioaktiven Mengen statt. Man muss von Kalium, Rubidium, Cäsium viel, von Radium oder Niton (Emanation) verschwindend wenig nehmen. An die Stelle der materiellen Elemente kann ihre Strahlung treten, gleich gut die «-Strahlung wie die £ Strahlung. Beide Strahlungsarten können in derselben Weise zerstören, Geschwüre her- 1) H. Zwaardemaker, K. Akad. d. Wissensch. Amsterdam Bd. 26 8. 776. 73 H. Zwaardemaker: vorrufen, das Wachstum hemmen, und zwar in demselben Maasse, als sie vom Protoplasma absorbiert werden. In unseren Versuchen werden sie zur Wiederherstellung der durch Entziehung des normalen Kaliums aufgehobenen Funktionen verwendet, können jedoch bei Übermaass_ ebenfalls gefährlich werden. Wiederum wurden beide Strahlungsarten pro miseue benutzt, und auch hier zeigten sich graduelle Verschieden- heiten je nach der Vollständigkeit und dem Ort der Absorption. Der guten Absorption wegen sind meines Erachtens die langsamsten $-Strahlen biologisch am wirksamsten, während die «-Strahlen oft zu sehr absorbierbar sind, um die Stelle des Gewebes, wo sie die er- forderliche Bedingung zu erfüllen haben, zu erreichen. Dieser Unter- schied der «a- und ß-Strahlungen fällt auch noch ins Gewicht, wenn dieselben, wie bei unserer Anwendung, aus unmittelbarer Nähe wirken. Auch dann sind es die Jangsamsten Strahlen, die am meisten absor- biert werden. Der nie fehlende Antagonismus zwischen den «- und ß-Strahlen unter den Elementen führte uns zu der Annahme, dass die Wirkung der Strahlen auf der Anbringung einer Ladung, sei es einer positiven oder negativen, beruht. Welche von beiden, ist unserer Theorie nach indifferent, wenn nur eine Aufladung überhaupt stattfindet. Die Analogie mit dem isoelektrischen Punkte ist in die Augen fallend, und wir glaubten in dieser Hinsicht zwei Arten zu entdecken, einer ersteren, die der isoelektrischen Nullpunkte, welche dem ladungslosen Zustand entsprechen, und einer zweiten, die der Gleichgewichte, worin die Ladungen ansehnlich sein können, jedoch gegeneinander aufwägen. Der zweite Zustand ist labiler als der erste. Daher rührt es, dass die Zerstörung eines Gleichgewichts einen scharfen Indikator darstellt, der in ausgiebiger Weise in den verschiedensten Untersuchungen be- nutzt werden kann. Das normale, überall verbreitete Kalium wird, wo es, wie im Muskelgewebe, in fixen Verbindungen angehäuft vorkommt, mit seinen durchdringenden Strahlen die ganze Umgebung in allen Richtungen durchqueren. Von den raschen Strahlen wird in unmittelbarer Nähe nur wenig, von den langsamen viel absorbiert. Ich stelle mir vor, dass diese Tag und Nacht anhaltende Strahlung, so schwach sie auch sein möge, eine gewisse Menge Energie zur Verfügung stellt, die unter anderen Folgen einen kleinen Teil der Kaliumatome aus den fixen Verbindungen freimacht und als diffusibles Kalium in Lösung Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 73 gehen lässt. Es ist dieses mobilgemachte Kalium, das bei erhaltener Permeabilität der Grenzschicht die Muskelzelle verlässt und in die Zirkulationsflüssigkeit übergeht, wo wir es in kleiner Menge gefunden haben. Wenn die Permeabilität versagt, häuft sich das diffusible Kalium bei Extramobilisierung durch FExtrabestrahlung zu sehr innerhalb der Zelle auf und wird der Grund einer anfänglich noch umkehrbaren Funktionsstörung, die auf einem Zuviel an Strahlung beruht. | Howell stellte sich vor, dass der Reiz von der Vaguserregung ausgehend einen plötzlichen, vorübergehenden Auswuchs der Kalium- freistellung veranlassen würde, und dass infolgedessen das Herz in seiner Automatie und seiner Reizbarkeit gehemmt wird. Ich hege dieselbe Vorstellung und möchte sie auf jede Nervenerregung anwenden, die eine Muskelzelle erreicht. Ein plötzlicher Zuwachs des mobilen Kaliums innerhalb der Zelle wirkt rein katalytisch als Reiz, der eine Zusammenziehung der Muskelzelle auslöst. Bereits aus anderen Gründen war ich dazu gekommen, die bio- logische Wirkung der radioaktiven Strahlung als eine katalytische aufzufassen. In meinen holländischen Publikationen habe ich diese Hypothese kurz angedeutet. Bei der weiteren Ausarbeitung begegnet man jedoch Schwierigkeiten, die mich veranlassen, erst noch weitere Experimente in verschiedenen Richtungen zu Rate zu ziehen, bevor ich mich hierüber verbreite. Eine dieser Schwierigkeiten ist die Tat- sache, dass für die normale Automatie und die ncrmale Reizbarkeit offenbar bloss das difiusible Kalium Wert hat, denn schafft man es fort, dann schwindet die Automatie sowohl wie schliesslich die Reiz- barkeit. Die topographische Hypothese der getrennten Substrate der Erregung und der Kontraktion, die einigermaassen in der Unabhängig- keit von Elektrokardiogramm !) und Kontraktion eine Begründung findet, kann einen Ausweg schaffen, weil dann das fixe Kalium in einiger Entfernung von den reizbaren Stellen gedacht wird. Für die Skelettmuskelzelle kommt in derselben Weise die Langley’sche rezeptive Substanz als Sitz der Erregung in Betracht, auch in einiger 1) Die radioaktiven Ionen verbürgen gleich gut das Elektrokardiogramm wie die mit freiem Auge sichtbare Automatie und Reizbarkeit. W. H. Jolles stellte die Art des Verschwindens und der Rückkehr der elektrischen Erscheinungen fest, wenn die Radioelemente fehlen, resp. aufs neue eingeführt werden. (Onderz. Physiol. Lab. Utrecht 5e R., Bd. 18 S. 1. 1917.) 74 H. Zwaardemaker: Distanz von den Kaliumdepots liegend. Der Leser bleibt vielleicht dennoch geneigt, diese Hilfshypothese für unberechtigt zu halten, angesichts der ganz kurzen Distanzen, um welche es sich hier handelt. Dann bleibt die zweite der früher angedeuteten Hypothesen, welche den Unterschied sucht in der tatsächlich vorhandenen Verschiedenheit einer kontinuierlichen Aufladung und einer, die, wie bei den frei diffun- dierenden Ionen, stossweise stattfindet. Die Nichtreizbarkeit der Muskelzelle für einen vollkommen konstanten Strom könnte als Stütze dienen. Wir haben hier der Natur viele Fragen vorzulegen, von welchen noch der kleinste Teil experimentell in Angriff genommen ist. Ein Vorteil der zweiten Hypothese wäre, dass in diesem Ge- dankenkreis eine plötzliche Erhöhung oder Erniedrigung einer Be- dineung mit einem Reiz identifiziert wird. Letzteres ist in Über- einstimmung mit sehr verbreiteten Anschauungen !) über das eigentliche Wesen des Reizes, und es ist ebenfalls verträglich mit der Tatsache, dass die physikalischen Dimensionen des Reizes nach den gangbaren physiologischen Definitionen nicht immer die gleichen sein können?). Wäre ein Reiz nie etwas anderes als der plötzliche Zuwachs an Enereie, die als Auslösung wirkt, so müssten ihm immer dieselben physikalischen Dimensionen zukommen. Wenn der Reiz auch ein vorübergehender Zuwachs einer Bedingung sein kann, so brauchen die physikalischen Dimensionen nicht in allen Fällen die nämlichen zu sein, aus dem einfachen Grunde, weil die Bedingungen im allgemeinen physikalisch verschieden sein dürfen. (Man denke an die 7, p, { der Zustands- gleichung.) Nicht die kinetischen Energien der beiden Arten sind entgegen- gesetzt, denn sie sind beide Totalsummen von Bewegungen in unend- lich vielen Riehtungen. Erst die Aufladungen, die sie zustande bringen können bei ihrem sogenannten Ladungstransport, werden verschieden, und aus diesem Folgezustand ergibt sich der Antagonismus. Auf den ersten Anblick entsteht hierdurch ein innerer Zwiespalt zwischen dem Äquiradioaktivitätsprinzip, das uns vorher leitete, und dem Prinzip des Ladungsgegensatzes, dem wir jetzt zu gehorchen haben. Es ist jedoch meines Erachtens keineswegs ausgeschlossen, 1) Man vergleiche zum Beispiel die Identifizierung einer plötzlichen Erhöhung der Reizbarkeit mit der Entstehung eines Reizes durch OÖ. Langendorff, Eıg. d. Physiol. Bd. 1 S. 284. 1902. 2) H. Zwaardemaker, Ergebn. d. Physiol. Bd. 4 S. 474. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. 75 dass die weiteren ‚Untersuchungen hier Klarheit bringen werden. Gerade die quantitative Bedeutung der Geschwindigkeit der Teilchen scheint mir wichtig, wenn auch jetzt das Problem nicht auflös- bar ist. Soweit ich ersehen kann, ist es bei der gegenwärtigen Lage der Entwicklung der Physik nicht möglich, tiefer in diesen Gegenstand einzudringen. « und £-Strahlen sind in ihrem Wesen verschieden und infolgedessen prinzipiell unvergleichbar. Bloss ihre äusserlichen Eigenschaften können verglichen werden. Weil sie jedoch die gleichen biologischen Wirkungen entfalten, wird man in der Physiologie ver- anlasst, nach etwas Gemeinschaftlichem in diesen Eigenschaften umzuschauen. Der kinetische Effekt ist etwas Gemeinschaftliches, und die Physiker fanden in ihm ein Mittel zur quantitativen Vergleichung der beiden im Grunde verschiedenen Strahlungsarten. Man berechnete die kinetische Energie, welche der Strahlung inne- wohnt, liess sie von der Materie absorbiert werden und in diesem Moment in Wärme übergehen. So kam man zu einer befriedigenden - quantitativen Messung, und auch wir haben uns im $ 2 hiervon mit Erfolg bedient. Jetzt, da auch der Einfiuss der Ladung zutage tritt, erwacht das Bedürfnis, mit ihm zu rechnen. Aber hierzu wäre es notwendig, die Zahl der $-Strahlen zu kennen, welche ein bestimmtes Gewicht an Kalium verlässt. Diese Kenntnis ist uns aber versagt und damit auch die Möglichkeit genommen, uns der Lösung des gegebenen Problems zu nähern. Als Notbehelf könnte man daran denken, eine entfernte Analogie anzunehmen zwischen den biologischen und den photochemischen Wir- kungen. Sowohl «- als #-Strahlen üben in übereinstimmender Weise beide aus. Der photochemische Effekt würde also neben den bio- logischen und neben den kinetischen gestellt werden können. Kalium erfordert 56 Tage, Rubidium 90 Tage, Uranium 1 Tag zur Schwärzung der photographischen Platte. Die reziproken Ver- hältnisse sind 1:0,6:56. Stellen wir daneben unsere Sommerdosen (denn die Sommerdosen sind ausschlaggebend, weil die Adsorption im Sommer am günstigsten ist), so finden wir, auf Metall berechnet, als kleinste, überhaupt vorgekommenen Werte 10 für Kalium, 18 für Rubidium, 0,3 für Uranium. Die reziproken Verhältnisse sind 1:0,6:35. In Anbetracht der sehr ansehnlichen Fehlerquellen liefert die gewagte Vergleichung ein befriedigendes Resultat. Photochemische Wirkung, 76 H. Zwaardemaker: totale Radioaktivität, empirische Bestimmung der Dosen, in welchen die physiologische Vertretung stattfindet, stimmen unter sich quanti- tativ einigermaassen überein. Jedoch zu irgendwelcher Aufklärung über den Anteil, welcher der Aufladung der Platte, der Luft, des Protoplasmas in allen diesen Prozessen zukommt, dazu sind wir nicht gelangt! | Ist es daher nicht gestattet, der Konsequenz der Ideen zu folgen, so sind wir gezwungen, die Konsequenz der Tatsachen hinzunehmen. Es sei darum noch einmal scharf betont, dass, wenn jede Strahlung für sich allein besteht, ihre biologische Wirkung durchaus ähnlich ist. Kaliumpulsationen und Thoriumpulsationen lassen sich äusserlich nicht unterscheiden. Sie haben genau dasselbe Tempo (nach der Eigenart des Individuums verschieden), genau dieselbe Kraft, genau dieselbe Vollständigkeit. Erst wenn die «- und die £-Strahler gleichzeitig zu- gegen sind, zeigt sich der Antagonismus, und zwar mit voller Konstanz, ohne irgendwelche Ausnahme. Der Antagonismus als solcher ist voll- kommen unabhängig sowohl vor der Individualität als von der Vita- lität des Organs. Das quantitative Studium führt sogar, wie wir bald sehen werden, zu ganz bestimmten Gesetzen, die sich immer zurück- finden liessen und in welchen in vielen hunderten Versuchen nie eine Ausnahme vorgekommen ist. Offenbar hat der Antagonismus eine physikalische Begründung. Die bis jetzt entwickelte Theorie kann, wie gesagt, vorläufig noch nicht in Einzelheiten gehen. Sie ermöglicht jedoch bereits jetzt eine Verbindung zu schaffen zwischen den folgenden, in den vergangenen zwei Jahren neu entdeckten Tatsachen: 1. In manchen Geweben ist Kalium ein für die Funktion unent- * behrliches Element. Es kann in diesen Fällen ersetzt werden durch alle anderen Elemente, die mit dem Kalium die Eigen- schaft der Radioaktivität gemeinsam haben; 2. die Vertretung geschieht in nahezu äquiradioaktiven Mengen, nach totaler Radioaktivität - berechnet; 3. statt eines radioaktiven Elementes kann eine von aussen ein- geführte Strahlung treten; 4. es ist, was die jetzt vorliegenden Verhältnisse anbetrifft, gleich- gültig, ob die Strahlung einen «- oder einen ß-Charakter besitzt; 5. wenn gleichzeitig anwesend, sind die «@- und die £-Strahler, biologisch betrachtet, Antagonisten ; 12. 13. 14. 15. Die Bedeutung des Kaliums im Organismus. PT: sowohl bei vollständiger Abwesenheit der Radioelemente als bei genauer gegenseitiger Aufwägung derselben verschwindet die Funktion. Sie kehrt zurück, wenn eine der beiden Strahlungs- arten neu hinzugesetzt wird; ob durch materielle Strahler, ob durch Strahlungen, ist gleichgültig; der Nullpunkt und die Reihe der Gleichgewichtspunkte bilden eine Kurve mit charakteristischer Gestalt; der Sommer verringert das Bedürfnis mancher Gewebe an Radio- element in der Zirkulationsflüssiekeit; ebenso wirken Fluorescein und Eosin, der künstlichen Zirku- lationsflüssigkeit beigegeben, auch im Dunkeln; der Sommer verschiebt die Kurve der Gleichgewichte; dasselbe tut ein Caleiumzusatz, jedoch im entgegengesetzten Sinne; Fluorescein und Eosin, der Zirkulationsflüssiekeit beigegeben, verschieben die Kurve der Gleichgewichte: Fluorescein im Sinne des Sommers, Eosin im Sinne des Caleiums; es ist gleichgültig, ob das Radioelement, das zur Vertretung des Kaliums eingesetzt wird, in Ionenform anwesend ist oder in einem kolloidalen Komplex; ein unter dem Einfluss von Uranium regelmässig pulsierendes Froschherz ist ausserstande, auf elektrischen Reiz Extrasystolen zu geben; eine fortlaufende Serie von Induktionsstössen, der sinusoirdale Wechselstrom, die Wellen der Diathermie, der konstante Strom, sie rufen alle bei geeigneter Dosierung eine Unterbrechung der normalen Automatie des Uranherzens hervor, mit einer Latenz und einer Nachwirkung, die sich nach Sekunden bemisst, wenn auch der hemmende Reiz eine ähnliche Dauer hat; der nämliche Gegensatz wie‘ zwischen Strahlung und Uran existiert zwischen dem elektrischen Strom und Uran, ungeachtet der Richtung, in welcher ersterer das Froschherz durchfliesst. Utrecht, am 31. März 1918. (Aus dem Physiologischen Laboratorium der Universität zu Amsterdam.) Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung auf die Form des Kammerelektrogramms'). Von Dr. S. de Boer, Privatdozent der Physiologie. (Mit 21 Textabbildungen.) Vorwort. Noch ehe das Saitengalvanometer Einthoven’seine allgemeinere Ausübung der Elektrophysiologie ermöglichte, war schon von Burdon Sanderson und Page eine Theorie über das Entstehen des Kamıner- elektrogramms aufgestellt worden. Zufolge dieser Theorie, die näher von Bayliss und Starling experimentell erläutert wurde, entstand das Kammerelektrogramm durch Interferenz der Kurvenlinie der basalen Negativität mit derjenigen der apikalen, während diese letztere einen der ersten entgegengesetzten Ausschlag macht. In dem Kammer- elektrogramm ruft dann anfänglich die basale Negativität einen Aus- schlag in positiver Richtung hervor. Kurz darauf fällt die apikale Negativität ein, und diese hebt den anfänglichen Ausschlag wieder auf. Auf diese Weise entsteht der erste Gipfel. Darauf halten die beiden Negativitäten einander in Gleichgewicht, und schliesslich überwiegt eine von ihnen, wodurch ein zweiter, Endeipfel, entsteht, der entweder in derselben Richtung verläuft wie.der erste oder in entgegengesetzter. Im Anschluss an Gotch ist später von Kraus und Nicolai eine verwickeltere Theorie aufgestellt worden, die einige Jahre hindurch 1) Eine vorläufige Mitteilung wurde in der Koninklijke Academie zu Amster- dam gemacht (Bericht über die Versammlungen der mathematischen und natur- kundlichen Abteilung vom 30. Juni und 27. Oktober 1917 [Proceedings vol. 20 p. 404 and 696] und in der Versammlung der Biologischen Sektion der Gesellschaft zur Förderung der Natur-, Arznei- und Heilkunde [Physiologentag am 20. Dez. 1917)). Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 79 viel Anhang fand. Diese letztgenannte Theorie, die ich hier nicht ausführlich besprechen werde, konnte sich jedoch gegenüber den neueren experimentellen Tatsachen nicht behaupten. Einthoven war einer der wenigen, die immer der klassischen Interferenztheorie treu geblieben waren, und tatsächlich haben die experimentellen Daten, die in den letzten Jahren erzielt wurden, die volle Bestätigung der Interferenztheorie gebracht. Vor allem waren es Boruttau!) und Samojloff?), die dazu den ersten Anstoss gaben. Boruttau leitete in seinen Experimenten auf dreierlei Weise die Aktionsströme der Kammer ab, nämlich: 1. von der Basis-Spitze, 2. von der Basis-Mitte der Kammer und 3. von der Mitte der Kammer- Spitze. Unter der Ableitungselektrode, die auf der Mitte der Kammer stand, war das Herzgewebe abgetötet. So erhielt er 1. das voll- ständige Kammerelektrogramm, 2. die basale Komponente, 3. die api- kale Komponente. Wenn nun in dem vollständigen Kammerelektro- sramm der 7-Ausschlag positiv war, dauerte die basale Komponente länger als die apikale; war dagegeu der T-Ausschlag negativ, dann währte die apikale Komponente länger als die basale. Samojloff trennt die basalen und apikalen Komponenten, aus welchen das ganze Kammerelektrogramm zusammengesetzt wird, auf andere Weise. Er bringt mitten in der Kammer einen Schritt an. Dann trat nach der anfänglichen basalen Komponente mit einiger Ver- zögserung die apikale Komponente hervor. Wenn darauf nach Verlauf einiger Zeit die Leitung zwischen dem Basis- und dem Spitzenteil der Kammer wieder schneller verlief, rückten die beiden Komponenten wieder dichter zusammen und trat das ursprüngliche vollständige Kammerelektrogramm wieder zum Vorschein. Der Beweis für die Richtigkeit der Interferenztheorie wurde von mir mit den Stromkurven geliefert, die ich bei Kammeralternans er- hielt. Wenn man bei einem entblössten Froschherzen den Sinus venosus erwärmt, indem man mit einem Tröpfelpipettchen etwas er- wärmte physiologische Salzsolution gegen diese Herzabteilung anspritzt, so bildet die Kammer alsbald Alternansgruppen. Man kann dann wahrnehmen, dass die Kammerspitze während der kleinen Alternans- systolen nicht oder in geringem Maasse kontrahiert. Vezeichnet man nun gleichzeitig die Aktionsströme, so ‚erhält man während der grossen 1) Arch. f. Physiol. 1913 S. 519. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 155 8. 471. 1914. S. de Boer: dann zur Zeit der Alternanssystolen voll- ständige Kammerelek- trogramme, während kleinen Alternanssy- stolen nur die basale Komponente zum Vor- schein tritt (s.Abb.1). hnliche Resul- Ä tate erhält man auch, wenn man. Kammer- alternans durch Ver- eiftung mit Digitalis oder Anti ruft arin hervor- Ich führte diese Versuche in der fol- senden Weise aus Bei einem Frosch mit intaktem DBlutkreis- lauf wurde das Herz st, das Peri- kardium geöffnet und das Frenulum durch- bloss gele schnitten. Dann wur- de das Herz an der Spitze suspendiertund unter die Schenkel- haut 13 Tropfen Digi- talis dialysatum Go- ee ER = os = DE} © ae 58 un = © ee} S - 58 die Kurven in Abb. 2 wiedergegeben sind, die Kammer, von der Alternanskurven. Durch die konkom- mittierende Vasokon- striktion ist das Herz sl Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. Kammersystolen be- stark mitBlutgefüllt. Während der kleinen ich bei der Spitze einen kleinen: merke Hernie ausstülpt und Teil, der wie eine mit Blut gefüllt i st Diese hernienartige hebt "sich durch die Blut- füllung stark ge Ausstülpung gen den übrigen Teil der welcher durch die Kontrak- Kammer ab, tion weiss aussieht. Es ist also deutlich, dass ein Teil bei der Spitze während der kleinen Kammersy- I stolen inaktiv blieb und dieser Teil ist währendallerkleinen Alternanssystolen jedesmal wieder der- selbe. Die von mir 5} >) 35 = N oo © SE2 E85 OÖ 8 a x {o) 233 so 2 al gen zei während der kleinen Kammersystolen die basale Komponente, von der durch deu merspitze) der I wohl noch elektro- negativ wurde, wenig Teil der Spitze ist. subtrahiert Bd. 173. Pflüger’s Archiv für Physiologie. S. de Boer: Kammersystolen Währendder grossen kommen vollstän- digeKammerelektro- -gramme mit einem negativen T- Ausschlag Vorschein. grossen zum Ähnliche Ergeb- nisseerzielteichnach Antiarinvergiftung. In Abb. 3 findet man Suspensionskur- ven und Elektro- gramme (Ableitung die Vorhof- Kammer- spitze) eines Frosch- nachdem ehn Tropfen einer 01 /oigen Antia- rinlösung unter die Schenkelhaut ge- spritzt waren. Eben- so wie nach Ver- eiftung mit Digitalis nahm ich hier wäh- rend der kleinen Alternanssystolen eine dunkle, hernien- artige Ausstülpung - ander Kammerspitze herzens, £) Z 0 ß f - welche hier viel grösser war. Die wahr, weiteres deutlich. In meinenausführlichen Elektrogramme der Kammer sind ohne Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 83 Untersuchungen über Digitalis und Antiarin beobachtete ich meistens, dass während der kleinen Alternanssystolen ein Teil der Spitze inaktiv blieb; jedoch war dies nicht immer der Fall. Zuweilen sah ich auch eine hernienartige Ausstülpung bei der Basis. Die Elektrogramme von Abb. 3 und 2 zeigen auch sehr deutlich kleine Kammerpausen vor den kleinen Alternanssystolen und grössere Kammerpausen vor den grossen Kammersystolen. Hierüber findet man in meinen früheren Mitteilungen eingehendere Auseinandersetzungen ?). Es wird dem Leser aufgefallen sein, dass in allen drei vorher- gehenden Abbildungen der 7-Ausschlag negativ ist, und zwar sehr stark in Abb. 2. Die Ursache hiervon müssen wir in einer Verzögerung der Reizleitung suchen, die nach der Vergiftung mit Antiarin und Digitalis und nach Erwärmung des Sinus venosus stets auftritt. Der Zusammenhang zwischen der Verzögerung der Reizleitung und dem Auftreten negativer T-Ausschläge wird ausführlich in dem folgenden Teil dieses Artikels auseinandergesetzt, nach welchem ich bezüglich dieser drei Abbildungen verweise. Einleitung. Aus meinen früheren Untersuchungen hat sich gezeigt, dass wir die Breite des R-Ausschlages beim Kammerelektrogramm als Mass für die Geschwindigkeit nehmen können, mit welcher die Erregung durch die Kammer fortgeleitet wird?). Eine Abnahme der Reiz- leitungsgeschwindigkeit kommt in einer Verbreiterung des R- Aus- schlages zum Ausdruck, während ein schmaler R- Ausschlag eine Zunahme der Reizleitungsgeschwindigkeit durch die Kammer verrät. Wenn wir nun den Einfluss verfolgen wollen, den die Geschwindig- keit der Reizleitung auf die Form des Kammerelektrogramms hat, dann können wir somit aus der Breite des R-Ausschlages schliessen, ob die Erregung mit grösserer oder geringerer Geschwindigkeit durch die Kammer fortgeleitet wird. Wir können jetzt die Geschwindigkeit der Reizleitung dadurch abnehmen lassen, dass wir in einem verfrühten Zeitpunkt der Herzperiode eine Extrasystole der Kammer hervorrufen. Wollen wir jedoch das Elektrogramm solch einer vorzeitigen Extra- 1) Archives Neerlandaises de Physiologie de l’homme et des animaux t. I p- 27 (1916) und p. 502 (1917). 2) Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 S. 428 u. Journ. of Physiol. vol. 49 p. 310. 68 84 S. de Boer: systole der Kammer mit demjenigen der normalen periodischen Kaınmer- systolen vergleichen, so muss der Forderung entsprochen werden, dass diese verfrühte Kammersystole durch eine Erregung entsteht, welche die Kammer längs den atrio-ventrikulären Verbindungssystemen er- reicht. Die Eintrittsstelle der Erregung in die Kammer muss bei solch einer verfrühten Kammersystole dieselbe sein wie bei den nor- malen periodischen Kammersystolen. Erst dann können wir eine Ver- eleichung anstellen. Sonst würde die Formveränderuug des Kammer- elektrogramms dem Umstande zugeschrieben werden können, dass die Erregung von einer anderen Stelle der Kammer ausginge (zum Beispiel an der Oberfläche der Kammer wie bei Extrareizung der letzteren). Wir verabfolgen also in einem verfrühten Zeitpunkt der Herzperiode dem Vorhof einen Extrareiz. Nach der so erzeugten Extrasystole des Vorhofes schreitet die Erregung längs den atrio-ventrikulären Ver- bindungssystemen fort, und ruft sie eine verfrühte Kammersystole hervor. Das Elektrogramm derselben können wir nun mit demjenigen . der normalen periodischen Kammersystolen vergleichen. Bei meiner diesbezüglichen Untersuchung im Jahre 1914!) hatte sich mir schon gezeigt, dass die Elektrogramme dieser verfrühten Kammersystolen Ir-Ausschläge aufwiesen, deren Breite im Vergleich zu derjenigen der normalen periodischen Kainmersystolen zugenommen hatte. Zugleich stellte ich fest, dass die 7-Ausschläge dieser verfrühten Kammer- systolen in negativem Sinne verändert waren ?). Man konnte erwarten, dass nach der kompensatorischen Pause während der postkompensatorischen Systole die Geschwindigkeit der Reizleitung zugenommen hätte, und tatsächlich zeigte sich dies. aus einer Abnahme der Breite des R-Ausschlages der zugehörigen Elektro- gramme. Die 7-Ausschläge dieser Elektrogramme waren in positivem Sinne verändert (ein negativer T-Ausschlag der periodischen Kammer- systolen war kleiner geworden, ein positiver 7-Ausschlag grösser). Veränderungen der Geschwindigkeit, mit welcher die Erregung 1) Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 S. 428. 1915. 2) Mit Veränderung des T-Ausschlages in negativem Siune wird gemeint, dass ein positiver T- Ausschlag der Elektrogramme der periodischen Kammersystolen während einer verfrühten Kammersystole kleiner wird oder in einen negativen T-Ausschlag umschlägt. Ist dagegen der T-Ausschlag der periodischen Kammer- systolen schon negativ, dann bedeutet eine Vergrösserung desselben während einer verfrühten Kammersystole auch eine Veränderung in negativem Sinne. Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 35 durch die Kammer fortgeleitet wurde, kamen somit in der Breite des R-Ausschlages und in der Grösse und Richtung des 7-Ausschlages zum Ausdruck. Neue Untersuchungen. Während des letzten Jahres habe ich diese Untersuchungen fort- gesetzt und systematisch zu ergründen versucht, welehe Veränderungen bezüglich des Kammerelektrogramms zustandekommen, wenn man die Geschwindigkeit der Reizleitung ändert. Diese fortgesetzte Unter- suchung besteht aus drei Teilen: 1. An erster Stelle habe ich die Reizleitung&geschwindiekeit durch Vergiftung mit Digitalis oder Antiarin abnehmen lassen. Vor der Vereiftung wurde erst eine Aufnahme gemacht und dann, während die Vergiftung fortschritt, mit bestimmten Zwischenräumen jedesmal wieder eine Aufnahme, bis Halbierung des Kammerrhythmus auftrat. Da nach der Halbierung des Kammerrhythmus die Geschwindigkeit der Reizleitung plötzlich zunahm, wurde direkt wieder eine Aufnahme semacht. So konnte ich die Elektrogramme der Froschherzen vor der Vergiftung mit denjenigen vergleichen, welche nach der Vereiftuug und noch ehe Rhythmusstörungen auftraten, aufgenommen wurden. Die Kammerelektrogramme, welche nach der Halbierung des Kammer- rhythmus zum Vorschein kamen, wurden in erster Linie mit denjenigen Elektrogrammen verglichen, die unmittelbar vor der Halbierung: auf- _ genommen wurden, und zugleich mit den davor registrierten Kammer- elektrogrammen. 2. Eine zweite Versuchsreihe wurde mit Froschherzen angestellt, bei denen nach der Verabfolgung der vorerwähnten Gifte bereits Halbierung des Kammerrhythmus eingetreten war. Dieser halbierte Kammerrhythmus wurde dann durch einen Induktionsreiz, wie dies in meinen früheren Arbeiten !) erwähnt ist, in den normalen, doppelt so schnellen Rhythmus überführt. Der’ normale Kammerrhythmus wurde wieder in den halbierten verwandelt. So erhielt ich in einer Aufnahme die Kammerelektroeramme aus dem normalen und dem ‚halbierten Kammerrhythmus. Während des normalen Kammerrhythmus wird die Erregung viel langsamer von der Kammer fortgeleitet als 1) Archives Neerlandaises de Physiologie de ’homme et des animaux t.1 p-. 271 u. 502. 86 S. de Boer: während des halbierten, weil die Anzahl Kammerschläge im ersten Rhythmus doppelt so gross ist wie im zweiten. Vereinzelt wurde ein spontaner Rhythmuswechsel bei dem nicht vergifteten Herzen auf- genommen. 3. In einer dritten Versuchsreihe wurden durch Verabfolgung von Extrareizen an die Vorhöfe verfrühte Kammersystolen bei den nicht vergifteten Froschherzen erzeugt. Ich rief dann im Beginn der erregbaren Kammerperiode und in einem späteren Zeitpunkt verfrühte Kammersystolen hervor. Wie ich oben bereits darlegte, waren die Elektrogramme dieser verfrühten Kammersystolen mit denjenigen der periodischen Kammersystolen zu vergleichen. Aber auch untereinander wurden die Elektrogramme der verfrühten Kammersystolen verglichen. Während der Kammersystolen, die zu Anfang der erregbaren Kammer- periode erzeugt wurden, ward die Erregung langsamer durch die Kammer fortgeleitet als während der Kammersystolen, die in einem späteren Zeitpunkt der reizbaren Kammerperiode hervorgerufen wurden. Diese drei Versuchsserien verschafften mir ein reichliches Material, um an demselben den Einfluss der Reizleitungsgeschwindigkeit auf die Form des Kammerelektrogramms zu studieren. Ich werde erst diese drei Versuchsreihen nacheinander an der Hand einiger Auf- nahmen besprechen und darauf in einer theoretischen Darlegung meine Folgerungen mitteilen, an die ich einige Betrachtungen über die Be- deutung der erworbenen Einsicht für die Elektrophysiologie des Herzens knüpfen werde. I. Vergleichung der Kammerelektrogramme von Frosehherzen vor und nach der Vergiftung mit Digitalis. Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt: Der Frosch wurde auf eine Korkplatte gespannt, und darauf wurde das Herz in der gewöhnlichen Weise blossgelegt und suspendiert. Die Ausschläge des Hebels wurden neben den Elektrogrammen, welche nach Plaeierung einer unpolarisierbaren Elektrode auf die Herzspitze und einer zweiten Elektrode auf den Vorhof erzielt wurden, auf der empfindlichen Platte photographiert. Gleichzeitig wurde in allen Aufnahmen die Zeit in !/s Sekunden angegeben. Die Versuche der zweiten und dritten Serie wurden in derseiben Weise ausgeführt; aber bei diesen wurde gleich- zeitig eine Reizelektrode gegen eine der Herzabteilungen plaeiert und der Augenblick, in welchem der Reiz verabfolgt wurde, auf der emp- Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. findlichen Platte durch ein Signal angegeben, welches in den primären Strom- kreis des Induktionsappa- rates eingeschaltet worden war. Wir werden in dieser und ebenfallsin den beiden folgenden Aufnahmeserien zunächst dieBreite (Dauer) des R-Ausschlages ver- folgen, danach die Grösse und Richtung des T-Aus- schlages. Wir nennen einen J-Ausschlag positiv, wenn er eine gleiche Rich- tung hat wie der R-Aus- schlag, und negativ, wenn er diesem entgegengesetzt gerichtetist. Danach fassen wir die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-.Ausschlag ins Auge. Wenn diese Verbindungs- linie in der Richtung des R-Ausschlages verlagert ist, dann steigt sie; sie sinkt, wenn sieineinerdem R-Ausschlag entgegenge- setzten Richtung verlagert wird. In dieser Mitteilung werde ich also von den wiedergegebenen Auf- nahmen nur diese drei Teile der Kammerelektro- gramme näher erläutern. Bei der theoretischen Aus- einandersetzung werde ich - gleichzeitig die Höhe der Abb. 4. ss S. de Boer: R-Ausschläge näher be- | Er H | | Wi sprechen. Um nicht zu il. “ Ih: 4m viel Raum für Abbildungen sl U I IHI en in Anspruch nehmen zu Ä m H | HIN! H müssen, werde ich mich I" “ KHamanı IN N; hier auf die Wiedergabe I > | Il: | | ji von fünf Aufnahmen be- ij... | | en N > schränken, von denen eine \ || {ll | | vor und vier nach Ver- 1 | | | I eiftung mit Digitalis dia- | ı iii ‚ii ll HEHE Iysat. (Golaz) angefertigt | | Il kn, | h, wurden. In Abb. 4 sind die Suspensationskurven eines Froschherzens und gleich- zeitig die Elektrokardio- gramme (Ableitung Vor- hof-Spitze) vor der Ver- siftung wiedergegeben.Der T- Ausschlag ist positiv; Abb. 5. ei + Hi 5 na a a Re a a all | er die Verbindungslinie zwi- - c Il) schen dem R- und dem nr | T- Ausschlag liest oberhalb a ji An al il der Linie, welche die Ruhe- m | | ii “ isn lage der Saite angibt. Da- H KNIE sersesthl| " nach wurden unter die. .- fl | | | | j" Schenkelhaut zwölf Trop- Hi) N ||| | Hl |) fen Digitalis dialysatum ai] | | | El. ILL PEI Golaz eingespritzt. 15 Mi- 3 | | | li. ii N bh nuten nach der Ein- mil I IT N ii, spritzung wird unter übri- — 1l]] | fl f ii gens gleichen Bedingun- 1 N | | IN | a! gen wieder eine Aufnahme a | HH HH Vin 1 gemacht (Abb. 5). Wenn 'z |) Me. ll ua wir die Breite des R- "RT - i I! |) uB el in di " Auf- an ill) | If r IN Ausschlages in dieser Au I. Nil) h IN ii] ‚Ih nahme mit derjenigen in Abb. 4 vergleichen, dann 89 Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. bemerken wir, dass sie be- deutend zugenommen hat. dass die Geschwindiekeit der $) Hieraus lernen wir die i & ist noch aber sehr klein durch eeworden,. und die Ver- Kammer vermindert Der T-Ausschla Reizleitung positiv, st. zwischen bindungslinie Aus- dem ZR- und dem T- schlag fällt nun ungefähr der mit dem Ruhestand Saite zusammen Minuten nach 15 Abb. 5 aufgenommen. Breite des R ist Die Ausschlages Der T-Aus- nommen). arkne I gativ schlagistnunst OS Ra © == ars ns Ss 5 I HE | = F- oO © > = = > en Ge = E iS nun liegt unter dem Ruhestand der T-Ausschlag 7 wurde Abb. wieder 15 Minuten nach Saite. ST oa Br eh] SS [«b} = Es En: © ei © 8 BG s=E =. Ss en = RK geworden. ordentlich breit Der T-Ausschlag ist jetzt und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem sehr stark negativ, T-Aus- 1) Die Zeit ist auf dieser Aufnahme nicht wiedergege- ben; doch war dieFallgeschwin- digkeit der Platte dieselbe wie in den vorigen Aufnahmen. S. de Boer: schlag ist noch mehr gesunken als in der vorigen Aufnahme. Wenn wir die Dauer der Elektrogramme 5, 6 und 7 messen, 'so bemerken wir eine deutliche Zunahme der Abbildungen 4, dieser Dauer in Abb. 6 und eine be- trächtliche Zunahme in Abb.7. Die Dauer des Elektrogramms der Kammer nimmt D 2 also zu, sobald der T: Ausschlag negativ wird. Dann ist auch die apikale Kompo- nente über die ba- ‚ und wird da- sale hinweggescho- durch deren Dauer ben Das verlängert. Elektrogramm wird also mehr und mehr in die Breite ge- zogen, sobald der erst positive T-Ausschlag nm oo 52 © © P>S4 SS n 0. 3 Bu = > © nn N “A u .2 © ER el, 20 rich) SSES eieHej Io oONnNETr in Abb. 7 ist die Ursache der starken Bo \ Zunahme der Dauer des Kammerelektro- a gramms. Die apikale Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. Komponente kommt hier fast ganz hinter der ba- salen her, so dass eine di- a Eriemarsinun owner a3 Masuren ist m phasische Stromkurve das Resultat ist; jedoch noch eine deutliche Sam o- Jloff’sche Ferse vor- handen. Abb. 8 wurde 15 Minuten nach Abb. 7 aufgenommen. Inzwischen ist der Rhythmus der Kammer halbiert, in dem Sinne, dass nach jeder Kammersystole noch eine abortive grossen Sy- stole der Kammer vor- kommt. Diese abortive Kammersystole ereibt ein kleines, etwa dreieckiges Elektrogramm (a). Wäh- rend des halbierten Kam- merrhythmus hat die Ge- Reiz- g durch die Kammer ‚wieder stark zugenommen. schwindigkeit der leitun Im Einklange hiermit ist der R-Ausschlag wieder viel schmäler geworden. Der 7-Ausschlag ist noch negativ, aber namhaft klei- ner alsin der vori igen Auf- nahme. Die Verbindun ‚linie zwischen dem R- g5- und liegt dem T- Ausschlag zum Teile etwas oberhalb des Rnhestandes der Saite. Wenn wir Abb. 8 und Abb. 6 vergleichen, dann 92 8. de Boer: ist in Abb. 8 der AR-Ausschlag schmäler als in Abb. 6. Dem- entsprechend ist der T7-Ausschlag von Abb. 8 auch kleiner als derjenige von Abb. 6, und liegt die‘ Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag in Abb. 8 auf einem höheren Niveau als in Abb. 6. Nach der Verabfolgung der beiden genannten Gifte wurden diese Resultate immer von mir erzielt. Solange die Vergiftung fortschreitet und noch ehe Halbierung des Kammerrhythmus eingetreten ist, nimmt die Ge- sehwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer al. Die Breite des A-Ausschlages nimmt dementsprechend zu, der T-Ausschlag verändertin negativem Sinne und die Verbindungslinie.zwischen dem R- und dem T-Aus- schlagsinkt!). Sobald HalbierungdesKammerrhythmus eingetreten ist, nimmt die Geschwindigkeit der Reiz- leitung wieder zu, die Breite des R-Ausschlages nimmt ab, der T-Ausschlag verändert in positivem Sinne und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Aus- schlag steigt. II. Künstlicher und spontaner Rhythmuswechsel. Wenn wir ein Froschherz mit Veratrin, Digitalis oder Antiarin vergiften, tritt nach einer gewissen Zeit Halbierung des Kammer- rhythmus dadurch ein, dass die Dauer des refraktären Stadiums der Kammer zunimmt. Wir können dann den halbierten Kammerrhythmus wieder in den normalen, doppelt so schnellen verwandeln durch Ver- abfoleung eines Extrareizes an die Kammer am Ende der Diastole oder der Pause. Für Veratrin und Dieitalis wurde dies schon aus- führlich von mir behandelt, worauf ich hier verweise?). Dasselbe gilt jedoch ebenfalls für Antiarin, worüber ich noch eine ausführlichere Mitteilung publizieren werde. Den normalen Kammerrhythmus können wir dann wieder dadurch in den halbierten überführen, dass wir im Anfang der Kammersystole dem Vorhof oder der Kammerbasis einen Extrareiz verabfolgen. Während des normalen Rhythmus wird nun 1) Wenn nach der Vergiftung Kammeralternans auftritt, dann sind die Ver- hältnisse durch die teilweise Kammerasystole während der kleinen Kammersystolen natürlich anders (siehe vorangehendes Vorwort). 2) Arch. Neerl. de Physiol. 1. c. S. 85. en De ee ne nn nd nn Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. die Erregung lang- samer durch die _ Kammerfortgeleitet, als während des hal- bierten Rhythmus der Kammer. Es ist ‘nämlich klar, dass die Leitungsfähig- keit innerhalb der Kammer während des normalen Kam- merrhythmus, in welchem in dem- selben Zeitraum doppelt soviel Sy- stolen der Kammer vorkommen, als wäh- rend des halbierten Kammerrhythmus, schlechterist,alsnach der Halbierung des Kammerrhythmus. . Ein Beispiel solch eines künstlichen Rhythmuswechsels gebe ich hierin Abb.9 wieder. Im Beginn der Abbildung (die ersten zwei Kammer- systolen) ist der Rhythmus der Kam- mer halbiert. Nach jeder grossen Kam- mersystole kommt noch eine äusserst kleine abortive Kam- mersystolevor,deren kleine dreieckige [oo Abb. 9. „Ss. de Boer: Abb. 10. Elektrogramme durch ein a ange-. geben sind. Diese beiden Kammersys- tolen des halbierten Kammerrhythmus weisen kleine ne- gative 7-Ausschlä- ge auf, und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Aus- schlag liegt eben unterhalbdesRuhe- standes der Saite. Bei dem Ausschlag des Signals emp- fängt die Kammer- basis gegen das Ende der Pause einen Extrareiz, worauf eine grosse Kammersystole folgt. Danach wird der normale Rhyth- mus der Kammer wiederhergestellt. Die erste Kammer- systole dieses nor- malen Kammer- rhythmusfolgtnoch nach einer ziemlich langen Pause, so dass die Reizlei- tung durch die Kammer jetzt nur noch wenig ver- zögert ist (vgl. die Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. Breite des R-Ausschlages dieser Systole mit der- jenigen der beiden voran- gehen denSystolen ausdem halbierten Kammerrhyth- mus). Diese geringe Ver- zögerung kommt jedoch schon in einer Vergrösse- rung des negativen T-Aus- schlages und in einem Sinken der Verbindungs- linie zwischen dem R- und dem T7-Ausschlag zum Ausdruck. Zwischen den folgenden Kammersystolen sind die Pausen stark ver- kürzt, und nun hat die Breite der R-Ausschläge stark zugenommen. Die Kammerelektrogramme zeigen gleichzeitig grosse negative T-Ausschläge, und die Verbindungslinien zwischen den R- und den T-Ausschlägen sind stark “gesunken und gehen all- mählich in die T-Aus- schiäge über. In Abb. 10 wurde der halbierte Kam- merrhythmus durch einen Extrareiz auf die Basis ventrieuli in den normalen überführt und dieserwieder in den halbierten Kammer rhythmus. Auch hier war der halbierte Kammer- rhythmus durch Vergif- tung mit Antiarin erzielt Abb. 11. 06 S. de Boer: worden. Die erste Kammersystole der Abbildung gehört noch zu dem halbierten Rhythmus. Kurz nach dem Ende der Diastole empfängt die Kammerbasis einen Extrareiz, wodurch der halbierte Kammer- rbythmus in den normalen, doppelt so schnellen überführt wird. Wenn wir nun die Kammerelektrogramme dieser beiden Rhythmen vergleichen, so fällt es bald auf, dass die AR-Ausschläge während des normalen Kammerrhythmus viel breiter sind als bei dem halbierten. In dem halbierten Kammerrhythmus sind die 7-Ausschläge negativ, aber sehr klein, und die Verbinduneslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag verläuft eben oberhalb des Ruhestandes der Saite. In_ dem normalen Kammerrhythmus jedoch sind die 7-Ausschläge auch negativ, aber ziemlich gross, und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag verläuft nun unter dem Ruhestand der Saite. Bei dem zweiten Ausschlag des Signals nach oben empfängt die Basis ventrieuli wieder einen Reiz, wodurch eine kleine abortive Kammersystole entsteht. Nach der kompensatorischen Pause wird durch die postkompensatorische Systole die Kammer wieder in den halbierten Rhythmus festgelegt. Die Kammerelektrogramme haben auch wieder dieselbe Form erhalten wie im Beginn der Abbildung. In Abb. 11 schlägt anfänglich die Kammer auch in dem halbierten Rhythmus [nach Vergiftung mit Antiarin )]. Bei Z erhält die Kammer- basis einen Extrareiz, wodurch eine Extrasystole der Kammer ent- steht. Danach bleibt jedoch der halbierte Kammerrhythmus bestehen. Wenn darauf bei 2 der Extrareiz etwas früher in der Kammerperiode wiederholt: wird, gelingt die Überführung in den normalen Kammer- rhythmus, der jedoch nach drei Systolen spontan wieder in den halbierten übergeht. Während des halbierten Rhythmus kommen wieder kleine abortive Kammersystolen vor, deren dreieckige Elektro- eramme durch ein « bezeichnet sind. Während des halbierten Kammerrhythmus ist der 7-Ausschlag positiv, und befindet sich die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Aussehlag oberhalb des Ruhestandes der Saite. Bei dem schnelleren normalen Kammer- rhythmus sind die R-Ausschläge stark verbreitert, der 7-Ausschlag ist stark negativ, und die Verbindungsslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag ist weit unter den Ruhestand der Saite gesunken. | 1) Während des halbierten Kammerrhythmus von Abb. 11 befindet sich jeder | zweite P-Ausschlag, dem eine abortive Kammersystole folgt, an dem Ende des T-Ausschlages der Kammerelektrogramme. 97 Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. . SS rennen | eos ee ss war "se 'aaV ee jr ee 23282 aeassd rer ScEr= ET he | END eı2 an > © Zr Sa an E85 2ER zeigen dieselben Er- scheinungen. Dies lehrt uns Abb. 12. In dieser sind die Suspensions- kurven und die Elektro- Oo; D- gramme (Ableitung: Vorhof- Kammerspitze) eines entbluteten (Rana gebildet. Froschherzens - eseulenta) ab Herz reichlieh 1 Stunde nach Dieses der Suspensionjedesmal a de 2 2: Fi: oo 5 > e5 = = DAS ee s: & "5' 2.2 = B EN und dem halbierten a8 = Di «b) 2. Ss 2 a © Sn Er m is Se SE: 25 ni on spontanen Wechsel des Kammerrhythmusunter gleichzeitiger Registrie- rung der Aktionss tröme photographieren. Wir sehen in dieser Auf- zu h die ie Kammer in dem nor- nahme anfängel malen Rhythmus pul- sieren. Den ersten vier ] = z& oo Ss 2 a = 4 -:) ua-_ 2 ATen Se = s= = | aD} 2 9 =! Se no = ] [ns = ER- en nn = > 8 na Rhythmus der Kammer, Bd. 173. Pflüger’s Archiv für Physiologie. 98 „8. de Boer: so dass auf jede der letzten drei Kammersystolen zwei Systolen des Vorhofes kommen. In den Kammerelektrogrammen beider Rhythmen sehen wir den 7-Ausschlag direkt nach Ablauf des R- Ausschlages beginnen. In dem halbierten Rhythmus sind die R-Ausschläge schmäler als während des anfänglich normalen Kammer- rhythmus. Dementsprechend sind die positiven 7-Ausschläge während des halbierten Kammerrhythmus grösser als während des voran- sehenden normalen. Wir sehen zugleich, dass während des hal- bierten Kammerrhythmus von der ersten Systole an die Breite der R-Ausschläge abnimmt. Völlig im Einklange hiermit nimmt die Höhe der T-Ausschläge von Systole zu Systole zu. Diese Abbildung lehrt uns somit, dass bei Beschleunigung der Reizleitung durch die Kammer die Höhe der positiven 7-Ausschläge zunimmt, und zwar um so mehr, je stärker diese OEL UDE man 2 wieder zunimmt (Abnahme der Dauer der R-Ausschläge) }). Des weiteren möge Abb. 13 hier einen Platz finden. Diese zeigt Bigeminusgruppen nach Vergiftung mit Veratrin, entstanden durch das Ausfallen jeder dritten Vorhof- und Kammersystole.. Während der zweiten Kammersystole einer jeden Gruppe ist die Reizleitung durch die Kammer stärker verzögert, als während der ersten. Dies erhellt aus dem breiteren R-Ausschlag der zweiten Kammersystole. Aber auch der 7-Ausschlag ist viel stärker negativ, und die Verbindungs- linie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag ist stärker gesunken. 1) Eine andere Merkwürdigkeit dieser Abbildung betrifft das P-R-Intervall. Dieses ist während des halbierten Kammerrhythmus viel kürzer als während des normalen. Diese Verkürzung wird durch die Verkürzung des elektrischen latenten Stadiums verursacht, da auch während des halbierten Kammerrhythmus alle Sinus- impulse nach der Kammer längs den Verbindungssystemen fortgeleitet werden. Deutlich zeigt uns auch diese Abbildung, dass das Elektrogramm des Vor- hofes ebenso wie das Kammerelektrogramm aus einem schnellen Beginnschlag besteht, dem ein langsamer Ausschlag folgt. Wir sehen diese beiden Ausschläge des Elektrogramms des Vorhofes während des 'halbierten Kammerrhythmus zur Zeit der Vorhofkurven, auf die keine Kammerkurven folgen. Doch während des anfänglichen normalen Rhythmus dieser Abbildung geht jedem Kammer- elektrogramm ein vollständiges Vorhofelektrogramm mit zwei Ausschlägen voran. Während des halbierten Kammerrhythmus sehen wir den R-Ausschlag der Kammer mitten in dem langsamen Vorhofgipfel anfangen; auf die Kammerelektrogramme dieses Rhythmus folgen wieder vollständige Vorhof- elektrogramme. Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. Auch die Bigeminusgrup- pen, die ich 1915) pu- blizierte, weisen analoge Verhältnisse auf. Der R- Ausschlag der zweiten Systole ist hier breiter und der positive 7-Ausschlag kleiner als derjenige der erstenSystolejederGruppe. III. Die Elektrogramme der verfrühten Kammer- systolen. In einer früheren Mit- teilung!) wurde schon fest- gestellt, dass nach An- wendung eines Extrareizes auf die Kammerbasis oder den Vorhof der T-Aus- schlag in negativem Sinne verändert wurde. Ein positiver 7-Ausschlag der normalen Kammersystolen ‘ wurde während einer so Extrasystole . erzeugten kleiner, ein negativer grösser. In einigen Fällen wurde ein positiver 7-Aus- schlag negativ. Nach Extra- reizung der Kammerspitze wurde der 7-Ausschlag in positivem Sinne verändert. 1)S. deBoer, Die Fol- gen der Extrareizung für das Elektrogramm des Froschher- zens. Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 S. 440 Abb. 8. 1915. Abb. 18. 100 S. de Boer: Ein negativer 7-Ausschlag ward kleiner, ein positiver grösser. Bereits früher hatte Samojloff gefunden, dass während einer nach Extrareizung der Kammerbasis hervorgerufenen Extrasystole ein posi- tiver T-Ausschlag kleiner wird, doch niemals in einen negativen über- geht; war dagegen der T-Ausschlag der normalen Kammersystolen negativ, dann wurde dieser während einer nach Extrareizung der Kammerbasis hervorgerufenen Extrasystole der Kammer vergrössert. Unsere Resultate stimmten also zu einem grossen Teil miteinander überein, doch nicht ganz. Für weitere Besonderheiten, die ich hier nicht in extenso wiederholen werde, verweise ich nach den ursprüng- lichen Arbeiten von Samojloff!) und mir?). Nun wurden die Verhältnisse, die bei den Elektrogrammen der Kammerextrasystolen in die Erscheinung treten, näher von mir durch Experimente untersucht und studiert. Ich stellte diese Versuche wieder in drei Serien an. In der ersten Serie wurden die Extrareize der Kammerbasis verabfolst, in der zweiten Serie der Kammerspitze. In diesen zwei Versuchsreihen sing die Kontraktionswelle während der Kammerextrasystolen von einer bestimmten Stelle des Kammer- mantels aus. Wir können also die Elektrogramme solcher verfrühten Kammerkontraktionen, die an einer bestimmten Stelle des Kammer- mantels ihren Ursprung nehmen, wohl untereinander vergleichen, jedoch nicht mit denjenigen der periodischen Kammersystolen. In- dessen waren die Resultate für mich von grossem Wert, da ich die Elektrogramme von Kammerextrasystolen, die in einem sehr frühen Zeitpunkt der Kammerperiode hervorgerufen worden waren, mit den- jenigen aus einem späteren Zeitpunkt der Kammerperiode vergleichen konnte. In dem ersten Fall war die Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer geringer als in dem letzten Fall. So erhielt ich Elektrogramme von Extrakammersystolen, bei welchen die Kontraktions- welle von derselben Stelle des Kammermantels ausging und bei denen die Geschwindigkeit der Reizleitung verschieden war. Für wechsel- seitige Vergleichung stellten diese Elektrogramme der mehr oder weniger verfrühten Kammerextrasystolen ein geeignetes Material dar. Die Versuche der dritten Serie sind jedoch von noch grösserer Be- deutung. Bei ihnen wurde der Extrareiz dem Vorhof in einem mehr 1) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417. 1910, 2) a. a. 0. S. 99. Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 101 oder weniger verfrühten Zeitpunkt der Kammerperiode verabfolgt. Nach den auf diese Weise hervorgerufenen Extrasystolen der Vorhöfe schritt die Erregung längs den normalen Verbindungssystemen nach der Kammer fort und rief von derselben eine verfrühte Systole zum Vorschein. Diese verfrühten Kammersystolen entstanden dann in einem mehr oder weniger frühen Zeitpunkt der Kammerperiode; die Ge- schwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer war um so geringer, je verfrühter solch eine Kammersystole war. Die Elektrogramme dieser verfrühten Kammersystolen konnte ich dann natürlich unter- einander vergleichen, doch ebenfalls mit den Elektrogrammen der periodischen Kammersystolen. Ein Vergleichen der Elektrogramme dieser verfrühten Kammersystolen mit denjenigen der periodischen ist deshalb: möglieh, weil in beiden Fällen die Eintrittsstelle der Erregung in die Kammer dieselbe ist und also die Kontraktionswelle in beiden Fällen von derselben Stelle ausgeht. Ich werde die Resultate durch einige Beispiele erläutern. a) Extrareizung der Basis ventriculi. In den Abbildungen 14 und 15 wurden bei den Ausschlägen nach oben der Kammerbasis Extrareize verabfolgt. In Abb. 14 trifft bei 7 ein Extrareiz die Kammerbasis direkt nach Ablauf des vorangehenden T-Ausschlages. Der 7-Ausschlag des Elektrogramms der Extrasystole ist stark negativ, die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag ist gesunken. Bei den normalen periodischen Kammer- systolen ist der T-Ausschlag positiv und befindet sich die Verbindungs- linie zwischen dem R- und dem T7-Ausschlag oberhalb des Ruhe- standes der Saite. Wenn ich nun bei 2 in einem späteren Zeitpunkt der Kammerperiode als bei 2 den Extrareiz wiederhole, ist der T- Ausschlag des Elektrogrammes der Kammerextrasystole weniger negativ als bei 7 und ist die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag weniger gesunken. Wir haben hier also zwei Extra- systolen der Kammer vor uns, deren erste mehr verfrüht ist als die letzte. . Die Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer ist in dem mehr verfrühten Zeitpunkt der Kammerperiode geringer als in dem späteren. Im Einklange hiermit ist der 7-Ausschlag des Elektrogrammes der ersten Extrakammersystole stärker negativ als derjenige der letzten. Gleichfalls ist die Verbindungslinie zwischen dom R- und dem T7-Ausschlag bei dem ersten Elektrogramm stärker Bu. - SE | KLEE I || 0 Illu \) |) + || |) | I] | 11 IH au: ll | j j = ü | “ IL | | | Bus ‘ S. de Boer: Be | Ib m i Ip. | ; = Ran BERBEAERE j 1 z au 7 R } art El 98 H 24 H i 113 IFı 7 } riet IH 1 } Ira 4 Sun) ae a ı® ! j ltr] ' f ! 244 sH ; Er ; h 1 i gesunken als bei dem letzten. Ich mache hierzu gleich daraufaufmerksam, dass die Vergrösse- rung des positiven T-Ausschlages ' während der post- Abb. 14. kompensatorischen Systole um so stär- ker ist, je früher der Zeitpunkt der Kammerperiode liest, in welchem die vorangehende Extrasystole her- vorgerufen wurde. In Abb.15 wird der Kammerbasis dreimal ein Extra- reiz verabfolst, je- desmal in verschie- denen Zeitpunkten der Kammerperio- de. Bei Z trifft die Kammerbasis ein Extrareizkurznach Ablauf des voran- sehenden T-Aus- schlages. Der Reiz wird dann langsam durch die Kammer fortgeleitet. Der T-Ausschlag, der während der perio- dischen Kammer- systolen positivwar, ist nun stark ne- Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 14 121 Bl Runen lei ‚gativ geworden, und S | die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem Z-Ausschla 11.227 ist Ber ee = Ss 8885 05% — = © or = () 2875 a=38 AS Fb) 5 u Ssark ne2R Stellewiederhole,aber in einem späteren Zeit- punkt der Kammer- T. Ausschlag des Elektro- periode, so ist der gleichfalls negativ, jedoch viel weniger stark als das grammes ebenfalls _ ist die Verbindungs- 9 vorige Mal linie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag weniger stark gesun- Bei 2 wird der Extrareiz an derselben ken. ” ın einem Stelle, aber noch späteren Zeit- punkt der Kammer- wiederholt. Das Resultat ist nun periode ein äusserst kleiner negativer 7-Ausschlag, und die Verbindungs- linie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag ‚befindet sich noch Ruhe- oberhalb des standes der Saite, ob- wohl sie deutlich ge- sunken auch hier ist der ist. 104 „Ss. de Boer: T-Ausschlag um so mehr in negativem Sinne verändert und ist die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7T-Ausschlag um so mehr gesunken, je geringer die Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer ist. Sehr schön tritt auch hier zutage, dass die Vergrösserung der positiven 7-Ausschläge der postkompensatorischen Systolen um so stärker ist, je früher der Zeitpunkt der Kammerperiode liegt, in welchem der Extrareiz die Kammerbasis getroffen hat. b) Extrareizung der Kammerspitze. Wenn wir der Kammerspitze einen Extrareiz verabfolgen, ent- steht ein Kammerelektrogramm, dessen R-Ausschlag umgekehrt ist. An die Stelle der positiven R-Ausschläge der normalen periodischen Kammersystolen treten während der durch Extrareizung der Kammer- spitze erzeugten Extrasystolen negative R-Ausschläge. Die T-Aus- schläge der normalen periodischen Kammersystolen werden während dieser Extrasystolen in positivem Sinne verändert, d. h. ein negativer T-Ausschlag der normalen Kammersystolen wird kleiner oder ver- ändert sich in einen positiven, während ein positiver 7-Ausschlag der normalen Systolen während der Extrasystolen vergrössert wird. Dies war mir schon aus Samojloff’s und meinen früheren Untersuchungen bekannt. In dieser Untersuchung wurde von mir zu erforschen ver- sucht, in welcher Hinsicht die Elektrogramme der Kammersystolen sich veränderten, wenn ich in verschiedenen Zeitpunkten der Kammer- periode der Kammerspitze einen Extrareiz verabfolgte. Die Kammer- elektrogramme dieser verfrühten Kammersystolen wurden von mir untereinander verglichen. Als Beispiel dieser Versuchsreihe diene. Abb. 16. Bei diesem Versuch wurde der Kammerspitze viermal ein FExtrareiz verabfolgt. Von den vier so hervorgerufenen Extrasystolen ist diejenige bei Z am meisten verfrüht, danach diejenige bei 3, dann folgt diejenige bei 2 und zuletzt die bei Z erzeugte Extrasystole (am wenigsten verfrüht). Die Breite der R-Ausschläge dieser Extrasystolen nimmt in derselben Reihenfolge ab, was darauf hinweist, dass die Ge- schwindigkeit der Reizleitung um so mehr zunimmt, je später die Extrasystole hervorgerufen worden ist. In gleicher Reihenfolge macht sich auch die Beeinflussung geltend, durch welche‘ die 7-Ausschläge und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag 105 106 S. de Boer: selben Reihenfolge vermindert sich die Steigung, welche die Ver- bindungslinie zwischen den R- und den 7-Ausschlägen erfahren hat. Wirsehenalso während der Extrasystolen, die nach Reizung der Kammerspitzeerzielt wurden, den 7-Aus- schlag um so mehr in positivem Sinne verändern und die Verbindungsliniezwischen dem R- und dem T-Aus- schlag um so mehr Steigen, je früher der Zeitpunkt der Kammerperiode liegt, an welchem die Extrasystole er- zeugt worden ist, je geringer also während der hervor- gserufenen Extrasystole die Geschwindigkeit der Reiz- leitung durch die Kammer ist. — Hier liegen also Verhältnisse vor, welche denjenigen, die wir nach Extrareizung der Kammerbasis wahrnehmen konnteu, entgegengesetzt sind. Die Ursache dieser Er- scheinung liest in dem Umstande, dass die Kammer nach Extrareizung der Kammerspitze in retrograder Richtung von der Erregung durch- laufen wird. Die Basis wird nun später elektronegativ als die Spitze, während nach Extrareizung der Kammerbasis erst die Basis und dann die Spitze elektronegativ wird. Auf eine Besonderheit lenke ich hier noch die Aufmerksamkeit. Bei £ trifft der Extrareiz die Kammer- spitze in einem Zeitpunkt, an welchem der R-Ausschlag der periodi- : schen Kammersystole bereits angefangen hatte. Wir sehen also, dass die Kammerspitze wenigstens noch reizbar ist im Anfang des R-Ausschlages. ce) Extrareizung der Vorhöfe. Während wir in den beiden vorangehenden Versuchsreihen nur die Elektrogramme der Fxtrasystolen untereinander vergleichen konnten, vermögen wir in dieser Versuchsreihe die Elektrogramme der verfrühten Kammersystolen auch mit denjenigen der normalen periodischen zu vergleichen. Die Eintrittsstelle der Erregung in die Kammer ist ja während dieser verfrühten Kammersystolen dieselbe wie bei den normalen periodischen Systolen der Kammer. Beispiele dieser Versuche sehen wir in den Abb. 17 und 18. Die Kurven dieser beiden Abbildungen rühren von demselben Froschherzen her, während die Reizelektrode in beiden Fällen an derselben Stelle in der Atrio-Ventrikulärfurche stand. «In Abb. 17 wurde bei / und bei 4 ungefähr in demselben Zeitpunkt der Kammerperiode den Vorhöfen ein Reiz verabfolgt. Die hiernach auftretenden Kammersystolen sind Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. also gleich viel ver- früht (dies ist deut- lich an derLinieder # Elektrogramme - zu sehen; nach Ablauf der ‘vorangehenden Kammerelektro- gramme ist die Saite in beiden Fällen gleichlange Zeit in dem Ruhestand, ehe die R-Ausschlägeder verfrühten Kammer- elektrogramme an- fangen). Von beiden - verfrühten Kammer- elektrogrammen ist der R-Ausschlag gleich viel verbrei- _ tert, und bei beiden ist der 7-Ausschlag, - welcher während der normalen perio- dischen Kammersys- tolen positiv ist, in einen gleich kleinen negativen verändert. Bei beiden ist auch die Verbindungslinie zwischen dem AR- und dem T- Ausschlag gleich viel gesunken. - Bei 2 wird der Extra- _ reiz in einem viel späteren Zeitpunkt der Kammerperiode den Vorhöfen verab- folgt. Der T-Aus- »-- ji B-- . a - R : 3 = N In an il I It; # ||) ul lin Be ERBE | y | nal] ||| IN: N | in il) I N Se I {il II Il: f | Mi || a Ik I, | is Bee; ht ha I In 17, Abb. vel- schlag dieses frühten Kammer- elektrogrammes ist Bu _ 3 e- positiv geblieben, je- doch deutlich ver- my AU emn A MAR ee kleinert. Bei 3 wird die Kammerbasis durch den Extrareiz direkt getroffen, so- dass hier eine Kam- merextrasystole ent- steht ‚ wobei die Kon- von traktionswelle RR TE TEE TE TE TEE TEUER IWTLSTERETTEE [| il M | | | bb En | IXR ‚ll an t | t- l { SELF TOT Be! I = VE SE DIE SE To BEE I 2 a EEE EUER oo - . 0m Ag) & I) (eb) -—m N 8 s to 20 = © © se DT Er 5522537537598 Area Zus je.) N = ee = 25 = 5 o 520 © sEeS5 SA’ 2.5:5395 era Sen Ss ei = Wr ae Zen ıe De ee og el Fa 25 90 28 n gg Tao 3255 m SS 98 Be ee nr . Ss = Er ASHOQOKd 7) ann 8 So pgaE SH = =] a 9% [B) See) un (eb) oa = Eu Ba an En ee En zz 205% BSE.2EIRETS n= 2225370 Base oe | nei Se m 2 © 20805 = an 2 2a Ba Se. SZ En een rs) De SS ESS sa mu se 2 Ss T iA. 28288585: omas AB. N ER ES HBNS BETH 5 a8 kein Unterschied gar Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 109 tivem Sinne verändert und die Verbindungslinien zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag mehr gesunken. Nach dem Extrareiz bei 7 ist die Kammersystole etwas mehr verfrüht als nach dem Extrareiz bei5. Im Finklange hiermit ist, nach dem bei 7 verabfoleten Extrareiz, der T- Ausschlag stärker negativ und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag mehr gesunken als nach dem bei 5 verabfolgten Extrareize. Bei 6 trifft der Extrareiz in einem viel späteren Zeitpunkt der Kammerperiode die Vorhöfe. Der 7-Ausschlag ist hierauf dann auch positiv geblieben, obwohl deutlich verkleinert. Bei 8 traf der Reiz die Vorhöfe ersichtlich in einem Moment, wo diese schon refraktär waren. Wenn wir nun schliesslich die Kammerelektrogramme der postkompensatorischen Systolen vergleichen, dann fällt es sofort auf, dass deren T7-Ausschläge um so mehr in positivem Sinne verändert sind, je verfrühter die vorangehenden Kammersystolen waren. Je mehr nämlich die vorangehenden Kammersystolen verfrüht siud, desto schneller wird der Reiz während der postkompensatorischen Systolen durch die Kammer fortgeleitet. Während der postkompensa- torischen Systole wird der: 7-Ausschlag daher um so mehr in posi- tivem Sinne verändert, je schneller der Reiz durch die Kammer fort- geleitet wird. Das Resultat dieser Versuchsreihe ist also das folgende: Je mehr die Geschwindigkeit der Reizleitung ab- nimmt, verändert der T-Ausschlag mehr in negativem zwischen ihnen besteht Bei allen drei ist der 7- Ausschlag ungefähr gleich stark negativ und ist die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag gleich viel ge- sunken. Und doch ist das erste Elektrogramm nach Extrareizung der Kammerbasis und die beiden anderen nach Extrareizung der Vorhöfe entstanden. Obwohl also die Eintrittsstelle der Reize verschieden ist, ist das Resultat für das Kammerelektro- gramm dasselbe Die Ursache der ‚grossen Übereinstimmung liegt denn auch in der Tatsache, dass alle drei Kammerelektrogramme in demselben Zeitpunkt der Kammerperiode anfangen. Es ist also für die Form des Kammerelektrogrammes beim Froschherzen von wenig Bedeutung, ‚wo der Reiz in die Kammer eintritt, näm- lich längs den atrio-ventrikulären Verbindungssystemen oder an einem bestimmten Punkt der Kammerbasis. Allein durch den Zeitpunkt der Kammerperiode, ‚in welchem das Kammerelektrogramm anfängt, wird die Form des Elektrogrammes bestimmt. Diese Form wird also von der Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer beherrscht. Schon in meiner früheren Mitteilung in der Zeitschrift für Biologie habe ich hierauf die Aufmerksamkeit hingelenkt. Eine völlige Be- stätigung dieser Tatsache sehen wir in den Abbildungen 17 und 18 dieser Mitteilung 110 . 8. de Boer: Sinne und sinkt die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag mehr. Dagegen verändert der T- Ausschlag um so mehr iin positivem Sinne und steigt die Verbindungsliniezwischendem R- und dem T-Ausschlag desto stärker, je mehr die Geschwindigkeit der Reiz- leitung wieder zunimmt. IV. Theoretische Auseinandersetzung. Aus den oben beschriebenen drei Versuchsserien hat sich aufdasdeutlichste gezeigt, dassein konstanter- Verband zwischen der Breite (Dauer) des R-Ausschlages (Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer) einerseits und der Grösse und Richtung des T-Aus- schlages und dem Niveau, auf welchem sich die Ver- bindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag befindet, andererseits besteht. Nimmt die Dauer des R-Ausschlage® zu, so verändert der T7T-Ausschlag in negativem Sinneundsinktdie Verbindunsslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag. Vermindert dagegen die Dauerdes R-Ausschlages, so verändertder T-Ausschlag in positivem Sinne und steigt die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlae. Die Veränderungen, welche der 7-Ausschlag erfährt, waren mir bereits durch die Untersuchungen, die ich im Jahre 1914 vornahm, deutlich geworden. Ich glaube nunmehr auch die Veränderungen, welche die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T7-Ausschlag zeigt, näher erläutern und so die vorstehend genannten Versuche unter einen Gesichtspunkt bringen zu können. Das normale Kammer- elektrogramm besteht zur Hauptsache aus einem R- und einem T- Ausschlag. Wir lassen hier dann den Q- und den S-Ausschlag ausser Besprechung, weil deren Vorkommen unsere Betrachtungen nicht be- einträchtigt. Dieser R- und T7-Ausschlag sind durch Interferenz der basalen mit der apikalen Negativität entstanden. Der Ausschlag nach oben, mit welchem das Kammerelektrogramm beginnt, entsteht da- durch, dass die Negativität der Basis beginnt oder im Anfange über- = wiegt; kurze Zeit darauf beginnt die apikale Negativität (oder nimmt die apikale Negativität zu), welche die Saite in ihren Ruhestand zurückführt. Dann sind während einiger Zeit die basalen und api- hi ne Er EN RR Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 1a. kalen Negativitäten in Gleichgewicht und bleibt die Saite im Ruhe- stand. Danach entsteht der T-Ausschlag; ist dieser positiv, also dem R-Ausschlag gleichgerichtet, dann kommt dies hierdurch, dass die basale Negativität länger dauert als die apikale, oder dadurch, dass die basale Negativität am Ende über die apikale überwiegt. Wenn der T7-Ausschlag negativ, also dem ZAr-Ausschlag entgegengesetzt ge- richtet ist, so dauert die apikale Negativität länger als die basale, oder dann überwiegt am Schlusse die apikale Negativität über die basale. In Abb. 19 habe ich das Entstehen des AR- und des positiven T-Ausschlages durch Interferenz der basalen Negativität a, d,c mit der apikalen Negativität e, f, 9 wiedergegeben. Wenn nun die Ge- schwindigkeit der Reizleitung abnimmt, dann wird die apikale Nega- OB = «le, BEN END N SIR STE N er Sr .. Abb. 19. | Abb. 20. tivität später nach dem Anfang der basalen Negativität beginnen (oder zunehmen) und die Saite in den Ruhestand zurückführen. Der Ruhestand der Saite wird durch die Leitungsverzögerung nun in einem späteren Zeitpunkt erreicht. Dadurch nimmt die Breite des R-Aus- schlages zu. Aber auch der fernere Teil des Kammerelektrogrammes wird durch die Leitungsverzögerung stark beeinflusst. Dies möge das Schema von Abb. 20 verdeutlichen. Die basalen und apikalen Negativi- täten bestehen in diesem Schema aus denselben Kurven wie diejenigen von Abb. 19; aber die apikale Negativität ist nun weiter nach hinten verschoben. Punkt e liegt nun viel weiter von a ab als in Abb. 19. Was ist nun die Folge dieser Verschiebung der apikalen Negativität? In erster Linie, dass am Ende des Elektrogrammes die apikale Negativität zu überwiegen anfängt und dadurch der T-Ausschlag negativ wird. Wäre die Leitungsverzögerung weniger stark gewesen, 112 ‚8. de Boer: dann würde dies den positiven 7-Ausschlag allein nur verkleinert haben. Aber auch die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag ist gesunken. Auch dieses ist begreiflich. Während in Abb. 19 in einem gegebenen Moment die basale Negativität » mit einer gleich starken apikalen Negativität »' interferiert, bleibt dadurch die Saite im Ruhestand. Wenn nun durch die Leitungsverzögerung die apikale Negativität nach dem Ende des Elektrogrammes hin ver- schoben wird, dann interferiert der basale Punkt » nicht mehr mit ), sondern mit m’, welcher Punkt weiter von dem Ruhestand entfernt ist. Dies gilt nun nach Leitungsverzögerung für alle Punkte der basalen Negativität. Diese interferieren also alle mit stärkeren api- kalen Negativitäten als vor der Verzögerung. Daher sinkt die Ver- bindungslinie zwischen dem R- und dem T-Aus- schlag). Diese einfache Konstruktion lehrt uns, warum bei Leitungsverzögerung nicht nur der n R-Ausschlag breiter wird, sondern auch der T- 1% Ausschlag in negativem Sinne verändert und die U. c Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T- Ausschlag sinkt. Somit haben wir eine deutliche Erläuterung für die experimentellen Daten. Um- e gekehrt wird bei Beschleunigung der Reizleitung der R-Ausschlag schmäler werden und die apikale Negativität sich in entgegengesetzter Richtung verschieben, und-zwar nach vorn. Dann wird jeder Punkt der Kurve der basalen Negativität mit einer kleineren apikalen Negativität interferieren als vor der Beschleunigung (rn an- statt mit » mit 0‘). . Das Resultat ist dann ein Steigen der Ver- bindungslinie zwischen dem A- und dem T-Ausschlag und eine Vergrösserung des Iärleren, ‘wie aus dem Schema von Abb. 21 ersichtlich ist. AR N unmehr möge noch ein kurzes Wort über die Höhe des AR-Aus- schlagen folgen. ren die HEIIDESBESERIEINAIEEEN durch die Kammer Abb. 21. E y Die Schemata von 19, 20 und. 21 sind nieht, nach den wahren Verhält- nissen wiederzugeben. Es ist nämlich klar, dass auch die beiden Komponenten des Kammerelektrogrammes selbst eine Veränderung erfahren, wenn sich die Ge- schwindiekeit der Reizleitung ändert. Doch diese Veränderung besteht für beide Komponenten in gleichem Sinne. Daher passen diese Schemata doch gut zu den experimentellen Daten. Bu Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 113 . 80 gross ist, dass die apikale Negativität den anfänglichen Ausschlag der Saite bereits wieder in den Ruhestand zurückführt, ehe die volle basale Negativität zur Entwicklung gekommen ist, dann wird bei einer Verzögerung der Leitung die Höhe des AR-Ausschlages zunehmen können. So sind diese Verhältnisse auch in dem Schema wieder- gegehen. Ist dagegen die maximale Basisnegativität erreicht, ehe die api- kale Negativität die Saite in den Ruhestand zurückführt, dann wird eine Verzögerung der Leitung die Höhe des AR-Ausschlages nicht mehr steigern, sondern nur dessen Gipfel verbreitern. Diese Verhältnisse finden wir bei dem Froschherzen nach der Verblutung!). In einer früheren Untersuchung wurde von mir gefunden, dass nach Extrareizung der Vorhöfe während der hierauffolgenden ver- frühten Kammersystole der AR-Ausschlag des Elektrogrammes nicht erhöht wurde, wenn zuvor der Frosch entblutet worden war (siehe . Abb. 5 und 6, Zeitschrift für Biologie Bd. 65 S. 435). Wohl war in den Elektrogrammen dieser verfrühten Kammersystolen der R-Aus- schlag verbreitert und ebenfalls der 7-Ausschlag in negativem Sinne verändert und die Verbindungeslinie zwischen dem R- und dem T-Aus- schlag gesunken. Damals hatte ich also schon die experimentellen Daten erhalten, die nach der systematischen Untersuchung dieses Jahres nunmehr von mir völlig übersehen und begriffen wurden. Es ist meines Erachtens wohl von Bedeutung, noch kurz darauf hin- zuweisen, dass blutleere Froschherzen daher dieselben Verhältnisse zeigen, die ich in Vorstehendem ausführlich skizzierte. Die Ver- änderungen des 7-Ausschlages und diejenigen der Verbindungslinie zwischen dem R-.und dem T-Ausschlag können also nicht der Füllung. mit Blut zugeschrieben werden, sondern sie sind eine direkte Folge der Veränderungen, welche die Geschwindigkeit der Reizleitung er- fährt. Auch die Veränderungen der Elektrogramme der postkompen- satorischen Systolen bei blutleeren Herzen weisen in den früheren Experimenten Verhältnisse auf, wie sie in Vorstehendem dargelegt wurden. Dabei veränderte der 7-Ausschlag in positivem Sinne und stieg die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag;; 6 gleichzeitig nahm die Breite des R-Ausschlages ab. Es ist also deut- lich, dass auch bei blutleeren Herzen eine Beschleunigung der Reiz- 1) Zeitschr. f. Biol. Bd. 65 S. 428. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 8 114 .S. de Boer: leitung zu einer Veränderung des 7-Ausschlages in positivem Sinne und zu einer Steigung der Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag Anlass gibt. Die Schemata, die ich auf Grund meiner letzten Untersuchungen aufstellte und welche in dieser Mit- teilung in Abb. 19, 20 und 21 wiedergegeben sind, passen also voll- kommen zu meinen bei blutleeren Herzen angestellten früheren Unter- suchungen. Auf einen Punkt muss ich hier abermals die Aufmerk- samkeit hinlenken. Der AR-Ausschlag einer verfrühten Kammersystole, welche nach Extrareizung der Vorhöfe bei blutleeren Herzen hervor- serufen wurde (siehe Abb. 5 und 6, Zeitschr. für Biologie Bd. 65 S. 435), ist ebenso hoch wie derjenige der normalen periodischen Kammersystolen. In dem Lichte der jetzt von mir erzielten Resultate betrachtet, können wir hieraus schliessen, dass in diesen Experimenten bei blutleeren Herzen während der periodischen Kammersystolen die Negativität im Anfang der Elektrogramme schon zu einer maximalen Höhe stieg, ehe die Spitzennegativität diese anfängliche basale Negativität auf den 0-Stand zurückführte und so die R-Ausschläge bildete. Bei diesen 'blutleeren Herzen steigt also der A-Ausschlag während der periodischen Kammersystolen schon bis zu einer Höhe, welche der maximalen basalen Negativität gleich ist. Daher kann während der verfrühten Kammersystolen diese Höhe des R-Ausschlages nicht mehr zunehmen, weil bei den periodischen Kammersystolen die maximale Höhe schon erreicht ist. Die Verzögerung der Reizleitung ergibt hier deshalb (soweit sie den R-Ausschlag betrifft) während der verfrühten Kammersystolen nur eine Verbreiterung des R-Ausschlases und ein Stumpferwerden des R-Gipfels. Diesem muss ich noch hinzu- fügen, dass in deu Abb. 5 und 6 meiner früheren Mitteilung auch die R-Ausschläge der postkompensatorischen Systolen ebenso hoch sind wie diejenigen der periodischen Systolen. Hieraus ergibt sich also, dass auch eine mässige Beschleunigung der Reizleitung während dieser postkompensatorischen Systolen (die AR-Ausschläge sind schmäler als diejenigen der periodischen Systolen) die Höhe des R-Ausschlages noch unverändert lässt. Auch dann noch wird die anfängliche, maxi- male, basale Negativität erreicht, ehe danach die apikale Negativität die Saite in den Ruhestand zurückführt. Aber diese Reizleitungs- geschwindigkeit bleibt noch weit unterhalb derjenigen, welche vor der Verblutung der Froschherzen besteht. Wir können uns hierin einen Einblick verschaffen, wenn wir die Abb. 3 und 5 dieser früheren Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 115 Mitteilung vergleichen. Diese beiden Aufnahmen wurden bei dem- selben Froschherzen ausgeführt. In beiden Aufnahmen wurde eine verfrühte Kammersystole durch Fxtrareizung der Vorhöfe hervor- serufen; in Abb. 3 ward jedoch dieses Experiment vor, in Abb. 5 nach der Verblutung ausgeführt. In beiden Experimenten liegen die Verhältnisse in bezug auf den 7-Ausschlag und die Höhe der Verbindungslinie zwischen dem AR- und dem 7-Aussehlag während der verfrühten Kammersystole und der postkompensatorischen Systole so, wie ich oben auseinandersetzte. Dies braucht also nicht näher er- läutert zu werden. Wenn man diese Abbildungen in Hinsicht auf diese Punkte näher studiert, zeigt sich dies aufs deutlichste. Jedoch die Höhe der A-Ausschläge während der verfrühten Kammersystole und der postkompensatorischen Systole, verglichen mit denjenigen der periodischen Kammersystolen, fällt in beiden Abbildungen nicht gleich aus. Während, wie wir oben sahen, in Abh. 5 bei dem -entbluteten Frosehherzen der A-Ausschlag zur Zeit der verfrühten Kammersystole und der postkompensatorischen Systole bis zu derselben Höhe steigt wie bei den periodischen Kammersystolen (auch Abb. 6 zeigt eleiche Verhältnisse), ist dies in Abb. 3, wo der Blutumlauf intakt war, nicht der Fall. In dieser Abbildung ist der AR-Ausschlag während der verfrühten Kammersystole stark erhöht (im Vereleich zu den R-Aus- schlägen der periodischen Kammersystolen) und niedriger während der postkompensatorischen Systole. Ich habe seinerzeit diese Ver- änderungen der verschiedenen Blutfüllung zugeschrieben. Diese sollte am stärksten sein während ‘der postkompensatorischen Systole und am geringsten während der verfrühten Kammersystole. Durch Kurz- schluss der Stromschleifen wurde dann während der postkompen- satorischen Systole der R-Ausschlag verkleinert, weil dann die Blut- füllung stärker ist als während der periodischen Kammersystolen. Dagegen war die Blutfüllung während der verfrühten Kammersystole geringer als während der periodischen Kammersystolen. Daher be- stand also weniger Kurzschluss und wurde der R-Ausschlag ver- grössert. Entblutete ich darauf das Herz, so ward in allen drei Fällen (bei den periodischen, verfrühten und postkompensatorischen Systolen) ein gleich grosser R-Ausschlag .erzielt. Ich schrieb bei meiner früheren Untersuchung die Veränderungen in der Höhe der R-Ausschläge bei dem mit Blut durchströmten Herzen der verschiedenen Blutfüllung zu. Noch jetzt muss ich diese Auffassung aufrecht- e 116 S. de Boer: erhalten, doch im Lichte meiner neuen Untersuchungen gesehen, will ich dieser Ansicht noch etwas hinzufügen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass die Blutfüllung nicht ausschliesslich die Verände- rungen in der Höhe der AR-Ausschläge in Abb. 3 meiner früheren Mitteilung verursacht hat. Wohl ist es klar, dass bei dem entbluteten Herzen (siehe Figur 5 und 6 meiner früheren Mitteilung) die maxi- male basale Negativität durch die Höhe der A-Ausschläge bestimmt wird. Diese Sicherheit besteht jedoch nicht vor der Eutblutung, denn dann wird der Reiz wenigstens fünfmal so schnell durch die Kammer fortgeleitet als nach der Entblutung. Die Möglichkeit ist hier also wohl vorhanden, dass die basale Negativität bei dieser schnelleren Reizleitung noch nicht bis zu ihrer maximalen Höhe gestiegen ist, wenn die Saite unter dem Einfluss der apikalen Negativität in den Ruhestand zurückgeführt wird. Wenn dies tatsächlich so ist, dann besteht die Möglichkeit, auch einen Teil der Erhöhung des R-Aus- schlages während der verfrühten Kammersystole, bei weicher die Leitungsgeschwindigkeit vermindert ist, der Abnahme der Geschwindig- keit der Reizleitung zuzuschreiben. Dann wird es nämlich länger dauern, ehe die Saite, die anfänglich unter dem Einfluss der basalen Negativität ausschlägt, durch die spätere apikale Negativität in den Ruhestand zurückgeführt wird. Durch die Verzögerung der Ge- schwindigkeit der Reizleitung allein wird sich also schon der R-Aus- schlag erhöhen können. Es will mir somit scheinen, dass wahr- scheinlich also nicht allein die geringere Blutfüllung die Erhöhung des AR-Ausschlages der verfrühten Kammersystole verursacht hat, sondern dass die Verzögerung der Reizleitung hierbei auch im Spiele sein kann. Dasselbe gilt mutatis mutandis auch für den R-Ausschlag der postkompensatorischen Systole. Dann ist der A-Ausschlag niedriger. Hierzu hat zweifelsohne die grössere Blutfüllung beigetragen; aber zugleich kann dann ein Teil des Niedrigerwerdens durch die Be- schleunigung der Reizleitung verursacht sein. Diese Beschleunigung der Reizleitung beeinflusst dann die Höhe des AR-Ausschlages in ent- gegengesetztem Sinne wie die Verzögerung während der verfrühten Kammersystole. Dann wird die apikale Negativität die Saite eher in den Ruhestand zurückführen und also der R-Ausschlag. weniger hoch werden können. Diese Ergänzung meiner früheren Auseinander- setzung war nach meinen neueren Untersuchungen notwendig. Ich betone jedoch noch einmal, dass diese Ergänzung nur dann notwendig RE a ee © ai Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleituug usw. 107 ist, wenn bei dem mit Blut durchströmten Froschherzen unter dem Einfluss der schnelleren Reizleitung die Höhe der R-Ausschläge der periodiSchen Kammersystolen geringer ist als die Höhe der maximalen basalen Nesativität. Diese Frage werde ich jedoch einer näheren Untersuchung unterwerfen, da meine frühere - Untersuchung hierüber kein Licht verbreitet. Wir können hier wohl konstatieren, dass in bezug auf die Höhe des A-Ausschlages keine einfachen Verhältnisse bestehen. Wenn nämlich die Erregung langsamer dureh die Kammer fort- geleitet wird, kommt zwar die apikale Komponente in dem Elektro- sramm später zum Ausdruck, aber die basale Komponente steigt auch langsamer an. Eine Erhöhung des R-Ausschlages braucht also nicht die Folge zu sein. Es kann also ebensogut vorkommen, dass die Höhe des AR-Ausschlages durch das langsame Ansteigen der basalen Nesativität abnimmt. Über die Kammerelektroeramme der postkompensatorischen Systolen folge noch ein kurzes Wort. Aus den Abb. 14, 15, 17 und 18 zeigt sich auf das deutlichste, dass deren 7-Ausschläge um so mehr in positivem Sinne verändert sind, je früher die vorangehenden ver- frühten Kammersystolen (oder Extrakammersystolen) einen Anfang nehmen. Die Ursache hiervon liest in der Tatsache (genaue Messung meiner Kurven, wenn ich diese vergrössert projizierte, zeigt dies an), dass die Reizleitung während der postkompensatorischen Systole um so mehr beschleunigt ist, je verfrühter die vorangehende Kammer- systole ist. Die Beschleunigung der Reizleitung kommt daher bei diesen postkompensatorischen Systolen am stärksten in der Höhe des T-Ausschlages zum Ausdruck. Zum Schlusse weise ich noch eben darauf hin, dass überall dort, wo die Reizleitung verzögert ist, auch das P-R- und gleichzeitig das R.V-Intervall (Zeit, die verläuft zwischen dem Beginn des R-Aus- schlages und dem Anfang der Suspensionskurve) verlängert ist. In Abb. 7 sehen wir ein sehr stark vergrössertes R- V-Intervall. Für diese Frage verweise ich nach meiner Mitteilung in The Journal of Physiology vol. 49 pag. 310, 1915. Über die Folgen der oben- stehend entwickelten Ansichten seien mir noch einige Bemerkungen gestattet. In erster Linie können diese Untersuchungen neues Licht auf die sogenannten atypischen Kammerelektrogramme werfen, welche zuerst von Rinthoven beschrieben wurden. Wenn wir diese atypi- 118 8. de,Boer: schen Kammerelektrogramme näher ins Auge fassen, fällt an erster Stelle die grosse Höhe des R-Ausschlages auf, zweitens ist die Ver- bindungslinie zwischen deın R- und dem 7-Ausschlag stark gesunken, und drittens kommt dabei stets ein grosser negativer 7-Ausschlag vor. So sind wenigstens die Verhältnisse bei den atypischen Kammer- elektrogrammen des rechtsseitigen Typus (bei einer bestimmten Ab- leitung). Die linksseitigen unterscheiden sich im Prinzip nicht von ihnen. Die Form dieser atypischen Kammerelektrogramme ist uns, im Lichte meiner Untersuchungen betrachtet, vollkommen deutlich. Wir wollen nunmehr diejenigen des rechtsseitigen Typus einmal näher betrachten. Wenn wir annehmen, dass die beiden Komponenten, welehe durch Interferenz das Kammerelektrogramm der Säugetiere ergeben, schnell nacheinander anfangen, dann wird die anfängliche basale Negativität noch lange nicht bis zu ihrer maximalen Höhe ge- stiegen sein, wenn durch Interferenz mit der apikalen Negativität die Saite bereits wieder in den Ruhestand zurückgeführt wird. So ent- stehen dann verhältnismässig kleine #-Ausschläge der normalen Kammer- elektrogramme. Wenn nun jedoch ein rechtsseitiges atypisches Elek- trogramm entsteht, so kommt die apikale Negativität viel später, nach dem Beginn der basalen, mit dieser zur Interferenz. Dann hat also die basale Negativität mehr Gelegenheit, zu einer grösseren Höhe zu - gelangen, ehe die apikale diese zu dem Ruhestand zurückführt. In diesem Fall erreicht der Z-Ausschlag die maximale basale Negativität, ehe die apikale mit ihr zu interferieren anfängt. So entsteht die grössere Höhe des R-Ausschlages. Es ist auch klar, warum der 7- Ausschlag bei diesen rechtsseitigen atypischen Kammerelektrogrammen so stark negativ ist. Das Ende dieser Elektrogranıme wird nämlich ganz von der apikalen Negativität beherrscht. Das Sinken der Ver- bindungslinie unter den Ruhestand wird ebenfalls -dadurch verursacht, dass die apikale Negativität mehr nach hinten verschoben wird. Die Form der atypischen Kammerelektrogramme findet. man in meinen früher publizierten Kurven und zugleich in denjenigen dieser Mit- teilung mehr oder weniger deutlich ausgesprochen zurück überall dort, wo die Reizleitung stark verzögert ist. Es ist selbstredend, dass diese Verlanssamung der Reizleitung bei dem Entstehen der atypischen Kammerelektrogramme nicht die bestimmende Ursache für die atypische Form ist. Wir müssen uns dies, wie folgt, vorstellen. Bei dem Ent- stehen der normalen Kammersystolen wird der Reiz von den Vorhöfen an - Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 119 längs den normalen Verbindungssystemen den beiden Kammern zu- eeführt. Dann kommen die beiden Komponenten des Elektrogrammes daher so schnell zur Interferenz, weil die Eintrittsstelle der Erregung in die Kammer keine zirkumskripte Stelle an der Basis ist, sondern länes den Verbindungssystemen wird die Erregung direkt nach ver- schiedenen Stellen des Kammermuskels hingeführt. Auf diese Weise kommen die beiden Komponenten, welche das Elektrogramm zusammen- setzen, schnell nacheinander zur Interferenz. So ungefähr glaube ich, hat auch Einthoven sich das Entstehen der normalen Kammer- elektrogramme vorgestellt. Wenn nun aber der Weg nach der linken Kammer versperrt ist, wird erst die ganze rechte Kammer zur Kon- traktion gebracht und muss die Erregung erst einen längeren Weg zurücklegen, ehe die linke Kammer zur Kontraktion kommt. Die apikale Komponente kommt dann später mit der basalen zur Inter- ferenz. Die Ursache liest hier also nicht in einer Verzögerung der Reizleitung, sondern in dem längeren Weg, den der Reiz zurücklegen muss, ehe die zweite Komponente ihren Einfluss geltend macht. Dasselbe gilt auch für die atypischen Kammerelektrogramme, welche nach Herzblock entstehen und bei denen eine ausserhalb des Reizleitungssystemes zwischen den Vorhöfen und den Kammern .ge- lesene Stelle einer der beiden Kammern der Entstehungsort der heterotopen Reize ist. ) Auch dann kommt die zweite Komponente später als die erste zum Ausdruck. Bezüglich der Verdoppelung des AR-Ausschlages, die wir oft bei den atypischen Kammerelektrogrammen beobachten, gab ich bereits in meinen früheren Mitteilungen eine experimentelle Er- läuterung'). Soweit über die atypischen Kammerelektrogramme. Noch eine kurze Bemerkung will ich diesem hinzufügen. In der Literatur findet man wiederholt erwähnt, dass kräftige Herzen einen grossen positiven T-Ausschlag besitzen. Im Falle diese Beobachtung richtig ist, kann man dies nach meinen Untersuchungen so erklären, dass hierbei die ‚apikale Negativität schnell nach der basalen zum Ausdruck kommt, sodass am Ende des Kammerelektrogrammes die basale Negativität 1) Kon. Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam. Proceedings of the Meeting of Saturday February 27 vol. 17 p. 1086. 1915 und Journ. of Physiol. vol. 49 p: 320. 1915. 120 S. de Boer: stark überwiegt. Von dieser Seite betrachtet, kommen wir also zu der folgenden Schlussfolgerung: Kräftige Herzen sind Herzen, bei denen der Reiz schnell durch die Kammer fortgeleitet wird, sodass die beiden Komponenten des Kammerelektrogrammes rasch nach- einander zur Interferenz kommen. Daher entstehen bei diesen Herzen grosse positive 7-Ausschläge, ebenso wie bei den postkompensatorischen Systolen. Schwache Herzen, also Herzen mit einer langsamen Reiz- leitung, werden kleinere positive 7-Ausschläge aufweisen oder mehr zu negativen 7-Ausschlägen neigen. Es ist selbstredend, dass diese allgemeinen theoretischen Auf- fassungen nur als Leitgedanken ‚dienen können. Die Verhältnisse sind in Wirklichkeit besonders u. a. durch die indirekte Ableitungsweise bei den Säugerherzen und dem Menschen viel komplizierter. Zum Schlusse noch ein kurzes Wort über den 7-Ausschlag. Es ist bekannt und viele Autoren haben darauf schon hingewiesen, dass dieser Ausschlag so stark variabel ist. Diese starke Variabilität wird von einigen bereits als ein kennzeichnender Unterschied zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag angesehen, und darauf wird dann eine Theorie aufgebaut, laut welcher der R-Ausschlag anderen Ursachen zugeschrieben wird als der 7-Ausschlag. Hierauf eine dualistische Theorie. zu gründen, scheint mir nicht erlaubt. Die starke Variabilität des 7- Ausschlages wird meiner Meinung nach verursacht: a) durch den grösseren oder geringeren Grad, in welchem die Ableitung monophasisch ist, wenn zum Beispiel unter der apikalen Elektrode das Herzmuskelgewebe im Absterben begriffen ist; b) durch teilweise Asystolie unter einer der beiden Ableitunes- . elektroden; 3 e) durch Veränderungen der Geschwindigkeit der Reizleitung. Kleine Veränderungen der Geschwindigkeit der Reizleitung, welche kaum die Dauer des R-Ausschlages (und zuweilen auch die Höhe) verändern, können schon in bedeutendem Maasse eine Veränderung der Höhe des 7-Ausschlages herbeiführen (s. die Elektrogramme der postkompensatorischen Systolen in den Abb. 14, 15, 17 und 18). Für die starke Variabilität des 7-Ausschlages sind also Ursachen anzuführen, die nichts mit irgendeiner Theorie über das Entstehen des Elektrogrammes der Kammer (monistische oder dualistische Auffassung) zu tun haben. Hierauf eine Theorie aufzubauen, scheint mir ebenso gefährlich wie das Bauen eines Hauses auf Treibsand. Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 121 Doch ist hiermit die dualistische Theorie ebensowenig wie die monistische verurteilt. Die Variabilität des 7-Ausschlages spricht weder für noch gegeu eine dieser Theorien und hat damit nichts zu schaffen. In meinen früheren Mitteilungen jedoch habe ich hierüber schon aus- führlichere Auseinandersetzungen gegeben. Ich kann mich also darauf beschränken, nach diesen zu verweisen. Noch eine weitere Bemerkung muss mir aus der Feder. Wenn wir die Kontraktion des Herzmuskels mit derjenigen des Skelettmuskels vergleichen, dann fällt es sofort . “auf, dass zwischen der Zuckung und der Kontraktion des Herzmuskels ein kennzeichnender Unterschied besteht. Bei der Zuckung des Skelettmuskels pflanzt sich die Erregung “Schnell fort und bleibt jeder Teil des Muskels nur sehr kurze Zeit in Kontraktion. Ganz anders ist dies bei dem Herzmuskel. Zwar pflanzt sich die Erregung auch bei diesem schnell fort, doch bleibt jeder Teil des Herzmuskels lange in Kontraktion. Bei den Herzmuskeln liegen also andere Verhältnisse als bei den Skelettmuskeln vor, welche Zuckungen aufweisen. Doch schliesst sich, wie sich aus meinen früheren Untersuchungen gezeigt hat, bei einer normalen Kontraktion eines Skelettmuskels der Zuckung noch eine tonische Kontraktion an (die sogenannte Funke’sche Nase). Diese tonische Kontraktion kann sich nach Vergiftung mit Veratrin zu einer Kontraktur vererössern. Mit dieser würde man nun die Kontraktion eines Herzmuskels vergleichen können, wie Frödericgq dies übrigens auch schon tat. Dann wird es auch begreiflich, dass bei der Kontraktion des Herzmuskels jeder Teil solange in Kontrak- tion bleibt. Und dann begreifen wir auch, warum zwischen der Ge- schwindiekeit der Reizleitung und der Dauer des Kammerelektro- grammes, wie wir dies schon in unserer früheren Mitteilung bei den postkompensatorischen Systolen fanden, ein Gesensatz bestehen kann. Bei letzteren ist nämlich die Dauer des Elektrogrammes grösser als bei den periodischen Systolen, während die Geschwindigkeit der Reiz- leitung zugenommen hat. Dies scheint mir unbegreiflich, wenn wir - die Kontraktion des Herzmuskels als einen einfachen Prozess auf- fassen und das Kammerelektrogramm als das elektrische una dieses einfachen Prozesses. Die Resultate dieser Untersuchungen sind die folgenden: 1. Bei der durch Vergiftung mit Digitalis oder Antiarin hervor- gerufenen Kammeralternans des Froschherzens konstatierte ich, dass oft während der kleinen Alternanskurve ein Teil des Kammermuskels 122 S. de Boer: bei der Herzspitze inaktiv blieb. Die Kammerelektrogramme zeigten daun dasselbe Bild, welches 1915 von mir bei der Kammeralternans, die durch Erwärmung des Sinus venosus erzeugt ward, festgestellt wurde (siehe Abb. 1, 2 und 3). Zuweilen blieb auch ein Teil der Basis während der kleinen Alternanskurve inaktiv. 2. Nach der Vergiftung mit Digitalis oder Antiarin erleidet das Kammerelektrogeramm die-folgenden Veränderungen: a) Der R-Ausschlag wird breiter, infolge einer Verlanesamung der Reizleitung. Die Dauer desselben kann schliesslich mehr als !/s Sekunde betragen. b) Gleichzeitig hiermit verändert der 7-Ausschlag in negativem Sinne, d. h. ein positiver 7-Ausschlag, der vor der Vergiftung bestand, wird kleiner oder verändert in einen negativen. m ce) Die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem Z Ausschlag sinkt. d) Die Dauer der Kammerelektrogramme nimmt zu, sobald der T-Ausschlag negativ wird (siehe Abb. 6 und 7). Diese Veränderungen schreiten, fort, bis Halbierung des Kammer- rhythmus eintritt. Darauf nimmt die Dauer des R-Ausschlags wieder ab, der 7-Ausschlag verändert wieder in positivem Sinne, die Ver- bindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag steigt wieder (siehe Abb. 8). | 3. Während des halbierten Kammerrhythmus wird die Erresung schneller durch die Kammer fortgeleitet, als während des normalen doppelt so schnellen Rhythmus. Wenn wir nun den halbierten Kammer- rhythmus in den normalen verwandeln, dann nimmt die Dauer des > R-Ausschlags zu, der 7-Ausschlag verändert in negativem Sinne, und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T7-Ausschlag sinkt. Uberführen wir danach den normalen Kammerrhythmus wieder in den halbierten, so nimmt die Dauer des R-Ausschlags wieder ab, der 7T- Ausschlag verändert in positivem Sinue, und die Verbindungslinie zwischen dem AR- und dem T7-Ausschlag steigt (siehe Abb. 9, 10 und 11). Dieselben Verhältnisse werden auch bei einem spontanen Rhythmuswechsel eines nicht vergifteten Froschherzens gefunden (siehe Abb. 12). In dieser Abbildung sieht man zugleich vollständige Vor- hofs- und Kammerelektrogramme nacheinander. 4. Bei Bigeminusgruppen, die nach Vergiftung mit Veratrin da- ß durch entstehen, dass jede dritte Kammersystole ausfiel, folgte jede ® 5 RN Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. 123 erste Kammersystole der Gruppen nach einer langen Pause, sodass dann die Leitung durch die Kammer schneller verlief als bei jeder zweiten Kammersystole, die auf eine kürzere Pause folgte. Dadurch waren die R-Ausschläge der zweiten Systolen der Gruppen breiter, die 7-Ausschläge mehr negativ und die Verbindungslinie zwischen dem AR- und dem 7-Ausschlag niedriger z bei den ersten Systolen der Gruppen (Abb. 13). >. Die mittels Extrareizung der Basis ventriculi ausgeführten Ver- suche ergaben, dass der T-Ausschlag während einer Extrasystole um so mehr in negativem Sinne verändert und die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag um so mehr sinkt, je ver- frühter der Zeitpunkt der Kammerperiode liegt, in welchem die Extra- -systole der Kammer hervorgerufen wird, je geringer also die Ge- schwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer ist. 6. Die Versuche mittels Extrareizung der Kammerspitze ergaben, dass der 7-Ausschlag um so mehr in positivem Sinne verändert und - die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag um so mehr steigt, je verfrühter der Zeitpunkt der Kammerperiode liegt, in welchem die Extrasystole erzeugt wird, je geringer also die Geschwindig- keit a Reizleitung durch die Kammer ist. . In den durch Extrareizung der Vorhöfe angestellten Versuchen Enten die Rlektrogramme der hierauffolgenden verfrühten Kammer- systolen untereinander und gleichzeitig mit denjenigen der periodischen -- Kammersytolen verglichen werden, da bei diesen verfrühten Kammer- systolen die Erregung auch längs den atrio-ventrikulären Verbindungs- systemen in die Kammer eintrat. Auch hier veränderte der 7- Ausschlag um so mehr in negativem Sinne und sank die Verbindungs- linie zwischen dem R- und dem T7-Ausschlag um so mehr, je verfrühter die Kammersystole auftrat und je geringer also die Geschwindigkeit der Reizleitung war. 8. In den unter 5, 6 und 7 kürzlich erwähnten Versuchen ver- änderten während der postkompensatorischen Systolen die 7-Ausschläge um so mehr in positivem Sinne und stiegen die Verbindungslinien zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag um so mehr, je: verfrühter die vorangehende Kammersystole war, je mehr auch die Geschwindig- keit der Reizleitung während der postkompensatorischen Systolen zu- genommen hatte. . 9. Aus den drei Versuchsreihen folgt, dass ein konstanter Verband 124 S. de Boer: Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung usw. zwischen der Breite (Dauer) des R-Ausschlages (Geschwindigkeit der Reizleitung durch die Kammer) einerseits und der Grösse und Rich- tung des T-Ausschlags und dem Niveau, auf welchem sich die Ver- bindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag befindet, anderer- seits besteht. Nimmt die Dauer des R-Ausschlaes zu, so verändert der 7-Ausschlag in negativem Sinne und sinkt die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem 7-Ausschlag. Nimmt dagegen die Dauer des R-Ausschlages ab, so verändert der 7- Ausschlag in positivem Sinne und steigt die Verbindungslinie zwischen dem R- und dem T-Ausschlag. 10. Die Resultate dieser Untersuchungen werden in drei Schemata zusammengefasst und erläutert (Abb. 19, 20 und 21). Die Verände- rungen in dem Kammerelektrogramm kommen unter dem Einfluss von Reizleitungsverzögerung zustande, indem die apikale Komponente des Elektrogramms nach hinten verschoben wird. Durch Beschleunigung der Reizleitung wird die apikale Komponente wieder nach vern ver- schoben, wodurch die dann auftretenden Veränderungen deutlich werden. 11. Auf Grund dieser Untersuchungen wird’ eine Erklärung für das atypische Kammerelektrogramm gegeben. \ 12. Die Einflüsse wurden verfolgt, durch welche die Höhe des R-Ausschlages bestimmt wird. s 7 a n % “ | N 2 Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer . Gewohnheiten bei den Tieren. Von Dr. 3. S, Szymanski (Wien). (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien !).) (Mit 3 Textabbildungen.) Inhaltsübersicht: Bakermversucheranabröschene 32, 2... u en 125 II. Über das Verklingen einer friiher erworbenen Gewohnheit. 00.4. 129 III. Ein Versuch über die Fähigkeit der Tiere, Erfahrungen zu verallgemeinern 137 IV. Die Abhängigkeit der Lerngeschwindigkeit von der Antriebsstärke. ... 141 V. Ein Fall des denkbar vollkommensten Verlaufes eines Lernvorganges. . 148 I. Lernversuche an Fröschen?). Die Methode, mit der ich die. Lernfähigkeit der Frösche unter- sucht habe, war die folgende: i Eine geräumige Glaswanne AB war mit einer ca. 0,25 PJoigen Formalinlösung®) gefüllt. Daraufhin wurde ein an beiden Enden offener Zylinder (ca. 30 cm lang, 11 cm im:Durchmesser) aus feinem Drahtnetz (CD) in die Wanne derart eingetaucht, dass derselbe mit einer Längswand und einem offenen Ende C an den Wannenwänden dieht anlag.. Um das Hin- und Herrollen des Zylinders zu verhindern, waren zwei grosse mit Wasser vollgefüllte Flaschen M in den freien Raum zwischen dem Zylinder und der gegenüberliegenden Wand an- gebracht. Auf der oberen Mantelfläche des Zylinders, gerade in der 1) Herrn Prof. Dr. A. Kreidl gebührt wie immer mein besonderer Dank für die tatkräftige Unterstützung meiner wissenschaftlichen Bestrebungen. 