rin “a7 Er IE Kurt, ® es LA AL Fr 6er * Si .n n ‘* RE er o- Eraracne) “ ‘ ee .- « el u uw T, nt ge * “5 ER} 28 5 te #3 % PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A.S. FRANKFURT A. M. KIEL 180. BAND. MIT 59 TEXTABBILDUNGEN UND 3 TAFELN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1920 Inhaltsverzeichnis. . v, Skramlik, Emil. Ein N zur Durchströmung der Leber. (Mit 6 Text- abbildungen) ehr: RE ERTL: — — Über eine N Methode zur Denansimason der Elenzirkelentt (Mit 1 Text- abbildung) P : — — Die Bahnung der Erregung: Mit 3 Textabbildungen) ! Hess, W. R. Die graphische Aufzeichnme der Herztöne nach neuer Methode. (Mit 8 Textabbildungen) — — Viscosimeter mit Memperaturregulierung. it 1 Mer abbildune) Zondek, Bernhard. Der Einfluß des nn] auf die Peri- staltik. (Mit 4 Kurven im Text) I Dusser de Barenne, J. 6., und R. Maenus. Beim) zum en der Körperstellung. III. Mitteilung. Die Stellreflexe bei der großhirnlosen Katze und dem großhirnlosen Hunde. (Mit 2 Textabbildungen) Gaertner, Gustav. Atmungsversuche bei sehr hohem Druck 8 Weiss, O., und R. Sokolowsky. Die physikalischen Grundlagen Kr (de: räuschwahrnehmung. (Mit 6 Textabbildungen) Gutzmann, H., und A. Loewy. Über den intrapulmonalen Dinmalk und len Luftverbrauch bei der normalen Atmung, bei phonetischen Vorgängen und bei der exspiratorischen Dyspnöe . Fleisch, Alfred. Enthält der Arterienpuls eine ala Kon (Mit 4 Textabbildungen) van Egmond, A. A.J. Über die Wirkung einiger Arzneimittel ya Harttallem Herzblock nebst Versuchen über Entstehen von Herzblock durch oligo- dyname Metallwirkung. (Mit 16 Textabbildungen) n Stübel, Hans. Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Auer streifung des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. (Mit 4 Textabbildungen) . Löhner, L. Untersuchungen über den. so@. " Totstellreflex der een I. Mitteilung. III. Über Tenthrediniden-Reflexe. (Mit Tafel I) Pütter, August. Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. Mitteilung. Das Abklingen der Erregung. (Mit 3 Textabbildungen) . de Kleijn, A., und R. Magnus. Beiträge zum Problem der Körperstellung. IV. Mitteilung. Optische Stellreflexe bei Hund und Katze. (Mit Tafel ITu. II) . Pütter, August. Studien über a, säolls Selbe Annkenkei, M. eyes ähnlichkeiten. (Mit 2 Textabbildungen) . : Schwan, Albrecht. Vogelgesang und Wetter, Dhysikalisch Diolosisch untersucht. Vorläufige Mitteilung i Autorenverzeichnis Ie3s% (Aus dem Hygienischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. Von Emil v. Skramlik, Freiburg i. B. Assistent am physiologischen Institut. Mit6 Textabbildungen. (Eingegangen am 30. Oktober 1919.) Für die Kenntnis der Vorgänge, die sich im Blute als dem ver- mittelnden Gewebe zwischen den einzelnen Teilen des Körpers ab- spielen und als eine Summe der in ihm selbständig vor sich gehenden Veränderungen sowie der Einwirkungen sämtlicher Organe zu betrachten sind, ist ihre Auflösung in die einzelnen Komponenten ganz unerläßlich. Die Analyse des Ergebnisses dieser Vorgänge wird sich auch auf die Erkenntnis des Verhaltens eines isolierten Organs zu einem bestimmten Prozeß zu erstrecken. haben. Unterliegt es doch keinem Zweifel, daß ein jedes Organ die Zusammensetzung des Blutes hauptsächlich in dreierlei Weise zu beeinflussen vermag. Einmal durch Entnahme von Blutbestandteilen, die zur Ernährung wichtig sind oder aufge- speichert werden sollen, zweitens durch Abgabe von Produkten seines Stoffwechsels, drittens durch Einbringen von Körpern in den Kreis- lauf, die jeweils für die Tätigkeit seiner Zellen spezifisch sind. Die Forschung wird aber auf dieser Stufe der Erkenntnis, also der Er- mittlung des Wirkungsgrades eines Organs nicht stehenbleiben dürfen; es wird erforderlich sein, nach und nach alle diejenigen Modifikationen herauszubekommen, die ein Vorgang erfährt, wenn an seinem Zustande- kommen nacheinander zwei und mehrere Organe tätigen Anteil nehmen. Wenn wir bedenken, daß wir im Körper eine Anzahl von drüsigen Organen haben (diese kommen hier vor allem in Betracht), deren Tätigkeit erst einzeln und dann in den verschiedensten Kombinationen mit den andern festgestellt werden muß, dann erscheint dieses Arbeits- feld nahezu unerschöpflich. Daß eine Analyse der Lebensvorgänge in der hier angeführten Art als notwendig erkannt ist, dafür liefert den besten Beweis, daß sich die Naturforschung in der letzten Zeit mehr und mehr auch der Er- sründung der Wirkungsweise der einzelnen parenchymatösen Organe zugewandt hat. Das war aber erst dann möglich, als wir uns im Be- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 1 2 E. v. Skramlik: sitze einer gesicherteren Methodik zur Behandlung überlebender Organe befanden. Es ist von Interesse zu bemerken, daß die ersten umfassen- den Arbeiten dieser Art vor nunmehr 50 Jahren in Ludwigs Labora- torium gemacht wurden. Daß die Methode, der eine Reihe wichtigster Tatsachen zu verdanken ist, in der genannten langen Zeit keine all- gsemeinere Verbreitung gefunden hat, ist zum großen Teil auf die Ver- suchsschwierigkeiten zurückzuführen, die schon mit der Konstruktion eines geeigneten Durchströmungsapparates beginnen. Ist derselbe aber hergestellt, dann hat man bloß die erste Etappe zurückgelegt; denn alle Versuche, die mit Hilfe einer ausgebauten Methodik zur Überlebend- erhaltung eines Organs angestellt werden, erfordern die Heranziehung einer weiteren Apparatur. Experimente im großen anzustellen, bei denen eine Reihe von Messungen gleichzeitig vorgenommen werden kann, wird aber erst dann möglich sein, wenn die Durchströmungs- vorrichtung wie ein Automat arbeitet, so daß man sich gewissermaßen nicht mehr um ihren Betrieb zu kümmern braucht. Uns in den Besitz einer solchen zu setzen, ist nicht ganz einfach; hat es doch den An- schein, als ob man für die einzelnen Organe verschiedener Tiergattungen, ja sogar je nach der Tiergröße verschiedene Anordnungen brauchte, die überdies noch mit der gestellten Aufgabe einer Modifikation bedürfen. Während es bei der Feststellung der Einwirkung eines Organs auf einen bestimmten chemischen Prozeß hauptsächlich darauf an- kommen wird, dieselbe Flüssigkeit lange Zeit durch das Organ kreisen’ zu lassen, um meßbare Unterschiede zu erhalten, werden pharmako- logische Untersuchungen vornehmlich darauf hinauslaufen, das Ver- halten eines Organs gegenüber einer mit Gift versetzten Flüssigkeit im Gegensatze zu einer der. gebräuchlichen Nährlösungen zu ermitteln. Es wäre denkbar, daß für die beiden erwähnten Fälle die Durchströ- mungsvorrichtung verschieden gestaltet sein muß. In der vorliegenden Mitteilung soll ein Apparat zur Durchströ- mung der überlebenden Leber beschrieben werden, dessen Kon- stanten ganz streng definiert sind und der sich sowohl zum Arbeiten mit verschiedenen Tiergattungen, wie auch für besondere Forschungs- zwecke eignet. Er hat sich bei zahlreichen, über viele Stunden fort- gesetzten serologischen Versüchen!), bei denen sowohl ein langes Kıeisen derselben Nährlösung, wie ihr rascher Wechsel erforderlich war, stets sehr brauchbar erwiesen?), besonders dadurch, daß er einmal im Gange 1) M.Hahnu. Emilv. Skramlik, Serologische Versuche mit Antigenen und Antikörpern an der überlebenden künstlich durchströmten Leber. Zeitschr. f. Biochem. 98, 120. 1919. ?) Der Apparat ist bereits Mitte 1913 verfertigt und Ende des genannten Jahres in einer Sitzung der Freiburger Med. Gesellschaft gezeigt worden. Vgl. Deutsche med. Wochenschr. 1914, Nr. 2. Seine Konstruktion ist auf eine Anregung durch Herrn Prof. Hahn zurückzuführen. Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 3 nahezu keine Wartung erfordert. Bevor ich indes auf seine nähere Darstellung eingehe, sei es mir gestattet, einige Worte über die bisher vorliegenden Konstruktionen zu sagen. Wir besitzen heute eine Menge von Apparaten zur Durchst- "ömung der Leber, die vornehmlich dem Studium chemischer Vorgänge ge- dient haben. Ihre große Anzahl ist aber nicht allein auf den oben an- gegebenen Bedarf zurückzuführen. Schon die Tatsache, daß eine Reihe von Vorrichtungen für dasselbe Organ aufgekommen ist, beweist, daß keine ausnahmslos befriedigt. Man kann keinen Überblick über die zur Durchströmung der Leber hergestellten Apparate werfen, ohne hierbei auch auf die für andere Organe gebauten die Sprache zu bringen. Die Vorrichtungen zur Über- lebenderhaltung des Herzens sollen hier nur soweit Berücksichtigung _ finden, als es unbedingt notwendig ist. Die Durchströmungsapparate haben natürlich im Laufe der Zeit durchgreifende Veränderungen und Erweiterungen erfahren, die mit der Entdeckung neuer physiologischer Tatsachen, mit der Zunahme unserer Erkenntnis von der Tätigkeit der Organe durchaus im Zu- sammenhang stehen. Ihre historische Entwicklung äußeıt sich am besten in der Verwendung der verschiedensten Vorrichtungen zur Erzeugung des Druckes, der zur Durchleitung der Nährlösung durch das Organ erforderlich ist. Diese haben mit dem Aufkommen neuer, der Allgemeinheit dienender Einrichtungen eine wesentliche Verände- rung erfahren. Die ersten Experimentatoren!) ?), auf diesem Gebiete, die genauere Daten über die von ihnen verwendete Apparatur nieder- selest haben, benutzten dazu den Druck von Quecksilber, das mit der Durchströmungsflüssigkeit in Berührung kam, eine Methode, die für die Erhaltung des Organs sicher von Nachteil war. Bernstein?) be- diente sich zu diesem Zwecke noch 1877. einfach einer Flüssigkeits- säule von Blut, obzwar Mosso®) bereits 1874 als erster durch Benutzung einer großen Mariotteschen Flasche auf die Wichtigkeit eines konstanten Druckes aufmerksam gemacht hatte. Schmiedeberg und Bunge?°) arbeiteten mit der Wasserleitung als Druckerzeuger, die an ein Gasometer angeschlossen wurde, das durch ein Rohr mit dem Blut- reservoir in Verbindung stand. Mit einer ähnlichen Vorrichtung ex- 1) Bidder, Beiträge zur Lehre von der Funktion der Niere. Dissert., Dorpat 1862. 2) Schmidt, Alex., Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1869, S. 99. 3) Bernstein, J., Versuche zur Innervation der Blutgefäße. Archiv f. d. ges. Physiol. 15, 575. 1877. *) Mosso, A., Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig 1874, S. 56. 5) Bunge und Schmiedeberg, Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 6, 233. 1877. 1* 4 x E. v. Skramlik: perimentierte später noch eine ganze Reihe von Forschern [Kochs!), Langendorff?2) u.a.]. v.Frey und Gruber?) bedienten sich als erste des periodisch schwankenden Drucks einer durch einen Motor betriebenen Spritze; Jacobj*),’) eines auf gleiche Weise zusammen- gepreßten Gummiballons. Alexander Schmidt achtete zuerst auf die Innehaltung der Körpertemperatur; die von ihm zu Versuchszwecken benutzte Niere war in einem Wärmekasten untergebracht, der eine Temperatur von 36—40° C aufwies. Die Arterialisierung des venösenBlutes unter- nahm als erster v.Schroeder®). Diese wurde zum Teil durch Verwendung eines doppelten Kreislaufes [Jacobj*),’),, Embley und Martin?)], bei dem auch eine Lunge eingeschaltet war, bewerkstellist; später, wie ursprünglich zumeist einfach durch Einleiten von Sauerstoff aus einem Behälter (Gasometer oder Bombe) in die Durchströmungsflüssigkeit. Alle folgenden Konstruktionen lehnen sich im Prinzip an eine der nach 1880 angewendeten Methoden zur Druckerzeugung an; nur wurde später mit Sorgfalt auf Aufrechterhaltung der Körpertemperatur sowie gute Sauerstoffversorgung der Organe geachtet. Die Durch- strömungsflüssigkeit war ursprünglich stets Blut, erst mit dem Aufkommen von genauen Bestimmungen des qualitativen und quanti- tativen Gehaltes des Blutserums an Salzen durch Ringer®) und seine Nachfolger entsprechend zusammengesetzte Nährlösungen, die auf Ver- änderungen einfacher zu untersuchen sind. Eine weitere Verbesserung war auch die Schließung des früher stets offen gelassenen Kreislaufes durch v. Frey und Gruber. Dadurch wurde es möglich, im Versuche mit sehr viel geringeren Blutmengen auszukommen als früher. Die neuesten Konstruktionen können, wie schon vorhin angedeutet wurde, nach dem Forschungszweck klassifiziert werden. Die Chemiker arbeiteten vorwiegend mit dem geschlossenen, die Phar- makologen hauptsächlich mit dem offenen System. 1) Kochs, W., Über eine Methode zur Bestimmung der Topographie des Chemismus im tierischen Körper. Archiv f. d. ges. Physiol. 20, 64. 1879. ®2) Langendorff, O., Untersuchungen am überlebenden Säugetierherzen. Archiv f, d. ges. Physiol. 61, 291. 1895. ®) v. Frey u. Gruber, Ein Respirationsapparat für isolierte Organe. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1885, S. 519. *) Jacobj, C., Apparat zur Durchblutung isolierter überlebender Organe. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. %6, 388. 1890. >) Jacobj, C., Ein Beitrag zur Technik der künstlichen Durchströmung über- lebender Organe. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 36, 330.. 1895. 6)v.Schroeder, W., Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 15, 364. 1882. ”)Embley u. Martin, The action of anaesthetic quantities of Chloroform upon the blood vessels of the bowel and kidney. Journ. of Physiol. 32, 147. 1905. 8) Ringer, S., Regarding the influence of the organie constituents of the blood on the contractility of the ventricle. Journ. of Physiol. 6, 361. 1886. \ Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 5 Neuere Apparate der ersteren Art sind die von Brodie!) für innere Organe, Salaskin?), Embden und Glaeßner°), Kraus-Freund!), Neubauer und Groß?) für die Leber konstruierten. Für pharmako- logische Zwecke wurden vorwiegend Vorrichtungen verwendet, durch die ein rascher Wechsel der durchströmenden Flüssigkeit erzielt werden konnte. Das geschah durch Benutzung mehrerer Behälter für die ver- schiedenen Nährlösungen. Zu diesen gehören die von Siewert®) für das Herz und Skutul’) für die Niere gebauten. Die chemischen Untersuchungen dienenden Apparate sind so eingerichtet, daß das Blut unter einem annähernd konstanten Druck dem Organ aus einem Re- servoir zugeführt wird, in das die durchgeströmte Flüssigkeit mit Hilfe eines Pumpwerkes zurückgelangt. Je nach der Größe dieses Behälters und der Menge der in der Zeiteinheit durchgeleiteten Flüssigkeit machen sich in dem Reservoir mehr oder minder kleine Druckschwankungen geltend. Es bestehen wohl Angaben über die Höhe des verwendeten Druckes, auffallend wenige aber über das dabei durchgetriebene Volumen. Dieses ist allerdings zum Teil registriert worden durch Salviolis) mit Hilfe eines Tropfenzählers, durch Brodie!) mit Hilfe eines Volumschreibers. Der Druck schwankte im allgemeinen für die verschiedenen Organe zwischen 25 und 150 mm Hg (letzterer für die hintere Extremität). Für die Leber wurde im Durchschnitt ein Druck von 20-35 mm Hg als ausreichend befunden [Grube®)]. Das Präparat war in der Regel so gelagert, daß es in einem Thermostaten, entweder umgeben von Öl (Mosso), oder einfach Luft untergebracht war. Wirft man nun einen Überblick über die zur Durchströmung der Leber konstruierten Apparate, dann ist zu erkennen, daß sich alle auf zwei Modifikationen zurückführen lassen, die sich prinzipiell 1) Brodie, T. G., The perfusion of surviving organs. Journ. of Physiol 29, 266. 1903. ?) Salaskin, Zeitschr. f. physiol. Chemie 25, 1898. 32) Embden, G. u. Glaessner, K., Über den Ort der Ätherschwefelsäure- bildung im Tierkörper. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1,,313. 1902. *) Kraus, F. jun., Uber Zuckerbildung in der Leber bei Durchblutungs- versuchen. Archiv f. d. ges. Physiol. 90, 630. 1902. 5) Neubauer, O. u. Gross, W., Zur Kenntnis der Tyrosinabbaues in der künstlich durchbluteten Leber. Zeitschr. f. physiol. Chemie 6%, 219. 1910. 6) Siewert, A., Uber ein Verfahren der manometrischen Registrierung der Zusammenziehungen des isolierten Säugetierherzens. Archiv f. d. ges. Physiol. 102, 362. 1904. N ?) Skutul, K., Über Durchströmungsapparate. Arch. f. d. ges. Physiol. 123, 249. 1908. 8) Salvioli, G., Eine neue Methode für die Untersuchung der Funktionen des Dünndarms. Du Bois’ Archiv 1880. Suppl.-Bd. S. 95. °) Grube, K., Weitere Untersuchungen über Glykosebildung in der über- lebenden künstlich durchströmten Leber. Archiv f. d. ges. Physiol. 10%, 440. 1905. 6 E. v. Skramlik: dadurch voneinander unterscheiden, daß der Kreislauf in dem einen Fall geschlossen, in dem andern offen ist. In beiden Konstruktions- arten wird das Organ unter einem konstanten Druck durchströmt; während aber beim offenen System die einmal durchgegangene Flüssig- keit einfach abgeleitet wird, gelangt sie bei dem geschlossenen vermittels eines Pumpwerkes in den Behälter mit der Nährlösung zurück. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß beim offenen System größere Mengen Nährflüssigkeit gebraucht werden, auch wenn die durch das Organ hindurchgegangene Lösung in den Hauptbehälter zurückgegossen. wird. Die gemeinsamen Nachteile beider Konstruktionen liegen erstens darin, daß das.durch das Organ hindurchgeströmte Volumen ganz unbekannt bleibt, wenn nicht eigene Vorrichtungen zur Registrie- rung aufgestellt werden, wodurch aber die Apparatur erheblich vermehrt wird, zweitens, daß mehrere Thermostaten (im Mindestfalle zwei, einer für das Organ, der andere für die Blutlösung) betätigt werden müssen. Das stellt an die Beaufsichtigung große Ansprüche und erfordert die Heranziehung eines zweiten geschulten Experimentators. Man braucht nur die Aufrisse der z.B. von Jacobj oder Skutul ange- fertigten Apparate zu betrachten, um zu wissen, daß diese Bemerkung durchaus zutreffend ist. | Hier ist der Ort, anzuführen, daß nach den Angaben zahlreicher Forscher die Durchströmung eines Organs unter einem konstanten Druck mit der Zeit zu Änderungen im Gefäßlumen führt. Dies gibt sich in einer sinkenden Durchlässigkeit für die Nährlösung kund, so daß im Verlaufe eines Versuches das durchgeströmte Volumen bei gleichgebliebenem Druck nachläßt. Die Streitfrage, ob man die Flüssig- keit durch ein Organ unter einem rhythmisch wechselnden oder kon- stanten Druck leiten soll, kann heute noch nicht als entschieden be- trachtet werden!). Tatsächlich habe ich bei einigen Vorversuchen bei Durchströmung mit konstantem Druck (Benutzung einer Mariotte- schen Flasche) beobachtet, daß die Menge der durch das Organ in der Zeiteinheit durchgegangenen Flüssigkeit allmählich abnimmt. Dar- in hat man also bei länger gehenden Versuchen eine nicht zu unter- schätzende Fehlerquelle vor sich, die zu Kreislaufstörung führen muß. Bei dem im nachstehenden ausführlich beschriebenen Apparat?) ist das Organ direkt an die Pumpvorrichtungen angeschlossen. Nur muß 1) Vgl. darüber insbesondere Gerlach, F., Vergleichende Versuche über die Wirkung rhythmischer und kontinuierlicher Durchströmung. Archiv f. d. ges. Physiol. 14%, 71. 1912, sowie Schäfer, F., Vergleichung der bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeits- mengen. Archiv f. d. ges. Physiol. 151, 37. 1913. 2) Der Apparat wird von der Firma Wilhelm Pfeiffer in Freiburg i. B. ver- fertigt und kostet mit allem Zubehör bei den heutigen Preisverhältnissen etwa 7200.Me a Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. =] Abb. 1. Übersichtsbild. Legende: A Elektromotor, B Lampenwiderstand (im Magneten), C ver- änderlicher Widerstand (im Anker), D Reduziervorgelege, E Exzenterscheibe, F Halter für die Spritze, G Thermostat, H Relais, 7 Schaltvorrichtung für die Heizlampen, K Akkulumator zum Betriebe des Relais, der stoßartig intermittierende Druck, der von einer mit Hilfe eines Elektromotors betriebenen Rekordspritze geliefert wird und zur so- fortigen Zerreißung des Organs Anlaß geben würde, erst noch verändert werden. Das geschieht durch Einschaltung eines Windkessels, der den steil an- und absteigenden Druck in einen um eine bestimmte Gleich- gewichtslage oszillierenden verwandelt. Auf diese Weise fließt durch die Leber pro Puls stets die gleiche Flüssigkeitsmenge, die nach dem 8 E. v. Skramlik: Passieren des Organs durch ihre eigene Schwere in den Hauptbehälter zurückgelangt. Die ganze Durchströmungsvorrichtung besteht danach (siehe Über- sichtsbild 1) aus der Betriebsvorrichtung für den Kreislauf, die sich aus einem Elektromotor und der Spritze zusammensetzt, und dem in einem Thermostaten untergebrachten, herausnehmbaren Glas- apparat. Die Rotationen des Elektromotors, der durch einen Lampenwider- stand im Magneten und einen verschieblichen im Anker au: eine geringe, beliebig veränderliche Umdrehungszahl eingestellt ist, werden auf ein ° Reduziervorgelege übertragen. Auf dessen Hauptachse sitzt die Ex- zenterscheibe, welche durch eine Kolbenstange mit dem Stempel einer Rekordspritze von etwa 15 cem Inhalt verbunden ist. Die Kolbenstange kann zur Erzielung eines wechselnden Hubes der Spritze zwischen 2 und 8 ccm auf verschiedenen Stellen des Radius der Exzenterscheibe befestigt werden. Die Fassung der Spritze ist eine sehr sichere, was für ihre Erhaltung sowie den ruhigen Gang eines Versuches von größter Wichtigkeit ist. Sie ruht in einem aus Eisen gefertigten Lager, das aus zwei gehöhlten, innen ausgepolsterten Anteilen von Halbzylinder- form besteht. Der untere ist mit dem Metallfuß fest verbunden, der obere abnehmbar. Beide werden mittels Schrauben fest aneinander gepreßt. Dieses Futter kann man mit einer Holzeinlage zur Aufnahme kleinerer Lierscher Spritzen versehen. Diese sind ganz aus Metall gefertigt und haben einen Inhalt von I cem. Die Spritze arbeitet zur Verminderung der Reibung zwischen Metall- stempel und Glas- oder Metallwand ständig unter Paraffinöl. Ihre Wirkung auf die Flüssigkeit im Apparate wird durch Luftüber- tragung vermittelt. Es gelangt also niemals Nährlösung in die Spritze. Bei dieser Anordnung ist ihre Lebensdauer nahezu eine ganz unbe- grenzte, und man braucht sich, was besonders angenehm ist, auch nicht mehr viel um ihre Instandhaltung zu kümmern. Bei mehr als 20 Ver- suchen wurde immer dieselbe Spritze benutzt und niemals nachge- sehen. Das bedeutet eine Inanspruchnahme durch mehr als 200 000 Stöße und doch war bei ihrem Auseinandernehmen das Paraffinöl vom ab- geriebenen Metall des Stempels nur wenig geschwärzt. Die Spritze selbst war natürlich absolut dicht, wovon man sich durch Eindrücken des Kolbens bei zugehaltener Öffnung überzeugen kann, der nach aufgehobenem Druck wieder in seine Ausgangsstellung zurückkehrt. Der Thermostat selbst (s. Abb. 2) ist ein Holzschrank, der innen mit Asbestpapier ausgeschlagen ist und zwischen diesem und der Brett- wand eine weitere Isolierschicht aus Kork besitzt. Er ist durch zwei Türen verschließbar; die innere ist ein Doppelfenster im Holzrahmen, die äußere ist massiv aus Holz gefertigt. Man kann also ständig Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. y _ die Vorgänge im Kasten kontrollieren, ohne daß er dabei geöffnet zu werden braucht. Die Heizung erfolgt durch drei elektrische Lampen, von denen zwei durch Hintereinander- oder Parallelschaltung auf schwach oder stark gestellt werden können. Die dritte dient zur Auf- rechterhaltung der Temperatur und wird zu diesem Zwecke mit Hilfe eines Quecksilberregulators und eines Relais, die mit Akkumulatoren- v 7 2 R ER ET | 1 1 ' Abb. 2. Durchströmungsapparat im Thermostaten. Legende: /, 2, 3 Heizlampen, 3 kann mit Hilfe des Relais H bei Änderungen in der Temperatur von 42° C, die durch den Thermo- regulator 5 innegehalten wird, ein- und ausgeschaltet werden, £ Lichtlampe. strom betrieben werden, automatisch ein- und ausgeschaltet. Die Regulierung der Temperatur geht auf diese Weise mit großer Präzision vor sich. Solange der Kasten geschlossen gehalten wird, pendelt seine Innentemperätur, gemessen an einem eigenen Thermometer, bei der hier vorgenommenen Regulatoreinstellung zwischen 40!/, und 42°C, während die der Durchströmungsflüssigkeit sich auf 39° C hält und nur um + 0,2° schwankt. Wird der Kasten, etwa zur Herausnahme von Proben oder zum Wechsel der Nährlösung geöffnet, dann sind 10 E. v. Skramlik: die Temperaturschwankungen natürlich beträchtlichere. Sie können aber bei raschem Arbeiten sehr geringfügig gemacht werden. Die An- bringung des Regulators in unmittelbarer Nähe der Tür gewährleistet bei deren Öffnen überdies ein sofortiges Anbrennen der Heizlampe. Immerhin sind dabei Senkungen der Temperatur der kreisenden Flüssig- keit um 1° nicht oder nur schwer zu vermeiden. Beim Wechsel der Abb. 3. Durchströmungsapparat aus dem Thermostaten herausgenommen. Legende: ZI Brett mit Asbestunterlage und Blechtasse, II Stativ, 7/7 Manometer, « Hauptgefäß, b Thermometer, € T-stück mit Ventilen 1 und 2, .d Vorschaltgefäß, e Windkessel, f Capillare, g Korkplatte, h oberes Gefäß mit Glasventil 3, © Rückflußrohr mit T-Stück % zur Entnahme von Proben, gegebenenfalls zum Einleiten von Sauerstoff, 2 Gefäß zum Einlassen von Flüssigkeiten. Nährlösung empfiehlt es sich, darauf Bedacht zu nehmen, indem man die einzubringende Flüssigkeit vorher auf 40° C erwärmt. & Eine eigene Lampe sorgt für Beleuchtung des Apparates im Innern. Diese kann gegebenenfalls auch für Heizzwecke herangezogen werden. Auf dem Boden des Kastens steht ein mit Wasser gefülltes Gefäß zur Aufrechterhaltung eines entsprechenden Feuchtigkeitsgehaltes der Luft. Der eigentliche Apparat (s. Abb. 3) besteht nur aus einigen Glas- gegenständen, die durch Gummischläuche miteinander verbunden sind. Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 11 Er wird mit Hilfe von einigen Klammern auf einem Stativ gehalten, das auf einem Eichenbrett festgemacht ist. Dieses trägt an seiner unteren Fläche zum Schutz vor Verbrennungen durch die Heizlampen einen Belag von Asbestpapier, an seiner oberen eine Blechtasse zum Auffangen überlaufender Flüssigkeit. Wie aus der beigefügten Ab- bildung ersichtlich ist, kann er aus dem Thermostaten herausgenommen werden, so daß das Befestigen und Ausbreiten des Präparates in aller Bequemlichkeit vor sich gehen kann. Die wesentlichen Bestandteile des Apparates sind in Abb. 4 wieder- gegeben. Es sind dies: 1. Das zur Herabsetzung des Schäumens bei Einbringen von eiweiß- haltigen Flüssigkeiten oder Durchleiten von Sauerstoffblasen in der Art eines Rotations- paraboloids geformte Hauptgefäß von etwa 90 cem Fassungsraum. Bekanntlich zergehen Blasen um so eher, je größer die freie Ober- fläche ist; nun ist von den Hohlkörpern, bei deren Füllung ein klei- ner Volumzuwachs be- reits auch einen merk- lichen Oberflächenzu- wachs mit sich bringt, das Rotationsparaboloid eins, das ein beträcht- liches Volumen aufzu- nehmen vermag. Sein Fassungsraum ist eben größer als der eines z. B. nach Trichterart geformten Gefäßes. Es wird mit einem dreifach’ durchbohrten Gummi- pfropfen verschlossen; in der einen Öffnung steckt ein kurzes Ther- mometer mit Skaleneinteilung von 30-—42°C zur Ermittlung der Flüssigkeitstemperatur, in der zweiten ein bis auf den Boden reichen- des und in der dritten ein mit dem unteren Stöpselrand abschneiden- des Glasrohr. Das lange vermittelt die Verbindung mit dem im fol- ' genden beschriebenen T-Stück und reicht zum Schutze vor Ansaugen von Gasblasen in ein kleines Gefäßchen hinab. Dieser Schutz ist besonders dann notwendig, wenn zur Arterialisierung des Blutes aus einer Bombe Sauerstoff eingeleitet wird. Das kurze Rohr dient zur Verbindung mit dem kleinen zum Einlassen von Flüssigkeit bestimm- ten Behälter I. Abb. 4. Die einzelnen Glasbestandteile des Apparates in !/, Originalgröße. 12 E. v. Skramlik: 2. Das mit zwei in der gleichen Richtung (nach oben) spielenden Glasventilen ausgerüstete T-Stück. 3. Das Vorschaltgefäß, das mit Skaleneinteilung zum Ablesen der geförderten Volumina und zwei entgegengesetzt angeordneten einge- bauten Glasröhren versehen ist und durch eine in seinem oberen Teile befindliche Öffnung gefüllt werden kann. Das oben abgehende Rohr wird an den übrigen Glasapparat angeschlossen, das untere vermittelt die Verbindung zur Spritze. 4. Der aus einer Glaskugel bestehende Windkessel, der durch das bei der ganzen Apparatur verwendete Rohr von 0,3 cm innerem Durchmesser mit der Capillare von 0,05 cm Radius und 1,5 cm Länge verbunden ist, die in ein gegabeltes Rohr übergeht. Der eine Schenkel dient zum Anschluß an die in der Vena portae ein- sebundene Kanüle, der zweite zur Verbindung mit dem Quecksilber- manometer. j 5. Das obere Gefäß, das an seinem unteren Ende ein Glasstück mit Ventil trägt und seitlich in ganz geringer Höhe über dem Boden einen Rohransatz trägt. Von hier aus fließt die durch die Leber gegangene Flüssigkeit durch das Rohr i in das Hauptgefäß zurück. Ein in das Rückflußrohr © in der Höhe der Blechtasse eingeschaltetes T-Stück dient zur Entnahme von Proben (mit Hilfe einer Pipette), aber auch zum Einleiten von Sauerstoff, der aus einer Bombe zugeführt wurde und vor seinem Eintritt in die kreisende Flüssigkeit zwei Wasch- flaschen — eine mit Kaliumhydroxydlösung und eine mit destilliertem Wasser — durchstreichen mußte. Form und Dimensionen der einzelnen Bestandteile sind aus Abb. 4 in !/, Originalgröße zu entnehmen. Sie werden mittels Kautschukschläuchen miteinander verbunden, und zwar streng Glas an Glas. Der aus einer Korkplatte bestehende, in einem Blechrahmen sitzende Tisch g, auf dem das Organ ausgebreitet wird, ist in Abb. 3 zu sehen. Er ist in der Mitte mit einem kreisförmigen Ausschnitt von 4 cm Durchmesser als Durchlaß für die in der Vena portae eingebundene Kanüle versehen. Im nachfolgenden ist kurz beschrieben, wie der Apparat arbeitet, wenn der Motor im Gange ist. Saugt die Spritze an, dann gelangt die Nährlösung aus dem Hauptgefäß durch das Glasventil in das Vor- schaltgefäß. Beim Stoß schließt sich das Glasventil 1, die Flüssigkeit dringt nun durch das geöffnete Ventil 2 in den Windkessel und durch die Capilla.e, sowie die Vena-portae-Kanüle in das Organ. Aus diesem tritt sie durch die Vena-cava-inferior-Kanüle in das obere Gefäß über und fließt von dort in das Hauptgefäß zurück. Damit bei Unterbrechung des Kreislaufes keine Flüssigkeit in die Leber zurückgelangen und zu ihrer prallen Füllung Anlaß geben kann, ist das obere Gefäß an seinem dem Organ zugekehrten Ende mit einem Glasventil versehen. Die Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 13 Leber ist bei dieser Anordnung so auf der Korkplatte gelagert, wie sie im Körper des Tieres ist, wenn es aufrecht steht. ' Entnahme und Einbringen von Proben kann jederzeit, auch während der Kreislauf im Gange ist, durch das oben erwähnte T-Stück an dem Rückflußrohr stattfinden. Die Entleerung des Apparates zur Vor- nahme eines Wechsels der Nährlösung erfordert eine Abstellung der Triebkraft. Darauf wird das obere Gefäß eröffnet, sämtliche im Hauptbehälter befindliche Flüssigkeit durch eine an das T-Stück angesetzte Pipette abgesaugt, die im Vorschaltgefäß befindliche abgegossen, sodann die neue Nährlösung in das obere Gefäß ein- gefüllt. Sie fließt in das Hauptgefäß und gelangt von da auch in das Vorschaltgefäß. Im Glassystem verbleibt nur die auf etwa 2—3 ccm zu veranschlagende Flüssigkeitsmenge, die sich in dem Rohr zwischen Ventil2 und der Vena-portae-Kanüle befindet. Ent- leerung und Füllung des Apparates erfordern bei einiger Übung höch- stens 2 Minuten. Soll eine künstliche Organdurchströmung geregelt vor sich gehen, dann muß wohl darauf geachtet werden, daß Druck- und Volum- verhältnisse strenge Berücksichtigung finden. Die mechanischen Kon- stanten des Apparates sind darum so gewählt, daß die natürlichen Kreislaufverhältnisse qualitativ nachgeahmt werden. Diese sind be- kanntlich bei der Leber komplizierter als bei anderen Organen. Nicht allen darum, weil sie bereits ein Capillarsystem vorgeschaltet hat. Zu dem auf dieses zurückzuführenden konstanten Durchströmungs- druck des Blutes in der Vena portae kommt der pulsatorische in der Arteria hepatica propria hinzu. Wir haben also im Leberparenchym einen um eine bestimmte Höhenlage pendelnden Druck vor uns. Die Höhe dieses Druckes ist von den Kreislaufverhältnissen im Verteilungsgebiet der Vena portae, die Größe der Oszillationen von denen in der Arteria hepatica propria abhängig. Das Volumen, das in der Zeiteinheit durch die Leber unter natür- lichen Verhältnissen hindurchgeht, ist ohne eigens zu diesem Zweck angestellte Versuche nicht festzustellen. Eine experimentelle Ermitt- lung stößt bei kleineren Tieren, besonders Meerschweinchen auf große Schwierigkeiten. Wohl aber ist eine Schätzung möglich. Da muß vor allem bedacht werden, daß eine Vereinigung des gesamten, von der unteren Hälfte des Tierkörpers zum Herzen zurückfließenden Blutes, erst knapp vor dem rechten Vorhof stattfindet, so daß stets nur ein gewisser Teil die Leber durchströmt, der auf höchstens ein Drittel des Gesamtblutes zu bemessen ist. Meines Wissens sind in der Literatur über die genannten Kon- stanten bei kleinen Tieren, wie z. B. Meerschweinchen, keine Angaben niedergelegt. Wohl aber existieren Daten über die Größe der Blut- 14 E. v. Skramlik: strömung in der Lebervene bei Hunden!) und Katzen?), in der Leber- arterie®) bei Hunden. Für diese Tiere wurde auch der Druck in der Leberarterie und -vene bestimmt. Nach den Angaben von Burton- Opitz empfängt die Leber für 100 g Gewicht in einer Minute durch die Leberarterie 25, die Lebervene 59 ccm, insgesamt also 84 eem. Daraus würde die Blutzufuhr der Meerschweinchenleber mit einem Durchschnittsgewicht von 20 g 16,8 ccm betragen, was einem Sekunden- durchgang von 0,28 cem entspricht. Die für Hunde ermittelten Werte können nicht unmittelbar auf Meerschweinchen übertragen werden. Der Vorgang erscheint aber nicht unstatthaft, wenn man das prozentuale Verhältnis der Leber zum Gesamtgewicht der beiden Tiergattungen vergleicht. Dieses beträgt 2,9%, für Hunde, 3% für Meerschweinchen, ist also nahezu gleich. Zu Schätzungswerten könnte man unter Be- rücksichtigung der über das Sekundenvolumen verschiedener Tiere ermittelten Daten auf folgendem Wege gelangen. Nach Tigerstedt?#) beträgt dieses für Kaninchen 0,11%, nach Stewart?) für kleine Hunde 0,33% des Körpergewichts. Für ein großes Meerschweinchen von 900 g Gewicht würde es unter Zugrundelegung dieser Daten 1 bzw. 38 betragen. Im Durchschnitt werden danach also 2 g Blut pro Sekunde aus dem linken Herzen ausgeworfen und ungefähr ?/, davon, ca. 48, durch die untere Körperhälfte hindurchgehen. Dieses verteilt sich dann zwischen Vena portae und Vena cava inferior im Verhältnis der Quadrate ihrer Durchmesser, die 2 bzw. 5 mm betragen. Daraus würde sich für die Leber ein Zufluß von venösem Blut von 0,22 ccm pro Sekunde berechnen, der mit dem vorhin angegebenen von 0,28 gut übereinstimmt, wenn man den arteriellen Zufluß berücksichtigt, was hier noch nicht geschehen ist. Die Höhe des arteriellen Blutdruckes beträgt beim Kaninchen im Maximum 110 mm Quecksilber®). Annähernd gleich hoch, wahr- scheinlich aber etwas niedriger, dürfte er beim Meerschweinchen sein. Der Druck in der Vena portae beträgt dann noch sicher mehr als 10 mm Quecksilber, während der gesamte übrige bereits in dem vor- seschalteten Capillarsystem aufgegangen ist. Geringer als der vor- 1) Burton-Opitz, R., The vascularity of the liver IV.. The Magnitude of the portal inflow. Quarterly Journ. of exper. Physiol. 4, 113. 1911. 2) Schmidt, Julius, Die Größe des Blutstromes in der Pfortader. Archiv f. d. ges. Physiol. 125, 527. 1908. 3) Burton-Opitz, R., The vascularity of the liver I. The flow of the blood in the hepatic artery. Quarterly Journ. of exp. Physiol. 3, 297. 1910. 4) Tigerstedt, R., Studien über die Blutverteilung im Körper. Skand. Arch. f. Physiol. 3, 145. 1892. 5) Stewart, G.N., Researches on the circulation time and on the influences, which affect it. Journ. of Physiol. 22, 159. 1898. 6) Zit. nach G. F. Nicolai, Die Mechanik des Kreislaufs. Nagels Handbuch der Physiol. des Menschen I, S. 773. Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 15 erwähnte Wert ist er nicht zu veranschlagen; denn es darf nicht ver- gessen werden, daß das Blut in der Vena portae noch den Widerstand eines Capillarsystems zu passieren hat. Direkte Bestimmungen dieser Konstanten stoßen bei so kleinen Tieren wie Meerschweinchen auf große technische Hindernisse. Man kann diesen aber dadurch aus dem Wege gehen, daß man durch Versuche diejenigen Strömungsverhältnisse er- mittelt, unter denen das Organ die natürliche Form möglichst getreu bewahrt. Eröffnet man bei einem Meerschweinchen unter sorgfältiger Vermeidung aller Blutverluste das Abdomen, dann fühlt sich die Leber bei Betasten ganz weich an; die einzelnen Lappen liegen lose und können bequem umgeschlagen werden. Es ist an ihnen nicht die Spur irgendeiner Spannung wahrzunehmen. Verhält sich das Organ im _ künstlichen Kreislauf ähnlich, dann kann man mit gutem Grunde annehmen, daß es unter Zirkulationsbedingungen steht, die den nor- malen sehr nahekommen. Ein doppelter Kreislauf, etwa in dem Sinne, daß die Leber von der Arteria hepatica propria aus pulsatorisch und von der Vena portae aus konstant durchströmt wird, ist natürlich nur sehr schwierig einzurichten. Das würde eine doppelte Apparatur erfordern, ganz abgesehen davon, daß die Einbindung einer Kanüle in die Leberarterie sehr umständlich ist. Für die Höhe des Druckes, unter dem die Leber bei dieser Anord- nung durchströmt wird, sind drei Faktoren maßgebend. Das pro Puls durchgetriebene Flüssig- keitsvolumen, die Größe MommRg der Flüssigkeitssäule, die a2 bei der gewählten Lage- 80 rung auf dem Organ lastet 70 und durch die Distanz vom 60 Ablauf aus dem oberen Ge- 50 fäß bis zur Tischplatte (in 40 der Regel 8cm) bestimmt 30 ist, endlich der Widerstand 20 im Capillarsystem der Vena PN portae. Sicher aber muß 5 vor allem der von der Spritze beim Stoß erzeugte I — a N IT hohe Druck ı modifiziert Abb. 5. Druckregistrierung mit Hilfe eines elastischen werden. Dieser ist inter- Manometers. re ee Druck mittierend, steigt bei einer Tourenzahl von z. B. 60 pro Minute während einer halben Sekunde steil an und sinkt wieder auf Null herab (s. Abb. 5). Schaltet man das Organ direkt an die Spritze, dann macht es, wie schon er- wähnt, die Volumschwankungen mit und erfährt in kürzester Zeit 16 E. v. Skramlik: ausgedehnte Zerreißungen. Die Umwandlung des intermittierenden Druckes in einen solchen, der geringe Schwankungen um eine kon- stante Höhenlage vollführt, erfolgt durch die Elastizität der Luft im Windkessel und den Widerstand in der Capillare, von denen die erstere veränderlich, der letztere konstant ist. Im Prinzipe handelt es sich dabei um nichts anderes, als daß der Druck der Spritze in dem übrigen System schlecht registriert wird. Nach den von Frank!) entwickelten Prinzipien braucht dazu das Verhältnis der Eigenschwin- gungsdauer der im System befindlichen Flüssigkeit zu der erregenden (d.i. in diesem Falle der Periode der Spritzenstöße) einen Wert anzu- nehmen, der größer als 1, aber kleiner als 2 ist. Dann wird auch schon die Amplitude?) der resultierenden Schwingung auf etwa 1/, der er- regenden herabgesetzt und es tritt eine Phasenverschiebung ein, welche die Herbeiführung einer nahezu konstanten Strömung be- wirkt. Ist die Dauer der erregenden Schwingung gleich einer halben Sekunde, dann genügt eine Schwingungsdauer des Systems gleich etwa 3/, Sekunden, um die gewünschten Strömungsverhältnisse herbeizu- führen. Die Berechnung erfolgt nach der Gleichung 2 /M M A — >=] E’ worin M die wirksame Masse des Systems, #’ den Volumelastizitäts- koeffizienten bedeuten. Berechnet man nach diesen Angaben die Schwingungsdauer des Systems (ohne Organ), dann erhält man bei völliger Inanspruchnahme des Fassungsraumes des Windkessels eine solche von 1,04”, bei zu 1/, mit Flüssigkeit gefülltem Windkessel 0,74”. Wie-sehr Elastizität und Capillarwiderstand die Druckverhältnisse im Apparat zu modifizieren vermögen, geht aus folgenden Bemerkungen hervor. Während bei seinem Leergang (ohne Einschaltung des Organs) unter Förderung von 2 ccm pro Sekunde der Spritzendruck 103 mm Hg beträgt (Ablesung an dem angeschalteten Quecksilbermanometer), wird er bei beanspruchtem Windkessel (#’ = 15 500) schon auf 88 mm er- niedrigt und sinkt bei Vorhandensein der Capillare auf etwa 20 mm herab. In ähnlichem Maße ändern sich auch die Amplituden der auf- tretenden Druckschwankungen, so daß wir durch Modifikation des Spritzendruckes auf die eben angegebene Weise zu mechanischen Ver- hältnissen gelangen, die für die Leber zweckmäßig sind. Anders ge- stalten sich natürlich die Dinge, wenn das Organ in den Kreislauf eingeschlossen wird. Es kommt dann zu der wirksamen Masse der !) Frank, O., Prinzipien der graphischen Registrierung. Zeitschr. f. Biol. 53, 429. 1909. ?2) Broemser, Ph., Zur Theorie der registrierenden Apparate. Zeitschr. f. Biol. 5%, 81. 1911. Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 1W; Flüssigkeit im Glassystem noch die im portalen Verteilungsgebiet, zu der Elastizität des Windkessels noch die des Organs hinzu, die natürlich beide nicht bestimmbar sind. Hier müssen Experimente die Ent- scheidung herbeiführen. An dieser Stelle muß hervorgehoben werden, daß die im folgenden angeführten Werte sich auf die Leber von Meer- schweinchen beziehen; für die Leber von Kaninchen gilt im all- gemeinen das gleiche, meistens ist der Durchströmungsdruck noch geringer. Durchblutet man das Organ bei einem Puls von 44 pro Minute und 1,8 ccm Sekundenvolumen unter den oben angeführten mechani- schen Verhältnissen des Apparates (Elastizität des mit Luft vollge- füllten Windkessels, Capillare), dann wird es dabei prall gefüllt und läßt an seiner Oberfläche Flüssigkeit austreten. Der konstante Durch- strömungsdruck, der natürlich bei verschiedenen Lebern variiert, be- trägt dann meist 40 mm Quecksilber, die Oszillationen + mm, so daß das Organ unter einem Druck von 36—44 mm Hg durchströmt wird. Leitet man unter sonst gleichen Bedingungen 0,5 cem pro Sekunde durch, dann ist der Druck natürlich wesentlich niedriger, aber auch in dem Fall ist das Organ prall gefüllt. Ursache der prallen Füllung der Leber ist, das lehren die Versuche mit Durchleitung verschiedener Sekundenvolumina, die auf dem Organ lastende Flüssigkeitssäule von durchschnittlich 8cm Höhe. Führt man durch Verschluß des oberen Gefäßes (s. Abb. 3) und Unterbrechung des Kreislaufes an dem den Bückfluß besorgenden Rohr ; in Tischhöhe eine Entlastung herbei, indem man dem Druck von 8 cm eine äquivalente Saugung entgegen- setzt, dann nimmt das Organ sofort seine normale Form an. Die aus- gedehnten Leberlappen, die erheblich gespannt waren, werden wieder schlaff und zeigen sich auf Betasten weich. Man braucht sich aber mit der alleinigen Äquilibrierung nicht zu begnügen, sondern kann auch eine wirkliche Saugung einwirken lassen. Das geschieht, indem man das Rückflußrohr z nicht in Tisch- höhe unterbricht, sondern, wie dies auch aus der Abb. 3 hervorgeht, einfach eine direkte Verbindung mit dem Hauptgefäß herstellt. Die Einschaltung des oberen Gefäßes erweist sich dabei von großer Wichtig- keit, weil sonst beim Eintritt der Saugung die Vena cava inferior zu- sammengepreßt und verschlossen würde. Schließt man das System auf die oben angeführte Weise und setzt den Kreislauf in Gang, dann stellt sich der konstante Druck (s. Tabelle 1) meist auf 17mm Hg ein, die Schwankungen betragen nun +2 mm (s. Abbildung 6). Durch den Verschluß des oberen Gefäßes wird nicht nur die auf der Leber lastende Flüssigkeitssäule von 8mm Hg äquilibriert, es kommt nun noch eine Saugung von 19mm Hg (Druckdifferenz vom Präparat-Tisch bis zum Stand der Flüssigkeitim Hauptgefäß = 19cm Pflügers Archiv f. d. ges, Physiol. Bd. 180. 9) 18 E. v. Skramlik: Wasser) erleichternd hinzu. Man kann das durchgeleitete Sekunden- volumen zwischen 0,5 und 2,0 ccm variieren, ohne daß selbst bei stundenlangen Versuchen an dem Organ irgendwelche Läsionen zu be- obachten sind. Es ändert sich bloß die Höhe des Durchströmungs- druckes von etwa 6 auf 17mm Hg. Diese Variationsmöglichkeit, die also ohne Schädigung des Organs vorgenommen werden kann, ist um so angenehmer, als es zur Erzielung greifbarer Veränderungen in der Durchströmungsflüssigkeit erwünscht ist, möglichst viel Blut durch das Organ zu treiben. Steigert man das Sekundenvolumen über den angegebenen Wert, dann wird das Präparat infolge eintretender Zerreißungen durch- lässig. Tabelle I. V ‚ Sek.-Vol. mm Hg 3 1,8 ccm 15—19 4 1,3 ccm 15—18 6 1,8 ccm 18—22 8 1,8 ccm 17—21 9 1,8 ccm 15—19 10 1,3 ccm 20 —24 11 1,8 ccm 15—18 12 1,3 ccm 17—20 In der Tabelle bedeuten V die Versuchsnummer, Sek.-Vol. das durch das Organ getriebene Sekundenvolumen, der dritte Stab die Pulsationen in mm Hg. Im Laufe eines nicht über 4—5 Stunden ausgedehnten Versuches bleibt der Durchströmungsdruck mit seinen geringen pulsatorischen Schwankungen nahezu auf der wormfg sjeichen Höhe. Dehnt man a den Versuch länger aus, dann 0 beobachtet man eine allmäh- 1% lich eintretende Steigerung des 60 Druckes, die indes im Ver- 5° laufe von weiteren 3 Stunden 40 4 mm Hg nicht übersteigt. 30 Bemerkenswert ist, daß nach 20 einer Unterbrechung desKreis- 10 laufes, selbst für ganz kurze 0 Zeit — etwa für 2 Minuten, die a erforderlich sind, um einen N : Wechsel der Nährlösung vorzu- Abb.6. ___ modifizierter Druck im Apparate durch Anwendung der Luftübertragung. ____ Druck in dr Nehmen, wobei der Kreislauf vena portae-Kanüle. (Wirkung des Windkessels und natürlich abgestellt werden der Kapillare.) : muß — der zum Durchtreiben des gleichen Volumens erforderliche Druck oft um 5-6 mm Hg ansteigt. Er geht nach einer gewissen Zeit (ca. 5 Minuten) aber Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 19 wieder auf die ursprüngliche Höhe zurück. Diese Druckschwankung beobachtet man auch stets bei Beginn eines Versuches. Das Auf- _ binden des Präparates sowie seine Anordnung auf dem Tisch nehmen meist 5 Minuten in Anspruch, während deren das Präparat nicht durchströmt wird. Aus diesen Wahrnehmungen geht hervor, daß die Nichtinanspruchnahme auf die Gefäßdurchlässigkeit einen Einfluß ausübt; welcherart dieser ist, kann vorerst nicht ausgesagt werden. Daß der zur Durchströmung erforderliche Druck nicht für jede Leber auch derselben Tiergattung der gleiche ist, geht ebenfalls aus Tabelle 1 hervor. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um in- dividuelle Unterschiede im Verteilungsgebiet der Vena portae; denn die Organe sind, wovon gleich die Rede sein soll, stets gleichmäßig behandelt worden, ebenso wurde an den Konstanten des Apparates nichts verändert. Hier seien einige Bemerkungen über die Operation eingeflochten, die bei einem so kleinen Tier wie dem Meerschweinchen nicht so ein- fach durchzuführen ist, wie z. B. bei einem Hunde. Die Tiere wurden in Äthernarkose aus einer Arteria carotis entblutet. Darauf folgte, nach gehöriger Entfernung des Felles (zur Vermeidung, daß Haare in das Operationsfeld gelangen), die Durchschneidung der Bauchdecken und Eröffnung des Thorax. Es muß betont werden, daß die zahlreichen Ligamente, durch welche die Leber am Zwerchfell befestigt und mit . andern Organen (vornehmlich Magen und Darm) verbunden ist, sorg- fältig mit einer feinen Schere zu durchtrennen sind. Die Serosa der Meerschweinchenleber ist derartig zart, daß die bloße Zerrung an einem Ligamente genügt, um einen Riß im Gewebe zu erzeugen, der nicht mehr gedichtet werden kann. Solche Präparate lassen dann an den Rißstellen im Kreislauf ständig Flüssigkeit austreten. Ist die Leber freigelegt, dann wird der Magen (die Loslösung vom Darm erfolst durch Durchschneiden zwischen zwei Ligaturen) aus dem Tier- körper entfernt, hernach der Ductus choledochus unterbunden und durchschnitten. Es wurde bei den serologischen Untersuchungen (s. oben) eine Anzahl von ‚‚sterilen‘‘ Experimenten angestellt, bei denen natürlich streng darauf geachtet werden mußte, daß kein Darminhalt in das Operationsfeld oder gar auf die Oberfläche der Leber gelangte. Nun sieht man, zum großen Teil im Fettgewebe gelagert und vom Pankreas umwachsen, die Vena portae vor sich, die sehr wohl in einer Länge von 2cm frei präpariert werden kann. Ihr Durchmesser beträgt etwa 2 mm; beides genügt auch völlig zum Einbinden einer Kanüle. Es empfiehlt sich nur, die Vene dabei möglichst lang zu lassen. Nach Anschneiden der Vena cava inferior in unmittelbarer Nähe des Herzens wird das Organ zur Vermeidung von Verstopfungen durch Gerinnsel- bildung im verbleibenden Blut von der Vena portae aus mit körper- I# 20 E. v. Skramlik: warmer Ringerlösung unter einem Druck von 16 cm Wasser durchspült. Die Ausspülung geht ohne allen Anstand vor sich, wenn von der Tötung des Tieres bis zum Durchströmen nur wenige, maximal 6 Minuten verstreichen. Es gab niemals irgendwelche Schwierigkeiten durch Ver- stopfungen in den Kanülen als Folge von Gerinnselbildung. Auf diese Weise wurde die früher angewendete Durchspülung des ganzen Tieres von der Vena jugularis aus, die viel Zeit in Anspruch genommen hatte und nicht immer gute Resultate zeitigte, überflüssig. Durchspült man die Leber mit etwa 250 cem Ringerlösung, dann ist sie von Blut bis auf ganz geringe Reste freigemacht. Stickstoffbestimmungen in der letzten Spülflüssigkeit ergaben in der Regel einen Gehalt von 6 mg N in 100 cem, entsprechend 37,2 mg Eiweiß. Nun muß noch die Vena cava inferior bei ihrem Abgang aus den Nieren aufgesucht werden. Beim Meerschweinchen ist das große (Durchmesser ca. 5 mm), aber zartwandige Gefäß im Fett der Niere eingebettet und von der rechten Nebenniere umlagert. Zum Unterschied vom Kaninchen, bei dem die Vena cava inferior mit der Vorderfläche ihrer Wand im Lebergewebe ruht, wobei es gewissermaßen zu einer Rinnenbildung im Parenchym kommt!), durchsetzt dieses Gefäß beim Meerschweinchen die Leber selbst in Form eines breiten, gänzlich geschlossenen, vom Par- enchym allseitig umgebenen Ganges. Dieser beginnt an der Leber- unterfläche in der Grenzlinie zwischen rechtem oberem und unterem Lappen und endet an der dem Zwerchfell zugewandten Fläche der Leber in unmittelbarer Nähe der Einmündungsstelle von Vena hepatica in die Vena cava inferior. Diese anatomischen Verhältnisse sind wohl als bekannt vorauszusetzen. Ich habe aber darüber in der Literatur?) keine Bemerkungen gefunden. . Auch das distale Ende der Vena cava inferior muß ausgespült werden. Man bindet zu diesem Zwecke am besten hier ebenfalls eine Kanüle ein, die später verschlossen wird. Als letztes wird eine Kanüle in der Vena cava inferior befestigt; diese soll möglichst tief in das Gefäß ein- gesenkt werden. Bei der Loslösung der Leber aus dem Tierkörper muß gleichfalls mit der größten Vorsicht verfahren werden. Man geht dabei am besten so vor, daß man auch die rechte Niere mit heraus- schneidet, die später, nach erfolgter Entfernung des Organs aus dem Tierkörper, mit aller Bequemlichkeit weggeschnitten werden kann. Darauf wird die Leber an der möglichst kurzen, ®/, cm langen, in die Vena cava inferior eingebundenen Kanüle an dem oberen Gefäß des vorgewärmten Apparates aufgehängt und auf der Korkplatte so ausgebreitet, daß die Lappen möglichst lose, so wie im Tierkörper !) Krause, W., Die Anatomie des Kaninchens. 