2) Die Lernfähigkeit der Frösche bzw. der Kröten wurde von Yerkes, Schäffer und Buytendijk geprüft. 3) Auf 12 Liter Wasser 30 ccm Formalin. 126 J. 8. Szymanski: Mitte seiner Länge, befand sich ein Fenster (7), in das ein Glasrohr von einem mit dem Fenster gleichen Durchmesser (ca. 7,5 em) (EF) eingeführt wurde (Abb. 1). Der in das Glasrohr eingeführte Frosch sollte nun erlernen, zwischen dem offenen und abgesperrten Ausgang zu unterscheiden und sich der Wirkung der Formalinlösung zu entziehen. Der genaue Verlauf einer’ Versuchsserie war folgender: Der Frosch wurde in den Vorhof (Glasrohr) eingeführt. Falis er bei der Berührung mit der Formalinlösung kehrtmachte und das Glasrohr hinaufklettern wollte, wurde ihm das Entschlüpfen durch das Einführen eines Korkstöpsels, der auf einem Stab befestigt war und den gleichen Durchmesser mit dem Glasrohr hatte, verwehrt. Nachdem der Frosch den Zylinder nach einigen Umwegen durch den offenen Ausgang verlassen hatte, wurde derselbe mit einem kleinen Netz schnell herausgefischt, in eine bereitstehende Wanne mit reinem Wasser eingetaucht und schliess- lich in ein kleines Aquarium ge- setzt. Nach einer Ruhepause von 1-2 Minuten wurde wiederum der Versuch wiederholt usf. Dies dauerte so lange (ca. 1 bis höchstens 2 Stunden), bis der Frosch den offenen Ausgang in den zehn aufeinanderfolgenden Versuchen auf dem kürzesten Wege aufgefunden hat. Bei jeder Versuchsserie wurde die Temperatur der Formalin- lösung bestimmt: sie schwankte in sämtlichen Versuchen zwischen 13,4—16,8° C. Falls ein Versuchsfrosch zu Beginn . einer Versuchsserie eine Neigung zeigte, stets gegen den offenen Ausgang zu schwimmen, wurde der letztere abgesperrt, der andere geöffnet, und die Ver- suche von neuem begonnen. Dies letztere war der Fall bei den Fröschen Nr. 2, 7, 8. Abb. 1. (Erklärung im Text.) 13 Frösche, von denen Nr. 1 bis einschliesslich Nr. 8 See- frösche, Nr. 9 bis einschliesslich Nr. 13 Wasserfrösche waren, wurden mit Erfolg untersucht; mit einigen weiteren Tieren konnten die Versuche wegen der grossen Erschöpfung der betreffenden Indi- Er Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 197 viduen — ich arbeitete nämlich mit Winterfröschen — nicht zu Ende geführt werden. : Bei den Versuchen an den Tieren Nr. 1, 3, 5, 10, 12 war der linke Ausgang offen, der rechte abgesperrt; bei den Versuchen an den Fröschen Nr. 4, 6, 9, 11, 13 war das Umgekehrte der Fall. Bei den - Versuchen an den Tieren Nr. 2, 7, 8 war zunächst der linke und daraufhin der rechte Ausgang offen. Die Versuchsergebnisse sind graphisch in der Abb. 2 (S. 128) dargestellt. Aus den Kurven der Abb. 2 ereibt sich, dass, wenn man von einem Fall einer ausserordentlich kurzen Lernzeit (Nr. 9 — nach fünf Versuchen) und von vier Fällen einer recht langen Lernzeit (Nr. 1, 8, 10, 11 — nach 35—61 Versuchen) absieht, die überwiegende - Mehrzahl der Frösche (Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 11, 12) nach durchschnittlich 15 Versuchen (beide Grenzfälle waren 10 und 21 Versuche) zwischen dem abgesperrten und offenen Ausgange zu unterscheiden lernte. Mit der fortschreitenden Übung sank auch die Zeit, die vom Momente des Einsetzens des Frosches ins Glasrohr bis zum Momente des Verlassens des Zylinders durch den offenen Ausgang verstrich; so war zum Beispiel diese Zeit bei dem Frosch Nr. 3, der wohl als typischer Fall gelten darf, die folgende: Nummer des Versuches Sekunden Sonn Pwmr et 16—25 1 Die Ergebnisse dieser Versuche berechtigen zu dem Schluss, dass selbst die wenig sensiblen Tiere bei einem genügend starken Antrieb fähig sind, eine relativ einfache Handlung relativ schnell zu erlernen. 128 J..S. Szymanski: ar — } _— —> BT, ee MEN TZIV ENTE BER 67 + SE ne ee 7 ZT 76 : + = N ANNE 7 To + Ba VW T Sen 7 20 Ar a N 7 2 ® Ar 17 NEAN 7 Ei) + ZEN EN ENDE ZN PING En 7 79.7 75 + + x TE N = AU 3 ® > A: ER IK Ve ee ; E % 56 E; Abb. 2. Auf der + Linie sind die Fälle eingetragen, in denen der Frosch den A offenen Ausgang auf dem kürzesten Wege erreicht hat; auf der - Linie sind jene Fälle eingetragen, in denen der Frosch zunächst gegen den abgesperrten Ausgang hinschwamm, um’ erst nachher den offenen zu finden. Die Kreuze bedeuten die aufeinanderfolgenden Versuche die Zahl unten zeigt, nach wievieltem Versuche der Frosch die von ihm verlangten zehn aufeinanderfolsenden richtigen Handlungen ausgeführt hat. — Bemerkung zur Kurve XIII: Der Frosch Nr. 13 schlug zuletzt” neunmal die richtige und das zehntemal die falsche Richtung ein. Angesichts dessen, dass dieser Frosch starke Ermüdungserscheinungen (Schlafstellung und volle Regungslosigkeit in den Zwischenpausen) aufwies, dass derselbe bei dem letzten Versuche sich überhaupt nicht bewegen wollte und erst durch das wiederholte” Stossen zur Bewegung gebracht werden konnte, und schliesslich angesichts dessen, dass dieser Frosch in den 18 letzten ‘Versuchen 16mal richtig handelte, habe ich” das betreffende Versuchsresultat als positiv angesehen. — Bemerkung zur Kurve I: Die lange Lernzeit dieses Tieres steht vielleicht damit im Zusammenhang, dass dieser” Frosch aus Versehen in einer bloss 0,08°%0 Formalinlösung untersucht worden war. Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 129 I. Über das Verklingen einer früher erworbenen | Gewohnheit. In einer früheren Untersuchung habe ich einen Apparat (Mnemo- graph) beschrieben, der den Lernvorgang bei weissen Mäusen auto- matisch zn registrieren vermochte !). Die gleiche Methode schien mir geeignet zu sein, um den Vor- gang des Verklingens einer erworbenen Gewohnheit zu untersuchen. Für diesen Zweck war der Apparat derart abgeändert, dass statt eines Futtertisches und zwei hinzuführenden Brücken bloss zwei in der Entfernung von 10 cm parallel zueinander lagernde 15 cm lange Futtertische angebracht waren. Jeder Futtertisch bestand aus einer Leiter E und einer eigent- lichen Tischplatte AB mit einem Futternapf € (Abb. 3, 2). Abb. 3. (Erklärung im Text.) An das der Leiter entgegengesetzte Ende der Tischplatte war - ein schmaler Aluminiumstreifen F’ befestigt, der durch einen Spalt in der Käfigwand DD nach aussen herausragte. Die Tischplatte konnte um die Achse xy fast reibungslos schwingen ; durch das Gewicht G@ und Gegengewicht G, (ein an einem Faden herabhängendes Stück Wachs) konnte die Tischplatte in labiles Gleich- gewicht gebracht werden. Bei den Versuchen wurde das Gegen- gewicht G, etwas grösser als das Gewicht G gemacht, so dass der 1) „Untersuchungen über den biologisch richtigen Verlauf des Lernvorganges bei weissen Mäusen“ (Pflüger’s Arch. Bd. 169 S. 537. 1917). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. e) 130 J.S. Szymanski: Streifen ? dem unteren Ende des Wandspaltes anlag. Bei der leisesten Berührung des Plattenendes 5 senkte sich dieses Ende, und der Streifen Z/ hob sich, um beim Nachlassen des Druckes wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Durch die Vorrichtung M konnten die Schwingungen der Tischplatte bei dem Druck auf B bis auf einige Millimeter beschränkt werden. Auf dem der Leiter zugekehrten Tischende wurde eine isolierte Metallplatte B angebracht. Ein Leitungsdraht (P), der. durch ein Glasrohr O geführt war, verband diese Platte mit einem Pol der sekundären Spule von einem Induktionsapparat. Als zweiter Pol dienten die beiden Leiter und die Käfigwand (RD). Bei dieser Anordnung musste das \Wersuchstier bei gleichzeitiger Berührung der Leiter E und der Platte BD einen elektrischen Schlag. bekommen. Bei dem offenen Tische wurde der Stromschluss dadurch vollzogen, dass ein Arm eines Hebels 7, dessen zweiter Arm dem Streifen #° anlag, beim Betreten der Platte 5 sich senkte. Infolgedessen tauchte eine Kupfergabel U, die mittels eines Fadens am Hebelarm befestigt war, in untergestellte Näpfe mit Quecksilber W ein, die mit der pri- mären Spule eines Induktionsapparates mit einem elektromagnetischen Schreiber und einem Akkumulator verbunden waren. Bei dem Nach- lassen des Druckes auf BD senkte sich der Hebelarm R, die Gabel U wurde dadurch aus den Quecksilbernäpfen herausgezogen und der Kontakt unterbrochen. Das Einschalten des Elektromagneten in den Stromkreis ermöglichte das Registrieren der jedesmaligen Berührung der Platte 5 auf einem Kymographion mit 24stündiger Umlaufszeit. Um auch bei dem gesperrten Tische, was durch die Vorrichtung M bewerkstelligt werden konnte, die Berührungen der Platte durch ein Versuchstier aufschreiben zu lassen, wurde die Vorrichtung M jedes- mal derart eingestellt, dass die Berührung des Tischendes BD die Senkung desselben um einige Millimeter bewirkte. Da bei dem ab- gesperrten Tische der Streifen Z' (Abb. 3 ZZ) mittels eines Fadens a mit einer Aufnahmetrommel verbunden war, konnte die jedesmalige Be- rührung des Tisches aufgeschrieben werden. Der Verlauf einer Versuchsserie war nun folgender: Nachdem beide Tische abgesperrt, also für das Versuchstier, eine e\ weisse Maus, zugänglich gemacht worden waren, wurden beide Futter- näpfe mit Futter gefüllt; daraufhin wurde in den Käfig ein Watte- bausch (für das Nest!) und ein Wassernapf gegeben. Schliesslich Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei der Tieren. 131 wurde die Maus in den Käfig gesetzt. Nach Verlauf von 24 Stunden wurden die Kurven abgenommen und die Anzahl der Striche (Be- rührungen der Tische!) auf beiden Kurven aufgezählt (Kontrollversuch). Daraufhin wurde jener Tisch, den die Maus während des Kontroll- versuches relativ öfters berührt hat, aufgemacht und der Induktions- apparat eingeschaltet; der andere wurde. abgesperrt, also für die Maus zugänglich gelassen. Die beiden Leitern und die Tischplatten wurden mit Äther abgewaschen, die Wasser- und Futternäpfe nachgefüllt. Nach 24 Stunden wurde wieder die Kurve abgenommen, die Striche aufgezählt, die Näpfe nachgefüllt und die Leitern und die Tische ab- gewaschen; die sonstige Versuchsanordnung blieb unverändert usf. Dies wiederholte sich täglich, bis schliesslich die Maus einige Tage hindurch den offenen Tisch nicht mehr berührt hat. Hiermit nahmen die Lernversuche das Ende. Fortab wurden beide Tische abgesperrt und die Versuche bei eleichbleibender sonstiger Versuchsanordnung fortgesetzt, bis die Maus nach einer Reihe von Tagen den früher offen gewesenen Tisch wieder betreten hat. Daraufhin wurde die ganze Versuchsserie nach Verlauf von einigen weiteren Tagen abgeschlossen. Vier weisse Mäuse wurden auf diese Weise untersucht; die Ver- - suchsanordnuug wich bloss bei Nr. 1 von der oben beschriebenen in- sofern ab, als der Tisch, den die Maus zu vermeiden erlernen sollte, bei den Versuchen mit dieser Maus bis zum 15. Versuchstage offen, jedoch ohne das Einschalten vom Induktionsapparat, blieb; erst vom 15. Versuchstage an kam dieser Apparat zur Verwendung. Die nächstfolgende Tabelle gibt die Versuchsergebnisse wieder. Num-| Yer- Anzahl mer der Berührungen d suchs- Versuchsanordnung Linker Rechter | Bemerkungen 1; e8 | tage Tisch Tisch . t1eres e1lT) | erT) 18 % Beide Tische — abgesperrt 42 21 Der Schlitten- Q 2. | r. D.— abgesp.; 1. T. = offen 15 15 apparat aus- 3. dgl. 5 3 geschaltet 4, del. 10 38 5. dgl. 9 Sue 6. dgl. a 64 ie dgl. 0 16 8. dgl. 4 41 3. dgl. 0 129 10. del. 0 28 M dgl. 4 bp} 12 dgl. 7 79 13 dgl. b) 67 14 dgl. 9 56 9* 132 J. 8. Szymanski: Fortsetzung der Tabelle. Num-| ver- Anzahl mer |uchs Y h 1 der Berührungen suchs- ersuchsanordnung Tinker Rechter | Bemerkungen 2 tage Tisch Tisch Tieres -el.T) | er. T.) Pause von einem Tag Der Schlitten- 15. dgl. ) 82 apparat ein- 16. dgl. 74 geschaltet 17% dgl. 18. dgl. 19° dgl. 20. del. 21. dgl. 22. del. 23. Pegel: 24. dgl. 23. Beide Tische — abgesperrt 84 Der Schlitten- 93 apparat aus- 85 geschaltet or Ds Kor) [eFge? sehe re DOTOPBOPBDOSOoOoOOSSOC© co D > {or} DD [>}} (u12} a D CT SCHSCHTENSENTENT SNOTPODM FR-W-N-N-N-MN 0a 08 08 va da da 0a ow mn mm mm nn SOO90O0WDOSOSO999HMHOOOO0O009090909000HrooRmwwmven SRNOPBWEH BDOROS rm oo sone BER a EEE EEE ERTTERN Er BIN ERTIRT Se EEE RREARBRTEN EBENE SE [or) > {>} = — (db) > 5] RE a a ei [er) [a1 {>} 98 rel [S0) I {SU} [0,0] [or) =] >? 09 a ja [orXle} > > Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 133 Fortsetzung der Tabelle. Num-| yer- Anzahl Me on Versuchsanordnung ee Bemerkungen . 1 s Tieres; > Eee T) 68. Beide Tische — abgesperrt 15 26 69. dgl. 23 15 70 dgl. 22 30 71 del. 12 12 12 dgl. 18 39 13 dgl. 10 19 | 2. | IE Beide Tische — abgesperrt 69 73 | e) 2. dgl. 27 67 3 { Der rechte Tisch — offen; der \ 93 9 2 linke Tisch — abgesperrt 4. dgl. 120 0 3. dgl 120 1 6. del 1 0 Y% gl. 131 0 8. Beide Tische — abgesperrt 210 21 3 del. 45 7 3. E Beide Tische — abgesperrt [6 © d D) { Der rechte Tisch — offen; der 146 8 i linke Tisch — abgesperrt 3. dgl. 74 0 4. dgl. 44 0 3. dgl. 157 1 6. dgl. 87 0 7. del. 91 0 8. gl. sl 0 9: Beide Tische — abgesperrt 1 0 10. dgl. 68 0 11. dgl. 64 0 12 dgl. 67 0 13 dgl. 83 0 14 dgl. 67 0 15 dgl. 41 0 16 dgl. 41 33 17 dgl. 14 37 18 dgl. 20 37 19 dgl. 32 7 20 del. 34 28 4. I; Beide Tische — abgesperrt 66 36 d 9 { Der rechte Tisch — abgesperrt; \ 3 00 ? der linke Tisch — offen s. dgl. 0 43 4. dgl. 0 63 >. del. 2 92 6. ]. 5l 78 Beide Tische — abgesperrt 0 67 8. dgl. 0 54 3 dgl. 0 39 10. dgl. 24 39 11. dgl. 45 36 12 dgl. 40 32 134 J.«S. Szymanski: Noch übersichtlicher zeigt die graphische Darstellung den Versuchs- verlauf (Abb. 4). _ | Diese Kurven schildern lückenlos das Verhalten der Versuchs- tiere während ihres kontinuierlichen, viele Tage und Nächte währenden Aufenthaltes im Apparate. | UNZESNE 50 70, IMWM LE Abb. 4. Die Abbildungen 1—4 beziehen sich auf die korrespondierenden Tiere. In sämtlichen Abbildungen trennen ab die gestrichelte Linie Z den Koptroll- versuchstag von dem darauffolgenden Lernversuchstage, die gestrichelte Linie II die Lernversuchstage von den Versuchstagen, während welcher die erworbene Gewohnheit, einen bestimmten Tisch zu vermeiden, fortdauerte, die gestrichelte Linie III die zuletzt genannten Versuchstage von den darauffolgenden Tagen, während welcher die erworbene Gewohnheit wiederum verklang. Auf den Abszissen sind die Versuchstage, auf den Ordinaten die Anzahl der Berührung des Tisches, den die Maus zu vermeiden erlernen sollte, eingetragen. 4 Das allgemeine Resultat dieser Versuche ergab zunächst, dass. die Mäuse, den zureichenden Antrieb (elektrischer Schlag!) voraus-" "Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 135 gesetzt, bereits nach einigen wenigen Erfahrungen während der ersten 24 Stunden lernen, den offenen Tisch zu vermeiden !). Nach einigen Tagen der fehlerlosen Ausübung der erlernten Handlung (4—13 Tage) verklang die erworbene Gewohnheit ebenfalls rasch und unmittelbar. Im Falle der Maus 1, in dem der Lernvorgang infolge ursprüng- lich nicht zureichenden Antriebes ganz ausserordentlich lange währte, erstreckte sich auch das Fortbestehen der erworbenen Gewohnheit über eine ganz beträchtliche Reihe von Tagen (36 Tage). Der Vorgang des Verklingens der erworbenen Gewohnheit wich in nichts von den ‘anderen Mäusen ab. | Bereits anlässlich ähnlicher Versuche an Kanarienvögeln habe ich die Vermutung ausgesprochen, dass der Verklingensvorgang einer erworbenen Gewohnheit sich zweierlei gestalten könnte. In einem Falle, den man als einen allmählichen Verklingensvorgang bezeichnen könnte, würde das Tier während der Verklingensperiode vereinzelte _ und wiederholte Versuche machen, die neue Gewohnheit zu über- winden. Sollte dieser Fall wirklich zur Beobachtung gelangen, so müsste der Verklingensvorgang dem umgekehrt verlaufenden Lern- vorgang ähneln. In anderem Falle, der als ein plötzlicher Verklingensvorgang anzusehen wäre, würde sich die Verklingensperiode auf eine plötzliche und definitive Überwindung der erworbenen Gewohnheit reduzieren 2). Sowohl Kanarienvögel wie auch weisse Mäuse verhielten sich derart, dass die letztere Voraussetzung sich der Wirklichkeit anzu- nähern scheint. Ein Umstand wäre hier noch erwähnenswert. Während einer ganzen Versuchsserie mit einer Maus blieb stets ein Tisch ununter- 1) Dieses Ergebnis bestätigte die Resultate meiner früheren Versuche an weissen Mäussen (l. c.). In der diesbezüglichen früheren Untersuchung legte ich ein anderes Prinzip („Mäusetage“) meiner Analyse des Lernvorgarges zugrunde, da ich damals den biologisch richtigen Lernvorgang erschliessen wollte. In der vorliegenden Arbeit, in der das Augenmerk auf das Verklingen der erlernten Hand- lung gerichtet war, begnügte ich mich mit einem einfacheren Verfahren („Anzahl der Berührungen“), das ich für genügend für meinen Zweck hielt. Nichtsdesto- weniger waren die Ergebnisse beider Versuchsreihen übereinstimmend. 2) Vgl. „Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Handlungen der Tiere“ (Pflüger’s Arch. Bd. 170 S. 194—195. 1918). 136 J.. S. Szymanski: brochen abgesperrt, so dass eigentlich das Tier eine doppelte Erfahrung machen musste, und zwar einen bestimmten Tisch aufzusuchen, falls dasselbe Hunger hatte, und einen anderen Tisch stets zu vermeiden. Infolgedessen wäre es denkbar, dass während der Verklingens- periode sich ein Widerstreit zwischen zwei Erfahrungen einstellen könnte. Denn zu der früheren Erfahrung, zu dem bestimmten Futter- tisch zu laufen, gesellt sich nun die neue Erfahrung, auch zu dem anderen, bisher unzugänglichen Futtertisch einen bequemen Zugang zu finden. Es könnte sein, dass die Mäuse sich ähnlich verhalten würden, wie sich die Hühner unter ähnlichen Bedingungen benommen haben. Für die letzteren Tiere haben nämlich Katz und Revesz’ folgende Regelmässiekeit feststellen können: „Wird eine oft gemachte und fest eingeprägte Erfahrung durch die entgegengesetzte auf geringerer Erlernungszahl beruhende Er- fahrung in ihrem Einfluss gehemmt, so verhält es sich eine Zeitlang im Sinne dieser letzteren Erfahrung. Nach wenigen Stunden jedoch ist das Stärkeverhältnis der jüngeren Erfahrung zur älteren ein solehes geworden, dass das Huhn sich wieder im Sinne der älteren verhält“ %. Diese Regelmässigkeit zeigten meine Mäuse nicht; sie verhielten sich derart, als ob kein Widerstreit der Erfahrungen sich geltend gemacht hätte. Die Tiere liefen von dem Momente des Verklingens ungefähr ebenso oft zu dem einen wie zu dem anderen Futtertische, so dass keine ausgesprochene Bevorzugung eines der Tische zu be- obachten war. Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass die Mäuse 1 und 2 zwischen 6 und 7 Uhr früh, die Mäuse 3 und 4 zwischen 7 und 10 Uhr abends den früher offenen, jetzt abgesperrten Tisch zum erstenmal während der Verklingensperiode berührt haben. Da die weissen Mäuse die intensivste Beweglichkeit während der Abend- bzw. Nachtstunden äussern, könnte man glauben, dass auch das Verklingen der früheren Erfahrung sich auch während dieser Zeit zum erstenmal geltend machen würde. Die Tatsachen bestätigten nicht diese Vermutung. 1) D. Katz und G. Revesz, Experimentell-psychologische Untersuchungen mit Hühnern (Sonderabdr. a. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 50 S. 103. 1908). Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 137 IN. Ein Versuch über die Fähigkeit der Tiere, Erfahrungen zu verallgemeinern, -Die Frage, ob ein Tier eine früher gemachte und auf einen be- stimmten Einzelfall bezogene Erfahrung verallgemeinern kann, ist sehr schwer zu entscheiden. Ein methodisches Verfahren, das hier guten Dienst leisten könnte, schien mir darin zu bestehen, dass man ein Tier in. eine bestimmte, stets gleichbleibende Umgebung versetzen würde, in der eine feste Verknüpfung zwischen einem bestimmten Element dieser Umgebung und der einzuschlagenden Bewegungsrichtung im Versuchstiere entstehen müsste. Daraufhin würde man das Tier in eine ihm bisher fremde Umgebung bringen, in der bloss jenes Element, mit dem das Tier als mit dem sensorischen Bestandteil einer früher fest ausgebildeten sen- ‚sorisch-motorischen Verknüpfung vertraut war, von der alten Umgebung her übernommen würde. Wenn nun dieses Element auf das Tier richtungbestimmend wirken sollte, könnte man vermuten, dass das Tier die frühere Erfahrung auch unter den neuen Bedingungen gelten liesse; man könnte in diesem Falle mit Recht von der Verallgemei- nerung der Erfahrung reden. Unter Zugrundelesung dieser Voraus- setzung wurden nun folgende Versuche an weissen Ratten ausgeführt: Zunächst wurden die Tiere in einem Labyrinth, dessen Grundriss die-Abb. 53 bringt, untersucht (Abb. 5). Die Scheidewände des Labyrinthes o bzw. u (Abb. 5 3) stellten die - Brettchen o bzw. «u (Abb. 54) dar, so dass die Ratte, um weiter- zukommen, entweder unterkriechen (u) oder überkriechen (0) musste. Nachdem es sich herausgestellt hatte, dass die Tiere keine der beiden möglichen Bewegungsformen bevorzugten, wurden die Tiere (zweimal täglich) im Apparate, dessen Grundriss die Abb. 5 1 bringt, untersucht !). Dieser schwarz angestrichene Apparat bestand aus einem Kasten xy ohne Boden und ohne Deckel; dessen Dimensionen waren: Höhe 85 cm; Länge 43 cm; die grösste Breite 34 cm. Durch die Scheide- wände dc und ab war das Innere in drei Abteilungen geteilt; in der 1) Ich brauche wohl kaum besonders zu erwähnen, dass der Boden und die i Fenster nach jedem Versuch mit Seifenwasser bzw. Äther gründlich abgewaschen wurden. 138 JS. Szymanski: Wand wx war je ein Fenster, das dem Tier ermöglichte, den Apparat zu verlassen und zu dem dicht nebenan angebrachten Wohnkäfig zu gelangen. Jedes der beiden letzteren Fenster konnte nach Belieben durch eine Tür aus Drahtnetz abgesperrt werden; gleich hier sei er- wähnt, dass bei den letzten zehn Versuchen beide Fenster zur Kon- trolle gffengelassen wurden. In der Wand «5b wurden zwei Fenster (5><6 cm) derart aus- geschnitten, wie dies in der Abb. 52 dargestellt ist. Die bei 2 ein- 000 REST 70 20 30 40 50 Abb. >. _ l. 1: Grundriss des Apparates (die gestrichelten Linien in ab Hw deuten den „elektrischen Boden“ an); 2: das Brett, das in der Abb. 1 die Wand ab ausmachte; 3: das Labyrinth; 4: zwei Arten von ausgeschnittenen Brettchen, die die Scheidewände des Labyrinthes bei o bzw. u ausmachten. II. Lernkurve der Ratten. (Durchschnitt von sämtlichen untersuchten Tieren.) Auf der Abszisse sind Versuchstage, auf der Ordinate I Anzahl der richtigen Fälle in Prozent eingetragen. gebrachte Ratte musste nun, um in die eine der Abteilungen ad bzw. bd zu gelangen, entweder unterkriechen (u Abb. 52) oder über- kriechen (0). Durch das Umdreben der Scheidewand ab um 180° konnten beide Fenster gewechselt werden ?). Die Tiere, die nur nach dem Versuche Futter erhielten, mussten nun erlernen, wenn sie in die Abteilung 2 (Abb. 5 7) gesetzt wurden, 1) Die Reihenfolge, in der das wirksame Fenster wechselte, war die folgende: IrIrrlirrlirirllirirr (r ist rechts, 1 ist links). Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 139 stets das höher gelegene Fenster (überkriechen) zu erwählen, falls sie zum Wohnkäfig gelangen wollten. Wenn das Tier das falsche Fenster bevorzuste, fand dasselbe nicht nur den Ausgang versperrt, sondern erhielt ausserdem noch einen elektrischen Schlag. Dies letztere ermöglichte ein in den Raum abwzx (Abb. 57) angebrachter „elektrischer Boden“. Diese Versuchsanordnung wurde deshalb gewählt, weil die Ratten, als in der Natur unterirdisch lebende Tiere, sich durch alle möglichen Arten von Löchern durchzwängen müssen. Das Unterscheiden zwischen Unter- . und Überkriechen musste also den natürlichen Lebens- bedingungen der Tiere gut angepasst und deshalb relativ leicht zu er- lernen sein. Dass diese Voraussetzung richtig war, zeigten die Versuchsergeb- nisse, die in der nächstfolgenden Tabelle und in der Kurve (Abb. 5, IT) dargestellt sind. ichtige Fäll me ı|2|3 | 250 | 7 | 8 | in Brom Versuches] 2 Q (6) (6 “ & Q Sn 1. Be er 57 2, ee ee 43 3. a an 86 “ =. el el 37,5 5. = | 2 |||, klei 37,5 g ee, 50 1. Eee | a ee er 62,5 2) a a er 02,5 9. Fi Eon 87,5 10. + + el ee ee 100 Be ee 50 nn ee er ale 86 15. st a A ee ? a 71 14. m | | a ne 87,5 ne: — ae 18 16. ea ea 75 17. ee 75 18, = I er lee | 75 19. Fee an 100 20. ee nern lt + 50 21. = | lea ee 62,5 22. | al ee 100 23. ee be 100 24. ee 75 25. ee ee 100 26. 3 = spe ine: 87,5 27. ol ee, 100 28. a 75 22. a N 87,5 _ SE A hr ee 100 140 J. S. Szymanski: Fortsetzung der Tabelle. N u un 1 2 3 4. 5. 6 7 5 Versuches 2.) re ee 3. a ee | el 87,5 32. A a | mare ae 100 33. le a le a 100 34. Sa ae see er 100 35. ee I el se ler 87,5 36. miele. He > 87,5 an ua ne ne rar er 100 38. en ee | u We le s00 39. 4 4 nr nr Ar Ar + 7 100 40. —_ + + + -- — + 4, 87,5 4l. Da | alla la) ee 100 42. ae ae ea ar ae 86 100 43, el elae | sse ne 100 44. a 100 45. en 75 46. elle a ee ee 15 Al. | ee | leer 100 48, a u ein er un 49. ae en + 1m 50. ol See te ae en 100 Die Tabelle und die Kurve zeigen, dass die Ratten bereits nach ca. 21 Versuchen gelernt hatten, das obengelegene Fenster (über- kriechen) zu benützen, um zum Wohnkäfig zu gelangen und dem elek- trischen Schlag zu entgehen. Nachdem diese Ergebnisse festgestellt waren (nach 50 Versuchen), wurden die Ratten neuerdings im bereits beschriebenen Labyrinth (Abb. 53) untersucht. Es sollte festgestellt werden, ob die Tiere vun jene Labyrinthsgänge bevorzugen werden, die durch das Brettehen o (überkriechen, Abb. 5£) abgesperrt waren. Es schien mir nicht rat- sam, mehr als zwei Versuche (und zwar in der gleichen Zeit und bei der eleichen Diät wie die früheren Lernversuche) auszuführen. Das Ergebnis war in der Mehrzahl der Fälle negativ. Die Ratten zeigten sich im Labyrinth eingeschüchtert und wollten sich kaum be- wegen. | Bloss die Ratten Nr. 6, 7, 8 bewegten sich im Labyrinth ganz frei und gelangten nach einer kurzen Zeit von B zu dem im Labyrinth- zentrum (A, Abb. 53) aufgestellten Käfie. Diese Ratten benützten allerdings in 80% die durch das Brettehen o (überkriechen) ab- gesperrten Gänge, so dass eine Verallgemeinerung der früher ge- machten Erfahrung in diesen Fällen möglicherweise stattgefunden hat. : Kr a Beiträge zur Lehre von der Entstehung’ neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 141 Trotz dieses letzteren Ergebnisses scheint es mir indessen vor- sichtiger. zu sein, daran zu glauben, dass die Ratten die Umgebung als das Ganze rezipieren würden und ausserstande wären, dieselbe in ihre Bestandteile zu zergliedern und bloss einen der letzteren in einem neuen Zusammenhange zu reproduzieren. .Dieser Ansicht sind auch andere Forscher auf dem Gebiete der Tierpsychologie. IV. Die Abhängigkeit der Lerngeschwindigkeit von der Antriebsstärke. Die vorliegende Untersuchung ging dem Problem nach, ob es eine Abhängigkeit zwischen der Lerngeschwindigkeit und der Antriebs- stärke gibt. Um dieser Frage näherzukommen, habe ich die Versuche an weissen Mäusen mit der Labyrinthmethode ausgeführt. Die Versuchs- tiere wurden in zwei Serien verteilt, von denen die eine das ganz einfache Labyrinth unter der Einwirkung von einem stärkeren Antrieb, die andere unter der Einwirkung von einem schwächeren Antrieb er- lernen sollte. Um einen starken Antrieb zur Ausführung der Handlung gelten zu lassen, liess ich die Mäuse der ersten Serie das Labyrinth von der Mitte bis zum Ausgang auf einem erhitzten Boden durchlaufen (die Methode des „erhitzten Bodens“ '). Einen schwachen Antrieb zur Aus- führung der Handlung liess ich bei den Tieren der zweiten Serie da- durch entstehen, dass die Tiere den Weg im Labyrinth auf einem feuchten Boden zurücklegen mussten (die Methode des „feuchten Bodens“). Die Versuchsanordnung bei der Methode des „erhitzten Bodens“ war die folgende (Abb. 6, 7). Auf einen allseits geschlossenen Kasten aus Zinkblech (30 qem, > cm hoch) (AB), der durch das Rohr « mit Wasser vollgefüllt war, I) Die Methode des „erhitzten Bodens“ ruft eine historische Reminiszenz wach, die Mangin in seinem Buche über „Mensch und Tier“ bringt. Im Jahre 1810 in Smorgon (Lithauen) und in Klewan (Wolhynien) waren zwei Bären- akademien .... Man führte die Bären mit in Lappen umwickelten Hinterpfoten in die ad hoc eingerichteten Öfen hinein; die Wärme zwang die Tiere, die Vorder- pfoten aufzuheben, auf diese Weise lernten sie Tanz und viel Bewegung (zit. nach Brehm). 142 J. 8. Szymanski: war das Labyrinth £ 7 gestellt. Dicht an den Kasten, und zwar dem Labyrinthausgang gegenüber, war der Käfig @ H auf einem Brett der- art angebracht, dass die Maus aus dem Labyrinthausgang direkt in den Käfig hineinschlüpfen konnte. Empirisch konnte man feststellen, dass es genügte, die Tempera- 7: I: 2: Abb. 6. I. Methode des erhitzten Bodens. A B: heizbarer Boden (@: Rohr; y: 'Thermo- meter); &F: Labyrinth; G H: Käfig. II. Methode des feuchten Bodens. MN: Wanne mit einer 5 mm tiefen Wasser- schicht; ZF': Labyrinth; GH: Käfig. III. Grundriss des Labyrinthes YF' und des Käfigs @ 4; die gewellte Linie mn zeigt den kürzesten Weg zwischen Labyrinthmitte m und dem Käfiginnern n. tur der Kastenoberfläche so weit zu erhöhen, dass ein darauf gelegtes Thermometer die Temperatur von 41—43° C. zeigte. Bei dieser Temperatur nahmen die Mäuse, wie mir dies die un- mittelbare und die mehrere Tage nach dem Versuche fortgesetzte Be- obachtung zeigte, keinen Schaden. Die erste, allerdings nur schwache Reaktion (Belecken der Sohlen) stellte sich bereits bei einer Tem- = Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 143 peratur von 37°C. ein. Bei der Temperatur von 41—43° C. ge- staltete sich das Verhalten der Tiere folgendermaassen: Bei dem An- setzen auf dem erhitzten Boden blieben die Tiere auf dem gleichen Fleck sitzen und beleckten oft und stark die Sohlen; daraufhin liefen sie eine kurze Strecke fort und wiederholten die gleiche Handlung; erst allmählich erlernten die Tiere, das Belecken vollständig bzw. nahezu vollständig zu unterlassen und direkt zum Labyrinthausgang zu laufen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Tiere zu Anbeginn der Versuche die Örtlichkeit der Reizquelle in die Fusssohlen verlegen und erst erlernen müssen, dieselbe als an den Labyrinthboden ge- bunden anzusehen und infolgedessen das Labyrinth auf dem kürzesten Wege zu verlassen. Die Methode des „feuchten Bodens“ bestand darin, dass das Labyrinth (Abb. 6, II, FE) in einer geräumigen, aber flachen Porzellan- wanne (MN) angebracht war. Der Wannenboden war mit einer Wasserschicht von 5 mm Tiefe und von 18°C. bedeckt. Der bereits ‚erwähnte Käfie GH war dicht an den Labyrinthausgang auf einem Brett st, das über die Wasserlinie herausragte, angebracht. Das Verhalten der Maus auf dem feuchten Boden war von jenem auf dem erhitzten Boden ganz abweichend: Wenn die Maus in dem letzteren Falle, sobald sie das Belecken zu unterlassen erlernte und einmal den Käfig gefunden hatte, bei den nächsten Versuchen das Labyrinth auf dem kürzesten Wege und in der Regel sobald wie möglich zu verlassen trachtete, so verhielt sich im Gegenteil die Maus auf dem feuchten Boden viel ruhiger. Dieselbe untersuchte sehr genau den Boden und die Labyrinthwände und beeilte sich nicht, auf dem kürzesten Wege den trockenen Käfig zu erreichen; es ist auch öfters vorgekommen, dass die Maus im Verlaufe des Lernvorganges den Labyrinthausgang bereits auf dem kürzesten Wege erreichte; darauf- hin aber machte sie, statt sich in den Käfig zu verkriechen, kehrt und lief das Labyrinth nochmals durch. Wie dieses Verhalten vermuten lässt, erwies sich die anfangs ge- machte Voraussetzung, dass der erhitzte Boden einen stärkeren An- & trieb als der feuchte erzeugen müsse, als vollkommen berechtigt. Das Labyrinth, mit dem diese Versuche ausgeführt waren, hat einen ganz einfachen Grundriss (Abb. 6, II7); dasselbe.war aus schwarz angestrichenem Holz verfertigt, 23 qem im grössten Umfang und 4 cm 144 J.“S. Szymanski: hoch; von oben war das Labyrinth mit einem feinen Drahtnetz be- spannt. Bloss der Zentralraum m blieb offen und konnte nach Be- lieben mit einer Glasscheibe bedeckt werden. Der Verlauf einer einzelnen Versuchsserie mit einer Maus war der folgende: Nachdem das Tier in den Zentralraum des Labyrinthes »n (Abb. 6, ZIT) getan worden war, wurde die Öffnung mit einer Glasscheibe verdeckt. Sobald die Maus das Käfieinnere » betreten hatte, wurde der Käfigeingang mit einer bereitliegenden Glasscheibe versperrt; daraufhin wurde der Boden mit Seifenwasser abgewaschen und nach einer Pause von 5 Minuten die Maus wiederum ins Labyrinth getan usf. Nachdem die Maus in drei aufeinanderfolgenden Versuchen das Labyrinth auf dem kürzesten Wege zurückgelegt hatte, nahm der Ver- such ein Ende. Für die Auswertung der Resultate schien mir von ausschlaggebender Bedeutung der jedesmal zurückgeleste Weg zu sein. Um mir von dem letzteren Rechenschaft geben zu können, legte ich der Beurteilung der Versuchsresultate die Anzahl der Fehler bei jedem Versuche zu- erunde. Da die Fehler sich auf das Abweichen vom kürzesten Wege (Betreten eines falschen Ganges bzw. Umkehren in einem richtigen Gange) bezogen, gaben dieselben einen Begriff vom jedesmal zurück- ® gelegten Wege. Je fünf erwachsene weisse Mäuse wurden in jeder Serie unter- sucht; Nr. 1, 3, 4, 9 waren Weibchen, 2, 5, 6, 7, 8, 10 Männchen. Die genauen Versuchsergebnisse sind in der nächstfolgenden Tabelle niedergelegt. Nummer Nummer Versuchsanordnung des des Fehler Zeit Tieres Versuches „Erhitzter Boden“ bis auf 1 1 7 315 41—43° C. (Erwachsene 2 1 108 Tiere.) 6] 0 12 4 0 on 5 0 3 2 1 22 635 2 4 193 3 0 74 4 0 49 5 0 19 3 1 11 ? 2 1 120 3 2 199 ra a RER Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 145 Fortsetzung der Tabelle. Nummer Nummer Versuchsanordnung des des Fehler Zeit Tieres Versuches „Erhitzter Boden“ bis auf ‘3 41—43° C, (Erwachsene Tiere.), _ „Feuchter Boden“, er ee ee _ - waächsene Tiere.) : ; 10 ! 11 12 13 14 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 10 - SOStHuwon oO OOOMm © OO0O0Pr m % (0,0) @QNIDTtPUDrA PWDm DOAIDOH SOSIO9UT PD» ERNEST NEE BER EISEN ET EWR NE SOSOOS[7O9uUPpVm-m as SOSOoPDODOPU ©SOoO0O90mmm.-I SOSOSHSor- at DyperTtkmmm DD [0,0) an 146 J.8. Szymanski: Fortsetzung der Tabelle. Nummer Nummer Versuchsanordnung des des Tieres Versuches „Feuchter Boden“. | (Er- I wachsene Tiere.) „Erhitzter Boden“ bis auf 41—43°C. (Junge Tiere.) 10 gen SOS[I9UPCDA -HoOooooO.J990PumD- 11 Fehler ö — SOoSOoPDHODOOmD Fe OOODDWD UT le Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 147 Fortsetzung der Tabelle. | Nummer Nummer Versuchsanordnung des des Fehler Zeit Tieres Versuches „Erhitzter Boden“ bis auf 12 1 10 - 41—43° C. (Junge Tiere.) 2 2 — 3 4 ri 4 1 ze 5 2 _ 6 3 — 1 0 — 8 0 — 9 N u 13 1 6 = 2 4 — 3 2 — 4 1 — 5 1 — 6 2 — 7 2 _ 6) 6 _ I 1 —_ 10 2 — z 11 2 — 12 1 — 13 0 — 14 0 — 15 0 E= Aus der Tabelle ergibt sich, dass die Mäuse, die mit der Methode des erhitzten Bodens untersucht waren, bereits nach durchschnittlich drei Versuchen erlernten, das Labyrinth auf dem kürzesten Wege zu durchlaufen; von den Mäusen hingegen, die mit der Methode des feuchten Bodens untersucht waren; vermochte Nr. 10 selbst nach 31 Versuchen nicht zu erlernen, das Labyrinth auf dem kürzesten "Wege zu durchlaufen. Die übrigen vier Mäuse erlernten dies erst nach durchschnittlich 7,5 Versuchen. Es lässt sich hiermit behaupten, dass die Mäuse, die durch einen stärkeren Antrieb zur Ausführung einer Handlung getrieben waren, auch zweimal weniger Versuche bedurften, um eine einfache Handlung zu erlernen, als die Tiere, die zum Erlernen der gleichen Handlung durch einen schwächeren Antrieb getrieben waren. Diese Versuche bahnen vielleicht methodisch den Weg zur Untersuchung der Stärke verschiedener Antriebe bei einer Tierart an; sollte sich diese Methode bewähren und läge ein genügendes Versuchsmaterial vor, so wäre es vielleieht möglich, zu versuchen, die Abhängickeit zwischen der Lern- . 10* x Mr 148 JS. Szymanski: geschwindiekeit und der Antriebsintensität einerseits, zwischen der Stärke von verschiedenen Antriebsqualitäten andererseits zahlenmässig zu formulieren !). Ausser an erwachsenen habe ich auch an einigen noch nicht er- wachsenen ganz jungen Mäusen einige Versuche angestellt. Es stellte sich heraus, dass die drei mit der Methode des er- hitzten Bodens untersuchten Tiere erst nach durchschnittlich 7,7 Ver- suchen erlernt haben, das Labyrinth auf dem kürzesten Wege zu durchlaufen (s. Tab. Nr. 11, 12, 13). Die jungen Tiere brauchten also in meinen Versuchen zweimal soviele Versuche als die erwachsenen, um die fehlerlose Ausführung der gleichen Handlung zu erlernen. V. Ein Fall des denkbar vollkommensten Verlaufes eines Lernvorganges. Den höchsten Grad deı Vollkommenheit eines Lernvorganges würde ein Fall darstellen, in dem die Übung die denkbar geringste sein könnte, um eine Verknüpfung zwischen dem Reiz und der Reaktion entstehen zu lassen, d. h. diese Verknüpfung müsste bereits nach einem einzigen Versuch zur Ausbildung gelangen. Wenn ein solcher Fall in der Natur anzutreffen wäre, so wäre es angezeigt, denselben im Gebiete kinästhetischer Reize zu suchen. Denn diese Reize, wie es jedem Forscher auf dem Gebiete der Lehre von den Erfahrungs-. handlungen bei Tieren auffallen muss, treten, einen genügenden An- trieb zur Ausführung der Handlung vorausgesetzt, mit der grössten Leichtigkeit in Verknüpfung mit einer bestimmten motorischen; Re- aktion ein. Die einfachste Form, in der sich eine Verknüpfung zwischen einem kinästhetischen Reiz und einer bestimmten motorischen Reaktion würde herstellen lassen, wäre, ein Tier zwischen rechts- bzw. links- laufen unterscheiden zu lassen. Eine solche Untersuchung und unter dem eben erwähnten Gesichtspunkte wurde,an weissen Ratten angestellt. 1) Dass ein Zusammenhang zwischeu der Antriebsstärke und Lerngeschwindig- keit auch bei den Menschen zu bestehen scheint, beweist eine von Katz ge- fundene Tatsache, dass ein Kind von 2'!/a Jahren zwar nicht aus einer Reihe Fu gleichfarbiger Spielmarken, wohl aber aus einer Reihe Schokoladestückchen, von’ H denen wie bei den Spielmarken jedes zweite festgeklebt ist, jedes zweite Stück nach kurzer Übung richtig fortnahm (cit. nach K. Bühler, Die Beistiseh Ent- wicklung des Kindes, S. 92. 1918. REAL EWIE: Ü — —& sonst lauter 2) wurden untersucht; ein 4 Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 149 Die Versuchsanordnung war sehr einfach. In einem Apparate, der aus zwei quadratischen 10 cım hohen Seitenwänden (xx — ca. 96 cem und yy — 74 ccm) ohne Boden bestand, wurde ein elektrischer Boden D angebracht; bei 5 befand sich der Wohnkäfig mit Futter und Wasser (Abb. 7). Eine in den Vorhof A gesetzte hungrige Ratte sollte nun zum Beispiel nach rechts laufen, um zum Wohnkäfig mit Futter und Wasser (B) zu gelangen. Auf der „falschen“ Seite war bei xy in den fünf ersten Versuchen jeder Serie eine Schiebetür aus Drahtnetz ‚angebracht; bei den letzten fünf Versuchen jeder Serie wurde die Tür entfernt und beide Gänge offen gelassen. Ausserdem erhielt die Versuchsratte, wenn sie den falschen Gang betreten hatte, einen elektrischen Schlag. Acht Ratten (Nr.5 und 6 Versuch wurde einmal in 24 Stunden (zwischen 1—2 Uhr nachmittags) gemacht; die bisher hungrige Ratte hat im Wohnkäfig 5 Futter Abb. 7. A: Vorhof; und Wasser vorgefunden. Das Futter war ZB: Wohnkäfig; D: elek- i : : trischer Boden; C: toter deraart normiert, dass die Ratte dasselbe „,um (So) ber in den nächsten Stunden auffrass, so dass konnte eine Schiebetür an- : Ba e ; i gebracht werden. sie bei dem nächstfolgenden Versuch wieder nüchtern sein durfte. Nach jedem Versuch mit einer Ratte war der Käfig mit Seifenwasser und der elektrische Boden mit Äther eründlich gewaschen worden. | Drei Versuchsserien, von denen je eine aus zehn Versuchen be- stand, wurden mit jeder Ratte ausgeführt; in der ersten und der dritten Serie mussten die Ratten stets: nach rechts, in der zweiten Serie nach links laufen, um zum B zu gelangen. - Jede nächstfolgende Serie folgte unmittelbar auf die vorangehende. Die Resultate dieser Versuche habe ich in der Abb. 8 (S. 149) graphisch dargestellt. Wenn wir von Nr. 2 und 4 der ersten Serie, die zufällig. beim “erstenmal die richtige Bewegungsrichtung eingeschlagen und bei den nächsten Versuchen- dieselbe beibehalten haben, absehen, so lassen Y vi Sich die Versuchsergebnisse derart zusammenfassen, dass sich drei Typen unterscheiden lassen. Zu dem ersten Typus gehören die Ratten (Nr. 1 in allen drei 150 Serien, Nr. 3 in der zweiten Serie, Nr. J, S. Szymanski: 6 in der ersten Serie, Nr. 8 in der ersten und der zweiten Serie), die bloss einen einzigen falschen Versuch machten, um dann bis zum Schluss der betreffenden Versuchs- 5 Ze | 7 Se en et aa u aus m er 2 200 700 Al — | | | | | 79 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Abb. 8. In den Kurven 1 bis einschliesslich 8, die sich auf die 1—8 Versuchsratten beziehen, ist auf der + Linie die richtige, auf der - Linie’ die falsche Bewegungsrichtung eingetragen. Die rö- mischen Zahlen oben bezeichnen die aufeinander- folgenden Versuchsserien: erste Serie vom 1. bis einschliesslich 10. Versuche, zweite Serie vom 11. bis einschliesslich 20. Versuche, dritte Serie vom 21. bis einschliesslich 30. Versuche. Die Kurve A ist eine Zeitkurve, die die Durchschnittswerte für sämtliche untersuchten Tiere in der dritten Ver- suchsserie darstellt. Auf der Abszisse sind die Ver- suchstage, auf der Ordinate Sekunden eingetragen. serie stets eine richtige Bewegungsrichtung einzu- schlagen. Bei diesem Typus bildet sich nach einem einzigen Versuch bereits eine relativ dauer- hafte Verbindung zwischen dem Reiz und der Reaktion. Zu dem zweiten Typus gehören die Tiere (Nr. 5 in allen drei Versuchs- serien, Nr.7 in der ersten Versuehsserie und Nr.Sin. der dritten Versuchsserie), die nach einem falschen Versuch bereits die richtige Bewegungsrichtung in den nächsten Versuchen ein- schlagen; nachher machen sie noch einen falschen Versuch, um dann bereits bis zum Schluss der ganzen Versuchsserie richtig zu laufen. Bei diesem Typus entstehen also nach einem einzigen falschen Versuch bloss kurzdauernde Ver- knüpfungen zwischen dem Reiz und der Reaktion. Schliesslich gehören zu dem dritten Typus die Tiere (Nr. 2 in der zweiten und dritten Serie, Nr. 3 in der ersten und der dritten Versuchsserie, Nr. 4 in der zweiten und der dritten Serie, Nr. 6 in der zweiten und der dritten Serie, Nr. 7 in der zweiten und der dritten Serie), die nach zwei falschen Versuchen stets die richtige Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Gewohnheiten bei den Tieren. 15] Bewegunssrichtung bis zum Schluss der ganzen Versuchsserie ein- schlagen. Bei diesem Typus entsteht hiermit nach bloss zwei falschen Versuchen hereits eine relativ feste Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion. Dass auch die Zeit, die die Versuchsratten brauchen, um vom Vorhof bis zum Wohnkäfig zu gelangen, im Verlaufe einer Versuchs- serie rapid sinkt, zeigt die Zeitkurve A (in der Abb. 8), in der ich die Durchschnittswerte von sämtlichen acht Tieren und für je einen Versuch der dritten Serie (Versuche 21 bis inkl. 30) eingetragen habe; zum Vereleich sind die gleichen Werte für die zwei letzten Versuche der zweiten Serie (Versuche 19 und 20), während welcher die Ver- knüpfung „nach rechts laufen“ fest ausgebildet war, verzeichnet. Als allgemeines Ergebnis dieser Versuche ist man also berechtigt, zu saren, dass das untersuchte Verhalten der Ratten des ersten Typus den Anforderungen, die an einen denkbar vollkommensten Verlauf des Lernvorganges gestellt waren, durchaus entspricht. Die Vollkommenheit des Lernvorganges kann nicht, wie dies in der ersten Periode der experimentellen Tierpsychologie von einigen Forschern geschah, als Maassstab der „Intelligenz“ verwertet werden. Denn es ist schwerlich zu glauben, dass die Ratten in den oben beschriebenen Versuchen sich von der Zielvorstellung leiten liessen. Die Geschwindigkeit der Ausbildung einer neuen Verknüpfung zwischen et dem Reiz und der Reaktion kann nur dadurch begriffen werden, wenn man annimmt, dass eine angeborene Anlage zur Entstehung der kinestetisch-motorischen Verknüpfungen vorhanden sein musste. Die anderen Verknüpfungen bilden ja weisse Ratten entweder gar nicht oder nur mit der grössten Langsamkeit, die beweist, dass diesen Ver- ‚knüpfungen keine lebenswichtige Bedeutung zukommt, und dass sie als reine Laboratoriumsprodukte zu gelten haben. Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. III. Mitteilung. Quantitative mikroanalytische Untersuchungen über die Ursache der Caleiumabgabe von seiten des Herzens. Von MH. Lieb und ©. Loewi. (Aus den Instituten für medizinische Chemie und Pharmakologie der Universität Graz.) Boehm!) und Arima?) haben gezeigt, dass Froschherzen, die mit wenig Kochsalz beschickt werden, sieh in dieser nach kurzer Zeit völlig erholen, und Boehm konnte nachweisen, dass sich in der Er- holungsflüssigkeit vom Herzen abgegebenes Calcium vorfindet. Loewi°) hat dann zeigen können, dass sich die Selbsterholung zu Beginn der Versuche in einer Kochsalzlösung besser vollzieht, wenn sie 0,1 /o Natriumbikarbonat, als wenn sie nur 0,01°/o davon enthält. Da er nachweisen konnte, dass Säure die Empfindlichkeit des Herzens für Caleium herabsetzt, und dass nach experimentell gesetzter Säuerung Kochsalzlösung mit einem Gehalte von 0,1°/o Natriumbikarbonat besser wirkt als solche mit 0,01 °/o Natriumbikarbonat, ist als eine Ursache des Unterschiedes in der Wirkung der beiden Natriumbikarbonat- konzentrationen die stärkere Neutralisationswirkung der konzentrierteren Lösung und damit die Herstellung besserer Bedingungen für die Caleiumwirkung anzusehen. Es lag aber die Möglichkeit vor, dass ausser diesem Moment auch eine Mehrausscheidung von Calcium von seiten des Herzens in der bikarbonatreicheren Lösung stattfindet und für die bessere Erholung mit in Betracht kommt. Die Ansicht, dass Alkali überhaupt eine Bedeutung für die Befreiung von Caleium von seiten des Herzens habe, hat bereits Goethlin*) geäussert, obwohl 1) Boehm, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 75 S. 230. 1913. 2) Arima, Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 531. 1914. S 8) Loewi, Pflüger’s Arch. Bd. 170 S. 677. 1918. 4) Goethlin, Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 12 8.1. 1902. - D Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. 153 er sich dabei nicht auf eigene Versuche stützen konnte; er meint, dass das gebundene Calcium des Herzens durch Alkali freigemacht werde; wenn also Kochsalzlösung, die Alkali enthält, besser als reine Kochsalz- lösung für das Herz ist, so sei dies nicht durch die Alkaleseenz der Lösung, sondern durch die durch das Alkali bedinste Caleiumaktivierung veranlasst. Wir haben die Untersuchung der Frage, ob in der Tat durch Alkali Caleium freigemacht werde, um so lieber aufgenommen, als die Hoffnung bestand, dass wir dadurch den Bedineungen, die zu der rätselhaften Caleciumabscheidung von seiten des Herzens führen, etwa auf die Spur kommen könnten. Methodik. Die Herzen waren in der üblichen Weise nach Straub suspen- diert und wurden nach dem Auswaschen mit Ringer- Lösung so lange mit 1,3 eem Kochsalzlösung beschiekt, bis makroskopisch Blut nicht mehr nachweisbar war. Diese Füllung wurde im Abstand von je 1 Minute noch zweimal erneuert und die letzte Füllung daun belassen. Nach verschieden langer Zeit — in Vergleichsversuchen natürlich immer nach gleichen Zeiten — wurde die Füllung mittels Pipette entnommen _ und je 1 ccm zur Caleiumbestimmung verwendet. Die vergleichenden Versuche wurden selbstverständlich am gleichen Herzen ausgeführt, - und zwar wurde mit der zweiten Kochsalzperiode erst begonnen, wenn das Herz von den Folgen der ersten sich in Ringer-Lösung völlig erholt hatte. Die genaue Beschreibung der mikroanalytischen Caleium- - bestimmung erfolgt durch den einen von uns (Lieb) an anderer Stelle. _ Hier sei das angewendete Verfahren nur in kurzen Zügen mitgeteilt: Der entnommene Kubikzentimeter Füllflüssigkeit wird im Mikroplatin- tiegel eingedampft und der Rückstand geglüht. Zum Glührückstand werden einige Tropfen Wasser und ein Tropfen sehr verdünnter Salz- _ säure zugesetzt, auf dem Wasserbade erwärmt und hierauf mit einem "Tropfen Ammoniak schwach alkalisch gemacht. Die heisse Lösung etwa !/s eem Flüssigkeit — wird mit 0,2—0,3 cem eines schwach 5. ammoniakalischen Lösungsgemenges von Ammonoxalat und Ammon- chlorid versetzt und 5—10 Minuten auf dem Wasserbade weiter er- wärmt. Die Fällung wird 5—6 Stunden stehengelassen, dann im _ gewogenen Halogenfilterröhrehen nach Pregl abgesaugt. Als Wasch- 154 H. Lieb und ©. Loewi: flüssiekeit wird 10/)oige Ammoniumoxalatlösung verwendet. Um die letzten Spuren des Niederschlages aufs Filter zu brinsen, wird ab- wechselnd mit Oxalatlösung und Alkohol nachgespült, schliesslich mit Alkohol gewaschen und das alkoholfreie Filterröhrehen unter Durch- saugen staubfreier Luft bei 80° C. etwa 3—4 Minuten getrocknet, hierauf aussen sorgfältig gereinigt und nach Erreichung der Gewichts- konstanz gewogen. Versuche zur Feststellung der Genauigkeit der Methode ergaben foleendes: Versuch a. I. 1 cem Ringer-Lösung ergibt 0,145 mg Calciumoxalat — 0,1101 mg CaQ],;; II. 1 ccm derselben Lösung nach dem Verdünnen auf das 10 fache ergibt 0,013 mg Caleiumoxalat — 0,00988 mg CaQl],; ; während sich für den 10fach verdünnten Ringer ein Gehalt von 0,01101 mg CaCl;, berechnet, wurden in U 0,00983 mg CaCl, gefunden. Die Differenz zwischen dem berechneten und dem gefundenen Werte beträgt nur 0,00113 mg CaQ],. Versuch b. I. 1 cem Ringer-Lösung ereibt 0,108 mg Calciumoxalat — 0,0820 mg Ca0l;; II. 1 ccm derselben Lösung nach dem Verdünnen auf das 10 fache ergibt 0,010 mg Calciumoxalat — 0,00760 mg CaQl;; für die 10fach verdünnte Ringer-Lösung berechnet sich in diesem Falle ein Gehalt von 0,0082 mg CaÜl,, während die Bestimmung 0,0076 mg CaC], ergeben hat. Im diesem Versuche beträgt die Differenz zwischen dem berechneten und dem gefundenen Werte gar nur 0,0006 mg CaQ],. \ Sämtliche benützten Salze waren von Kahlbaum bezogen (pro analysi mit Garantieschein). Versuche. Zunächst wurde untersucht, ob sich am Ende einer Erholungs- periode bei Anwendung einer Kochsalzlösung, die 0,1°/o Bikarbonat enthält, in der Füllung mehr Calcium vorfindet als am Ende einer - solchen, bei der eine Kochsalzlösung mit einem Gehalte von 0,01% Bikarbonat zur Anwendung gekommen ist. Da die Versuche im Sommer ausgeführt wurden, war, wie an änderen Orten (Loewil. c.) ausgeführt wurde, der Unterschied in der erholenden Wirkung der beiden Bikarbonatkonzentrationen nicht so gross wie im Winter und bei Hungerfröschen. 1% Pr ger \ Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. 155 In den drei ersten Versuchen wurde mit der bikarbonatreicheren Lösung in der zweiten Periode gespeist; für diese Wahl war einmal die Erwägung maassgebend, dass sich der Caleciumgehalt etwaiger Blutreste in der späteren Periode weniger geltend machen dürfte als in der ersten, ferner die früher gemachte Beobachtung, dass die Er- holune in Kochsalzlösung von Periode zu Periode geringer wird. i Periode I Periode II 3 Dauer | NaCl mit 0,01% NaHCO,;| NaCl mit 0,1% NaHCO, | Differenz es ; : Ver- } _ de | Pulshöne | mg CaCı, in | Pulshöhe | mg CaC'z in | Zwischen suchesj Periode | am Ende | 1 ecm Füll- | am Ende | 1 ccm Füll- | I und II E derPeriode flüssiekeit jderPeriode| flüssigkeit 1. Y10 Min. 4 mm 0,002 mg S mm 0,0054 mg +. 0,0034 2107, 1105 „0005 „ 18%, 0.0095 „ | + 0,0041 ie 70.0156, 20. 0,0169 , | + 0.0013 In allen drei Versuchen findet sich am Ende der zweiten Periode, also nach Anwendung der Lösung mit einem Gehalt von 0,1% Natrium- bikarbonat, etwas mehr Calcium als am Ende der Periode nach An- wendung der Lösung mit einem Gehalte von 0,01°/o Natriumbikar- bonat. Die Differenzen sind nicht gross, was in Anbetracht der Kürze der Periode nicht wundernehmen darf; sie gewinnen aber an Sicher- heit dadurch, dass die Parallelversuche und Bestimmungen unter ab- solut identischen Bedingungen ausgeführt wurden. Um sicher zu sein, ob wirklich der höhere Bikarbonatgehalt der zweiten Periode die Ursache der grösseren Caleiumabgabe sei, wurden nun in einem weiteren Versuche (4) die beiden Lösungen in umge-- kehrter Reihenfolge, aber je 1 Stunde lang, .in Anwendung gebracht. Es wurden in der ersten Periode 0,002 me CaCl],, in der zweiten Periode 0,0054 mg CaCl, zefunden, also auch hier in der zweiten Periode mehr, und zwar um 0,0034 mg CaCl,; mehr, trotz des geringeren Natriumbikarbonatgehaltes in dieser Periode. Es ist also, wie sich auch aus später anzuführenden Versuchen ergibt, für die grössere Caleiumabgabe nicht die grössere Bikarbonatkonzentration maassgebend, vielmehr steiet aus nicht durchsichtigen Gründen unabhängig von dieser die einmal in Gang eekommene Caleiumabgabe immer weiter _ an. Mit diesem Ergebnis ist gleichzeitig die oben gestellte Frage, ob an der stärkeren Erholung der Herzen in der bikarbonatreicheren Lösung ausser der durch sie bedingten leichteren Neutralisation auch etwa eine grössere Caleiumabgabe von seiten des Herzens beteiligt sei, im verneinenden Sinne erledigt. 156 H. Lieb und ©. Loewi: Um etwas über die Ursache der Caleiumabgabe von seiten des Herzens zu erfahren, prüften wir in ‚weiteren Versuchen, ob diese eine Gefällewirkung sei, ob sie also nur an eine calciumfreie Lösung statt- findet. Zu diesem Behufe untersuchten wir, ob etwa auch an caleium- haltige — und zwar wählten wir die Caleiumkonzentration der Ringer- Lösung — Calcium abgegeben werde. Um gleichzeitig die Frage zu entscheiden, ob die Grösse einer allfälligen Ausscheidung von Caleium in Ringer-Lösung wesentlich anders ist als in caleiumfreier Kochsalzlösung, ob also verschiedenes - Caleiumgefälle eine Rolle spielt, wurde vergleichend die Abgabe an Ringer-Lösung, deren Gehalt natürlich jedesmal gesondert bestimmt wurde, und an caleiumfreie Kochsalzlösung von der gleichen Bikarbonat- konzentration bestimmt, und zwar betrug diese in Versuch 5 0,1 %o, in Versuch 6 0,01%. rn Periode I: Periöde II: CaCl, in | Demnach 8, I 2 nac =g N aH00,-| Dauer Kochsalz Ringer | Ringer| Abgabe 2 5 | -ON2Een | jeder |Pulshöhe| CaCl; |puishöhe| CaClz | von von =67 R L : Pulshöhe ı = 5 | Taton | Periode [am Ende | in der n vorn- |Ca0], an == der l cem - l ccm heram a IR. 0/g Periode mg | Periode | me nee D. 0,1 1 Stunde] 8,5 mm |0,0101| 15 mm 0,0961 | 0,0847 0,0114 6. BO: 7 0,0088 | 14 „0,0900 | 0,0819 0,0081 ” Die Versuche zeigen, dass in der Tat das Herz nicht nur an Kochsalzlösung, sondern auch an Ringer-Lösung Calcium abgibt, und zwar ist die Abgabe an beide ungefähr von der gleichen Grössen* ordnung. Demnach kommt einmal dem Gefälle, wenn überhaupt, nur eine verschwindende Bedeutung als Ursache für die Caleiumabgabe zu. Ferner scheint aber auch die Herztätigkeit, die in der Pulsgrösse ihren Ausdruck findet, kein entscheidender Faktor zu sein, da diese in der Kochsalzperiode wesentlich kleiner war alsin der Ringer- Periode und trotzdem die Caleiumabgabe annähernd die gleiche war. Um den Einfluss der Herztätigkeit auf die Caleiumabgabe be- sonders zu prüfen, haben wir in zwei Versuchen am suspendierten, mit Ringer-Lösung gründlich ausgewaschenen Herzen die erste Stannius-Ligatur angelegt. Das Herz schlug danach im Durchschnitt nur noch einmal in der Minute. In Versuch 7 begann es nach 20 Minuten spontan wieder: häufig zu schlagen; daher unterbrachen Über Spontanerholung des Froschherzens bei unzureichender Kationenspeisung. 157 wir hier nach 20 Minuten, während in Versuch 8 auch nach 1 Stunde die Frequenz nicht über einen Schlag in der Minute gestiegen war. In Versuch 7 gab das Herz an die Ringer- Lösung 0,0095 mg CaCl,, in dem dreimal solange währenden Versuch 8 0,0142 mg CaCl, ab, also nicht unbeträchtliche Mengen, und zwar wiederum von annähernd der gleichen Grössenordnung wie in den früheren Versuchen. In der folgenden Tabelle sind nunmehr noch die Ergebnisse von Versuchen zusammengestellt, die der Frage ealten, ob der Bikarbonat- gehalt so wie bei caleiumfreier auch bei caleiumhaltiger Speisung ohne Einfluss auf die Grösse der Caleiumabgabe ist. Nummer Periode I: 1 Stunde Periode II: 1 Stunde Differenz des Er 1 Periode II— Ver; Art an Art | ar Periode I suches | der Speisung ul: der Speisung a mg CaCl; oO 3% RII?) 0,0967 RII!) 0,1035 0,0068 10. 19) 0,0866 Ra 0:0988 0,0122 11. RI!) - 0,0771 aE>) 0,0926 0,0155 Be 12. RI?) 0,0798 RI!) 0,0866 0,0068 Versuch 9 zeigt, dass auch bei gleichbleibender Art der Speisung in der zweiten Periode mehr Calcium abgegeben wird als in der ersten, Die übrigen Versuche beweisen, dass ebenso wie bei caleiumfreier - Speisung auch bei caleiumhaltiger die Caleiumabgabe von seiten des Herzens von der Bikarbonatkonzentration unabhängig ist; wie dort, ist sie auch hier immer in der zweiten Periode grösser als in der ersten, gleicheültig, ob diese die bikarbonatreichere oder -ärmere ist. Ergebnisse. _ Es wird die Grösse der Caleciumabgabe von Seiten des künstlich gespeisten Herzens an seine Speisungs- flüssigkeit quantitativ bestimmt. Es ergibtsichdabei, dass das Herz unter allen Umständen Calcium an diese abgibt. Die Grösse der Abgabe ist sowohl vonder Oal- ciumkonzentration der Speisungsflüssigkeit unab- hängsig als auch von deren Bikarbonatkonzentration sowie von der Stärke der Herztätigkeit. 1) Ringer mit 0,01°/o Natriumbikarbonat. 2) Ringer ohne Natriumbikarbonat. 3) Ringer mit 0,1°/o Natriumbikarbonat. ) Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes aul den Blutstrom. Von Prof. Dr. K. Hürthle. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) (Mit 1 Textabbildung.) In der folgenden Abhandlung von Schleier wird das Poiseuille’sche Gesetz zur Berechnung des Energieverbrauchs in der Blutbahn benützt, obwohl Tatsachen bekannt sind, welche die Übertragung des Gesetzes auf den Kreislauf verbieten. Um Miss- verständnissen vorzubeugen, ist es daher angezeigt, genauer anzugeben, ob und inwieweit wir berechtigt sind, das Gesetz bei der Darstellung des Blutstromes zugrunde zu legen, eine Frage, die auch schon von Thoma nnd Hess behandelt wurde. Das Gesetz bringt bekanntlich die Abhängiekeit der Durchfluss- menge (9) von einer Reihe von Faktoren: Länge (/) und Radius (7) der Röhre, der treibenden Kraft (h) und der Viskosität der Flüssig- keit (n) zum Ausdruck, in der durch die Formel &® — —_ h aus- sedrückten Beziehung. Diese Abhängigkeit hat sich unter den folgenden ‚Voraussetzungen bewährt: \ 1. dass die Durehströmungsgeschwindigkeit eine gewisse obere Grenze nicht überschreitet; 2. dass eine reine Flüssigkeit zur Durchströmung verwendet und die Röhrenwand von der Flüssigkeit benetzt wird; 3. dass die treibende Kraft konstant ist; dass eine gerade, zylindrische, starre, horizontal liegende Röhre durehströmt wird. - Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. 159 Zu 1. Während Poiseuille und seine Nachfolger das Gesetz nur für sehr enge Röhren bestätigt fanden, folgert schon Helm- holtz!) aus den: hydrodynamischen Gleichungen, dass für die Gültig- keit des Gesetzes die Geschwindigkeit der Strömung maass- gebend ist. Aber erst Reynolds?) glückte es, die Faktoren quantitativ zu bestimmen, welche den Gültiekeitsbereich des Gesetzes beeinflussen. Er zeigte 1883 zunächst experimentell, durch Siehtbarmachen der Stromlinien mit Hilfe eines Farbstoffes, dass es zwei ganz verschiedene Arten der Flüssigkeitsbewegung in Röhren gibt. Bei der ersten Art, welche in Kapillaren beobachtet wird, bilden die Stromfäden gerade, : der Röhrenachse parallele Linien; die Strömung erfolst so, wie es in der theoretischen Ableitung des Poiseuille’schen Gesetzes an- genommen wird (eleitende oder Laminarbewegung der Flüssiekeit). Bei der zweiten Art bilden die Stromfäden unentwirrbare Knäuel, die als unregelmässige Wirbel aufgefasst werden: -„turbulente“ Be- weeung. Diese Form tritt gewöhnlich in weiteren Röhren auf, aber auch in engeren, wenn die Geschwindiekeit eine gewisse Grenze, die „kritische Geschwindigkeit“ (x überschreitet; sie ist durch die in der Gleichung gr Eu Oz = 1000 297 angegebenen Faktoren bestimmt, in der n die Viskosität, & die Dichte der Flüssiekeit, R den Radius der Röhre bedeutet und der Fak- tor 1000 empirisch bestimmt ist und annähernd die zulässige Grenze der Geschwindiekeit angibt, bei der Turbulenz vermieden wird. Ob- wohl die Gültigkeit dieser Formel nur für reine Flüssigkeiten geprüft worden ist, wollen wir zunächst annehmen, dass sie auch für Suspen- sionen (Blut) keine wesentliche Änderung erfahre, und wollen die kritische Geschwindigkeit in verschiedenen Arterien mit der unter normalen Verhältnissen beobachteten vergleichen. Da der Blutstrom in den Arterien aber nicht konstant ist, müssen wir dem Vergleich die systolische Geschwindigkeit zugrunde legen. Wir nehmen an, bei einem Hunde von mittlerem Körpergewicht (13 kg) betrage 1) Helmholtz und Piotrowski, Sitzungsber. d. math.-nat. Kl. d. K. Akad. d. Wiss. Bd. 40 S. 607. Wien 1860. 2) Osborne Reynolds, Phil. Trans. London (A) vol. 174 p. 935. 1883. 160 Kerkucchike; die mittlere die systolische Geschwindigkeit in der Aorta (R=1,0 em)!) . 5,3 cm/Sek. 21 cm/Sek. in der Karotis (R = 0,2 cm)?) . 25 er 75 N in einer Arterie (R = 0,02 cm)?) 1 2 2 5 Bei der Berechnung der systolischen Geschwindigkeit ist an- genommen, dass diese in der Aorta höchstens das Vierfache, in der Karotis das Dreifache und in der kleinen Arterie das Zweifache der mittleren betrage, was der Wirklichkeit entsprechen dürfte. Für die kritische Geschwindigkeit ergibt sich aus der Reynolds- schen Formel, wenn wir n = 0,03, e = 1,05 setzen, für. die Aorta . 0... 28,5 em/Sek. et Karotisenn See » » „kleine Arterie. . 1430 » ” Somit liegt die kritische Geschwindiekeit in allen Fällen höher als die beobachtete. Dieses Ergebnis findet eine Bestätigung in, den folgenden von W.R. Hess) angestellten Beobachtungen: Bei der Auskultation der grossen Gefässe des Menschen oder der blossgelegten Aorta eines grossen Hundes ist keine Spur von Strömungsgeräusch wahrnehmbar; ein solebes wäre aber bei turbulenter Strömung zu erwarten und wird tatsächlich bei künstlicher Verengerung oder pathologischer Er- weiterung (Aneurysma) der Gefässe beobachtet. „Das Fehlen von Strömungsgeräuschen in normalen Gefässen ist der Ausdruck des Fehlens von Wirbeln. Nur bei gleitender Strömungsart bewegt sich - 1) Die Berechnung der Geschwindigkeit in der Aorta gründet sich auf die Annahme, dass die mittlere Umlaufszeit des Blutes (1 Liter = !/ıs des Körper- gewichts) 1 Minute, das Sekundenvolum 16,6 ccm betrage. Der daraus sich er- gebende geringe Wert der mittleren Geschwindigkeit in der Aorta im Vergleich zu dem in Karotis erklärt sich aus den Thom&’schen Messungen, nach welchen der Durchmesser der Aorta relativ wesentlich grösser ist als der der abgehenden Äste. (R. Thome, Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 474 Tab. J. 1900.) Eine Bereehnung der Geschwindigkeit in der menschlichen Aorta, um sie mit der kritischen zu ver- gleichen, hat R. Thoma (Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 99 S. 568. 1910) angestellt. 2) Tschuewsky, Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 210. 1903. 8) Siehe die folgende Abhandlung von Schleier Tab. 4, S. 193. 4) W. R. Hess, Über die periphere Regulierung der Blutzirkulation. Pflüger’s Arch. Bd. 168 S. 476—477. 1917. Vorher hat schon Thoma (l. c.) das Fehlen von Geräuschen in den grossen Gefässen als Beweis für das Fehlen von Wirbeln angesehen. } — } Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesctzes auf den Blutstrom. 161 die Flüssigkeit so geräuschlos, wie es im natürlichen Kreislauf der Fall ist.“ Des weiteren macht Hess die Angabe, dass, wenn man eine mit Methylenblau gefärbte Gummilösung durch die Karotis in die Aorta einströmen und aus der Kruralis über eine Glaskugel abfliessen “lässt, keine vollständige Mischung des Farbstoffes mit dem Blute be- obachtet wird, wie bei turbulenter Strömung zu erwarten wäre, sondern dass Blut und Farbstoff zum Teil noch getrennt zum Vorschein kommen. Den Beobachtungen von Hess füge ich die bekannte Erscheinung an, dass die wirbelfreie Bewegung des Blutes in den kleinen Arterien und Venen unter dem Mikroskop direkt festgestellt werden kann !). Auch die optische Registrierung der Bewegung?) der Körperchen in diesen Gefässen ergibt vollkommen gerade Stromlinien, wie sie nur bei vollkommener Laminarbewegung des Blutes auftreten können. „Theoretische Gründe also wie auch direkte Beobachtungen zeigen gleich deutlich, dass die Fortbewegung des Blutes in den Gefässen in derjenigen Strömungsform geschieht, welche die geringsten Verluste an Reibung verursacht: es ist dies die Strömung in parallelen Strom- - fäden, die ‚gleitende‘ Bewegung, für welche das Poiseuille’sche. Gesetz gilt.“ | Zu 2. Während Reynolds’ Gesetz die obere Grenze der zu- - lässigen Geschwindigkeit für reine Flüssigkeiten angibt, hat Hess - den Nachweis erbracht, dass es für Flüssigkeiten, welche geformte Bestandteile enthalten, auch eine untere Grenze gibt, bei welcher die Proportionalität zwischen Druck und Geschwindigkeit nicht mehr bestätigt werden kann. Poiseuille selbst war es nicht gelungen, sein Gesetz mit defi- _ briniertem Blut zu prüfen, da sich seine Kapillaren rasch mit Kör- - perchen verstopften, eine Erscheinung, die er dem Mangel an Fibrin zuschreibt®). Die theoretische Ableitung des Gesetzes setzt reine - Flüssigkeiten voraus, da sie annimmt, dass Flüssigkeitsfäden von un- _ endlich geringer Dicke sich der Achse parallel bewegen, derart, dass ihre Geschwindigkeit von der Achse nach der Wand zu abnimmt. Danach müssen ‚geformte, in der Flüssigkeit schwebende Körpercheu 1) Vgl. R. Thoma, ].c. S. 569. 2) K. Hürthle, Eine Methode zur Registrierung der Geschwindigkeit des Blutstroms in den kapillaren Gefässen. Pilüger’s Arch. Bd. 162 8.422. 1915. 3) „Le sang prive de fibrine n’est pas apte & passer & travers les capillaires.“ Poiseuille, Ann. de Chim. et des Phys. 3e ser. -T.21.p. 105. 1847. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 11 162 »K. Hürtble: die geradlinige Bewegung um so mehr stören, je grösser sie sind im Vergleich zum Röhrendurchmesser. Die Störung muss ein Maximum erreichen, wenn der Durchmesser der Körperchen gleich dem Röhren- durchmesser wird. Auf Grund dieser Überlegung hat schon vor längerer Zeit von Kries!) die Unmöglichkeit ausgesprochen, das Gesetz auf die eigentlichen Kapillaren der Blutbahn anzuwenden. Später hat Hess) in einer Reihe von Abhandlungen nachgewiesen und Rothmann?) in überzeuzender Weise bestätigt, dass bei Ver- wendung einer Flüssigkeit, welche geformte Bestandteile enthält, die Proportionalität zwischen Druck und Geschwindigkeit nicht nur in dem Falle gestört ist, wenn der Durchmesser der Röhre dem der Körperchen gleich ist, sondern schon in viel weiteren Röhren. Die Störung lässt sich aber experimentell nicht bei beliebiger treihender Kraft (Geschwindigkeit) nachweisen, sondern kommt erst unterhalb einer gewissen Grenze der Triebkraft zum Vorschein: beisinkendem Druck nimmt die Durehflussmenge rascher ab, als dem Druck entspricht. Für diese Störung wird von Hess eine Eigen- schaft des Blutes verantwortlich gemacht, die nach der Vorstellung mancher Physiker allen Flüssigkeiten zukommt‘), bei Suspensionen und kolloidalen Lösungen aber erst deutlich wahrnehmbar wird, nämlich ein „elastischer Deformationswiderstand“ des Blutes. Er zeigt sich darin, dass eine deformierende Kraft in den genannten Flüssigkeiten nicht vollständig durch Reibung aufgezehrt, sondern zu Deformationen der nicht vollkommen freibeweglichen Teilchen ver- wendet wird; diese nehmen nach Aufhören der deformierenden Kraft die ursprüngliche Gleichgewichtslage mehr oder weniger vollständig wieder an, wie in festen Körpern. Beim Blut wird dieser elastische Deformationswiderstand hauptsächlich durch die Körperchen und ihre Neigung zum Zusammenschluss veranlasst. Bei relativ hoher treibender Kraft kommt nun der elastische Deformations- gegenüber dem 1) J. v. Kries, Über das Verhältnis der maximalen zu der mittleren Ge- schwindigkeit bei dem Strömen von Flüssigkeiten in Röhren. Festschrift für C. Ludwig. Leipzig 1887. S. 112. 2) W. R. Hess, Gehorcht das Blut dem allgemeinen Strömungsgesetz der Flüssigkeiten? Pflüger’s Arch. Bd. 162 S, 187. 1915. 3) M. Rothmann, Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? Pflüger’s Arch. Bd. 155 S, 318. 1914. 4) Vgl. R. Reiger, Über die Ausbreitung scherender Deformationeu in Flüssigkeiten. Ann. d. Physik. (IV) Bd. 31. S. 51. 1910, Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. 163 Reibungswiderstand nicht zum Vorschein, wohl aber macht er sich bei abnehmender Triebkraft mehr und mehr bemerklich. So kommt es, dass der Geltungsbereich des Poiseuille’schen Gesetzes bei der Strömung von Blut durch Glaskapillaren eine gewisse untere Grenze _ hat, die beispielsweise in einer Kapillare von 100 « Durchmesser und Durehströmung mit hirudinisiertem Froschblut unterhalb eines Druckes vor 30 cm Wasser deutlich wird, bei Verwendung von defibriniertem Hundeblut!) erst bei geringerem Druck. Ausser von dem Quotienten Körperchengrösse/Kapillardurchmesser ist diese untere Grenze noch von der Zahl der geformten Elemente abhängig, derart, dass die Grenze um so höher rückt, je grösser die Zahl der Körperchen in der Volumeinheit ist. Bei der Übertragung dieser Erfahrungen auf den Blutstrom des lebenden Körpers lässt sich nur im allgemeinen sagen, dass die Störung bei einem um so höheren Druck zu erwarten ist, je enger die Arterie und je grösser die Zahl der Körperchen in der Volum- - einheit ist. So gesichert nun auch die Ergebnisse von Hess und Rothmann erscheinen, so bleibt doch vor ihrer Anwendung auf den Blutstrom noch zu prüfen, ob der elastische Deformationswiderstand des lebenden Blutes von gleicher Grösse ist wie die des gelassenen, - defibrinierten oder hirudinisierten Blutes, mit dem die Versuche an- gestellt sind. Denn da dieser Widerstand nach Hess durch die Eigenschaften der Blutkörperchen bedingt ist, insbesondere ihre „aus- gesprochene Fähigkeit, aneinanderzuhaften und so entsprechend der hohen Elastizität der Elemente, sich zu elastischen Kettengebilden zu- sammenzuschliessen“, und da eben diese Eigenschaften mit dem Aus- tritt des Blutes aus den Gefässen sich ändern, so ist wahrscheinlich, dass der elastische Deformationswiderstand des lebenden Blutes ge- Tinger ist als der des gelassenen ?). Aber selbst unter der Annahme, dass jene Druckgrenze, bei welcher sich die Störung geltend macht, im Blutstrom des lebenden Körpers dieselbe ist wie in den vorliegenden Versuchen, kommt die Beschränkung für den normalen Blutstrom kaum in Betracht, da das normale Druckminimum immer noch höher 1) Rothmann, I. c. S. 331. 2) Eine experimentelle Entscheidung könnte wohl durch eine Verbindung der Rothmann’schen mit derjenigen Anordnung erzielt werden, die vom Verf. zur Viskosimetrie des lebenden Blutes benützt worden ist. 11* 164 -K. Hürthle: liest als dasjenige, bei welchem die Störung deutlich wird; nur bei Vaguspulsen wird diese Grenze im normalen Kreislauf erreicht werden. Zusammenfassend können wir sagen, dass im System der Arterien die Bewegung des Blutes durchweg ohne Wirbelbildung in parallelen Stromfäden erfolgt, dass das Poiseuille’sche Gesetz auf diese Strömung angewandt!) werden darf, und dass nur in den ganz kleinen Gefässen und bei abnorm niederem Druck eine Abweichung von der Proportionalität zwischen Druck und Geschwindigkeit erwartet werden muss. Anders liegen die Verhältnisse in den eigentlichen Ka- pillaren, deren Durchmesser gleich dem der Körperchen ist; eine Wirbelbildung des ganzen Flüssigkeitsfadens ist hier zwar aus- geschlossen oder nur innerhalb des Plasmas denkbar; dagegen er- fahren die Körperchen selbst an der Wand wohl immer eine Reibung, deren Unregelmässigkeit die Proportionalität zwischen Druck und Ge- schwindigkeit um so mehr stören muss, je enger die Kapillaren sind. Die Gleichförmigkeit des Kapillarstroms, die gewöhnlich angenommen wird, kann daher in Wirklichkeit im allgemeinen nicht bestehen. Davon kann man sich schon durch subjektive Beobachtung über- zeugen, besonders leicht bei stark verengten Kapillaren. Objektiv festgestellt wird die Unregelmässigkeit durch die optische Registrierung des Kapillarstroms?). Bei der Durchsicht der bisher von mir ge- wonnenen Bilder zeigt sich, dass die Blutkörperchen in den eigent- lichen Kapillaren zwar häufig, wie allgemein angenommen wird, gleich- förmige Geschwindigkeit besitzen, in vielen anderen aber nicht, sondern eine unregelmässig schwankende. Da solche Bilder bisher nicht ver- öffentlicht sind, ist in Abb. 1 ein Beispiel davon mitgeteilt; die untere Kurve stellt die Druckschwankung in der Aorta des Frosches, die obere die Geschwindigkeit der Körperchen in einer Kapillare des Mesenteriums dar; letztere ist nicht die registrierte Kurve selbst, sondern die durch Differenzieren der registrierten mit Hilfe der Differenziermaschine®?) gewonnene und zeigt, dass die Geschwindigkeit der Körperchen im Mittel etwa 0,5 mm/Sek. beträgt und zwischen 0,24 und 1,2 mm/Sek. schwankt. Diese Unregelmässigkeit des Kapillar- stroms ist zwar vorläufiz nur beim Frosch festgestellt, besteht aber i 1) Über die durch die Rlastizität der Gefässe bedingte Einschränkung vgl. S. 168. 2) K. Hürthle, I c. 3) K. Hürthle, Beschreibung einer Differenziermaschine. Zeitschr. f. Instru- ! mentenknnde Bd. 37. S. 225. 1917 Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. 165 aller Wahrscheinlichkeit nach auch beim Warmblüter, dessen Kapil- laren gleichfalls den Durchmesser der Körperchen haben. Unter diesen Umständen muss man sich die Frage vorlegen, ob die Unregelmässigkeit des Kapillarstroms nicht die Regelmässigkeit des arteriellen beeinträchtigt oder ausschliesst, da eine Rückwirkung auf diesen doch unausbleiblich ist. Für die Beantwortung dieser Frage ist die Tatsache entscheidend, dass die Unregelmässigkeiten in den einzelnen Kapillaren zu gleieher Zeit nicht gleichsinnig, sondern verschieden sind; die auftretenden Störungen werden sich daher mehr ee 3 N Abb. 1. Druck in der Aorta und Geschwindigkeit des Blutes in einer Kapillare des Mesenteriums vom Frosch gleichzeitig registriert. oder weniger vollständig aufheben, und dieser Ausgleich wird bei der _ ungeheuren Zahl der Kapillaren ein nahezu vollständiger und die Störung im arteriellen Zufluss unmerklich sein. Die letzte der unter Punkt 2 fallenden Voraussetzungen für die Gültigkeit des Gesetzes ist die Benetzung der Röhrenwand durch die strömende Flüssigkeit. Über diese für den Blutstrom nicht leicht zu beantwortende Frage konnte bisher nicht völlige Klarheit geschaffen werden; doch ist die Mehrzahl der Untersucher !) über- zeugt, dass das Blut an der Gefässwand haftet und auch in dieser Hinsicht der Forderung des Poiseuille’schen Gesetzes genügt. 1) B. Lewy, Über die Adhäsion des Blutes an der Wandung der Blutgefässe. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899 S. 89; weitere Literatur bei Thoma, 1. c. S. 590, ER. Hess, 1. ce. ” 166 » K. Hürthle: Zu 3. Während der Physiker keine direkte Veranlassung hat, zu prüfen, ob das Gesetz auch bei nicht konstantem, sprungweise wechselndem Druck seine Geltung behält, ist die Entscheidung dieser Frage wegen der rhytbmisch wirkenden Triebkraft des Blutstromes für den Physiologen von Wichtigkeit. Theoretisch ist zu erwarten, dass die Bedingung für die Gültigkeit des Gesetzes so lange erfüllt ist, als die kritische Geschwindigkeit in keinem Zeitpunkt des rhyth- mischen Druckes überschritten wird. Tatsächlich zeigt ein Versuch mit Durchströmung von Glaskapillaren abwechselnd unter konstantem und rhythmischem (durch Rotation eines Hahns sprungweise ver- ändertem) Druck !), dass bei Anwendung von Druckschwankungen, in welchen die Schwankung ein Sechstel bis das Dreifache des Druck- minimums beträgt, eine Abweichung vom Gesetz nicht nachweisbar ist. Man kann daher nicht bezweifeln, dass durch die im Arteriensystem auftretenden Druckschwankungen eine Umwandlung der Lamipar- in Wirbelbewegung des Stromes nicht veranlasst wird, solange die - kritische Geschwindigkeit nicht überschritten wird. Zu 4. Dass die Geltung des Gesetzes nicht auf gerade und un- verzweigte Röhren beschränkt ist, ist schon länger bekannt. Jakobson?) hat seine bekannten Untersuchungen über das Poiseuiile’sche Gesetz auch auf verzweigte Röhren (in Form eines vierstrahligen Sterns) ausgedehnt und den Einfluss des Teilungswinkels untersucht mit dem Ergebnis, dass „die Summe der mittleren Ausflussgeschwindigkeiten der beiden Partialströme unabhängig von dem Teilungswinkel“ ist. Auch Rostalski°®) hat das Gesetz für Röhrenkombinationen mit Zweiteilung gültig befunden, „aber nur, sobald der Querschnitt der ersten Röhre gleich oder grösser ist als der Querschnitt einer der beiden anderen Röhren“. Nach Grüneisen*) schliesst auch Krümmung der Röhren die Gültigkeit des Gesetzes nicht aus; doch sind „gewundene Kapillaren mit Vorsicht zu gebrauchen und 1) K. Hürthle, Über eine Methode zur Bestimmung der Viskosität des lebenden Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 433. 1900. 2) Heinr. Jakobson, Beiträge zur Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860 $. 100. i 3) J. Berthold Rostalski, Die Erweiterung des Poiseuille’schen Gesetzes auf verzweigte Kapillarröhren. Dissertation. Breslau 1878. 4) E. Grüneisen, Über die Gültigkeitsgrenzen des Poiseuille’schen Gesetzes bei Bewegung tropfbarer Flüssigkeiten durch gerade und gewundene -Kapillaren. Wiss. Abh. d. physik.-techn. Reichsanstalt Bd. 4 S. 168. 1905. Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. 167 unbedinst auf die Gültigkeit des Gesetzes zu prüfen; schon bei geringer Durchflüssgeschwindigkeit werden Abweichungen vom Poiseuille’schen Gesetz merkbar“. Auch diese Feststellung ist für den Blutstrom von Bedeutung. Im Mesenterium des Frosches begegnet man nicht selten korkzieherförmig gewundenen Arterien mit zwei oder mehr Schlingen, in welchen die Bewegung des Stromes ebenso wirbelfrei erfolgt wie in den geraden Arterien. Dass auch in einem System verzweigter Röhren die Be- dingungen für die Geltung des Gesetzes erfüllt sein können, wird im ersten Teil der folgenden Abhandlung von Schleier gezeigt; in dem dort beschriebenen System von Glaskapillaren stimmt die theoretisch berechnete Triebkraft mit der experimentell gefundenen bis auf eine Abweichung von 7 °/o überein. Dass die Abweichung wesentlich grösser ist als die bei Durchströmung einer einzelnen Röhre als zu- lässig geltende, ist bei der grossen Zahl der verwendeten Röhren (126 Gabeln zu je drei Röhren) und bei der Unmöglichkeit einer idealen Verschmelzung und Verbindung der Röhren sowie einer ge- nauen Längenmessung nicht auffallend. Eine Prüfung der Proportio- nalität zwischen Druck und Stromvolum in diesem System innerhalb weiterer Grenzen vorzunehmen, wurde leider versäumt; doch ist kaum zu bezweifeln, dass diese erfüllt gewesen wäre. Die weitere Verwicklung, die dadurch veranlasst wird, dass die einzelnen Röhren des Systems der Blutgefässe nicht in einer Ebene liegen, sondern in allen möglichen Richtungen verlaufen, ist auch kein Hindernis für die Anwendung des Gesetzes; denn einerseits bildet die horizontale Lagerung auch für die einzelne Kapillare nicht - die Voraussetzung für die Gültigkeit, sondern nur eine Vereinfachung - der Berechnung, da ein vom Abweichungswinkel abhängiges Glied das bei nicht wagerechten Kapillaren den Einfluss der Schwere dar- stellt, in Wegfall kommt. Andererseits hebt sich die Wirkung der Schwere auf die einzelnen von der Horizentalen abweichenden Gefässe gegenseitig dadurch auf, dass diese in verschiedenen Ebenen verlaufen und mit den zugehörigen Venen kommunizierende Röhren bilden. _ Den experimentellen Beweis finden wir in den Versuchen der fol- genden Abhandlung, in denen ein System von Kapillaren durchströmt _ wurde, dessen Röhren auch nicht in eine Ebene gebracht werden konnten (s. S. 183). Et h% Die letzte unerlässliche Voraussetzung für die Geltung des Ge- 168 x K-Hürthle: setzes ist vollkommene Starrheit der Röhrenwand gegenüber den einwirkenden Drucken. Wird eine Strömung durch ein elastisches Rohr eingeleitet, das bei einem überall gleichen Innendruck (bei Ver- schluss der Mündung) überall gleichen kreisförmigen Querschnitt be- sitzt, so verwandelt sich der Zylinder beim Beginn der Strömung wegen des runmehr eintretenden ‚ Gefälles in einen Kegel, dessen Querschnittsunterschiede mit steigendem Gefälle zunehmen. Das Ge- setz kann daher in einem elastischen Schlauche keine Geltung haben, da eine Strömung in Form konzentrischer Hohlzylinder nicht möglich ist. Die. Störung der Proportionalität zwischen Druck und Strom- stärke muss um so ausgesprochener sein, je dehnbarer die Wand und je grösser das Gefälle ist. Experimentelle Untersuchungen an elasti- schen Schläuchen in dieser Richtung liegen meines Wissens nicht vor. Dagegen hat Verf. die Blutbahn verschiedener Organe, insbesondere der Hinterbeine des Hundes, unter gleichförmig steigendem und sinkendem Druck künstlich mit defibriniertem, durch Ringer-Lösung verdünntem Blut durchströmt derart, dass der Druck vom Werte Null auf 200 cm Wasser sich im Laufe von etwa 30 Sekunden erhob und in gleicher oder etwas kürzerer Zeit wieder senkte, während Druck und Stromstärke optisch registriert wurden !). Wie zu erwarten war, hat sich gezeigt, dass die Stromstärke rascher wächst als der Druck. Die folgende Tabelle gibt ein Beispiel der an der hinteren Extremität eines Hundes von 8 kg angestellten Versuche. Dec Stromstärke (ccm) cm Wasser pi? Druck- und Differenzen Zeiteinheit 30 0,0062 0,0028 60 0,0090 0,0023 30 0,0113 0,0017 120 0,0130 0,0011 150 0,0141 0,0005 180 0,0146 Die zweite Spalte der Tabelle enthält die Stromstärke pro Druck- (em Wasser) und Zeiteinheit (Sek.). Bei Gültigkeit des Poiseuille- 1) Die Versuche sind noch nicht veröffentiicht; sie wurden vor Beginn des Krieges mit Herrn cand. med. Schreiber begonnen und durch die Einziehung Schreiber’s unterbrochen; die Tabelle ist schon in Pflüger’s Arch. Bd. 162 S. 330 mitgeteilt. Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. 169 schen Gesetzes müssten die einzelnen Werte konstant bleiben; in der Blutbahn wachsen sie mit steigendem Druck wegen der Abnahme des Widerstandes, und zwar ungleichförmig, wie Spalte 3 der Tabelle zeict, da die Dehnbarkeit der elastischen Gebilde des tierischen Körpers nicht konstant ist, sondern mit steigender Belastung abnimmt. Da eine Störung der Proportionalität zwischen Druck und Ge- schwindiegkeit in gleicher Richtung auch bei Durchströmung von Glas- kapillaren mit Blut, wenn auch erst unterhalb einer gewissen Druck- erenze, beobachtet wird (s. S. 162), bleibt noch fraglich, wieweit die in der Tabelle zum Ausdruck kommende Abweichung durch die Elastizität der Bahn, wieweit sie durch die Eigenschaft des Blutes veranlasst ist. Da das zur Durchströmung verwendete Blut etwa dreifach verdünnt war und die Störung auch bei hohen Drucken sich erhielt, kann man schon aus diesen beiden Tatsachen den Schluss ziehen, dass sie wesentlich auf den Eigenschaften der Bahn beruht; dieser Schluss wird noch durch Versuche bestätiet, in denen als Durchströmungsflüssigkeit Ringer-Lösung ohne Zusatz von Blut ver- wendet wurde und das Ergebnis im wesentlichen unverändert blieb. Die Elastizität der Blutbahn bildet also das wesentliche Hindernis für die uneingeschränkte Anwendung des Poiseuille- schen Gesetzes auf den Blutstrom, nämlich desjenigen Teiles des Ge- setzes, welcher die Abhängigkeit der Stromstärke vom Druck aus- E drückt: im Blutstrom besteht keine Proportionalität wie in der Glas- kapillare. Die Abweichung von der Proportionalität muss um so stärker ausgeprägt sein, je dehnbarer das Gefässsystem ist, also ver- mutlich stärker bei jungen Tieren als bei alten !). Die vorstehend erörterten Punkte zusammenfassend, können wir über die Zulässigkeit der Anwendung des Poiseuille’schen Ge- setzes auf den Blustrom das Folgende sagen: Die Übertragung der Gesetzmässigkeiten, die von Poiseuille bei der Durchströmung starrer, gerader, zylindrischer, horizontaler 1) Bei der Vergleichung von Druckkurven der grossen Arterien zeigen sich grosse Unterschiede in der Art der diastolischen Senkung; bei manchen bildet diese eine fast gerade, meist aber eine gegen die Abszisse konvexe Linie. Es liegt nahe, anzunehmen, die ersteren entstehen durch eine geringe Abweichung von der Proportionalität zwischen Druck und Stromstärke, die letzteren durch eine stärkere; natürlich kommt bei der Erklärung auch die Art der Elastizität des Wind- kessels in Betracht. 170 K. Hürthle: Kapillarröhren mit homogenen Flüssigkeiten unter konstantem Druck gefunden wurden, auf den Blutstrom des gesunden lebenden Körpers wird weder durch die absoluten Werte der Geschwindigkeit der Strömung in irgendeinem Teil der Bahn unmöglich gemacht, noch durch die Inkonstanz der treibenden Kraft, noch durch den ver- wickelten Bau des in verschiedenen Ebenen ausgebreiteten Röhren- systems, noch endlich durch die geformten Elemente des Blutes; letzteres allerdings mit der Einschränkung, dass die Betrachtung nicht auf die eigentlichen Blutkapillaren ausgedehnt und auf physiologische Druckwerte beschränkt wird. Unter dieser Einschränkung finden wir in der Blutbahn diejenige Art der Strömung, welche von der Theorie des Gesetzes gefordert wird, das ist die Laminarbewegung in parallelen Stromfäden, frei von unregelmässigen Wirbeln. Dieses Ergebnis setzt uns in den Stand, ineiner ge- gebenen Blutbahn, deren Dimensionen wir innerhalb der zur Durchströmung verbrauchten Zeitals un- veränderlich ansehen dürfen, bei einem gegebenen Druck die Durchflussmenge oder bei gegebener Durch- flussmenge den zur Unterhaltung desStromes erforder- lichen Druck aus den Dimensionen der Bahn und der Viskosität des Blutes zu berechnen, desgleichen das Gefälle längs der ganzen Bahn. Dagegen ist es vorläufig un- möslich, die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit in der . Blutbahn theoretisch zu berechnen. Wir wissen nur, dass die im Poiseuille’schen Gesetz geltende Proportionalität beider Grössen nicht gelten kann und nicht gilt, weil die Dimensionen der elastischen Bahn mit der Änderung des Druckes nicht konstant bleiben. Wir können die fragliche Beziehung daher vorläufig nur empirisch fest- ‚stellen, und der Versuch hat in Übereinstimmung mit unseren Kennt- nissen von der Elastizität der Bahn gezeigt, dass die Stromstärke rascher wächst als der Druck. Hätten wir genaue Kenntnis von den Dimensionen der Bahn bei einem bestimmten Druck und von den elastischen Eigenschaften der einzelnen Abschnitte, so wären wir damit auch in den Stand gesetzt, die Beziehung zwischen Druck und Ge- schwindigkeit in der Blutbahn für die normalen Druckwerte zu be- rechnen. Für ganz geringe Drucke, unterhalb 30—40 cm Wasser, müsste ausserdem noch die durch den „elastischen Deformations- widerstand des Blutes“ veranlasste Störung in Rechnung gestellt Über die Anwendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes.auf den Blutstrom. 171 werden. Sehen wir aber von der Möglichkeit einer theoretischen Berechnung der Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit in der Blutbahn ab, so steht nichts im Wege, das Poiseuille’sche Gesetz auf den Blutstrom zu übertragen, da bei einem Druck von bestimmter Höhe die Durchflussmenge durch die Dimensionen der I koeffizienten 7 gegeben ist. 4 Bahn (7 der einzelnen Babnabschnitte) sowie durch den Viskositäts- Der Energieverbrauch in der Blutbahn. Von cand. med. Josef Schleier. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) (Mit 4 Textabbildungen.) Inhalt: Seite Fragestellung: 7: se ee le Se Rene ee 172 Erster Teil. Historisches... 2. mal ee a Me Se Be ee 173 Untersuchungen an einem Kapillarschema der Blutbahn: Gilt dasPoiseuille- . sche Gesetz für ein System verzweigter Röhren? ..... 2.2 .... 180 Zweiter Teil. Berechnung des Gefälles in der Bahn der Arteria mesenterica nach den Gefäss- messungen von Mall und in der Lungenbahn eines Hundes nach den Messungen von Miller. Vergleichurg des berechneten Gefälles mit dem experimentell bestimmten . . . .. 222 2.222... ET 190 Zusammenfassune a. ir are el er ee ee 203 Fragestellung. Die nachfolgenden Untersuchungen gehören, der Fragestellung nach, in die Reihe derjenigen, welche Hürthle zur Entscheidung der Möglichkeit angestellt hat, dass die Arterien sich aktiv an der Blut- bewegung beteiligen. Da diese Möglichkeit schwierig zu beweisen : oder zu widerlegen ist und eine einwandfreie Entscheidung bis heute nicht herbeigeführt werden konnte, ist es nützlich, der Frage von einer neuen Seite näherzutreten. Der leitende Gesichtspunkt ist der folgende: Wenn es möglich wäre, theoretisch die Kraft zu berechnen, welche der mit einer bestimmten Geschwindigkeit sich bewegende Blutstrom zur Überwindung der inneren und äusseren Reibung in einer cegebenen Bahn des Körpers verbraucht, so könnte man die theoretisch berechnete Kraft mit der vom Herzen tatsächlich auf- Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 173 gebrachten vergleichen, und dieser Vergleich würde zeigen, ob die Herzkraft zur Unterhaltung des Stromes ausreicht oder nicht. Wäre die berechnete Kraft wesentlich grösser als die gemessene, so müsste man in dem Ergebnis den Beweis erblicken, dass die vom Herzen er- zeugte Kraft zur Überwindung der Reibung unzureichend ist, und dass stromabwärts eine neue hinzukommen muss. Bei der allgemeinen Bedeutung dieser Frage habe ich mich der von Herrn Geheimrat Hürthle gestellten Aufgabe gern unterzogen, diegemessenenund berechneten Kräfte desBlutstromes miteinander zu vergleichen. Erster Teil. Historisches, Eine Berechnung des Energieverbrauchs in .der Blutbahn nach allgemein anerkannten Grundsätzen ist ohne weiteres nicht möglich, da über die Grösse des Druckverbrauchs in den einzelnen Abschnitten der Bahn noch widersprechende Ansichten herrschen, je nach der Methode, deren sich die einzelnen Autoren zu ihrer Entscheidung be- dient haben. Drei verschiedene Wege wurden hierzu benutzt: erstens die experimentelle Bestimmung des Blutdruckes in den einzelnen Ab- teilungen der Bahn, zweitens die Bestimmung des Gefälles in einem schematischen, der Blutbahn nachgebildeten System von Glasröhren und drittens die Berechnung des Gefälles auf Grund theoretischer Vorstellungen. Da die Ergebnisse der verschiedenen Methoden zum Teil einander widersprechen, muss die eine oder andere von ihnen mit wesentlichen Fehlern behaftet oder unter unrichtigen Voraus- setzungen angewandt worden sein. Allerdings muss man sich von vornherein darüber klar sein, dass auch dieselbe Methode an derselben Bahn nicht stets dieselbe Form des Gefälles ergeben kann, da eben die Bahn keine dauernd gleichbleibende Gestalt hat. Bei der Ände- rung der Querschnitte, die mit dem Wechsel des Tonus einhergeht, muss auch das Gefälle ganz verschiedene Werte annehmen. Zunächst handelt es sich aber um die Gewinnung von Mittelwerten, die für normalen Tonus der Gefässe gelten. Aber auch darüber gehen die Meinungen wesentlich auseinander. Nach den älteren Anschauungen ist der Druckverlust bis in die kleinsten, einem Manometer zugäng- lichen Arterien, ja sogar bis in den Übergang der Kapillaren in die Venen sehr gering, während neuerdings Beobachtungen und Über- 174 Josef Schleier: legungen übereinstimmend zur Vorstellung führen, dass der Druck schon im Gebiet der kapillaren Arterien den grössten Teil seiner ur- sprünglichen Höhe eingebüsst hat. Betrachten wir zunächst die Ergebnisse der direkten Bestimmung des Blutdruckes in zwei Arterien, welche verschiedenen Abstand vom . Herzen haben, so begegnen wir schon in der ältesten, aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammenden Literatur einem Widerspruch, der zwischeu den Messungen von Poiseuille und den- jenigen Volkmann’s besteht. Während Poiseuille!) angibt, dass er eine völlige Gleichheit des Druckes (bis auf die zweite Dezimale!) in der Karotis und der Arterie eines Schenkelmuskels beim Pferde beobachtet habe, nämlich 146,68 mm He, findet Volkmann?) beim Kalb zwischen der Karotis und der Arteria metatarsi eine Druck- differenz von 27 mm Hg; da der Druck in der Karotis 116 mm Hg be- trug, würde ein Druckverlust von 23°/o vorliegen. Zu diesem Wider- spruch hat schon E. H. Weber?) Stellung genommen, und zwar gegen Volkmann. Er stützt sich dabei hauptsächlich auf die theoretischen Betrachtungen von Thomas Young‘), nach welchen der Druck- verlust von der Aorta bis zu den Arterien von "ırz enel. Zoll (= 0,15 mm) Durchmesser nur einer Wassersäule von 8 Zoll = 20 em) "Höhe entsprechen würde, und meint, dass die hydraulischen Unter- suchungen Volkmann’s sich mehr für einen rechnenden Physiker, wie Th. Young, als für einen Physiologen eignen. Die Vorstellung, welche er über den Druck des Blutes in den Arterien sich gebildet habe, halte er durch Volkmann’s Versuche nicht für widerlegt. Dem Gewicht des Urteils von E. H. Weber ist es zuzuschreiben, dass sich diese Ansicht bis in die neuere Zeit erhalten hat, so dass zum Beispiel Rollet°) in seiner Darstellung des Blutkreislaufs diese Ansicht mit den Worten vertritt: „Die vom Herzen aufgebrachte ‘ Kraft wird vorzugsweise zur Überwindung der Widerstände in den Kapillaren verwendet.“ Zu einer wesentlich anderen Vorstellung über die Lage des Haupt- 1) Poiseuille, Recherches sur la force du coeur aortique &a Paris 1828, p. 32-36. 2) Volkmann, Die Hämodynamik. Leipzig 1850. S. 168. 3) Weber, Über die Anwendung der Wellenlehre auf die Lehre vom Kreis- laufe des Blutes und insbesondere auf die Pulslehre. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851 S. 497. 4) Siehe S. 176. 5) Rollet, Hermann’s Handb. d. Physiol. Bd. 4 S. 322. 1880. Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 175 widerstandes führten die Messungen von Bogomolez!), dem es ge- lungen ist, den Druck noch in Gefässen von 0,1 mm Durchmesser ex- perimentell zu bestimmen, und zwar durch Einstechen der Hohlnadel einer Injektionsspritze, welche mit einem Quecksilbermanometer ver- bunden war, in kleinste Gefässe. Das Ergebnis seiner am Kaninchen- . ohr angestellten Messungen entnehmen wir dem folgenden Versuch: Der Druck in der Karotis betrug 133, in einer Ohrarterie (von 0,1 mm Durchmesser) 14 und in einer Vene (von 0,25 mm Durchmesser) 9 mm He. Nach Erzeugung einer Hyperämie durch Überhitzung be- trugen die gemessenen Werte auf der anderen Seite desselben Tieres: Karotis 133, Arterie (von 0,4 mm Durchmesser) 65 und Vene (von 0,25 mm Durchmesser) 22 mm Hg. Wir müssten demnach annehmen, dass bei normalem Tonus in der arteriellen Bahn bis zu den Arterien von 0,1 mm Durchmesser etwa 90° des arteriellen Druckes ver- braucht werden, im Kapillargebiet aber, nämlich in den Arterien von 0,1 bis zu den Venen von 0,25 mm Durchmesser, weniger als 4%o. Durch Herabsetzung des Tonus wurde das Gefälle derart verändert, dass es bis zu den kleinen Arterien geringer wird und nur etwa 50 %/o des Druckes verbraucht werden, im Kapillargebiet aber stärker, näm- lich von 4 auf 40°/o des Gesamtdruckes steigt. Dieses Ergebnis steht bezüglich der absoluten Werte des Druckes in Widerspruch mit den älteren unblutigen Bestimmungen des Kapillar- druckes nach dem v. Kries’schen Verfahren, welche Werte von etwa 40 mm Hg lieferten?).. Auch die unter mikroskopischer Kontrolle ausgeführten Messungen von Lombard lieferten ähnliche Werte. Lombard?) beziffert die zur Entleerung notwendigen Druckwerte für den subpapillären Venenplexus. . 10—15 mm Hg kleinste Venen, nahe der Oberfläche 15—20 „ , die am leichtesten .entleerbaren / Kapillaren 0... 0. 0202...15229,, 0% mittlere Kapillaren. . . 35 —45 IE widerstandsfähigste Koniliaren nd kleinste Arterien . . . .» . 60-70 „ , 1) Bogomolez, Über den Blutdruck in den kleinen Arterien und Venen (den Kapillaren nahestehenden) unter normalen und gewissen pathologischen Ver- hältnissen. Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 118. 1911. 2) Eine Zusammenstellung der verschiedenen Muse findet sich bei Basler, Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 348. 3) W. P. Lombard, Americ. Journ. of Pbysiol. vol. 29 p. 355. 1912. 176 Josef Schleier: Dagegen findet Basler!) mit Hilfe seines Ochrometers, in welchem die Farbe eines normalen Fingers mit der eines unter erhöhten Luft- druck gesetzten verglichen wird, Werte für den Kapillardruck von gleicher Höhe wie Bogomolez, nämlich 6—10 mm Hg. Dieses Er- gebnis der unblutigen Druckmessung verdient um so mehr Zutrauen, ‚als es von Basler?) durch ein Verfahren kontrolliert worden ist, bei welchem die Kapillargefässe durch Eiustich in die Haut eröffnet und der Druck des austretenden Blutes manometrisch bestimmt wurde: dabei ergaben sich übereinstimmende Werte von 6—10 mm Hg. Wir werden also durch drei verschiedene Methoden, an denen ein Fehler vorläufig nicht nachzuweisen ist, zu der Vorstellung geführt, dass im Kapillargebiet, und zwar schon in den Arterien von 0,1 mm Durch- messer, der grösste Teil des Druckes, nämlich gegen 90 %/o, verbraucht ist. Diese Vorstellung ist zunächst durchaus nicht einleuchtend; be- denkt man, dass der Widerstand mit der Abnahme der Durchinesser in der vierten Potenz wächst, so wird man sich nicht so leicht davon überzeugen lassen, dass zur Überwindung der Reibung in den Arterien von 0,1—0,01 mm Durchmesser und in den eigentlichen Kapillaren ein Druck von weniger als 10°/o des arteriellen — ein Teil wird ja noch in den Venen verbraucht — zur Bewegung des Blutes aus- reichend sein soll, während 90°/o für die Arterien bis 0,1 mm Durch- messer in Anspruch genommen werden sollen. Man muss sich aber daran erinnern, dass die absoluten Längen der kleinsten Gefässe sehr gering sind und ebenso die darin herrschenden Geschwindigkeiten, und dass der Druckverlust ausser vom Querschnitt von diesen Faktoren abhängt. Zu einer überzeugenden Vorstellung wird man daher nur durch eine quantitative Bestimmung der beteiligten Faktoren gelangen. Theoretische Untersuchungen über den Energieverbrauch in der Blutbahn sind zuerst von Th. Young?) angestellt worden. Er be- stimmte zunächst experimentell den Druckverlust in Glasröhren, die mit Salzlösungen durchströmt wurden, und übertrug das Ergebnis auf eine ideale Aortenbahn, deren Stamm von 1,9 cm Durchmesser 1) Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.393. 1912. 2) Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der ınenschlichen Haut. I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 345. 1914. 3) Th. Young, The Croonian Lecture. On the functions of the heart and arteries. Philos. Transactions of the Royal Soc. of London 1809. 8. 