2. Aufl. 1884. Leipzig, S. 276. ?) Vgl. insbes. Rex, H., Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. Morph.. Jahrb. 14, 540. 1888. Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. Dil! lagern. Daß dabei einzelne Lappen (so z. B. der Lobus dexter superior auf dem Lobus dexter inferior) aufeinander liegen und drücken, ist unvermeidlich. Nun wird der Apparat mit der Durchströmungsflüssig- keit gefüllt, sodann die Verbindung mit der Vena-portae-Kanüle her- gestellt. Dabei muß darauf geachtet werden, daß keine Luftblasen in das Organsystem gelangen. Kleine Mengen von Luft passieren erfahrungsgemäß das Präparat rasch und verursachen weiter keine Schwierigkeiten. Man kann aber sehr wohl so verfahren, daß in das Präparat keine hineingelangen. Mit Hilfe einer eigenen Glasspritze wird nun die Nährlösung in das Organ getrieben, dabei gleichzeitig ausprobiert, ob es richtig angefertigt, vor allem ganz dicht ist. Auf die Schwierigkeiten, ein exaktes Präparat zu erhalten, ist bereits oben hingewiesen worden; es sei hier nur noch angeführt, daß man kleine Risse im Gewebe durch aufgelegte feuchte Wattebäuschchen zur Not dichten kann. Der durch diese auf die Leberoberfläche ausgeübte geringe Druck genügt, um den Kreislauf in den Gefäßen der nächsten Umgebung dieser Stellen zu unterbrechen. Ist das Präparat in Ordnung, dann wird es mit dem Apparat in den Thermostaten geschoben und die Verbindung zwischen Vorschaltgefäß und Spritze hergestellö, wor- auf der Kreislauf in Gang gebracht werden kann. Die ganze Operation vom Beginn der Blutentnahme bis zur Unterbringung des Organs im Kasten braucht nicht länger als 25 Minuten zu dauern. Von dieser ganzen Zeit ist die Leber höchstens 5 Minuten ohne Ernährung. . Ihr Durchschnittsgewicht beträgt beim Meerschweinchen ohne Gallen- blase etwa 199g bei einem Tiergewicht von etwa 650—700 g. Das Maximum an Flüssigkeit, das in die Leber bei einem Druck von 16 cm Wasser nach Absperrung des proximalen (in unmittelbarer Nähe des Herzens) und distal (in der Nähe der Niere befindlichen) Endes der Vena cava inferior getrieben werden kann, beträgt nach meinen Mes- sungen im Durchschnitt 10 ccm. Das Organ ist dann bereits ganz prall gefüllt; an seiner Oberfläche tritt Flüssigkeit auf. Der normale Gehalt an Flüssigkeit in den Gefäßen dürfte etwa 7—8 ccm betragen. Man kann den Kreislauf auch invers vor sich gehen lassen, d.h. es ist möglich, die Ernährungsflüssigkeit von der Vena cava inferior aus einzuleiten; sie tritt dann zur Vena portae heraus. Es ist vorhin bemerkt worden, daß die Leber unter bestimmten, ungünstigen Kreislaufbedingungen (zu großem Sekundenvolumen, zu hohem Druck) Flüssigkeit an ihrer Oberfläche austreten läßt, die auf ein Reißen der die einzelnen Leberläppchen umhüllenden Serosa in größerem Umfange zurückzuführen ist. Ein Austritt von Flüssigkeit aus der Leber kann aber auch unter durchaus günstigen mechanischen Verhältnissen stattfinden. Dieser ist dann eine Folge der gesteigerten Durchlässigkeit der Gefäßwände und der Serosa für bestimmte Nähr- 2 E. v. Skramlik: lösungen. Als solche kommen alle Salzlösungen in Betracht, also auch die Ringerlösung in der Lockeschen Modifikation. Diese Durchlässig- keit äußert sich in dem Auftreten kleiner Flüssigkeitstropfen an der Oberfläche des Organs, die allmählich größer werden, zusammenfließen und zuletzt abtropfen. Ein Beweis dafür, daß es sich dabei um keine mechanischen Läsionen der Gefäßwände und der Serosa handelt, ist, daß dieses Tropfen des Präparates nicht ausnahmslos erfolgt. Jaman kann sogar sagen, daß die Dichtigkeit des Organs in 50% der operierten Organe selbst gegenüber Ringerlösung eine absolute ist. Daß es in erster Linie Salzlösungen sind, die diese Erscheinungen hervor- rufen, kann überdies sehr wohl dadurch bewiesen werden, daß man durch dasselbe Organ nacheinander verschiedene Nährlösungen hindurch- schickt, z. B. Vollblut, mit Ringerlösung verdünntes Blut, Serum, ver- dünntes Serum, endlich Ringerlösung. Gegenüber Vollblut und Serum ist jedes Präparat dicht. Es wurden auf die genannte Weise an ver- schiedenen Lebern die Durchlässigkeit geprüft. Ein Versuch an einer Kaninchenleber soll als Beispiel hierhergesetzt sein: Tabelle II. ee: } Im ganzen durch- | Ausgetretene = Versuch Nährlösung Zeit getretene Flüssigk. Flüssigkeit in Proz. 13 | Blut-Ringer 1:5 | 210’ | ca. 13200 ccm 4,0 ccm 0,03% Ser.-Ringer 1:4 60° 2 3800 Aal on 0.5 Ringer 5% 4008 15.0, 0,32% Blut-Ringer 1:5 40’ N 0,8 „ 0,032% Ser.-Ringer 1:4 30° 190055 NEE; 0,15% Ringer 715% 24.10 16,0 ,, 0,34% In der Tabelle bedeuten: der 4. Stab die während einer bestimmten Zeit (Stab 3) im ganzen durch das Organ hindurchgetriebene Flüssig- keitsmenge, der 5. Stab die während dieser Zeit ausgetretene, die eigens aufgefangen wurde, der 6. Stab das prozentuale Verhältnis zwischen ausgetretener und im ganzen durchgegangener Flüssigkeit. Man er- kennt aus dieser Gegenüberstellung verschiedener Nährlösungen in einem und demselben Organ unter sonst gleichen Bedingungen, daß die Durchlässigkeit für Ringerlösung etwa 10 mal so groß ist wie gegen- über Blut-Ringer. Es ist auch bemerkenswert, daß bei der wiederholten Durchleitung derselben Flüssigkeit nach entsprechend lang dauernder Ablösung durch eine andere Nährlösung die Durchlässigkeit annähernd dieselbe ist. Wir kommen damit auf die Ernährung und den Stoffwechsel der Leber zu sprechen, die natürlich für die Überlebenderhaltung von großer Bedeutung sind. Hier ist zu erwähnen, daß die wichtigsten Faktoren die Zufuhr von Sauerstoff und die Entfernung der Kohlen- Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. 23 säure sind. Das Sauerstoffbedürfnis des Organs ist ein außerordentlich großes. Nur ein ständiges Durchleiten von Sauerstoff durch das kreisende unverdünnte oder verdünnte Blut bewahrt es vor venösem Aussehen. Unterbricht man den Kreislauf auch nur für 1—2 Minuten, dann ist, selbst nach längerer Versuchsdauer, das aus der Vena-cava-inferior- Kanüle austretende Blut tiefdunkel gefärbt. Einige Messungen des Sauer- stoffbedarfs und der Kohlensäureproduktion mit Hilfe der Barcroft- Haldaneschen!) Methode haben noch zu keinem einheitlichen Er- gebnis geführt und bedürfen der Fortführung. Zweifellos werden sie im Verein mit histologischen Untersuchungen der Leberzellen in ver- schiedenen Versuchsstadien und bei wechselnder Ernährung wichtige Aufschlüsse über den Zustand des Organs geben. Dabei dürfte sich auch herausstellen, bis zu welchem Grade die Leberzellen von der Ringerlösung, die ja (abgesehen von ihrem Gehalt an Traubenzucker und Sauerstoff) keine Nähr-, sondern nur eine die Zellform erhaltende Lösung ist, geschädigt werden. Die Annahme einer Alterierung der Zellen dürfte sich nach den am Herzen gemachten Erfahrungen?) bewahrheiten. Die Vornahme solcher Untersuchungen sowie die Heranziehung ihrer Ergebnisse zur Beurteilung des Organzustandes erweist sich um so notwendiger, als ein für die Leber als Drüse sehr wichtiges Kriterium, die Gallenabsonderung, vollkommen versagt. Es muß weiterer Forschung überlassen bleiben, worauf das sofortige Aufhören der Bildung dieses Sekrets zurückzuführen ist, sowie man das Organ aus dem Tierkörper entfernt hat. Hier werden außer der Ernährung wohl auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Durchströmt man die Leber mit Ringer- lösung, dann füllt sich die Gallenblase, in der ja bei der gewählten Art der Operation stets der ursprüngliche Inhalt verbleibt, allmählich sanz prall und nimmt an Volumen auf das Zwei- bis Dreifache zu. Ursache dieser Erscheinung ist die Verdünnung mit Ringerlösung, die aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht auf eine Sekretion, sondern Austritt aus den Capillargefäßen, z. B. der Venae interlobulares und Übergang zwischen den Leberzellen in die Gallengänge zurück- zuführen ist. Ebenso läßt sich auch die fortdauernde Ausscheidung von Ringerlösung während des Kreislaufes aus dem Ductus choledochus erklären, wenn man in ihn eine Kanüle einbindet. Bemerkenswert ist, daß unter den in dieser Abhandlung erwähnten Zirkulationsbedingungen niemals Blutkörperchen in die Gallenblase übertreten, wohl aber deren Zersetzungsprodukteim Gefolge von Hämolyse, die z. B. durch 1) Barcroftand Haldane, A Metbod of estimating the oxygen and carbonic acid in small quantities of blood. Journ. of Physiol. 28, 232. 1902. :) Vgl.O.Franku. Emilv.Skramlik, Beobachtungen am ausgeschnittenen Warmblüterherzen. Sitzber. d. Ges. f. Morphol. u. Physiol. in München 1911. 24 E. v. Skramlik: Ein Apparat zur Durchströmung der Leber. die Einwirkung von Schlangengift gesetzt wurde. Auf gleiche Weise gehen auch aus dem durchströmten Organ Bakterien (Coli, Proteus) in die Gallenblase über, die man dann aus deren Inhalt herauszüchten kann. Sehr bemerkenswert ist die Beobachtung von Kontraktionen der Gallenblasenmuskulatur, die bis jetzt allerdings nur in zwei Fällen gesehen wurden und in einem Rhythmus von 12 pro Minute vor sich gingen, in einem Fall sogar noch 3—4 Stunden nach Beginn der Durchströmung. Ich kann die Bedingungen nicht angeben, unter denen diese gelegentlich beobachtete Erscheinung auftritt. Sie ist aber ein Hinweis, daß der Zustand des Organs unter den gewählten Bedingun- gen des Kreislaufs und der Ernährung ein ganz günstiger ist. Im Tierkörper selbst sind rhythmische Zusammenziehungen der Gallen- blase wiederholt gesehen worden, besonders bei Vögeln [Rudolphi?t)], der bei der Taube 3—4 Kontraktionen pro Minute festgestellt hat. Des näheren wurden die Bewegungen besonders von Doyon?)?) studiert. Überblicken wir noch einmal alles über den Apparat Vorgebrachte, so kann man wohl sagen, daß er sich für verschiedene Forschungs- zwecke eignet und durch die Möglichkeit bequemer Handhabung (Be- dienung, Füllung und Leerung), sowie Verwendung geringer Flüssigkeits- mengen auszeichnet. Eine etwas größere Dimensionierung gestattet seine Verwendung auch‘ für die Leber größerer Tiere (z. B. Hunde). Als ein besonderer Vorzug sei hier noch ausgeführt, daß man mit ihm zwar nicht den ganzen Vorgang — die Leber liegt frei —, wohl aber die Durchspülung aseptisch gestalten kann. Die Glasgefäße und Gummi- verbindungen lassen sich leicht sterilisieren, die Spritze braucht aber nicht ausgekocht zu werden, da ja keine Flüssigkeit in sie hineinge- langt, wodurch erst ein reinliches Arbeiten gewährleistet ist. Zur Er- höhung der Vorsicht kann man aber ein steriles Wattefilter zwischen Vorschaltgefäß und Zuleitung zur Spritze einschalten. !) Rudolphi, zit. nach Doyon, M., Mouvements spontanes des voies biliaires. Arch. de physiol. 5, 710. 1893. 2) Doyon,M., Contribution & l’&tude de la contractilite des voies biliaires. Archiv de Physiol. 5, 678 u. 710. 1893. ®) Doyon, M., De l’action exereee par le systeme nerveux sur l’appareil exereteur de la bile. Arch. de Physiol. 6, 19. 1894. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Über eine Methode zur Demonstration der Herztätigkeit. Von Emil v. Skramlik, Freiburg i. B. Assistent am physiologischen Institut. Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 30. Oktober 1919.) Zur Demonstration des Ablaufes des Kontraktionsvorganges am Kaltblüterherzen vor einer größeren Zuhörerschaft kann man sich unter Benutzung des Projektionsapparates bekanntlich einer Anzahl von Methoden bedienen, die in allen ihren verschiedenen Modifikationen didaktisch auf drei Grundtypen zurückzuführen sind: Vorführung der Herzperistaltik an den einfachen Formveränderungen des Herzens, Darstellung der Herzmuskeltätigkeit durch bewegungs- und kraft- registrierende Instrumente. Es gelingt im wesentlichen bei sämtlichen Demonstrationsarten, den Zuschauern die Aufeinanderfolge der Tätig- keit der verschiedenen Herzabteilungen, sowie die Phasen des einzelnen Herzabschnittes — Systole, Diastole und Ruhepause — zu zeigen. Hierzu kommt, je nach der Art der Anfertigung des Präparates und der gewählten Registriermethode, die Kenntlichmachung einer Anzahl von Details der Herztätigkeit. So werden bei der episkopischen Pro- jektion Lage-, Form- und Farbänderungen des Herzens während seiner Füllung mit Blut und bei dessen Ausstoßen wahrnehmbar gemacht. Bei einer vorwiegend bewegungsregistrierenden Methode, wie z. B. dem Gaskell- Engelmannschen Suspensionsverfahren unter Pro- jektion der Hebel, gegebenenfalls auch der Schreibfläche, werden die zeitlichen Verhältnisse der Zusammenziehung eines Teils der Herz- oberfläche, sowie die der Schlagfolge seiner einzelnen Abschnitte ge- zeigt, bei Benützung eines kraftregistrierenden Verfahrens z. B. durch Verbindung der Herzhöhlen mit elastischen oder Gravitationsmano- metern bei einer der vorerwähnten gleichartigen Projektionsweise die Phasen des Druckablaufes während der Herztätigkeit. Ein jedes der angeführten Verfahren verfügt über seine besonderen Vorzüge und ist für sich jeweils im andern Sinne lehrreich, so daß man wohl am besten tut, den Zuhörern alle vorzuführen. Den lebhaftesten Eindruck hinter- 26 E. v. Skramlik: läßt freilich die episkopische Projektion!), was vornehmlich durch die Sichtbarmachung des Herzens selbst bedingt ist. Alle erwähnten Demonstrationsarten geben nun wohl über die Wir- kungsweise einer großen Summe von Muskeln, aus denen sich das Herz zusammensetzt, Aufschluß, lassen aber über den so wichtigen Vorgang des Verhaltens der einzelnen Muskelfaser oder einer beschränkten An- zahl, wie sie z. B. in einer Muskeltrabekel des Vorhofs gegeben ist, während der Tätigkeit ganz im unklaren. Zweck der vorliegenden Mitteilung ist nun die Beschreibung eines Verfahrens, das den oben vorgetragenen einfachen Bedingungen zur Vorführung der Grundeigenschaften des Herzens entspricht, sie aber ergänzt, indem es gestattet, sich auch über den histologischen Aufbau des Herzens aus seinen Elementen, sowie über deren Tätigkeitsweise genauere Vorstellungen zu machen. Zum Versuche bedient man sich am besten der Herzen von Fröschen oder Kröten. Das Herz wird durch die übliche Fensterung freigelest und an dem angeschlungenen Gefäßbändcehen nach oben umgeklappt, das Perikard von Sinus und Hohlvenen mit äußerster Sorgfalt entfernt. Das ist nicht immer ganz leicht, da es gerade an an den genannten Stellen meist mit sroßer Zähigkeit festhaftet. Nunmehr 7’ _— wird das Herz von einer Hohlvene, am besten von der Vena cava inferior aus | mit Ringerlösung gründlich durchspült, i hernach der Bulbus mit dem Truncus VGL. ; Bar. arteriosus knapp bei seinem Abgang Abb. 1. Sinus bei nach oben geklapptem von der Herzbasis abgeschnitten. Das Herzen gezeichnet. 7 Sinus. ZZ Vorhof. Der > 5 . über / befindliche Halbkreis bezeichnet den epikardiale Bindegewebe, das den Vor- dorsalen Anteil des Muskelringes, dessen hof besonders dicht an seinem Über- Kontraktion zwischen die des Sinus und 5 or; : Vorhofes fällt. gang in den Ventrikel umgibt, muß entfernt werden. Sodann werden die Hohlvenen entsprechend den in die beigefügte Skizze eingezeichneten Strichen von der Sinusmitte aus aufgeschnitten und zum Zwecke der Herausnahme des Herzens aus dem Tierkörper in einer Entfernung von etwa 3mm vom Sinus durchtrennt. Man legt es mit der Ventralseite nach unten auf ein Korkplättchen, das in seiner oberen Hälfte mit einem kreisförmigen Ausschnitt von 1!/, cm Durchmesser versehen ist, wobei besonders beachtet werden muß, daß die zarten Wandungen der Hohlvenen richtig gelagert und ausgebreitet werden. Jetzt wird mit einem Scherenschlag das ganze Herz in Verfolgung der Richtung des !) Trendelenburg, W., Episkopische Projektion des Froschherzens. Zeitschr. f. biol. Techn. u. Methodik 3, 118. 1913. Über eine Methode zur Demonstration der Herztätigkeit. 2? durch die Vena cava inf. angelegten Schnittes vom Sinus bis zur Herz- spitze aufgeschnitten. Das aufgeschlitzte Präparat wird nun unter Anwendung einer mäßigen Spannung über den Korkausschnitt aus- gebreitet und mit feinen, etwa 5 mm langen Nadeln so an seinem Rande festgemacht, daß in den freien Kreis der ganze, nunmehr flächenhaft angeordnete Vorhof, sowie der größte Teil des Sinus mit den Hohlvenen zu liegen kommt. Als letztes wird das Septum vollkommen weggeschnit- ten; damit ist das Präparat zur Demonstration fertig und wird zu diesem Zwecke in einen mit Ringerlösung gefüllten Glastrog von planparallelen Wänden eingelest. Ist man bei seiner Anfertigung einigermaßen scho- nend vorgegangen, dann schlägt das Herz fort, wenn auch in verlang- samtem Rhythmus und bei wesentlich verzögerter Fortleitung des Kon- traktionsvorganges. Man kann es nun durch Beleuchtung von rückwärts mit Hilfe eines Kondensors unter Anwendung eines Mikroskops bei schwacher und starker Okularvergrößerung auf eine Tafel projizieren. Wenn es richtig ausgebreitet und, worauf schon eingangs das größte Gewicht gelegt wurde, vom Perikard und epikardialen Bindegewebe gehörig; befreit ist, dann erzielt man auch mit ziemlich starken Objektiv- vergrößerungen noch sehr gute Bilder. Die Entfernung, von der aus aus man das projizierte Präparat gut beobachten kann, wird haupt- sächlich von der Beleuchtungsvorrichtung abhängen. Details, wie z. B. Ganglienzellen, wird man nur auf kurzen Abstand, ca. 4—5m deutlich wahrnehmen. i Man kann an einem solchen Präparat eine Menge sehr instruktiver Tatsachen demonstrieren: vor allem den architektonischen Aufbau der einzelnen Herzabschnitte von den Hohlvenen bis zur Kammerbasis; wenn man den Ventrikel unter Anwendung einiger Gewalt nach unten zerrt, wird auch der oberste Anteil des Trichters sichtbar. Es ist mit Leichtigkeit möglich, die longitudinal und zirkulär verlaufenden Tra- bekel von Hohlvenen, Sinus und Vorhof zu unterscheiden. An der Grenze von Sinus und Vorhof sieht man, entsprechend jener außen als Sulcus circularis kenntlichen Furche den aus zirkulär ver- laufenden Fasern zusammengesetzten Muskelzug, der die Verbindung zwischen Sinus und Vorhof vermittelt. In dessen nächster Umgebung sind dann auch die eingelagerten Remakschen Ganglienzellen erkenn- bar. Von großem Interesse ist die Beobachtung der Fortpflanzung der über das Herz fortschreitenden Kontraktionswelle, die bei diesen Prä- paraten den von Engelmann oft hervorgehobenen Charakter der Herz- peristaltik annimmt. Man erkennt auch, besonders leicht in späteren Stadien des Absterbens, jenen Zerfall der Fortpflanzungswelle an der Sinusvorhofgrenze, der an anderer Stelle beschrieben wird!) und in der l) v. Skramlik, Emil, Über die Beziehungen zwischen der normalen und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. Im Druck 1920. 28 E. v. Skramlik: Wahrnehmbarkeit einer zwischen die Zusammenziehung von Sinus und Vorhof fallenden selbständigen Kontraktion des oben beschriebenen zirkulären Muskelzugs besteht. Dann ist auch mitunter ein zeitlicher Unterschied in der Tätigkeit der longitudinal und zirkulär angeordneten Muskelzüge des Vorhofs wahrzunehmen, meist so, daß die letzteren um einige Bruchteile von Sekunden nachfolgen. Sehr häufig kann man auch beobachten, daß sich Vorhof oder Kammer oder bloß die letztere allein im Halbrhythmus der Sinusimpulse zusammenziehen. Besonderes theoretisches Interesse beansprucht diejenige Art von Zusammenziehung, die nach einer vorübergehenden, mit Absicht her- beigeführten Schädigung des Herzens — etwa durch kurzdauerndes Austrocknenlassen oder Einlegen in 0,6proz. Kochsalzlösung — zu beobachten ist. Nach Einbringen des Präparates in ein günstiges Er- nährungsmedium sieht man dann häufig das Phänomen der Treppe, das sich darin äußert, daß sich fortdauernd mehr und mehr Faserzüge an der Kontraktion beteiligen. Diese Erscheinung gehört in die Klasse derjenigen Beobachtungen, bei denen ein wechselnder Wirkungsgrad des Herzmuskels festgestellt wurde. Bekanntlich hat W. Trendelen- burg!) das ‚„Oscillieren“ der Schlaghöhe, wie es bei künstlicher inter- mittierender Reizung des Herzens von ihm und andern Untersuchern [F. B. Hofmann?), N. Giesen?)] beobachtet wurde, auf partielle Zu- sammenziehungen des Herzmuskels zurückgeführt, so zwar, daß sich nicht etwa sämtliche Fasern des Herzens in geringerem Umfange, sondern ver- schiedene Mengen von Muskelelementen an der Kontraktion beteiligen. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht liefert das hier geschil- derte Experiment. Gelegentlich ist es möglich, jene Fortpflanzungsweise der Kontrak- tion zu beobachten, die bei Wasserstarre der Vorhöfe eintritt und darin besteht, daß sich Sinus und in einem entsprechenden Intervalle nach- folgend, die Kammer kontrahieren, wobei der Erregungsvorgang schein - bar ohne jede Mitbeteiligung des Vorhofs weitergeleitet wird. Dieses Phänomen hat bekanntlich zu: Aufstellung des Begriffes der Fortleitung der Erregung ohne Kontraktion geführt, also gewissermaßen zu einer Trennung in einer Grundeigenschaft der Herzmuskelsubstanz, von der man bis dahin angenommen hatte, daß der Erregungsvorgang stets mit einer Zusammenziehung verbunden ist. Unter den erwähnten Be- dingungen habe ich bei mikroskopischer Betrachtung festgestellt, daß 1) Trendelenburg W., Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythmischer elektrischer Reizung. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1903, S. 287. ?2) Hofmann, F.B., Über die Änderung des Kontraktionsablaufes am Ventri- kel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderung und im hypodynamen Zustande. Archiv f. d. ges. Physiol. 84, 163. 1901. ®) Giesen, N., Schlagfolge und Reizbarkeit des Herzmuskels. Inaug.-Dissert. Gießen 1908, Ss. 3l. Ref. Prof. Otto Frank. Über eine Methode zur Demonstration der Herztätigkeit. 29 sich stets ein, wenn auch ganz geringer, oft nur aus wenigen, nach meinen Ausmessungen etwa 30 bis 40 Muskelfasern bestehender Zug des Vorhofs kontrahiert. Es erscheint mir von Wichtigkeit, auf dieses wiederholt beobachtete Verhalten hinzuweisen. Daraus irgendwelche weitere Schlüsse zu ziehen, liegt mir aber vollständig fern. Nur nebenbei sei bemerkt, daß diese Beobachtung auch für das v. Kriest) für die Reiz- leitung innerhalb eines Herzabschnittes und von einem zum andern entwickelte Prinzip der Auxomerie spricht. Dieses gipfelt bekannt- lich in der Feststellung, daß die Erregung sehr wohl durch eine einzelne Muskelfaser übertragen werden kann. An dem hier beschriebenen Demonstrationsobjekt kann man durch vitale Färbung eine Menge histologischer Details auch noch während der Tätigkeit des Herzens zur Darstellung bringen. Durch fortgesetzte Färbung des Präparates mit schwachen Lösungen von Methylenblau in Ringerscher Flüssigkeit kann man nacheinander Ganglienzellen und Nervenfasern, Muskelzellen und zuletzt elastisches Gewebe kenntlich machen, worauf auch schon F. B. Hofmann?) aufmerksam gemacht hat. Man verfährt dabei am besten so, daß man zur Demonstration vor einem srößeren Zuhörerkreis mehrere Präparate in verschiedenen Stadien der Methylenblaufärbung bereithält. Es ist möglich, mit Hilfe des hier beschriebenen Verfahrens auch den. Einfluß der verschiedenen Nährlösungen auf den Herzmuskel vor- zuführen, z. B. physiologische Kochsalzlösung, Ringerlösung, Serum, einfach durch Austausch der im Troge befindlichen Flüssigkeit. Es sei noch bemerkt, daß man das Präparat auch noch in anderer Modifikation herstellen kann. Handelt es sich z. B. darum, das Ostium sinus zu demonstrieren, dann wird man das Herz an einer Längsseite aufschneiden, gleichgültig ob rechts oder links, und die unter Vernach- lässigung der seitlichen Teile resultierenden ventralen und dorsalen Hälften auseinanderklappen. Überblicken wir noch einmal alle Ausführungen, dann kann man wohl sagen, daß dieses Verfahren eine sehr bequeme und leicht zu schaf- fende Möglichkeit zur Demonstration von strukturellen und funk- tionellen Eigentümlichkeiten des Herzens bietet. 1) Kries, J. v., Die Bedeutung der Bahnbreite für die Reizleitung im Herzen. Skand. Archiv f. Physiol. 29, 84. 1913. 2) Hofmann, F. B., Das intrakardiale Nervensystem des Froösches. Arch. f, Anat. u. Physiol. 1902, S. 54. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Die Bahnung der Erregung). Von Emil v. Skramlik, Freiburg i. B. Assistent am physiologischen Institut. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 30. Oktober 1919.) Bei Untersuchungen über das Verhältnis recht- und rückläufiger Erregungsleitung im Herzen bin ich auf eine Erscheinung gestoßen, deren Bedeutung überwiegend nach anderer Seite hin liest und die daher wohl eine besondere Mitteilung verdient. Sie besteht in folgendem: An Froschherzen, die durch eine erste Stannius-Ligatur stillgestellt sind, kann man unter Umständen, die unten noch etwas genauer be- sprochen werden sollen, einen Zustand beobachten, bei dem zwischen zwei Herzabteilungen, insbesondere zwischen Vorhof und Kammer, die rechtläufige Leitung in normaler Weise stattfindet, die rückläufige dagegen in eigenartiger Weise zwar nicht gänzlich aufgehoben, aber doch beschränkt oder behindert ist. Reizt man den Vorhof, so zieht sich jedes- mal erst dieser, dann nach der gewöhnlichen Zwischenzeit die Kammer zusammen. Reizt man die Kammer, so kontrahiert sich im allgemeinen diese, ohne daß die Erregung auf den Vorhof übergreift: dieser bleibt in vollkommener Ruhe. Die Sperrung der rückläufigen Leitung ist nun aber, wie gesagt, keine absolute. Man beobachtet sie, wenn das Herz einige Zeit keine Reize erhalten und in Ruhe verharrt hat; man kann dann die Kammerreizungen beliebig oft mit immer dem gleichen Erfolgs einer auf die Kammer beschränkten Erregung wiederholen. Wenn man aber nun ein- oder einigemal den Vorhof reizt, so daß die Verbindungsbahnen beider Teile in der normalen Richtung von der Erregung durchlaufen werden, so erhält man bei Reizung der Kammer auch Tätigkeit des Vorhofs. Der rückläufige Durchgang wird also durch die vorangehende recht- läufige Erregung ermöglicht; die betreffenden Verbindungen werden durch eine Durchlaufung im normalen für eine solche im verkehrten Sinne gebahnt. Die drei beigefügten Abbildungen lassen das Vorgebrachte leicht erkennen. I) Vgl.v.Skramlik, Emil, Beobachtungen am Kaltblüterherzen. Zentraibl. f. Physiol. 28, 717. 1914. E. v. Skramlik: Die Bahnung der Erreeune. Sl RA an ya / Ko i \5 AUIHNRLUHLUDI „UL Abb.1. Originalaufnahme. Bahnung der Erregung au der Vorhoikammergrenze. Versuch 285 vom 23. XII. 1913. Registrierung: Oben Vorhof, unten Kammer, Zeit in !/, Sek., Markierung des Reizmomentes durch ein Pfeilsches Signal. 1. Zeile: 1—5 Reiz Vorhof, Kammer folet nach; 10’ Pause. 2.Zeile: 1, 2 Reiz Kammer, die Erregung geht rückläufig nicht auf den Vorhof über; 3 Reiz Vorhof, Kammer folgt nach; 4 Reiz Kammer, Vorhof wird nicht errest; 5, 6 Reiz Vorhof wirksam. 10’ Pause. 3. Zeile: 6, 7 Reiz Vorhof wirksam; 8-10 Reiz Kammer unwirksam. 4. Zeile: 7 Reiz Kammer unwirksam; 8-10 Reiz Vorhof wirksam; 11—13 Reiz Kammer wirksam. Hier führen 3 normale Erregungen die Bahnung für den Durchgang im rückläufigen Sinne herbei. Bei diesem Phänomen machen sich gewisse quantitative Beziehungen bemerkbar. Je länger das Herz stillgestanden hat, um so mehr recht- läufige Erregungen sind erforderlich, um die rückläufige Leitung zu ermöglichen. Genügen also nach einem Stillstand von 10° zwei Vor- hofsreize, so werden nach einem solchen von 30’ vier oder noch mehr erforderlich sein, um die Rückleitung in Gang zu bringen. Weiter ist zu beachten, daß die Bahnung, wenn sie einmal hergestellt ist, auch durch die verkehrt laufende Erregung unterhalten werden kann. Hat man also durch einige Vorhofsreizungen es dahin gebracht, daß die Kammerreizung auch auf den Vorhof übergeht, so kann man nun die Reizung der Kammer beliebig oft mit dem gleichen Erfolge wiederholen, vorausgesetzt natürlich, daß diese in nicht zu großem Intervall auf- einander folgen. Ich habe die beschriebene Erscheinung in erster Linie für die Leitung zwischen Vorhof und Kammer, dann aber in durchaus über- 32 3 3 Ei E 3 R.v. ame Versuch 29 vom 23. XII. 1913. ; 7—10 Reiz Kammer geht auf den Vorhof über; nun Vornahme der ungleichen ;6, 7 Reiz Kammer unwirksam; 8—10 Reiz Vorhof wirksam; 11 Reiz Kammer u n- Bahnung der Erregung an der Vorhofkammergrenze. wirksam; 12—15 Reiz Vorhof wirksam; 16,17 Reiz Kammer wirksam. Hier führen erst vier normale Erregungsdurchgänge die Bahnung der Erregung herbei. Abb. 2. Originalaufnahme. Registrierung wie bei Abb.1. 1. Zeile: 2—6 Reiz Vorhof geht auf die Kammer über Temperierung. 2, Zeile:3 Reiz Kammer unwirksam; 4,5 Reiz Vorhof wirksam einstimmender Weise auch zwischen Kammer und Bul- bus beobachtet. Dagegen habe ich etwas Analoges für die Leitung innerhalb eines Herz- teiles, namentlich innerhalb der Kammermuskulatur nicht wahrnehmen können. Über die Bedingungen, unter denen der erwähnte Zu- stand eintritt, möchte ich hier folgendessagen. Man kann ihn für die Vorhofkammergrenze willkürlich und mit ziemlicher Sicherheit herbeiführen, und zwar durch örtlich unglei- cheTemperierung desHer- zens. Man muß nämlich die dorsalen Teile der Vorhof- kammergrenze ziemlich hoch, auf etwa 40°C erwärmen, während die übrigen Teile auf Zimmertemperatur gehalten werden. Ohne Zweifel werden hierdurch wohl örtliche Schä- digungen des Gewebes herbei- geführt. An der Kammer-Bul- bus - Grenze tritt es in spä- teren Stadien des Absterbens meist auch ohne weitere Vor- bereitungen, einfach nach Ver- streichen einer längeren Ruhe- pause auf. | Die hier beschriebene Er- scheinung besitzt offenbar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem bekannten Phänomen der Treppe. Man könnte etwa sagen, wie bei diesem eine Vermehrung der Kontrak- tionsgröße durch die Tätig- keit selbst bewirkt wird, so Die Bahnung der Erregung. 33 Te ee TH H HH HF EZ UHR UEENEUUEREUUBEUEE RE U WEL EEE EL TE REITER! 72 We Vräfeht nr ee Ze, rn oa m EN Pre. = 7 z U 71 12 13 74 RE RT ee Abb. 3. Originalaufnahme. Bahnung der Erregung an der Kammerbulbusgrenze. Versuch 40 vom 20. VI. 1914. Registrierung: Oben Bulbus, unten Kammer, Zeit in !/, Sek. Markierung des Reizmomentes 1. Zeile: 1, 2, 3 Reiz Bulbus, es folgt keine Kammerkontraktion; 4 Reiz Kammer wirk- sam; 5 Reiz Bulbus unwirksam; 6 Reiz Kammer wirksam, unmittelbar. anschließend 2. Zeile: 7 Reiz Kammer wirksam (die Verbindungsbündel zwischen Kammer und Bulbus wurden also von zwei normalen Erregungen passiert); 8, 9, 10 Reiz Bulbus wirksam. Bei dem Strich Pause von 10’; 11, 12 Reiz Bulbus unwirksam; 13 Reiz Kammer wirksam; 14 Reiz Bulbus unwirk- sam. 30’ Pause. 3. Zeile: 1 Reiz Bulbus unwirksam; 2 Reiz Kammer wirksam; 3 Reiz Bulbus unwirksam; 4 Reiz Kammer wirksam; 5 Reiz Bulbus unwirksam; 6 Reiz Kammer wirksam; 7 Reiz Bulbus unwirksam. 4. Zeile: 9 Reiz Kammer wirksam; 10 Reiz Bulbus unwirksam; 11—13 Reiz Kammer wirksam; 14 Reiz Bulbus unwirksam, beim Strich 4 wirksame Kammer- reize; 15, 16 Reiz Bulbus wirksam. Zeile 1 und 2lehren, daß beim ersten Auftreten der Bahnung der Erregung zwei normale Erregungsdurchgänge von der Kammer auf den Bulbus genügen, während nach 30° Pause vier Erregungen dazu erforderlich sind, wie aus den Zeilen 3 und 4 hervorgeht. Zeile 3 ist auch ein Beweis dafür, daß die normalen Erregungen in einem be- stimmten kurzen Intervall aufeinander folgen müssen. Selbst ein gehäuftes Reizen der Kammer : in einem Intervall von ca. 5’ reicht also dazu nicht aus. trete hier durch die Tätigkeit eine gesteigerte „Anspruchs- fähigkeit“ ein. Und man könnte daran denken, beide Tat- sachen unter die allgemeine Regel zusammenzufassen, daß über- haupt durch die Tätigkeit eine Steigerung der Funktionsfähigkeit herbeigeführt werde. Indessen genügen die zur Zeit bekannten Tatsachen wohl nicht, um eine solche allgemeine Regel präzis zu formulieren und mit Sicherheit zu erweisen. Schon bei den von Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 3 SUCH: E. v. Skramlik: Die Bahnung der Erregung. Bowditch!) seinerzeit beschriebenen Tatsachen ist es mindestens fraglich, ob wirklich, wie ursprünglich angenommen wurde, die Kon- traktion des einzelnen Muskelelements zunimmt oder nicht vielmehr eine wachsende Zahl von Elementen in Tätigkeit kommt. Ebenso muß bei meinen Beobachtungen dahin gestellt bleiben, ob der durch die Vorhofreizungen herbeigeführte Erfolg schlechtweg als eine erhöhte Anspruchsfähigkeit der Übergangsgebilde bezeichnet werden daıf, oder ob gerade das Verhältnis recht- und rückläufiger Leitung dabei eine besondere Bedeutung besitzt. Aus diesen Gründen ist es wohl vorderhand geboten, die sichergestellten Tatsachengruppen streng zu unterscheiden und auch ihre Auseinanderhaltung durch besondere Be- nennungen zu sichern. Im Hinblick hierauf möchte ich an dem für die obige Erscheinung zunächst gewählten Namen der Erregungs- bahnung festhalten. Als ein sehr einfaches, aber nicht unwichtiges Ergebnis möchte ich schließlich noch folgendes hervorheben. Wie mir scheint, lehren die angeführten Beobachtungen unzweideutig, daß wenigstens in diesen Fällen die recht- und rückläufige Leitung in denselben Gebilden stattfindet. Denn daß die verkehrte Leitungsfähigkeit eines Gebildes hervorgerufen oder begünstigt wird, wenn es selbst rechtläufig erregt wird, das erscheint, wenn auch keineswegs selbstverständlich, doch nicht gerade überraschend oder befremdlich, daß dagegen die funktionelle Beschaffenheit eines Gebildes dadurch geändert werden sollte, daß Erregungsvorgänge in irgendwelchen anderen benachbarten Teilen ablaufen, erscheint kaum glaublich. !) Bowditch, H. P., Über die Eigentümlichkeiten der Reizbarkeit, welche die Muskelfasern des Herzens zeigen. Berichte d. k. sächs. Ges. d. Wiss. zu Leipzig 1871. Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. Von W.R. Hess. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.) Mit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 1. November 1919.) Das Verlangen nach graphischer Darstellung klinischer Unter- suchungsbefunde ist durch eine Reihe von Vorteilen begründet, welche diese gegenüber der einfachen Beobachtung bietet. Ein solcher liegt z. B. darin, daß sie in ihrer Unvergänglichkeit die günstigere Unterlage für eine erschöpfende Analyse gibt. Es ist oft möglich, Einzelheiten zu erfassen, welche sich sonst unserer Wahrnehmung vollständig ent- ziehen würden, speziell, wenn es sich um den Ablauf von sehr flüchtigen Erscheinungen handelt. — Ein weiterer Vorzug ist dadurch geboten, daß die Registrierung uns in die Lage versetzt, zwischen Teilerscheinungen im studierten Phänomen sehr exakte zeitliche Beziehungen festzulegen, was oft für die Erklärung und Auswertung der Beobachtung von Be- deutung ist. Ferner gibt uns die graphische Aufzeichnung das Mittel in die Hand, zeitlich weit auseinanderliegende Untersuchungsresultate in unmittelbaren Vergleich miteinander zu bringen, wobei selbst gering- fügige Verschiedenheiten augenfällig werden. Feststellungen, welche noch so genau in Worte umgesetzt sind, können nie imstande sein, in diesem Punkte ein Ähnliches zu leisten, ganz besonders dann nicht, wenn es sich um Vergleich der Untersuchungsresultate verschiedener Beobachter handelt. Nicht zu unterschätzen ist schließlich der Umstand, daß wir auf dem Wege der graphischen Registrierung die Leistungen unseres in verschiedener Hinsicht leistungsfähigsten Sinnesapparates zur Analyse heranziehen können, wo eine direkte Untersuchung dies ausschließt. Dieser Punkt kommt z. B. zur Geltung, wenn es sich um die Registrierung von Schallerscheinungen handelt, also auch in dem uns jetzt interessierenden Falle der Registrierung der Herztöne. Es ist nicht anders zu erwarten, daß den eben erwähnten Vorteilen auch gewisse Nachteile gegenüberstehen: Es besteht die Gefahr, daß im Registrierungsvorgang Feinheiten verloren gehen. Es können sich überhaupt die Empfindlichkeitsverhältnisse zuungunsten der optischen Registrierung verschieben. Unvollkommenheiten der Apparatur brin- 3* 36 W. R. Hess: gen sogar die Möglichkeit des Einschleichens eigentlicher Fälschungen mit sich. Diese Punkte werden wir bei Kritik der Resultate ins Auge fassen müssen, wollen wir uns nicht eine der Sache schädlichen Ein- seitigkeit zuschulden kommen lassen. Das hervorragende praktische Interesse, welches die mit der Herz- aktion verbundenen Schallerscheinungen für den Kliniker haben, erklärt, daß schon mehrfach unternommen worden, die eben gekennzeichneten Vorteile der graphischen Fixierung, nutzbar zu machen. Unter den Autoren, welche sich mit derMethodik der Herzregistrierung beschäftigten, finden wir Kliniker und Physiologen, von letzteren Hürthlet!), Eint- hofen?), O.Frank?°), Weiß®), unter ersteren Gerhardt?), Gerhartz®), Ohm’), Wertheim-Salomonson®). Alle möglichen Mittel sind dabei versucht worden, vom Königschen Flammenspiegelprinzip bis zur Verwendung des Einthofenschen Saitengalvanometers oder des Oszillographen von Siemens & Halske. Verschiedene Autoren arbeiten mit einer elastischen Membran, welche ihrerseits ein Spiegel- chen oder einen Glasfaden in Bewegung setzt. Eine ausführliche, reich illustrierte Darstellung findet sich bei Gerhartz‘), eine kurze Skizzierung der wichtigsten bisher publizierten Methoden in einer letzthin aus unserm Institut erschienenen Arbeit?). — Es handelt sich zweifellos um eine nicht ganz einfache Aufgabe, bei deren Erledigung eine große Reihe von Detailfragen eine gewichtige Rolle mitspielen, bei deren Lösung — wir wollen es offen gestehn — sehr häufig nicht das Studieren, son- dern das Probieren das entscheidende Wort spricht. Die beste Gewähr, !) Hürthle, Zur unmittelbaren Registrierung der Herztöne. Zentralbl. f. Physiol. 18, 617, 1904. — Über die Erklärung des Kardiogrammes mit Hilfe der Herztonmarkierung und über eine Methode zur mechanischen Registrierung der Herztöne. Deutsche med. Wochenschr. 19, 77. 1893. 2) W. Einthofen, M. A. J. Geluk, Die Registrierung der Herztöne. Archiv f. d. ges. Physiol. 5%, 617. 1894. — W. Einthofen, A. Flohilu. P. J. T. A. Bat- taerd, Die Registrierung der menschlichen Herztöne mittels des Saitengalvano- meters. Archiv f. d. ges. Physiol. 6%, 461. 1907. 32) O. Frank, Die unmittelbare Registrierung der Herztöne. Münch. med. Wochenschr. 111, 953. 1904. *) Weiss, Otto, Phonokardiogramme. Fischer. Jena 1909. 5) Gerhardt, Über die Verwendung der empfindlichen Flamme zu diagno- stischen Zwecken. Deutsches Archiv f. klin. Med. 16, 1. 1875. 6) Gerhartz, Heinr., Die Regsitrierung des Herzschalles. Springer, Berlin 1911. ”) Ohm, Reinhard, Venenpuls und ee ee als Grundlage usw. Hirschwald, Berlin 1914. — Über die praktische Verwertung der Registrierung des Herzschalles. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 19, H. 2. 8) Wertheim-Salomonson, Das Saitengalvanometer-Signal und die Registrierung von Herztönen. Archiv f. d. ges. Physiol. 142, 413. 9) Straehl, E., Resultate der graphischen Registrierung der Herztöne nach der Methode W. R. Hess. Dissert., Zürich 1920. Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 37 zu einer wirklich praktischen Methode zu kommen, ist unter solchen Umständen dann geboten, wenn auf möglichst vielen Wegen die Lösung des Problems gesucht wird, wobei dann die verschiedenen möglichen Anordnungen in freie Konkurrenz treten. Brauchbarkeit der Resultate und die mehr oder minder große Einfachheit, diese zu beschaffen, wer- den der einen oder andern Methode dann den endgültigen Erfolg sichern. Für die Verständlichkeit der folgenden Ausführungen sind einige vorbereitende Notizen allgemeiner. Natur von Nutzen. Durch die Herzaktion wird die Brustwand in eu ol Ver- setzt. Einem Teil dieser Erschütterung kommt, auf die Luft übertragen, die Qualität einer hörbaren Schallerscheinung zu, die wir als sog. Herztöne vernehmen. Diesen Teil graphisch zu fassen, ist unser Ziel. Dabei müssen wir von vornherein mit der Möglichkeit rechnen, daß es uns evtl. nicht gelingt, die gesamte Schallenergie zur Sichtbarkeit zu bringen, daß uns anderseits vielleicht aber auch andere Schwingungen als diejenigen, welche den hörbaren Ton ausmachen, in der Registrierung mitlaufen. Über diesen Punkt werden wir später noch zu sprechen haben. Besehreibung der neuen Apparatur. Im Mittelpunkt der gesamten Apparatur steht die Einrichtung, welche die Schallwellen der Luft in eine optisch faßbare Erscheinung transformiert. Daran gliedern sich einerseits die Hilfsmittel, welche die sichtbar gemachten Schwingungen zur Aufzeichnung bringen — das Photokymographion —, gliedern sich anderseits die Teilapparate, welche die Schallabnahme von der Thoraxwand und die Zuleitung bis zum Ort der Transformation besorgen, der Receptor und der Schall- leiter. Die Membran. In Anlehnung an die Verhältnisse der physiologischen Schallper- zeption wird die Schallenergie durch eine dem Trommelfell ähnliche Membran der Luft entnommen. Die spezielle Ausgestaltung der Mem- bran wie Größe, Form, Wahl des Materiales, Dieke usw. wird dadurch in eine bestimmte Richtung gezwungen, daß zwei Hauptbedingungen zu erfüllen sind: Die Membran soll möglichst leicht ansprechen, d. h. die Schwelle für.deren Erregung soll möglichst niedrig sein ; denn wir brauchen einen hochempfindlichen Apparat, da die Herztöne im allgemeinen Schallerscheinungen von relativ sehr geringer Intensität sind. Die Membran soll ferner in der Luft bestehenden Schwingungen möglichst getreu folgen. Der Erfüllung dieser Forderung droht insbesondere die Gefahr der Resonanz. Membranen besitzen, wenn nicht ganz bestimmte Bedingungen vorliegen, einen gewissen Eigenton. Dieser 38 W.R. Hess: und Obertöne erscheinen bei jedweder Erschütterung. Aus einem Ton- semisch werden die entsprechenden Schwingungfrequenzen elektiv bevorzugt, so daß sie im Registrierungsresultat unverhältnismäßig in den Vordergrund treten, also. das Bild fälschen. Beiden Bedingungen gerecht zu werden, hat seine Schwierigkeit, hauptsächlich deshalb, weil sie zum Teil gegensätzliche Ansprüche an die Konstruktion der Apparatur stellen. Das Auftreten von Resonanz hat seinen Grund darin, daß die durch eine Druckschwankung in Be- wegung versetzte Membran inkl. Adnexe die Bewegungsenergie nicht mit dem Aufhören der Kraft wieder verläßt, sondern infolge eines Energierückstandes, erst nach mehrfachem Hin- und Herpendeln um die Gleichgewichtslage. Wirken neue Kräfte im Rhythmus dieser Nach- schwingungen, so bilden sich als Folge der Supperposition weit größere Amplituden aus, als diese Kräfte an und für sich bewirken würden. Daraus geht hervor, daß die Resonanz direkt als Verstärkungsmittel benützt werden kann. Die Empfindlichkeitssteigerung kommt aber dabei nur einem eng begrenzten Tongebiet zu. — Auch in bezug auf die Zeitdauer von Schallerscheinungen bringt die Resonanz Fehler mit sich, indem das registrierte Schallbild infolge der Nachschwingungen die wirkliche Schallerscheinung überdauert. Die beiden genannten Fehler fallen dahin, wenn man eine sog. Dämpfung anbringt, d. h. ein Mittel, welches der Membvan bei ihrer Bewegung fortlaufend so viel Energie entzieht, daß deren Bewegung möglichst unmittelbar mit dem Aufhören der die Bewegung verursachenden Kraft selbst aufhört. Es ist klar, daß durch die Wirkung einer solchen Dämpfung fürs erste die hohe elektive Empfindlichkeit der Membran erlischt; durch die Be- kämpfung der Resonanz leidet aber auch die Empfindlichkeit der Membran im allgemeinen, und zwar unter Umständen in sehr hohem Maße. Für die Ausgestaltung einer Methode, welche bei gleichzeitig hoher Empfindlichkeit die Fehler der Resonanz vermeidet, ist nun die Tat- sache von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Aussichten, beiden Forderungen gleichzeitig gerecht zu werden, um so günstiger sind, je kleiner die bewegte Masse, insbesondere desjenigen Teiles, dessen Bewegung die größte Amplitude aufweist. Je weiter man kommt in der Tendenz, die schwingende Masse zu reduzieren, um so mehr tritt die Störung durch Eigenschwingung zurück, weil sich die lebendige Kraft des in Schwingung versetzten Systemes rascher er- schöpft. Nach diesen prinzipiellen Erörterungen betreffend Membran mag die Tatsache auffallen, daß gerade diejenige Einrichtung, welche in bezug auf die Empfindlichkeit und Treue der Wiedergabe hohe Voll- kommenheit besitzt, der formulierten Forderung kleinstmöglicher Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 39 Masse nur sehr mangelhaft nachkommt, nämlich das Trommelfell und seine Adnexe. Tatsächlich hat die Frage der Unterdrückung der Eigen- schwingung des Trommelfelles schon oft die Physiologen beschäftigt. Entgegen verschiedenen gegebenen Erklärungen z. B. auch der bekann- ten Argumentierung von Fick scheint mir die Sache so zu liegen, daß es grundsätzlich falsch ist, die Ursache für die Resonanzfreiheit im Trommelfell selbst zu suchen. Resonanz ist — wie auseinandergesetzt — die Folge eines Energierückstandes, welcher nach Aufhören der eine Membran in Bewegung versetzenden Kraft in Form von Nachschwin- gungen in der Membran zurückbleibt. Das Trommelfell leitet aber die von ihm aufgefangene Energie unmittelbar weiter ‘ durch die Gehörknöchelchen ins Labyrinth. Sie wird dort die Ursache zur Bewegung des flüssigen Inhaltes und der Basilarmembran. Infolge der dabei auftretenden Reibung wird die Bewegungsenergie des ganzen schwingenden Systemes fortlaufend aufgezehrt. Derselbe Mechanis- mus, welcher die Luftschwingungen in Nervenerregungen umsetzt,istes,welcherdemEntstehenderResonanzentgegen- wirkt und die konkrete Lösung einer möglichst vollkommenen Ausnützung der vom Trommelfell aufgefangenen Energie stellt gleich- zeitig das Ideal eines resonanzfreien Systemes dar. — Be- stimmte Lebensbedingungen der Nervenzellen knüpfen beim Ohr den Umsetzungsmechanismus an die Mitbewegung von Flüssigkeit. Die durch deren Beharrungsvermögen wirksam werdende große Gegenkraft verlangt einen relativ massiven Bau des Systemes. Die starke Energie- zehrung durch die innere Reibung der Flüssigkeit wirkt dabei der durch die relativ große Masse des Systemes begünstigten Reso- nanz entgegen. Gleichsinnigen Einfluß hat die Reduktion der Ampli- tude der schwingenden Masse, eine notwendige Folge der Energieüber- tragung unter Anwendung relativ großer Kräfte. Bei dem Ziel, das wir mit unserem Umsetzungsmechanismus ver- folgen, liegen die Verhältnisse gerade hierin anders, daß große Aus- schläge für die Entstehung einer deutlichen, sich in feine Einzelheiten auflösenden Kurve wünschbar sind. Wir müssen deshalb hier mit kleinen Kräften rechnen, weil die Wegstrecken groß sind und sich die Arbeits- leistung der Schallwellen am Transformierungssystem, wie jede Arbeit, als Produkt aus Kraft mal Weg darstellt. Die hohe Geschwindigkeit der bewegten Teile, bedingt durch die weit ausgreifende Amplitude, verbunden mit der sehr geringen Luftreibung begünstigt die Resonanz als störenden Fehler stark. Deshalb, und weil wir in unserm System auf geringste Kräfte angewiesen sind, ist die Forderung nach kleinst- möglicher Masse der bewegten Teile absolut dringlich. Das Material, aus welchem unsere Membran besteht, ist Paragummi. Die Vorzüge desselben sind außerordentliche Dehnbarkeit, infolge deren 40 W.R. Hess: sich relativ geringe Gegenkräfte entwickeln, wenn dieDruckschwankungen der Luft die Membran aus der Gleichgewichtslage herausdrängen, d. h. in Bewegung versetzen. Sehr wertvoll ist auch der Umstand, daß Gummi eine hohe Hysteresis besitzt. Der mit dem Wechsel des Dehnunss- zustandes im Schwingen der Membran verbundene Energieverbrauch ist uns entsprechend dem oben Ausgeführten als Dämpfung willkommen. — Gerhartz kam zwar zufolge seiner Erfahrung dazu, Gummi als Mem- branmaterial als das schlechteste zu verwerten (l. c. S. 3). Die Gründe gibt er nicht näher an. Tatsache ist, daß uns das Material wie unsere Kurven zeigen, vorzügliche Dienste geleistet hat. Ich möchte aus diesem Widerspruch keinen anderen Schluß ziehen, als daß er zeigt, daß man sich bei den zu überwindenden technischen Schwierig- keiten von einer erneuten Behandlung des Problems nicht abhalten lassen darf. In der Beschaffung der Gummimembran blieb bei der Zartheit, wie wir sie brauchen, keine andere Wahl, als die der Selbstverfertigung. Mit etwas Übung ist es nicht schwierig, mit einem kurz in eine Lösung von Paragummi und Benzol eingetauchten Glasrohr von ca. 15 mm Licht- weite ein seifenblasenähnliches Gebilde zu erzeugen, welches man durch Anhauchen glücklich über die Gefahr des Zerplatzens hinwegbringt. So bleibt nach Verdunsten des Benzoles eine äußerst zarte Gummimem- bran, welche so dünn werden kann, daß sie Interferenzfarben zeigt. Schlechte Membranen können auch nach dem Trocknen platzen, gute bleiben für einige Wochen bestehen, sofern sie vor direkter Berührung und vor Wärme geschützt sind. Nach vollständigem Ab- dunsten des Lösungsmittels überträgt man die Membran auf einen spe- ziellen Membranträger, wie er aus Abb. 1 ersichtlich (M T). Der Durch- messer desselben beträgt 5mm, so daß ein relativ kleines Stück der Rohmembran genügt, die Öffnung des definitiven Membranträgers zu überspannen. Man sucht sich hierfür die bei der Prüfung der Roh- membran im Reflexlichte am glattesten erscheinende Partie. Solch zartesten Gummimembranen kommt meistens nur eine sehr kurze Lebensdauer zu, nach Tagen bis einigen Wochen zählend. Als sehr wirksames Mittel, sie sehr bedeutend zu erhöhen, ohne die Em- pfindlichkeit merklich zu beeinträchtigen, hat sich die Verbindung des Gummihäutchens mit dem feinen engmaschigen Spinngewebe (von Tegenaria) erwiesen. Schon das Gewebe allein läßt sich als Membran zu Herztonregistrierungen verwenden, wie damit gemachte Versuche gezeigt haben. Naturgemäß kommen aber die Druckschwankungen, welche der Membran zugeleitet werden, nur zum Teil zur Ausnützung, da sie sich durch die Maschen des Gewebes ausgleichen können. Die Dichtung des Maschensystemes durch die beschriebenen Gummihäut- chen, vereinigt die Empfindlichkeit des einfachen Gummihäutchens mit Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 41 der relativ hohen Resistenz des Spinngewebes, dessen zarte Fäden sich mit dem Häutchen beim Auftragen sofort fest verkleben. Wie bereits erwähnt, befindet sich dieMembran auf einem entsprechend Abb. 1 gebildeten Membranträger; dieser findet seinen Platz in einer Hülse, an welcher der Stift (St) angebracht ist. Durch Drehen der Spannschraube SS .läßt sich der Stift in der Richtung seiner Achse ver- schieben, so daß er nach Wunsch mehr oder weniger über die Membran- fläche hinausragt. Auf dem Stifte befindet sich ein kleines Korkklötz- chen aufgesetzt, welches mit einer dünnen, gegen den Membranmiittel- punkt gerichteten Nadel den Fadenträger #T ausmacht. Dieser letztere dient einem Platinfaden PF von 0,005 mm Durchmesser mit 5—7 mm Abb. 1. Die Bestandteile der Registriervorrichtung: Membranträger M T mit verstellbarem Stift St, auf welchem der Fadenträger FT aufgesteckt ist. Der Stift ist durch Spannschraube SS verschiebbar. An den Membranträger angeschlossen: der Leitungsschlauch Z S als Verbindung zum Receptor. Auf der Membran sitzt die Fußplatte FP des schwingenden Fadens F. Optischer Teil: Lichtquelle Z, Kondensor X, Projektionsmikroskop M. Alle Bestandteile sitzen auf nicht eingezeichneter prismatischer Führungsschiene. !/, nat. Gr. Länge als punctum fixum. Das andere Ende eben dieses Fadens steht durch ein Zwischenstück mit der Membran in Verbindung. Dieses Zwischenstück hat die Aufgabe, das bewegliche Ende des Platinfadens auf der Membranmitte zu verankern. Für diesen Zweck konnte ich nichts Besseres finden, als das Pfeilerchen, welches beim Löwenzahn- samen den Haarschirm mit den Samenkörnchen verbindet. Dieser letztere gibt nach Zurückschneiden der Haare in der aus der Abbildung ersichtlichen Weise eine gute Fußplatte FP. Das Pfeilerchen selbst ist auf I—2 mm gekürzt. Die Form der aus den proximalen Teilen der Flughaare bestehenden Fußplatte ist nicht kreisrund, sondern ein spitz auslaufendes Oval. Die in die Membran eingesetzte Fußplatte erhält dadurch eine Führung, daß ihre Spitze bis zum Rande des Membran- trägers hinausreicht. Es soll dadurch die Ausbildung einer um den 42 ; W.R. Hess: Fußpunkt des Pfeilers verlaufenden kreisförmigen Schwingungknoten- linie unmöglich gemacht worden. Noch einiges ist über den Platinfaden zu sagen, welcher die Strecke vom freien Ende des Pfeilerchens bis zur Nadel überspannt. Es handelt sich um einen Wollastonfaden. Vor dem Einsetzen hat man ihm eine ziemlich starke Durchbiegung gegeben, die er, wenn keine äußere Kraft auf ihn wirkt, anzunehmen bestrebt ist. In situ gebracht, wird er so weit gestreckt, daß eben noch eine leichte Wölbung erkennbar bleibt. Er befindet sich also in einer erzwungenen Stellung, wirkt andauernd mit einem leichten Zug auf die Membran, die mit einem Gegenzug von derselben Stärke antwortet. In dieses Gleichgewicht zweier feinster Kräfte greifen nun beim Auftreffen von Schallwellen die Druckschwan- kungen störend ein im Sinne zu- oder abnehmender Fadenspannung. Auf diese Gleichgewichtsstörungen antwortet der Faden mit zu- oder abnehmender Druckbiegung und bei rhythmischer Wiederholung der Druckschwankungen mit entsprechenden Schwingungen. Sehr wesent- lich für diesen Umsetzungsmechanimus ist die Tatsache, daß die Faden- bewegungen die Membranschwingung 4—-6fach vergrößert wiedergeben, eine Folgung der besonderen Anordnung. Der Grad der Vergrößerung kann in einem gewissen Bereich dadurch variiert werden, daß man dem Faden eine geringere oder größere Biegung im Ruhezustand der Membran verleiht. Die Spannschraube 8S, welche den Stift (St) verlängert oder verkürzt, gestattet eine solche Änderung der Fadenbiegung. Je mehr man streckt, um so erheblicher werden die Anschläge der Fadenmitte bei gegebener Verschiebung des Fußpunktes vergrößert. Praktisch scheint mit 4—6facher Vergrößerung der für die Registrierung günstige Zustand erreicht zu sein. Diese ist erheblich genug, um mit einer 500- bis 1000fachen optischen Vergrößerung eine minimale Membranerschüt- terung in gut wahrnehmbarer Fadenschwingung sichtbar werden zu lassen. So gering die schwingende Masse bei der von Weiss angegebenen Vorrichtung auch ist, so kommt diese der eben beschriebenen in bezug auf Bekämpfung der Nachschwingungen und damit der Resonanz nicht nahe. Denn die Vervielfältigung, welche bei unserer Anordnung die Membranamplitude erfährt, bedeutet nichts anderes, als daß zu einer bestimmten Ausschlagsweite des photographierten Fadens weit geringere Membranausschläge gehören. Es ist dies auch für die An- sprechbarkeit des Systemes sehr wertvoll. Damit haben wir den ersten wesentlichen Bestandteil der Registrier- vorrichtung kennen gelernt, dessen schwingende Teile (Membran mit Pfeiler und Faden) ca. 0,2 mg wiegen. Wir mußten ihn genau beschrei- ben, da er in allen seinen Einzelheiten den Erfolg der Registrierung bestimmt. Zur Apparatur gehört, wie bereits angedeutet, eine einfache Mikroprojektionsvorrichtung, welche 500-—-1000fach vergrößert. Im Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 43 Interesse einer allgemeinen Verwendungsmöglichkeit habe ich das Ziel verfolgt, mich vor: einer Bogenlampe als Lichtquelle zu emanzipieren und an Stelle deren eine Beleuchtungsart zu setzen, welche direkten Anschluß an die gewöhnliche Lichtleitung oder kleine Akkumulatoren . ermöglicht. Für eine prinzipielle Lösung des Problemes ist dies neben- sächlich, für die Verwendung der Methode für klinische Zwecke da- gegen sehr wesentlich. Die Forderung hat darin ihre Verwirklichung gefunden, daß durch einen Aplanatkondensator X vom Leuchtfaden LF . einer 50kerzigen Nitralampe ein stark verkleinertes Bildchen in der Schwingungsebene des Fadens entworfen wird, bzw. in kurzer Distanz vor demselben. Das Mikroskop M projiziert dieses Bildchen mitsamt dem Membranfaden, der aus dem Glühfadenbild eine Unterbrechung ausspart, die entsprechend der Bewegung des erstern im leuchtenden Bild auf und ab wandert. Da die Ebene des verkleinerten Glühfaden- bildehens und des Registrierfadens nicht vollständig koinzidieren, präsentiert sich die Leuchtspirale als ziemlich homogen erleuchtetes Längsband. In der beschriebenen Weise wird das von der Lichtquelle gelieferte Bild sehr viel besser ausgenützt, als bei einer Bogenlampe, so daß auch die kleineren Lichtintensitäten für die Registrierungen vollauf genügen. Die beschriebene optische Einrichtung ist auf einer Führungsschiene mit prismatischem Querschnitt montiert; sie wird ergänzt durch ein Photo-Kympographion, welches der Bedingung Genüge zu leisten hat, den Film mit 5—10 cm Sekundengeschwindigkeit hinter dem Schlitz, durch welchen die Beleuchtung erfolgt, vorbeizu- führen. Wir selbst benützen den Frankschen Apparat, dem wir einen Chronographen nach Jaquet beigeben, der mit seiner Feder in direktem Schattenbild 1/, Sekunde notiert. Als sehr zweckentsprechend erwies sich eine Filmgeschwindigkeit von 7 cm. Die Schwingungen er- scheinen dabei im Bilde nicht sehr gedrängt; anderseits fällt der Film- verbrauch nicht allzu groß aus. Receptor und Schalleitungsapparat. Als einen dritten Hauptbestandteil der Apparatur haben wir noch die Einrichtung kennen zu lernen, welche die Schallwellen der Membran zuleitet. Die Vorrichtungen, welche diese Aufgaben erledigen, sind in ihrer speziellen Ausgestaltung nicht nebensächlich; denn auf dem Wege von der Brustwand bis zur Membran können sich Fehler und Störungen einschleichen, z. B. infolge von fremden Erschütterungen, welche den Zuleitungsapparat treffen. Diese teilen sich der Luft im Leitungsrohr mit, welche ihrerseits die Membran in Bewegung versetzt. Wir ver- meiden Erschütterungen nach Möglichkeit dadurch, daß alle Teile des Registrierungsapparates, soweit angängig, auf solider Unterlage, die von 44 W.R. Hess: einem schweren Stativ getragen ist, festgeschraubt sind. Es ist wohl zu beachten, wieviel subtiler die Behandlung der Registrierungsappa- ratur in dieser Beziehung ist als die direkte Auscultation der Herztöne. Der Unterschied in der Störungsmöglichkeit ist dadurch bedingt, daß unser Ohr nur anspricht, wenn die Schwingungen eine höhere Frequenz . als ca. 20 aufweisen. Alle Schwingungen, welchen eine niederere Fre- quenz zukommt, fallen für die Perzeption durch das Ohr-außer Betracht. Sie stören das akustische Bild nicht. Die registrierende Membran reagiert, wie wir noch hören werden, auch bei langsameren Schwingungen, und | zwar sehr empfindlich. Diese in einer Hinsicht sehr erwünschte Über- legenheit muß durch die größere Subtilität erkauft werden. Zum Zuleitungssystem gehört noch der sog. Receptor, d. i. eine flache Metallschale, welche in ihrem Grund eine Durchbohrung trägt. Die Form des Receptors R ist auf Abb. 2 ersichtlich. Form,. Material und Befestigung sind so gewählt, daß ein Mitschwingen in toto möglichst verhindert wird. Die Form der Re- y. ceptorschale ist flach, um den ge-: samten Luftraum im System mög- lichst klein werden zu lassen. Das Zustandekommen hoher Amplituden der durch die Brustwandschwingun- gen hervorgerufenen Druckschwan- kungen wird dadurch begünstigt. Außerdem sind bei einer niederen 5% Luftkammer Störungen durch deren Abb. 2. Bestandteile Zur Tonabnahme: Re- Besonanz praktisch bedeutungslos. ceptor R, d. i. eine exzentrisch angebohrte E y Hohlschale mit schräger Frontfläche. Sie ist Gerhartz empfiehlt die Verwen- Inder yr da Telnet. lung eines Receptors von Paraboloid- träger führt. Eine seitliche Abzweigungnimmt form. Er ist dabei im Irrtum ver- das auswechsebare Yortistick Put Der fangen, daß unter den obwaltenden welches auch die Registrierbestandteile trägt. Verhältnissen die normalen Re- 1/, nat. Gr. a © flexionsgesetze in Frage kom- men. Dem ist nicht so. Durch Helmholtz und Mach wissen wir, daß die Bedingungen für deren Gültigkeit nicht mehr erfüllt sind, wenn die reflektierte Fläche kleiner als die halbe Wellenlänge ist. Für die Herzschallwellen, deren Länge nach Metern mißt, hat die Paraboloidform für einen Schalltrichter von der Klein- heit eines Herztonreceptors deshalb vollständig illusori- schen Wert. In bezug auf den Durchmesser des Receptors ist der Umstand maß- gebend, daß die Intensität der auf dieMembran wirkenden Druckschwan- Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 45 kung um so größer ist, je größer die Fläche, die der Receptor auf der Brustwand überdeckt. Dem Verlangen, der Membran möglichst viel Energie zuzuführen, ist jedoch eine Grenze gesetzt, da der Receptor in seiner ganzen Zirkumferenz der Brustwand anliegen muß, was in- folge der Wölbung derselben, gelegentlich auch wegen der durch die Rippen bedingten Unebenheiten, um so schwerer zu erreichen ist, je größer die überdeckte Fläche ist. Diese nicht allzu groß zu wählen, ist schließlich auch deshalb geboten, weil bei kleinen Receptoren eine schärfere Differenzierung nach den verschiedenen Auscultationsstellen möglich ist. Zweckentsprechend hat sich mir ein Öffnungsdurchmesser von 26mm erwiesen, bei einer größten Kammertiefe von2mm am äußeren Rand und 6 mm in der Mitte. Oben ist erwähnt worden, daß der Receptor eine Durchbohrung auf- weist. Sie ist dazu da, den Anschluß an das Leitungsrohr L zu geben; man stellt ihn her durch einfaches Aufstecken. Die Verbindung ist derart, daß der Receptor um die Rohrachse gedreht werden kann. Weil die Durchbohrung exzentrisch ist und schief auf der Öffnungsebene steht, kann durch Drehung die Frontfläche des Receptors in verschiedene Ebenen gebracht werden, eine Möglichkeit, welche das Erreichen eines guten Schlusses des an der Brustwand anliegenden Receptors sehr er- leichert. Noch ist eine Besonderheit des Leitungssystemes zu erwähnen! Die Bewegungen der Brustwand, welche sich der Luft der Receptor- kammer mitteilen, sind sehr kompliziert. Den langsamen und unregel- mäßigen Vorwölbungen und Einziehungen, wie sie durch Form und Lageveränderung des Herzens im Verlaufe einer ganzen Aktionsperiode bedingt sind, sind Vibrationen beigemischt, welche zum Teil den Charak- ter srobkörniger Erschütterungen tragen, zum Teil so regelmäßig und frequent sind, daß sie zu einer hörbaren Schallerscheinung führen. Wie in bezug auf die Frequenz, besteht auch eine außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Amplitude, und zwar in dem Sinne, daß im all- gemeinen die Ausschläge um so größer sind, je geringer die Frequenz, Alle die genannten Bewegungen der Brustwand führen zu einer Inhalts- veränderung der Receptorkammer, deren eine Begrenzungsfläche die Brustwand bildet. Wäre die Receptorkammer vollständig von der Außenluft abgeschlossen, so würden die Inhaltsveränderungen genau entsprechende Druckschwankungen im Innern zur Folge haben. Die Druckschwankungen teilen sich dem Leitungssystem mit und geben den Anlaß für die Bewegung an der Membran. Bei der Herzschall- registrierung wünschen wirnunnichtalle diese Vibrationen in derKurvezur Aufzeichnungzu bringen. Ihre Durchmischung schafft so komplizierte Verhältnisse, daß eine Analyse der geschriebenen Kurve auf größte Schwierigkeiten trifft. Was wir erstreben, ist eine 46 W.R. Hess: ähnliche Ausscheidung einer bestimmten Zone aus dem ganzen Schwin- sungsspektrum, wie wir sie beim Ohr mit seiner nach unten und oben begrenzten Ansprechbarkeit vorfinden. In der Registrierung handelt es sich deshalb darum, die Membran dem Einfluß der langsam ver- laufenden Brustwandbewegungen zu entziehen, deren graphische Wiedergabe zu einem Kardiogramm führen würde. Dies Ziel zu erreichen, sind von einzelnen Autoren bisher verschiedene Mittel angewendet worden. Eine Möglichkeit ist der Abschluß des Receptors nach der Brustwandseite hin durch eine elastisch-resistente Scheidewand. Einen andern Modus haben wir im sog. offenen System vor uns, wie es z. B. von Einthoven und Frank u. a. angewendet wird. Im Prinzip entspricht es vollständig demjenigen des im Jahre 1896 von v. Hefner-Alteneck angegebenen ‚„Variometers“. Die Anwendung des ‚offenen Systemes“ findet zwar nicht die Zustimmung von Gerhartz. Vergleichversuche mit der Wirkung der Receptor- scheidewand lassen mich aber doch das offene System wählen, haupt- sächlich deshalb, weil es seine Wirkung auf einfachste Weise zu dosieren erlaubt. Das Wesentliche dieses offenen Systemes ist eine Abzweigung, welche vom Rohr, das Receptor mit Membran verbindet, ins Freie mündet. Wir wollen dieses Zweigrohr als „Ventil“ (in Abb. 2) bezeichnen. Seine Wirkung besteht darin, daß es den im Innern des Systemes entstehenden Druckschwankungen Ausgleich ver- schafft. Die praktische Anwendung dieses Ventiles zeigt, daß dabei nicht alle Schwingungsfrequenzen in gleichem Maße aus dem System aus- treten. Langsame Inhaltsveränderungen finden einen so vollkommenen Ausgleich durch das Ventil, daß sie als Ursache für eine sichtbare Mem- branbewegung überhaupt nicht mehr in Betracht fallen. Je rascher die Schwingungen, um so weniger ‚durchlässig‘ wird das Ventil, so daß bei sehr hohen Schwingungsfrequenzen die Amplitude durch die Ven- tilöffnung nur mehr geringfügig beeinträchtigt wird. Nicht ganz nebensächlich ist die Stelle, welche für die A des Ventilrohres gewählt wird. Nahe am Receptor, oder nahe an der Membran? Soweit es sich nach der publizierten Skizze beurteilen läßt, wurde von Einthofen — auch von Ohm — (welch letzterer die „, Vventilöffnung‘ in Form eines zirkulären Schlitzes im Zuleitungsrohr anwendet) der letzteren Möglichkeit den Vorzug gegeben. Meine An- ordnung verweist die Abzweigungsstelle möglichst nahe an den Recep- tor. Dabei ist mir die Vorstellung wegleitend, daß ein Widerstand, der zwischen Ventilabzweigung und Membran eingeschaltet ist, derart als „Filter“ wirkt, daß er nur von rasch verlaufenden Schwingungen mit steilem Verlauf der Druckänderung durchdrungen wird. Bei der von mir gewählten Anordnung ist also der nicht zu vermeidende Widerstand, Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 47 den das 13,5cm lange Zuleitungsrohr der Fortleitung des Druckes bietet, zweckmäßig ausgenützt. Längere Zeit hatte ich das Ventilrohr vom Receptor selbst abgehen lassen, so daß überhaupt keine gemein- schaftliche Strecke von Schallzuleitung zur Membran und zur Ventil- öffnung bestand. Unbequemlichkeiten in der Handhabung des Recep- tors haben mich veranlaßt, die Abzweigung von der äußersten Peripherie etwas abzurücken. Das ‚offene System“ findet seine Vervollständigung in einer Vor- richtung, welche die Wirkung des Ventiles variieren läßt. Wir erreichen dies dadurch, daß wir über einen Satz verschieden langer Ventilansätze verfügen, alle von gleichem Querschnitt. Ist die Herzaktion von aus- giebigen Ausschlägen mit Kardiogrammcharakter begleitet, so ist ein sehr wirksames Ventil nötig. Das Aufsetzen eines kurzen Ventilrohres erfüllt diese Bedingung. Bei schwachen Herztönen läßt ein solches aber allzuviel von der Energie für die Membranin Verlust geraten. Unter diesen Umständen ist ein dem Ausgleich größere Widerstände dar- bietendes langes Ventilrohr am Platze, indem es bessere Tonkurven erreichen läßt. Selbstverständlich erhält die Aufzeichnung eine Notiz beigefügt, aus welcher wir die Nummer des verwendeten Ventilrohres erkennen, so daß trotz Veränderlichkeit des Ventils eine quantitative Beziehung zwischen Kardiophonogramm und absoluter Intensität der Tonerscheinung aufrechterhalten bleibt. Die Prüfung des Apparates!). Zur exakten Deutung der mit der beschriebenen Apparatur aufge- zeichneten Kurven ist es notwendig, daß wir sie einer Prüfung unter- werfen. So bedürfen wir der Orientierung über die Empfindlichkeit und zwar differenzierend nach den verschiedenen Tonhöhen. Dabei kommt es nicht darauf an, ein absolutes energetisches Maß des Schwellen- wertes zu erhalten, als die Relation zur Empfindlichkeit des Ohres her- zustellen, entsprechend dem Zweck der Registrierung, die Beziehung zwischen dem optischen und akustischen Herztonbild herzustellen. Die Anordnung dieser Kontrollversuche war derart, daß ein ange- schlagener Stimmgabelton gleichzeitig mit der Registrierung von einer Versuchsperson auseultiert werden konnte. — Dicht neben das vom Receptor entblößte Zuleitungsrohr war zu diesem Zweck ein zweites Rohr von gleicher Lichtweite festgeschraubt. Dieses mündet in einen kurzen Schlauch, welcher am andern Ende ein Ansatzstück zum Ein- führen ins auscultierende Ohr trägt. Die Versuchsperson verstopft sich beim Experiment das eine Ohr mit nasser Watte. In das andere Ohr ist der Hörschlauchansatz eingeführt. Bei dieser Situation wurde 1!) Herstellung durch E. Angst, Mechaniker, Zürich, Rämistr. 69. 48 W.R. Hess: die angeschlagene Stimmgabel in 2cm Entfernung vor der Doppel- öffnung langsam auf und ab bewegt. Bei geschlossenen Augen gibt die Versuchsperson das Zeichen, daß sie den Ton hört, während der Untersuchende selbst die Schwingungen des gleichzeitig erregten Fadens kontrolliert. Unter künstlicher Dämpfung der Stimmgabel durch leise Berührung mit dem Finger reduziert sich die Tonstärke sukzessive. Sowie die Tonwahrnehmung auf die Hörbarkeitsschwelle herabgesunken ist, gibt die Versuchsperson ein zweites Zeichen; es ist dies das Signal zum Einsetzen der Registrierung des Tones, den die nunmehr ohne künstliche Dämpfung weiterschwingende Stimmgabel abgibt. | 16 24 36 55 90 Abb. 3. Stimmgabelschwingungen verschiedener Frequenz: Dle Registrierung ist bei derjenigen Schallintensität vorgenommen worden, welche das Gehör eben noch deutlich zu erregen ver- mochte. Die über die Frequenz von 90 pro Sek. nach oben fortgeführten Versuchen ergaben zunächst Kurven, die im |Original die Schwingung noch mit Sicherheit erkennen, aber eine brauchbare Reproduktion wegen der Feinheit der Struktur nicht mehr erwarten ließen. Bei weiterer Steigerung der Tonhöhe versagt hingegen die Registrierung im Bereich des Schwellen- wertes des Ohres vollständig. Nat. Gr. Die konkrete Durchführung des Experimentes verlangt bei sehr tiefen Tönen noch eine Modifikation der Versuchsdisposition. Bei sehr tiefen Tönen z. B. von 16 und 20 Schwingungen war nämlich ein Erhören des Tones auch bei kräftigem Anschlagen nicht möglich, während der Registrierfaden sehr starke Anschläge gab; dement- sprechend mußte hier schon unterhalb der An muizenyyenze zur Be- gistrierung geschritten werden. Resultate der beschriebenen Versuche sind in den Abb. 3 nieder- gelegt, d. h. soweit die Feinheit der Bildstruktur eine Reproduktion nicht illusorisch macht. Wir haben aus denselben folgende für die Deutung der Herzschallregistrierung wichtige Schlußfolgerungen zu ziehen: Die Empfindlichkeit des Registrierungsapparates ist im Bereiche dertiefsten Tönedem Ohrganzerheblichüberlegen. Es scheint, daß diese Überlegenheit bei 20—25 Schwingungen maximal ist, wenig- stens konnte mit der Stimmgabel bei 16 Schwingungen trotz stärkstem Anschlagen keine ähnlich hohe Amplitude erreicht werden, wie bei der Einstellung der Stimmgabel (aus der Edelmannschen kontinuier- lichen Tonreihe) auf 20—25 Sekundenschwingungen. Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 49 Die Überlegenheit der Membran wird bei steigender Tonhöhe nach oben bei ca. 90 Doppelschwingungen abgelöst von einem Gebiet annähernd gleicher Empfindlichkeit. Eine volle Äquivalenz treffen wir z. B. bei einer Schwingungsfrequenz von 154. Mit weiterer Erhöhung des Tones bleibt die Registrierung immer mehr zurück, so daß sie bei 320 Schwin- gungen dem Ohr bereits etwas nachzustehen scheint. Bei höheren Tönen ist von Schwingen des Fadens nichts mehr zu sehen im Bereiche der Intensität, die für das Gehör den Schwellenwert darstellt. Die ganze über die relative Empfindlichkeit der Apparatur gemachte Erfabrung findet darin ihre Auswertung, daß wir keine volle Kongruenz der akustisch und optisch perzeptierten Herzschallbilder erwarten. In letzterer haben wir eine andere Intensitätsverteilung als in ersterer. Wir stehen hier vollständig analogen Verhältnissen gegenüber, - wie bei der photographischen Reproduktion eines farbigen Objektes, wobei im Bild die kurzwelligen Strahlen eine ausgesprochene Prä- valenz erreichen, sich auch solche Strahlengattungen Ausdruck ver- schaffen, die unser Auge direkt nicht ansprechen. Im Herztonbild sind es nun die geringen Frequenzen, die sich in den Vordergrund drängen, und es treten neue Elemente in das Tonbild dadurch ein, daß Frequen- zen erscheinen, für die unser Ohr taub ist. Es ist einleuchtend, daß diese Bereicherung evtl. sehr wertvolle Dienste leisten wird. Freilich trägt sie auch größere Schwierigkeiten für das Verständnis des Herztonbildes in sich. Für die Bewertung der Registrierungsresultate ist eine weitere Prü- fung der Apparatur unerläßlich! Wir bedürfen noch der Anhaltspunkte darüber, inwieweit wir mit Nachschwingungen des erregten Systemes zu rechnen haben, aus welcher Erscheinung — wie oben erwähnt — eine elektive Bevorzugung gewisser Schwingungsfrequenzen resultieren müßte und außerdem die exakte Wiedergabe der zeitlichen Verhältnisse gestört würde. — Auf diesen Punkt gerichtete Experimente sind so durchgeführt worden, daß ich vor dem Receptor einen einfachen Schallimpuls erzeugte und dann die geschriebene Kurve auf vorhandene Nachschwingungen und deren Dekrement untersuchte. Diese Absicht ließ sich so erreichen, daß ein kleines, nicht stecknadelkopfgroßes Körnchen Jodstickstoff in ca. 4 cm vor dem Receptor zur Entzündung gebracht wurde. Während man ein scharfes Knacken hört, schlägt der Faden aus. Stärkere Entladungen sind zu vermeiden, weil sonst die Resonanz des Auf- nahmeraumes ein störendes Nachklingen bewirkt. In der geschriebenen Kurvesehen wir das ruhige Kurvenband plötzlich abgebrochen und nach einer Strecke, die ca. 0,015 Sekunden entspricht, wieder erscheinen. Zwi- schenhinein finden wir in feinster Schrift eine Kurve gezeichnet, begin- nend mit einem weit ausgreifenden Ausschlag, dessen Kulminationspunkt bis:zum 10fachen der Fadenbreite von der Achse des ruhenden Fadens Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 4 50 W.R. Hess: entfernt ist. Ein so bemessener primärer Ausschlag ist im weitern von drei Doppelwellen gefolgt, von denen die letzte-noch eine Amplitude von 2mm aufweist, bei einer primären Amplitude von 22mm. Die Frequenz der Nachschwingungen berechnet sich auf ca. 266 Doppel- schwingungen pro Sekunde. Die Gesamtdauer der Störung beträgt, wie erwähnt, 0,015 Sekunden. Es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Nachschwingungen zum Teil dadurch bedingt sind, daß vom Ort der Gleichgewichtsstörung der Luft — dem Explosionszentrum — nicht eine, sondern eine Serie von Druckwellen ausgehen, ähnlich wie in der Wasserfläche von der Stelle, an welcher ein Stein hineinge- worfen worden ist. Aber auch wenn die Ursache für die Nachschwingun- gen allein im Registriersystem zu suchen ist, so können wir aus unsern Beobachtungen doch herauslesen, daß essehr promptreagiert und sehr gut gedämpft ist. Das Vorkommen von scharfen, nachschwingungsfreien Zacken, wie sie im Kardiophonogramm beim zweiten Herzton häufig erscheinen, erweist ebenfalls, und zwar in der konkreten Anwendung, die Tauglich- keit des Registriersystemes. Die Aufnahme. Soll von einem Patienten das Kardiophonogramm aufgenommen werden, so beginnen wir mit der Kontrolle des Apparates: Wir beobach- ten die Schärfe des Fadenbildes auf der Skala des Kymographions und überzeugen uns vom Ansprechen des Fadens auf gedämpften Konversationston. Als zweites auscultieren wir die Herztöne des zu Untersuchenden und bezeichnen mit Fettstift die Stelle der Brustwand, von welcher wir das Kardiophonogramm abnehmen wollen. Die Stelle des Spitzenstoßes ist im allgemeinen ungünstiger als diejenige I—2 cm sternalwärts davon. Der Patient wird auf einen Stuhl mit Höheverstellung gesetzt, derart, daß die gezeichnete Brustwandstelle bei bequemer Haltung des Patienten mit dem. Receptor auf gleichem Niveau liest. Wir erteilen nun die Instruktion, die Brust leicht an den Receptor anzulegen, wobei man den letztern durch Drehen der Neigungsfläche der Brustwand an- paßt. Dem Untersuchten fällt es leicht, der Anforderung nachzukommen, wenn man ihn an den Schultern faßt und ihn dabei etwas dirigiert. Man beobachtet die Fadenbewegung beim ersten Anlegen, ohne daß registriert wird. Der Faden muß dabei entsprechend den beiden Herz- tönen zeitlich scharf begrenzte Schwingungen aufweisen und inden Tonpausen möglichstruhig stehen. Ist dies letztere nicht der Fall, so wählt man ein kürzeres Ventilrohr, bis die Unruhe des Fadens in den Tonpausen schwindet. — Zeigt dagegen bei der ersten Prüfung der Faden nur geringe Tonausschläge, so ersetzt man das Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 51 Ventilrohr durch ein längeres, immer darauf achtend, daß keine lang- same auf und ab steigende oder zitternde Bewegung in die Tonpause übergreift. Möglichst große Ausschläge an der Stelle der Töne bei mög- lichster Ruhe in den Tonpausen entspricht der für jeden Einzelfall zu suchenden optimalen Einstellung. Haben wir diese im Vorversuch sefunden, so wird das durch Vorschaltwiderstand gedämpfte Licht auf hellgestellt, der Registrierapparat durch eine Hilfsperson für ca. 5Sekun- den in Gang gesetzt. Man schließt dieser ersten Registrierung sofort eine zweite und dritte an, indem man kurz die Brustwand vom Receptor entfernt und neu angesetzt hat. Zu starker Druck dämpft die Aus- schläge bedeutend, unvollkommener Anschluß hebt sie. vollständig auf. Ob während der Registrierung die Atmung zu sistieren ist oder nicht, istim einzelnen Falle zu entscheiden. Jedenfalls soll dies dann geschehen, wenn bei ruhiger Atmung keine vollständige Fadenruhe in den Ton- pausen zu erreichen ist. Die Unterbrechung der Atmung ist dann in mittlerer Respirationsstellung vorzunehmen. Nicht selten haben uns aber Aufnahmen bei fortgehender ruhiger Atmung die schöneren Kurven geliefert. Analyse der Herztonkurve. Ein Blick auf eine Herztonkurve sollte eigentlich als erstes dazu führen, die Überschrift zu diesem Abschnitt zu beanstanden. Denn — im Sinne des Physikers — können wir bei einem so komplexen, unregel- mäßigen Schwingungsbilde nicht von einem Ton reden. Es handelt sich um eine Schallerscheinung, welcher die Qualität eines kurzen Geräusches, oft mit Klangcharakter, zukommt. Diese Überlegungen waren es zweifellos, welche andere Autoren schon dazu geführt haben, von der Registrierung des Herzschalles zu sprechen. Hierzu müssen wir allerdings bemerken, daß das von uns durch das Ohr perzipierte Phänomen in diesem Falle ebensowenig den Namen eines Tones ver- dient, wie dessen graphisches Äquivalent. Und doch wird man es heute nicht mehr unternehmen wollen, die Bezeichnung Herzton zu elimi- nieren, nachdem sie ein vollständig feststehender Begriff geworden ist. Solange man aber von Herztönen im Sinne des auscultatorisch festge- stellten Phänomens spricht und schreibt, wird die Bezeichnung Herzton auch gerechtfertigt bleiben, wenn man zur Registrierung des Phänomens schreitet. Eine im klinischen Sprachgebrauch neuartige Bezeichnung in diesem Zusammenhang einzuführen, ist mehr störend als notwendig! Dies ist der Grund, weshalb wir auch weiterhin von der Registrierung der Herztöne sprechen werden. Unsere Herztonkurven sind, wie Abb. 4, 5 und 6 als Beispiele dartun, ‚ziemlich komplizierte Gebilde. Wir sehen ein weißes Band von hoti- zontalem Verlauf, die Kanten nicht vollständig scharf abgesetzt, sondern durch kleine Zacken gezahnt. Daneben zeigt es in toto verschiedene 4* 52 W.R. Hess: leichte Ausbiegungen; bei sehr guten Phonogrammen fehlen diese. Die Kontinuität des weißen Bandes sehen wir durch Zackengebilde unterbrochen, von denen wir nach der verschiedenen Konfiguration Abb.4. Kardiophonogramm vom Menschen. Durch die vertikalen Tuschestriche ist die Segment- abgrenzung angedeutet. Neben dem ersten und zweiten Herzton ist an einer Stelle der sog. dritte Herzton (Einthoven) angedeutet. Die Zeitmarkierungam unteren Rand zeichnet!/, Sekunde. Nat. Gr. leicht zwei verschiedene unterscheiden können, die miteinander ab- wechseln. Sie entsprechen dem ersten und zweiten Herzton. Durch sie wird ein kürzerer und ein längerer Tonintervall begrenzt entsprechend der Zeit der Systole und der Diastole. Jede der beiden Zackengruppen, Abb. 5. Kardiophonogramm vom selben Menschen wie Abb. 4, 14 Tage später: Eine weitgehende Übereinstimmung in der Struktur der Töne ist nicht zu verkennen. Auch hier finden wir den sog. dritten Ton angedeutet. Die flache Welle bei YH ist mit Sicherheit auf die Vorhof- \ kontraktion zu beziehen. Nat. Gr. insbesondere diejenige, welche dem ersten Herzton entspricht, weist Zackenelemente von sehr verschiedener Amplitude auf, die teils super- poniert teils beigeordnet sind. Die Tonpausen sind ziemlich scharf gegen die Töne hin abgesetzt. Die feine Struktur der Tonbilder ist leicht in die Einzelheiten aufzulösen. - Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 53 Eine Auswertung der Registrierungsresultate ist in verschiedener Hinsicht möglich. Im Vordergrunde des Interesses steht bei allen Autoren, die sich mit diesem Thema befaßten, die Feststellung der zeit- lichen Verhältnisse: absolute Dauer der einzelnen Töne, der Tonpausen, zeitliche Beziehung zu einzelnen Merkmalen des Kardiogrammes, des Elektrokardiogrammes und des Pulses. Erwähntseien z. B. dieaus neuester Zeit datierenden Untersuchungen von Battaerd in Einthofens Laboratorium!) und die von Ohm?). Bei der graphischen Erfassung von Geräuschen ist das Hauptziel die exakte zeitliche Einordnung derselben in die Herzperiode. Daneben gehen einzelne Autoren auch darauf aus, die Schwingungsfrequenz des ersten und zweiten Herztones festzu- stellen. Abb. 6. Kardiophonogramm von der Katze: Der erste Herzton ist in toto wesentlich kürzer als beim Menschen. Es besteht aber auch hier eine analoge Segmentierung. Wieder ist die Vorhof- welle und eine leise Diskontinuität an der Stelle des sog. dritten Herztones zu bemerken. Nat. Gr. Auch wir werden die Untersuchungen in der angegebenen Richtung führen, wobei wir das erste Interesse darauf richten, aus der Reihe unserer Aufzeichnungen wenn möglich einen Normaltypus der Herz- kurve und Normaldaten zu eruieren, welche geeignet sind, bei der Bewertung pathologischer Zustände zum Vergleich herangezogen werden zu können. Der erste Herzton. Er beginnt mit einer nicht ganz unvermittelt einsetzenden Ab- lenkung des Fadens aus der Horizontalen. Die Kurve beschreibt in ziemlich dicker Schrift 1—3 Zacken in bescheiden gehaltener Amplitude. Die dieke Schrift ist darauf zu beziehen, daß die Auf- und Abwärts- !) Further graphic reserches on the acoustic phenomena of the heart in normal and pathological conditions. Heart 6, Nr. 2. 2) Über die praktische Verwertung der Registrierung des Herzschalles. Zeitschr. f, experim. Pathol. u. Ther. Bd. 19. H. 2. 1917. 54 W.R. Hess : bewegung relativ langsam vonstatten geht, d. h. mit nicht steilem Verlauf der Zackenschenkel. Aus dieser Zone der langsamen Schwingun- gen mit geringer Amplitude entspringt oft ganz plötzlich, in anderem Falle etwas weniger scharf abgesetzt, eine Gruppe von 3—5 weit aus- greifenden Zacken mit sehr gleichmäßigen Abständen. Ihr Charakteristi- cum ist die hohe Amplitude, zarte Fadenschrift, sehr steile, fast verti- kaler Zackenschenkel. Das Amplitudenmaximum liest gewöhnlich nicht im Anfang, sondern wir haben ein Anschwellen mit nachherigem Abschwellen. Es können aber auch gelegentlich höhere und niedrigere Zacken miteinander abwechseln, oder eine höhere Zacke an den Schluß der ganzen Gruppe gestellt sein. I Z (D UM. Venfr Abb.7. Schema des normalen menschlichen Kardiophonogrammes (an der Mitralisauscultations- stelle abgenommen). /,IT=1. und 2. Herzton. //I = Diskontinuität, welche oft in der diastol. Tonpause erscheint und von Einthofen als 3. Herzton bezeichnet wird. VH = Welle, von Vorhofkontraktion herrührend. Ventr, = Schwingungen, welche das graphische Äquivalent des 1. Herztones enthalten, nämlich im Bereich des Tonsegmentes 7 S. Die Schwingungen im Vorsegment (FV S) und Nachsegment (N S) werden vom Ohr nicht perzipiert. Den Übergang zur Horizontalen findet die Kurve wieder durch Vermittlung einer mit dieken Strichen gezogenen Schlußzeichnung, die meistens eine, evtl. zwei kleinere Zacken enthält. Über die Aus- schlagsrichtung des Fadens beim Einsetzen und beim Aufhören des Einzeltonbildes scheint eine gewisse Regelmäßigkeit zu bestehen. Etwas Definitives hierüber möchte ich aber deshalb noch nicht aussagen, da dabei eventuell die Auscultationsstelle eine Rolle spielt. Abb. 6 zeigt ein Schema, welches die Struktur des 1. Herztones erläutern soll. Meine Auffassung geht dahin, daß nur die mittlere Zacken - gruppe mit steilem Schenkelverlauf das Äquivalent ‘des hörbaren Herztones ist. Es soll uns dies aber nicht hindern, auch ihre begrenzen- den Zonen vor und nachher in den Kreis unserer Besprechung einzu- beziehen; denn es ist a priori nicht ausgeschlossen, daß man auch in ihnen wichtige Merkmale für die Bewertung der Herztätigkeit finden wird. Entsprechend dem Gesagten können wir ohne Zwang das Kurvenbild, Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 55 soweit es auf den ersten Herzton zu beziehen ist, bzw. mit seiner Ent- stehung (vgl. Abb. 4 und 7) in ursächlichem Zusammenhang steht, in 3 Segmente zerlegen. Den Wert einer solchen schematischen Zerlegung sehe ich darin, daß eine gewisse Selbständigkeit der einzelnen Segmente in bezug auf Dauer und Schwingungsfrequenz vorgesehen ist. Ob sich die gegebene Einstellung bewähren wird, kann allerdings erst die fortgesetzte Erfahrung lehren. Jedenfalls befinden . wir uns mit der vorgeschlagenen Segmentierung in voller Überein- stimmung mit Battaerd!), der schon vor mir eine entsprechende Drei- teilung des ersten Herztones vorgenommen hat, ohne daß mir aber bei meinem Vorgehen in der Analyse meiner eigenen Kurve etwas davon bekannt gewesen wäre. Die Segmentierung ist bei vielen Kurven denn auch so prägnant, daß sie kaum übersehen werden kann. Wenn sie gelegentlich undeutlich ist, so wird man bei der Durchsicht der von einer Person erhaltenen Aufzeichnungen bei korrektem Registrierungs- verfahren in der Regel solche Kurvenformen wiederfinden, die sich an den charakteristischen Typus anlehnen. Es werden diejenigen sein, welche eine möglichst scharf abgesetzte Mittelgruppe von Schwin- gungen hoher Amplitude aufweisen. Die ausgewählten Kurven werden uns die gewünschten Daten liefern, deren Feststellung im Sinne einer quantitativen Analyse prinzipielles Interesse hat: 1. Absolute Dauer der einzelnen Segmente. 2. Zahl der Zacken und Schwingungsfrequenz. 3. Höhe der Amplituden. In diesem Vorschlag zu einer nach Segmenten zu differenzierenden Feststellung der verschiedenen Daten gehen wir weiter als Battaerd. Es ist möglich, daß wir infolge fortgesetzter Erfahrungen dazu kommen werden, die Differenzierung auf ein einfacheres Schema zu reduzieren. Jetzt schon möchte ich in der Reduktion so weit gehen, daß ich Ampli- tudenhöhe, Sehwingungsfrequenz und absolute Dauer nur für das eigent- liche Tonsegment fixiere, während am Vor- und Nachsegment nur der absoluten Dauer, evtl. dem Auftreten außerordentlicher Zacken Beach- tung geschenkt wird. Ein Verschmelzen der den verschie- denen Segmenten zugeordneten Daten ist aber entgegen der bis- herisgen Übung bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse aus dem weiter oben angegebenen Grunde unbedingt zu vermeiden. In einer neuesten Arbeit weist Ohm?) auf einen Abschnitt in seinem Herzschallbild hin, das er als durch die Vorhofkontraktion bedingt ansieht! Es scheint mir aber noch fraglich zu sein, ob er dabei in jedem Falle richtig geht! Zweifel sind berechtigt, wenn wir z. B. seine als 2) loc. eit. abgedruckt auch in Onderzoekingen gedaan in het Physiol. La- boratorium der Universiteit te Leiden. 1916, vgl. S. 161: Zyloe..eit. S. 53. 56 W.R. Hess: Abb. 10 wiedergegebene Kurve vergleichen mit unseren auf Seite 52 und der von Battaerd als Abb. 10 reproduzierten bei a. Es hat doch sehr den Anschein, als ob es sich bei Ohm um Elemente des eben beschriebenen Vorsegmentes handelt, welche bereits auf die Ventrikelaktion zu beziehen sind. Die Lage der P-Zacke in EKG. weist darauf hin, daß die Vorhofaktion früher zu legen ist. Tatsächlich finden wir in unseren eigenen Kurven öfter eine in die Gegend der P-Zacken des EKG. fallende Fadenunruhe vor. Sehr wichtig für die Inter- pretation, die Ohm seinen eigenen Kurven gibt, sind Untersuchungen Battaerds mit gleichzeitiger Registrierung des EKG. (vgl. speziell S. 163 und 164 der auf S. 55 zitierten Publikation). Die Durchführung der quantitativen Analyse wird uns dadurch er- leichtert, daß wir mit der Tonkurve ein Zeitsignal schreiben lassen. Um nur ganzzahlige Werte notieren zu müssen, drücke ich die Zeit- dauer in hundertstel Sekunden aus. Für die Angabe der Schwingungs- frequenz beziehen wir uns auf die Sekunde. Eine sinngemäße Be- wertung der Amplitudenhöhe ist nicht ohne weiteres möglich. Es liegt auf der Hand, daß die absolute Höhe, in Millimeter gemessen, ganz zufällige Resultate ergibt, da ja auch bei Konstanz der optischen Vergrößerung in der Apparatur (Ventil!) und im Bau des Thorax Variable liegen. Bei dieser Sachlage müssen wir uns begnügen, für die Bewertung der Amplituden ein relatives Maß vorzuschlagen, welches uns wenig- stens gestattet, An- und Abschwellen, Untermischung von geringen und hohen Amplituden auszudrücken und einen Vergleich bezüglich Ampli- tuden zwischen erstem und zweitem Herzton zu ziehen. Diesen Zweck erreichen wir dadurch, daß wir in den Amplitudenhöhen verschiedene Stufen unterscheiden. Für praktische Zwecke genügen deren vier, nämlich sehr hohe Anschläge = 3stufig, mittelhohe = 2stufig und kleine = 1stufig. Sehr kleine Zäckchen, wie sie auch in der Ton- pause regelmäßig erscheinen, möchte ich halbstufig nennen. In dieser Bezeichnungsart wird es uns möglich sein, in kleiner und großer Schrift geschriebene Kurven unter analogen Gesichtspunkten zu diskutieren. Die nach dem entwickelten Gesichtspunkt vorgenommene Analyse von 6 Phonogrammen gesunder Männer und Jünglinge führten zu folgenden Daten!) (siehe Tabelle 1, S. 57). Die Zahl der Zacken beträgt im V.S. 2 bis 3. Einmal finden wir nur eine einzelne Zacke deutlich ausgeprägt. — Im T. S. sind 5 Zacken die Regel. Jedoch kommt auch eine Reduktion auf 4 und sogar auf 3 vor. S. haben wir mit 2 bis 4 Zacken zu rechnen. !) Vgl. E. Straehl, Resultate der Herztonregistrierung nach der Methode W.R. Hess. Diss. Zürich 1920. Die graphische Aufzeichnung der Herztöne. nach neuer Methode. 57 Tabelle 1. Zusammenstellung der Daten (geordnet nach der Totaldauer der - Schwingungserscheinungen des ersten Herztones). A. Dauer in !/ıoo Sekunde B. Frequenz| C. Total- — im Ton- | dauer des Nr. Total VS. Ines: N. S. segment 2. Tones 6 12,50 2,50 7,50 2,50 6 8,75 3 12,50 3,75 6,25 2,50 86 6,25 4 12,79 2,63 6,84 3,32 37 7,50 2 15,01 5,00 5,63 4,38 103 7,50 5 | 16,16 5,00 563 | 5,53 Ge 695 1 17,51 5,63 6,25 5,63 53 10,00 Betreffend Amplitude finden wir im V. S. regelmäßig die Höhe 2, im T. S. die Höhe 3 mit gelegentlichen kleinern Zwischenzacken. Im N. S. herrscht die Höhe 1 vor, nicht selten erscheint aber auch Höhe 2. Über die zeitlichen Verhältnisse beim zweiten Herzton orientiert Rubrik C in Tabelle 1. Es ist hier nur die Gesamtdauer be- rücksichtigt. Als Dauer der Schwingungen, welche als Äquivalent des hörbaren Tones anzusehen sind und sich in der Kurve als 1 bis 2 Ausschläge von der Amplitude 3 präsentieren, finden wir dort, wo sich eine genaue Messung durchführen läßt, einen Wert von ca. *"/,o Sekunden. Ich begnüge mich, hier diese Daten ohne weiteren Kommentar zu registrieren, und ich verweise auf eine später erscheinende Arbeit über die Deutung des Kardiophonogrammes. Dort werden alle Einzelheiten desselben eingehend diskutiert auf Grund von experimen- tellen Untersuchungen am bloßgelegten und am künstlich ernährten, frei schlagenden Herzen. Dadurch, daß es gelingt, die Struktur des Phonogrammes mit unserer Vorstellung vom Mechanismus der Ent- stehung des ersten Herztones in Beziehung zu bringen!), erhalten die registrierten Daten höheren Wert, als eine rein empirische Feststellung. Für den Fall, daß einmal das Bedürfnis besteht, die Amplituden als Maß für die Herztonstärke heranzuziehen, ist hierzu ein einfaches Mittel gegeben. Man hat zu diesem Zwecke der Herztonregistrierung nur die Registrierung eines Testtones von gegebener Stärke anzu- schließen, wie er in einfacher Weise z. B. durch eine schwingende Feder hervorgerufen wird, welche mit konstanter Anfangsspannung in Vibra- tion versetzt und in bestimmter Entfernung vor die Receptoröffnung gehalten wird. Abb. 8 ist die Skizze eines solchen Testers, wie ich ihn verwende. Anfänglich hatte ich den Verstch erwogen, die Analyse der ersten Herztonkurve durch Zerlegung vermittels eines sog. harmonischen 1) W. R. Hess, Die Entstehung des 1. Herztones. Arch. f. klin. Medizin, z. Z. im Druck. 58 ; W.R. Hess: Kurvenanalysators auf eine exaktere Basis zu stellen. Eine orien- tierende Prüfung dieser Frage hat mich aber aazı. geführt, dieses Unter- nehmen für einmal aufzugeben. In diesem Zusammenhang seien noch die Zahlen angegeben, wie sie Battaerd aus seinen Untersuchungen für die einzelnen Abschnitte feststellt: Vorsegment (initial vibrations): ca. 0,06 Sekunden. Tonsegment (main vibrations): ca. 0,12 Sekunden. Nachsegment (final vibrations): eine Zahl wird nicht angegeben, weil dieser Abschnitt allzu variabel sei. o Von einer Feststellung der Frequenz will Battaerd Umgang nehmen, weil hierfür die Kurve zu große Irregularität aufweise. Ich gebe ihm vollkommen darin recht, daß eine Mittelwertbestimmung, wie sie z. B. Gerhartz aus den verschiedenen Frequenzen der in den verschie- denen Segmenten vorkommenden Schwingungsgruppen desselben Tones berechnet, keinen tieferen Sinn hat. Gerade um der Möglichkeit einer sol- chen künstlichen Mittelwertsberech- nung aus dem Wege zu gehen, erkenne \ ich den Vorzug der Segmentierung Abb. 8. Apparat zur Erzeugung des Test- Jjes ersten Herztones. Und da sehen tones (durch Loslassen der an dem Stift St 5 zurückgezogenen Feder F). Der Schnabel s wir nun doch in vielen unserer Kur- dien ur Fiatung einer berimnien PIE von im Bereich des Tonsegmen- tes. eine bestimmte Frequenz reinlich in Erscheinung treten, daß wir dieser Tatsache unsere Aufmerk- samkeit nicht versagen dürfen. Vielleicht wird es uns bei Klärung der Beziehungen zwischen erstem Herztonbild und Mechanismus der Ent- stehung des ersten Herztones Rückschlüsse erlauben. — Daß es sich evtl. bei uns um Erregung von Eigenschwingung des Systems handelt, ist bei einer gewissen Gegensätzlichkeit, welche die mit der Ein- thofenschen Apparatur aufgenommenen Kurven in diesem Punkte zeigen, zu erwägen. Der Umstand, daß die von verschiedenen Per- sonen stammenden Kardiophonogramme sehr erhebliche Differenzen der Frequenz aufweisen, schließt die erwähnte Möglichkeit aus. Der zweite Herzton. Auch hier ist das Einsetzen der steilen Kurvenzacke, oder Zacken, welche als Äquivalent des hörbaren Tones anzusehen sind, nicht ganz unvermittelt aus der Horizontalen d. h. aus der Tonpause heraus. Es geht ihr eine, wenn auch nur sehr kurze, Ausbiegsung der Kurve voraus (siehe Abb. 5, 6, 7 und 8). Der Tonzone, welche durch eine bis zwei Schwingungen mit hoher Amplitude dargestellt wird, folgen wieder Die graphische Aufzeichnung der Herztöne nach neuer Methode. 59 1 bis 3 Zacken von der Stufe 1, gewöhnlich ziemlich scharf abgesetzt gegenüber dem vorangegangenen Tonsegment, nicht ebenso scharf gegenüber der nachfolgenden diastolischen Tonpause. Die quantitative Analyse darf sich hier wohl auf die Gesamtdauer der Fadenunruhe ferner auf die Dauer des eigentlichen Tonsegmentes und die Ampli- tuden im Tonsegment beschränken (siehe Tab. 1 auf S. 57). Die Amplitudenverhältnisse zwischen 1. und 2. Herzton sind bei Berücksichtigung der jeweiligen maximalen Anschläge meistens 3:3, d. h. bei der Tonabnahme in der Gegend der Mitralauscul- tationsstelle. Unsere Charakterisierung der Hauptmerkmale des Kardiophono- grammes ist beendet, wenn wir noch die Zeitdauer von Systole und Diastole gemessen. Wir rechnen dabei den Intervall vom Beginn des Vorsegmentes des ersten Herztones bis zum Beginn des Vorseg- mentes des zweiten Herztones als Systole, die zur vollen Herztonperiode ergänzende Strecke als Zeit der diastolischen Erschlaffung plus Herz- pause! Konkrete Resultate finden wir in der auf S. 56 zitierten Arbeit von Straehl. Es scheint, daß in einzelnen Kurven der Moment der eingetretenen vollständigen Erschlaffung gegenüber der Herzpause sichtbar abgesetzt ist. Wenigstens könnte man die dem zweiten Herzton folgende Dis- kontinuität der Kurve so deuten (Abb. 5beilll). Es ist kaum zu be- zweifeln, daß es sich dabei um dasselbe Zeichen handelt, welches in vielen Einthofenschen Kurven enthalten ist und von diesem Autor als dritter Herzton bezeichnet wird!). Auf die möglichen Ursachen dieser Erscheinung werden wir in der Arbeit über die Deutung des Kardiophonogrammes noch zu sprechen kommen. Zusammenfassung. 1. Die vorstehenden Ausführungen enthalten die Angabe über eine neue Methode zur Registrierung der menschlichen Herztöne. Die Berechtisung des Unternehmens, eine solche trotz Bestehens einer Reihe von Verfahren auszuarbeiten, wird daraus abgeleitet, daß nur eine möglichst verschiedenartige Behandlung Aussicht bietet, das tech- nisch schwierige Problem in einer die klinischen ‘Bedürfnisse voll befrie- digenden Weise zu lösen, nämlich so, daß eine einfach zu handhabende, nicht kostspielige Apparatur bei höchster Empfindlichkeit eine getreue Wiedergabe des akustischen Phänomens vermittelt. 2. Unser Prinzip, welches den genannten Aufforderungen gerecht wird, arbeitet mit direkter Luftübertragung. Hohe Empfindlichkeit ist durch dasselbe Mittel angestrebt, mit dem die Gefahr der Nachschwin- t) Einthofen, W.. Ein dritter Herzton. Archiv f. d. ges. Physiol. 120, 31. 60 . W.R. Hess: Die graphische Aufzeichnung der Herztöne usw. gungen und deren Folgen (entstellende Resonanz; Fälschung der zeit- lichen Verhältnisse) beseitigt wird: Reduktion der schwingenden Masse auf ein Minimum, insbesondere desjenigen Teiles des schwingenden Systemes, welcher die größten Ausschläge ausführt. 3. Es wird eine vergleichende Betrachtung zwischen dem Trommel- fell und unserer Membran gegeben. 4. Die Beschreibung und Analyse der Registrierungsresultate führt zu einer Segmentierung der Tonkurve des ersten Herztones: Vor- segment, Tonsegment, Nachsegment. Die Verschiedenheit in der Struk- tur dieser drei Abschnitte fordert zu dieser Einteilung auf. Wir be- stätigen damit unabhängig einen bereits von Battaerd gemachten‘ Vorschlag und postulieren darüber hinaus die differenzierende Aus- messung der drei Segmente nach Dauer, Amplitude, Zahl der Schwin- gungen, zum Teil auch nach ihrer Frequenz. Es werden Normalzahlen aufgeführt, wie sie sich nach den entwickelten Gesichtspunkten aus Kardiophonogrammen Gesunder ergeben. Bei der Ausarbeitung der vorstehend beschriebenen Methode sind Mittel zur Verwendung gekommen, die mir von seiten der „Stiftung für wissenschaftliche Forschung an der Universität Zürich“ zur Verfügung gestellt worden sind. Ich spreche hierfür an dieser Stelle meinen Dank aus! Viscosimeter mit Temperaturregulierung. Von W.R. Hess. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.) Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 1. November 1919.) Die relativ großen Schwankungen, denen die Viscosität des Blutes unter physiologischen Verhältnissen unterworfen ist, und die Störungen, welche bei der Blutentziehung eine gewisse Fehlerbreite ergeben, hatten mich bei der Konstruktion des von mir angegebenen Blutviscosi- meters seinerzeit veranlaßt, von einer Vorrichtung zur Einstellung auf eine gewünschte Versuchstemperatur Umgang zu nehmen. Es wurde dadurch nicht nur eine größere Kompliziertheit der Apparatur vermieden, sondern auch eine Gestaltung ermöglicht, welche, in ihrer Weise, wieder der Genauigkeit dient. Denn es können bei Wegfall der Wärmevorrichtung die Reservoirröhren, aus welchen das Blut in die Reibungscapillaren übertritt, auswechselbar gemacht werden. Dadurch ist peinliche Reinheit — eine Grundbedingung der korrekten Blut- viscosimetrie — am besten gewährleistet, indem man die gebrauchten Ansatzröhrchen wegwerfen und aus dem Vorrat durch neue ersetzen kann. Für das Arbeiten bei von 20° stark abweichenden Versuchs- temperaturen gilt dabei die Regel, durch die bekannte Temperatur- konstante (ca. 1% pro 1°) zu korrigieren. — Diese Überlegungen werden auch weiterhin in der Blutviscosimetrie ihre Geltung haben, insbesondere beim Arbeiten auf dem Krankensaal mit dem hierfür speziell ausge- bildeten kleinen Modell meines Viscosimeters. Die Praxis der Viscosimetrie hat seither eine ganze Reihe von theoretischen und praktischen Fragen in den Vordergrund gerückt, welche das Interesse an einem Apparat mit gesteigerter Genauigkeit wach werden ließen, wobei selbst etwas von der Einfachheit der Hand- habung geopfert werden dürfte. Untersuchungen an kolloidalen Lö- sungen im Zusammenhang mit physikalisch-chemischen Fragen drängen z.B. auf einen Ausbau der Methodik in der genannten Richtung. Ich denke unter anderem an die Heranziehung der Viscosimetrie zur Ver- folgung von Fermentprozessen. Die Erweiterung der klinischen Vis- 62 R W.R. Hess: cosimetrie auf Untersuchung des Plasmas und des Serums, wie dies z.B. durch W. Frei!), W.Scheitlin2), Trumpp?3), Determann‘), Weber) und seither besonders durch die systematischen Arbeiten Nägelis®) und seiner Schüler wertvolle Ausbeute gebracht hat, stellen ebenfalls hohe Anforderungen an die Genauigkeit des Apparates. Vorzüglich gilt dies für die eingeführte glückliche Kombination der Serumrefraktometrie und Viscosimetrie. Diesen Forderungen ist um so leichter nachzukommen, als alle diese Untersuchungen, nicht wie die Viscosimetrie des unveränderten Blutes, ans Krankenbett verwiesen sind, sondern im Laboratorium durchgeführt werden können. So sei der nachstehend beschriebene Apparat als „großes Modell‘ gedacht, das sich vom ‚kleinen Modell“ durch die Vorrichtung zur Einstellung einer bestimmten Versuchs- temperatur unterscheidet, daneben durch eine weitere und feiner differenzierende Skalenteilung und im allgemeinen etwas größere Dimen- sionen. In bezug auf das zur Anwendung gebrachte Prinzip stimmen dagegen beide Modelle vollständig überein. Es ist gekennzeichnet durch zwei Capillaren, an deren Enden zwei Röhrchen von größerer Licht- weite angeschlossen sind, von denen die der einen Seite graduierte Röhrchen sind und die der andern Seite zur Aufnahme einer Vergleichs- flüssigkeit und der auf ihren Viscositätswert zu untersuchenden Flüssig- keit dienen. | Bei dieser Gelegenheit möchte ich doch darauf hinweisen, daß im Determannschen Viscosimeter, so wie er heute fabriziert wird, nicht wohl etwas anderes als eine einfache Kopie der wesentlichen Anordnung meines eigenen Viscosimeters erblickt werden kann. Es ist eben diejenige Anordnung, welche die direkte Ablesung des gesuchten Viscositätswertes an Stelle der früher nicht zu umgehenden Rechnung setzt. Nach der Beschreibung des Determannschen Apparates in Zuntz und Loewy, Lehrbuch für Physiologie (1913) zu schließen, scheint diese Tatsache zu wenig bekannt zu sein. Im übrigen messe ich ihr nur nebensächliche Bedeutung zu, da der Deter- mannsche Apparat wegen eines prinzipiellen Fehlers sicher aus dem klinischen Inventar verschwinden wird, wenn er durch seine falschen 1) W. Frei, On the Viscosity of Blood. The Transvaal Medical Journal, April 1908. £ ?2) W. Scheitlin, Vergleichende Untersuchungen über Blutviscosität. Diss. Zürich 1909. 3) I. Trumpp, Viscosimetrische Studien. Jahrb. f. Kinderheilk. %3, 1911. *) Determann, Viscosität und Eiweißgehalt des Blutes usw. Med. Klinik 1909, Nr. 24. 5) H. Weber, Die Viscosität des Blutes und Blutserums im Höhenklima. Zeitschr. f. Biologie %0, 211. 1919. 6) Nägeli, Blutkrankheiten und Blutdiagnostik, 3. Aufl. Viseosimeter mit Temperaturregulierung. 63 Resultate noch eine Anzahl Forscher um ihre Arbeit getäuscht haben wird!). Beschreibung des Apparates. In der speziellen Ausführung des ‚„Laboratoriumsmodelles‘“?) hielt ich mich im wesentlichen an das Modell, mit welchem ich seinerzeit v Abb. 1 Viscosimeter mit Temperaturregulierung. Das Skelett des Viscosimeters: Meßcapillaren und angeschlossene Vorrichtung zur Erzeugung der Druckdifferenz, sind durch Schraffur hervor- gehoben. /, nat. Gr. die Untersuchungen über die Abhängigkeit der Blutviscosität von der Untersuchungstemperatur durchführte?). In Abb.1 erkennen wir dieselben wesentlichen Bestandteile der Apparatur wie beim klinischen Modell. Abweichend von ihr ist die 1) Vgl. W. R. Hess, Gehorcht das Blut dem allgemeinen Strömungsgesetz der Flüssigkeiten. Archiv f. d. ges. Physiol. 162%, 187. 1915. — E. Rothlin, Über die Methodik der Viscositätsbestimmung bei organischen Kolloiden. Biochem. Zeitschr. 98, 34. 1919. 2) Zu beziehen bei der Firma E. F. Büchi, optische Werksättte Bern. Preis 80 Frk. ®) Die Bestimmung der Viscosität des Blutes. Münch. med. Wochenschr. 1907, H.45. Kapitel „Versuchstemperatur.‘“ 64 W.R. Hess: feste Verbindung des Reservoirröhrchens R, mit der Capillare X,, durch welche das Blut bei der Messung fließt. M, ist die Meßpipette, in welcher die durch die ‚‚Blutcapillare“ geflossene Blutmenge gemessen wird. R,,K, und M, bezeichnen das Reservoirröhrchen, die Reibungscapillaren und das Meßröhrchen, welche vereinigt zur Feststellung des Durchfluß- volumens von destilliertem Wasser dienen, das mit dem unter den gleichen Bedingungen erzielten Blutdurchflußvolumen verglichen wird!). Der Hahn H wird gebraucht zur Fixierung des Wassermeniscus nach seiner Einstellung auf den Nullpunkt; der Schlauch mit Ballon Gb und Ventilstück V dienen zur Erzeugung der Saugkraft, welche mit gleicher Intensität und in gleicher Zeit einerseits das Blut, andererseits das als Standardflüssigkeit dienende Wasser durch die Reibungscapillaren befördert. Der Ansatz EA dient zur Entleerung von Flüssigkeit, welche all- fällig in das Querrohr, welches beide Capillarsysteme verbindet, ge- langt. Die Entleerung geschieht durch Abhebung der Gummikappe und Erzeugen von Überdruck durch den Ballon. Die Capillaren, aus welchen der Apparat zusammengesetzt ist, durchlaufen, wie Abb. 1 zeigt, ein an beiden Enden abgedichtetes weites Glasrohr, den sog. Wassermantel (WM), welcher im Versuch mit Wasser von der gewünschten Temperatur gefüllt wird. Der Trichter dient dabei als Einguß, das Ausflußrohr AR als Überlauf, wenn der Wassermantel gefüllt ist. Zur Erleichterung eines Konstanthaltens der Innentemperatur ist der Wassermantel von einer durch ein zweites Glasrohr LM abgeschlossenen Lufthülle umschlossen. Das Ganze liest auf einem Holzlager. Das Stativ für Trichter und Ausflußrohr ergänzt die Vorrichtung zur Einstellung der gewünschten Versuchstemperatur. Die Apparatur wird vervollständigt durch Einzelbestandteile, wie ein kleines Gebläse zur Trocknung der Capillaren und Glaspipettchen zur Heranbringung der Versuchsflüssigkeit und des destillierten Wassers an die capillaren Öffnungen. Die genannten Ergänzungsteile können mit dem Apparat im selben Etui untergebracht werden. Besonderer Erwähnung bedarf die Skala. Der Höchstwert der Skala ist 6. Es fallen somit alle Werte des Blutes von Normalen und Anämischen in deren Bereich. Für die viel selteneren übernormalen Viscositätswerte ist man auf den Bestimmungsmodus verwiesen, daß man mit dem halben Blutvolumen arbeitet, d.h. nur bis zum Punkt !/, der Blutskala ansaugt und die erhaltenen Werte verdoppelt. Der da- durch erreichbare Höchstwert von 12 wird auch bei extremen Be- 1) Genaue Beschreibung und mathematische Behandlung siehe W.R. Hess, Viscosität des Blutes und Herzarbeit (Kap. II), in Vierteljahrsschrift der Züricher Naturforschenden Gesellschaft 1906; ferner: Ein neuer Apparat zur Beeuimmung der Viscosität des Blutes. Münch. med. Wochenschr. 1907, H. 32. Viscosimeter mit Temperaturregulierung. 65 funden kaum überschritten werden. Die im bisherigen klinischen Modell zur Ausführung gebrachte Skala geht bis auf 8. Die Reduktion auf 6 wurde deshalb vorgenommen, um in Verbindung mit einer etwaigen Streckung der Basislänge der Skala eine Verfeinerung der Skalenteilung zu ermöglichen. Man hat es in der Hand, die Ablesungsgenauigkeit weiterhin noch zu erhöhen, wenn man nämlich mit dem doppelten Volumen an Versuchsflüssigkeit arbeitet und dann den abgelesenen Wert durch 2 dividiert. Naturgemäß wird dabei die Skala durch einen errechneten Höchstwert von 3 nach oben abgegrenzt. Da wir dies als oberste Grenze der Viscosität von Plasma und Serum ansehen dürfen, kommt die erwähnte Möglichkeit der Verdopplung der Ab- lesungsgenauigkeit der ganzen Plasma- und Serumviscosi- metrie zugute, wodurch ein: spezielles Serumviscosimeter weiterhin überflüssig wird. Die dem Laboratoriumsmodell zugrunde gelegten Dimensionen und die gewählte Skalenbreite vereinigen die op- timalen Bedingungen zur Bestimmung der Viscosität des unveränderten Blutes mit der Möglichkeit einer exakten Messung der Serumviscosität. Diese Vereinigung auf einen Apparat ist praktisch gegenüber der bisherigen Doppelführung von Blut- und Serumviscosimeter zweifellos ein großer Vorteil. Auch für die Untersuchung anderer Medien, z. B. von Organokolloiden wird mit Vorteil von der Möglichkeit der Verdopplung der Ablesungsgenauig- keit Gebrauch gemacht werden, d.h. soweit es dabei nicht zur Über- schreitung des Grenzwertes von n — 3 kommt. Gang der Untersuchung. Die Verwendung der vorstehend skizzieıten Apparatur gestaltet sich wie folgt: Der Apparat wird am besten derart placiert, daß das Licht seitlich von rechts einfällt; es stören so keine Reflexe. Der Hahn muß auf der linken Seite sein. Die Schläuche, welche mit dem Innern des Wasser- mantels kommunizieren, erhalten einen Glastrichter bzw. das abge- bogene Ausflußröhrchen angesteckt. Tıichter wie Abflußrohr kommen ans Stativ, wie aus Abb. 1 ersichtlich. Zum Anfüllen des Wassermantels gießt man das Wasser mit der gewünschten Versuchstemperatur in den Trichter, so lange, bis nach Füllung des Viscosimeters der Über- schuß aus dem Abflußröhrchen in eine untergestellte Schale überfließt. Im Wassermantel wird eine Luftblase zurückbleiben; sie dient uns mit Vorteil als Indicator zur Horizontallagerung des Apparates und gestattet auch durch abwechselndes Heben und Senken des einen Endes des Apparates ein gutes Durchmischen des Inhaltes. Weicht die Temperatur, bei welcher man die Viscositätsbestimmung vornehmen will, erheblich von der Temperatur des Untersuchungsraumes ab, so Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 5 66 W.R. Hess: wird sich trotz der schützenden Lufthülle nach einiger Zeit eine Ab- kühlung bew. Erwärmung im Viscosimeter bemerkbar machen. Durch Zugießen von entsprechend kälterem oder wärmerem Wasser in den Trichter und nachfolgendes Mischen durch abwechselndes Heben des einen und andern Endes des Apparates wird die Abweichung leicht korri- giert. Neben diesem Modus besteht aber auch die Möglichkeit, die Tempe- ratur durch Dauerspeisung des Wassermantels aus einem Thermostaten konstant zu erhalten. Die sich im Innern des Glasmantels ansetzenden Luftbläschen können durch Vorbeistreichenlassen der als Libelle dienen- den Luftblase leicht entfernt werden. Willmanihr Auftreten ganz vermei- den, so verwendet man zur FüllungdesWassermantels ausgekochteWasser. Nach Bedienung der Wärmevorrichtung bringe man mittels einer der beigegebenen Pipetten destilliertes Wasser in den dem Untersucher abge- kehrten Capillarschenkel. Ein leichtesAnsaugen mittelsdes Ballonswird das Übertreten des Wassers aus der Pipette in das Reservoirröhrchen veranlas- sen, sofern dessen vorstehende Spitze in die Flüssigkeit der Pipette ein- taucht. Die Saugwirkung des Ballons kommt so zustande, daß man ihn zu- erst preßt, dann mittels eines Fingers die Öffnung des angeschlossenen „Ventilstückes“ verschließt, um hierauf die Pressung wieder loszulassen. Der Ballon strebt dabei nach Entfaltung, wodurch er ansaugend wirkt. Die Füllung der Reservoirröhrehen muß aus einer einzigen zu- sammenhängenden Flüssigkeitssäule (ohne Luftblasen) bestehen. Nach Entfernen der Pipette von der Spitze wird das Wasser noch so weit eingesogen, daß es anfängt, durch die lange Reibungscapillare hindurch in das Meßröhrchen überzutreten. Man unterbricht das Saugen und stellt den Hahn quer, sobald der linksseitige Meniscus der Wasser- säule den Nullpunkt der Skala, erreicht hat. In analoger Weise wird sodann der dem Untersucher zugekehrte Schenkel mit der zu prüfenden Flüssigkeit beschickt und der Meniscus auch auf den Nullpunkt der zugehörigen Skala eingestellt. Ist dies erreicht, so wird der quer ge- stellteHahn wieder geöffnet, so daß das von neuem einsetzende Saugen des Ballons sowohl auf die zu untersuchende Flüssigkeit als auch auf das als Testflüssigkeit dienende destillierte Wasser wirkt. Man bricht ab, wenn die zu untersuchende Flüssigkeit die Markel er- reicht hat. Am Stand des Wassermeniscus lesen wir direkt den ge- suchten Viscositätswert ab, am Thermometer die für die Untersuchung maßgebende Temperatur. Sollte der untersuchten Probe eine höhere Viscosität als 6 eigen sein, so begnügen wir uns mit einem Ansaugen bis zur Marke !/,. Der an der Wasserskala abgelesene Wert ist dann nur die Hälfte des wirklichen. Wir multiplizieren ihn also mit2. Haben wir hingegen ein Medium von sehr niedrigem Viscositätswert zur Unter- suchung, so lassen wir dessen Meniscus zweckmäßigerweise bis zur Marke 2 vorschreiten. Der an der Wasserskala abgelesene Wert muß Viscosimeter mit Temperaturregulierung. 5 67 durch 2 dividiert werden, um zum gesuchten Wert zu führen. Diese Einbeziehung der zweiten Einheitsstrecke der Skala verschafft uns, wie oben ausgeführt, eine willkommene Verminderung der Ablesungsfehler. Nach vollzogener Ablesung drängen wir den Inhalt beider Meß- röhrehen durch Pressung des Ballons wieder zurück. Sehen wir den Wassermeniscus auf 0 zurückgekehrt, so stellen wir den Hahn HZ wieder quer. Sodann kann die Untersuchungsflüssigkeit durch weiteren Druck des Ballons vollständig entleert werden, während das destillierte Wasser für weitere Untersuchungen im Apparat zurückbleibt. Der neuen Ver- wendung des Apparates muß eine sofortige Reinigung des die zu unter- suchende Flüssigkeit aufnehmenden Schenkels vorangehen, wenn es sich nicht um eine Doppelbestimmung am gleichen, nicht spontan gerinnenden Untersuchungsobjekt handelt. Die Reinigung wird so durchgeführt, daß man 2—3 mal nacheinander Ammoniak konz. bis über die Marke 2 _ einsaugt und wieder entleert, wobei natürlich die gleiche Flüssigkeit nur einmal zu verwenden ist. Man wiederholt die Prozedur mit Alkohol abs. und mit Äther. Zum Schlusse wird der Schlauch des dem Apparat beigegebenen Gebläses über die Spitze des Reservoirröhrchens gestülpt und der Äther durch Luftstrom verjagt. Steht eine Wasserstrahlpumpe zur Verfügung, so gestaltet sich die Reinigung und Trocknung dadurch sehr einfach, daß man den Saugschlauch an den Entleerungsansatz (EA) anschließt unter gleichzeitigem Abklemmen des Ballonschlauches. Man kann nun direkt hintereinander Ammoniak, Alkohol, Äther und Luft- strom durch die Capillaren hindurch passieren und sich nach der Wasser- strahlpumpe hin entleeren lassen. Für den Fall, daß Serienuntersuchungen an verschiedenen Lösungen desselben Stoffes durchgeführt werden, kann man von dem be- schriebenen Reinigungsmodus Umgang nehmen. Rascher und ebenso zweckdienlich ist hier das dreimalige Vorspülen mit derjenigen Probe, welche hernach zur Untersuchung kommen soll. Den Schluß der Untersuchung macht die Entleerung des Wasser- mantels unter Neigen des Apparates nach links. Ein dauerndes Ver- weilen des Wassers im Mantel könnte evtl. die Skala schädigen. Aus demselben Grunde sollen Temperaturen über 40—45° nicht zur An- wendung kommen. Selbstverständlich darf auch nur ganz reines Wasser in den Mantel gelangen, da Verunreinigungen nicht so leicht wieder entfernt werden können. In allen nicht besonders erwähnten Gebrauchsregeln, deren Be- obachtung im Interesse der Vermeidung von Störungen und Fehlern ist, besteht volle Übereinstimmung mit den Vorschriften, welche für das ‚klinische Modell“ gegeben sind, so daß es genügen möge, wenn hier darauf und auf die dem Apparat beigegebene Gebrauchsanweisung verwiesen ist. 5* Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die Peristaltik. (Beobachtungen am experimentellen Bauchfenster.) Von Dr. Bernhard Zondek. (Aus der Universitätsfrauenklinik der Charite [Dir. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. K. Franz] und der experimentell biologischen Abteilung des pathologischen Instituts der Universität Berlin [Abt.-Vorst. Prof. Bicke]].) Mit 4 Kurvenim Text. (Eingegangen am 31. Oktober 1919.) Die Hypophyse setzt sich aus anatomisch differenziertem Gewebe zusammen, dessen pathologische Veränderung jeweils zu typischen Krankheitsbildern führt. Der Vorderlappen muß seinem Bau nach als sezernierende Drüse betrachtet werden; der Hinterlappen gehört seiner Abstammung nach dem Nervensystem an und besteht aus indifferentem Gliagewebe. Der Mittellappen (Pars intermedia) zeigt als Sekretions- produkt eine Kolloidsubstanz, die durch Lymphbahnen und Gliaspalten des Hypophyserstils in die Hirnsubstanz und den Liquor cerebrospinalis gelangt. Nur der Vorder- und Mittellappen können in das System der innersekretorischen Drüsen gezogen werden. Bei der Wirkung von Hypophysenextrakten kommt es daher darauf an, aus welchem Teil der Drüse der Extrakt gewonnen ist, da die Wirkung der aus den ver- schiedenen anatomischen Teilen hergestellten Stoffe voneinander ganz verschieden sein kann. Unter den physiologischen Wirkungen des Hypophysenextraktes ist als besonders charakteristisch der spezifische Einfluß auf die Uterusmuskulatur zu bezeichnen, der zuerst von Dahle beschrieben worden ist. Die Uterusmuskulatur des Kaninchens wird durch Hypophysenstoffe einerseits zu maximalen Kontraktionen an- geregt, andererseits wird die nervöse Erregbarkeit des Uterus erheblich gesteigert. Die Wirkung ist vom Blutdruck unabhängig, sie tritt ebenso wie die Beeinflussung des Zirkulationsapparates nur bei der ersten Injektion ein. Nachdem so ein typischer Einfluß auf die glatte Musku- latur festgestellt war, lag es nahe, auch die Wirkung des Hypophysen- extraktes auf die Darmmuskulatur zu prüfen, um so mehr, als die Beziehungen innersekretorischer Stoffe zur Peristaltik bisher noch wenig erforscht sind. Während sich der Effekt am Uterus physiologisch und klinisch leicht prüfen läßt, liest die Schwierigkeit bei der Erforschung B. Zondek: Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die Peristaltik. 69 der Peristaltik in der physiologischen Methodik. Braam -Houck- geest!) hat als erster die Peristaltik direkt zu beobachten versucht, indem er narkotisierten Kaninchen im Kochsalzbade den Leib eröffnete. Diese Versuchsanordnung muß als unphysiologisch bezeichnet werden, da die Tiere in den veränderten Verhältnissen nur einige Stunden leben können; außerdem wird der Darm, wie aus der Chirurgie zur Genüge bekannt, durch den Shock der Narkose und der Operation stillgestellt. Um die einzelnen Bewegungsformen und ihren physiologischen Angriffs- punkt zu bestimmen, hat Magnus?) eine Methode angegeben, die am überlebenden Dünndarmpräparat eine graphische Registrierung ermög- licht. So konnte er finden, daß die spontanen Bewegungen der Darm- muskulatur von sensiblen Erregungen der Schleimhaut unabhängig sind, daß auch der Meissnersche Plexus an der Automatie keinen Anteil hat, sondern daß die Bewegungen von Zentren alllanaen die im Auerbachschen Plexus gelegen sind. Zweifellos hat das Magnussche Präparat die physiologischen und pharmakologischen Studien über Peristaltik außerordentlich gefördert, aber die Versuchsanordnung hat auch ihre Nachteile. Wie bei jedem Versuch am überlebenden Organ, wo der natürliche Zusammenhang mit dem Zentralorgan gelöst und die Beobachtung zeitlich stark be- grenzt ist, verliert man auch hierbei die Übersicht über den ganzen physiologischen Ablauf. Eine Methode, die den Anspruch vollkommen- ster physiologischer Versuchsanordnung hat, ist von Katsch und Borchers?) angegeben worden. Sie setzten Kaninchen ein Bauch- fenster ein, durch das man die Darmbewegungen jederzeit beobachten ‘ kann. Beim Versuchstier wird ein Stück der Bauchwand entfernt (bis zur Handflächengröße) und ein entsprechend großes Stück Celluloid eingesetzt, das bei aseptischem Operieren absolut reaktionslos einheilt. Die Versuche beginnt man zweckmäßigerweise erst 8 Tage nach der Operation, wenn die Tiere sich vom Operationsshock vollkommen er- holt haben. Bezüglich der Einzelheiten der Methode sei auf die Arbeiten von Katsch und Borchers verwiesen. Am Bauchfenster gewinnen wir ein plastisches Bild der Peristaltik, wir beobachten die Lagerung und Farbe der Eingeweide, wir können den Ablauf der peristaltischen Welle, das Fortschreiten des Chymus, den Füllungszustand der Chylus- und Blutgefäße, sowie physiologische und pharmakologische Wirkungen auf die Darmbewegungen direkt ad oculos demonstrieren. So deutlich sich das eigenartige Bild der Peristaltik dem Beobachter einprägt, so !) v. Braam-Houckgeest, Untersuchungen über Peristaltik des Magen- u Darmkanals. Archiv f. d. ges. Physiol. 6, 18. 72. 2) Magnus, R., Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. Archiv f. d. ges. Physiol. 102, 103, 1904; 108, 1905. ®2) Katsch u. Borchers, Beiträge zum Studium der Darmbewegungen. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 12, 225—294. 1913. 70 B. Zondek: schwer ist es, dem Leser mit Worten ein plastisches Bild über den ganzen Bewegungsvorgang zu geben. Die folgenden Untersuchungen beziehen sich auf die peristaltischen Bewegungen des Dickdarms, und zwar des Coecums und des proximalen Kolons. Der Dickdarm wurde deshalb gewählt, weil seine in ziemlich regelmäßig und langdauernden Intervallen auftretenden Wellen sich leichter beobachten und in ihren Bewegungsphasen besser verfolgen lassen als beim Dünndarm. Die peristaltischen Wellen wurden zeitlich registriert und kurvenmäßig dargestellt. — Die Peristaltik des Coecums ist durch seine regelmäßig auftretenden Mischbewegungen charakteri- siert. Eine Welle läuft mit sichtbaren Einschnürungen am Coecum entlang, der Darm wird leicht hin und her bewegt, ein Teil des Chymus schlüpft durch den Sphincter coeco-colicus hindurch, ein Teil bleibt im Coecum liegen. Jetzt steht der Darm eine Zeitlang stille, dann kann sich dasselbe Bild wiederholen; häufiger aber tritt eine am Kolon beginnende, das Coecum langlaufende antiperistaltische Welle auf. Man ist erstaunt, daß das Coecum, das man als ziemlich bewegungslos sich vorzustellen geneigt ist, ein so lebhaftes peristaltisches Bild zeigt. Ganz eigenartig und charakteristisch sind die Bewegungen am Kolon. Die kleinen Kammern (Haustren), die wie Trauben der Tänie auf- sitzen, befinden sich in einem dauernden, unregelmäßigen, lebhaften Spiel; sie machen so sonderbar rollende Bewegungen, daß man erst längerer Beobachtung bedarf, um Zweck und Ziel dieser Peristaltik einzusehen. Das proximale Kolon ist nach Böhm die Pillenmaschine des Kaninchens, hier wird der vorher formlose Stuhl zu Kugeln ge- formt. Beobachtet man die Peristaltik an verschiedenen Versuchstagen, so fällt die Variabilität der absoluten Zahl der peristaltischen Wellen IERZZRZAE RER 72223 PEZZZREZA 2922 go Fun 4 1 ı 00 eo , 7, N _ 7.2" 24 46° 6-8" 8-10' 10-12' 12-14’ 14-76" 16-18'18-20' 1:2! 2:4' 4-6" 6-8' RR, Normale Peristaltik des Coecums. Wirkung des Hypophysenextraktes Kurve 1. auf. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, im wesentlichen spielt, wie ich früher mitgeteilt habe!), der Fütterungszustand der Tiere eine Rolle, da die natürliche Füllung des Darmes den stärksten 1) Zondek, B., Über Dickdarmperistaltik, Beobachtungen am experimen- tellen Bauchfenster. Biochem. Zeitschr. 1920. N . IE PEERE ERER. En u Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die Peristaltik. 71 Reiz auf die Peristaltik ausübt, der z. B. die pharmakologische Vagus- reizung weit übertrifft. In Kurve 1 sehen wir bei einem gut gefütterten Tier in 20 Minuten 50 Dieckdarmwellen. In der Kurve ist in der Abszisse die Beobachtungszeit, in der Ordinate die Zahl der peristaltischen Wellen angegeben; jedes Quadrat entspricht einer Welle. Da eine Injektion als solche mit dem damit verbundenen Schmerzgefühl eine ‚Wirkung auf die Peristaltik ausüben kann, wurde, um diese Fehler- quelle auszuschließen, zunächst der Einfluß einer intravenösen Koch- salzinjektion geprüft. Das Stechen mit der Nadel, das dadurch bedingte Schmerz- und Schreckgefühl, hat eine ganz eklatante Wirkung auf den Darm. Das vorher lebhafte Coecum steht a tempo wie leblos still, das unruhige Spiel der Haustren des Kolons ist wie gebremst, der vorher rosarote Darm ist fahl und bleich. Eine ausgesprochene Sym- ‚pathieusreizung, ein „psychischer Shock“! Zwei Minuten hält dieser Zustand an, dann kommt die Peristaltik ziemlich plötzlich wieder in Gang, und bald ist von der psychischen Alteration nichts mehr zu merken. In den nächsten 20 Minuten werden 49 peristaltische Wellen registriert; das Kochsalz an sich hat also keine Wirkung ausgeübt. . Nun wird Hypophysenextrakt intra- venös injiziert. Verwandt wurde D, das Coluitrin, das einen 20 proz. 2% D un Extrakt aus dem Hinterlappen der : 77 D DD Hypophyse darstellt. (Das Präpa- = m. 2 RR, 9 rat wurde von der Firma Dr. Freund s 9 mm HE 77, Br edkich, Berlin, Lülsen- & 97 DR, Oo, DR IM, rin Jcom Col SS hr a a 2 09 N 07 __ 6-8” 8-10'10-12' 12-14 14-16' 16-18 78-20" straße 21, freundlichst zur Verfügung gestellt.) In den ersten 4 Minuten keine Erhöhung der Welienzahl (Kurve 2), dann steigt sie stetig an, so daß in 20 Minuten die Zahl 67 erreicht wird. In dem physiolo- Kurve 2. Wirkung des Hypophysenextraktes. gischen Ablauf der Peristaltik tritt keine Änderung ein. Die Wellen kommen in kleineren Intervallen. Das Spiel der Haustren bietet nichts Pathologisches. Der Hypophysen- extrakt regt demnach die Dickdarmperistaltik erheblich an. Die be- schriebene Erhöhung der Wellenzahl muß, wenn sie auch relativ nicht so groß ist, als starker Effekt bezeichnet werden, da der Diekdarm auch | bei Reizung durch andere pharmakologische Mittel sich in seiner Wellen- zahl bei weitem nicht so beeinflussen läßt wie der Dünndarm. Nicht immer ist das gleiche Ergebnis bei Injektion von Hypophysenextrakt erzielt worden, ein Befund, der auch von Katsch und Borchers!) !) Katsch u. Borchers, Beiträge zum Studium der Darmbewegungen. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 12, 225—294. 1913. 723 B. Zondek: erhoben wurde. Wie aus Kurve 3 ersichtlich ist, tritt hier im Anschluß an die Injektion des Coluitrins zunächst eine Hemmung, dann eine Erregung des Darmes ein. Bei dem Tier, das vor dem Versuch einige Stunden gehungert hat, werden in 20 Minuten 36 Wellen beobachtet. Im Anschluß an die Injektion treten in den ersten 6 Minuten 7 Coecum- wellen ein, während in der gleichen Beobachtungszeit vorher 12 Wellen registriert wurden. In den nächsten 20 Minuten erhöht sich dann die BE ED Ban a 077,,,,08 2-7 SCnEBl SE 7 77,,,,,, DI ZaN d 35 umiziert DIDI? DI DIDDDNGDEDIDLII0D00D I > Mo 4 4-6" 6-8' 8-70' 10-12' 12-14" 14-16’ 16-78' 18-20" EB> 7 4-6' 6-8 8-70'10-12' 12-14" 14-16" 16-78 78-20": DE Erregung Peristaltik vor dem Versuch. Wirkung des Hypophysenextraktes. Kurve 3. uhr = m Zahl der peristaltischen Wellen auf 46. Zur physiologischen Erklärung dieser eigenartigen Wirkung müssen die Versuche von G. Bayer und Peter am überlebenden Dünndarmpräparat herangezogen werden. Sie konnten feststellen, daß durch Hypophysenextrakt (sie untersuchten das Pituitrin) zunächst eine Verkleinerung der rhythmischen Kon- traktionen und Abnahme des Tonus eintrat, die dann von einer Ver- srößerung und Tonuszunahme abgelöst wurde. Die initiale Abschwä- chung führen sie auf eine Erregung der sympathisch hemmenden Elemente zurück, wobei der Angriffspunkt zentralwärts der myoneuralen Verbindung bestimmt wird; in dieser Phase besteht eine normale oder sogar gesteigerte Erregbarkeit für das postganglionär angreifende, autonom reizende Pilocarpin. Die der sympathischen Hemmung folgende Vergrößerung der Peristaltik und der Tonusabnahme führen sie auf eine Erregung der autonomen Apparate, des Auerbachschen Plexus und der postganglionären Fasern zurück. In weiteren Versuchen wurde der Einfluß des Hypophysenextraktes nach erfolgter Reizung der autonom fördernden Nerven geprüft. Hier- bei wurde auch die Art der Wellen registriert. In Kurve 4 bezeichnen die dünn gestrichelten Quadrate die antiperistaltischen Wellen, die dick gestrichelten Quadrate die peristaltischen. Man sieht, daß am Coecum des Kaninchens in der Hauptsache antiperistaltische Wellen auftreten, auf deren Bedeutung ich früher hingewiesen habe. Die Injektion von 0,00075 Physostigmin hat eine deutliche Wirkung auf die Peristaltik, aber mehr qualitativer als quantitativer Art. Der vorher in regelmäßigen Inter- vallen auftretende Impuls erscheint gestört. Die Rhythmik ist ge- IE N Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die Peristaltik. 73 ändert. Es ist, als ob zwei Kommandostellen für die Darmbewegung jetzt vorhanden sind. Die Wellen laufen nicht wie vorher in einer typischen Richtung, sondern es kommt häufig vor, daß sowohl am Kolon wie am Coecum die Peristaltik einsetzt und gewissermaßen gegeneinander anläuft (unzweckmäßige Welle). Das Tier wirft sich, man merkt ihm an, daß es Leibschmerzen hat. Während vorher 18 Wellen in 12 Minuten verzeichnet wurden, werden in der gleichen N | | NG S— N ie Bun re. \ z _ nn 27 EN oe > 2 ee N — Peristaltische Welle, Antiperistaltische Welle. Unzweckmäßige Welle. Kurve 4. Zeit jetzt 23 registriert; die Analyse der Bewegung ergibt: 5 peristal- tische, 12 antiperistaltische und 6 unzweckmäßige Wellen (kariert ge- zeichnet). Jetzt wird 1 ccm Coluitrin injiziert. Das Tier wirft sich zu- ° nächst stärker, man sieht ihm an, daß seine Beschwerden verstärkt sind; die schon vorher durch Physostigmin erhöhte Kotproduktion wird weiter gesteigert; die Kotballen sind weich und feucht, weil sie den Diekdarm zu schnell verlassen haben und die Resorption nicht voll- ständig vor sich gehen’ konnte. Quantitativ wird die Peristaltik durch den Hypophysenextrakt noch etwas weiter gesteigert. Das Wesentliche aber ist der qualitative Effekt. Die ungeordneten unphysiologischen Be- wegungen des Darmes sind fortgefallen, in raschen Intervallen folgen die typisch ablaufenden Wellen; es ist wieder System in die Peristaltik ge- bracht worden. Demnach scheint der Hypophysenextrakt nicht nur einen erregenden, sondern auch einen regulierenden Einfluß auf die Peri- staltik zu besitzen. Gerade diese letztere Eigenschaft macht den Hypo- physenextrakt für die klinische Anwendung wertvoll. Wenn man z.B. zur Verhütung des postoperativen lDleus die bekannten Vagus- reizmittel (Pilocarpin, Physostigmin) verwendet, und damit wohl die Peristaltik anregt, aber zum Teil unphysiologische Darmbewegungen bewirkt, so muß man diesen Mitteln gegenüber den Hypophysen- extrakt hervorheben, der nicht nur einen erregenden, sondern auch gleichzeitig regulierenden Einfluß hat. Die Vagusreizmittel stellen körperfremde Gifte dar. Der Hypophysenextrakt ist ein körpereigener Stoff. Vielleicht übt die Hypophyse im Organismus auch die von seinem Extrakt festgestellte physiologische Wirkung aus. 74 DB. Zondek: Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die Peristaltik. Zusammenfassung. 1. Bei jeder Injektion wird der Darm durch den ‚„‚psychischen Shock des Schmerzes‘ eine Zeitlang (2 Minuten) vollkommen stillgestellt. 2. Der Hypophysenextrakt hat einen erregenden Einfluß auf die Dickdarmperistaltik; zuweilen geht der Erregung eine kurzdauernde Hemmung voran. 3. Durch Hypophysenextrakt wird die pharmakologische aha reizung weiter gesteigert. 4. Der Hypophysenextrakt übt einen regulierenden Einfluß auf die Peristaltik aus. 5. Der Hypophysenextrakt ist dieser physiologischen Eigenschaften wegen für den klinischen Gebrauch (postoperative Darmatonie) zu empfehlen. Beiträge zum Problem der Körperstellung. III. Mitteilung. Die Stellreflexe bei der großhirnlosen Katze und dem großhirnlosen Hunde. Von J. G. Dusser de Barenne und R. Magnus. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 2 Textabbildungen. ( Eingegangen am 10. November 1919.) I. Einleitung. In den beiden vorhergehenden Mitteilungen dieser Reihe!)?) hat Magnus die Stellreflexe beim Kaninchen ausführlich beschrieben. Es handelt sich dabei um die 4 Gruppen von Reflexen, durch welche das großhirnlose Kaninchen, das sog. Thalamuskaninchen, die normale Körperlage einnimmt und sich darin erhält: 1. die Labyrinthstell- reflexe, 2. die Körperstellreflexe auf den Kopf, 3. die Hals- stellreflexe und 4. die Körperstellreflexe auf den Körper. Bei der Untersuchung von Kaninchen mit intaktem Großhirn hat sich herausgestellt, daß dieses Tier über keine anderen Stellreflexe verfügt, als sie beim Thalamuskaninchen festgestellt worden sind; im besonderen spielen die Augen dabei keine wesentliche Rolle. Hieraus ergibt sich, daß nach Großhirnexstirpation beim Kaninchen sich bereits nach wenigen Stunden oder Tagen die Stellreflexe wieder vollständig entwickeln und daß, wie das auch mit sonstigen Erfahrungen bei dieser Tierart übereinstimmt, die Schockerscheinungen schnell vorübergehen. In der zweiten Mitteilung dieser Reihe wurden dann die Stell- reflexe nach einseitiger Labyrinthexstirpation beim Kaninchen analy- siert. Um die Untersuchung zu vervollständigen, war das Verhalten der Stellreflexe bei anderen Tierarten zu untersuchen; zunächst mußten daher die Verhältnisse bei Katze und Hund festgestellt werden. Auch hier erschien es wünschenswert, zunächst von den Verhältnissen beim t) Magnus, R., Beiträge zum Problem der Körperstellung. I. Stellreflexe beim Zwischenhirn- und Mittelhirnkaninchen. Archiv f. d. ges. Physiol. 163, 405. 1916. 2) Magnus, R., Beiträge zum Problem der Körperstellung. II. Stellreflexe beim Kaninchen nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Archiv f. d. ges. Physiol. 174, 134. 1919. 76 J. G. Dusser de Barenne und R. Magnus: Thalamustier auszugehen. Einige ältere Versuche von Magnus hatten nun aber gezeigt, daß bei der Untersuchung der Stellreflexe der Katze die Schockerscheinungen nach Großhirnexstirpation stärker ausge- sprochen sind als beim Kaninchen. Daher mußten die Beobachtungen sich über längere Zeiträume ausdehnen. Dazu gab sich Gelegenheit, weil Dusser de Barenne an zwei Katzen!) und einem Hunde nach Groß- hirnexstirpation Dauerbeobachtungen anstellte. Über das Verhalten der Stellreflexe bei diesen Tieren soll im nachstehenden berichtet werden. Erst auf Grund dieser Feststellungen wird es möglich sein, in der vierten Mitteilung die Stellreflexe bei intakten Hunden und Katzen zu schildern, bei denen sich herausgestellt hat, daß die Großhirnrinde sich, im Gegensatz zum Kaninchen, an ihnen beteiligt. Das Ergebnis unserer Beobachtungen ist, daß beim Hunde und bei der Katze ohne Großhirn genau dieselben Stellreflexe nachgewiesen werden können, wie sie das großhirnlose und das intakte Kaninchen besitzen, und daß keine neuen Stellreflexe dazukommen. I. Das Verhalten der drei Versuchstiere. A. Katze 1. Bei diesem Tiere war aus Gründen, die in der ausführlichen Beschreibung von Dusser de Barenne nachzulesen sind, beabsichtigt, nur das Neencephalon zu entfernen, das Archi- und Palaeopallium (Ariöns Kappers) aber stehen zu lassen. Die anatomische Kontrolle durch Herrn Dr. Brouwer?) hat ergeben, daß dieser operative Zweck tatsächlich fast vollständig erreicht worden ist. Am 21. II. 1917 wurde dem Tiere die rechte Großhirnhemisphäre, am 10. VI. 1917 die linke Großhirnhemisphäre (nur Neocortex) entfernt. Bereits 3 Stunden nach der letzten Operation konnte das Tier auf Reiz aufstehen und herumgehen. Am folgenden Tage ging das Laufen bereits besser. Im ganzen dauerte es etwa 7 Wochen, bis alle Funktionen bis zu ihrem Optimum sich ausgebildet hatten. Das Verhalten dieses Tieres wich in mehreren Hinsichten ab von dem, wie es von Goltz und Rothmann für ihre großhirnlosen Hunde beschrieben worden ist. Daß diese Katze noch sehr deutliche Riechreflexe zeigte, ist ohne weiteres verständ- lich, wenn wir bedenken, daß bei ihr die Riechrinde (Archi- und Palaeopallium) vollständig erhalten geblieben war. Das Tier konnte selbst noch eine Schüssel mit Wurst oder Milch, wenn diese in nicht zu großer Entfernung von ihm auf den Boden gestellt wurde, finden und die Nahrung spontan zu sich nehmen. Außer Pupillen- reflex und Lidkneifreflex auf Belichtung (Blinzelreflex) hatte es keine optischen Reflexe mehr, war somit völlig „blind“. Die Katze lief denn auch gegen alle Hindernisse an. Die akustischen Reaktionen waren sehr merkwürdig, denn nach 6—7 Wochen erlangte das Tier die Fähigkeit wieder, die Richtung, aus der Geräusche zuihm kamen, zu lokalisieren. In der Mitteilung Dusser de Barennes sind diese Erscheinungen ausführlich geschildert, sowie auch die Frage erörtert, inwieweit die hoch organisierten akustischen Reaktionen als subcorticale Reflexe aufzufassen sind oder auf die minimalen Reste der Hörsphäre auf der linken Seite zurückgeführt 1) Dusser de Barenne, J. G., Recherches experimentales sur les fonctions du systeme nerveux etc. Archives Neerlandaises de Physiologie 4, 31. 1919. 2) Brouwer, B. Examen anatomique du systeme nerveux central des deux chats deerits par J. G. Dusser de Barenne. — Arch. Neerl. Physiol. 4 124. 1919. Zum Problem der Körperstellung. III. 7, werden können, die bei der mikroskopischen Kontrolle nachgewiesen werden konn- ten. Auch das Verhalten der sensiblen Funktionen war bei diesem Tiere interessant, worauf hier auch nicht weiter eingegangen werden soll, jedoch kann eine Erklärung dafür gefunden werden in der Tatsache, daß bei diesem Tier die Sehhügel außer den von den Rindenexstirpationen notwendig herrührenden sekundären Degene- rationen gar keine primären Schädigungen aufwiesen. Am 12.1. 1918 Exstirpation des rechten Labyrinthes durch Herrn Dr. deKleijn, am 15. I. Fortnahme des linken Labyrinthes. — Das Tier wurde am 18.1. 1918 durch Narkose getötet und das ZNS von Brouwer im Institut für Hirnforschung zu Amsterdam an einer lücken- losen Schnittserie mikroskopisch untersucht. Das Ergebnis dieser anatomischen Kontrolle war, wie schon erwähnt, daß der operative Zweck fast vollständig er- reicht worden war. Der Neocortex war außer zwei kleinen Stücken des Gyrus fornicatus auf der medialen Seite der beiden Hemisphären (Schmecksphäre) und minimalen Resten der linken Hörsphäre, unmittelbar an der Fissura Sylvi, vollständig entfernt worden. Das Archipallium (Ammonsformation) sowie der Palaeocortex (Lobus pyriformis), beide zum Riechapparat gehörig, waren ganz erhalten. B. Katze I. Bei diesem Tier war beabsichtigt, die totale Großhirnexstirpation vorzunehmen, also auch den Palaecortex vollständig zu entfernen. Am 23. I. 1918 wurde die rechte Hemisphäre, am 20. III. 1918 die linke Hemisphäre fortgenommen. Das Verhalten dieses Tieres entsprach ganz dem Bilde, wie wir es von den Hunden von Goltz und Rothmann kennen. Das Optimum der Restitution der verschiedenen ner- vösen Funktionen, soweit diese überhaupt zurückkehrten, wurde auch hier in 6—7 Wochen erreicht. Was das Verhalten direkt nach der Operation betrifft, mögen hier folgende Angaben genügen. Eine halbe Stunde nach der letzten Operation macht das Tier einige Schritte mit nach links gewendetem Kopfe. Nach 4 Stunden sitzt es im Käfig. Aus linker Seitenlage sitzt es gut auf, wobei der Kopf vorangeht? Am folgenden Morgen erfolgt aus rechter Seitenlage wohl Rechtssetzen des Kopfes, aber noch kein Aufsitzen des Körpers. Etwa 22 Stunden nach der letzten Operation ist Aufsitzen aus rechter Seitenlage nachzuweisen. Das Tier läuft einige Schritte ohne Reiz. 22. III. Das Tier sitzt mit geradem Kopfe. Aus rechter und linker Seitenlage promptes Aufsitzen des Körpers, wobei der Kopf vorangeht. 23. III. 1918. Heute keine Manegebewegungen. Kopf gerade. 1. IV. 1918. Laufen sehr gut. Läuft gegen alle Hindernisse an. Kopf stark ventralwärts gebeugt gehalten. 1. VI. 1918. Exstirpation des rechten Labyrinthes, am 5. VI. des linken Laby- rinthes durch Dr. de Kleijn. Die Ventralbeugung des Kopfes ist besonders nach der doppelseitigen Labyrinthexstirpation sehr stark ausgesprochen. Am 12. VI. 1918 wurde das Tier durch Narkose getötet und das ZNS. von Dr. Brouwer im Zentralinstitut für Hirnforschung in Amsterdam einer ge- nauen mikroskopischen Kontrolle an lückenloser Schnittserie unterworfen. Diese anatomische Kontrolle hat ergeben, daß der Neocortex, d. h. also der Hemisphären- mantel beiderseits vollständig entfernt worden war. Auch das Palaeopallium, die phylogenetisch älteste Rinde des Riechhirns war beiderseits fast vollständig ent- fernt, nur die medialsten Reste an der Basis cerebri, unmittelbar neben dem Pes pedunculi, waren erhalten. Vom Archipallium, der Ammonsformationr, auch dem Riechapparat zugehörig, waren aber auf beiden Seiten ziemlich große Reste er- halten geblieben, die aber, nach dem Verhalten des Tieres zu schließen, funktionell nieht in Betracht kommen, und jedenfalls für die spezielle Frage der Stellreflexe ohne Belang gewesen sind. 78 J. @. Dusser de Barenne und R. Magnus: C. Der großhirnlose Hund. 29. IV. 1919 wurde dem Tier von Dusser de Barenne die rechte Hemisphäre fortgenommen, 13. VI. 1919 die linke. Beabsichtigt war, die beiden Hemisphären total zu entfernen. 14. VI. 9 Uhr morgens, 21 Stunden nach der letzten Operation: Aus rechter und linker Seitenlage auf Reiz Rechtssetzen des Kopfes, aus der linken Seitenlage auch Aufsitzen des Vorderkörpers. Der Hund kann stehen, auch laufen; fällt öfters nach rechts um, steht dann aber sofort wieder auf. Läuft gegen alle Hinder- nisse an, geht im Kreisbogen nach Iinks herum. Hängelage Kopf unten: Kopf 45° nach links gewendet und etwas gedreht. 16. VI. Labyrinthstellreflexe positiv. Körperstellreflexe auf den Körper aus beiden Seitenlagen positiv. 18. VI. Aus beiden Seitenlagen promptes Aufstehen. Rest des Rest des linken Großhirns rechten Großhirns Cerebellum Med. oblong. Abb.1. Dorsalansicht des Hirns vom Hunde (in natürl. Größe). Das Verhalten des Hundes entsprach ganz demjenigen der Hunde von Goltz und Rothmann. Riechen aufgehoben. Außer Pupillen- und Lidkneifreflex auf Belichtung vollkommene Blindheit. Auf Geräusche Ohrmuschelreflexe, Zusammen- zucken des Körpers, öfters Anfangen oder Aufhören der Laufbewegungen. Ober- flächliche und tiefe Sensibilität dauernd gestört. Am 9. IX. wird das Tier durch Narkose in übrigens gutem Zustande getötet, weil es sich in den Ferien eine Dermatitis zugezogen hatte (Scabies). Auch das Zentralnervensystem dieses Tieres wird von Dr. Brouwer im In- stitut für Hirnforschung ausführlich anatomisch untersucht werden. Diese Kontrolle „st aber zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Höchstwahrscheinlich wird sich aber zeigen, daß die totale Exstirpation der beiden Großhirnhemisphären tatsächlich gelungen ist, denn bei der Sektion konnte nur auf der einen Seite ein ganz kleiner Rest des Lobus pyriformis an der Hirnbasis nachgewiesen werden, auf der anderen Seite war selbst dieser Rest Großhirnrinde entfernt bzw. gelb erweicht. Die untenstehenden Abbildungen geben den makroskopischen Befund bei der Sektion wieder. PT Zum Problem der Körperstellung. IH. 79 “ N II mit Chiasma / Erweichter Rest des N @yr. piriformis Rest des Gyr. piriformis Pes peduneuli Cerebellum Med. obl. Abb. 2. Ventralansicht des Hirns vom Hunde (in natürl. Größe). III. Das Verhalten der Stellreilexe. A. Die Stellreflexe bei intakten Labyrinthen. I. Die Labyrinthstellreflexe. a) Normalstellung auf dem Boden. Katzel. Das Tier sitzt ruhig, wendet den Kopf nach allen Seiten, Neigung in großen Kreisen nach links herum zu gehen. Katzell. Das Tier sitzt mit stark ventral gebeugtem Kopfe. Hund. Kopf und Körper in Normalstand; steht symmetrisch. b) Labyrinthstellreflexe in der Luft. 1. Hängelage Kopf oben. Katzel. 13. XII. 1917. Kopf in Normalstellung. 12.I. 1918 Dasselbe. "Katze II. Kopf recht. 30. V. 1918. Kopf recht, auch wenn das Tier an den Vorderbeinen mit freischwebendem Hinterkörper hängt. Hund. Kopf recht. 2. Hängelage Kopf unten. Katze 1.13. III. 1917. Kopf in Normalstellung oder — 90°); 12. I. 1918 Kopf in Normalstellung. Katzell. 10.V. 1918. Starke Ventralbeugung des Kopfes, Mundspalte — 90°; 11. V. Kopf — 45°; 30. V. Kopf — 45° bis — 70°, danach Versuche durch Ventralbeugen und Seitwärtswenden den Kopf in Normalstellung zu bringen, was dem Tier fast völlig gelingt. Hund. 2. IX. 1919. Rechtsetzen des Kopfes durch Dorsalbeugen. 3. Rechte Seitenlage. 'Katzel, 13. XII. 1917.- Kopf in rechter Seitenlage, öfters durch Ventral- beugen und Drehen in Normalstellung; 12.1. 1918. Kopf in Normalstand im Raume durch Linkswendung. ?) Siehe dia Rose der Kopfstellungen von Magnus und de Kleijn in ihrer Arbeit über die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopf- stellung. Archiv f. d. ges. Physiol. 145, 455. 1912. Auf S. 463. 80 J. G. Dusser de Barenne u. R. Magnus: Katze II. 10. V. 1918. Kopf recht durch Linksdrehen, Schnauze vertikal nach unten; 30. V. Kopf recht. j Hund. 18. VI. 1918. Kopf in Normalstellung. 25. VI. Dasselbe. 4. Linke Seitenlage. KatzeI. 13. XII. 1917. Kopf in Normalstellung, Mundspalte — 90°. 12.1. 1918. Kopf teilweise recht, nicht vollständig. Katze II. 10. V. 1918. Kopf 45° nach rechts gedreht und stark gewendet, so daß der Unterkiefer auf der rechten Schulter ruht und Kopf in Normalstand steht. Hund. 18. VI. 1919. Kopf in Normalstellung. 25. VI. Kopf steht vollständig recht. 5. Rückenlage. Katzel. 13. XII. 1917. Kopf recht durch starke Ventralbeugung des Halses und vorderen Thorax. \ \ Katze II. 25. Ill. 1918. Kopf recht durch Ventralbeugen. Hund. 3. IX. 1919. Kopf recht durch. Drehen. c) Labyrinthstellreflexe auf Unterlage. 1. Brettversuch!) in rechter Seitenlage. KatzelI. 13. XII. 1917. Kopf recht durch Drehen. Katze II. 10. V. 1918. Kopf recht. 11. V. Kopf in Normalstand. Hund. 18. VI. 1919. Kopf bis 45° geradegesetzt durch Linksdrehen. 2, Brettversuch in linker Seitenlage. Katze]I. 13. XII. 1917. Kopf recht durch Wenden. 12. I. 1918. Kopf recht. Katze II. 10. V. 1918. Kopf nur bis 30° nach der Normalstellung gedreht; 11. V. Jetzt 70—90° nach Normalstand gedreht. X 30. V. Kopf recht. Hund. 18. VI. 1919. Kopf durch Rechtswenden bis 45° geradegesetzt. d) Fallumdrehreflex. KatzeI. Aus 1,5 m Höhe aus Rückenlage in der Luft fallen gelassen, promptes Umdrehen des Tieres in der Luft, aber erst unmittelbar über dem Boden. Katze II. 6.IV. 1918. Fallumdrehreflex noch negativ; 30. V. dasselbe. II. Die Körperstellreflexe auf den Kopf KatzeIl. 13. XII. 1917. Wenn sich das Tier in rechter Seitenlage auf dem Tisch befindet, so steht der Kopf in Normalstellung, während dieses in rechter Seitenlage in der Luft nicht so vollständig der Fall ist. 12. I. 1918. In linker Seitenlage in der Luft wird der Kopf nicht vollständig rechtgesetzt, während das in linker Seitenlage auf dem Tisch vollständig gelingt. Katze II. 30. V. 1918. In beiden Seitenlagen in der Luft wird der Kopf nur etwa 45° zur Normalstellung gedreht, während das in den Seitenlagen auf dem Tisch vollständig der Fall ist. Hund. 18. VI. 1919. Beim Brettversuch in linker und rechter Seitenlage auf dem Tisch wird der Kopf nur etwa 45° gegen Normalstand gedreht, sobald aber das Brett entfernt wird, wird der Kopf in beiden Seitenlagen vollständig rechtgesetzt. III. Die Halsstellreflexe. Katzel. 13. XII. 1917. Beim spontanen Aufsitzen aus rechter und linker Seitenlage geht erst der Kopf in Normalstellung, dann erst folgt der Körper; 12. 1.1918. Läßt sich aus der Normalstellung durch Kopfdrehen um 90° nach rechts und links in Seitenlage umlegen. Halsstellreflexe auf das Becken positiv. !) Magnus, R., Beiträge zum Problem der Körperstellung. I. Mitt. Archiv f. d. ges. Physiol. 163, 405. 1916. ‚Zum Problem der Körperstellung. III. 81 Katze II. 48 Stunden nach der Exstirpation der letzten Großhirnhemisphäre läßt sich das Tier durch Rechtsdrehen des Kopfes in rechte Seitenlage umlegen, nicht aber durch Linksdrehen des Kopfes in linke Seitenlage. 25. III. 1918. Aus rechter Seitenlage erfolgt durch Geradesetzen des Kopfes Aufsitzen des Körpers (allerdings muß dabei der Körper hin und her geschüttelt werden); 10. V. 1918. Beim Aufsitzen aus den beiden Seitenlagen geht der Kopf voran. Halsstellreflexe auf das Becken deutlich vorhanden. 30. V. 1918. Kopf geht voran beim Aufsitzen, auch aus Rückenlage. Hund. 11. VII. 1919. Halsstellreflexe sehr stark (Kopfdrehen in Rückenlage und Umlegen aus Normalstellung auf dem Tisch in Seitenlage). IV. Die Körperstellreflexe auf den Körper KatzeI. 13. XII. 1917. Wird der Kopf in einer der beiden Seitenlagen fest- gehalten, so sitzt der Körper aus diesen Seitenlagen auch auf Schwanzkneifen nicht auf, wohl aber sobald er auf dem Tische hin und her geschüttelt wird. Nachher sitzt der Hinterkörper auch auf Schwanzkneifen auf. 12. I. 1918. Dasselbe Ergebnis. Katze II. Diese Stellreflexe sind am 25. III. 1918 noch nicht nachweisbar. 10. V. 1918. Noch negativ, auch auf Schwanzkneifen. 11. V. Aus linker Seitenlage jetzt positiv, nicht aus rechter Seitenlage. 30. V. Aus beiden Seitenlagen auf Schwanzkneifen sofort Aufsitzen des Kör- pers, auch wenn der Kopf in Seitenlage festgehalten wird. Auch auf Hin- und Her- schütteln auf dem Tisch. Hund. 25. VI. 1919. Sehr stark positiv aus beiden Seitenlagen, auch am 11. VII. V. Sonstige Labyrinthreflexe. KatzelI. 12.1. 1918. Kopfdrehreaktion, -nachreaktion, Kopfdrehnystagmus und -nachnystagmus sowie Augennachnystagmus alle positiv. KatzeIl. 7.V. 1919. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion, Kopfdreh- nystagmus, Augendrehnystagmus, sowie -nachnystagmus alle positiv. Kalorisch: Augennystagmus und Kopfnystagmus. Augennystagmus abhängig von der Körper- lage. 30. V. Jetzt auch Kopfdrehnachnystagmus. Kalorisch: Augennystagmus. Hund. 11. VII. 1919. Mit Kopfkappe untersucht. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion, -nystagmus und -nachnystagmus positiv. Kompensatorische Augenstellungen in Seitenlage positiv (oberes Auge deutlich nach unten). 3. IX. Kopfdrehnachreaktion positiv. VI. Tonische Hals- und Labyrinthreflexe. Katzel. 12.1. 1918. Kopfdrehen in Rückenlage ergibt tonische Halsreflexe auf die 4 Glieder, auf Kopfwenden desgleichen auf die Vorderbeine. Bei Kopf- drehen in Seitenlage sind die tonischen Halsreflexe stärker als die tonischen Laby- rinthreflexe. ’ Katze II. 10. V. 1918. Tonische Halsreflexe auf die Extremitäten alle posi- tiv. Kopfdrehen in Seitenlage ergibt Halsreflexe. 11. V. Auf Kopfdrehen in Seitenlage überwiegend tonische Labyrinthreflexe. 30. V. Auch auf Wenden tonische Halsreflexe. Kopfdrehen in Seitenlage ergibt überwiegend tonische Halsreflexe. Beim Umlegen aus Bauch- in Rückenlage tonische Labyrinthreflexe. Hund. 11. VII. 1919. Keine deutlichen tonischen Labyrinthreflexe auf die Glieder. 