1. ERRANG Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 17 sich 29 mal derart in je zwei Äste teilt, dass die Summe der Astquer- schnitte jeweils das 1,26fache des Stammquerschnitts ist. Herrscht nun im Stamm eine Sekundengeschwindigkeit von 21,5 em (75 Herz- schläge zu 42 ccm), so berechnet sich der Druckverlust von der Aorta bis zur 25. Teilung (Röhren von 0,15 mm Durchmesser) für den Fall, dass Wasser durch das System fliesst, zu etwa 5 cm Wasser. Da Young für Blut eine viermal grössere Reibung annimmt, würden auf der genannten Strecke der Aortenbahn 20 cm Wasser verlorengehen. Dieses Ergebnis bildete für Weber eine nicht unwesentliche Stütze seiner Windkesseltheorie, da geringer Widerstand Bedingung für die Wirkung eines Windkessels ist, steht aber in Widerspruch zu den er- wähnten Messungen von Volkmann und insbesondere zu denen von Bogomolez. Der Widerspruch findet seine Erklärung darin, dass Young die Reibung umgekehrt proportional dem Röhrendurchmesser wachsen lässt und nicht seiner vierten Potenz, wie Poiseuille forderte. Bedauerlicherweise hat dieser das Ergebnis seiner berühmten Untersuchungen nicht zur Berechnung des Gefälles in der natürlichen oder einer schematischen Bahn benützt; in diesem Falle wäre er auf den starken Widerspruch geführt worden, der zwischen dem theoretisch zu erwartenden Gefälle und seinem oben (S. 174) erwähnten Tierversuch (völlige Gleichheit des Druckes in Karotis und der Arterie eines Schenkelmuskels) besteht, dessen Zuverlässigkeit übrigens schon von Volkmann!) beanstandet worden ist. Eine theoretische Verfolgung des Druckverbrauches unter Zu- - grundelegung des Poiseuille’schen Gesetzes ist erst von B. Lewy?) angestellt worden. Lewy trat vor allem der Ansicht entgegen, dass der Hauptdruckverlust in den Kapillaren stattfinde. Bei Einsetzung - ihrer Dimensionen, der darin herrschenden Geschwindigkeit und des Koeffizienten der Blutviskosität in die Poiseuille’sche Formel er- gibt sich vielmehr: „Im’ Maximum wird sonach höchstens etwa der 14. Teil des ganzen Blutdruckes für die eigentlichen Kapillaren ver- braucht; es kann gar nicht die Rede davon sein, dass der Hauptteil des Gefälles auf die Kapillaren entfällt.“ | Bei der weiteren Übertragung der Berechnungen auf ein schema- tisches Verzweigungsgebiet einer Arterie von 0,5 mm Durchmesser 1) 1. ce. S. 160ff. : 2) Benno Lewy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 8.447. 1897. ; Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 12 178 Jasef Schleier: zeigte sich, „dass nicht die allerkleinsten, sondern die unmittelbar vor ihnen gelegenen Abschnitte des Systems das grösste Gefälle“... una „dass die kleinen Venen keinen nennenswerten Anteil des Gefälles für sich beansprucher“. Zu einem Ähnlichen Ergebnis bezüglich des Druckverbrauches in den Kapillaren gelangte Campbell!) auf Grund einer anatomischen Betrachtung: Würde in den Kapillaren ein erheblicher Druckverbrauch stattfinden, d. h. wäre der Druck im arteriellen Ende erheblich grösser als im venösen, so müssten die Kapillaren wegen ihrer dünnen und dehnbaren Wand kegelförmige Gestalt annehmen; da eine solche aber nicht festzustellen ist, kann das Gefälle in ihnen nur gering sein. Gegen diese Überlegung kann man aber einwenden, dass die dünne Kapillarwand in den Geweben ein Widerlager besitzt, durch welches ihre Dehnung sehr herabgesetzt wird. Vergleicht man nun die experimentellen Bestimmungen des Druck- verlustes von Volkmann und Bogomolez mit dem Ergebnis der theoretischen Berechnung Lewy’s, so zeigt sich eine durchaus be- friedigenfle Übereinstimmung, und man könnte die darauf begründete Vorstellung vom Gefälle der Blutbahn als gesicherte Tatsache be- trachten, wenn dem nicht ein von Adolf Fick?) beschriebener Ver- such entgegenstehen würde. In diesem wurde ein System von Glasröhren er wandt, in welchem sieh ein Stammrohr von 8 mm Durchmesser dreimal in drei Äste derart teilte, dass allemal der Durchmesser der. Zweige etwa drei Viertel von dem des Stammes war. Dabei vergrösserte sich der Ge- samtquerschnitt des Systems etwa auf das Vierfache. _ An diese ar- terielle Seite des Systems schloss sich eine venöse von gleichen Ab-. messungen. Von einer Vergrösserung des Venenquerschnitts im Ver- gleich zum arteriellen sah Fiek augenscheinlich ab, um der Vor- stellung entgegenzutreten, dass „eine Zone vor den Kapillaren im arteriellen Teile des Systemes gerade soviel, Widerstand bietet als eine Zone mit gleich engen Röhren hinter den Kapillaren im venösen Teile“. „An sechs Punkten des Schemas waren kleine Seitenzweige angebracht und mit senkrechten oben offenen Glasröhren verbunden, 1) Harry Campbell, The resistance to Kine est: flow. Journ. of Physiol. vol. 23 p. 301. 1898/99. 2) Adolf Fick, Über den Druck in den Blutkapillaren. Pflüger’s Arch. Bd. 42 S. 482. 1888. ; Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 179 um den Druck an diesen Stellen in Wasserhöhe zu beobachten.“ Bei der Durchströmung, bei welcher 1 Liter Wasser in 26 Sekunden durch das Schema floss, ergab sich nun, dass auf 20 em Röhrenlänge auf der arteriellen Seite ein Gefälle von nur 3 cm kam, auf der venösen dagegen von 39 cm, also dem 13fachen von dem entsprechenden Ge- fälle auf der arteriellen Seite. „Hiernach dürfte also der Satz als experimentell bewiesen zu be- trachten sein: Im Blutgefässsystem herrscht bis zu den Kapillaren ein sehr unbedeutendes Gefälle, so dass in diesen noch nahezu der ar- terielle Blutdruck besteht; in den Anfäugen des venösen Abschnittes sinkt er dann sehr rasch zu den in den Venen mittleren Kalibers be- obachteten schon sehr geringen Werten.“ Über die Ursache der Verschiedenheit des Gefälles auf der arteriellen und venösen Seite macht sich Fick folgende Vorstellung: „Der Gang der Druckkurve längs des verzweigten Gefässsystemes muss also durch die besonderen. Verhältnisse der Widerstände an den Verzweigungsstellen bedingt sein. Mit anderen Worten, es muss an einer Verzweigungsstelle, wo das Strombett wächst, der Widerstand besonders klein, an einer, wo das Strombett abnimmt, besonders gross sein.“ Gegen die Übertragbarkeit des Fick’schen Versuches auf den Blustrom hat zwar schon Gad!) allgemeine theoretische Bedenken und den besonderen Einwand erhoben, „dass das Blutgefässsystem durch Überwiegen der Weite der Venen über die Weite der Arterien unsymmetrisch ist, und dass diese Asymmetrie dem von Fick in den Vordergrund gestellten Faktor entgegenwirken muss“. Allein auch Gad kann eine Erklärung für den Unterschied im Gefälle der beiden Seiten des Fiek’schen Schemas nicht geben und lässt die Frage un- beantwortet, ob an den Verzweiegungsstellen besondere Widerstände auftreten, die das Gefälle bei der Erweiterung des Strombettes anders . - beeinflussen als bei der Verengerung. Dass ein solcher Faktor be- steht, kann nach dem Fiek’schen Versuch kaum bezweifelt werden. Die Frage ist nur, ob er sich in jedem System verzweigter Röhren geltend macht oder nur unter den von Fiek benützten Versuchs- bedineungen. Zwischen dem Fiek’schen Schema und der Blutbahn besteht nun der wesentliche Unterschied, dass die Querschnitte der | 1) J. Gad, Über den Druck in den Blutkapillaren. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 2 Nr. 2. 1888. ai 12* 150 Josef Schleier: Fiek’schen Röhren und die darin verwendeten Geschwindiekeiten sehr viel grösser sind als in der Blutbahn. Im erwähnten Versuch von Fick betrug nämlich die Geschwindigkeit in der Stammröhre ca. 80, in den „Kapillaren* ca. 19 cm/Sek. Bei solchen Werten ist aber höchstwahrscheinlich die kritische Geschwindigkeit überschritten und Wirbelbildung vorhanden, die an den Teilungsstellen der Röhren eine ganz andere Wirkung als an den Sammelstellen entwickeln und die Erklärung für das Fieck’sche Ergebnis liefern kann. In der Blutbahn würde der fragliche Faktor wegen der linearen Strömung !) vollständig in Wegfall kommen. Untersuehungen an einem Kapillarschema der Blutbahn: Gilt das Poiseuille’sche Gesetz für ein System verzweigter Röhren? Ob der in dem Fick ’schen Schema beobachtete Unterschied des Widerstandes auf der arteriellen und venösen Seite tatsächlich auf _ den Mangel einer linearen Strömung zurückzuführen ist, kann nur experimentell entschieden werden; ich habe daher den Fick’schen Versuch an einem Schema wiederholt, welches vermutlich eine wirbel- freie Strömung gewährleistet, das ist an einem Schema von Glaskapil- laren; abweichend vom Fick’schen wurde es so ausgeführt, dass die Röhren der Abflusshälfte etwa den doppelten Querschnitt der Zuflusshälfte bekamen, und dass an den Verzweigungsstellen Zwei-, nicht Dreiteilung stattfand. Ferner wurde es so hergestellt, dass sein Widerstand in allen Teilen theoretisch berechnet und mit dem experimentell zu be- stimmenden verglichen werden konnte. Seine Ausmaasse mussten also genau bekannt sein. Die Herstellung eines solchen Systems ist sehr mühsam und zeit- raubend. Zunächst stellt die Prüfung der Glasröhren auf kreisförmigen - Querschnitt (durch mikroskopische Messung) sowie auf Gleichförmigkeit des Lumens (durch Verschiebung von Quecksilberfäden) eine erhebliche Arbeit dar. Von einer grossen Zahl der käuflichen Kapillaren genügen nur wenige den genannten Anforderungen. An den brauchbaren Stücken wurden dann die absoluten Werte der Querschnitte durch Wägung von Hg-Fäden bestimmt und die Stücke nach wachsenden Querschnitten in eine Reihe geordnet. Die fertigen Kapillaren wurden dann vom Glas- bläser zu Gabelröhren verarbeitet. Um sicher zu sein, dass die ver- schiedenen Röhren nicht. vom Glasbläser verwechselt wurden, wurden diesem jeweils nur die zu einer Reihe gleichförmiger Gabeln gehörenden 1) Siehe die vorhergehende Abhandlung von Hürthle. uhr Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 181 Röhrenstücke, auf denen jeweils der Durchmesser durch zwei Etiketten vermerkt war, zur Verarbeitung übergeben. Er hatte die schwierige Aufgabe, die Gabel so herzustellen, dass an den Verschmelzungsstellen unter allen Umständen Verengerungen, aber auch Erweiterungen tunlichst vermieden werden. Vollkommene Gleichförmigkeit des Überganges liess sich allerdings nicht erzielen; vielmehr entstanden an den Verzweigungs- stellen beim Verblasen Auftreibungen bis etwa auf das Doppelte des Querschnitts, die im Stiel und in den Ästen je eine Länge von 2 bis 3 mm einnehmen. Die Gabelwinkel schwanken zwischen 45° bei dem Stamm- und ca. 20° bei den letzten Gabeln. Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, die einzelnen Gabeln durch Verschmelzen der Röhren zur Bahn zu vereinigen. Allein diese ‚Art der Verbindung wäre technisch zu schwierig gewesen. So musste ich mich damit begnügen, die einzelnen Gabeln durch Gummischlauch- stücke zu verbinden. Dadurch entstanden zwischen den einzelnen Ka- pillaren Spalten (wenn auch sehr schmale) mit starker Erweiterung des Lumens, die, wie wir später sehen werden, der Füllung der Bahn er- hebliche Schwierigkeiten bereiteten. Ferner liess es sich nicht erreichen, alle Gabeln in einer Ebene auszubreiten. Die Ebenen der Gabeln höherer Ordnung lagen schräg, die der höchsten senkrecht zur Ebene der Bahn. Das kann aber auf das Gefälle keinen merklichen Einfluss haben, da Anfang und Ende der Bahn in einer Ebene lagen. Zur Anbringung der Druckmesser, bestehend aus Glasröhren von 8 mm Durchmesser, wurden die am Rande liegenden Gabeln durch T-förmige Verbindungsstücke aus Gummi, die für diesen Zweck besonders hergestellt wurden, vereinigt. Der vertikal gestellte freie Schenkel dieser Verbindungsstücke wurde mit dem Manometerrohr verbunden. Zwischen der Reihe 6 und 7 wurde zur Kontrolle auf der anderen Seite der Bahn eine weitere Steigeröhre eingeschaltet, so dass der Druck auf diesem Querschnitt der Bahn doppelt angezeigt wurde. Das ganze Schema wurde zwecks leichterer Handhabung auf ein Brett befestigt, an dessen einer Seite ein Gestell zur Fassung der Steigeröhren angebracht war. Nach Vereinigung der Gabeln durch die Gummistücke betrug die Länge des Schemas 130, seine Breite 37 cm. Die Grössenverhältnisse des Schemas sind in Tabelle 1 (S. 182) zusammengestellt. Das Schema ist aus 126 einzelnen Gabeln zusammengesetzt. Ein Zuflussstammrohr löst sich unter fortgesetzter dichotomischer Teilung in 64 Äste auf, um sich auf der Abflussseite mit derselben Zahl von Ästen wieder zu einem Stammrehr zu sammeln. Über die Bezeichnung der einzelnen Abschnitte des Schemas gibt die Abb. 1 (S. 183) Aufschluss. Die Zunahme des Gesamtquerschnittes (vgl. die Abb. 2 S. 186) konnte nicht in ganz gesetzmässiger Weise erfolgen, weil die brauch- baren Kapillaren leider nicht in der Zahl und Mannigfaltigkeit S.0- Ae To (Summe der dQuerschnitte der Äste / Querschnitt des Stammes) zur Verfügung standen, dass der Erweiterungsquotient 182 Josef Schleier: Tabellel. Die Dimensionen des Schemas. Gabel- Gabel- Gabel- Gabel- reihe 1 reihe 2 reihe 3 reihe 4 a b a ah a | b a b I. Die Anzahl der Röhren 1 2 | 2 4 4 8 | 8 | 16 II. Ihre Länge in mm. . . 150 | 658 65 | 58 bh) 45 45 | 38 III. Maxima und Minima der an | 1 2415 10,306 | 0,297 0,293 | 0,293, 0,982 ee | ee EL) 310, 0,297 10,296 0,289] 0,291 0,280 IV. Radius der Röhren in % mm (Mittel). . . 0,162 0,159 [ 0,159/0,155 | 0,155 0,150 | 0,148 0,146 | 0,146 0,141° V. Einzelquerschnitt inqmm ; | gr (Mittel Dr 0,083,0,080 | 0,0790,075 | 0,075 0,071 | 0,069 0,067 0,067| 0,0637 VI. Gesamtquerschn. in qnm | 0,083 0,160 | 0,159/0,302 | 0,302 |0,565 | 0,551 1,071 |1,067 1,994 Fortsetzung der Tabelle 1. er Gabel- Gabel- Gabel- Gabel- Gabel- Gabel- Gabel- z reihe 6 reihe 7 reihe 8 reihe 9 reihe 10 reihe 11 reihe 12 an u a) Dre re 32 el |. Ar 3: @ a 22108 | 50 30 | 30 50 | 25 35 | 35 45 45 55 BB) 5165 0,290 | 0,282 | 0,286 | 0,383 | 0,392 | 0,435] 0,435 | 0,479 | 0,476 | 0,532 | 0,523 Fü 535 [0.597 0,283 | 0,272 | 0,272 | 0,328 | 0,381 | 0,408] 0,407 | 0,469 | 0,469 | 0,527 ] 0,521 |) i 0,143 | 0,139 | 0,139 0,175 | 0,192 | 0,212] 0,208 | 0,237 | 0,237 0,265 0,261 | 0,267 | 0,269 0, 0,064 | 0,061 | 0,060 | 0,096 | 0,116 | 0,141| 0,136 | 0,177 | 0,176 | 0,220 0214| 0,224 | 0,227 0, 2,046 | 3,888 | 3,870 | 3,064 | 3,716 | 2,265] 2,177 | 1,418 | 1,411 | 0,880 0,855 | 0,449 | 0,453 auf der arteriellen und venösen Seite hätte konstant gehalten werden können; immerhin schwankt er bei den einzelnen Teilungen auf der Zuflussseite nur zwischen 1,85—1,94, auf der Abflussseite zwischen 1,46 und 1,90. Auch die Röhrenlängen ändern sich nicht ganz ge- setzmässig; ursprünglich war geplant, die Röhren auf der Zuflussseite in arithmetischer Reihe abnehmen und auf der Abflussseite ebenso zunehmen zu lassen, und das ist von Reihe 5a aufwärts und 8a ab- wärts auch der Fall. Die Gabeln der mittleren Reihe aber wurden Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 183 zunächst ungekürzt so verwendet, wie sie der Glasbläser geliefert hatte, und sollten erst nach einigen Probeversuchen gekürzt werden. Von der Kürzung der Röhren und Wiederholung der Ver- suche wurde aber Abstand eenommen, da gleich die ersten Versuche ganz be- | | | | friedtgend ausfielen; dazu re kam, dass die Gummistücke bald unbrauchbar wurden, | ER 5 . RE Gabel ZT @ 5 dass ein Ersatz nicht möglich BE: 1 IF usm r r Wert der a Ban es DENE Abb. 1. Schema der Verästelung und Bezeich- Untersuehungendurch dieUn- nung der einzelnen Abschnitte. An den mit regelmässigkeit der Röhren- * ee au längen nicht beeinträchtigt wird. Der Anfang des Zufluss- und das Ende des Abflussrohres waren kegelförmig erweitert worden, um hier einen besonderen Druck- verlust zu vermeiden '). Füllung und Durchströmung des Systems. Das Stammrohr des Systems wurde unter Zwischenschaltung eines T-Rohrs, sowie eines Hahns mit einer am Boden tubulierten Flasche von etwa 5 Liter Inhalt verbunden, die mit destilliertem und mehr- fach filtriertem Wasser gefüllt war. Der freie Schenkel des T-Rohrs diente zur Anbringung einer Steigröhre, durch welche der Druck am Anfang des Systems gemessen wurde (H der Tabellen 2 und 3, S. 185 und 188). Zur Herstellung der treibenden Kraft wurde die Wasserflasche mit einer zweiten viel grösseren Flasche (von etwa 50 Liter Inhalt) ver- bunden, in welcher der gewünschte Druck mit Hilfe einer Fahrrad- pümpe hergestellt und reguliert wurde. Ihr Gummistöpsel hatte drei Bohrungen, durch welche zwei kurze, gebogene und eine gerade, 1,6 m lange Steigeröhre gesteckt waren. Letztere reichte bis zum Boden der Flasche, der mit einer 6 cm hohen Wasserschicht bedeckt war; die kurzen, gebogenen Röhren dienten zur Verbindung mit der Fahrrad- pumpe bzw. der Wasserflasche. Da sich zu dem in der Luftflasche 1) K. Hürthle, Über die Änderung des Seitendruckes bei plötzlicher Ver- engerung der Strombahn. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 443. 1900. 184 Josef Schleier: herrschenden Druck der langsam sinkende der Wasserflasche addiert, _ musste zur Bestimmung des Druckes am Anfang des Systems das ge- nannte T-Rohr eingeschaltet werden, dessen freier Schenkel in eine Steigeröhre mündete. | Die luftfreie Füllung des Systems mit destilliertem Wasser be- reitete einige Schwierigkeiten, da sich in den Spalträumen zwischen den durch Gummistücke verbundenen Glaskapillaren Luft befindet, die schwer zu entfernen ist. Zu diesem Zweck muss das ganze System senkrecht gestellt werden, nachdem die zur Anbringung der Steigröhren bestimmten freien Schenkel der T-förmigen Gummiröhren durch Klemmen verschlossen worden sind. Man erzeugt dann in der Luftflasche einen Druck von etwa 1!/s m Höhe und lässt das Wasser in dem System aufsteigen, während man die Verbindunesstellen mit dem Finger beklopft, um die Entfernung der Luft zu beschleunigen. Zu geeigneter Zeit müssen auch die Klemmen der Gummigabeln ge- öffnet werden, damit auch aus ihnen die Luft verdrängt wird. Nach beendeter Füllung wird das Schema wieder horizontal ge- lagert, die Steigröhren eingesetzt und die Durchströmung in Gang gebracht. Der eigentliche Versuch kann natürlich erst dann be- ginnen, wenn in allen Steigröhren Konstanz des Druckes eingetreten ist. Diese vorbereitende Durchströmung nimmt mehrere Stunden in Anspruch, wobei die Wassersäulen der im Kapillargebiet liegenden Steigeröhren am langsamsten ihren gleichbleibenden Stand erreichen. Dabei ist sehr wichtig, dass während dieser Zeit der Druck am An- fang des Systems (in der Steigröhre 7) tunlichst konstant erhalten wird, da dies die Voraussetzung für die Konstanz der übrigen Druck- messer ist. Vollkommen gelang die Konstanthaltung des Druckes am Anfang des Systems nicht, so dass hierin eine allerdings nicht wesent- liche Fehlerquelle der Versuche liegt. Die Druckhöhen wurden an einem an den Steigeröhren befestigten Maassstabe abgelesen. Da in den Versuchen nicht allein das Gefälle experimentell be- stimmt, sondern auch theoretisch berechnet werden sollte, war auch eine experimentelle Bestimmung der Durchflussmengen erforderlich. Zu diesem Zweck wurden die Ausflussmengen mit Hilfe der in Pfiüger’s Archiv Bd. 82 S. 420 beschriebenen Wippe ge- sammelt und durch Wägung bestimmt. Die Zeit der Durchströmung, die sich in den unten angeführten Versuchen über eine Viertelstunde erstreckte, wurde durch eine Stoppuhr ermittelt. Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 185 In dieser Weise wurden sechs Versuche angestellt, die nur ganz geringe Abweichungen untereinander zeigten; es genügt daher, einen ausführlicher zu besprechen. Sein Ergebnis ist in Tabelle 2 zu- sammengestellt. Tabelle 2. Druck in den Druckverlust in den einzelnen Abschnitten Den Steigeröhren. des Schemas. cm W pro 1 cm cm W. gemessen | berechnet Länge er eleliele] w en mlmgts m] me ala ml) a m een ee Mllvzl oa om ea ai U 99) NM en ml wg | 2 ee eluteia| m elle a | ale Eee | ee a | | Summe | 93,4 | 87,0 | Summe 87,0 Tabelle, enthaltend die beobachteten Manometerstände Z—M;, sowie die theoretisch berechneten Druckverluste Ah— Az bei Durchströmung des Schemas von der Seite der kleineren zu der der grösseren Querschnitte mit dest. Wasser von 185° C. Die in 15 Minuten ausgeflossene Menge hatte ein Gewicht von 6,6596 & — 6,6696 ccm. Die abgelesenen Manometerstände sind in Spalte 2 der Tabelle verzeichnet, in Spalte 1 die Bezeichnungen der Druckmesser. H be- deutet den Gesamtdruck, der im Schema verbraucht wird, gemessen 186 Josef Schleier: in der zwischen der Wasserflasche und dem Stammrohr eingesehalteten Steigeröhre. Mit M sind die in den Steigeröhren des Schemas ab- gelesenen Drucke bezeichnet. M, entspricht dem Druck der Steige- a Ai E 38 Bali + | ! | 36 IB Di H | | e 1 Be | j| 32 1 Yeeien : 1 S [ | | “ 5 abe er >S 24 : In laen e S z 7aR S Ä \ N 700 a 30:8 ! R 0a | | 183 | | : a | 2 80 \ i Be ES 70 x Se el 74 60 ei! i\ 12 F 50 AL In + Al Il 70 V u 40 u 98 SE h SEARNzE nz 20 N N: 04 S ö 701 fe En — rn 92 o 57. Seren an 7) a aaa denen 7 toaeleaelsne ine nlne ton aronter ee Abb. 2. Vergleich des gemessenen mit dem berechneten Gefälle. gemessenes Gefälle, --—- -— berechnetes Gefälle, Sao — ° Einzelquerschnitt, Sms — Gesamtquerschnitt. E a) rechtläufige Durchströmung von dem arteriellen zum venösen Abschnitte der Bahn. b) rückläufige Durchströmung von dem venösen zum arteriellen Abschnitte der Bahn. röhre zwischen der Reihe 1 und 2 des Schemas, M, dem Druck zwischen Reihe 2 und 3 usw. bis M,.. Der durch den Kontrollmesser zwischen Reihe 6 und 7 angegebene Druck ist M,' benannt. Graphisch ist das Gefälle durch die ausgezogene Linie a in Abb. 2 dar- & $ Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 1897 gestellt. Diese zeigt, dass das Gefälle im vorliegenden System einen sanz anderen Verlauf nimmt als im Fick’schen Schema, sofern der Hauptdruckverlust auf der arteriellen Seite des Systems (vor den Kapillaren) liest. Ein bindender Schluss auf die Ursache des Unterschieds kann aber zunächst nicht gezogen werden, da das Fick’sche Schema symmetrisch gebaut ist, während im vor- liegenden Schema die Querschnitte der Abflussseite’ etwa doppelt so gross sind als die der Zuflussseite. Die Entscheidung der Frage, ob an den Verzweigungsstellen besondere Widerstände auftreten, die auf der Zu- und Abflussseite verschieden gross sind, muss daher auf anderem Wege gesucht werden. Zunächst sei noch bemerkt, dass in einer weiteren Reihe von drei Versuchen das Schema in um- _ gekehrter Riehtung durchströmt wurde, so dass also die Strömung von der Seite des grösseren Querschnitts zu der des kleineren vor sich ging. Der Manometerstand ist für einen dieser unter sich gleichfalls über- einstimmenden Versuche in Tab. 3, Spalte 1 und 2 (8. 188) mit- geteilt und das Gefälle in derausgezogenen Linie 5 der Abb. 2 graphisch dargestellt. In diesem Falle ist das Gefälle dem des Fick’schen Schemas ähnlich; doch beginnt der steile Abfall nicht unmittelbar hinter den Kapillaren, sondern merklich später. Um sich nun Einsicht in die das Gefälle beherrschenden Faktoren zu verschaffen, wurde es theoretisch unter der Voraussetzung verfolet, dass das Poiseuille’sche Gesetz auch für ein System verzweigter A Kapillaren gilt, und dass an den Teilungsstellen besondere Wider- stände von wesentlicher Grösse nicht auftreten. Der Vergleich der > Ergebnisse des Experiments mit denen der Theorie entscheidet dann - über die Zulässigkeit der Voraussetzungen. : Die theoretische Verfolgung des Gefälles bestand darin, dass die x Druckverluste in den Röhren der einzelnen Reihen des Schemas be- h rechnet wurden. Das ist möglich, wenn ausser den Dimensionen der t au - Röhren und der Viskosität der Flüssigkeit die Durchflussmenge be- kannt ist. Zu diesem Zweck wurde die Durchflussmenge in der oben A angegebenen Weise für alle Versuche bestimmt; sie betrug im Versuch $ der Tab. 2 6,669 eem in 15 Minuten, im Versuch der Tab. 3 z 9,857 ecm in derselben Zeit. Aus der Durchflussmenge des Stamm- rohres lassen sich aber auch die durch die einzelnen Röhren strömenden - Mengen berechnen, da ihre Anzahl und ihre Querschnitte bekannt 188 Josef Schleier: Tabelle 3. ee Druckverlust in den einzelnen Abschnitten Druck in den des Schemas. em W. Druckverlust Steigeröhren. LER pro 1 cm W. 2 ER gemessen berechnet Kauee H 89,7 h12a 3,7 0,247 \ hıs 6,3 | oa 0.169 My 83,4 \ f| n1la 1,1 0,169 hıı = 1 { h11b 05 0.091 My 80,5 \ h10a 0,5 0,091 hyo 1,2 0,8 { n10b | 03 0.067 M. [3 [3 lm | | nf] | a “men || | or mm | oe | onfliie| | (M' 77,9) ( h 6b 0,2 0,067 M, 77% |$ Rs 1,7 00 | Kae Ye 0'120 M, 75,7 \ 3, 16 12 f h 5b 0,3 0,120 5 2 ’ h 5a 0,9 0,257 M, a ae een “ml | Me “ni | di le en er | Summe 89,7 | 76,4 Summe | 76,4 | Tabelle, enthaltend die beobachteten Manometerstände 7—M, sowie die theo- retisch berechneten Druckverluste Aya—h; bei Durchströmung des Schemas in um- gekehrter Richtung (von der Seite der grösseren zu der der kleineren Querschnitte) mit destilliertem Wasser von 17,50 C. Durchflussmenge in 15 Minuten 5,8501 g — 5,8517 ccm. sind. Fliesst zum Beispiel durch das arterielle Stammrohr (Reihe 7«) in der Zeiteinheit die Menge Q@, dann fliesst in der ersten Ver- zweigung (Reihe 7b) durch jeden der Äste die Menge .2 durch jeden der Äste der Reihe 2b die Menge usw. Ist der Druckverlust in | Der Energieverbrauch in der Blutbahn: 189 E m) 'äet er in der dem arteriellen Stammrohr hr. — zur © beträgt er in der h V-8:.n-1 ersten Verzweigung kn — 2 ST usw. Eine solche Berechnung wurde für die beiden in Tab. 2 und 3 ‚mitgeteilten Versuche, also für recht- und rückläufige Durchströmung, durchgeführt. Ihr Ergebnis ist gleichfalls in den genannten Tabellen mitgeteilt. Die Spalten 3 und 4 dieser Tabellen enthalten unter der Bezeichnung A,—h,; die Differenzen der in Spalte 2 angegebenen, im Versuch beobachteten Manometerstände. Spalte 5 enthält die be- rechneten Werte des Gefälles. Da dieses sich in jeder Gabel aus dem Druckverlust im Gabelstiel und einem Schenkel der Gabel zu- sammensetzt, sind in Spalte 6 und 7 die Druckverluste in den beiden Gabelabschnitten hinzugefügt. In Abb. 2 (S. 186) ist unter dem experimentell gefundenen auch das theoretisch berechnete Gefälle durch eine gestrichelte Linie ein- gezeichnet: a) für rechtläufige, d) für rückläufige Durehströmung. Der Vergleich ergibt, dass das berechnete Gefälle quali- tativ den gleichen Verlauf nimmt wie dasim Versuch bestimmte, und dass nur quantitativ ein Unterschied festzustellen ist, derart, dass das berechnete Gefälle durchweg etwas kleiner ist als das gemessene. Im ganzen ist aber auch diese Differenz nicht sehr erheblich. Sie beträgt im Falle der rechtläufigen Durchströmune 6,9 %0, im Falle der rückläufigen allerdings 14,8 /o. Diese Differenzen lassen sich aber ungezwungen auf die Unvollkommenheiten des Schemas zurückführen. Es ist wahrscheinlich, dass an den Verzweigungsstellen (126 im ganzen Schema), wo durch das Verblasen der einzelnen Röhren zu Gabeln kleine Auftreibungen entstanden sind (s. S. 181), bei der - Durehströmung Wirbel auftreten, die einen besonderen Druckverlust veranlassen, der in der Berechnung nicht zum Ausdruck kommt. _ Eine weitere Fehlerquelle bilden die Gummiverbindungsstücke (188), durch .die jedesmal eine sprungweise Änderung des Durchmessers hervorgerufen wird, da die Querschnitte der Glasröhren sich nicht vollkommen berühren. Schliesslich wird eine Erhöhung des Druck- verbrauches gegenüber dem berechneten auch dadurch veranlasst, dass die zur Berechnung verwendeten Röhrenlängen an den Glasgabeln bestimmt worden sind, bei der Verbindung der Gabeln durch Gummi- Stücke aber eine vollkommene Berührung der Schnittflächen nicht er- 190 Josef Schleier: zielt werden konnte; die, wenn auch schmalen Spalten bewirken also eine Verlängerung der Bahn über den der Berechnung zugrunde ge- legten Wert hinaus. Es ist also von vornherein eine Abweichung zwischen Theorie und Versuch in dem beobachteten Sinne zu erwarten. Im übrigen sind die Abweichungen verhältnismässig so gering, dass wir unsere Voraussetzungen als zutreffend betrachten und den Schluss ziehen dürfen, dass das Poiseuille’sche Gesetz auch auf ein System verzweigter Kapillaren übertragen werden darf,‘ und dass an den Teilungsstellen !) besondere Widerstände merklicher Grösse nicht auftreten. Der Widerspruch mit dem Fick’schen Ver- suchsergebnis erklärt sich daraus, dass Fick, wie schon oben S. 180 vermutet wurde, Strömungen benützt hat, in welchen die kritische Geschwindiekeit erheblich überschritten worden ist. Die dabei auf- tretenden Wirbel scheinen auf der Seite der Erweiterung des Strom- bettes einen anderen Einfluss auf das Gefälle auszuüben als auf der Seite der Verengerung. Durch die vorliegenden Untersuchungen ist somit ein Widerspruch beseitigt, der zwischen den Ergebnissen der Druckmessune am lebenden Tier und der theoretischen Berechnung des Druckverbrauchs einerseits und dem Versuch am Schema andererseits bestanden hatte. Dadurch sind wir weiterhin in den Stand gesetzt, däs Poiseuille’sche Gesetz auch auf die lebende Blutbahn anzuwenden und das dort herrschende Gefälle zu. berechnen, sobald uns die Dimensionen der Bahn aus- reichend bekannt sind. | Zweiter Teil. Bereehnung des Gefälles in der Bahn der Arteria mesenteriea 5 nach den Gefässmessungen von Mall und in der Lungenbahn eines Hundes nach den Messungen von Miller. Die Zahl der Blutbahnen des Tierkörpers, deren Dimensionen o durchgehend bestimmt sind, ist leider sehr gering; immerhin besitzen 2 wir in der Literatur meines Wissens zwei Arbeiten, in denen die & ‘ Dimensionen eines Stromgebietes mit einer für diesen Zweck aus- reichenden Vollständigkeit angegeben sind. Diese Arbeiten sind: * 1) Ideale Verschmelzung der Röhren vorausgesetzt. Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 191 1. J. P. Mall: Die Blut- und Lymphwege im Dünndarm des Hundes!) und 2. W. S. Miller: The Structure of the Lung’?). Die hier niedergelesten Messungen habe ich benützt, um das Ge- fälle in den genannten Bahnen zu berechnen. Die Berechnung des Druckverbrauchs geschah in der oben (S. 187) für das Schema angegebenen Weise. Zur Auflösung der Gleichung Fe Q-.8-n-1 7cr*- 981 müssen uns also bekannt sein: a) die Dimensionen der Röhren; b) die darin herrschende mittlere Geschwindigkeit und ce) die Viskosität der Flüssigkeit. Zu a) Was die Dimensionen der Röhren betrifit, so ent- - hält die Arbeit von Mall, wie die von Miller, ungeachtet ihrer Sorgfalt, für den vorliegenden Zweck doch Lücken, sofern nur die * Anzahl der Gefässe und ihr Durchmesser, nicht aber ihre Länge — angegeben ist. Diese Grösse musste daher anderweitig ermittelt werden®). Für die Bahn der Mesaraica wurde dies einiger- maassen dadurch ermöglicht, dass Mall seine Ergebnisse durch Ab- bildungen erläutert hat, die Längenmessungen gestatten, allerdings nur näherungsweise, da die Vergrösserung nicht angegeben ist; eine Schätzung ist aber möglich, da die mittlere Grösse eines Teils der Darstellungen bekannt ist, zum Beispiel die mittlere Zottenlänge; fraglich ist allerdings, ob Mall in den zum Teil schematisierten Ab- bildungen auf eine den natürlichen Verhältnissen entsprechende ®, Wiedergabe der Längen Wert gelest hat. Ferner ist in den Ab- 1) Abhandl. d. math.-physik. Kl. d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. Bd. 14 S. 153. Leipzig 1888. 2) Journal of Morphology vol. 8 p. 165. 1893. 3) Eine Berechnung der Längen unter der Annahme, dass die Längen von dem Werte 0,05 für die Kapillaren nach den Arterien und Venen zu in arith- _ metischer Progression im Verhältnis 0,05 + 5; 0,05 + 2b (b = 0,6) steigen, liefert für die Bahn der Mesenterica sehr unwahrscheinliche, wenn nicht unmögliche Werte. Es erreicht dabei zum Beispiel die Arterie zu den Zotten schon eine Länge von - 0,65 em, ein Wert, der das Dreifache- der Darmwanddicke darstellt. Ähnlich verhält es sich mit den weiteren Reihen. 192 Josef Schleier: bildungen nicht die ganze Bahn der Mesaraica dargestellt, sondern nur einzelne Abschnitte; die nicht abgebildeten mussten geschätzt werden. Grosse Fehler können dabei nicht entstehen, da die Summe der einzelnen Gefässlängen zu einem wahrscheinlichen Werte für die 3 Gesamtlänge der Bahn führen muss. Die aus den Messungen und Schätzungen hervorgegangenen Werte sind in Tab. 4 (S. 193) ver- zeichnet. | Den Messungen von Miller an der Lungenbahn sind Abbil- dungen nicht beigegeben; die Längen der Gefässe wurden daher durch Schätzung bestimmt. Als Ausgangspunkt diente eine mittlere Länge der Kapillaren von 0,05 cm, und es wurde angenommen, dass die an- schliessenden Arterien und Venen in arithmetischer Progression, also im Verhältnis von 0,05 +.a, 0,05 +2a usw., zunehmen. «a muss dann einen solchen Wert bekommen, dass die Gesamtlänge der Bahn einen wahrscheinlichen Wert annimmt. Setzt man a — 0,3, so erhält man für die halbe Länge der Bahn von den Kapillaren bis zum Ur- E sprung der Pulmonalis bzw. zum linken Vorhof den Wert von 12,6 cm, was der wirklich mittleren Länge bei einem Hunde von 7 kg ent- sprechen dürfte. Auch an den von Mall angegebenen Durchmessern wurden einige Vereinfachungen vorgenommen: für die Durchmesser der Kapil- laren gibt Mall verschiedene Werte an, nämlich 8 « für die oberen zwei Drittel und 5 « für das untere Drittel der Zottenkapillaren; da der letztere Wert als Mittelwert unwahrscheinlich klein (kleiner als der Durchmesser der Blutkörperchen) ist, wurde durchweg als Kapillar- durchmesser 3 u gesetzt. Ferner wurden die Angaben über die Ge- fässzweige zu den Darmkrypten für die Berechnung nicht verwertet, desgleichen nicht die Anastomosen der Submucosa, da sie für die Be- trachtung des Energieverbrauches keine wesentliche Rolle spielen. Die Angaben über Durchmesser und Zahl der kurzen und langen Darmarterien, die in der erwähnten. Arbeit einzeln angeführt sind, wurden für die Berechnungen zusammengefasst, ebenso die Werte für die kurzen und letzten Zweige der langen Darmarterien sowie für die langen und kurzen Darmvenen. Zu b) Die Feststellung der mittleren Geschwindig- keit des Blutes in den beiden Bahnen, welche zur Berechnung x des Gefälles erforderlich ist, wurde auf die Erfahrung gegründet, dass die Geschwindigkeit (c) in den Kapillaren durchschnittlich 0,5 mm/Sek. © +»Iossowmpanpaeppdeyy Jop. 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Gefälle und Gesamtquerschnitt der Lungenbahn von Miller. berechnetes Gefälle, -- -- - Gesamtquerschnitt. Die Abszisse stellt die Bahnlänge dar. Die Längeneinheit der Abszissenachse entspricht 1 cm Bahnlänge. 5. Vergleich des Kapillarschemas mit den natürlichen Blutbahnen. Wenn man das Gefälle, so wie es der Begriff des Gefälles verlangt, auf die Längeneinheit (em) der einzelnen Reihen der untersuchten Bahnen berechnet, so zeigt sich ein Gegensatz zwischen der künstlichen und der natürlichen Bahn. Während bei dieser das Gefälle vom Stamm nach den Kapillaren zu erheblich 202 Josef Schleier: steigt (s. Spalte 10 der Tab. 4 und 5), nimmt es bei der künst- lichen Bahn (Tab. 2) in derselben Richtung ab. Dieser Unterschied ist in dem Bau der Bahnen, nämlich in der Art der Erweiterung in der Stromrichtung begründet. Da die Erweiterung durch die Quer- schnitte und die Zahl der Äste im Vergleich zum Stanım bedingt ist, muss sich die Änderung des Gefälles auf diese Faktoren zurückführen lassen, wie in folgendem gezeigt wird: Bezeichnet man mit r,, Qı €, Rı Radius, Sekundenvolumen, Geschwindigkeit bzw. Druckverlust im Stamm, mit 73, Qg, Ca, is die entsprechenden Werte im Ast und mit n die Anzahl der Äste, so ist TC Yır TV 9 =N’me, — 87 7 hı; Os rg, 7 hg C C } ha 2:0: . . . . 5 ® (1) 1 2 Teilt sich der Stamm in n-Äste, so ist 1, IT Cı =—N (93? 7U (3) an 2 nr? (c —=1) 1 Y. 2 an Setzt man ferner r, —1, so wird h, :,=]1: — (2) "2 das heisst, das Gefälle in der Richtung der Erweiterung der Strom- bahn wird um so grösser, je kleiner die Zahl der Äste und je kleiner der Querschnitt ist; der Einfluss des letzteren wächst im quadratischen, der der Astzahl im einfachen Verhältnis. Da nun im Kapillarschema die Einzelquerschnitte langsamer abnehmen als in den natürlichen Bahnen, so erklärt sich daraus der Unterschied im Gefälle der Bahnen; in den natürlichen ist die starke Abnahme der Querschnitte aus- schlagzebend, trotz der grösseren Werte von n. In den beiden natür- lichen Bahnen stossen wir übrigens auf Ausnahmen vom geschilderten Verlauf des Gefälles (s. Reihe 5 der Tab. 4 und Reihe 8 und 15° Tab. 5). Ob solehe Ausnahmen in Wirklichkeit vorkommen "oder auf Unvollkommenheiten der Bestimmung der Durchmesser oder auch der Zahl der Äste beruhen, lässt sich-zurzeit nicht entscheiden; eine Berechnung zeigt, dass zur Beseitigung der Ausnahmen nicht un- wesentliche Änderungen der Durchmesser vorgenommen werden müssten. Der Energieverbrauch in der Blutbalın. 203 Kommen wir schliesslich auf die eingangs gestellte Frage zurück, ob die zur Überwindung der äusseren und inneren Reibung theoretisch erforderliche Kraft des Blutstromes von gleicher Grösse ist wie die vom Herzen aufgebrachte und an der Höhe des arteriellen Blutdruckes gemessene, so hat unsere Berechnung ergeben, dass die theoretisch erforderliche bei normalem Tonus und mittlerer Stromstärke nicht grösser ist als die experimentell bestimmte. Letztere genüst also vollständig zur Überwindung der Reibung, und es besteht keine Ver- anlassung, eine aktive Beteiligung der kleinen Gefässe an der zur Erhaltung des Blustroms erforderlichen Arbeit anzunehmen. Zusammenfassung. Die Aufeabe, die experimentell gemessenen Kräfte des Blutstromes mit den theoretisch berechneten zu vergleichen, liess sich bis heute nicht lösen, da über das Gefälle in der arteriellen Bahn noch keine Einigkeit unter den verschiedenen Autoren erzielt werden konnte, und insbesondere die Fiek’sche Messung des Gefälles in einem der Blutbahn nachgebildeten Schema von Glasröhren- in Widerspruch mit den Erfahrungen des Tierexperimentes und mit der Theorie stand. Da vermutet wird, dass das Fick’sche Ergebnis auf Störungen der geradlinigsen Strömung durch Wirbelbildung zurückzuführen ist, wird im ersten Teil der Abhandlung das Gefälle in einem aus Kapillar- röhren hergestellten Schema untersucht. Um das Gefälle auch theo- retisch nach dem Poiseuille’schen Gesetz verfolgen zu können, mussten die Dimensionen des Schemas (Zahl, Länge und Durchmesser der einzelnen Röhren) genau festgestellt werden, was die Herstellung sehr umständlich und mühsam macht. An diesem Schema wird nun das Gefälle experimentell bestimmt und theoretisch berechnet, mit dem Ergebnis, dass das Poiseuille ’sche Gesetz auch auf ein System verzweister Röhren angewandt werden darf, und dass der Hauptdruck- verlust nicht auf der venösen Seite, wie im Fick’schen Schema, sondern vor den Kapillaren erfolgt. Der Unterschied gegen das Er- sebnis von Fick ist auf Turbulenz der Strömung in dessen Versuch zurückzuführen. : Im zweiten Teil wird die Berechnung des Energieverbrauches an zwei Bahnen des Tierkörpers vorgenommen, deren Gefässverzweigung und Dimensionen uns durch anatomische Untersuchungen ausreichend bekannt sind: an der Bahn der Arteria mesenteriea und pulmonalis 204 . Josef Schleier: Der Energieverbrauch in der Blutbahn. vom Hund, mit dem Ergebnis, dass die Grösse des Energieverbrauches in beiden Bahnen annähernd gleich der experimentell bestimmten ist. Der grosse Unterschied im Druckverbrauch der Körper- und Lungen- bahn erklärt sich aus dem geringeren Widerstand der letzteren, und dieser ist in erster Linie durch die erheblich grösseren Querschnitte der Arterien, insbesondere im präkapillaren Gebiet, bedingt; in zweiter Linie durch die geringere Länge der Gefässe. In der Körper- bahn entfällt der Hauptdruckverlust auf die präkapillaren Arterien, die bei normalem Tonus eine Drosselung des Stromes bewirken. Da auch in den Bahnen des Tierkörpers der theoretisch be- rechnete Energieverbrauch mit dem experimentell bestimmten von gleicher Grösse ist, ist die Annahme einer von den kleinen Arterien am Blütstrom zu leistenden Arbeit überflüssig. | Zum Schlusse meiner Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hürthle, für die liebenswürdige Hilfe bei der Ausführung meiner Arbeit auch an Jieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank zu sagen. Sindan den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes Tonusschwankungen der Gefässe beteiligt? Von Konrad Maschke, approb. Arzt. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) (Mit 2 Textabbildungen.) In der vorliegenden Arbeit wird versucht, die Frage zu be- antworten, ob an den normalen Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes Schwankungen im Tonus der Blutgefässe beteiligt sind. A. Historisches. Veranlasst ist diese Untersuchung durch die in der Literatur von verschiedenen Autoren mehr oder minder deutlich ausgesprochene Behauptung, dass solche Tonusänderungen für die Entstehung der Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes neben den schon länger bekannten mechanischen Ursachen (Schwankungen des Druckes in der Pleurahöhle, des Widerstands der Lungengefässe, der Frequenz der Herzschläge) in höherem oder geringerem Grade in Betracht kommen. Bei der Verschiedenheit der Begriffe von den periodischen Wellen des arteriellen Blutdruckes, die in der Literatur im Anschluss an die Versuche von Traube und Hering über die periodischen Schwan- kungen des Tonus des Gefässsystems aufgestellt wurden, soll eingangs festgesetzt werden, wie die verschiedenen. am arteriellen Blutdrucke eines Hundes vorkommenden periodischen Schwankungen in dieser Arbeit bezeichnet werden. Registriert man bei einem Hunde den arteriellen Blutdruck mit einem Quecksilbermanometer in einer grösseren Arterie, so kann man folgende vier Arten periodischer Blutdruckschwankungen unterscheiden: 1. Pulsschwankungen oder Schwankungen erster Ordnung, ent- sprechend den Herzsystolen; 2065 Konrad Maschke: 2. Atemschwankungen oder Schwankungen zweiter Ordnung. Ihre Zahl ist bei normalen Verhältnissen gleich der der Atemzüge; 3. Traube-Heringsche Wellen oder Schwankungen dritter Ordnung. Sie treten nur unter besonderen Versuchs- bedingungen, hauptsächlich Dyspno& des Tieres, auf und beruhen auf Tonusschwankungen des Gefässsystems ; 4. Periodische Blutdruckwellen von S. Mayer oder Schwankungen vierter Ordnung. Sie fallen nicht in den Rahmen dieser Arbeit, da sie in keinem Zusammenhang mit den Atembewegungen stehen. Von dieser Einteilung abweichend, hat L&on Fred&riegq!) die Traube-Heringschen Wellen und die Atemschwankungen des arte- riellen Blutdruckes als Schwankungen zweiter Ordnung zusammengefasst (vgl. S. 207). Diese Gleichstellung führte zu einem prinzipiellen Streit über die Natur der normalen Atemschwankungen. Man hat die Be- hauptung, dass Tonusschwankungen dabei beteiligt seien, Fr&ederieq zugeschrieben, allein, wie mir scheint, nicht mit Recht, was aus dem Folgenden ersichtlich sein wird. Fredericq geht von den Beobachtungen Traubes und Herings aus. Traubes?) Versuche zeigen keinerlei Zusammenhang der nach ihm benannten Wellen mit den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes. Bei der ursprünglichen Darstellung dieser Wellen waren nämlich Atembewegungen gar nicht vorhanden. Vielmehr wurden diese Blutdruckwellen bei der Erstickung eines Hundes beobachtet, dem beide Vagi durchschnitten und der durch Injektion von Curare gelähmt war. Beim Aussetzen der künstlichen Atmung wurde dann infolge der dyspno@ischen Erregung des Gefässzentrums ein wellen- förmiges Ansteigen des arteriellen Blutdruckes beobachtet. Hering°), der die Versuche Traubes weiter verfolgte, be- merkte nun an nicht völlig curarisierten Hunden, denen gleichfalls die Vagi durchsehnitten waren, beim Aussetzen der künst- lichen Atmung geringfügige Thoraxbewegungen, die er für unvoll- ständige Atembewegungen anspricht. Diese waren aber so schwach, 1) L. Fredericq, Was soll man unter Traube-Hering’schen Wellen verstehen? Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1887 S. 351. 2) L. Traube, Über periodische Tätigkeitsäusserungen des vasomotorischen und Hemmungs-Nervenzentrums. Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1865 Nr. 56 S. 831. 3) Hering, Über Atembewegungen des Gefässsystems. Wiener Sitzungsber Bd. 60 (IM) S. 829. 1869. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 207 dass sie keinen mechanischen Einfluss auf den Blutdruck ausüben konnten, denn ein mit der Trachea verbundenes Manometer reagierte nicht auf sie. Da nun diese schwachen Atembewegungen mit den Traubeschen Wellen des Blutdruckes, die bei dem Aussetzen der künstlichen Atmung entstanden, isochron waren, bringt sie Hering in Zusammenhang mit den Traubeschen Wellen, indem er an- nimmt, diese seien durch die periodische Tätigkeit des Atemzentrums bedinet; „denn niemand wird eine prästabilierte Harmonie zwischen dem Rhythmus der genannten Schwankungen und dem Rhythmus der Atembewegungen annehmen wollen. Das Gefässsystem führt Atem- bewegungen aus, die sich den schon bekannten Atembewegungen asso- ziieren“. — „Ob diese Atembewegungen des Gefässystems“, so schliesst Hering die Abhandlung, „schon im Zustande der Eupno& oder erst in der beginnenden Dyspno&ö deutlicher auftreten, wäre noch zu unter- suchen.“ Der Ausdruck „deutlicher“ ist missverständlich. Man kann daraus entnehmen, dass nach Hering schon in der Eupno& Tonus- - schwankungen, wenn auch weniger deutlich, vorhanden seien.. Die Möslichkeit ist jedenfalls angedeutet. Veröffentlicht hat Hering derartige Versuche nicht. Die erwähnten Atemschwankungen des Blutdruckes sind sämtlich unter abnormen Bedingungen beobachtet. Hering sagt selbst, zur Hervorrufung dieser Schwankungen ist ein gewisser Grad von Venosität des Blutes Bedingung. Die von Hering vertretene Auffassung wurde von Fr&ed&ricq!) in seiner Abhandlung „Was soll man unter Traube-Heringschen Wellen verstehen?“ in voller Schärfe betont. Dabei werden die Traube-Hering’schen Wellen als Atemschwankungen des Blut- druckes, als Wellen zweiter Ordnung bezeichnet. Indessen muss aus folgender Erklärung Fr&d6ricqs geschlossen werden, dass er unter diesen Atemschwankungen solche versteht, die nur bei einem gewissen Grad von Dyspno& entstehen: „Jede der Wellen entspricht nicht mehreren, sondern einer Bewegung der Atemmuskulatur. Sie stellen das vasomotorische Moment dar, das in gewissen Fällen zum Zustande- kommen der Atemschwankungen mitwirkt. Bei ihrer Entstehung ist die Tätickeit der vasomotorischen und respiratorischen Zentren iso- chron.* Diese gewissen Fälle sind durchweg unter nicht normalen Bedingungen festgestellt, insofern als Dyspno® Bedingung für ihre 1) L. Freöderieg, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1887 S. 351. 208 Konrad Maschke: Entstehung ist. Auch der von Fr&d&ricq?) in einer grösseren Ab- handlung über den Einfluss der Atmung auf den Kreislauf beschriebene Versuch, der die von Hering beobachteten Erscheinungen noch deut- licher zeigt, hat Dyspno& des Tieres zur Bedingung und kann nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass bei den Atembewegungen eines unter normalen Verhältnissen atmenden Tieres Tonusschwankungen des Gefässsystems vorhanden sind. In diesem Versuche Fr&d&ricgs ist das Tier nicht eurarisiert, sondern mit Morphium betäubt und chloroformiert. Um die mechanische Wirkung der Atemmuskel- kontraktionen auf Lunge, Herz und die grossen Gefässe auszuschalten, ist die ganze vordere Brustwand entfernt, die Bauchhöhle eröffnet, und die Nn. phreniei und vagi sind durchschnitten. Die Bewegungen der Rippenstümpfe können nun gleichzeitig mit der Blutdruckkurve registriert werden. Die Atmung wird künstlich unterhalten. Die Rippenenden zeigen zunächst keine Bewegung. Setzt man aber die künstliche Atmung aus, so treten Traube-Heringsche Wellen auf ° und bald darauf auch, in gleichen Perioden mit diesen verlaufend, Bewegungen der bis dahin unbewegt gebliebenen freien Rippenenden, also selbständige Atembewegungen. Da ihre mechanischen Wirkungen auf den Blutdruck durch Öffnung der Brusthöhle ausgeschaltet sind, so müssen die Traube-Heringschen Wellen durch Tonus- schwankungen des Gefässsystems verursacht werden. Gegen die Darstellung von Fr&d&ricq, in der keine strenge Unterscheidung zwischen den normalen Atemschwankungen des Blut- druckes, den Blutdruckschwankungen bei ausgesetzter Atmung und solchen bei mässiger Dyspno& gemacht wird und in der die Bezeichnung Traube-Heringsche Wellen durch Atemschwankungen ersetzt ist, wenden sich Biedel und Reiner!). Es erscheint diesen Autoren zweckmässig, die Traube-Heringschen Wellen, die nur bei dys- pnoischen Tieren auftreten, von den unter natürlichen Verhältnissen beobachteten respiratorischen Blutdruckschwankungen zu unterscheiden; allein, man kann doch nicht behaupten, Fredericq habe auch bei den normalen Atembewegungen Tonusschwankungen des arteriellen ” Gefässsystems angenommen. 2) L. Fredericgq, Influence de la Respiration sur la Circulation. Arch. de Biologie t. 3 p. 55. 1882. 1) Biedel und Reiner, Studien über Hirnzirkulation und Hirnödem. Pflüger’s Arch. Bd. 79 S. 170. 1900. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 209 Die Einteilung Fred&ricqs hat allerdings andere Forscher, wie zum Beispiel Bottazzi (s. unten), zu dieser Annahme verleitet. In Frede&ricqs Versuchen wird, wie in denen von Hering, zum Zustandekommen der Tonusschwankungen, wie schon gesagt, ein ge- wisser Grad von Venosität des Blutes für nötig erklärt. Durch die Bezeichnung Traube-Heringsche Wellen als Wellen zweiter Ordnung, durch ihr Zusammenfallen mit den Atembewegungen will Fr&ederiegq doch wohl nur auf ihre gemeinsame Entstehung in dem Atemzentrum aufmerksam machen. Bei dem Vorschlage Biedels und Reiners, ‚normale Atemschwankungen als Wellen zweiter Ordnung, die Traube- Herinzschen Wellen als solche dritter Ordnung zu bezeichnen, fällt jegliches Missverständnis über die Natur der normalen Atem- schwankungen des Blutdruckes fort, das aus der Zusammenfassung der genannten beiden Wellenarten entstehen kann. Leider hat Plumier!), ein Schüler Fred6ricqs, diese An- reeung Biedels und Reiners nicht benützt, um sieh klar über die Natur der normalen Atemschwankungen auszusprechen. Er verfolst im wesentlichen nur die Traube-Heringschen Wellen weiter und erweckt durch die in folgendem dargestellten Versuche den Anschein, als ob er annehme, dass respiratorische Schwankungen des Gefässtonus auch an den normalen respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes beteiligt seien. Plumier, der ebenso wie Fredericq Traube-Heringsche Wellen und Atemschwankungen als Wellen zweiter Ordnung zusammenfasst, besebreibt drei Versuche, auf Grund deren er die Entstehung der Atemschwankungen des Blutdruckes auf „changements de pression d’origine vaso-motrice (courbes de Traube- Hering)“ zurückführt. Diese Versuche, die an einem und demselben Tiere hintereinander angestellt wurden, seien zunächst kurz hier wieder- gegeben. Versuch 1: Einem Hunde sind beide Nn. vagi durch- sehnitten, er ist durch Morphium und Chloroform anästhetisch gemacht, und die Atmung geht spontan vor sich. Der Blutdruck wird durch ein Quecksilbermanometer in der Karotis registriert, gleichzeitig werden die Atembewegungen durch einen Pneumographen, der der seitlichen Brustwand anliegt, aufgezeichnet. Die Blutdruckkurve zeigt deutliche respiratorische Wellen. Versuch 2: Plumier lässt darauf den 1) Plumier, Etudes sur les courbes de Traube-Hering. Travaux du “ laboratoire de Fred6riegq. T. 6. 1901. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. H 14 210 Konrad Maschke: Hund reinen Wasserstoff atmen. Dabei beobachtet er infolge der ein- tretenden Dyspno& einen starken Anstieg der respiratorischen Blutdruck- wellen im Sinne einer Vergrösserung der Amplituden. Versuch: Demselben Tier werden nun Brust und Bauchhöhle eröffnet und die Nn. phreniei durchschritten, so dass die Versuchsbedingungen die gleichen sind, wie sie Fred&rieq in dem oben beschriebenen Ver- suche zur Herstellung der Traube-Heringschen Wellen anwendet. Plumier sieht, wie die im zweiten Versuch beobachteten Blutdruck- wellen unverändert fortbestehen und demgemäss durch Schwankungen des Gefässtonus veranlasst sein müssen. Zu dem ersten Versuche, der noch am ehesten den normalen Verhältnissen entspricht (die Atmung eines vagotomierten Tieres ist keineswegs der normalen gleich zu erachten), ist zu bemerken, dass man in den respiratorischen Blut- druckwellen durchaus nicht schon Traube-Heringsche Wellen erblicken kann. Plumier behauptet es nur, weil er sieht, dass bei demselben Tiere durch geeignete Versuchsbedingungen (Versuche 2 und 5) Traube-Heringsche Wellen an Stelle bzw. aus den respiratorischen Blutdruckwellen sich entwickeln. Der Schluss Plumiers, dass die Traube-Heringschen Wellen, d. h. Tonusschwankungen der Ge- fässe, schon bei seinem ersten Versuch an der Entstehung der Atem- schwankungen, wenn auch in einem geringeren Maasse, Anteil haben, ist nicht bewiesen und um so weniger die Annahme von respirato- rischen Tonusschwankungen der Gefässe unter normalen Verhält- nissen. A Auf Grund der Arbeiten Fred6&ricqs und Plumiers hielten sich andere Autoren für berechtigt, anzunehmen, dass Tonusveränderungen des Gefässsystems bei den normalen Atembewegungen festgestellt seien. So erklärt Bottazzi') im Anschluss an die beiden genannten Forscher: „Die Atemschwankungen des Blutdruckes fallen mit den Atembewegungen zusammen, doch sind sie keine mechanische Folge derselben; es gehen vielmehr zu gleicher Zeit von den Vasokonstriktoren- und Atemzentren zwei Impulse aus, von denen der eine eine Verengerung der Blut- gefässe hervorruft, während der andere einen Atemzug bedingt.“ Dies wird behauptet von Tieren, die unter normalen Verhältnissen, sowie von solchen, die unter besonderen Bedingungen atmen. Bei 1) Bottazzi, Zur Genese der Blutdruckschwankungen dritter Ordnung. Zeitschr. f. Biologie Bd. 47 S. 487. 1906. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 311 letzteren ist dies ja erwiesen, und die Arbeit Bottazzis bringt in dieser Hinsicht nichts wesentlich Neues. Neu ist nur die klipp und klar ausgesprochene Behauptung, dass auch unter normalen Verhält- nissen Tonusschwankungen des Gefässsystems an den Atemschwankungen des Blutdruckes beteiligt seien. Bottazzi sieht den Beweis in fol- gendem Versuche: Die natürliche, spontane Atmung bei einem nicht narkotisierten Hunde geht ruhig vor sich. Der Hund trägst eine Trachealkanüle, Blutdruck und Atembeweguugen werden gleichzeitig registriert. „Wenn die Atmung eine abnorme Beschleunigung erfährt (was nicht selten bei nicht narkotisierten und die Trachealkanüle tragenden Hunden vorkommt), oder wenn diese von selbst aufhört“, so entstehen in den bis dahin regelmässigen Atemschwankungen des Blutdruckes Unregelmässickeiten. „Es gibt keinen Synchronismus zwischen ihnen und den Atembewegsungen in diesen Fällen.“ Dies beobachtet Bottazzi auch an curarisierten Hunden, wenn er die künstliche Atmung abnorm beschleunigt. Da hier, wie man weiss, vasomotorische Einflüsse am Zustandekommen der gsenannten Er- scheinungen beteiligt sind, so zieht Bottazzi aus seinen Beob- achtungen folgenden Schluss: „Es beweisen die obengenannten Fälle von durch abnormer Beschleunigung der spontanen, resp. künstlichen Atmung hervorgerufene Verwirrung in den Schwankungen zweiter Ordnung, dass der Atmungsapparat irgendeinen Einfluss auf das Vaso- konstriktorenzentrum auszuüben vermag, obwohl sicher nicht dieser Einfluss von der Tragweite ist..., dass die Blutdruckschwankungen zweiter Ordnung nichts anderes sind als Folgen von Ausbreitung der rhythmischen Erregung vom Atemzentrum auf das Vasokonstriktoren- zentrum.“ Bei seinem Urteil hat aber Bottazzi unterlassen, zu analysieren, ob und inwieweit „die Verwirrungen in den Schwan- kungen zweiter Ordnung“ durch Änderungen der mechanischen Fak- toren, wieweit durch vasomotorische Einflüsse veranlasst werden. Aus diesem Grunde ist die Behauptung Bottazzis von dem Vor- handensein respiratorischer Tonusschwankungen der Gefässe auch bei normaler Atmung unbegründet. Noch bestimmter als Bottazzi hat Schiff nach dem Bericht von Boll?!) die Behauptung vertreten, dass die normalen respiratori- - schen Schwankungen des Blutdruckes durch vasomotorische Tätigkeit _ veranlasst seien. Die Versuche Schiffs haben zur Aufstellung der „chemischen Theorie der Atemschwankungen“ seführt, Elke 2312 Konrad Maschke: die in dem Wechsel des Kohlensäure- bzw. Sauerstoffgehaltes des Blutes die Ursache der respiratorischen Blutdruckwellen sieht, den mechanischen Faktoren aber dabei überhaupt keinen Einfluss einräumt, ausser bei besonders tiefen Atemzügen, zum Beispiel nach doppel- seitiger Durehschneidung der Vagi. Die Unhaltbarkeit dieser einseitigen Theorie ist durch die Arbeiten von Cyon?), Kuhn’), Zuntz®)u.a. erwiesen worden; es kann daher hier auf ihre Erörterung verzichtet werden. Wie man sieht, existiert in der ganzen Literatur kein Beweis für die Annahme, dass an den respiratorischen Schwankungen des Blut- druckes unter normalen Verhältnissen Tonusschwankungsen der Gefässe beteiligt sind. Die Versuche, in denen Tonusveränderungen der Ge- fässe bei der Atmung beobachtet wurden, sind stets unter nicht nor- malen Bedingungen ausgeführt. Wurden die Ergebnisse aufs Normale übertragen, so blieb man den Beweis schuldig, weil geeignete Unter- suchungsmethoden zur Feststellung einer solchen Beteiligung der Ge- fässe fehlten. Die Erklärung der respiratorischen Wellen des Blut- druckes durch Tonussehwankungen des Gefässsystems ist ein Beispiel für die in der Geschichte der Wissenschaft nicht ganz selten be- obachtete Erscheinung, dass eine von einem intuitiven Autor als mög- lich betrachtete Annahme von späteren Autoren mehr und mehr ihres hypothetischen Charakters entkleidet und schliesslich als Tatsache aus- gegeben wird. B. Eigene Untersuchungen. , Der in folgendem benutzten Methode zur Entscheidung der Frage, ob an den normalen Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes Tonusschwankungen des Gefässsystems beteiligt sind, liegt folgende Überlegung zugrunde: Sind an den respiratorischen Blutdruck- 1) Boll, Zentralbl. f. d. med. Wiss. Nr. 42. 1872. Cenno sulle Ricerche fatte del Prof. M. Schiff nel laboratorio di fisiologia del Museo di Firenze durante il 1 Trimestre 1872, 2) Cyon, Zur Physiologie des Gefässzentrums.. Pflüger’s Arch. Bd. 9 S. 499. 1874. 8) Kuhn, Ower de Respiratie Schommelingen Bloedsdrukking. Academisch Proefschriitt. Amsterdam 1875. 4) N. Zuntz, Beiträge zur Kenntnis der Einwirkungen der Atmung auf den’ Au Kreislauf. Pflüger’s Arch. Bd. 17 S. 374. 1878. a NS he Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 213 schwankungen aktive rhythmische Veränderungen der Gefässweite der Körperbahn beteiligt, so beeinflussen diese die Stromstärke derart, dass sie bei steigendem Tonus ab-, bei sinkendem zunimmt. Bildet man daher für jeden Pulsschlag den Quotienten Stromstärke/Druck > Zeit, so wird dieser bei steigendem Tonus kleiner, bei sinkendem grösser werden, und die Schwankungen des Quotienten geben ein Bild von den Änderungen des Gefässtonus. Sind also solehe bei den re- spiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes beteiligt, d.h. ist das inspiratorische Steigen des Druckes mehr oder weniger durch eine inspiratorische Zunahme des Gefässtonus veranlasst, so muss dies in einem inspiratorischen Sinken des Quotienten zum Aus- druck kommen. Die Feststellung, ob der Quotient inspiratorisch sinkt oder nicht, ist also zur Entscheidung der vorliegenden Frage aus- reichend. Zur allgemeinen Beurteilung der Methode ist es aber wünschenswert, die Grenzen kennenzulernen, welche der Methode ge- zogen sind, und zwar durch die Elastizität der Gefässe. Eine Änderung des äusseren Widerstaudes und damit der Strom- - stärke kann nämlich nicht allein durch einen Wechsel im Tonus der Gefässe veranlasst sein, sondern ist mit jeder Änderung der Höhe des arteriellen Blutdruckes verbunden, da diese eine elastische Erweiterung oder Verengerung der Gefässe, also gleich- falls eine Änderung des äusseren Widerstandes zur Folge hat. Die - Feststellung des Quotienten gibt daher nur bei gleichbleibendem Mittel- druck ohne weiteres ein Bild von den Änderungen des Gefässtonus; bei wechselndem Mitteldruck ändert sich der Quotient — bei gleich- bleibendem Tonus — derart, dass er mit steigendem Druck grösser wird’). Da aber die quantitative Abhäneiekeit der Stromstärke vom Druck mit der Elastizität der Gefässe, also individuell und in ver- schiedenen Gefässgebieten wechselt, so lässt sich der Anteil des Blut- druckes an der Änderung des Quotienten im einzelnen Fall nicht in Rechnung stellen, und so erfährt die Methode, die Änderungen des Gefässtonus mit Hilfe des genannten Quotienten festzustellen, eine - Einschränkung ihrer allgemeinen Verwendungasfähigkeit. Das schliesst aber nicht aus, dass sie in vielen Fällen die unzweideutige Beant- wortung einer Frage ermöglicht, wie am Beispiel der respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes gezeigt werden kann: hier soll nur 1) Siehe die vorhergehende Abhandlung von Hürthle S. 168. [* 214 Konrad Maschke: festgestellt werden, ob das inspiratorische Steigen des Druckes auf einer inspiratorischen Verengerung der Gefässe beruht oder nicht. Wie ist diese Frage zu beantworten, wenn der Quotient unverändert bleibt, inspiratorisch steigt oder fällt? Würde das letztere zutreffen, so würde das mit Sıcherheit beweisen, dass eine inspiratorische Ver- enserung der Gefässe stattgefunden hat, also respiratorische Tonus- schwankungen im Sinne der von manchen Autoren behaupteten tat- sächlich nachweisbar sind; denn physikalisch, durch die Elastizität der Gefässe könnte diese Änderung des Quotienten nicht entstehen, da das inspiratorische Steigen des Druckes eben die entgegengesetzte Wirkung, nämlich eine Dehnung der Gefässe und damit ein Ansteigen des Quotienten, zur Folge haben würde. Zeigt sich im Tierversuch aber ein inspiratorisches Steigen des Quotienten, so kann dieses ent- weder ausschliesslich durch die mit steigendem Druck einhergehende elastische Dehnung der Gefässe veranlasst sein, oder es könnte eine aktive Erweiterung der Gefässe daran beteiligt sein; letztere wird man als nicht vorhanden betrachten, wenn die Änderung des Quotienten von der Grössenordnung ist, welche erfahrungsgemäss unter dem Ein- fluss der elastischen Dehnung vorkommt!). Schliesslich wären bei einem Konstantbleiben des Quotienten Tonusschwankungen gleichfalls auszuschliessen; denn die Annahme wäre gezwungen und unwahr- scheinlich, dass die durch die elastischen Dehnungen veranlassten Schwankungen des Quotienten durch entgegengesetzte Tonusänderungen jeweils genau kompensiert würden. | Zur experimentellen Prüfung konnte ich eigene Versuche wegen Tiermangels leider nicht ausführen. Es wurden mir aber Druck- und Stromkurven, die in früheren Jahren im Physiologischen Institut gewonnen worden waren und ausgeprägte respiratorische Schwankungen des Blutdruckes zeigten, zur Verfügung gestellt; die Atembewegungen selbst waren auf diesen Kurven nicht registriert. Das ist aber für unsere Frage nicht von Belang, da’ es sich hier nicht um die Feststellung der zeitlichen Verschiebung der Druck- gegen die Atemkurve handelt. Sämtliche Versuche waren an Hunden an- sestellt, die mit Morphium betäubt und durch eine Mischung von Chloroform und Äther in Narkose erhalten worden waren und natür- lich atmeten. Sie waren auf einem Tierbrett in horizontaler Lage be- 1) K. Hürthle ll. cc. OT Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 9]: festist, und es war an ihnen kein anderer Eingriff vorgenommen als der der Blosslegung der Arterien zum Zweck der Einfügung. von Stromuhr und Manometer. Die Kurven waren teils mechanisch, teils optisch registriert nach der in Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 195, 1903 bzw. Bd. 147 S. 509 beschriebenen Methode. Die Versuche waren ursprünglich zu anderen Zwecken angestellt; einzelne der ausgemes- senen Kurven sind in der Literatur bereits veröffentlicht, z. B. in Pflüger’s Arch. Bd. 162 Taf. V Abb. 15. An diesen Kurven wurden Stromvolum (v) und Mitteldruck (p.) für eine Reihe aufeinander- folgender Pulse festgestellt. Zur Bestimmung des Mitteldruckes während des einzelnen Pulsschlages wurden die Ordinaten der Druckkurve mit Hilfe eines auf Glas geritzten Maassstabes unter Lupenvergrösserung in Abständen von 1 bzw. !/z mm gemessen und der Mitteldruck des jeweiligen Pulses nach einer von Herrn Geheimrat Hürthle mir em- pfohlenen Formel berechnet: Sind @,, As, 43... An_1, @, die gemessenen Ordinaten, so ist der Mitteldruck n—1 In Worten: Man erhält den Mitteldruck, wenn man die halbe Summe der ersten und letzten Ordinate zur Summe aller zwischen- liegenden addiert und die Gesamtsumme durch die um 1 verminderte Anzahl der Ordinaten dividiert. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Formel liegt darin, dass der Mitteldruck in dem durch zwei aufeinanderfolgende Ordinaten gebildeten Trapez gleich dem arithmetischen Mittel der beiden Ordinaten ist, so- fern diese einander so nahe liegen, dass der von ihnen begrenzte Kurven- abschnitt als gerade Linie betrachtet werden kann. Pm == Die Dauer des Pulses (?) wird direkt in Millimetern abgelesen, ebenso das zu dem Puls gehörige Stromvolumen durch den Höhenunterschied der Fusspunkte je zweier aufeinanderfolgender Strompulse. Zur Be- rechnung des Quotienten ist nun alles gegeben. Da für den vor- liegenden Zweck nur die Kenntnis der respiratorischen Änderungen der Quotienten und nicht ihr absoluter Wert erforderlich ist, wurde davon abgesehen, die in Millimetern gemessenen Werte in absolute Druck-, Strom- und Zeitwerte umzurechnen. Nur für die Tabellen 2 und 3 wurden aus einem später (S. 221) mitzuteilenden Grunde die absoluten Werte berechnet. Trägt man nun die einzelnen Werte der Quotienten auf Millimeterpapier als Ordinaten und die entsprechenden 216 Konrad Maschke: Mitteldruckwerte der einzelnen Pulse auf dieselben Ordinaten auf, so stellt die Verbindungslinie der Quotientenwerte ein Abbild eventueller Änderungen in der Weite der Gefässe dar, die Kurve der Mitteldruck- werte die Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes. Da letztere 10-20 mm betragen, die Quotienten aber erst in der zweiten Dezimale schwanken, wurden diese, um deutliche Bilder zu geben, 50 mal ver- grössert in das Koordinatensystem eingetragen (s. Abb. 1 und 2 8.218). Um die Brauchbarkeit der Methode zu erweisen, wurden zunächst Druck- und Stromkurven gemessen, die das Vorhandensein von Tonus- schwankungen der Gefässe infolge besonderer Versuchsanordnungen erwarten liessen. Die Kurven stammen von der Karotis eines normal atmenden Hundes, der eine Trachealkanüle trug. Nachdem das Tier eine Zeitlang unter normalen Bedingungen geatmet hatte, wurde die Trachealkanüle mit einer grossen, Kohlensäure enthaltenden Blase ver- bunden. Aus dieser atmete das Tier etwa 30 Sekunden lang Kohlen- säure ein; darauf wurde die Blase wieder entfernt und das Tier sich selbst überlassen. Einige Zeit nach diesem Eingriff wurde der Teil des vorher blossgelegten Vagosympathicus, der vermutlich den Hals- sympathieus enthielt, durchschnitten, um das Verhalten des Quotienten bei einem bekannten Wechsel des Tonus festzustellen. Die Messungs- ergebnisse dieses Versuches sind in der Tabelle 1 (S. 217) enthalten. Die Tabelle zeigt, dass der Quotient bei der normalen Atmung | um + 0,005 um den Mittelwert 0,052 schwankt, während der Ein- atmung von Koklensäure aber auf 0,04 im Mittel sinkt, während gleichzeitig der Mitteldruck von 12,5 auf 15,2 mm infolge der all- gemeinen gefässverengernden Wirkung des Gases steigt. Da das Steigen des Mitteldruckes für sich allein eine Erhöhung des Quotienten durch Dehnung der Gefässe zur Folge haben würde, müssen wir - schliessen, dass die CO,-Einatmung eine starke Erhöhung des Tonus auch im Gebiet der Karotis zur Folge gehabt hat, durch welche die physikalische Wirkung der Drucksteigerung überkömpensiert wurde. In der Periode der Nachwirkung steigt der Quotient allmählich wieder zu seinem ursprünglichen Werte an. Der Quotient zeigt also die in- folge des Eingriffs zu erwartende Änderung. Dass bei der unvollständigen Durchschneidung des Vagosympathicus im wesentlichen die Fasern des Sympathicus getroffen wurden, geht einerseits aus der unbedeutenden Änderung des Mitteldruckes von 12,4 auf 12,8, andererseits aus dem starken Anwachsen des Quotienten Ei Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 917 Tabelle ll. Druck- und Stromkurven von der Karotis eines Hundes von ?/ı Jahren und 16 kg Gewicht. (Versuch vom 19. Dezember 1908.) > | Dauer | Mittel- | Mittel | Strom- Quotient is druck der volum Stromvolum Mittel | Bemerkungen mm Elke dh, N Periode mm | Mitteldruek> BBS Im 700 ZaS we uk \ L Ir + | \ pr N\ - B2 90 ZEN Im hen 7 amt Tr ms = = r 0 ML lalnuc) . Ya Pul-De7 Z3EUWS5S6ETEITWNHNRRTUWTITE 17 18 19 20 21 22.23 Abb. 1. Kurve des Mitteldruckes (unten) und der Quotientenwerte (oben) in der \ Art. cruralis eines Hundes. 1 Sek. —4 mm. F 004 003 002 007 — | | 1 | B | | 700 Dei | 90 Mit E N A a RE ION, - - 7 N 7 N ZA 7 = er N Ed oD>== & u Ye Pak-No 7 E3EHS5EETEIMMIETETIM 71570 17 78 19 20 21 22.23 24 N Abb. 2. Kurve des Mitteldruckes (unten) und der Quotientenwerte (oben) in der Art. karotis desselben Hundes. Zur Lösung unserer eigentlichen Aufgabe wurden Druck- und Stromkurven von Hunden mit ausgesprochenen respiratorischen Blut- drucksehwankungen in der genannten Weise ausgemessen, und zwar standen mir zehn an der Karotis und neun an der Cruralis unter normalen Bedingungen gewonnene Kurven zur Verfügung. Auf diese entfallen etwa 100 respiratorische Blutdruckschwankungen, von denen jede durchschnittlich aus 5—6 Pulsen besteht. Das Ergebnis aller wel = “ -. f BE ya. ‚7 Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 319 Messungen ist grundsätzlich übereinstimmend und nur quantitativ abweichend. Es genügt daher, als Beispiele je einen Ver- such an Karotis und Cruralis kerauszugreifen. In Tabelle 2 und 3 sind die Messungsergebnisse zweier Versuche mitgeteilt und in Abb. 1 und 2 graphisch dargestellt, die nacheinander am gleichen Tiere ausgeführt waren. Tabelle 2. Druck und Stromstärke in der Art. karotis eines Hundes von 51 kg. Versuch vom 7. Mai 1901. Russschreibung. pP Dauer Mitteldruck | Stromvolumen Stromvolumen ulsnummer B ee Sek. mm He cem Mitteldruck X Zeit 1 2,41 83 3,63 0,0181 2 1,69 &1 2,36 0,0209 3 1,59 sl 2,48 0,0192 4 1,09 8 2,10 0,0227 5 0,80 92 1,75 0,0238 6 0,62 99 1,70 0,0277 7 1,94 87 2,83 0,0168 8 1,91 &l 2,76 0,0178 9 1,56 80 2,68 0,0215 10 1,08 8 2,20 0,0240 11 0,78 92 1,90 0,0265 12 0,75 98 2,01 0,0273 13 2,15 87 391 0,0188 14 2,27 & 3,60 0,0196 15 1,52 sl 2,93 0,0238 16 \ ‚al 86 2,43 0,0250 17 0,76 92 2,00 0,0786 18 0,68 93 2,15 0,0323 19 2,04 88 4,13 0,0230 20 2,07 &4 4,18 0,0275 21 1,72 84 3,28 0,0227 22 1,18 84 2,18 0,0280 23 0,71 90 2,08 0,0325 24 0,58 99 2,18 0,0380 Den vorstehenden Tabellen und Kurven entnehmen wir das Folgende: Die Kurven der Mitteldruckwerte (in Abb. 1 und 2 unten) zeigen periodische Schwankungen, die wir als Atemwellen auffassen müssen, da ihre Dauer der eines Atemzuges beim Hunde entspricht. . Ihr je- weiliger Anstieg fällt in die Phase der Inspiration. Die Kurve der 220 Konrad Maschke: Quotientenwerte (oben) läuft nun der Druckkurve im grossen und ganzen parallel, also gerade entgegengesetzt derjenigen, welche zu erwarten wäre, wenn an Pulsnummer Dauer Sek. 1 1,62 2 1,31 3 1,036 4 0,988 5 0,845 6 1,274 7 1,524 8 1,381 9 1,357 10 1,036 11 0,881 12 1,321 13 1,655 14 1,440 15 1,417 16 1,071 17 0,845 18 0,881 19 1,464 20 1,512 21 1,440 22 1,226 23 1,012 der inspiratorischen Drucksteigerung eine Erhöhung des Tonus der Blutgefässe der untersuchten Bahn beteiligt wäre. Die geringen Abweichungen vom Parallelismus der beiden Kurven dürften unbekannten Ursachen oder Unvollkommenheiten der Registrierung und Messung zur Last fallen. Tabelle 3. Druck und Stromstärke in der Art. cruralis sin. desselben Hundes. Mitteldruck mm Hg Stromvolumen LIT re 0,525 0, 600 0, 715 0, 675 0, 750 0,800 0,800 0,725 0 150 0.825 0,800 0, 150 0, ‚875 0, 775 0,800 0, 875 0, 850 0, ‚875 1,025 0, 800 0,950 0,975 0, 925 Stromvolumen Mitteldruck = Zeit 0,0038 0, 0054 0,0033 0, 0072 0,0088 0,0063 0,0056 0,0058 0,0061 0,0081 0,0092 0,0058 0,0061 0,0062 0,0064 0,0089 0,0103 0,0097 0,0072 0,0061 0,0074 0,0088 0, ‚0097 ANDRE FIR 2 4: 7: EEE, Unsere Messungen führen daher zu dem Ergebnis, dass unter normalen Bedingungen an der Entstehung der respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes Tonusschwankungen nicht beteiligt sind. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 221 Dieser Satz ist allerdings vorläufig nur für die Bahnen der Karotis und Cruralis bewiesen, und die Möglichkeit, dass andere Gefässgebiete, zum Beispiel das der Splanchniei, sich auders verhalten, ist nieht aus- geschlossen; aber die Wahrscheinlichkeit, dass andere Gefässgebiete sich entgegengesetzt verhalten, und dass periodische Tonusschwankungen auf einen Teil des Gefässsystems ausgeübt werden, ist sehr. gering, und solange sie nicht erwiesen ist, darf das genannte Ergebnis als allgemein gültig betrachtet werden. Was nun die Erscheinung betrifft, dass die Kurve der Quotienten- werte der Kurve des Mitteldruekes annähernd parallel läuft, so findet sie, wie schon oben gesagt, ihre einfachste Erklärung in der Elasti- zität der Blutbahn, deren äusserer Widerstand nicht konstant ist, sondern mit steigendem Druck abnimmt. Aus diesem Grunde ist bei steigendem Mitteldruck ein Ansteigen der Quotienten zu erwarten und. nicht ein Konstantbleiben, wie es in starren Röhren (beim Poiseuilleschen Gesetz) der Fall sein würde. Der Erklärung des Parallelismus der Druck- und Quotientenkurve durch die Elastizität der Blutbahn könnte nun ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit gegeben werden durch den Nachweis, dass die be- obachteten Änderungen des Quotienten von gleicher Grössenordnung sind wie diejenigen, welehe unter dem Einfluss der Dehnung der Ge- fässe tatsächlich beobachtet werden. Leider fehlen derartige Uuter- suchungen in der Literatur fast vollständig, und ich kann nur die in der vorhergehenden Abhandlung (S. 168) von Hürthle mitgeteilte Tabelle zum Vergleich heranziehen, welche die Änderungen des Quo- - tienten bei künstlicher Durchströmung der Bahn der Cruralis eines getöteten Hundes unter gleichförmig steigendem Druck enthält. Da ein solcher Versuch nur an der Cruralis angestellt ist, kann er auch nur zur Beurteilung eines Cruralisversuches angezogen werden; denn bekanntlich ist die Elastizität der Bahn der Cruralis nicht dieselbe wie die der Karotis; die Dehnbarkeit der letzteren ist wesentlich erösser. Berechnet man nun die in der Hürthleschen Tabelle - mitgeteilten Quotientendifferenzen durch Interpolation für die in unserem Versuch (Tab. 3) vorkommenden Druckdifferenzen, so erhält man die in der folgenden Tabelle 4 mitgeteilten Werte. 222 | Konrad Maschke: Tabelle 4. Quotienten-Differenzen. a) Bei der künstlichen ne b) Versuch m lebenden Tier ) Druck Quotient Differenz Quotient Differenz 84 0,0124 & 0,0054 101 01a |} 00025 UL 86 0,0127 0,0061 102 0,0150 \ 0,0023 0.0097 y 0,0086 87 0,0128 0,0061 94 0.0139 \ 0,0011 0.0097 \ 0,0056 Aus der Zusammenstellung geht hervor, dass die Quotienten- differenz in unserem am lebenden Tier angestellten Versuch grösser ist als die am toten Tier gefundene, obwohl die absoluten Werte der Quotienten am lebenden Tier kleiner sind als am toten. Letzteres ist ohne Zweifel zum erössten Teil dem Unterschied in der Viskosität der Strömungsflüssigkeit zuzuschreiben, da zur künstlichen Durch- strömung etwa vierfach mit Ringer-Lösung verdünntes Blut ver- wendet wurde. Ob nun die verschiedene Grösse der Quotienten- differenzen auf individuelle Unterschiede der Elastizität der Bahn oder auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der eine Versuch am lebenden, der andere am toten Tier angestellt wurde, lässt sich zur- zeit nicht entscheiden. Im übrigen sind die Differenzen nicht so gross, dass man sagen könnte, die am lebenden Tier beobachteten Quotienten- differenzen seien von anderer Grössenordnung als die bei der künst- lichen Durchströmung des toten Tieres beobachteten. Ich bin daher überzeugt, dass der Parallelismus der Druck- und Quotientenkurven ausschliesslich auf die elastische Dehnung der Gefässe unter dem Ein- fluss des wechselnden Druckes zurückzuführen ist. Zusammenfassung. Es wird eine Methode beschrieben, welehe ermöglicht, Ärderungen im Tonus eines Gefässgebietes fortlaufend: festzustellen. Sie besteht darin, dass Druck und Stromstärke in einer grösseren Arterie registriert und die Quotienten Stromstärke/Druck X Zeit für jeden Pulsschlag gebildet werden. Zunahme des Gefässtonus bei gleichbleibendem Druck hat Sinken, Abnahme des Tonus Steigen des Quotienten zur Folge. Die Grenzen der Sicherheit der Methode werden besprochen. Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes usw. 2233 Ist am inspiratorischen Steigen des Aortendruckes eine Zunahme des Gefässtonus beteiligt, so ist ein Sinken des Quotienten zu erwarten. Die Berechnung des Quotienten an einer grossen Zahl von Strom- und Druckkurven der Arteria karotis und eruralis ergibt aber, dass der Quotient den respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes parallel läuft, dass er also inspiratorisch steigt. Daraus folgt, dass keine Tonusschwankungen der Aortenbahn an den respi- ratorischen Wellen des Blutdruckes beteiligt sind. Der Beweis für diesen Schluss ist in der vorliegenden Arbeit zwar nur für zwei Gefässbahnen (Karotis und Cruralis) erbracht, doch ist die An- nahme berechtigt, dass die anderen Körperbahnen sich ebenso verhalten. (Aus dem k. k. Landwehrspital in Prag!).) Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenrefiex. Von k.k. Oberarzt Dr. Bruno Kisch, Assistent am pathol.-physiol. Institut in Cöln a. Rh. Als ich vor einiger Zeit einen Patienten mit eiteriger Mittelohr- entzündung mittelsEintropfens einer konzentrierten Kaliumübermanganat- lösung in das erkrankte Ohr behandelte, bemerkte ich, dass er jedes- mal beim Einträufeln der ca. 25° C. warmen Lösung, und zwar nur während des Einträufelns, heftig mit beiden Augen zwinkerte. Er‘ war nicht imstande, auf meine Aufforderung hin während des Ein- träufelns die Augen offenzuhalten. Versuche an zehn anderen, ge- sunden Individuen zeigten mir, dass bei normalen Menschen jederzeit von der Wand des knöchernen Teiles des äusseren Gehörganges so- wie vom Trommelfell aus durch mechanische. und kalorische Reize ein lebhafter Lidschlagreflex, in vielen Fällen auch ein Tränenreflex aus- gelöst werden kann. Diese interessante und auffallende Tatsache fand ich weder in den ausführlichen Lehr- und Handbüchern der Ohren- und Augen- heilkunde erwähnt, [auch nicht in dem vortrefflichen vielbändigen Werke von H. Wilbrand und A. Saenger: „Die Neurologie des Auges“ ?)], noch auch in den Handbüchern der Physiologie und Neu- rologie. W. v. Bechterew?) erwähnt in seiner Arbeit über die am Ge- sieht und Kopfe zu beobachtenden Reflexe diese beiden gar nicht, und 1) Meine Untersuchungen habe ich grösstenteils an der k. k. deutschen Ohren- klinik in Prag ausgeführt, deren Leiter, Herrn Prof. Dr. ©. Piffl, ich für das liebenswürdige Entgegenkommen, mit dem er mir die Hilfsmittel seiner Klinik zur Verfügung gestellt hat, zu aufrichtigem Danke verpflichtet bin. - 2) Wiesbaden, bei J. F. Bergmann. 1901—1917. 3) W.v. Bechterew, Über Reflexe im Antlitz und Kopfgebiet. Neur. Zentralbl. Bd. 20 S. 930. 1901. — Derselbe, Die Funktionen der Nervenzentra. Deutsch von R. Weinberg. Bd.1. Jena 1909. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 225 auch R. Bäräny!), der doch bei der Prüfung des kalorischen Nystagmus die Ausen beobachtet, während er den knöchernen Gehörgang und das Trommelfell kalorisch reizt, sprieht in seinen Publikationen von diesen beiden Reflexen überhaupt nicht. Auch in der übrigen mir bekannten Literatur über den vestibulären Nystagmus habe ich keine diesbezügliche Erwähnung gefunden. Auch bei den älteren Autoren [Baginsky?), Schmiedekam und Hensen?)] ist ein Ohr-Augen- lid- oder Ohr-Tränenreflex nicht erwähnt. In der speziellen Fachliteratur fand ich, soweit sie mir zugänglich war, lediglich eine kasuistische Mitteilung von Deleau®) über einen Fall von eiteriger Mittelohrentzündung mit Polypen, bei dem er kon- _ vulsivisches Zucken des Auges beobachtete, das sich mit dem Ohren- leiden verlor. Vielleicht handelte es sich bei diesem Falle um eine verstärkte Erscheinungsform des socleich näher zu beschreibenden Reflexes. Ferner hat E. Fröschels?) in mehreren Arbeiten das Ver- - schwinden des Kitzelsymptoms bei an Otosklerose Erkrankten be- schrieben. Fröschels konnte zeigen, dass das Verschwinden dieses Symptoms eine Folge der Funktionsunfähigkeit der sensiblen Trige- minusfasern im äusseren Gehörgang als Zeichen dieser Krankheit ist. Als Kitzelsymptom beschreibt er die Erscheinung, dass bei Kitzeln 1) R. Bäräny, Untersuchungen über den vom Vestibularapparat des Ohres reflektorisch ausgelösten rhythmischen Nystasmus und seine Begleiterscheinungen. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. 40 S. 193. 1906, — Derselbe, Physiologie und Pathologie des Bogengangsapparates beim Menschen. Klinische Studien. Leipzig und Wien bei F. Deuticke. 1907. 2) B. Baginsky, Über die Folgen von Drucksteigerung in der Paukenhöhle und die Funktion der Bogengänge. Du Bois’ Archiv 1831 S. 201 erwähnt „ein symmetrisches Zucken des Oberlides“ bei Einbringen von kaltem Wasser in die Paukenhöhle (!). 3) Schmiedekam u. Hensen, Experimentelle Studien zur Physiologie des Gehörganges. Arb. a. d. Kieler physiol. Institut 1868 S. 30ff. erwähnen die beiden Reflexe nicht, obwohl der Sensibilität vom Gehörgang und Trommelfell zwei Kapitel ihrer Arbeit gewidmet sind. 4) Schmidt’s Jahrb. 1840, 2. Suppl.-Bd. Zitiert nach H. Schwartze, Handbuch der Ohrenheilkunde. Leipzig, bei Vogel. 1892. E: 5) E. Fröschels, Über den Grund des Kitzelsymptoms bei Otosklerose. Passow-Schäfer’s Beitr. Bd. 5 S. 199. 1905. Über ein neues Symptom bei Otosklerose. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. 44 S. 23. 1910. Zur Otosklerosen- - frage. Ebenda Bd. 44 8.1216. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 15 226 Bruno Kisch: des äusseren Gehörganges in einer Tiefe von ca. 1 em die Versuchs- person mit dem Kopfe -ausweicht, lacht oder blinzelt. Ein Augen- schliessen oder Tränen erwähnt Fröschels hierbei nicht und be- zeichnet das Blinzeln auch als die schwächste, Lächeln oder Lachen als stärkere und das Ausweichen des Kopfes und Lachen als die stärkste Reaktion. Er hat sichtlich den äusseren Gehörgang nicht tief genug mechanisch gereizt, um den sodann stets prompt eintretenden Lid- schlagreflex beobachten zu können. Da der von der Hautdecke des knöchernen Teiles des äusseren Gehörganges und dem Trommelfell durch kalorische und mechanische Reize auslösbare Lidschlag- und Tränenreflex demnach bisher nicht bekannt war oder doch zumindest nie genauer beobachtet nnd beschrieben worden ist, so will ich in nachstehendem einiges über ihn berichten. 1. Der Ohr-Lidschlagreflex. Berührt man bei einem Menschen!) mit normalem zentralem und peripherem Nervensystem sowie Gehörorgan mit einer dünnen, um Verletzungen zu vermeiden, geknöpften Sonde oder einem aus Filterpapier gedrehten Stäbchen vorsichtig die Wand der tieferen Teile des äusseren Gehörganges oder das Trommelfell, oder streicht man mit diesen Instrumenten zart über die genannten Organe, so zwinkert die Versuchsperson sogleich lebhaft mit den Augen, oder es erfolgt ein etwa '"/s—2 Sekunden dauernder sanfter, nur selten krampfhafter Lidschluss. Nur sehr selten erfolgt ausserdem ein Ausweichen des Kopfes oder gar des ganzen Oberkörpers. Dieser Versuch sowie die sogleich zu beschreibende kalorische Reizung kann ohne Beeinflussung der Versuchsresultate bei beliebiger Körperlage der Versuchspersonen, sitzend oder liegend, ausgeführt werden. Ist man bei der taktilen Reizung achtsam zuwege gegangen, so geben die Untersuchten auf Be- fragen fast immer an, sie hätten bei der Untersuchung keinerlei Sehmerz empfunden, nur ein „eigentümliches Gefühl“, das nur einige als „eigentümlich unangenehm“ beschreiben. 1) Auch bei den bisher von mir in dieser Hinsicht untersuchten Tieren (Hund, t Katze, Kaninchen, Pferd) ist dieser Reflex auslösbar, aber oft nicht leicht zu be- obachten, da diese Tiere bei stärkerer Reizung des Gehörganges lebhaft mit dem Kopfe schütteln. Beim Hund scheint er meist, beim Kaninchen immer nur auf dem 4 gleichseitigen Auge vorhanden zu sein, verhält sich also ähnlich wie der Corneal- reflex bei diesen Tieren. Ich werde hierüber demnächst Ausführlicheres mitteilen. 2 en. je % ; R ” Y 7 n Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 227 Von der Haut der Ohrmuschel und des ihr benachbarten Teiles des knorpeligen Gehörganges lässt sich dieser Reflex nicht auslösen. Durch Reizung des Trommelfelles kann er viel leichter und intensiver hervorgerufen werden als durch Berühren der Wand des knöchernen Gehörganges. So erfolgte zum Beispiel bei vielen Versuchspersonen auf ein Berühren des Trommelfelles hin ein sanfter oder krampfhafter Lidschluss, während ein Berühren der Wand des knöchernen Gehör- ganges bei derselben Person nur ein lebhaftes Zwinkern !) verursachte. Vom knöchernen Gehörgang schien mir im allgemeinen die obere Gehörgangswand, besonders ihr hinterer Teil, am empfindlichsten zu sein. Es ist gewiss kein Zufall, dass gerade an dieser Stelle der das Trommelfell versorgende Ast des Nervus trigeminus von der oberen Gehorgangswand längs des Hammergriffes auf das Trommelfell herab- steist. Vom Trommelfell ist die Gegend, wo der Hammergriff ihm anliest, besonders empfindlich. Ein die taktile Reizung längere Zeit überdauerndes Zwinkern oder Schliessen der Lider konnte ich bei normalen Versuchspersonen nie beobachten. Ebenso zuverlässig wie durch taktile Reize ist bei normalen Per- sonen ‘der Lidschlagreflex in den eben geschilderten Formen von der Wand des knöchernen Gehörganges und dem Trommelfell aus durch kalorische (Wärme- und Kälte-)Reize auszulösen). Ich sah ihn auch bei Versuchspersonen mit Defekt' des ganzen Trommelfelles auftreten. Freilich konnte bei diesen ein Eindringen des Wassers in die offen- liegende Paukenhöhle nicht vermieden werden, so dass nicht bestimmt ‚entschieden werden konnte, ob er in diesem Falle nur vom Gehör- gang ausgelöst worden ist. Dass letzteres aber sicher möglich ist, be- Fr weisen dahinzielende Versuche mechanischer Reizung des Gehörganges. Die kalorische Reizung kann man mit kalten (16—25° C.) oder heissen (40—50° C.) Flüssigkeiten ausführen. Man lässt entweder 1) Mit Zwinkern bezeichne ich mehrere, schnell aufeinanderfolgende, kurze Lidschläge, mit „Lidschluss“ ein langsameres und länger (1/e.—3 Sekunden) dauerndes Schliessen der Augenlider. Ist hierbei nicht der sanfte Lidschluss gemeint, so werde ich ihn in nachfolgendem stets ausdrücklich als „krampfhaften Lidschluss“ bezeichnen. : 2) Ich lege auf die kalorisehe Auslösbarkeit des Reflexes ein ganz beson- deres Gewicht, da sie in gewissen Erkrankungsfällen (zum Beispiel bei Hirn- blutungen) einseitig fehlt. Ich berichte hierüber ausführlich an anderer Stelle. 19,23: 228 Bruno Kisch: mit Hilfe einer Pipette einige Tropfen der Flüssigkeit in den äusseren Gehörgaug fliessen, oder man spült ihn mit Hilfe einer Ohrenspritze oder des von Bäräny zur Prüfung des vestibulären Nystagmus an- gegebenen Apparates mit einer Flüssigkeit von bestimmter Temperatur aus. Das Eintropfen ist jedenfalls der einfachere aber auch weniger energische Eingriff, da beim Ausspülen durch den Druck der aus- strömenden Flüssigkeit die kalorische mit der mechanischen Reizung verbunden wird. Deshalb erhält man mitunter bei der gleichen Versuchsperson den Reflex viel lebhafter bei Ausspülung als beim Ein- träufeln von Flüssigkeit einer bestimmten Temperatur. Durch kalo- rische Reizung der Ohrmuschel, des äussersten Teiles des äusseren Gehörganges oder der Wangenhaut konnte ich einen Lidschlagerfolg nie auslösen. Vor Ausführung der kalorischen Reizung muss selbstverständlich stets mit Hilfe des Ohrenspiegels das Trommelfell und der äussere Gehörgsang untersucht werden. Ceruminalpfröpfe können die ein- geträufelte Flüssigkeit verhindern, zu den tieferen Partien des äusseren Gehörganges und zum Trommelfell vorzudringen und so einen nega- tiven Ausfall des Versuches vortäuschen. Ich habe es auch stets bei vorhandenen Defekten des Trommel- fells unterlassen, Versuche mit sehr. kalten oder sehr heissen Flüssig- keiten auszuführen, da aus verschiedenen Mitteilungen ?) der Literatur hervorgeht, dass in die Paukenhöhle eingedrungenes kaltes Wasser mitunter intensive Reizerscheinungen und Kollaps veranlassen kann. Viele Autoren führen ja bekanntlich eine Reihe tödlicher Unfälle beim Baden auf ein plötzliches Eindringen von kaltem Wasser in die Paukennöhle, bei vorhandenem löcherigen Trommelfell, und hierdurch veranlassten Schwindel und Kollaps zurück. Der Ohr-Augenlidreflex wird, ähnlich wie auch der vestibuläre Nystagmus, durch Kältereize viel intensiver hervorgerufen als durch Hitzereize. Durch körperwarme Flüssiekeiten ist dieser Reflex bei den meisten Versuchspersonen überhaupt nicht auszulösen, bei einigen wohl, aber nur in sehr geringer Intensität. Vor dem Einträufeln der Versuchsflüssigkeit lässt man .den zu 1) Vergl. Güttich’s Mitteilung in der Berliner otol. Gesellsch., Sitzung vom 24. April 1914 (Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 97 S.’101) und die in der Debatte daseiZg erwähnte ältere Angabe von v. Tröltsch. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 929 - Untersuchenden den Kopf seitwärts gegen die eigene Schulter neigen und stellt sich selbst so vor ihn auf, dass man womöglich seine beiden Augen beobachten kann, während man das Wasser langsam aus einer Pipette in den äusseren Gehörgang fliessen lässt. Dabei sucht man den Gehörgang durch Zurückziehen der Öhrmuschel nach hinten _ oben zu erweitern, um die Flüssigkeit leichter einfliessen zu lassen. Bei Personen, die einen engen oder stark gewundenen äusseren Gehör- gang haben, ist es vorteilhaft, die Pipette etwa 1 cm tief in den Gehörgang einzuführen, damit die Flüssigkeit sicher bis in seine tieferen Partien gelangt. Die Menge der Flüssigkeit, die ich ins Ohr eintropfte, betrug 0,2—0,5 cem. Die Untersuchung wurde bei jeder Person dreimal wiederholt. Beim Ausspülen des Gehörganges ist ein Neigen des Kopfes der Versuchsperson unuötig. Bei der kalorischen’ Reizung des Trommelfelles ist es bequemer, bei der taktilen oft notwendie, eine Assistenz zur Beobachtung der Augen oder Ausführung der Reizung zu haben; doch kann man sich zur Not auch mit einem Wandspiegel behelfen, der, ohne dass man den Platz wechseln muss, beide Augen der Versuchsperson von dem gleichen Standorte aus beobachten lässt, von dem aus man das unter- suchte Ohr betrachtet. Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass manche Leute die Augenlider schon schliessen, sobald man ihren Kopf zur Schulter neigt. Man muss dann warten, bis sie sie von selbst öffnen, was meist, wenn sie merken, dass nichts weiter mit ihnen geschieht, sehr bald der Fall ist. Um eine psychologische Beeinflussung des weiteren Experi- mentes zu vermeiden, ist es besser, die Versuchsperson nieht selbst aufzufordern, die Augen zu Öffnen. Auch beim Einführen der Pipette ins Ohr kann durch Berühren der Wand des Gehörganges ein reflektorischer Lidschluss verursacht werden. Hat nun die Versuchsperson die Augenlider wieder geöffnet, so lässt man einige Tropfen der Flüssigkeit aus der Pipette in den Gehörgang fliessen und beobachtet die Wirkung, ohne den Kopf des Betreffenden aus seiner ursprünglichen Lage zu bringen, wodurch ein Ausfliessen der Flüssigkeit aus dem Ohre veranlasst werden könnte. Zu all diesen Manipulationen braucht man bei einiger Übung so wenig Zeit, dass bei Verwendung heisser Flüssigkeiten das Auskühlen der- 230 Bruno Kisch: selben in der Pipette als Versuchsfehler nieht sehr wesentlich in Be- tracht kommt. Auch hat es sich mir in den hier beschriebenen Unter- suchungen nicht um die Feststellung quantitativer Unterschiede in der Temperatureinwirkung gehandelt. Benützt man zum Einträufeln kaltes Wasser (von ca. 16—25° C.), so bemerkt man sogleich, nachdem die Flüssiekeit in die tieferen Teile des Gehörganges gelangt ist, dass die Versuchsperson lebhaft mit beiden Augen zwinkert oder sanft (selten krampfhaft) beide Augen schliesst. Beim gesunden Menschen dauert diese Reaktion I—3 Sekunden, selten viel kürzer, nie viel länger. Dies ist ihr normaler Verlauf. Oft beobachtete ich, dass die Versuchsperson beim Lidschluss das der Einträufelung gleichseitige Auge länger geschlossen hielt als das gegenseitige. Das Umgekehrte habe ich nie beobachtet. -In einigen wenigen Fällen wurde aber stets bloss das gleichseitige Auge ge- schlossen. Bekanntlich sind alle bisher beobachteten Blinzelreflexe beim Menschen stets beiderseitig. Auch in den Fällen, in denen nur das gleichseitige Auge bei meinen Versuchen geschlossen wurde, konnte man deutlich auch eine Innervation und Zuckungen im gegenseitigen Facialis- innervationsgebiet sehen, doch keinen Lidschluss. Als wichtigstes Resultat ergaben meine Versuche, dass ein vollkommenes Fehlen des Ohr-Lidschlagreflexes, eine Auslösbarkeitnurvoneinem Öhreaus, einelängere | Dauer des Lidschlussesnach Eintropfen kalter Flüssig- keiten als höchstens4 Sekunden stets ein pathognosti- sches Symptom ist, das beim Gesunden niemals be-. obachtet wird. Mehr als 150 von mir bisher untersuchte Versuchs- personen mit normalem Gehörorgan und Nervensystem zeigten ohne Ausnahme ein normales Verhalten dieses Ohr-Lidschlagphänomens. Bei pathologischen Veränderungen des zentralen oder beripheran Nervensystems kann der Reflex von einem oder von beiden Ohren aus nicht auslösbar werden, oder der Lidschluss kann den Reiz über- mässig lange (bis 3 Minuten) überdauern. | 4 Eingehende Untersuchungen hierüber sind noch im Gange. Ich | werde über ihr Ergebnis an anderer Stelle ausführlich berichten. Verwendet man an Stelle des kalten Wassers zum -Einträufeln körperwarmes (36—38° C.), so erhält man meist gar keine Reaktion Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 231 oder nur ein leichtes Zwinkern. Bei Verwendung von heissem Wasser (40—50° C.) tritt der reflektorische Lidschluss meist (aber nicht in jedem Falle) wieder auf, ist aber gewöhnlich schwächer ausgeprägt als die Reaktion derselben Person auf Einträufeln von kaltem Wasser in den Gehörgang. | Spült man den äusseren Gehörgang längere Zeit hindurch (etwa 20 Sekunden) mit einer kalten (16—25° C.) Flüssigkeit so aus, dass dieF lüssiekeit auch in die tieferen Partien des Gehörganges eindringt, so sieht man, dass der sogleich eintretende Lidschlagreflex (Zwinkern oder Lidschluss) nicht die ganze Zeit der Ausspülung hindurch an- dauert, sondern dass sehr bald, längstens nach 3—8 Sekunden, die Versuchsperson ihre Augenlider wieder ruhig offenhält, wenn auch die Spülung beliebig lange fortgesetzt wird. Unterbricht man diese aber auch nur für kurze Zeit, so tritt, sobald man wieder kaltes Wasser in den Gehörgang leitet, der Reflex sogleich neuerlich auf. Bei Benützung körperwarmer Flüssigkeiten fehlt auch beim Aus- spülen oder Ausspritzen gewöhnlich jede Reaktion; selten merkt man ein leichtes, kurzdauerndes Zwinkern. Bei Verwendung heisser Flüssig- keiten (40—50° C.) kann die Reaktion fehlen, ist aber meist vor- handen, nur gewöhnlich bei der gleichen Versuchsperson schwächer als bei Verwendung kalter Flüssigkeiten. € Im ganzen kann man fünf Arten der Reaktion der Augenlider’ auf Reizung des äusseren Gehörganges oder des Trommelfelles be- obachten, die nachfolgend ihrer Intensität nach in steigender Reihe angeordnet sind: - : ne I. Gar keine Reaktion; I. Fibrilläres Zucken des Augenlides ohne & Lidschluss; II. Zwinkern; IV. Sanfter oder kramıpfhafter Lidschluss des gleichseitigen oder beider Augen von Ya—4 Sekunden Dauer bei Einträufeln und von 1—8 Sekunden Dauer bei Ausspülen oder Aus- spritzen; V. Sanfter oder krampfhafter Lidschluss von längerer Dauer als 4 Sekunden bei Einträufeln, als 8 Sekunden bei Ausspülen oder _ Ausspritzen. Bei normalen Versuchspersonen sah ich die Re- aktionsart I und I bei Verwendung kalter (16—25° C.) - Flüssigkeiten niemals, die Reaktionsart V bei nor- malen Versuchspersonen überhaupt nie auftreten. Geht man achtsam zu Werke (Benützung der gleichen Flüssigkeits- menge rechts und links, Vermeidung taktiler Reize mit der Pipette usw.), RAT 232 Bruno Kisch: so findet man bei gesunden Menschen nie sehr grosse Differenzen der Reaktion, je nachdem, ob man das rechte oder linke Trommelfell reizt. Geringe Differenzen sind aber (wie die untenstehenden Ver- suchsprotokolle zeigen) sehr häufig. Jedenfalls achte man stets dar- auf, möglichst in jedes der beiden Ohren die gleiche Menge Wasser fliessen zu lassen. Es sei noch erwähnt, dass bei dem vom Ohre aus ausgelösten Lidschlag stets das Bell’sche Phänomen (die Hornhaut beider Augen geht beim Lidschluss nach oben aussen, seltener nach oben innen) positiv ist. Man kann sich hiervon überzeugen, indem man während des Eintropfens des Wassers in den Gehörgang das eine Augenlid der Versuchsperson offenhält. Auch habe ich dieses Phänomen bei Patienten mit einseitiger peripherer Facialislähmung- stets. bei Ausführung des Versuches auftreten gesehen. Meine Versuchspersonen waren männliche und weibliche Individuen in einem Alter zwischen 10 und 70 Jahren. Nun führe ich noch als Beispiel meiner Versuche zwei von vielen Protokollen an. Versuchsperson Nr. 16. B. R. 21 Jahre alt, Eisendreher, leidet an Tuberkulose. Ohrenbefund normal. Bei Berühren des knöchernen Gehörganges oder des Trommel- felles des rechten sowie des linken Ohres mit einer geknöpften a ‘erfolgt ein kurzes Schliessen beider Augen. 0,4 eem Wasser von 17° C. Einträufeln ins linke Ohr: kurzer, sanfter Lidschluss beider Augen. 0,& ccm Wasser von 17° C. Einträufeln ins rechte Ohr: Zwinkern beider Augen. Dauerspülung des linken Gehörganges mit Wasser von 17° C.: kurzes Schliessen beider Augen, Öffnen des rechten und 3 Sekunden später des linken. Dauerspülung des rechten Gehörganges mit Wasser von 17° C.: Schliessen des rechten Auges durch 3 Sekunden und Zwinkern des linken während dieser Zeit. Spülung mit Wasser von 35° C. Linkes Ohr: keine Reaktion, rechtes Ohr: geringes Zwinkern beider Augen. Spülung mit Wasser von 45° C. Rechtes sowie linkes Ohr: Zwinkern beider Augen. Versuchsperson Nr. 136. S.L. 18 Jahre alt, Student, Neurasthenie. Ohrbefund normal. r { Sr ET : a a Da ey. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 233 Beim Eintropfen von 17 °igem Wasser ins linke Ohr: intensives Zwinkern beider Augen. Dasselbe ins rechte Ohr: kurzes Schliessen beider Augen. Bei Dauerspülung mit Wasser von 17°,C. rechtes und linkes Ohr: intensives Zwinkern beider Augen. Beim Einträufeln von Wasser (37° C.) ins rechte und linke Ohr: keine Reaktion. Beim Ausspülen mit Wasser von 37° C. rechtes Ohr und linkes Ohr: keine Reaktion. Beim Einträufein von Wasser (45° GC.) rechtes Ohr: keine Re- aktion, linkes Ohr: kurzes Zwinkern beider Augen. Beim Ausspülen mit Wasser von 45° C. des rechten sowie des linken Ohres: schwaches Zwinkern beider Augen. Nachdem so bei sehr vielen Versuchspersonen die Tatsache fest- gestellt war, dass sich vom Trommelfell und gewissen Teilen des äusseren Gehörganges des gesunden Menschen durch taktile und kalorische Reizung stets ein Lidschlag hervorrufen lässt, war zu ent- scheiden, ob es sich bei diesem Phänomen wirklich um einen Reflex- vorgang handelt. Dass dies tatsächlich der Fall ist, geht aus folgenden Umständen hervor: 1. Erfolste in allen meinen Versuchen der Lidschlag augen- blieklich nach der Reizung mit einer für eine willkürliche Bewegung sichtlich viel zu kurzen Latenzzeit und ausserdem ausnahmslos bei allen (mehr als 150) untersuchten normalen Versuchspersonen. 2. Bei einem an tuberkulöser Hirnhautentzündung erkrankten Manne, der in vollkommener Bewusstlosigkeit dalag und auf Anruf nicht mehr reagierte, hielt ich die Augenlider geöffnet, während ihm Wasser von 20° C. ins Ohr getropft wurde. Beim Eindringen der Flüssigkeit in den Gehörgang versuchte er jedesmal merklich, die offengehaltenen Augenlider zu schliessen. 