12. VI. Umlegen aus Bauch- in Rückenlage ergibt tonische Streckung der 4 Extremitäten (Labyrinthreflex). 25. VI. Auf Kopfdrehen in Seitenlage treten sehr starke tonische Labyrinth- reflexe auf die Vorderbeine auf. Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 6 82 J. &. Dusser de Barenne und R. Magnus: B. Die Stellreflexe nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Die Tiere zeigten nach der einseitigen Labyrinthexstirpation bis in alle Einzel- heiten das gleiche Verhalten wie es in der Arbeit von Magnus und de Kleijn über die Folgezustände einseitiger Labyrinthexstirpation (Archiv f. d. ges. Physiol. 154, 1913) für Hunde und Katzen mit intaktem Großhirn beschrieben worden ist. I. Die Labyrinthstellreflexe. a) Normalstellung auf dem Boden. Katzel. Exstirpation des rechten Labyrinthes am 12.1. 1918. Eine halbe Stunde nach der Exstirpation des rechten Labyrinthes ist der Kopf nach rechts gewendet und etwas gedreht. Augenabweichung nach rechts. Fällt gelegentlich nach rechts um. Nach ?/, Stunden Verschieblichkeit nach rechts größer als nach links. Nach 17 Stunden: Kopf nicht mehr so stark nach rechts gewendet, aber deutlich gedreht. Verschieblichkeit nach rechts größer als nach links, bei rechtgesetztem Kopfe kein Unterschied mehr. Nach 42 Stunden; Tier sitzt gerade. Kopf 30° nach rechts gedreht. Nur noch manchmal Rechtswendung. Beim Laufen Umfallen nach rechts. Nach 66 Stunden: Tier sitzt mit Kopf geradeaus, 20° nach rechts gedreht, Fällt beim Laufen noch nach rechts um. Katze II. Exstirpation des rechten Labyrinthes am 1. VI. 1918. Direkt nach der Operation ist der Kopf stark nach rechts gedreht und gewendet, so daß er fast in Rückenlage sich befindet. 5 Stunden nach der Operation: Tier sitzt. Kopf 90° nach rechts gewendet und gedreht. Manchmal Umfallen nach rechts, worauf stets von selbst Aufsitzen. | Nach 24 Stunden; Kopf 90° nach rechts gewendet, 70° gedreht. Nach 48 Stunden: Kopf nicht mehr gewendet, 180° gedreht, so daß er sich vollständig in Rückenlage befindet. Fällt öfters nach rechts um. Nach 72 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht. Das Tier kann aus rechter und linker Seitenlage aufsitzen. b) Labyrinihstellreflexe in der Luft ' 1. Normalstellung in der Luft. Bei KatzeI nicht geprüft. Katze II. Nach 24 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht und gewendet. Nach 48 Stunden: Kopf in Rückenlage. 2. Hängelage Kopf oben. KatzeI. Kopf durch Rechtswenden in rechter ee Katze II. Nach 24 Stunden: Kopf in rechter Seitenlage. 3. Hängelage Kopf unten. KatzeI. Nach !/, Stunde: Kopf 30—40° nach rechts gedreht, untere Thorax- apertur 20° nach rechts gedreht. Nach 17 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht. Manchmal etwas nach rechts gewendet, manchmal gerade nach unten, manchmal etwas nach links ge- wendet (Labyrint&stellreflex ?) Nach 41 Stunden: Tier sehr unruhig. Abwehrbewegungen. Kopf in Rückenlage. Nach 66 Stunden: Starke Unruhe. Rechtswenden des Kopfes, so daß das linke Ohr nach unten steht [Grunddrehung!) stärker]. Katze Il. Nach 24 Stunden: Kopf 45—90° nach rechts gedreht, linkes Ohr steht tiefer. Nachher mehr als 90° nach rechts gedreht, 30—-90° nach rechts gewendet, so daß der Kopf sich in linker Seitenlage befindet. 3) Siehe Magnus, R., Beiträge zum Problem der Körperstellung. II. Mitt. Stellreflexe beim Kaninchen nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Archiv f. d. ges. Physiol. 1%4, 134. 1919. Besonders Seite 137. EEE ” Zum Problem der Körperstellung. III. 3 Nach 50 Stunden: Kopf so stark nach rechts gewendet und gedreht, daß er sich bis auf 45° der Normalstellung nähert. Nach 72 Stunden: Tier unruhig. Kopf 180° nach rechts gedreht, bis er fast in Iinker Seitenlage sich befindet. Das Tier versucht durch stärkeres Wenden und Drehen des Kopfes nach rechts aus dieser Lage zu kommen, und manchmal selingtesihm, denKopf für kurze Zeitin Normalstellung zu bringen. Hieran wirkt auch die Thoraxmuskulatur mit. 4. Rechte Seitenlage. KatzeI. Nach 17 Stunden: Tier ruhig. Kopf in rechter Seitenlage. KatzeIIl. Nach 24 Stunden: Kopf in rechter Seitenlage. Nach 50 Stunden: Kopf anfangs in Rückenlage, dabei fortwährend Versuche, den Kopf durch Linkswenden in rechte Seitenlage zu bringen, was teilweise glückt. Nach 72 Stunden: Kopf in Rückenlage, manchmal gelinst es dem Tier, den Kopf völlig in rechte Seitenlage zu bringen. 5. Linke Seitenlage. KatzeI. Nach 17 Stunden: Tier sehr unruhig, daher nicht prüfbar. Katze II. Nach 24 Stunden: Kopf ist stark nach rechts gedreht und gewendet, so daß er vollständig in Normalstellung steht. Nach 50 Stunden: Kopf durch Drehen und Wenden um 90° in Normalstand. Nach 72 Stunden: Kopf in Normalstellung. 5. Rückenlage. \ FürKatzelI liegen wegen Unruhe des Tieres keine diesbezüglichen Angaben vor. Katze II. Nach 48 Stunden: Kopf stark gewendet, liegtinrechter Seiten- lage auf dem Bauche. Nach 50 Stunden: Ventralbeugen des Vorderkörpers, starke Unruhe des Tieres. Es wird erst ruhig, wenn es ihm gelingt, den Kopf in rechter Seitenlage auf den Bauch zu bringen. Nach 72 Stunden: Starke Ventralbeugung des Thorax, Kopf in rechter Seiten- lage auf dem Bauche. c) Labyrinthstellreflexe auf Unterlage. 1. Brettversuch in rechter Seitenlage. Katze I. Nach 17 Stunden: Kopf in rechter Seitenlage. Katze II. Nach 24 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht und gewendet, also Kopf in Rückenlage mit Schnauze nach oben. Nach 50 Stunden: Kopf 45°. nach rechts gedreht, manchmal auch längere Zeit in rechter Seitenlage. 2. Brettversuch in linker Seitenlage. Katze I. Nach 17 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht und etwas nach rechts gewendet, so daß der Kopf im Raume rechtsteht. Nach 66 Stunden: Kopf vollständig im Normalstand. Katze II. Nach 24 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht und 45° gewendet, Schnauze nach unten. Nach 50 Stunden: Kopf 90° nach rechts gedreht und gewendet, so daß er in Normalstand steht. II. Die Körperstellreflexe auf den Kopf. Katze I. Nach 17 Stunden: Das Tier liegt in rechter Seitenlage, es kann den Kopf in Normalstellung bringen, worauf Aufsitzen erfolgt. Nach 41 Stunden: Aus rechter Seitenlage wird der Kopf langsam durch Wenden in Normalstellung gebracht, wonach der Rumpf aufsitzt. Nach 66 Stunden: Das Tier sitzt aus rechter Seitenlage sofort auf, wobei der Kopf vorangeht. 6* 84 J.G. Dusser de Barenne und R. Magnus: III. Die Halsstellreflexe. Katze I. Nach 41 Stunden: Die Katze läßt sich aus der Normalstellung mit symmetrischem Kopfe durch Kopfdrehen um 90° sowohl nach rechts als nach links in Seitenlage umlegen. Wird dann der Kopf aus der Seitenlage rechtsgesetzt, - so sitzt aus beiden Seitenlagen der Körper sofort auf. Katze II. Nach 24 Stunden: Das Tier läßt sich aus Normalstand auf dem Tisch durch Kopfdrehen um 90° in beide Seitenlagen umlegen. Nach 72 Stun- den: Halsstellreflexe auf das Becken (Kopfdrehen in Rückenlage in der Luft) sehr stark positiv. IV. Die Körperstellreflexe auf den Körper. Katze I. Nach 48 Stunden: Befindet das Tier sich in linker Seitenlage und wird der Kopf in dieser Lage festgehalten, so erfolgt auf Hin- und Herschütteln des Körpers auf der Unterlage Aufsitzen des Hinterkörpers. Dieser Versuch ge- lingt nicht aus rechter Seitenlage. Nach 66 Stunden: Aus beiden Seitenlagen erfolgt auf Hin- und Herschütteln des Körpers Aufsitzen des Hinter- körpers, auch wenn der Kopf in Seitenlage festgehalten wird. Katze II. Nach 24 Stunden: Aus rechter Seitenlage spontanes Aufsitzen, während der Kopf um mehr als 90° nach rechts gedreht bleibt. Nach 48 Stunden: Dasselbe Ergebnis. Nach 50 Stunden: Kopf in rechter Seitenlage festgehalten, Körper auf Unterlage hin- und hergeschüttelt, Aufsitzen des Körpers. V. Fallumdrehreflex. Katze I. Nach 66 Stunden: Noch positiv. VI. Labyrinthausfallsfolgen. Katze I. Tonusunterschied der Extremitäten eine halbe Stunde nach der einseitigen Labyrinthexstirpation deutlich, 20 Minuten später schon viel geringer. Nach 17 Stunden: In Rückenlage mit symmetrisch gebaltenem Kopfe kein deutlicher Tonusunterschied der Glieder. Obere Thoraxapertur 45°, bei symmetrisch gehaltenem Kopfe 15° nach rechts gedreht. Katze II. Nach 24 Stunden: Bei symmetrisch gehaltenem Kopfe kein deut- licher Tonusunterschied der Extremitäten. Hängelage Kopf unten: untere Thorax- apertur 45° nach rechts gedreht, bei symmetrisch gehaltenem Kopfe ist diese Dre- hung des Brustkorbs verschwunden. Nach 48 Stunden: Obere Thoraxapertur bei symmetrischer Kopfstellung zum Rumpfe 20° nach rechts gedreht. C. Die Stellreflexe nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation. I. Die Labyrinthstellreflexe (fehlen!). Katze I. Exstirpation des zweiten (linken) Labyrinthes am 15. II. 1918. Normalstand in der Luft: Nach !/, Stunde: Kopf stark nach links ge- wendet; nach 4 Stunden Kopf 90° nach links gedreht; nach 24 Stunden: Kopf nach rechts gewendet, öfters auch geradeaus gehalten. Hängelage Kopf unten: Kopf in Rückenlage. Hängelage Kopf oben: Kopf in Normalstellung. In beiden Seitenlagen in der Luft: Keine Labyrinthstellreflexe nach- weısbar. % Zum Problem der Körperstellung. II. 5 Rückenlage in der Luft: Kopf mit Schnauze vertikal nach oben. Beim Brettversuch in beiden Seitenlagen auf Unterlage: Keine Labyrinth- _ stellreflexe nachweisbar. Katze II. Exstirpation des zweiten (linken) Labyrinthes am 5. VI. 1918. Nach dieser Operation hält das Tier den Kopf in allen Stellungen sehr stark ven- tralwärts gebeugt. Normalstand in der Luft: Kopf steht in Rückenlage. Hängelage Kopf unten: Kopf mit Mundspalte + 45° bis + 90°. Hängelage Kopfoben: Kopf in Rückenlage; nach 48 Stunden: Mundspalte — 90°, - In beiden Seitenlagen in der Luft: Kopf in Seitenlage. RBückenlage in der Luft: Kopf in —135°-Stellung. Beim Brettversuch in beiden Seitenlagen auf Unterlage: Kopf in Seitenlage. Normalstellung auf dem Boden: Kopf durch starkes Ventralbeugen in Stellung —45° oder in Rückenlage, am folgenden Tage Kopfstellung, selbst + 45° (!); das Tier schlägt infolgedessen selbst emen Purzelbaum. II. Die Körperstellreflexe auf den Kopf. Katze I. Nach !/, Stunde versucht das Tier aus linker Seitenlage auf dem Boden den Kopf durch Wenden in Normalstand zu bringen; aus rechter Seitenlage bringt es den Kopf durch Drehen in Normalstellung, darauf sitzt der Körper auf und fällt dann nach links um. Nach 4 Stunden: Kopf nach links gedreht, Tier fällt auf dem Boden nach links um, worauf es den Kopf durch Rechtswenden in Normalstand bringt und Auf- sitzen des Körpers erfolgt. Aus rechter Seitenlage dasselbe Ergebnis wie !/, Stunde nach der letzten Operation. Das Tier rollt mehrmals über den Bauch ab- wechselnd nach rechts und links, wobei der Kopf stets vorangeht. Nach 24 Stunden: Beim Brettversuch auf dem Boden in rechter und linker Seitenlage bleibt der Kopf in der betreffenden Seitenlage, wird aber das Brett fortgenommen,sogeht der Kopfsofortin Normalstellungunddanach sitztder Körperauf. In rechter und linker Seitenlage in der Luft steht der Kopf in Seitenlage, sobald aber das Tier in einer der beiden Seitenlagen auf den Boden gelegt wird, geht der Kopf sofort in Normalstellung. Katze II. Nach 5 Stunden: Das Tier fällt mehrmals nach links um und sitzt dann aus linker Seitenlage wieder auf. In rechter Seitenlage auf dem Tisch ist der Kopf bis 45° nach der Normalstellung gedreht. In linker Seitenlage auf dem Tisch steht der Kopf vollständig in Normalstand. Während der Kopf bei Seitenlage des Tieres in der Luft sich in Seitenlage befindet, wird er sofort in Normalstand gebracht, wenn das Tier auf dem Tisch niedergelegt wird. Beim Brettversuch in beiden Seitenlagen auf Unterlage steht der Kopf in Seitenlage, um aber sofort in Normalstellung gebracht zu werden, sobald das Brett entfernt wird. Nach 24 Stunden: Das Tier wird auf den Boden gesetzt, fällt dann nach links um, steht aber aus dieser Seitenlage sofort wieder auf, wobei der Kopf voran- geht, um aber, sobald es den Normalstand eingenommen hat, in rechte Seitenlage umzufallen. Hieraus sitzt es wieder unter Vorangehen des Kopfes auf, gelangt somit wieder in Normalstellung, fällt dann aber wieder in die linke Seitenlage um; so geht es mehrmals hintereinander, d. h. das Tier rollt fortwährend über den Bauch von der einen Seitenlage in dieandere, wobei esjedesmal durehdie Normalstellunghindurchgehtund der Kopfstets vorangeht. Nach 48 Stunden: In allen Versuchen genau dasselbe Verhalten wie gestern. 86 J.G. Dusser de Barenne und R. Magnus: III. Die Halsstellreflexe. Katze I. Nach 4 Stunden: Durch Kopfdrehen um 90° nach links oder rechts läßt sich der Körper in beide Seitenlagen umlegen. Wird darauf der Kopf wieder in Normalstellung gedreht, so sitzt der Körper sofort auf. Katze II. Nach 5 Stunden: Wird der Kopf aus einer der beiden Seitenlagen in Normalstand gebracht, dann sitzt der Körper des Tieres sofort auf. Auf Kopfdrehen in Rückenlage treten starke Halsstellreflexe auf das Bek- ken auf. Nach 24 Stunden: Die Katze läßt sich durch Drehen des Kopfes um 90° in beiden Seitenlagen umlegen. IV. Die Körperstellreflexe auf den Körper. Katze I. Nach 30 Stunden: Wird der Kopf des sich in rechter Seitenlage befindenden Tieres in dieser Lage festgehalten, und der Körper hin und her ge- schüttelt, so sitzt der Hinterkörper auf. Aus linker Seitenlage gelingt dieser Versuch heute nicht: Nach 48 Stunden: Jetzt ist dieser Versuch aus beiden Seitenlagen pcsi- tiv. Katze II. Diese Gruppe der Stellreflexe ist bei diesem Tier nicht nachzu- weisen. V. Fallumdrehreflex. Katze I. Nach der doppelseitigen Labyrinthexstirpation ist dieser Reflex nicht mehr nachweisbar. VI. Allgemeines Verhalten der Tiere nach der doppelseitigen Laby- rinthexstirpation. Katze I. Nach einer halben Stunde: In Rückenlage mit symmetrisch ge- haltenem Kopfe ist die linke Vorderpfote etwas mehr gebeugt als die rechte. Nach 48 Stunden: 'Tonusunterschied der Vorderbeine in Rückenlage bei sym- metrisch gehaltenem Kopfe noch eine Spur nachweisbar. Starke tonische Hals- reflexe auf die Extremitäten. Katze II. Nach 5 Stunden: Das Tier sitzt. Starke tonische Halsreflexe auf die Vorderbeine. Kein Tonusunterschied der Vorderpfoten in Rückenlage mit symmetrisch gehaltenem Kopfe. : Nach 72 Stunden: Die Katze kann längere Zeit auf ihren Beinen stehen ohne umzufallen. VI. Versuch durch passive Augenbewegungen Kopfbewegungen auszulösen. Katze Il. Nach Cocainisierung beider Corneae wird jederseits ein Faden durch den vorderen Augenpol gezogen. Hierdurch ist es möglich, passive Be- wegungen mit den Augen auszuführen. Weder auf Rechts- oder Linkswenden der Augen, noch auf Konvergenz- oder auf Divergenzbewegungen lassen sich Reflexe auf den Kopf oder auf das übrige Tier auslösen. Zusammenfassung. Bei einer Katze ohne Neencephalon, einer Katze ohne Großhirn und einem Hunde ohne Großhirn wurde das Verhalten der ‚‚Stell- reflexe‘“ untersucht. Dabei stellte es sich heraus, daß der Thalamus- hund und die Thalamuskatze genau dieselben Stellreflexe besitzen, wie Zum Problem der Körperstellung. IIL 87 das früher von Magnus für das Thalamuskaninchen und das Kaninchen mit intaktem Großhirn festgestellt worden war. Aus diesem Grunde erscheint es uns unnötig, die in den vorhergehenden Abschnitten ge- schilderten Beobachtungen nochmals im einzelnen durchzuanalysieren ; es müßte dann einfach dasselbe noch einmal gesagt werden, was in den beiden vorhergehenden Mitteilungen für das Kaninchen ausführlich auseinandergesetzt worden ist. Für die nähere Begründung der folgen- den Schlüsse sei daher auf diese Arbeiten verwiesen. Während Hund und Katze nach dem Decerebrieren ‚‚stehen‘“ können, aber umfallen, sobald man ihnen einen Stoß gibt, und nicht imstande sind, sich aus abnormen Lagen aufzurichten. haben Thalamus- hund und Thalamuskatze das Vermögen, sich selbst zu stellen. Hierfür ist zunächst von Wichtigkeit, daß diese Tiere, ebenso wie das Thalamuskaninchen, keine Enthirnungsstarre mehr zeigen, sondern eine „normale‘‘ Tonusverteilung in ihrer Körpermuskulatur besitzen. Das Vermögen, die normale Körperstellung einzunehmen und zu erhalten, beruht bei Hund und Katze nach Entfernung des Großhirns auf dem Zusammenwirken der folgenden Reflexe: 1. Labyrinthstellreflexe auf den Kopf. Sie sind am besten isoliert zu untersuchen, wenn man das Tier frei in der Luft hält, so daß es nicht in Berührung mit der Unterlage kommt. Infolge von Labyrintherregungen wird der Kopf aus jeder beliebigen Lage nach der Normalstellung hinbewegt. Man kann dann den Körper um den im Raume feststehenden Kopf nach allen Seiten bewegen. Die Laby- rinthstellreflexe fehlen nach Exstirpation der Labyrinthe. Auf ihrer Wirkung beruht das Vermögen der Katzen, sich beim freien Fall in der Luft so umzudrehen, daß sie richtig mit den Pfoten auf dem Boden anlangen. Befinden sich die Tiere (mit intakten Labyrinthen) auf dem Boden, so wirken die Labyrinthstellreflexe mit den ‚‚Stellreflexen durch asym- metrische Reizung der sensiblen Körpernerven“ zusammen. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation entwickelt sich bei Katze und Hund (ebenso wie beim Kaninchen) eine Kopfdrehung („Grunddrehung‘“), welche auf einem einseitigen tonischen Einfluß auf die Muskeln der zugehörigen Halsseite beruht. Diese Grunddrehung ist bei allen Lagen im Raume vorhanden, hat aber ihr Maximum, wenn sich der Kopf in Rückenlage mit etwas gehobener Schnauze befindet. Die Zentren für diesen tonischen Reflex liegen in der Medulla oblongata hinter der Eintrittsebene der Octavi. Zu dieser Grunddrehung addiert sich beim Thalamustier nach ein- seitiger Labyrinthexstirpation!) der Labyrinthstellreflex, welcher stets 1) Die ein- und doppelseitige Labyrinthexstirpation wurde nur bei den beiden Katzen, nicht bei dem Hunde ohne Großhirn vorgenommen. Daß trotzdem die tete) J.G. Dusser de Barenne und R. Magnus: dahin strebt, den Kopf im Raume in diejenige Seitenlage zu bringen, in welcher das erhaltene Labyrinth sich oben befindet. In dieser Lage hat der Labyrinthstellreflex sein Minimum. Wenn das erhaltene Laby- rinth sich unten befindet, hat der Reflex sein Maximum. Diejenigen Labyrinthstellreflexe, durch welche der Kopf bei Er- haltensein beider Labyrinthe aus asymmetrischen Lagen im Raume in die Normalstellung zurückgeführt wird, erklären sich durch das Zusammenwirken der Erregungen aus beiden Labyrinthen. Der Kopf kommt in einer deratigen Lage zur Ruhe, daß die Erregungen aus beiden Labyrinthen gleich stark sind. Sobald sich der Kopf aus der symmetrischen Lage entfernt, gehen von dem mehr nach unten befindlichen Labyrinth stärkere Erregungen aus, welche die Drehung des Kopfes in die Normalstellung bewirken. Je nach der verschiedenen Lage des Körpers’im Raume addieren oder subtrahieren sich bei Tieren mit einseitiger a 0 und Labyrinthstellreflexe. | 2.Stellreflexeaufden Kopfdurchasymmetrische Reizung der sensiblen Körpernerven. Diese lassen sich am besten bei labyrinthlosen Tieren untersuchen, sind aber auch bei Tieren mit er- haltenen Labyrinthen unter gewissen Bedingungen anschaulich zu machen. Sie wirken beim intakten Tier mit den Labyrinthstellreflexen zusammen. Liegt der Körper in asymmetrischer Lage auf dem Boden, so wird durch asymmetrische Erregung der sensiblen Körpernerven reflektorisch eine Drehung des Kopfes zur Normalstellung zustande gebracht. Der Reflex läßt sich aufheben, wenn man den einseitigen Druck der Unterlage durch Auflegen eines beschwerten Brettes auf die obere Körperseite kompensiert. Das labyrinthlose Tier kann dar- auf seinen Kopf nicht mehr in die Normalstellung bringen, während das Tier mit intakten Labyrinthen dieses noch durch den Labyrinth- stellreflex vermag. 3. Halsstellreflexe. Sobald der Kopf in der Normalstellung steht, der Körper aber noch nicht, so wird durch die abnorme Haltung (Drehung, Streckung, Beugung) des Halses ein Reflex ausgelöst, durch den der caudal gelegene Teil der Wirbelsäule in die richtige und sym- metrische Stellung zum Kopf gebracht wird. Der Reflex setzt sich von vorn nach hinten längs der Wirbelsäule fort. Die Halsstellreflexe sind auch beim labyrinthlosen Tiere wirksam. 4. Stellreflexe auf den Körper durch asymmetrische Reizung der sensiblen Körpernerven. Auch wenn der Kopt sich nicht in Normalstellung befindet, kann der Körper durch einen folgenden Schlüsse im Prinzip auch für den Hund gelten, ergibt sich aus Beokach- tungen an Hunden mit Großhirn nach ein- und doppelseitiger Labyrinthexstir- pation. Zum Problem der Körperstellung. III. . 89 Reflex, der durch asymmetrische Reizung der sensiblen Körpernerven bei Berührung mit der Unterlage ausgelöst wird, doch in die normale Stellung gebracht werden. Man kann den Reflex aufheben, wenn man den asymmetrischen Druck des Bodens durch Auflegen eines beschwerten Brettes kompensiert. Dieser Reflex ist auch beim labyrinthlosen Tier vorhanden, er läßt sich aber auch bei intakten Labyrinthen nach- weisen. 5. Optische Reize spielen beim großhirnlosen Hund und Katze keine Rolle als Stellreize. Da die Stellreflexe dem decerebrierten Tiere fehlen, beim Thalamus- tier aber vorhanden sind, so müssen ihre Zentren zwischen der Brücke und dem Vorderrand der Sehhügel liegen. In Analogie mit dem Kanin- chen dürfen wir annehmen, daß sie ihren Sitz im Mittelhirn haben, doch ist die genaue Lage für Hund und Katze noch zu bestimmen. ° Jedenfalls ist auch bei diesen Tieren ein subcortical vor der Brücke gelegener Zentralapparat vorhanden, welcher alle die beschriebenen Stellreflexe zu einheitlicher Leistung zusammenfaßt. In einer früheren Mitteilung von de Kleijn und Magnus ist gezeigt worden, daß die Bahnen für die Labyrinthstellreflexe und für die Halsstellreflexe bei der Katze nicht über das Kleinhirn laufen. Für die ‚‚Stellreflexe durch asymmetrische Erregung der sensiblen Körpernerven‘ ist dieser Nach- weis bisher nicht erbracht. x Der Grund, weshalb wir geglaubt haben, das Verhalten der Stell- reflexe bei Thalamushund und -katze so ausführlich schildern zu müssen, liest in folgendem: Beim Kaninchen hat sich herausgestellt, daß sich bei Tieren mit erhaltenem Großhirn keine wesentlich andern Stell- reflexe nachweisen lassen, als bei Thalamus- und Mittelhirntieren. Bei Hund und Katze ist das anders. In der folgenden Mitteilung dieser Reihe wird von de Kleijn und Magnus gezeigt werden, daß Katze und Hund mit erhaltenem Großhirn zu den bisher geschilderten noch eine neue Gruppe von Stellreflexen besitzen. Durch die in dieser Mitteilung beschriebenen Beobachtungen wird das Vermögen der großhirnlosen Hunde von Goltz, Rothmann, Dusser de Barenne und der großhirnlosen Katzen von Dusser de Barenne, zu stehen und zu laufen, befriedigend aufgeklärt. Atmungsversuche bei sehr hohem Druck. Von Prof. Dr. Gustav Gaertner. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) (Eingegangen am 24. November 1919.) Die Versuche, über welche ich kurz berichten will, wurden in den letzten Monaten vor Kriegsausbruch begonnen und fanden anfangs August 1914 ein vorzeitiges Ende, als das physiologische Laboratorium der Wiener Hochschule für Bodenkultur zum Bestandteil eines Lazaretts wurde. Bei dieser Umwandlung, die in Abwesenheit des zu Kriegs- diensten einberufenen Institutsvorstandes, Prof. A. Durig, vor sich ging, gerieten die Versuchsprotokolle in Verlust. Es bleibt mir daher nicht übrig, als die wichtigsten Ergebnisse aus dem Gedächtnisse zu reproduzieren!). Versuchsanordnung: An die „calorimetrische Bombe“ ist ein aus genügend druckfestem Material gefertigtes, dreifach gegabeltes Rohr angeschlossen. Die Enden der Röhren führen zu großen Stahlflaschen, die unter einem Druck von 100 Atmosphären gefüllt sind, und zwar: 1. Mit Sauerstoff, 2. mit Stickstoff, 3. mit Wasserstoff. In die gemeinsame, zur Bombe führende Leitung ist ein Mano- meter eingeschaltet. Eine mit sehr feiner Schraube versehene Auspuff- öffnung ermöglicht es, den Druck in der Bombe nach Belieben, rasch oder langsam, absinken zu lassen und das Ausströmen des Gases in jedem beliebigen Zeitpunkt zu unterbrechen. Am Boden der Bombe werden einige Stangen Kalilauge unter- gebracht, darüber eine durchlochte Blechscheibe, welche die direkte Berührung zwischen den Versuchstieren und den Laugenstangen ver- hindert. : Als Versuchstiere dienten weiße Mäuse. Die Apparatur wurde von Prof. Durig, der mir auch sonst hilfreich zur Seite stand, für den vorliegenden Zweck konstruiert. Sie kann aber auch zu Unterrichtszwecken mit Vorteil Verwendung finden. Der Lehrer der Physiologie kann mit ihrer Hilfe seinen Schülern zwei für t) Ich verzichte darum auch auf ein Eingehen auf die einschlägige Literatur. G. Gaertner: Atmungsversuche bei sehr hohem Druck. 91 Theorie und Praxis gleich wichtige Experimente vorführen. Er kann die Taucher- und Caissonkrankheit einerseits, die Giftwirkung des komprimierten Sauerstoffs andererseits demonstrieren. Meine Versuche sollten zwei Fragen beantworten: 1. Welches ist der höchste Druck, der von einer Maus vertragen wird? Ich will gleich vorwegnehmen, daß ich diese Frage positiv nicht beantworten kann. Ich konnte nur feststellen, daß ein Druck von 25 Atmosphären nicht tödlich ist. (Einem höheren Druck konnte ich meine Apparatur nicht aussetzen.) Die Tiere kamen munter aus der Bombe hervor, fraßen sofort und zeigten auch nachträglich keinerlei Krankheitserscheinungen. Einige wurden wiederholt diesem enormen Druck ausgesetzt, ohne Schaden zu leiden. Der Druck von 25 Atmosphären entspricht einer Tauchtiefe von 250 m. Die Mäuse wurden also unter Bedingungen gesetzt, die schon denen entsprechen, unter welchen ein Teil der Tiefseefauna lebt. Sie eıtrugen den Druck und die beiden Übergänge, wenn die notwendige Vorsicht eingehalten wurde. Der Verlauf eines solchen Experiments gestaltet sich wie folgt: Das Tier wird in die Bombe gebracht, der Deckel aufgeschraubt und die Verbindungen mit den Gasflaschen hergestellt. Nun wird bei geöffnetem Auspuff das Ventil der Sauerstoffflasche gelüftet und die Bombe mit O gründlich durchgeblasen. Dann wird zuerst das O-Ventil und gleich darauf der Auspuff geschlossen. Der Experimentierraum ist jetzt mit O von Atmosphärendruck gefüllt. Jetzt läßt man Stickstoff zuströmen, und zwar so lange, bis das Manometer den gewünschten Druck anzeigt, also z. B. 25 Atmosphären. Hierauf wird das Ventil der N-Bombe ge- schlossen und nur, wenn der Druck infolge der fast stets vorhandenen kleinen Undichtigkeiten des Systems ein wenig absinkt, durch Nach- füllen mit N auf der gewünschten Höhe erhalten. Bei Versuchen, die sich über mehrere Stunden erstreckten, wurde auch etwas O, nie mehr als ein Viertel bis eine halbe Atmosphäre, als Ersatz für das vom Tier verbrauchte Gas nachgeschickt. Die produzierte Kohlensäure wurde durch die Lauge in genügender Masse beseitigt. Meine Versuche erbrachten den Beweis, daß auch für diese, bisher niemals zur Verwendung gekommenen hohen Drucke die Gesetze gelten, wie sie für niedrigere Drucke an Menschen und an Tieren ermittelt wurden, und zwar: 1. Es ist gleichgültig, ob die Kompression rasch oder langsam erfolgt. Die Tiere blieben am Leben, auch wenn sie innerhalb 2—3 Minuten bis unter 25 Atmosphären Druck gebracht wurden. Die brüske Kom- pression bis auf 25 Atmosphären übte keine Schädigung aus; wir ver- mochten wenigstens keine festzustellen. 92 G. Gaertner: 2. Auch die Dauer der Kompression war innerhalb weiter Grenzen ohne Einfluß auf das Ergebnis des Experiments. Wir konnten die Tiere stundenlang unter dem hohen Druck halten, ohne daß sie Schaden litten. 3. Nur der Verlauf der Dekompression war entscheidend dafür, ob die Maus bei Öffnung der Bombe tot oder lebend gefunden wurde. Nach brüsken Dekompressionen von mittelhohen Drucken und raschem Öffnen des Verschlusses gelang es zuweilen, das Tier lebend aus der Bombe hervorzuholen und den Ablauf der mit dem Tode enden- den Vorgänge zu beobachten. Diese Veränderungen bedürfen zu ihrer Entwicklung, wie bekannt, einer gewissen Zeit, die man als Inkubations- zeit der Caissonkrankheit bezeichnen könnte. Bei hohen Drucken ist diese Zeit so kurz, daß sie durch das einige Minuten in Anspruch neh- mende Öffnen der Büchse erschöpft wird. Bei Drucken zwischen 10 und 15 Atmosphären gelingt es aber, wie schon erwähnt, wenn man sich mit der Dekompression und dem Öffnen der Bombe beeilt, das Tier lebend zutage zu bringen. Ähnlich wickeln sich bekanntlich die Vorgänge auch beim Dekomprimieren der Taucher und der Caissonarbeiter ab, die erst nach dem Verlassen des Wassers und des Caissons, oft erst Stunden später, erkranken. Bei unseren kleinen Versuchsobjekten spielen sich die Ereignisse viel rascher ab. Was am Menschen in einer Stunde vorgeht, läuft in der Maus vielleicht schon in einer Minute ab. Dadurch wird der Versuch auf einen kurzen Zeitraum zusammengedrängt und wesentlich er- leichtert. Die Ermittlung der in Frage stehenden Prinzipien gelingt auch durch Versuche an Kleintieren. Damit ist aber die Notwendigkeit ihrer Wieder- holung an großen Tieren nicht aufgehoben, wenn auch daraus Schlüsse gezogen werden sollen, die für den Menschen Geltung beanspruchen. Die brüsk von 10 Atmosphären dekomprimierte Maus ist zunächst in ihrem Aussehen nicht verändert. Sie bewegt sich aber weniger leb- haft und bleibt auf dem Platze sitzen, auf den man sie gebracht hat. Nach Ablauf von kurzer Zeit verfällt sie in klonische Krämpfe, legt sich dann auf den Rücken und streckt die Extremitäten von sich. Atmung und Herzschlag hören fast gleichzeitig auf. Schon vor Eintritt des Todes beginnt der Körper mächtig anzuschwellen. Namentlich der Unterleib wird so aufgetrieben, daß sich die Bauchdecken hart, wie eine Trommel- membran, anfühlen. Die Augen treten aus den Höhlen hervor und werden förmlich luxiert. Weniger ausgeprägt, aber doch auch deutlich, ist die Blähung der Extremitäten. Beim Öffnen des Tieres findet man das Herz fast bis zum Bersten mit blutigem Schaum erfüllt. Häufig findet man die Maus in dem eben geschilderten Zustand tot in der Bombe vor. Atmungsversuche bei sehr hohem Druck. 93 Manchmal ereignet es sich aber, daß die Dekompression zwar nicht tödlich wirkt, aber schwere Schädigungen des Tieres herbeiführt. Am häufigsten sind es Lähmungen der beiden Hinterextremitäten, die sich entweder bald nach Befreiung des Tieres, in anderen Fällen erst später entwickelten und am nächsten Tage zumeist wieder geschwunden waren. Wir besitzen bekanntlich durch die Untersuchungen Hoppe - Seylers und Paul Berts klaren Einblick in den Mechanismus dieser Vorgänge. Sie beruhen auf der Entbindung von Gasblasen im Blut und in den Geweben. Der Sauerstoff ist daran unschuldig. Ich habe gezeigt, daß man Tieren und Menschen sehr große Mengen von Sauerstoff (bei Menschen selbst mehrere Liter) in das Venensystem eingießen kann, ohne daß eine Schädigung des Organismus eintritt, wenn man die Ge- - schwindigkeit des Einströmens in solchen Grenzen hält, daß mit ihr die Bindung des Sauerstoffs durch das Hämoglobin Schritt hält. Meine Versuche wurden von verschiedenen Forschern mit gleichem Erfolge wiederholt, auch am Menschen; hier zu dem Zwecke der Zuführung des O in Fällen, wo dieser auf natürlichem Wege in für die Erhaltung des Lebens ungenügender Menge ins Blut gelangte. Es finden sich in der Literatur einige Fälle verzeichnet, bei denen dieser Eingriff Erfolg hatte. Der Schädling bei der Taucher- und Caissonkrankheit ist der Stick- stoff. Er wird bei der Kompression ins Blut und in die Gewebe gepreßt und gelangt bei der Dekompression nur langsam durch Diffusion in die Ausatmungsluft. Wenn die Druckentlastung zu rasch erfolgt, dann kommt es zur Bildung von Gasblasen im Blute, die eine Blockierung des Lungenkreislaufs herbeiführen können und zur Gasbildung in den Ge- weben, besonders im Nervensystem. Den Geweben wird der Stickstoff durch die Zirkulation zugeführt und auch die Befreiung erfolgt aus- schließlich auf dem Blutwege. Daraus ergibt sich schon die Bedeutung der Dauer des Aufenthalts im Caisson für den Arbeiter. Bei kurz dauern- der Kompression bleibt der Organismus ungesättigt und es kann auch bei rascher Dekompression die vorhandene kleine Menge durch die Lungen leicht ausgeschieden werden, ohne daß es zu gefährlicher Gas- entbindung im Blute oder gar in den Geweben kommt. Bei unseren kleinen Versuchstieren mit ihrer im Vergleich zur Masse sehr großen Körper- und Lungenoberfläche tritt aber die Sättigung schon nach Ablauf weniger Minuten auf. Die große Lungenoberfläche, die geringe Körpermasse und die dem relativ großen Energieumsatz entsprechende große Intensität der Zirkulation, welche die ganze Blut- masse in sehr kurzem Intervall einen vollen Kreislauf vollenden läßt, alle diese Bedingungen erklären die Tatsache, daß die gefahrlose Dekom- pression bei der Maus in viel rascherem Tempo erfolgen darf als beim « Menschen. 94 G. Gaertner: Die Sättigung erfolgt schnell, aber auch die Dekompression, selbst von sehr hohen Drucken, kann relativ rasch vor sich gehen, so daß z. B. bei 25 Atmosphären Überdruck ein Zeitraum von anderthalb Stunden genügt, um die Tiere unbeschädigt aus der Bombe hervorzuholen Hierbei ergab es sich, daß auch für die sehr hohen Drucke, die von Haldane aufgestellte Dekompressionsformel zu Recht besteht. Man reduziert den Druck rasch auf die Hälfte, dann wartet man eine Zeitlang, reduziert wieder um die Hälfte, also auf ein Viertel des ursprünglichen Druckes und wiederholt dies so oft, bis die letzte Stufe mit einer Atmo- sphäre Überdruck erreicht ist Dann wartet man wieder einige Minuten und läßt schließlich den Rest des Gases abblasen. Die Methode Hal- dane führt, wie ich mich überzeugen konnte, rascher zum Ziel als die stetige, gleichmäßig fortschreitende Druckentlastung. In unseren Ver- suchen mußte gleichzeitig mit der Dekompression Sauerstoff in die Bombe geführt werden, da sonst der Teildruck des Sauerstoffs — es war von Anfang an nur ein Volum Sauerstoff in der Bombe (1 Atm.- O,-Druck) — durch Ablassen des Gasgemisches ein zu niederer ge- worden wäre. Dabei war natürlich darauf zu achten, den Sauerstoff- druck nie über 1!/, Atmosphären steigen zu lassen. Dieses Verfahren, welches in der Praxis des Tauchens und der Jaissonarbeit allgemein geübt wird, ist auch theoretisch wohl be- gründet. Die zweite Frage, welche meine Versuche beantworten sollten, lautet: Kann die gefahrlose Dekompression abgekürzt werden, wenn an die Stelle des Stickstoffs das leichter diffusible Wasserstoffgas tritt? Theoretisch betrachtet, scheint ja'eine positive Antwort wahrschein- lich. Namentlich der Austausch der Gase zwischen Gewebe und Blut dürfte bei Verwendung von H anstatt N günstig beeinflußt werden. Das Ergebnis der Versuche sprach auch in diesem Sinne, doch waren die Differenzen nicht groß. Gerade dieser Teil meiner Arbeit blieb un- vollendet und sollte fortgesetzt werden. Immerhin erfuhren wir, daß auch unter sehr hohen Drucken Wasser- stoff im Gasgemisch geatmet werden kann. Die Kleinheit unserer Tiere, die sonst Vorteile hatte, machte sich bei der Beantwortung der zweiten Frage im ungünstigen Sinne geltend. Da auch schon bei Verwendung von Stickstoff die zulässige Dekom- pressionsgeschwindigkeit sehr groß war, konnte vom Wasserstoff nicht mehr viel erwartet werden. Wenn also diese Versuche einen deutlichen Ausschlag geben sollten, müssen sie an größeren Tieren durchgeführt werden, was in Wien aus Mangel an allen erforderlichen Bedingungen jetzt und in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. Atmungsversuche bei sehr hohem Druck. 95 Gelänge es nachzuweisen, daß man mit einem leichteren Gase als Stickstoff die Dekompressionszeit abkürzen könne, so wäre dies für das Tauchen von eminenter Bedeutung. Die Tiefe, bis zu welcher der Taucher behufs längerer Tätigkeit vordringen kann, hängt hauptsächlich von der Dekompressionszeit ab, die bei den jetzt erreichten Stufen schon so ausgedehnt ist, daß eine weitere Verlängerung praktisch kaum möglich wäre. Die Abkürzung der Dekompressionszeit wäre also gleich- bedeutend mit der Ermöglichung einer größeren Tauchtiefe und mit der Erfüllung eines dringenden Bedürfnisses. Bei der praktischen Ausführung der Idee denke ich an das ‚‚schlauch- lose Tauchen‘ mit der Apparatur des Drägerwerks. Der Taucher nimmt dabei den erforderlichen Sauerstoff in einer Stahlflasche mit in die Tiefe. Im Atmungssack muß sich aber auch noch ein indifferentes Gas, bis nun immer Stickstoff befinden, da reiner Sauerstoff unter Druck nicht geatmet werden kann. Dieser Stickstoff könnte nun, voraus- gesetzt, daß die Versuche an größeren Tieren positiv ausfallen, meines | Erachtens durch Wasserstoff ersetzt werden.. Ein Bedenken wäre noch zu zerstreuen. Das Gemenge von H und O ist explosiv und es könnte sich doch immerhin einmal ereignen, daß durch einen‘ Funken, der am Telephon (das mitgeführt wird) oder durch Anschlagen zweier Metallteile gegeneinander entstehen könnte, die Entzündung des Gases erfolgte. Wie verbürgte Nachrichten melden, ist es vor einiger Zeit gelungen, das Helium im großen darzustellen. Eine Gasquelle mit beträchtlichem Heliumgehalt wurde in Amerika erbohrt und dient zur Gewinnung des Gases, dessen industrielle Verwendung zur Füllung von Luftfahrzeugen in Aussicht genommen wird. Das Helium ist nun allerdings wegen seines höheren Atomgewichts weniger diffusibel als der Wasserstoff. Dem Stickstoff gegenüber ist es aber noch weit überlegen. Da es unverbrenn- lich ist, würde es sich also zur Füllung schlauchloser Tauchapparate eignen, vorausgesetzt, daß es sich bei der Atmung ebenso indifferent verhält, wie Wasserstoff und Stickstoff. Dies müßte vor allem fest- gestellt werden. Die physikalischen Grundlagen der Geräusehwahrnehmung. Von 0. Weiss und R. Sokolowsky. (Aus dem physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 27. November 1919.) A. Literatur. Über die Bedingungen, welche erfüllt sein müssen, damit eine schwingende Bewegung auf unser Ohr den Eindruck des Geräusches mache, liegen nur wenige exakte Untersuchungen vor. Es ist das um so merkwürdiger, als sich hier eine Reihe von Problemen unmittelbar auf- drängt und ihre Lösung, wie es scheint, mit einfachen Hilfsmitteln möglich ist. In Winkelmanns Handbuch der Physik faßt F. Auer- bach die vorliegende Literatur wie folgt zusammen: ‚Wie groß die hier in Frage kommenden Mannigfaltiskeiten sind und welches Unter- suchungsmaterial für die subjektiven und objektiven Methoden zur Ver- fügung steht, lehrt schon der Reichtum der betreffenden sprachlichen Ausdrücke, deren jeder, wenn auch zum Teil mit anderen nahe verwandt, doch etwas Spezifisches für sich besagt; sie sind in der folgenden, gewiß noch sehr unvollständigen Tabelle!) zusammengestellt und betreffen teils natürliche, teils insbesondere von Menschen oder Tieren erzeugte, teils künstliche Geräusche, wobei jedoch in einigen Fällen, da ein be- “sonderes Wort für das betreffende Geräusch fehlt, der entsprechende Ausdruck für den es erzeugenden Vorgang eintreten muß: ächzen detonieren hämmern knallen küssen pfeifen donnern heulen knarren plätschern balzen dröhnen husten knattern lachen prasseln bellen knipsen lallen prusten blöken gackern kichern knistern lispeln brausen gähnen klappern knittern quaken brodeln gellen klatschen knurren meckern quietschen brüllen girren klimpern knuspern miauen brummen glucksen klirren krähen murmeln rasseln bürsten - grunzen klopfen kratzen räuspern gurgeln knacken kreischen niesen rauschen 1) Eine frühere Zusammenstellung findet sich in Liehtenbergs Schriften. O. Weiss u. R. Sokolowsky: Die physikalischen Grundlagen usw. 97 rieseln schellen schnalzen schrillen trampeln wimmern rollen schlagen schnarchen schroten trommeln schleifen schnarren seufzen tropfen zirpen sägen schlucken _ schnattern stöhnen zischen säuseln schluchzen schnaufen summen weinen zwitschern sausen schlürfen schneuzen wiehern scharren schmettern schreien ticken Am genauesten sind wir über die Geräusche unterrichtet, welche dem Menschen als Sprachleute dienen, nämlich über eine Reihe von Konsonanten, die reinen Geräuschcharakter haben. Die Mehrzahl der Untersuchungen, welche sich mit der akustischen Natur der Geräusche beschäftigen, ist unternommen worden, um fest- zustellen, welche Teile des Ohres der Wahrnehmung der Geräusche dienen. Diese Frage ist besonders vom Standpunkte der Helmholtz- schen Resonanzhypothese aus geprüft worden. Helmholtz selber wollte zunächst das Cortische Organ ausschließ- lich für die Klangwahrnehmung reserviert wissen; er nahm an, daß die Hörhärchen in den Ampullen, welche ihm zur Resonanz ungeeignet erschienen, die Wahrnehmung der Geräusche vermittelten. Später hat Helmholtz!) besonders auf Grund von Versuchen Exners?) seine Meinung geändert. Die Schwierigkeit, die Schnecke zur Geräuschwahr- nehmung heranzuziehen, lag für Helmholtz in der Annahme, daß die Erregung durch Resonanz in der Schnecke erzeugt werde. Hiermit nötigte die Beobachtung von Töpler®), nach welcher der elektrische Funke nur aus einem einzigen Wellenberg besteht und doch zu einer Geräuschempfindung Veranlassung gibt, außer der Schnecke nach anderen schallperzipierenden Organen im Ohre zu suchen. Exner zeigte dann aber, daß zwei aufeinanderfolgende Funken ein Geräusch mit Tonhöhe ergeben. Die Tonhöhe steigt mit sinkendem zeitlichem Abstande der beiden Funken. Ferner fand er, daß eine bestimmte Anzahl von Schwingungen (16—-17) dazu nötig ist, um die Empfindung des Tones auszulösen. Bei Einwirkung von weniger Schwingungen entsteht der Eindruck eines Geräusches. Analoge Beobachtungen stellte Mach an, welcher jedoch schon bei 4-5 Schwingungen die Ton- höhe deutlich fand. So kommt Exner zu dem Schlusse, daß die Ge- räuschwahrnehmung und die Klangwahrnehmung an denselben Orten im Ohre ausgelöst werden. Helmholtz hat dann diese Beobachtungen mit seiner Theorie in Einklang zu bringen versucht. „Was die Wahrnehmung unregelmäßiger Luftbewegungen, d. h. der Geräusche betrifft, so wird ein elastischer zur Ausführung von Schwin- 1) Helmholtz, H., Die Lehre von den Tonempfindungen. 4. Aufl. 1918. 2) Exner, S., Zur Lehre von den Gehörempfindungen. Archiv f. d. ges. Physiol. 13, 228—253. 1876. 2) Töpler, Beobachtungen nach einer neuen optischen Methode. Bonn 1864. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 7 98 OÖ. Weiss und R. Sokolowsky: gungen geeigneter Apparat keiner zeitweilig auf ihn wirkenden Kraft . gegenüber in absoluter Ruhe bleiben können, und auch eine momentan oder in unregelmäßiger Wiederholung andringende Bewegung, wenn sie nur stark genug ist, wird ihn in Bewegung setzen. Der eigentümliche Vorzug der Resonanz auf den Eigenton beruht nur eben darin, daß un- verhältnismäßig schwache einzelne Anstöße, wenn sie in richtigem Rhythmus sich folgen, verhältnismäßig ausgiebige Bewegu. gen hervor- zubringen imstande sind. Momentane starke Anstöße dagegen, wie z. B. die durch einen elektrischen Funken hervoıgebrachten, werden sämt- liche Teile der Membrana basilaris in fast gleich starke Anfangsge- schwindigkeit versetzen können, wonach dann jeder dieser Teile in seiner eigentümlichen Schwingungsperiode austönen wird. Dadurch würde eine gleichzeitige und wenn auch nicht gleich starke, doch gleichmäßig sich abstufende Erregung sämtlicher Schneckennerven entstehen können, die also nicht den Charakter einer bestimmten Tonhöhe haben würde. Selbst ein schwacher Eindruck auf so viele Nervenfasern wird wahr- scheinlich einen deutlicheren Eindruck machen als jeder einzelne Ein- druck für sich. Wir wissen wenigstens, daß schwache Helliskeitsunter- schiede eher auf großen Teilen des Sehfeldes wahrgenommen werden, als auf kleinen, und geringe Temperaturunterschiede eher, wenn wir den ganzen Arm in das warme Wasser eintauchen, als wenn wir nur einen Finger eintauchen. So wäre also eine Wahrnehmung momentaner Stöße sehr wohl mög- lich durch die Schneckennerven, und zwar in der Weise, wie Geräusche empfunden werden, nämlich ohne ein besonderes merkliches Hervor- treten einer bestimmten Tonhöhe. Dauert der Druck der andringenden Luft auf das Trommelfell etwas länger, so wird dadurch schon die Bewegung in einzelnen Gegenden der Membrana basilaris begünstigt werden können, gegen die anderen Gegenden der Skala. Gewisse Tonhöhen werden vorzugsweise hervor- treten. Man kann sich das so vorstellen, daß jeder Augenblick des Druckes als ein solcher betrachtet wird, der eine in Richtung und Stärke entsprechende und dann abklingende Bewegung in jeder Saite der Membrana basilaris erregt, und daß alle die auf solche Weise in jeder Faser erregten Bewegungen sich zueinander addieren, wobei sie sich nach Umständen verstärken oder schwächen werden. So würde ein gleichmäßig anhaltender Druck die Exkursion der schwingenden Masse steigern, wenn er während der ersten halben Schwingungsdauer der- selben anhält, solange also die erste positive Exkursion dauert. Wenn er aber länger anhält, schwächt er die zuerst erregte Wirkung wieder. Schneller schwingende elastische Massen werden also durch einen solchen verhältnismäßig weniger erregt werden als die, deren halbe Schwin- gungsdauer gleich oder größer ist als die Dauer des Druckes. Dadurch Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmung. 99 wird ein solcher Eindruck schon eine gewisse, wenn auch schwach be- srenzte Tonhöhe bekommen. Im allgemeinen scheint die Intensität der Empfindung bei gleicher lebendiger Kraft der Bewegung nach der Höhe hin zuzunehmen, so daß immer der Eindruck der höchsten gleich stark erresten Fasern überwiegt. Noch auffallender kann eine bestimmte Tonhöhe natürlich heraus- treten, wenn der auf den Steigbügel wirkende Druck selbst nacheinander mehrere Male zwischen Positiv und Negativ wechselt, und so können alle Stufen von Übergängen zwischen Geräuschen ohne bestimmte Tonhöhe und Klängen mit einer solchen zustande kommen, wie das auch in der Tat der Fall ist, und darin liegt eben auch der Nachweis, daß Herr S. Exner mit Recht hervorgehoben hat, daß solche Ge- räusche von denjenigen Teilen des Ohres perzipiert werden müssen, die der Unterscheidung der Tonhöhen dienen.‘ Aus diesen Betrachtungen geht klar hervor, wie Helmholtz sich die Entstehung der Geräusche ohne Tonhöhencharakter und mit Ton- höhencharakter auf die Wirkung einer einmaligen Bewegung hin denkt. Brücke!) (1884) hat dann solche Geräusche, die durch eine einmalige Bewegung entstehen, subjektiv und objektiv untersucht. Zur objektiven Untersuchung verwendete er eine Königsche Flamme mit rotierendem Spiegel. Die Membran bestand aus Glimmer und war stark gedämpft. Brücke fand bei einigen knallenden Geräuschen, wie beim Hände- klatschen, bei der Explosion von Knallgasblasen nur eine einzige Zacke im Bilde der Flamme. Bei and:ren Geräuschen wie beim Zersprengen von Schweinsblasen, von Papiersäcken, beim Abfeuern von Pistolen- schüssen, auch beim Knall der Pfropfenpistole fand er mehrere Zacken im Flammenstreifen. Brücke schließt sich Helmholtz an und gelangt zu dem Schlusse, daß die Schnecke dem Mechanismus der Geräusch- perzeption diene. Die entgegengesetzte Ansicht, daß es außer der Schnecke andere Vorrichtungen im Ohre gäbe, welche der Geräuschwahrnehmung dienen, hat 1886 Hensen?) vertreten. Seine Argumentation gipfelt in den folgenden Sätzen: ‚In bezug auf die Funktion der Schnecke scheint die Sache so zu liegen, daß die spezifische Empfindung der Schnecke _ der Ton ist, wie für das Auge das Licht bzw. die Farbe. Die Empfindung der Tonhöhe ist von der Lokalisation abhängig, sei es, daß wir die relative Stellung der betreffenden Ganglien unter den anderen Ganglien, die in der Schnecke ihr zweites Ende finden, mit Lokalzeichen oder mit anderen Hilfsmitteln zu erkennen vermögen. Wie es scheint, stimmt - 2) Brücke, E., Über die Wahrnehmung der Geräusche. Sitzungsber. d. Wiener Akad. III. Abt. 90, 199-230. 1884. ?2) Hensen, V., Untersuchung über Wahrnehmung der Geräusche. Archiv f. Ohrenheilk. 23, 69-90. 1886. m ‘ 100 O. Weiss und R. Sokolowsky: auch Brücke dieser Ansicht zu, da er die Höhe der Geräusche vom Ort in der Schnecke abhängig sein läßt, jedoch verstehe ich nicht jene Äußerung Brückes, daß, weil ein Zusammenhang zwischen den Empfin- dungen der dauernd und der einmal kurz erregsten Nervenzelle vorhanden sein muß, der Knall bzw. das Geräusch zwar nicht Toon, aber doch Ton- höhe haben müsse. Ich meine im Gegenteil, die Ganglien, wenn sie erregt sind, geben die Empfindung ‚Ton‘, und wenn diese Empfindung nicht da ist, sind sie eben nicht erregt. Wie in der Haut die Ortsempfindung zur Orientierung am Körper, wie im Auge zur Orientierung im äußeren Raum, so .dient sie im Ohr zur Orientierung über die Lage des Tons in dem hörbaren Tonfelde, und wie sich im Auge weiter die Wahrnehmung der Gestalten aus der Ortsempfindung entwickelt, so erkennt das Ohr die besonderen Eigen- schaften des Klanges wiederum unter hauptsächlicher Beihilfe derselben Ortsempfindung. Ohne daher im mindesten die Wichtigkeit der betreffenden Fähigkeit unserer Schnecke zu verkennen, kann man doch wohl nicht umhir, diese Eigenschaft als eine in gewissem Sinne nur anhaftende, weil in mehr oder weniger großer Entwicklung allgemein verbreitete, zu be- trachten; selbst für Geruch und Geschmack darf das Lokalisations- vermögen in einer dem Gehörorgan analog modifizierten Form, z. B. zur Erkennung der Riechklänge, wohl erwartet werden. Ich verstehe also auch die Äußerung von Brücke nicht, daß wir bei den Geräuschen schon die Tonhöhe mittels des tonempfindenden Apparates sollen er- kennen können, ohne doch den Ton zu hören. Ich sehe unter Umständen wohl einen Funken, ohne sagen zu können, wo. und welcher Form, aber das Umgekehrte muß ich für unmöglich halten!) und kann mir ein anderweites Verhalten für den Tonapparat nicht vorstellen. Haben wir aber im Ohr einen Geräuschapparat, also einen Apparat, der die verschiedenen Formen der Geräuschwellen verschieden empfindet, so kann ich mir diesen Apparat ohne eine gewisse Ortsempfindlichkeit, d. h. in diesem Falle ohne räumlich getrennte Einrichtungen für die Empfindung des steileren oder dichteren Verlaufs der Geräuschwellen, also ohne Empfindlichkeit für die Höhe, nicht recht vorstellen. Daß auch in solehen Organen diese Empfindlichkeit vorhanden sei, dafür spricht die Tatsache, daß bei Krebsen mit aller Beweiskraft, deren ein morphologischer Befund in bezüglicher Richtung überhaupt fähig ist, nachgewiesen wird, daß die Dimensionsabstufungen physikalischer akustischer Apparate hier an den Otolithen vorhanden sind.2)“ 1) Wenn gesagt wird: ich sah in jener Ecke etwas, weiß aber nicht was, so heißt es, daß Lichteindrücke erzielt wurden, dieselben auch noch lokalisiert werden konnten, aber die Analyse der Form nicht zu machen war. 2) Hermanns Handbuch der Physiologie. 