3. War im Laufe meiner Untersuchungen Herr Prof. Piffl so freundlich, mir mitzuteilen, dass es ihm seit langem aus Erfahrung bekannt sei, dass bei der operativen Aufmeisselung des Warzenfortsatzes nicht zu tief narkotisierte Patienten jedesmal, wenn ein Instrument den äusseren Gehörgang von aussen berührt, die Augen fest zukneifen. (Dies könnte man freilich auch als Schmerzäusserung deuten.) 4. Sieht man bei den geschilderten Versuchen aber ausser dem 254 Bruno Kisch: Lidschlag noch andere sicher reflektorische Vorgänge am Auge ab- laufen, von denen sogleich die Rede sein soll. 2. Andere vom Ohre auslösbare Augenrefiexe. Die einzigen vom Ohre aus auslösbaren reflektorischen Vorgänge am Auge, die bisher in Literatur und Praxis wohlbekannt und be- achtet waren, sind die Bulbusdeviation und der Nystagmus. Bei der reichen, heute bereits bestehenden Literatur über die verschiedenen Arten des vestibulären Nystagmus uud der vestibulären Bulbusdeviation ist es weder möglich noch von mir beabsichtigt, auf diese Erscheinungen hier näher einzugehen. Nachfolgend möchte ich nur zwei weitere vom äusseren Gehör- gang und vom Trommelfell auslösbare Augenreflexe beschreiben, deren in der Literatur bisher nirgends gedacht wurde, falls sie überhaupt schon beobachtet worden sind. Sowohl bei der taktilen als auch bei der kalorischen Reizung des Trommelfelles und der knöchernen Gehörgangswand sieht man bei einem grossen Teil der Untersuchten eine merklich- verstärkte Tränensekretion auftreten. Auf Befragen geben die Versuchspersonen meist an, dass nur oder hauptsächlich das der Reizung gleichseitige Auge träne, und zwar auch dann, wenn man bei Betrachtung der Augen einen Unterschied in der Tränensekretion beider objektiv nicht wahrnehmen kann. Meist sieht man aber auch objektiv ganz deutlich das stärkere Tränen des gleichseitigen Auges. Wiewohl dieser Tränenreflex oft sehr deutlich zu erkennen ist, so ist er doch auch bei normalen Personen keineswegs so konstant wie der zuvor beschriebene Ohr-Lidschlagreflex festzustellen. Ich fand den Ohr-Tränenreflex objektiv wahrnehmbar etwa in 50°o der von mir untersuchten Personen. Das Verhalten der Pupillen während des Versuches ist sehr schwer festzustellen, da die Personen ja im Moment der Reizung reflektorisch die Augen schliessen oder, wenn man die Augen passiv offenhält, das Bell’sche Phänomen die Beobachtung der Pupille verhindert und ausserdem das Piltz-Westphal’sche Phänomen (Engerwerden der Pupille bei jedem auch nur intendierten und künstlich Gerlinde Eu Lidschluss) ein Urteil über das Verhalten der Pupille bei Trommelfell- reizung ganz unmöglich macht. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 235 Ich war daher bei meinen diesbezüglichen Beobachtungen auf die (bisher sehr spärlichen) Fälle angewiesen, die eine sehr schwache Lid- schlagreaktion zeigten und diese auf meine Aufforderung hin nach .mehr- "maliger Übung zu hemmen imstande waren. Ferner beobachtete ich jene Fälle, die als pathologisches Symptom ein Fehlen des Ohr-Lid- schlagreflexes aufwiesen. Bei den meisten dieser Personen konnte man stets bei Einträufeln kalten Wassers und bei taktiler Reizung ‘des Trommelfelles und der tieferen Teile des äusseren Gehörganges eine merkliche Erweiterung der Pupillen (und zwar stets beider Pupillen) wahrnehmen. Bei zwei meiner Versuchspersonen mit pathologischerweise fehlendem Reflexe konnte ich gleichzeitig mit der Pupillenerweiterung eine Erweiterung der Lidspalten und ein leichtes Vortreten der Bulbi beobachten. Mit Rücksicht auf diesen Tränen- und Pupillenreflex muss noch- mals betont werden, dass die Untersuchten auf Befragen stets an- gaben, bei den Versuchen keinerlei Schmerzen zu empfinden. 3. Die bei den beschriebenen Reflexen beteiligten Nervenbahnen. Nun blieb noch die Frage zu beantworten, welche Nerven die zentripetalen und zentrifugalen Bahnen der drei beschriebenen Reflexe darstellen. Bezüglich der bisher bekannten reflektorischen Vorgänge an den Augenlidern kommen nach Wilbrand und Saenger!) der N. opticus und trigeminus einerseits, der N. facialis und. wahr- scheinlich auch der N. sympathicus andererseits in Betracht. | Bezüglich der Tränendrüse war man früher der Ansicht, dass der wiehtigste Sekretionsnerv derselben der N. laerimalis aus dem N. -— trigeminus sei?). Durch die Arbeiten Goldzieher’s®) wurde aber sehr wahrscheinlich gemacht, dass der N. facialis und nicht der N. trigeminus der Sekretionsnerv der Tränendrüse ist. Goldzieher’s Ansichten ‚wurde später durch die Arbeiten einer Reihe anderer Forscher beigestimmt. Endgültig und erschöpfend ist die Frage nach der Innervation der Tränendrüse aber wohl auch jetzt noch nicht beantwortet, und Dr. Campos‘) zum Beispiel vermutet, Ball ec. Bd. 5.26. 2) Herzenstein, Arch. f. Anat. 1867 S. 561. 3) Goldzieher, Arch. f. Augenheilk. Bd. 23. Zentralbl. f. Augenheilk. 1895. 4) Wilbrand und Saenger |. c. Bd.2 8.9. 230 Bruno Kisch: dass zwischen oberer und unterer Tränendrüse insofern eine Ver- schiedenheit besteht, als der Sekretionsnerv der einen der N. facialis, der der anderen der N. trigeminus ist. Der sensible Nerv, der die reflektorische Tränensekretion aus- lösende Reize zum Nervenzentrum leitet, ist meistens der N. trigeminus. Bemerkenswert ist, dass ein durch Reizung des N. optieus ausgelöstes Tränen immer doppelseitig auftritt, ebenso das Tränen bei psychischen Affekten, während die reflektorische Tränenabsonderung vom Trige- minus aus sich stets auf dem Auge der gereizten Seite zeigt!). Was nun die Innervation des äusseren Gehörganges und des Trommelfelles betrifft, so wird die vordere und obere Wand des äusseren Gehörganges hauptsächlich vom N. meatus auditorii externi, einem Zweige des N. auriculotemporalis (vom III. Ast des N. trige- minus), versorgt, während seine hintere und untere Wand vom Ramus auricularis vaei innerviert wird ?). Das Stratum eutaneum des Trommel- felles wird vom Ramus membranae tympani aus dem N. aurieulatem- poralis, das Stratum mucosum des Trommelfelles von dem Plexus tympaniceus (Jakobsoni) aus versorgt?). Dieser Plexus tympanieus entsteht durch Verbindung der Jakobson’schen Anastomose, welche das Ganglion otieum mit dem Ganglion petrosum verbindet, mit Ästen des N. facialis und sympathieus. Nach M. J. Weber?) gibt auch der N. facialis mehrere Äste an den knorpeligen Gehörgang ab. Wie schon erwähnt, steigt der, die Cutis des Trommelfelles versorgende Ast des N. aurieulotemporalis von der oberen Wand des knöchernen Ge- hörganges hinter dem Hammergriff auf das Trommelfell herab. Auf Grund dieser nervenanatomischen Verhältnisse des Trommel- felles und des äusseren Gehörganges einerseits und mit Rücksicht auf die besondere Empfindlichkeit der oberen Gehörgangswand und jenes Teiles des Trommelfelles, dem der Hammersriff anliegt, andererseits, war es von Anfang an sehr wahrscheinlich, dass es sich beim Ohr- Lidschlagphänomen und auch beim Ohr-Tränenreflexe um Trigeminus- Facialisreflexe handle. Der gewöhnliche Lidschlag wird ja, wie bekannt, überhaupt vom N. trigeminus errest*). Er tritt auch in Analogie zu e 1) Wilbrand u. Saenger, l.c. Bd.2 8.11. 2) v. Langer-Toldt, Lehrbuch der system. u. topogr. Anatomie. 1907. 3) Zitiert nach v. Tröltsch, Die Anatomie des Ohres S. 14. Würzburg 1861. 4) Wilbrand u. Saenger, l. c. Bd.2 8. 64. Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 237 unseren Versuchen nach W. A. Nagel!) bei Reizung der sensiblen Trigeminusfasern der Cornea und Conjunetiva durch Berühren mit einem warmen Gegenstande weniger stark auf, als wenn man dieselbe Stelle mit einem kalten Gegenstande berührt. Auch das vorwiegend einseitige Tränen bei der Trommeliell- reizung spricht für den N. trigeminus als zentripetale Bahn. Für die gleiche Annahme sprechen vor allem aber die vielfachen engen Beziehungen, die auch sonst die Zweige des N. triceminus zum Lidschlag- und zum Tränenreflex haben. Es sei ausser an die allbekannten Corneal-, Conjunetival-, Nasenschieimhautreflexe auch an den Supraorbitai- oder Augenreflex ?) erinnert, ferner an die Mitbewegungen des Oberlides beim Kauen, beim weiten Öffnen des Mundes und beim lauten Reden, die in einzelnen Fällen von Helfreich°), Elschnig®), Block?), Just‘) und anderen beschrieben worden sind und die nach Wilbrand und Saenger’) auf nervöse Beziehungen zwischen dem N. trigeminus und N. oculomotorius beruhen. Sicheren Aufschluss über die genaueren Verhältnisse bei den ge- nannten Reflexen könnten Tierversuche bringen. Solche auszuführen war mir, den Zeitverhältnissen entsprechend, aus äusseren Gründen vorläufig leider nicht möglich. Auch die Untersuchung von Patienten mit Otosklerose, bei welcher Krankheit nach Fröschels°) die Trigeminusfasern des äusseren Gehörgarges mit der Krankheit fortschreitend unempfindlicher werden, . ferner Kranken mit chronischen Mittelohreiternngen, bei denen nach V. Urbantschitsch der N. trigeminus des betreffenden Gehörganges unempfindlicher ist, sowie soleher Patienten, denen operativ das 1) W. A. Nagel, Pflüger’s Arch. Bd. 59 S. 563. 1895. 2) Hudovernisg, C., Der Supraorbitalreflex. Neurol. Zentralbl. Bd. 20 S. 933. 1901 u. Bd. 21 S. 1040. 1902. — Me Carthy, J., Der Supraorbitalreflex. Ein neuer Reflex im Gebiete des fünften und siebenten Nervenpaares. Neurol. Zentralbl. Nr. 20 S. 800. 1901 u. Bd.21 S. 843 u. 844. 1902. — W. v. Bechterew, Über den Augenreflex und das Augenphänomen. Neurol. Zentralbl. Bd. 21 S. 107. 1902 u. 1. e. h 8) Helfreich, Ber. d. XIX. Vers. d. ophtal. Ges. Heidelberg 1888. 4) Elschnig, Wiener klin. Wochenschr. 1893. 5) Zitiert nach Wilbrand u. Saenger Bd.1 S. 60. 6) Just, Berliner klin. Wochenschr. 1888. 1. e. Bd.1 5.60. Sal. cc. 238 Bruno Kisch: Ganglion Gasseri des N. trigeminus entfernt wurde, wird für die Er- kenntnis der genaueren Verhältnisse von Werte sein. Ich war bisher nur in der Lage, einen Patienten mit einseitiger Lähmung des N. trigeminus zu untersuchen). Die kliuische Diagnose lautete: linksseitiger Kleinhirnbrücken- winkeltumor. Der Obduktionsbefund, der diese Diagnose bestätigte, ergab einen kleinapfelgrossen, linksseitigen Kleinhirnbrückenwinkel- tumor. Der linke N. trigeminus des Patienten war in allen drei Ästen selähmt. Durch Reizung der Cornea, der Conjunctiva, der Nasen- und Gingivalschleimhaut linkerseits war keinerlei Reaktion auszulösen. Vom rechten Trigeminus aus waren alle Reflexe normal auslösbar. Es bestand eine geringe Faeialisdifferenz, doch konnte das linke Auge gut geschlossen werden. Ferner bestand eine komplette Blicklähmung nach links. Der Puls schwankte während der Zeit, die der Patient beobachtet wurde, zwischen 68 und 96 Pulsschlägen in der Minute und bot keinerlei auffallende Besonderheiten dar. Taktile Reizung des linken Trommelfelles und Eintropfen von 17° C. kaltem Wasser ins linke Ohr hatten keinerlei Reaktion bei diesem Patienten zur Folge, während die gleiche Reizung des rechten Ohres stets prompt ein lebhaftes Zwinkern oder einen kurzen Lidschluss beider Augen veranlasste. Aus der Untersuchung dieses Kranken geht daher ebenfalls mit srösster Weahrscheinlichkeit ‚hervor, dass der N. trigeminus die zentripetale Bahn des hier beschriebenen ÖOhr- Lidschlagreflexes darstellt. Dass das Zustandekommen unseres Reflexes nicht etwa durch den bei der kalorischen Prüfung ausgelösten Nystagmus veranlasst wird, geht schon aus seiner mechanischen Auslösbarkeit hervor. Ferner tritt der Nystagmus, wenn überhaupt, erst viel später auf als der Lidschluss. Auch fehlt der Reflex, wie ich sah, bei intaktem Laby- rinth aber verletztem N. trigeminus, lässt sich hingegen bei Personen (ich sah zwei solche Fälle) mit habituellem spontanem Nystagmus wohl auslösen. 1) Herrn Prof. Dr. H. Schloffer, dessen gütiges Entgegenkommen mir dies ermöglichte, sage ich hierfür meinen besten Dank. Seither war ich in der Lage, an zwei ähnlichen Fällen diesen Befund zu bestätigen. (Anmerkung während der Korrektur.) Le ER PA Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 239 Doch wäre es möglich, dass das den Muskel tonusregulierende Labyrinth einen Finfluss auf die Art des Ablaufes des Reflexes hat. Was nun die bei meinen Versuchen beobachtete Pupillenerweiterung bei Versuchspersonen mit fehlendem Ohr-Lidschlagreflex betrifft, so wäre über die Bahn dieses Refiexes folgendes zu sagen: Es ist be- kannt, dass eine Pupillenerweiterung allgemein entweder durch Sympathiceusreizung und hierdurch bedingte Kontraktion des Dilatator pupillae oder aber durch Erschlaffung des vom N. oculomotorius ver- sorgten Sphineter pupillae erfolgen kann. Es ist ferner bekannt und von C. Westphal!) zuerst beobachtet worden, dass bei gesunden Versuchspersonen sensible Reize der ver- schiedensten Art eine Pupillenerweiterung veranlassen ?).. Später wurde festgestellt, dass diese Erscheinung mitunter auch durch sen- sorische Reize (Geräusche, optische Reize) veranlasst werden kann. Auch gewisse psychische Vorgänge werden von einer Pupillenerweiterung begleitet. O. Bumke?) fasst unsere heutige Kenntnis dieses Phä- nomens zusammen und sagt, dass jedes lebhaftere geistige Geschehen, jeder Willensimpuls, ob er eine Muskelaktion zur Folge hat oder nieht, jeder Affekt ebensowohl eine Pupillenerweiterung bewirkt wie jeder dem Gehirn von der Peripherie zufliessende Reiz. Nach Braun- stein°) erfolgt diese Pupillenerweiterung bei Reizung sensibler Nerven durch eine eintretende corticale Hemmung des Oculomotoriustonus. Jedenfalls steht es fest, dass die Pupille des Menschen auch nach Ausschalturg des Sympathicus noch durch sensible Reize erweitert werden kann. Bei der Auslösung des Pupillenreflexes vom Ohre aus kommt nach meinen Versuchen zweierlei in Betracht: erstens die stets, ausser bei Lähmung dieses Nerven, eintretende Reizung des den äusseren Gehörgang versorgenden Trigeminusastes*); zweitens aber 1) Virchow’s Arch. Bd. 27. 1861. 2) 0. Bumke, Die_Pupillenstörungen bei Geistes- und Nervenkrankheiten S. 60. Jena, bei G. Fischer. 1911, 5) Zitiert nach OÖ. Bumke, |. c. 4) Von den Beziehungen des Trigeminus zur Pupillenerweiterung im all- gemeinen sagt Bumke (l. c.): Eine Pupillenerweiterung tritt bei jeder Trigeminus- reizung ein, solange nicht gleichzeitig die Lidschlussreaktion ausgelöst wird. Dem- entsprechend konnte ich bei meinen Versuchen Mydriasis nur bei jenen Versuchs- personen feststellen, bei denen (aus pathologischen Ursachen) der Ohr-Lidschlag- 240 Bruno Kisch: kann bei den Versuchen auch eine indirekte oder direkte Reizung des N. sympathieus in Betracht kommen, da ja bekanntlich das Stratum mucosum des Trommelfelles!) von dem Plexus tympanieus (Jakobsoni) aus nervös versorgt wird, der durch Verbindung der Jakobson’schen Anastomose mit Ästen des N. facialis und N. sympathieus entsteht. Fine Sympathieusreizung und richt nur eine Erschlaffung “des Sphineter iridis war sieber bei den schon erwähnten zwei Fällen meines Versuchsmaterials mit fehlendem Ohr-Augenlidreflex vorhanden, bei denen ich auch eine gleichzeitige Erweiterung der Lidspalten und ein Vortreten der Bulbi auf die Reizung hin feststellen konnte. Ob es sich bei diesen Fällen etwa um eine erhöhte Reizbarkeit des Sympathieus oder einen gesteigerten Sympathieustonus handelt, der mit Hilfe des Ohr-Lidschlagreflexes (d. b. durch sein Fehlen) nachweisbar wäre, muss ich noch unentschieden lassen. Die Unter- suchung von Leuten mit alten Schädeltraumen mit Knochenverletzung, bei denen der Ohr-Lidschlagreflex auffallend häufig fehlt, und von an Morbus Basedowi Leidenden wird hoffentlich, solange das Tierexperiment der äusseren Verhältnisse halber kaum ausführbar ist, einigen Auf- schluss bringen. Schliesslich erwähne ich noch, dass der hier beschriebene, vom Ohr auslösbare Pupillenreflex nichts mit dem von L. Schreiber?) beschriebenen Ohr-Pupillenrefilex zu tun hat, bei dem es sich um eine Pupillenverengerung auf taktile Reizung der Ohrwurzel hin (bei Kaninchen mit durchscehnittenen N. optiei) handelt. 4. Weitere vom äusseren Gehörgang auslösbare Reflexe. Ich möchte nun noch auf eine Anzahl weniger konstanter, jedoch allgemein bekannter Reflexe hinweisen, die vom äusseren Gehörgang und Trommelfell aus auslösbar sind. v. Tröltsch?) sagt hierüber: reflex fehlte oder die imstande waren, den in geringem Grade vorhanden gewesenen willkürlich zu unterdrücken. Denn mit dem reflektorischen (vom Opticus oder Trigeminus aus) oder willkürlichen Lidschlag, wenn er auch nur intendiert und seine Ausführung durch passives Offenhalten der Lider verhindert wird, tritt stets „eine die Mydriasis überlagernde, modifizierende oder unterbrechende Miosis auf“. {0. Bumke, |. c. S. 55). 1) v. Langer-Toldt,. ce. 2) L. Schreiber, Neue Beobachtungen und Pupillenreflexe nach Sehnerven- durchschneidung bei Kaninchen. v. Graefe’s Arch. Bd. 41 8. 3.1905. 3) v. Tröltsch, Die Anatomie des Ohres. Würzburg 1861. ! ® Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 241 ud „Dass viele Personen bei Berührung des Gehörganges, namentlich der hinteren Partien, ein Kratzen im Halse verspüren, selbst husten müssen, ist bekannt, sowie dass diese Eigentümlichkeit von einer Beteiligung des Vagus an der Versorgung der Haut des äusseren Gehörganges herrühren.* BR : Ich konnte zwar nicht. ‚sehr häufig, aber dad BG ‚einigen meiner Versuchspersonen diesen Ohrhusten jedesmal bei Reizung, der tieferen Partien des äusseren Gehörganges oder des Trommelfelles (mechanisch oder kalorisch) beobachten; ‚bei einigen trat. stets ein, Schluckreflex und ’in einem von mehr als 200 untersuchten Fällen jedesmal ein deutlicher Schmeckreflex (Geschmacksempfindung) auf. (Das Trommel- fell war in diesem Falle intakt.) Zwei Versuchspersonen gaben jedes- mal. (bei stark vorhandenem Tränenreflex) ein intensives. Kältegefühl im gleichseitigen ‚Auge an, Was jedoch die Erklärung v. Tr öltsch’ s für diese Erscheinungen betrifft, so wäre eine neuerliche Untersuchung, welches eigentlich .der zentripetale Bogen dieser Reflexe ist, unbedingt notwendig. Es hat seinerzeit, Feilchenfeld !) jn einer wenig beachteten Mitteilung darauf aufmerksam gemacht, dass sich bei einzelnen Leuten durch Reizung der Conjunetiva und Cornea. Atem-, Schluck- und Schmeckreflexe auslösen lassen. Eine Angabe von Lucae?) ‘sehildert ferner eine reflektorische Beeinflussung der Atmung bei Reizung der Paukenhöhle durch Luftdrucksteigerung. Es wäre demnach noch die Frage zu entscheiden, ob die aus- lösenden Reize dieser vom äusseren Gehörgang auslösbaren Reflexe tatsächlich auf dem Wege sensibler Vagusfasern, wie v. Tröltsch meinte, zum Zentralorgan gelangen, oder ob sie nicht vielmehr vom Trigeminus weitergeleitet werden, so wie die Reize, die Conjunctiva und Cornea treffend, bei einzelnen Individuen die gleichen Reflexe auslösen. 3. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Bei mechanischer oder kalorischer Reizung der tieferen Partien des äusseren Gehörganges oder des Trommelfells tritt beim Menschen normalerweise stets ein reflektorischer Lidschlag ein. 1) Feilchenfeld, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 1889 S. 8. Zitiert nach Wilbrand u. Saenger l.c. Bd.1 8.36. ; 2) Lucae, Sitzung der physiol. Ges. in Berlin vom 11. Febr. 1881. Uber optischen Schwindel bei Druckerhöhung im Ohre. Du Bois’ Arch. 1881 S. 193. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 16 “ 942 Bruno Kisch: Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. 2. Bei etwa 50 % der Untersuchten kann man gleichzeitig eine lebhafte Tränensekretion bemerken, die meist nur oder vorwiegend das dem gereizten Ohre gleichseitige Auge betriflt. 3. Diese Reflexe lassen sich vom Trommelfell leichter und in in- tensiverer Art auslösen als vom Gehörganug. Am empfindlichsten ist der Teil des Trommelfelles, dem der Hammerstiel anliegt, und vom Gehörgang der hintere Teil seiner oberen Wand in der Nähe des Trommelfelles. 4. Die Lidschlussreaktion dauert normalerweise beim Ein- tropfen von Flüssigkeit ins Ohr nie länger als höchstens 4, bei lang- dauerndem Ausspülen des äusseren Gehörganges nie länger als 8 Sekunden. 5. Das vollkommene Fehlen des Obr-Lidschlagreflexes, seine Auslösbarkeit nur von einen Ohre aus oder ein sehr langes, den Reiz überdauerndes Geschlossenhalten der Augen kamen bei 150 normalen Versuchspersonen niemals vor, wohl aber bei pathologisch ver- ändertem zentralem oder peripherem Nervensystem der Untersuchten. 6. Bei fehlendem Lidschlagreflex ist eine Pupillenerweiterung als Folge der Reizung des Gehörganges oder Trommelfelles festzustellen,. die mitunter von einer Erweiterung der Lidspalten und Vortreten der Pulbi begleitet ist. 7. Es werden schliesslich noch andere vom äusseren Gehörgang auslösbare Reflexe besprochen. Untersuchungen über den Antrieb des Blut- stromes durch aktive Gefässpulsationen. x Von Prof. Dr. W,. R. Hess. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) (Mit Tafel I und 2 Textabbildungen.) (Eingegangen 5. Jumi 1913.) Seit dem Erscheinen meiner Arbeiten betreffend die Funktionen der Arterienmuskulatur!) sind MareS?) und sein Schüler Hühne?) neuerdings in einer Reihe von Arbeiten für die Auffassung ein- getreten, dass die Regulierung des Blutstromes durch ein strom- förderndes Eingreifen der Gefässmuskulatur bewerkstelligt wird (vergl. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 178). 1) Hess, Die Arterienmuskulatur als „peripheres Herz“. Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 555. — Derselbe, Über die periphere Regulierung der Blutzirkulation. Pflüger’s Arch. Bd. 168 S. 439. 2) MareS, Der allgemeine Blutstrom und die Förderung der Blutdurch- strömung der Organe durch die Tätigkeit ihres Gefässsystems. II. Die Atem- bewegungen des Gefässsystems. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 194. — Derselbe, Der allgemeine Blutstrom und die Förderung der Blutdurchströmung der Organe durch die Tätigkeit ihres Gefässsystems. III. Die Grundlagen der herrschenden vasomotorischen Theorie. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 337. — Derselbe, Der allgemeine Blutstrom und die Förderung der Blutdurchströmung der Organe durch die Tätigkeit ihres Gefässsystems. IV. Mechanismus des Eigenbetriebes der Blut- durchströmung in verschiedenen Organen. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 381. 8) Hühne, Zur Frage einer Förderung des Blutstromes durch pulsatorische Tätigkeit der Blutgefässe. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 180. 4) K.Hasebroek, Die Entwicklungsmechanik des Herzwachstums sowie die Hypotrophie und Dilatation des Herzens und das Problem des extrakardialen Blut- kreislaufes. Pflüger’s Arch. Bd. 168 S. 247. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 17 244 WER. Hess: Auch Hasebroek*) spricht sich erneut für eine Mitarbeit der Peripherie am Strömungsantrieb aus (vgl. Berliner Med. Wochen- schrift Nr. 45, 8. 1089), bzw. erhält die Streitfrage nicht für beseitigt. Haben Hasebroek und MaresS recht, so ist damit die Grund- lage erschüttert, auf welcher ich versuchte, eine Dynamik „der Gefäss- muskulatur“ zu entwickeln !). Diese Grundlage ist die unter den Physiologen vorherrschende, schon von Volkmann und Marey vertretene Anschauung, dass das Mittel der peripheren Regulierung des Blutstromes lediglich die Widerstandsveränderung ist, herbeigeführt durch aktive Verengerung oder Erweiterung der Gefässe, speziell der Arterien. Mit dem Zutreffen oder Nichtzutreffen dieser Anschauung stehen oder fallen meine daraus abgeleiteten Sätze. So ergibt sich also für mich die Notwendigkeit, mich wiederholt mit der angeblichen aktiven Förderung des Blutes durch die Gefässmuskulatur zu befassen. Bei meinen früheren Untersuchungen legte ich Gewicht darauf: 1. dass eine nennenswerte Arbeitsleistung der Arterien nur zu er- warten ist, wenn die pulsatorische Bewegung (rhythmische aktive Querschnittsschwankungen) eine erhebliche Amplitude auf- weisen; dass diese allfällig auftretende Arbeitsleistung nur dann in einen nach der Peripherie gerichteten Strömungsantrieb aus- gewertet werden kann, wenn für diese Auswertung ein spe- zieller strromrichtender Mechanismus vorhanden ist; D 3. dass es möglich sein sollte, die Merkmale einer aktiven pulsato- rischen Tätigkeit auch bei Ausschaltung eines Arterienstückes aus dem allgemeinen Kreislauf einwandfrei festzustellen. Beurteilen wir die Erscheinungen, welche an den lebenden Säugetierarterien wahrzunehmen sind, nach diesen drei Gesichts- punkten, so konstatieren wir, dass jede Berechtigung zur Annahme eines sogenannten peripheren Herzens fehlt. Diesen Widerspruch der tatsächlichen Verhältnisse zur Hypothese eines Strömungsantriebes durch die Peripherie noch ausdrücklicher hervorzuheben, ist die Auf- gabe, welche ich mir nach den erneuten Stimmen zugunsten einer aktiven Förderleistung der Arterien gestellt habe. Die beste Ge- legenheit dazu bietet uns ein eingehendes Studium der Vorgänge, 1) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 168 S. 445. Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 245 die wir dort finden, wo aktive Pulsation des Blutes durch die Gefäss- wände zweifelsfrei besteht! Wir wählen diesen Weg um so lieber, als wir dabei mit einer der reizvollsten Erscheinungen, die uns die Natur auf dem Gebiete der Kreislaufmechanik vorzeigt, näher be- kannt werden. Fälle eines aktiven Strömungsantriebes durch die Muskelaktion der Gefässwandungen finden wir bekanntlich bei den Würmern. Stübel!) hat die Peristaltik der Blutgefässe des Regenwurmes in seinen Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Be- wegungen verwertet, wobei es ihm allerdings weniger auf die Mechanik als auf die Innervationsverhältnisse ankommt. Ein weiteres günstiges Untersuchungsobjekt von aktiver Blut- förderung durch die Gefässmuskulatur haben wir in der Fledermaus. Entdeckt durch Wharton Jones?), wurden die pulsierenden Fleder- mausflügelvenen von Luchsinger?°) genauer studiert. Diese pulsierenden Venen sind für uns deshalb geeignete Unter- suchungsobjekte, weil sie das Bild eines aktiven Pulses in reinster Form darbieten, unvermischt mit Änderung der Gefässquerschnitte bedingt durch passive Dehnung. Denn die von den Herzpulsationen herrührenden Blutdruckschwankungen sind auf dem langen Wege durch die Arterien der Flughäute und deren Kapillaren vollständig erloschen. Aus den Untersuchungen von Luchsinger ist folgendes zu er- wähnen, das für uns wichtig ist: Luchsinger fand, dass die Gefässe, welche sich durch aktive Pulsation auszeichnen, ihre Fähigkeit, in fast ungestörtem Rhythmus weiter zu pulsieren, bewahren, auch wenn sie innervatorisch vom Gesamtorganismus vollständig getrennt werden. Durehsehneidung des Plexus brachialis hindert das Weitergehen der kräftigen Pul- sation nicht. Ja, selbst nach Amputation des ganzen Flügels arbeiten die Venen ungestört weiter, 4—5 Mi- nuten lang, solange eben aus dem Kapillargebiet und den kleinen Venen noch etwas Blut zufliesst. 1) H. Stübel, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Be- wesungen. IV. Die Peristaltik der Blutgefässe des Regenwurmes. 2) Philosophical Transaction 1852. 3) Luchsinger, Von den Venerherzen in der Flughaut der Fledermäuse. Ein Beitrag zur Lehre vom peripheren Gefässtonus. Pflüger’s Arch. Bd. 26 S. 445. 1881. rue 946 W. R. Hess: Künstliche Durchblutung der getöteten Fledermaus mit defibri- . niertem Ochsenblut bringen diezur Ruhegekommenen Venen wieder zurPulsation, „oft genug häufiger und kräftiger denn je“. Die Versuche wurden bis zu 20 Stunden nach dem Tode des Tieres mit positivem Erfolg fortgeführt. Auch die Durchströmung mit Kochsalzlösung liess die kräftigen Kontraktionen der Wand längere Zeit bestehen. In einem mit dem Thermokauter ausgeschnittenen Stück der Flughaut dauerten am isolierten Stück die Gefässbewegungen längere Zeit fort. Der Grund, weshalb ich auf die Beobachtungen Luchsinger’s Gewicht lege, ist ein Einwand Mare$ gegen meine Versuche). Ich hatte vom allgemeinen Kreislauf isolierte, aber in situ belassene Arterienstücke daraufhin untersucht, ob deren Muskulatur unter kon- stantem Druck und unter dem Einfluss von Druckschwan- kung irgendwelche Zeichen einer als aktive Pulsation anzusprechende Tonusänderung aufweise. Die Kontinuität der untersuchten Gefäss- stücke war dabei zentralwärts vollständig erhalten, indem die zirku- latorische Isolation des Stückes vermittelst eines durch einen Schlitz in das Lumen der Arterie eingeschobenen kleinen Glasbolzens bewirkt war. Inhalt des Gefässes war arterielles Blut. Das Gefäss selbst war frei gelegt, aber nicht aus seinem natürlichen Bett gelöst. Resultat: keine Spur von Reaktion der Arterie, die als das Peristieren einer aktiven Pulsation angesprochen werden könnte. Daher der Schluss, dass eben die aktive Pulsation der Arterie wohl fremd ist; sonst müsste sie unter den angegebenen günstigen Bedingungen ihre Fähig- keit zum mindesten beschränkte Zeit in das isolierte Dasein hinüber- retten. Die zitierten Beobachtungen Luchsinger’s recht- fertigen eine solche Schlussfolgerung. Die von OÖ. B. Meyer, Full u. a. konstatierten rhythmischen Formveränderungen ausgeschnittener Gefässstreifen beweisen nichts in dieser Frage. Die von den genannten Autoren und auch die in unserem Institut von Rothlin registrierten Kurven haben in ihrem trägen Verlauf viel eher Beziehung zu langsamen Querschnitts- veränderungen, geeignet, die Blutströmung auf dem Wege der 1) Pflüger’s Arch. Bd. 163 8. 582. Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 947 Widerstandsänderung zu beeinflussen, als zu einem mo- torischen Akt, der den Blutstrom in nützlichem Ausmaass vorwärts- treibt. Nach diesem Hinweis auf bereits bekannte Beobachtungen, welche das uns interessierende Phänomen betreffen, gehen wir nun zur Be- sprechung unserer eigenen Untersuchungen über. Um für die Analyse derselben eine möglichst exakte Grundlage zu schaffen, greifen wir am sichersten zur photographischen Fixierung des zu analysierenden Bewegungsvorganges, zur Kinematographie. Versuchsanordnung. Zur kinematographischen Aufnahme verwendete ich unseren Vor- lesungsapparat für Mikroprojektionen von Zeiss, das Objektiv so ge- wählt, dass auf einem in 50 em Entfernung aufgestellten Schirm ein sechs- bzw. zehnfach vergrössertes Bild entstand. Stärkere Ver- srösserung ist nicht empfehlenswert wegen der Gefahr, das Objekt durch Hitze zu schädigen. An die Stelle des Schirmes wird nach erfolgter provisorischer Einstellung die kinematographische Aufnahme- kamera mit abgeschraubtem Objekt gebracht, so dass das Ver- srösserungsbild direkt in das Filmfenster fällt. Wegen des von der Seite hinzutretenden fremden Lichtes braucht man nicht ängstlich zu sein, weil es beim raschen Wechsel im Gange der Aufnahme keine Rolle mehr spielt. Der Umstand, dass der Film offen zutage liegt, sestattet eine fortlaufende Kontrolle vermittels eines Ablesefernrohres. Vorteilhaft ist dabei, wenn die dem Objekt zugekehrte Seite der Rotationsblende weiss überklebt ist. Weiterhin werden bei der Auf- nahme noch folgende Pnnkte beachtet: Der Aufnahmeapparat steht auf festem Sockel, getrennt vom Projektionsapparat, damit sich die Erschütterungen des Kurbeldrehens nicht auf das Mikroskop über- tragen. In den Strahlengang ist zum Schutze des Objektes vor zu grosser Wärmeentwicklung ein Filter aus Kupfersulfatlösung ein- geschaltet. Die Beleuchtung des Objektes erfolgt im durchfallenden Licht. Die Venen sind so an den verschiedensten Stellen mit ge- nügender Lichtintensität projizierbar. Bei meinen Versuchen habe ich die im Winkel zwischen vierten und fünften Finger zusammen- laufenden Venen als Untersuchungsobjekte gewählt. Um den Flügel in die für die Aufnahme geeignete Lage zu bringen, steckt man das Tier am besten in eine kleine zylindrische 218 W. R. Hess: Kartonschachtel, in welcher es eben Platz hat, ohne gedrückt zu werden. Natürlich muss durch Luftlöcher für ausreichende Luftzufuhr gesorgt sein. Durch einen Seitenschlitz in der Schachtelwandung wird der eine Flügel herausgenommen, über.dem Fenster in einer Kork- platte ausgebreitet und durch mit Nadeln fixierte Papierstreifen ge- halten, ohne dass dabei die Flügel von den Nadelstichen selbst getroffen werden. Das Kartongehäuse mit dem Tier, in unserem Fall Plecotus auritus L, wird auf der Korkplatte ebenfalls festgesteckt, so dass der Flügel bei der Einstellung nicht gezerrt wird. In dieser Weise sind die Aufnahmeserien erhalten worden, aus denen die in Taf. I wiedergegebenen Bilder entnommen sind. Die Vergrösserung ist bei diesen genau zehnfach. Die Auswahl der Bilder ist so getroffen, dass sie die Stammvene einerseits in ihrem grössten Durchmesser zeigen (Abb. la), den sie im Verlaufe ihrer pulsa- torischen Querschnittsschwankung aufweisen, anderseits in ihrem kleinsten Durchmesser (Abb. Ib). Der Vergleich der Bilder gibt schon für das freie Auge Anhaltspunkte betreffend Grösse der Amplitude der pulsatorischen Querschnittsschwankung. Genauer kommt diese mit anderen Merkmalen des aktiven Gefässpulses zum Ausdruck in einem Diagramm, welches auf Grund von Ausmessungen konstruiert wird. Zu diesem Zwecke habe ich die aufeinanderfolgenden Einzel- bilder einer mit fünffacher Vergrösserung bewerkstelligten kine- matographischen Aufnahme wiederum mit fünffacher Vergrösserung auf "einen Block von weissem Papier projiziert, um die Durchmesser an einzelnen besonders markierten Stellen abzutragen, von jedem Einzel- bild auf ein frisches Blatt des Blockes. Durch die zweimalige Ver- grösserung war also ein Verhältnis von 1:25 — Objekt: Bild erreicht. Die auf Taf. I, Abb. 2 reproduzierten Filmausschnitte lassen die Grössen- und Schärfenverhältnisse der für die Ausmessung als Unter- lage dienenden Aufnahme beurteilen. Natürlich bietet die Abtragung der Durchmesser die Möglichkeit zu einem Fehler, da die Konturen der Venen auch bei bester Einstellung und möglichst harter Ent- wicklung im Projektionsbild nicht absolut scharf sind. Um die Fehler- breite zu reduzieren, bin ich so vorgegangen, dass ich den Gefäss- durchmesser je an zwei im Objekt ca. 1 mm voneinander entfernten Stellen abgetragen und ausgemessen habe, um daraus den Mittel- wert zu berechnen. Im weiteren habe ich die Mittelwerte quadriert, um aus den Maasszahlen der Durchmesser diejenigen der zugehörigen Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 949 Querschnitte zu erhalten. Die errechneten Zahlen sind dazu benützt worden, eine Kurve zu konstruieren, indem die Querschnittswerte als Ordinaten, der zeitliche Abstand zwischen zwei sich folgenden Einzel- bildern als Abszissen in ein Koordinatensystem eingetragen wurden. Dieser zeitliche Abstand berechnet sich zu 0,0625 Sekunden, ent- sprechend einer Aufnahmegeschwindigkeit von 16 Bildern pro Sekunde. Zur Einstellung dieser Geschwindigkeit war die Kurbel des kine- matographischen Aufnahmeapparates nach dem Metronomschlag ge- dreht worden. Abb. 1. Diagramm einer Revolution pulsierender Fledermausvenen. Auf der ÖOrdinatenachse sind die sich im Verlauf eines Gefässpulses ablösenden Gefässquer- schnitte, auf der Abszissenachse die Sekunden abgetragen. Die Kurve St bezieht sich auf den Venenstamm, A(+) und A’ (.) auf die beiden Aste, die im Stamm St zusammenlaufen. Die Registrierung beginnt mit der Dilatationsphase (d. h. vom tiefsten Punkt der Kurve an gerechnet). Die Punkte und Kreuzchen beziehen sich auf die einzelnen Werte, die als Maasszahlen für den Gefässquerschnitt berechnet sind. Die ausgezogene Linie gibt die Mittellage an, um welche sich diese Einzel- werte gruppieren. \ Beschreibung der Kurve. Die Kurve (5%) beginnt mit dem Moment, in dem die Stamm- vene eben eine Kontraktion beendet, also gegen Schluss ihrer Systole. Nach Erreichung des engsten Querschnittes geht sie ohne ein Verweilen im Zustand stärkster Verengerung in die Phase zu- 250 W.-R. Hess: nehmender Erweiterung über, das ist in die diastolische Phase des Gefässpulses. Die Erweiterung vollzieht sich anfänglich ziemlich rasch, nachher langsamer, um gegen den Schluss plötzlich wieder emporzuschnellen. Was die reproduzierte Kurve zeigt, kommt in ganz ähnlicher Weise in zwei weiteren Bildern zum Ausdruck, die durch Verarbeitung anderer Aufnahmen gewonnen wurden. Im Gegensatz "zur Erweiterung vollzieht sich der Verengerungs- prozess, die Systole, in einem Zuge von der Höhe der diastolischen Erweiterung hinab bis zum Punkt der stärksten Verengerung. Die zwei Steilheiten des ansteigenden Kurvenschenkels sind natür- lich auf Beschleunigung im Auffüllen der Vene zu beziehen. Die- jenige unmittelbar vor der Kurvenspitze erklärt sich daraus, dass die von der Peripherie herkommende peristaltische Welle einen Blut- schwall vor sich her treibt, welcher eben das Gefäss mit wachsender Geschwindigkeit ausweitet bis zu dem Moment, in welchem die Kon- traktionswelle selbst ankommt, womit dann die aktive Verengerung einsetzt. Ist die Kontraktionswelle an der untersuchten Stelle vorbei, so finden sich die zentral davon anschliessenden Venenabschnitte noch im Kontraktionsvorgange begriffen. Als Folge davon kommt es zu einer etwelchen Rückstauung. Darauf beziehe ich die Steilheit un- mittelbar nach dem Querschnittsminimum, das ist also die erste im aufsteigenden Schenkel. Die Kurven A und A’, die sich auf die Äste beziehen, lassen erkennen, dass im grossen und ganzen Übereinstimmung mit der Form der Stammkurve besteht. Die zweite Steilheit ist aber weniger scharf ausgesprochen. Es erklärt sich dies wohl daraus, dass die von der systolischen Welle vor sich her getriebene Blutwelle um so akzentuierter werden kann, je geringer der abflachende Einfluss der Reibung sich geltend macht. Dieser Einfluss ist in den engeren Astgefässen natur- gemäss grösser als im Stammgefäss. Die zeitlichen Verhältnisse in der aktiven Gefässpulsation. f Die Gesamtheit, welche die registrierte Revolution beansprucht, beträgt 3,62 Sekunden. Es entspricht dies einer Pulszahl von 16 pro Minute, also einer grösseren Frequenz, als Luchsinger mit Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 251 8—10 pro Minute angibt. Offenbar spielt die Art und Grösse des Tieres (Luchsinger stellte seine Beobachtungen an Vespertilio murinus an), wahrscheinlich auch die lokale Erwärmung infolge der Durch- leuchtung eine Rolle. Im übrigen sei bemerkt, dass die Schlagfolge bei weitem nicht dieselbe Regelmässigkeit zeigt, wie wir sie beim Herzen zu sehen gewöhnt sind. Habe ich doch auch bei Vespertilio murinus kürzere und wieder erheblich längere Intervalle beobachtet. Bemerkenswert ist die Verteilung der Gesamtzeit auf Erweiterungs- und Verengerungsphase. Die Systole beansprucht 1,12 Sekunden, das ist 0,31 Teile der gesamten Revolutionsdauer, die Diastole 2,50, das ist 0,69 Teile der gesamten Revolutionsdauer. Es existiert also eine sehr ähnliche zeitliche Beziehung zwischen beiden Phasen, wie wir sie vom Herzen kennen, wo beim normalen Schlag bekanntlich die Kammersystole. 0,35, die Kammerdiastole 0,65 der gesamten Revolu- - tionsdauer beanspruchen. Die beschriebenen zeitlichen Verhältnisse sind deshalb von Interesse, weil hierin der aktive Puls in charakte- ristischer Weise vom passiven (Arterien-) Puls abweicht; denn dieser zeigt in bezug auf die Dauer der Kontraktions- und Dilatationsphase gerade das umgekehrte Verhältnis, nämlich kurz dauernden Anstieg und zeitlich gedehnten Abfall der Kurve. ; Einen besonderen Hinweis verdient die Tatsache, dass der ganze Akt auffallend rasch verläuft, die Kontraktionsdauer nur 1,12 Se- kunden beansprucht. Für glatte Muskeln ist dies eine sehr kurze Zeit! Wir müssen zugeben, dass» entsprechend dieser Erfahrung die Träg- heit der glatten Muskulatur nicht als ein unbedingtes Argument gegen einen eventuellen aktiven Arterienpuls aufgeführt werden kann, ob- gleich bei einem solchen, speziell bei kleinen Warmblütern, die Aktions- geschwindigkeit noch sehr wesentlich grösser sein müsste. Die beobachtete kurze Zuckungsdauer legt die Frage nahe, ob die Muskulatur der Fledermausvene eventuell Abweichungen von der Struktur der gewöhnlichen Muskulatur aufweist. Jones!) hat diese Frage untersucht. In der- mir zugänglichen Literatur wird darüber nur berichtet, dass der histologische Bau der muskulären Elemente der pulsierenden Venen sich ebenso sehr von 1) Microscopical charakters of the rhythmically contractile Muscular Coat of the Veins of the Web of the Bat’s wing. Referat in Proceedings of the Royal Society vol. 16 p. 342. 1868. | 259 \W. RR. Hess: den Muskelelementen der Arterien unterscheide wie die Herzmuskel- fasern von diesen, ohne indessen quergestreift zu sein. Die in Abb. 1 dargestellten Kurven klären uns in bezug auf die zeitlichen Verhältnisse noch über einen funktionell sehr wichtigen Faktor auf, nämlich über die Koordination der Aktion verschiedener Gefässabschnitte.e. Wir erkennen nämlich, dass ein ausgesprochener Synchronismus in der Tätigkeit der Äste und der Stammvene besteht. Eine leichte zeitliche Verschiebung tritt indessen unzweideutig hervor, und zwar in der Weise, dass das eine Asteefäss 0,31 Sekunden vor, das andere um 0,25 Sekunden nach dem Stammgefäss in Systole über- geht. Die Systolen beider Äste fallen denientapzeoh un etwas mehr als !/s Sekunde auseinander. . Da die Stammsystole etwas länger dauert als die Astsystole, ist auch der verspätete Ast mit seiner Systole noch vor Beginn der Stammsystole zu Ende. Beide peripheren Gefässabschnitte haben also ihren Kontraktionsakt vor der Systole des zentral anschliessenden Gefäss- abschnittes beendet, eine für den propulsatorischen Erfolg des Aktes ausschlaggebende Tatsache. Denn für einen solchen ist die Einhaltung der richtigen Reihenfolge entsprechend der angestrebten Strömungs- richtung Vorbedingung. Die Amplitude der Pulsation. Für die Förderleistung des pulsierenden Gefässes ist neben der Schlagfrequenz die Amplitude der Pulsation von maassgebender Be- deutung. Diese lässt sich aus unseren Kurven leicht bestimmen bzw. direkt ablesen. Aus der Stammkurve (Abb. 1) berechnet sich “ Verhältnis vom systolischen zum diastolischen Querschnitt auf 1:2,45. Bei einer anderen Serie habe ich 1:2,65 und als extremen Fall 1:3,75 ge- funden. — Im Vergleich zu den an Arterien wahrzunehmenden Pul- sationen sind diese Ausschläge gewaltig. Es gelangt diese Tatsache am deutlichsten zum Ausdruck, wenn wir berechnen, wieviel Prozent des Querschnittes bzw. des Inhaltes das untersuchte Venenstück durch die Systole einbüsst. Den am Stammgefäss beobachteten Amplituden entspricht ein Inhaltsverlust von 58—73 °/o der in maximaler Diastole das Gefäss füllenden Blutmasse. Bei den beiden Ästen beträgt das „Schlagvolumen*“ nach der in Abb. 1 registrierten Kurve 65 bzw. 76 /e des Inhaltes der diastolisch erweiterten Gefässe. Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 253 Es sei hinzugefügt, dass bei der direkten Beobachtung mit der Binokularlupe nicht selten Kontraktionen bis zum fast vollständigen Verschwinden des Lumens konstatiert werden konnte, was einem Schlagvolumen von annähernd 100 °/ des diastolischen Füllungs- volumens gleichkommit. Die Feststellung dieser erheblichen Pulsamplituden gibt uns Ge- legenheit, auf einen. Einwand zu sprechen zu kommen, den Mare$ gegen eine von mir geäusserte Ansicht erhoben hat. Bevor wir darauf eingehen, sei hier eine kurze vorbereitende Notiz allgemeiner Natur eingefügt: Für die Grösse einer physiologischen Arbeitsleistung sind maass- gebend: 2 1. die Kraft, mit welcher sich ein Muskel verkürzt — Belastung, die er überwindet; 2. die Strecke, um welche er sich verkürzt —= Hubhöhe, kurzweg mit Hub bezeichnet. | Für die quantitative Einschätzung eines fortl anenden Arbeits- ‚prozesses ist als weiterer Faktor in Rechnung zu setzen die Zeit, welche eine bestimmte Arbeitsleistung beansprucht. Die Bewertung einer technischen Arbeitsmaschine geschieht dementsprechend nach Meterkilogrammen pro Sekunde. Ebenso finden wir das Maass für die Leistungsfähigkeit eines andauernd tätigen Muskels in der Sekunden- bzw. Minutenarbeit. Diese lässt sich darstellen als Pro- dukt von Kraft X Sekunden- bzw. Minutenweg. Dieser entspricht der Strecke, um welche sich der belastete Muskel auf die Sekunde be- rechnet, verkürzt. Wir wollen nun diesen Sekundenweg für die kan Wandungs- elemente der pulsierenden Venen bestimmen. Dabei können wir ent- weder direkt von den gemessenen Durchmessern oder von den be- rechneten Querschnittswerten ausgehen bzw. den aus diesen letzteren konstruierten Kurven. Der zweite Wege bietet den Vorteil, dass wir uns auf bessere Mittelwerte stützen. Der Höhepunkt der Diastole liegt in der one beim Kurvenwert 7,4. Die Systole führt die Kurve hinab bis zum Werte 3,1. Die die Querschnittsveränderung' bewirkende relative Längenveränderung der zirkulären Muskelelemente ist gemessen durch die Wurzeln aus den Querschnittsmaassen. Die sind zu den obigen Zahlen: 2,72 und 1,76. Die Gesamtverkürzung der Muskelfasern im Verlauf der ganzen 254 W»R. Hess: Systole beträgt demnach 0,96 d. h. 35 °/o der diastolischen Länge (2,72). Bei einer Dauer der Systole von 1,12 Sekunden entfällt auf die Sekunde eine Verkürzung um nicht ganz 32%. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zu einem vollendeten motorischen Akt auch die Erschlaffungsphase gehört, während welcher die Muskulatur in den Zustand übergeht, aus welchem heraus sie er- neute Arbeit leisten kann, stellen wir der sich nur auf die eigentliche Arbeitsphase berechneten Hubleistung zur Seite diejenige Zahl, welche sich auf die Dauer der ganzen Revolution bezieht: 35 °/o Hubleistung in 3,62 Sekunden entsprechen einer sekundlichen Hubleistung von 9,7 °/e, also knapp 10 Jo. Auf diese Zahl werden wir nochmals zurückkommen. Um für ihre Einschätzung einen Anhaltspunkt zu geben, sei erwähnt, dass sich durch eine analoge Rechnung der sekundliche Hub der zirkulären Herzmuskelfaser in fortlaufender normaler Tätigkeit auf ca. 33 °/o berechnet, also reichlich das Dreifache des Sekundenhubes der Venenmuskulatur. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Leistungs- fähigkeit der Venenmuskulatur in bezug auf die Arbeit auch kleiner zu sein braucht; denn Arbeit ist das Produkt aus Kraft mal Hub; was die Venenmuskulatur in der gleichen Zeit an Hub weniger leistet, kann sie wettmachen durch eine grössere Kraftentwicklung. Diese ist ihrerseits wieder von zwei Faktoren abhängig, nämlich erstens von den Eigenschaften der betreffenden Muskelelemente und der Dieke der Schicht — also biologischen Faktoren —, anderseits von der Grösse des Widerstandes, der sich dem sich kontrahierenden Muskel entgegensetzt, d. i. ein physikalischer Faktor. Den letzteren Faktor lässt nun Mares in seiner Entgegnung vollständig ausser acht. Meine Ansicht war!) und ist heute noch, dass eine zirkula- torisch in Betracht fallende Arbeitsleistung von Gefässen dort nicht in Frage kommen kann, wo keine pulsatorischen Querschnitts- schwankungen erkennbar sind. Dazu sagt Mares (Bd. 165, S. 173): „Erhebliche sichtbare Querschnittsänderungen sind zu einer Arbeits- leistung nicht unbedingt notwendig. Eine grosse Arbeitsleistung kann auch auf einem sehr kurzen Weg geleistet werden, wenn die Kraft ‘gross ist. Die Ringmuskulatur der Arterien, vom Querschnitt zum (Querschnitt fortschreitend, stellt eine sehr beträchtliche Kraft dar.“ 1) Die Arterienmuskulatur als peripheresHerz. Pflüger’s Arch. Bd. 163 S.575. Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 255 Einmal zugegeben, die Ringmuskulatur stelle „eine sehr beträcht- liche Kraft dar“ oder, wie wir uns ausdrücken wollen, sei befähigt, eine sehr beträchtliche Kraft zu entwickeln, so beträchtlich nämlich, dass auch ohne erkennbaren Hub dennoch eine für die Zirkulation in Rechnung fallende Arbeitsleistung resultiert! Es bleibt Mares noch, darauf einzugehen, ob auch die physikalischen Bedingungen für die Entwicklung dieser Kraft, zu der die Arterienmuskulatur befähigt sein soll, vorhanden sind! Diese Bedingungen sind die Existenz einer entsprechenden Gegen- kraft! Ein geläufiges Beispiel haben wir in dem im Myographion ein- gespannten Froschmuskel. Auch hier ist die sich entwickelnde Kraft eine Funktion der Belastung = Gegenkraft. Trotz seiner physiologi- schen Fähigkeit kann er keine Kraft entwickeln, wenn er unbelastet ist und keine entsprechende Gegenkraft findet. Es fehlen die physi- kalischen Bedingungen, unter welchen die biologische Fähiekeit zur Geltung gebracht werden kann. Für den Gefässmuskel sind die physikalischen Bedingungen davon abhängig, welche Widerstände sich dem Ausweichen des Blutes entgegensetzen, das durch die Gefässkontraktion verdrängt wird. Sie bestimmen die Grösse der Belastung des sich kontrahierenden Muskels. Zur Erläuterung des eben Gesagten sei noch auf ein Beispiel aus dem Gebiete der Hämodynamik hingewiesen: Wenn die Herz- kammersystole einsetzt, so wächst der Innendruck zuerst rasch an, bis ein Druckwert erreicht ist, bei welchem der Aortendruck als der sich der Entleerung des Blutes entgegensetzende Widerstand (plus Reibung) überwunden wird. Von diesem Moment an geht die Kurve in ein nur noch langsam ansteigendes Plateau über. Die weitere Drucksteigerung ist trotz dem physiologischen Vermögen des Herz- muskels zu grösseren Druckleistungen nicht möglich, weil das ge- presste Blut ausweicht. Dadurch sind die im Kontraktionsakt wirksam werdenden Kräfte begrenzt. Beurteilen wir unter dem entwickelten Gesichtspunkt nun die Begründung, die Mares seinem oben zitierten Einwand gibt, so er- kennen wir die Lücke, die er offen lässt, wenn er sich nur auf die physiologische Leistungsfähigkeit der Arterienmuskulatur beruft und die physikalischen Bedingungen, unter welchen sich die immerhin nur supponierte ausserordentliche Fähigkeit geltend machen soll, ausser acht lässt! Unsere Betrachtungen lehren uns im Gegenteil, 256 W.*’R. Hess: dass — wie beim Herzen — auch die Kraftentwicklung der Arterien- muskulatur eine nicht allzu hoch begrenzteseinkann, be- grenzt nämlich durch die Ausweichwiderstände des in der Gefässsystole verdrängten Inhalts. Dass eine Arbeitsleistung innerhalb nütz- licher Grenzen resultiert, ohne dass der Hub beträchtlich demjenigen der arbeitenden Venen oder gar des Herzmuskels ähnlich _ ist, daran ist, ich wiederhole, nicht zu denken! Und nun noch ein letzter Punkt, zu dessen Besprechung uns die Messung der Amplitude des aktiven Venenpulses Gelegenheit gibt. Ich habe in der früheren Arbeit Gewicht darauf gelegt, dass die aktive Förderung des Blutstromes durch eine Arbeitsleistung der Gefäss- arterienwand allein noch nicht vollzogen ist. Immer muss gleichzeitig ein Mechanismus tätig sein, welcher die geleistete Arbeit so auswertet, dass ein einseitig gerichteter Strom zustande kommt. Ich ver- weise auf das, was auf Seite 568 ff. (Bd. 163) ausgeführt ist. Ein soleher Mechanismus kann zum Beispiel bestehen in einer Assoziation der Tätigkeit aufeinanderfolgender Abschnitte des Muskel- schlauches, wie sie in der sogenannten peristaltischen Welle realisiert ist. Die peristaltische Welle bleibt aber für Flüssigkeiten so lange ein unvollkommenes Mittel zur Erzeugung eines einseitig ge- richteten Flüssigkeitsstromes, als die Amplitude nicht so gross ist, dass es auf dem Höhepunkt der Kontraktion zu einem vollständigen oder wenigstens annähernden Verschluss des Lumens kommt (vel. 1. e.). Einen zweiten Mechanismus, der bei der Auswertung der Arbeit eines Schlauchmuskels für einseitig gerichtete Strömung in Betracht fällt, ist die Funktion eines Klappenapparates. Ein solcher wäre im- stande, eine sehr vollkommene Wirkung zu entfalten, d. h. unter sehr. guter Ausnützung der vom Muskel an die Flüssigkeit abgegebenen Energie. Wie verhält es sich nun bei den Fledermausvenen mit dem strom- richtenden Mechanismus? Finden wir in diesem konkreten Fall unsere früher auf theoretischer Grundlage entwickelte Auffassung bestätigt? Unser Untersuchungsobjekt zeigt folgendes: Es besteht in der Tätigkeit der Fledermausvenen eine ausgesprochene Assoziation der aufeinanderfolgenden Gefässabschnitte im Sinne einer von der Peri- pherie nach dem Zentrum fortschreitenden peristaltischen Welle. Man kann dies beobachten, wenn man eine grössere Gefässstrecke, als die im kinematographischen Bild sichtbare, unter der Lupe überblickt. Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsatioren. 257 Ein hoher Grad der Vollkommenheit ist aber nicht erreicht, wenigstens nicht in bezug auf den Effekt der peristaltischen Welle allein, und zwar deshalb nicht, weil die durch die Venenmuskulatur zustande gebrachte Gefässkontraktion ein Ausweichen des Blutes nach rückwärts meistens nicht vollständig verhindern kann. Es bleibt gewöhnlich — in meinen kinematographisch fixierten Pulsationen in jedem Falle — auf der Höhe der Systole noch eine nicht allzu enge Strombahn frei, durch welche hindurch das Blut unter der Wirkung der eben in Kontraktion befindlichen Abschnitte Druckausgleich suchen kann. Immerhin liegen die Verhältnisse so, dass eine bedeutende Be- vorzugung des Abströmens in zentraler Richtung gegeben ist. Unter der Benützung der Maximal- und Minimalwerte der auf Seite 249 re- produzierten Kurve berechnet sich nämlich (nach der Poiseuille- schen Formel), dass der Ast A im Zustand seiner grössten Verenge- rung dem Blutstrom einen 8,2 mal grösseren Widerstand darbietet als im Stadium maximaler Erweiterung. Daraus geht hervor, dass das gleiche Gefässstück der Strömung vom Zentrum nach der Peripherie einen ungleich stärkeren Widerstand entgegensetzt als dem Strömen in der umgekehrten Richtung. Denn im Moment, wo das Blut aus den peripheren Abschnitten verdrängt wird, befindet es sich im Zu- stand maximaler Erweiterung. Dagegen weist es einen systolisch verengerten Querschnitt auf in demjenigen Zeitpunkt, wo das Blut dem systolischen Akt der zentralen Abschnitte ausweichen muss. Dieser Widerstandswechsel ist das physikalische Mittel, durch welches der Mechanismus der peristaltischen Welle ganz allgemein die Strömung nach einer bestimmten Richtung steuert. Dass in unserem Falle diese Steuerung doch keine vollkommene ist, ergibt die Analyse des Kurven- bildes. Wir gehen kaum fehl, wenn wir nämlich die dem Querschnitts- minimum auf dem Fusse folgende kurze aber plötzliche Wieder- erweiterung (= erste Steilheit im ansteigenden Schenkel, vgl. Abb. 1) als Ausdruck eines Rückpralles von Blut aus zentralen Abschnitten auffassen. | Diese Unvollständigkeit des Erfolges in der Ausnützung der Gefäss- arbeit würde sich zweifellos noch in wesentlich höherem Maasse geltend machen, wenn nicht als weiteres Mittel Klappen in das pul- sierende Gefässsystem eingeschaltet wären. Schon Jones hat deren Gegenwart beobachtet. Dass wir hier einen Klappenapparat vorfinden, darin erblicke ich einen prägnanten Beleg zu meinen früheren Aus- 258 W. R. Hess: führungen über die Unerlässlichkeit „besonderer stromrichtender“ Vorrichtungen. In den aufgenommenen Bilderserien haben wir gerade eine Stelle getroffen, wo eine solche Klappe sitzt, deren Tätigkeit in der kinematographischen Reproduktion deutlich erkennbar ist. Auf Taf. I Abb. 2 habe ich die Aufnahme wiedergegeben, welche die Klappen das eine Mal geöffnet, das andere Mal geschlossen zeigen, an der mit + bezeichneten Stelle (2b). Die Klappe befindet sich in dem- jenigen Ast, welcher in der Systole dem Nachbarast etwas vorauseilt (vgl. S. 252). Es hat den Anschein, dass es gerade diese zeitliche Differenz im systolischen Akt ist, welche für das Auftreten der Klappen an der besagten Stelle bestimmend ist. Denn wie die Systole früher beginnt, ist sie auch schon zu einer Zeit abgeschlossen, zu welcher der sich ins gleiche Stammgefäss entleerende zweite Ast seine Systole noch zu Ende führt. In dieser Phase müsste ein Teil des in den Stamm hineingepressten Blutes in den bereits erschlafften ersten Ast zurückströmen, wenn nicht eine Klappe den Rückfluss verhinderte und das Blut zwingen würde, seinen Weg in zentraler Richtung zu suchen. Tatsächlich erkennen wir in den Bilderserien, dass der Klappenschluss im Moment erfolgt, wo der zugehörige Ast seine Systole zu Ende geführt hat. Er bleibt so lange bestehen, bis auch im Ast mit der verspäteten Systole die Diastole vollkommen: eingekehrt ist; die Öffnung erfolgt ziemlich langsam zwischen den Abszissenpunkten 61 und 69 mm unserer Kurve, also um die vierte Sekunde der Zeit- markierung. Damit haben wir die Beschreibung der wesentlichen Merkmale des Mechanismus, durch welchen in dem von uns speziell studierten, konkreten Fall Blutgefässe aktiv in die Blutförderung eingreifen, be- endet. Es sei noch kurz die Frage berührt, weshalb wir nun gerade bei der Fledermaus eine aktive Betätigung finden, warum ferner die Venen und nicht die Arterien die Rolle akzessorischer Herzen spielen. Die Heranziehung der Gefässe zur strömungsfördernden Arbeits- “ leistung findet eine befriedigende Erklärung in der Tatsache, dass die Stromgebiete der Flügel (und der grossen Ohren!) ganz unver- hältnismässig weit ausgreifen. Der vom Herzen, dessen Druckleistung in der Hauptsache den viel kürzeren Stromschleifen des Körpers dienen muss, produzierte Druck reicht nicht aus zur Überwindung der Widerstände auf den weiten Wegen nach den Kapillargebieten der Flügel und von diesen zurück. Wegen dieses durchgreifenden Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 359 Unterschiedes in den Widerstandsverhältnissen der verschiedenen, an das gleiche blutspendende Zentrum angeschlossenen Strom- gebiete sind die „akzessorischen Herzen“ eingeschaltet. Sie greifen in den Zweigbahnen des Körperkreislaufes ergänzend ein, in welchem das Blut weit über den Durchschnitt gehende Widerstände findet. — Warum sind es aber die Venen und nicht die Arterien, welche die notwendige motorische Ergänzung liefern? Wohl deshalb, weil im ersteren Falle die akzessorischen Herzen den Kapillaren eine Druckentlastung, im letzteren eine Belastung bringen. Wenn die Arterien durch aktive Arbeit das Druckgefälle erhöhen würden, so könnte sich dieses nur durch Vermittlung der Kapillaren den venösen Bahnen mitteilen. Wegen des durch den weiten Rückweg des Blutes notwendigen ausser- ordentlichen Druckgefälles würde dabei das Kapillargebiet selbst unter abnormen Druck gesetzt, ein für den Stoffaustausch zwischen Blut und Geweben ungünstiger Zustand. Denn je höher der Kapillardruck, um so weniger zart dürfen die Kapillarwandungen sein. — Durch die aktive Rückführung des Blutes vermittels Venenarbeit ist Über- druck im Kapillarkreislauf umgangen. Im Anschluss an die oben gegebenen Ausführungen soll nun ver- gleichsweise noch eine Erscheinung analysiert werden, welche schon mehrfach, unter anderen von Grützner und auch von Mares, als Ausdruck einer aktiven Förderleistung der Arterien angesprochen worden ist. Die Untersuchung derselben liest deshalb nahe, weil wir dafür dieselbe Untersuchungsmethode anwenden können, die uns zur Analyse des aktiven Venenpulses der Fledermaus gedient hat. Schiff hat zuerst die Beobachtung gemacht, dass die Ohrgefässe der Kaninchen langsame. rhythmische Querschnittsschwankungen von srosser Amplitude zeigen. Diesen sollen nach den genannten Autoren strömungsbefördernde Bedeutung zukommen. Hürthle und auch ich selbst haben zwar schon die mechanischen Gründe angegeben, welche dagegen sprechen. Gleichwohl greift Mares wieder auf diese Er- scheinung zurück. Eine auf Messung basierende Analyse des Vor- ganges soll jetzt an Stelle der einfachen Beobachtung die Unterlage für eine Diskussion liefern. Methodik. Die Aufnahmemethodik ist ganz dieselbe, wie sie für den Fleder- mausflügel beschrieben wurde, nur mit dem Unterschied, dass man Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 13 260 - "W. RR. Hess: auf geringere Vergrösserungen angewiesen ist. Das zu durchleuchtende Objekt ist viel dicker und die durchtretende und für die Vergrösserung nutzbare Lichtfülle eine geringere. Die als Abb. 3 der Tafel wieder- gegebenen Bilder sind annähernd von natürlicher Grösse. Das Ohr des als Versuchsobjekt dienenden weissen Kaninchens war zwei Tage zuvor fein geschoren worden. Zur photographischen Aufnahme war die Haut auf der dem Objekt zugekehrten Aussenseite mit einem Tropfen Paraffinöl bedeckt, darüber ein Deckgläschen, eine Anordnung, welche das Zustandekommen scharfer Konturen begünstigt. Das nicht narkotisierte Tier war in hockender Stellung in einem Kästchen; das Ohr wurde während der Aufnahme unter Vermeidung straffer Spannung von einem Assistenten auf eine fixierte Korkplatte mit Fenster aufgelegt. Abb. 3a und 3b der Tafel zeigen einzelne Bilder aus der Serie heraus, und zwar aus verschiedenen Bewegungsphasen. Die Reproduk- tionen gestatten eine Beurteilung betreffend Schärfe der Bilder und auch bezüglich der Amplitude dieser Art aktiver Querschnittsverände- rungen einer Arterie (im Bild das untere Gefäss). Zum Zwecke der Analyse wurder wiederum Messungen vor- genommen, derart, dass die einzelnen Bilder -der Serie nacheinander auf einen Papierblock projiziert und die Durchmesser abgetragen wurden. — Die Abtragungen wurden nachher ausgemessen, die Zahlen quadriert, um an Stelle des linearen Durchmessermaasses dasjenige für die Querschnitte zu erhalten. Abb. 2 zeigt die erhaltenen Kurven, wie sie sich aus den berechneten Querschnittsmaasszahlen ergeben. Die Kurve Pr zeigt die Querschnittsveränderungen des proximalen Ab- schnittes der photographierten Gefässstrecke; die Kurve M wurde konstruiert aus den Werten, welche aus der Mitte des Gefässstückes stammen; die Kurve D bezieht sich auf die Querschnittsschwankungen des distalen Teiles der ausgemessenen Gefässstrecke. ' Diskussion der Kurven. 1. Zeitliche Verhältnisse. Der Ablauf einer aus Erweiterungs- und Verengerungsphase be- stehenden Querschnittsschwankung beansprucht im vorliegenden Falle ca. 20 Sekunden. Das entspricht also einen Frequenz von 3 Wellen pro Minute. | Untersuchungen üb. den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 261 ‘Von der Gesamtzeit fallen 6—12 Sekunden auf die Erweiterungs- phase, 4-7 auf die Verengerung. Während 5—7 Sekunden verharrt das Gefäss in maximaler Verengerung, während das Verharren in maximaler oder nahezu maximaler Erweiterung 1—2 Sekunden dauert. - Auch hier finden wir. das für die Kontraktionskurve des glatten Muskels typische Verhalten, dass die Dilatationsphase einen gedehnteren [4 (JE 5 700 75 = 205ek Abb. 2. Diagramm zu den rhythmischen Querschnittsveränderungen der Häupt- arterie des Kaninchenohres. Die drei Kurven beziehen sich auf drei verschiedene Stellen, die unter sich (im Objekt) um je 5 mm weit auseinander sind. Pr ent- spricht der proximalen, D der distalen Stelle, M der dazwischen gelegenen, mittleren. Die Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Die Querschnitts- werte sind als Ordinaten, die Sekunden als Abszissenwerte aufgetragen. Die Re- gistrierung beginnt mit der Dilatationsphase (in Anlehnung an die Darstellung des gewöhnlichen Pulskurvenbildes). Die Punkte beziehen sich auf die einzelnen Werte, die als Maasszahlen für den Gefässquerschnitt berechnet sind. Die ausgezogene Linie gibt die Mittellage an, um welche die Einzelwerte schwanken. Verlauf aufweist als die Kontraktionsphase. Sehr auffallend und für die Zirkulationsmechanik wichtig ist die Erscheinung, dass das Gefäss so lange Zeit denjenigen Querschnitt beibehält, den es infolge der * Kontraktion angenommen hat. Dieses Persistieren im Zustand grösster Verengung ist einer Erzeugung oder auch nur Unterstützung einer Strö- 182 0 262 W. RR. Hess: mung absolut widersinnig. Denn während dieses Verharrens im Kon- traktionszustand kann keine Arbeit nutzbar gemacht werden. Da- gegen bleibt während dieser ganzen Zeit für das Blut, das seinen Weg nach dem Gewebe sucht, ein sehr hoher Widerstand zu über- winden. Er beträgt in unserem registrierten Falle das 25—100 fache (je nach der gemessenen Stelle) des Widerstandes, den die Arterie in ihrer stärksten Erweiterung darbietet. Es ergeben sich diese Zahlen aus der Ausmessung der Kurvenamplitude, von der wir gleich noch einige Worte zu sagen haben werden. Auffallend und wohl zu merken ist der Befund, welchen wir er- heben, wenn wir die drei Kurven untereinander in zeitliche Beziehung setzen. Eine aktive Propulsion durch den Mechanismus der peristal- tischen Welle setzt, da es sich hier um eine Arterie handelt, eine Fortschreitungsrichtung der Welle vom Zentrum nach der Peripherie voraus. Es müssten sich also die aktiven Querschnittsveränderungen in der Reihenfolge vom proximalen zum distalen Abschnitte einstellen, sowohl die Erweiterungs- als auch die Verengerungsphase. Der Vergleich der Kurven zeigt, dass diese Reihenfolge nicht besteht. Der mittlere Abschnitt fällt derart aus der Rolle, dass von einer Assoziation der einzelnen Gefässstrecken im Sinne einer peristal- tischen Welle keine Rede ist. Wir treffen während der Verengerungs- phase des mittleren Abschnittes sowohl das zentrale\als auch das periphere Gefässstück bereits maximal verengert. Der Blutstrom ist also nach beiden Seiten geradezu stranguliert, wenn der mittlere Abschnitt sich anschiekt, seine Arbeit zu verrichten. — Unter solchen Umständen einen einseitigen — hier also nach der Peripherie gerichteten — Strömungsantrieb anzunehmen, begeenet dem Widerspruch der tatsächlichen Befunde. 2. Amplitude und Sekundenhub. Bei der kinematographischen Aufnahme haben wir ein Unter- suchungsobjekt ausgewählt, bei welchem die rhythmischen Querschnitts- änderungen der Arterien möglichst gut zum Ausdruck kommen. Wir finden dementsprechend eine sehr hohe Amplitude. Der Querschnitt re- duziert sich im Verlaufe der Systole auf Y/s—!ıo des Betrages, der bei maximaler Erweiterung besteht. Daraus ergibt sich eine Total- verkürzung der Zirkulärfasern von 100 auf 45 = 550, bzw. 100 a as Untersuchungen üb, den Antrieb d. Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. 963 auf 32 — 68°, der Längen, welche ihnen im Zustand der grössten Gefässerweiterung zukommen, Dieser Gesamthub, auf die Zeit berechnet, die der Kontraktions- akt beansprucht (ca. 5, im zweiten Fall auf ca. 6 Sekunden), entspricht einem sekundlichen Verkürzungseffekt von 11°/o in beiden Fällen. Für die pulsierende Fledermausvene fanden wir 320. Ziehen wir bei der Berechnung des sekundlichen Verkürzungs- effektes die Zeit mit in Betracht, die verstreicht, bis das Gefäss wieder - in den Zustand zurückgekehrt ist, aus welchem heraus seine Musku- latur einen neuen Hub bewerkstelligen kann, so ergibt sich ein se- kundlicher Verkürzungseffekt von nur 2,2 bzw. 3,4 /o (Fledermausvene -11°/o, Herz 32°). Will man trotz dieser geringfügigen Beträge auf dem Standpunkt verharren, dass eine für den Ablauf der Zirkulation ins Gewicht fallende Arbeitsleistung zustande kommt, so ist man zur Annahme gezwungen, dass bei dem Verkürzungsakt ein sehr hoher Druck erzeugt wird. Aber für diese Annahme fehlt wieder eine tat- sächliche Begründung! Haben wir doch auf Seite 255 gezeigt, dass für das Zustandekommen solch hoher Druckwerte in freier Strom- bahn die physikalischen Bedingungen nicht bestehen. So ist es denn auch erklärlich, dass bei der Kaninchenohrarterie weder ein Klappenapparat, noch die ebenfalls bei den pulsierenden Fleder- mausvenen zu beobachtende, für die peristaltische Welle typische Asso- ziation sich folgender Gefässabschnitte zu finden sind. So unerlässlich der eine oder andere Mechanismus ist, wenn Muskelarbeit im Sinne einer einseitig gerichteten Zirkulation nutzbar gemacht werden soll, so überflüssig sind sie natürlich, wo keine Energiequellen vorhanden, deren Auswertung einen Antrieb liefern könnte, der innerhalb nütz- licher Grenzen liegt. Wir werden zur Einsicht gezwungen, dass es sich hier nicht um eine Gefässmuskelaktion handeln kann im Sinne eines „peripheren Herzens“! Es ist ein allzu kühner Sprung, lediglich aus der Beobachtung gewisser Be- wegungserscheinungen an Arterien ohne eingehende Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse auf Strömungsantrieb zu schliessen. Damit soll unsere Mitarbeit an der Frage des peripheren Herzens noch nicht abgeschlossen sein. Es werden von den Anhängern der Lehre noch andere Argumente ins Feld geführt, die einer kritischen Besprechung rufen. Gelegenheit dazu wird die Veröffentlichung von Untersuchungen geben, die eben in unserem Institute abgeschlossen 264 W. R. Hess: Untersuchungen über den Antrieb des Blutstromes usw. worden sind. Ich verweise auf die demnächst in diesem Archiv er- scheinende Arbeit von Fleisch betreffend die angebliche Überlegenheit der rhythmischen Durchströmungsweise überlebender Organe. Zusammenfassung. Neuere Arbeiten zum Titelthema geben den Anlass, mich erneut it diesem zu befassen. Ich verfolge dabei den doppelten Zweck, frühere theoretisch begründete Argumentation gegen die Existenz eines sogenannten „peripheren Herzens“ durch Beobachtungsresultate zu be- legen, gleichzeitig unser Verständnis für die Mechanik eines Strömungs- antriebes durch Muskelschläuche im allgemeinen zu vertiefen. Die nach verschiedenen Merkmalen differenzierende Analyse eines von der Natur dargebotenen Spezialfalles von aktivem Strömungsantrieb durch die Blutgefässe ist das Mittel, durch welches wir dieses Ziel zu erreichen suchen. Ein geeignetes Untersuchungsobjekt finden wir in den pulsierenden Venen des Fledermausflügels. Dureh mikro- -kinemathographische Aufnahme des a vorganges und Ausmessen der Bilder wird das Diagramm des aktiven Pulses konstruiert. Die Interpretation der Kurven und die ergänzenden Beobachtungen des pulsierenden Systemes unter der Lupe lassen die- jenigen Merkmale erkennen, deren Auftreten wir als unerlässlich für eine Stromförderung durch die Gefässmuskulatur bezeiehnet haben, nämlich: Weit ausholende Pulsamplituden und Eingreifen eines Spe- ziellen Mechanismus, welcher die vom Muskel geleistete Arbeit in eine bestimmte Bewegungsform zwingt, d.i. in eine einseitig g gerichtete Strömung. Eine analoge Untersuchung der aklren Querschnittsschwankungen der Kaninchenohrarterie ergibt eine ausgesprochene Gegensätzlichkeit dieses Prozesses zu den eruierten Merkmalen eines aktiven Strömungs- antriebes. Die Aufführung dieser Beobachtung als Argument für die Existenz eines „peripheren Herzens“ ist deshalb abzulehnen. 3 Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 173. Tafel 1. Abb. 1a. Abb. 1b. Abb. 2a. Abb. 2b. Abb. 3a. Abb. 3b. Heß, Antrieb des Blutstromes. Verlag von Julius Springer in Berlin. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen und einiger Säugetiere in bezug aufihren Bau und ihre Kernverhältnisse nebst einer Korrektur meiner Herzarbeit (1916). Von Prof. Dr. P. Schiefferdecker. (Ausgeführt mit Unterstützung des Elisabeth-Thompson-Science-Fund.) (Mit 36 Textabbildungen.) In’ sieben Arbeiten habe ich bisher Muskeln des Menschen und von Wirbeltieren verschiedener Klassen. nach einer von mir aus- gearbeiteten Methode auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse unter- sucht. In der vorliegenden achten Arbeit will ich eine Anzahl von Kaumuskeln des Menschen und einiger Säugetiere behandeln. Haupt- sächlich wurde der Masseter ‚untersucht, ferner ein menschlicher Pterygoideus int. und ‚endlich ein menschlicher und zwei tierische Temporales. Die Untersuchung des Masseters bildet somit den Grundstock der Arbeit. Ermöglicht wurde mir diese Arbeit ieilen durch eine Unter- stützung aus dem Elisabeth-Thompson-Seience-Fund, wofür ich hier meinen Dank ausspreche. Ich habe diesmal die Kaumuskeln zur Untersuchung gewählt, weil ich hoffte, dass bei der verschiedenen Art des Gebrauches dieser bei Mensch und Tier und bei Tieren verschiedener Art sich Unter- schiede im Baue der Kaumuskeln würde auffinden lassen, welche auf die Bedeutung der morphologischen Eigentümlichkeiten Licht werfen und vielleicht über das Verhältnis von Mensch und Tier irgendwelche Aufklärung geben würden. Diese letztere Hoffnung hat sich auch erfüllt. Es wurden untersucht die Masseteren von drei erwachsenen Deutschen (einer war dem Namen nach polnischer Abstammung), von 266 P. Schiefferdecker: einem Chinesen, dessen Herz ich schon in meiner Herzarbeit (1916) (7) untersucht hatte, von einem fünfmonatigen, einem sechs- bis sieben- monatigen Embryo und einem Neugeborenen, um das entwicklungs- geschichtliche Verhalten des Baues und der Kernfaserverhältnisse stzustellen. Die untersuchten Tiere waren so ausgewählt, dass sie möglichst verschiedene Arten des Kauens aufwiesen: Hund und Katze als Fleischfresser, Reh als Wiederkäuer, Kaninchen und Eichhörnchen als Nagetiere und Mandrill als Vertreter der Ostaffen, und damit der Primaten neben dem Menschen. Der Temporalis wurde untersucht von einem der Menschen, einem Hunde und einem Eichhörnchen und der Pterygoideus int. von einem der Menschen. Bei diesen beiden Muskeln erschien der Vergleich mit dem Masseter wichtig. Auf die an sich sehr erwünschte Untersuchung von noch weiteren Kaumuskeln musste verzichtet werden, da die schon sehr grosse Mühe- waltung zu gross geworden sein würde. Besonders interessant und wichtig würde die Untersuchung des menschlichen Pterygoideus ext. gewesen sein wegen seiner ganz ab- weichenden Funktion doch ist dieser Muskel vom Menschen so schwer zu erhalten, dass ich von vornherein auf ihn verzichtet habe. Trotz der soeben erwähnten Beschränkungen beträgt die Anzahl der hier bearbeiteten Muskeln doch siebzehn, deren Untersuchung schon eine recht erhebliche Arbeit verursachte. In der hier folgenden Zusammenstellung habe ich eine Übersicht über die untersuchten Muskeln gegeben und bei jedem angeführt, wieviel Faserquerschnitte und Kernquerschnitte von ihm aufgezeichnet und ausgemessen worden sind. Wie man sieht, beträgt die Gesamtsumme der Faserquerschnitte 11000 und die der Kernquerschnitte 7314, also ein immerhin schon recht reichhaltiges Material. Die ausgemessenen Muskeln sind: l. Masseter von Embryo von 5 Monaten . 1000 Fasern, 239 Kerne 2. 2 1 % »„ 6-7 Monat. 1000 ° „ 210 „ 3. a „.Neonatus. rar 1000 SRIBDTEN 4 3. 2 „Mann Aa 2 21000 »- 5 „ Mann8.. ae el) „72202 2 6. Y , Braune rgt 270200002 UT, 7. h „ Chinese 30:.I2. TE 53500 „28062, Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 267 8. Pterygoideus int. von Mann A.. . 500 Fasern, 697 Kerne 9. Masseter von Mandrill . -. -. ....:500 4} 1 ee Himal 7 . 500 29 11. E 3 Razer 2 a 0 ae 12, 5 N u) a SE DENE 13. - „ Hasenkaninchen . . . 500 „mn 467\, 14. 5 „ Biehhörnchen . . 2,2500 OR 15 Temporalis von Frau I... : .. ...'.500 ON: 16, .: 5 se Haundt , 3..2,2 5500 3, 17. s „ Eichhörnchen . . . 500 „. 469, 11000 Fasern, 7314 Kerne. -Dass die Mühewaltung bei der Bearbeitung eines solchen Materiales schon recht gross ist, geht aus den folgenden kurzen Angaben über meine Methode hervor. Es werden von jedem zu untersuchenden Muskel nach Fixierung und Härtung in Alkohol oder nach Fixierung in Formol und Nach- härtung in Alkohol, je nachdem das Material zu haben war, nach Zelloidineinbettung eine hinreichend grosse Anzahl von Muskel- faserquerschnitten und die sämtlichen in diesen enthaltenen Kern- querschnitte bei tausendfacher Vergrösserung mittels eines Zeichen- apparates in ihren Konturen möglichst genau auf Millimeter- papier aufgezeichnet. Diese Flächenbilder werden dann, soweit es praktisch erscheint, mit einem Planimeter ausgemessen, oder es werden, wo die Flächen zu klein sind, also zum Beispiel stets bei den Kernen, aber auch bei sehr kleinen Muskelfaserquerschnitten, die Flächen ihrer Grösse nach durch Auszählen der Millimeterquadrate festgestellt. Jede Faser erhält ihre laufende Nummer und wird mit ihren Kernen in eine Liste eingetragen, aus der dann die später mit- zuteilenden Zahlen berechnet werden. Aus dieser Liste kann man also sofort ersehen: die Grösse des Faserquerschnittes in Quadratmikra, die Anzahl der in ihm enthaltenen Kerne, die Grösse jedes dieser Kerne und damit die Gesamtmasse der Kerne. Aus dieser Grundtabelle kann. man dann die verschiedenen Kernverhältnisse des Muskels bestimmen; in ihr ist das Flächenbild des Muskels niedergelegt. Auf Grundlage dieser Tabelle vermag ich auch den gesamten Muskel in Gruppen von verschieden dicken Fasern aufzulösen und für jede dieser Gruppen wieder bestimmte Kernverhältnisse zu berechnen. Durch eine solche Auflösung in Gruppen und durch Feststellung der Kern- 268. P. Schiefferdecker: verhältnisse in den einzelnen erfahre ich, wie kompliziert oder wie einfach der Muskel gebaut ist. Diese Art seines Aufbaues ist für seine Funktion von wesentlicher Bedeutung, denn die einzelnen Muskelfasergruppen verhalten sich gewöhnlich in bezug. auf ihre Kernverhältnisse abweichend voneinander, und man wird dem- entsprechend annehmen müssen, dass sie auch in ihrer Tätigkeit mehr oder weniger voneinander abweichen und mehr oder weniger selb- ständig wirken können. Ein jeder Muskel würde demnach ein Mosaik verschieden wirkender Muskelgruppen darstellen. In meiner ersten Muskelarbeit habe ich die Muskelfasern sowohl nach einer arith- metischen wie nach einer geometrischen Reihe in Gruppen geordnet, um zunächst einmal festzustellen, welche von diesen beiden Arten der Einteilung die praktischere wäre. Ich hatte mir damals die ganze Methode neu ausgedacht und musste erst Erfahrungen sammeln über die praktische Verwendbarkeit derselben. Im Laufe der sehr um- fangreichen zweiten Muskelarbeit habe ich aber schon die arithmetische Reihe als weniger brauchbar'beiseite gelassen und von da an nur noch die geometrische verwendet. Aus rein praktischen Gründen habe ich für diese den Quotienten 1,5 gewählt. Ich ging dabei aus von der Zahl 100, so dass sich die folgenden Gruppen ergaben: 10—15, 16—23, 24—35 , 30—53, 34—80, 81—120, 121—180, 181— 270, 271—405, 406—607, 608—912, 913—1368, 1369— 2052, 2053— 3078, 3079—4617, 4618—6925, 6926—10387 usw. Es ergeben sich für diese eben genannten Gruppenzahlen die folgenden Mittelzahlen: 12. 19, 29, :44,.66,. 100,150, 225, 338,:.306, 760, 1140, 1710, 2565, 3847, 58771, 8656. Ich führe diese Zahlen hier ausführlich an, damit diejenigen Forscher, welche die Absicht haben, entsprechende Unter- suchungen auszuführen, sie benutzen können; ist es doch zum Ver- eleiche der Resultate derartiger Untersuchungen untereinander sehr wünschenswert, dass stets dieselben Zahlen benutzt werden. Ich habe natürlich nur die vollen, abgerundeten Zahlen benutzt, die Bruchstellen ‚fortgelassen. | Bei der Aufzeichnung. we Haszanersehnittes ‚wird in ale Weise verfahren, dass jeder Querschnitt erst kurz daraufhin geprüft. wird, ob. er auch wirklich ein Querschnitt und kein. Schrägschnitt ist, was sich ja an der Art der Verschiebung .der Fibrillen‘und der Kerne bei Bewegung. der Mikrometerschraube leicht. nachweisen lässt, Schräg- schnitte würden selbstredend falsche Resultate ergeben. ‘Bei der Aus- Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 2369 [% messung mittels des Planimeters wird jeder Faserquerschnitt, je nach der Grösse, zwei- bis dreimal nacheinander umfahren,. um etwaige Flüchtigkeitsfehler auszuschliessen. Von meiner dritten Muskelarbeit an sind die sämtlichen Aufzeichnungen und Ausmessungen ausgeführt worden von derselben Zeichnerin — auch bei der zweiten Muskel- arbeit hat dieselbe schon mitgearbeitet —, welche infolgedessen eine un- gemein grosse Übung in ‘diesen Dingen erlangt hat und ausserdem von erprobter Gewissenhaftigkeit ist. . Auf diese Weise ist auch der persönliche Fehler minimal geworden, und alle diese Arbeiten sind auf das genaueste untereinander vergleichbar. : In dieser Weise sind - jetzt im Laufe der Zeit mehrere Zehntausende von Muskelfaserquer- schnitten mit ihren Kernquerschnitten ausgemessen. worden, welche schon an Sich, nur ihren Zahlenwerten nach, ein äusserst wertvolles Material darstellen, wie es sonst nirgends existiert, und dessen Ver- arbeitung: in meinen verschiedenen Muskelarbeiten zu Ergebnissen ge- führt hat, die auf andere Weise nicht zu erlangen gewesen wären. Aus dem. soeben Mitgeteilten geht aber. schon hervor, wie ausser- ‘ordentlich mühevoll und schwierig die Ausführung dieser . Muskel- arbeiten ist. Hierzu kommt dann noch, nachdem die Grundlisten einmal aufgestellt worden sind, die rechnerische Verarbeitung des Materiales, welche ebenfalls recht mühevoll ist, und dann endlich, nachdem durch sie die einzelnen Tabellen. zusammengestellt worden sind, die eigentlich wissenschaftliche Bearbeitung, welche gleichfalls nicht einfach ist. Ich gebe bei jeder Arbeit auch eine mikroskopisch- anatomische «Beschreibung der untersuchten Muskeln, welche den ersten Abschnitt jeder. Arbeit bildet; der zweite Abschnitt wird ge- bildet durch die Besprechung der Ergebnisse, welche sich aus den Tabellen ableiten lassen. Da es sich hier nur um Zahlenwerte handelt, kann man diese Art der Bearbeitung auch als eine „sta- tistische“ bezeichnen, wie auch Prenant meine Methode als eine „statistische Untersuchungsmethode der Muskeln“ bezeichnet hat. Meine Muskelarbeiten würden demgemäss jedesmal in eine „mikro- skopisch-anatomische“ und in eine „rechnerische“ oder. „statistische“ Abteilung zerfallen. Beide zusammen ergeben ein möglichst voll- ständiges Bild des untersuchten Muskels. Es ist daher bei der Be- nutzung dieser Arbeiten u jedesmal die beiden Abschnitte zu berücksichtigen. ‚Ich spreche in dieser Arbeit- ausführlicher der die von mir. au- 270 P. Schiefferdecker: gewandte Methode, da in letzter Zeit mehrfach Anfragen über die Ausführung meiner Methode an mich gerichtet worden sind, In den verschiedenen Tabellen werden die Zahlen nun zur Be- stimmung der folgenden Grössen verwendet: 1. In der ersten Tabelle werden die Durchschnittszahlen für die Grösse der Querschnittsfläche der Fasern der verschiedenen miteinander verglichenen Muskeln zusammengestellt sowie ihre Maxima und Minima. Die Maxima sind hierbei ganz anders zu bewerten als die Minima: sie geben mir in der Tat den Flächeninhalt des Querschnittes der gesehenen dicksten Muskelfaser an; die Minima dagegen können wir wohl auch die Grösse der Querschnittsfläche der dünnsten in dem Muskel. enthaltenen Faser an- geben, sie können mir aber auch, und das wird in weit höherem Maasse der Fall sein, nur angeben, bis zu welcher Dünne die in dem Muskel anfangenden und endigenden Muskelfasern an ihren Enden auslaufen. Das ist dann eine Feststellung, die keine besondere Be- deutung besitzt, wenngleich natürlich diese dünnen Enden bei der Kontraktion ebenfalls mitwirken und in bezug auf ihre Kernverhältnisse berücksichtigt werden müssen, da sie Teile der Fasern und damit des Muskels sind. Ich habe, soweit das möglich war, die zu unter- suchenden Muskelstücke stets ungefähr der Mitte des Muskels ent- nommen; indessen können auch in dieser Gegend Fasern beginnen oder endigen. Die Maxima sind also die wichtigeren Zahlen. Aus der Grösse der Zahlen der Minima wird man übrigens schon mit einiger Sicherheit schliessen können, ob es sich um Teile von feinen Fasern oder um Enden von dickeren Fasern handelt. Nach dem Gesagten besitzt eine solche Unterscheidung aber keine besondere Wichtigkeit. Bei der Bearbeitung der Fasergruppen fallen diese dünnsten Fasern » sowieso für die Berechnung fort, da ihre Anzahl zu gering ist. Ich verwende für die Berechnung der Gruppen gewöhnlich nur solche Gruppenzahlen, welche wenigstens 5° der Menge der gesamten Muskelfasern ausmachen. Bei noch geringeren Prozentsätzen sind die Zahlen zuviel vom Zufall abhängig, und die Ergebnisse würden zu ungenau werden. 2. In der zweiten Tabelle werden die Fasern nach der geo- metrischen Reihe in Gruppen geordnet, und es wird fest- gestellt, wie gross die morphologischen Prozentzahlen der Gruppen sind. Hieraus wird dann die „physiologische Bedeutung“ dieser Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. aa! Gruppen durch die Feststellung ihrer „Wertigkeit“ berechnet. Durch die Feststellung der „morphologischen Prozentzahlen“ erkennen wir, in welcher Weise sich der Muskel nach der Dicke seiner Fasern aufbaut, sein „morphologisches Mosaik“; aus den ebenfalls in Prozenten ausgedrückten „Wertiekeitszahlen“ ist zu erseheu, welche Be- deutung die verschiedenen Gruppen für die Funktion des Muskels haben. Unter „Wertigkeit“ verstehe ich das Folgende: Man nimmt wohl mit Recht an, dass die Kraft eines Muskels, unter sonst gleichen Verhältnissen, abhängt von der Grösse seines Quer- schnittes, d. h. von der Summe der Muskelfaserquerschnitte, die den Gesamtquerschnitt zusammensetzen. Eine dicke Faser, deren Quer- schnitt also verhältnismässig gross ist, wird daher bei den Muskel- kontraktionen kräftiger wirken, für die Leistung des Muskels mehr -„wert“ sein, als eine dünnere Faser. Die Zahlen für die Wertigkeits- prozente bei den einzelnen Muskelgruppen belehren mich daher dar- über, welchen „Wert“ diese Gruppen für die Funktion des Muskels haben. Während mir also die Zahlen für die morphologischen Prozente angeben, welches Vertrauen ich den für die einzelnen Gruppen gefundenen. Faserkernverhältniszahlen entgegenzubringen habe — je grösser die Zahlen sind, um so mehr Vertrauen verdienen sie —, geben mir die Zahlen für die Wertigkeitsprozente an, welche Faserkernverhältnisse für die Tätigkeit des betreffenden Muskels die wesentlichsten sind, von welchen also seine Funktion am meisten abhängt. Sie sind daher für den Physiologen von besonderer Wichtigkeit; er erkennt aus ihnen, auf welche morphologischen Zahlen es für die Physiologie des Muskels besonders ankommt. Meine Muskelarbeiten stehen ja überhaupt auf der Grenze zwischen Anatomie und Physiologie. Sie müssen durch weitere Unter- suchungen der Physiologen ergänzt werden. Ich gebe in ihnen die morphologischen Grundlagen für die Tätigkeit der Muskeln; die Art dieser Tätigkeit näher zu untersuchen, ist die Sache der Physiologen. Durch solehe physiologische Arbeiten würden meine morphologischen Ergebnisse erst die richtige Beleuchtung erfahren, durch sie würde man erst in der Lage sein, die Bedeutung der morphologischen Ver- schiedenheiten in richtiger Weise zu verstehen und zu würdigen. Ich lege daher auch Wert darauf, dass die Arbeiten in physiologischen Zeitschriften erscheinen; sie sind durchaus „biologischer“ Natur. Bis jetzt hat sich allerdings das Interesse der Physiologen, soweit mir das 272 5 P. Schiefferdecker: bekannt geworden ist, noch nicht Untersuchungen der Tätickeit der verschiedenen Muskeln zugewandt — zu meinem grossen Leidwesen. In den weiteren Gruppentabellen werden dann die Zahlen für die folgenden Grössen zusammengestellt: 1. Die „absolute Kernzahl“. Sie gibt mir an, wieviel Kerne durchschnittlich in der betreffenden Gruppe oder (auf- einer anderen Tabelle) in dem Gesamtmuskel auf einen Faserquerschnitt entfallen. 2. Die „absolute Kerngrösse“. Es ist dieses die durch- schnittliche Grösse eines Kernes in der betreffenden Gruppe oder in dem Gesamtmuskel. | 3. Die „relative Kernmasse“. Diese Zahl gibt an, wie gross die Querschnittsfläche der Kerne ist, welche auf hundert Teile der Durehschnittsfläche der Faser in der Gruppe oder dem Gesamtmuskel entfällt, d. h. also, wie gross prozentualisch die Kernmasse im Ver- hältnisse zur Fasermasse ist. Die relative Kernmasse ist demgemäss eine der wichtigsten Zahlen und wird gewonnen durch die Division der Gesamtfläche der Faserquerschnitte in die mit hundert multi- pliziertte Summe der Flächeninhalte der Kernquerschnitte für die Gruppe oder den ganzen Muskel. | 4. Die „relative Fasermasse“. Diese wird dadurch ge- wonnen, dass die Gesamtfasermasse der Gruppe oder des ganzen Muskels durch die Gesamtkernmasse dividiert wird. Diese Grösse ist gewissermaassen das Gegenstück zur relativen Kernmasse; sie besitzt aber meist keine besondere Wichtigkeit, und ich habe sie nur bei der Schlusstabelle berechnet. 5. Die „relative Fasergrösse*. Sie wird so gewonnen, dass die durchsehnittliche Fasergrösse dividiert wird durch die durchschnitt- liche Kerngrösse. Auch diese Grösse wird nur für die Schlusstabelle berechnet. Weiter werden noch die folgenden Grössen festgestellt: 1. Die „Kernlänge‘. Diese wird gewonnen durch direkte Aus- messung einer grösseren Anzahl von Kernen auf einem Längsschnitte des Muskels. Meiner Erfahrung nach genügt gewöhnlich die Aus- messung von 100—200 Kernen. Die Zahl hängt ab von der „Variationsbreite“ der Kernlänge. Eine gewisse Variationsbreite ist bei jedem Muskel vorhanden. Je gesunder der Muskel ist und je mehr er sich im Gleiehgewichtszustande befindet, um so geringer ist die Variationsbreite.e Aus den gefundenen Zahlen wird die Durch- et 2 y\ Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 273 schnittsgrösse berechnet und weiter das Maximum und Minimum. Multipliziere ich die durchschnittliche Kernlänge mit der durchschnitt- lichen Kerngrösse, der Querschnittsgrösse, so erhalte ich 3. das durchsehnittliche „Kernvolumen“, eine rein rechne- rische Grösse. Die wirkliche, genaue Grösse eines Durchschnitts- kernes zu berechnen, ist unmöglich, da die Gestalt des Kernes dazu nieht regelmässig genug ist. So habe ich mir in dieser Weise ge- holfen, um wenigstens eine annähernde Grösse zu erhalten. Die durchschnittliche Querschnittsgrösse setzt sich ja zusammen aus Schnitten durch alle Teile der Kerne: durch die dicksten, mittleren Partien und durch die allmählich immer kleiner werdenden nach den Enden zu. Wenn ich nun die so erhaltene Durchschnittsgrösse mit der durchschnittlichen Kernlänge multipliziere,, so erhalte ich einen Zylinder, der in seiner Form natürlich keinem einzigen wirklichen Kerne entspricht, seinem Inhalte nach aber einem Durchschnittskerne annähernd gleich sein wird. Jedenfalls kann ich die so gewonnene Grösse benutzen bei dem Vergleiche der Kerne verschiedener Muskeln, da sie ja bei allen in der gleichen Weise gewonnen worden ist. Es hat sich aus meinen Muskelarbeiten ergeben, dass die vergleichende Untersuchung dieses „Kernvolumens* sehr wichtige Schlüsse erlaubt. 3. Die „Kernfaserzahl“. Vergleiche ich die durchschnittliche „absolute Kernzahl“ mit der durchschnittlichen Querschnittsgrösse der Faser, so erhalte ich, wenn ich die Kernzahl in die Querschnittszahl dividiere, eine Zahl, die mir angibt, auf wieviel Quadratmikra der Fasersubstanz des Querschnittes durchschnittlich ein Kern entfällt. Aus dieser Zahl ersehe ich dann zueleich, ob ich auf dem mikro- skopischen Bilde den Eindruck eines kernreichen oder kernarmen Muskels haben werde. Diese „Kernfaserzahl“ ist für die Charakteri- sierung eines Muskels nicht unwesentlich, zeigt sie mir doch an, in welcher Weise die Kernmasse auf die Fasermasse verteilt ist. 4. Die „modifizierte Kernzahl‘. Zur Erklärung dieser diene das Folgende. Ich messe bei meiner Methode die sämtlichen Kerufaserverhältnisse des Muskels auf dem Querschnitte aus, indem ich davon ausgehe, dass der gesamte Muskel sich aus lauter Quer- schnitten aufbauen lassen würde. Der Längsschnitt kommt nur in Betracht bei der Ausmessung der Kernlänge. Ein jeder Querschnitt besitzt eine gewisse Dicke. Die Kerne, welche gerade in der Quer- schnittsebene liegen, werden vom Messer getroffen, aufgezeichnet, aus- 274 P. Schiefferdecker: gemessen und gezählt. Es ist klar, dass ich um so mehr Kernquer- schnitte finden werde, je länger die Kerne eines Muskels sind, denn um so öfter werden diese von dem Messer getroffen werden, also auf den Querschnitten erscheinen. Wenn ich also die Zahl der Kerne eines Muskels nur bestimme nach der direkt auf dem Querschnitte gefundenen Zahl, so werde ich beim Vergleiche mit anderen Muskeln nicht immer die wirklich richtige Anzahl der Kerne des Muskels finden, da die Kernlänge eben nicht berücksichtigt worden ist. Bei dem Vergleiche eines Muskels mit langen Kernen mit einem solchen mit kurzen werde ich für den ersteren auf diese Weise eine zu grosse Anzahl von Kernen feststellen. Will ich die für die Vergleichung der Muskeln untereinander wirklich richtigen Zahlen finden, so muss ich also die Kernlänge bei der Berechnung berücksichtigen. Das ge- schieht bei der Berechnung der „modifizierten Kernzahlen“, welche mir die für den Vergleich richtigen Kernzahlen angeben, aber dafür den Nachteil haben, dass sie keine absoluten, sondern nur relative Zahlen sind, welche also nur Geltung haben für diejenigen Muskeln, die ich gerade miteinander vergleiche. Die Berechnung geschieht in folgender Weise: Ich addiere zunächst die Zahlen für die Kernlänge der zu vergleichenden Muskeln und berechne mir durch Division mit der Anzahl der Muskeln die durchschnittliche Kernlänge der zu ver- gleichenden Muskeln. Mit dieser Zahl multipliziere ich die als „ab- solute Kernzahl“ direkt gewonnene Zahl und dividiere durch die wirkliche „Kernlänge* des betreffenden Muskels. Es ist klar, dass die so gefundenen „modifizierten Kernzahlen“ kleiner sein werden als die „absoluten Kernzahlen“, wenn die Kerne verhältnismässig lang sind, und grösser, wenn sie verhältnismässig kurz sind. Ziehe ich nun, nachdem ich die „modifizierten Kernzahlen“ bestimmt habe, auch noch das „Kernvolumen“ in Rechnung, indem ich die modifizierte Kernzahl mit der für das Kernvolumen gefundenen multipliziere, so erhalte ich 5. die „Gesamtkernmasse* in einem bestimmten Stücke der Muskelfaser, aber auch wieder nur als relative Zahl und daher nur für die gerade miteinander zu vergleichenden Muskeln verwendbar. 6. Eine Grösse, welche ich erst bei meinen letzten Muskelarbeiten berücksichtigt habe, ist die Zahl für das „Breiten-Längen-Ver- hältnis“ der Kerne, die Zahl des „Breiten-Längen-Index“ der Kerne oder, kurz gesagt, die Zahl für den „Kern-Index‘. _ Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 375 Es hat sich ergeben, dass diese Zahl auch von wesentlicher Be- deutung ist. Der wirkliche Querschnitt eines Muskelkernes hat ja sehr verschiedene Formen sowohl bei den Kernen verschiedener Muskeln wie auch bei den Kernen desselben Muskels. Diese Quer- scehnittsformen werden bei meiner Methode bei tausendfacher Ver- grösserung genau aufgezeichnet und ihrer Grösse nach durch Aus- zählung der Millimeterquadrate- genau bestimmt. Sie sind bald mehr kreisförmig, bald mehr spindelförmig bis fast stäbchenförmig, zeigen zwischen beiden alle möglichen Übergangsformen und sind auch oft unregelmässig. Mit diesen wirklichen Formen selbst ist also rechnerisch nichts anzufangen. Ich nehme daher an, dass die durchschnittliche, gefundene Querschnittsgrösse der Inhalt eines Kreises sei, und berechne mir aus dieser Inhaltszahl den Durchmesser dieses Kreises. Wenn ich nun diesen so gefundenen Durchmesser als die Breite des Muskelkernes ansehe und ihn vergleiche mit dem ge- fundenen Längenmaasse des Kernes, so erhalte ich den gesuchten „Breiten-Längen-Index“. Wenn ich zum Beispiel das Verhältnis 1:4 erhalte, also die Indexzahl „4“, so heisst das, dass .die Kernlänge viermal so gross ist als der Durchmesser. Ich erhalte auf. diese Weise also Zahlen, welche mir angeben, ob die Kerne des betreffenden Muskels kurz und diek oder lang und dünn sind, und das ist nicht unwesentlich. Je kürzer und dicker ein Kern ist, um so mehr nähert sich seine Form der Kugel, bei der Länge und Dicke bekanntlich gleich sind, je dünner und länger er ist, um so mehr entfernt sich seine Form von der einer Kugel. Nun besitzt die Kugel im Ver- hältnisse zum Inhalte die geringste Oberfläche; je mehr ein Körper in seiner Gestalt von der Kugel abweicht, desto grösser wird infolge- dessen seine Oberfläche im Verhältnisse zum Inhalte. Das Maass für die Grösse dieser Abweichung gibt mir die Indexzahl an. Das Ver- hältnis der Oberfläche zum Inhalte ist aber bei dem Kerne sehr wesentlich. Wir müssen annehmen, dass zwischen dem Kerne und - dem Zellkörper ein Stoffwechsel stattfindet, eine gegenseitige chemische _ und physikalische Einwirkung. Diese Einwirkung wird um so stärker sein können, je grösser, unter sonst gleichen Umständen, die Ober- fläche des Kernes im Verhältnisse zu seinem Inhalte ist. Lange und dünne Kerne werden daher schneller und stärker auf die Zelle ein- wirken können als kurze und dicke, bei denen man mehr eine länger andauernde und mässig starke Einwirkung wird annehmen können. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 19 276 P. Schiefferdecker: So sehen wir also, dass man aus der Form der Kerne einen Schluss auf die Art der Tätigkeit der Zellen machen kann, was wiederum besonders für die Muskelfasern wichtig ist, da diese letzteren bei verschiedenen Muskeln eine sehr verschiedene Art der Tätigkeit entfalten können und da diese ihre Tätigkeit auch bei demselben Muskel in ziemlich weiten Grenzen schwanken kann, je nach den Zuständen des Muskels und je nach dem Zustande des ganzen Körpers. Nach den bier gemachten Mitteilungen wird jeder Forscher in der Lage sein, einmal die Art meiner Arbeiten zu beurteilen und zweitens selbst derartige Arbeiten auszuführen. Im letzteren Falle würde allerdings er selbst oder die ihm helfende Person sich erst eine genügende Übung in dem Aufzeichnen und Ausmessen der Quer- schnittsbilder verschaffen müssen, damit die möglichen Fehler möglichst klein werden. Mit der zunehmenden Grösse der Fehler sinkt selbst- verständlich der Wert der Arbeit, bis er schliesslich, und zwar sehr schnell, so gering wird, dass die Arbeit als nicht mehr brauchbar anzusehen ist. Weiterhin wird sich jeder Forscher bei derartigen Arbeiten daran gewöhnen müssen, die erhaltenen Zahlenwerte mög- lichst vorsichtig und kritisch zu verwenden. Nichts ist bekanntlich als Grundlage für eine Forschung gefährlicher als Zahlen, und deshalb ist es auch so schwer, aus statistischen Arbeiten wirklich brauchbare Schlüsse zuziehen. Das Verständnis für derartige Untersuchungen wächst natürlich mit der Übung; auch ich habe erst lernen müssen, welche Zahlen verwendbar waren und welche nicht, und neue wichtige Grössen gefunden. Jedenfalls ist eine zuweit getriebene Vorsicht für die Ergebnisse einer solehen Arbeit immer noch besser als eine zu geringe. Wenn man auch wirklich in einer Arbeit einen Schluss nicht zieht, den man vielleicht mit gutem Gewissen hätte ziehen können, den man aber aus Vorsicht zu ziehen vermieden hat, so kann man diesen Schluss immer noch in einer späteren Arbeit nach- holen, wenn man weitere Zahlen kennen lernt, durch welche die Sicherheit dieses Schlusses vermehrt wird. Eine Reihe von auf- einanderfolgenden Arbeiten würde bei derartigen Untersuchungen überhaupt ratsam sein. Ich will jetzt zunächst, wie ich das auch bei meinen früheren Arbeiten getan habe, eine Beschreibung der mikroskopischen Bilda der einzelnen ‚untersuchten Muskeln geben. 1 Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 377 A. Masseter. Embryo von 5 Monaten, männlich. Alkohol. (1000 Fasern, 239 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Wie Abb. 1 erkennen lässt, liegen die Querschnitte der Muskel- fasern bald ziemlich nahe aneinander, bald durch verhältnismässig grosse Zwischenräume voneinander getrennt. Die Grösse der Quer- sehnitte ist ziemlich ähnlich; indessen kann man immerhin schon er- kennen, dass einige Querschnitte besonders gross sind, während einige andere besonders klein sind. Dabei fällt es auf, dass die grossen Querschnitte gleichmässig voll erscheinen, während die meisten der kleinen Querschnitte in der Mitte eine kleine Lücke zeigen, die ver- schieden gross sein kann, so dass die Fasern oft wie dicke Ringe aus- sehen. Bei der für die Figur angewendeten schwachen Vergrösserung konnten diese hellen Lücken nicht eingezeichnet werden. Sie sind dar- auf zurückzuführen, dass die Fibrillen auf, dieser Entwicklungsstufe nur eine N mehr oder weniger breite Randschicht Ei 2 einnehmen und die Mittenoch frei lassen. Wenn gerade die dicken Fasern, wie oben erwähnt, ganz voll erscheinen, so scheint mir das dafür zu sprechen, dass sie als die ältesten anzusehen sind, bei denen infolgedessen die Fibrillen schon durch die ganze Faser hindurch ent- wickelt sind. Es ist recht interessant und wichtig, dass man auf diese Weise die Fasern ihrem Alter nach unterscheiden kann. Die einzelnen Muskelbündel sind durch verhältnismässig breite Binde- gewebszüge sehr deutlich voneinander Abb.1. Masseter, Embryo 5 Monate, abgetrennt; Unterabteilungen in den Querschnitt. Vergr. 