2, 2. Teil, S. 19. 1880. Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmung. 101 Hensen hat weiter mit Hilfe seines Sprachzeichners die Kurven einiger Geräusche aufgezeichnet. Er fand beim Klatschen in die Hände eine Kurve mit drei Zacken, deren einzelne eine Schwingungsdauer von %/,oo Pis "/gop Sekunde hatten. Beim Knall, den er durch Sprengen einer Papiertüte erzeugte, fand er zehn und mehr Schwingungen von unregelmäßig wechselnder Dauer und Stärke. Die Dauern wechselten bis zu einer Oktave. Auf einzelne Schwingungen waren sekundäre Wellen aufgesetzt. Schon früher hatte Hensen!) Knallkurven mittels einer sehr stark gedämpften, schwach gespannten Kautschukmembran auf einen berußten Zylinder aufgeschrieben. Sie wurden erzeugt durch den Knall eines Zündhütchens, durch Zusammenschlagen zweier Holz- platten oder zweier Bücher. Endlich registrierte er die Schwingungen des Wortes „schoch‘‘. Das ist, nebenbei bemerkt, wohl der erste Versuch, Konsonanten zu registrieren. Die Kurven zeigten ohne Ausnahme eine Reihe von Oszillationen. Vielleicht rührt ein Teil derselben von Eigen- schwingungen der Membran her. Zur Erforschung der Geräusche hat Hensen auch die Resonanz der Klaviersaiten benutzt. Er klatschte vor einem Klavier in die Hände und beobachtete danach, daß einzelne Saiten mittönten. Analoge Beobachtungen machte Mach?). Die Explosion großer Knallgasblasen ließ in seinen Versuchen am Klavier die tiefen Saiten, die Explosion kleiner Blasen die hohen Saiten mittönen. K. L. Schaefer?) macht darauf aufmerksam, daß man in der Deutung derartiger Versuche vorsichtig sein müsse, denn starke Luft- erschütterungen bringen nach ihm gut gearbeitete Stimmgabeln auf Resonanzkästen zum Tönen, auch wenn in der Lufterschütterung der betreffende Ton nicht enthalten ist. Schaefer meint, daß so ‚gelegentlich die Existenz einer faktisch in dem zu prüfenden Geräusche gar nicht enthaltenen Tones‘ vorge- täuscht werden könne. „Von Saiten dürfte Analoges gelten.‘ Es ist ganz sicher, daß eine Stimmgabel durch einen starken Luft- stoß in Schwingungen versetzt werden kann, prinzipiell geschieht hier dasselbe wie beim Anschlagen einer Stimmgabel. Die hier behandelte Frage, wie ein einmaliger Stoß auf den Gehörapparat wirke, ist von Schmiedekam?) behandelt worden. Er hat gefunden, daß jede Be- rührung des Trommelfelles die Empfindung des Knalles erzeugt. Über die Form der Bewegung des Trommelfelles, welche durch die Berührung ausgelöst wird, wissen wir zur Zeit nichts Sicheres. Solange es an Be- !) Hermanns Handbuch der Physiologie. 2. 2. Teil, S. 19. 1880. 2) Mach, E., Die Analyse der Empfindungen. Jena 1900, S. 173ff. 2) Schaefer, K. L., Der Gehörsinn in Nagels Handb. d. Physiologie. 3, 581. 1905. *) Schmiedekam, Versuche über Berührung des Trommelfells mit Sonden. Arbeiten d. Kieler physiologischen Instituts 1869, S. 52. 102 OÖ. Weiss und R. Sokolowsky: obachtungen hierüber fehlt, wie das Trommelfell auf kurze Stöße re- agiert, läßt sich aus den Beobachtungen kein zwingender Schluß über die Perzeption der Geräusche ziehen. Zu der Exnerschen Anschauung, daß Geräusche und Töne durch die gleichen Mechanismen im Ohr perzipiert werden, hat sich auch Dennert!) bekannt. Er klemmte ein dünnes schmales: Holzstückchen zwischen die Zähne und versetzte es durch Anstoßen in Schwingungen. Der hierbei entstehende Klang wurde mit schrittweiser Verkürzung des Stäbchens erhöht, ging dann in ein tickendes und schließlich in ein knipsendes Geräusch über. Analoge Versuche hat Kessel?) mit Pfeifen ausgeführt, deren Tonhöhe durch Einschieben eines Stempels erhöht werden konnte. Bei schwachem Anblasen gaben sie Geräusche mit Tonhöhencharakter?). Worin die Veränderungen der Schwingungsform des Stäbchens be- ruhen, ist nicht geprüft worden. Dennert®) hat auch mit einer Loch- sirene ein Geräusch erzeugt, indem er die Lochabstände ungleich machte. Auf diese Weise hat er Geräusche erhalten, die eine Tonhöhe erkennen ließen. Mit zunehmender Rotationsgeschwindigkeit der Sirenenscheibe nahm die Tonhöhe zu. Ebenso konnte er ein Geräusch erzeugen, wenn er auf der Scheibe Löchergruppen von gleichem Abstande, aber verschiedener Lochzahl in den einzelnen Gruppen, oder wenn er bei gleicher Lochzahl in den einzelnen Gruppen diesen letzteren ungleiche Abstände gab. Wie aus den besprochenen Versuchen hervorgeht, fehlt es an aus- gedehnteren Beobachtungen über die Schwingungsform der Geräusche. Die älteren Registrierungen von Geräuschkurven gaben keine getreuen Bilder. Besonders zeigt dies die von Heusen (|. c.) registrierte Kurve des Wortes ‚schoch‘“, in der von den charakteristischen Schwingungen der einzelnen Sprachlaute nichts enthalten ist. Zuverlässige Geräusch- kurven hat L. Hermann?) von der Mehrzahl der Konsonanten mit Hilfe des Edisonschen Phonographen nach seinem bekannten Ver- fahren aufgenommen. B. Versuche. Uns schien es von Bedeutung zu sein, ehe wir der Frage näher traten, welche Teile des Ohres der Geräuschperzeption dienen, einmal 1) Dennert, J., Zur Wahrnehmung der Geräusche. Archiv f. Ohrenheilk. 41, 111. 1896. 2) Kessel, J., Über das Hören von Tönen und Geräuschen. Archiv f. Ohren- heilk. 18, 138. 1882. 3) Ähnlich verhalten sich übrigens die geflüsterten Vokale. *) Dennert, H., Akustisch-physiologische Untersuchungen. Archiv f. Ohrenheilk. 24, 184. 1887. 5) Hermann, L., Fortgesetzte Untersuchungen über die Konsonanten. Archiv f. d. ges. Physiol. 83, 1—32. 1900. Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmung. 103 festzustellen, wie denn die Luftbewegung bei der Entstehung eines Geräusches aussieht. Weiter wollten wir dann aus den Gesichtspunkten, die durch solche Registrierungen vielleicht gewonnen werden konnten, auf synthetischem Wege Geräusche erzeugen, um auch so die wesent- lichsten Bedingungen kennenzulernen, von denen die Entstehung eines Geräusches abhängt. Demgemäß teilt sich unsere Aufgabe in zwei Versuchsreihen, eine analytische und eine synthetische. I. Analytische Versuche. Zur Analyse der Geräuschkurven diente uns das oben erwähnte Verfahren von L. Hermann (l. c.). Die Geräusche wurden mit dem Edisonschen Phonographen aufgenommen. Zur Entscheidung, ob alle für das Ohr charakteristischen Eigenschaften des betreffenden Ge- räusches von dem Instrument erfaßt und wiedergegeben wurden, diente ‘die Kontrolle durch Abhören. Weiter wurde dann mit Hilfe des Her- mannschen Spiegelregistrierapparates die Geräuschkurve photogra- phisch registriert. Zur Aufzeichnung gelangten einmal Geräusche, die keinerlei Ton- höhe erkennen lassen, wie der Knall einer Pistole; weiter solche, in denen eine Tonhöhe mehr oder weniger deutlich erkennbar ist. Geräusche mit ausgesprochener Tonhöhe ergaben das Zusammenschlagen zweier Orchesterschellen und zweier Holzklötze, mit weniger ausgesprochenem Tonhöhencharakter das Geräusch einer Kinder- 'knarre. Die Geräuschkurven sind im folgenden abgebildet. Abb. 1. Knall eines Revolvers. Originallänge der ganzen Kurve 318 mm. Abb. 1 stellt die Schallkurve dar, welche durch den Koall eines Revolvers entsteht, der mit einer Platzpatrone geladen ist. Die Kurve zeigt nach einer sehr großen Anfangsschwingung eine lange Reihe nachfolgender Schwingungen von kleinerer Amplitude. Eine Ausmessung der Kuppenabstände der Schwingungen ergibt dauernden Wechsel dieser Abstände. Nur wenige Schwingungs- ‚gruppen sind in dem Geräusch enthalten, in denen die Abstände der aufeinander folgenden Schwingungen gleich sind. Die folgende Reihe gibt die Distanzen von 170 aufeinanderfolgenden Schwingungen (in Millimetern): 104 OÖ. Weiss und R. Sokolowsky: 0,6;.0,55.1.1:°5 2; 1°171,03/0,972.07%9:251:7%0270,921.4:754.517 270.950: 1,85 1.5501,2501595, 2:52: 1,2.72:71.0.201221,8:21777: 7220/92120, 21E5E 1B2z1e0r 1,22 2502:23.5550,92 25031.0:, 2: 2.4.:15251.0:20.2: 22972 3.0: 124 71R0E21 120197 152221525152: 2:7 22:.2372571,151.1:1,9509 0, 1150:72,32250522,0:220:972520°8E 112 2.051,5:)1,0:2.0;'2,05.2,.0:715051:0:7%.02 7.55 3.6 72:712:21,2: 12-103 216 2183r 1.330252: 1,8; 1,5; 1,25 1,8523 251251,25,9:72-92272202 891,3 /0/8: 7021892 1,25159:225 25 1,5,2.25.1:95159:2152221,9:095022 22059221, 22112055 2:8 2:51K0EHEOEBIEOE 2 151:,1,25:2,15.0,95:1,2521,27727:01619.0:9:/7.55 1.2.0: 165-210 5:5 2.0721 5ER 8g Ioze ds ı,DE 23 23 R3 23 2 1,08 1,83 0,88 12% 1,0; 11.8: Natürlich gibt eine derartige zahlenmäßige Übersicht über den Wechsel der Periodenlängen den Charakter der Kurve nicht er- schöpfend wieder. Zur Erkenntnis der großen Unregelmäßigkeit der vorliegenden Schallkurve gehört vielmehr auch die Berücksichtigung der Amplituden. Wie ein Blick auf die Kurve zeigt, sind diese in stetem Wechsel begriffen; es kommt nicht vor, daß zwei aufeinanderfolgende Schwingungen dieselbe Amplitude hätten. Weiter lehrt die Betrachtung der Kurve, daß größeren Schwingungen vielfach kleinere aufgesetzt sind. Wie aus der Zusammenstellung der Periodenlängen hervorgeht, schwanken diese zwischen 0,5 und 2,3 mm; am häufigsten kehrt die Länge 1,2 wieder; dann 1,5 und 1,0. Um von den Längen die zeitliche \ j v Abb. 2. Schellen geschlossen. Geräusch zweier Orchesterschellen. Originallänge der Kurve 275 mm. Dauer ableiten zu können, ist vor und nach der Geräuschaufnahme auf dem Phonographen der Klang einer Telephontrompete aufgenommen worden, deren ganze Periode eine Länge von 4,4 mm hatte; die Dauer der Periode betrug !/,,, Sekunde. Demnach schwankt die Dauer der Geräuschschwingungen zwischen 1/y9gg und T/ggo, Sekunde, und ist ent- sprechend der Dauer der am häufigsten vorkommenden Schwingung (1,2 mm) !/,z0; Sekunde. — Man kann leicht dem Ohre Töne, die durch periodische Wiederkehr solcher Schwingungen entstehen würden, darbieten. Dabei kommt man ohne weiteres zu der Überzeugung, Pı PD: Pa Di Ps Pe |P; | Ps Ps Pıo | Pıı | Die | Dıs Pıs 49 | 14 | 31 36. | 65 97,9131,70|45 |88 | 59 65 | 31 | 41 | 64 1106| 81 | 65 5 46,213,2129,2133,9)61,3/91,5 8,412,3166,0 42,4 82,9,55,6 61,3)29,2|38,1 60,3/100 76,4 61,8 2%,» 2222,22 2% 2\%,%1%1%|l% % Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmung. daß man aus dem Knallgeräusch keinen Tonbestandteil von entsprechender Tonhöhe herauszuhören vermag. Eine Fouriersche Analyse von Geräuschkurven hat wenig Bedeutung, weil ja diese nur harmoni- sche Bestandteile eines Klanges wiederzugeben ver- mag. Doch kann eine solche Analyse uns darüber belehren, ob etwa in dem analysierten Teil der Kurve dominierende Schwingungen enthalten sind. Wir sind so verfahren, daß wir aus der Kurve einen Teil her- ausgenommen und diesen der Analyse unterzogen haben. Es ist dabei gleichsam gedacht worden, daß dieser Bestandteil der Kurve periodisch wiederkehre. Dann würde die Analyse die harmonischen Teiltöne dieser virtuellen Periode wiedergeben. Das Resultat der Analyse ist aus der Tabelle S. 104 unten zu ersehen. Wie aus der Analyse hervorgeht, sind die Ampli- tuden sämtlicher Partialtöne mit merklicher Stärke vertreten; d.h. also, daß keiner der Partialtöne do- miniert. Dieser Befund ist zu erwarten, wenn sich die Periode aus unperiodischen Bestandteilen zu- sammensetzt. Nach denselben Prinzipien wurde das Geräusch untersucht, welches durch Zusammenschlagen zweier Orchesterschellen. entsteht. Die beiden folgenden Kurven Abb. 2 und Abb. 3 geben solche Geräusche wieder. Die erste (Abb. 2) ist dadurch entstanden, daß die beiden Schellen aufeinandergeschlagen und dann miteinander in Berührung gelassen wurden. Die zweite Kurve (Abb. 3) ist durch Zusammen- schlagen und sofortiges Auseinandernehmen der Schellen erzeugt worden. Wie man sieht, ist die schwingende Bewegung in der zweiten Kurve gleich- mäßiger als in der ersten Eine Messung der Kuppen- abstände der Einzelschwingungen hat für die Kurve der Abb. 2 ergeben (in Millimetern): BEE IRGERTEGE TED 020: 135,9 02715 6: 31:651,65 2:21,65 1,6; 1,62 1,6; 25; 2: 1:23:70: 770 15510:991,2571,25 1,22 1,0; 125525, 7222: Be 2 ET E00: 154 155272: RT: 257%: 1,0; 1,2: 71,209; 1,0; 0,7; 1:05,52; E71 0:27,00 905 10222: Bel: 1,6; 1,6592: 1,950,.,95, °25. 2307509203507; Be 1,2; 1,2; 1,2; — 0,9;:0,9; 0,9; 1,55 1,3; 1,5; 9270.05 15,0; 1,0; 2; 1,3; 1,3; 105 Originallänge der Kurve 409 mm. Abb. 8. Schellen offen. Geräusch zweier Orchesterschellen. 106 { O. Weiss und R. Sokolowsky: Für die Kurve der Abb. 3 sind die Zahlen folgende (in Millimete 'n): 1R27: 2; 2; 1,0; 0,8; 0,8; 0,8; 0,8; 1,0; 0,8; 0,8; 0,8; 1,0; 1,0; 1,2; 1,2; 1,5; 152; 25,251,8: 1.051,25 1,251,221,22.050,97 1297:25 35257152: 1, 2:21,01, 2 BB 2ER VEREIN 2 1,2307: 1 2EEOEROENTDEE 5 TEE DEE ED ER2E 2.1250 2:225 25 251,05 25.2552577:12271,25 1,2511,221,2,31,2° 1.2.91 2,20 152-2192521,2= 1,25 152: 1250152212122 EEE BRD EERIE 1,2; 1,0; 0,9; 0,9; 1,7; ?; ?; 1,2; — 1,2; — 1,2; 1,2; — 1,2; 1,2; — 1,2; 1,2; 1,2; — 1,2; — 1,2; — 1,25 1,2; 1,27 — 125 1,25 1,2% 1,25 %2571,221,2571,2:17, 270 1,2:,1,2; — 1,25. 1.2:.1,2200,2-9152591,2521,250182% Aus diesen Zusammenstellungen geht hervor, daß die in der Kurve der Abb. 2 am häufigsten wiederkehrende Periodenlänge 1,6 mm ist, während sie in der Kurve der Abb. 3 1,2 mm ist. Die Periodenlänge der Telephontrompete betrug in beiden Fällen 5,35 mm. Daraus re- sultiert eine Dauer der Geräuschschwingungen für Abb. 2 von X/jgg Se- kunde und für Abb. 3 eine solche von 1/,3,,, Sekunde. Ferner lehrt ein Blick auf diese Daten, daß die gleichen Abstände der Schwingungen bei der Kurve der Abb. 2 im höchsten Falle 4mal, im niedrigsten 2 mal auf- einander folgen. Verglichen mit der Knallkurve bedeutet daseinen Fort- schritt zur periodischen Bewegung. Noch viel ausgesprochener tritt dies an der Kurve der Abb. 3 zutage. In dieser folgensich die glei- chen Abstände im höchsten Falle 24 mal, im niedrigsten 3mal aufein- ander. Dazu kommt noch, daß die Einzelabstände bei dieser Kurve der Abb. 3 weniger voneinander abweichen als bei Abb. 2 oder gar bei Abb. 1. Die Analyse eines Kurventeils — in analoger Weise ausgeführt wie bei der Knallkurve — hat für Abb. 2 (geschlossene Schellen) ergeben: Pı 12 P3 Di 175 De Pr Ds Ps Pıo | Pıı [|Pı2| Pıs | Pıs Pıs Dr 25 | 34 | 21 | 31 | 66 | 20 | 38 | 24 |20|33 | 38|8|15 | 45 | 42 | 12 [11116] 35 21,5/29,3|18,1| 26,7 56,8|17,2|32,7|20,6|17,2|28,4|32,7|6,8|12,9|38,7|36,2|10,319,4|100|30,1° 41% IR 1% | % 1% Wie man sieht, ist die Kurve aus zahlreichen Partialtönen von beträchtlicher Stärke zusammengesetzt, sie gleicht also in dieser Be- ziehung der Knallkurve, bei der kein Partialton besonders hervorragt. Sie unterscheidet sich aber von ihr dadurch, daß der 18. Partialton über seine Nachbarn dominiert.‘ Dieser Partialton würde eine Frequenz von 1566 haben. Es stimmt also diese Frequenz mit der am häufigsten gemessenen hinreichend überein. Das Resultat der Analyse eines Kurventeils von Abb. 3 (geöffnete Schellen) ist folgendes: Pıs Pıs | Pıs Pıs Dr | m Ps Da Ps De Pr Ps Pıı | Pı2z | Pıs | Pıs | Pıs | Pıs | Pır | Pıs 26 53 | 81 |190| 50 62 80 129 ,18|25|44 30 | 29 | 8 | 201157222 70 Po 13.6 27,8|42,6| 100 26.3 32,6 42,1 15,242 13.1[23,1115,715.2 4,2 10,5 7,8 11,5/3,6| 13,1% KIKIKIAIRIRIRIKUU AI RI AIR IR IR IR % IR % Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmune. 107 Die Analyse der Kurve in Abb. 3 hingegen zeigt ein deutliches 'Prävalieren des 4. Partialtones. Hieraus folgt, daß es sich im Be- reich der analysierten Strecke um einen ziemlich periodischen Vorgang handelt. Die Schwingungszahl des dominierenden Tones ist 2272. Man sieht, daß auch hier der in der Analyse prävalierende und der in der Messung prävalierende zeitliche Abstand gleich ist. Das Geräusch einer Kinderknarre, von dem die nebenstehende - Abb. (4) ein Beispiel gibt, ist charakterisiert durch Gruppen von Schwin- gungen, deren zeitliche Abstände etwa 1/9, Sekunde betragen und - welche durch Schwingungen von geringerer Amplitude verbunden sind. Ale Abb.4. Geräusch einer Kinderknarre. Originallänge der Kurve 185 mm. In den Schwingungsgruppen finden sich in einzelnen regelmäßige, in einzelnen sehr unregelmäßige Schwingungen, so daß wir es hier mit einer sehr unregelmäßigen Bewegung zu tun haben. Dementsprechend ist auch der akustische Eindruck. Wir sehen hier einen starken Perioden- sowie einen starken Amplitudenwechsel. Von einer Ausmessung der Kurve ist deshalb Abstand genommen worden. Das Geräusch, welches durch Zusammenschlagen zweier Holz- klötze gleicher Dimensionen erzeugt wird, klingt tonartig. Ent- sprechend diesem akustischen Eindruck zeigt die Geräuschkurve (Abb. 5) eine Reihe von Schwin- gungen, deren Amplituden zwar ein starkes De- krement aufweisen, deren Einzelschwingungen jedoch den gleichen Zeitabstand haben. Daher ER = . = Re . B 2 © Abb.5. Geräusch durch ist es hier überflüssig, eine Zahlenreihe für die nsermmenkilleruen Abstände der Kuppen zu geben, weil sie fast zweier Holzklötze er- ; : 6 3 zeugt. Originallänge der ' sämtlich eine Periodenlänge von 1,5 mm haben. Kurve 62 mm. Das würde eine Schwingungs-dauer von l/ya5; De- kunde ergeben. (Die Länge der Periode der Telephontrompete betrug 5,0 mm = 1/,,; Sekunde.) Die Amplitudentöne zeigen einen ziemlich erheblichen Wechsel. — . Die Fouriersche Analyse eines Kurventeils ergab: Dı Pa Ps Pa 177 Ps 1% Ps Ps Pıo Pıs | Pıa | Pıs | Pıs | Pız | Pıs Pıı | Pıa Pıs 49 38 | 28 |104 132 111| 75 |59 |58 | 22 | 31 | as Jun a5 lag lı2l o2laslır 23 \32,518,3 26,5 13,6| 9 \16,6|13,6| 12,8 even: 5% RK RR RI II % Es zeigt sich, daß der 5. Partialton und seine Nachbartöne über die übrigen dominieren. Seine Schwingungsdauer würde 2450 betragen, 108 OÖ. Weiss und R. Sokolowsky: was gut mit der Schwingungszahl übereinstimmt, welche sich aus der _ Messung der Einzelabstände der Schwingungsgipfel ergibt. Fassen wir die Resultate zusammen, so zeigt sich, daß in allen registrierten Kurven Unregelmäßigkeiten vorhanden sind; teils bestehen sie in häufigem Wechsel der Periode und der Amplitude, teils wechselt vorwiegend die Amplitude bei ziemlich konstanter Periodenlänge. Wir müssen daher erwarten, daß für das Zustandekommen des Geräusch- charakters zwei Momente in Betracht kommen: einmal Wechsel der Periodendauern und zweitens Wechsel der Amplituden- höhen. Inwieweit der eine oder der andere Faktor ausschlaggebend ist für die Entstehung des Geräuschcharakters, läßt sich aus den Re- sultaten, die bisher betrachtet worden sind, nicht mit voller Sicherheit schließen. Wahrscheinlich ist, daß der Wechsel der Periode das schwerer wiegende Moment ist. Denn die Geräusche zeigen für das Ohr um so mehr Toncharakter, je regelmäßiger die Periode der Schwingungen ist, aus denen sie sich zusammensetzt. Nach dem Gesagten ist es klar, daß die registrierten Kurven die Frage nach der Bedeutung der Periode und der Amplitude für die Entstehung der Geräusche nicht abschließend beantworten können, da keines der registrierten Geräusche wechselnde Periodik bei konstanter Amplitude oder wechselnde Amplituden bei konstanter Periodik auf- weist. Il. Synthetische Versuche. Um diese Frage zu entscheiden, sind daher Versuche unter- nommen worden, in denen Schwingungsvorgänge erzeugt wurden, welche sich aus Einzelschwingungen zusammensetzen, deren Perioden bei gleicher Amplitudenhöhe fortwährend wechseln, und andrerseits deren Amplitudenhöhen bei gleicher Periodendauer stetig variiert wurden. Zu den Versuchen diente die Selensirene von Weiss!). Vor einer Selenzelle rotiert eine Scheibe, in deren Peripherie die Kurve eingeschnitten ist. Auf die Peripherie der Scheibe fällt ein Lichtstreifen, der radial zur Scheibe orientiert ist. Dieser Lichtstreifen wird durch geeignete optische Vorrichtungen aus dem Lichte einer Bogenlampe gebildet. Seine endgültige Form erhält er mittels einer Zylinderlinse. Auf diese Weise wird der Lichtstreifen jenseits der Scheibe in ein rechteckiges Lichtband verwandelt. Die Selenzelle wird so orientiert, daß dieses Lichtband ihre Fläche völlig deckt. Die Länge des Lichtstreifens ist so bemessen, daß sie gleich der größten Amplitude der Randkurve der Scheibe wird. So stellt der !) Weiss, O., Zwei Apparate zur Reproduktion von Herztönen und Herz- geräuschen. Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik. 1, 121—125. 1908. Die physikalischen Grundlagen der Geräuschwahrnehmung. 109 Lichtstreifen gleichsam eine leuchtende Kurvenordinate dar, deren Länge bei der Rotation der Scheibe sich um denselben Betrag wie die Kurvenordinate ändert. Daher wechselt die Lichtintensität auf der Fläche der Selenzelle ebenfalls um diesen Betrag. Der Widerstand der Selenzelle variiert daher ebenfalls um dieselbe Größe. Mithin muß ein elektrischer Strom, welcher in der Selenzelle fließt, Intensitäts- änderungen durchmachen, welche proportional den Ordinaten der Kurve sind. In den Kreis dieses Stromes ist ein Telephon eingeschaltet, dessen Membran daher Schwingungen macht, deren Dauern mit denen der erzeugenden Kurve identisch sind. Die folgenden schematischen Abbildungen (Abb. 6 A—C) geben drei Scheiben, analog denen, deren wir uns bei den Versuchen bedient haben. Abb. 6 A. Abb. 6 B. Abb. 6 C. Die Randkurve der Scheibe (A) ist aus streng periodischen Schwin- gungen zusammengesetzt. Bei der Randkurve der Scheibe (B) haben alle Schwingungen die- selbe Amplitude, aber verschiedene Periodenlänge. Bei der Randkurve der Scheibe (C) endlich sind die Perioden alle von gleicher Dauer, während die Amplitudenhöhen stetig wechseln. Bei Rotation der Kurven zeigt sich im Telephon bei Verwendung _ der Scheibe A ein reiner Klang, dessen Schwingungszahl gleich der Zahl der Perioden war, welche in der Sekunde den Lichtstreifen passierten. Die Tonhöhe wurde durch wechselnde Rötationsgeschwindig- keit der Scheibe variiert. Bei Rotation der ScheibeB zeigte sich ein Geräusch, an welchem ein Toncharakter nicht zu erkennen war; die Rota- tionsgeschwindigkeit wurde auch hier ausgiebig geändert. Die Scheibe C lieferte bei der Rotation ein Geräusch mit ausgesprochenem Toncharakter. Die Tonhöhe des Ge- räusches entsprach der Zahl der Lichtwechsel. 110 O0. Weiss u. R. Sokolowsky: Die physikalischen Grundlagen usw. Diese synthetischen Versuche haben somit ergeben, daß eine Ge- räuschempfindung eintritt sowohl durch Schwingungen, deren Am- plituden stetig wechseln, als auch bei Oszillationen, deren Periode fortwährend sich ändert. Ein reines Geräusch, ohne jede Spur von Toncharakter, läßt sich jedoch nur erzeugen durch. stetige Änderung der Periodendauern. Wir können wohl annehmen, daß das Trommelfell die Schallvor- gänge getreu aufnimmt und an das innere Ohr weiterleitet. Mit Hilfe welcher Mechanismen hier die Schwingungen zur Perzeption gelangen etwa im Sinne der verschiedenen theoretischen Vorstellungen zu dis- kutieren, welche man sich über die Transformation der Schwingungen im Labyrinth gebildet hat, wollen wir unterlassen. Es dürfte dies auch ein Unternehmen sein, welches so lange von zweifelhaftem Er- folge sein muß, als man nicht volle Klarheit über die mechanischen : Vorgänge im Labyrinth besitzt. Wie man sich die Erregung der Helm- holtzschen Resonatoren im Ohre durch Geräusche zu denken hat, ist von Helmholtz in meisterhafter Weise auseinandergesetzt worden. Wir haben seine Worte im Eingange unserer Arbeit ausführlich zitiert. Zusammenfassung. Mittels des Phonographen sind die Schallkurven einiger Geräusche registriert worden. Die Kurven zeigen ent- weder einen Wechsel der Amplitudenhöhe bei ziemlich konstanter Periode (Geräusche mit Toncharakter), oder sie zeigen stetigen Wechsel der Amplitude und der Periode (Geräusche ohne Toncharakter). Schallsynthesen mittels einer Selensirene haben er- geben, daß bei alleinigem Wechsel der Amplitudenhöhen ein Geräusch mit Toncharakter, bei alleinigem Wechsel der Periode hingegen ein Geräusch ohne Toncharakter entsteht. Über den intrapulmonalen Druck und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung, bei phonetischen Vorgängen und bei der exspiratorischen Dyspnöe. Von H. Gutzmann und A. Loewy in Berlin. (Eingegangen am 29. November 1919.) Inhalt. I. Über die normalen intrapulmonalen Druckwerte bei der Atmung ($. 111). II. Über die Beziehungen zwischen intrapulmonalem Druck und Atemvolumen (S. 113). III. Über den intrapulmonalen Druck bei phonetischen Vorgängen (8. 114). IV. Über den Luftverbrauch bei phonetischen Vorgängen und seine Beziehungen zum intrapulmonalen Druck (S. 120). - V. Über die Ausdauer bei der Tongebung und über ihre Ursachen ($. 124). VI. Zum Wesen der exspiratorischen Dyspnöe (S. 129). 1. Auf dem Gebiete der intrapulmonalen Druckverhältnisse bei normalen und pathologischen Atmungsvorgängen des Menschen bestehen noch mannisfache Lücken in unserer Kenntnis. Selbst der subglottische Druck bei der ruhigen normalen Atmung ist noch so selten untersucht worden, daß sogar noch in neueren Lehr- büchern der Physiologie irrtümliche Angaben darüber enthalten sind. Diese Angaben stützen sich im wesentlichen auf Versuche von Aron!). Dieser hat an drei tracheotomierten Patienten zahlreiche Messungen vorgenommen in der Weise, daß er eine gefensterte Kanüle luftdicht mit einem Manometer verband und so den subglottischen Seitendruck bestimmte. Seine Ergebnisse sind außerordentlich schwankend, was wohl nur auf einer verschiedenen Atmungsintensität beruhen kann. Es ist klar, daß man als normale Druckwerte bei ruhiger Atmung nur die niedrigsten Werte in Betracht ziehen und nicht aus allen Werten das Mittel nehmen darf, um dieses als Normalwert zu betrachten. Die Mittelwerte betragen nach Aron bei dem einen Patienten — 3,49 mm Hg bei der Einatmung und + 3,17 mm Hg bei der Ausatmung (192 Messun- gen), bei dem zweiten entsprechend — 2,08 und + 1,23 (192 Messungen), bei dem dritten — 6,65 und + 6,29 mm Hg (128 Messungen). Demgegen- über liegen die Minimalwerte bei der ersten Versuchsperson bei — 1,66 !) Aron, E., Archiv f. pathol. Anat. usw. 129. 1892. 12 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck > Do und + 1,75, bei der zweiten bei — 1,09 und 0,70 und bei der dritten bei — 2,54 und + 1,93 mm Hg. Zu diesen Aronschen Werten gesellen sich aus neuerer Zeit noch ganz wenige (vier) von Roudet!) mitgeteilte. In ihnen beträgt der subglottische Druck bei angeblich ruhiger Atmung bei der Inspiration = — 2 cm Wasser (1,46 mm Hg), bei der Exspiration + 4cm Wasser — + 2,92 mm Hg. Gelegentlich der im folgenden mitzuteilenden Untersuchungen haben wir zunächst die Aronschen Angaben nachgeprüft. Uns standen mehrere tracheotomierte Kranke der Killianschen Klinik zu unseren Versuchen zur Verfügung. Sie wurden ebenso wie bei Aron mit einem Manometer, jedoch der sicheren Ablesung halber mit einem Wasser- manometer in Verbindung gebracht. Wir ließen sie sich zunächst vollkommen beruhigen und lasen erst dann die nun vollkommen gleich- mäßigen Druckwerte am Manometer ab. Als Beispiel seien folgende Werte angeführt (s. Tabelle I). Tabelle I. Subglottischer Druck. Nr. Datum bei der Inspiration | bei der Exspiration Bemerkungen Ra le), —2cm H,O +2cm H,O | Versuchsperson: Au- —2 +2 gust H. Posticusläh- usw. 13 mal hintereinander mung. Wegen Stri- dor tracheotomiert. Bei Körperruhe ner- male Atmung ohne Dyspnöe 32 | 18. II. 19. —2 +2 —3 +3 —3 22 —2 +2 dann noch 8mal— 2 und +2,sodann;: 3 | 18 I. 19. —3165 + 1,5 —2 +2 —2 +2 — 1,75 + 1,75 mehrere Male hintereinander 4 | 21. II. 19. —3 +2 | — 2,8 + 2,2 | — 2,7 222 | —3 9% —3 + 2,2 — 2,8 + 2,0 2 — a7 + 2,0 5 25. II. 19. —1 +1 - —1 +1 —1 +1 Y) L. Roudet: La parole 1900, p. 592. und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 118: Es ergibt sich demnach, daß die Werte zwischen 1 und 3cm H,O schwanken, das sind 0,73—2,19 mm Hg für die In- und Exspiration. ‚Unsere Werte liegen demnach an der untersten Grenze der von Aron gefundenen. Daß Arons höhere Werte beeinflußt sind durch Unruhe der Patienten, ergibt sich daraus, daß sie am ersten Versuchstage fast durchgehend höher liegen als an den späteren, an denen bereits eine Gewöhnung an die Vornahme des Versuchs eingetreten war. Auch wir konnten beobachten, daß im Beginn der Versuche stets höhere Druckschwankungen auftraten, die wir absichtlich unberücksichtist ließen. Diese höheren Werte gehen stets einher mit einem gesteigerten Atemvolumen, das entsprechend der Abnahme der Druckwerte all- mählich zu einem Minimum hinabgeht. Demnach müssen als Normalwerte bei absolut ruhiger At- mung angesehen werden die von +1 cm H,O bei Ex- und —1cm H,O bei Inspiration, das sind + 0,73 und — 0,73 mm Hg. Die Schwan- kungsbreite beträgt 1,5 mm Hg. Entgegen den Angaben in neueren Lehrbüchern entdeckten wir, daß Harless!) in seiner Bearbeitung der „Stimme“ in Wagners Handwörterbuch auf Grund von Unter- suchungen an einem dem menschlichen Kehlkopfe nachgebildeten Modell zu dem ganz gleichen Werte von 0,8 mm Hg kam. Ebenso gibt bereits Kramer?) an, daß bei Hunden und bei einem Pferde, bei denen er durch Einsetzen einer Kanüle mit seitenständigem Manometer in die Trachea den subglottischen Druck, bei freier Atmung durch das Maul, bestimmte, dieser ungefähr —lmm bei der Inspiration und +2 bis +3 mm Hg in maximo bei der Exspiration betrage. 17: \ Von dem Zusammenhange zwischen den subglottischen Drucekwerten und dem Atemvolumen überzeugten wir uns da- durch, daß wir die Patienten zugleich durch eine Gasuhr atmen ließen, indem in bekannter Weise die Nase verschlossen und in den Mund ein weiches Kautschukmundstück eingesetzt wurde, das durch einen Schlauch mit der Gasuhr in Verbindung stand. Dabei fanden wir folgende Werte: 1. Normales Atemvolumen pro Minute 3,6 1. Druckwerte: —3 cm’ H,O bei Inspiration, + 3cm H,O bei Exspiration. 2. Willkürlich gesteigertes Atemvolumen pro Minute 7,651: —4 bis —6 cm H,O bei Inspiration, + 4 bis + 6 bei der Exspiration. 3. Atemvolumen bei willkürlicher Steigerung auf 8,41 pro Minute. — 4 bis —?7 cm H,O bei Inspiration, + 5 bis + 8 cm bei Exspiration. 4. Atemvolumen gesteigert auf 17,5 1 pro Minute: — 7 bis — 12 cm H,O bei Inspiration, + 12 cm bei Exspiration. 1) Handwörterbuch d. Physiologie. 4, 530. Braunschweig 1853. 2) Haesers Archiv. 9, 321. 1847. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 8 114 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Zu allen diesen Druckwerten mag ausdrücklich bemerkt werden, daß sie nicht durch irgendwelche Schleuderung der Wassersäule gefälscht sind. Sie wurden stets erst abgelesen, wenn die Wassersäule sich ruhig eingestellt hatte, was sehr schnell geschah. II. Die phonetischen Vorgänge wurden bisher zwar nach verschie- denen Richtungen eingehend untersucht, aber über die Beziehungen zwischen subglottischem Druck und phonetischen Vor- gängen liegen in der Literatur nur wenige Angaben vor. Die ältesten rühren von Cagniard Latour!) her, spätere mit ihm übereinstimmende von Grützner?). Aus des letzteren Werten geht hervor, daß bei gleich- bleibender Stimmstärke die Druckwerte mit der Tonhöhe wachsen: so fand Grützner für a, cl, f!: 142, 154, 190 mm H,O-Druck, wenn sie in gleicher Stärke gesungen wurden. Andererseits war bei gleicher Tonhöhe und gleicher Stärke der Druck bei den verschiedenen Vokalen verschieden. Er stieg von a (125mm H,O) auf 198 bei o, 200 bei u, 212 bei e, 220 bei i. Auch über diese Fragen hat Roudet (a. a. O.) einzelne Versuche ausgeführt. So einen, bei dem mit wachsender Stimmintensität der subglottische Druck wuchs. Er betrug bei schwacher Stimme 11 cm, bei mittlerer 14, bei starker 19 cm Wasser. Dagegen kommt Roudet, wiederum in einer Beobachtung, zu dem von Grützner abweichenden Ergebnis, daß bei gleicher Stimm- stärke und verschiedener Tonhöhe der subglottische Druck mit sin- kender Tonhöhe steigt. Wir selbst haben in ausgedehntem Maße das Verhalten des subglot- tischen Druckes untersucht unter Wechsel der Intensität der Stimme und der Tonhöhe, und haben neben den verschiedenen Vokalen auch einige Konsonanten (besonders tönende Dauerlaute) berücksichtigt. Unsere Ergebnisse zeigen übersichtlich die folgenden Tabellen. a) Subglottischer Druck bei gleicher Tonhöhe und ver- schiedener Tonintensität für verschiedene Vokale. Tabelle |II. Verschiedene Tonintensität bei gleicher Tonhöhe. Vokal Tonhöhe Tonstärke (subglottischer Druck in cm H,O) leise F | mittelstark laut a 216 (a) 5—6 16 e MS 6 | 16 u > 7—8,5 | 21 i e | Eon! !) Cagniard Latour, Compt. rend. Paris 1837. Annal. d. sc. natur. %, 180 u. 8, 319. 1837. 2) Grützner, Hermanns Handb. d. Physiol. 1, 2 (Leipzig 1879). > und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 115 Entsprechend den obigen Befunden von Cagniard Latour, Grützner, Roudet und entsprechend dem, was man voraussehen durfte, nimmt der subglottische Druck mit der Steigerung der Stimmintensität beträchtlich zu. Zwischen leiser und lauter Stimmgebung finden wir Druckunterschiede wie 1:3, und zwar gleich- mäßig bei allen Vokalen. Zwischen den verschiedenen Vokalen treten Druckunter- schiede bei gleicher Stimmentensität in dem Sinne auf, daß „a“ den geringsten Druck aufweist, ‚u‘ und ‚i‘ den stäıksten. Die anderen Vokale zeigen Zwischenwerte. Das erklärt sich daraus, daß für „a“ nur die Stimmenge Widerstand gibt, während bei allen übrigen Vokalen dazu noch die Engen im Artikulationsrohr kommen. — Für den Ein- fluß der Verschiedenheit der Vokale gibt auch Roudet einige Beispiele, die im gleichen Sinne sprechen. b) Für die gleiche Stimmintensität bei verschiedener Ton- höhe fanden wir gleichfalls Zunahme des Drucks mit Zunahme der Tonhöhe. Tabelle IIIa. Gleiche Tonintensität bei verschiedener Tonhöhe. Vokalesar. Tonhöhe | subglottische Druckwerte in cm H,O ee — I. Geringste Tonstärke: d | 4,0 fis 4,5 a 5,0 II. Mittlere Tonstärke: d 6,5 fis | 765 a | 10 III. Große Tonstärke: d 14,0 dis 19,0 a | 23,0 Dieses Resultat, das demnach das Ergebnis einer Beobachtung von Roudet nicht bestätigt, bleibt für alle Tonstärken das gleiche. Die Schwierigkeit, die Tonstärke objektiv für verschiedene Tonhöhen gleichzumachen, liegt einerseits darin begründet, daß wir kein objek- tives Maß für die Tonstärke besitzen. Wir sind nur auf unser Ohr ange- wiesen. Ferner darin, daß z. B. bei Pianosingen die Spannung mit den höheren Tönen wachsen muß, während die Anblasestärke entsprechend nachläßt (s. Joh. Müller, Über die Kompensation der physikalischen Kräfte am menschlichen Kehlkopfe 1832). -Wir können uns deshalb zur Kontrolle der Stärke auf die Muskelempfindungen nicht verlassen. 8*+ 116 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Immerhin ist der Sänger dem Hörer gegenüber in bezug auf die Beurtei- lung der Tonstärke insofern im Vorteil, als er neben der Wahrnehmung durch das äußere Ohr auch noch die durch die Vibrationen erzeugten Schwingungen als Gehörseindruck empfängt. Aus diesen Gesichts- punkten entschlossen wir uns, die Versuche nur bei drei Stimmstärken vorzunehmen: geringste, mittlere und große Tonstärke. N c) Für die Höhe der absoluten Werte ist es nicht gleich- gültig, ob mit Falsett- oder Bruststimme der Ton erzeugt wird. Bei ersterem sind, wie die Tabelle IIIb zeigt, die Druckwerte niedriger Tabelle IIIb. Vergleich zwischen Falsett- und Bruststimme. (Vokal „a‘‘) Tonhöhe subglottische Druckwerte in cm H,O Falsettstimme | Bruststimme eis | 5 | 6 d | 8 18 —20 e | 7.5—12 | — als bei der entsprechenden Tonhöhe durch Bruststimme, was besonders an der Grenze zwischen Brust und Falsett auffällt. Der Bereich, in welchem sich beide Stimmregister decken, ist bekanntlich nur eng, so daß die Versuche auf nur wenige Töne beschränkt bleiben müssen. Der Grund dafür, daß der subglottische Druck bei der Falsettstimme niedriger ist als bei der Bruststimme, liegt darin, daß bei der Brust- stimme jede Schwingung von der folgenden durch den absoluten Schluß der Stimmlippen getrennt wird, während das bei der Falsettstimme nicht der Fall ist, wie das die stroboskopischen Untersuchungen M use- holds, Rethis u. a. gelehrt haben. Der zu überwindende Wider- stand ist daher bei der Bruststimme größer und deshalb der sub- glottische Druck auch größer als beim Falsett. d) Wenn schon die Artikulationsengen bei den Vokalen von erheb- lichem Einfluß auf den subglottischen Druck waren, so durfte man an- nehmen, daß die beiden Konsonantenengen vorhandenen größeren. Widerstände noch weit mehr auf die Druckverhältnisse wirken würden. Natürlich sind die tönenden Dauerlaute (m, n, w, s usw.) inso- fern am besten zur Untersuchung geeignet, weil sie genügend lange ausgehalten werden können, um eine sichere, von Schleuderungen der Manometerflüssigkeit unabhängige Ablesung vorzunehmen. Wir haben aber auch versucht, Momentanlaute (Explosivlaute b, d, g,) zu prüfen, wobei wir so vorgingen, daß wir sie zwischen Vokalen sprechen ließen: aba, ada, aga. Außerdem lehrten wir die Versuchsperson, das b, d, g in Form des ‚‚Blählauts“ ein wenig auszuhalten, was bekanntlich bei „b‘‘ am längsten, bei „g‘““ am wenigsten lange möglich ist. und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. al? Bei den bisher erwähnten Konsonanten handelt es sich um stimm- hafte Laute, demnach jedesmal um zwei zu überwindende Engen, die Stimmenge und die Artikulationsenge. Es war von Wert, zur Vervoll- ständigung und Vergleichsprüfung auch diejenigen Konsonanten zur Untersuchung heranzuziehen, die stimmlos gesprochen werden, bei denen also die Stimmenge nicht in Betracht kommt. Bei ihnen mußten sich natürlich niedrigere Druckwerte ergeben als bei den entsprechen- den stimmhaften Lauten. So verglichen wir w mit f, s mit ss und sch Tabelle IV. Vergleichung der subglottischen Druckwerte bei Vokal- und Konsonantenbildung. Tonhöhe Tonstärke Subglottischer Druck in cm H,O A = 108 Schw. leise a b a 9 18 9 | 18 lauter | 13 20 | 22 13 | 22 d= 144 Schw. | leise . | 10 20 laut | 13 24 | 13 24 A = 108 Schw. a d a leise | 8 14 , h 8 13,5 lauter | 10 17 . 10 17 d = 144 Schw. leise 10 13 10 14 mäßig laut 10 18 12 19 A = 108 Schw. a g a mittellaut 10 16 laut 10 14 | 12 18 A mm e mäßig laut la lauter | 14 14 d = 144 Schw. laut | 20 20 leise | 9,5 | A nn a A = 108 Schw. mäßig laut 13 14 d = 144 Schw. leise 9,5 11,0 | 9,5 laut 20 | 18° \ 118 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Tonhöhe Tonstärke | ee truck | Tonstärke | le oa d=144 Schw. En a | In en ' leise | 8 12 8 || leise 9 11 mittellaut 12° 16 12 | mittellau |) u laut 20 | laut ee ns | BES) | d=144 Schw. a s en | a ss en | leise | 8 12 ‚ leise | 8 10 lauter | 12 16 ‚ laut 13 15 laut 7 22 | | 14 16 | 18 20 d=144 Schw. (m)a sch(ine) (blam)a g e leise 1209 8 | lTeise 108 7 13 lauter 12 10 | laut | 13 12 14 laut 14 12 laut 16 16 18 mit französisch j. Die tonlosen Explosivlaute ließen sich nicht unter- suchen, da die Schleuderung zu große Störungen machte. Die Tabelle IV zeigt zunächst, daß die Konsonanten entsprechend den vorher mitgeteilten Erwägungen mit weit höheren subglot- tischen Druckwerten einhergehen, als die Vokale. Für die Explosivlaute mußten wir die Stimmintensität gering nehmen, um es bei dem durch den absoluten Verschluß der Artikulations- stelle entstehenden hohen Drucke nicht zu einer Schleuderung der Manometerflüssigkeit kommen zu lassen. Die geringe Stimmintensität ist in den Tabellenwerten daraus ersichtlich, daß die subglottischen Druckwerte der den Konsonanten einschließenden Vokale niedriger liegen als bei den noch zu besprechenden Versuchen an Silbenfolgen mit Dauerlauten. Es bestätigt sich zunächst die Annahme, daß die Konsonanten durchgehends zu weit höheren subglottischen Druckwerten führen, als die Vokale bei derselben Stimmintensität. Als weiteres Ergebnis zeigt sich, daß zum Teil beträchtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Konsonanten und Konsonantenklassen vorhanden sind. Was zunächst die Verschlußlaute b, d, g anbetrifft, so sind die sub- glottischen Druckwerte bei dem als Blählaut gesprochenen b erheblich höher als bei d und g. Das erklärt sich daraus, daß der Blählaut b länger gehalten werden kann, weil sein Blähraum erheblich größer ist, so daß der Druck Zeit hat, höher anzusteigen. Während wir bei den Verschlußlauten uns auf eine geringe Stimm- intensität beschränken mußten, konnten wir bei den tönenden oder stimmhaften Dauerlauten verschiedene Stimmstärken vergleichen. Man tut gut, bei derartigen Prüfungen nicht sinnlose Silbenfolgen zu und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 119 verwenden, vielmehr passende Worte. Es gelingt dann begreiflicher- weise viel leichter, die Versuchsperson zu normaler Artikulation zu bringen. Wir wählten daher zur Prüfung der stimmhaften Dauerlaute die Worte Amme, Anna u. a. Es ergab sich, daß die subglottischen Druckwerte bei.leiser Stimmgebung weit niedriger lagen als beiden Verschlußlauten und daß die bei letzteren gefundenen Werte hier erst bei lauter Stimme erreicht wurden. Ein Vergleich derstimmhaften mitden stimmlosen Dauer- lauten läßt erkennen, daß erstere mit höheren subglottischen Druckwerten einhergehen als letztere. Geprüft wurden die Worte: Eva und Efeu, asen und assen, Masch(ine) und (Bla)mage. Dies Ergeb- nis erklärt sich nach dem Gesagten von selbst. Scheinbar aus der Reihe fällt das Ergebnis bei dem Versuch mit... mage. Die Versuchsperson hatte hier gewisse Schwierigkeiten der Lautgebung zu überwinden, die sich aus dem Fremdworte herleiten, das wir wählen mußten, da wir kein deutsches Wort mit dem stimmhaften ‚‚sch‘“ besitzen. Entgegen diesen letzten Ergebnissen, daß die subglottischen Druck- werte bei stimmhaften Konsonanten bei gleicher Tonstärke höher liegen als bei den gleichen stimmlos angegebenen, Ergebnisse, die man bei Berücksichtigung der Mechanik der Lautentstehung von vornherein erwarten soll, gibt Roudet an (a. a. O.), daß der subglottische Druck bei den stimmlosen Konsonanten stets höher liegt als bei den tönenden. Er füst jedoch selbst hinzu, daß seine Beobachtungen an Konsonanten zu wenig zahlreich seien, um darausentscheidende Schlüsse ziehen zu können. Überblicken wir die absoluten subglottischen Druckwerte, die sich beim Sprechen ergeben haben, so fällt ihre Höhe bei lauter Stimmgebung auf. In einer ganzen Reihe von Fällen waren Zahlen zu beobachten, die über 20 cm H,O hinausgingen, wobei die Versuchs- personen zwar laut, aber durchaus nicht angestrengt oder schreiend die Stimme hervorbrachten. Die Werte sind derart hoch, daß der Ge- danke sich aufdrängt, es müßten dabei Rückwirkungen auf die Zirku- lationsverhältnisse im Brustraume eintreten. Wenn man bedenkt, daß der Blutdruck in den intrathorakalen großen Venenstämmen wenig über Null liest, so müßten durch derartige Druckwerte im Lun- geninneren leicht Kompressionen dieser Venenstämme eintreten kön- nen, und damit Erschwerungen und unter Umständen Unterbrechungen des Kreislaufes zustandekommen. Mit ihrem vollen Werte können diese Druckwerte allerdings nicht zur Geltung kommen. Denn die im Brustraume gelegenen Organe, also auch die Venenstämme, stehen stän- dig unter negativem Drucke, da eine fortwährende Saugung entsprechend der Kontraktionstendenz der über ihren elastischen Gleichgewichts- zustand ausgedehnten Lunge stattfindet. Der Grad dieser Saugung 120 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck wechselt natürlich mit dem Ausdehnungszustande der Lunge und wächst. mit dem Grade der Lungenfüllung. Darum können die gleichen Druck- werte im Brustraume eine ganz verschiedene Wirkung auf die Zirku- lation ausüben, je nach dem die Stimmgebung beginnt nach einer tiefen oder flachen Inspiration, also bei mehr oder weniger luftgefüllter Lunge vor sich geht. Daß diese Betrachtungen nicht nur theoretischer Natur sind, son- dern in Wirklichkeit zutreffen, wird an einer späteren Stelle nachgewiesen werden. I% Bisher liegen keinerlei Beobachtungen darüber vor, wie sich die bei- der Stimmgebung ausgeatmeten Luftmengen zu dem aufge- wendeten subglottischen Drucke verhalten. Auch darüber haben wir eine Reihe von Erfahrungen gesammelt, die in den folgenden Tabellen V—VII niedergelegt sind. Wir bestimmten subglottischen Druck und Atmungsvolumen einerseits bei verschieden lauter Stimmgebung, andererseits den Ein- fluß verschiedener Vokale auf beide Werte. Die Tabelle V läßt erkennen, daß bei diesem gesanglich ungeübten Manne die Atemvolumina beim Singen sehr erheblich waren. In fünf Sekunden exspirierte er etwa !/,—®/, 1 Luft. Pro Minute würden dies 5l/,—101 Luft sein, wenn wir nur die Ausatmungszeit in Betracht ziehen. Tabelle V. Verhältnis von subglottischem Druck zu Atemvolumen. Vokal und Tonhöhe Stimmstärke N or Mn En uaufd—144Schw.| leise | 8 40 | 58,75 5 mittelstark 16 Zone 43,75 5 laut 22 780 35,45 5 leise 10 450 | 45,00 5 laut 23 825 , 36.00 5 Noch höhere Werte werden in der Tabelle VI erreicht, wo beim lautesten Sprechen 161 in der Minute Ausatmungswert erzielt werden würden. Für die Beziehungen zwischen Atemvolumen und Druck ergibt sich daß mit steigender Intensität der Stimme sowohl der subglottische Druck wie das Atemvolumen steigen, aber die Steigerung beider geht nicht parallel. Aus den Werten der Tabelle V ergibt sich, daß bei Steigerung der Stimmintensität der Druck stärker wächst als die ausgeatmete Luftmenge, so daß bei Berechnung auf die Druckeinheit von lcm bei leisem Singen höhere Atem- und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 121 Tabelle VI. Subglottischer Druck und Atemvolumen. Vokal und Tonhöhe Stimmstärke a oe an ee E In = u auf d = 144 Schw. leise 9 350 39 5 laut 16 8sso 55 5 ‚lauter 19 1350 70 5 ‚flüsternd (mit 4 450 112,5 5 ‚etwas Stimme) ‚flüsternd | 3 1210 403 5 ‚flüsternd | 3 1340 335 5 a-auf d = 144 Schw. mittellaut | 15 250 16,6 u Be 144. ,, | = 15 420 28 5 Bd AAN. | “ 14 250 18,0 5 Beich 144. |, x 11 390 35,5 5 m, d=14 ,, En 12 520 43,3 5 volumina verbraucht werden als bei lauter Stimme trotz ihrer höheren subglottischen Druckwerte. Im ersteren Falle finden wir für 1 cm Druck 58,75 bzw. 45,0 ccm Luft, im letzteren 35,5 bzw. 36,0 ccm. Die Erklärung liegt darin, daß der Widerstand der bei leiser Stimme weniger zusammengepreßten Stimmlippen unter normalen Verhält- nissen geringer ist. Die Versuchsperson war, wie schon oben erwähnt, gesanglich un- geübt. Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, daß die Stimmgebung bei den Versuchen nicht immer gleichartig erfolgte. Es ist auch nicht zu erwarten, daß die soeben besprochenen Druck- und Volumenverhältnisse stets in gleicher Weise klar zutage treten, denn schon eine geringe Indisposition, d.h. Veränderungen an den Stimm- Iippenrändern sind imstande, Schließkraft und Schwingungsfähigkeit selbst bei geübten Sängern wesentlich zu verändern. Dementsprechend sehen wir bei einem zweiten Versuche an derselben Person (vgl. Tabelle VI) zwar auch das Ansteigen von Druck und Atemvolumen mit der Stimm- intensität, aber in diesem Falle nimmt das Volumen mehr zu als der Druck, so daß für die Druckeinheit von 1 cm bei lauter Stimme mehr ausgeatmet wird als bei leiser. Wie sehr derartige Verhältnisse die Versuchsergebnisse beeinflussen können, geht auch aus einer Erfahrung von Grützner hervor. Dieser fand, daß die subglottischen Druckwerte seines oben schon erwähnten Kranken sich ganz abweichend von früheren Versuchen darstellten, als seine Versuchsperson an Larynxkatarrh erkrankt war. Der sub- glottische Druck war jetzt beim Sprechen und Singen bedeutend nie- ‚driger als in der Norm: ‚Offenbar hatte der ‚gegenseitige Verschluß der Stimmbänder bedeutend gelitten, und es entwich nebenher immer noch Luft...