240. Bündeln mit feineren Septen treten nicht hervor. Die Muskelkerne sind verhältnismässig sehr gross, liegen am Rande, erfüllen aber infolge ihrer Grösse einen ’grossen Teil der Muskelfaserquerschnitte, so dass oft nur ein ganz schmaler Rand für die Fasermasse übrigbleibt. Infolgedessen findet man auch stets nur einen Kern in einem Faserquerschnitte.e. Die Muskelkerne sind, wie das ja auch auf der Abbildung sehr deutlich hervortritt, sehr viel grösser als die Kerne des Bindegewebes. Das Bindegewebe ist nicht besonders reich an Kernen. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faser- querschnitte 0,24, Max. 1. Durchschnittliche Kerngrösse 7,11 qu, Max. 14,00 qu, Min. 3,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander, meist ziemlich nahe aneinander. Die Kerne sind verhältnismässig sehr gross, stäbchenförmig bis langoval und nehmen häufig die ganze Breite der Muskelfaser ein. - Sie erscheinen fein gekörnt mit meist einem, mitunter auch zwei Kern- ; 19 * 278 P. Schiefferdecker: körperchen. Kernreihen nicht vorhanden. Kernlänge im Durchschnitte 12,13 u, Max. 13,98 u, Min. 6,99 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. In den grösseren Septen deutlich gefärbtes fibrilläres Bindegewebe, teilweise auch in den kleineren. 4. Gelloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. Weder in den grösseren Septen noch zwischen den Muskelfasern selbst sind elastische Fasern sichtbar, nur in der Elastica intimae der Arterien. B. Masseter. Embryo 6—7 Monate, männlich, Alkohol. (1000 Fasern, 210 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun-Eosin. Die Querschnitte der Muskel- fasern (Abb. 2) sind auch bei diesem Muskel noch, wie bei dem vorigen, meist kreisförmig; nur hin und wieder fallen schon ovale oder leicht angedeutet polygonale Formen auf. . Die Grösse der Fasern zeigt hier schon deutlichere Unterschiede wie bei dem vorigen Muskel; neben ganz grossen liegen un- vermittelt ganz kleine, und diese kleinen treten schon in ziem- licher Menge auf. Ein Unter- In @OE schied zwischen grossen und a kleinen Fasern in bezug auf die ; Beschaffenheit des Querschnittes Abb. 2. Masseter, Embryo 6—7 Monate, jst hier nicht mehr sichtbar; die Querschnitt. Vergr. 240. hellen Lücken in den kleineren Fasern, die bei dem vorigen Muskel so deutlich hervortraten, finden sich hier nicht mehr. Inzwischen haben also die Fibrillen sich in der Muskelfaser ihrer ganzen Dicke nach entwickelt. Die Zwischenräume zwischen den Faserquerschnitten sind wieder sehr verschieden breit; in den breiteren bemerkt man jetzt schon Bindegewebszüge mit Kernen, welche also .eine Zerteilung der Bündel anbahnen. Die Muskelkerne sind immer noch ausserordentlich gross, weit grösser als die Bindegewebskerne, liegen dicht am Rande der Fasern und nehmen immer noch einen verhältnismässig sehr grossen Teil des Faserquerschnittes ein, wenn auch nicht mehr einen so grossen wie bei dem vorigen Muskel. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faser- querschnitte 0,21, Max. 1,00. Durchschnittliche Kerngrösse 11,64 qu, Max. 19,50 qq, Min. 4,00 qu. _ 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. S Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander. Sehr deutliche” ‚eine verhältnismässig starke Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 279 Längsstreifung, Querstreifung wenig oder gar nicht sichtbar. Grosse, schöne Kerne, langoval mit deutlicher Körnung, hin und wieder ein Kernkörperchen sichtbar. Keine Reihenbildung. Kernlänge im Durch- . schnitte 11,39 a, Max. 13,98 u, Min. 6,99 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das fibrilläre Bindegewebe in den Septen ist mehr oder weniger blau gefärbt. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. Elastische Fasern treten im Muskel nicht hervor. C. Masseter. Neonatus, männlich. Alkohol. (1000 Fasern, 257 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Das Querschnittsbild des Muskels (Abb.3) ist sehr ähn- lich dem des vorigen Muskels, auch in bezug auf die Grössen- verhältnisse der Muskelfasern und ihrer Kerne. Man muss |, also annehmen, dass entweder .?® zwischen dem Embryo von 6—7 Monaten und dem Neu- geborenen der Unterschied in der Ausbildung der Muskel- fasern überhaupt nur mehr gering ist oder dass in diesem Falle der Embryo von 6 bis 7 Monaten entweder schon Ausbildung der Muskeln zeigte Ann. 3. Masseter, Neugeborener, (Juerschnitt. oder dass der Neugeborene Vergr. 240. hinsichtlich dieser Ausbildung etwas zurückgeblieben war. Da mir weiteres Material für diese Unter- suchung nicht zu Gebote stand, so kann diese Frage erst durch spätere Untersuchungen entschieden werden. Immerhin ist bei dem Muskel des Neugeborenen insofern eine Veränderung eingetreten, als der Grössen- . unterschied der Mu&kelfaserquerschnitte deutlicher hervortritt als bei dem Embyro von 6—7 Monaten, und dass auch verhältnismässig viele kleinere Querschnitte sichtbar sind. Die Faserquerschnitte sind wiederum entweder fast kreisförmig oder leicht polygonal mit stark ab- gerundeten Ecken. In den grössten der Faserquerschnitte treten auf- fallend dicke Fibrillen, sehr deutlich voneinander getrennt, stark hervor, während die Fibrillen der meisten Faserquerschnitte kleiner sind und enger aneinanderliegen, so dass die Faserquerschnitte weit feiner ge- körnt erscheinen. Ich habe oben bei dem Embyro von 5 Monaten schon. hervorgehoben, dass sich die grössten Muskelfaserquerschnitte _ dadurch auszeichneten, dass sie keine hellen Lücken mehr im Inneren haar 280 P. Schiefferdecker: erkennen liessen, dass sie also ganz von Fibrillen ausgefüllt waren, während bei den feineren Fasern noch ein Rest von freiem Sarkoplasma in der Mitte übriggeblieben war, innerhalb des mehr oder weniger breiten Fibrillenmantels. Ich glaubte daraus schliessen zu können, dass diese dicken Fasern als die ältesten anzusehen seien; nach dem hier soeben beschriebenen Befunde ist es aber auch möglich, dass sie einen besonderen Bau aufweisen und also entweder die ältesten sind und gleichzeitig diesen besonderen Bau besitzen, oder dass sie eben nur als Fasern von einem besonderen Baue anzusehen sind, die sich von vorn- herein anders entwickeln als die anderen Fasern. Die Muskelkerne liegen in den Muskelfasern randständig und sind so gross, dass nur ein verhältnismässig kleiner Teil der Faser von ihnen frei bleibt; wie- viel, hängt, wie es scheint, nur davon ab, wie gross die Faserquerschnitte sind. Die Grösse des Kernquerschnittes richtet sich also durchaus nicht nach der Grösse des Faserquerschnittes. Übrigens möchte ich hier noch bemerken, dass die Faserquerschnitte mit den eben beschriebenen dicken Fibrillen hier bei dem Neugeborenen nicht immer besonders gross zu sein brauchen; auch in etwas kleineren Fasern finden sich solche. Wie auch die Figur erkennen lässt, liegen die Faserquerschnitte ver- hältnismässig weit auseinander; die Zwischenräume sind von Binde- gewebe erfüllt, das nur sehr wenige Kerne enthält. Auch das Binde- gewebe der Septen enthält nur mässig viel Kerne, eventuell nur wenige. Die Muskelkerne sind auch hier wieder weit grösser als die des Binde- gewebes. Durchschnittliche Kernzahl in- einem Faserquerschnitte 0,26, Max. 1,00. Durchschnittliche Kerngrösse 14,64 qu, Max. 25,00 qu, Min. 7,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Fasern meist ziemlich gut gestreckt, gegebenenfalls auch etwas wellig. Sehr deutliche Querstreifung, Ruhezustand, Längsstreifung meist deutlich, Muskelkerne mehr oder weniger langoval bis stäbchenförmig, körnig, mitunter ist ein Kernkörperchen sichtbar. Kernreihen nicht vorhanden. Kernlänge im Durchschnitte 10,04 u, Max. 13,98 u, Min. 6,99 u. Es geht aus den bisher angegebenen Zahlen hervor, dass die durchschnittliche Kernlänge von dem menschlichen Embryo von 5 Monaten bis zu dem Neugeborenen hin allmählich etwas abgenommen hat (12,13 u, 11,39 u, 10,04 u), allerdings nur um so wenig, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Kernlänge auch gleich geblieben sein könnte, und dass es sich bei der hier gefundenen ‚.absteigenden Zahlen- reihe nur um zufällige, individuelle Unterschiede handelt. Für das letztere würde es auch stark sprechen, dass die Maxima und Minima bei allen drei Muskeln gleich gross sind. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese dieselbe Länge behalten haben würden, wenn wirklich eine durch- schnittliche Abnahme der Kernlänge eingetreten wäre. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das fibrilläre Bindegewebe in den kleineren Septen ist meist deutlich blau. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 381 Blastische Fasern sind nur in den Gefässen und in der Umgebung derselben in dem hier etwas reichlicher vorhandenen Bindegewebe sichtbar. D. Masseter. Mann A. Alkohol. (1000 Fasern, 661 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Bosin. Die Faserquerschnitte (Abb. 4) sind polygonal mit stark abgerundeten Ecken, bis oval, bis fast kreisföürmig. Die von einem ziemlich kern- reichen Bindegewebe erfüllten Spalten zwischen ihnen sind sehr ver- schieden breit, mitunter recht breit. Die Faserquerschnitte liegen daher recht verschieden weit voneinander getrennt, im ganzen aber sehr locker, so dass der Muskel als „bindegewebsreich“ bezeichnet werden kann. Hin und wieder finden sich zwischen den Faserquerschnitten besonders ins Auge fallende polygonale, helle Räume, wie sie bei der Beschreibung des entsprechenden Muskels des Mandrills besonders hervorzuheben sein werden. Sie sind er- füllt von Bindegewebe, in dem man hin und wieder auch ein Venen- lumen zu erkennen ver- mag. So charakteris- tisch wie bei dem - Man- drilltretendiese Räume hier aber nicht hervor. In manchen Muskel- bündeln fehlen sie auch ganz und scheinen dann ersetzt zu werden durch grössere Binde- gewebszüge von un- regelmässiger Breite, indenen Gefässe liegen. N une Dieses Bild erinnert Abb. 4. Masseter, Mann A, Querschnitt. Vergr. 240. sehr an die Bilder, welche die Mitten der Läppchen vieler Drüsen darbieten. Diese grösseren Bindegewebslücken sind überhaupt wohl bedingt durch die Art der Ver- breitung der Gefässe. Zeigte die Anordnung der Muskelfaserquerschnitte schon bei den Embryonen, und zwar in zunehmendem Maasse bis zum Neugeborenen hin, die Eigentümlichkeit, dass Faserquerschnitte von ganz verschiedener Grösse unmittelbar nebeneinanderliegen und dass die Muskelfaserbündel auf diese Weise ein sehr unregelmässiges Aussehen darbieten, so tritt diese Eigentümlichkeit bei dem Muskel des Erwachsenen noch in weit höherem Grade hervor. Die Querschnitte der Muskelfaser- bündel bieten infolgedessen ein ganz eigenartiges charakteristisches Bild dar, bei dem noch des weiteren die verhältnismässig so grosse Menge des Bindegewebes zwischen den Muskelfasern hervortritt. Dieses Bild ist wesentlich abweichend von dem, das man sonst vom menschlichen Muskel zu sehen gewohnt ist, so dass es mir bei der Betrachtung sofort ‚auffiel, Die Muskelkerne liegen randständig und haben jetzt beim Er- wachsenen sehr erheblich an Grösse abgenommen gegenüber denen der 282 P. Schiefferdecker: Embryonen und des Neugeborenen. Ihre Grösse entspricht jetzt un- gefähr der der Bindegewebskerne. Sie liegen jetzt auch oft zu mehreren in einem der Muskelfaserquerschnitte, welche gegenüber denen des Neu- geborenen sehr erheblich an Grösse zugenommen haben. Es hat also während des Kindesalters bis zum Erwachsenen hin eine starke Abnahme der Grösse der Muskelkerne und eine starke Zunahme der Grösse der Muskelfasern stattgefunden, dabei aber eine Vermehrung der Muskel- kerne. Was die Form der Querschnitte der Muskelkerne anlangt, so sind dieselben mehr oder weniger breitoval bis fast kreisförmig. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,66, Max. 4,00. Durchschnittliche Kerngrösse 4,32 qu, Max. 10,00 qu, Min. 1,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander. Querstreifung meist sehr deutlich, Ruhezustand, hin und wieder aber kaum sichtbar. Längs- streifung meist deutlich, hin und wieder allerdings auch sehr schwach. Kerne stark gefärbt, meist stäbchenförmig, aber auch lang- kis kurzovyal. Hin und wieder Kernreihen. Durchschnittliche Kernlänge 10,69 u, Max. 15,14 u, Min. 6,99 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. In den grösseren Septen deutlich blaues Bindegewebe; in den kleineren Septen ist das Bindegewebe meist nicht gefärbt. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. Elastische Fasern nur in den grossen Septen in der Umgebung der Gefässe und in diesen selbst gut gefärbt sichtbar. E. Masseter. Mann S. Formol. (500 Fasern, 262 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun-Eosin. Die Muskelfaserquerschnitte (Abb. 5) sind polygonal mit stark ab- gerundeten Ecken, hin und wieder auch mehr oval bis fast Kreisförmig. Sie liegen, wie bei Mann A., bald nahe aneinander, bald durch breitere, mitunter sogar recht breite Zwischenräume getrennt, die von einem mässig kernreichen Bindegewebe erfüllt sind. Der Muskel ist also wieder reich an Bindegewebe. Ausserdem liegen in den Bündeln, unregelmässig zwischen den Muskelfaserquerschnitten zerstreut, wieder jene hellen, polygonalen Räume, die von Bindegewebe erfüllt sind und oft auch einen Venenquerschnitt zeigen, oder es liegen auch mitten in den Bündeln grössere Bindegewebsmassen mit grösseren Blutgefässen und Nerven, welche nach den Seiten hin ausstrahlen, Bilder, die sehr an Drüsen er- innern. Diese Verhältnisse sind also ganz ähnlich, wie ich sie bei Mann A. beschrieben habe. Die Faserquerschnitte zeigen in bezug auf ihre Grösse und Anordnung wieder das charakteristische Bild, dass ganz grosse und weit kleinere Fasern unmittelbar nebeneinanderliegen, in ganz unregelmässiger Anordnung. Die Muskelkerne liegen randständig und sind im Querschnitte bald langoval bis kurzoval, polygonal und kreisförmig. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,52, Max. 3,00. Durchschnittliche Kerngrösse 4,23 qu, Max. 10,00 que, Min. 2,00 qu. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 283 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen schön gestreckt nebeneinander, im allgemeinen sind weder Längs- noch Querstreifen zu erkennen. Die Muskelkerne sind meist langgestreckt stäbchenförmig, doch auch kurzoval bis lang- oval. Hin und wieder kurze Kernreihen mit kürzeren und dickeren Kernen. In den stark gefärbten Kernen ist eine feine Körnung nur andeutungsweise sichtbar, Kernkörperchen sind fast niemals sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 9,69 u, Max. 13,98 u, Min. 4,66 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. In den breiteren Septen deutlich blaues Bindegewebe, ebenso in den grösseren Bindegewebsmassen innerhalb der Bündel, welche die Gefässe und Nerven umgeben; innerhalb der feineren Septen und der polygonalen Lücken keine blaue Färbung. e Abb. 5. Masseter, Mann S, Querschnitt. Vergr. 240. T 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit — _ Fuehsin-Resorein. In den grösseren Septen mässig viel elastisches Gewebe, teilweise auch in den kleineren; zwischen den Fasern keins. Dieser Muskel enthält also etwas mehr elastisches Gewerbe als der von Mann A., immerhin aber noch recht wenig, da zwischen den Muskel- fasern die elastischen Fasern noch ganz fehlen. F. Masseter. Frau J. Alkohol. (1060 Fasern, 639 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte,' Färbung mit Hämalaun- Eosin, Re Die Muskelfaserquerschnitte zeigen (Abb. 6 und 7) in bezug auf ihre Grösse, Form und Anordnung wieder dieselben eigentümlichen Verhältnisse, wie ich sie schon von den beiden Männern beschrieben habe. Abb. 6 zeigt die gewöhnlichen Verhältnisse; in Abb. 7 ist eine 284 P. Schiefferdecker: Abb. 7. Masseter, Frau J, Querschnitt. Vergr. 240. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 285 besondere grosse Faser rings von einem Kranze von kleinen Fasern umgeben, eine Anordnung, die auffiel, die aber prinzipiell nichts Be- sonderes ist. Das Bindegewebe zwischen den Faserquerschnitten ist mässig kernreich. Die Muskelkerne liegen randständig, nur ganz selten findet sich auch ein kreisförmiger Binnenkern, wie auf Abb. 6 rechts unten; die randständigen Kernquerschnitte sind meist oval bis kreisförmig. Binnenständige Kerne sind in diesen Muskeln augenscheinlich sehr selten. ' Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,64, Max. 4. Durchschnittliche Kerngrösse 5,41 qu, Max. 11,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander, zeigen zum Teil eine sehr deutliche, zum Teil eine sehr schwache Querstreifung. Teils Ruhe, teils Kontraktion. Längsstreifung im allgemeinen nicht sichtbar. Die Mnskelkerne sind meist lang, stäbchenförmig, teilweise aber auch breitoval bis kreisförmig. Sie liegen häufig in kürzeren und längeren Reihen. Durchschnittliche Kernlänge 10,07 u, Max. 21,00 u, Min. 5,82 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die breiteren Septa mit meist reichem Bindegewebe sind deutlich blau gefärbt, die feineren Septa sind hell und ungefärbt. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. Das elastische Gewebe ist sehr schwach entwickelt und findet sich nur in den Blutgefässen und in dem reichlicheren Bindegewebe, das diese umgibt. G. Masseter. Chinese, 30 Jahre. Formol. (500 Fasern, 362 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun-. Eosin. Auch dieser Muskel zeigt wieder (Abb. 8) dasselbe Bild wie die bisher beschriebenen, vielleicht noch ausgeprägter: ganz unregelmässig liegen grosse und kleine Muskelfaserquerschnitte nebeneinander. Sie liegen dabei teilweise ganz dicht aneinander, zum grösseren Teile aber durch verhältnismässig breite Bindegewebszüge voneinander getrennt. Der Muskel ist reich an Bindegewebe. . Dieses Bindegewebe enthält in diesem Falle nur wenig Kerne. Hin und wieder wiederum polygonale Lücken oder grössere Bindegewebsmassen in den Bündeln, aber im ganzen nicht so deutlich hervortretend wie in den deutschen Präparaten. Dies braucht indessen kein irgendwie wesentlicher Unterschied zu sein. Die Muskelkerne sind wieder randständig, ihr Querschnitt ist hin und wieder sehr schmal, meist aber dicker und kürzer, oval, polygonal oder kreisförmig. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,72, Max. 4. Durchschnittliche Kerngrösse 6,01 qu, Max. 18,50 qu, Min. 2,00 qu. Sowohl die Zahl für die Kernzahl wie die für die Kerngrösse, wie ‚die für das Maximum für die Kerngrösse sind also bei dem Chinesen deutlich grösser als bei den hier beschriebenen deutschen Muskeln. 286 P. Schiefferdecker: 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander, Querstreifung nur sehr schwach sichtbar, oft gar nicht, Längsstreifung etwas deutlicher. Die Muskelkerne sind langoval bis stäbchenförmig, es finden sich aber auch kurzovale. Kernreihen nur hin und wieder sichtbar. Wo die Querstreifung etwas deutlicher hervortritt, ist Ruhezustand erkennbar, an einzelnen Fasern sogar sehr deutlich. Durchschnittliche Kernlänge 12,49 u, Max. 16,31 u, Min. 6,99 u. Also auch die durchschnittliche Kernlänge ist bei dem Chinesen grösser als bei dem deutschen Muskel. Das Maximum und das Minimum stimmen allerdings mit den Zahlen für die deutschen Muskeln überein. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Galleja. In den breiteren Septen ist das faserige Bindegewebe schön blau gefärbt, in den schmaleren Septen ist es ungefärbt ge- blieben, ebenso in den poly- gonalen Lücken. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbungmit Fuchsin- Resorein. Elastische Fasern nur in den breiteren Septen, in den feineren und zwischen den Muskelfasern kein elas- tisches Gewebe. H. Masseter. Man- drill. Formol. (500 Fa- sern, 441 Kerne.) 1. Celloidin-Quer- Abb. 9. Masseter, Mandrill, Querschnitt. Vergr. 240. schnitte, Färbungmit Hämalaun-Eosin. Die Faserquerschnitte sind polygonal mit bald mehr scharfen, bald mehr abgerundeten Ecken. Sie liegen bald sehr eng aneinander, bald aber auch durch weitere Zwischenräume voneinander getrennt (Abb. 9), welche von einem im ganzen kernarmen Bindegewebe ausgefüllt werden. Hin und wieder finden sich auch mehr Kerne. Die Grösse der Faser- querschnitte ist bei weitem nicht so stark voneinander verschieden, als es bei den menschlichen Muskeln der Fall war, auch liegen die Fasern durchschnittlich enger aneinander; kurz, der ganze Eindruck des Bildes ist ein wesentlich anderer als bei dem menschlichen Bilde des Muskels. Auffallend ist es, dass an vielen Stellen sich zwischen mehreren Faser- querschnitten 3—4—5eckige helle Räume zeigen, die von Bindegewebe erfüllt sind, das meist ziemlich viele Kerne enthält. In einem Teile dieser hellen Räume liegen Venenlumina; es finden sich aber auch andere, welche solche nicht enthalten. Durch diese Räume wird das Bild ein e ganz eigenartiges. Auf der Abbildung tritt diese Anordnung nicht her- Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 287 vor. Die Muskelkerne liegen randständig, ihre Querschnittsform ist teils abgeplattet, teils etwas kürzer und dieker. Nur ganz selten findet sich ein binnenständiger Kern. Durchschnittliche Kernzahl in einem Quer- schnitt 0,88, Max.4. Durchschnittliche Kerngrösse 6,33 qu, Max. 18,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen im ganzen geradegestreckt, ziemlich dicht an- einander. Querstreifung zum Teil deutlich, Ruhezustand, zum Teil sehr undeutlich. Längsstreifung nur hin und wieder angedeutet. Die gut sefärbten Kerne sind stäbchenförmig, aber auch langoval und kurzoval bis fast kreisförmig. Sie zeigen zum Teil ein Kernkörperchen, zum Teil nur eine feine Körnung und liegen vielfach in kurzen Reihen. Durchschnittliche Kernlänge 14,16 «, Max. 18,64 «, Min. 11,65 u. Abb. 10. Masseter, Hund, Querschnitt. Vergr. 240. 3. Gelloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bindegewebe in den grösseren Septen ist deutlich blau gefärbt, zum Teil auch in den kleineren. In den Lücken und zwischen den Fasern ungefärbt. 4. Gelloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. Elastische Fasern finden sich nur in den Blutgefässen und in dem reichlicheren Bindegewebe, das dieselben umgibt. J. Masseter. Hund, männlich. Formol. (500 Fasern, 429 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin., Die Faserquerschnitte (Abb. 10) liegen durchschnittlich ziemlich dicht aneinander, noch dichter als bei dem Mandrill. Sie sind deutlich polygonal, mit teils scharfen, teils abgerundeten Ecken. Zwischen den Fasern sehr spärliches Bindegewebe mit mässig vielen Kernen. Das Bild weicht von dem der menschlichen Muskeln noch stärker ab, als es bei dem Mandrill der Fall war. Die Muskelkerne liegen randständig, nur selten binnenständig, und zeigen Querschnittsformen, die oval bis fast 288 P. Schiefferdecker: kreisförmig sind. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,85, Max. 4. Durchschnittliche Kerngrösse 11,74 qu, Max. 26,50 gu, Min. 4,50 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen schön geradegestreckt. (Querstreifung sehr deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung nur hin und wieder andeutungs- weise sichtbar. Die Muskelkerne sind stäbchenförmig, langoval und dicker bis fast kreisförmig. Im Innern deutlich feine Körnung und meist ein deutliches Kernkörperchen. Kernreihen fehlen. Durchschnitt- liche Kernlänge 12,25 u, Max. 18,64 u, Min. 6,99 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Färbung’ ist nicht gut gelungen, 4. Gelloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorecin. Abb. 11. Masseter, Katze, Querschnitt. Vergr. 240. Nur in den Gefässen und in dem reichlicheren Bindegewebe, das diese umgibt, sind elastische Fasern sichtbar. K. Masseter. Katze. Formol. (500 Fasern, 568 Kerne.) 1. Gelloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Das Bild (Abb. 11) ist sehr ähnlich dem des Hundes. Die Faser- querschnitte sind polygonal mit bald mehr scharfen, bald mehr ab- gerundeten Ecken und liegen verhältnismässig dicht aneinander, zwischen ihnen schmale Züge eines ziemlich kernreichen Bindegewebes. Die Faserquerschnitte sind hier bei der Katze wieder teilweise verschieden gross; doch ist das Bild ein wesentlich anderes als bei dem mensch- lichen Muskel. Die Muskelkerne liegen randständig, ihre Querschnitte sind oval bis kreisrund. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faser- querschnitte 1,14, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 6,08 qu, Max. 12,50 qu, Min. 3,00 qu. ES Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 289 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern laufen schön geradegestreckt. Querstreifung meist kaum sichtbar, wo sie deutlich ist, Kontraktionszustand oder auch Ruhe- zustand. Die Längsstreifung ist sehr deutlich und tritt auch an den Stellen der deutlichen Querstreifung klar hervor. Die gut gefärbten Muskelkerne sind langoval oder stäbchenförmig, zeigen im Innern feine Körnchen und vielfach zwei deutliche Kernkörperchen. Kernreihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 10,62 u, Max. 13,98 u, Min. 8,15 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach‘ Calleja. 5 A Sowohl in den breiteren wie in den feineren Septen deutlich blau gefärbtes Bindegewebe. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorcin. s Abb. 12. Masseter, Reh, Querschnitt. Vergr. 240. Elastische Fasern nur in den Gefässen und in dem diese um- gebenden reichlicheren Bindegewebe. L. Masseter. Reh. Formol. (500 Fasern, 471 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. En Die Faserquerschnitte sind polygonal mit meist gut abgerundeten Ecken und liegen meist ziemlich nahe beieinander, zwischen ihnen mässig kernreiches Bindegewebe (Abb. 12). Das Bild reiht sich ein in die bisherigen Tierbilder. Die Querschnitte der randständigen Muskel- kerne sind flachoval bis fast kreisförmig. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,94, Max. 4. Durchschnittliche Kerngrösse 7,31 qu, Max. 24,00 qu, Min. 2,00 qu. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Fasern gut gestreckt. Querstreifung meist deutlich, meist Ruhe- zustand, hin und wieder Kontraktionszustand. Die gut gefärbten Kerne 290 P. Schiefferdecker: sind meist lang und schmal, doch finden sich auch breitere Formen bis zu fast kreisförmigen. Kernreihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 9,99 «u, Max. 13,98 u, Min. 6,99 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte Färbung, nach Calleja. Die grösseren Septa schön blau gefärbt, die kleinen hell. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. Elastische Fasern nur in den grösseren Septen, im wesentlichen in den Blutgefässen und in der Umgebung dieser. M. Masseter. Hasenkaninchen. Formol. (500 Fasern, 467 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Faserguerschnitte sind polygonal (Abb. 13 und 14) mit meist gut abgerundeten Ecken. Sie liegen teilweise eng aneinander, teilweise aber auch durch etwas breitere Bindegewebszüge mit ziemlich zahlreichen Kernen weiter voneinander getrennt. Für einen tierischen Muskel ent- hält dieser ziemlich viel Bindegewebe, aber immer noch deutlich weniger als die menschlichen Muskeln. Die Faserquerschnitte sind in bezug auf ihre Grösse mässig stark verschieden, aber nicht in dem Grade, wie es bei den menschlichen Muskeln der Fall war. In Abb. 13 ist eine Stelle abgebildet, an der ein paar sehr grosse Fasern zusammen mit kleineren liegen. Dieses Bild erinnert etwas an die menschlichen Muskeln, zeigt aber doch noch nicht denselben Typus, und war ausser- dem die einzige so beschaffene Stelle auf dem Präparate. In Abb. 14 sieht man in der Mitte den Querschnitt einer Muskelspindel mit vier kleinen Muskelfaserquerschnitten innerhalb einer Bindegewebskapsel. Die Muskelkerne sind randständig, ihre Querschnitte sind meist stark abgeplattet, hin und wieder etwas breiter, manchmal fast kreisförmig. Binnenständige Kerne nur sehr selten. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,93, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 5,02 qu, Max. 13,50 qu, Min. 2,00 u. ’ 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. - Muskelfasern leicht geschlängelt. Querstreifung im ganzen undeut- lich, Ruhezustand, hin und wieder schwache Längsstreifung. Die dunkel- gefärbten Kerne ziemlich lang und schmal, mitunter auch sehr flach und x durchsichtig mit feiner Körnung. Kernkörperchen nicht sichtbar. Kern- reihen fehlen. Durchschnittliche Kernlänge 11,28 u, Max. 18,64 u, Min. 6,99 u. i 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Nur in den breiten Bindegewebssepten Blaufärbung. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorecin., Elastische Fasern nur in den grösseren Septen, in den Blutgefässen und in der Umgebung derselben. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 291 N. Masseter. Eichhörnchen. Formol. (500 Fasern, 356 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun-Eosin. Die verhältnismässig kleinen Faserquerschnitte (Abb. 15) sind polygonal mit abgerundeten Ecken, liegen teilweise dicht aneinander, ee an) ae ann. al Sn babe San a lan ba Fa a = Br EEE Wan Abb. 13. Masseter, Hasenka- Abb. 14. Masseter, Hasenkaninchen, Querschnitt; ninchen, Querschnitt; einzige etwa in der Mitte des Präparates der Querschnitt Stelle im Präparate, an dersich einer Muskelspindel. Vergr. 240. eine besonders grosse Muskel- faser findet. Vergr. 240. Hasenkaninchens und eventuell auch an das des Mandrills. Von den die Fleischfresser gefundenen Bildern weicht es ebenso wie das des _ Pflüger’s Archiv für Physiologie. +Bd. 173. 20 292 P. Schiefferdecker: Hasenkaninchens beträchtlich ab, aber auch von dem des Relhes ist es noch deutlich verschieden. Die Muskelkerne liegen randständig und zeigen Querschnittsformen, die teilweise recht flach und lang sind, viel- fach aber auch kürzer und breiter. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,72, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 9,31 qu, Max. 23,50 qu, Min. 4,00 que. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun-Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander und zeigen eine sehr deutliche Querstreifung, Ruhezustand, Längsstreifung nur hin und wieder angedeutet. Die gut gefärbten Kerne sind meist lang bis stäbehenförmig, doch finden sich auch ovale Formen bis zu fast kreis- förmigen. Vielfach tritt ein Kernkörperchen deutlich hervor, ausserdem eine feine Körnung. Kernreihen fehlen fast ganz, hin und wieder ganz + (1 a N Abb. 16. Pterygoideus internus, Mann A, Querschnitt. Vergr. 240. kurze Reihen von mehr ovalen bis rundlichen Kernen. Durchschnitt- liche Länge 11,93 «, Max. 16,31 u, Min. 8,16 u R.. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Die Färbung ist nicht gut gelungen. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein, Elastische Fasern nur in den grösseren Septen, in den Gefässen und deren Umgebung. $ 0. Pterygoideus internus. Mann A. Alkohol. (500 Fasern, 697 Kerne.) * 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun-Eosin, Dieser Muskel zeigt wieder ein ganz ähnliches Bild wie der Mas- seter desselben Mannes und damit die menschlichen Masseteren über- haupt (Abb. 16), also polygonale Fasern mit meist gut abgerundeten Ecken, Faserquerschnitte von recht verschiedener Grösse bunt durch- ins ER Chr N) EEPLEEN 5 EHRE: Ber, Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 293 einander gelagert. Fasern teilweise dicht aneinanderliegend, meist aber durch breitere Bindegewebszüge voneinander getrennt. Binde- gewebe ziemlich kernreich. Die Muskelkerne randständig, die Quer- schnittsform derselben meist kurzoval bis kreisförmig. Öfters finden sich zwischen den Faserquerschnitten auch grössere, hellere, mit Binde- gewebe ausgefüllte Lücken, welche erinnern an das Bild des Masseters bei dem Mandrill; doch sind die sonstigen Bindegewebszüge zwischen den Faserquerschnitten hier beim Menschen so breit, dass infolgedessen diese polygonalen Räume nicht so scharf hervortreten. Auch unter- scheiden sie sich dadurch von denen des Mandrills, dass man nicht so häufig Venenlumina in ihnen liegen sieht; sie sind fast immer im wesentlichen von Bindegewebe erfüllt. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 1,39, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 4,95 qu, Max. 11,00 qu, Min. 2,00 que. 2. Celloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. - Die Fasern liegen schön geradegestreckt nebeneinander. Quer- streifung meist recht deutlich, Ruhezustand. Längsstreifung nur hin und wieder deutlich. Muskelkerne stäbchenförmig oder langoval, hin und wieder auch kürzere und dickere Formen, besonders in den ziemlich zahlreichen Kernreihen, die oft auch recht lang sind. In den Kernen feine Körnung, hin und wieder ein Kernkörperchen, dann meist in den kürzeren, fast runden Formen. Durchschnittliche Kernlänge 11,90 u, Max. 16,00 u, Min. 8,00 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. Das Bindegewebe in den grösseren, teilweise auch in den kleineren Septen deutlich blau. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin- een Die grösseren und die kleineren Septen enthalten ziemlich viele elastische Fasern; auch zwischen den Muskelfasern selbst liegen zahl- reiche elastische Fasern, die mit Nebenästen die Muskelfasern mehr oder weniger weit umfassen. Dieser Muskel unterscheidet sich also von dem Masseter desselben Mannes und ebenso von den übrigen Masseteren sehr wesentlich durch seinen Reichtum an elastischen Fasern. P. Temporalis. Frau J. Alkohol. (500 Lagen, 197 Kerne.) 1. Gelloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. - Die Faserquerschnitte sind polygonal mit sehr stark abgerundeten Ecken bis fast kreisförmig. Vergleicht man das Bild dieses mr (Abb. 17) mit dem Bilde des Masseters derselben Frau (Abb. 7), erkennt man leicht, dass eine grosse Ähnlichkeit zwischen beiden ber steht: auch hier sind wieder Fasern von sehr verschiedener Dicke bunt durcheinandergelagert, auch hier liegt wieder verhältnismässig viel Bindegewebe zwischen den stark abgerundeten Faserquerschnitten. Alle drei menschlichen. Kaumuskeln, die hier untersucht sind, zeigen also dasselbe eigenartige Bild. Auffallend bei dem T'emporalis ist noch, dass 20 * 294 P. Schiefferdecker: die mittelgrossen Fasern hier verhältnismässig selten sind, dass also der Hauptsache nach grosse und kleine Fasern unvermittelt durcheinander- liegen. Das Bindegewebe zwischen den Muskelfasern enthält mässig viele Kerne. Auch dieser Muskel ist, wie die anderen bisher beschriebenen menschlichen Muskeln, als reich an Bindege- webe zu bezeichnen. Die Muskelkerne liegen randständig, ihre Quer- schnittsformistmeistkurz- oder - langoval bis fast kreisförmig. Durchschnitt- liche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,39, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 4,91 qu, Max. 10,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Celloidin- Längsschnitte,Fär- : bungmitHämalaun- Abb. 17. Temporalis, Frau J, Querschnitt. Eo SuH - N Vergr. 240. Die Muskelfasernlie- gen geradegestreckt ne- beneinander. Die Querstreifung ist durchschnittlich sehr fein. Ruhezustand und Kontraktionszustand. Längsstreifung hin und wieder angedeutet. Die Muskelkerne sind langoval bis kreisförmig, hin und wieder auch stäbchen- Abb. 18. Temporalis, Hund, Querschnitt. Vergr. 240. förmig. Sie sind sehr dunkelgefärbt und lassen infolgedessen in ihrem Inneren nichts erkennen. Kernreihen vorhanden, aber selten. ‘Durch- schnittliche Kernlänge 8,78 u, Max. 13,98 u, Min. 4,66 u. 3. Celloidin- Quer- und Längsschnitte, Färbung nach. Calleja. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. ' 295 Das Bindegewebe in den grösseren Septen ist blau gefärbt, in den feineren und zwischen den Fasern ungefärbt. 4. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. Elastische Fasern nur in den grösseren Septen in der Umgebung der .Blutgefässe und in diesen selbst. : Q. Temporalis. Hund. Alkohol. (500 Fasern, 593 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Muskelfaserquerschnitte (Abb. 18) sind deutlich polygonal mit vielfach scharfen, hin und wieder auch mehr abgerundeten Ecken. Sie liegen teilweise sehr dicht aneinander; mitunter sind die Bindegewebs- züge zwischen ihnen aber auch etwas breiter, im ganzen aber doch sehr schmal. Der Muskel ist sehr arm an Bindegewebe, ganz im Gegensatze zu dem eben beschriebenen menschlichen Muskel. Die Faserquerschnitte zeigen im wesentlichen nur kleine Grössenunterschiede. Die Muskel- kerne sind randständig, ihre Querschnittsform ist meist kurzoval bis fast kreisrund, mitunter sind sie auch etwas plattgedrückt. Die Muskel- fibrillen treten sehr schön hervor; auffallend ist, dass einige wenige Querschnitte dickere Fibrillen besitzen als die meisten anderen. Die beiden Arten unterscheiden sich dadurch scharf. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 1,19, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 6,09 qu, Max. 13,50 qu, Min. 2,00 qu. 2. Gelloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Muskelfasern liegen schön gestreckt nebeneinander. Quer- streifung sehr deutlich, Ruhezustand und Kontraktionszustand durch- einander. Längsstreifung fast nirgends sichtbar. Auf dem Längsschnitte tritt das Bindegewebe zwischen den Fasern deutlich hervor; es ist zart _ und enthält mässig viele, langgestreckte Kerne. Die Muskelkerne sind meist oval mit einem Kernkörperchen und feiner Granulierung. Kern- reihen nicht sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 10,25 u, Max. 13,98 u, Min. 6,99 u. ® 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung nach Calleja. In den grösseren Septen ist das Bindegewebe deutlich blau gefärbt, in den kleineren und zwischen den Fasern hell; es ist überhaupt wenig Bindegewebe vorhanden. : 4. GCelloidin-Quer- und Längsschnitte, Färbung mit Fuchsin-Resorein. Auch hier wieder elastische Fasern nur in den grösseren Septen in der Umgebung der Blutgefässe und in diesen selbst. R. Temporalis. Eichhörnchen. Formol. (500 Fasern, 465 Kerne.) 1. Celloidin-Querschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. : Die Muskelfaserquerschnitte (Abb. 19) sind polygonal mit teilweise scharfen, vielfach aber mehr abgerundeten Ecken. Zwischen ihnen liegt mässig viel Bindegewebe, mehr wie beim Hunde, mit mässig vielen Kernen. Die Muskelkerne liegen randständig, ihre Querschnittsform ist 296 P. Schiefferdecker: oval bis fast kreisförmig. Die Faserquerschnitte sind durchschnittlich in ihrer Grösse nur wenig verschieden, hin und wieder liegen einige kleinere zwischen ihnen. Das Bild erinnert im ganzen sehr an das Bild des Masseters von demselben Tiere. Durchschnittliche Kernzahl in einem Faserquerschnitte 0,93, Max. 3. Durchschnittliche Kerngrösse 4,63 qu, Max. 9,00 qu, Min. 2,50 qu. 2. Gelloidin-Längsschnitte, Färbung mit Hämalaun- Eosin. Die Fasern liegen gut gestreckt nebeneinander. Querstreifung fehlt fast gänzlich, nur hin und wieder ist sie leicht angedeutet. Längs- streifung meist deutlich, aber im ganzen auch zart. Wo Querstreifung sichtbar ist, Ruhezustand. Muskelkerne oval bis fast kreisförmig. Keine Kernreihen. Im Inneren der Kerne ist eine feine Körnung und mitunter auch ein Kernkörperchen sichtbar. Durchschnittliche Kernlänge 10,27 u, Max. 13,98 u, Min. 6,99 u. 3. Celloidin-Quer- und Längsschnitte, FärbungnachCalleja. In den grösseren Sep- ten blaues Bindegewebe, in den kleineren und zwischen den Fasern keine Blau- färbung. Der Muskel ist mässig reich an Binde- sewebe. en re 4. Gelloidin-Quer- Abb. 19. Temporalis, Eichhörnchen, Querschnitt. und Längsschnitte, Vergr. 240. Färbung mitFuchsin- Resorecin. Elastische Fasern nur in den grösseren Septen, in der Umgebung der Gefässe und in diesen selbst. Ich will hier zunächst eine Zusammenfassung und Be- sprechung der Resultate geben, welche sich aus der Be- schreibung der mikroskopischen Bilder ergeben. 1. Was bei den Kaumuskeln zunächst und am auffallendsten hervortritt, ist die grosse Verschiedenheit, die zwischen den menschlichen und den tierischen Muskeln besteht. Es finden sich da zwei Arten von Unterschieden: einmal sind die menschlichen Muskeln reicher an Bindegewebe, und zweitens enthalten sie Muskelfasern von sehr wechselnder Grösse, bunt durcheinandergemischt, während die Bilder der Tiermuskeln weit einheitlicher er- scheinen. ee Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw, 297 a) Ich habe bei meinen bisherigen Arbeiten zwei Muskeln ge- funden, bei welchen Fasern von auffallend verschiedener Dicke hervortraten, den Sartorius des Hundes und das. menschliche Zwerch- fell. Was das letztere anlangt, so konnte ich auch bei einem Hunde eine entsprechende Verschiedenheit nachweisen; doch sind weitere Tiere daraufhin noch nicht untersucht worden. Bei dem Sartorius des Hundes, den ich in meiner ersten Muskel- arbeit!) beschrieben habe, zeigte es sich, dass in dem Querschnitte eines jeden Muskelbündels eine, mitunter aber auch zwei auffallend grosse Faserquerschnitte vorhanden waren, die sick von den übrigen weit kleineren Fasern des Bündels klar abhoben. Sie lagen einfach mitten zwischen den gewöhnlichen Fasern des Bündels. Beim Zwerchfelle ?) fanden sich hin und wieder sehr grosse Faser- querschnitte, die von verhältnismässig kleinen Faserquerschnitten eng umgeben waren. Diese kleineren Fasern waren dabei kleiner, als es - sonst im Durchschnitte der Fall war. Die grossen Faserquerschnitte zeisten dabei sehr stark abgerundete Ecken, waren mitunter fast kreisförmige, während die kleinen mehr polygonale Formen mit oft recht ausgeprägten Ecken aufwiesen. "Ich habe in meiner Zwerchfell- arbeit Skizzen von diesen eigenartigen Verhältnissen gegeben. Ich habe damals aber auch hervorgehoben, dass dieser eigenartige Bau durchaus nicht in allen Bündeln auftrat, sondern immer nur an einigen. Es war das ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Verhalten des Sartorius des Hundes, bei dem die dieken Fasern mit grosser Regelmässiskeit in den Bündeln anftraten. Bei den menschlichen Kaumuskeln sind die Verhältnisse nun wieder andere. Wie die Bilder leicht erkennen lassen, liegen hier Fasern von sehr verschiedener Dicke ganz bunt durch- einandergemischt, oft ganz dünne neben ganz dicken; 1). Schiefferdecker, Paul, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen Muskelbaues.. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 25 H! 1—4 S. 1—345. 1903. Mit 15 Taf. 2) Schiefferdecker, Paul, Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse des Zwerchfelles in Beziehung zu seiner Funktion sowie über das Bindegewebe der Muskeln. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 139 S. 337—427. 1911. Mit 7 Textabb. u. 4 Fahnentab. 298 P. Schiefferdecker: aber auch alle möglichen Übergangsgrössen treten auf. Es ist ein Bild, wie ich es bisher noch nie bei einem Muskel gesehen habe. Dass dieser Bau in der Tat charakte- ristisch für diese Muskeln ist, geht auch daraus hervor, dass er sich embryonal in seiner allmählichen Entwicklung nachweisen lässt. Wie die hier gegebenen Abbildungen erkennen lassen, sind die Grössen- unterschiede bei dem fünfmonatigen Embryo schon angedeutet; sie treten aber in den späteren Entwicklungsstadien deutlicher hervor, bei dem Neugeborenen schon sehr gut erkennbar. Es handelt sich also um eine spezifische Differenzierung des Muskels, die sich all- mählich immer stärker ausbildet. Eine sehr merkwürdige Beobachtung hat vor einigen Jahren Policard (1913) mitgeteilt. B Er fand, dass im Tensor tympani des Hundes zwei Arten von Muskelfasern durcheinandergemischt vorkommen, die sich durch ihre Grösse sehr scharf unterscheiden. Die dicken Fasern haben einen drei- bis viermal grösseren Durchmesser als die dünnen. Zwischen den Fasern liegt reichliches Bindegewebe mit vielen Nerven und Gefässen. Die dicken Muskelfasern haben einen Durchmesser von etwa 35 u. Die feinen Fasern sind etwas weniger zahlreich als die dicken, etwa 22—25:50; sie sind regelmässig zylindrisch, haben einen Durchmesser von etwa 9—10 u und besitzen überall im Muskel dieselbe Dicke. Ihre grossen Kerne haben fast den Durchmesser der Muskelfasern und liegen an der’ Peripherie, und zwar in einer kleinen Sarkoplasmamasse, die über die Fasern vorspringt. Verlauf und Länge der dünnen Fasern entsprechen genau dem der dicken. Die absolut gleiche Dicke dieser dünnen Fasern beweist, dass es sich nicht um junge Fasern handelt; es sind erwachsene, aber spezifisch differenzierte Fasern für eine be- stimmte Funktion, die eine andere ist wie die der dicken Fasern. Die Nerven zu diesen verschiedenen Faserarten scheinen von verschiedenen Nervenbündeln herzukommen. Auch die Art der Nervenendigung ist nach Verfasser bei den beiden Muskelarten verschieden. Policard hat. sich die Frage vorgelegt, ob diese feinen Muskelfasern nicht als eigen- artig gebildete Muskelspindeln anzusehen sind; er muss diese Frage aber offen lassen. Es würde sich gegebenenfalls um einen Typus von Muskel- spindeln handeln, der ganz eigenartig ist, verschieden von allem, was man bis jetzt von solchen bei Säugetieren kennt. Er nimmt aber jeden- falls an, dass die beiden so scharf morphologisch geschiedenen Muskel- elemente auch ganz verschiedenen Funktionen vorstehen. - Die von Policard gegebenen Bilder lassen das Beschriebene sehr deutlich erkennen, zeigen aber auch deutlich, dass es sich hier um ganz andere Verhältnisse handelt als bei den Kaumuskeln. Die dicken Fasern sind, nach der Zeichnung zu urteilen, untereinander N “ Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 299 nur verhältnismässig wenig an Grösse verschieden, die dünnen Fasern heben sich durch ihre Grösse auf den Querschnitten sehr deutlich von den dieken ab und zeigen untereinander wieder nur geringe Grössen- verschiedenheiten. Seiner Abstammung nach hängt der Tensor tympani eng mit den Kaumuskeln zusammen. Als ich seinerzeit die Arbeit von Policard las, dachte ich daher sofort daran, dass dieser eigentümliche Bau des Muskels mit einem eventuell zu findenden ähnlichen der Kaumuskeln zu- sammenhängen könne. Nach meinen jetzigen Erfahrungen glaube ich aber nicht, dass das für meine Befunde der Fall ist. Der Masseter des Hundes zeigt nichts von einer irgendwie charakteristisch hervor- _ tretenden Verschiedenheit der Muskelfasern. Der von Policard untersuchte Tensor tympani gehörte aber dem Hunde an. Nun hängt der Tensor tympani allerdings nicht mit dem Masseter zusammen, sondern mit dem Pterygoideus internus, wie Bonnet (11, S. 296) kurz bemerkt. Es ist ja denkbar, dass der Pterygoideus des Hundes einen anderen Bau besitzt wie der Masseter; ich habe ihn nicht unter- suchen können. Ich habe aber bei Menschen die beiden Muskeln miteinander verglichen und habe gefunden, dass ihr Bau überein- stimmte, was ja auch an sich wahrscheinlich war, da ihre Funktion nur sehr wenig verschieden sein kann. Einen menschlichen Tensor tympani zu untersuchen, habe ich bisher keine Gelegenheit gehabt. Es scheint mir aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden zu sein, dass dieser eigentümliche Bau des Tensor als eine spezifische Eigentümlichkeit anzusehen ist, welche auf seine besondere Funktion zurückzuführen ist. Nach Lubosch (1914)!) würde übrigens der Tensor nicht ganz so enge mit dem Pterygoideus internus zusammenhängen. Bei seinen vergleichenden Untersuchungen über die Kaumuskeln der Wirbeltiere macht er auf S. 182 und 183 die folgenden Mitteilungen. Es liefert nach ihm 1. der M. mandibularis externus den M. detrahens mandi- bulae der Monotremen. Bei höheren Säugetieren sind Reste des Muskels bis jetzt nicht nachgewiesen; 2. der M. cranio-mandibularis a) mit seinen oberen Schichten den Masseter und obere Portionen des Temporalis; 1) Lubosch, W., Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere, in 5 Teilen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. 53 S. 51—188. 1914. Mit 5 Taf. u. 18 Abb. i. Text. 300 P. Schiefferdecker: b) mit tiefen Schichten das Caput anterius des Temporalis und den Pterygoideus externus; 3. der M. pterygoideus anterior den M. pterygoideus internus (fehlt bei den Monotremen); Ä 4, der M.pterygoideus posterior s. levator partis articularis cartilag. Meckeli keine als Kaumuskeln wirksame Elemente, wahr- scheinlich den M. tensor tympani und den M. pterygospinosus. Lubosch hebt dann noch hervor, dass die Tatsache, dass der Pterygoideus internus den Monotremen fehlt, für die tiefe und höchst einseitig verschobene Stellung dieser Tiere bedeutsam ist. Es würde ja nach dem eben Ge- sagten auch interessant sein, zu untersuchen, ob die Monotremen einen Tensor tympani besitzen und wie sich dieser Muskel in seinem feineren Aufbaue verhält. Wenn dieser Muskel nicht direkt von dem Ptery- soideus internus abstammt, so könnte er ja bei den Monotremen sehr wohl vorhanden sein. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass er auch bei einer Abstammung von dem Pterygoideus internus vorhanden sein könnte, wenn er als Rest der Anlage dieses Muskels übriggeblieben ist. Auf die weiteren sehr interessanten Ausführungen von Lubosch will ich hier nicht weiter eingehen. Sie haben mit der vorliegenden Arbeit zu wenig zu tun. Wir werden diesen eigenartigen Bau der mensch- lichen Kaumuskeln gegenüber denen der Tiere, ein- begriffen den des Mandrills, als eine spezifische Differenzierung infolge ihrer Funktion anzusehen haben, unabhängig von ihrer Abstammung. Denn dieser Bau ist beiMasseter, Pterygoideus internus und Temporalis derselbe, obgleich sie von verschiedenen Muskeln ab- stammen; allerdings ist er bei dem Masseter am stärksten aus- geprägt. Leider fehlt mir der Pterygoideus externus. Es würde sehr interessant sein, zu untersuchen, ob dieser Muskel, bei seiner ganz abweichenden Funktion, sich von den übrigen Muskeln in seinem Baue unterscheidet; wahrscheinlich ist das ja. Ist die Annahme richtig, dass dieser eieentümliche Bau der ä menschlichen Kaumuskeln auf ihre Funktion zurückzuführen ist, so folgt daraus zunächst, dass die menschliche Art zu kauen wesentlich verschieden sein muss von der der Tiere. Wir werden weiter unten sehen, dass noch nach einer anderen Rich- tung hin ein noch weit stärkerer Unterschied vorhanden ist. Dass das der Fall ist, ist ja bis zu einem gewissen Grade auch schon bekannt und auch aus dem Knochenbaue zu erschliessen. Der Muskelbau würde eine weitere Bestätigung dafür liefern. Aber auch die Tiere weichen in dem Aufbaue des Masseters, welchen Muskel ich ja im Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 301 wesentlichsten bisher von ihnen untersucht habe, etwas voneinander ab, wenn auch nicht so stark wie der Mensch von ihnen. So sind die Muskeln der beiden Fleischfresser, Hund und Katze, einander sehr ähnlich und weichen in ihrem Baue deutlich ab von denen der beiden Nager, Hasenkaninchen und Eichhörnchen, die einander wieder recht ähnlich sind. Von diesen Tieren weicht wieder ab der Mandrill und auch das Reh. Man müsste eine weit grössere Reihe von Tieren auf diese Verhältnisse hin untersuchen, um sichere und klarere Ergebnisse zu erhalten. Hier möge es zunächst genügen, darauf hingewiesen zu haben. b) Eine wesentliche Rolle bei diesen Ähnlichkeiten und Ver- schiedenheiten der Kaumuskeln der verschiedenen Tiere spielt neben der Form und Grösse der Muskelfaserquerschnitte das Binde- gsewebe, das zwischen den Muskelfaserquerschnitten liegt. Seine Menge ist verschieden wie sein Kernreichtum. Ich will zuerst auf die erstere eingehen. Bei den menschlichen Muskeln ist die Menge des Bindegewebes ganz ungewöhnlich gross, nicht nur im Vergleiche zu den Kaumuskeln der übrigen Tiere, sondern auch im Vergleiche zu sonstigen menschlichen Skelettmuskeln. Nun ist das Mengen- verhältnis zwischen Bindegewebe und Muskelgewebe aber keineswegs unwichtig. In meiner ersten Muskelarbeit (1903)!) habe ich durch Untersuchung über die Aktivitätshypertrophie des Sartorius des Hundes und die Atrophie beim Menschen nachweisen können, dass das Binde- sewebe des Muskels in einem bestimmten Mengenverhältnisse zu dem Muskelgewebe steht, und habe hieraus auf eine „Symbiose“ des Muskelgewebes und Bindegewebes geschlossen. Ich kam damals, fussend auf dieser Beobachtung, und bei Berücksichtigung noch weiterer Tatsachen, zu der Anschauung dass zwischen den ver- schiedenen Geweben des Körpers weit eher eine „Symbiose“, ein friedliches und gemeinsames Zusammenarbeiten zum Nutzen aller Teile, anzunehmen sei als ein „Kampf der Gewebe“. Ich habe diese Anschauung auch bis jetzt beibehalten und möchte auch jetzt an- nehmen, dass unter normalen Verhältnissen ein solches friedliches Zusammenwirken, zum Nutzen der einzelnen Organe und des ganzen Körpers, sowohl zwischen den Geweben der einzelnen Organe wie zwischen den einzelnen Organen selbst vorhanden ist, und dass man )a.a.0. 3023 P. Schiefferdecker: vollkommen berechtiet ist, von einer „Symbiose“ zu sprechen. Keibel (1914) !) ist in seiner sehr interessanten Mitteilung über die Ver- änderung des M. complexus der Vögel zur Zeit des Ausschlüpfens zu einem ganz ähnlichen Ergebnisse gekommen. Es sagt (9, S. 84): „Das Verhalten des Muskelgewebes zum Bindegewebe im Musculus complexus der Vögel vor, während und nach dem Ausschlüpfen spricht für die Annahme, dass die Menge und, man kann wohl,.hinzufügen, das Verhalten des Bindegewebes zur Menge und dem Verhalten des Muskel- gewebes in einem ganz bestimmten Verhältnis steht. So kann man hier mit Schiefferdecker, der durch die etwas anders liegenden Ver- hältnisse der Aktivitätshypertrophie und der einfachen Atrophie zu dieser Annahme geführt wurde, von einer „Symbiose“ des’ Bindegewebes mit dem Muskelgewebe sprechen. In der Tat ist ja — das muss den beliebten Schlagworten vom Kampf der Teile, der Gewebe, der Zellen, der Chromosomen, der Iden im Organismus gegenüber immerhin betont werden — im gesunden Körper offensichtlich eine Symbiose seiner Teile, Gewebe usw. vorhanden, und nur von ganz besonderen Gesichtspunkten aus lassen sich die kriegerischen Bilder anwenden.“ Ich habe seinerzeit mich dahin ausgesprochen, dass ein gewisser Wettstreit, ein gewisser Kampf unter normalen Verhältnissen nur zwischen gleichartigen Elementen anzunehmen sei, also zwischen den Zellen ein und desselben Gewebes, nicht aber zwischen den Zellen verschiedener Gewebe. Auch in meiner vor kurzem erschienenen vorläufigen Mitteilung ?) über die Ergebnisse meiner umfangreichen Hautdrüsenarbeit habe ich wieder angeben können, „ass das Bindegewebe an den apokrinen Drüsen sich etwas anders verhält als an den ekkrinen, und habe dabei auch wieder auf die Wichtigkeit des verschiedenen Verhaltens des Bindegewebes in bezug auf das Leben der verschiedenen Organe auf- merksam gemacht. Aus dem Gesagten folgt, dass man bei den Kaumuskeln wohl mit Sicherheit annehmen darf, dass der Bau der menschlichen Muskeln und ihr Stoffwechsel und damit «“ 1) Keibel, Franz, Über die Veränderung des M. complexus der Vögel zur : Zeit des Ausschlüpfens. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. Bd. 18 S. 73—84. 1914. Mit 5 Abb. im Text. ’ 2) Schiefferdecker, Paul, Die Hautdrüsen des Menschen und der Säuge- tiere, ihre biologische ‚und rassenanatomische Bedeutung sowie die Muscularis sexualis. (Vorläufige Mitteilung.) Biolog. Zentralblatt Bd. 37 Nr. 11 S. 534—562, ausgegeben am 30. Nov. 1917. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 303 auch ihre Funktionen andere sindalsdiederhier unter- suchten tierischen Muskeln, und dass auch zwischen diesen wieder ähnliche, .wvenn auch bei weitem nicht so grosse, Unterschiede vorhanden Sind, wie ich das sehon oben hervorgehoben habe, Nun ist aber nieht nur die Menge des Bindegewebes im Ver- hältnisse zu dem Muskelgewebe, sondern auch seine Anordnung zu beachten, welche sich wieder richtet nach dem ganzen Aufbaue eines Muskels: nach der Form und Zusammenlagerung seiner Bündel: Ich habe zuerst in meiner zweiten Muskelarbeit (2, Kap. VIII, S. 268 bis 279) auf die Bedeutung dieser Anordnung des Bindegewebes im Muskel als eines Zeichens seines Aufbaues aufmerksam gemacht und damals eine Anzahl von Abbildungen für die gefundenen Verhältnisse gegeben. Weiter habe ich dann in meiner Arbeit über die Muskeln der Vögel (6, S. 499-505) für diese Vogelmuskeln entsprechende Abbildungen gegeben. In der ersteren Arbeit war ich zu dem Er- gebnisse gekommen, dass die damals untersuchten Muskeln eine für jeden Muskel spezifische Anordnung des Bindegewebes erkennen liessen. Auch grössere Gruppen von Muskeln. so die roten uud weissen Kaninchenmuskeln, zeigten eine für jede Gruppe spezifische Anordnung. Innerhalb dieses Rahmens traten dann wieder Verschiedenheiten bei den einzelnen Muskeln jeder Gruppe hervor. Innerhalb des Rahmens - der charakteristischen Beschaffenheit des Bindegewebes bei einem bestimmten Muskel zeigten sich wieder individuelle Verschiedenheiten. Die in der damaligen Arbeit besprochenen menschlichen Muskeln, - Biceps brachii, Deltoides, Pectoralis major, Serratus anterior, Levator - palpebrae superioris, Rectus oculi superior, entsprachen in ihrer Binde- gewebsanordnung mehr den roten Kaninchenmuskeln als den weissen. Es zeigte sich weiter, dass bei den menschlichen Augenmuskeln eine - weitergehende Differenzierung des roten Muskels nach einer bestimmten _ Riehtung hin vorhanden war. Diese spezifische Anordnung des Binde- - gewebes trat schon in frühen Stadien ‘der Entwicklung hervor. Es - war also zweifellos eine spezifische Anlage eines jeden Muskels „ererbt“ gegeben. Zu ganz entsprechenden Ergebnissen kam ich bei den - Vogelmuskeln. Auch hier zeigte es sich, dass das Bindegewebsgerüst eines jeden Muskels seinen spezifischen Bau besass. Es liessen sich ; Typen ‚auffinden, zu denen eine Anzahl von Muskeln gehörten, und es liessen sick von solchen Typen Muskelreihen ableiten, in denen die 304 P. Schiefferdecker: die Verschiedenheit bedingenden charakteristischen Merkmale in immer stärkerem Maasse ausgeprägt waren. Sehr interessant war weiter, dass der Pectoralis major des Sperlings und des Grünfinks, ausgeprägt rote Muskeln, der Gerüstanordnung der roten Kaninchenmuskeln und damit vor allem auch des menschlichen Deltoides entsprachen. Sehr ‚wichtig war es weiter, dass der „weisse“ Pectoralis major des Huhnes- ebenfalls genau denselben Bau -wie die roten Muskeln des Sperlings und Grünfinks aufwies, wohl sicher aus der Zeit her, wo er noch nicht „weiss“ geworden war, und dass der Pectoralis minor sich ihm in dieser Beziehung anschloss. Entsprechend jenen früheren Abbildungen habe ich nun auch bei dieser Arbeit wieder eine Anzahl von Bildern der.hier untersuchten Muskeln herstellen lassen, auf denen nur das Bindegewebsgerüst in Form von schwarzen Linien wiedergegeben worden ist. Vergleicht man die Abb. 23, 24, 25 und 26, die von Masseteren erwachsener Menschen herrühren, untereinander, so erkennt man leicht die: Über- einstimmung dieser Bilder. Sie alle zeigen den Typus des roten Muskels und haben eine ausgesprochene Ähnlichkeit mit den Bildern von dem Deltoides des Menschen, sind also hiernach zweifellos als rote Muskeln anzusprechen, wie ja wohl die Skelettmuskeln des Menschen im allgemeinen. Von den Kaumuskeln ist ihre rote Farbe schon bekannt. Vergleicht man diese Bilder mit den Abb. 20, 21 und 22, so erkennt man leicht, dass dieser Typus schon bei dem fünf- monatigen Embryo erkennbar ist, dass er aber dann über den sechs- bis siebenmonatigen bis zum Neugeborenen hin immer deutlicher hervor- tritt. Also auch hier dasselbe wie bei dem Deltoides des Menschen ° in meiner zweiten Muskelarbeit!): eine spezifische Anlage, die schon ganz früh hervortritt. Vergleicht man mit diesen menschlichen Bildern die der Tiere, so zeigt sich, dass auch diese dem roten Typus an- gehören. Mandrill und Hund sind dem Menschen noch sehr ähnlich (Abb. 27 und 28), Katze, Reh, Hasenkaninchen und Eichhörnchen (Abb. 29, 30, 31, 32) weichen von den Bildern der erwachsenen Menschen ab, entsprechen aber den Bildern der menschlichen Jugend- stadien, den Bildern der beiden Embryonen, eventuell noch des Neu- geborenen. Sie zeigen also denselben Typus, aber nicht in der vollen ” 1) Schiefferdecker, Paul, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1909. 305 Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. Untersuchung einer an ©. Ders 2.2 = 38 o on on 2 Eu o 2 Ds 7 Be Dm Mm am 5 un an ze i=| es) SE ns Bi = « + a be , en est] =} =E >» Eh EEE EIS) wo. - za vv... Am Erle Fo [72] 11 Pai:b} s3 os Kar 2 So >R- {5 Abb. 21. Massete 6—7 Monat Vergr. 29. gewebsgerüst. rt, Embryo, e, Querschnitt, Binde- Abb. 23. Masseter, Mann A, Querschnitt, Binde- t. Vergr. 25. gewebsgerüs 306 P. Schiefferdecker: Entwicklung, sondern in einem Werdestadium. Hasenkaninchen „und Eichhörnchen (Abb. 31, 32) lassen dabei noch Besonderheiten er- kennen, die auf eine sich abspaltende Reihe hindeuten. Der Ptery- goideus internus des Menschen (Abb. 33) entspricht wieder dem Typus des erwachsenen Masseters;. dasselbe gilt von dem menschlichen Temporalis (Abb. 34), an den sich der Temporalis des Hundes (Abb. 85), entsprechend dem Masseter, anschliesst. Der Temporalis des Eichhörnchens zeigt ebenfalls (Abb. 36) wieder den Typus der roten Muskeln mit einigen Besonderheiten, wie das auch bei dem Masseter desselben Tieres der Fall war. Aus dem Gesagsten folgt, dass sich die Kaumurkon bilder ganz entsprechend verhalten wie die von den früher untersuchten Muskeln gegebenen, und dass also meine damals gezogenen Schlussfolgerungen durch die vorliegende Arbeit wieder bestätigt werden. Auf die Verschiedenheiten im Reichtume an Kernen will ich hier nicht weiter eingehen, da die Unterschiede nicht deutlich genug waren. In der oben gegebenen Beschreibung der Muskeln finden sich die nötigen Angaben, soweit sie zu machen waren. 2. Was das elastische Gewebe anlanet, so kann die Menge und die Anordnung dieses wieder, wie meine früheren Arbeiten er- geben haben, für einen Muskel eine wesentliche Bedeutung haben. Einmal finden sich bei demselben Muskel bei verschiedenen Personen individuelle Verschiedenheiten in bezug auf die Menge des elastischen Gewebes. Wieweit diese für die Funktion des Muskels von Bedeutung sind, weiss man nicht, da die Bedeutung dieser mässigen Mengen -von elastischem Gewebe für die Funktion des Muskels überhaupt noch dunkel ist. Sodann finden wir aber auch Muskeln, welche sich konstant durch eine grosse Menge von elastischem Gewebe auszeichnen. Ein solches Verhalten fand ich zum Beispiel in meiner zweiten Muskelarbeit!) bei dem Reetus oeuli- superior des Menschen. Hier war die Menge des elastischen Gewebes so bedeutend, dass man das Bindegewebsgerüst des Muskels mit den in ihm befindlichen elastischen Fasern direkt als ein elastisches Band ansehen konnte, so dass der Muskel hier gewisser- maassen aus zwei Teilen zusammengesetzt war: aus einem elastischen Pr. Bande und aus einem Muskel. Ich habe diesen Befund seinerzeit so w)aa.0. x r.25. schnitt, 30 Jahre, .Verg Ne) a Yale, 35 IN S 5 IS 7 2 r nn. NE = Se = 2 SAN 5 no, ErBSS 5 & 22 oo R ©2 ZB= ZB Sa Er) Pi a» = .S Ps: Do ao "2 u 1 So H=) Se < acer Abb. 27. Masseter, ergr. 25. Mandrill, Querschnitt, üst. V Bindegewebsgerüst. 21 308 P. Schiefferdecker: gedeutet, dass es bei den Augenmuskeln auf ausserordentlich feine Bewegungen ankommt, und dass, da diese Muskeln mit Ausnahme der Schlafperioden eigentlich fortwährend tätig sind, die elastischen Fasern zur Entlastung der Muskeltätigkeit erwünscht sind. Bei den ausser- ordentlich feinen Abstufungen in den Muskelkontraktionen, die bei den Augenbewegungen nötig sind, muss man annehmen, dass die Anta- gonisten stets gemeinsam tätig sind. Hierdurch würde ein ungemein grosser Kraftverbrauch herbeigeführt werden, der wesentlich vermindert wird, wenn der Antagonist eventuell ganz oder wenigstens zu einem grösseren Teile nur als elastisches Band tätig zu sein braucht. Das von mir untersuchte menschliche Zwerchfell enthielt nur sehr wenige elastische Fasern, und auch die hier untersuchten Kaumuskeln sind sowohl beim Menschen wie auch bei den Tieren ganz ausser- ordentlich arm an elastischem Gewebe, wie das aus den oben gegebenen Beschreibungen hervorgeht, in denen immer wieder bemerkt wird, dass nur an den Verbreiterungen der Bindegewebssepten, in denen Blut- gefässe liegen, einige elastische Fasern in der Umgebung dieser zu finden sind. Bei den Kaumuskeln scheidet also das elastische Gewebe für die Tätigkeit der Muskeln so gut wie völlig aus. Es gilt dies sowohl für Masseter wie für Temporalis. Sehr auffallend ist es nun, dass in dem einzigen von mir untersuchten Pterygoideus internus des MannesAeinereichliche Menge von elastischem Gewebe sich vorfand, ganz im Gegensatze zu dem Masseter desselben Mannes. Das kann natürlich nieht Zufall sein, sondern muss seine besondere Bedeutung haben. Leider stand mir ja nur dieser eine Pterygoideus zur Untersuchung zur Verfügung. Man müsste durch weitere Unter- suchungen zunächst feststellen, ob dieser Unterschied zwischen Mas- seter und Pterygoideus internus ein konstanter ist. Ihrer Abstammung nach sind die beiden Muskeln ja verschieden, wie ich oben schon ausgeführt habe. Masseter und Temporalis stammen nach Lubosch (10, 8. 182—183) aus den oberen Schichten des M. cranio-mandi- bularis, der Pterygoideus internus dagegen aus dem M. pterygoideus anterior. Vielleicht würde dieser Unterschied im Baue also auf die Abstammung zurückzuführen sein; jedenfalls müsste man aber wohl annehmen, dass er sich auch in der Funktion bemerkbar macht. Während der Kontraktion kann sich die Wirkung des elastischen Gewebes kaum bemerklich machen, wohl aber bei dem Eintritte des Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 309 Abb. 29. Masseter, Katze, Querschnitt, Abb. 30. Masseter, Reh, Querschnitt, Bindegewebsgerüst. Vergr. 25. Bindegewebsgerüst. Vergr. 25. 91* 310 P. Schiefferdecker: Ruhestadiums. Man wird annehmen dürfen, dass während der Muskel- ruhe der Kiefer noch durch einen „Tonus“ der Muskulatur in seiner Lage festgehalten wird. Hierbei wird das elastische Gerüst des Ptery- coideus helfend mitwirken können, gleich einem elastischen Bande. Abb. 31. Masseter, Hasenkaninchen, Querschnitt, Bindegewebsgerüst. Vergr. 25. Abb. 32. Masseter, Eich- hörnchen, Querschnitt, Binde- gewebsgerüst. Vergr. 25. Abb. 34. Temporalis, Frau J, Quer- Abb. 35. Pterygoideus internus, Mann A, schnitt, Bindegewebsgerüst. Vergr. 25. Querschnitt, Bindegewebsgerüst. Vergr.25. Es wird also Muskelkraft gespart werden. Man wird aber wohl nicht annehmen dürfen, dass dieser „Zweck“ die Ursache für die Ausbildung des elastischen Gewebes in dem Pterygoideus gewesen ist. Das elastische Gewebe war wohl in diesem Muskel schon von früher her, Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 311 aus irgendeiner jetzt unbekannten Ursache, vorhanden und wurde später nur mit benutzt. Wieweit es sich dabei unter diesen Um- ständen dann noch weiter ausgebildet hat, wissen wir nicht. Das elastische Band im Pterygoideus internus genügt aber nicht, um den Kiefer zu halten, denn im Schlafe und Tode sinkt er herab; es kann also nur den Muskeltonus unterstützen. Zwischen Mensch und Tier scheint nach dem oben Gesagten bei Masseter und Temporalis in bezug auf das elastische Gewebe ein Unterschied nicht zu bestehen. Abb. 36. Temporalis, Eich- Abb. 35. Temporalis, Hund, Querschnitt, hörnchen, Querschnitt, Binde- Bindegewebsgerüst. Vergr. 25. gewebsgerüst. Vergr. 25. 3. Was die Lage der Muskelkerne anlangt, so liegen sie sämtlich, bei allen hier untersuchten Muskeln und bei Mensch wie Tier, randständig; binnenständige Kerne sind ganz selten. 4. Die Querschnittsformen der Kerne wechseln stark zwischen fast kreisförmigen und langovalen mit allen Übergangsformen, ohne dass sich besondere Regeln dafür aufstellen lassen. Auffallend gross sind die Kerne der Embryonen bis zum Neugeborenen hin und stets weit grösser als die Bindegewebskerne. Beim Erwachsenen dagegen tritt in diesem Verhältnisse eine wesentliche Veränderung ein, da bei ihm auf dem Querschnitte die Muskel- und Bindegewebskerne an- nähernd gleich gross erscheinen. Ich werde. auf dieses Verhalten der 312 P. Schiefferdecker: embryonalen Muskelkerne noch bei der Besprechung der Zahlenwerte näher einzugehen haben. 5. „Kernreihen“ fanden sich im wesentlichen nur bei den menschlichen Muskeln. Es stimmt dies überein mit meinen früher schon gemachten Beobachtungen, dass solehe Reihen als der Ausdruck eines gestörten Muskelgleichgewichtes anzusehen sind. Beim Menschen wird dies Gleichgewicht gestört durch die Krankheit, welche dem Tode vorangegangen ist, während das in voller Gesundheit getötete Tier eine solche Störung nicht aufweist. Ich will jetzt übergehen zu der Besprechung der Ergeb- nisse, welche die Zahlentabellen liefern. In Tabelle 1 ist eine Übersicht gegeben über den Flächeninhalt je eines Faserquerschnittes im Durchschnitte, im Maximum und Mini- mum, angegeben in Quadratmikra. Die Durchschnittszahlen für die Masseteren der drei Deutschen (Mann S. war seinem Namen. nach allerdings ein Deutsch-Pole) weichen mässig stark voneinander ab (415 qu und 484 qu sowie 308 qu bei dem Deutsch-Polen); sie er- geben im Durchschnitte 402 qu. Mit dieser Zahl stimmt fast genau überein die des Chinesen mit 398 qu. Eine Rassenverschiedenheit scheint hier also nicht zu bestehen. Der fünfmonatige Embryo besitzt dagegen einen Durchschnitt von 15 qu, während die Zahlen für den seehs- bis siebenmonatigen Embryo und den Neu- geborenen mit 50 qu und 49 qu gleich sind. Ich habe bei der Be- schreibung der Muskeln schon hervorgehoben, dass der sechs- bis sieben- monatige Embryo im Verhältnisse zu dem Neugeborenen eine sehr weite Entwicklung der Muskeln zeigte. Untersuchungen von weiteren Em-- bryonen dieses Alters und von Neugeborenen werden wohl etwas andere Zahlen ergeben; in meinem Falle war der Altersunterschied anscheinend verwischt worden durch den individuellen Unterschied. Der Grössenunterschied der Fasern bei dem Neugeborenen und den Erwachsenen ist ein recht beträchtlicher: 1:8, während er bei dem Zwerchfelle nur etwa 1:5 betrug (3, S. 375), bei dem Deltoides allerdings 1:9 bis 1:14 (2, S. 282). Die Verhältnis- zahlen sind also augenscheinlich recht verschieden, je nach den einzelnen Muskeln. Bei der geringen Anzahl der jedesmal unter- suchten Neugeborenen (nur einer) können hier aber auch individuelle Einflüsse mitspielen. Bei dem Vergleiche der tierischen Masseteren mit dem der Menschen zeigt sich, dass der Mensch die kleinsten Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 313 Fasern besitzt; nur das Eichhörnchen steht ihm mit 463 qu etwa gleich. Dann folgt Mandrill mit 560 qu, Hund mit 716 ga, Hasenkaninchen mit 747 qu, Reh mit 340 qu und Katze end- lich mit 1073 qu. Die beiden Nager sowohl wie die beiden Fleisch- fresser zeigen also recht grosse Unterschiede, so dass nach diesen Zahlen eine Gruppenbildung nicht möglich ist. Die mikroskopischen Bilder der Muskeln erlaubten ja eine solche, wie ich das oben aus- geführt habe. Recht interessant ist bei dieser Tabelle der Vergleich des Verhältnisses von Maxima und Minima bei Mensch und Tier. Während beim Menschen ein ganz ausserordentlich grosser Unterschied _ besteht zwischen den Zahlen der Maxima und denen der Minima (bei Mann A. und Mann S. ist das Maximum etwa das SOfache des Mini- mums, bei Frau J. fast das 50fache), ist bei den Tieren der Unter- schied wesentlich geringer und beträgt etwa das Sfache bis Sfache. Es beruht dies auf jenem eigentümlichen Baue der menschlichen Mas- seteren, den ich bei der Beschreibung hervorgehoben habe, dass ganz grosse und ganz kleine Fasern bunt durcheinanderliegen, während bei den Tieren das Bild ein weit einheitlicheres ist. Ganz interessant in dieser Beziehung ist es, dass das Zahlenverhältnis des MaximumsundMinimumsbeiden menschlichen Embryo- nen und dem Neugeborenen sich weit mehr dem bei den erwachsenen Tieren vorhandenen nähert; der Unter- schied beträgt hier etwa das 5—6fache. Man darf hieraus wohl den Schluss ziehen, dass die eigentümliche spezifische Ausbildung der menschlichen Masseteren beim Embryo wohl schon angelegt ist, aber erst während des Kindesalters sich klar ausbildet, und hieraus den weiteren Schluss, dass sie eine später erworbene Differen- zierung darstellt, die dem Menschen eben eigentümlich ist. Der Chinese stimmt hierin mit dem Deutschen überein. Der Mandrill stimmt durchaus überein ‚mit den sonstigen Tieren, zeigt also, obwohl Ostaffe, noch nichts von dem für den Menschen charakte- ristischen Baue. Beziehungen zu den Tiergruppen lassen sich bei diesen Zahlen wieder nicht auffinden. Der Pterygoideus des Mannes A. stimmt in bezug auf die Durch- schnittsgrösse der Fasern mit dem entsprechenden Masseter gut überein (467 qu:415 qu); in dem Unterschiede zwischen Maximum und Mini- mum zeigt er dagegen eine weit geringere Zahl, nur etwa das 12 fache 314 P. Schiefferdecker: gegenüber dem S0fachen des Masseters. Der Unterschied zwischen den grössten und kleinsten Fasern ist bei ihm also weit geringer, obwohl er auch den prinzipiellen Bau des Masseters aufweist: das bunte Durcheinander der kleinen und grossen Fasern. Der Temporalis der Frau J. entsprach in seinem Baue wiederum dem Masseter (Abb. 17); in dem Unterschiede zwischen Maximum und Minimum weicht er aber stark von ihm ab: das Maxi- mum beträgt nur etwa das l5fache des Minimums, was für einen menschlichen Muskel an sich ja schon sehr viel ist, aber immerhin eine weit kleinere Zahl darstellt, als sie der Masseter derselben Frau zeigt: etwa das 40 bis 50fache. Temporalis und Pterygoideus nähern sich also in dieser Beziehung einander. Ganz anders verhält sich wieder der Temporalis der beiden Tiere, der ja auch seinem mikroskopischen Bilde nach dem Masseter dieser Tiere mehr entsprach. Beim Hunde beträgt das Maximum etwa das 4fache des Minimums und beim Eichhörnchen etwa das 5fache; Zahlen, die denen der für die tierischen Masseteren gefundenen einigermaassen entsprechen. Sehr auffallend ist es nun, dass der Temporalis des Menschen sowohl wie der der Tiere weit kleinere . Fasern besitzt wie die Masseteren. Bei der Frau J. beträgt die Zahl 248 gu gegenüber 484 qu des Masseters, das Verhältnis ist 1:1,98. Beim Hund eist die Zahl des Temporalis 544 qu, die des Masseters 716 qu, das Verhältnis 1:1,32. Beim Eichhörnchen endlich sind die Zahlen 292 qu und 463 qu, das Verhältnis also 1:1,59. In allen Fällen älsosind dieTemporalisfasernbedeutend dünner als die Masseterfasern, aber das Dickenverhältnis ist jedesmal ein anderes; beim Menschen ist der Unterschied amstärksten ausgeprägt. Warum der Unterschied in der Faser- dicke zwischen Temporalis- und Masseterfasern besteht, welche Be- deutung er für die Muskeln hat, wissen wir Nana nicht; zweifellos ist eine solche aber vorhanden. Aus den Zahlen für die Maxima und Minima geht hervor, dass alle drei hier untersuchten menschlichen Kaumuskeln eine ganz besondere Differenzierung gegenüber den Tieren aufweisen, dass diese Differen- zierung aber am stärksten ausgesprochen ist bei dem Masseter, wenigerstark beiden beidenanderen Muskeln, welche sich in bezug auf das Verhältnis zwischen Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 315 Maximum und Minimum ziemlich ähnlich sind, wohl aber sich deutlich unterscheiden in bezug auf die Faserdicke. In den Tabellen 2a, 2b und 2e findet man die Gruppierung der Fasern nach der geometrischen Reihe und dabei die Prozentzahlen in bezug auf die Fasergrösse und die Faserwertigkeit zu- sammengestellt. Die Kraft eines Muskels ist unserer wohl berechtigten Ansicht nach proportional der Grösse des Muskelquerschnittes, ebenso auch die Kraft der einzelnen Muskelfaser proportional der Grösse ihres Querschnittes. Im letzteren Fall ist das Maassverhältnis noch weit genauer, da es sich nur auf das reine Muskelgewebe bezieht, während bei der Durch- schnittsgrösse des ganzen Muskels noch das Bindegewebe mit in Frage kommt. Es ist also jedenfalls nicht ganz richtig, wenn man die Kraft zweier verschiedener Muskeln nach der Grösse ihres Querschnittes vergleicht, denn die beiden Muskeln können in bezug auf das Verhältnis des Muskelgewehbes zu dem Bindegewebe einen verschiedenen Bau besitzen. Wenigstens muss man erst vorher diesen Bau feststellen. Anders ist es schon, wenn man die Querschnittsgrösse desselben Muskels bei verschiederen Menschen miteinander vergleicht, denn da ist es anzunehmen, dass der Bau in beiden Fällen wenigstens prinzi- piell derselbe ist. Die Kraftleistung des ganzen Muskels setzt sich zusammen aus den Kraftleistungen aller Fasern, die in ihm enthalten sind. Je dieker diese Fasern sind, um so mehr Einfluss haben sie auf die Gesamtkraft, um so mehr sind sie „wert“ für die Kraftleistung des Muskels, um so höher ist also ihre „Faserwertigkeit“. Diese Grösse ist also im wesent- lichen eine „physiologische“ Zahl, denn sie gründet sich auf die Tätig- keit des Muskels. Man kann aus ihr schliessen, welche Muskelgruppen hauptsächlich für die Tätigkeit des Muskels von Wichtigkeit sind, und da in den nächstfolgenden Gruppentabellen auch die Kern- und Faserverhältnisse dieser Gruppen je für sich betrachtet werden, so erhält man durch die Gesamtheit dieser Gruppentabellen ein genaues Bild von dem Aufbaue der für den Gesamtmuskel in bezug auf seine Tätigkeit wichtigsten Fasergruppen. Hieraus kann man dann wieder Schlüsse ziehen auf die Bedeutung der morphologischen Verschieden- heiten der Muskelfasergruppen für ihre Tätigkeit. Dass zwischen dem prozentualen morphologischen und physio- 316 P. Schiefferdecker: logischen Aufbaue des Muskels recht grosse Unterschiede bestehen können, lehren die folgenden Tabellen (2a, b, ce) zur Genüge. So finden wir zum Beispiel beim Manne A: morpholoeische Zahl 15,20 %/o, physiologische Zahl 5,58 °/o; weiter 18,60% zu 9,9200; 14,90 9/0 zu 11,96 0/0; 14,70% zu 17,70°%o; 14,90% zu 26,62%; 7,60% zu 19,41. Es mag dieses Beispiel genügen; man findet überall Ähnliches. In der ersten Kolumne der Tabellen sind die Gruppenzahlen aufgeführt, in der zweiten die Mittelwerte jeder Gruppe, dann folgen die Kolumnen für die einzelnen Menschen oder Tiere. Jede von diesen zerfällt wieder in drei Unterabteilungen. In der ersten ist der wirklich bei der Berechnung gefundene Mittelwert aufgeführt. Je genauer dieser mit dem für die Gruppe feststehenden Mittelwerte übereinstimmt, um so genauer sind auch die sonstigen errechneten Zahlen, um so mehr Wert haben sie also. In der zweiten Unter- abteilung findet man die jedesmal errechneten morphologischen Prozentzahlen. Je grösser diese Zahlen sind, um so sicherer und damit wertvoller sind die Zahlen der dritten Unterabteilung. Die Zahlen der beiden ersten Unterabteilungen bleiben natürlich in allen Gruppentabellen die gleichen, die der dritten Unterabteilung wechseln sie je nach der Tabelle. Sie ergeben die charakteristischen Kenn-‘ zeichen für den Muskelaufbau. Wie wir oben schon gesehen haben, steigen die Gruppen in einer geometrischen Reihe an, als deren Quotient 1,5 angenommen ist; demnach müssten auch die Zahlen in der ersten Unterabteilung einer jeden Kolumne um 1,5 steigen. Sehr häufig tun das diese er- rechneten Zahlen aber nicht, da sie nicht genau mit den Mittelwerten übereinstimmen. Von dieser Steigerung hängt aber wieder ab der Wert der errechneten Zahlen der dritten Unterabteilung. Um die so entstehenden Fehler korrigieren zu können, stelle ich daher die Ver- hältniszahlen der errechneten Mittelwerte fest und schreibe diese zwischen die Zahlen der Mittelwerte. Stimmen sie mit 1,5 nicht überein, so stelle ich die Zahlen fest, welche nötig sind, um sie auf 1,5 zu bringen, und setze diese in Klammern über sie. Ebenso werden dann in der dritten Unterabteilung die Verhältniszahlen berechnet, dazwischengeschrieben, mit den Korrekturzahlen der ersten Unter- abteilung multipliziert und die so erhaltenen Zahlen wieder in Klammern über die Verhältniszahlen gesetzt. Diese so gewonnenen Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 317 Zahlen gelten dann als die richtigen Verhältniszahlen, und aus ihnen werden schliesslich die Schlussverhältniszahlen berechnet, welche unter- halb der dritten Unterabteilung stehen. Diese gelten als Ausdruck des Gruppenverhältnisses. Diese allein darf man aber auch nicht in Betracht ziehen, sondern man muss auch die einzelnen Verhältnis- zahlen selbst berücksichtigen. Diese bilden häufig eine Kurve. Das ist für das Verständnis der Fasergruppen wichtig. Bei den ersten Tabellen (2a, b, e) sind diese Verhältniszahlen natürlich nicht berechnet, da es bei diesen nur auf die „direkten Wertiekeitszahlen“ ankommt. In der Tabelle 2a ergeben die Gruppen ein sehr hübsches Über- sichtsbild über den Aufbau der menschlichen Masseteren: bei den Embryonen und dem Neugeborenen die kurzen Kolumnen mit wenigen Gruppen, bei den Erwachsenen die langen Gruppenreihen, die ihren Grund haben in dem bunten Durcheinander von dünnen und dicken Fasern, zu dem sich der Muskelbau der Embryonen und des Neu- geborenen im Verlaufe der kindlichen Entwicklung differenziert hat. Da in diese Tabelle auch der Pterygoideus internus mit einbezogen worden ist, so erkennt man auch gleich den Unterschied zwischen dem Gruppenaufbaue dieses Muskels und dem des Masseters: die Gruppenreihe ist erheblich kürzer. Vergleicht man mit den Kolumnen der Tabelle 2a die der Tabelle 2b, welche die tierischen Masseteren enthält, so ist der Unterschied wieder ein sehr deutlicher: bei den Tieren weit kürzere Kolumnenreihen. | Sehr deutlich ist endlich der Unterschied zwischen Mensch und Tier in Tabelle 2 e, welche den Temporalis enthält: beim Menschen wieder eine weit längere Reihe als bei den beiden Tieren. Auch die menschliche Gruppenreihe ist wieder kürzer als die des ent- sprechenden Masseters auf Tabelle 2 a, allerdings nur wenig. In Tabelle 3 a, 3b und 3 e ist die „absolute Kernzahl* be- rücksichtigtt. Bei dem Masseter des erwachsenen Menschen steist diese deutlich von Gruppe zu Gruppe an. Die Schlussverhältniszahlen für die drei erwachsenen Deutschen sind: 1,44:1,45 und 1,46, Durch- schnitt 1,45. Die Zahl der Kerne auf dem Faserquerschnitte hat also durehsehnittlich fast genau so stark zugenommen wie die Grösse des "Faserquerschnittes (1,50). Der Chinese, der die Zahl 1,48 aufweist, verhält sich genau so. Bei dem Pterygoideus internus ist die Zu- nahme der Kernzahl etwas geringer (1,36). 318 P. Schiefferdecker: Anders ist es bei den ganz jungen Muskeln. Der Masseter des fünfmonatigen Embryos verhält sich noch ganz ähnlich wie die Muskeln der Erwachsenen, Schlussverhältniszahl 1,51. Der Embryo von 6—7 Monaten hat dagegen eine Schlussverhältniszahl von 2,40 und der Neugeborene eine solche von 2,59; beide liegen also er- heblich höher. Man muss daraus schliessen, dass bei diesen beiden Muskeln die Anzahl der Kerne erheblich stärker zunimmtalsdie GrössedesFaserquerschnitts. Wir haben nun bei der Tabelle 1. schon gesehen, dass diese Muskeln sich von denen der Erwachsenen auch dadurch unterschieden, dass bei ihnen der Unterschied zwischen Maximum und Minimum ein weit geringerer war als bei den Erwachsenen; sie ähnelten in dieser Hinsicht den Masseteren der Tiere. Ich habe damals daraus den Schluss gezogen, dass die starken Unterschiede zwischen den grossen und kleinen Fasern, wie wir sie beim Erwachsenen finden, sich erst beim Kinde ausbilden. Sowohl nach Tabelle 1 wie nach Tabelle 3 a scheint es nun, dass die Aus- bildung dieser Unterschiede darauf beruht, dass ein Teil der Fasern verhältnismässig sehr klein bleibt, denn die Minima sind beim Menschen auffallend viel kleiner als bei den Tieren, und dass zweitens ein anderer Teilder Fasern zu einer ganz besonderen Grösse auswächst, denn die Maxima sind nicht nur absolut grösser als die der Tiere, sondern sie sind namentlich auch relativ weit grösser, wenn man sie vergleicht mit den Durchschnittszahlen. Wenn nun hier bei dem sechs- bis sieben- monatigen Embryo und bei dem Neugeborenen eine erheblich stärkere Zunahme der Anzahl der Kerne festzustellen ist, als der Zunahme der Fasergrösse entspricht, so scheint es mir möglich, diese Tatsache so zu deuten, dass in den Fasern, die dazu bestimmt sind, später zuden grossen Fasergruppen auszuwachsen, vor- erst schon verhältnismässig sehr viele Kerne sich ent- wickeln, sodasseinebesondersstarkeKernvermehrung der Grössenzunahme der Fasern vorausgehen würde. Hieraus liesse sich dann wieder schliessen, dass eine solche starke Kernzunahme eine Bedingung ist für die starke Zu- nahme der Faserdicke. Da nun später bei den Erwachsenen die Zunahme der Kernzahl genau der Zunahme der Faserdicke ent- Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 319 spricht, so kann man weiter annehmen, dass die Faser so lange an Dicke zunimmt, bis die der Kernzahl entsprechende Dicke erreicht ist. Dies würde für ein sehr inniges Verhältnis zwischen Faserdicke und Kernzahl sprechen. In meiner zweiten Muskelarbeit (1909) 2) bin ich auf S. 264 schon zu dem folgenden Schlusse gekommen: „9. Wenn ein rasches Wachstum resp. eine Vermehrung von Muskelfasern eintreten soll, so scheint eine starke Kernvermehrung ein- zutreten: eine Bildung einer grossen Anzahl von kleinen Kernen, so dass eine grosse Anzahl von neuen Stoffwechselzentren entsteht.“ Ich habe also schon damals, vor 12 Jahren, (dieser Abschnitt jener Muskelarbeit stammt aus dem Jahre 1906), aus anderen Gründen an- genommen, dass eine Kernvermehrung dem Faserwachs- tume vorausgeht. Diese Annahme würde hier eine Bestätigung finden. Sehr merkwürdig ist das Verhalten der tierischen Masseteren in bezug auf die Zunahme ihrer „absoluten Kernzahl“. Der Masseter des Mandrill zeigt eine Schlussverhältniszahl von 1,36. Diese ist niedriger als die der erwachsenen Menschen und stimmt mit der des Pterygoideus internus dieser überein. Bei allen anderen Tieren aber sind die Zahlen erheblich höher als die menschlichen. Nun sind allerdings bei allen diesen Muskeln eigentlich zu wenig Fasern aus- gemessen worden; die Zahl von 500 Fasern war augenscheinlich zu gering, auch für die menschlichen Masseteren gilt dieses teilweise. Infolgedessen sind die Faserzahlen in den einzelnen Gruppen zum Teile so klein, dass sie nicht mehr hinreichend sicher sind. So kommt es, dass die Schlussverhältniszahlen in zwei Fällen sich nur aus dem Vergleiche zweier Gruppen ergaben, in den übrigen Fällen aus dem von drei Gruppen. Das ist reichlich wenig und lässt die Schluss- verhältniszahlen als einigermaassen unsicher erscheinen. Unter den Umständen, unter denen diese Arbeit ausgeführt werden musste, war es nicht angängie, noch mehr Fasern für die einzelnen Muskeln aus- zumessen. Ich mache hier besonders auf diesen Umstand aufmerksam, um klarzulegen, dass man die hier gefundenen Schlussverhältnis- zahlen nur mit einiger Vorsicht benutzen darf. Die Faserzahlen der hier ausgemessenen Muskeln sind ja allerdings ebenso gross wie bei vielen von den früheren Muskeln, und deshalb glaubte ich auch, mich bei ihnen beruhigen zu dürfen; aber die Tabellen ergaben nachher, 320 P. Schiefferdecker: dass der eigenartige Bau der Masseteren eigentlich grössere Zahlen nötig gemacht hätte. Das konnte man. nicht vorauswissen. Nach meinen jetzigen Erfahrungen möchte ich allerdings annehmen, dass auch die doppelte Anzahl, 1000 Fasern, weder für die menschlichen noch die tierischen Masseteren gross genug gewesen sein würde; man hätte wahrscheinlich wenigstens 2000 Fasern ausmessen müssen, was für mich unmöglich war. Während also der Masseter des Mandrill, wie eben erwähnt, eine Schlussverhältniszahl aufweist, die mit 1,36 etwas kleiner ist als die der menschlichen Masseteren, haben die übrigen tierischen Mas- seteren weit höhere Zahlen: so der des Rehes 1,60; der des Hundes 1,65; der der Katze 1,79; der des Hasenkaninchens 1,50 und der des Eichhörnchens 1,91. Die beiden Nager weisen also die höchsten Zahlen auf; man kann sie indessen deshalb doch nicht zu einer Gruppe zusammenfassen, denn die Zahl der Katze ist genau so gross wie die des Hasenkaninchens (die des Hundes ziemlich viel kleiner), und zwischen Hasenkaninchen und Eichhörnchen besteht immerhin noch ein ziemlich grosser Unterschied. Bei allen hier untersuchten Tieren, mit einziger Ausnahme des Man- drills, steigt also die Kernzahl erheblich stärkeranals die Faserdicke; sie erinnern in dieser Hinsicht an den mensch- lichen Embryo von 6—7 Monaten und an den Neugeborenen; doch war bei diesen allerdings der Anstieg der Kernzahlen ein noch weit stärkerer. Auffallend ist es nun, dass fast bei allen Muskeln die Eigentümlich- keit stark hervortritt, dass die höchsten Verhältniszahlen sich zwischen den Gruppen der kleineren Fasern finden, und dass sie immer kleiner werden, je mehr die Fasern an Grösse zunehmen. Hieraus muss man den Schluss ziehen, dass die Annahme, welche ich oben gemacht habe, dass die Diekenzunahme der Fasern so weit vor- sich geht, bis sie der Kernzahl entspricht, doch einer wesentlichen Korrektur bedarf: die diekerenFasern wachsen augenscheinlich über dasdurch die Kernzahl gegebene Maass hinaus, und zwar immer stärker, je dieker sie werden. Hieraus würde dann aber weiter folgen, dass die verschieden dieken Fasern des Muskels sich in bezug auf ihre Kernverhältnisse nicht unwesentlich verschieden verhalten, und dass daher der Muskel sich aus qualitativ verschieden- artigen Fasern aufbaut, wie ich das auch schon bei meinen früheren Muskelarbeiten immer wieder gefunden habe. | Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 321 Die drei Temporales verhalten sich deutlich anders wie die Masseteren. Die Zahl für den menschlichen Temporalis ist mit 1,59 wesentlich grösser als die des entsprechenden Masseters (1,46). Die Zahlen der beiden tierischen Temporales sind dagegen kleiner als die entsprechenden Masseterzahlen, und zwar nicht unwesentlich: Hund 1,58:1,65 und Eichhörnchen 1,50:1,91. Eine Deutung dieses Unter- schiedes des menschlichen Temporalis gegenüber dem der Tiere ist vorläufig nicht möglich. Vergleicht man mit den hier gefundenen Daten die des Zwerch- felles (3, Tab. 3), so findet man bei diesem ein ganz anderes Ver- "halten. Die Schlussverhältniszahlen bei den Erwachsenen sind sehr niedrig, nur wenig über 1,00 (1,21; 1,07; 1,04; 1,16; 1,29; 1,04; 1,09); es hat also eine starke Abnahme der Kernzahl mit zunehmender- Faserdicke stattgefunden, d. h. absolut natürlich eine Zunahme, die aber nicht so stark war wie die Zunahme der Faserdicke, mit- unter auch ein Stehenbleiben auf der ersten Verhältniszahl. Auch bei dem Neugeborenen liegen die Verhältnisse schon so; nur bei dem fünfmonatigen Embryo findet sich eine ähnlich starke Zunahme wie bei dem Masseter (1,66). Auch in bezug auf andere Kernverhältnisse näherte sich das Zwerchfell des Neugeborenen stark dem des Er- wachsenen. Ich zog damals daraus den Schluss, dass das Zwerchfell zur Zeit der Geburt schon hochgradig entwickelt ist, was ja auch ver- ständlich war, da es von Geburt an tätig sein muss. Das Zwerchfell des Hundes verhielt sich zu dem der Menschen in bezug auf die Zu- nahme der „absoluten Kernzahl“* ähnlich wie hier die menschlichen Masseteren zu den tierischen: auch bei ihm war die Schlussverhältnis- zahl erheblich grösser wie beim Menschen (1,53, gegenüber den menschlichen Zahlen von 1,04 bis 1,29). Eine Übereinstimmung zwischen dem Zwerchfelle und dem Mas- seter besteht also insofern, als sowohl die embryonalen Verhältnis- zahlen wie die tierischen höher sind als die der erwachsenen Menschen. Vielleicht könnte man hieraus den Schluss ziehen, dass beim Menschen eine höhere Differenzierung eingetreten ist. Bei dem Reetus oculi superior (2, S. 41, Tab. 4) zeigte sich bei den Erwachsenen wiederum eine absolute Zunahme, aber eine relative Abnahme der Verhältniszahlen für die „absolute Kernzahl“ ; doch waren die Schlussverhältniszahlen etwas höher als bei dem _ Zwerchfelle (1,19; 1,21; 1,24; 1,44); der Neugeborene besass eine 322 P. Schiefferdecker: Zahl (1,31), die noch in den Rahmen für die Zahlen der Erwachsenen fiel, allerdings höher war als die Mehrzahl derselben. | Es geht aus den angegebenen Zahlen hervor, dass jeder von den hier verglichenen menschlichen Muskeln sich in bezug aufdiese Schlussverhältniszahlen eigenartig ver- hält, dass also diese Schlussverhältniszahlen augen- scheinlich wieder spezifisch fürjeden Muskelsind. Die menschlichen wie die tierischen Masseteren besitzen dabei verhältnismässig recht hohe Schlussverhältnis- zahlen. Wenn der menschliche Pterygoideus internus auch eine etwas kleinere Verhältniszahl aufweist, so ist sie doch noch verhältnismässig hoch gegenüber den sonstigen verglichenen Muskeln, und dasselbe gilt von dem Temporalis. Die hier untersuchten menschlichen und ebenso auch die tierischen Kaumuskeln zeichnen sich also vor den sonstigen Muskeln durch verhältnis- mässig hohe Schlussve rhältniszahlen für die „absolute Kernzahl“ aus. Das Verhalten der „Absoluten Kerngrösse“ bei den ver- schieden dicken Fasergruppen kann aus den Tab. 4a, 4b, 4c er- sehen werden. Aus Tab. 4a ergibt sich, dass bei den mensch- lichen Masseteren die Schlussverhältniszahlen für die Erwachsenen (1,05; 1,05; 1,10) so wenig von 1,00 abweichen (Durchschnitt 1,07), dass man sie etwa gleich 1,00 setzen kann, d. h. es findet bei Zunahme der Faserdicke keine Zunahme der Quer- schnittsgrösse des Kernes statt. Bei dem Chinesen ist die Schlussverhältniszahl direkt 1,00. Das gleiche gilt auch für den Embryo von 5 Monaten (1,07). Eine etwas höhere Zahl weist der Embryo von 6—7 Monaten auf (1,24), der Neugeborene eine solche von 1,11. Hier würde also eine geringe Zunahme der Querschnitts- erösse der Kerne anzunehmen sein. Worauf das beruht, lässt sich vorläufig nicht sagen. Bei den tierischen Masseteren sprechen die Zahlen eben- falls für eine geringe Zunahme der Kernquerschnittsgrösse mit der Fasergrösse (Hasenkaninchen 1,05; Hund 1,10; Reh 1,13; Eich- hörnchen 1,14; Mandrill 1,16 und Katze auffallenderweise 1,32). Die Zahlen bei den Tieren sind also teilweise so gross, dass man eine Zunahme der Kerngrösse nicht von der Hand weisen kann; immerhin möchte ich hier wieder hervorheben, dass diese Zahlen nicht so sicher Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 3933 sind, dass sie zu wirklich festen Schlüssen berechtigen, da, wie ich oben schon bemerkt habe, die Anzahl der ausgemessenen Fasern nicht gross genug ist. Da nun aber keine von diesen Zahlen unter 1,00 liegt, was doch auch vorkomınen müsste, wenn die Zahlen mehr zu- fällige wären, so wird man doch wohl zu dem Schlusse kommen müssen, dass die Querschnittsgrösse des Kernes mit zu- nehmender Faserdieke beidem Masseterentweder gleich bleibt oder um etwas zunimmt, dass beim erwachsenen Menschen die Grösse imallgemeinen gleich bleibt, dass der Chinese sich hierin gerade so verhält wie der Deutsche, ein Rassenunterschied also nicht besteht, dass bei den Masseteren der Tiere die Zunahme der Kerngrösse etwasbedeutenderzuseinscheint, und dass dasselbe der Fall ist bei älteren Embryonen und dem Neugeborenen. Der Pterygoideus internus verhält sich in unserem Falle gerade so wie der Masseter, und die drei Temporales (Mensch und Tier) verhalten sich untereinander ganz übereinstimmend und auch wieder ganz ähnlich wie die Masseteren. Der eine menschliche | Temporalis zeigt mit 1,14 eine etwas höhere Zahl, als die Durchschnitts- zahl der Masseteren betrug (1,07), aber der entsprechende Masseter lag mit 1,10 auch schon über dem Durchschnitte; die betreffende Frau zeigte also etwas höhere Zahlen als die drei Männer, was wohl als ein individueller Unterschied anzusehen sein wird. Dieser soeben besprochene Befund stimmt überein mit dem bei dem Zwerchfelle gemachten (8, S. 384, Tab. 4). Auch bei dem Reetus oculi superior waren die Verhältnisse ganz ähnlich und ebenso bei den Kaninchenmuskeln (2, S. 141 u. 142, Tab. 23a und b). | Wir können hieraus wohl den Schluss ziehen, dass die Quer- schnittsgrösse des Kernes bei den Muskeln im all- gemeinen bei wachsender Fasergrösse gar nicht oder nur inengen Grenzen zunimmt, dass die Querschnitts- srösse des Kernes also für den ganzen Muskel etwa dieselbe ist. In den Tab. 5a, b und e finden sich die Zahlen für die Gruppen in bezug auf die „relative Kernmasse“, eine der wichtigsten Grössen, zusammengestellt. Diese Zahlen geben mir das Prozent- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 22 394 P. Schiefferdecker: Im verhältnis der Kernmasse zu der Fasermasse auf dem Querschnitte an. Bleibt dieses Verhältnis in den Gruppen der verschieden dicken Fasern konstant, so müssen die Verhältniszahlen sämtlich gleich „eins“ sein, mithin die Schlussverhältniszahl ebenfalls „eins“ sein. Wir finden dies bei den Masseteren der erwachsenen Menschen annähernd genau: 1,01; 1,02; 1,15 bei den drei Deutschen und 0,99 bei dem Chinesen. Die einzige Zahl, die hier etwas abweicht, ist die der Frau J. mit 1,15, doch ist diese Abweichung auch noch nicht gross Es folgt hieraus also, dass die Masseteren dieser Erwachsenen in allen Fasergruppen im Durchschnitte mit fast genau derselben prozentualen Kernmasse arbeiten. Sieht man die Verhältniszahlen zwischen den einzelnen Kerngruppen genauer an, so findet man allerdings, dass doch manches für eine leichte Abnahme in den höheren Fasergruppen spricht, so z. B. die Zahlenreihe bei dem Mann A: 1,22; 0,96; 0,94; 0,92. Andere Reihen sind weniger regelmässig. Vergleicht man hiermit die Zahlen für das Zwerchfell, so tritt ein sehr deutlicher Unterschied hervor; bei allen erwachsenen Menschen und ebenso bei dem Neugeborenen war eine wesent- liche Abnahme der relativen Kernmasse festzustellen ; Schlussverhältnis- zahlen: 0,82; 0,80: 0,76; 0,75; 0,88; 0,92; 0,75; 0,79, während sie beim Hunde 1,09 betrug, also im Durchschnitte ein Gleichbleiben anzeigte. Aber auch in diesem letzteren Falle liess sich wieder eine Kurve feststellen: 1,12; 1,17; 1,07; 0,99. Also zuerst ein leichtes Ansteigen, dann ein deutliches Absteigen. Die Zahlen bei den er- wachsenen Menschen waren leider nicht so regelmässig, dass sie sichere Schlüsse erlaubten. Bei dem fünfmonatigen Embryo zeigte sich damals eine Schlussverhältniszahl von 1,29, die also für eine durchschnittliche Zunahme sprach, indessen ergab die Reihe eine sehr deutliche Abnahme: 1,99; 1,29; 0,59 (8, S. 386, Tab. 5). Auch bei dem Rectus oculi superior (2, 8. 48, Tab. 7) war entweder eine leichte Abnahme oder ein Gleichbleiben festzu- stellen. | Bei den tierischen Masseteren (Tab. 5b) liegen die Schluss- verhältniszahlen fast überall deutlich über 1,00. Die niedrigste Zahl (1,05) hat der Mandrill; diese entspricht noch durchaus den mensch- lichen Zahlen. Bei dem Hunde ist die Zahl schon 1,21, bei Reh 1,22, bei Hasenkaninchen 1,26; diese Zahlen liegen ziemlich dicht zusammen. Bei Fichhörnchen finden wir aber 1,44 und 0. Sa ZI m mr urn Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 3935 bei Katze 1,59. Diese letzten Zahlen sind ungewöhnlich hoch. Allerdings sind alle diese tierischen Zahlen, wie ich das oben schon erwähnt habe, unsicher, da sie nur aus sehr wenig Gruppen gewonnen . worden sind. Jedenfalls geht aber aus ihnen doch hervor, dass die Verhältniszahlen sicher über 1,00 liegen, und zwar nicht unwesentlich, und dass sich infolgedessen die tierischen Masseteren von den menschlichen unter- scheiden. Die roten und weissen Kaninchenmuskeln, die ich früher untersucht habe, unterscheiden sich in der hier besprochenen Hinsicht wesentlich von den Masseteren (2, S. 147 und 148, Tab. 25a und b). Alle damals untersuchten Muskeln hatten ganz gut über- einstimmende Schlussverhältniszahlen (weisse Muskeln: 0,99; 0,90; 0,92; 0,88; rote Muskeln: 0,97; 0,98; 1,26; 0,96; 0,96). Wie man erkennt, liegen alle diese Zahlen nahe an 1,00, meist ein wenig darunter. Sie unterscheiden sich demnach wesentlich von denen der Masseteren. Auch damals waren von jedem Muskel, mit Ausnahme eines einzigen, nur je 900 Fasern ausgemessen worden. Der Bau der Muskeln war aber augenscheinlich ein gleichmässigerer in bezug auf die Verteilung der Fasern auf die einzelnen Gruppen, als es bei dem Masseter der Fall ist. Was die sonstigen Muskeln anlangt, so stimmt der Pterygoideus internus mit 1,06 recht gut mit den menschlichen Masseteren über- ein; der Masseter desselben Mannes hatte die Zahi 1,01. Was die drei Temporales angeht, so zeigt der menschliche eine noch etwas höhere Zahl als der entsprechende Masseter (1,26:1,15), doch sind auch bei diesem die Verhältniszahlen zwischen den vier zur Be- rechnung benutzten Gruppen stark schwankend. Die beiden Zahlen für die tierischen Temporales sind niedriger als die für die Masseteren (Hund 1,16:1,21, hier ist der Unterschied nur unbedeutend; bei Eichhörnchen aber 1,17:1,44, hier ist der Unterschied sehr erheblich). Im ganzen ergibt also der Vergleich dieser Zahlen keine irgendwie sicheren Beziehungen. , Sehr auffallend verhalten sich der sechs- bissiebenmouatige Embryo und der Neugeborene. Beide zeigen übereinstimmend die Schlussverhältniszahl 1,99, die also fast doppelt so gross ist als die Zahlen für die Erwachsenen und auch weit grösser als die für den fünfmonatigen Embryo (1,11). In beiden Fällen sind diese Zahlen 22 * 396 P. Schiefferdecker: gewonnen durch den Vergleich von drei Gruppen, also auch wieder nur aus sehr wenigen Gruppen, und in beiden Fällen liegt die erste Verhältniszahl erheblich über 200; die zweite ist bedeutend kleiner. Also sehr eigentümliche Verhältnisse, die vorläufig eine Deutung noch nicht zulassen. Da aber beide Verhältniszahlen in beiden Fällen wesentlich höher sind als die der Erwachsenen, so muss man jeden- falls daraus schliessen, das der Muskelbau bei diesem Embryo und bei dem Neugeborenen wesentlich von dem bei denErwachsenen abweicht; die nähere Deutung muss man auf später verschieben, bis weitere Beobachtungen eine grössere Klar- - heit schaffen. Man kann nach dem eben Besprochenen also nur sagen, dass sich die-tierischen Masseteren sowohl von anderen Schon ausgemessenen tierischen Muskeln wie von denen des Menschen deutlich unterscheiden; ferner, dass die menschlichen Masseteren von den sonstigen Skelett- muskeln in bezug auf das hier besprochene Maass ver- hältnismässig nur wenig abweichen. Die ganz eigen- artigen Verhältnisse beidemEmbryo von 6—7 Monaten und bei dem Neugeborenen lassen sich noch nicht deuten. Auf Tab. 6 finden wir eine übersichtliche Zusammen- stellung der verschiedenen Maasse je für den gesamten Muskel. Hier tritt manches sehr viel deutlicher hervor als bei den einzelnen Gruppen, und die Zahlen sind auch sicherer, da sie sich auf die Gesamtzahlen der ausgemessenen Fasern und Kerne beziehen. In Kolumne 1 sind die „absoluten Kernzahlen“ angegeben, d. h. die durchschnittliche Kernzahl für jeden Faserquerschnitt ohne Rücksicht auf die Grösse dieses Faserquerschnittes. Wir ersehen daraus zunächst die ganz interessante Tatsache, dass bei den beiden Embryonen und bei dem Neugeborenen die Kernzahlen für den Masseter so gut wie übereinstimmen (0,24; 0,21; 0,26), und dass A auch das Maximum derselben bei allen dreien nur 1 beträgt. Die drei erwachsenen Deutschen verhalten sich insofern ähnlich, als auch bei ihnen die Kernzahlen verhältnismässig übereinstimmen (0,66; 0,64; 0,52; die letztere, etwas stärker abweichende Zahl gehört dem Manne mit dem polnischen Namen an; doch lässt sich vorläufig nicht sagen, a Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 397 ob der hier vorhandene Unterschied auf eine verschiedene Nationalität zu beziehen ist; der Durchschnitt der genannten drei Zahlen beträgt 0,61). Vergleicht man diese Durchschnittszahl der Erwachsenen mit der für die Embryonen und Neugeborenen gefundenen (0,24), so er- eibt sich, dass die Zahl der Erwachsenen um das 2,58fache, also etwa um das 2!/afache zugenommen hat. Selbstverständlich tritt auch eine Kernvermehrung einin der Entwicklungszeit vom fünften Monate bis zum Neu- zeborenen; aber diese beträgt nach denhier gefundenen Zahlen augenscheinlich nur so viel, als füreinegleich- bleibende Versorgung der weiter in die Länge aus- wachsenden Fasern nötig ist. Erst während der kindlichen Entwicklung muss ein Zeitpunkt kommen, zu dem die Kernvermehrung das Längenwachstum der Faser überwiegt und zu dem dann eine Vermehrung der Kerne auf dem Querschnitte stattfinden kann. Wann dieser Zeitpunkt eintritt, müsste erst durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. Ich würde das bei dieser Arbeit selbst gerne getan haben, aber kindliches Untersuchungsmaterial von diesen Muskeln ist kaum zu erhalten. Vergleicht man ferner die „absolute Kernzahl“ bei den Embryonen und dem Neugeborenen mit der Fasergrösse, so ergibt sich zunächst, dass, während diese absolute Kernzahl bei allen dreien annähernd gleich war, die Fasergrössen von 15 qu auf 50 qu steigen (s. Tab. 1). In dem Verhältnisse der Kernzahl zu der Fasergrösse treten also dabei nicht unwesentliche Veränderungen auf. Diese treten am deutlichsten hervor in den Zahlen der folgenden Tab. 7. Im dieser sind die „Kernfaserzahlen“ zusammengestellt. Ich erhalte diese, wenn ich die „absoluten Kernzahlen“ dividiere in die durchschnittliche Quer- schnittsgrösse der Fasern. Als Resultat erhalte ich dann eine Zahl, die mir angibt, auf wieviel Quadratmikra durchschnittlich ein Kern entfällt. Je grösser die Kernfaserzahlen also sind, umso weniger Kerne sind in den Fasern enthalten. Aus dieser Tab. 7 ergibt sich nun, dass die Zahlen von dem fünfmonatigen Embryo bis zu dem Neugeborenen sich doch wesentlich ändern: bei dem fünfmonatigen Embryo entfällt ein Kern auf 62 qu, bei dem Neugeborenen auf 189 qu; der fünfmonatige Embryo hat also im Verhältnis zur Faserdicke ziemlich genau dreimal soviel Kerne als der Neugeborene, d. h. also, 328 P. Schiefferdecker: während die „absolute Kernzahl“ fast gleich geblieben ist, hat sich die Fasergrösse etwa verdreifacht. Die Kernfaserzahlen für die erwachsenen Deutschen betragen: 629, 592, 756, im Durchsehnitte 659; sie sind also um das 3,49fache, also um das 3!/afache, erösser als die des Neugeborenen. Trotzdem also, wie wir soeben gesehen haben, die „absolute Kernzahl“ beim Erwachsenen um das 2,58fache, also ungefähr um das 2!/efache, grösser war, sind doch infolge des starken Faserwachstumes im Verhältnis zur Faser- dicke die Kernzahlen um das 3V/efache geringer geworden, und das geht auch aus dem Unterschiede der Fasergrösse hervor, denn diese beträgt bei den drei erwachsenen Deutschen im Durchschnitte das Sfache der Fasergrösse des Neugeborenen. Die Zahlen für die Kernverhältnisse und Faserverhältnisse bei dem Embryo von 6—7 Monaten fallen hier nicht unwesentlich aus der Reihe heraus. Ich habe oben schon auseinandergesetzt, dass das Verhalten des Embryos zu dem von mir untersuchten Neugeborenen nicht recht stimmte; entweder zeigte der Embryo eine verhältnismässig zu starke Entwicklung oder der Neugeborene eine verhältnismässig zu schwache. Da ich nur diese beiden Exemplare zur Verfügung hatte, so konnte ich das durch weitere Vergleiche nicht feststellen. Bei dem Chinesen ist die Kernzahl etwas höher; die durchschnittliche Kernzahl der Deutschen verhält sich zu der des Chinesen wie 1:1,16, sie ist bei dem Chinesen also um etwa ein Sechstel grösser. Da die Fasergrösse des Chinesen mit der Durchschnittszahl für die Deutschen fast über- einstimmt (398 qu:402 qu, Tab. 1), so folet daraus, dass der Chinese etwas mehr Kerne im Verhältnis zur Faser- dicke besitzt als die Deutschen, und das geht auch aus der Kernfaserzahl klar hervor, die bei dem Chinesen 553 beträgt, bei den Deutschen im Durchschnitte 659. Wesentlich anders als der Masseter verhält sich der Ptery- soideus internus. Während der Masseter des Mannes A. eine Kernzahl von 0,66 aufweist, hat der Pterygoideus eine solche von 1,39, also mehr als das Doppelte. Dabei ist die Fasergrösse des Pterygoideus. nur um weniges bedeutender als die des Masseters. (467:415); das spricht sich dann auch in der Kernfaserzahl aus: Pterygoideus 336, Masseter 629, Verhältniszahl 1:1,87. Der Ptery- goideus steht in dieser Beziehung also fast doppelt so günstig wie der Masseter. m nn nn RZ Te 1 a nn 1 1 1 a Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 329 Der Temporalis der Frau J. hat eine „absolute Kernzahl“ von 0,39, der Masseter eine solche von 0,64, also fast die doppelte Kernmenge; vergleicht man aber die Faserdicke, so ändern sich die Verhältnisse durchaus: die Kernfaserzahl für den Temporalis beträgt 636, die für den entsprechenden Masseter 756, die Verhältniszahl ist 1:1,19; in diesem Verhältnisse steht der Temporalis günstiger da. Diese Betrachtungen lassen klarerkennen, wiever- schieden der Aufbau der hier untersuchten drei mensch- lichen Kaumuskeln ist. Was die tierischen Masseteren anbetrifit, so lassen die Kernfaserzahlen erkennen, dass die betreffenden Muskeln fast sämtlich ungünstiger stehen als die menschlichen Masseteren. Nur der Mandrill mit 635 und das Eichhörnchen mit 651 zeigen ähnliche Zahlen wie der Mensch (deutscher Durch- schnitt 659). Bei den übrigen Tieren (Hasenkaninchen 79%, Hund 834, Reh 891 und Katze 945) sind die Zahlen ungünstiger, d. h. ein Kern entfällt auf eine immer grössere Anzahl von Quadrat- mikra des Faserquerschnittes. Die Kernfaserzahlen geben mir demnach ein Bild von der Art der Verteilung der gesamten Kernmasse innerhalb der Faser. Wir haben oben gesehen, dass der Temporalis der Frau J. in bezug auf die Kernfaserzahl etwas günstiger dastand als der Masseter. Der Temporalis der hier untersuchten Tiere zeigt noch weit günstigere Verhältnisse im Vergleiche zu den ent- sprechenden Masseteren: Hund, Temporalis 457, Masseter 834, Ver- hältniszahl 1:1,83; Eichhörnehen, Temporalis 314, Masseter 651, Verhältniszahl 1:2,07. Es geht aus diesen Zahlen hervor, dass der Temporalis beim Menschen sowohl wie bei den Tieren in bezug auf die Verteilung der Kernmassen günstiger gestellt ist als der Masseter, dass das Verhältnis aber bei jedem Wesen ein anderes ist. Man würde hieraus wohl schliessen dürfen, dass auch in bezug auf die Funktionen des Temporalis und Masseters zueinander bei jedem Wesen andere Verhältnisse vorhanden sein werden. Welcher Art diese Verschiedenheiten sind, müsste durch physiologische Untersuchungen festgestellt werden. In den Jahren 1902—1904 habe ich zusammen mit Herrn Loescheke eine Untersuchung von weissen und roten Kaninchenmuskeln ausgeführt, 330 P. Schiefferdecker: die erst im Jahre 1909 veröffentlicht worden ist. Damals ist auch der Masseter eines Kaninchens untersucht worden. Es handelte sich damals, soweit ich mich dessen noch erinnere, um ein gewöhnliches kleines Kaninchen, wie solehe zu Untersuchungen in den Instituten immer verwendet wurden. Die Zahlen, die damals für den Masseter gefunden wurden, weichen nun so stark ab von denen, die jetzt für das Hasenkaninchen gefunden worden sind, dass man annehmen muss, dass diese beiden, scheinbar so nahe verwandten Tiere doch einen wesentlich verschiedenen Bau besessen haben. So haben wir damals eine „absolute Kernzahl“ von 2,44 gefunden, jetzt eine von 0,33, damals eine Kernfaserzahl von 350, jetzt eine solche von 799. Der „rote“ Masseter passte damals mit seinen Zahlen vollständig in die Reihe der roten Muskeln hinein, die sich von den „weissen“ Muskein sehr deutlich unterschieden. Die Zahlen, welche ich jetzt von dem Hasenkaninchen gefunden habe, sind so wesentlich andere, dass sie weder zu den roten noch zu den weissen Muskeln des damaligen Kaninchens passen würden (vgl. 2, S. 150 und 151, Tab. 26 und 27). Dieser grosse Unterschied zwischen den beiden Kaninchen ist sehr interessant und verdiente wohl, in weiteren Untersuchungen verfolgt zu werden. Es ergab sich damals, dass bei dem Kaninchen die „roten“ Muskeln weit kleinere Kernfaserzahlen aufwiesen als die „weissen“. Auch der Reetus oceuli superior des Menschen (2, S. 50, Tab. 8) wies Kernfaserzahlen auf, die verhältnismässig klein waren (zwischen 214 und 344), nur etwa halb so gross wie die hier für den Masseter gefundenen (659). Die Kernfaserzahlen des Zwerchfelles entsprachen dagegen (zwischen 461 und 584 bei den Deutschen) ganz gut denen des Masseters (3, S. 390, Tab. 6 und 7). . Es geht aus den eben gemachten Angaben wieder hervor, dass die Kernfaserzahlen sowohl für den be- treffenden Muskel wie für das betreffende Tier charak- “ teristisch sind. In Kolumne 2 der Tab. 6 finden wir die Zahlen für die Quer- scehnittsgrösse der Kerne zusammengestellt. Wir haben vorher gesehen, dass die absoluten Kernzahlen bei den Embryonen und dem Neugeborenen für den Masseter recht gut übereinstimmten; für die Kerngrösse ergibt sich demgegenüber ein fortschreitendes Wachs- tum: fünfmonatiger Embryo 7,ll qu, sechs- bis sieben- iv Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 33 monatiger Embryo 11,64 qu, Neugeborener 14,64 qu; der Kernquerschnitt des Neugeborenen ist also doppelt so gross wie der des fünfmonatigen Embryos. Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Vergleicht man mit diesen Zahlen die für die erwachsenen Deutschen, so zeigt sich, dass diese ziemlich gut untereinander übereinstimmen (4,32 qu; 4,23 qu; 5,41 qu; Durch- schnittszahl 4,65 qu). Der Kern des Neugeborenen ist demnach um das 3,15fache grösser als der des Erwachsenen. Ich bemerke hierzu noch besonders, dass es sich natürlich nur um das Grössenverhältnis der Kernquerschnitte handelt, nicht um das des ganzen Kernes. Die Kerne der Erwachsenen sind also sehr wesentlich kleiner als die des Neugeborenen; es muss demnach während der Kindheit eine starke Verkleinerung der Kerne, wahrscheinlich durch schnell aufeinander- folgende Teilungen, zu irgendeiner Zeit stattfinden. Es hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, dass dieser Vorgang in Verbindung steht mit jener starken Kernvermehrung, die, wie wir oben gesehen haben, zu einer Zeit der Kindheit eintreten muss, um die Vermehrung der Kerne auf dem Faserquerschnitte zu ermöglichen. Der Chinese hat für die Kerngrösse die Zahl 6,01 qu; diese ist um das 1,31 fache grösser als die Durchschnittszahl für die deutschen Erwachsenen (4,65), also eine nicht unwesentliche Vergrösserung. Es ist natürlich vorläufig die Frage, inwieweit diese Kernvergrösserung als eine individuelle oder als eine Rasseneigentümlichkeit anzusehen ist, vorläufig will ich nur die Tatsache feststellen. Sollte es sich um eine Rasseneigentümlichkeit handeln, so würde weiter zu erforschen sein, ob bei chinesischen Embryonen die Kerne ebenfalls entsprechend grösser sind oder ob bei derselben Grösse der embryonalen Kerne nur eine geringere Verkleinerung stattgefunden hat während der kind- lichen Entwicklung. Im letzteren Falle würde die bedeutendere Kerngrösse des Erwachsenen als ein Stehenbleiben auf eıner kind- lichen Entwicklungsstufe, also als Merkmal einer tieferen Entwicklungs- stufe anzusehen sein. Bei den tierischen Masseteren sind die Zahlen für die Kerngrössen, mit Ausnahme der des Hasenkaninchens, sämtlich grösser als die des Menschen. Da auch die Kernfaserzahlen grösser waren, so sprechen diese Beobachtungen für eine ungünstigere Ver- 332 P. Schiefferdecker: teilung der Kernmasse bei den Tieren gegenüber dem Menschen. Ich werde weiter unten, bei der Besprechung des Kernvolumens, noch hierauf zurückzukommen haben. Was den Pterygoideus internus und den Temporalis des Menschen anlangt, so stimmen die Zahlen für die Kernerössen dieser recht gut überein mit den Zahlen des Mas- seters, während bei der absoluten Kernzahl bekanntlich recht grosse Unterschiede vorhanden waren, die allerdings bei der Kernfaserzahl sich für den Temporalis fast ausglichen, während sie für den Ptery- goideus bestehen blieben. Ganz anders liegt die Sache bei den Tieren: sowohl beim Hunde wie bei dem Eichhörnchen ist der Kern- querschnitt des Masseters fast doppelt so gross (1,93 und 2,01) als der des Temporalis. Das ist also ein wesentlicher Unterschied gegen- über dem Menschen, dessen Bedeutung aber noch dunkel ist. Vergleichen wir die gefundenen Zahlen mit denen des Zwerch- felles (3, S. 390, Tab. 6), so zeigt sich, dass die Kerngrösse des fünfmonatigen Embryos auch bei dem Zwerchfelle wesentlich grösser war, etwa um das 2/2 fache, als die der Erwachsenen. Die Kern- grösse des Neugeborenen entsprach dagegen der des Erwachsenen fast völlig. Das Verhalten war also in dieser Beziehung ein ganz anderes wie bei dem Masseter. Ich habe oben schon bemerkt, dass ich damals zu dem Schlusse gekommen bin, dass das Zwerchfell des Neugeborenen schon ähnlich weit entwickelt war wie das des Erwachsenen, wohl aus dem Grunde, weil es von Geburt an gleich in ganz ähnlicher Weise tätig sein muss; für den Masseter liegt die Sache ja ganz anders. Also Einfluss der funktionellen Entwicklung auf die morphologische. Aus den Zahlen der Masseteren der Tiere geht weiter hervor, dass sowohl die Fleischfresser wie die Nager untereinander wesentlich verschieden sind, dass also eine Gruppenbildung nicht möglich ist. Auf die Zahlen für die „relative Fasergrösse“, die „relative Fasermasse* und die „absolute Kernmasse* will ich hier nicht weiter eingehen; es sind dies Hilfszahlen und Kontrollzahlen, die für die allgemeine Betrachtung weniger Wert haben. Sehr wichtig sind da- gegen die Zahlen für die „relative Kernmasse“ in der letzten Kolumne, welche über das prozentuale Verhältnis der Kernmasse zu der Fasermasse Auskunft geben. Aus diesen Zahlen geht zunächst hervor, dass die ‚relative Kernmasse“ bei dem fünfmonatigen Embryo ganz ausserordentlich Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 333 gross ist (11,220), und dass sie bis zum Neugeborenen hin schon erheblich abnimmt (7,70 °o), also eine Abnahme um das 0,69 fache. Der Embryo von 6—7 Monaten fällt hier wiederum aus der Reihe; ich habe darüber das Nötige schon oben gesagt. So stark dieser Abfall auch schon ist, so ist er doch noch verhältnismässig gering gegenüber dem, der von dem Neugeborenen während der kindlichen Entwicklung bis zu den Erwachsenen hin stattfindet (Zahlen für die erwachsenen Deutschen: 0,68; 0,72; 0,71; Durchschnittszahl also 0,70); denn dieser beträgt gegenüber dem Neugeborenen das 0,091 fache und gegenüber dem fünfmonatigen Embryo das 0,06fache, also etwa !/ıs. Der Masseter derEmbryonen und des Neugeborenen besitzt also eine ungemein grosse „relative Kernmasse“; dass er mit derselben „arbeitet“, kann man nicht sagen, denn auf dieser Ent- wicklungsstufe „arbeitet“ der Masseter überhaupt noch nicht; der Masseter des Erwachsenen arbeitet dagegen mit einer verhältnismässig recht kleinen Kernmasse, wenn man andere menschliche Muskeln mit ihm vergleicht. So lagen die Zahlen für das Zwerchfell der deutschen Erwachsenen zwischen 0,97 °/, und 1,34°/o (3, S. 390, Tab. 6). Die Zahlen für den menschlichen Reetus oeuli superior lagen sogar zwischen 2,34 und 4,17 %o, die Zahlen für den menschlichen Deltoides, Pectoralis major, Biceps und Serratus anterior zwischen 0,99 und 1,39°/o (2, S. 91, Tab. 17). Von diesen bisher untersuchten Muskeln hat also der Masseter bei weitem die kleinste „relative Kernmasse‘“. Der Chinese unterscheidet sich von den Deutschen in dieser Beziehung ziemlich erheblich, denn seine Zahl (1,09 °/o) ist um das 1,54fache grösser als die Durchschnittszahl der Deutschen (0,70 °o). Die tierischen Masseteren zeigen recht verschiedene Zahlen, die zwischen 0,63 und 1,43°/o schwanken. Dabei unterscheiden sich Hund und Katze sehr wesentlich (1,40 und 0,64°/o) und ebenso - Hasenkaninchen und Eichhörnchen (0,63 und 1,43 /o); merkwürdiger- weise ist der Unterschied in beiden Gruppen fast genau gleich gross. Deutung vorläufig unmöglich. Recht interessant ist das Verhalten des Pterygoideus in- ternus und des Temporalis. Der erstere hat eine relative Kern- masse von 1,48°/o und übertrifft dadurch die relative Kernmasse des entsprechenden Masseters (0,68) um das 2,18fache, also etwa um das 334 P. Schietferdecker: Doppelte. Die Zahl für den Temporalis ist dagegen genau die eleiche wie die für den Masseter (in beiden Fällen 0,71). Dem entspricht auch das Verhalten des Temporalis bei den Tieren: beim Hunde, Temporalis 1,330, Masseter 1,40%; bei dem Eich- hörnchen, Temporalis 1,48°%0, Masseter 1,43%. Die Zahlen stimmen also recht gut untereinander überein. Wenn der Tem- poralis mit dem Masseter sowohl beim Menschen wie bei den Tieren in dieser wichtigen Zahl so gut über- einstimmt, dann ist anzunehmen, dass er auch in bezug auf seine Funktionen in wesentlicher Hinsicht mit dem Masseter übereinstimmen wird. Ganz anders liegt die Sache bei dem Pterygoideus internus, dessen Zahl (1,48°/0) die Zahl des Masseters (0,71 °/o) um das 2,18fache übertrifft. Zwischen dem Pterygoideusinternus und dem Masseter muss also ein wesentlicher Unterschied be- stehen, auf den ja auch schon der anatomische Bau: der oben an- gegebene Reichtum an elastischen Fasern, gegenüber dem Masseter, der so gut wie gar keine elastischen Fasern besitzt, hindeutete. Welches der Grund für, diesen Unterschied ist, lässt sich vorläufig noch nicht sagen: der Grund kann einmal liegen in der phylogene- tischen Abstammung und Entwicklung des Pterygoideus internus oder in seiner Funktion, vielleicht auch in beidem. Hierüber würden weitere Untersuchungen Klarheit schaffen müssen. In Tab. 8 sind die Zahlen zusammengestellt, die sich durch die Ausmessung der „Kernlänge“ ergeben, ausser für diese selbst: die für das „Kernvolumen“ und die „Indexzahlen“ des Kernes. Was zunächst die menschlichen Masseteren anlangt, so erlauben die hier gefundenen Zahlen den Schluss, dass die Kernlänge in weitem Umfange konstant bleibt: die Maasse für die menschlichen Embryonen und den Neugeborenen stimmen ganz gut überein unter- einander und mit denen der Erwachsenen. Ob man in der leichten Abnahme der Grösse der Zahlen vom fünfmonatigen Embryo bis zum Neugeborenen hin (12,13 a; 11,39 a; 10,04 u) eine leichte, durch die Entwicklung bedingte Abnahme sehen darf, ober ob es sich nur um - zufällige individuelle Verschiedenheiten handelt, lässt sich vor- läufig nicht sagen. Jedenfalls stimmen die drei Erwachsenen mit ihren Zahlen recht gut untereinander überein (10,69; 9,69; 10,07; Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 335 dazu der Neugeborene mit 10,04 u), während der Chinese 12,49 u besitzt und damit fast übereinstimmt mit dem fünfmonatigen Embryo (12,13). Die Durchschnittszahl der drei erwachsenen Deutschen stimmt mit 10,15 « fast genau überein mit der Zahl des Neugeborenen (10,04 u). Die Kernlänge des Neugeborenen entspricht also jedenfalls schon genau der des Erwachsenen. Das Verhältnis der deutschen Durchschnittszahl zu der des Chinesen ist 1:1,24; die Zahl des Chinesen ist also ungefähr um ein Viertel grösser als beim Deutschen, Wir haben soeben gesehen, dass die Zahl für die relative Kernmasse bei dem Chinesen um das 1,54 fache grösser war als die Durchschnittszahl der Deutschen (1,09 /0:0,70°/o). Aus dem Vergleiche der beiden Verhältniszahlen- werte geht hervor, dass die grössere Zahl für die relative Kernmasse nicht nur auf der Steigerung der Kernlänge beruhen kann. Dasselbe gilt, nur noch in weit höherem Maasse, für den Kern des fünfmonatigen Embryos, bei dem die ungemein grosse relative Kernmasse (11,22 %/,) nur in sehr geringem Grade von der grösseren Kernlänge ab- hängen kann. Das Längenverhältnis des Kernes des Neugeborenen zu dem des fünfmonatigen Embryos ist 1:1,21. Wie ich oben schon bemerkt habe, lässt es sich vorläufig noch nicht sagen, ob dieser Unterschied auf der Entwicklung beruht oder ob er als ein zufälliger, individueller anzusehen ist. Dass die „Kernlänge“ ein sehr konstantes Maass darstellt, das schon beim Embryo die spätere Grösse besitzen kann, hat sich aus meinen bisherigen Muskelarbeiten deutlich heraus- gestellt. Andererseits babe ich nachweisen können, dass der Kern während der Entwicklung eine sehr bedeutende Grösse besitzt, die aber allerdings nicht durch die Kernlänge bedingt wird, sondern hauptsächlich durch die Querschnittsgrösse. Das trifft ja auch hier zu, wie Tab. 6 es uns gezeigt hat. Ich möchte also zunächst annehmen, dass die etwas grösseren Zahlen für die Kernlängen der beiden Embryonen nur auf individuelle Verschiedenheiten zurückzuführen sind. Nicht unwesentlich für diese eben besprochene Frage scheint mir auch zu sein, dass die Maxima für die Kernlänge bei den Embryonen, dem Neugeborenen und den beiden erwachsenen Männern recht gut übereinstimmen, wogegen die Frau J. eine wesentlich grössere Zahl aufweist. Diese fällt entschieden aus der Reihe heraus und ist vor- läufig nieht zu erklären. 330 P. Schiefferdecker: Die Zahlen für die „Kernlängen“ bei den tierischen Mas- seteren weichen voneinander nur sehr wenig ab und stimmen auch mit den Zahlen für die menschlichen Masseteren recht gut überein. Nur der Mandrill zeigt eine grössere Zahl, die von den übrigen stärker abweicht. . Diese Übereinstimmung ist bis zu einem gewissen Grade als zufällig anzusehen, da aus meinen bisherigen Arbeiten schon hervorgeht, dass die Kernlänge bei demselben Muskel verschiedener Wesen sehr wohl verschieden gross sein kann. Immerhin kann man aus den hier gefundenen Zahlen schliessen, dass eine Anzahl von Säugetieren für denselben Muskel sehr ähnliche Zahlen für die Kernlänge zu besitzen vermag. Die »Zahl für die Kernlänge des Pterygoideus internus stimmt mit der für den Masseter auch ziemlich gut überein, wenn- gleich sie ein wenig höher ist; ob sich für diese beiden Muskeln wirklich konstante Unterschiede ergeben würden, müssten erst weitere Untersuchungen lehren. Die Zahlen für die Kernlänge des Temporalis sind sowohl beim Menschen wie beim Tiere konstant etwas kleiner, so dass man doch wohl annehmen muss, dass zwischen Temporalis und Masseter ein solcher Unterschied wirklich vorhanden ist. Es scheint also zu- nächst, als ob in bezug auf die Kernlänge der Pterygoideus internus nach der einen Seite, der Temporalis nach der anderen Seite von dem Masseter abweichen. Eine, wie meine letzten Arbeiten ergeben haben, recht wichtige Grösse ist das „Kernvolumen“, auf welches ich jetzt näher ein- gehen will. Es wird gewonnen durch die Multiplikation der Zahlen für den Kernquerschnitt mit denen für die Kernlänge Da ich mir den Kernquerschnitt als einen Kreis denken kann, so würde ich bei dem eben genannten Verfahren den Kubikinhalt eines Zylinders bekommen. In Wirklichkeit entspricht der Kernquerschnitt in seiner Form weder einem Kreise noch der Gesamtkern einem Zylinder. Da aber die so ausserordentlich verschiedenen und von sonst be- kannten Körpern so abweichenden Formen der Kerne sich in ihrem Kubikinhalte gar nieht berechnen lassen würden, so muss man auf das von mir gewählte Mittel zurückgreifen. Meiner Meinung nach können die dabei entstehenden Fehler nicht so gross sein, dass sie bei einer Vergleichung der auf diese Weise gefundenen durchschnitt- lichen Kerngrössen irgendwie wesentlich ins Gewicht fallen. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 337 Die Zahlen für das Kernvolumen der drei erwachsenen Deutschen betragen: -46,22 ku; 40,99 ku und 54,64 ku; Durchschnitt 47,30 ku. - Diese Zahlen sind recht klein, wie man bei dem Vergleiche mit denen für andere menschliche Muskeln erkennt. So lagen die Zahlen für den Reetus oculi superior von vier Erwachsenen zwischen 93 und 107 ku, für zwei Deltoidei waren sie 93 und 96 ku, für zwei Levat. palpebrae superior 54 und 68 ku (2, S. 282 und 283), für sechs Zwerchfellmuskeln lagen sie zwischen 66,22 ku und 91,79 ku (3, S. 402, Tab. 8). Beim Herzen lagen die Zahlen sogar zwischen 194 und 303 ku (7, S. 529, Tab. 4). Die Kerne der mensch- lichen Masseteren sind also die kleinsten, die ich bis- her bei menschlichen Muskeln gefunden habe. Der Kern des Pterygoideus internus ist nur wenig grösser (59,00), der des Temporalis ist kleiner als .der entsprechende Masseterkern (43,00 ku: 54,64 ku); also auch diese Kerne sind wieder sehr klein. Es folgt daraus, dass die menschlichen Kaumuskeln die kleinsten Kerne von allen bisher untersuchten menschlichen Muskeln haben, und hieraus folgt weiter, dass die Kernmasse verhältnismässig fein in ihnen ver- teilt ist und daher stark und rasch wirksam sein kann. Wir haben oben gesehen, dass die Kaumuskeln des Menschen mit sehr geringer relativer Kernmasse arbeiten (mit Ausnahme des Ptery- goideus internus); auch die relative Kernmasse war die geringste, die ich bisher bei menschlichen Muskeln gefunden hatte. Aus den Zahlen für die Kerngrösse ersehen wir, dass diese geringe Kernmasse wenigstens fein verteilt ist und daher gut wirksam sein kann. Man würde hier- aus auf eine rasch einsetzende, intensive Tätigkeit der Muskeln schliessen können, was ja auch wohl der Wirklichkeit entspricht. In direktem Gegensatze zu den menschlichen Kaumuskeln würde der menschliche Herzmuskel stellen mit Kernen, die vier- bis sechsmal grösser sind, und mit einer relativen Kernmasse, die ebenfalls etwa fünfmal grösser ist. Ich habe aus den Zahlen für das Herz seinerzeit auf eine andauernde kräftige Tätigkeit ge- schlossen. Nun erlaubten die für das Herz gefundenen Zahlen, da eine ganze Reihe von menschlichen Herzen untersucht worden war, also auch miteinander verglichen werden konnte, zum ersten Male die Feststellung von gesetzmässigen Grössenunterschieden der Kerne, und 338 P. Schiefferdecker: nachdem beim Herzen dieser Nachweis gelungen war, konnte ich, auf .frühere Muskelarbeiten zurückgreifend, solche Unterschiede auch für andere menschliche Muskeln feststellen. Ich konnte infolgedessen Menschen mit „grossen“ und Menschen mit „kleinen“ Muskelkernen unterscheiden. Es waren zwischen diesen Kernen „grosse“ und „kleine* „Unterschiede“ vorhanden. Die „grossen“ deutete ich als das Erbteil zweier „Urrassen“, von denen die eine grosse, die andere kleine Kerne besessen habe ; die „kleinen“ waren nach meiner Ansicht als „individuelle“ Unterschiede innerhalb der beiden Urrassen anzusehen (7, 8. 592—540). Ich berechnete damals die Unterschiede in der Grösse in Prozenten der kleineren Zahlen und fand so, dass die individuellen Unterschiede etwa 13—14 betrugen, die Rassen- unterschiede dagegen 30—49°/o. Ich hob damals schon hervor, dass diese Zahlen sich sehr wahrscheinlich noch ändern würden, wenn weitere Muskeln untersucht werden würden. Das war ja selbst- verständlich, beruhten doch die gefundenen Zahlen nur auf wenigen untersuchten Muskeln. Infolge weiterer Überlegung bei Ausführung der vorliegenden Arbeit bin ich nun zu der Ansicht gekommen, dass es richtiger ist, die Prozentzahlen nicht wie in der vorigen Arbeit auf die kleinsten Zahlen zu beziehen, sondern die Durchschnitts- zahlen zu: berechnen und die prozentualen Abweichungen von diesen nach der positiven und der negativen Seite festzustellen. Schwanken doch die Werte in Wirklichkeit um ‘diese Durchschnittszahlen. Dass sich die Prozentzahlen mit jeden neu untersuchten Muskeln ändern können, ist ja ausserdem selbstverständlich; überhaupt sind weitere Änderungen fortwährend zu erwarten, stehe ich doch ganz im Anfange dieser so wichtigen Feststellungen. Wende ieh nun diese neue Art der Berechnung an, so ergeben die Zahlen für den Reetus oculi superior (2, $. 283, und 7, S. 535) bei einer Durchschnittszahl von 100: + 7%, — 7°o, + 3 lo, — 3%; der grösste Unterschied würde also 14°/o sein. Die Zahlen des Zwerchfelles (3, S. 402, Tab. 8, und 7, S. 536) ergeben die Durehschnittszahl 71 und die folgenden prozentualen Unterschiede: + 3%, — 8%, — 2%, 0%, + 6%; der grösste Unterschied ist also wieder 14°/o. Der Durchschnittszahl 71 steht hier weiter gegen- über die Zahl 92. Ich habe diese Zahl als eine „urrassig grosskernige“ aufgefasst, da der Unterschied gegenüber den anderen Zahlen un- gewöhnlich gross war; er betrug 300. Leider steht diese Zahl hier = ——— rl Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 339 sanz allein. Beim Herzen liessen sich nun zwei längere Reihen feststellen; einmal die Reihe der kleinen Zahlen: Durchschnitt 185, prozentuale Abweichungen: + 5 lo, — 8°lo, — 5°, + 6/0, grösster Unterschied wieder 14°/o; zweitens die Reihe der grossen Zahlen: Durchschnitt 262, prozentuale Abweichungen: — 15°, — 14°/o, + 16 %/0, — 4 lo, + 13 %o, grösster Unterschied 31/0. (7, S.536). Bei der Berechnung der Unterschiede in der grossen Zahlenreihe ist mir nun bei der Herzarbeit ein Rechenfehler unterlaufen oder auch viel- leicht ein Schreibfehler, ich weiss das nicht genau; ich habe jedenfalls statt der Zahl 1,33 die Zahl 1,13 verwandt. Dadurch bin ich damals zu der Feststellung eines grössten Unterschiedes von 13 %/o gekommen, während derselbe bei der richtigen Berechnung nach meiner damaligen Rechnungsweise 33 °/o betrug, nach meiner jetzigen 310. Aus dieser Zahl würde folgen, dass die „individuellen“ Unterschiede nicht nur, wie ich damals annahm, 13—14/o betragen können, sondern bis zu 31°/o steigen können. Diese 31°o würden zunächst für das Herz gelten; ich führe dies ausdrücklich an, da ich nach meinen jetzigen Erfahrungen es für möglich oder vielleicht sogar für wahrscheinlich halte, dass die Unterschiede bei den verschiedenen Muskeln verschieden hoch sind. Die Reihe der „kleinkernigen“* Zahlen war beim Herzen: 194; 172; 177; 196; die letzte Zahl gehörte einem Neger an, die übrigen Deutschen. Lasse ich bei der Berechnung die Negerzahl fort, so er- halte ich die Durchschnittszahl 181 (gegenüber 185) und die Prozent- zahlen: + 7%, — 5°, — 2°, grösster Unterschied 12%; die Abweichung von den früheren Zahlen ist also nur unbedeutend. Die „grosskernigen“ Zahlen waren: 227; 230; 303; 253; 296; die letzte gehörte einem Chinesen an. Lasse ich diese fort, so erhalte ich die. Durehschnittszahl 253 und die Prozentzahlen: — 12%, — 10%, + 20°%0, 0°o; der erösste Unterschied beträgt also 32°. Diese Zahl würde dann für die Deutschen unter sich gelten. Vergleiche ich die Durehschnittszahlen der beiden für die Deutschen allein geltenden Reihen miteinander, so erhalte ich einen Unterschied von 40 °/o; ver- gleiche ich die Reihen mit Einschluss der beiden Exoten, so erhalte ich einen Unterschied von 41°o. Der Unterschied in den beiden Fällen ist also sehr gering und daher unwesentlich. Vergleiche ich die Zahl des „kleinkernigen“ Negers mit der des „grosskernigen“ Chinesen, so erhalte ich 51°. Die „urrassigen“ Zahlen: 40, 41 und Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 23 340 P. Schiefferdecker: 51/0 sind also immerhin noch wesentlich grösser als die „individuellen“ Zahlen; aber der Unterschied ist jetzt nicht mehr so gross, wie ich ihn nach meiner Herzarbeit angenommen hatte. Nach den eben gemachten Angaben würden die Zahlen in meiner Herz- arbeit zu korrigieren sein. Wie verhalten sich nun die Zahlen in der vorliegenden Kaumuskelarbeit? Die Masseterzahlen der Deutschen sind 46,22 und 54,64, Durchschnitt 50,43; prozentuale Abweichungen: — 100, + 8%o, Unterschied 18°o. Nimmt man noch die Zahl des Mannes mit dem polnischen Namen hinzu (40,99), so erhält man die Durchsehnittszahl 47,30 und die prozentualen Abweichungen: + 15 °Jo, — 2%, — 15 lo, grösster Unterschied 30%. Es ist nun bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse gar nicht zu beurteilen, ob man die Zahl des Polen denen der Deutschen gleichstellen darf. Man weiss janochgarnichtsdarüber, wasin den europäischen Völkerndarinsteckt; allesdassolljaerst gefunden werden. . Ich berechne die Zablen daher hier auch in mehrfacher Weise. Der in dieser Arbeit behandelte Chinese ist derselbe, dessen Herz ich schon untersucht habe. Er zeigt sich auch bei den Kaumuskeln als „grosskerniger“ Mensch mit der Zahl 75,12 ku. Vergleiche ich diese Zahl mit der Durchschnittszahl der Deutschen (50,43), so ist die des Chinesen um 50/0 grösser; vergleiche ich sie mit der Durchschnitts- zahl aus den drei Muskeln inklus. des Polen (47,30), so erhalte ich 539 °/o. Während der Unterschied des Chinesen gegenüber den Deutschen beim Herzen also 64°/o betrug, ist er hier 50°%o, also erheblich ge- ringer, oder 59°, wenn der Pole hinzutritt. Im letzteren Falle würde der Unterschied zwischen Herz und Kaumuskel ja allerdings nur ge- ring sein (59 und 64°/o), im ersteren Falle aber doch ziemlich er- heblich (50 und 64°/o). Leider konnte ich den in meiner Herzarbeit untersuchten kleinkernigen Neger bei dieser Arbeit nicht benutzen, da ich von ihm keine Kaumuskeln erhalten hatte. Man ersieht aus den eben gemachten Angaben, wie nötig es ist, noch weitere Menschen zu untersuchen, um das Vergleichsmaterial zu vergrössern und zu mehr gesicherten Zahlen zu gelangen. Ich bin dabei, solches Material zu sammeln; aber es ist schwer erhältlich, und seine Untersuchung ist äusserst mühsam und langdauernd. Aus dem Besprochenen folgt, dass auch bei den Kaumuskeln sich die individuellen Unterschiede der Kerngrösse sowohl wie die ur- rassigen nachweisen lassen. Derselbe Mensch, der beim Herzen sich nn Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 341 als „grosskernig“ erwiesen hat, zeigt sich auch hier wieder so. Wie ich das in meiner Herzarbeit angenommen habe, kommt diese Eigen- schaft voraussichtlich nicht nur allen Muskeln zu, sondern auch sämt- lichen Organen. Das habe ich allerdings noch nicht beweisen können. Es hat sich weiter gezeigt, dass in Korrektur meiner Herzarbeit die „individuellen“ Unterschiede grösser sein können, als ich damals an- genommen habe. Weiter erscheint es jetzt aber auch möglich, dass auch die in Deutschland vereinigten Völkerschaften, so zum Beispiel die Polen, sich wieder von den eigentlichen Deutschen in bezug auf diese Kernmaasse unterscheiden. Hierdurch wird natürlich die Be- schaffung eines einigermaassen gleichförmigen Untersuchungsmateriales ausserordentlich erschwert. Man tappt dabei im dunkeln herum. Wieviel Blutmischung gibt es jetzt nicht in allen Ländern! Jedenfalls folgt hieraus, dass es nötig ist, möglichst viel Menschenmaterial aus den verschiedenen Gegenden auf diese Kernfaserverhältnisse hin zu untersuchen, um so allmählich zu einer festeren Grundlage zu kommen. Der Gegenstand ist wichtig genug, um solche Mühe zu rechtfertigen. Ich bin, wie schon bemerkt, dabei, solches Material zu sammeln; aber dieses Sammeln ist recht schwierig, und ebenso schwierig und un- semein mühevoll ist nachher die Untersuchung dieses Materiales. Ich halte es für durchaus möglich, dass auch das Material für meine Herzuntersuchung nicht homogen genug gewesen ist, und dass sich daraus die in einem Falle auftretende so starke individuelle Ab- weichung erklärt. Bei der Sammlung des Herzmateriales ist auf eine solche Gleichförmigkeit keine Rücksicht genommen worden, da die jetzt von mir gefundenen sehr merkwürdigen Tatsachen damals noch unbekannt waren. Aber auch jetzt würde es gar nicht möglich sein, die Gleichförmigkeit eines Materiales auch nur einigermaassen zu be- urteilen, da man nicht wissen kann, ob und wieviel fremdes Blut in den einzelnen Menschen drinsteckt. Es wird sich also immer nur um eine ungefähre Gleichförmigkeit handeln können. Ich halte es aber doch für möglich, auf diese Weise Näheres über die Elemente herauszubekommen, welche unsere heutigen Völker zusammensetzen. Vorläufig er- scheint es mir als sehr wesentlich, dass meinein der Herzarbeit gemachten Annahmen durch dievorliegende Arbeit bestätigt und in etwas korrigiert worden sind, und dass ich auf die Wichtigkeit der Verschiedenheit auch der europäischen Völker aufmerksam geworden bin. Nun heisst es, in weiteren Arbeiten weiter vorwärts zu kommen! 23 * 342 P. Schiefferdecker: Sehr interessante Unterschiede ergeben sich bei dem Vergleiche der Zahlen für das Kernvolumen bei den Embryonen und dem Neugeborenen mit denen bei den Erwachsenen. Der Embryo von 5 Monaten hat ein Kernvolumen von 86 ku. Dieses ist um 71°%o grösser als die Durchschnittszahl für die erwachsenen Deutschen (50,45). Der Neugeborene hat die Zahl von 147,00 ku. Er übertrifft mit dieser den fünfmonatigen Embryo um 70°/o und den Durchschnitt der Erwachsenen um 191°/o (100:291, also fast um das Dreifache). Das sind ausserordentlich grosse Unterschiede. Da die Kernlänge vom fünfmonatigen Embryo bis zum Neugeborenen in unserem Falle etwas abnimmt, wird die Kernvergrösserung nur durch die Zunahme des Kernquerschnittes bewirkt. Die Kerne werden also erheblich dieker. Da der Durchschnitt der Kernlänge für die beiden Deutschen 10,38 u beträgt und also mit der des Neugeborenen (10,04 u) fast genau übereinstimmt, so ist die starke Verminderung des Volumens dureh die Kindheit bis zu dem Erwachsenen hin wieder nur auf die Abnahme der Grösse des Kernquerschnittes zurückzuführen; die Kerne werden also immer dünner. Das eben Besprochene stimmt sehr gut überein mit meinen früheren Beobachtungen, aus denen hervoreing, dass die Kernlänge während der Entwicklung ausserordentlich konstant bleibt, während der Kernquerschnitt leicht wechselt. Der Kernquerschnitt ist auch im erwachsenen Zustande leicht Veränderungen ausgesetzt, während auch dann wieder die Kern- länge sehr konstant bleibt und nur bei stärkeren Atrophien Ver- änderungen zeigt. Ef Da man diese Abnahme der Kerngrösse während der kindlichen Entwicklung doch wohl nur auf eine Kernvermehrung zurückführen kann, bei der die jedesmal neugebildeten Kerne nicht mehr die frühere Grösse erreichen, und da Teilungen der Muskelkerne nach den bis- herigen Kenntnissen niemals der Länge nach, sondern nur der Quere nach vor sich gehen, so muss man annehmen, dass die durch Quer- teilung gebildeten neuen, kurzen Kerne allmählich wieder zu der alten ı Länge auswachsen, dabei aber die alte Dieke nicht wieder erreichen. , Ein sehr merkwürdiges Verhalten, dessen Ursachen noch ganz dunkel! sind, wie so vieles in der Zellehre. Es würde sehr wünschenswert sein, bei Kindern diese Kern- umwandlungen zu verfolgen. Es würde aber sehr schwer sein, das hierzu nötige Material zu erhalten. ee ERRARE In a re a m en Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 343 Die Zahlen für die tierischen Masseteren sind sehr ver- schieden. Merkwürdig sind die grossen Gegensätze zwischen Hund und Katze und zwischen Hasenkaninchen und Eichhörnchen. Irgend- welche Gruppenähnlichkeit ist also jedenfalls nicht vorhanden. Während das Volumen des Pterygoideus etwas grösser ist als das des entsprechenden Masseters, ist das des Temporalis etwas kleiner. Weit grösser ist der Unterschied zwischen den beiden Temporales der Tiere und den entsprechenden Masseteren. So Hund 62:144 und Eichhörnchen 48:111. Jedenfalls stimmen die Temporales bei Tier und Mensch darin überein, dass ihre Kerne kleiner sind als die der entsprechenden Masseteren; es scheint dies eine charakteristische Eigentümlich- keit zu sein. Es wird also auch- durch diese Arbeit wieder be- stätiet, dass das Kernvolumen eine für den betreffenden Muskel spezifische Grösse ist. | In der letzten Kolumne der Tab. 8 sind die „Indexzahlen* der Kerne angegeben. Diese erhalte ich so, dass ich den Durchmesser des als Kreis gedachten Kernquerschnittes dividiere in die Zahl für die Kernlänge. Je grösser also diese Zahlen sind, um so länger und dünner ist der Kern, je kleiner sie sind, um so kürzer und dicker. Ich habe diese Zahlen der Deutlichkeit halber in der Kolumne als Verhältniszahlen geschrieben, also zum Beispiel 1:4,04, werde sie aber bei der Besprechung im Texte der Kürze wegen als einfache Zahlen gebrauchen, also in diesem Falle: 4,04. Wie man sieht, stimmen die Zahlen für die Masseteren der Erwachsenen ganz gut überein: 4,45; 4,14 und 3,85; Durchschnitt 4,14. Auch die Zahl des Chinesen (4,46) stimmt gut dazu. Die Zahl des fünf- monatigen Embryos (4,04) liegt auch in der Breite dieser Zahlen; dagegen weichen die Zahlen für den sechs- bis siebenmonatigen Embryo und den Neugeborenen (2,99 und 2,39) erheblich ab; diese Kerne sind viel dicker. Das stimmt überein mit dem, was ich oben besprochen habe: diese so ungemein grossen Kerne zeichneten sich durch den erossen Querschnitt aus, während ihre Länge mit der der späteren Kerne übereinstimmte. Diese eigenartig dicke Kernform gehört also augenscheinlich einem ganz be- stimmten Entwicklungsstadium des Muskels an, nach- dem vorher die Kernform der der erwachsenen Kerne ganz ähnlich gewesen war. Das ist sehr interessant. Es scheint 344 P. Schiefferdecker: dieses Entwicklungsstadium ein Vorbereitungsstadium zu sein für die kindliche Entwicklung, bei der augenscheinlich eine schnelle Kern- vermehrung einsetzt. Es würde dies wieder für das sprechen, was ich schon früher hervorgehoben habe, dass die Bildung der Kern- masse der der Fasermasse vorausgeht. Diese Beobachtung habe ich schon bei meinen früheren Muskelarbeiten gemacht und sie in der zweiten!) besonders hervorgehoben. Dabei wird dann augen- scheinlich die Vermehrung der Kernmasse in der Weise bewirkt, dass zunächst die vorhandenen Kerne stark wachsen, und dass dann erst durch Teilung dieser eine gleichmässigere Verteilung der vermehrten Kernmasse über die Faser hin stattfindet. Es ist dies eine sehr eigen- tümliche Form der Kernmassenvermehrung, aber allerdings vielleicht die einfachste. Aus welchem Grunde wachsen nun aber zu bestimmten Zeiten die Kerne so stark, und aus welchem Grunde tritt dann zu einer anderen Zeit ein ziemlich schneller Zerfall resp. eine schnelle Teilung dieser grossen Kerne ein, wobei sie, wie wir oben schon ge- sehen haben, auf die alte Länge auswachsen, aber dünner bleiben? Was die tierischen Masseteren anlangt, so hat der Man- drill (5,06) eine deutlich grössere Zahl, also längere und dünnere Kerne; die übrigen Masseteren haben kleinere Zahlen; nur der des Hasenkaninchens hat Kerne, die den menschlichen entsprechen. Der Pterygoideus hat ein wenig längere, die Temporales haben ein wenig kürzere Kerne als die Masseteren; die Unterschiede sind aber nur gering. | Aus meinen früheren Muskelarbeiten hat sich ergeben, dass die „weissen“ Muskeln (so des Kaninchens, der Karausche) durchschnitt- lich hohe „Indexzahlen“ besitzen, die „roten“ niedrigere. So fand ich für die „weissen“ Muskeln des Kaninchens die Zahlen 6,09—8,11, für die der Karausche 6,96—7,67; für die „roten“ Muskeln des Kaninchens 3,17—5,49, für die der Karausche 2,25—3,50. Hier- nach würden die Zahlen der Kaumuskeln entschieden denen der roten Muskeln entsprechen. Auch andere Eigen- tümlichkeiten dieser Muskeln sprachen ja für eine Ähnlichkeit mit den roten Muskeln. Zu diesen würden übrigens auch die sonstigen bisher von mir untersuchten menschlichen Muskeln den „Indexzahlen“ nach gehören: Rectus oculi superior 2,98—3,37, Deltoides) 1) a. a. O0. S. 265. wi — en nn — ——e a en — u a Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 345 3,72—4,20. Die Kaumuskeln entsprechen also diesen Skelettmuskeln. Die Zahlen des menschlichen Zwerchfelles lagen zwischen 3,46 und 9,70, passen also auch noch dazu. Die Kerne des er- wachsenen menschlichen Herzens zeigten sehr kleine Zahlen (2,05— 2,86); doch traten beim Herzen eigentümliche periodische Schwankungen auf, die auf besondere Wachstumsperioden während der Kindheit schliessen liessen. Ich verweise dieserhalb auf meine Herzarbeit!). Die Zahlen für die Embryonen und Neugeborenen haben sich bis jetzt recht verschieden verhalten. Der Deltoides eines viermonatigen Embryos wies auch eine sehr niedrige Zahl auf (2,86). Ich habe aus anderen Grössen schon in meinen bisherigen Arbeiten feststellen können, dass die Art der Entwicklung augen- scheinlich auch spezifisch ist ‘und daher bei ver- schiedenen Muskeln ganz verschieden verläuft. Meiner Meinung nach würde das zurückzuführen sein auf ererbte Eigen- tümliehkeiten, die vielleicht, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, mit der Funktion zusammenhängen. Nur glaube ich nicht, dass diese Eigentümlichkeiten sich einfach aus der jetzigen Funktion ableiten lassen; die Verhältnisse werden weit verwickelter liegen, denn sie werden zusammenhängen mit allen den verschiedenen Funktionen, die der betreffende Muskel im Verlaufe der phylogenetischen Entwicklung jemals besessen hat. Auch die Entstehung der Kernfaserverhältnisse, die ich hier untersuche, und überhaupt der gesamte Aufbau eines jeden Muskels werden ja als das Produkt seiner gesamten phylogenetischen Ent- wicklung anzusehen sein, wenn auch die derzeitige Funktion eine wesentliche Rolle spielen wird; denn diese ist natürlich’ direkt ab- hängig von dem jetzigen Baue. Nun, so liegt die Sache schliesslich ja überhaupt bei jedem Organe. In Tabelle 9 sind in der ersten Kolumne die „modifizierten Kernzahlen“ angegeben. Einen absoluten Wert besitzen diese nieht, nur einen relativen für die miteinander verglichenen Muskeln. Sie werden von den gefundenen „absoluten Kernzahlen“ um so mehr abweichen, je grösser die Verschiedenheiten in der Kernlänge der mit- 1) Schiefferdecker, Paul, Untersuchung des menschlichen Herzens in verschiedenen Lebensaltern in bezug auf die Grössenverhältnisse der Fasern und Kerne. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 165 S. 499—564a. 1916. 346 P. Schietferdecker: einander verglichenen Muskeln sind. Um diese Abweichungen zu finden, muss man die Zahlen vergleichen mit den Zahlen in der ersten Kolumne der Tabelle 6. An sich haben diese modifizierten Kernzahlen keine grosse Bedeutung, wenn sie auch ein riehtigeres Bild von der Kernverteilung ergeben; sie dienen aber als Grundlage für die Bestimmung der „Gesamtkernmasse“, einer Grösse, die wenigstens unter Umständen wichtigere Vergleiche erlaubt. Sie gibt mir an, wieviel Kernmasse in entsprechenden Abschnitten der mit- einander verglichenen Muskelfasern vorhanden ist. Sie ist also auch nur eine „relative“ Grösse, gerade so wie die modifizierte Kernzahl, auf der sie sich aufbaut. Immerhin sind die Zahlen für die „Ge- samtkernmasse“ geeignet, manche aus den früheren Tabellen ge- wonnenen Anschauungen zu kontrollieren und eventuell zu verbessern. Gewonnen sind die Zahlen so, dass ich die modifizierte Kernzahl multipliziere mit der Zahl für das Kernvolumen. Die Fasergrösse ist bei ihnen also nicht berücksichtigt. Wir können aus diesen Zahlen ersehen, dass die Gesamtkernmasse des fünfmonatigen Embryos (18) geringer ist als die der Erwachsenen (Durchschnitt 30, wenn ich alle drei berücksichtige, 33, wenn ich den Polen fortlasse)” Auch die Zahl des sechs- bis siebenmonatigen Embryos (25) ist noch kleiner, wenngleich schon erheblich grösser geworden; die Zahl für den Neugeborenen ist aber wesentlich grösser (41) als die der Erwachsenen, obgleich also die Fasern des Neugeborenen weit kleiner sind, ist die Gesamtkernmasse grösser. Daher denn auch die ausserordentlich hohe Zahl für die „relative Kernmasse“ (Tab. 6). Der Chinese zeigt eine wesentlich höhere Zahl als die Deutschen (46). Die Zahlen für die tierischen Masseteren sind sämtlich wesent- lich höher. Ob die Zahl des Chinesen als „Rassenzahl“ gecenüber den Deutschen aufzufassen ist, muss natürlich vorläufig zweifelhaft bleiben. Um das festzustellen, müssten noch erst weitere und aus- gedehntere Untersuchungen vorgenommen werden. Vorläufig kann ich nur auf die hier gemachte Beobachtung hinweisen. Wenn die Tiere sämtlich höhere Zahlen aufweisen als die Deutschen, und wenn der Chinese das auch tut, so könnte man ja an eine höhere Differen- zierung der deutschen Muskeln denken und damit an eine tiefere Stellung des Chinesen; aber das ist vorläufig nur eine von mehreren verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten. Der Pterygoideus hat eine wesentlich höhere Zahl als der Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 347 entsprechende Masseter; die drei Temporales dagegen zeigen wesentlich niedrigere Zahlen. Ich haben oben schon auf diese Unter- schiede aufmerksam gemacht; dieselben treten bei diesen Zahlen be- sonders deutlich hervor. Jedenfalls bestehen also deutliche Unter- schiede zwischen den drei Kaumuskeln, die man aber zurzeit noch nicht zu deuten vermag. Für solche Unterschiede sprach ja auch schon der automatische Bau. Nach dem Gesagten unterscheiden sich die hier untersuchten drei menschlichen Kaumuskeln deutlich von den tierischen und sind auch wieder untereinander deutlich verschieden. Physiologisch scheint über die Kaumuskeln und über das Kauen des Menschen wenig bekannt zu sein; wenigstens habe ich in dem grossen Hand- buche der Physiologie von Nagel nichts gefunden und in dem Lehr- buche von Tigerstedt auch nur sehr wenig. Er sagt auf S. 338 und 339: „Die Zähne wie auch die Art der Unterkieferbewegungen stehen mit der Art der Nahrung in einem unverkennbaren Zusammenhange, wenn es sich um Tiere handelt, deren natürliche Nahrung exklusiv animalisch oder exklusiv vegetabilisch ist. Peim Menschen bieten die Zähne und die Kieferbewegungen keine in dieser Hinsicht ausgeprägten charakteristischen Merkmale, was ohne Zweifel damit zusammenhänst, dass er in der Tat ein Geschöpf ist, das unter Beihilfe der Kochkunst mit den verschiedensten Nahrungsmitteln auskommen kann. Das rohe Fleisch kann von den Zähnen des Menschen nicht bewältigt werden; . wenn es aber gekocht oder gebraten wird, wodurch das die Muskelfasern zusammenhaltende Bindegewebe gelockert wird. macht das Kauen des- selben keine Schwierigkeiten. Ebenso werden die sonst von den menschlichen Verdauungswerkzeugen nicht angreifbaren Getreidesamen durch das Kochen oder das Brotbacken zur Nahrung des Menschen geeignet. Unter allen in der Natur vorkommenden Nahrungsmitteln, die überhaupt den höheren Tieren zugänglich sind, können eigentlich nur das Gras und das Heu den Menschen nicht als Speise dienen.“ Die dem Menschen eigene seitliche Bewegung des Unterkiefers, welche durch das Heraufrücken des Geleukkopfes auf das Tuberkulum ermöglicht wird und die beim Menschen abwechseln kann mit der ein- fachen Scherenbewegung, wird hier nicht näher besprochen. Ist diese doppelte Art der Kaubewegung, welche. beliebig gewechselt werden kann, schon etwas dem Menschen Eigentümliches und von den Tieren Abweichendes, so bieten andererseits noch die rohen oder zubereiteten, Speisen den Kauwerkzeugen so wechselnde Widerstände, dass die Tätiekeit der Kaumuskeln eine ausserordentlich verschiedene sein muss. Diese Eigenart der Nahrung und ihrer Art der Zerkleinerung könnte 348 P. Schiefferdecker: also schon einen komplizierten Bau der menschlichen Kaumuskeln bis zu einem gewissen Grade erklären. Entsprechend den sehr verschieden ge- bauten Fasern, die seine Kaumuskeln zusammensetzen, wird der Mensch in der Lage sein, mit weit mehr Modifikationen zu kauen als’ das roh zubeissende Tier. Da das Kochen der Nahrung sowie überhaupt die ganze Zubereitung der Speisen dem Menschen erst möglich war, als sein Ge- hirn eine Ausbildung erfahren hatte, die weit über der des Tieres stand, so muss man annehmen, dass die beschriebene Differenzierung der menschlichen Kaumuskeln erst eingetreten ist, als das Gehirn soweit entwickelt war. Das ist aber sicher erst zu einer Zeit geschehen, als der Mensch schon längst „Mensch“ war, d. h. zu einer Zeit, wo seine Vorfahren wahrscheinlich schon seit Jahrhunderttausenden oder Jahrmillionen ein so weit entwickeltes Gehirn besessen hatten, dass sie Werkzeuge herzustellen vermochten. Denn die ersten Spuren des Feuers findet man weit später als die ersten Spuren der Werkzeuge. In jenen fernen Zeiten, als das Feuer noch unbekannt war, müssen also die menschlichen Kauwerkzeuge noch in der Lage gewesen sein, auch rohes Fleisch zu zerkleinern, wahrscheinlich sogar noch sehr viel länger; denn auch zu der Zeit, da der Mensch das Feuer schon kannte, wird er sicher oft das Fleisch noch roh verzehrt haben. Wir finden ja an den Überresten des Menschen aus jenen fernen Zeiten auch noch die gewaltigen Kiefer, welche von ebenso gewaltigen Muskeln bewegt wurden; ich erinnere hier nur an den Heidelbergmenschen. Auch weit später noch, bei dem Neandertaler, finden wir stark aus- gebildete Kauwerkzeuge; aber von dieser Menschenart wissen wir, dass sie das Feuer schon kannte. Leider weiss man ja von dem Heidelberger Kiefer nichts Genaueres über die Bewegungsmöglichkeit desselben; man weiss nur, dass die Zahnformen schon den jetzigen entsprechen. Ausser der besonderen Art des Kauens kommt aber noch etwas anderes hinzu, was dem Menschen allein eigentümlich ist: die Sprache. Ich habe in dem Handbuche für Physiologie von Nagel und auch in dem Lehrbuche von Tigerstedt nichts darüber ge- funden, dass die Kaumuskein beim Sprechen in Betracht kommen. Es wird das wohl als etwas Selbstverständliches und in keiner Weise Wesentliches angesehen worden und infolgedessen nicht erwähnt worden sein. Mir scheint nun aber die Tätigkeit der Kaumuskeln beim Sprechen durchaus nicht so unwesentlich zu sein, denn diese ist eine Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 349 durchaus abweichende von der des Kauens und eine für das Sprechen sehr wichtige. Während beim Kauen die Zähne immer mit einer mehr oder weniger grossen Kraft aufeinandergepresst und dabei gegebenen- falls noch seitlich verschoben werden, sind die Bewegungen des Kiefers beim Sprechen derartig, dass die Zähne niemals in Berührung kommen, und dass die Bewegungen ausserordentlich fein abgestuft werden in bezug auf Ausgiebigkeit und Schnellickeit. Die Modifikationen dieser Kieferbewegungen beim Sprechen sind so zahlreich und so fein, dass es wenige andere Muskeln im Körper geben wird, die sie in solcher Weise auszuführen vermögen würden. Den massiven Kaumuskeln ge- rade würde man solch feine Bewegung von vornherein gar nicht zu- trauen. Können doch diese Muskeln durch Übung eine solche Kraft entwickeln, dass sie die Last von einem, auch zwei Menschen zu tragen imstande sind, wie man das ja bei Artisten häufig sieht. Dass Muskeln, die einerseits eine solche Kraft zu entwickeln vermögen, welche ferner die gegebenenfalls sehr kräftigen und doch auch wieder sehr weit abstufbaren Kaubewegungen auszuführen haben, anderer- seits wieder die so feinen und in so verschiedenen Modifikationen auftretenden Sprechbewegungen ausführen müssen, einen sehr kompli- zierten Faserbau besitzen werden, ist von vornherein sehr verständ- lich. Es ist also nicht überraschend, wenn nachgewiesen werden kann, dass die menschlichen Kaumuskeln sich durch einen weit komplizierteren Aufbau von denen der Tiere scharf unterscheiden. Für die „Sprechtätigkeit“ wird wahrscheinlich auch das elastische Band im Pterygoideus internus im wesentlichen in Betracht kommen, vielleicht bei der Zusammenarbeit mit dem antagonistischen Genio- hyoideus. Wenn der Pterygoideus erschlafft, zusammen mit Masseter und Temporalis, so wirkt das Band weiter und lässt den Kiefer nicht plötzlich sinken, wirkt dabei dem Zuge des Geniohyoideus entgegen, aber doch nur so weit, dass die Bewegung des Kiefers feiner, sorg- fältiger geregelt wird. Ähnliches habe ich seinerzeit schon für die Augenmuskeln erörtert ?), bei denen die elastischen Fasermassen noch bedeutender waren. Sehr wünschenswert würde es jetzt sein, den Geniohyoideus nach meiner Methode zu untersuchen. Es möge mir hier gestattet sein, kurz auf eine Arbeit von Jel- gersma (1918) !*) einzugehen, in welcher er die besondere Ausbildung des Kleinhirns beim Menschen besprieht und den Einfluss, den hierauf die Sprache hat. Die Sprache ist, so sagt Jelgersma, die kompli- 350 P. Schietferdecker: zierteste Koordination, die überhaupt vorkommt. Bei etwas näherer Betrachtung ist sie unübersehbar kompliziert. Die kleinsten und am meisten zusammengesetzten Bewegungen folgen in geschwindester und in verschiedenster Reihenfolge und Kombination aufeinander. Das auffallendste dabei ist, dass wir von den einzelnen Bewegungen und von den Muskeln, die dabei in Funktion treten, subjektiv nichts wissen. Es scheint uns, als ob das Sprechen von selbst geht und als ob ein Willensimpuls für den Ablauf der Sprechbeweeungen genügte. Niehts geschieht aber von selbst und die Kontrolle der Sprech- bewegungen ist wohl da, sie entgeht aber unserer subjektiven Be- obachtung. Das Sprechen geht viel zu geschwinde, um eine Korrektion vom Gehöre aus möglich zu machen. Wir hören wohl, was von uns selbst und von anderen gesprochen wird, aber die Korrektion der Sprechbewegungen bei dem erwachsenen Menschen verläuft ganz ausserhalb des Bewusstseins. Für diese Korrektion bleibt nur ein Sinnesorean übrig: die Tiefensensibilität. Da aber die tiefen Gefühle ihre zentrale Endigung im Kleinhirne finden, so wird die Innervation der Sprechbewegungen zu einer cerebellaren Funktion. Grosse Redner brauchen nicht nur ein hochentwickeltes Broca’sches Zentrum, sondern für die richtige Koordination ihrer Sprechbewegungen auch ein fein ausgebildetes Cerebellum. Das Sprechen bleibt ziemlich normal, wenn Taubheit nach dem 12. Jahre eintritt. Stummheit tritt ein, wenn das Kind taub geboren ist oder Taubheit in früher Jugend entsteht. Das Gehör ist also hauptsächlich wichtig für die Erlernung des Sprechens. Es dient dabei auch zur Korrektion, später geht diese ganz über auf die Tiefensensibilität und entzieht sich damit dem Bewusstsein. Der cerebrale Prozess hat sich in einen cerebellaren verwandelt. Ein solcher Mechanismus beherrscht alle unsere höheren Koordinationen. Auf weitere Ausführungen von Jelgersma brauche ich hier nicht einzugehen. Dem von ihm Gesagten kann ich durchaus beistimmen. Wenn das Sprechen ziemlich normal bleibt, falls die Taubheit erst nach dem 12. Jahre eintritt, so wird man annehmen dürfen, dass um diese Zeit der komplizierte Bau der Kaumuskeln vollständig entwickelt ist, ausserdem sicher auch der gesamte, wesent- liche nervöse Apparat. Da ich kindliche Muskeln nicht untersuchen konnte, so ergänzt diese Angabe meine Untersuchung. Auch die Sprache ist in der Stammesentwicklung des Menschen sicher erst sehr spät aufgetreten, wahrscheinlich noch später als die Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 351 Benutzung des Feuers. Wenigstens, wenn man unter „Sprache“ nicht nur das Hervorstossen einiger Verständigungslaute, sondern ein wirk- liches Sprechen versteht. Zusammen mit diesen verschiedenen Stufen der Sprachenentwicklung wird sich ganz allmählich die Differenzierung der Kaumuskeln vollzogen haben. Man wird demgemäss annehmen müssen, dass eine solche allmähliche und immer mehr sich steigernde Differenzierung im Baue der Kaumuskeln eingetreten ist im engsten Zusammenhange mit der zunehmenden Ausbildung des Gehirnes des „Menschen“, d. h. jenes Wesens, das sich durch seine vorgeschrittene Gehirndifferenzierung von dem geistigen Standpunkte des „Tieres“ _ immer deutlicher unterschied. Diese Differenzierungen sind also phylogenetisch verhältnismäsig sehr spät eingetreten, und dem ent- spricht das, was ich schon mehrfach in dieser Arbeit hervorgehoben habe, dass sie auch ontogenetisch erst sehr spät auftreten: in der letzten Embryonalzeit beginnend, durch die Kindheit hin sich erst richtig entwickelnd. Wird das Gehirn des Kindes doch auch erst allmählich fähig, die Sprache zu bemeistern. Bei dem Vergleiche dieser Muskeldifferenzierungen mit den Veränderungen der Hautdrüsen während der Entwicklung, auf die ich vor kurzem in meiner Haut- drüsenarbeit!?) hingewiesen habe, ergibt sich, dass diese Drüsen- differenzierung zwar auch erst verhältnismässig spät während der Ontogenese deutlich wird, aber doch immerhin noch erheblich früher als die Muskeldifferenzierung. Es spricht dies wohl dafür, und das darf man ja wohl auch als wahrscheinlich annehmen, dass phylo- genetisch diese Drüsendifferenzierung zwar verhältnis- mässig auch recht spät, aber doch weit früher ein- getreten ist, als die Gehirnentwicklungsstufe erreicht wurde, welche für diese Differenzierung der Kaumuskeln durch die Nahrung und namentlich weiterhin durch die Sprache nötig war. So erlauben uns, wie mir scheint, diese Muskelarbeit und jene Hautarbeit Rückblicke in weit zurückliegende Zeiten der menschlichen Entwicklung. - Dass beim Sprechen auch noch andere Muskeln in Tätigkeit treten als die Kaumuskeln ist, selbstverständlich; für diese Arbeit aber kommen ja nur die Kaumuskeln in Betracht. Diese allmähliche Umbildung der Kaumuskeln scheint mir ein sehr klares Beispiel zu sein für die Vererbung erworbener Eigen- 352 P. Schiefferdecker: schaften. Erworbene Eigenschaften des Gehirns und der Muskeln müssen hier vererbt worden sein. Natürliche Auswahl und Anpassung haben hier, wie immer, zusammenwirken müssen, um die Ergebnisse zu zeitigen. Schon in meinem Neuronenbuche (1906)!) habe ich die Frage erörtert, wie man sich eine allmähliche Vervollkommnung des Gehirns vorzustellen habe. Ähnliches wird auch für die Muskeln gelten. Ist doch überhaupt die gesamte fortschreitende Entwicklung der Organismen nur denkbar durch eine solche Vererbung erworbener Eigenschaften. In dem Protoplasma des betreffenden Wesens, und damit aller Wesen, vermag immer nur die Fortbildungsmöglichkeit zu liegen; die eigentliche Fortbildung muss von aussen her angeregt werden, der Reiz muss von aussen her auf das Protoplasma einwirken. Die Einwirkung dieses Reizes wird verschieden stark und wirkungs- voll sein, je nach der Beschaffenheit des Körpers des betreffenden Wesens; insofern wird dabei auch eine natürliche Auswahl in Frage kommen. Das soeben Besprochene kann auch für die Frage von Wichtigkeit sein, warum der Masseter weit stärker differenziert erscheint als die anderen beiden Muskeln. Entweder muss der Masseter bei den hier in Frage kommenden Bewegungen weitaus stärker beteiligt sein als die anderen beiden Muskeln, oder sein Bau muss schon vor der Ein- wirkung der Ursache, welche die anderen beiden Muskeln verändert hat, nach dieser Richtung hin abgewichen sein, oder endlich der Mas- seter ist leichter umbildungsfähig gewesen als die beiden anderen Muskeln. Diese Fragen lassen sich vorläufig nicht beantworten. Zunächst müssten erst die Vorläufer der menschlichen Kaumuskeln, soweit man sie noch bei Tieren nachweisen kann, untersucht werden. Ich möchte auf diese Fragen nur die Aufmerksamkeit gelenkt haben. Unterscheiden sich die menschlichen Kaumuskeln von denen der Tiere sowohl durch ihren anatomischen Aufbau wie durch ihre Kern- faserverhältnisse sehr deutlich, so unterscheiden sich die tierischen von- einander hauptsächlich durch die letzteren. Hier sind die Unterschiede teilweise sogar recht starke. Sehr auffallend ist es dabei, dass solch starke Unterschiede sogar innerhalb derselben Ordnung sich finden, so bei den Fleischfressern zwischen Hund und Katze, so bei den Nagern 1) Schiefferdecker, Paul, Neuronen und Neuronenbahnen. VIII u. 323 S. Mit 30 Abb. i. Text. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1906. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 353 zwischen Eichhörnchen und Kaninchen. Meine Hoffnung, dass es möglich sein würde, durch die vorliegende Untersuchung aus dem verschiedenen Verhalten der Kaumuskeln bei den einzelnen Tieren Schlüsse auf die Bedeutung der verschiedenen Kernfaserverhältnisse zu ziehen, hat sich bisher insofern nicht erfüllt, als es nach den bis- herigsen Ergebnissen mir noch nicht möglich war, die Befunde zu deuten. Es sind bedeutende Unterschiede gefunden worden, die Tat- sachen sind festgelegt worden, aber eine Deutung war noch nicht möglich. Dazu wird es noch weiterer und wahrscheinlich recht um- fangreicher Untersuchungen bedürfen. Die Sache ist eben, wie es scheint, weit komplizierter, als ich gedacht habe. Wie ich das in vorstehendem besprochen habe, ist es augenscheinlich nicht nur die gegenwärtige Tätigkeit des Muskels, welche auf den Kernfaserbau des Muskels von Einfluss ist, sondern die verschiedenen Funktionen, welche der betreffende Muskel während der ganzen Phylogenese gehabt hat, haben ihm ihren Stempel aufgedrückt. Die verschiedenen Familien, welche wir jetzt zu einer Ordnung vereinigen, können ja aber früher wesentlich verschieden vonejnander gewesen sein; ihre Abstammung kann eine ganz andere sein, und diese Verschiedenheit wird sich dann auch in dem Muskelaufbaue ausdrücken müssen. Das ist ja einer der srossen Vorzüge meiner Untersuchungsmethode der Muskeln, dass sie Eigentümlichkeiten und damit Übereinstimmungen oder Verschieden- heiten im Baue der Muskeln aufzudecken vermag, die sonst in keiner Weise erkennbar sein würden. Sie gestattet somit ein weit tieferes Eindringen in die Bauverhältnisse und damit ein weit tieferes Ver- ‘“ ständnis dieser Verhältnisse. Nach dem, was ich soeben ausgeführt habe, würde sie also eventuell auch erlauben, wesentliche Schlüsse auf die Abstammung der Wesen zu ziehen. Damit könnte sie dann zu sanz neuen und sehr weit umfassenden Untersuchungen verwandt werden. Ich möchte hierdurch die Aufmerksamkeit auf diese Möglichkeit richten. Zusammenstellung der Ergebnisse. 1. In dem Aufbaue der Kaumuskeln tritt eine deutliche Ver- schiedenheit hervor zwischen den menschlichen und den tierischen Muskeln. Diese Verschiedenheit besteht darin, dass a) einmal beim Menschen sehr verschieden grosse Muskelfasern bunt durcheinander gewürfelt liegen, während bei den Tieren eine weit grössere Gleichmässiekeit herrscht; 354 P. Schiefferdecker: b) zweitens die Menge des Bindegewebes bei den menschlichen Muskeln weit grösser ist als bei den tierischen. Die Menge des Bindegewebes in einem Muskel ist aber wesentlich, da dieses Gewebe mit dem Muskelgewebe symbiotisch auf das engste verbunden ist. 2. Auch zwischen den Tiergruppen finden sich mehr oder weniger deutlich hervortretende Verschiedenheiten; so unterscheiden sich die beiden Nagetiere von den beiden Fleischfressern, auch der Mandrill zeigt Eigenheiten. Diese Unterschiede sind aber bei weitem nicht so gross wie die, welche zwischen dem Menschen und den hier unter- suchten Tieren im allgemeinen bestehen. 3. Die hier untersuchten drei Kaumuskeln des Menschen (Mas- seter, Pterygoideus internus, Temporalis) stammen nach den vor- liegenden Angaben von verschiedenen tierischen Muskeln ab. Der oben erwähnte Unterschied im Baue ist aber allen dreien gemeinsam, wenn auch am Masseter am stärksten ausgepräset. Mann kann daraus schliessen, dass er nicht von den tierischen Vorfahren her ererbt ist, sondern sich erst während der Entwicklung aus den tierischen Vor- fahren zum Menschen ausgebildet hat oder auch erst und zwar wahrscheinlich während der späteren menschlichen Weiterentwieklung. 4. Dieser eigenartige Bau der Kaumuskeln zeigt sich, nach Unter- suchungen am Masseter, in seinen ersten Anfängen schon in den letzten Embryonalmonaten, kommt zur deutlichen Entwicklung augen- scheinlich aber erst während der Kindheit, also recht spät. Man darf hieraus vielleicht schliessen, dass auch phylogenetisch die Umbildung resp. Differenzierung der Kaumuskeln erst spät begonnen hat. 5. Die Masseteren und Temporales des Menschen und der Tiere besitzen ausserordentlich wenig elastisches Gewebe. Nur an den ver- dickten Stellen der Septa zwischen den Bündeln, um die dort liegenden Blutgefässe herum, pflegen elastische Fasern aufzutreten. Diese haben für die Funktion des Muskels natürlich keine Bedeutung; diese letztere hängt also nur von den Muskelfasern ab. Sehr merkwürdig ist es unter diesen Umständen, dass der eine von mir untersuchte mensch- liche Pterygoideus internus recht reich an elastischen Fasern ist, die demnach für die Funktion des Muskels sicher auch von Bedeutung sein werden. Da die Tätigkeit dieses Muskels, seiner Lage nach zu urteilen, nun aber unmöglich so verschieden sein kann von der des Masseters, dass dieser so abweichende Bau daraus zu erklären wäre, so muss man annehmen, dass derselbe durch seine phylogenetische Su BENFERO E Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 355 Abstammung bedingt ist. Was den faktischen Unterschied in seiner Funktion anlangt, so würde ich annehmen, dass der Pterygoideus internus gleichzeitig ein elastisches Band darstellt, das zur Wirkung kommt, wenn die Muskelfasern erschlafft sind. Bei geschlossenem Munde soll der Unterkiefer nach den vorliegenden Angaben durch den Luftdruck in seiner Lage gehalten werden; vielleicht unterstützt das elastische Band des Pterygoideus diesen. Allein scheint es nicht stark genug zu sein, um den Kiefer zu halten, da dieser im Schlafe und Tode herabsinkt. Auf eine wichtige Funktion des Muskels werde ich weiter unten noch einzugehen haben. 6. Der Typus des Bindegewebsgerüstes der hier untersuchten menschlichen und tierischen Kaumuskeln entspricht dem, den ich in meinen früheren Arbeiten für die roten Muskeln festgestellt habe. Dieser Typus ist in seiner Anlage auch bei den Embryonen schon zu erkennen und tritt bei dem Neugeborenen schon deutlicher hervor. Der Typus des Bindegewebsgerüstes bei den Tieren entspricht zum Teile schon einigermaassen dem der erwachsenen Menschen, zum Teile “ aber noch mehr dem der embryonalen, unentwickelten menschlichen Muskeln. Die Tiere würden demnach als mehr oder weniger tiefer- stehend anzusehen sein. Es muss dies ja auch der Fall sein, da die menschlichen Kaumuskeln aus den tierischen durch weitere Differen- zierung entstanden sind. 7. Die Muskelkerne liegen sämtlich, bei allen hier untersuchten Muskeln von Mensch und Tier, randständig. Binnenständige Kerne sind sehr selten. Es entspricht das den bisher von mir gemachten Befunden bei gut ausgebildeten, höher stehenden Muskeln. 8. Die Querschnittsformen der Kerne wechseln stark zwischen fast kreisföormigen und langovalen mit allen Übergangsformen. Auf- fallend gross sind die Kerne der Embryonen (in Übereinstimmung mit meinen früheren Befunden) im vorliegenden Falle bis zum Neu- geborenen hin. Sie sind in dieser Zeit stets weit grösser als die Bindegewebskerne, während später beide Kernarten auf dem Quer- schnitte annähernd gleich gross erscheinen. In diesen grossen Muskel- kernen steckt eben der Vorrat an Energie, der nötig ist, um die Muskelfasern zu ihrer endlichen Grösse auswachsen zu lassen. Das Kernwachstum geht dem Faserwachstume voraus. 9. Kernreihen fanden sich im wesentlichen nur in den mensch- lichen erwachsenen Muskeln. Es stimmt dies überein mit meinen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 24 396 P. Schiefferdecker: j ‘ früher schon gemachten Beobachtungen, dass Kernreihen als der Aus- druck eines gestörten Muskeleleichgewichtes anzusehen sind. Dies Gleichgewicht wird beim Menschen durch die dem Tode vorangehende Krankheit gestört. 10. Was die Querschnittsgrösse der Fasern anlangt, so zeigte sich zwischen dem Masseter des Chinesen und denen der Deutschen kein Unterschied. Die Querschnitte der Erwächsenen waren etwa achtmal so gross als die des Neugeborenen. Die Fasern der tierischen Masseteren waren grösser als die der menschlichen, teilweise recht erheblich (menschlicher Durchschnitt 402 qu, Katze 1073 qu). Diese grössere Gleichartigkeit und grössere Dieke der tierischen Fasern sprechen für eine tiefere Stellung gegenüber den menschlichen Muskeln. Sehr charakteristisch für den Aufbau des Muskels ist das Ver- hältnis zwischen den Maxima und Minima bei Mensch und Tier. Während entsprechend den ausserordentlich verschiedenen Faser- grössen beim Masseter des Menschen das Maximum das 50—80 fache des Minimums beträgt, ist es bei den Tieren nur das 5—6 fache. Bei den Embryonen und dem Neugeborenen beträgt der Unterschied ebenfalls nur das 5—6fache, entspricht also dem Verhalten der Tiere. Wenn also die gesamte Anordnung der Fasern bei den Em- bryonen und dem Neugeborenen auch schon an die Verhältnisse beim Erwachsenen erinnert, so entspricht der Unterschied in der Faser- grösse doch noch dem .der Tiere. Man kann hieraus wieder schliessen, dass die so charakteristische spätere Faserdifferenzierung in dem Masseter :des Menschen erst während der kindlichen Entwicklung, also sehr spät, eintritt und gauleeamevadi a m spät ein- getreten ist. Der Mandrill stimmt durchaus überein mit den Tieren! zeigt also, obwohl Ostaffe, noch nichts von den Eigentümlichkeiten des Menschen. Diese menschliche Differenzierung kann also erst nach der Trennung vom Östaffenstamme begonnen haben. Bei Pterygoideus internus und Temporalis beträgt der Unterschied zwischen Maximum und Minimum nur etwa das 12fache und das 15 fache, also sehr viel weniger als bei dem Masseter (das 50—80 fache). Bei beiden Muskeln ist eine entsprechende Differenzierung also auch angebahnt, aber weit weniger vorgeschritten als bei dem Masseter. Die Art der Differenzierung entspricht also wohl zweifellos der Art des menschlichen Gebrauches der Kaumuskeln; der Grad der- Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 357 selben aber mag wohl noch bestimmt werden von früheren phylo- genetischen Verhältnissen. Der Temporalis des Menschen und der Tiere besitzt weit kleinere Fasern als die Masseteren, unterscheidet sich dadurch also scharf von jenem, während der Pterygoideus ähnlich dicke Fasern zeigt. 11. Aus den Gruppentabellen geht wieder deutlich hervor, Jass der Aufbau der menschlichen Kaumuskeln ein anderer ist als der der Tiere. Es wird deshalb auf den Text der Arbeit verwiesen. Es geht auch aus diesen Tabellen hervor, dass der Bau der menschlichen Kaumuskeln, namentlich der Masseteren, weit komplizierter ist als der der tierischen. Ferner tritt ein sehr deutlicher Unterschied hervor zwischen den Masseteren des Embryos von 6—7 Monaten und dem Neugeborenen einerseits und dem der Erwachsenen andererseits. 12. Aus den Gruppentabellen lässt sich weiter erschliessen, dass die für das Auswachsen der Muskelfasern nötigen Kernmassen sich zuerst bilden (wie ich das auch früher für andere Muskeln schon nach- weisen konnte), dass dann erst das Faserwachstum eintritt und dass dieses bei den dickeren Fasern über das Kernverhältnis der mittleren Fasern hinausgeht. Der menschliche erwachsene Masseter ist zusammen- gesetzt aus zahlreichen Fasergruppen von verschiedenem Baue und daher ein sehr kompliziert gebauter Muskel. Der Pterygoideus und Temporalis sind einfacher gebaut. 13. Die tierischen Masseteren unterscheiden sich ebenso wie die menschlichen in bezug auf ihre Kernfaserverhältnisse deutlich von den übrigen Skelettmuskeln. 14. Während bei den menschlichen Masseteren der Erwachsenen die Querschnittsgrösse des Kernes für die Fasern jeder Dieke dieselbe zu bleiben scheint, scheint bei dem Embryo von 6—7 Monaten und dem Neugeborenen eine verschieden starke Zunahme bei den dickeren Fasern einzutreten, ebenso bei den tierischen Masseteren. 15. Während der Entwicklung vom 5. Monate bis zum Neu- geborenen hin findet bei dem menschlichen Masseter augenscheinlich eine Kernvermehrung nur in dem Maasse statt, als für eine gleich- bleibende Versorgung der weiter in die Länge wachsenden Fasern nötig ist. Erst während der kindlichen Entwicklung muss ein Zeit- punkt kommen, an dem die Kernvermehrung das Längenwachstum der Faser überwiegt, so dass von da an eine Vermehrung der Kerne 24 * 358 P. Schiefferdecker: auf dem Querschnitte stattfinden kann. Dieser Zeitpunkt ist durch weitere Untersuchungen festzustellen. 16. Was die Verteilung der Kernmasse auf die Fasermasse,. nach dem Querschnitte berechnet, anlangt, so kommt bei dem Neugeborenen etwa die dreifache Anzahl von Quadratmikra der Fasermasse auf einen Kern als bei dem fünfmonatigen Embryo. Beim Erwachsenen entfällt etwa die 3!/efache Anzahl von Quadratmikra auf einen Kern wie beim Neugeborenen. Es bilden sich also während der Entwicklung recht bedeutende Unterschiede heraus. Was die tierischen Masseteren anlangt, so stehen mit Ausnahme des Mandrills und des Eichhörnchens, die dem Menschen etwa ent- sprechen, alle Tiere in dieser Hinsicht ungünstiger als der Mensch. Es entfällt bei ihnen mehr Fasersubstanz auf den Kern. Der Temporalis steht in dieser Hinsieht günstiger als der Mas- seter, und zwar bei Mensch und Tier. Noch günstiger verhält sich der Pterygoideus internus. ‚17. Die Querschnittsgrösse des Kernes nimmt von dem fünfmonatigen Embryo bis zum Neugeborenen um etwa das Doppelte zu. Anderer- seits ist die Querschnittsgrösse des Kernes des Erwachsenen um etwa das 3!/efache kleiner als die des Neugeborenen. Es muss demnach während der Kindheit eine starke Verkleinerung der Kerne, wahr- scheinlich durch schnell aufeinanderfolgende Teilungen, stattfinden. Wahrscheinlich steht dieser Vorgang in Verbindung mit der starken Kernvermehrung, die nach Nr. 15 zu einer Zeit der Kindheit ein- treten muss. , Da die Kerne in ihrer Länge während der Entwicklung un- verändert bleiben, sich aber stets der Quere nach teilen, so muss man annehmen, dass die so durch Teilung entstandenen neuen Kerne wieder zu ihrer bestimmten Länge auswachsen. Die Kernquerschnittsgrösse des Chinesen ist etwa um ein Drittel grösser als der Durchschnitt der Deutschen. Wieweit dies von Bedeutung ist, lässt sich vorläufig noch nicht sagen (s. Nr. 18); doch ist es wohl möglich, dass es als ein Rassenmerkmal anzusehen ist. Bei den tierischen Masseteren sind die Kernquerschnittsgrössen mit Ausnahme des Hasenkaninchens erheblich grösser als die mensch- lichen. 18. Sehr interessant und wichtig ist das Verhalten der „relativen Kernmasse“, d. h. der prozentualen Menge der Kernmasse im Ver- Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 359 hältnisse zu der Fasermasse. Sie ist bei dem fünfmonatigen Embryo ausserordentlich gross, nimmt bis zum Neugeborenen auf etwa zwei Drittel ab und von hier bis zum Erwachsenen auf etwa den elften Teil. Vergleicht man mit dem Masseter andere menschliche Muskeln, so zeigt sich, dass die relative Kernmasse desselben sehr klein ist, die kleinste bisher gefundene. Die relative Kernmasse des Chinesen ist etwa anderthalbmal so gross als die Durchschnittszahl der Deutschen. Der Unterschied ist so bedeutend, dass er wohl ein Rassenunterschied sein könnte. Die tierischen Masseteren haben zum Teil kleinere Zahlen als der. Mensch, zum Teil erheblich grössere. Die Zahlen entsprechen nicht den Tiergruppen (den Fleischfressern und Nagern), sondern zeigen in beiden Gruppen sehr grosse Unterschiede. 19. Wie ich das schon bei meinen früheren Muskelarbeiten fest- stellen konnte, stellt die Kernlänge auch bei dem Masseter während der Ertwiecklung bis zum Erwachsenen hin ein recht konstantes Maass dar. 20. Was das Kernvolumen, den Kubikinhalt der Kerne, anlangt, so sind die Kerne der menschlichen Masseteren kleiner als die aller sonst von mir bisher untersuchten menschlichen Muskeln. Die Kerne des Masseters stehen dabei in der Mitte, die des Temporalis sind kleiner, die des Pterygoideus internus grösser. Es folgt hieraus, dass die an sich geringe Kernmasse dieser Muskeln (sehr geringe relative Kernmasse) wenigstens fein verteilt ist, so dass sie infolgedessen rasch wirksam sein kann. Der Pterygoideus internus hat von den drei Muskeln die grösste relative Kernmasse und besitzt auch die grössten Kerne. In direktem Gegensatze zu den menschlichen Kaumuskeln würde der menschliche Herzmuskel stehen, mit Kernen, die vier- bis sechsmal grösser sind, und mit einer relativen Kernmasse, die etwa fünfmal grösser ist als die Maasse des Masseters. 21. Ich habe in meiner Herzarbeit die Ansicht ausgesprochen, dass die Unterschiede, die sich zwischen verschiedenen Menschen in bezug auf die Grösse des Kernvolumens finden, aufgefasst werden müssen als „individuelle* (die kleineren) und als „urrassige“ (die grösseren). Die ersteren lagen nach meinen damaligeu Befunden etwa bei 13—14°/o, die letzteren bei 30—64°/o der kleineren Zahl. Inzwischen hat sich nun herausgestellt, dass diese von mir damals 360 P. Schieftferdecker: aufgestellte Ansient auch durch die Untersuchung der Kaumuskeln be- stätigt wird, dass aber in einem Herzfalle und in einem Kaumuskel- falle der „individuellle“ Unterschied grösser ist als früher angenommen, dass er nämlich bis auf 30 und 32°/o steigen kann. Immerhin sind die „urrassigen“ Unterschiede noch grösser, denn sie liegen bis 64 °o herauf. Derselbe Chinese, der sich in meiner Herzarbeit als „ur- rassig grosskerniger“ Mensch erwies, zeigt sich bei der Kaumuskel- arbeit ebenso. | Ferner haben mich die neuen Beobachtungen zu der Vermutung geführt, dass die Grössenunterschiede bei den verschiedenen Muskeln verschieden gross sein können. Endlich bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es nötig ist, auch die europäischen Völker an einem reichen Materiale auf diese Kernverhältnisse .durchzuuntersuchen, da man bis jetzt absolut nicht weiss, was in ihnen von früheren Volks- und Rassentypen drinsteckt. | Für die Berechnung der Unterschiedszahlen selbst halte ich es jetzt für besser, nicht wie früher diese Zahlen als Prozente der kleineren Zahlen, sondern als Prozente der Durchschnittszahlen nach der posi- tiven und negativen Seite zu berechnen, da die Zahlen ja in Wahrheit um dieses Mittel schwanken. 22. Entsprechend dem unter Nr. 17 een ist das Kernvolumen des Neugeborenen fast dreimal so gross als das der beiden erwachsenen Deutschen (Durchschnittszahl). Das des fünfmonatigen Embryos ist um 71°/o grösser. Der Kern macht also ganz gewaltige Wandlungen durch im Laufe der Entwicklung. Diese Wandlungen werden bewirkt durch die Veränderlichkeit des Kernquerschnittes, welcher überhaupt das leicht veränderliche Moment im Kernaufbaue darstellt, wie ich das in meinen früheren a ee hervorzuheben Ge- legenheit gehabt habe. i 23. Bei den tierischen Masseteren ist das Kenyälunen sehr ver- schieden gross. Merkwürdigerweise finden sich in beiden Tiergruppen (Fleischfresser und Nager) sehr grosse Unterschiede, die zufällig fast gleich gross sind. Eine Gruppeneinteilung lässt sich nach dem Kern- volumen jedenfalls nicht vornehmen. : Wovon die Grösse desselben abhängt, ist noch dunkel. | 24. Die „Indexzahlen“ des Kernes (Dicke: Länge) lassen wieder hauptsächlich während der Entwicklung wichtige Veränderungen der Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. Se Kerne, der menschlichen Masseteren erkennen. Während die Zahl des -fünfmonatigen Embryos noch ganz gut übereinstimmt mit der Zahl für den Erwachsenen, weichen die Zahlen des sechs- bis siebenmonatigen 'Embryos und des Neugeborenen sehr wesentlich von ihr ab. Sie zeigen eine eigenartig dicke Kernform an, die also augenscheinlich einem ‚ganz. bestimmten Entwicklungsstadium des Muskels angehört: einem ‚Vorbereitungsstadium für die kindliche Entwicklung. Die Bildung ‚der Kernmasse geht der der Fasermasse vorauf. 25. Auch den „Indexzahlen“ nach entsprechen die Kaumuskeln den „roten“ Muskeln, wie das auch die übrigen bisher untersuchten menschlichen Muskeln tun. ‘ Die bisher untersuchten tierischen Kaumuskeln verhalten sich entsprechend. Die meisten der untersuchten Tiere haben noch diekere Kerne als der Mensch. Nur der Mandrill hat längere und dünnere ‚Kerne auch als der Mensch. 26. Die Vorgänge bei der Entwicklung eines jeden Muskels sind als spezifische für den Muskel anzusehen. Sie hängen bis zu einem gewissen Grade sicher zusammen mit der derzeitigen Funktion des _ Muskels, ausserdem aber mit allen den verschiedenen Funktionen, welche der Muskel im Laufe der phylogenetischen Entwicklung be- sessen hat. Es gilt dies ebenso für seinen ganzen Aufbau. 27. Die „Gesamtkernmasse“ steigt bis zum Neugeborenen an und nimmt von da bis zum Erwachsenen wieder ab. Die „Gesamtkernmasse“ des Chinesen ist deutlich höher als der Durehschnitt der Deutschen. Es ist möglich, dass dies ein Rassen- merkmal ist. Die „Gesamtkernmasse“ der tierischen Kaumuskeln ist wesentlich höher als die der menschlichen. Der Temporalis zeigt kleinere Zahlen, der Pterygoideus internus grössere für die „Gesamtkernmasse* als der Masseter. Jedenfalls sind die hier untersuchten drei Kaumuskeln unter sich spezifisch verschieden. . 28. Dafür, dass die menschlichen Kaumuskeln sich von denen der Tiere so deutlich durch die weit höhere Differenzierung ihrer Fasern unterscheiden, muss der Grund in der Art ihrer Tätigkeit liegen. Dem Menschen sind den Tieren gegenüber eigentümlich: der Genuss von „mannigfach ausgesuchten und durch Kochen zubereiteten Speisen“ und die „Sprache“. Das Kochen der Speisen war erst nach Ent- deckung des Feuers möglich und setzte eine gewisse Stufe der Ge- 362 P. Schiefferdecker: hirnentwicklung voraus; die Sprache bedurfte wahrscheinlich einer noch höheren Stufe der Gehirnentwicklung. Dazu kommt, dass der Mensch nicht nur über eine einfache Art der Kaubewegung verfügt, sondern über eine doppelte, und dass beide Arten leicht ineinander übergehen können. Waren somit beim Kauen schon viele Modi- fikationen der Bewegung möglich, die den Tieren fehlen mussten, so war dies in noch weit höherem Maasse der Fall bei den Bewegungen der Kaumuskeln zum Zwecke des „Sprechens“. Hierbei müssen in der Tat die Bewegungen ganz ausserordentlich fein abgestuft werden. Bei diesen feinen Abstufungen wird, wie ich annehmen möchte, auch das in dem Pterygoideus internus gelegene elastische Band mitwirken, wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit dem antagonistisch tätigen Geniohyoideus (eventuell noch Digastrieus und Mylohyoideus), um ganz feine und gleichmässige, gut ausgeglichere Bewegungen des Kiefers zu ermöglichen, wie ich das seinerzeit schon für die Augen- muskeln besprochen habe. So darf man wohl annehmen, dass diese hochgradige Differenzierung der menschlichen Kaumuskeln ein- getreten ist zugleich mit der allmählich fortschreitenden Ausbildung des Gehirnes und daher von dieser abhängig gewesen ist. Hieraus folgt weiter, dass diese Differenzierung phylogenetisch erst sehr spät eingetreten ist, und das stimmt wieder überein mit ihrem späten Auftreten in der Ontogenese. Nach den Vorgängen bei der Onto- genese kann man auch annehmen, dass die Differenzierung der Kau- muskeln später eingetreten ist als die der Hautdrüsen, welche ich in meiner vor kurzem erschienenen Arbeit behandelt habe, was auch aus anderen Gründen wahrscheinlich ist. } 29. Es würden dem Gesagten entsprechend jetzt weitere beim Sprechen stark beteiligte Muskeln nach meiner Methode zu unter- suchen sein, so namentlich der Geniohyoideus und vielleicht auch der Digastrieus und Mylohyoideus. 30. Die hier besprochene Differenzierung der menschlichen Kau- muskeln im Zusammenhange mit der alimählichen Ausbildung des Gehirnes ist ein sehr klares Beispiel für den Erwerb von neuen Eigenschaften und die Vererbung erworbener Eigenschaften in der Tierreihe sowie für den Zusammenhang von Gehirn- und Organ- ausbildung und deren weitere Entwicklung. Durch beide zusammen wird dann in weiterer Einwirkung wieder der ganze Kiefer- und Schädelbau verändert. Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 363 3l. Es müsste durch weitere Untersuchungen noch festgestellt werden, warum der Masseter eine weit höhere Differenzierung auf- weist als der Temporalis und Pterygoideus internus; ferner, warum der letztere in sich das elastische Band enthält. Hierzu würde in der Wirbeltierreihe weit zurückgegriffen werden müssen auf die Vor- läufer der Kaumuskeln der Säuger und dann wieder in der Reihe dieser auf die Vorläufer des Menschen. 32. Die in dieser Arbeit aufgefundenen Verschiedenheiten in den Kernfaserverhältnissen der tierischen Muskeln konnten noch nicht ge- deutet werden und verlangen weitere Untersuchungen. In bezug hierauf möchte ich hervorheben, dass ich nach meinen jetzigen Erfahrungen, namentlich auch nach den in dieser Arbeit ge- machten, annehmen möchte, dass meine Untersuchungsmethode der Muskeln nicht nur dazu dienen kann, die Verschiedenheiten und Übereinstimmungen in dem Baue der Muskeln im Verhältnisse zu ihrer jetzigen Tätigkeit aufzudecken, sondern auch dazu, die Ab- stammung der verschiedenen Tierfamilien, welche wir jetzt zu einer Ordnung vereinigen, zu verfolgen und festzustellen. Damit würde sie ausserordentlich wichtige Ergebnisse für die ganze Abstammungslehre zu erlangen erlauben und infolgedessen noch weit leistungsfähiger sein, als ich bisher anzunehmen gewagt habe. Es folgt aus dem eben Gesagten, dass die Eigentümlichkeiten des Baues, welche ich bei der Untersuchung eines Muskels finde, nieht sämtlich zur Erklärung seiner jetzigen Tätigkeit dienen können, sondern dass sie zum Teil bedingt sind durch die phylogenetischen Entwicklungsstadien des Muskels, also altererbtes Besitztum darstellen. Aus dieser Mischung von alten und neuen Eigentümlichkeiten gilt es nun, diejenigen herauszufinden, welche für die jetzige Tätigkeit charakteristisch sind, während der Rest zu verwenden sein würde zur Feststellung der phylogenetischen Entwicklung des Muskels. Es folgt daraus, dass die Aufgabe des Forschers hierdurch eine erheblich schwierigere geworden ist, als ich bisher angenommen habe; anderer- seits- sind die Forschungsaussichten auch wieder erheblich weitere geworden. Literatur. l) Sehiefferdecker, Paul, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia con- genita, der Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des nor- 364 P. Schiefferdecker: malen Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Fr. Schultze. Deutsche Zeitschr. f. Nerverheilkunde Bd. 25 1905, H. 1—4, S.. 1—345, mit 15 Tafeln. 2) Schiefferdecker, Paul, Muskeln und Muskelkerne. 317 Seiten mit 20 Abbildungen im Text. Johann Ambrosius Barth. Leipzig 1909. 3) Schiefferdecker, Paul, Untersuchungen über den feineren Bau und die Kernverhältnisse des Zwerchfelles in Beziehung zu seiner Funktion sowie über ‚das Bindegewebe der Muskeln. Arch. f. d. ges, Physiol. Bd. 139, S. 337—427. 1911. Mit 7 Textabb. u. 4 Fahnentabellen. 4) Schiefferdecker, Paul, Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta in bezug auf ihren Ban und ihre Keruyerkältuisser Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 140 S. 363—435. 1911. 5) Schiefferdecker, Paul, Untersuchungen über die Rinipfrinstäliätke von Petromyzon fluviatilis in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse, über die Muskelfasern als solche und über das Sarkolemm. Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 78 S. 422—495. 1911. Mit 2 Taf. u. 3 Fig. i. Text. 6) Schiefferdecker, Paul, Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Vögeln in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 150 S. 487—548. 1913. Mit 9 Abb. i. Text. 7) Schiefferdecker, Paul, Untersuchung des menschlichen Herzens in verschiedenen Lebensaltern in Bezug auf die Grössenverhältnisse der Fasern und “ Kerne. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 165 S. 499564. 1916. | | | 8) Policard, A., @Qnelques points de la structure du muscle du marteau chez le chien. Journ. d. l’Anat. et de la Physiol. Annee 49 p. 304—321. 1913. 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Bd. 23 H. 5/6 S. 137—162. 1918. 0 Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 365 Tabelle ]. Kaumuskeln. Flächeninhalt eines Faserquerschnittes im Durchschnitte, Maximum, Minimum, in Quadratmikra. Muskel Name Durchschnitt | Maximum | Minimum Bi. Masseter Embryo, 5 Mon. .. 15 39 6 = 6—7 Mon. . 50 116 16 Neonat., männl.. . . 49 99 18 Mann AV 415 2650 30 Mann Se 308 1590 20 Prau ma er 484 2380 55 Chinese, 30.J.. . . | 398 2450 ) 40 Mandellgser 0 2: | 560 | 820 | 215 Eundewar.. an 716 1185 250 Katzen arte ern 1073 1840 285 Hasenkaninchen. . . 747 Eichhörnchen. . . . 463 2. Pterygoideus int. | Mann A... .. .. | 467 | 3. Temporalis rau ee 248 605 40 Eichhörnchen. . . . 292 366 P. Schiefterdecker: ” Tabelle Mensch, Masseter und Pterygoideusinternus, h Quotient 1,5. Faseranzahl und . | Embryo, 5 Mon. | Embryo, 6-7 Mon.| Neonat., männlich Mann A. | N Mit- [75 1000; Zk—239|2£- 1000; Zk— 210|21- 1000; zk—257| Z£=1000; Zk—661 ' Gruppe | tel- N nn Z£ %olWers| ME |zr on Wert| ME ze 0 Wert| ME zero Wert Zt Zf AR | 6-9 7 8525,20 sea 7 ee Br a 1,49 10-15 waraorag eroleı ee m |- | — (1,04) | 1 | 16-23 19 | 18,35 139,30 [47,61 [19,76 | 2,10| 0,82 ]20400| 10 0a| — — —| 24-35 29 126,25 | 3,10 | 5,38 | 30,56 117,20 110,45 | 30,94 |16,80 10,61] 30,00) 0,10 0,007 (1,03) (1,06) 1,46 1,42 36-53 44 — | — [44,74 [42,00 137,38 | 44,05 [43,50 39,10 | 47,85| 0,70 0,08) (1,05) (1,05) 1,43 1,48 | 54-80 66 — , — [64,11 |35,00 |44,64 | 63,08 [36,60 147,09| 68,43) 3,20 | 0,53 81-120 | 100 — — [91,16 | 3,70| 6,71|87,28 | 1,40 | 2,49 | 107,79) 8,60 | 2,24 121-180 | 150 zz 0 5 181-270 | 225 Zn || | 221,42|18,60 | 9,9% 1,50 271-405 | 338 _ zo ja ej|— | — 333,32|14,90 111,96 | 1,49 406-607 | 506 en 1,49 | 608-912 | 760 zoll je-j elle ) — 741,57 |14,90 26,62 | (1,05) 1,43 913-1868] 1140 ee | re 1060,59| 7,60 119,1 | 1369-2052] 1710 zz |ı-- oo) — 1563,84| 1,30 481) 2053-3078] 2565 — |-1- |-|-|- | — 2400,00] 0,20 | 1,18 | | m 1,50 | 1,50) | | 1,50| | 1,50 | Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 367 2a. - Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. ' Faserwertigkeit in Prozenten. = Mann S. Chinese, 30 J. Frau J. Mann ar 5 Pterygoideus int. Zf—= 500; Zk = 262 | Zf=500; Zk=362 | Zf=1000; 7k=639 | 7 —_ 500; Zk — 697 Mf .Mf Mf Mf Er _.|2Z£° us f%o|Wertt| — %o| Wert | —_- |Z£%o| Wert 77 /o ı Wert ZE Z£ %o er 7: Z£ °/o er 7 /o er 20,00 | 0,20 | 0,00 = —_ _ 2 — = = — 25,00 | 0,80 | 0,06 — — -- — — — 2 = 43,57 | 140 | 0,20 | 46,25 | 0,80 , 0,09 _ — E —_ = — 709,00 ! 5,00 | 1,14 12,27 2,20 | 0,39 68,00 | 1,00 | 0,15 — _ — 106,29 10,80 | 3,74 | 107,00 8,00 ı 2,15 | 105,55 | 5,40 | 1,18 | 107,00 | 1,00 | 0,22 ‚152,79 | 20,40 10,14 | 152,96 | 17,20 , 6,63 | 154,77 | 9,00 ı 23,85 | 153,54 | 5,20 | 1,41 225,20 | 19,20 [14,07 | 225,79 | 20,20 |11,45 | 225,87 17,20 | 8,04 | 235,13 | 7,60 | 3,82 1,49 1,50 1,50 ‚336,80 | 16,60 |18,19 | 338,39 | 21,20 |18,01 | 336,60 |19,30 [13,43 | 347,91 | 21,60 16,11 (1,03) (1,03) (1,05) 1,45 i 1,49 1,43 ‚490,28 | 13,80 21,99 | 491,09 | 13,00 14,79 | 501,80 | 20,80 | 21,58 | 496,33 | 46,40 | 49,29 (1,02) (0,97) (1,02) (1,06) 1,47 ‚54 1,47 1,42 ‚725,48 10,20 [24,05 | 758,02 | 960 |18,27 | 738,68 18,20 |27,28 | 705,61 16,20 | 24,46 (1,03) : L 1,50 1154,16 | 1,20 | 4,50 | 1096,56 | 6,40 17,62 [1113,95 | 6,20 14,25 11026,50 | 2,00 4,39 1480,00 | 0,40 | 1,92 | 1641,00 2,00 | 8,24 [1640,00 | 2,20 | 7,49 - _ — - — — [2365,00 | 0,40 | 2,36 | 2241,44 | 0,70 | 3,24 _ = — P. Schiefferdecker a1 | ‚0g‘7 o<“T oc 0°7 | | 1087 0°°7 | | - 1-1 -1-1-| - 1 | - 1° [mor)osır|argeor|eng 00'8 ggeger| ers 09T | o<‘zerr|orzt [ecoa-6sgr | | SET | | | 4 ‘ ‘ ‘ o‘ (ELD) c | ‘ ‘ ‘ ‘ ==. |0 0000 |(FOST0NET 19'886] 02'79| 08°19 ErEsıt|ce'9e 08 L1 IEKEIT|EESE OP TE) 60.060L] OPIT |SIET-ET6 | | el hl sel Gel IR, | a ae) 86.0) era) Te's | 00°9 00'229] S6°FF 0g‘2&| 99'z29| 89‘E9| 07°T9 90'arL| F2'21 0072 F0'86L |00'95 00'097 09°9pL |erae| 08'c< Fr’ssL [092 | 816-809 | = Vesil Kai SE 0° 23 ea (907) BEL AR ir | 66'02. 