“ I 122 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Eine besondere Stellung nimmt die „Flüsterstimme‘ oder besser gesagt das Flüstern ein (vgl. Tabelle VI). Laryngoskopisch stellt sich das, was wir Flüstern nennen, in verschiedener Form dar. Zunächst muß man streng sondern zwischen Hauchen und Flüstern. Beim Hauchen sehen wir die Stimmlippen stets in Form eines langen gleichschenkligen Dreiecks, dessen beide Schenkel die gesamten Stimmbandlängen bilden. Beim echten Flüstern, wie es z. B. vom Ohrenarzte bei der Hörprüfung angewendet wird, treten die Mm. erico-arytaenoidei laterales in Tätig- keit. Die beiden Processus vocales legen sich eng aneinander und damit wird auch die ligamentöse Glottis geschlossen, so daß nur das kleine intercartilaginöse Dreieck offen bleibt. Wenn man dagegen vom ge- wöhnlichen Hauchen ausgeht, so kommt man leicht zu einer allmählichen Verengerung jenes vorher erwähnten großen gleichschenkligen Dreiecks und bei sehr starkem Grade der Annäherung der beiden Schenkel zu einer so starken Verschmälerung, daß sich dabei ebenfalls eine Art von Flüstern hörbar macht. Dieses Flüstern hat aber einen deutlich hauchi- gen Charakter und ist weniger weit hörbar als das echte Flüstern. Dafür kommt es aber bei der allmählichen Annäherung der Stimmlippen leicht zu einer schwachen wirklichen Stimme, so daß eine von Hauch begleitete Stimme ertönt. Letzteres ist besonders bei dem Ungeübten der Fall, wenn man ihn auffordert, einen Vokal lange flüsternd auszu- sprechen. : Entsprechend diesen verschiedenen Vorgängen finden wir ein verschiedenes Verhalten von Druck und Atemvolumen, sowie für ihr gegenseitiges Verhältnis (vgl. Tabelle VI). Bei jeder Art von Flüstern ist der subglottische Druck selbst gegenüber leiser Stimmgebung außerordentlich niedrig, das geatmete Luftvolumen dagegen für je Icm Druckwert sehr hoch. Am niedrigsten ist letzteres bei demjenigen Flüstern, das leicht stimmhaften Beiklang erhält, weit höher bei reinem Flüstern. Bei. diesem beträgt das Volumen für lcm Druck das 5—6fache des bei lauter Stimme hergegebenen. Das bei gleicher Stimmstärke und gleicher Tonhöhe ausgeatmete Luftvolumen hängt aber auch noch erheblich von dem gesungenen Vokale also der Form des Ansatzrohres ab. Am deutlichsten sind diese Unterschiede zwischen den Vokalen ‚a‘ und ‚u‘. Bei letz- terem beträgt, selbst bei geringerem subglottischem Drucke die ausge- atmete Luftmenge bei weitem mehr als beim „a“, und auf gleichen Druck berechnet (1 cm) stellt sie sich auf das Doppelte und mehr der bei ‚a‘ ausgeatmeten. Der Befund ist einigermaßen auffallend, denn man sollte angesichts der größeren Widerstände, die sich dem Abströmen der Luft bei „u“ entgegenstellen, erwarten, daß bei gleichem subglottischem Druck 123 und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. eine geringere Menge abgegeben würde. Wir sind daher diesem Be- funde noch etwas weiter nachgegangen und haben an dem einen von uns (G.) eine Reihe weiterer Versuche ausgeführt, in denen wir bei subjektiv möglichst gleicher Stimmstärke die Menge der ausgeatmeten Luft bei verschiedenen Vokalen und verschieden hohen Tönen maßen. Die Ergebnisse zeigt Tabelle VII. Tabelle VII. Luftverbrauch beim Singen verschiedener Vokale. ” Vokal und Tonhöhe | Stimmstärke Luftverbrauch ccm | ne in | I a auf d—=144 Schw. mittellaut | 800, 600, 840, 870 10 I lem 1200, 1100, 1200 0 o auf d—= 144 Schw. | mittellaut | 700, 800, 770 7 10 laut 940, 1070 KA) u auf d—144 Schw. | mittellaut , 600, 660, 780, 700, 610 1222,10 laut 1000 | 10 a auf a—=216 Schw. leise 1190, 970, 1000, 1130 10 0 „a=2l6 „ M | 760, 700, 630, 680 10 Be 96 „| N | 470, 370, 360, 330 10 SS ) laut 690, 780, 780, 820 10 a 5 640, 200, 470, 300, 420 10 Be 56 , | 2 940, 1070, 1200 I) a „ d=288 „ | mäßig laut | 1950, 1630, 1720 10 Bo, 0.1940, 1050, 950 10 0 De ' 820, 590, 460, 580 10 dee „| laut 1000, 1100, 950, 1040 10 a: .: | o 1080, 1200, 1080, 850, 1000 | 10 u. d=288 | ' 1250, 1300, 1390 Il) Als konstant finden wir hier bei allen Tonhöhen einen Unterschied der Luftmengen bei ‚a‘ und ‚u‘, der je nach der Stimmstärke wechselt: Bei leiser Stimmgebung wird auf „u“ weniger ausgeatmet als bei „a, bei starker Stimmgebung dagegen, besonders bei den beiden höheren Tönen, erheblich mehr. Die Werte für „o‘ sind schwankend ; zum Teil verhalten sie sich wie für ‚u‘ zum Teil wie bei ‚a‘. Eine voll- kommen ausreichende Erklärung für diese Erscheinung können wir zunächst nicht geben. Wahrscheinlich machen sich dabei verschiedene Einflüsse geltend, zum Teil physikalisch-physiologischer, zum Teil psychischer Art. So wäre daran zu denken, daß durch die Artikulations- enge des ‚u‘ die dahinter angestaute Luftmenge eine Rückwirkung auf die Stimmlippen hervorbringt, und zwar derart, daß ihre Pression verändert wird. Andererseits ist von vornherein anzunehmen, daß bei gleichem subglottischem Drucke durch ein freieres Ansatzrohr mehr ausströmt als durch ein verengtes. Demnach müßte bei ‚u‘ weniger ausströmen als bei „a“. Das geschieht auch bei leiser Stimmgebung. Wenn bei lauter Stimmgebung das Gegenteil der Fall ist, so müssen 124 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck sich hier noch andere Einflüsse geltend machen. Diese könnten darin gegeben sein, daß man bei dem Versuche, den an sich weniger weit hörbaren Vokal ‚u‘ in derselben Stärke wiederzugeben wie den Vokal „a“ unwillkürlich stärker anbläst. Wenn dem scheinbar die Versuche auf Tabelle VI widersprechen, so ist zu beachten, daß von der hinter der Artikulationsenge gestauten tönenden Luftsäule ein Gegendruck gegen die Stimmlippen ausgeübt wird. Auch die bei verengtem Arti- kulationsrohr hinter der Enge gesteigerten Wandvibrationen könnten einen mildernden Einfluß auf die Pression der Stimmlippen ausüben. Dem würde es entsprechen, wenn Roudet berichtet, daß die Glottis bei den Artikulationsengen des ‚‚e‘“ weiter klaffte als bei „a“ in einem Falle, wo bei der ‚e“-Stellung noch laryngoskopiert werden konnte. Die weit bequemere endoskopische Beobachtung der Glottis, die ohne weiteres bei allen Lauten vorgenommen werden kann, gibt wegen der Verkleinerung des Bildes keine sichere Entscheidung über die Breite des Glottisspaltes. Vielleicht würde eine Verbindung der Endoskopie des Kehlkopfes mit gleichzeitiger stroboskopischer Beobachtung Auf- schluß geben, ob jene Annahme zutrifft. V. Bei Versuchen, einen Ton möglichst lange zu halten, fiel uns auf, daß die bis zum Schluß ausgeatmeten Luftmengen nicht denjenigen entsprachen, die bis zur vollkommenen willkürlichen Ent- leerung der Lungen hätten ausgeatmet und in Stimme umgesetzt wer- den können. Besonders wenn vor der Stimmgebung maximal eingeatmet wurde, blieben die Ausatmungswerte mehr oder weniger erheblich hinter der Vitalkapazität zurück, d. h. hinter denjenigen Werten, die bis zur größtmöglichen Exspiration tonlos hätten exspiriert werden können. Als Beweis für diese Beobachtung dienen die in der folgenden Tabelle VIII zusammengestellten Werte. Tabelle VIII. Mögliche Dauer der Tongebung nach tiefster Inspiration. Vokal und Tonhöhe Dauer in Sek, | Luftvolumen | TLuftvolumen | | in ccm pro Sek. ccm a auf d= 144 Schw. | 37 2400 65? ER 3 EN | 40 | 3450 86 >> 09 35 | 37 3700 100 0 Ss Fr | 44 | 3600 82 Om » 5 | 50 \ 3050 | 61 on, 56 = 49 3500 72 un» 25 | 40 | ..3800 95 nee, Er s 45 3000 12 un, 3 Ar | 53 | 3100 | 60 U 99 5 5 45 3700 82 und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 125 Sie sind an Gutzmann gewonnen, dessen Vitalkapazität wir zu 5,2 1 ermittelten. Trotzdem erreichen die Luftmengen bei der tönenden Ausatmung höchstens 3,81. Oft bleiben sie noch erheblich hinter diesem Werte zurück. Auf die Unterschiede, die in der Dauer der Tongebung zwischen den verschiedenen Vokalen (a, o, u) hervortreten (vgl. Tabelle VIII), wollen "wir hier nicht näher eingehen. Sie erklären sich aus der verschieden großen Ausflußöffnung des Ansatzrohres. Die vorstehenden Beobachtungen stehen in Widerspruch mit der allgemeinen Annahme, daß der Ton erst erlischt, wenn keine willkürlich entleerbare Luft mehr in den Lungen enthalten ist. Es müssen also andere Ursachen für diesen vorzeitigen Schluß der Tongebung in Anspruch genommen werden. Da während der Tongebung der Lungengaswechsel seinen Fortgang nimmt, d. h. eine ununterbrochene Sauerstoffabgabe und Kohlensäureaufnahme seitens der Alveolenluft stattfindet bis zum Spannungsausgleich mit den Gasen des die Lungen _ durchströmenden Blutes, so gibt uns — wie in der Norm — die Zusam- mensetzung der Alveolenluft ein Maß für die Gasspannungen des aus der Lunge in den großen Kreislauf abströmenden Blutes. Die Kohlensäurespannung des arteriellen Blutes stellt nun den Hauptatemreiz dar, und dieser könnte während einer länger dauernden Tongebung, während der ja eine Erneuerung der Lungenluft nicht stattfindet, die Kohlensäurespannung also anwachsen muß, so erheblich gestiegen sein, daß dadurch ein Zwang zur Einatmung gegeben wäre, gleichgültig, eine wie große Menge von Reserveluft noch für weitere _ Tonbildung zur Verfügung steht. Deshalb bestimmten wir zur weiteren Aufklärung der hier vorliegen- den Verhältnisse den CO,-Gehalt der Alveolenluft am Schlusse dertönenden Ausatmung. Wir verfuhren so, daß wir dicht hinter dem Mundstück ein enges Seitenrohr von dem das Mundstück mit der Gasuhr verbindenden Schlauche abzweigten. Mit diesem Seitenrohr konnte ein Gassammelrohr verbunden werden, das etwa 40 cem Gas faßte und zunächst mit angesäuertem Wasser gefüllt war. Entweder nach einer bestimmten Dauer der Tongebung oder sobald die Versuchs- person fühlte, daß sie den gesungenen Ton nicht länger halten konnte, - wurde auf ein entsprechendes Zeichen das Sammelrohr geöffnet, das saure Wasser zum Abfließen gebracht,. während die letzten Anteile der tönenden Ausatmungsluft in das Gassammelrohr eintraten. Nach Verschluß des Sammelrohres wurde dieses nach bekannten Methoden in einen Hempelschen Analysenapparat übergeführt und in diesem der CO,-Gehalt bestimmt. Zugleich wurde die gesamte, während der Tongebung ausgeatmete Luftmenge durch die Gasuhr geleitet und so gemessen. Die Ergebnisse befinden sich auf der folgenden Tabelle IX. 126 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Tabelle IX. AlveolareKohlensäurespannung beiderTongebung. Versuchs- person Tonhöhe | Dauer der Tongebung Sek. | Menge der während der Tongebung exsp. Luft cem CO,-Gehalt der Alveo- lenluft Bemerkungen d = 144 840 530 490 770 I beginnt nach nor- maler Inspiration. Beginn nach tiefer Inspira- tion (2030 cem). Beginn nach tiefer Inspira- tion (1450 ccm). S1 Jul. 23 1200 1200 1700 2100 5.60%), 6,10%, 5,90% Bei ruhiger Atmungal- veol. Kohlenspannung 4,5°/,- Vor Beginn der Tongebung ruhige, normale Ein- atmung. Singen zum Schluß anstrengend mit aktiver Ex- spiration. Ruhige Inspiration vor Be- ginn. Wie bei 6. Zum Schluß Sin- gen schwierig. Bedürfnis zum Inspirieren. Wie Versuch 7. 23 25 383 2200 2300 1700 5,20% 4,80 %o | 5,34%), Maximale Einatmung vor Beginn des Singens. In Versuch 9 ist das Singen weniger angestrenet als in 5 bis 7, Gefühl der Atem- not geringer. Keine aktive Exspiration. Nach maximaler EPin- atmung. Keine Dyspnöe und kein Bedürfnis den Ton zu enden. Maximale Einatmung. Zum Schluß Singen weniger leicht als in 10. Beeinnende Dyspnöe. 12. 13: 14. 15. d= 144 48 45 45 48 2800 6,20°/, 6,60%), 6120,20 6,60%, Nach maximalerInspi- ration. Singen so lange, wie trotz eintretender Atem- not möglich. Wie bei 12. Inspiration maximal 3400 cem; dann Singen solange mögl. Inspiration maximal 3420 cem. Singen solange möglioh. 16. 28 6,60% Singen länger unmöglich! Vor Beginn maxim. Inspiration. und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 1a Dauer der ae Soanszel Versuchs- Tonhöhe | Tongebung Tongebung der Alveo- Bemerkungen person exsp. Luft lenluft Sek. ccm 9A 17.L. | d=144 28 _ 6,40%, | Wie 16. Auch hier Unfähig- keit, länger zu singen. 13. >, en 28 2250 7,00°, | Inspiriert maximal 2950 ccm; | dann Singen solange über- j haupt möglich. BI n 30 1760 7,20°/, | Inspiriert maximal 3350 cem; dann wie 18. 20. H.J.| d — 144 30 2900 5,70°/, | Zuvor inspiriert 2600 ccm. ) Singen solange als möglich. Ton stark. Bee, | n 38 2400 6,16%, | Zuvor inspiriert 3860 ccm, | sonst wie 20. 22. G. | flüsternd 28 3950 5,.80°/, | Nach maximaler Inspiration: 3750cem, bis zum möglichen a Ende gesungen. 23. HJ.) = 31 — 6,80°%/, | Wie 22. Zur Erläuterung der CO,-Werte möchten wir’darauf hinweisen, daß der Kohlensäuregehalt der Alveolenluft 4,0—5,5% ausmacht. Das sind die Werte, die sich ausbilden, wenn die CO,-Spannungen des venösen Lungenarterienblutes durch den Respirationsprozeß sich mit der eingeatmeten Luft ausgleichen. Mit der so zustandegekommenen Kohlensäurespannung tritt das Lungenblut in das linke Herz ein. Die genannten Werte entsprechen also den Kohlensäurespannungen des Arterienblutes. Ihnen gegen- über betragen die Kohlensäurespannungen des Venenblutes 57%. In den Versuchen, in denen nicht bis zum Zwange erneuter Inspira- tion gesungen wurde, vielmehr nur eine begrenzte Zeit, die zwischen 12 und 16 Sekunden gewählt wurde (Versuche 1—4), finden wir CO,- Werte von 4—5%, d.h. Werte, die denen des Arterienblutes entsprechen. Dementsprechend macht sich in diesen Versuchen kein erhebliches Gefühl von Dyspnöe geltend; das Singen hätte noch weiter ausgedehnt werden können. | Auf ähnlicher Höhe liegen drei andere Werte (Versuch 9—11 zwischen 4,8 und 5,3%), in Versuchen, in welchen zwar 23—25 Sekunden lang gesungen wurde, zuvor aber eine maximale Inspiration stattfand, der- Luftvorrat in den Lungen also etwa um 21 erhöht wurde. Auch in diesen Versuchen hätte das Singen weiter fortgesetzt werden können. Anders in allen denjenigen Versuchen, in denen bis zur Grenze der Möglichkeit der Ton gehalten wurde. Hier finden wir Werte, die bei gegen 6% beginnen und bei G. bis 6,7%, hinaufgehen. Auf annähernd derselben Höhe liegen vier an L. festgestellte Werte, nämlich 128 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck zwischen 6,4 und 7,2%. Bei der dritten Person, J. (Versuch 20-21) ergaben sich Kohlensäuremengen von 5,7—6,16%. Diese Werte sind nun so hoch, daß sie den Kohlensäurewerten des venösen Blutes entsprechen, ja sich der oberen Grenze der venösen Blutgasspannung nähern. Es ist kiar, übrigens auch - durch zahlreiche Versuche an Mensch und Tier erwiesen, daß so hohe Kohlensäurespannungen einen energischen Atemreiz darstellen und geeignet sind, eine zwangsweise Inspiration auszulösen. Daß wirklich der CO,-Reiz und nicht der Mangel an Lüftvorrat in den Lungen die Ursache zur Anregung der Inspiration ist, ergibt sich eindeutig aus der Reihe von Versuchen, in denen neben der während des Singens exspirierten Luft zugleich auch die vor Beginn eingeatmete Luftmenge durch eine zweite Gasuhr gemessen wurde. So sind z. B. in Versuch 14 eingeatmet worden 3400 ccm, ausgeatmet bis zur Zwangsinspiration nur 700 cem; in Versuch 15 eingeatmet 3420 cem, ausgeatmet 1300 ccm. Dasselbe wie diese an G. ausgeführten Versuche ergeben auch die an L. angestellten. So wurden im Versuch 18 von L. eingeatmet 2950 cem, ausgeatmet 2250, im Versuch 19 eingeatmet 3350, ausgeatmet' nur. 1760 cem. Die alveolare CO,-Spannung war dabei auf 7% bzw. 7,2% gestiegen und hatte weiteres Singen unmöglich gemacht. Auch bei dem Kunstsänger, Herrn J., liegt dasselbe Resul- tat vor: inspiriert wurden 3860, exspiriert 2400 cem. Die Versuche beweisen also, daß bei den drei untersuchten Persoren die Möglichkeit, die Tongebung fortzusetzen, nicht aufge- hoben wurde durch die Erschöpfung des Luftvorrats in der Lunge vielmehr durch das Ansteigen der CO,-Spannung im Blute bis zu Werten, die eine neue Inspiration erzwangen. Diese Ergebnisse dürften nicht allgemein zutreffen, vielmehr wohl im Zusammenhang stehen mit einer zweckmäßigen Atemtech- nik. Sie dürften deshalb z. B. bei Kunstsängern die normalen sein. Bei Personen, die in der Kunst der Atemführung beim Singen wenig oder nicht bewandert sind und deshalb einen hohen Atemverbrauch beim Singen haben, viel ‚wilde Luft‘ dabei produzieren, dürfte das Ende der Tongebung eher in einer Erschöpfung der in den Lungen vorrätigen Luft gegeben sein. Dahin gehören die meisten ‚Natur- sänger“. Unsere Tabelle IX gibt noch zahlenmäßige Hinweise auf die Bedeu- tung der Lungenkapazität für die Ausdauer beim Singen. G., der einen sehr voluminösen Thorax hat mit einer Vitalkapazität von 5,2 1, vermochte ca. ®/, Minuten den Ton auszuhalten, bevor eine CO,-Spannung von 6,6—6,7% erreicht war. L. dagegen, dessen Vital- kapazität nur 3—3,25 | beträgt, gelangte nach 28—30 Sekunden schon zu Werten von 6,7—7,2% alveolarer CO,-Spannung. und den Luftverbrauch bei der normalen Atmune usw. 129 VI. Zum Wesen der exspiratorischen Dyspnöe. Unter den in vorstehenden Tabellen zusammengestellten subglot- tischen Druckwerten finden sich zahlreiche, die durch ihre Höhe auffallen müssen. Es handelt sich bei mittellautem und lautem Gesange um Drucksteigerungen in der Lunge, die so hoch sind, daß sie bei weitem den Druck in den intrathorazischen großen Venen- _ stämmen übertreffen. Würde der intrapulmonale Druck in seinem ganzen Betrage wirksam werden, so müßten die intrathorazischen Venen- stämme, insbesondere die Venae cavae, evtl. auch die Vorhöfe zur Kompression gebracht werden. Diese Kompression müßte sich durch pathologische Erscheinungen bemerkbar machen, denn sie führt ja zu einer Beschränkung oder gar Unterbrechung des kleinen Blutkreislaufes. Nun kommt aber nicht der ganze positive Druck im Lungenraume zur Wirkung auf die intrathorazischen Organe. Denn diese stehen ja unter einem, diesem entgegengesetzten, negativen Druck, der seinen Ursprung hat in der Überdehnung der Lungen über ihr elastisches Gleichgewicht hinaus. Die negativen Druckwerte schwanken bekannt- lich je nach dem Ausdehnungszustande der Lunge. Als Maximalwerte gelten noch immer die von Donders!) vor langer Zeit angegebenen, wonach bei größter inspiratorischer Ausdehnung der Lunge der negative intrapleurale Druck — 30 mm Hg betragen soll. Bei ruhiger Atmung beträgt er auf der Höhe der Inspiration — 8 bis — 9 mm, auf der Höhe der Exspiration —5 bis —6 mm Hg. Bei der Stimmgebung kommen die niedrigen, für die ruhige Atmung gültigen Werte nicht in Frage, da der Thorax hierbei mehr als bei der Atmung in Körperruhe, unter Umständen nahezu maximal, mit Luft gefüllt wird. Die Tatsache selbst, daß ein starker positiver Druck im Brustraum den Blutkreislauf schwer schädigen, ja ganz unterbrechen kann, ist seit dem alten Versuche Valsalvas bekannt. In diesem handelt es sich um den experimentell hervorgebrachten maximalen Druck, dem die Lungenluft durch willkürliche Verkleinerung des Brustraumes aus- gesetzt werden kann. Über die Wirkung geringerer Drucke auf die Zirkulation liegen eingehende Untersuchungen von Waldenburg?) - vor. Sie bilden die experimentelle Grundlage für die praktische Verwen- dung der verdichteten Luft in Krankheiten. Diesen Versuchen am Men- schen reihen sich solche an Tieren an, die Zuntz anstellte und in denen der Blutdruck bei Einatmung- komprimierter Luft verfolgt wurde. Demgegenüber ist der Frage, wie sich unter natürlichen Verhält- nissen die Druckwerte im Thorax stellen und welchen Einfluß sie auf I) Donders, Zeitschr. f. ration. Medizin. N. F. IIL u. V. 2) L. Waldenburg, Die pneumatische Behandlung usw., 2. Aufl. Berlin 1880, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. O0 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck 130 die Zirkulation haben, auffallend wenig Beachtung geschenkt worden. Und doch läßt sich zeigen, daß die Wirkung gesteigerten intra- pulmonalen Druckes auf den Kreislauf leicht beobachtet werden kann unter Bedingungen, zu denen häufig Gelegen- heit gegeben ist. Am einfachsten gestaltet sich die Feststellung, ob ein gesteigerter intrapulmonaler Druck auf den Kreislauf störend wirkt durch die Beobachtung des Pulses. Es läßt sich ohne weiteres erweisen, daß beim schreienden Sprechen von Worten der Puls allmählich, nach 5—10 Sekunden, klein wird. Wir prüften aber weiter, welches die intrathorakalen Druckwerte sind, die sich als erforderlich erweisen, um den Puls deutlich klein zu machen oder zum Verschwinden zu brin- gen. Dazu steigerten wir den positiven Druck im Thorax einerseits mittels Ausatmung durch ein verengtes Rohr, andererseits erhöhten wir ihn durch mehr oder weniger laute Tongebung. Das erstgenannte Verfahren bestand einfach darin, daß mit einem weichen, zwischen Lippen und Zähne geschobenen Mundstücke ein Glasrohr verbunden war, von dem eine Abzweigung zu einem Wassermanometer führte. Das Ende des Glasrohres selbst trug einen kurzen Gummischlauch, der durch eine Schraubklemme beliebig verengert werden konnte. Es wurde nun festgestellt, welche Druckwerte genügten, um eine deutliche . Veränderung des Pulses zu bewirken. Tabelle X. Verhalten des Pulses bei Atmung gegen Widerstand. Pulsfrequenz Versuchs- e Verhalten des Pulses Bemerkungen in 10 Sekunden a) vor, person cmH,O b) während, ©) nach der Drucksteigerung L 12 wird allm. klein von vornherein an ce Gefühl von Druck auf der Brust L 11,5—12 | nach 9” Puls klein L. | 11,5—17 | nach 20” Puls klein ] 65 1 1G nach 20” klein L nl nach 11’ klein G 12—13 | klein nach 8” Nach Freigabe der Atmung Puls sofort groß und beschleunigt klein nach 8” Puls fast unfühlbar nach 87 G. G. G. 12—13 sehr klein nach 5” G. 13 wird bald klein 127718 13 G. 12 fadenförmig nach 8” 2213 13 L. 119 1 14 L. 13—14 12 | 13—14 | 14 16: 119 124212. 14 und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 131 Die Tabelle läßt erkennen, daß sowohl bei G. wie bei L.intrapul- monale Druckwerte von oberhalb Ilcm H,O, die durch Aus- atmung gegen eine Stenose, d. h. in ein 'hinreichend verengtes Rohr erzeugt sind, genügen, um den Puls deutlich klein zu machen. Neben der Verkleinerung des Pulses gehen gewöhnlich Veränderun- gen seiner Frequenz einher, jedoch scheinen diese nicht stets in gleichem Sinne auszufallen. Eine Anzahl solcher Beobachtungen enthält gleich- falls Tabelle X. In einigen anderen fand sich eine Pulsverlangsamung während der intrapulmonalen Druckerhöhung. In der zweiten Reihe der Versuche, die sich auf Tabelle XI vereinigt finden, wurde der Vokal u sehr laut in ein Rohr, das in einem Manometer endete, hineingesprochen. | Tabelle XI. Verhalten desPulses beilautemSprechen (Vokal = u) Versuchs- | Intrapulmonaler en Druck em H,O | Verhalten des Pulses G. 20 Puls nach 4 Sek. klein. 24 Er) £>) 4 >) 9 22 —26 >) „ 4 > „> 2326 Puls nach 3 Sek. sehr klein, nach weiteren 2 Sek. fast unfühlbar. 24—26 Nach 2 Sek. klein, nach weiteren 3 Sek. unfühlbar. 18 18 Puls klein nach 3 Sek., unfühlbar nach weiteren 2 Sek. 20 Klein nach 4 Sek., verschwindet 1—2 Sek. später. Dabei wurden bei G. und L. Druckwerte zwischen 18 und 26 cm H,O erzielt, und bei diesen Werten konnte ein Verschwinden des Pulses festgestellt werden. Es können demnach — das lassen auch die Werte der früheren Tabellen erkennen — bei lauter Tongebung leicht Druckwerte erreicht werden, die zur Unterbrechung des Blutkreis- laufsim Brustraumzu führen vermögen. Im allgemeinen kommt uns diese Wirkung subjektiv nicht zum Bewußtsein, und auch objektiv läßt sie sich beim gewöhnlichen lauten Sprechen oder Singen nicht leicht nachweisen. Letzteres erklärt sich daraus, daß der Einfluß auf den Puls sich nicht zugleich mit Einsetzen des Überdruckes, sondern erst nach einigen Sekunden, bei G. ebenso wie bei L. nach etwa 5 Sekunden, geltend macht. Bevor es unter den Umständen, die für gewöhnlich, d. h. beim Sprechen und Singen, zu so hohen intrathorakalen Druck- werten führen, zur Wirkung auf den Puls kommt, ist aber bereits durch eine neue Inspiration die Wirkung wieder aufgehoben worden. Sie tritt ohne weiteres zutage, wenn absichtlich oder unabsichtlich länger als gewöhnlich ein lauter Ton angegeben wird, wie beim Schreien, 9* 132 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck beim Kommandieren. Die Kreislaufunterbrechung zeigt sich dann schon äußerlich an den venösen Stauungserscheinungen, wie Schwellen der Halsvenen, Cyanose des Gesichtes u. a. Daß es einer gewissen Zeitspanne bedarf, bevor die Wirkung des Druckes sich für die Tastwahrnehmung deutlich am Pulse markiert, hängt wohl damit zusammen, daß nicht im Augenblicke der Unter- brechung des Kreislaufes durch Kompression intrathorazischer Gefäße auch schon das pulsatorische Einwerfen von Blut durch Herzkontraktion in das arterielle System beendet ist. Das linke Herz wirft, vielmehr noch etwas Blut, das ihm aus dem Lungengefäßsystem weiter zuströmt und Blutreste, die von der letzten normalen Diastole bzw. Systole her noch in ihm enthalten waren, weiter aus. Aber auch, wenn der Puls schon erloschen ist, und das Herz leer arbeitet, muß die arterielle Strömung noch eine Zeitlang weitergehen dank der elastischen Kraft der Arterienwandungen, die das in ihnen ent- haltene Blut, in das Capillar- und Venensystem übertreibt. Es geschieht dasselbe, was ja auch nach Kreislaufunterbrechung durch Herzstill- stand zustande kommt und was zu der Erscheinung führt, daß in der Leiche die Arterien leer, die Venen gefüllt sind. Dieses Weiterströmen des arteriellen Blutes in das Capillarsystem nach Kreislaufunterbrechung bewirkt nun, daß die in der überfließenden Blutmenge enthaltenen Sauerstoffmengen dem Gewebe zugute kommen können. Diese ent- nehmen den ihnen so gebotenen Sauerstoff, wodurch erzielt wird, daß Zeichen von Sauerstoffmangel in Form von subjektiver Dyspnöe selbst im Momente der Pulslosigkeit noch nicht wahrgenommen werden. Durch besondere Versuche haben wir uns überzeugt, daß unter diesen Umständen nicht die Leeratmung der Lunge den Reiz zu neuer Inspiration abgibt, und daß auch die intraalveolare Kohlensäure- ansammlung nicht als Maßstab für die Höhe des Kohlensäurereizes des Blutes genommen werden darf. Den Beweis hierfür liefern die in Tabelle XII zusammengestellten. Werte. Wir gingen so vor, daß wir einerseits möglichst laut lesen ließen (#/,—1 Minute lang), wobei nach Bedürfnis in- und exspiriert wurde. Am Schlusse einer beliebigen Exspiration nahmen wir dann eine Probe der Alveolenluft zur Analyse. Andererseits ließen wir einen Vokal (u) solange als möglich laut angeben. Vorher war maximal inspiriert worden; während der Tonangebung wurde durch Ausatmung in eine Gasuhr die gesamte exspirierte Luftmenge gemessen und am Schlusse wiederum eine Gasprobe zur Analyse entnommen. Zunächst die Lungenfüllung in dem Momente, wo ein unwidersteh- licher Reiz zur Inspiration eintritt. G., dessen Vitalkapazität, wie früher erwähnt, 5,21 beträgt, mußte die Exspiration abbrechen, nach- dem er in einem Falle erst 3,9 in einem anderen 3,5 1 nach maximaler und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 133 Tabelle XI. Alveolarer ne Ans Versuchs- Tätigkeit . CO.-Gehalt am Br volumen Bemerkungen person Schluß einer Ex- Minute un spiration ‘ * L. |lautes Lesen 4.27%, 10 durch 50” 5 45” 4,14°), 9 | G. hat nicht das Ge- ” No fühl, als ob die e en Atemluft in der ö a) Lunge erschöpft | wäre. -G. lautes u bis 4,30% ı 3900 |\Nach maximaler In- Zwang zur In- | spiration. KeinGe- spiration, Dauer, | fühl, als ob alle 157 | | LuftausderLunge | | exspiriert wäre. G. |iDauer 20” 4.75%, ı 3500 L. |Dauer 11” I arallly ı 2500 -G. |Exspiration’durch 4.50°%, , 1000 | Vorher maxim. Ex- enges Rohr bis | und Inspiration. Zwang zur In- spiration, Dauer 107 G. ||dasselbe 4,80°/, 900 Inspiration ausgeatmet hatte. ‘In diesen beiden Versuchen wurde der Überdruck in der Lunge durch Angeben eines lauten u herbeigeführt. Dabei dauerte die Exspiration nur 15 bzw. 20 Sekunden. Dasselbe ergibt sich bei L., der bei 3,2 1 Vıtalkapazität erst 2,5 lin 11 Sekunden exspiriert hatte, als die Exspiration unterbrochen werden mußte. Noch deutlicher tritt dieses Verhältnis in zwei weiteren Versuchen an G. hervor, bei denen der positive Druck in der Lunge durch Atmung in ein enges Rohr zustandegebracht wurde. Hier war erst eine Luft- menge von 0,9—11 ausgeatmet, als der Zwang zur Inspiration sich geltend machte. Eigentümlich und dafür beweisend, daß bei dieser Form der „Kom- pressionsdyspnöe“ Besonderheiten vorliegen müssen, die von den sonst zur Dyspnoe führenden abweichen, sind die CO, - Prozent- werte in der Alveolenluft. Alle neun Werte liegen nämlich auf dem niedrigen Niveau, das sich im arteriellen Blute findet. An- gesichts dieser Werte könnte man zweifeln, ob Kohlensäureansammlung die Ursache zu der zwangsweisen Unterbrechung der Atmung sei. Aber es muß betont weıden, daß diese Werte nicht der Ausdruck sind für die Kohlensäurespannung desjenigen Blutes, welches das Atemzentrum durchströmt und das den Atemreiz äbgibt. 134 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck Unter normalen Verhältnissen und unter denjenigen pathologischen, bei denen der Blutkreislauf nicht unterbrochen ist, entsprechen die CO,-Spannungen in den Lungenalveolen den desjenigen Blutanteils, der durch das Atemzentrum hindurchgeht, und stellen demnach ein Maß für diese dar. Das ist unter den Umständen, unter denen die in Tabelle XII vereinigten Versuche ausgeführt sind, nicht mehr der Fall. Durch die Abschneidung der Blutzufuhr vom Venensysteme her kann nur diejenige Blutmenge, die sich gerade in der Lunge befindet, in Gas- austausch treten mit der Alveolenluft. Neues Venenblut kann wenig hinzutreten. Die aus dem Blute übertretende Kohlensäuremenge ist demnach gering und vermag den Kohlensäuregehalt der Alveolenluft nicht erheblich zu steigern. Dabei wird natürlich das in den Geweben befindliche Blut mit der Dauer der Zirkulationsbehinderung dauernd venöser, d. h. kohlensäurereicher, so daß dadurch der Zwang zu einer neuen Inspiration gegeben wird. Der geringe KohlensäuregehaltdesLungenalveolenblutes spricht im vorliegenden Falle direkt für das Zustandekommen des Atembedürfnisses durch eine Kreislaufunterbrechung. — Die in vorstehendem mitgeteilten Erfahrungen, daß es nämlich leicht und unter Umständen, die uns nicht zum Bewußtsein kommen, zu Störungen der Blutzufuhr zum großen Kreislaufe und damit der Sauerstoffversorgung der Organe kommt, sind geeignet, Licht zu wer- fen auf einige Formen der Dyspnöe, die unter pathologischen Verhält- nissen beobachtet werden. Es handelt sich um Fälle von sogenannter exspiratorischer Dyspnoe, die bei Stenose der zuführenden Luftwege (Larynx, Trachea) beobachtet werden, und die bisherallgemeinaufmangel- hafte Zufuhr von Luftzur Lunge bezogen wurden. Die mangel- hafte Luftzufuhr muß zu Sauerstoffmangel und zu abnormer CO,- Anhäufung im Blute führen und so zur Dyspnoe, in erster Linie durch (O,-Anhäufung. Diese Auffassung muß ergänzt werden durch dieBerücksichtigungderKompressionderintrathorazischen großen Venenstämme, die bei genügend starkem positivem Drucke zustandekommen kann, zur Verminderung oder Hemmung des Blut- stroms zum linken Herzen führt und auf diese Weise dyspnoische Zu- stände herbeiführen kann. An einer Reihe von Kranken, die wegen lupöser Stenosen des Larynx aus verschiedenen Ursachen tracheotomiert waren, haben wir dies- bezügliche ‘Versuche angestellt. Wir bestimmten den subglottischen Druck sowohl bei der ruhigen Atmung wie auch bei gesteigerter, und ebenso beim Sprechen. -Den Druck bei gesteigerter Atmung fanden wir bezogen auf das gleiche Atemvolumen höher als bei Gesunden, und auch die Druckwerte beim lauten Sprechen und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 135 lagen höher, als wir sie bei uns fanden. So wurden bei einer Atmung, die pro Minute um 4 | betrug, + 20 cm Wasserdruck bei der Exspiration erreicht. Beim lauten Sprechen kam es zu einem intrapulmonalen Drucke von 30 cm H,O, beim erregten Sprechen zu 40 cm = 29,3 mm Hg. Der letzte Wert liest so hoch, daß dabei ohne weiteres, selbst wenn wir für die maximale Thoraxausdehnung die höchsten negativen intra- pleuralen Druckwerte, die Donders fand, nämlich die von — 30 mm Hg, gelten lassen, eine Kompression der Venenstämme zustandekommen kann. Aber auch bei den niedrigeren Druckwerten von 20 und 30 cm H,O können Kompressionen der großen Venen bei den mit Stenose behafteten Kranken leichter zustandekommen als bei Gesunden. Denn speziell beim Sprechen, Singen und bei Hantierungen, die zum gesteigerten Drucke im Thorax führen, verläuft die Einatmung, wie vielfältige Ver- suche z. B. von Gutzmann gezeigt haben, außerordentlich schnell. Es muß also bei ihr in kurzer Zeit eine erhebliche Luftmenge den Kehl- kopf passieren. Das ist wohl bei genügender Weite der Glottis möglich, nicht aber bei Stenosen: Die Folge davon ist, daß die Lungen hier einen weit mehr exspiratorischen Stand am Ende der Inspiration einnehmen, als unter normalen Verhältnissen, und die weitere Folge davon muß sein, daß der negative intrapleurale Druck geringer ist und daß der intra- pulmonale subglottische Druck mit einer höheren Komponente wirken kann, als bei stärkerer Anfüllung der Lunge mit Luft. Es ergeben sich somit zwei sich summierende Schädlichkeiten: die mangelhafte Lungen- füllung läßt einerseits den intrapleuralen Druck in seiner Gegenwirkung gegen den positiven Pulmonaldruck weniger zur Geltung kommen, und sie bewirkt andererseits, daß bei dem Bemühen, die Thoraxmuskeln exspiratorisch in gleicher Weise in Tätigkeit zu setzen wie in der Norm, um z. B. einen gleichlauten Ton zu erzeugen, höhere positive subglot- tische Druckwerte erreicht werden als unter normalen Verhältnissen. Derselbe Gedankengang kommt in Frage bei den zahlreichen Fällen von Stimmstörungen, die in einer abnornen Tätigkeit der Stimmlippen bei der Inspiration sich äußern. Hier findet man jede Einatmung beim Sprechen verbunden mit einem mehr oder weniger hörbaren Geräusch (Stridor inspiratorius), das daher rührt, daß die Stimmlippen nicht wie bei der normalen Sprechinspiration maximal aus einanderweichen, sondern geradezu im Gegenteil sich einander nähern: perverse Aktion der Stimmlippen (B. Fränkel). Die Folge ist die Not- wendigkeit, übermäßig häufig zu inspirieren (,‚japsende‘“ Inspirationen) und daß die zum Sprechen verwendeten Exspirationen kurz abgerissen erfolgen. Dabei besteht aber nicht etwa ein Mangel an Luft in der Lunge, vielmehr -befindet sich diese, wie vielfache pneumographische Untersuchungen ergeben haben, in einem Zustande übermäßiger Füllung. Die Ursache der eigentümlichen Exspiration beim Sprechen liegt 136 H. Gutzmann und A. Loewy: Über den intrapulmonalen Druck auch hier in einem abnorm hohen intrapulmonalen Drucke, der zu Kompressionserscheinungen führt. Diese kommen in Form von Stauungserscheinungen: Rötung des Gesichtes u. a. zum unmittel- baren Ausdrucke. In einem unserer Versuche an Tracheotomierten haben wir, ebenso wie früher geschildert, den Kohlensäuregehalt der Alveolenluft am Ende einer Exspiration bei willkürlich gesteigerter Atmung fest- gestellt. Der subglottische Druck betrug 10 cm H,O, der Kohlen- säuregehaltnur 3,5%! Dieser selbst für die arterielle Kohlensäure- spannung außerordentlich niedrige Druck, der im Augenblicke des Zwanges zur Inspiration bestand, beweist, analog den Werten in Ta- belle XII, daß es sich hier um eine Unterbrechung der Zirkulation durch “Kompression der großen Brustvenen gehandelt haben muß. Bemerkens- wert ist, daß diese Kompressionen auch subjektiv fühlbar sind. Man empfindet ein deutliches Druckgefühl in der Brust. Manche Kranke geben an, das Gefühl sitze im Magen: ‚„wenn’t man nich aus’m Magen kümmt“, sagte eine unserer Kranken. Daß jedoch dieses Gefühl durch . Vorgänge im Thoraxraume erzeugt wird, und zwar durch übermäßigen Druck, geht daraus hervor, daß bei derselben Kranken dieses Gefühl, das vor der Tracheotomie dauernd während der Exspiration bestand, nach der Tracheotomie sofort verschwunden war, in den mit ihr ange- stellten Versuchen jedoch, bei denen die Trachealöffnung durch die Ableitung zum Manometer verschlossen war, in gleicher Weise wie vor der Tracheotomie wiederauftrat. Zusammenfassung. 1. Die subglottischen Druckwerte bei normaler ruhiger Atmung betragen etwa 1cm H,O =/, mm Hg bei der Inspiration sowohl wie bei der Exspiration. Sie steigen mit der Atemgröße, so daß sie z. B. bei etwa 81 —4 bis —7cm H,O bei der Inspiration, + 5 bis + 8cm H,O bei der Exspiration, bei 171/,1 7—12cm H,O bei In- und Exspiration ausmachen. 2. Der subglottische Druck bei der Tongebung ist abhängig von der Tonhöhe, der Tonintensität und dem gesprochenen Laute. Er wächst bei gleicher Tonhöhe mit der Tonintensität (von leise zu laut wie 1: 3), bei gleicher Tonintensität mit steigender Tonhöhe. Er wächst ferner ceteris paribus mit dem Grade der Verengerung des Ansatz- rohres, also von ‚a‘ nach ‚u‘ bzw. ‚i‘, und noch mehr bei den Konso- nanten. Die absoluten Werte liegen bei der Bruststimme höher als bei der Falsettstimme. 3. Zugleich mit den subglottischen Druckwerten steigen bei steigender Intensität der Stimme auch die Atemvolumina, jedoch nehmen sie und den Luftverbrauch bei der normalen Atmung usw. 137 auf die Einheit des Druckes bezogen bei schwacher Stimmgebung mehr zu als bei stärkerer. Eine besondere Stellung nimmt das Flüstern ein, bei dem die Druckwerte sich bedeutend niedriger als bei tönender Stimme stellen, die Volumenwerte jedoch weit höher. 4. Die Ursachen der Ausdauer der Stimmgebung sind verschieden. Nur bei nicht mit der zweckmäßigen Atemführung ver- trauten Sängern dürfte die Dauer eines Tones begrenzt sein durch die Erschöpfung des Luftvorrates in der Lunge. Bei zweckmäfßiger, d.h. sparsamer Atmung jedoch wird der Zeitraum, über den man einen Ton zu halten vermag, bedingt durch die Höhe der Kohlensäure- spannung, die sich in den Lungenalveolen ausbildet. Bei Kunst- sängern ist die auf die Höhe der Kohlensäurespannung des Venenblutes (67%, im Mittel) gestiegene intrapulmonale Kohlensäurespannung der für den Zwang zu erneuter Inspiration maßgebende Faktor. Neben diesem tritt ein weiterer in Tätigkeit, wenn der positive intrapulmonale Druck bestimmte Grenzen überschreitet. Er besteht in emer Kompression der großen intrathorazischen Venen, die schon bei lauter Tongebung eintritt, wobei der intrapulmonale Druck etwa +20cm Wasser (= + 14,6 mm Hg) überschreitet. Sie kann ferner bei Stenosen der großen Luftwege zustandekommen, weiter auch bei der sog. perversen Aktion der Stimmlippen. Es handelt sich bei dieser Kompressionsdyspnöe um eine eigentümliche Dyspnöe- form, die bisher in ihrer praktischen Bedeutung nicht gewürdigt wurde. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? \ Von Dr. Alfred Fleisch, Assistent des Institutes. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 3. Dezember 1919.) Die Frage nach der Existenz einer aktiven Komponente des Arterien- pulses besitzt für die Hämodynamik eine wesentliche Bedeutung, da sie eng verknüpft bzw. fast gleichbedeutend ist mit dem Problem der aktiven Förderung des Blutstromes durch die Arterien.- Für die Ent- scheidung dieses Problemes ist bis heute noch kein sicheres Kriterium beigebracht worden. Trotz der vielen Bemühungen, eine aktive Förde- rung durch die Arterien plausibel zu machen, fehlt immer noch das beweisende Experiment. Auf eine kritische Betrachtung der zahlreichen Arbeiten zu dem Thema der aktiven Fördertätigkeit der Arterien will ich hier verzichten, da alle Argumente für und wider diese Hypothese an anderer Stelle!) diskutiert sind. Wir können uns hier auf das Resultat dieser Diskussion beschränken, welches dahin lautet, daß kein einziger einwand- freier Beleg für die aktive Förderung beigebracht worden ist, und daß keine der bekannten Erscheinungen an Ar- terien und Capillaren eine fördernde Wirkung auf den Blutstromentfaltenkann. Es ist, wie dort dargelegt wird, lediglich ein Mechanismus zu diskutieren, dem eine stromfördernde Wirkung zukommen könnte, das ist die peristaltische Welle. Diese hat denn auch zahlreiche Anhänger gewonnen, in neuerer Zeit namentlich Hasebroek?) und Mares°®). Die Vorstellung, die an die peristaltische !) A. Fleisch, Zusammenfassende Betrachtungen über die Frage nach der Existenz einer aktiven Förderung des Blutstromes durch die Arterien. Schweiz. med. Wochenschr. 1920. 2) Hasebroek, K., Die Blutdrucksteigerung vom ätiologischen und thera- peutischen Standpunkt. Wiesbaden 1910. — Derselbe, Physikalisch-experimen- telle Einwände gegen die sog. arterielle Hypertension; zugleich ein Beitrag zur Frage der aktiven Arterienbewegung. Archiv f. d. ges. Physiol. 143, 519. 1912. 3) Mares, F., Der allgemeine Blutstrom und die Förderung der Blutdurch- strömung der Organe durch die Tätigkeit ihres Gefäßsystemes. Archiv f. d. ges. Physiol. 165, 159. 1916. Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? 139 Welle geknüpft wird, ist folgende: In den zentralen Arterien tritt an circumscripter Stelle eine Gefäßmuskelkontraktion auf, welche sich als Kontraktionswelle peripherwärts über das Gefäßsystem ausbreitet und so das Blut vorwärtstreibt. Da aber die Arterien unter konstantem Druck nie Zeichen einer solchen peristaltischen Welle aufweisen, denken sich die Verfechter dieser Hypothese die peristaltische Welle synchron mit der Pulswelle über das Gefäßsystem verlaufend. Die pulsatorischen Druckschwankungen würden dabei das die peristältische Kontraktion auslösende Moment darstellen. Die Querschnittsschwankungen der Arterien würden nach dieser Vorstellung nicht rein passiv erfolgen, sondern sie wären ein Gemisch von passiver Dehnbarkeit und aktiver Gefäßmuskelkontraktion. Diese aktive Gefäßkontraktion wäre nichts anderes als eine der Herzsystole analoge Gefäßsystole. Eine solche rasch nach der Peripherie verlaufende Gefäßsystole könnte zweifellos eine Unterstützung der Pulswelle erzeugen, doch ist es sehr fraglich, ob die Gefäßmuskulatur einer solchen raschen Reaktion fähig ist, wie sie eine Unterstützung der Pulswelle erfordert. Zudem ist es W.R. Hess!) nicht gelungen, eine Gefäßkontraktion als Reaktion auf Dehnungs- reiz auszulösen und doch bildet eine solche die Grundlage für das Auf- treten der Gefäßsystole. Die peristaltisch fortschreitende Gefäßsystole kann im weiteren nur einen sehr kleinen Nutzeffekt liefern, solange die Gefäßsystole nicht bis zum vollständigen Verschluß des Lumens führt. Dies alles sind Gründe, die von vornherein gewichtig gegen die Existenz der peristaltischen Gefäßsystole sprechen, doch sollen sie für die definitive Entscheidung nicht maßgebend sein. Da, wie oben erwähnt, die Gefäßsystole die einzige Möglich- keit ist, durch welche die Arterien eine aktive Förderung des Blutstromes erzeugen können, so ist die Frage nach der Existenz der Gefäßsystole somit gleichbedeutend mit der Frage der aktiven Förderung durch die Arterien. Aus diesem Grunde erscheint uns die Frage nach dem Vorkommen der peristaltischen Gefäßsystole als besonders wichtig. Wenn es gelingt, die Existenz bzw. die Nichtexistenz der Gefäßsystole experimentell nachzuweisen, so ist damit auch das Problem der aktiven Förderung gelöst. Voraussetzung für ein solches Experiment ist allerdings, daß der operative Eingriff so beschränkt ist, daß dadurch unmöglich eine Störung der evtl. vorhandenen Gefäßsystole verursacht werden kann. Der Schlüssel für die Lösung des Problemes der Gefäßsystole ist in den folgenden Experimenten die gegenseitige Beziehung zwischen ‚Druck und Querschnitt einer Arterie. Es wird an einer normal pul- sierenden, physiologisch intakten Arterie der Querschnitt und direkt !) Hess, W.R., Die Arterienmuskulatur als peripheres Herz? Archiv f.d. ges. Physiol. 163, 555. 1916. 140 A. Fleisch: peripher dieser Stelle der Blutdruck mit empfindlichen Apparaten fortlaufend registriert. Dadurch wird eine Blutdruckkurve und eine Querschnittskurve der Arterie erhalten, aus deren Verlauf wir ein- deutig auf die Existenz einer Gefäßsystole schließen können. Für die Erkenntnis der durch die Versuche erhaltenen Kurven ist es zweckmäßig, für jeden in Betracht kommenden Fall den daraus resultierenden Kurvenverlauf zum voraus zu charakterisieren. Für die gegenseitige Beziehung zwischen Druck und Querschnitt in einer Arterie kommen nämlich, ganz allgemein gesprochen, folgende drei Spezialfälle in Betracht: 1. Das primäre Agens sind die Blutdruckschwankungen; durch diese werden bei vollständiger Passivität der Gefäßwandung die Querschnitts- veränderungen sekundär erzeugt. 2. Die unabhängige Variable ist der Querschnitt, die abhängige der Druck. Hier sind also die Druckvariationen lediglich eine Folge der Querschnittsveränderungen, die durch Gefäßsystolen und Diastolen erzeugt werden. 3. Dieser Fall ist ein Gemisch von Fall] und 2. In einer Phase des Pulsbildes folgt der Querschnitt rein passiv dem Druck entsprechend Fall 1, in der anderen Phase aber setzt eine Gefäßsystole ein entsprechend dem 2. Fall und erzeugt dadurch eine Drucksteigerung. Überlegen wir uns den für diese 3 Fälle zu erwartenden Kurvenverlauf: Im ersten Fall bei vollständiger Passivität der Gefäßwandung wird die Querschnittskurve synchron mit der Druckkurve ansteigen und abfallen. Jeder Anstieg und Abfall der Druckkurve muß eine gleich- sinnige Änderung der Querschnittskurve zur Folge haben. Vollständige Parallelität zwischen den beiden Kurven steht aber auch bei gleicher Ausschlaggröße nicht zu erwarten wegen der Unproportionalität zwischen Druck und Gefäßquerschnitt. Mit steigendem Druck nimmt nämlich der Elastizitätsmodus der Gefäße rasch zu, so daß die Dehnungszu- nahme immer geringer wird. Die zweifellos auch bei den Arterien existierende elastische Nachdehnung wird evtl. zu einer Phasenver- schiebung führen in dem Sinne, daß die Querschnittskurve der Druck- kurve zeitlich etwas nachfolst. Wäre der zweite Fall im Gefäßsystem realisiert, daß nämlich die Querschnittsveränderungen das primäre Moment darstellen und die Druckvariationen deren Folge sind, so müßte ein Abfall der Quer- schnittskurve begleitet sein von einem gleichzeitigen Anstieg der Druck- kurve.. Die Veränderungen der beiden Kurven würden also nicht mehr sleichsinnig wie im ersten Fall, sondern stets in entgegengesetztem Sinne erfolgen. Dieser Fall verdient unser Interesse als Teilakt des dritten Falles, bei welchem die eine Phase charakterisiert ist durch die Passivität Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? 141 des Gefäßes, während in einer andern Phase die Gefäßsystole einsetzt. Dementsprechend wird während eines Teiles der Pulsation Druck und Querschnittskurve gleichsinnige Veränderungen aufweisen. Im Mo- mente der Gefäßsystole aber muß der Abfall der Quer- sehnittskurve einen Anstieg der Druckkurve erzeugen. Diese Diskrepanz zwischen Querschnitts- und Druckkurve ist, wenn sie auftritt, ein eindeutigerBeweis für dieExistenz von Gefäßsystolen. Fehlt aber trotz der Intaktheit der untersuchten Arterie eine solche Diskrepanz, so ist damit der Beweis erbracht, daß aktive Gefäßsystolen nicht vor- kommen und somit eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien nicht existiert. Methodik. Für diese Untersuchungen über die Existenz von Gefäßsystolen schien mir die Art. femoralis besonders geeignet. Da das Blut für die- Versorgung der hinteren Extremitäten den größten Weg zurückzulegen hat und sich die Femoralis durch eine stark entwickelte Muskulatur auszeichnet, ist hier eine Unterstützung des Blutstromes durch die Gefäße am ehesten zu erwarten. Auch liegen Beobachtungen z. B. von Hürthle!) vor, daß der Blutdruck in der Art. femoralis höher ist und srößere Exkursionen aufweist als in der Carotis, eine Tatsache, die mit der Funktion der Arterien als periphere un in Zusammen- hang gebracht wurde. Um den Experimenten unbedingte Beweiskraft zu geben, mußte im Ausbau der Methodik darauf geachtet werden, daß das zu unter- suchende Gefäß physiologisch vollkommen intakt blieb. Den Einwand, daß das Gefäß selbst oder sein nervöser Mechanismus durch die Applikation der Apparatur gestört werden könnte, habe ich durch folgende Versuchsanordnung ausgeschaltet: Der Querschnitt wird an der Art. femoralis eines Hundes direkt oberhalb des Abganges der Art. saphena registriert. Dazu wird die Vena femoralis aus dem Gefäß- nervenbündel isoliert und auf die Seite geschoben. Die Arterie selbst wird nicht aus ihrem Bette isoliert, sondern sie bleibt mit dem dicht an ihr verlaufenden Nervus femo- ralis und dem größten Teil des perivasculären Gewebes vollständig unberührt. Die Registrierung des Arterienquerschnittes geschieht durch das Aufsetzen eines halbkreisförmigen, 8mm langen Plethysmographen aus Metall, der auf der Innenseite mit Condom- gummi überzogen ist (Abb. 1). 2) Hürthle, K., Über den Ursprung der sekundären Wellen der Pulskurve. Archiv f. d. ges. Physiol. 4%, 17. 1890. 142 A. Fleisch: Die sehr lose gespannte Gummimembran M kommt auf die Arterie A zu liegen und wird bei den Querschnittsveränderungen mitbewest, wodurch die im Plethysmographen befindliche Luft durch das Metall- rohr bewegt wird. Die Lufttransmission geht vom Metallrohr aus durch einen diekwandigen Gummischlauch zum Receptor, der einen Durchmesser von 5 mm aufweist und mit einer ca. 0,02? mm dicken Gummimembran überzogen ist. Auf diese ist für die optische Re- gistrierung ein Spiegel von 1,3 mm Durchmesser und 0,1 mm Dicke aufgeklebt. Für die Druckregistrierung wird, um die Art. femoralis vollständigintakt zu lassen, eineKanülein die Art.saphena eingeführt und bis zur Abzweigungsstelle von der Art. femoralis vorgeschoben. In der Verwendung des optischen Mano- meters bin ich von der üblichen Modifikation abgewichen, da sich ein Manometer mit vollständig starrer Leitung unhandlich erwies und das Einschalten einer einzigen Schlauch- verbindung zwischen Kanüle und Manometer wesent- dem verwendeten optischen Manometer ist eine 0,5 mm dicke Gummimembran direkt über das hintere Ende der mit Magnesiumsulfat luftfrei gefüllten Arterien- kanüle gebunden. Über das hintere Kanülenende ist ferner ein diekwandiger Gummischlauch luftdicht dar- übergeschoben. Dieser führt zur Receptorkapsel von 4 mm Durchmesser, welche ihrerseits mit einer ca. 0,02 mm dicken Gummimembarn mit aufgeklebtem Spiegelüberzogen ist. Die Exkursionen der dicken Gummimembran am Kanülenende werden durch Lufttransmission auf die dünne Spiegelmembran des Receptors übertragen. Die Schlauchleitung ist wegen des sehr geringen Abb. 1. Elastizitätsmoduls der Spiegelmembran irrelevant. Dieses Doppel- membranmanometer hat sich mir für die Registrierung des Druck- ablaufes während weniger Pulsationen als sehr bequem und exakt arbeitend erwiesen. Die experimentell bestimmte Schwingungszahl be- trägt 64. Wegen der Erwärmung und Ausdehnung der zwischen den beiden Membranen eingeschlossenen Luft ist dieses Doppelmembran- manometer für länger dauernde Druckregistrierung ungeeignet, ebenso ist es unbrauchbar für die Registrierung der absoluten Höhe des Druckes. Um eine durch die Apparatur bedingte Phasenverschiebung zu ver- meiden, wurde bei den Versuchen darauf geachtet, daß die beiden Registrierspiegel genau senkrecht übereinander stehen. Für die ex- perimentelle Prüfung auf zeitliche Koinzidenz der Ausschläge wurden die Schlauchleitungen der beiden Receptoren durch ein T-Rohr ver- bunden und in dem gemeinsamen System rasche Druckerhöhungen und liche Fehler im Ablauf der Druckkurve erzeugt. Bei ni Du LE sul ai a m a Ei Fr TE eu ne er Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? 143 Drucksenkungen erzeugt. Dabei ergab sich, daß bei einer Trommel- geschwindigkeit von 72 mm pro Sekunde eine meßbare Phasen- verschiebung nicht zu konstatieren war. Nehmen wir an, auf 0,2 mm genau gemessen zu haben, so würde eine evtl. vorhandene Phasenverschiebung 0,003 Sekunden betragen, eine Größe, die absolut irrelevant ist. Eine durch die Apparatur bedingte Phasenverschiebung fällt also praktisch außer Betracht. Doch ist noch zu erörtern, ob nicht eine solche durch die Fortpflanzung der Pulswelle erzeugt werden könnte, da Querschnitt und Druck nicht an der genau gleichen Stelle der Arterie gemessen werden. Die Entfernung vom proximalen Ende des Arterienplethysmographen bis zu der distal gelegenen Kanülen- spitze betrug im Experiment 1,5 cm. Bei einer Geschwindigkeit der Pulswelle von 10 m pro Sekunde gelangt die Pulswelle um 0,000 15 Se- kunden später zur Kanüle als zum Plethysmographen. Das macht bei der angewandten Trommelgeschwindigkeit von 72 mm pro Sekunde eine Verschiebung der Kurven von 0,0l mm aus. Eine Phasen- verschiebung der beiden registrierten Kurven kann somit weder durch die Apparatur, noch durch die örtliche Dif- ferenz der Abnahme des Querschnittes und des Druckes verursacht sein. Auf jeden Fall ist sie nicht größer als der beim Vergleich der Kurven gemachte Ablesungsfehler von 0,2 mm. Diese Zahl wollen wir für die spätere Analyse der Kurven im Gedächtnis behalten. Experimente. Für die‘Experimente wurde ein 18 kg schwerer gesunder Hund ver- wendet, der mit Morphium hydrochloricum und Urethan subcutan appliziert und Chloroform narkotisiert war. Die Versuche wurden in zwei Sitzungen, wozu jedesmal eine Arteria femoralis diente, durch- geführt. Die Originalkurven eines Pulsbildes, wie sie durch die be- schriebene Apparatur erhalten wurden, sind in Abb. 2 wiedergegeben. Wie Abb. 2 zeigt, beginnt der Anstieg der Druck- und der Quer- schnittskurve im gleichen Moment, die beiden Kurven erreichen auch annähernd im gleichen Zeitmoment den Gipfel. Anstieg und Abfall der beiden Kurven verlaufen vollständig synchron. Um die Beziehung zwischen Druck und Querschnitt klar übersehen zu können, werden die Originalkurven in folgende Form gebracht: Die Querschnittskurve, die in allen Versuchen den größeren Ausschlag aufweist, wird in dem Maße proportional verkleinert, daß ihr größter Ausschlag dem größten Ausschlag der Druckkurve entspricht. Im weiteren wird die reduzierte Querschnittskurve in vertikaler Richtung so verschoben, daß die Nullinien der beiden Kurven (d.h. die Kurven- höhe vor Beginn der Systole) zusammenfallen. Zu diesem Zwecke 144 A. Fleisch: wurden beide Kurven auf Millimeterpapier durchgestochen, die Ordina- ten der Querschnittskurve rechnerisch verkleinert und diese reduzierten Ordinaten von der Nullinie des Druckes aufgetragen. Selbstverständlich wurde auf möglichst exakte Innehaltung der Abszissengröße geachtet. Die Kurven, wie sie durch diese Methode erhalten wurden, gibt Abb. 3 wieder. Abb. 2. Originalkurven von Druck (untere Kurve) und Querschnitt (obere Kurve) der Arteria femoralis eines Hundes. Die Zeitmarken bedeuten 0,25 Sekunden. Wie Abb. 3 zeigt, beginnt der Anstieg der Druckkurve (ausgezogene Linie) und der Querschnittskurve (gestrichelte Linie) genau im gleichen Zeitmoment. In fast allen Kurven, wie auch in Abb. 3, läßt sich hin- gegen im Erreichen der Kurvenspitze eine zeitliche Differenz kon- statieren, indem der Querschnitt etwas später als der Druck die maxi- male Höhe erreicht. Die Differenz der Kurvenmaxima schwankt zwischen 0 und 1,5 mm, was einer zeitlichen Verspätung des Quer- schnittsmaximums von 0—0,014 Sekunden entspricht. Diese Ver- spätung des Querschnittsmaximums ist für die nachher folgende Inter- Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? 