09/99, 99°56P| 6H'sP 0F'3S OESTEI SHIT 08'228 Fesz<] 001 00% 00'sse [ab‘zr 0098 vers [26% |096 99Tag [90° | 209-907 se‘ | | | ( (60 ‘ ‘ \ [ ‘ ‘ ß ‘ 0F6L| 02°2 29‘9%E| 089 096 86’TIE| 00°T | 09°a | 00'9EE| TO | 0ro | 0c'Las [THE 002 FL29E [80 09T |g18E& |SE& | SOr-T2e OTT | 02'8 0n‘ogaja8'o |osto |udoquydIF Iapuep pung 9Z2Ie 71 uay9utugyuaseH |: yoy : -[yezw.ioy 99njosqYy °c*T JuOIJone) OUTOM TOYOSLIWO9AS UT USE A9p Sunaorddnıg) °19J988eW “AdoLL En ge 9[I9qEL Den en (min mie een Bern en a ER Zn Sn nn nn Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. Tabelle 3e. 3 u | (0%) Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. Eichhörnchen Zt=500; Zk=593 | Zf=500; Zk—=465 Temporalis. Quotient 1,5. Absolute Kernzahl. 3 Frau J. Hund Mi ze 500; Zk 197 Gruppe | tel- RE wert | ME Izeo,| zE | ME ze, ! ze ze | | zZ | | a | 36-53 44 | 46,55 3,20 0,06 54-80 | 66 | 67,74 6008| — = | — 81-100 | 100 10223 |usolon| —- | - | — 121-180 | 1250 [1529 |680 oı| — - | — (0,82) (1,48) | 1,83 | | 1,81 181-270 | 225 128246 26.80 | 0,38 | 262.50 | 0,80 0,50 (1,26) | (2,26) | 1,19 111,79 | 971-405 | 338 |335,35 | 27,80 0,68 | 355,87 11,40 | 0,70 107) 1.09] (1,09) (1,76) 140 “oo 17 1,73 406-607 | 506 |468,95 7,60 0,66 | 521,79 | 59,60 | 1,21 | | (1,16) (1,30) 1,29 | 1,12 2a ae | — | 675,14 |28,20| 1,35 | 1,50 | 1359| 1,50 1,53 162,04 | 236,20 (1,10) 1,37 323,83 (1,11) 1,35 438,59 25 * Lan 540 | 0.37 30,00 0,75 (1,55) I 141 1,06 (1,44) 1,30 1,37 56,40 6,40 1,50 vr un P. Schiefferdecker: Tabelle Mensch, Masseter und Pterygoideus internus. Quotient 1,5. Embryo, 5 Mon. Embryo, 6-7 Mon.| Neonat., männlich Mit- [76-1000 Zk —239|2£— 1000; Zk—210|7£— 1000; Zk—257| Z£= 1000 ;Zk —661 “4 Mann A. Gruppe | tel- [ wert l . Mf Mk | M£f Mk | Mf zo ee ze le ey 2 zellen en 6-9 7.178,5721.5,701,6;50.1. 00 |. ra 1,49 1,00 10-15 oa en | — | — (1,04) (1,15) 1,44 1,11 16-23 1918,35 39,30 | 7,28| 19,76 | 2,10| — [20,40 | 1,70 94-35 2926,25 | 3,10 | 9,00 | 30,56 17,20 | 8,41 | 30,94 \16,80 (1,03) (1,37)| (1,06) 1,46 1,33| 1,42 36-53 4| — | — | — [44,74 |42,00 11,32 | 44,05 |43,50 (1,05) d,11)| (1,05) 1,43 1,06| 1,43 54-80 66| — | — | — [64,11 35,00 11,94 | 63,08 |36,60 81-120 | 100| — | — | — [91,16 | 3,70 13,81 |s7,28 | 1,40 12100 Bon ze TB Erb ee a en | 271-4057 | 238 N ee N a a 406-607... [:5061 0.158. zu ER 5 ae ee 608-912 | 760| — ne a 913-1368] 1140 1369-2052] 1710 2053-3078 | 2565 | 1,11 1,50 | | 1,50 1,07 1,50 1,50 Mk Zk I Me Z£ 30,00 47,85 68,43 | 3,20 2,67 107,79 | 8,60 152,20 115,20 221,42 1,50 333,32 |14,90 1,49 497,21 |14,70 1,49 741,57 |14,90 (1,05) ) 2 1060,59 | 7,60 18,60 1563,84 | 1,30 2400,00 | 0,20 Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 375 4a. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. Absolute Kerngrösse in Quadratmikra. Mann A. Mann S. Chinese, 30 J. Frau J. : 3 Pterygoideus int. Zf = 500; Zk = 262 Zt — 500; Zk—362 | Zi=1000; zk—639 | 7 _ 500; 2x — 697 Mk | Mf Mk | Mf Mk | Mf | Mk Au 0 a ME u ME Of ee 0, HR ae ze ce | oz | a ee | Z& 20,00 | 020| — -— 1 - | - -— || | 25,00 0,80 = a ae or Mr: Bl J | | | | Bas | 74605: |%0;80, | er Im ne u 2 | | 70,00. | 5,00, 250 | 7225 2,20 | 5,50 | 68,00) 1,00 | 1,25 | 107,00 | 1,00 , 6,88 106,29 | 10,80 | 3,02 | 107,00 | 8,00 | 4,14 | 105,55 | 5,40 | 4,55 | 153,84 | 5,20 | 4,71 152,79 [20,40 2,93 | 152,96 17,20 | 5,02 | 154,77 9,00 5,00 | 235,138 | 7,60 |, 5,12 295,20 |19,20 419 | 225,79 20,20 | 634 | 225,87 17,20 | 435 | 347,91 |21,60. I | (1,05) | Be 0,97 | 1,50 0,95 | 1,350) 1,21 1,43 ' 1,20 336,80 | 16,60 | 4,07 | 338,39 21,20 | 6,01 | 336,60 |19,30 5,25 | 496,33 |46,40 5,08 | (1,03) (1,09)| (1,03) (1,07) (1,06) ‚ (1,06) 145 1,06 | 1,45 1094| 149 Kaosı 1a 1,00 490,28 |13,80 | 4,35 | 491,09 12,00 6,29 | 501,80 20,80 5,56 | 705,61 |16,20 | 5,10 , .(,02) (1,10)] (0,97) (0,88)| (1,02) (1,05) | et Tosal 1,54 0,91 1,47 1,03 | 795,48 |10,20 | 4,74 | 758,02 | 9,60 | 5,75 | 738,68 18,20 , 5,77 [1026,50 | 2,00 | 5,21 | 1,45 | 1.06 | | | 1154,16 | 1,20 | 4,37 [1096,56 | 6,40 | 6,10 [1113,95 620 5458| — —_ 1480,00 | 0,40 | 5,16 [1641,00 2,00 6,10 1640,00 | 220 | 5411| — Ze we | 7 565,00 | 040 |11,70 I9a1a2, 0052| — = f | | 1,50 | 105| 1501| 1,00 | 1,50 | 1210| 150 1,06 TE en er Eee en = P. Schiefferdecker | ( ‘ (4 | [4 | ‘ 208 108° [9ET | 0°T [Or 101 SET 0g1 |«o‘ı os eTI og | | - | = 101000 \ 00|1|00) 0— [089 [0817 92SEHT|OrS | 00°8 | EEezel|62‘9 | 09°T | 0S‘zErT| OTZT \acoa-6981 OLL gel ( ‘ (18,1) D (eLD Ä ‘ ‘ ‘ ‘ an! — [8051 09°ET 183861 819 08°19) SHESII| FE S | 08 LT] 9E'68TT| 22 | OFTE| 60'080] OFLL [B9ET-ET6 E07 GET | El avı |F01 ET [601 sel | ID WED Ir on eon)ı 1860 Gen) \Fım sy6 009 00269079 | 0528| 99229 F9°TL 0719) Y’arL|&9°F | 00a, F0'86L | 20'C | 00'971 09‘97, |e0‘2 | 08‘ —1.00,82.08.02 Shase F e e [Cace KONZ] az za lezle e ara a, 0 EA m 032 m | am 7032| Gyr | ame 17032] Zur | am 17032 ur me 7032| zu [am 2 m Eh E= wen i Fa: u -193 | oddnıy IE TAZ °00° 737 | 97 1700932 [669 = NZ 009 =IZ | 897 = 008 =IZ | LI —=Z 009 =IZ | 17 NZ :00°=JZ | u USTULOHYIIAT ITApueA punpf 92)6 4] uOUIUTUBYUISEH yoy "CT 4uorJond) e.Iylureipene) UT 9SSOAZUIIN 9nJosaYy ‘97 o1I2qaeL "9UTOY -TOLISLIIAULO93 UT WIOSBT Op Sungorddn.ıy *TOJOSSeEM ‘AOL, Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 37 =] Tabelle &e. Temporalis. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. Quotient 1,5. Absolute Kerngrösse in Quadratmikra. A Frau J. Hund Eichhörnchen Mit 7500; Zk— 197. | ZE 500: Zk 598 | ZE= 500; Zk—465 Gmppen tel mi 3 4 a ; IS ne | Mk | M£ yo, Me | me | Mk Zf Zk Zt Zk Zf Zk 2a aan) ara ja ER Rate ee 81-120 | 100 [102,33 | 11,60 | 4,50 _— | — — 121102,222 21:80) | — 121-180 | 150 [154,29 | 16,80 3929| — | — | — [162,04 | 5,40) 4,90 (0,82) (1,00) 1,22 (1,26) (1,36) (1,10) (1,14) 1,19 | 1,08 Da 1,04 335,35 |27,80| 5,18 |355,87 |11,40 | 5,58 [323,88 |56,10| 468 (1,07) (1,05)] (1,02) (112)] (1,11) (1,20) 1,40 0,98 | 147 | 110 | 1,35 1.08 468,95 | 7,60, 5,06 | 521,79 | 59,60 | 6,15 [438,59 | 6,40 | 5,02 (1,16) (1,15) I I I 181-270 | 225 |28246 26,80 | 4,78 |262,50 | 0,80 | 5,00 1236,20 | 30,00 | 4,46 271-405 | 338 406-607 | 506 608-912 | 760 —_ — — [675,14 | 28,20 6,09 — Nm | | 1,50 114 | 1,50 1138| 1,50 117 378 P. Schietfferdecker: Tabelle Mensch, Masseter und Pterygoideus internus. Quotient 1,5. Embryo, 5 Mon. | Embryo, 6-7:.Mon. | Neonat., männlich Mann A. | Mit- [75 1000; Zk—239]2f— 1000; Zk=210)2f— 1000; Zk—257| Z= 1000; Zk—661 Gruppe | tel- wert | m x au | ME \ygon, ik im ME |7g07, Mkx100| ME 17607, Mkx100 ZEOß. Meat) v2 (me | z£ aMER oZE Mf | ME 6-9 21 857570 1088|...) =) 0 1 | Mer ae 1,49 0,87 | 10-15 | 12|12,77 51,90)98| -— — — | - | -|-| = -, — (1,05) (1,36) | 1,44. 1,30 | 16-23 | 19] 18,35 39,30 111,91 [19,76 | 2,10, — [20,40 1,70|48| — ı — — 24-355 | 29|26,25| 3,10 [23,34 | 30,56 17,20 1,76 130,94 |16,80| 2,83| 30,00 0,10 — (1,03) (2,69)] (1,06) (2,25) | | 1,46 | 2,61| 1,42 312 | | | 36-53 | 4| — | — | — [44,74 142,00 | 4,60 | 44,05 ‚43,50 u 47,85| 0,70) (1,05) 1,29) (1,05) (1,74) | | \ 1,43 ı 1,23] 1,48 1,66 | 4-80 | 66| — | — | — [64,11 35,00 | 5,64 | 63,08 136,60 | 9,98 | 68,49 | 3,20, 0,74 81-120 | 100| — | — | — [91,16 3,70 6,55 87,28, 1,40 113,01 | 107,79 | 8,60 0,35 | Ba 121-180 | 101 = |) = | —- | - )\ — | = (= |) 215220 15.200008 1831-290 | 25) -— — | — | - | —- | — | = | — | — | 221,42 18,60) 064 1,50 12 271-405 | a8 re a 1490 0,78 | | (0m 406-507 |,506| - | = | — | — | - | — | — |) | 49721 14,700 | 1,49 ‚0,94 sos-912 | 50 -— — ı-| —- | - | - | - | = | — | 74,57 149008@ | (1,05) 0,92) | 43 ı 0,88 13-136811140| — | — | - | - | —- — | — ) - | > [1060,59 7,60) 068 „1569220521 17101 | 7 1 2 0 Ze 1,30, 0,67 2053-307812565| — | — | — | — | = | — | — | 7227 19490,00 sr | | -| = | | = | == ron) eg 0 T [30] , Tau] jnoul zo) meol oe 150) , zu] 1,50/ 192| 1,50) ° 1,09] 150 1,01 Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen usw. 379 BA. Gruppierung der Fasern in geometrischer Reihe. Relative Kernmasse in Prozenten. Mann S. Chinese, 30 J. Frau J. Mann A. Pterygoideus int. Z£— 500; Zk—262 | Z£—500; Zk—362 | ZI—1000; Zk—639 | 7 _ 500; Zk — 697 ME | z£0% kocıo | Ni z£ 07, Nkx 100 u go | NkxI0| - ME | eo, Ik 100. a | ze 7 ee | ze) Sm ze me 20,00 0,20 | — N N RE RS 70,00 | 5,00 ı 0,14 | 72,27 | 2,20 ı 1,35 1 68,00 | 1,00 | 1,02 106,29 10,80 | 0,37 | 107,00 8,00 | 0,68 105, 55 | 2,40 | 0,81 225,20 19,20 | 0,76 | 225,79 20,20 | 1,11 | 225,87 17,20 | 0,55 935,13 7,60 1,89 1,49 Ol 1,50 Ton 1500 1,20 336,80 |16,60 | 0,77 | 338,39 |21,20 , 1,92 | 336,60 19,30 | 0,66 | 347,91 |21,60 | 1,34 (1.03) aız)| a. 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Hund Eichhörnchen une ZA#—=500; Zk—197 | ZE=500; Zk—59 | Zf= 500; Zk=465 Gruppe | tel- wert V ME | po) MOM] Mf ro |0ONIK| ME BR 100Nk 2.2 | ee zer 36-53 | 44 | 46,55 | 3009| — | — | — u SE eo lea 6000| — | - | |... 81-120 | 100 [102,33 11,60 0455| — | — | — [10222 | 100 — en 15409 1680| 0 | - | | 7 K16202 , 540 10 (0.82) (0.98) | 188 | | 119 181-270 | 225 |282,46 | 26,80 0,64 262,50 | 0,80 | 1,08[236,20 30,00. 1,41 (1.26) (2.09) (1.10) (1,19) 119 | 1,66 137 1.07 971-405 | 338 [335,35 |27,80 | 1,08 [355,37 |11.40| 1,10 [32383 | 5640. er (1.07) (0.72)| (1.02) 39] (1.11 (1.15) 1.40 | 0,67 | 1.47 1530| 135 | 104 406-607 | 506 |463,95 | 7,60 0,71 [521,79 5060| 1,48|438,59 | 6,40) 1,57 | (1,16) (0,99) | | 1.29 0,85 Sean | antenne u 27 ERBE, 2 PB JIE ee BP ET RE 1 ESSENER BREI RE WEHEN ET IE NERFE EEE | EIER ENIENBENETRERN (rer SAL EERE 1> OHR LBEREN | [|®] ef] Def) Te | 1,50 126 | 1,50 1,16 | 1,50 1,17 Schiefferdecker 1% | sr 087 7619 0789 083 | 006 97 == 8 60 | ° : ° UONDLIOUTOLH ge 231 vEicı sE68 | 00°8 | 0S‘Er | 609 — g Se er ng 12.0 86T 24.851 |” 10T 088 0001 | 167 esse 8 bene ee ranenge|e sıpgıodwa,], ’& sp | 68‘9 | #619 | Fe76 | 00% |ooın | «er | — | Bo | air IP ee ne eo a | u snopiodkıgg '2 el £9'9 G8'69 76H | 007 |ocez | 186 — & 3.0 |: : : : wmunoggag | gg0 0LF es'sct | EL/SFT | 00°%8 | 0CET | 20° — g 860 | ° ° " uogpurueyuasen 38°0 189 20'381 | F8FTT | 008 | 0078 | 1 _ v 76:05 | meer yo +90 169 6884 P. Schiefferdeeker: Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln usw. Tabelle'9. Kaumuskeln. Modifizierte Kernzahlen und Gesamtkernmasse. Eichhörnchen . N 0,96 Muskel Name Modifizierte Gesamt- Be zu Kernzahlen kernmasse 1. Masseter Embryo, 5 Monate. . . 0,21 18 Embryo, 6-7 Monate. . 0,19 25 Neonat., männlich . . . 0,28 41 | Mann A. SR a 0,65 30 Mannes... Ber ee: 0,97 23 DER 0,68 31 Chinese, 30 Jahre . . . 0,61 46 ER | 0,66 | 59 Hunden ze: 0,73 105 Katze 1,14 13 Reh... A see 1,00 73 Hasenkaninchen . . . . 0,87 90 BEER REICH nn chen NEREIT 0,64 71 2. rn a int] Mann AS ee | 1,24 | 13 3. Temporalis Kraus) er he 0,47 20 Hundes sr 1,24 77 Worauf beruht die scheinbare Undurchlässigkeit der Lunge für Ammoniak? Von E. Herzfeld und R. Klinger. (Aus dem chem. Laboratorium der mediz. Klinik und aus dem Hysiene-Institut der Universität Zürich.) (Eingegangen 17, Juli 1918.) In einer 1914 an dieser Stelle erschienenen Arbeit!) hat R. Magnus (gemeinsam mit Sorgdrager und Storm) versucht, durch eine Reihe von sehr sorgfältigen und technisch vorzüglichen Versuchen die Undurchlässigkeit der normalen Lungenepithelien für NH, zu beweisen. Veranlasst war diese Mitteilung durch eine Arbeit R. Höber’s, in welcher diese Annahme einer Impermeabilität der Lunge für NH, aus chemischen und physikalischen Gründen sowie an Hand einiger Tierversuche zurückgewiesen worden war (auch diese Arbeit ist in diesem Archiv [Bd. 149] erschienen). Da bisher unseres Wissens keine Widerlegung der gewiss sehr anfechtbaren Schlussfolgerungen, welche R. Magnus und seine Mitarbeiter aus ihren Versuchen gezogen haben, erfolgt ist, und da auch Höber, wie die von ihm gemachten Versuche zeigen, den eigentlichen Grund des Niehterscheinens von NH, in der Ausatmungsluft nicht erkannt hat, so möchten wir diese Befunde hier kurz aufklären. Die Frage besitzt ja nicht nur grosses theoretisches, sondern auch einiges prak- tisches (zum Beispiel gewerbe-hygieuisches) Interesse. Die von den erwähnten Autoren angestellten Versuche ergaben, dass bei Anwesenheit von NH, im Blut (nach intravenöser Injektion) dieses wohl aus einer an der Luft stehenden Blutprobe sowie vom Pleuraepithel abdunstet und chemisch nachweisbar ist, nicht aber in der Ausatmungsluft erscheint. Umgekehrt steigt der NH;-Gehalt des Blutes nur wenig an, wenn man einem Tier NH;-haltige Luft ein- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 275—309. 380 E. Herzfeld und R. Klinger: atmen lässt. Beide Beobachtungen wurden dahin gedeutet, dass NH, dureh die Alveolarwandungen der Lunge nicht hindurchtreten kann. Nun wissen wir aber, dass alle Gase, wofern sie sich in Wasser lösen, in der Lunge sehr leicht aufgenommen werden; auch ist vom NH, bekannt, dass er in andere Zellen, zum Beispiel rote Blutzellen, leicht in grösserer Menge eintritt (0. Warburg). Ja, Magnus selbst gibt zu, dass die Epithelien der Bronchialschleimhaut dieses Gas aufnehmen und an das Blut weitergeben können, und dass auch die Lungenendothelien selbst schon ganz kurze Zeit nach dem Tode hierfür durchlässig werden. Aus diesem Grunde und namentlich aus rein physikalisch-chemischen Erwägungen ist es sicher, dass die von Magnus angenommene Ausnahmestellung der „lebenden“ Lungen- epithelien auf einer irrigen Deutung der betreffenden Versuche beruhen muss; es gelingt in der Tat unschwer, die Ursache dieses abweichenden Verhaltens nachzuweisen. Wir betrachten zunächst die Versuchsbedingungen, welche bei intravenöser Injektion von NH;-Lösungen gegeben sind. Der frei ein- geführte NH, wird von dem CO, des Blutes sofort in (NH,), CO; (Ammoniumkarbonat) umgewandelt, welches zum grossen Teil von den Bluteiweisskörpern (als Salzverbindung mit ihren Abbauprodukten) gebunden wird; es hat aber die Neigung, sehr leicht wieder in seine Komponenten (NH;, CO, und H,O) zu dissoziieren (Geruch des Blutes nach NH;3). Eine wässerige Ammoniumkarbonatlösung zeigt nun folgende, für uns wichtige Eigenschaften: Wenn wir durch sie einen Luftstrom durchleiten, den wir hierauf durch eine Vorlage mit Nessler’schem Reagens schicken, so kann deutlich Übergang von NH; nachgewiesen werden (auch mit Lakmus). Dasselbe ist noch der Fall, wenn wir CO;-haltige Luft durchleiten. Setzen wir zu der Ammoniumkarbonat- lösung Eiweiss, zum Beispiel Blutserum, so tritt NH, auch noch über, solange wir blosse Luft durchtreten lassen. Sobald wir aber Luft, der eine grössere Menge CO, zugemischt ist, durch die ammoniumkarbonathaltige Serumlösung leiten, zeigt sich, dass nunmehr in der Nessler’schen Dosune auch bei längerem Gang des Versuches keine Reaktion mehr auftritt. Die Erklärung ist sehr einfach: Das Serum (oder Blut) ist ein bikarbonatalkalisches Medium. Durchleiten von Lüft hat hier wie in Worauf beruht die scheinbare Undurchlässigkeit der Lunge für Ammoniak? 387 einer reinen (wässerigen) Bikarbonatlösung zur Folge, dass CO, ent- weicht, während gleichzeitig die Bikarbonate allmählich in Karbonate ‚übergeführt werden, die Alkalinität der Lösung daher zunimmt. Letzteres hat zur Folge, dass der vorher gebundene NR, freigemacht wird und mit der abziehenden Luft entweicht. Sorgt man dagegen durch gleichzeitige Zufuhr von CO, dafür, dass diese Erhöhung der Alkalinität nicht eintritt (wie dies bei Durchleiten CO,-haltiger Luft geschieht), so bleibt das Ammoniumkarbonat gebunden; es entweicht NH;-freie Luft. Dieser Unterschied im Verhalten ist nur in einem Medium, das Eiweiss enthält und daher das Ammoniumkarbonat (bei nahezu neutraler Reaktion) zurückhält, möglich; in blossem Wasser kommt er, wie oben erwähnt, nicht zum Vorschein. Für die Anstellung des Versuches seien noch folgende Einzelheiten erwähnt: Man löst zum Beispiel in 10 ccm Serum 0,2 g festes Ammonium- karbonat (— 2°/o). Die Flüssigkeit riecht jetzt deutlich nach NH;3; darübergehaltenes, feuchtes Lakmuspapier wird blau. Sie wird in eine Waschflasche gegeben und zuerst Luft durchgeleitet (langsam, um die Schaumbildung zu beschränken): die Vorlage mit Nessler-R. wird schnell rostbraun. Jetzt wird Luft durchgeleitet, welche durch eine Flasche ging, in der aus NaHC0O, und H,SO, CO, entwickelt wird. Man wartet, bis die frühere NH;-haltige Luft aus dem Apparat vertrieben ist, und schliesst nun eine neue Vorlage mit Nessler-R. an. Diese bleibt dauernd ungetrübt. Setzt man aber zum Serum 0,5 ccm einer 10 °/oigen Sodalösung, so ist wieder NH, in der Vorlage nachweisbar, sobald der Inhalt der neuentstehenden Luftblasen dahin gelangt. Man kann den Versuch einfacher noch in der Weise ausführen, dass man in einem Glaskolben defibriniertes Blut mit NH, versetzt, bis es deutlich nach NH, riecht und übergehaltenes Lakmuspapier bläut. Leitet man nun CO, ein, so verschwindet der NH, sehr bald für Geruch und chemischen Nachweis. In den Lungen bestehen nun bei der von den Autoren gewählten Versuchsanordnung ganz analoge Verhältnisse, wie wir sie in unserem Versuch, hier aber ganz ohne „lebende Membranen“ (!), verwirklicht finden. Das Blut enthält in der Lunge reichlich CO,, welches durch den frisch aufgenommenen O, aus seinen Bindungen verdrängt oder von den Bikarbonaten abgespalten wird (s. o.). Dieser Überschuss von CO, verhindert, dass NH, an dieser Stelle frei wird, während an anderen Stellen (Pleuraoberfläche, in entnommenem Blut usw.) im Gegenteil eine CO,-Verarmung (durch Herausdiffundieren von CO,) stattfindet und damit aus den oben angeführten Gründen NH, aus- treten muss. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 26 388 E. Herzfeld und R. Klinger: Lassen wir ein Tier NH;3-haltige Luft einatmen, so wird sich dieses Gas, noch bevor es in die Lungenalveolen gelangt, mit dem CO, und Wasserdampf der Lunge zu Ammoniumkarbonat vereinigen und als solehes vom Eiweiss der Bronchialschleimhautzellen auf- eenommen werden. In das Blut gelangeu daher in der kurzen Zeit, auf welche in den erwähnten Tierversuchen die Einatmung sich er- streckte, nur geringe (aber schon nach 3—6 Minuten deutlich nach- weisbare!) Mengen. Wenn wir das Tier gleichzeitig entbluten, ist die Aufnahme bei weitem stärker (R. Magnus), vermutlich weil die be- sehleunigte und durch die agonalen Krämpfe vertiefte Atmung eine bessere Ventilation der Lunge nach sich zieht und namentlich, weil jetzt aus allen Geweben Flüssigkeit ins Blut angezogen wird, daher auch aus der Umgebung der Bronchialschleimhaut (deren Rolle bei der Resorption von NH, auch Magnus betont hat) ammonium- karbonathaltige Lymphe vermehrt ins Blut aufgenommen wird. Aus diesen Ausführungen dürfte hervorgehen, dass die Undurch- lässigkeit der Lunge für NH,, welche aufGrund derer- wähnten Versuche angenommen wurde, nureineschein- bare ist und in dem relativ hohen CO,-Gehalt dieses Organs ihre Erklärung findet; denn aus ammoniumkarbonat- haltigen Eiweisslösungen tritt NH, nur dann in die Luft über, wenn sie sich in ihrer Alkalinität über diejenigen ‚der Bikarbonate erheben. Die Lehre von der Zellpermeabilität ist leider reich an ähnlichen Behauptungen, welche die Theorie der den Zellstoffwechsel regelnden Gesetze vielfach aufgehalten und oft auf Abwege geführt haben. Es schien uns daher wert, auf diese Frage einzugehen und zu zeigen, dass auch hier keine Ausnahme vorliegt, welche physikalisch-chemisch unverständlich wäre. Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. III. Mitteilung. Ein Apparat zur Messung des Blutdruckes in den Kapillarschlingen der Cutispapillen. Von Professor Dr. Adolf Basler, Tübingen. (Mit 4 Textabbildungen.) (Eingegangen am 15. Juli 1918.) In einer früheren Mitteilung”) habe ich unter dem Namen Ochro- meter einen Apparat beschrieben, der es ermöglicht, die bei zu- nehmender Kompression auftretende Verfärbung der Haut leicht zu erkennen und so den geringsten Druck in den Blutgefässen der Haut festzustellen. Kritik der mit dem Ochrometer gewonnenen Ergebnisse. Die Werte, welche sowohl von mir?) wie auch von anderen), die mit dem Ochrometer arbeiteten, angegeben werden, sind beträcht- lich niedriger als die mit früheren Apparaten ermittelten. So ist es nicht wunderbar, dass von manchen Seiten Zweifel laut wurden, ob die gefundenen Zahlen wirklich den Tatsachen entsprechen. 1) A. Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 393. 1912. 2) A. Basler, Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. II. Mitteilung. - Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 345. 1914. 8) H.Krauss, Der Kapillardruck. Vergleichende Untersuchungnn an Gesunden und Kranken. Sammlung klin. Vorträge N. F. 1914, Innere Medizin Nr. 237/39 S. 315 @25). E. Goldmann, Über die Beeinflussung des Blutdruckes in den Kapiliaren der Haut durch verschiedene Temperaturen. Pflüger’s Arch. Bd. 159 Ss. 51 (91). 1914. Wenn Landerer (Zur Frage des Kapillardruckes Zeitschrift f. klin. Mediz. Bd. 78H. 1u.2S. 3, 1913 des Separatabdruckes) etwas grössere Werte fand, 26” 39) Adolf Basler: R. F. Fuchs!) wies in einer Diskussionsbemerkung darauf hin, dass meine Ergebnisse schwer in Einklang zu bringen seien mit den vorliesenden Bestimmungen des Blutdruckes in den Venen. Tatsäch- lich findet man in der Literatur mitunter Angaben, nach denen der Druck in grösseren Venen ebenso gross oder noch höher wäre als der von mir gefundene. Die einwandfreieste Methode zur Bestimmung des Venendruckes beim Menschen ist die von Moritz und v. Tabora?) angegebene. In der Publikation dieser Untersuchungen wird mitgeteilt, dass der Druck in der Vena mediana des menschlichen Armes zwischen 10 und 00 mm Wasser schwankt. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Druck selten diese Grenzwerte erreicht, und dass ein Venen- druck über SO mm H,O schon verdächtig erscheinen muss. So gut diese Daten zu den von mir gefundenen Werten passen, so können wir damit nichts anfangen, weil sie bei Rückenlage und horizontal gehaltenem Arm gewonnen sind. Meine Bestimmungen wurden dagegen in sitzender Stellung ausgeführt. v. Recklinghausen?) hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass der Druck, der an irgendeiner Stelle einer Vene herrscht, be- dingt wird durch die höchste Stelle dieser Vene, über die das Blut beim Rückströmen nach dem Herzen wie über einen Gebirgspass ge- langen muss. Diese höchste Stelle bezeichnet v. Recklinghausen als Scheitelpunkt. In den Fingervenen muss nach einer einfachen Überlegung der Blutdruck jederzeit mindestens ebenso hoch sein, als dem Höhen- unterschied zwischen Finger und Scheitelpunkt der Armvenen ent- spricht. Der Scheitelpunkt wird durch die Stelle der Vena subelavia so kann das meiner Ansicht nach nur daran liegen, dass er, wie ich das zuerst angegeben hatte, zur Ablesung ein Quecksilbermanometer verwendete. Dabei besteht aber, wenn man den Versuch nicht vorsichtig genug ausführt, die Gefahr, dass man das allererste Erblassen übersieht, weil die Verschiebung der Queck- silbersäule so gering ist, dass ein Druckunterschied oft gar nicht bemerkt wird. Aus diesem Grunde benützte ich später stets ein Wassermanometer. l) R. F. Fuchs, VI. Tagung der Deutschen physiol. Gesellsch. Berlin 1914. 2) F. Moritz.und D. v. Tabora, Über eine Methode, beim Menschen den Druck in oberflächlichen Venen exakt zu bestimmen. Deutsches Arch. f. klin. Medizin Bd. 98 S. 475 (501). 1910. 3) H. v. Recklinghausen, Unblutige Blutdruckmessung. 3. Abhandlung. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 55 S, 463 (474). 1906. Untersuchungen über den Druck in d. kleinsten Blutgefässen d. menschl. Haut. 39] gebildet, wo sie über die erste Rippe läuft. Wenn nun bei einem bestimmten Versuch der Scheitelpunkt 6 em über der Fingeroberfläche lag, wie dies bei den Versuchen an mir selbst der Fall war, der zur Hervorrufung der ersten Verfärbung notwendige Druck dagegen 10 cm Wasser betrug, dann war der Druck in den Venen der Fingerhaut um 4 em Wasser höher als der Druck in den grossen Handvenen. Dieser geringe Druckunterschied genügt aber, um die Strömung auf- rechtzuerhalten; man muss eben bedenken, dass nach dem Kapillar- gebiet, wo die einzelnen Gefässe mit dem Strom immer weiter werden, die Widerstände sehr gering sind. Nach manchen Beobachtungen !) über den Venendruck ist es sogar denkbar, dass der Druck in den kleinen Hautvenen unter Umständen niedriger gefunden wird, als dem Höhenunterschied zwischen der untersuchten Hautfläche und dem Scheitelpunkte entspricht. Über diesen Punkt habe ich indessen noch keine Untersuchungen vorgenommen. Wenn Friedenthal?) die Ansicht vertritt, dass von einer Fest- stellung des Kapillardruckes in seiner absoluten Höhe nicht die Rede sein könne, so vermag ich ihm nicht beizupflichten; denn wenn bei _ einer und derselben Versuchsperson der in gleicher Art gemessene Kapillardruck zu verschiedenen Zeiten eine andere Höhe besitzt, so beweist das lediglich, dass der Kapillardruck im Laufe eines Tages grossen Schwankungen unterworfen sein kann. Werden gar verschiedene Methoden angewendet, dann kommt man zu sehr abweichenden Ergebnissen, weil man, wie ich .schon mehrfach auseinandergesetzt habe, je nach der angewendeten Methode den Druck in einer ganz anderen Kategorie von Gefässen misst. Denn man bilde sich ja nicht ein, dass die in der Haut liegenden kleinen Gefässe auch nur annähernd gleichwertig seien. Gerade darin liest aber die schwache Seite alier Versuchs- techniken, die auf einer Farbenänderung der Haut im ganzen be- ruhen. Sie besteht darin, dass man die Gefässe nieht kennt, in denen der Druck gemessen wurde. Wir können wohl sagen: „In bestimmten Gefässen der Haut herrscht ein Druck von 10 cm Wasser“, aber wir wären nicht imstande, in einem mikroskopischen Präparat der Haut 1) Vgl. H. v. Recklinghausen, 1. c. S. 489. 2)H. Friedenthal, Über Kapillardruckbestimmung. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 19 H.2. 1917. 392 Adolf Basler: diejenigen Gefässe einzustellen, für die dieser Druck bestimmt wurde. Namentlich lässt sich niehts aussagen über den Druck in den Kapillar- schlingen im anatomischen Sinn, wie wir ihnen zum Beispiel in den Cutispapillen begegnen. Druckbestimmung in den einzelnen Gefässen der Haut. Es schien deshalb unerlässlich, die mit dem Öchrometer ge- wonnenen Ergebnisse in der genannten Richtung zu vervollständigen. Den Weg, wie dabei vorgegangen werden muss, weisen uns die bisher viel zu wenig gewürdigten Untersuchungen von Lombard!) aus dem Würzburger physiologischen Institut. Lombard gelang es, die kleinen oberflächlichen Gefässe der menschlichen Haut dadurch sichtbar zu machen, dass er einen Tropfen Glycerin oder durchsichtiges Öl auf die Epidermis brachte und durch diese Schicht hindurch mikroskopisch beobachtete. Durch das’Öl ver- schwindet die Oberfläche der Epidermis, so dass man bei genügender Beleuchtung die in der Cutis liegenden Organe, zu denen die Blut- gefässe gehören, beobachten kann, wie wenn sie nicht von Epidermis bedeckt wären. Er wies namentlich darauf hin, dass man in unmittelbarer Nähe des Nagelsaumes die Kapillarschlingen der Cutispapillen in ihrer ganzen Ausdehnung beobachten kann, weil dort die Papillen nicht senkrecht zur Hautoberfläche stehen, sondern mit ihren Spitzen dem Nagel zu gerichtet sind. Abgesehen von den Kapillarschlingen lassen sich die oberflächlichsten der kleinen Gefässe des subpapillären Plexus be- obachten. Die in neuester Zeit mit der Lombard’schen Methode ausgeführten Untersuchungen von Weiss?) brachten uns gegenüber diesen Beobachtungen Fortschritte in drei Richtungen. Fürs erste lenkte Weiss die Aufmerksamkeit auf die in den Gefässen sichtbare Bewegung des Blutes, des weiteren bewies er die klinische Verwend- barkeit der Methode, und schliesslich gelang es ihm, die Form der einzelnen Kapillarschlingen mikrophotographisch zu fixieren. | Meine Untersuchungen schliessen sich an diejenigen von Lom- bard an, der in der Lage war, mit den Gefässen zu experimentieren. 1) W. P. Lombard, The blood pressure in the arterioles, capillaries and small veins of the human skin. American Journ. of Physiol. vol. 29 p. 335 (337). 1912. 2) E. Weiss, Beobachtung und mikrophotographische Darstellung der Haut- kapillaren am lebenden Menschen. Deutsch. Arch. f. Klin. Med. Bd 119 S.1. 1916. Untersuchungen über den Druck ind. kleinsten Blutgefässen d. menschl. Haut. 393 So war er imstande, den Druck, der in den Gefässen herrscht, in der Weise zu bestimmen, ‚dass er einen Gegendruck auf sie einwirken liess und denselben so lange erhöhte, bis das Blut aus den Gefässen verdränet war. Lombard selbst benützte zur Bestimmung des Druckes zwei Methoden. Die erste bestand darin, dass die Haut mit einer kleinen Glasplatte gedrückt wurde; sie hatte also das gleiche Prinzip wie die von v. Kries ausgeführten Untersuchungen und wie diese auch die gleichen Fehler. Auf. die Fehlerquellen machte schon v. Kries aufmerksam, und ich selbst habe sie bei anderer Gelegen- heit gewürdigt. Dass diese Fehler in Wirklichkeit grösser sein können, als man nur aus theoretischen Erwägungen annehmen zu müssen glaubt, geht aus dem von Lombard beobachteten Umstand hervor, dass der Druck in den Kapillaren bei Anwendung einer sehr kleinen drückenden Fläche dreimal so gross gefunden wird wie der Blutdruck in den Arterien. Deshalb muss natürlich die zweite von Lombard angewendete Methode bessere Ergebnisse liefern. Sie be- steht darin, dass die Haut unter einer Kapsel gedrückt wird, deren untere Fläche eine in ihrer Mitte durchlochte Goldschlägerhaut bildet. Der Kapillartonometer. Zur Ausführung solcher Untersuchungen in grösserem Maassstabe handelte es sich zunächst darum, eine geeignete Vorrichtung zur Kompression der gleichzeitig mit dem Mikroskop beobachteten Haut- kapillaren zu besitzen. Ein derartiger Apparat, für den ich die Be- zeichnung Kapillartonometer vorschlage, sei in folgendem be- sehrieben. | Auf einer 5 mm starken Eisenplatte ist ein Holzstück D befestigt, in welchem zur. Aufnahme des Fingers eine Rinne eingeschnitten ist. Die Rinne ist so tief, dass ihre Wände zu beiden Seiten etwas über die Fingeroberfläche ragen. Auf der anderen Seite der Platte ist die senkrechte Stange c eingeschraubt, an der sich mit Hilfe der Muffe d der eigentliche Kompressionsapparat verschieben lässt, der mit Hilfe der Stange e an der Muffe d befestigt ist. Er besteht aus einer runden Trommel f (vgl. auch Abb. 2), die oben ein rundes Loch von 2 cm Durchmesser trägt. Das runde Loch wird mit einer Messingplatte 7, in deren Mitte ein Glasfenster © von ebenfalls 2 cm Durchmesser eingelassen ist, verschlossen. Die Messing- platte A lässt sich mit Hilfe zweier Schrauben %, und %, unter Zwischen- 394 Adolf Basler: schaltung eines Gummirings wasserdicht auf der Trommel f befestigen. Die beiden Messingröhren !, und /, kommunizieren mit dem Innen- raum der Trommel. Die untere offene Seite der Trommel wird mit Goldschlägerhaut überzogen (in der Skizze mit m bezeichnet). Da- Abb. 1. Durchschnitt durch den Kapillartonometer!). mit sie festgebunden werden kann, ist an der Trommel in der Nähe ihres unteren Randes eine Rinne g eingeschnitten (vgl. Abb. 1). Beim Überziehen hat man darauf zu achten, dass die Goldschlägerhaut nicht straff angespannt wird, weil sie sich sonst nicht ‚genügend dem Finger Abb. 2. Der Apparat von oben gesehen. anlegen kann. : Am besten verfährt man in der Weise, dass man die das Fenster # tragende Messingplatte % abnimmt und durch das obere Loch der Trommel ein dem Apparat beigegebenes konisches Holzstück steckt, das in dem Loch fest stecken bleibt, wenn das dünnere Ende etwa l cm über den unteren Rand der Trommel f vorragt. Wird jetzt die Goldschlägerhaut festgebunden, dann ist man sicher, dass die 1) Diese Zeichnung sowie Abb. 4 ist meiner Arbeit: „Uber die Bestimmung des Blutdruckes in den Kapillaren der menschlichen Haut“, Münchener med. Wochenschr. (im Druck), entnommen. Untersuchungen über den Druck in d. kleinsten Blutgefässen d. menschl. Haut. 395 Membran genügend Spielraum besitzt. Nach Entfernung des Holz- kegels wird das obere runde Loch wieder mit der. Platte h ver- schlossen. Wird in dem Hohlraum des Apparates, soweit er bis jetzt beschriebeu ist, ein Überdruck erzeugt, dann buchtet sich die Gold- schlägerhaut m in Form einer Kugelkalotte vor, also in einer viel grösseren Ausdehnung als der Grösse des darunterliegenden Fingers entspricht. Dadurch muss unbedingt ein Fehler entstehen, wie aus der nachstehenden Abbildung am besten hervorgehen dürfte. Darin stellt » den Durchschnitt einer innen offenen starren Kapsel dar, deren Öffnung mit einer nachgiebigen Membran m verschlossen ist. Unter derselben befindet sich ein kleinerer Körper, also zum Beispiel ein Finger, der auf der Skizze im Durchschnitt gezeichnet ist. Wenn jetzt im Innern der Trommel ein bestimmter Druck erzeugt wird, etwa ein solcher von 10 mm He, dann steht die gedrückte Fläche des Fingers (sie ist in der Skizze durch einen dicken Strich an- gedeutet) nicht unter dem Druck von 10 mm Quecksilber, sondern unter einem viel höheren. Denn es lastet auf ihr das ganze Gewicht einer 10 mm hohen Quecksilbersäule nahezu in der Ausdehnung der Membran m. Deshalb muss die Fingeroberfläche so gross gemacht werden wie die Membran; mit anderen Worten, die Membran muss unterstützt werden. Dazu dienen die entsprechend geformten Hülsen n, und 2, in Abb. 1 und Abb. 2, welche über die mit Goldschläger- haut versehene Trommel gesteckt und mit den Schrauben o, und 0, befestigt werden. Zwischen ihnen bleibt dann ein streifenförmiger Anteil der Goldschlägerhaut frei, der allein sich vorbuchten kann; die Breite entspricht gerade dem Fingerrücken. Aber auch so würde sich immer noch an den Rändern des Fingers eine nicht unterlegte Falte der Goldschlägerhaut vorwölben. Deshalb müssen die Ränder des Holzstückes 5 (Abb. 1), wie oben erwähnt, über die Fingeroberfläche in die Höhe reichen, so dass sie sich dicht an die Metallstücke »n, und n, anlegen. Die beiden an den Seiten des Fingers übrigbleibenden Rinnen werden am besten dadurch be- seitigt, dass man einen dünnen Gummischlauch in dieselben legt. Aufstellung. Zur Ausführung der Untersuchungen sind noch einige Neben- apparate erforderlich, deren Aufbau in folgendem beschrieben sei. Das auf Abb. 1 links liegende Rohr !, des Kapillartonometers ist 396 Adolf Basler: durch den Schlauch » (Abb. 4) mit der geräumigen Glaskugel q ver- bunden, die — wie aus der Abbildung ersichtlich — mit Hilfe zweier Ringe x so an einem Stativ befestigt ist, dass sie beliebig gehoben oder gesenkt werden kann. An dem rechts liegenden Rohr /; (Abb. 1) wird ein kurzes Schlauchstück angebracht, das mit. einer Klemme — Q Bee ———g Sorrz zz f N N i \ | | | | Abb. 4. Aufstellung zur Vornahme von Untersuchungen. - verschlossen werden kann. Mit einer zweiten Klemme ist der Schlauch p versehen (vgl. Abb. 4). Zur Erzeugung eines bestimmten Druckes steht die Kugel q durch ihren oberen Schlauchansatz mit einem Schlauch in Verbindung, der durch ein 7- Stück « sowohl mit einem Wassermanometer v als mit einem Gummiballon w kommuniziert. Durch Kompression des Gummi- ballons wird in dem System ein Überdruck erzeugt, dessen Grösse. an dem Wassermanometer abgelesen werden kann. Das Zusammen- Untersuchungen über den Druck in d. kleinsten Blutgefässen d. menschl. Haut. 397 drücken erfolgt durch eine Einrichtung ähnlich derjenigen, wie sie bei der Gärtner’schen Blutdruckmessung angewendet wird, d.h. der Ballon wird zwischen zwei mit Scharnieren verbundenen Holz- brettchen, die einander mit Hilfe einer Schraube genähert werden können, zusammengepresst. Ich benütze stets einen einfachen Ballon ohne Ventil, so dass man in der Lage ist, durch Aufschrauben der Presse den Druck im gleichen Maasse und ebenso allmählich wieder zu verringern, wie man ihn hatte ansteigen lassen. Finger und Kapillartonometer müssen während der Beobachtung unter dem Objektiv des Mikroskopes Platz finden. Deshalb darf man keine zu starke Vergrösserung anwenden, weil sonst der Tubus zu sehr der Haut genähert werden muss, so dass für den Apparat nicht mehr der nötige Platz vorhanden wäre. Am meisten empfiehlt sich Leitz’ Okular 2, Objektiv 2. Zur Beleuchtung diente die an einem hohen Stativ befestigte Osram-Azo-Lampe y, deren Strahlen durch den an einem besonderen Stativ befestisten Kondensor 2 so gebrochen ‚werden, dass auf der Fingerhaut ein stark verkleinertes Bild der Metallfäden entsteht. Da die gewöhnlichen Objekttische der Hand keine bequeme Unterlage bieten, habe ich einen passenden Umbau x aus dünnen Brettehen herstellen lassen, dessen Decke a eine 20 cm lange und 10 em breite Fläche darstellt, auf die die Hand bequem gelest werden kann. Ausführung der Versuche. Vor Benützung des Apparates wird die Glaskugel q, während die Klemme am Schlauch p geschlossen ist, ein für allemal etwa zur Hälfte mit Glycerin gefüllt. Die Kugel dient als Reservoir, von dem aus vor jedem einzelnen Versuch die übrigen Bestandteile der An- ordnung gefüllt werden. Zu diesem Zwecke wird die Klemme an dem Schlauch » geöffnet und hierauf der Kapillartonometer unter das Flüssigkeitsniveau in der Kugel gebracht, wobei er so gehalten werden muss, dass die Luft durch den, Schlauch an dem Rohr 1, (Abb. 1) entweichen kann. Dabei füllt sich der ganze Hohlraum gleichmässig mit Glycerin. Nach der Füllung wird das Schlauchstück am Rohr /; abgeklemmt. Zur Füllung verwendete ich stets wirkliches Glycerin, nicht das zurzeit als Ersatz dienende Perkaglycerin, weil letzteres, wie ich mich zu meinem Leidwesen überzeugen musste, die Metall- und Gummi- 398 Adolf Basler: teile des Apparates angreift und dabei selbst weitgehend verändert wird. Wie mir die Firma Goldenberg, Geromont & Cie. in Winkel, welche das Perkaglycerin herstellt, in liebenswürdiger Weise mitteilte, würde sich das ebenfalls von ihr für technische Zwecke in den Handel gebrachte Perglycerin wahrscheinlich für meine Versuche besser eignen. Mir selbst ist es unmöglich, darüber ein Urteil zu fällen, weil ich keine eigene Erfahrung über diesen Punkt besitze. Die Kugel q wird so eingestellt, dass die Flüssigkeitsoberfläche etwa in gleicher Höhe steht wie die Trommel. Dadurch wird er- reicht, dass zunächst kein Druck auf die Haut ausgeübt wird. Jetzt lest man den Finger in die Vertiefung des Holzstückes db, Abb. 1, befeuchtet seine Oberfläche mit einem Tropfen Glycerin, bringt zwei dünne Gummischläuche in die zu beiden Seiten des Fingers bleibenden Rinnen und senkt die mit Glycerin gefüllte Kapsel so weit nach ab- wärts, bis die Unterlagen », und x, auf dem Holzstück b aufstossen. Nachdem die Lampe angedreht ist, sucht man sich eine Gefäss- schlinge aus, deren Druck bestimmt werden soll, und erhöht nun den Druck über der Goldschlägerhaut so lange, bis das Gefäss ver- schwunden ist. ! Um bei der Aufstellung die notwendigen Distanzen des Linsen- systems, der Lampe usw. in aller Ruhe ausprobieren zu können, ohne die Versuchsperson damit aufzuhalten, habe ich mir das Modell eines Fingers aus Kork geschnitzt. Mit diesem Fingermodell lässt sich, ehe die Versuche vorgenommen werden, genau auspropieren, ob alles klappt. Lombrard hat zur Beobachtung der Kapillaren eine Goldschläger- haut verwendet, deren Zentrum ein Loch von 5 mm Durchmesser aufwies. Bei Anwendung einer solchen Öffnung lässt sich jedoch keine sichere Dichtigkeit des Apparates erreichen, jedenfalls nicht für einiger- maassen höheren Druck. Bei meinem Apparat blieb deshalb die Gold- schlägerhaut ganz. Die Beobachtung erfolgte also durch das Glas ;, durch das Glycerin und durch die Goldschlägerhaut. Das Bild wird dadurch kaum undeutlicher, denn die beiderseits von Glycerin um- sebene Membran erscheint fast vollständig strukturlos, und ich war selbst überrascht, wie deutlich man durch den ganzen Apparat hindurch die Gefässschlingen sehen konnte. Nach Beendigung des Versuches wird die Trommel durch Hoch- heben in die Glaskugel entleert und der Verbindungsschlauch ab- Untersuchungen über den Druck in d. kleinsten Blutgefässen d. menschl. Haut. 399 geklemmt. Wird der Apparat täglich gebraucht, dann kann man auch das Glycerin in der Trommel stehen lassen. Die Goldschläger- haut hält gut dicht, höchstens sammelt sich im Laufe eines Tages an der untersten Stelle der vorgebuchteten Membran ein kleiner Tropfen Glycerin an. Der Kapillartonometer, der mit sämtlichen Nebenapparaten von Herrn Universitätsmechaniker E. Albrecht in Tübingen geliefert wird, ermöglicht es, den Druck in den verschiedenen Arten der ober- flächlichen Hautgefässe zu bestimmen. Die bei der Druckmessung gewonnenen Ergebnisse sollen im Zusammenhang in einer späteren Mitteilung veröffentlicht werden. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur verschiedener Fischarten bei Sauerstoffmangel. Von Dr. phil. et med. A. Willer. (Aus dem tierphysiol. Institut der Landwirtsch. Hochschule, Berlin.) (Mit 4 Textabbildungen.) (Eingegangen am 1. August 1918.) Die Respirationsversuche, welche Lindstedt!) unter Leitung von Zuntz und CGronheim an verschiedenen Fischarten ausgeführt hat, zeigten sehr erhebliche Unterschiede des Sauerstoffverbrauchs, sowohl bezogen auf gleiches Gewicht als auch auf gleiche Körperoberfläche. Auch die untere mit dem Leben noch verträgliche Grenze des Sauerstoffgehalts im Wasser war sehr verschieden, am niedrigsten bei den Cypriniden, am höchsten bei Forellen. Aber auch die ersterer gingen, im Gegen- satz zu den Erfahrungen an Fröschen und vielen Wirbellosen bei Sauerstoffentziehung, zugrunde, ehe der Sauerstoffgehalt des Wassers ganz aufgebraucht war. Fin eigentlich anaörobes Leben ist also- bei diesen Fischen nicht möglich, wahrscheinlich weil das Zentralnerven- system bei Sauerstoffmangel schnell seine Funktionen einstelit. Unter diesen Umständen erschien es wertvoll, das Verhalten der Muskulatur von Fischen mit verschieden starkem Stoffwechsel bei Sauerstoffmangel zu erforschen. Die Versuchsanordnung war folgende: In dem stets gleichen Raume und unter mit einer Ausnahme (statt 18—20° 21—23° C.) stets gleichen Temperaturverhältnissen wurden die einzelnen Versuchsfsche mit dem Induktionsstrom gereizt. Zur Reizung wurde das Du Bois-Reymond’sche Schlitteninduktorium 1) Ph. Lindstedt, Untersuchungen über Respiration und Stoffwechsel von Kaltblütern. Zeitschr. f. Fischerei 14. Jahrg. H. 3. 1913/14. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 401 benutzt, und zwar wurden stets tetanisierende Reize verwendet. An- fang und Ende einer jeden Reizung wurde durch einen Vorreiber- schlüssel von Du Bois-Reymond bewirkt. Das Anlegen der . beiden als Elektroden dienenden Kupferdrähte wurde stets unter möglichst gleichen Bedingungen und an gleicher Stelle, soweit dies möglich war, vorgenommen, und zwar wurde der eine Draht durch ein Loch gezogen, das durch die Dorsalmuskulatur vor einer auf dem Ansatz der PBrustflossen senkrechtstehenden Linie gebohrt wurde, der andere Draht möglichst dicht an der Schwanzflosse ventral von der Wirbelsäule durch die Muskulatur. Auf diese Weise wurde ver- - sucht, unter möglichst gleichen Verhältnissen zu arbeiten. Die Länge der Fische wurde annähernd gleich genommen, ab- gesehen von den Versuchen mit Aal und Hecht. Der Sauerstoff- abschluss wurde dadurch erreicht, dass der geköpfte und des Herzens beraubte Versuchsfisch in einer Glasschale mit Paraffinum liquidum übergossen wurde. Um etwa im Blut noch vorhandenen Sauerstoff zu entfernen, wurde vor Beginn des eigentlichen Versuches der ganze Fisch nach der Dekapitation kurze Zeit tetanisiert. War dies ge- schehen, so wurden dem Versuchsfisch die zur Anbringung der Elektroden nötigen Löcher durch die Muskulatur gebohrt, die Elektroden an- sebracht und kurze Zeit tetanisiert. Die Prüfung der Reizschwelle wurde stets eine Viertelstunde nach Tötung des Fisches begonnen, so dass die erste Ablesunge, wenn der Fisch um 10 Uhr getötet war, um 10 Uhr 15 Minuten vorgenommen wurde. Es wurde hierbei einmal bestimmt, bei welchem äussersten Abstand der sekundären Spirale von der primären noch gerade Be- wegung zu beobachten war. Also wenn zum Beispiel bei 22,5 cm Rollenabstand noch eine kleinste Bewegung der Schwanzspitze er- kennbar war, bei 22,6 em nicht mehr, so wurde notiert: „Minimal- reaktion —= 22,5 cm“. Abgelesen wurde diese „Minimalreaktion“ an ‘“ derjenigen Flossenspitze — die Flossenmuskulatur reagierte stets am längsten —, die am empfindlichsten reagierte. Es war dies in vielen Fällen die Schwanzflosse, jedoch nicht bei allen untersuchten Arten. Beim Karpfen fand sich die interessante Tatsache, dass zuerst die untere Schwanzspitze die Reaktion bei weitestem Rollenabstand gab; nach einiger Zeit jedoch war es nicht mehr die Schwanzflosse, sondern die Rückenflosse, die diese Minimalreaktion zeigte, bis dann gegen das Ende hin wieder die Schwanzflosse diese ergab, um jedoch mit 402 A. Willer: der Rückenflosse zugleich ihre Bewegung bei Reizung endgültig ein- zustellen. Auf die näheren Einzelheiten wird noch bei Besprechung der Kurven einzugeben sein. Neben der Notierung der „Minimalreaktion* wurde auch er- mittelt, bei welchem Rollenabstand noch eine Reaktion aller Körper- muskeln in ihrer Gesamtheit eintrat. Hierzu ist zu bemerken, dass bei dieser Ablesung die subjektive Anschauung des Beobachters eine grosse Rolle spielt, da es mitunter schwer zu sagen ist, ob noch die Gesamtmuskulatur reagiert oder nicht. Da jedoch stets von dem gleichen Beobachter abgelesen wurde, so ist vielleicht diese Fehler- quelle für den Vergleich der erhaltenen Kurven möglichst eingeschränkt worden, da ich mir Mühe gab, die Frage, ob noch die gesamte Mus- kulatur reagiere oder nicht, nach gleichen Gesichtspunkten zu entscheiden. - Die beiden Ablesungen, die der „Minimalreaktion“ und die der Reaktion der gesamten Körpermuskulatur, wurden alle 15 Minuten vorgenommen. Die erhaltenen Notierungen wurden auf Millimeter- papier aufgetragen, und zwar bedeuten hier die halben Millimeter der Ordinate den Rollenabstand in Zentimetern, die der Abszisse die Zeit, indem je 5 Millimeter gleich einer Viertelstunde gerechnet wurden. Die entsprechend den einzelnen Messungen eingetragenen Punkte wurden durch Linien miteinander verbunden, und es wurden auf diese Weise Kurven gewonnen, welche einen Vergleich unter- einander gestatteten. Bei einzelnen Versuchen wurden in Zwischenräumen von je 30 Minuten die betreffenden Fische durch andauernden Tetanus so lange cereizt, bis eine völlige. Ermüdung der Muskulatur eintrat. Diese Reizung wurde einerseits vorgenommen, um zu studieren, nach welcher Zeit eine Erholung und inwieweit sie eintrat, andererseits, um zu ersehen, welchen Einfluss diese Ermüdungsversuche auf die Dauer der Reizbarkeit der Muskulatur und die Form der schliesslich erlangten Kurve hätten. Hierauf wird späterhin noch näher ein- zugehen sein. Der Nullpunkt der Ordinaten meiner Kurven entspricht der Null- marke des Schlitteninduktoriums, d. h. dem vollkommenen Überschieben der sekundären Spirale über die primäre. Das Ausbleiben der Reaktion in dieser Stellung wurde durch einen Punkt 5 mm unter der Abszisse bezeichnet, während der Punkt auf die Abszisse gelegt wurde, wenn noch eine Reaktion bei übereinandergeschobenen Rollen eintrat. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulätur usw. 403 Der Schluss der Kurve wird aber auch noch dadurch weniger genau, dass man bei viertelstündlicher Ablesung nicht sagen kann, in welcher Minute dieses viertelstündlichen Zeitraumes die Reizbarkeit aufgehört hat. Es ist also wiederum eine gewisse Eigenmächtickeit, den Zeitpunkt des Erlöschens so einzutragen, als ob er eine Viertel- stunde nach dem letzten beobachteten Ausschlag eingetreten wäre. Ich bin jedoch der Ansicht, dass diese Ungenauigkeit bei der Be- handlung der vorliegenden Frage: Wie verhält sich die Körper- muskulatur einzelner Fische unter anoxybiotischen Verhältnissen ? ziemlich gleichgültig ist. Der Vollständigkeit halber wäre noch anzugeben, dass die Ver- suchsfische sämtlich vor den anzustellenden Reizversuchen einige (4—5) Tage gehungert hatten und unter gleichen Verhältnissen auf- bewahrt waren, so dass ihr Zustand im allgemeinen, soweit dies zu erreichen ist, ungefähr der gleiche gewesen ist!). Angestellt wurden die Versuche in der Zeit von Ende Januar bis Anfang Mai. Von den einzelnen Fischarten wurden verschiedentlich mehrere Exemplare geprüft, um zu erkennen, ob etwa grössere individuelle Unterschiede vorhanden seien. Es hat sich nun hierbei gezeigt, dass die Form der erlangten Kurven bei den einzelnen Vertretern jeder Art im allgemeinen die gleiche, und dass auch die Zeit, während der die Muskulatur für den Induktionsstrom reaktionsfähig bleibt, bis auf kleine Unterschiede im allgemeinen gleich lang ist. Dies gilt sowohl für die „Minimalreaktion* als auch für die Reaktion der gesamten Körpermuskulatur. Einen Einfluss auf die Zeitdauer hat es jedoch, wenn zu den Versuchen nicht frische, gesunde Fische genommen werden, sondern wenn man solche auswählt, die durch langen und schlechten Transport sehr geschwächt sind, oder die zum Beispiel stark von Saprolegnien befallen sind. Der Charakter der Kurve jedoch bleibt ein ähnlicher auch bei den geschwächten oder kranken Exem- plaren; nur sind die Abstürze stärker ausgeprägt und die sanfter ver- laufenden Teile infolgedessen stärker betont und schärfer abgesetzt. Der Wechsel zwischen diesen stärkeren und schwächeren Neigungen in der Kurve bleibt demnach in der Reihenfolge derselbe und ist an geschwächten Exemplaren besonders gut zu erkennen. - Es wurde schon oben erwähnt, dass halbstündlich bei einigen 1) Ausnahmen sind jeweilig angegeben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 27 404 ’ A. Willer: Versuehsfischen eine bis zur vollständigen Ermüdung der Muskulatur gehende Tetanisierung vorgenommen wurde. Es ist nun interessant, zu sehen, dass diese halbstündliche Erschöpfungstetanisierung sowohl auf den Charakter der Kurve als auch auf die Zeitdauer der Reaktions- fähigkeit der Muskulatur keinen oder doch wenigstens keinen wesent- lichen Einfluss hat. Der einzige und in den meisten Fällen deutlich erkennbare Einfluss ist der, dass zu derselben Zeit, wo in der Kurve eines Versuchsfisches von der gleichen Art, bei dem diese Erschöpfungs- tetanisierung nicht gemacht wurde, ein charakteristischer, stärkerer Abfall erfolgt, dieser ein wenig ausgeprägter und intensiver ist. Ich verweise in dieser Beziehung im übrigen auf die folgende Einzel- besprechung der Versuche. Tinca tinca, der Schlei. Zur Untersuchung kamen zwei Schleie, der eine Ende Januar, der andere Anfang März. Da der Reizversuch im Januar überhaupt erst den Anstoss zu vorliegenden Untersuchungen gab, so leidet er noch an einigen Unvollkommenheiten, die bei den späteren Versuchen fortfallen konnten. So musste diese erste Versuchsreihe wegen ander- weitiger Inanspruchnahme vor dem völligen Aufhören und Verschwinden der Minimalreaktion abgebrochen werden. Auch waren nicht sofort die Zahlen, die den Rollenabstand bei minimalster Reaktion angeben, notiert worden. Infolgedessen fehlt der erste Teil der Kurve wie der Schlussteil; sie beginnt erst 1'/s Stunden nach der Tötung des Fisches. Ich verzichte deshalb auf Wiedergabe der Kurve und verweise auf Tab. 1. Der erhaltene Teil der Beobachtungsreihe jedoch konnte zum Vergleich mitherangezogen werden. Wird jedoch von den an- gegebenen Unvollkommenheiten von Versuch 1 abgesehen, so ist doch noch ein für unsere Untersuchungen beabsichtigter Unterschied zwischen den beiden an Schleien vorgenommenen Reizversuchen vorhanden. Bei dem ersten Versuch nämlich wurde die schon oben besprochene Ermüdungstetanisierung vorgenommen. Ein Kreuz am oberen Rand der Kurvenfigur bezeichnet den jedesmaligen Ermüdungstetanus. Die äusseren Bedingungen waren bei beiden Schleiversuchen die gleichen: Die Temperatur im Raum beim ersten betrug 18—20° C., beim zweiten 19—20° C.; die Länge des ersten Fisches war 25 em, die des zweiten 25,5 em. Nur war der erste Schlei längere Zeit im Aquarium gehalten worden als der zweite. Diese das Wohlbefinden Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 405 des Fisches sicher beeinträchtigenden ungünstigen Verhältnisse in der Gefangenschaft, denen dieser länger ausgesetzt war als der zweite Schlei, haben, wie ich wohl glaube annehmen zu dürfen, den niedrigeren Wert im Rollenabstand veranlasst, denn bei Beginn der Kurve I, also 1!/ Stunden nach der Tötung des Fisches, ist der Rollenabstand 21,5 em, während er zu dieser Zeit bei dem zweiten Sehlei 28,9 em beträgt; der Unterschied zwischen den Rollenabständen beträgt also 7,4 em. Wie sich aus den späteren Kurven ergibt (s. Kurven von Leu- eiseus rutilus — hier beträgt die Differenz im Rollenabstand anfangs 8,3 em), ist der Anfang der Kurve stets niedriger, wenn die Fische in der Gefangenschaft längere Zeit gehalten wurden, als wenn sie frisch zu den Versuchen benutzt werden konnten. Auch ist hiervon die Zeitdauer der Reizbarkeit bis zu gewissen Grenzen abhängig, während das Charakteristische an der Kurvenform dadurch wenig oder gar nicht verändert wird, höchstens, dass ähnlich wie durch den halbstündigen Ermüdungstetanus die charakteristischen Abstürze aus- sepräster werden. Diese Absätze in den Kurven nun werden bei den durch die längere Gefangenschaft und Hunger geschwächten Fischen, zum Teil wohl infolge der Verkürzung in der Zeitdauer, um ein Geringes nach dem Anfang hin verschoben, wie sich auch später- hin noch deutlicher zeigen wird. In Tab. 1 sehen wir 1 Uhr 15 Minuten, das heisst 1?/« Stunden nach der Köpfung ein Sinken der Erregbarkeit, die 1 Uhr 30 Minuten fast wieder den früheren Wert erreicht hat. Dieses Verhalten beruht auf einer ausserhalb des Versuches liegenden besonderen Inanspruchnahme durch Reizung. Die Ergebnisse des anderen Schleiversuchs stellen die zwei Kurven Abb. 1 dar. | Diese sind vollständig vom Anfang des Versuches bis zum Schluss durchgeführt. Wir sehen, dass die Kurve der Minimalreaktion in ihrem Verlauf nicht regelmässig und in gleichem Maasse abfallend ist, sondern, dass ihr im allgemeinen sanftes Absteigen zur Nullinie durch einen plötzlichen, stärkeren Abfall, der am Schluss sogar als Absturz bezeichnet werden kann, unterbrochen wird. Schon im Beginn der Kurve ist im Vergleich zum allgemeinen Verlauf ein solcher Abfall, der jedoch nur kurze Zeit anhält, zu beobachten. Darauf erfolgt ein längeres, ziemlich s]eichmässiges Absinken, das 4'/a Stunden anhält, um dann für eine Zeit von °/a Stunde stärker zu werden. Nach dieser Zeit wird das 2m» 406 A. Willer: Fallen der Kurve wiederum sanfter, um allmählich jedoch steiler und steiler zu werden, bis ziemlich plötzlich 10 Stunden nach Beginn des Versuches ein Absturz erfolgt, der nach 30 Minuten zum völligen Erlöschen der Reaktionsfähigkeit führt. Die Kurve zeigt also, dass ihr im allgemeinen gleichmässiger Verlauf dreimal gestört wird durch ein stärkeres Absinken, und zwar gleich zu Beginn, ungefähr in der Mitte der Versuchszeit und am Schluss. Diese drei Abstürze sind deswegen. besonders interessant, weil sie sich mehr oder minder in gleicher Weise bei den übrigen Cyprinidenkurven vorfinden. Inwieweit diese Erscheinung auch bei Vertretern anderer Familien auftritt und zum Vergleich heranzuziehen ist, werden wir späterhin noch besprechen. 1. Versuch. 24. Januar 1914. Temperatur 18—20° C. Tötung des Fisches 11 Uhr 30 Minuten vormittags. Aus Tab. 1 geht hervor, dass eine Reaktion der gesamten Mus- kulatur auf die Reizung mit dem Induktionsstrom hin festzustellen ist während einer Zeit von 4%/s Stunden (von 11 Uhr 30 Minuten bis 4 Uhr 15 Minuten). Die zur Erzielung dieses FEffekts nötige Stromstärke wächst langsam in den ersten 3 Stunden nach dem Tode, viel stärker und immer mehr, zunehmend bis zum Erlöschen dieser Reaktion um 4 Uhr 30 Minuten. Es ist nun noch auf die Ermüdungsversuche einzugehen, die schon oben erwähnt worden sind. Da zeigt sich, dass zu einer völligen Erschöpfung, d. h. bis absolut keine Reaktion mehr zu er- kennen ist, zuerst 40, ja 70 Sekunden währende Dauerreizung (Tetani- sierung) erforderlich ist, dass aber je längere Zeit seit der Tötung des Fisches verflossen ist, eine um so kürzere Reizzeit zur Erlangung einer vollständigen Ermüdung notwendig ist. Merkwürdig ist dabei jedoch, dass dem die Länge der Zeit, die zur Erholung, d. h. zur Wiedererlangung der der Versuchszeit entsprechenden Reaktionsfähig- keit der Muskulatur, notwendig ist, nicht entspricht. Im Gegenteil, das Verhältnis der Reizzeit, die zur völligen Ermüdung notwendig ist, zur Ruhezeit, die zur Wiedererholung gebraucht wird, wird immer kleiner. Es steht also die Erholungszeit zur Ermüdungszeit in keinem konstanten Verhältnis. Doch scheint die erstere abhängig zu sein von der Ermüdungszeit insofern, als sie nämlich abnimmt bei kürzere Zeit dauernder Reizung. Ich hatte eigentlich erwartet, dass mit der Länge der Zeit, die seit der Tötung verflossen ist, die Er- holungszeit zunehmen müsste. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 407 Tabelle ll. Reaktion 2n ; f der gesamten anal B Muskulatur | "° ae = Zeit bei einem Ermüdungsversuch 3 Rollenahstand Rollenabstand nn von cm cm 12h 00’ 16 — 12h 15’ 16 — 12h 30’ 15,9 - 12h 45’ 15,8 21,5 15 00’ 15,8 21,5 1h 15’ 15,8 19,5 * 2 Minuten vorher gereizt. Nach ver- hältnismässig kurzer Reizung völlige ae es Br Erschöpfung. ? 022 Ih 45’ 15,1 21,3 2h 00’ 15,1 21,4 2h 15’ 15 21,3 | 2h 30’ 14,9 DH + Völlige Erschöpfung nach 40 Sekun- den langer Reizung. Erholung nach ll 15 Sekunden Pause. 2h 45 13 20,7 3 00’ 11 20,8 + Erschöpfung nach 70 Sekunden. Erholung nach 15 Sekunden. 3h 15’ 10,3 20,6 3h 30’ 10.2 20,3 + Erschöpfung nach 55 Sekunden. Erholung nach 10 Sekunden. sh 45’ 9,5 19,7 4h 00’ 91 19,6 + Erschöpfung nach 30 Sekunden. Erholung nach 12 Sekunden. 4h 15’ 7 19,4 4h 30’ — 19,3 + Erschöpfung nach 25—30 Sekunden. Erholung nach 10 Sekunden. 4h 45’ 18,9 i 5h 00’ _ 18,3 + Erschöpfung nach 14—15 Sekunden. Erholung nach ca. 10 Sekunden. 5b 15’ — Ira 53h 30’ — 10,3 + Erschöpfung nach 15—17 Sekunden. Erholung nach 7—10 Sekunden. 5h 45 — 16,8 6& 00’ 16,4 + Erschöpfung nach 5 Sekunden. Er- holung nach 5—10 Sekunden. 6h 15’ — 16,1 7h 15’ — 14,8 Der Ermüdungsversuch wurde stets, auch in den noch später zu schildernden Fällen, so ausgeführt, dass bei der Reizung die sekundäre Rolle des Induktionsapparates ganz über die primäre geschoben wurde, dass also mit dem stärksten Strom gereizt wurde Vorgenommen wurde er stets nach der zur Herstellung der Kurven dienenden Hauptablesung. / Die Notierungen des zweiten an einem Schlei ausgeführten Ver- suches (9. März 1914) sind aus Abb. 1 (S. 408) zu entnehmen. 408 As WVallıem; Bei diesem zweiten Versuch reagierte also die gesamte Muskulatur auf die Reizung mit dem Induktionsstrom während einer Zeit von 31/4 Stunden (von 8 Uhr 5 Minuten bis 11 Uhr 20 Minuten), während die „Minimalreaktion“ erst nach 10"/. Stunden erloschen war. Wie schon oben gesagt wurde, sind die Fehlerquellen bei der 'Ablesung der Reaktion der gesamten Muskulatur notwendigerweise gross, und ich möchte daher keinen allzu grossen Wert auf die Einzelheiten dieser Kurven legen. Leueiseus rutilus, die Plötze. Zur Untersuchung der Verhältnisse bei der Plötze wurden Ver- suche mit zwei Exemplaren vorgenommen, der eine Versuch am 6. März, der andere am 13. März 1914. Beide sind vollständig 32 30 28 26 24u 22 20 0 EBSUpr 995 7005 7705 1295 795 295 305 405 5% 65, , 78 Abb. 1. Versuch vom 9. März 1914. durchgeführt. Die erste Plötze, mit der am 6. März gearbeitet wurde, war etwas länger als die übrigen Fische im Aquarium gehalten worden und dadurch vielleicht ein wenig geschwächt. Bemerkenswert ist, dass zu Anfang der Versuche bei der ersten Reizung der Fisch mit einer blitzartigen Bewegung kräftig den ganzen Körper hochschnellte, was ausser bei der Plötze Nr. 2 nur noch bei der Bachforelle und der einen Regenbogenforelle beobachtet werden konnte. Bei allen Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 409 übrigen Versuchsfischen trat auch zu Beginn nur eine mehr oder weniger kräftige Kontraktion der Muskulatur ein, ohne dass es zu einer derartig koordinierten Körperbewegung kam. Diese Allgemein- bewegung des Fischkörpers dürfte wohl darauf beruhen, dass das Rückenmark noch reizbar war. Die Temperatur des Versuchsraumes betrug bei der ersten Plötze 20°C. bei der zweiten: 19—20° C. Die Länge der ersten war 29 cm, die der zweiten 24,5 em. Es sollen nun zuerst die Notierungen des ersten Plötzenversuches folgen: Versuch am 6. März 1914. Temperatur 20° C. Tötung des Fisches 11 Uhr 55 Minuten vormittags. Tabelle 2. Reaktion 00 mn 5 een Minimal- Minimal- der gesamten | Teaktion bei reaktion bei Zeit Ds Dainem a Be A Ermüdungs- Zeit einem 5 - ollenabstan he Rollenabstan raene Koh VErSuc en cm cm cm 12h 10' 15 21,2 3h 25’ 6,6 12h 25’ Juan 21 + Völlige Er- | 3h 40’ 5 ? schöpfungnach 90 Sekunden. Erholung nach 20 Sekunden. 12h 40' 0 — 15,2 3h 55’ 3 12h 55’ 15,3 4h 10’ 2 1h 10 15 4h 25’ 0— m225 14,4 — — In 40° 143 u“ = hi 2 ie ah 25’ a, ® RN 2h 40’ 10,3 — — ah 55’ 82 = RE 3h 10’ 7,6 _ = Eine Reaktion der gesamten Muskulatur auf die Reizung mit dem Induktionsstrom ist, also nachweisbar während einer Zeit von !/s Stunde (von 11 Uhr 55 Minuten bis 12 Uhr 25 Minuten). Die „Minimal- reaktion“ erlosch erst nach 4!/s Stunden. Bei dieser Plötze wurde ein Ermüdungsversuch gemacht und sollte eigentlich wie bei dem ersten Schlei weiter fortgeführt werden. Es zeigte sich jedoch nach der ersten Ermüdungsreizung, dass die Reaktion sehr schlecht geworden war, so dass auf eine Weiterführung verzichtet wurde. Geschwächte 410 A. Willer: Individuen scheinen derartige Ermüdungsversuche sehr schlecht zu vertragen. Allerdings musste zur vollen Erschöpfung der Reaktions- fähigkeit 1 Minute 30 Sekunden lang gereizt werden, wonach jedoch keine vollständige Erholung eintrat, sondern nur eine geringe nach 30 Sekunden. Die Reizbarkeit zeigt auch hier einen ganz besonders starken Abfall. Der anfängliche Rollenabstand für die Minimalreaktion liegt bei 21,2 cm gegen 29,5 am 13. März, was ebenfalls, wie schon oben besprochen worden ist, auf die Schwächung des Fisches durch die längere Gefangenschaft zurückzuführen ist. Auch hier findet sich drei- mal ein schneller Abfall der Reizbarkeit, ähnlich dem beim Schlei Nr. 2 beobachteten. Der erste ist sofort zu Beginn des Versuches gelegen, ‚Muskulatur es 475 12 Abb. 2. Versuch am 13. März 1914. 775 275 37% 475 5% der zweite ungefähr in der Mitte der Versuchszeit, der dritte gegen das Ende hin. Während jedoch beim Schlei der dritte starke Kurvenabfall die Kurve beschliesst, ist dies bei der Plötze nicht der Fall, sondern es folgt schliesslich noch ein Sanfteres Absteigen, s. auch Abb. 2, welehe über den zweiten Versuch mit Leueiseus Aue schluss gibt. Die gesamte Muskulatur hatte also ihre Reaktionsfähigkeit nach 13/ı Stunden verloren; die letzte Reaktion überhaupt trat nach 7 Stunden auf. Über den Verlauf der Kurve ist nichts hinzuzufügen; die ls gemeine Form ist die gleiche wie bei der ersten Plötze. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 411 Cyprinus carpio, der Karpfen. Vom Karpfen wurden gleichfalls zwei Exemplare untersucht; die Länge des einen betrug 27 cm, die des anderen 24 cm. Die Tem- peratur des Versuchsraumes war am 3. April 15—20°, am 20. April 21—23° Wie ersichtlich, hat jedoch dieser kleine Temperatur- unterschied keinen Einfluss auf die Dauer der Reaktionsfähigkeit wie auf die Form der Kurven gehabt. Es folgen die Notierungen über den ersten Karpfen: Versuch am 3. April 1914. Temperatur 18—20° C. ans des Fisches 9 Uhr 50 Minuten vormittags. Tabelle 3. Reaktion d. gesamt. | Minimal- Minimal- Musku- reaktion reaktion latur bei | bei einem ® ‚! bei einem EN Zeit einem Rollen- Ermüdungs- Zeit Rollen- Ermüdungs- Rollen- abstand versuche abstand versuche 'abstand "von von ; von : cm cm - cm 10h 05’ | 15,8 24,1 1h 35’ 12,4 Vollständige Er- E - müdung nach 5 Se- kunden, Erholung . ast momentan. h . 1 23.4 Vollständige Eı- h. 50’ HOME, ’ ’ ’ j 5 müdung n. 170 Se- kunden. Erholung . ‚| nach 5—10 Sek. Ba 108 35’ 10,8 20,5 9h 05’ 11,2 .| Vollständige Er- müdung nach 7 Se- e a en Erholung Be: 2 , : x sofort 105 50’ 9,5 17 2h 20' | 10,6 | 115 :05’ 8 15,9 Ih 35’ 10,3 Vollständige - ‚ Er- 5 ; müdung nach 5 Se- SE : kunden. Erholung ; sofort. e ollständige Er- h KR) we OL 11h 20’ Vollständi E 5 \ 3 müdung. n. 25 Se- DE: 2 2 2 \ kunden. Erholung ; ME: £ j nach 5 Sekunden. Be mas. 13,9 3h 05’ Im Vollständige Er- | > müdung nach 5 Se- Lunden, Es Er sofort 11h 50’ — 13.1 Vollständige Er- >3h 20’ 8.6 A i müdung n. 20 Se- E 2 3 kunden. Erholung - . r nach 5 Sekunden. : ; r 12h 05’ _ 13,1 >h 35’ 3,9 12h 20’ E 12.9 Vollständige Er- 3h 50’ 93 ? müdung n. 15 Se- kunden. Erholung ‘ | .n.2—5 Sekunden. 12h 35 —_ 12,5- 4h 05’ 9a 50' |: — 127 = ie 1 er 2 12, 4 Vollständige Er- = en ei müdung n. 8 Se- 7 n . kunden. Erholung . | >. fast momentan. oo 1.105, = = 412 A.'Willer:; Eine Reaktion der gesamten Muskulatur lässt sich 1’/2 Stunden lang nachweisen; die Minimalreaktion ist nach 6 Stunden erloschen. Am empfindlichsten. für den Minimalreiz war bis 11 Uhr 35 Minuten die Schwanzflosse, dann bis 1 Uhr 50 Minuten die Rückenflosse. Bei diesem Karpfen wurden wiederum in Abständen von 30 Minuten (mit einzelnen Ausnahmen) Ermüdungstetanisierungen vorgenommen, die ein ähnliches Bild lieferten, wie es schon bei Tincea beobachtet worden _ ist. Im Anfang musste 170 Sekunden lang gereizt werden, ehe eine völlige Ermüdung eintrat; die Erholung erfolgte jedoch bedeutend schneller als bei dem Schlei, nämlich bereits nach 5—10 Sekunden. Die zweite Reizung bedurfte schon erheblich kürzerer Zeit, um die Ermüdung herbeizuführen (25 Se- kunden); danach jedoch findet eine gleichmässiger abnehmende Zeitdauer für die Ermüdung Platz. Die Erholungszeit, welche nach jeder Ermüdungsreizung notwendig ist, verkürzt sich mit den kürzeren Reizzeiten. Der Einfluss der Ermüdungsversuche scheint sich, vergleicht man das Verhalten des ersten Karpfens mit dem des zweiten, nur auf eine etwas stärkere Ausprägung und ' Abb. 3. Versuch am 20. April 1914. längere Dauer des ersten Kurven- abfalles zu erstrecken. Bezüglich des Kurvenverlaufes finden sich ‘die gleichen drei charakteristischen Abstürze zu Beginn des Versuches, in der Mitte und am Ende. Die Kurve nähert sich insofern mehr der des Schleis, als der dritte Absturz ebenfalls am Ende sich vorfindet. Der Versuch mit dem zweiten Karpfen zeigt obige Kurve (Abb. 3). Versuch am 20. April 1914. Temperatur 21—23°C. Tötung des Fisches 10 Uhr vormittags. Da bei dem ersten Karpfen zu Anfang des Versuches eine Re- aktion bei äusserstem Rollenabstand an der Schwanzflosse, späterhin an der Rückenflosse und dann schliesslich an beiden zugleich ab- gelesen worden war, so wurden bei diesem zweiten Karpfen die Ab- lesungen getrennt von Anfang an vorgenommen und als Kurven re- \\Schlwanzflosse N N 20 i N \ \ iR ‚ges. Musku, N [N % OOYpr M99 7900 700 290 3090 400 Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 413 eistriert. Hier reagierte zuerst bei äusserstem Rollenabstand die Schwanzflosse; erst nach 31/4 Stunden trat für kurze Zeit (1°/s Stunden) die Rückenflosse an ihre Stelle. Die Reaktion hörte bei beiden zu gleicher Zeit auf. Der Wechsel der Erregbarkeit zwischen den beiden Flossen zeigt sich bei den zwei untersuchten Fischen in gleicher Weise. Die gesamte Muskulatur reagierte auf die Reizung mit dem In- duktionsstrom noch bis 1?/s Stunden nach deın Tode; die letzte Re- aktion erlosch nach 5!/s Stunden. Die Reaktionsfähigkeit war also bei beiden Karpfen ungefähr gleich lang. Abramis brama, der Blei. Aus der Familie der Cypriniden kam nun noch der Blei (Abramis brama) in zwei Exemplaren zur Untersuchung. Mit dem ersten wurde der Versuch am 6. März, mit dem zweiten am 7. März 1914 vor- genommen. Die Länge beider Versuchsfische war nicht ganz gleich (23,7 und 27 em), die Zimmertemperatur die gleiche (19° C.) Ein Unterschied bestand insofern zwischen beiden Fischen, als der erste bereits trotz der verhältnismässig kurzen Zeit der Gefangenschaft (5 Tage) von Saprolegnia befallen war, während der zweite körper- lich intakt war. Darauf mag auch die verkürzte Reaktionszeit beim ersten Blei ("/s Stunde) gegenüber derjenigen beim zweiten, die immer- hin auch nur sehr kurz (1?/« Stunden) war, zurückzuführen sein. Be- sonders auffallend ist das Wiederansteigen der Erregbarkeit beim Versuch am 7. März vom Rollenabstand 9,8 auf 11,2, worauf die Er- regbarkeit innerhalb der nächsten Viertelstunde erlosch. Eine Re- “aktion der gesamten Muskulatur nach dem Tode war überhaupt nicht zu erzielen. Die Kurven fallen ganz aus dem Rahmen derjenigen, welche bei den übrigen Cypriniden erhalten worden sind. Es sollten gerade mit dem Blei noch weitere Versuche vorgenommen werden; jedoch wurden diese durch den Ausbruch des Krieges verhindert. Die Notierungen über die beiden Versuche folgen (Tab. 4 und 5, S. 414). Anguilla vulgaris, der Aal. Zwei Aale wurden untersucht, der erste mit einer Länge von 30 em am 6. Februar 1914 bei einer Zimmertemperatur von 18—20°C., der zweite mit einer Länge von 48 cm am 6. Mai 1914 bei einer 414 Versuch am 6. März 1914. Temperatur 19°C. Tö- tung des Fisches 11 Uhr vor- mittags. Tabelle 4. Minimalreaktion bei einem Rollen- Zeit abstand von cm 11h 15’ 5 11h 30’ SU 11h 45’ _— A. Willer: Versuch am 7. März 1914. : Temperatur 19°C. Tö- tung des Fisches 2 Uhr 45 Min. nachmittags. Tabelle 5. Minimalreaktion bei einem Rollen- Zeit abstand von cm 3h 00’ 15,7 3h 15’ 14.7 3h 307 9,8 3h 45° 101 4h 00' 10,6 Ah 15’ 10,6 Ah 30" 112 Ah 45’ = Temperatur von 20—21° C. Die Notierungen über den Versuch im Februar folgen in Tabelle 6: Versuch am 6. Februar 1914. Temperatur 18—20 ° C. Tötung des Fisches 10 ul vorm. müdung nach 4 Se- kunden. Erholung Ta ‚antahal. Rai an Bine a De Le a elle 6. r a Sul aRSsresE DE TE AR RER Er d. gesamt. | Minimal- | Minimal- Musku- reaktion reaktion latur bei | bei einem bei einem Zeit einem Rollen- Ermüdungs- Zeit Rollen- Ermüdungs- Rollen- abstand versuche abstand versuche abstand von , von von 3 Ban ER ne in ar cm 10h 15’ 14,9 29,6 12h 45’ 12,2 10h 30’ 15,2 30,2 Vollständige Er- 1h 00’ 12,1 Vollständige Er- ande holen 1Sckungenikrne unden. Erholung unden. Erho- 10h 45 4 998 nach 7 Sekunden. n } lungn.5Sekunden. 1 14,2 22, 1b 15 11,9 zin.000 | 19, | 8100 San la | Le | kunden. Erholung kunden. Erholung n. 7—8 Sekunden. nach 4 Sekunden. 11h 15’ 11,7 17,4 1h 45’ I ı 2 ’ 7 = Lin 30 |. 528, 0159 „| Kausens 2 2590| 102 | ln kunden. Erholung kunden. Erholung nach 19 Sekunden. nach 10 Sekunden. 11h 45’ e 12 2h 15 6,3 12h 00' — 12,3 Vollständige Er- 9h 30' — müdung n. 12 Se- kundan. Erholung nach 5 Sekunden. ai In 12,3 = 12h 30’ e* 12,3 E Vollständige Er- zu . 4—5 Sekunden. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 415 Die gesamte Muskulatur reagierte bis 1!/s Stunden nach Tötung des Fisches; eine Reaktion war überhaupt noch nachzuweisen nach 4!/s Stunden. Die Reaktion bei äusserstem Rollenabstand wurde au den Brustflossen abgelesen, da diese, nicht die Schwanzflosse wie bei den Cypriniden, die Minimalreaktion zeigten. Der Charakter der Kurve ist ein etwas anderer als der bei den meisten Cypriniden haltene, indem die beiden ersten Kurvenabstürze, der Anfangs- und der mittlere Absturz, dicht aneinandergerückt sind, ja fast ineinander überzugehen scheinen. Die Kurve des zweiten Aales zeigt aber wohl, dass man beide trennen kann und auch hier mit Recht drei Abstürze unterscheidet. Hier geht auch der Einfluss der Ermüdungsversuche auf die Ausbildung der stark fallen- den Teile der Kurve deutlich hervor, wenn wir das Ver- halten beider Aale ver- gleichen. Dort, wo die Kurve an und für sich keine stark fallende Tendenz zeigt, ist ein Einfluss der Ermüdungs- versuche nicht zu erkennen; dort aber, wo ein Absturz zu erwarten ist, ist er um ein Bedeutendes verstärkt. Um auf die Ermüdungs- Abb. 4. Versuch am 6. Mai 1914. versuche selbst einzugehen, so zeigt sich hier, dass mit der längeren Zeit, die nach dem Tode verflossen ist, auch die Reizzeit, die zur völligen Ermüdung führt, im alleemeinen kürzer geworden ist; gegen das Ende des Versuches hin wird sie jedoch wieder etwas länger (von 4 Sekunden auf 3 Se- kunden); die Erholungzeiten scheinen ganz unabhängig von der Reiz- dauer zu sein. Bei dem zweiten Aal dauerte die Reaktionsfähigkeit der gesamten Muskulatur 2%/ı Stunden; die letzte Reaktion konnte nach 6 Stunden abgelesen werden. Wie schon gesagt, ist hier der zweite Absturz als von dem ersten getrennt zu erkennen, wenn auch nur durch die Dauer einer Viertelstunde. Da beim zweiten Aal die Schwanzflosse anfangs die Reaktion bei äusserstem Rollenabstand zeigte, so wurden Notierungen 20Uhr 1020 7129 1220 720 220° 320 420 416 AS WIlen!: der Reaktion der Brustflossen gesondert vorgenommen und als Kurve aufgezeichnet. Esox lucius, der Hecht. Vom Hecht wurde nur ein Exemplar untersucht, und zwar am 27. Februar 1914. Die Länge desselben betrug 47,5 em. Bei diesem Hecht wurden auch gleichzeitig Ermüdungsversuche vorgenommen. Versuch am 27. Februar 1914. Temperatur 17,5—18,5° C. Tötung des Fisches 10 Uhr vormittags. Tabelle 7. Reaktion d. gesamt. | Minimal- Minimal- Musku- reaktion reaktion latur bei | bei einem N x bei einem E f Zeit einem Rollen- Ermüdungs- Zeit Rollen- Ermüdungs- Rollen- abstand versuche abstand versuche abstand von von von ß cm cm em 10h 15’ 16 25,4 12h 00’ 14 Vollständige Er- müdung nach 14 Se- kunden. Erholung n. 10-12 Sekunden. 10h 30’ 14,3 24,8 Vollständige Er- | 12h 15’ 13,3 müdung n. 127 Se- kunden. Erholung nach 10 Sekunden. 10h 45’ —_ 19,3 12h 30’ 12,6 Ermüdung wegen : sehr geringer Re- aktion nicht mehr feststellbar. 11h 00’ 2 18 Vollständige Er- | 12h 45’ Au müdung n. 55 Se- } kunden. Erholung nach 15Sekunden. a 1150 —_ 16,3 1h 00’ — 11h 30’ — 15.9 Vollständige Er- — 2 müdung n. 37 Se- kunden. Erholung nach 15—20 Sek. Jh Az || 14,2 => = Die gesamte Muskulatur reagierte also noch nach !/s Stunde; die letzte Reaktion wurde nach 2?/ı Stunden verzeichnet. Aus der Tabelle geht hervor, dass auch hier drei stärkere Abfälle zu beobachten sind: am Anfang, in der Mitte und am Schluss der Versuchszeit. Bei den Ermüdungsversuchen ist eine verhältnismässig gleich- mässige Verkürzung der zur Ermüdung notwendigen Reizzeit zu be- obachten. Auffällig ist die im Vergleich zu den übrigen Fischen be- sonders zu Beginn verhältnismässig lange Erholungszeit, die bis zum Wiederauftreten einer Reaktion notwendig ist. Perca fluviatilis, der Barsch. Es wurde nur ein Barsch untersucht am 4. März 1914 bei einer Zimmertemperatur von 18,5—19,5° C. Das Tier hatte eine Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 417 Länge von 25,5 em. Die Zeitdauer der Reaktionsfähigkeit der ge- samten Muskulatur betrug weniger als 15 Minuten; es reagierten zu- erst nur sämtliche Flossenmuskeln.. Die Reaktion bei äusserstem Rollenabstand zeigten die Brustflossen; diese konnte während einer Zeit von 1!/a Stunden abgelesen werden. Der einmalige Ermüdungs- versuch ergab, dass nach 33 Sekunden langer Reizung eine völlige Ermüdung herbeigeführt werden konnte, dass die Erholungszeit 5 Se- kunden betrug. Versuch am 4. März 1914. Tötung des Fisches 10 Uhr. 45 Minuten vormittags. Tabelle 8. Minimalreaktion Minimalreaktion bei einem 2 bei einem ZEN Rollenabstand Ermüdungs- Ze NRellenabsand von versuch von cm cm 11h 00’ 18,4 12h 4,5 11h 15’ 16,3 Vollständige Ermüdung | 12h 15’ - nach 38 Sekunden. Erholung nach 5 Se- kunden. un SV“ 13,3 — 11h 45’ 7 _ Trutta iridea, die Regenbogenforelle. Die beiden Versuche mit Regenbogenforellen wurden am 20. Fe- bruar und 3. März 1914 vorgenommen. Bei dem ersten Versuch herrschte im Zimmer eine Temperatur von 19—20° C., bei dem zweiten von 21° C. Der erste. Fisch war 23,3 em lang, der zweite 21,5 em. Bei beiden Forellen war die Dauer der Reaktionen sehr ‚kurz; der Versuch am 20. Februar ergab eine Reaktion der gesamten Muskulatur bereits nach 15 Minuten nicht mehr, eine Reaktion der Flossen konnte bei 10 cm Rollenabstand noch nach 15 Minuten ab- gelesen werden; nach 30 Minuten war eine solche schon nicht mehr nachzuweisen. Die zweite Forelle reagierte noch nach 15 Minuten mit ihrer gesamten Muskulatur; die Reaktionsfähigkeit überhaupt er- losch nach 1. Stunde. Versuch am 20. Februar 1914. Temperatur 19—20° C. Tötung des Fisches 10 Uhr 15 Minuten vormittags. 418 A. Willer: Tabelle 9. Reaktion der gesamten Muskulatur bei einem Minimalreaktion bei Zeit Bolletanstanderen einem Rollenabstand von cm cm 10h 30' — 10 10h 45’ — De Versuch am 3. März 1914. Temperatur 21° C. Tötung des Fisches 4 Uhr 45 Minuten nachmittags. Tabelle 10. | Reaktion der gesamten Minimalkeaktior hei Muskulatur 'bei einem Zeit Ralkaapsenduon einem Rollenabstand von cm cm 5h 10’ 13 23,8 5h 25’ — 15 5h 40' — 7,8 5h 55’ — 3 6h 10’ _ —_ An den Kurven sind Besonderheiten nicht zu erkennen: sie fallen bei beiden Forellen gleichmässig steil ab. Trutta fario, die Bachforelle. Ein Unterschied zwischen der Regenbogenforelle und der Bach- forelle in der Dauer der Reaktionsfähigkeit der Muskulatur besteht nicht. Bei dem unter gleichen Bedingungen (Länge 22 cm) wie bei der zweiten Regenbogenforelle am 3. März 1914 vorgenommenen Versuch ergab sich für die gesamte Muskulatur eine Reaktionsfähig- keit von !/sı Stunde. Die letzte Reaktion wurde nach !/sz Stunde nach- gewiesen. Die Form der erhaltenen Kurve entspricht somit den bei den Regenbogenforellen gewonnenen. Bei der zweiten Regenbogenforelle und der Bachforelle war so- fort nach dem Tode eine blitzartige Zuckung des ganzen Körpers auf den Reiz mit dem Induktionsstrom zu konstatieren. Versuch am 3. März 1914. Temperatur 21° C. Tötung des Fisches 4 Uhr nachmittags. Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 419 Tabelle 11. | Reaktion der gesamten Mitimalreäktienetbei Zeit M un as ne einem Rollenabstand von cm | cm | | An 14 21,6 4h 30’ _ 10 4h 45’ — —_ Zusammenfassung. Bei vergleichender Betrachtung der vorstehend angeführten Ver- suche sei zuerst die verschiedene Zeitdauer der Reaktionsfähigkeit bei den einzelnen Formen zusammengestellt in der Reihenfolge der Länge dieser Zeiten: a #Einea tinea I: 222 2772 102/02 Stunden 2 Tineastincaal. »..022 u 72a £ 3. Leueiscus Eutusalle sn. Ka a 4 Cypkinus carpio 7 . ... 6 2 5. Anguilla vulgaris II. . . 6 : 62.Cyprinus carpio II... .. solls R 7. Leueiseus rutilusI . . . Als 5 8. Anguilla vulgaris I... . 4 5 GSX lueiuse 2. 23a ä 105 Abramıs, Drama IE 22... 124 E DR Perea Huwatlis As. Il e 12, ruttar idea 22.0 01 x 13 20%bramis- brama.l 1 5 12 Pruttaslario. 2... 2 2020 > 1/o : os Rrustasıdea-l 22..002.,2 1a 3 Wir können demnach zwei Gruppen bilden, in deren eine Fische mit längerer Reaktionsdauer gehören (I—8), in deren andere die- jenigen mit kürzerer Reaktionsfähigkeit fallen (9—15). Im wesent- lichen gehören zur ersten Gruppe Angehörige der Familie der Cypri- niden; dazu tritt der Aal. Zur zweiten Gruppe gehören vor allem die Salmoniden, Hecht, Barsch, und als einziger Vertreter der Cypri- niden der Blei!). Es ist interessant, dass die erste Gruppe die so- 1) Über den Blei müssen wohl noch weitere Versuche entscheiden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 28 420 | A. Willer: genannten Friedfische enthält, während in der zweiten sich die Raub- fische vorfinden. Im Hinblick auf die eingangs dieser Arbeit dargeleeten Erwägungen wollen wir die in meinen Versuchen gefundenen Mittelwerte der Re- aktionsdauer nach dem Tode mit der Intensität des Stoffwechsels ver- gleichen, welche Lindstedt und Knauthe durch Respirations- versuche festgestellt haben. Wir berechnen zu diesem Behufe für die betreffenden Fischarten aus Tab. IV, Stab 14 von Lindstedt’s Ab- handlung (Zeitschrift f. Fischerei Bd. 14 S. 245) die Zeit, innerhalb derer der betreffende Fisch 100 g Kalorien auf 1 qdem Körperober- fläche bei 15° C. verbraucht, und vergleichen diese Zeit mit der Re- aktionsdauer im Mittel meiner Versuche. Zeit des Verbrauchs Fischart De von an en Dinea tinease. .%% 9,12 8,23 Cyprinus carpio. . . 9,75 3,19 Esox lueus.. 2,15 9,62 Perca fluviatilis. . . 1,25 7,06 Pruttasiridea 0. 0,63 1,0% Im allgemeinen weisen diese Zahlen auf eine nahe Beziehung der Intensität des Stoffwechsels zur Dauer des Überlebens der Muskeln; nur bei Hecht und -Barsch weichen die Werte stärker ab. j Weitere Unterschiede zwischen den einzelnen Arten ergeben sich aus der Form der Kurven. Wir hatten gesehen, dass bei einem Teil der untersuchten Fische die Kurven allmählich abfielen, dass dieser langsame Abfall jedoch durch drei Abstürze oder doch stärkere Ab- fälle unterbrochen wurde, während diese drei ‚Abstürze bei dem anderen Teil nicht beobachtet werden konnten. Diesen ersten Typus der Kurvenform zeigten folgende Fische: Tinca tinca, Leueiscus rutilus, Cyprinus carpio und auch wohl Anguilla vulgaris. Da man auch bei der kürzer und steiler verlaufenden Kurve von Esox lueius ebenfalls drei Abstürze unterscheiden kann, so dürfen wir auch wohl den Hecht zu dieser Gruppe rechnen. Vielleicht zeigt gerade dieses Beispiel, dass bei genauerer Analyse der einzelnen Kurven der übrigeu Fische bzw. bei weiterem Auseinanderziehen derselben durch andere Versuchsanord- nung (zum Beispiel häufigeres Ablesen der Reaktion in kürzeren Zwischen- räumen) auch diese vielleicht den gleichen mehrstufigen Charakter Versuche über die Dauer der postmortalen Erregbarkeit der Muskulatur usw. 49] besitzen würden wie die von den'meisten Cypriniden erhaltenen Kurven. Ob also diese Unterscheidung zwischen den Arten, deren Reizbarkeit mit wechselnder Geschwindigkeit abfällt, und denen, die diesen Charakter nicht zeigen, berechtigt ist, lässt sich endgültig noch nicht entscheiden. Vergleicht man, wie sich der Rollenabstand bei der schwächsten Reaktion zu Beginn der einzelnen Versuche verhält, so könnte man annehmen, dass dies abhängig wäre von der Dauer der Reizbarkeit resp. der Länge der Kurve. Dem ist aber nicht ganz so. Wir erhalten nämlich folgende Reihe): er Eineastineaslis na... 2.2 2. 80bem 2 menllasvulearıss I ey rear 29a, 8 Beueiseuserutllus. IEa 228 2er u 2950, Pl soseluchuse 2 2. een re 125,4 >> SOypEINUSTcarpıo le... 2 2, 9020,24, 9 Rruttanmidea. II... 2 N. 00 0. 223,85 7 Anouillar vuleanıs IL, „eat 8° Cyprinusearpioallen . men... 0008 Ren uhtaxlanloss a ne 2 ee 2, 70-7 Beueiseus rutllus RB .2..2 202.2 .0252 5 Be Bereantluviatlisens en. 0.00 un IE PErRbramischramanlIl.r . 7 2.2 lo, ISesbenttanızrdeaslss:., 2... 220,220 .25. 10, ee Npramisabramar len ac. Sultan 0, Es ist anzunehmen, dass die anfangs zur Auslösung der Reaktion erforderliche Stromstärke von der zufällig wechselnden Entfernung des Elektrodendrahtes vom motorischen Nerven der Flossenmuskeln ab- hängt, also keine prinzipielle Bedeutung hat. Jedenfalls ist der Ver- lauf der Kurve von der Anfangsweite des Rollenabstandes im wesent- lichen unabhängig. 1) Tinea tinca I kann nicht zum Vergleich herangezogen werden. 28* (Aus dem histologisch-embryologischen Institut der Universität München. Vorstand: Prof. Dr. Mollier.) Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung innersekretorischer Organe. VI. Mitteilung. Weitere Versuche über den Einfluss von Fett- und Lipoid- 'substanzen sowie von enteiweissten Extrakten der Schild- drüse auf Entwicklung und Wachstum. Von Privatdozent Dr. Benno Romeis, Prosektor am histologisch-embryologischen Institut, zurzeit am Reserve- lazarett G, München. (Mit 12 Tabellen, 4 Kurven, 16 Textabbildungen und Tafeln II und III.) (Eingegangen am 1. August 1918.) % In einer vorausgehenden Arbeit (Romeis 1918) gelang der Nach- weis, dass die in den. Acetonextrakt übergehenden Fett- und Lipoid- substanzen der Schilddrüse bei Verfütterung an Kaulquappen im Gegen- satze zu dem extrahierten eiweisshaltigen Rückstand keine Entwicklungs- beschleunigung hervorrufen. Auch die.bei Thyreoideafütterung auf- tretende starke Wachstumshemmunrg kommt bei Einwirkung des ge- nannten Extraktes gar nicht oder nur in ganz geringem Maasse zur Beobachtung. Während ferner der nachfolgende Toluolextrakt auf Wachstum und Entwicklung keine spezifische Wirkung entfaltete, war beim Acetonextrakt eine ganz ausgeprägte Entwickluneshemmung fest- zustellen. Die in dieses Extraktionsmittel übergehenden Substanzen schienen also vom biologischen Gesichtspunkte aus nicht völlig indifferent zu sein. Um nun genaueren Einblick in den ursächlichen Zusammen- hang zu gewinnen, erschien es zunächst wünschenswert, eine weitere Zerlegung des Gesamtextraktes zu versuchen, um dann durch die nachfolgende biologische Prüfung der Einzelextrakte festzustellen, in Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 423 welche Fraktion die wirksame Substanz übertritt und dadurch zu Schlussfolgerungen auf die Natur desselben zu gelangen. Auf die Er- reichung des einzig wirklich befriedigenden Zieles, einer gleichzeitig ausgeführten erschöpfenden chemischen Analyse der wirksamen Sub- stanzen, muss freilich wegen der grossen sich hier bietenden Schwierig- keiten zurzeit noch verzichtet werden. Eine in mancher Beziehung ungeklärte Stellung nahm in der oben- erwähnten Arbeit der nach der Aceton- und Toluolextraktion ge- wonnene Alkoholextrakt ein. Er bewirkte mässige Entwicklungs- beschleunigung und erinnerte dadurch an die spezifische Wirkung der Schilddrüsenfütterung. Auch das Wachstum wurde durch ihn in deut- licher Weise hemmend beeinflusst. In Widerspruch mit den charak- teristischen Thyreoideafütterungssymptomen stand dagegen die Be- obachtung, dass nur ein einziges Tier der Versuchsreihe trotz der langen Beobachtungsdauer die Metamorphose wirklich beendete. Im grossen und ganzen legte zwar das Versuchsergebnis die Annahme nahe, dass die auf die Kaulquappenentwicklung charakteristisch einwirkende Substanz der Thyreoidea durch Alkohol extrahiert werden könne und infolgedessen eiweissfreier Natur sei. Die Ergebnisse zahlreicher anderer Versuche liessen jedoch die Berechtigung dieser Schluss- folgerung sehr fraglich erscheinen und rechtfertigten den Verdacht, dass der Alkoholextrakt diese seine entwicklungsbeschleunigende und wachstumshemmende Wirkung geringen, ihm anhaftenden Eiweisspuren verdanke. Auch hier soll versucht werden, durch weitere Experimente Aufklärung zu bringen. ‘ Die zu diesem Zwecke unternommenen Experimente wurden mit Rana temporaria-Larven ausgeführt. Die äusseren Versuchsbedingungen entsprachen den in meiner vorausgehenden Arbeit veröffentlichten. Die Tiere wurden in einem hellen Zimmer in 800—1000 eem Wasser _ fassenden Thongutschalen gehalten. In jeder Schale befanden sich höchstens 16 Larven. Bei jedem Wasserwechsel, der durchschnittlich jeden zweiten Tag stattfand, wurden die Schalen sorgfältig ausgebürstet und mit gleichmässig temperiertem, abgestandenem Wasser gefüllt. Als Pflanzenmaterial diente mir diesmal ausschliesslich Quellmoos. Zum Füttern wurde Piseidin verwendet. In den nachfolgenden Pro- tokollen ist nur der nach Extraktfütterung erfolgende Wasserwechsel genau angegeben, um dadurch die Einwirkungsdauer der einzelnen Extrakte zu kennzeichnen. 5 424 Benno Romeis: Versuch I. Material: Rana temporaria-Kaulquappen von einem Laichballen, der am 2. April 1917 auf dem Blastula-Stadium aus der Nähe Münchens eingebracht wurde. Beginn des Versuches: 17. April 1917. Alter der Tiere zu Anfang des Versuches also 16 Tage. Durchschnittliche Grösse der Larven: Gesamtlänge 17—18 mm; Rumpflänge 6,5—6,8 mm; Rumpfbreite 4,0—4,2 mm, Entwicklungsstadium: Kleine typische Kaulquappen, deren äussere Kiemen bereits völlig überwachsen sind. Die Kloakenmembran ist durchgebrochen, die Anlagen der hinteren Extremitäten sind mit der Lupe eben als kleine Verdickungen sichtbar. Anzahl der Tiere: 10 Gruppen zu je 16 Larven. Versuchsanordnung: Gruppe a: Kontrolle normales Futter; b: Primärer Acetonextrakt A. Fraktion As; in der Kälte löslicher Teil (Präp. AT); ” 1 e: En h A. Fraktion A,; chloroform- löslicher Teil des Nieder- schlages (Präparat A II); 5 d: 5 A. Fraktion A,; chloroform- unlöslicher Teil des Nie- derschlages (Präp. A III); „ .e: Sekundärer ToluolextraktB. (Präparat AIV); ä f: Tertiärer Alkoholextrakt C. Fraktion C,. Beim Er- kalten des Extraktes aus- fallender Niederschlag. Ätheremulsion (Präp.AV); 5 g: R 5 C. Fraktion C,. Desgleichen. Wasserlöslicher Teil (Präparat A V]); n h: ni n C. Fraktion C,. Alkohol- löslicher Teil. Äther- unlösliche Fraktion des- selben (Präparat A VII); Ki v: 5 5 C. Fraktion. C,. Aceton- unlöslicher Teil der äther- löslichen Fraktion (Prä- / parat A VII); N u; n C. Fraktion C,. Aceton- löslicher Teil der äther- löslichen Fraktion (Prä- parat AIX). A. Herstellung der einzelnen Extrakte. Eine grosse Anzahl von frisch aus dem Schlachthof geholten Pferdeschilddrüsen wird mit einem von Latapie angegebenen Apparat ns Experimentelle Untersuchungen üb. d.Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 425 (geliefert von Lautenschläger, Berlin- München, Katalog 100 Nr. 1897) zu einem feinen Brei zerquetscht, der in dünner Schicht auf grosse Glasplatten aufgestrichen und in einem für diese Zwecke konstruierten Trockenkasten durch starken Luftstrom rasch getrocknet wird. Schon nach wenigen Stunden lässt sich die Substanz mit Hilfe eines alten Mikrotommessers in trockenen Schuppen ab- kratzen. Diese werden nach 24 Stunden im Vakuumexsikkator über Ätznatron und Schwefelsäure getrocknet und sodann in der von Czokor angegebenen Lymphmühle zu einem staubfreien Pulver zer- mahlen, das nach weiteren 24stündigem Trocknen der Extraktion unterworfen wird. Der Übersicht halber sei dieser Prozess zunächst im Schema I kurz zusammengestellt. : (Siehe Schema I S. 426.) Im einzelnen ging die Gewinnung der Präparate folgendermaassen vor sich: I. Acetonextrakt A. Das in der oben geschilderten Weise bereitete charakteristisch riechende Organpulver wird in dem von Kuma- gowa-Suto angegebenen Apparat 48 Stunden lang mit kochendem, wasserfreiem Aceton extrahiert, wobei sich am Boden des Kochkolbens eine fettige, braungelbe Substanz absetzt, die sich später nach Entfernung des Extraktes auch in frischem, kochendem Aceton nicht mehr löst. Da- gegen löst sie sich bis auf einen geringen Rückstand leicht in Chloroform. Der braungelbe Acetonextrakt wird ohne Abkühlung mehrmals durch einen Heisswassertrichter filtriert. Beim Erkalten trübt sich das ur- sprünglich völlig klare Filtrat, und schliesslich setzen sich bräunlichgelbe Substanzen (Fraktion A,) ab, von welchen der in Lösung befindliche Teil des Extraktes durch Zentrifugieren abgetrennt wird. Sodann wird das ‘Lösungsmittel des Filtrates (A,) im Vakuum bei 31°C. abdestilliert und der Rückstand im Vakuum-Exsikkator unter Lichtabschluss getrocknet. Die auf diese Weise gewonnene Substanz stellt das Präparat Aldar. Eigenschaften: Es ist eine ziemlich reichliche, dunkelbraun gefärbte Substanz, die in frischem Zustand einen intensiven aroma- tischen, nicht ranzigen Geruch besitzt. Bei Zimmertemperatur ist der getrocknete Extrakt halbflüssig, bei Abkühlung auf Eis tritt Er- starrung ein. Bringt man einen Tropfen des Extraktes unter das Mi- kroskop, so sieht man in einer homogenen, goldgelben flüssigen Substanz einen feinen, amorph-körnigen Niederschlag und plattenartige, recht- winklige Kristalle, welche sich bei Toluolzusatz rasch auflösen. In ab- solutem Alkohol löst sich die Substanz nicht vollständig: es bleibt viel- mehr ein fahlbrauner, schmieriger, am Glase klebender Rest zurück, der sich auch in Toluol nicht völlig löst. Im Chloroform löst sich der Extrakt völlig. Ein Gemisch von alkoholischer Alkannatinktur und Alkoholäther wird durch den Extrakt stärker rotgefärbt. Beim Erhitzen entwickelt Benno Romeis 6 (XIV yeaedgag) (IA V yeaedeig) sn 19], AOyIITSOJUOIa9Y 5 [OL JOyaıjsounuogedy rn | I | UOIY AUL JIOLUOLTEAF (IIA V Yeredeig) (TA V Yeredeag) (AV Verwdeig) 9) UONyeıT SyDIsoJlagyIYy = uorgeLToydısoJundagy Y 79 119,7, JOyOIJSOJAISse A 8) uoIspnum V V RE ITZZIEH NIILUOLINEAT AIOUJV yeyny9sassng AayıYy yım pun 40u99du1o yıuı pun I80]08 aosse A UI °) vera "9 SepgastapoiN | | A911] JIR Se[STOPAIN U9UEPURIS -Ju9 WOA pun ynYyos sıq jne 5u9adur wnnyeA WI zuesqng 9 PEIXH Fr a ER Te ET A er nr (TIL v Yeredeag) Fvy pueIsyony (II v yeredeig) ) ev 5 pganyın aa 199soJoJuN v Sunsof ‘[oyoyIy wegnjosqw I woPUEUI0N UL JA9Iyeıyxd (AL V YJeaedeag) (L V yeiederg) WAIOFOAOITI UT UEWWOUISFNE zuejsqug g ex UV yeıyııy IT SejpsaopaIN (ee | lee ee l I [0njoL Lu Ja9ıgeıyxd SefyoSI9p9IN LOIENAN wroq zueIsqng Vv PIEARH (Re | I 3.19114]7 SSIOy Ppun U0POY WOPLOUION FI NIOIyEAXY zuejsqnsuasnippfLydg 90UN90.19% IT ewoyas Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 427 sich deutlicher Akroleingeruch. In einer durch allmählichen NaOH-Zusatz hergestellten wässerigen Seifenlösung bildet sich bei CaCl,-Zusatz ein in kaltem Alkohol und in Äther unlöslicher Niederschlag. Bei Zusatz von Bleiacetat zur Seifenlösung entsteht ein bräunlichweisser Nieder- schlag, der sich zum Teil in Äther löst. Auch durch Zufügen von NaCl bildet sich ein reichlicher, flockiger Niederschlag. Durch Zusatz von HCl wird ebenfalls ein reichlicher, flockiger Niederschlag ausgefällt, der sich beim Ausschütteln mit Äther in dem Extraktionsmittel löst. In der wässerigen lösung bleiben noch unverseifte Substanzen zurück. Eine Probe des Extraktes wird durch längeres Kochen mit Natrium- alkoholat verseift, die Seifen mit Magnesiumchlorid ausgefällt und das Ganze mit Äther ausgeschüttelt. Aus dem eingeensten Ätherextrakt lässt sich mit warmem Alkohol Cholesterin gewinnen (Nachweis mittels der Reaktionen von Salkowski und Liebermann-Burchard). Es bleibt aber ausserdem noch ein ungelöster Rückstand. Nach diesen Befunden enthält die Acetonlösung des Extraktes reichlich Neutralfette und Fettsäuren von hauptsächlich niedrigem Schmelzpunkt und Cholesterin. Doch sind ausserdem auch andere nicht weiter definierte Stoffe vorhanden. Der beim Erkalten des Acetonextraktes A ausgefallene und durch Zentrifugieren abgetrennte Niederschlag A, wird mit dem bei der Ex- traktion entstandenen acetonunlöslichen Niederschlag, der in Cloroform gelöst und mehrmals filtriert worden war, vereinigt. Nach 24 stündigem Trocknen im Vakuumexsikkator wird die Substanz in etwas Chloroform gelöst, was bis auf einen geringen weisslichen-und feinpulverigen Rück- stand rasch erfolgt. Der letztere wird als Fraktion A, abzentrifugiert. Die chloroformlösliche Fraktion A, wird im Vakuum eingeengt und ge- trocknet (Präparat AI). Eigenschaften: Im Gegensatz zu Präparat I stellt das Prä- parat II nach Entfernung des Lösungsmittels eine harte, dunkelbraune Substanz von wachsartiger Konsistenz dar. In absolutem Alkohol löst sie sich nur sehr langsam und unvollständig, in Benzol und Toluol da- gegen bis auf einen ganz feinen Rückstand gut. Im Wasser ist die Substanz bei neutraler Reaktion unlöslich. Selbst nach starkem NaOH- Zusatz erfolgt die Lösung in der Kälte nur langsam. Bei Zusatz von HCl zur Seifenlösung entsteht ein flockiger Niederschlag, der sich beim Ausschütteln mit Äther in diesem löst. Die Akroleinreaktion ist positiv. Die chloroformunlösliche Fraktion A, des Acetonextraktes wird ebenfalls getrocknet-und als Präparat A III verwendet. Eigenschaften: Es ist ein weisses, feinkörniges Pulver. Im Mikroskope besehen, zeigt die mit Chloroform benetzte Substanz’ ver- schiedene Kristallformen. Zum Teil sind es büschelförmig geordnete Kristallnadeln, zum Teil regelmässige Sechsecke, zum Teil Parallelo- gramme. In geringer Menge sind auch kleine Kugeln zu sehen, die der Form nach an Leucin erinnern. Die Substanz ist in destilliertem Wasser bei neutraler Reaktion bis auf einen geringen Rückstand löslich. Der Geschmack ist wider- lich süsslich. Bei NaOH-Zusatz tritt völlige Klärung der wässerigen Lösung ein, die auch bei Zusatz von HCl bestehenbleibt. Gerbsäure- 428 Benno Romeis: zusatz zur schwach essigsauren wässerigen Lösung erzeugt keine Trübung. 3ei Silbernitratzusatz tritt in der mit destilliertem H,O hergestellten und filtrierten Lösung ein ganz feiner Niederschlag auf, der sich in HNO, nicht löst. ll. Toluolextrakt B. Nach der 48stündigen Acetonextraktion wird das Organpulver rasch getrocknet und daran anschliessend im Kumagowa-Apparat mit Toluol extrahiert. Nach 3 Tagen wird der braungelbe, klare Extrakt filtriert. Im Gegensätze zum Acetonextrakt treten hier beim Erkalten keine Ausfällungen auf. Der Extrakt wird im Vakuum eingeengt und über Paraffın im Vakuumexsikkator getrocknet (Präparat AIV). Eigenschaften: Dunkelbraune, schmierige Substanz von stark aromatischem, nicht ranzigem Geruch. In Petroläther und Äther ist sie leicht löslich, in Aceton ist sie zum grössten Teil unlöslich, ebenso ist sie in Alkohol nur teilweise löslich. Bei Schütteln mit neutral rea- gierendem destilliertem Wasser emulgiert die Substanz etwas. Die Ver- seifung mit NaOH erfolgt selbst bei Erwärmen nur langsam und tritt erst bei höherer Temperatur vollständig ein. Beim Erkalten entsteht aber wieder ein bräunlicher, flockiger Niederschlag; ein Teil der Substanz bleibt jedoch gelöst. Bei HÜCl-Zusatz zur warmen Seifenlösung entsteht ein dunkelbrauner, krümeliger Niederschlag und opake Trübung. Der Niederschlag löst sich beim Ausschütteln mit Äther nicht. IH. Alkoholextrakt C. Nach der Toluolextraktion wird das ° Organpulver wiederum getrocknet und sodann 4 Tage lang im Kuma- sowa-Apparat mit kochendem absolutem Alkohol extrahiert, wobei sich besonders während der ersten 24 Stunden an der Wandung des Koch- kolbens ein hellbräunlicher Niederschlag absetzt, der sich auch in frischem, kochendem Alkohol nicht völlig löst. Nach je 24 Stunden wird der Alkohol durch frischen ersetzt. Die einzelnen Alkoholextrakte, welche anfangs sehr substanzreich und dunkelbraun gefärbt sind, schliess- lich aber farblos werden, werden jeweils noch in heissem Zustand und vor Abkühlung durch Heisswassertrichter mehrmals filtriert. Beim Er- kalten, Einengen und Abkühlen der Extrakte auf 0° scheiden sich schmierige, gelbliche Substanzen ab, die durch mehrmaliges Lösen in kochendem Alkohol und darauffolgendes Einengen und Abkühlen ge- reinigt werden. Die einzelnen Niederschläge und Extrakte werden ge- sammelt und für sich vereinigt. Zu dem Niederschlag kommt auch noch der obenerwähnte Niederschlag, der sich an der Glaswandung des Koch- kolbens abgesetzt hatte. j a) Verarbeitung des Niederschlages C,: Der im Vakuumexsikkator getrocknete hellbraune Niederschlag wird in destilliertem Wasser ge- löst, was sehr leicht vor sich geht. Es entsteht eine leicht braun- gefärbte, etwas trübe Flüssigkeit, die mehrmals filtriert wird, ohne dass sie dadurch geklärt würde. Sodann wird sie mehrmals mit Äther aus- geschüttelt. Der in den Äther übergehende Anteil bildet eine ziemlich dauerhafte Emulsion C,, die abgetrennt wird. Nach Zusatz von ab- solutem Alkohol löst sich dieselbe zu einer stark opalescenten Flüssig- keit, die sich nach einigen Tagen unter Abscheidung eines weisslichen [4 Experimentelle Untersuchungen üb. d.Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 429 Niederschlages klärt. Das Ganze wird im Vakuumexsikkator über Ätz- natron und Schwefelsäure getrocknet (Präparat AV). Eigenschaften: Weissliches, amorphes Pulver, das sich in neutral reagierendem destilliertem Wasser zu einer opaken Flüssigkeit löst. Bei Zusatz von verdünnter NaOH erfolgt Klärung. Das Almen’sche Reagens gibt deutliche Trübung. Biuretreaktion: positiv; schwach blau- violette Färbung. Millon: deutlich positiv; HNO, Unterschichtung: Ringbildung. Kochprobe nach Ansäuern und Natriumsulfatzusatz: schwach positiv. Aus dem Ausfall dieser Reaktionen ist zu schliessen, dass das Präparat Eiweissspuren enthält. Die wasserlösliche, leicht gelblichgefärbte Fraktion C, wird eben- falls im Vakuumexsikkator getrocknet und als Präparat A VI ver- wendet. = Eigenschaften: Hellbraune, harte, spröde Substanz, welche an der Luft etwas Feuchtigkeit anzieht und sich in neutralem Wasser sehr leicht löst. In Alkohol, Cloroform und. Äther ist die Substanz unlöslich. Geschmack salzig. Biuretreaktion: negativ; Millon: negativ; Eiweiss- kochprobe: negativ; Almen: negativ; Ferrocyankalium: negativ; NaOH + stark verdünnte CuSO,-Lösung: tiefblaue Färbung, ohne Reduktion beim Erwärmen. Bei Zusatz von verdünrter Eisenchloridlösung: schwache Trübung ohne Braunrotfärbung. Zusatz von Phosphorwolframsäure nach Ansäuern mit H,SO, oder HCl: starke Opalescenz. Beim Erhitzen schmilzt die Substanz unter Braunfärbung ohne Akroleingeruch. Beim Veraschen bleibt‘ eine ziemlich reichliche weisse Asche zurück. Die- selbe löst sich in destilliertem Wasser bis auf einen geringen Rück- stand Bei Silbernitratzusatz entsteht ein reichlicher, gelblichgefärbter Niederschlag, der sich in HNO, und NH; löst. b) Verarbeitung des alkohollöslichen Anteils C,: Der eingeengte Alkoholextrakt wird vor der Weiterbehandlung zuerst noch scharf zentri- fugiert und von dem nur sehr geringen Bodensatz abgegossen. Sodann wird er mit der mehrfachen Menge wasserfreien Äthers versetzt, wobei ein flockiger, hellbrauner Niederschlag ausfällt. Nach 24 stündigem Stehen im Eisschrank wird mehrmals filtriert. Die vereinigten Nieder- schläge (C,) werden im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure ge- trocknet (Präparat A VM). Eigenschaften: Die Ausbeute an Substanz ist nur gering. Es ist ein fahlbraunes, körniges Pulver, das sich völlig klar und sehr leicht in neutralem destilliertem Wasser löst. Bei Zusatz von verdünnter oder konzentrierter NaOH erfolgt kein Niederschlag. Biuretreaktion: negativ; Millon: negativ ; Almen: negativ; Zusatz von verdünnter Eisenchloridlösung: keine Trübung, keine Dunkelfärbung. Das ätherlösliche Filtrat wird im Vakuum stark eingeengt, zentri- fugiert und mit der vierfachen Menge Aceton versetzt. Dabei tritt ein selatinöser Niederschlag C, auf, der sich bald zusammenballt und nach einigem Stehen fest am Boden des Glaskolbens absetzt (Prä- parat A VII). Eigenschaften: Nach Trocknen im Vakuumexsikkator bleibt eine geringe Menge einer zähen, gelbbraunen Substanz zurück. In neu- “ 430 Benno Romeis: tralem destilliertem Wasser ist sie unlöslich. Auch bei Zusatz von ver- dünnter NaOH erfolgt keine völlige Lösung. Der ungelöste Rückstand besteht aus einer feinen, schuppigen Substanz. Die acetonlösliche Fraktion (C,) des Extraktes wird mehrfach fil- triert, stark eingeengt und im Vakuum getrocknet. Es bleibt ein ziemlich reichlicher, dickflüssiger Rückstand zurück, in dem sich nach zweitägigem Stehen noch ein geringer Niederschlag absetzt (Prä- parat A IX). Eigenschaften: Rotbraune, durchscheinende Substanz von zäh- flüssiger Konsistenz und geringem, am Boden abgesetztem körnigem Niederschlag. Die Substanz löst sich in Alkohol, Chloroform und Äther bis auf den erwähnten Niederschlag klar. Im Mikroskop betrachtet, besteht derselbe aus Kugeln, die im Innern eine unregelmässig gestreifte Struktur besitzen. Der aus der alkoholischen Lösung isolierte Nieder- schlag löst sich in neutralem destilliertem Wasser bis auf einen ge- ringen Rest zu einer schwach opalescenten Flüssigkeit. Bei Essigsäure- zusatz erfolgt keine Aufhellung. Almen’sche Reaktion: starke Ver- mehrung der Opalescenz. Eiweisskochprobe: kein Niederschlag, keine vermehrte Opalescenz. Millon: negativ. Biuretreaktion: negativ. Mit Phosphorwolframsäure nach Ansäuern mit Schwefelsäure : Niederschlag. B. Versuchsprotokoll. Vom diesen verschiedenen Präparaten werden relativ gleiche Mengen mit 1 cem 96 P/oigen Alkohols und etwas Piseidin in einer kleinen Achatreibschale verrieben und dann in die einzelnen Zuchtschalen gespült. Die erste derartige Fütterung erfolgte am 17. April 1917. Immer 24 Stunden später werden die Tiere in frisches Wasser über- tragen. : 18. April. Die Larven zeigen normale Beweglichkeit. 22. April. Zweite Extraktfütterung. 25. April. Die Larven der Gruppe X sind heller pigmentiert. Auch hat es den Anschein, als seien die Tiere dieser Gruppe wie jene der Gruppe f im Wachstum etwas zurückgeblieben. 27. April. Dritte Extraktfütterung. 28. April. Die Larven der Gruppen f und % sind nunmehr ganz deutlich kleiner. Auch der Unterschied in der Pigmentierung hat sich deutlich verstärkt: sie besitzt bei diesen einen ganz auffallend. hellbraunen Ton, obwohl die Lichtverhältnisse bei allen Gruppen ganz gleichmässig sind. Die Seitenkontur des Rumpfes zeigt bei den ge- nannten zwei Gruppen hinter den Operceula beiderseits ‘eine leichte Einschnürung. Ferner sind die hinteren Extremitätenanlagen bei ihnen etwas grösser. Im Gegensatze dazu ist das Wachstum bei den Le | ers Gsa | oa 90 2092 691 | #6 | € aul KK ER are. 022. 2a Ion GLL °6 5990317 7.001. 2 08a ir 08. -c0e |, 288 561 gl 8.6 OL 88 8° an 9 | 186 1'S% DIR! s0l | 628 Di 0.01 LUG s’sI Sol 968 891 68 0°%5 LT N 98 E70 |! 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Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 455 9aug] SOHMHMAWOOHSOSOona—Hh ol er = Soon | | S = UBAUIS HAHHHHmmmsusaaanacaı a Loum) > a g_ ; ER HSOWNSOSASLAAHOH m = -Jduny NISSAN SOTTS | | so = Fr & odue] SWAONVWVOSOAHMAaOo-N m dum Ssösschhsashrncnn || S = jJaunyg SNaESEAESER en - 2 = _ oO asur] ER | a 3 SASSSSHScH-ünNnnFHr - -JUIBSIH) ANAAUAAANTAÄRDn ae) odurf | | I = I-XOSSosso-naanx u = -ZUBAUIS Kae Be KON Ko Ken Ko KeX Kon Ken Ken Ken Ken Kon) a > .- 2 ag | SoocooowanraoaHoon 12 =) -Jdumy Sssssiissßsßrrr | | | S - Au 3 > odugl QANSONOTANOHooOr | | Tori! N = SoSsoh-cs I! 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Benno Romeis: es odur] ers © b - aı NeRtoWYailefles Pa zugang |) ae >) Far, ee Se a sag SRAARSOWESEOONOHNGDO er) 3 | dung EEE = a Fa RE = neh S dur] VATSTNORn2oTEn || © uns IN 00 0Xo 0X Kerle le oXerXerferKer] [60) ES 2 5 osur] DAIDDODIADIMITZEN | ek Soaayvyvyyvyovoreeoo Ind oO -JWBSIL) axıaınıaaaaa aa a u Sur] SLOT HmoHesonnm | au 5 x SCI H-THnS Ss ZUBAUIS PATH HrmHmimmssm Qcoucsıaa = = ENERGI SOrnmowosarnndmma | E -Jduny Nop'oVTonTaNtegtanTnntnNennleoklcKekle) Yo) S odur] AWMIMAMWNEOMLAOSROOÄOHSO = = Me oXerkerXerXerfle KerferketeeN 5 & -duuny SEWRRSTEWARSHHH = = 1 = odugl SAAL || I = = DOSO-LT-OOODOT——T— & OD | -Juesan ANKAKWAKNAANUmanmm nam | au dur] SOSOITHTSHATSOAN | SHaSHaSoSsS-os—-—mNinn | S S -ZUBMUIS ram nanaananaaca | Aa = SIERG| NMDOHA-mwmoHomn | I -Jduuny ORTEOEETDEERÜETDTD | 15 au A = odur] Sauna kaunTnnonmn | = ao - a a | Seesen ae )e = = = due] AAAEDDIE FAST | ide) 5 SS | S -JWESON) nauaaanamnannnnmnn | © 4 due] NO HTEJSswam | m EX Korte Ve eNr} Ss em -ZUBMUIS AAAAMTATAANNAN au Ss ERIERLT NOBAHAAHOOSSaAH oO = -duny NORESNREI SE RER TR ee ss m) = SS ur HEOH-TAAaAmÄMAamnan x un el x d SaassshancsscsTs | o 3 „jaunyg Hmmm - = = = odarf HO-TNMADSSONWMATMO, bo oo 2 [e KerXerXerlerlee. able [>] -7WU1BSIH) ANANNANNANAANNNANDDON op) = our] FERZEREZZÄARNE | = EE 0 NerKerKerKerker. en er tar) > | zwaps| Tea SFSTTRad Q ae} S, 991g ANOOTONANNM HONO, Ze 8 -Jdumyy VSSSSKSVSROSSEN so — a a 5 odug] DHOS-TNown ToOm-Mmıa an, a "jaun} De en - = = dur] --@ORSSSouTunmoo, a & Bi = Ssooyosoooo—am | © YuBSsa%) ANANAMMMAMMN (op) ! Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 457 ringer sind sie bei Gruppe {. Von den übrigen Gruppen lässt nur noch Gruppe 5 eine geringe Beschleunigung der Entwicklung erkennen; die hinteren Extremitäten zeigen hier Differenzierung in Ober- und Unterschenkelanlage, während sie bei der Kontrollgruppe noch völlig ungeeliedert sind. 16. Mai. Fünfte Extraktfütterung. 19. Mai. Sämtliche Tiere werden photographiert und gemessen (vgl. Tab. 4 [S. 454—456] und Tafel II Abb. 14—26). Unter Zugrundlegen der Anfangsgrössen zu Beginn des Versuches ergibt sich daraus für das Wachstum folgende Reihenfolge (vgl. Tab. 5). Tabelle >. Wachstum vom 22. April 1917 bis 19. Mai 1917. Gruppe Präparat Gesamtlänge Rumpflänge Rumpfbreite f BV 15,6 4,7 2,4 a Kontr. 15,5 4,6 2,3 ) BVI 14,4 4,3 2,3 h BVI 13,2 3,9 1.8) d BI 13,0 3,9 II Ü B VII 12,8 3,6 1,8) e BIV 12,7 3,6 1,8) b Bu 12,7 3,9 1,9 BIX 12,3 3,6 1,8 I BX 12.9 3,9 1,7 C BI 11,3 5) 1,6 m BXI 10,8 2,8 1,4 N BXIU 7,1 srl 0,7 _ Ss Darnach stimmt die Wachstumsgrösse der Gruppen f und g mit jener der Kontrollgruppe ziemlich überein; etwas geringer ist sie da- gecen bei den Gruppen h, d, ti, e, b und k; dann folgen die Gruppen /, bei der man hauptsächlich die Rumpfmaasse berücksichtigen muss, und e. An letzter Stelle kommen Gruppen m und n, von denen be- sonders die letztgenannte im Wachstum sehr stark zurückgeblieben ist, während die Entwicklung hier am stärksten beschleunigt ist (vel. Abb. 26). Die Hinterbeine sind bei den Tieren dieser Gruppe weit- aus am besten differenziert. Die Flossensäume des Ruderschwanzes sind verschmälert, an einzelnen Schwanzspitzen treten Einschmeizungs- prozesse auf. Die Tiere sind sehr dunkel pigmentiert. Die Seiten- kontur des Rumpfes ist geigenförmig, der Kopf froschartig. Die Lippen sind sehr schmal, die Hornhäkchen völlig verschwunden, von den Horn- 458 Benno Romeis: kiefern stehen bestenfalls noch einzelne rudimentäre Reste. In Gruppe m (Abb. 25) sind all diese Reduktionserscheinungen erst in schwächerem Grade entwickelt. Die Hornkiefer sind hier noch vollständig erhalten,‘ die Lippen zwar verschmälert, im übrigen aber noch mit Papillen und Epithelleisten versehen; die Hornhäkchen sind dagesen schon stark vermindert. Die seitliche Einschnürung des Rumpfes ist hier erst ganz schwach bemerkbar. Die Hinterbeine sind bei der Mehrzahl der Tiere noch erheblich kleiner als bei Gruppe rn. Wiederum um einen Grad schwächer sind die Thyreoideafütterungssymptome bei Gruppe / (Abb. 24) ausgeprägt. Die Verschmälerung des Rumpfes ist noch ge- ringer; und wenn Wachstum und Differenzierung der Hinterbeine gegenüber dem Entwicklungsstande in Gruppe a zwar deutlich be- schleunigt ist, so ist es in der Stärke aber doch weit hinter Gruppe % zurückgeblieben. Bei den Tieren der Gruppe / sind auch die Horn- häkchen auf den Lippen noch gut erhalten. Von den übrigen Gruppen zeigt nur noch Gruppe b (Abb. 15) eine geringe Entwicklungs- beschleunigung. Die übrigen Gruppen c—%k sind dagegen in der Entwicklung sogar hinter der Kontrollgruppe zurückgeblieben (vgl. Abb. 16—23 und Abb..14: Kontrollgruppe). Besonders in Gruppen c und % ist diese Hemmung sehr ausgesprochen. 20. Mai. Bei zwei Tieren der Gruppe rn ist je eine vordere Ex- tremität durchgebrochen. } 22. Mai. Sechste Fxtraktfütterung. Weitere Verabreichungen finden am 26. Mai, 29. Mai, 4. Juni, 9. Juni, 16. Juni und zum zwölften Male am 23. Juni statt. Am 22. Mai hat das erste Tier in Gruppe » seine Metamorphose beendet. Die von nun an folgenden Metamorphosen sind wieder in Kurvenform zusammengestellt (vel. Kurve I). Diese Kurve führt die starke Entwicklungsbeschleunigung der Gruppe n recht deutlich vor Augen. Nach ihr kommt die Gruppe m, die ebenfalls noch einen erheblichen Vorsprung vor der Kontroll- gruppe hat. Viel geringer ist die Beschleunigung in Gruppe 7; die Periode der Metamorphose ist hier nur um einige wenige Tage vor der normalen beendet, und da auch der Beginn der Metamorphose nur sehr wenig eher fällt als bei der Kontrollgruppe, so ist der Unterschied gegenüber den Normaltieren ziemlich unbedeutend.. In Gruppe 5 tritt: die Metamorphose nur bei einigen Tieren etwas früher ein;':bei anderen ist sie dagegen sogar etwas über‘ den normalen "IT 9aıny “IIX Id paedeıg :u oddnın H— S ’Ixg aederg :w oddnıy Am stärksten HH A a! "ygq yewderg :7 eddug Alle übrigen Gruppen aber, auch die mit Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 459 I | 5 l on "© ı N | | ; | = Ze | l o N = | [eb] | - l = | EN: | vo a [ | en =} Er un_ = © | Se ul \zaly "XII maederg :y oddnıg SE /UaL0: 22, | ] 5 = - a un BES | | "IJIA I geredurg :ı oddnıy Ze, | | l | = ed) F - | : = ra au) garziay) ! | "IIAaG geredeag :y oddnıy — E80 Bar ai | -5 | | | Se | ‘IA g yerederg :5 oddnıy o =! | 2.8 Be : Ä "Ag yewderg :£ oddng no: Ten deemı Ann =eBgB.o J ardy | "AIgq yewederg :3 oddnıg E ann = WaRT DREEN | © ® el ae Mn op vagalg | 1 sb) a £ | H ‘IIIA geredeag :p oddnay SD fe & ZUFEN | M E85 : | | EB Y, 04 Y, | = BA 3 5 J a : Deiwarodu azal]h i II ag yarderg :9 oddn.n = a S | | Ss S; -S ' 1 5 a | ‘[qg ferderg :q eddny = © ! | Ö. 3- s. Mm : H Bun | HS 8 al | | ‘aploıguoy :» oddnım ! = . 20 0) 8 9 0 VE OL LO GLEN WE W 6 LG $ % 0682 92 42.7202 8, 9 hl 7) 0) 8 9 2 0682 02 4222702 Bı Oh %, 01 8 9 th 7 IE'EZ LO SOEL V2 l Jaquus}das snöny £ ng tung EW \ 460 Benno Romeis: ist diese bei den Gruppen c, k und d, bei denen eine grosse Zahl von Larven neotenisch bleibt. Somit ergibt sich aus diesem Versuch, dass die Fraktionen des primären, bei Zimmertemperatur gewonnenen, wasserfreien Äther- extraktes der Schilddrüse im Gegensatze zu frisch verfütterter Schild- drüse den Eintritt der Metamorphose sehr stark verzögerten. Die gleiche entwicklungshemmende Wirkung lösen die Fraktionen des sekundären, bei 37 °C. mit wasserfreiem Alkohol gewonnenen Extraktes aus. Besonders lange wird ‘die Metamorphose dureh Einwirkung der acetonlöslichen und der alkoholunlöslichen Fraktion des Ätherextraktes hintangehalten, ebenso durch die acetonunlösliche Fraktion des Alkohol- extraktes. Sämtliche Extrakte, mit Ausnahme der beiden alkohol- unlöslichen Fraktionen des Alkoholextraktes, wirken auch etwas wachstumshemmend. Ganz anders ist der Einfluss der Alkoholextrakte, welche mit wasserhaltigem Alkohol gewonnen wurden. Dieselben wirken sowohl entwicklungsbeschleunigend wie wachstumshemmend, und zwar nimmt die Wirkung mit steigendem Wassergehalt zu. Schon der mit 96 %o Alkohol gewonnene Extrakt ruft eine deutliche, wenn auch ver- hältnismässig schwache Entwicklungsbeschleunigung hervor. Erheblich stärker ist sie bei dem mit 80°/o Alkohol gewonnenen Extrakt, der hinwiederum von dem mit reinem, destilliertem Wasser hergestellten übertroffen wird. Inwieweit dies mit dem Eiweissgehalt der be- treffenden Extrakte in Verbindung zu bringen ist, wird weiter unten noch zu erörtern sein. Versuch III. Material: Rana temporaria-Kaulquappen, aus einem Läichballen gezüchtet, der am 29. April 1917 auf dem Urmundstadium aus der Nähe Münchens eingebracht wurde. Beginn des Versuches: 10. Mai 1917. Alter der Larven demnach etwa 14 Tage. Durchschnittliche Grösse der Kaulquappen zu Ver-- suchsbeginn: Gesamtlänge 22,0; Rumpflänge 8,0; Rumpfbreite 5,0. Entwicklungsstadium: kräftige, typische Froschlarven, deren. hintere Extremitätenanlagen als kleine, weissliche, etwa 0,5 mm lange Verdickungen sichtbar sind. Anzahl der Tiere: acht Gruppen zu je zwölf Larven. Versuchsanordnung: Gruppe a: Kontrolle; normales Futter nen, Piseidin); ; bt: Thyreoglandol (Hoffmann-La Roche) (Präp. CI); „ €: frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt, mit Gerbsäure und Bleioxyd enteiweisst (Präparat CI); Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 46] d: desgl.; Phosphorwolframsäurefällung (Präparat C III); e: desgl.; Filtrat des mit Phosphorwolframsäure gefällten Extraktes (Präparat CO IV); Mi f: frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach einmaliger Ausfällung mit 96°/o Alkohol (Präparat CV); „9: desgl.; Phosphorwolframsäurefällung (Präparat C V]). A. Herstellung der einzelnen Extrakte. Als Präparat CI wurde das von Hoffmann-La Roche her- gestellte Thyreoglandol benutzt, das nach den Angaben der Fabrik ein eiweiss- und beinahe jodfreier Glycerinextrakt der Schilddrüse ist. salat ed TR EHI und EV. Etwa 20 Pferdeschilddrüsen werden mit Hilfe des Latapie’schen Apparates zerquetscht und mehrere Stunden lang unter Zufügen von einigen Tropfen Chloroform so lange mit oft erneuertem destilliertem Wasser extrahiert, bis die Extrakte dünnflüssig und substanzarm werden. Die einzelnen Auszüge werden vereinigt, nach etwa zweistündigem Stehen dekantiert und nach Ansäuern mit Essigsäure und Zusatz von etwas Magnesiumsulfat in Anlehnung an die Methoden von Ackermann und Kutscher (vgl. Abderhalden, Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden Bd. II S. 1044) so lange mit 20 °%/o wässeriger Gerbsäurelösung versetzt, bis in kleinen Zentrifugalproben bei weiterem Gerbsäurezusatz kein Niederschlag mehr auftritt. Nach 24 stündigem Stehen, während dessen sich die gerbsauren Eiweissverbindungen gut absetzen, wird die klare, weingelb gefärbte Flüssigkeit dekantiert und mehrmals filtriert. Zum Filtrat wird dann zur Entfernung der noch in Lösung befindlichen Gerbsäure so lange heissgesättigte Barytlauge zugesetzt, bis der beim Umschütteln entstehende Schaum rötlich gefärbt bleibt. Von dem reichlich entstehenden blaugrünen Niederschlag von Baryumtannat wird sorgfältig abgenutscht und zu dem alkalisch reagierenden Filtrat zur Entfernung des Baryumhydroxyds verdünnte Schwefelsäure bis zu schwachsaurer Reaktion zugefüst. Sodann wird unter ständigem Umrühren so lange Bleioxyd zugesetzt, bis die saure Reaktion stark abgestumpft ist. Hierauf wird vom Baryumsulfat- und Bleioxydniederschlag sorgfältig abgenutscht. Das klare, kaum gefärbte Filtrat wird im Vakuum bei 39° C. stark, eingeengt. Dabei setzt sich am Glas ein weisslicher, amorpher, in H,SO, und HCl unlöslicher Niederschlag ab. In NaOH färbt sich derselbe bräunlich und geht dann in Lösung. Der stark eingeenste Extrakt wird schliesslich noch zentrifugiert. Der klare, leicht grünlich gefärbte Abguss wird in zwei Teile, A, und A,, getrennt. Der Extraktteil A, wird im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure noch weiter eingedickt und schliesslich in dieser stark konzentrierten Form für die Versuchsgruppe c verwendet (Präparat I). Eigenschaften: Der neutral reagierende, öligflüssige, schwach grünlich gefärbte Extrakt besitzt einen süsslichen Geschmack. Bei Zusatz von verdünnter Ferrichloridlösung tritt eine blutrote, bei Zufügen sehr verdünnter, kaum gefärbter Kupfersulfatlösung eine tief dunkelblaue . Färbung auf. Beim Kochen mit dem Millon’schen Reagens entsteht ein orangegelber Niederschlag. Bei Unterschichtung mit HNO, tritt 462 Benno Romeis: keine Ringbildung oder Farbreaktion ein. Biuretreaktion negativ. Auf Zusatz von Mineralsäuren keine Trübung. Bei Kochen nach Essigsäure- zusatz bleibt die Lösung klar. Das Almen’sche Reagens gibt reich- lichen, flockigen Niederschlag. Bei Verdünnen mit Wasser starke Opalescenz. Bei Zusatz von Ammonsulfatlösung zu dieser wässerigen Lösung tritt starke Trübung ein, die sich nach mehrstündigem Stehen als feiner, weisslicher Niederschlag absetzt, der keine Eiweissreaktion gibt. Ebenso wird durch Phosphorwolframsäure nach Ansäuern mit Salzsäure ein reichlicher, weisslicher Niederschlag ausgefällt. Ein Teil des Extraktes wird im Vakuumexsikkator getrocknet. Es bleibt ein bräunlich gefärbter, durchscheinender, hygroskopischer Rück- stand von zäher Konsistenz, in dem sich nach längerem Stehen ein ganz feinkörniger Niederschlag in geringer Menge absetzt. Ausserdem treten grössere Kugeln auf, die meist zu mehreren beisammenliegen und verunreinigten Leucinkristallen gleichen. Der getrocknete Extrakt ist in Chloroform und Petroläther unlöslich, in Alkohol löst er sich zu einer weisslichen, emulsionsartigen Flüssigkeit, mit Wasser zu einer gelblichen, trüben Flüssigkeit, die sich auf Salzsäurezusatz völlig klärt. In Eisessig löst er sich zum Teil hellbraun, während ein weisslicher Rest ungelöst zurückbleibt. Beim Veraschen bleibt eine geringe, etwas grünlich gefärbte Asche zurück. Dieselbe löst sich in Wasser nur teilweise. Die abfiltrierte wässerige Lösung gibt mit AgNO, reichlichen, gelblichweissen, käsigen Niederschlag, der sich in HNO, nur zum Teil löst. Der in Wasser unlösliche Teil der Asche löst sich leicht in Eisessig. Beim Unter- schichten der filtrierten Lösung mit konzentrierter NaOH entsteht an der Grenzfläche eine feine, weissliche Niederschlagsbildung (Bleihydroxyd), die sich im Überschuss des Fällungsmittels löst. Bei Ammoniakzusatz tritt ein weisslicher, im Überschuss unlöslicher Niederschlag auf. Der Extraktteil A, wird mit Schwefelsäure bis zu 5 %/o Säuregehalt versetzt. Sodann wird eine wässerige Lösung von Phosphorwolframsäure zugefügt, bis kein Niederschlag mehr auftritt. Die weisslich-grünliche Fällung wird abfiltriert, ausgewaschen und getrocknet (Präparat CI). Das Filtrat wird im Vakuum eingeengt und getrocknet (Prä- parat CIV). Es bleibt eine olivgrüne, harte Substanz zurück, die sich im Wasser leicht löst und noch etwas Phosphorwolframsäure enthält. Präparat CV und CVI. Eine grössere Zahl von Pferdeschilddrüsen wird im Latapie’schen Apparat zerquetscht, der Brei mit wenig Wasser extrahiert, zentrifugiert und der dickflüssige, trübe Extrakt in die 20 fache Menge 96 P/oigen Alko- hols getropft. Nach mehrmaligem Umschütteln und 12 stündigem Stehen wird der weingelb gefärbte alkoholische Extrakt von dem ausgefällten Eiweiss dekantiert und noch mehrmals filtriert. Das Filtrat wird im Vakuum bei 39° C. zu einem trüben, graugrünlich gefärbten Sirup ein- geengt. Der abdestillierte Alkohol besitzt etwa 10 %o Wassergehalt. Der Extrakt wird mit Petroläther so lange ausgeschüttelt, bis das Extraktions- mittel nichts mehr aufnimmt. Der wässerige Anteil klärt sich dabei völlig zu einer gelbbraun gefärbten Flüssigkeit, welche schliesslich noch zentri- fugiert wird. Zuletzt wird sie im Vakuum noch auf wenige Kubik- zentimeter konzentriert (Präparat CV). Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 463 Reaktionen: Eiweisskochprobe nach Ansäuern mit Essigsäure: deutlich positiv; Heller’sche Probe: stark positiv; Almen: stark positiv; Xanthoproteinreaktion: schwach positiv; Millon’s Reagens: schwach positiv. Ein anderes in gleicher Weise wie Präparat C V hergestelltes Präparat wird nach dem Ausschütteln mit Petroläther bis zu 5 °/o Säure- gehalt und Schwefelsäure versetzt und mit Phosphorwolframsäure aus- gefällt. Der reichliche Niederschlag wird mit verdünnter Phosphor- wolframsäurelösung ausgewaschen und getrocknet (Präparat CV]). Reaktionen des Präparates wie bei Präparat Ü V, nur etwas schwächer. B. Versuchsprotokoll. Von den genannten einzelnen Präparaten wird zur Fütterung immer eine kleine Menge mit Piseidin und etwas Wasser verrieben und in die Zuchtschale gespült. Die erste Extraktverarbeitung findet am 10. Mai 1917 statt. 11. Mai: Wasserwechsel; in Gruppen d und e sind je drei Tiere tot. Bei den noch lebenden Larven der beiden Gruppen ist der Rumpf stark eingezogen und mit Buckeln versehen, besonders in Gruppe e. 12. Mai. In Gruppe d ist nochmals ein Tier gestorben. 14. Mai. Messung sämtlicher Gruppen (vgl. Tab. 6). Bei den Larven der Gruppen f und g treten Thyreoideasymptome hervor (Wachstumsabnahme, Beschleunigung in der Differenzierung der Extremitätenanlagen, Stummelbildung, Verkürzung des Schädels, Veränderung der Pigmentzeichnung). Die Wachstumshemmung ist am stärksten in Gruppe c, etwas geringer in Gruppen d und e. . Bei diesen drei letztgenannten Gruppen ist jedoch nicht die geringste Entwicklungs- beschleunigung festzustellen. In Gruppe 5 ist dagegen weder Wachs- tum noch Entwicklung beeinflusst. 15. Mai. Zweite Extraktfütterung. 16. Mai. Wasserwechsel. Das Wasser der Schale c ist rosa gefärbt. | 24. Mai. Dritte Extraktfütterung. 25. Mai. In Gruppe d sind drei Tiere, in Gruppe e zwei Tiere tot. 29. Mai. Vierte Extraktfütterung. In Gruppe f sind bei drei Tieren die Vorderbeine durchgebrochen. (Bezüglich des Ablaufes der Meta- morphosen vgl. Kurve III und weiter unten.) 3. Juni. Fünfte Extraktfütterung. 4. Juni. Photographieren und Messen sämtlicher Tiere (vgl. Tab. 7 und Taf. III Abb. 27—33). I . Benno Romei 464 Sl | ey 0'33 0571 08 1'883 rel gL 07% oa ar 8'EQ DR 8‘8 G'rZ = a = Fr | 68 987 :9T 0,8 <70 Ir SR Er, 6#l | 98 56 1 SL 6,8 0,76 3 =: Rn IpI | <8 186 6Pl I 08 ae ERS 076 LT | 6,24 0.86 srl 0,8 3.66 wel 33 6.66 Sal GL 0.86 981 | :8 160 Lst 0,8 L1G OFl 08 0,88 rel 93 0,66 6El IL Io or ey <. 16 sel <8 0.56 sel GL 8.08 sel SL 8.08 38 9L 51a ssl GL G 06 Gel | qL 106 8,cl Al 06 Gel GL 708 081 | OL 0,08 081 89 8'6L Lel 6,9 gI6L vol | 69 0.06 rel Iı G6L 611 IL 0'61 odurjzuemyag | enuezdumyg | osurpwesen | odugjzuemysg | odueyzdumy | oSugpgwesen | odurjzuemysg | esugjzduny | 9sugpuresen IAO yeredeig :d addnıg AD yeredesg :/ adduıg AIO yerederg :> oddnıg -(Sunzos}107]) 9 OTSAEL gel rL 0.08 ee ve | - | ar | de &7% Ba, ge 0,78 esse nn aa a ae im eo | dk [81 | ir = == == 601 ag Kal 10 6% 691 re ie Ben SE Gel | 90% GLl 06 6% r<ı 96 REG SE: E Ei sel GL | 7.08 661 36 1'Ca le 0 08 | :v6 at Dee 661 a 272008 8’C1 66 0°°5 Va ine Lel bu 018 08 BR 00R sl g°8 870 rel VB u 2 08 | 9.05 wel 89 | 0.08 ri 88 6.76 6&l 16 8,76 0 ei | en rel sol ost 88 0,76 url 883 ERO ’ 5, 12861 0,81 OL | 0,61 Sal | 18 6,6 Ir 7 0,87 961 GL 861 sl Vi rel! er 18 8.66 | 78 3,66 Tl I gLL IE | 28l Go 08 03 L#L 18 8,88 Sen 081 oT | gl | 08 E18 Seal | 08 18 our | due |- oSueg odup] odur] odur] dur] ode | due] 9durf our] odue] -ZUL MUS | dung -Juesad | -ZuBMyag ı -Jdwuny -Juwson) | -zuwMyag | -Jduunyg -Jures90 | -zueagog | -duny -JuIeSOL) IIND yeredgag :p oddnıy II9 Jeredusg :9 oddnay I9 yeredeig :q oddnıy 9]]0.4uoy :» oddn.ın DEINER Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 465 Die mit Thyreoglandol behandelten Kaulquappen (Gruppe 5b) zeigen demnach noch immer keine Thyreoideasymptome. Ihre Grösse . übertrifft sogar das Durchschnittsmaass der Kontrollgruppe, und ihre Entwicklung ist in keiner Weise beschleunigt (vgl. Abb. 27- Gruppe « und Abb. 28 Gruppe 5b). Starke Unterschiede bestehen dagegen gegenüber den übrigen Gruppen. Die mit dem völlig enteiweissten Schilddrüsenextrakt behandelten Gruppen (Gruppen c, d, e) zeigen eine starke Wachstumshemmung, die bei Gruppe c (Abb. 29) am aus- geprägtesten ist. Gleichzeitig ist aber bei den drei genannten Gruppen auch die Entwicklung sehr stark zurückgeblieben (vel. Abb. 29, 30, 31). Eine ganz andere Wirkung entfaltet der Schilddrüsenextrakt, ‚der mit Alkohol enteiweisst wurde. Besonders in Gruppe f, von der auch schon mehrere Tiere vor einigen Tagen metamorphosierten, ist die Entwicklung gegenüber der Kontrollgruppe sehr stark beschleunigt (vgl. Abb. 32). Das Äussere der Tiere ist ganz froschähnlich; am Schwanz sind erhebliche Einschmelzungsprozesse festzustellen; die Extremitäten sind gut differenziert, in ihrem Längenwachstum jedoch stark gehemmt. Auch in Gruppe 9 (Abb. 33) ist die Entwicklung beschleunigt; doch treten hier Reduktionserscheinungen und Wachstums- hemmung erst in geringerem Grade hervor. 6. Juni. Sechste Extraktfütterung. 13. Juni. Die Tiere werden wiederum photographiert und ge- - messen (vel. Taf. III Abb. 34—39 und Tab. 8). Das Wachstum der mit Thyreoglandol behandelten Tiere (Gruppe d; Abb. 35) ist demnach noch immer stärker als bei der Kontrollgruppe. Die Entwicklung ist nunmehr aber in geringem Grade beschleunigt; während in der Kontrollgruppe noch sieben Larven mit stark zurück- gebliebenen Hinterbeinen sind, befinden sich in Gruppe 5 nur mehr zwei Larven auf einem entsprechenden Entwieklungsstadium. In den Gruppen e (Abb. 36), d (Abb. 37) und e (Abb. 38) ist die Entwicklung noch immer äusserst stark gehemmt, besonders in den zwei erst- genannten Gruppen, in welchen die Anlagen der hinteren Extremitäten bestenfalls eine Länge von 1,5 mm erreichen und noch beinahe völlig undifferenziert sind. In beiden Gruppen ist auch das Wachstum am stärksten zurückgeblieben. Die Tiere der Gruppe f sind schon alle metamorphosiert, jene der Gruppe g (Abb. 39) zeigen starke Thyreoidea- wirkung. Von jeder Gruppe werden einzelne Larven zur genaueren Unter- Benno Romeis co de) an go &8 6:83 ao ec EL zn 0'61 09 L’6 1'83 g6L 94 L'6 &'68 = => =: En = .= = = LLL g7 CL 2° 57 = en: 3 = =; — = Sa 6.8 182 ze = = = = = 3 == Fake) LS 9‘8 8.76 = = = Z Fi > == = g == >= &Ll 65 66 79 076 89 G6l 8.98 G,66 0L stl &76 = == == = OLI 98 16 196 0,78 0L 021 098 Ss Ic L9 Hl 0,88 FR == FE FE 6.91 8° 6,8 8°C 1re 01 sl 6.8 0,26 53 01T 0,85 ‚06 6° 601 <08 &9l LS 66 ELLE 1.76 19 OIL 1.= < Is g9 ll LE —e TE — == 08T 0,8 0°6 0'78 = E12 &9 307. 6Te = — — == Gel 87 18 0.77 = 0.03 v9 goL 308 1'28 0,9 0.07 1.08 srl 0% g8 580 = 0.08 19 goT | 08 6,81 0,9 ToI 0.68 rel Ei G8 6.18 = 0.08 88 86 8.68 OLL 88 06 0.98 gel v7 27 0'128 = vsI v9 901 0'6 Tel 0°E 62 085° oguv] oyeag | odurg odur] ode] oyrargq | our ogue] 9.surL[ oyrorq odur] oduet -ZUB NIS -yduny -duny -JURSOH A -ZUCMUOS -Jduny -Jdumy -JureseH -ZuaMUoS -Jdumy -Jdumy -JUBSON IAO yeredeig :d adduıg le) AIOQ yeredeag :> addnıy 1II9 yerederg :p addanıy -(unz}oSJ10]) 8 O[DqEL 91 ns ee 6°9 LI is | 89 EIEN g'E8 6L 19 vol 0.08 =. = 77 = 0,88 ILL St g’98 DB 89 sol c8 LE 8 GEl 6.07 6,83 DD SIT L’SE rsl 09 66 6'873 8% gL Du 6,98 1,83 Tı 6LL 0,88 L’9I 09 G6 398 nee rc) 0°EL 798 08 8°9 611 6,rE sul 69 06 °.% or | 0 0.21 6.98 0,88 OL OL 0,r8 SIT 09 0,6 G98 0.78 19 ST ESE g88 9 Il LEE r9L &8 18 &.78 77 69 IL 0,98 8,88 89 goL 0,88 681 gg gg v8 v1 19 601 828 de c9 Io 088 gel 0,8 6 Tg 86L 6,9 STL gTE 6.08 0,9 go ETe L'ol 0°% 9, 803 Gel 8% 00T gez 712 °9 0'0L rıI8 oduef oyrorq dur] our oSur] oyro1g ogurt edur ogur] oyroadg, osurl dur] -ZUBMUDS -7duumyy 7Lunyg -JWEBSOH) -ZUE MUS -jauny duny -JuSOH) -ZurAygS -Jdumy -Jdumy -JUBSAH) II O yeaedeıg :> oddnıy 9][0.14uoy :» addnın ‘Ss orfoqey, Bd. 173. Pflüger’s Archiv für Physiologie. 468 Benno Romeis: suchung des Entwicklungsstandes ihrer Eingeweide fixiert. Dabei zeigt sich, dass bei den Larven der Gruppen c, d und e die Darmspirale noch auf der Höhe ihrer Ausbildung steht, während bei Gruppe b am Auftreten einzelner Kontraktionsstreifen der Beginn der Rück- bildung sichtbar wird. In Gruppe g ist die Länge des Darmrohres gegenüber dem normalen Befund verringert; die Reduktionserscheinungen sind jedoch im Vergleich zu dem Befunde, wie er bei gewöhnlicher Sehilddrüsenfütterung zutage tritt, noch verhältnismässig gering, woraus sich auch die noch ziemlich rundliche Konfiguration des Leibes erklärt. Auffallend ist die Kleinheit der Leber bei den Tieren der Gruppen c, d und e, während das Pankreas gut ausgebildet ist. Besonders in Gruppen c und d zeigt die Leber nach der Fixierung eine auffallend erünlich-schwarze Pigmentierung, ohne dass am Schwanz oder Maul oder an anderer Stelle äusserlich Reduktionsvorgänge festzustellen wären, aus denen wie bei Thyreoideatieren das Einwandern von Pigment zu erklären wäre. Sollte es sich vielleicht um Blutpigment aus zerfallenen Erythrocyten handeln? Ferner sind bei diesen Tieren absolut wie relativ die Urnieren im Wachstum stark zurückgeblieben ; auch. die Gonaden und Fettkörper sind klein und unentwickelt. In Tab. 9 ist nun das während des Versuches vom 10. Mai und 13. Juni in den einzelnen Gruppen zutage tretende Wachstum zu- sammengestellt. Das Gesamtwachstum ist am stärksten in Gruppe db; zu Beginn des Versuches gleicht es dem der Kontrollgruppe, nimmt dann immer - mehr zu, um erst während der letzten Tage langsam zurückzugehen. Die Erklärung der Abnahme liegt in den durch die Metamorphose bedingten Reduktionsvorgängen, was auch aus dem Verhalten der Rumpfmaasse hervorgeht. Bei allen anderen Gruppen ist das Wachs- tum bedeutend geringer. Bei den Gruppen c, d und e ist während der ersten Tage ein Zurückgehen der Maasse festzustellen, was ver- mutlich mit einem Wasserverlust im Zusammenhang steht. Allmählich setzt aber dann wieder geringes Wachstum ein, am stärksten in Gruppe e, am wenigsten in Gruppe c; doch beschränkt es sich haupt- sächlich auf ein Länserwerden des Ruderschwanzes. Im letzten Viertel der Beobachtungszeit nimmt das Wachstum zudem wieder beträchtlich ab. Im Gegensatz zu diesen Gruppen bleiben die Maasse bei Gruppen f und g während der ersten Tage ziemlich unbeeinflusst. Dann aber tritt bei Gruppe f eine scharfe Abnahme ein, die hauptsächlich durch Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 469 Tabelle 9. Wachstum vom 10. Mai Wachstum vom 14. Mai bis 14. Mai bis 4. Juni Gruppe EN ER EIER U Nr DER SEEN Gesamt- | Rumpf- | Schwanz- | Gesamt- , Rumpf- | Schwanz- länge | länge länge länge | länge | länge | a +20 +08 +12 + 92 + 2,2 + 7,0 b +22 +08 + 1,4 + 111 +27 | +84 € — 2,1 — 0,6 — 1,5 + 44 a el d — 2,0 — 0,6 — 1,4 + 5,9 +18 | +41 e — 1,0 — 0,4 — 0,6 +67.) > +Ll + 5,6 fi +0,1 + 0,0 +0,1 — 44 | —0/1 — 9,1 g + 0,0 .—0,2 +0,2 + 19 + 0,5 + 1,4 Tabelle 9 (Fortsetzung). Wachstum vom 4. Juni Gesamtwachstum vom 10. Mai | bis 13. Juni bis 13. Juni Gruppe m ER ARE RN DE [EEE N Re Gesamt- Rumpt- | Schwanz- | Gesamt- Rumpf- | Schwanz- länge länge | länge länge länge | länge | | a 0,00 01a 0:5 + 11,8 +31 | -+87 b — 0,9 Pla + 12,4 Ar Sl | ae € + 0,9 +04 | +05 + 32 en d 2-10. | me Da + 55 +13 | +42 e oe Dora + 81 0 0,0 f FF% | US | N >73 4,3 TE 0,7 | FE 3,6 g + 0,3 + 0,2 | a0 E22 0,5 | let Reduktion der Ruderschwänze bedingt ist. Bei Gruppe g, bei der ja auch die Entwicklungsbeschleunigung milder verläuft, ist dagegen ge- ringes Wachstum zu beobachten. Der Verlauf der Metamorphose ist aus Kurve III zu ersehen. In Gruppe f ist die Metamorphose beträchtlich beschleunigt. Hier hat sie das letzte Tier schon beendet, ehe sie das erste der Kontroll- sruppe begonnen hat. In Gruppe g ist die Beschleunigung erheblich schwächer. Recht gering ist sie in Gruppe d. In Gruppen e und d metamorphosiert während der ganzen Versuchsdauer überhaupt kein Tier; die Larven bleiben vielmehr völlig auf früher larvaler Ent- wicklungsstufe stehen. In Gruppe e vollenden zwar schliesslich noch, wenn auch stark verspätet, zwei Tiere die Metamorphose, der Rest der Kaulquappen bleibt jedoch neotenisch. Aus diesem Versuche ergibt sich also, dass das von Hoffmann- La Roche in den Handel gebrachte eiweiss-, fett- und fast jodfreie ale 470 Benno Romeis: Schilddrüsenpräparat Thyreogiandol die Entwicklung der Froschlarven während der ersten Zeit der Einwirkung in keiner äusserlich sicht- baren Weise beeinflusste. Erst gegen Ende der Larvalzeit machte sich eine leichte Beschleunigung der Entwicklung geltend, so dass die betreffenden Tiere die Metamorphose rascher beendeten. Die zweite, bei starker Thyreoideafütterung zu beobachtende Erscheinung, die Hemmung des Wachstums, trat nicht auf; die Durchschnittsgrösse der Tiere war im Gegenteil sogar etwas höher als bei den Kontrolltieren. Gruppe a: Kontrolle. Gruppe 5b: Thyreoglandol, Präparat CO]. Gruppe c: Präparat C II. Gruppe d: Präparat C III. Gruppe e: Präparat CIV. Gruppe f: Präparat CV. Gruppe g: Präparat C VI. - Der nach der beschriebenen Methode mit Gerbsäure völlig ent- Mai Juni Juli 21. 29.31. 2. 4 6. 8. 10.12. Ay. 46. 18. 20. 22. 24. 26. 28. 30. 2. 4. 6. 8. 10. 42. A 16.48. 20. 22. 24, 26. 28. 30 Kurve II. eiweisste wässerige Schilddrüsenextrakt hatte dagegen an Stelle der bei Thyreoideafütterung zu beachtenden Entwicklungsbeschleunigung eine sehr starke Hemmung der Entwicklung zur Folge. Ausserdem wurde durch ihn auch noch eine ausgiebige Hemmung des Wachstums veranlasst. Der durch Fällung mit 96°%o Alkohol enteiweisste wässerige Schilddrüsenextrakt rief erhebliche Entwicklungsbeschleunigung und Wachstumshemmung hervor. Für die Beurteilung dieses Ergebnisses ist jedoch zu beachten, dass sich in dem auf diese Weise gewonnenen Fxtrakte noch Eiweisspuren nachweissen liessen. Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 471 Versuch IV. Material: Rana temporaria-Larven, aus einem Laichballen ge- züchtet, der am 29. April 1917 auf dem Urmundstadium aus der Nähe Münchens eingebracht wurde. Beginn des Versuches: 15. Mai 1917, Alter der Larven dem- nach etwa 19 Tage. — Durchschnittliche Grösse der Kaulquappen zu Ver- suchsbeginn: Gesamtlänge: 24,0; Rumpflänge: 9,0; Rumpfbreite: 5,0. Entwicklungsstadium: Kräftig entwickelte, typische Kaul- quappen. Die Anlagen der hinteren Extremitäten sind als etwa 1 mm lange, dem Körper dicht anliegende Stummel zu sehen. Anzahl der Tiere: vier Gruppen zu je zehn Larven. Versuchsanordnune: Gruppe a: Kontrolle; normales Futter (Pflanzen, stehn). b: Phosphorwolframsäur efällung eines frischen, wässerigen Schilddrüsenextraktes nach einmaliger Fällung mit 96°/o Alkohol (Präparat DN; c: Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach zwei- maliger Fällung mit 96° Alkohol: a) ätherlösliche Fraktion (Präparat D II); a d: Ebenso: b) ätherunlösliche Fraktion (Präparat DIT). ” A. Herstellung der einzelnen Präparate. Präparat DI. Zwölf Pferdeschilddrüsen werden mit dem Latapie’schen Apparat zerquetscht, mehrere Stunden lang mit etwas destilliertem Wasser ex- trahiert und der dickflüssige, abzentrifugierte, wässerige Extrakt in die 20fache Menge 96°/oigen Alkohols getropft. Nach einigen Stunden, während welcher mehrmals umgeschüttelt wurde, wird mehrmals filtriert, bis das hellgelb gefärbte Filtrat vollkommen klar ist. Sodann wird es im Vakuum bei 39°C. eingeengt. Der Extrakt wird nach Abdestillieren des Alkohols graugrünlich und völlig opak. Bei Ausschütteln mit Petroläther nimmt derselbe unter Gelbfärbung reichlich Fett auf, während der wässerige Anteil sich völlig klärt. Der letztere wird so- dann noch mehrmals filtriert. Das vollkommen klare Filtrat wird mit Schwefelsäure bis zu 5 °/o Säuregehalt versetzt und mit Phosphorwolfram- säurelösung gefällt. Der grüngraue Niederschlag wird gesammelt, mit Wasser gewaschen und im Vakuum getrocknet ran aan DI. Präparat DII wd DII. Auch hier werden etwa zwölf Pferdeschilddrüsen mit dem Lata- pie’schen Apparat zerquetscht; der Brei wird sodann mit Quarzsand und etwas destilliertem Wasser in der Czokor’schen Mühle zu einer ganz feinen Emulsion .verrieben. Sodann wird zentrifugiert und der dickflüssige, braunrötliche Abguss in die etwa 20 fache Menge 96 PJoigen Alkohols getropft, wobei das Eiweiss in Flocken ausfällt. Nach mehr- stündigem Absetzenlassen wird filtriert, das klare Filtrat wird im Vakuum zu einem bräunlichen Sirup eingedickt, ‘der wiederum in 96 %/o Alkohol eingetropft wird. Dabei entsteht nochmals ein zwar nicht sehr 472 Benno Romeis: reichlicher, aber immerhin nennenswerter flockiger Niederschlag, von dem wiederum abfiltriert wird. Der Niederschlag löst sich in destil- liertem Wasser zu einer bräunlichen, trüben Flüssigkeit, welche positive Kochprobe, positive Millon’sche, Heller’sche und Almen’sche Reaktion gibt. Das Filtrat wird nochmals im Vakuum eingeengt und nach Ansäuern mit Essigsäure und Äther so lange ausgeschüttelt, bis der wasserlösliche Anteil vollkommen geklärt ist und der Äther, der sich zuerst stark gelb färbt, nichts mehr aufnimmt. Am Trennungsspiegel beider Flüssigkeiten setzt sich. anfangs etwas flockige Substanz ab, welche durch Filtrieren abgetrennt wird. Der ätherlösliche Anteil wird im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure getrocknet, Es ist eine bräunlich gefärbte, fettige, bei Zimmertemperatur halbflüssige Substanz (Präparat DII). Dieselbe löst sich leicht in Petroläther, gibt deutliche Akroleinprobe. Nach Verseifen mit alkoholischer NaOH fallen auf Zusatz von CaCl, reichliche, wasserlösliche Calciumseifen aus. Schüttelt man dieselben mit Äther aus, so erhält man noch einen schwach gelblich gefärbten Ätherextrakt. Aus einer alkoholischen Lösung des ein- gedampften Ätherextraktes kristallisiert Cholesterin aus. Der wasserlösliche Anteil (Präparat D III) ist nach mehrmaligem Ausschütteln ganz klar und goldgelb gefärbt. Nach völligem Trocknen ist es eine bröcklige, braune Substanz, die sich in Wasser sehr leicht löst. In Äther, Alkohol, Chloroform ist sie unlöslich. Die wässerige Lösung gibt mit dem Almen’schen Reagens ziemlich reichlichen Nieder- schlag, ebenso mit Phosphorwolframsäure nach Ansäuern mit Salzsäure; bei Zusatz von absolutem Alkohol bilden sich ganz feine Flocken. Die Biuretreaktion, Helle r’sche Probe, Ferrocyankaliumprobe sind negativ. Bei der Eiweisskochprobe tritt zunächst keine Trübung auf; dagegen bilden sich in der gekochten Flüssigkeit auf Zusatz von etwas verdünnter Essigsäure und Schütteln Spuren von Niederschlag. B. Versuchsprotokoll. 15. Mai. Erste Extraktfütterung. 16. Mai. Die Tiere der Gruppe b zeigen am Leib Einziehungen und knollige Verdickungen. 17. Mai. In Gruppe 5 fällt eine leichte Beschleunigung der Ex- tremitätenentwicklung auf. 2 19. Mai. Zweite Extraktfütterung. Auch in Gruppe d treten deutlich Thyreoideasymptome, wie Wachstumshemmung, Beschleunigung der Extremitätenentwieklung, Einziehung des Leibes, auf. In Gruppe c gleichen die Larven den Kontrolltieren. ih 24. Mai. Die Tiere der Gruppe 5 sind am kleinsten von allen. An den Schwanzspitzen machen sich Einschmelzungsprozesse geltend, die Flossensäume sind erheblich verschmälert. Die Hornzähnchen sind ebenso wie die Lippen weitgehend reduziert. In Gruppe d sind die Symptome noch etwas schwächer. — Dritte Extraktfütterung. Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 473 29. Mai. Vierte Extraktfütterung. 3. Juni. Ein Tier der Gruppe d hat die Metamorphose beendet. 4. Juni. Sämtliche Tiere werden photographiert und gemessen (vgl. Tab. 10 und Taf. III Abb. 40—43). Tabelle 10. Gruppe a: Kontrolle Gruppe 5b: Präparat DI Gesamt- | Rumpf- _ Rumpf- Schwanz- Gesamt- Rumpf- Rumpf- | Schwanz- länge | länge | breite länge länge länge breite | länge 309, |= 10,9. | „62 20,0 | 21,4 7,4 a 31,8 102 6,2 21,6 21,5 +5 4,7 14,0 31,9 10,9 6,8 21,0 21,8 Zu 5,0 14,7 32,5 11,2 6,8 21,3 21,8 7,8 3,0 14,0 32,5 10,7 6,6 21,8 22,4 7,6 ls 32,7 10,8 6,5 21.9 23,0 8,5 3,2 14,5 36,8 1ulsql Sn! 23,53 84 5,4 15,1 37,3 12,2 7,5 25,1 23,9 7,9 10 37,7 12,2 an 95,5 96,1 9,0 Sl 38,9 12,5 1,2 | 26,0 — E | = 34,2 11,3 es aa ee ae an Tabelle 10 (Fortsetzung). Gruppe e: Präparat DII Gruppe d: Präparat D III Gesanıt- Rumpf- | Rumpf- Schwanz-| Gesamt- Rumpf- Rumpf- Schwanz- länge länge breite 2 BR 2 Dreier a än se nän zen rn sep jFrbreiter [Er länger länge länge länge |, breite länge A | 99 | 59 185 a ee een 24,8 | 8,8 4,9 16,0 29, 2 210,2 5,6 -19,5 25,9 8,6 9,2 16,9 311 10,8 6,4 20,3 26,4 9,0 5,0 ah 4 32,5 10,9 6,1 21,6 28,9 9,8 5,8 19,1 32,9 11,0 6,1 21,5 29,2 9,6 6,0 19,6 32,7 11,0 le zalet 30,2 9,5 5,9 20, 7 32,7 11,3 6,3 21,4 30,5 9,9 5,8 20. ‚6 33,6 10,9 6,9 22,7 33,9 9,9 9,6 24, 0 34, 0 11,5 Brom 11.2225 36,0 10,6 6,1 25, ‚4 34, 4 11,5 6,5 ı SEE Be Bo a ee IE 22,9 — —_ a 32,2 10,9 nes Dr area 755 20,0 Die Larven der Gruppe b sind demnach von allen am kleinsten. Wie man aus den Abbildungen sieht, sind bei ihnen auch die Re- duktionserscheinungen am stärksten ausgebildet. Die Pigmentierung ist ganz froschähnlich, nur dunkler; die Schädelform ist ebenfalls schon froschartig, die larvalen Fresswerkzeuge sind bis auf Reste von Lippen und Hornkiefern vorhanden. Auch in Gruppe d (Abb. 43) ist die Entwicklung stark beschleunigt; die Tiere sind aber hier kräf- 474 tiger. Benno Romeis: Ferner sind hier die Hinterbeine grösser als bei Gruppe b. Die Kaulquappen der Gruppe ce sind um Geringes kleiner als in Gruppe .b; gruppe zurückgeblieben. in ihrer Entwicklung sind sie etwas hinter der Kontroll- Am 13. Juni werden sämtliche Tiere nochmals photographiert und gemessen (vgl. Tab. 11 und Taf. III Abb. 44—47). Tabelle 11. Gruppe a: Kontrolle Gruppe b: Präparat DI Gesamt- | Rumpf- | Rumpf- |Schwanz-| Gesamt- | Rumpf- | Rumpf- Schwanz- länge länge breite | länge länge länge | breite länge 31,5 10,2 6,2 21,3 21,0 7,9 0 888 | 115 6,5 22,0 22,0 3.0.107 24,8 13,2 34,0 | 110 6,1 23,0 22,0 1) 5,0 14,1 34,0 11,0 6,5 23,0 22,6 8,5 5,0 14,1 345 | 10,6 6,5 23,9 22,8 8,0 5,0 14,3 34801 0120 6,7 22,8 22,8 8,0 5,0 14,8 36,5 11,0 6,5 25,9 24,5 8 5,2 16,0 39,4 12,4 6,9 27,0 24,9 84 5,9 16,5 39,5 12,5 Bel 27,0 27,4 DIN 19,5 35,9 11,4 6,6 23,9 | 23,3 8,1 5,1 15,2 Tabelle 11 (Fortsetzung )% II Gruppe d: Präparat D III Gruppe c: Präparat D Gesamt- | Rumpf- | Rumpf- länge | länge |) ‚breite |) länge | länge | länge" | breite 7 langen länge breite 29,0 10,2 5,1 30,4 9,9 6,0 32,0 10,7 64 | 33,0 11,5 6,2 33,1 10,7 6,2 39,1 10,7 66 | 34,2 11,0 6,9 39,2 12,0 7,0 37,2 12,5 7,0 38,0 12,5 7,9 33,6 | ale 6 Sehwaneı länge 18,8 20,5 zul, 3 21,5 22,4 23.0 23,2 232 24.7 95,5 22,4 Gesamt- Rumpf- länge länge 2 99 2920000280 24,5 9,5 29,9 9,5 30,5 9,9 36,2 11,0 9,7 Rumpf- | Schwanz- breite länge 5412. re 65 5.00... 71455 a 6,2 20,4 5,9 20,6 I 0 25,2 mas Hader eo ao 17,9 Die bereits am 4. Juni beschriebenen Unterschiede haben sich insbesondere tritt nun der Unterschied im Extremitätenwachstum zwischen Rupne b und d noch deutlicher also noch mehr verstärkt; hervor. Unterdessen sind seit idam 3. Juni bei mehrenen Mieten die Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 475 Vorderbeine durchgebrochen. Die Zeitpunkte der Metamorphose seien wieder in Kurvenform zusammengestellt (vgl. Kurve IV). Die Metamorphose verläuft demnach am raschesten in Gruppe d. In Gruppe 5 dagegen, in der die Thyreoidae- symptome doch am frühzeitigsten aufge- treten sind, vollenden nur zwei Tiere, und diese erst sehr verspätet, die Metamorphose, während die übrigen vorher absterben, ohne dass die Vorderbeine zum Durchbruch ge- kommen wären. So zeigt also dieser Versuch, dass der wässerige Extrakt der Schilddrüse auch nach zweimaliger Eiweissausfällung mit -96°% Alkohol noch Entwicklungsbeschleu- nigung hervorzurufen vermag. Die wachs- tumshemmende Wirkung ist jedoch geringer als bei nur einmalig erfolgter Ausfällung. Indessen scheinen auch nach zweimaliger Ausfällung noch nicht alle Eiweissspuren aus dem Extrakt entfernt zu sein. Inwie- fern ihnen die entwicklungsbeschleunigende Wirkung zukomnt, müssen weitere Ver- suche zeigen. Vieles spricht dafür, dass auch völlig enteiweisste, frische Thyreoidea- extrakte noch mässige Entwicklungsbe- schleunigung hervorzurufen vermögen. Es ist jedoch fraglich, in wieweit diese Wir- kung noch spezifisch für das Sehilddrüsen- sekret ist. Die in dem Extrakte enthaltenen und mit Äther abgetrennten Fettsubstanzen rufen eine geringe Hemmung des Wachs- tums und eine leichte Verzögerung der Entwicklung hervor. Zusammenfassung und Kritik der Versuchsergebnisse. Juli August ‚Juni 4 6...8. 40. 12. 4 46, 18. 20. 22. 24, 26. 28. 2. 579.013: 46.719021 023.25, 2729. 31, 3. 35,9 19 23022702, EFUEHERNENGE! NE \ 7 \\ Gruppe a: Kontrolle. Gruppe b: Präparat DT. Gruppe ce; Präparat DII. | Präparat DIIT, ! Gruppe d: Im nachfolgenden Abschnitt sollen die Ergebnisse der voraus- gehend beschriebenen Versuche zusammengefasst und in ihrer Bedeu- Kurve IV, 476 Benno Romeis: Tabelle 12. Nummer | Nummer | Nummer Art des Extraktes des | der des Versuchs | Gruppe |Präparats Primärer Acetonextrakt (kochend extrahiert). .. .... I Rältelöslicher. Rein Sn 1. Su N b AI Kälteunlöslicher Teil: a) chloroformlöslich ...... Ce AI a „ b) .chloroformunlöslich. . . ... d AI Sekundärer Toluolextrakt (kochend extrahiert) . .... . E= e AIV Tertiärer Alkoholextrakt (kochend extrahiert) .. .... — Alkoholunlöslicher Teil: a) Atheremulsion ...... f ‚AV r eb)bwasserlösliche sr eurer g AVI Alkohollöslicher Teil: a) ätherunlöslich ....... h AVI 5 „ b) ätkerlöslich: «) acetonunlöslich Ü A VHI 3 n N ß) acetonlöslich . k AIX Primärer Ätherextrakt (bei 19% C. extrahiert) ...... H Atherunlöslicher Teil des Extraktes . ... ..... b BI Ätherlöslicher Teil: aJacetonlöslich .-.... .... c BU 5 „ b)acetonunlöslich: «)alkoholunlöslich d BI ß)alkohollöslich . e BIV Sekund. AlkoNoleerai (absol. Alkoh. bei 37° C. extrahiert) Alkoholunlöslicher Teil: a) petrolätherunlöslich . 5 f BV b) petrolätherlöslich . . . . . 0) BVI Alkohollöslicher Teil: a) ätherunlöslich. 2... m = h BVII „ „ b) ätherlöslich: «) acetonunlöslich Ü B VII A 3 2 ß) acetonlöslich . k BIX Tertiärer Extrakt mit 96%o Alkohol . ...... ee — I BX Nachfolgender Extrakt mit 80%o Alkohol . .. ..... — m BXI Nachfolgender Extrakt mit destilliertem Wasser ..... — n BXI Thyreoglandol- ..7 102 1 cu a ee ee Ill b Cl | Mit Gerbsäure enteiweisster wässeriger Schilddrüsenextrakt — ® Cl Desgleichen: a) Phosphorwolframsäurefällung . . . ... d CHI 5 b - RN e CIV Mit96°0 Alkohol enteiweisster wässeriger Schilddrüsenextrakt : (einmalice/Rallung) man. Ve ee _ f CV Mit 96° Alkohol enteiweisster wässeriger Extrakt; Phos- phorwoltramsäurelällung Se nr re g CVI Phosphorwolframsäurefällung eines frischen, wässerigen Schilddrüsenextraktes nach einmaliger Eiweissausfällung mit: 969/70 Alkohol"... 1. a NER a IV b DI Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach zweimaliger Biweissfällung mit 96%o Alkohol. ........... — a) ätherlösliche Fraktion . . . 2... 2.2... ce DU b) ätherunlösliche Fraktion . . . .. 2.2... d DI Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 477 Zabel! e 12. Einfluss auf die Entwicklung. Einfluss auf das Wachstum Allgemeines Körper- wachstum Differenzierung Metamorphose sehemmt verzögert leicht gehemmt etwas verzögert unbeeinflusst unbeeinflusst unbeeinflusst unbeeinflusst beschleunigt beschleunigt anfangs unbeeinflusst anfangs unbeeinflusst anfangs unbeeinflusst beschleunigt gering beschleunigt stark gehemmt gehemmt gehemmt unbeeinflusst unbeeirflusst etwas gehemmt unbeeinfusst gehemmt leicht beschleunigt beschleunigt stark re BE pesehleunieti BE anfangs "anfangs unbeeinflusst, | ganz leicht beschleunigt| später in geringem Maasse beschleunigt sehr stark gehemmt stark gehemmt stark gehemmt stark beschleunigt leicht beschleunigt leicht beschleunigt leicht beschleunigt beschleunigt zum Teil leicht beschleunigt . stark verzögert stark verzögert stark verzögert wenig beeinflusst wenig beeinflusst zum Teil verzögert kaum beeinflusst verzögert ganz leicht beschleunigt beschleunigt stark beschleunist ganz leicht beschleunigt Metamorphose völlig verhindert Metamorph. unterdrückt sehr stark verzögert stark beschleunigt mässig gehemmt wenig beeinflusst wenig beeinflusst unbeeinflusst stark gehemmt gesteigert fast unbeeinflusst fast unbeeinflusst mässig gehemmt leicht beschleunigt etwas gehemmt gehemmt begünstigt wenig beeinflusst etwas gehemmt gehemmt gehemmt leicht gehemmt gehemmt stark gehemmt gesteigert stark gehemmt stark gehemmt gehemmt sehr stark gehemmt SE beträchtlich gehemmt j | Petramilatene achstum zur Zeit der Metamor- phose bzw. bei Ende des Versuches kaum beeinflusst kaum beeinflusst unbeeinflusst unbeeinflusst gehemmt, Extraktzart, zum Teil unproportioniert gehemmt, | Extrakt plump, kurz, fast unbeeinflusst fast unbeeinflusst stark gehemmt, nicht gebildet wenig beeinflusst bei den metamorphos. Tieren normal, bei den neotenischen gehemmt ebenso ebenso unbeeinflusst unbeeinflusst wenig beeinflusst wenig beeinflusst gehemmt kaum beeinflusst gehemmt sehemmt unbeeinflusst äusserst stark gehemmt sehr stark gehemmt stark gehemmt stark gehemmt beschleunigt beschleunigt stark gehemmt gehemmt beschleunigt verzögert stark gehemmt gehemmt leicht gehemmt leicht verzögert sehr schwach gehemmt unbeeinflusst beschleunigt beschleunigt mässig gehemmt nur wenig gehemmt 478 Benno Romeis: tung kritisch gewertet werden!). Zu diesem Zwecke ist zunächst in Tab. 12 die bei den einzelnen Versuchen beobachtete Wirkung der einzelnen Extrakte auf Wachstum und Entwicklung übersichtlich zu- sammengestellt.e. Dabei wird bei der Entwicklung zwischen einer Be- schleunigung der Differenzierung und einer Beschleunigung der Meta- morphose unterschieden. Denn wie es einerseits vorkommt, dass Tiere viel frühzeitiger als die Normallarven gut entwickelte Extremitäten bekommen, obwohl sie die Metamorphose erst spät oder auch gar nicht vollenden, ebenso kann man andererseits beobachten, dass Kaul- quappen, welche sich während des grösseren Teiles der Larvalzeit wenigstens äusserlich in keiner Weise von den Kontrolltieren unter- scheiden, gegen Ende der Larvalperiode plötzlich eine deutliche Be- schleunigung der Entwicklung aufweisen. In ähnlicher Weise muss beim Wachstum zwischen einem Wachstum des Körpers im allgemeinen und einem Wachstum der Extremitäten unterschieden werden, da fest- zustellen ist, dass Larven bestimmter Versuchsgruppen, deren all- gemeines Wachstum nur wenig gehemmt ist, selbst zur Zeit der Meta- morphose erst kurze Extremitäten besitzen, während die zwergartig klein gebliebenen Tiere anderer Gruppen wieder lang gewachsene, gut proportionierte Beine haben. Bereits in einer früheren Arbeit (1918) konnte ich zeigen, dass der primäre Acetonextrakt getrockneter Schilddrüsensubstanz keinerlei entwicklungsbeschleunigende Wirkung entfaltet, sondern im Gegenteil einen mässigen entwicklungs- und wachstumshemmenden Einfluss aus- übt. In den vorliegenden Versuchen war es möglich, diese Eigenschaft hauptsächlich einer bestimmten Fraktion des Acetonextraktes zuzu- weisen, nämlich jenem Teil, der beim Abkühlen des heiss gewonnenen Acetonextraktes in Lösung bleibt (Versuch Id Präparat A]J). In Über- einstimmung damit stehen die mit dem primären Ätherextrakt ge- wonnenen Resultate. Von diesem wirkt hauptsächlich die aceton- lösliche Fraktion (Versuch Ilc; Präparat B II) und die alkohollösliche Fraktion des acetonunlöslichen Extraktteiles(Versuch Ile; Präparat BIV) entwicklungs- und wachstumshemmend. Auch die alkoholunlösliche Fraktion des acetonunlöslichen Teiles des primären Ätherextraktes _ 1) Mit der Besprechung der einschlägigen Literatur kann ich mich diesmal kurz fassen, da dieselbe erst in meiner vorausgehenden Arbeit eingehend ge- würdigt wurde und sich seitdem nicht wesentlich vermehrt hat. Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 479 (Versuch II d; Präparat B III) verzögerte die Metamorphose, während das Wachstum weniger beeinflusst wurde. Nur geringe Entwicklungshemmung ruft die chloroformlösliche Fraktion des Acetonextraktes (Versuch Ic; Präparat A II) hervor; als indifferent für Wachstum und Entwicklung erwies sich die chloroform- unlösliche Fraktion des Acetonextraktes (Versuch Id; Präparat A III) und der sekundäre Toluolextrakt (Versuch Ie; Präparat A IV). Auch der ätherlösliche Teil eines wässerigen, mit Alkohol ent- eiweissten Schilddrüsenextraktes (Versuch IV ce; Präparat D II) besitzt schwache entwicklungshemmende Wirkung, die jedoch viel geringer ist als bei den obengenannten Fraktionen des Aceton- und Äther- extraktes.. Dies kann entweder dadurch bedingt sein, dass die Wir- kung der in den erwähnten Fraktionen enthaltenen Stoffe durch die übrigen im Gesamtätherextrakt vorhandenen verdeckt wird. Mösglicher- weise beruht der Unterschied aber auch darauf, dass die Tiere des Versuchs IV zu Beginn der Fütterung schon älter waren, und dass . dann in einem solchen Falle die volle Wirkung nicht mehr so stark zum Vorschein kommt. Vielleicht erklärt sich in dieser Weise auch der Gegensatz zu Kahn, der den ätherlöslichen Teil eines mit 96 °/o Alkohol aus frischer Schilddrüse hergestellten Extraktes für völlig in- different erklärt. Möglicherweise hat Kahn auch nicht oft genug ge- füttert. Ferner ist der Unterschied bei Verfütterung des Gesamt- ätherextraktes leicht zu übersehen, besonders wenn auch die Kontroll- tiere infolge irgendeiner äusseren oder inneren Bedingung zu Neotenie neigen. Über die Natur der in den genannten Extrakten entwicklungs- und wachstumshemmend wirkenden Stoffe lassen sich vorerst nur An- saben allgemeiner Art machen. Nach Bang (1911) sind im primären Acetonextrakt getrockneter Organsubstanz hauptsächlich Fette, Fett- säuren und Cholesterin zu erwarten... Die bei der Extraktgewinnung näher beschriebenen Eigenschaften der Acetonfraktion Al und der Äther- fraktion BI (vgl. S. 425 und S. 448) machen es überaus wahrscheinlich, dass diese Fxtrakte hauptsächlich Fette und Fettsäuren von niedrigem Schmelzpunkt, wie Triolein und Ölsäure bzw. deren Seifen, enthalten. Insbesondere wird die Wirkung der Ölsäure dabei in Betracht zu ziehen sein, zumal im Hinblick auf die von I. Kniebe auf meine Veranlas- sung hin unternommenen und in Kürze zur Veröffentlichung kommenden Versuche, bei denen Ölsäure und besonders ölsaures Natrium sehr 480 Benno Romeis: starke Wachstums- und Entwiecklungshemmung hervorrief.” Auch J. Bang gibt, wie ich nachträglich sehe, in seiner Biochemie der Lipoide an, dass Kaulquappen durch Zusatz von Ölsäure „vergiftet“ werden. Ausser den Extraktfraktionen AI und BII des Aceton- bzw. Ätherextraktes hatte auch noch die mit BIV bezeichnete Fraktion des primären Ätherextraktes starke entwicklungs- und wachstums- hemmende Wirkung. Dieselbe stellt den alkohollöslichen Teil der acetonunlöslichen Fraktion des primären Ätherextraktes dar. Nach den Reaktionen dieser Extraktfraktion sowie auf Grund der Er- landsen’schen Untersuchungen, die sich allerdings auf die Lipoide des Herzmuskels beziehen, ist anzunehmen, dass sie hauptsächlich Leeithin enthält. Es ist nun von Interesse, dass Bang die von ihm bei Einwirkung von Ölsäure an Kaulquappen beobachtete Wirkung auch durch geringe „Leeithin‘-Mengen hervorrufen konnte. Auch ich beobachtete bei früheren Versuchen (1914/15) eine wachstumshemmende Wirkung des Leeithins (Ovoleeithin von Merck). Doch bestand hier wie bei den Versuchen Bang’s die Möglichkeit, dass diese Wirkung hauptsächlich den in Handelsmarken von Leeithin stets vorhandenen Zersetzungsprodukten zuzuschreiben ist. Der vorliegende Versuch zeigt jedoch, dass auch ein frisch hergestelltes und sorgfältig auf- bewahrtes Präparat prinzipiell ähnliche Erscheinungen hervorruft. Immerhin muss damit gerechnet werden, dass selbst bei ganz reinen Präparaten noch während der Einwirkung des Präparates auf die Tiere eine Zersetzung stattfindet. Im Zusammenhang mit der wachstums- und entwicklungshemmenden Wirkung der genannten Extrakte sei ferner noch an die Versuche Reinke’s erinnert, der Augenlinsen erwachsener Kaninchen mit 4./e Ätherwasser behandelte und in die Bauchhöhle der Tiere transplan- tierte, wo sie atypisch weiterwuchsen. Durch Zusatz von Ätherextrakt aus Linsen konnte dagegen dieses Wachstum unterdrückt werden (zitiert nach T. Bang 1911). Auch hier hatten also die im Äther- extrakt enthaltenen Stoffe („Lipoide“) wachstumshemmende Wirkung. Möglicherweise spielen bei allen diesen Versuchen ungesättigte Fettsäuren die Hauptrolle, zumal ja auch im Molekül des Leecithins mindestens ein ungesättigtes Fettsäureradikal angenommen wird. Es sei in Verbindung damit an die starke hämo- lytische Wirkung ungesättigter Fettsäuren erinnert, wie sie aus den Untersuchungen von Noguchi (1906), Faust und Tallquist (1907) Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 48] u. a. hervorgeht. In Übereinstimmung mit dieser Auffassung stehen die Versuche von Haffner und Nagamachi (1914), die die vaso- konstriktorische Wirkung des ätherlöslichen Teiles von mit Alkohol enteiweissten Sehilddrüsen- und Ovarialextrakten durch die Entfernung der Fettsäuren als Kalkseifen aufheben konnten. Entspricht aber nun die in gewissen Fraktionen des Äther- bzw. Acetonextraktes (zum Beispiel in Präparat AI und BII) enthaltene, entwicklungshemmend wirkende Substanz einem, in vivo abgeschiedenen Sekret? Es liegt zwar nahe, die Abtrennung und Wirkung dieser Substanz als reine Versuchswirkung zu betrachten, der keine innerhalb des normalen Sekretionsprozesses auftretende Funktion entspricht. Gewisse morphologische Befunde lassen jedoch auch eine gegenteilige Anschauung berechtigt erscheinen. Da nämlich einfaches Fettgewebe, zumal nach Entfernung des an der Kapsel gelegenen makroskopisch sicht- baren Fettes, gerade in der Schilddrüse nur spärlich ist, muss die in Frage kommende bei der Extraktion zu gewinnende, ziemlich reichliche Fettmenge zum Teil auch aus dem Drüsenparenchym selbst stammen. In diesem’Falle müsste wenigstens teilweise auch mikroskopisch-morpho- logisch in den Drüsenzellen Fett nachzuweisen sein. In Übereinstim- mung mit dieser Annahme hat sich bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur gezeigt, dass tatsächlich bereits von mehreren Autoren in den Drüsenzellen der Thyreoidea fettartige Einlagerungen aufgefunden und beschrieben wurden (z. B. von OÖ. Langendorf 1889, OÖ. A. Andersson (1894), L. R. Müller 1896, Köllicker-Ebner 1899, Sata 1901, Ehrich 1904), von denen allerdings ein Teil das Auftreten von Fett- substanzen in den Drüsenzellen, wenn auch ohne hinreichende Be- sründung, für pathologisch ansprach. Eine Klärung der Frage brachte erst die Arbeit P. Erdheim’s (1903), der auf Grund eingehender mikroskopischer Untersuchungen den Nachweis führte, dass „in jeder normalen Schilddrüse am zentralen, dem Lumen anliegenden Saum der Epithelzellen regelmässig Körnchen zu finden sind, die im nativen Zustand eine gelbgrüne Farbe besitzen. Sie geben die Sudan II-, Scharlach R.- und Osmiumreaktion und werden in Ätheralkohol voll- ständig gelöst ohne Hinterlassung eines farbigen Rückstandes. Sie bestehen somit aus einem ölsäurehaltigen Fette, welches in feinen Körnehen mikroskopisch gelbgrün, in extrahiertem Zustande aber als Masse eine tief dunkelbraune Farbe und die Konsistenz einer weichen Salbe aufweist“. Bei ' intraperitonealen Injektionen (an Katzen) 483 Benno Romeis: fand Erdheim die Substanz wirkungslos, weshalb er ihr besonders giftige Figenschaften abspricht. Erdheim glaubt aber, dass die Fett- körnchen mit der Bildung des inneren Sekretes in Zusammenhang stehen, während er eine Beziehung zur Kolloidsekretion verneint. Da nun in meinen vorliegenden Versuchen gerade jene Fraktion der Fettextrakte entwicklungshemmend wirkte, welche den Reaktionen nach reich an ölsäure- haltigen Verbindungen war, soistdie Schlussfolgerung, dass zwischen ihr und den morphologisch nachweis- baren Fettkörnchen der Drüsenzellen ein Zusammen- hang besteht, naheliegend. Es würde sich demnach nicht um eine postmortal, bei der Extraktbereitung entstandene oder um eine ausserhalb der Drüsenparenchym gelegene Substanz, sondern um eine bereits in vivo in den Drüsenzellen vorhandene handeln. In Verbindung damit steht aber weiter die Frage, ob die bei den Äther- und Acetonextrakten beobachteten Wirkungen als organ- spezifisch zu betrachten sind. Die Feststellung, dass auch Aceton- extrakte des Thymus starke entwicklungs- und wachstumshemmende Fähigkeiten besitzen (Romeis 1918), spricht zwar dagegen. Die zu beobachtenden graduellen Unterschiede lassen jedoch vor einer end- gültigen Entscheidung erst noch weitere vergleichende Versuche mit analogen Extrakten anderer Organe als notwendig erscheinen. Sehr tiefgehend sind die Unterschiede, die in der Wirksamkeit der einzelnen Alkoholextrakte zutage getreten sind. Betrachten wir zunächst nur die beiden mit wasserfreiem Alkohol gewonnenen und .zu Versuch I und II verwendeten Alkoholextrakte. Während ver- schiedene Fraktionen des einen zu Versuch I benutzten Extraktes eine deutliche Beschleunigung der Entwicklung hervorriefen, ver- ursachten analoge Fraktionen des zu Versuch II verwendeten Ex- traktes nicht nur keine Beschleunigung, sondern eine zum Teil sogar recht erhebliche Hemmung der Entwicklung. Der Unterschied in der Gewinnung der beiden Extrakte besteht nun im wesentlichen darin, dass der erstgenannte durch mehrtägiges intensives Kochen gewonnen wurde, während bei der Herstellung des zweiten niemals die Körper- temperatur überschritten wurde. Es muss demnach die starke Er- hitzung bei der Extraktgewinnung für die verschiedene Wirkung der Extrakte von ursächlicher Bedeutung sein. Im übrigen besitzen aber auch die einzelnen Fraktionen der Ex- Experimentelle Unterscchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 483 trakte, besonders die des Extraktes I, ziemlich differente Wirkungen. Wie schon bei der Schilderung der Herstellung der einzelnen FExtrakte ‚näher beschrieben wurde, tritt beim Abkühlen und Einengen der Alkoholextrakte ein Niederschlag auf, der in Alkohol mehr oder weniger unlöslich ist. Die Menge desselben ist beim heiss gewonnenen Extrakt grösser. Der Niederschlag wurde bei diesem letzteren in etwas Wasser gelöst und mit Äther ausgeschüttelt, wobei sich über dem wasserlöslichen Teil eine sehr hartnäckige Emulsion absetzte. Beide Fraktionen beeinflussen in sehr verschiedener Weise Entwicklung und Wachstum; denn während die wasserlösliche Fraktion (Versuch Ig, Präparat A VI) das Wachstum überaus begünstigt, so dass es sogar über das normale Durchschnittsmaass hinaus gesteigert ist, wird es durch den emulgierenden Anteil (Versuch If; Präparat A V) schon kurze Zeit nach Versuchsbeginn ziemlich erheblich gehemmt. Die Entwicklung ist zwar bei beiden beschleunigt; diese Wirkung tritt aber bei letzterem schon viel frühzeitiger und stärker zutage, während sie bei dem erstgenannten Präparate erst gegen Ende der Larval- periode zum Vorschein kommt. Diese auffallende Differenz in der Wirksamkeit kann jedoch sehr einfach erklärt werden. Schon die beim. Ausschütteln der wässerigen Lösung auftretende hartnäckige Emulgierung des ätherlöslichen Teiles A V liess die Anwesenheit von Eiweisspuren vermuten, die trotz der mehrmaligen Filtration in feinster Suspension oder in Lösung durch das Filter gingen. Die Vermutung fand im Ausfall der chemischen Reaktionen ihre Be- stätigung, da mittels mehrerer Proben (Kochprobe, Heller’sche Probe, Almen) in der genannten Fraktion deutliche, wenn auch nur sehr ‚geringe Eiweissspuren nachgewiesen werden konnten. In der zweiten wasserlöslichen Fraktion A VI konnte dagegen kein Eiweiss auf- "gefunden werden. Aus dieser Flüssigkeit waren also durch das Aus- schütteln die letzten Eiweissspuren entfernt worden, ein Vorgang, der ja nichts Aussergewöhnliches an sich hat, da das Ausschütteln häufig zum Enteiweissen von Lösungen dient. Das durch das Schütteln in feinste Tröpfehen verteilte Fett versah die Rolle der gewöhnlich bei der Enteiweissung durch Schütteln benutzten Zusätze von Tierkohle, Kaolin oder dergleichen. Begünstigt wurde der Vorgang wahrschein- lich durch den Salzgehalt der Flüssigkeit, der, wie die Veraschung des getrockneten Extraktes ergab, verhältnismässig beträchtlich war. Aus den Reaktionen ist zu schliessen, dass es sich dabei grossenteils Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 32 484 Benno Romeis: um Chloride handelte. Auf die Anwesenheit dieser Salze ist ver- mutlich die Begünstigung des Wachstums zurückzuführen, die bei den mit dem Extrakt A VI behandelten Tieren zu beobachten ist. Möglicherweise handelt es sich dabei hauptsächlich um eine vermehrte Wasseraufnahme der Tiere. Ausser diesen Salzen enthält die genannte Fxtraktfraktion auch noch Aminosäuren. Inwieweit diese für die wachstumsfördernde Wirkung in Betracht zu ziehen sind, müsste erst noch durch weitere Versuche klargestellt werden. Die analogen Fraktionen des bei Körpertemperatur gewonnenen Alkoholextraktes B V und B VI rufen keine Entwicklungsbeschleunigung hervor. Hier trat auch beim Ausschütteln mit Petroläther nur eine vorübergehende Emulgierung auf, die sich bald wieder löste. In Über- einstimmung damit konnten hier auch keine Eiweissspuren nachgewiesen werden. Dagegen übt auch hier wieder die wasserlösliche Fraktion B V einen wachstumsfördernden Einfluss aus, wenn auch etwas schwächer als in Versuch I. Wie dort, war auch hier diese Fxtraktfraktion wieder sehr salzreich. | Auffallend ist nun, dass im Versuch I auch der beim Abkühlen und Einengen in Lösung bleibende Teil des Alkoholextraktes eine Beschleunigung der Entwicklung veranlasst. Besonders stark tritt sie bei dem acetonlöslichen Teil der ätherlöslichen Fraktion des Extraktes (Versuch I%, Präparat A IX) hervor, während sie bei den äther- unlöslichen und acetonunlöslichen Fraktionen (Versuch IA, Präpa- rat A VII; Versuch I:, Präparat A VIII) nur geringe Grade erreicht. Die analogen Fraktionen des bei Körpertemperatur gewonnenen Ex- traktes B des Versuches II, besonders die acetonlösliche des äther- löslichen Teiles (Versuch II A, Präparat BIX), hatten dagegen Ent- wicklungshemmung zur Folge. Die für den Unterschied der Fraktionen A V und B VI mögliche Erklärung, nämlich der Nachweis von Eiweisspuren, lässt sich für die Deutung der Differenz zwischen den Fraktionen A IX und B IX nicht mehr anwenden, da alle Eiweissproben, die bei Fraktion A IX nach intfernung der Fette durch Verseifung versucht worden waren, nega- tiv ausfielen. Dagegen ist aus dem Auftreten von reichlichem Nieder- schlag bei Zusatz der sogenannten Alkaloidreagenzien auf die Anwesen- heit von Basen zu schliessen. Vermutlich hat das intensive Kochen der Drüsensubstanz mit Alkohol eine teilweise Zerlegung des Jod- thyreoglobulins der Schilddrüse zur Folge, so dass eine für gewöhnlich Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 485 an diesen Eiweisskörper gebundene Substanz abgespalten wird und in den heissen Alkohol übergeht. Beobachtet man doch auch bei Autolyse und bei Hydrolyse der Drüsengewebe, dass die wirksame Substanz alkohollöslich wird. Man könnte eine Abtrennung von Aminosäuren und analog den Ausführungen Guggenheimer’s (1913) eine nachfolgende Entkarboxylierung derselben zu physiologisch stark wirkenden Aminen annehmen. Ganz im Gegensatz zu dem mit wasserfreiem Alkohol bei 37°C. gewonnenen Extrakt riefen ausser dem eben besprochenen, durch Kochen gewonnenen Alkoholextrakt auch die für die Gruppen / und m des Versuches II benützten Alkoholextrakte BX und B XI Entwicklungs- beschleunigung und Wachstumshemmung hervor. Bei diesen Extrakten aber ist für die Erklärung der differenten Wirkung der Wasser- gehalt des extrahierenden Alkohols von ursächlicher Bedeutung. Denn wie ein Vergleich der beiden Gruppen zeigt, ist die Entwicklungs- beschleunigung und Wachstumshemmung bei dem mit 80°/o Alkohol gewonnenen Extrakte stärker als bei dem mit 96°o Alkohol her- gestellten, so dass also die Wirksamkeit mit zunehmendem Wasser- gehalt steist. Noch intensiver ist dieselbe dementsprechend bei Gruppe n, bei welcher ein rein wässeriger Extrakt (B XII) zur An- wendung kam. Die bei Schilddrüsenfütterung auf Kaulquappen spezifisch wirkende Substanz wird also dem getrockneten Organ um so mehr entzogen, je höher der Wassergehalt des Extraktions- mittels ist. Da aber nun, wie die an den Extrakten ausgeführten Reaktionen ergaben, Hand in Hand damit eine Zunahme des Eiweissgehaltes seht, so wird dadurch wieder die Frage aufgerollt, ob die in wasserhaltigen, aus frischer Schilddrüsensubstanz ge- wonnenen Alkoholextrakten enthaltene und auf Entwicklung und Wachstum spezifisch wirkende Substanz eiweissartiger oder eiweiss- freier Natur ist. Kahn entscheidet diese Frage in letzterem Sinne; in einer vorausgehenden Arbeit wies ich jedoch darauf hin, dass die Beweisführung Kahn’s hierfür nicht zwingend ist, da er den Nachweis der völligen Abwesenheit von Eiweiss nicht genügend erbracht hat. Ebenso erhob ich gegen meine analogen Extrakte den Einwand, dass sie noch Eiweissspuren enthielten; leider gestatten auch die in den vorliegenden Versuchen gewonnenen Ergebnisse noch keine endgültige Entscheidung. Zwar konnte in dem mit 96°/o Alkohol aus entfetteter 325 AS6 Benno Romeis: Schilddrüsentrockensubstanz gewonnenen Extrakte (Präparat B X) Eiweiss mit Sicherheit nieht nachgewiesen werden; dafür war aber auch die entwicklungsbeschleunigende Wirkung dieses Extraktes nur. gering. Deutlicher gelang dagegen der Nachweis von Eiweissspuren bei dem mit 80° Alkohol erhaltenen Extrakt, der hinwiederum er- heblich stärkere Wirkung besass, In Verbindung damit müssen die Ergebnisse der Versuche III und IV betrachtet werden, in denen die hier einschlägigen Extrakte dadurch gewonnen wurden, dass ein mit wenig Wasser aus fein zer- quetschtem frischem Schilddrüsengewebe hergestellter Extrakt in die 20fache Menge 96 'Joigen Alkohols getropft wurde. Auf diese Weise wurde die grösste Menge der Eiweissubstanzen entfernt und der Wassergehalt so sehr vermindert, dass die abfiltrierten Extrakte alko- holischen Extrakten entsprechen. Wurde dieser Vorgang, wie bei Präparat C V, C VI und DI, nur ein einziges Mal vorgenommen, so war die Enteiweissung nur unvollständig. Unter diesen Umständen ist es vollkommen begreiflich, dass diese Extrakte auch recht erhebliche entwicklungsbeschleunigende und wachstumshemmende Wirkung besassen. Der Umstand, dass die wirksame Substanz aus dem Extrakt durch Phosphorwolframsäure gefällt wurde, spricht eben- falls für ihre Eiweissnatur, schliesst aber keineswegs eiweissfreie Konstitution aus, da durch dieses Reagens -bekanntlich auch ver- schiedene Basen ausgefällt werden. Da die unvollkommene Enteiweissung der Extrakte CV, CVI und D I mit dem Wassergehalt der betreffenden Lösung in Verbindung zu bringen war, wurde zur Verminderung desselben der Extrakt bei _ einem anderen Versuche einer zweimaligen Fällung durch 96 °/o Alkohol unterworfen (Versuch IV, Präparat D III). Zu diesem Zwecke wurde das nach der ersten Fällung gewonnene Filtrat im Vakuum stark eingeengt und nochmals in die etwa 20fache Menge 96 /oigen Alkohols getropft, wobei sich noch ziemlich viel Niederschlag absetzte. Das neuerdings gewonnene Filtrat wurde wiederum eingeengt und mit Äther ausgeschüttelt. Aber auch jetzt wirkte die Substanz noch entwicklungsbeschleunigend; die Wirksamkeit war jedoch schwächer als bei dem in Gruppe f des Versuches III benützten Präparate C V (bzw. Gruppe d des Versuches IV, Präparat D I), bei dem die Ent- eiweissung nur ein einziges Mal vorgenommen worden war. Sehr auf- fallend ist dabei auch der Unterschied in der Beeinflussung . des Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 487 Wachstums, sowohl was allgemeines Körper- wie Extremitäten- wachstum betrifft. Denn während bei den durch einmalige Ausfällung mit Alkohol enteiweissten Extrakten das Körper- und Extremitäten- wachstum gegenüber der Kontrolle stark gehemmt ist, ist bei dem zweimal gefällten Extrakte das Körperwachstum im Vergleich zur Kontrolle in erheblich geringerem Grade beeinträchtigt, und die Ex- tremitäten weisen zur Zeit der Metamorphose bedeutend höhere Längenmaasse auf (vgl. Abb. 32 und 45 mit Abb. 47). Dieser Unterschied zwischen den beiden Extrakten lässt sich nur so erklären, dass die in dem durch einmalige Fällung gereinigten Ex- trakt noch wirkende Substanz bei der zweiten Fällung zum grössten Teil in den Niederschlag übergegangen ist. Eine Untersuchung des Niederschlages müsste also Aufschluss über die chemische ‚Natur des wirksamen Stoffes bringen. Aus den bisher angeführten Reaktionen kann vorerst nur das eine geschlossen werden, dass ein Teil des Niederschlages aus Eiweiss von globulinartigem Charakter gebildet ist. Der Umstand aber, dass die Menge des zum Beispiel mit Gerbsäure oder Phosphorwolframsäure zu erhaltenden Niederschlages viel grösser ist, als man nach dem Ausfall der Eiweisskochprobe erwartet, deutet schon darauf hin, dass ausserdem auch noch andere Substanzen in ihm enthalten sind. Werden doch zum Beispiel auch Fermente oder fermentartige Substanzen durch Alkohol ausgefällt. Die gleiche Be- obachtung lässt sich übrigens auch an dem mit 80°/o Alkohol aus getrockneter Schilddrüsensubstanz gewonnenen Extrakte (Präparat BXI) machen. Wie bereits betont, erwies sich also der alkoholische Extrakt D III auch nach der zweiten Fällung noch als wirksam, wenn auch in ver- ringertem Grade. Wäre der Extrakt nun wirklich eiweissfrei gewesen, so wäre durch den genannten Versuch der Beweis dafür erbracht, dass die entwicklungsbeschleunigend wirkende Substanz der Thyreoidea eiweissfreier Natur. ist. Da es aber gelang, im Extrakte auch nach der zweiten Fällung noch Spuren von Eiweiss nachzuweisen, so ist seeenüber dieser Schlussfolgerung noch Vorsicht am Platze, zumal in Erinnerung an frühere Versuche (vel. Romeis 1918, Versuch VII der Arbeit), durch die die Wirksamkeit selbst sehr stark verdünnter Jodthyreoglobulinlösungen (zum Beispiel 1:100000) bewiesen wird. Die Ursache der unvollkommenen Enteiweissung ist vermutlich darin zu suchen, dass zur Ausfällung der Extrakte nur 96° Alkohol be- 488 Benno Romeis: nutzt wurden. Das dadurch im Extrakte auch bei der zweiten Fällung noch anwesende Wasser scheint zu genügen, um eine völlige Ausfällung hintanzuhalten. Weitere Versuche mit wasserfreiem Alkohol sind im Gang. Ausser diesen durch Alkoholfällung nicht ganz vollständig ent- eiweissten Extrakten kamen in den vorliegenden Versuchen, aber auch noch zwei völlig enteiweisste Präparate zur Prüfung. Bei dem einen Extrakte (Versuch III, ec, d und e; Präparat GC II, CI. und C IV) waren ‘die Eiweisskörper durch Einwirkung von Gerbsäure und Blei- oxyd (vgl. S. 461) tatsächlich bis auf den letzten Rest entfernt worden. Das Ergebnis der biologischen Prüfung des Extraktes war die Fest- stellung, dass er im Gegensatze zur gewöhnlichen Thyreoideawirkung eine äusserst starke Entwicklungshemmung hervorrief. Ausserdem war dieselbe auch noch mit einer sehr beträchtlichen Wachstums- hemmung verknüpft. Nun tritt zwar auch bei typischer Thyreoidea- fütterung konstant:eine Wachstumshemmung auf; zwischen dieser und der beim vorliegenden Versuche zu beobachtenden bestehen jedoch weitgehende Unterschiede. Bei Schilddrüsenfütterung ist sie stets mit einer gleich- zeitig oder bereits vorher auftretenden Entwicklungsbeschleunigung verknüpft. Die Wachstumshemmung hängt hier mit einer Steigerung des Stoffwechsels zusammen. Solange dieselbe, wie während der ersten Tage des Versuches nach der ersten Fütterung, mässig ist und das Tier die erforderliche Kalorienzahl durch vermehrte Nahrungs- aufnahme zu bestreiten vermag, kann die Thyreoideafütterung sogar eine Steigerung des Wachstums hervorrufen. Tatsächlich lässt sich dieselbe, wie ich in später zu veröffentlichenden Protokollen zeigen werde, auch bei Fütterung junger Stadien mit frischer Schilddrüse während der ersten Tage der Einwirkung nachweisen. Sehr bald ist jedoch kein Überschuss mehr vorhanden; das Tier kommt gerade mit der aufgenommenen Nahrung aus: das Wachstum bleibt stehen. Aber auch dieser Zustand dauert nicht lange an; die aufgenommene Nahrung ist sehr bald nicht mehr hinreichend, um den Bedarf zu decken, so dass die tiereigene Substanz angeeriffen werden muss; vielleicht spielen dabei auch die im Darmtraktus auftretenden Ver- änderungen, die eine genügende Aufschliessung der Nahrung unmöglich machen, eine wichtige Rolle. Jedenfalls kommt es schliesslich bei stärkerer Thyreoideafütterung stets zu einem Rückgang der Körper- Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 489 srösse, der bei intensiver Einwirkung ganz bedeutende Grade er- reichen kann). Anders die Wachstumshemmung bei Gruppen c, d und e des vorliegenden Versuches III. Hier wird das Wachstum durch den Einfluss des enteiweissten Extraktes nur äusserst stark verlangsamt, ohne dass irgendwelche Reduktionsprozesse nachzuweisen wären; die Tiere behalten vielmehr alle larvalen Merkmale und sind auch in (der Nahrungsaufnahme nicht behindert. Dieses Ergebnis erinnert an die Wachstumshemmung, die bei bestimmten Fraktionen des Äther- bzw. Acetonextraktes zu beobachten ist, nur dass sie bei der Ein- wirkung des enteiweissten Extraktes C II viel höhere Grade erreicht. Wenn ich trotz allem zögere, aus diesen Befunden vorerst weit- gehende Schlüsse über die Natur der wirksamen Substanz zu ziehen, etwa in der Weise, dass dieser Versuch wegen des Fehlens jeglicher entwicklungsbeschleunigenden Wirkung des enteiweissten Extraktes für die Eiweissnatur der entwicklungsbeschleunigend wirkenden Substanz spricht, so sind dafür hauptsächlich zwei Gründe maassgebend. Einer- seits besteht die Möglichkeit, dass bei dem Vorgang der Enteiweissung ausser Eiweiss auch noch wirksame Basen und Alkaloide ausgefällt wurden, wenn auch versucht wurde, dies durch Ansäuern des Extraktes zu verhüten. Indes können derartige Substanzen nicht nur bei der Enteiweissung selbst, sondern auch später durch die bei der Entfernung der überschüssigen Gerbsäure mit Baryumhydroxyd auftretenden - voluminösen Niederschläge niedergerissen werden. Das zweite Bedenken wird durch die erst nach Beendigung des Versuches bei der chemischen Untersuchung des Extraktes auf- gefundenen Bleispuren hervorgerufen. Es wäre denkbar, dass sowohl Wachstums- wie Entwicklunsshemmung auf eine chronische Blei- vergiftung zurückzuführen ist. Weitere diesbezügliche Untersuchungen werden hierüber Aufklärung bringen. Der zweite eiweissfreie Extrakt war das von Hoffmann-La Roche in den Handel gebrachte „Thyreoglandol“, das nach Angabe 1) Von Bedeutung ist dabei auch die gleichzeitig erfolgende Abgabe von "Wasser, welche aus meinen Wägungen an Thyreoideakaulguappen hervorgeht (Romeis 1914/15), besonders im Hinblick auf neue Untersuchungen von Eppinger «Zur Pathologie und Therapie des menschlichen Ödems. Springer, Berlin 1917), in welchen er über die häufig sehr starke diuretische Wirkung des Thyreoideas ‚berichtet. 490 Benno Romeis: der Fabrik einen eiweiss-, lipoid- und fast jodfreien Auszug der Schild- drüse darstellt. Dieses Präparat wurde an Warmblütern mit zum Teil widersprechenden Erfolgen bereits von verschiedenen Forschern auf seine Wirksamkeit hin untersucht (Bürgi und v. Traczewski, H. Richardson, S. Kakehi, L. Asher und Flack, W. Axent- jan, H. Streuli, M. Eiger, L. Asher). Über seinen Einfluss auf Wachstum und Entwicklung von Kaulquappen liegt dagegen nur eine von meiner Seite stammende Angabe (1918) vor. Von be- sonderem Interesse ist die Arbeit von Abelin, zumal der Autor aus seinen an Hunden ausgeführten Experimenten auch einen Analogie- schluss auf die Wirkung des Thyreoglandols auf Froschlarven zieht. Abelin kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Resultate, „dass dem eiweissfreien Auszug aus der Schilddrüse die charakteristische Wirkung auf den Stoffwechsel zukommt. Unter dem Einfluss dieser Schilddrüsensubstanz (nämlich dem Thyreoglandol) trat sowohl beim normalen als auch beim thyreoid ektomierten Hund eine sehr wesent- liche Steigerung des Hungereiweissumsatzes ein. Die erhöhte Eiweiss- zersetzung war öfters von einer gesteigerten Wasserausscheidung be- gleitet. Die eiweissfreien Produkte der Schilddrüse üben also auf den Eiweissstoffwechsel die gleiche Wirkung wie die Gesamtschilddrüse oder die Schilddrüseneiweisskörper aus“. Im Kaulquappenversuch dagegen weicht die Wirkung des Thyreo- slandols, wie das Protokoll des vorliegend veröffentlichten Versuches III 5 beweist, von der gewöhnlichen Schilddrüsenwirkung sehr erheblich ab. Denn während schon eine einmalige Fütterung mit frischer Thyreoidea oder die Einwirkung weniger Tropfen einer Jodthyreoglobulinlösung hinreicht, um starke Entwicklungsbeschleunigung und erhebliche Wachstumshemmung und Reduktionsvorgänge hervorzurufen, bleibt die Entwicklung der Kaulquappen sogar nach Einwirkung mehrerer Ampullen Thyreoglandol äusserlich lange Zeit völlig unbeeinflusst. Erst gegen Ende der Larvalperiode stellt sich eine ganz leichte Be- schleunigung der Metamorphose ein. Das Wachstum aber ist nicht nur nieht gehemmt, sondern sogar gesteigert. Die in dem Thyreo- glandol enthaltene Substanz ist demnach anderer Natur als die in den durch Verdauung (Abderhalden) oder Hydrolyse (Romeis) ge- wonnenen eiweissfreien Schilddrüsenextrakten enthaltenen Stoffe, welche in ihrer Wirkung weitgehende Übereinstimmung mit frisch verfütterter Drüse zeigen. Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 491 Zusammenfassung der Hauptergebnisse. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, welchen Einfluss verschiedene fett-, lipoid- oder eiweisshaltige sowie eiweissfreie Ex- trakte der Schilddrüse auf Wachstum und. Entwicklung ausüben. 1. Wirkung der Fraktionen des primären, bei Siedetemperatur gewonnenen Acetonextraktes: | a) Der beim Abkühlen des Extraktes in Lösung bleibende Teil, der hauptsächlich Fette und Fettsäuren von niedrigem Schmelzpunkt enthält, verursacht deutliche Entwicklungs- und Wachs- tumshemmung. b) Der beim Abkühlen ausfallende Teil des Acetonextraktes wird mit Chloroform fraktioniert. Die chloroformlösliche Fraktion ruft nur geringe Entwicklungshemmung hervor, während sich der chloroform- unlösliche Teil als indifferent erweist. 2. Der nachfolgend gewonnene Toluolextrakt übt auf Wachstum und Entwicklung keinen wesentlichen Einfluss aus. 3. Der tertiäre, durch Kochen erhaltene Alkoholextrakt scheidet sich beim Abkühlen und Einengen in einen alkoholunlöslichen -und einen alkohollöslichen Teil. | a) Der erstere wird in Wasser gelöst und mit Äther ausgeschüttelt. Die wasserlösliche Fraktion, welche reich an anorganischen Salzen und an Aminosäuren ist, wirkt überaus günstig auf das Wachstum, während der emulgierende Anteil des Niederschlages das Wachstum erheblich hemmt. Die Entwicklung ist in beiden Fällen beschleunigt, bei dem letztgenannten Präparat frühzeitiger und stärker als bei dem erstgenannten. b) Der alkohollösliche Teil wird mit Äther und Aceton fraktioniert. Der acetonlösliche Teil der ätherlöslichen Fraktion ruft starke Ent- wieklungsbeschleunigung hervor, während bei den beiden anderen Fraktionen diese Wirkung nur in geringem Grade hervortritt. 4. Wirkung des bei 19°C gewonnenen primären Ätherextraktes: Dieser Extrakt wird mit Aceton und mit Alkohol fraktioniert. Der acetonlösliche Teil wirkt entwicklungs- und wachstumshemmend. Auch die alkoholunlösliche Fraktion des acetonunlöslichen Teiles verzögert die Metamorphose, während das Wachstum durch sie weniger beein- flusst wird. Die alkohollösliche Fraktion des acetonunlöslichen Teiles, 4923 Benno Romeis: welche Leeithin enthält, hat dagegen starke entwicklungs- und wachs- tumshemmende Wirkung. 5. Der sekundäre, bei 19° C.’ mit absolutem Alkohol gewonnene Extrakt trennt sich beim Einengen in einen alkoholunlöslichen und alkohollöslichen Teil. Der erstere wird mit Petroläther fraktioniert. Der petrolätherunlösliche Teil wirkt wachstumsfördernd, der lösliche ist ziemlich indifferent. Die drei mit Äther und Aceton gewonnenen Fraktionen des alkohollöslichen Teiles, insbesondere die acetonlösliche des ätherlöslichen Extraktteiles, haben Entwicklungshemmung zur Folge. 6. Die nachfolgend mit 96°%o Alkohol, 80/0 Alkohol und endlich mit destilliertem Wasser gewonnenen Extrakte wirken entwicklungs- beschleunigend und wachstumshemmend, und zwar nimmt die Wirkung mit dem Wassergehalt des Extraktionsmittels zu. 7. Mit 96°%0o Alkohol einmalig gefällte, frische wässerige Schild- drüsenextrakte wirken noch entwicklungsbeschleunigend und wachstums- hemmend. Nach nochmaliger Fällung tritt besonders die letztere Wirkung stark zurück. 8. Mit Gerbsäure, Baryumhydroxyd und Bleioxyd völlig ent- eiweisste wässerige Schilddrüsenextrakte wirken stark wachstums- und entwicklungshemmend. 9. Thyreoglandol beschleunigt die Entwicklung erst in grösseren Dosen und nach längerer Einwirkung, und auch dann nur in geringem Grade. Das Wachstum wird durch dasselbe nicht gehemmt, sondern gesteigert (im Gegensatz zur Wirkung frischer, verfütterter Schilddrüse). 10. Je vollständiger das Eiweiss aus frischen wässerigen Drüsen- extrakten durch Dialyse, durch Fällung mit Alkohol, durch Ultra- filtration oder dergleichen entfernt wird, desto schwächer wird die entwicklungsbeschleunigende Wirkung, die dann auch bei Verabreichung verhältnismässig grosser Mengen derartig enteiweisster Extrakte meist nur langsam und vielfach erst gegen Ende der Larvalperiode deutlich hervortritt. Dabei macht sich in gewissen Fällen an Stelle einer Wachstumshemmung im Gegenteil eine Wachstumssteigerung geltend. Inwieweit diese zum Beispiel auch beim Thyreoglandol zu beobachtende Wirkung aber überhaupt noch spezifisch für die Schilddrüse ist, be- darf noch weiterer Untersuchung. Ganz anders ist, wie aus meinen früheren Versuchen hervorgeht, die Wirkung eiweissfreier Extrakte, bei denen die Eiweissubstanz der Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 493 Schilddrüse oder des Jodthyreoglobulins bis zu Peptonen oder noch weiter bis zum negativen Ausfall der Biuretreaktion abgebaut worden waren, sei es, wie in meinen Versuchen, durch Autolyse, Säure- oder Alkalihydrolyse oder wie bei Abderhalden durch Verdauung. Die (dabei erhaltenen, nunmehr alkohollöslichen Abbauprodukte rufen grossenteils sehr deutliche Entwicklungsbeschleunigung und Wachs- tumshemmung hervor, deren Eintritt somit nicht an das Vorhanden- sein eines intakten Eiweisskernes gebunden ist. Die Schlussfolgerung, dass ähnliche Abbauprozesse auch bei der intravitalen Sekretion der Drüse vor sich gehen, ist naheliegend, aber noch nicht bewiesen. Literatnrverzeichnis. Abderhalden, E. 1915. Studien über die von einzelnen Organen hervor- gebrachten Substanzen mit spezifischer Wirkung. I. Mitteilung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 162. — Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. Berlin. Abelin, J. 1917. Nachweis der Stoffwechselwirkung der Schilddrüse mit Hilfe eines eiweissfreien und jodarmen Schilddrüsenpräparates. Biochem. Zeitschr. Bd. 80. Ackermann, D. 1910. Die Isolierung von Fäulnisbasen. Handbuch der bio- chemischen Arbeitsmethoden Bd. II. — Isolierung von Basen aus den Extrakten der Muskeln. Ebenda. Andersson, O. A. 1894. Zur Kenntnis der Morphologie der Schilddrüse. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abtlg. Asher, L. 1916. Die physiologischen Wirkungen des Schilddrüsensekretes und die Methoden von ihrem Nachweis. Deutsche med. Wochenschr. Asher, L., und Flack. 1910. Die innere Sekretion der Schilddrüse und die Bildung des inneren Sekretes unter dem Einfluss von Nervenreizung. Zeit- schr. f. Biologie Bd. 55. Axentjan. 1914. Inaugur.-Diss. Basel. Bang, T. 1911. Chemie und Biochemie der Lipoide. Wiesbaden. Biedl. 1916. Innere Sekretion. 3. Auflage. Berlin. Bürgi und v. Traczewski. Biochem. Zeitschr. Bd. 66. Ehrich. 1900. Klinische und anatomische Beiträge z. Morbus Basedowii. Beitr. klin. Chirurg. Bd. 28. Eiger, M. 1917. Zeitschr. f Biologie. Erdheim, P. 1903. Zur normalen und pathologischen Histologie der glandula thyreoidea, parathyreoidea und Hypopbysis. Zieglers Beitr, Bd. 33. Erlandsen, A. 1907. Untersuchungen über die lecithinartigen Substanzen des Myocardiums und der quergestreiften Muskeln. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 51. Faust. 1908. Über chronische Ölsäurevergiftung. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Supplement. Festschr. f. Schmiedeberg. 494 Benno Romeis: Faust und Tallquist. 1907. Über die Ursachen der Botriocephalusanämie. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 57. Guggenheim, M. 1913. Proteinogene Amine. Therap. Monatsh. 27. Haffner, F. und Nagamachi, A. 1914. Zur physiologischen Wirkung von Organextrakten. Biochem. Zeitschr. Bd. 62. Kahn, R. H. 1916. Zur Frage der Wirkung der Schilddrüse und Thymus auf Froschlarven. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 163. Kakehi, S. Zeitschr. f. Biologie Bd. 67. Koellicker-Ebner. 1899. 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Versuch I: 36tägige Rana temporaria- Kaulquappen ; photographiert am 7. Mai 1917. Versuchsbeginn am 17. April 1917. Abb. 1: Gruppe a: Kontrolle; normales Futter. b: Primärer Acetonextrakt der Schilddrüse; kältelöslicher Teil (Präparat A]). 3: ä c: Primärer Acetonextrakt der Schilddrüse; kälteunlöslicher Teil; chloroformlöslich (Präparat All). a A a d: Primärer Acetonextrakt der Schilddrüse; kälteunlöslicher Teil; chloroformunlöslich (Präparat A III). . ” 2 ” N: 5 e: Sekundärer Toluolextrakt der Schilddrüse (Präparat A IV). rue [oy- a f: TertiärerAlkoholextrakt; alkoholunlöslicher Teil; Ätheremulsion (Präparat AV). TE Hug Tertiärer Alkoholextrakt; alkoholunlös- licher Teil; ätherunlöslicher Teil (Prä- parat A V]). ; Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 495 Abb. 8: Gruppe Ah: i: k: Tertiärer Alkoholextrakt; alkohollöslicher Teil; ätherunlösliche Fraktion (Präp.A VII). Tertiärer Alkoholextrakt; alkohollöslicher Teil; ätherlösliche Fraktion; acetonunlös- licher Teil derselben (Präparat A VII). Tertiärer Alkoholextrakt; alkohollöslicher Teil; ätherlösliche Fraktion; acetonlösliche Fraktion (Präparat A IX). Abb. 11—13. Versuch I: 48tägige Rana temporaria - Kaulquappen ; photographiert am 19. Mai 1917. Abb. 11: Gruppe f: Tertiärer Alkoholextrakt; Ätheremulsion Abb. 14—26. ” 15: 16: 7a: 1,88 19: 20: 2ilE: des alkoholunlöslichen Extraktteiles (Prä- parat AV). : Tertiärer Alkoholextrakt; ätherunlösliche Fraktion des. alkoholunlöslichen Extrakt- teiles (Präparat A V]). :: Tertiärer Alkoholextrakt; alkohollöslicher Teil; acetonlöslicher Teil der ätherlöslichen Fraktion (Präparat AIX). Versuch II: 45 tägige Rana temporaria-Kaulquappen; -photographiert am 19. Mai 1917. Versuchsbeginn am 22. April 1917. Abb. 14: Gruppe a: ” b: C: h: Kontrolle; normales Futter. Primärer Atherextrakt der Schilddrüse; ätherunlöslicher Teil (Präparat B]). Primärer Ätherextrakt der Schilddrüse ; acetonlösliche Fraktion des ätherlöslichen Teiles (Präparat BI). Primärer Ätherextrakt der ‚Schilddrüse; alkoholunlöslicher Teil der acetonunlös- lichen Fraktion des ätherlöslichen Extrakt- teiles (Präparat B II). : Primärer Ätherextrakt der Schilddrüse; alkohollöslicher Teil der acetonunlöslichen Fraktion des ätherlöslichen Fxtraktteiles (Präparat B IV). : Sekundärer Alkoholextrakt (absoluter Alko- hol) der Schilddrüse ; petrolätherunlösliche Fraktion des alkoholunlöslichen Extrakt- teiles (Präparat B V). : Sekundärer Alkoholextrakt (absoluter Alko- hol) der Schilddrüse; petrolätherlösliche Fraktion des alkoholunlöslichen Extrakt- teiles (Präparat B V]). Sekundärer Alkoholextrakt (absoluter Alko- hol) der Schilddrüse; alkohollöslicher Teil; ätherunlösliche Fraktion desselben (Prä- parat B VII). 496 Abb. 22: ” 2835 26: Gruppe £: ” les: m: Benno Romeis: Sekundärer Alkoholextrakt (absoluter Alko- hol) der Schilddrüse; alkohollöslicher Teil; acetonunlöslicher Teil der ätherlöslichen Fraktion (Präparat B VII). Sekundärer Alkoholextrakt (absoluter Alko- hol) der Schilddrüse; alkohollöslicher Teil; acetonlöslicher Teil der ätherlöslichen Fraktion (Präparat BIX). : Tertiärer Extrakt der Schilddrüse mit. 96/0 Alkohol (Präparat BX). Nachfolgender Extrakt der Schilddrüse mit 80°/o Alkohol (Präparat B XI). : Nachfolgender Extrakt der Schilddrüse mit destilliertem Wasser (Präparat B XII). Abb. 27—33. Versuch III: 39tägige Rana temporaria-Kaulquappen ;, photographiert am 4. Juni 1917. Versuchsbeginn 10. Mai 1917. Abb. 27: Gruppe a: ” 28: 29: 30: ale: DE 33: } b: 6: Kontrolle; normales Futter. Teostando] (Präparat CD). Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt,, mit Gerbsäure und Bleioxyd enteiweisst: (Präparat C II). Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt, mit Gerbsäure und Bleioxyd enteiweisst;, Phosphorwolframsäurefällung (Präp. C III). : Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt, mit Gerbsäure und Bleioxyd enteiweisst;, Filtrat des mit Phosphorwolframsäure ge- fällten Extraktes (Präparat C IV). Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach einmaliger Eiweissfällung mit 96 %/o Alkohol (Präparat CV). ‘ Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt. nach einmaliger Eiweissfällung mit 96 %/o Al- kohol; Phosphorwolframsäurefällung (Prä- parat C V]). Abb. 34—39. Versuch III: 48tägige Rana temporaria-Kaulquappen ; photographiert am 13. Juni 1917. Abb. 34: Gruppe a: Kontrolle. : Thyreoglandol (Präparat CD. : wie bei Abb. 29 (Präparat CI). d: e: g: vn olrilBräparatı@ El): sale (Prapanatt@3ly): 33 (Präparat C VD. ” ” Abb. 40—43. Versuch IV: 39tägige Rana temporaria-Kaulquappen ; photographiert am 4. Juni 1917. Versuchsbeginn am 15. Mai 1917. Experimentelle Untersuchungen üb. d. Wirkung innersekretorischer Organe. VI. 497 Abb. 40: Gruppe a: Kontrolle. 41: b: Phosphorwolframsäurefällungeines frischen, wässerigen Schilddrüsenextraktes nach ein- maliger Eiweissfällung mit 96°o Alkohol (Präparat DD). 42: »„ e: Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach zweimaliger Eiweissfällung mit 96 %/o Alkohol; ätherlösliche Fraktion desselben (Präparat BI). alaje „ d: Frischer, wässeriger Schilddrüsenextrakt nach zweimaliger Eiweissfällung mit 96 %/o Alkohol; ätherunlösliche Fraktion (Prä- parat D II). Abb. 44—47. Versuch IV: 48tägige Kana temporaria-Kaulquappen‘; photograpiert am 13. Juni 1917. Abb. 44: Gruppe a: Kontrolle. Sudn: »„ b: wie bei Abb. 41 (Präparat D]). 208 Os ea 2 er (Präparat DIN)! KEKAUE: ae 0, Aorlbräparat DIN): ” Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenrefiex. Von Dr. Bruno Kisch., Berichtigung. Es muss auf Seite 239 dieses Bandes, Zeile 26 von oben der Abschnitt von: „Bei der Auslösung des Pupillenreflexes ... bis... und N. sympathicus entsteht“ wegfallen und statt dessen richtig Heiksen: A „Bei der Auslösung des Pupillenreflexes vom Ohre aus kommt als Reflexbogen zweierlei in Betracht: erstens eine durch Trigeminus- reizung bedingte Herabsetzung des Oculomotoriustonus, und zweitens in einzelnen Fällen eine durch die Reizung von Gehörgangswand und Trommelfell bedingte indirekte Sympathicusreizung.“ Autorenverzeichnis. Basler, Prof. Dr. Adolf, Unter- suchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der mensch- lichen Haut. III. Mitteilung. Ein Apparat zur Messung des Blutdruckes in den Kapillarschlingen der Cutis- papillen. S. 389. de Boer, Dr. S., Über den Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung auf die Form des Kammerelektrogramms. S. 78. Hess, W.R., Untersuchungen über den Antrieb des Blutstromes durch aktive Gefässpulsationen. S. 243. Herzfeld, E. und Klinger, R, Worauf beruht die scheinbare Un- durchlässigkeit der Lunge an Am- moniak? S..383. le Heux, J. W., Cholin als Hormon der Deranlbanteng 8. 8. Hürthle, Prof. Dr. K., Über die An- wendbarkeit des Poiseuille’schen Gesetzes auf den Blutstrom. S. 158. Kisch, Dr. Bruno, Ein unbekannter Lidschlag- und Tränenreflex. S. 224. Lieb, H. und Loewi, O. Über Spon- tanerholung des Froschherzens bei unzu- reichender Kationenspeisung. III. Mit- teilung. Quantitative mikroanalytische Untersuchungen über die Ursache der Calciumabgabe von seiten des Herzens. Ss. 152. Maschke, Konrad, Sind an den Atemschwankungen des arteriellen Blutdruckes Tonusschwankungen der Gefässe beteiligt? S. 205. Romeis, Dr. Benno, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung innersekretorischer Organe. VI. Mit- teilung. Weitere Versuche über den Einfluss von Fett- und Lipoidsub- stanzen sowie von enteiweissten Ex- trakten der Schilddrüse auf Entwick- lung und Wachstum. S. 422. Sand, Knud, Experimenteller Here ran. Sl, Schiefferdecker, Prof. Dr. P., Unter- suchung einer Anzahl von Kaumakein des Menschen und einiger Säugetiere in bezug auf ihren Bau und ihre Kern- verhältnisse nebst einer Korrektur meiner Herzarbeit (1916). S. 265. Schleier, cand. med. Josef, Der Energieverbrauch in der Blutbahn. 8. 2. Szymanski, Dr. J. S., Beiträge zur Lehre von der Entstehung neuer Ge- wohnheiten bei den Tieren. S. 125. Willer, Dr. phil. et med. A., Versuche über die Dauer der postmortalen Er- regbarkeit der Muskulatur verschie- dener Fischarten bei Sauerstoffmangel. S. 400. Zwaardemaker, Prof. Dr. H., Die Be- deutung des Kaliums im Omamnsuine. sh Zeh Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg, Tafel II | Pflügers Ardiv f. d. ges. Physiologie Bd. 173. m a my ul ld "2 . ul 1z 02 el Hl I aan Mr ii Ir m iu m " Mm Wu „ Verlag von Julius Springer in Berlin. Romeis, Wirkung innersekretorischer Organe VI. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 173. Tafel III Ne] oO 2 = [oN} a nl } 3 - FB a > Be — ° [e>} N 35 a. 28 MEZ EN 34 23 ee EEE. En... E.V all 27 33 "' BL 32 1 E Wirkung innersekretorisher Organe VI. Verlag von Julius Springer in Berlin. Re Se { Ei Y i® 4% . ur Timia! ah Ey , Lay" “+ 2 ICH ar Hr, a #6 #8 LU) ini 4