145 pretierung wichtig. Auffällig ist ferner in Abb. 3 der raschere Anstieg der Querschnittskurve während der Systole und der verzögerte Abfall der gleichen Kurve während der Diastole. Diese Erscheinung ist zweifel- los bedingt durch die Unproportionalität zwischen Druck und Quer- schnitt, indem bei zunehmender Steigerung des Druckes der Elastizitäts- modul rasch zunimmt, so daß der Dehnungszuwachs der Arterie bei gleichem Druckzuwachs immer kleiner wird. Welchen Aufschluß gibt nun dieses Pulsbild über die Existenz der ‚Gefäßsystole? Die Druck- und die Querschnittskurve ver- laufen, von der kleinen Verspätung der Querschnittskurve in der Spitze abgesehen, vollständig synchron. Die Quer- schnittsveränderungen sind lediglich eine Funktion der Druckvariationen, ein Verhalten, wie wir es oben für die vollständige Passivität der Gefäßwandung forderten. Von dem Kriterium für die Existenz der Gefäßsystole, nämlich Abnahme des Quer- „ schnittes mit gleich- $ zeitigem Anwachsen desDruckes,ist keine Spurzu bemerken. Es findet sich sogar gerade das Gegenteil, nämlich eine Verspätung des Quer- schnittsmaximumsgegen- über dem ruckmaxi- Abb. 3. Druck (ausgezogene Linie) und Querschnitt (ge- R D ” strichelte Linie) der Arteria femoralis eines Hundes wäh- mum. Diese Verspätung ‘ rend der Dauer einer Pulsation. beträgt in einzelnen Puls- bildern bis zu 1,5 mm (gleich 0,0121 Sekunden). Das sind Werte, die die mögliche Fehlerbreite der Apparatur von 0,2 mm (= 0,003 Se- kunden) um ein Vielfaches übertreffen. Die zeitliche Verspätung des Querschnittmaximums ist, wie oben postuliert wurde, zweifellos durch die elastische Nachwirkung bedingt. Doch ist dieser Versuch noch nicht beweisend für das unbedingte Fehlen von Gefäßsystolen. Denn es wird von einigen Autoren, wie z.B. Mares!), angenommen, daß in der Ruhe die Herzkraft vielleicht ausreiche, um das Blut durch die Arterien zu treiben, und daß erst bei größerem Blutbedarf eines Organes die aktive Gefäßkontraktion kompensatorisch eingreife. Auf diese Anschauung habe ich in einem Teile der Experimente Rücksicht genommen, indem die Registrierung bei Bluthunger des Gewebes vorgenommen wurde. Zur Erzeugung des Bluthungers wurde die Arteria femoralis direkt unterhalb des Leisten- Sun nn. I) Mares, |. c: Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 10 146 A. Fleisch: kanales mit dem Finger so stark während einer Minute komprimiert, daß die Pulsationen peripherwärts vollständig verschwanden. Sofort nach Sistierung der Kompression wurde wieder Druck und Querschnitt registriert. Ein solches Pulsbild, direkt nach der Kompression aufge- nommen, zeigt Abb. 4. Aber auch hier bei offensichtlichem Bluthunger des Gewebes tritt nicht die leiseste Andeutung einer Gefäß- systole auf. Die gegenseitige Beziehung zwischen Druck- und Quer- schnittskurve ist genau die gleiche wie in Abb. 3, d.h. die Quer- schnittsvariationen sind lediglich die mechanische Kon- sequenz der Druckveränderungen. Um diese Untersuchungen vollständig zu gestalten, habe ich noch einen weiteren Faktor in die Experimente eingezogen, dem schon ver- schiedentlich eine Bedeutung für die aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien zugeschrieben wurde, das ist das Adrenalin. So hat unter anderem Schäfer!) beobachtet, daß bei künstlicher Durchströmung _ der hinteren Extremitäten des Frosches die rhyth- mische Durchströ- mungsart nur unter Adrenalinwirkung der konstanten (bei glei- chem Mitteldruck und gleicher Zeit) in bezug Abb.4. Druck (ausgezogene Linie) und Querschnitt (gestrichelte Linie) der Arteria femoralis. Das Pulsbild ist direkt nach Kom- auf das Stromvolumen pression der Arteria femoralis aufgenommen. Die Kompression überlegen ist. Ich habe dauerte eine Minute. - allerdings darauf nach- gewiesen, daß diese Adrenalinwirkung rein physikalischen Faktoren zur Last gelegt werden muß?2). Für die eventuelle Erzeugung der peristaltischen Welle durch. Adrenalin injizierte ich dem Hunde das eine Mal 3 ccm Adrenalin Y/,sn003 das andere Mal 5cem Y,ooon intravenös und registrierte wiederum Druck und Querschnitt zu verschiedenen Zeiten von 1/,—5 Minuten nach der Injektion. Aber auch hier war an den Pulsbildern nicht das I) Schäfer, F., Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssig- keitsmengen. Archiv f. d. ges. Physiol. 162, 378. 1915. 2) Fleisch, A., Die relative Überlegenheit der rhythmischen Durchströmungs- art bei überlebenden Organen als Zeichen aktiver Fördertätigkeit der Arterien. Archiv f. d. ges. Physiol. 194, 177. 1919. Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? 147 geringste Zeichen einer aktiven Gefäßkontraktion zu sehen. Auf die Reproduktion eines Pulsbildes will ich wegen Raumersparnis verzichten; denn diese Adrenalinpulse zeigen genau das gleiche Bild wie die Pulse in Abb.3 und 4 Es kommt somit auch unter Adrenalin- wirkung zu keiner Gefäßsystole. In keinem einzigen der 90 registrierten Pulsbilder konnte irgend- eine Andeutung einer solchen gefunden werden. In allen Fällen sind die Querschnittsveränderungen lediglich die mechanische Konsequenz der Druckvariationen. Es kann aber kein Zweifel darüber sein, daß in den obigen Experimenten die untersuchte Arteria femoralis anato- misch und physiologisch intakt war. Eine Störung des nervösen Gefäß- _ mechanismus durch die Operation darf, da die Arterie samt dem größten Teil des perivasculären Gewebes unberührt blieb, als ausgeschlossen gelten. Da aber die Arterie weder unter normalen Bedin- gungen, noch bei Bluthunger des Gewebes, noch unter Adrenalineinfluß irgendein Zeichen einer Gefäßsystole äußert, so muß daraus geschlossen werden, daß die Ge- fäßsystole den Arterien überhaupt fremd ist. Da aber intensive Gefäßsystolen die einzige Möglichkeit wären, eine Förderung des Blutstromes durch die Arterien zu er- zeugen, so folgt, daß eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien nicht existiert. Zusammenfassung. Die vorliegenden Experimente wurden in der Absicht ausgeführt, eine definitive Entscheidung zu bringen in der Frage der aktiven Förderung des Blutstromes durch die Arterien. Die einzige Mög- lichkeit, welche die Arterien besitzen, um eine Strom- förderung zu erzeugen, ist die Gefäßsystole, welche auch von den meisten Verfechtern der Hypothese der aktiven Förderung angenommen wird. Diese supponierte Gefäßsystole besteht in rhyth- mischen, rasch erfolgenden Kontraktionen der Gefäßmuskulatur, die sich synchron mit der Pulswelle peripherwärts über das Arterien- system ausbreiten. Zur Entscheidung über das Vorkommen solcher Gefäßsystolen wurde in den vorliegenden Experimenten der Querschnitt und der Druck einer physiologisch vollkommen intakten Arterie fortlaufend registriert. Führt die Arterie während der Dauer eines Pulsbildes keine aktiven Kontraktionen aus, verhält sie sich also ähnlich wie ein totes elastisches Rohr, so zeigen Querschnitts- und Druckkurve einen synchronen Verlauf mit gleichsinnigen Variationen. Führt hingesen die Arterie eine Systole aus, so ist der dadurch erzeugte 10* | 148 A. Fleisch: Enthält der Arterienpuls eine aktive Komponente? Abfall der Querschnittskurve begleitet von einem Anstieg der Druck- kurve. | Die sämtlichen registrierten Pulsbilder ergeben, daß weder unter normalen Bedingungen, noch bei Bluthunger des Gewebes, noch unter Adrenalineinfluß irgendeine An- deutung einer Gefäßsystole auftritt. Damit ist unser Problem dahin gelöst, daß die Gefäßsystole und somit eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien nicht existiert. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock nebst Versuchen über Entstehen von Herzblock dureh oligodyname Metallwirkung. Von Dr. A. A. J. van Egmond. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 16 Textabbildungen. (Eingegangen am 26. November 1919.) Nachdem ich bereits früher!) eine Mitteilung über die Wirkung von Heilmitteln bei vollständigem Herzblock veröffentlicht habe, soll in dieser Arbeit über die Wirkung von Arzneimitteln bei partiellem Herzblock berichtet werden. An Arbeiten, in welchen diese Einwirkungen experimentell er- forscht wurden, ist nur eine Mitteilung von von Tabora?) erschienen. Letzterer untersuchte den Einfluß von Digitalin, nachdem der durch Ab- klemmung des Hisschen Bündels verursachte Herzblock vorübergegan- gen war. Diese Arbeit bedarf der Ergänzung, weil sie keine Aufschlüsse über die Wirkung von Digitalis während des teilweisen Blockes gibt. Klinisch ist namentlich die Wirkung von Digitalis, aber auch von anderen Herzmitteln, bei partiellen Überleitungsstörungen erforscht worden. Mackenzie°), Cushy, Marris und Silberberg®) unter- suchten bei einer Anzahl Patienten die Wirkung von Digitalis auf das Herz, sowohl in normalen Fällen als bei verlängerter Leitungszeit. Auch Wenckebach?) empfiehlt eine Anzahl therapeutischer Maßnahmen. In 1) van Egmond, A. A. J., Über die Wirkung einiger Arzneimittel beim voll- ständigen Herzblock. Archiv f. d. ges. Physiol. 154, 39. 1913. 2) von Tabora, D., Über die experimentelle Erzeugung von Kammer- systolenausfall und Dissoziation durch Digitalis. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 3, 499. 1906. Ä ®) Mackenzie, J., New methods ef studying affections of the human heart. Brit. med. Journ. 1905, S. 587, 702, 759. — Idem, Digitalis. Heart 2, 273. 1910. — Idem, Diseases of the heart. II. 1910. *) Cushny, A. R., Marris, H. F. und D. M. Silberberg, The action of digitalis in therapeutics. Heart 4, 33. 1912. 5) Wenckebach,K. F., Zur Analyse des unregelmäßigen Pulses. Zeitschr. f. klin. Med. 3%, 475. 1899. — Idem, The affect of digitalis on the human heart. Brit. med. Journ. 1910, II. 1600. — Idem, Die Unregelmäßigkeiten des Herzens und ihre klinische Bedeutung. Leipzig 1914. 15007 A. A. J. van Egmond: der letzten Zeit wurde Physostigmin sehr gerühmt-wegen seines gün- stigen Effektes bei teilweisem Block [Semerau!)]. Eine methodische Untersuchung über die Wirkung verschiedener Herzmittel bei teilweisem Herzblock ist jedoch noch nicht vorgenommen worden. Weil es sich darum handelte, zum ersten Male die Beeinflussung von Leitungsstörungen durch Gifte zu beobachten, habe ich geglaubt, mit einer graphischen Untersuchung anfangen zu müssen. Man erhält - hierdurch bei den gegenwärtig bestehenden Kymosraphien, durch welche langdauernde Versuche ermöglicht werden, eine zusammenhängende Übersicht über die verschiedenen Veränderungen, welche durch ein Arzneimittel hervorgerufen werden können. Erst wenn man auf diese Weise einen allgemeinen Eindruck über Giftwirkung bei Leitungs- störungen erhalten hat, kann man, falls man einige Momente in einem lange dauernden Experiment genauer untersuchen will, das Saiten- galvanometer zur Hand nehmen. Für „Momentaufnahmen“ ist die elektrographische Untersuchung die geeignetste; aber für die „kinemato- graphische Aufnahme‘, welche doch zur allgemeinen Orientierung er- forderlich ist, sind die graphischen Methoden die gegebenen. Möge diese Untersuchung denn betrachtet werden als ein erster Schritt auf dem Wege nach einer rationellen Therapie der Herzunregel- mäßigkeiten. Methoden. Die Versuche über partiellen Herzblock wurden am überlebenden Kaninchen- herzen angestellt, wobei dasselbe nach der Methode Langendorffs mit einer sauerstoffgesättigten Locke-Ringerschen Flüssigkeit durchströmt wurde (0,9% NaCl, 0,042% KCl, 0,024% CaCl,, 0,02% NaHCO,, 0,1% Glucose). Es erwies. sich als notwendig, sehr reine Chemikalien (garantiert reine Reagenzien von Merck und Kahlbaum) zu verwenden. Das Wasser, in welchem die Salze gelöst wurden, wurde in Glasgefäßen destilliert und stets frisch benutzt. Die Temperatur der zur Durchströmung benutzten Flüssigkeit wechselte in den verschiedenen Versuchen von 32—37° C und wurde während jedes Versuches möglichst konstant erhalten. Bei Abnahme der Durchströmungsgeschwindigkeit sank die Temperatur etwas ab und zwar dadurch, daß die Flüssigkeit in der Herzkanüle mehr oder weniger 1) Semera u, M., Über die Beeinflussung des Blockherzens durch Arzneimittel. Deutsches Archiv f. klin. Med. 120, 291. 1916. — Siehe ferner: Edens, Pulsstudien. Deutsches Archiv f. klin. Med. 100, 172. 1910. — Meyer, A. W., Über Reizleitungs störungen am menschlichen Herzen. Deutsches Archiv f. klın. Med. 104, 16. 1911. — Weil, A., Beiträge zur klinischen Elektrokardiographie. Deutsches Archiv f. klin. Med. 116, 486. 1914; 119, 39. 1916. —v. Podmäanicezky, Beiträge zur Sym- ptomatologie und Diagnostik des rheumatischen Herzblocks. Zeitschr. f. klin. Med. 82, 16. 1916. — Turnbull, H. H., Cardiae irregularities produced by squilis. Heart 2, 15. 1910. ; The therapeutie use of digitalis. ‘Brit. med. Journ. 1910, II. 1608. — J. D. Windle, Heart-block from drugs of the digitalis group. Heart. 3, 1. 1911. — Cushny, A. R., The therapeutics of digitalis and its allies. Amer. Journ. of med. sciences, April 1911. — Hewlet, A. W., The relation of cardiac irregularities to treatment. Journ. of the Amer. med. Assoc. 5%, II, 1512, 1911; Digitalis Heart- block. Journ. of the Amer. med. Assoc. 48, 47. 1907. ; Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 151 Gelegenheit zur Abkühlung hatte. Diese Temperaturunterschiede waren in der Regel gering und betrugen nur einige Zehntel Grad; nur bei einigen Versuchen, die noch besondere Erwähnung finden werden (siehe Physostygmin), war der Unter- schied 3° C. Die Frequenzänderungen, welche sich hieraus ergeben und welche für die Verbesserung oder Verschlechterung des Leitungsvermögens von Bedeutung sein können, wurden bei der Beurteilung über die Wirkung eines Giftes bei Leitungs- störung berücksichtigt. Der Druck war in allen Versuchen gleich und betrug 85 cm Wasser. Für einzelne Versuche, wo es von Bedeutung war, Gewißheit über Temperaturkonstanz zu haben, wurde zur Feststellung der Veränderungen in der Größe der Kontraktionen von Vorkammer und Kammer (Campher) die von Gottlieb und Magnus!) angegebene Versuchsanordnung gewählt, bei der Druck _ und Temperatur durchaus konstant sind. Die Registrierung erfolgte in der Weise, daß Vorkammer und Kammer durch über Rollen laufende Fäden mit leichten Hebeln in Verbindung gestellt wurden. Erst wurden dafür gewöhnliche Hebel benutzt. Später bediente ich mich des Keith-Lucasschen Hebels?), der von dem Institutsmechaniker in doppelter Ausführung hergestellt worden war, so daß sich die zwei schreibenden Hebelendpunkte längs einer gemeinschaftlichen senk- rechten Saite bewegten. Man hat hierbei den Vorteil, daß die synchronen Punkte _ auf der Vorkammer- und der Kammerkurve stets gerade übereinander stehen, und daß die Hebel nicht einen Kreis, sondern eine gerade Linie beschreiben. Hier- durch wird das Ausmessen der Kurve sehr erleichtert. Die Kontraktionen des linken oder rechten Herzohres und der rechten Kammer werden auf einem großen Brodie- schen Kymographion registriert, dessen langsame Bewegung durch. Umlegen eines Hebels unmittelbar in gleichmäßig schnellen Gang verwandelt werden kann. Mittels dieser Vorrichtung ist es möglich, langdauernde Versuche auszuführen, während auch, bei auftretenden Veränderungen in den Kontraktionen, die Art derselben da- durch genauer festgestellt werden kann, daß man die schnelle Bewegung einschaltet. Es wurde die Wirkung von. Strophanthin, Strychnin, Adrenalin, Coffein, Campher, Calcium, Barium und Physostigmin bei Leitungs- störungen untersucht. Insgesamt wurden 86 Versuche mit partiellem Block angestellt. Außerdem wurden noch eine Anzahl Versuche über die Methoden, teilweisen Herzblock zu erhalten, ausgeführt. Methoden, partiellen Herzblock zu erhalten. Bei dem Langendorff-Präparat kann man leicht Leitungsstörungen. hervor- rufen, da die Stelle, an welcher das Hissche Bündel verläuft, durch die Öffnungen, die beim Durchtrennen der großen Venen entstehen, vom rechten Vorhof aus an der Grenze von Vorhof und Kammer und hinter den Aortenklappen in der Scheide- wand direkt erreicht und an ihrer besonderen Färbung erkannt werden kann. Teilweisen Herzblock kann man dadurch hervorrufen, daß man das Hissche Bündel thermisch, mechanisch oder chemisch schädigt. Ich habe nur die beiden letzteren Methoden verwendet. B Durch thermische Einwirkung Leitungsstörungen herbeizuführen, habe ich nicht versucht. Die Möglichkeit dieses Verfahrens ist jedoch von Ganterund Zahn nachgewiesen, die mittels ‚„Thermoden‘‘ den Tawaraschen Knoten abkühlten und hierdurch teilweisen Block erzeugten. !) Gottlieb, R. und R. Magnus, Digitalis und Herzarbeit. Schmiedebergs Archiv 51, 30. 1903. ?)-Siehe: Langley, J. N., The effect of various poisons upon the response to nervous stimuli chiefly in relation to the bladder. Journ. of Physiol. 43, 127. 1911. 152 A. A. J. van Egmond: Mechanisch konnte Erlanger!) bei Tieren in situ dadurch, daß er das His- sche Bündel mit einer Klemme drückte, teilweisen Block hervorrufen. Die Lei- tungsstörung blieb aber nicht konstant bestehen, sondern ging entweder in nor- malen Rhythmus oder in völligen Herzblock über, je nachdem er seine Klemme auf- oder zuschraubte. Auch bei unverändertem Stand der Klemme blieb, wie ich mich auch ‘durch eigene Versuche überzeugte, der Grad des Blockes nicht konstant. Chemisch das Hissche Bündel zu beschädigen, ist meines Wissens noch nicht versucht worden. Anwendung von Formalin schien gute Resultate zu ergeben. Lohmann?) konnte dadurch, daß er 10 proz. Formalin auf die Sinusgegend träu- felte, die Funktion des Sinusknotens aufheben. Nach Analogie dieses Verfahrens wurde ein kleiner, mit 40 proz. Formalin getränkter Wattebausch an das Bündel gehalten. Hierdurch entsteht oft völliger oder teilweiser Block. Der völlige Block kann dann in teilweisen übergehen; der teilweise Block geht immer in normalen Rhythmus über. Natronlauge und Silbernitrat ergaben dasselbe Resultat. Der teilweise Block bei allen Versuchen mit Strophanthin wurde durch Anwendung von Formalin herbeigeführt. Auch wurden mehrere Versuche mit Coffein angestellt, bei denen der teilweise Block durch Einwirkung von Silbernitrat auf das Hissche Bündel erzeugt wurde. Der mechanische Effekt beim Aufpressen des Mittels auf die Bündelgegend ist bei keinem dieser Mittel völlig auszuschalten. Daß es möglich ist, durch Druck und chemische Mittel Leitungsstö- rungen hervorzurufen, wird niemand wundern. Durch eine zufällige Beobachtung bin ich aber einer Methode, Herzblock zu erzeugen, auf die Spur gekommen, die äußerst merkwürdig und unerwartet war. Ich hatte mir eine Klemme von kleinerem Modell aus Messing machen lassen, die bei dem ersten Versuche noch nicht vernickelt war. Als ich mit dieser Klemme die Stelle, wo das Bündel verläuft, leicht berührte, ohne die Klemme. in situ zu bringen und ohne irgendwelchen Druck auszuüben, sah ich zu meinem großen Erstaunen sofort völligen Herzblock entstehen, der lange Zeit anhielt und darauf in teilweisen Block überging; schließlich kehrte der normale Rhythmus wieder zurück. Die nähere Untersuchung hat die Richtigkeit dieser ersten Beobachtung völlig bestätigt. Es zeigte sich, daß ein bloßes Berühren der Stelle, wo das Hissche Bündel verläuft, mit Messing genüst, um Herzblock zu erhalten. Der Effekt dieser Berührung ist sicher- lich nicht schwächer als nach Einwirkung mit Formalin und Silbernitrat auf dieselbe Stelle. In weitaus den meisten Versuchen dieser Arbeit wurde Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer dadurch herbei- geführt, daß das Hissche Bündel mit Kupfer berührt wurde. Hierfür fand ein Kupferdraht von 2 mm Querschnitt Verwendung. Mit diesem war es möglich, auf einfache Weise, ohne weitere Beschädigung des Her- zens, Block zu erzeugen. Es ist ein wunderbarer Anblick, wenn man nach einer leichten Berührung einer eireumscripten Stelle an der rechten Seite des Septum mit dem Ende des 1) Erla nger, J., On the easy of heart-block in mammals. Journ. of experim. Med. 8, 3. 1906. 2) Lohmann, Archiv f. d. ges. Physiol. 123, 628. 1908. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 153 Kupferdrahtes plötzlich die Kammern stillstehen sieht, während die Vorkammernungestörtinihremgleichen Rhyth- mus weiterschlagen (Abb. 1). Obwohl diese Erscheinung nicht direkt _ zu dem hier behandelten Gegenstande gehört, ist diese Entstehungsweise vom Herzblock so merkwürdig, daß hierüber eine nähere Untersuchung angestellt wurde. Ursache des Entstehens von Herzblock durch Kupfer. Um Herzblock herbeizuführen, wurde erst Messing benutzt: um reinere Resultate zu erhalten, wurde dieses durch einen Draht von Kupfer ersetzt. Als Ursache für das Entstehen von Herzblock durch Kupfer kann in Betracht kommen: | 1. Druck. Bei Berührung ist der mechanische Effekt natürlich nicht ganz auszuschließen; indessen war der mit dem Kupfer ausgeübte Druck nur minimal. Zuweilen ist bereits leiseste Berührung mit Kupfer ausreichend, um langdauernden Herzblock zu erzeugen. In fast allen Versuchen wurde zur Kontrolle die betreffende Stelle mit einem ausgekochten Glasstab von derselben Dicke wie der Kupferdraht in der gleichen sanften Weise berührt (Abb. 1 und 2). Fast stets schlägt dann das Herz in der gewöhnlichen Weise weiter. Durch Anwenden stärkeren Druckes kann man auch mit Glas Block herbeiführen, der dann natürlich dem mechanischen Effekt zu danken ist. In sehr vereinzelten Fällen ergibt auch leichtere Berührung mit Glas Herzblock. Es ist indessen auffallend, daß der Block dann nur während der Berührung mit Glas bestehen bleibt und unmittelbar danach wieder vorüber ist. Eine gleiche Berührung mit Kupfer hat eine viel längere Dauer des Blockes zur Folge. Die Berührung, welche zur Erzeugung des Blockes mit Kupfer erforder- lich ist, verursacht so wenig Störung, daß bei laufendem Kymographion die Kurve von Vorkammer und Kammer nahezu nicht von der Stelle verschoben wird (Abb. 1). In einigen Fällen gelingt es nicht, mit Kupfer bei leichter Berührung Block zu bewirken. Als Ursache für das mehr oder weniger leichte Hervorrufen des Blockes sowohl durch Kupfer als durch Glas, kommt wahrscheinlich die mehr oder weniger oberflächliche Lage des Hisschen Bündels in Betracht. Es wurden insgesamt etwa 60 Versuche mit Kupfer und Glas angestellt; nur in 5 von ihnen konnte leichte Berührung mit Glas einen schnell vorübergehenden Block verursachen. Ich glaube wohl sagen zu dürfen, daß Druck bei dem Zustandekommen des Blockes durch Kupfer einen sehr unbedeutenden Faktor darstellt. 2. Temperatur. Auch Temperaturunterschied zwischen dem Kupfer und dem Herzen würde zum Auftreten von Herzblock Veranlassung geben können. Ganter und Zahn!) konnten Leitungsstörungen zuwege bringen durch Abküh- lung des Tawaraschen Knotens. In allen Versuchen wurde daher sowohl das Kupfer als das Glas vorher auf die Temperatur der Durchströmungsflüssigkeit erwärmt. Doch trat der Herzblock stets auch nach Berührung mit dem erwärm- ten Kupfer auf. 3. Elektrizität. Schwache elektrische Stromschleifen würden vielleicht auch Leitungsstörungen verursachen können. Daher wurde das Kupfer in allen !) Ganter und Zahn, Experimentelle Untersuchungen am Säugetierherzen über Reizbildung und Reizleitung in ihrer Beziehung zum spezifischen Muskel- gewebe. Archiv f. d. ges. Physiol. 145, 335. 1912. A. A. J. van Egmond: ’ Ds ich Ss unächst totalen Block, der mit on wi 3:2-R chläge ı Kammers hi “r Oben Vorhof, unten Ventrikel. Temp. 35° €. — Bei laufendem Kymo- Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. Registrierung mit gewöhn- Hisschen Bündels zuerst mit Platin, dann mit Glas (beides isoliert und erwärmt) berührt, ohne ce = © Ro} [«5] je! un S o = A Li elbst Langendorftf. . — Die Berührung mit Kupfer (isoliert und erwärmt) dagegen gibt z ginnt und mit s ‚ ai listand be i Abb. 1. Kaninchenherz. lichen Schreibhebeln (nicht mit Keith graphion wird die Stelle des daß Block auftritt Ventrikelst Versuchen isoliert. Das isolierte und erwärmte Kupfer ergab aber trotzdem Herz- block, während sich das isolierte und erwärmte Glas hierzu in den meisten Fällen nicht imstande zeigte. Das Herz war bei der Versuchsanordnung ebenfalls isoliert. Druck, Wärme, und galvanische Ströme können also als Ursache für das Entstehen von Herzblock dur.ch Kupfer aus- geschlossen werden. Als einzige Möglichkeit bleibt demnach wohl nur die Annakme übrig, daß sich während der Berührung äußerst ge- ringe Mengen des Metalls auflösen, welche eine vorübergehende funk Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 155 tionelle Störung in dem Hisschen Bündel bewerkstelligen. Die Frage war nun, ob allein Kupfer diese Wirkung ausübt oder ob auch andere Metalle hierzu imstande sind. Eine Antwort auf diese Frage konnte dadurch gefunden werden, daß mehrere Metalle untersucht und die Dauer des Blockes sowie die Leichtigkeit, mit welcher der Herzblock erzielt wird, bestimmt wurden. Leider konnte hierüber infolge von Tiermangel keine erschöpfende Untersuchung angestellt werden. Die . folgende Reihe von Metallen wurde diesbezüglich näher erprobt: Cu, Zn, Cd, Pb, Al, Bi, Ag, Fe, Ni, Pt; und ferner Glas. Hierbei stellte sich heraus, daß stets am leichtesten durch Kupfer Herz- block erzeugt wurde. Auch war die Dauer desselben in einem und demselben Versuch bei Anwendung von Kupfer immer länger als bei anderen Metallen. Die vorstehende Reihenfolge gilt nahezu auch für den verschiedenen Stärkegrad, in welchem Herzblock hervorgerufen werden konnte. Zn und Cd unterschieden sich nur wenig in Wirkung voneinander; sie wurden in drei verschiedenen Versuchen immer mit Erfolg angewandt. Die folgenden Metalle zeigten alle eine viel schwächere Wirkung; zuweilen zeigte sich ein Erfolg, zuweilen nicht. Mit Al konnte verschiedentlich ein kurzdauernder Block erzielt werden. Fe verursachte einmal eine starke Wirkung; aber in vier anderen Versuchen hatte es keinen oder doch nahezu keinen Block zur Folge. Pb führte in mehreren Versuchen nur während der Berührung Block herbei; aber dieser war bald wieder verschwunden (Abb. 2). Bi und Ag zeigten wenig Wirkung. Ni erzeuste eigentlich nur während der Berührung Block in Versuchen, wo auch Glas die gleiche Wirkung hatte. Pt zeigte einige Male überhaupt keinerlei Einfluß auf die Überleitung, während es in anderen Fällen einen lange andauernden Herzblock bewirkte. Es wurde in fünf Ver- suchen angewandt. In zwei Versuchen blieb der Block lange Zeit be- stehen; in zwei anderen Fällen zeigte sich überhaupt keine Wirkung. In einem Versuch, bei welchem abwechselnd Glas, Platin und Kupfer angewandt wurden, hatten Glas und Platin zweimal keinen Erfolg; das dritte Mal konnte auch mit Platin Block hervorgerufen werden. Wahr- scheinlich muß die Wirkung von Platin in den ersten Versuchen einer Verunreinigung zugeschrieben werden. Wie gesagt, vollständig ist diese Untersuchung nicht, aber so viel hat sich doch mit Sicherheit ergeben, daß das Hissche Bündel außerordentlich empfindlich für Kupfer ist. Zn und Cd scheinen ebenfalls eine deutliche Wirkung zu besitzen. Die anderen untersuchten Metalle wirken alle viel schwächer, so daß es oft zweifelhaft ist, ob sie überhaupt eine besondere Wirkung auf das Bündel besitzen. Abb. 2 veranschaulicht das Obengesagte. Hier wurde die Stelle, an der das Hissche Bündel verläuft, bei laufendem Kymographion nach- einander berührt mit Glas (dreimal), Pt, Pb und Cu. Die verschiedenen A N hi | I E E | | : T T ÄBLUTLITSTLBEITIT LIT IREUTIEI TOT GE ITTRTIET SITE TITTBEITTELTTIRRIETTLLIUBELIT TR TI TE TRIER III Abb. 2. Kaninchenherz. Eangendorfft. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. ‚Druck 85 cm Wasser. Temp. 37°C. Oberste Reihe: Vorhofskontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe: Zeit in Sekunden. Bei laufendem Kymographion wird die Stelle, an der das Hissche Bündel verläuft, naclı- einander mit Glas, Platin, Blei und Kupfer berührt. Die verschiedenen Stoffe sind isoliert und auf die Temperatur der Durchströmungsflüssigkeit erwärmt. Die Berührung mit Glas ergibt keine Störung im Rhythmus. Platin und Blei rufen allein während der Berührung eine Störung im Rhythmus hervor. Kupfer verursacht einen teilweisen Block, der in diesem Falle nach 100 Sekunden wieder in normalen Rhythmus übergegangen ist. Der bei der Berührung mit Kupfer ausgeübte Druck ist geringer als derjenige bei der Berührung mit den anderen Stoffen, was an der geringeren Verlagerung der Vorkammerkurve ersichtlich ist. Bi, Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 157 - Stoffe waren alle isoliert und auf die Temperatur der Durchströmungs- _ flüssigkeit (37° Celsius) erwärmt. Die Berührung mit Glas ergibt keine Störung im Rhythmus. Pt und Pb ergeben nur Störung im Rhythmus während der Berührung. Cu verursacht einen teilweisen Block, der, in diesem Falle nach 100 Sekunden wieder in normalen Rhythmus über- gegangen ist. Dabei ist auf der Abb. zu sehen, daß die Berührung mit Cu viel sanfter ist als diejenige mit Glas, Pt oder Pb. Bei der Berührung ‚mit Kupfer verändert die Vorkammerkurve fast nicht ihre Stelle, wäh- rend die Verschiebung der Vorkammerkurve bei Berührung mit Pb viel größer und bei Berührung mit Glas und Pt sogar erheblich ist. Ein weiteres Beispiel für partiellen Herzblock durch Cu sieht man auf Abb. 13, S. 196. Auf Abb. 1, S. 154 sieht man durch Cu zuerst vollständigen Block auf- _ treten, der dann in partiellen übergeht, worauf wieder Normalrhythmus entsteht. Der Umstand, daß derartig kleine Mengen Kupfer einen solch schäd- _ liehen Einfluß auf das Leitungsbündel haben, ist überraschend. Es ist jedoch bekannt, daß minimale Metallmengen auf verschiedene Organis- men schädlich wirken. v. Naegeli!) wies dies für Spirogyren nach - und bezeichnete diese Erscheinungen als ‚„‚oligodynamische Wirkungen“. Für höhere Organismen konnte Locke?) eine schädliche Wirkung durch kleine Mengen Metall nachweisen. Er benutzte bei Muskelversuchen Wasser, das aus kupfernen Gefäßen destilliert worden war und bemerkte, daß dieses Wasser eine verminderte Contractilität der Muskeln zur Folge hatte. Von ihm mit Kaulquappen und Würmern angestellte Versuche zeigten, daß ein in Wasser gelegtes Stück Kupfer für diese Organismen tödlich war. Auch gegen Zink waren diese Tiere empfind- lieh, wenn auch nicht in so starkem Grade. Für Blei waren die Ergeb- nisse unsicher. Dies stimmt gut mit meinen Versuchen überein, in denen gerade eine schädliche Wirkung von Kupfer und Zink nachgewiesen werden konnte. Locke gibt denn auch den Rat, für Muskel- und Herz- versuche nur Wasser zu benutzen, welches in gläsernen Gefäßen destilliert wurde. Aus dem gleichen Grunde muß man für die Herstellung der Locke - Ringerschen Flüssigkeit sehr reine Chemikalien verwenden, weil nämlich auch hier die minimalen Verunreinigungen einen so riesigen - Einfluß auf die Herzkontraktionen haben. Im Laufe dieser Unter- suchung habe ich dies auch erfahren, indem verschiedene Versuche dadurch mißlangen, daß infolge der Zeitumstände weniger reine Salze gebraucht werden mußten. Das Eigentümliche war, daß gerade durch 1) Siehe Israel, O. und Th. Klingmann, Oligodynamische Erscheinungen an pflanzlichen und tierischen Zellen. Archiv f. pathol. Anat. 14%, 293. 1897. 2) Locke, F. S., On a supposed action of distilled water as such on certain animal organisms. Journ. of Physiol. 8, 319. 1895. 158 A. A. J. van Egmond: den Gebrauch derselben Herzblock entstand. Bei dem Beginn der Durchströmung waren dann die Ausschläge der Vorkammer und der Kammer zunächst abnorm groß. Bald wurden aber die Kontraktionen von beiden sehr klein. Dann fielen einige Ventrikelschläge aus, mehrere folgten, und es entstand teilweiser Block. Der Grad desselben nahm dabei in allen Versuchen ununterbrochen zu. Oft bemerkte man nach einiger Zeit das Auftreten des Rhythmus 7 :1. Mitunter antwortete der Ventrikel erst nach 18 Schlägen der Vorkammer. Aber nicht nur die Leitung hatte bei der fortgesetzten Durchströmung dieser minimalen Verunreinigungen gelitten, sondern auch die Contractilität und Auto- matie wurden dadurch im schädlichen Sinne beeinflußt. Die Vorkammern schlugen dabei regelmäßig weiter. Erst nachdem wieder reine Salze verwendet werden konnten und alle Gefäße gründlich gereinigt worden waren, gelang es, wieder normale Versuche auszuführen. Die spezielle Art und Menge dieser Verunreinigungen wurde nicht näher festgestellt. Jedoch müssen dieselben sicherlich zu den vorerwähnten oligodynami- schen Wirkungen gezählt werden. Nach Abschluß meiner Untersuchungen las ich eine Mitteilung Voestlins!), in der berichtet wird, daß die Lactate von Cu, Fe, Ni, Co, Mg und Al beim Froschherzen Herzblock verursachen können. Die Menge, mit welcher dies erreicht wurde, wird nicht angegeben; aber jedenfalls deutet auch dieses wieder auf eine spezifische Metallwirkung auf das Leitungssystem. Man sieht, daß in der Literatur wohl einige Hinweise zugunsten einer spezifischen Metallwirkung zu finden sind. Ein wie empfindliches Objekt das überlebende, mit Locke - Ringer- scher Flüssigkeit durchströmte Herz für einige Gifte ist, wird sich noch ferner bei dieser Untersuchung zeigen (siehe Campher und Physostigmin). Es bleibt jedoch außerordentlich merkwürdig, daß bereits so kleine Mengen Metall, wie diejenigen, die bei kurzer Berührung mit Ringer- scher Flüssigkeit oder tierischem Gewebe in Lösung gehen, imstande sind, so große zeitweise Störungen in dem Leitungssystem Do zurufen. Art und Dauer des Herzblockes. Ehe zur Besprechung der einzelnen Versuche über die Wirkung von Giften bei unvollständiger Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer übergegangen wird, ist noch kurz über die Art und die Dauer des experi- mentell herbeigeführten Blockes zu sprechen. Es ließ sich kein Unter- schied im Verlaufe des Blockes bemerken, wenn dieser auf die verschie- denen, oben geschilderten Weisen hervorgerufen wurde. In der Regel entsteht zuerst völliger Block (Abb. 1). Da die Unterbrechung der Lei- tung plötzlich erfolgt, steht der Ventrikel meistens erst still, ehe er in 1) Voegtlin, C., The mechanism of the toxie action of the heavy metals on the isolated heart. Journ. of Pharm. and Ther. 6, 602. 1914/15. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 159 seinem eigenen Rhythmus zu schlagen anfängt. Zuweilen fehlt dieser Stillstand und zieht sich die Kammer sofort unabhängig von dem Vor- hof zusammen. Der Ventrikelstillstand kann verschieden lange Zeit dauern. Meistens beträgt er nur einige Sekunden. Er kann jedoch auch länger anhalten. Der längste Ventrikelstillstand, der nach Berührung - mit Kupfer erzielt wurde, betrug 3 Minuten. Einige Sekunden später, nachdem der Ventrikel seine Automatie entwickelt hat, übernimmt wieder die Vorkammer die Führung. Es entsteht meistens 2 : 1-Rhyth- mus. Der teilweise Block bleibt kürzere oder längere Zeit bestehen. Die längste Zeit, die der partielle Block in normalen Versuchen dauerte, war 15 Minuten. Diese lange Dauer des teilweisen Blockes wurde im ganzen nur dreimal beobachtet; sie gehört also zu den hohen Aus- nahmen. Meistens geht die Leitungsstörung nach 100—200 Sekunden "wieder vorüber. Eine kürzere Dauer des partiellen Blockes ist indessen durchaus keine Seltenheit. Im allgemeinen kann man eine Dauer von 300 Sekunden schon abnorm lang nennen. Die Rückkehr zum normalen Rhythmus geschieht in der bekannten Weise: erst fällt nach dem dritten Vorkammerschlag ein Kammerschlag aus (3 :2-Rhythmus); dann nach jedem vierten, fünften usw., bis auf jeden Vorkammerschlag ununterbrochen ein Kammerschlag folgt. Dieses Stadium ist meistens in 20, 30 oder 40 Sekunden abgelaufen. Eine weitere Eigentümlichkeit ist die, daß bei Entstehen des teilweisen Blockes die Kontraktionen der Kammer immer sehr viel kleiner werden (Abb. 1). Entsteht z.B. aus der normalen Schlagfolge 2 : 1-Rhythmus, dann ist die Größe der - Kammerkontraktionen oft bis auf die Hälfte vermindert (siehe Abb. 6a, b und ce und Abb. 13). Kehrt der normale Rhythmus wieder zurück, dann erreichen die Kammerkontraktionen auch wieder die ursprüng- liche Größe. Wenn 3 : 1-Rhythmus entstanden ist, sind die Kontrak- tionen der Kammer ebenfalls kleiner als bei dem darauf folgenden 2 :1-Rhythmus (siehe Abb. 15). Wechseln 3 : 1-Rhythmus und 2: 1- Rhythmus einander ab, folgt also das eine Mal nach drei, das andere Mal nach zwei Vorkammerschlägen ein Kammerschlag, dann entsteht ein Pulsus alternans der Kammer (siehe Abb. 15). Der größere Schlag folst dann nach der längsten Pause. Einen Pulsus alternans findet man auch immer, wenn 3 :2-Rhythmus entsteht (siehe Abb. 16a). Hierbei folgt auch nach der längsten Pause der größte, nach der kürzeren Pause der kleinste Schlag. Immer ist also unter normalen Umständen die Contractilität am größten, wenn die Leitung am besten ist. Contrac- tilität und Leitbarkeit laufen jedoch nicht immer parallel. Dies kann sich unter dem Einfluß von Giften, wie sich im Laufe dieser Unter- suchung herausstellte, ändern. Es ist auffallend, daß, wenn man an einer circumscripten Stelle im Leitungssysteme eine Schädigung setzt, nicht nur große Verände- 160 ’ A. A. J. van Egmond: rungen in der Leitung, sondern auch in der Oontractilität auftreten. Man weiß nicht, welche Veränderungen im Leitungssysteme durch Ab- klemmen oder durch chemische Mittel entstehen. Es ist also vorläufig nicht möglich, für diese Vorgänge eine Erklärung zu geben. Bei der Beurteilung der Wirkung eines Giftes auf das Leitungsvermögen muß man den Umstand berücksichtigen, daß die Leitungsstörung nicht konstant, sondern vorübergehender Art ist. Im Herzen selbst ist also immer eine Neigung vorhanden, die Leitungsstörung aufzuheben. Beieiner schädlichen Einwirkung eines Giftes auf das Leitungsvermögen sind also zwei Kräfte gegeneinander tätig. Die eine, im Herzen selbst gelegene, sucht die Leitung zwischen Vorhof und Kammer stets besser zu ge- stalten; die andere, in der Form eines Giftes von außen einwirkend, sucht die Leitung fortgesetzt schlechter zu machen. Von den jeweiligen Umständen hängt es ab, ob der eine oder der andere Faktor die Ober- hand bekommen wird. Erweist sich die leitungverbessernde Kraft als die stärkere, dann wird eine längere Dauer des Blockes und ein langsamerer Übergang zu dem normalen Rhythmus die Folge sein; aber nach be- stimmter Zeit wird der normale Rhythmus doch wiederhergestellt sein. Siegt die leitungverschlechternde Kraft, dann wird ein höherer Grad von Block — selbst bis zum völligen Block — entstehen. Unterdiesen Umständen kann man also die Schädigung der Überleitung mit Sicherheit auf das zugesetzte Gift beziehen. Ergibt ein Gift aber Verbesserung der Leitung, dann wirken zwei Faktoren im gleichen Sinne, die Leitungsstörung aufzuheben. Diese wird also schnel- ler vorübergehen, als es ohne das günstig wirkende Gift der Fall sein würde. Bei der schwankenden Dauer des experimentell erzeugten Herzblockes sind diese Faktoren dann schwer zu beurteilen. Hinsichtlich der leitungverbessernden Wirkung eines Giftes kann man dann überhaupt nichts schließen, da der Block auch schon von selbst innerhalb weniger Bruchteile einer Minute (einiger Zehner von Sekunden) vorübergehen kann. Um Verbesserung der Leitung durch ein Gift nachzuweisen, kann man aber seine Zuflucht zu Versuchen nehmen, in welchen der Herzblock spontan entstanden ist (siehe unten). Das spontane Entstehen von Leitungsstörungen muB wahrscheinlich Ver- unreinigungen der Durchströmungsflüssigkeit zugeschrieben werden. Hierbei tritt niemals von selbst Verbesserung der Leitung ein. Zwar kommen Schwankungen in der Leitung vor, so daß zeitweise geringere Grade von Block bestehen; aber immer nimmt auf die Dauer die Leitungsstörung zu. Bei mehr als zehn Einzelversuchen wurde diese Erscheinung beobachtet. Dies ist begreiflich, da der unbekannte Stoff, der den Block verursacht, fortfährt, das Herz zu durchströmen und dieses also dauernd seinem schädlichen Einfluß ausgesetzt ist. Die Kontrak- tionen der Vorkammer und Kammer werden dabei allmählich sehr klein. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 161 _ Der Vorhof schlägt jedoch regelmäßig und in ungefähr derselben Fre- quenz weiter. Unter diesen Umständen entstehen gerade die höheren Grade von Block. Nicht selten bemerkt man 6 : 1 oder 7 :1 Rhythmus. Bisweilen kommen Perioden vor, in denen die Kammer erst wieder nach einem fünfzehnten Vorhofsschlag eine Kontraktion ausführt. Der Zusammenhang zwischen Vorhof- und Ventrikelkontraktion bleibt hierbei erhalten. Die Automatie der Kammer scheint also auch gelitten zu haben; denn bei einer Vorhofsfrequenz von 150 per Minute würden die Kammern sich dann nur zehnmal per Minute zusammenziehen, eine Frequenz, welche niedrig genug ist, die Kammer zum Schlagen in ihrem eigenen Rhythmus zu befähigen. Automatische Ventrikelschläge treten jedoch unter diesen Umständen nicht auf; die Kammer ant- wortet nur noch ab und zu auf eine Vorkammerkontraktion. Außer der Kontraktilität und dem Leitungsvermögen hat also auch die Auto- matie stark abgenommen. Wenn man bei derartigen Versuchen ein Gifteinwirken läßtund man bemerkt danach Wiederher- stellung desnormalenRhythmus, dann darf man mit Sicher- heit auf eine Verbesserung der Leitung durch das Gift schließen. ‚Strophanthin. In der klinischen Literatur über die Wirkung von Digitalis auf das Leitungs- vermögen werden immer die von diesem Mittel hervorgerufenen Leitungsstörungen - betont. Zahlreiche Publikationen!) sind erschienen, aus denen deutlich erhellt, daß Digitalis, namentlich bei schon bestehender verlängerter Leitungszeit, die Ursache des Ausfallens von Ventrikelsystolen und des Entstehens teilweiser und völliger Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer ist. Dieser ungünstige Einfluß von Digitalis auf das Leitungssystem muß hauptsächlich der von dem Gifte herbeigeführten erhöhten Vaguswirkung zugeschrieben werden. Diese letztere kann an sich, wie klinisch und experimentell?) nachgewiesen wurde, Lei- _ tungsstörungen verursachen. Wenn denn auch der Vagus durch Atropin aus- _ geschaltet wird, kehrt in den meisten Fällen die normale Leitung trotz der dabei stattfindenden. Pulsbeschleunigung wieder zurück. Nur Cushny, Marris und Silberberg?) erwähnen zwei Fälle, in welchen Digitalis ein Schlechterwerden der Leitung bewirkte, das nicht durch Atropin aufgehoben werden konnte. In diesen Fällen dürfte das Hissche Bündel durch Digitalis spezifisch beschädigt worden sein. Den beiden genannten Fällen stehen jedoch klinische Fälle gegenüber, in denen Digitalis bei bestehendem Block Verbesserung der Leitung ergab [von Jagic*), Bachmann’), Volhard®), Wenckebach”)]. Experimentell untersuchte 1) Siehe Literatur S.1, 2 u. 3. 2) Siehe u. a. Cohn, A. E., On the differences in the effect of stimulations of the two vagus nerves on rate and conduction of the dogs heart. Journ. of experim. Med. 16, 732. 1912. 3) l.e. S. 14. a).c. °) Bachmann, G., A physiologico-pharmacological study of a case of heart block, occurring in a dog. Journ. of experim. Med. 16. 1912. °) Volhard, T., Über die Beziehungen des Adam-Stokesschen Symptomen- komplexes zum Herzblock. Deutsches Archiv f. klin. Med. 9%. 1909. 7) Wenckebach,K,F., Die Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit usw. S. 93. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 11 162 : A. A. I. van Egmond: Tabora!) bei einem Hunde den Einfluß von Digitalin bei intakten und durch- schnittenen Vagi nach Abklemmung des Hisschen Bündels. Seine Untersuchung beweist, daß der Vagus bei beschädistem Bündel einen viel schädlicheren Einfluß auf die Leitung ausübt als bei intaktem Bündel. Nach Vagusdurchschneidung trat bei Verabfolgung von Digitalin die vollkommene Dissoziation zwischen Vor- kammer und Kammer, die früher bereits von Cushny?) nachgewiesen war, auch viel später ein. Aus seiner Beschreibung erhält man nicht den Eindruck, daß nach Vagotomie Digitalis bei stattgehabter Läsion des Hisschen Bündels intensiver wirkt als bei unbeschädigtem Bündel. Er injizierte Digitalin erst, nachdem die durch Abklemmung des Bündels verursachte Leitungsstörung schon wieder vor- übergegangen war. In der vorliegenden Untersuchung wurde dagegen der Einfluß von Strophanthin während des Bestehens der Leitungsstörung verfolgt. In 7 Versuchen, bei denen partieller Block bestand, wurde die Wir- kung von g-Strophanthin (Thoms) untersucht, wobei eine Lösung von 1,5 mg : 500 Locke-Ringer (= 1 : 333 000) Verwendung fand. Bei dieser Konzentration beträgt die Zeit, die zwischen dem Beginn der Giftwir- kung und dem systolischen Stillstand des Herzens verläuft, ungefähr eine Viertelstunde. Das therapeutische Stadium dauert lange genug, um bei Herzblock Veränderungen in der Leitung zwischen Vorhof und Kammer wahrzunehmen. Die Leitungsstörungen wurden in allen Stro- phanthinversuchen dadurch herbeigeführt, daß Formol auf das Hissche Bündel gebracht wurde. In vier Versuchen gelang es, das Strophanthin während des teilweisen Blockes einwirken zu lassen; in einem anderen Versuche war nur das Ausfallen einzelner Ventrikelschläge die Folge des Versuches, Block zu erzeugen; in zwei Versuchen war der Block gerade vorbeigegangen, ehe die Strophanthinwirkung begann. In den letztgenannten drei Versuchen wirkte Strophanthin auf Herzen ohne Block, aber mit einer verlängerten Leitungszeit ein. In keinem dieser Versuche konnte zu Beginn der Strophanthinwirkung ein schädlicher Einfluß des Strophantins auf das Leitungsver- mögen gefunden werden. In einigen Experimenten ließ sich sogar eine Verbesserung der Leitung durch Strophanthin nachweisen. Dieses gilt für das sog. therapeutische Stadium. Bei der weiter fort- geschrittenen Vergiftung treten Dissoziationen auf, die aber auch nur teilweise auf Leitungsstörungen, teilweise jedoch auf erhöhte automa- tische Ventrikeltätigkeit zu beziehen sind. : l. Therapeutisches Stadium. Wenn der teilweise Herzblock gerade ‚vorübergegangen und der normale Rhythmus wieder zurückgekehrt ist, ehe das Strophanthin in das Herz gelangt, dann unterscheidet sich die Wirkung des Strophanthins zu Anfang in nichts von der Wirkung auf Herzen, in welchen vorher keine Leitungsstörungen vorhanden waren. Die Kontraktionen des Vorhofes und der Kammer werden größer, sowohl 1) ]. ce. 8. 144. 2) Cushny, A. R., On the action of substances of the digitalis series on the circulation in mammals. Journ. of experim. Med. 2, 233. 1897. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 163 im systolischen als im diastolischen Sinne; die Frequenz der Vorkammer bleibt dieselbe oder nimmt etwas ab; aber die normale Aufeinanderfolge von Vorhof- und Kammerschlag wird kein einziges Mal unterbrochen. Auch wenn nur eine leiehte vorübergehende Leitungsstörung besteht, die am Fehlen einiger Ventrikel- schläge erkennbar ist, bleibt nach Strophanthin der normale Rhythmus erhalten und kommt kein Ausfall von Ventrikelkontraktionen mehr vor. Die Leitungs- - zeit zwischen Atrium und Ventrikel wird, während das Strophanthin seine Wirkung auf das Herz ausübt, kürzer. So betrug die Leitungszeit zwischen Atrium und Ventrikel in dem Versuch vom 1. XII. 1918 zu Beginn der Strophanthinwirkung 0,17”, und 70’ später 0,12’’. Die Frequenz war hierbei dieselbe geblieben (108 per Minute). Bei einem schädlichen Einflusse des Strophanthins sollte man wenigstens ein Gleichbleiben der Leitungszeit erwarten. Diese Verkürzung des a.v.-Intervalles zeigt jedenfalls, daß Strophanthin der Verbesserung der Leitung nicht entgegenwirkt. Auch wenn der Block noch während der Einwirkung von Strophanthin besteht, wird die Leitung besser. Man kann sich nicht dem Eindrucke entziehen, daß hierbei die Leitung verbessert wird unter dem Einflusse des Stropharthins. In dem Versuch vom 12. XII. 1913 bestand kompletter Block, mit Doppelkontraktionen des Ven- trikels. Aber 30’, nachdem Strophanthin in das Herz gelangt war, ging plötzlich der komplette Block in partiellen über (2:1 Rhythmus), während die Doppel- kontraktionen verschwanden (siehe Abb. 4). Zwar würde man stets hiergegen einwenden können, daß dieser,Übergang von komplettem in partiellen Block auch ohne Strophanthin erfolgt sein würde (der komplette Block hatte schon 320’’ be- standen, ehe Strophanthin ins Herz kam); doch ist es auffallend, daß gerade an der Stelle, wo die Strophanthinwirkung deutlich wird (zu erkennen an dem Größer- werden der Kontraktionen von Vorkammer und Kammer), der komplette in unvollständigen Block übergeht. Der partielle Block blieb hier bestehen, bis Unregelmäßigkeiten auftraten (nach 90’); aber die Leitungszeit wurde in kurzer Zeit erheblich verbessert. Bei dem Entstehen des 2: 1-Rhythmus betrug die Zeit, welche zwischen Vorkammer- und Kammerkontraktion verlief, 0,24”, 20 Sekun- den später 0,13”. Und auch während der Unreglmäßigkeiten der Kammer, die erhöhter Autonomie zugeschrieben werden müssen, verbesserte sich der Block ‚als solcher noch und konnte ein 3 :2-Rhythmus, also ein geringerer Grad von Block, in Abwechslung mit autonomen Kammerschlägen nachgewiesen werden. Im Versuch vom 10. XII. 1913, wo 5 : 1-Rhythmus bestand, ging, sofort nachdem Strophanthin in das Herz gekommen war, wieder gleichzeitig mit dem Größerwerden der Vorkammer- und Kammerkontraktionen, der 5: 1-Rhythmusin 2: 1-Rhythmus über, wobei sehr kurz 4 : 1-Rhythmus und 3 : 1-Rhythmus bestand. Hier nahm ‚ gleichzeitig die Frequenz von 148—154 per Minute zu, ein Umstand, der an sich keine Verbesserung des Blockes herbeiführen konnte. Hier hatte der Block 140” bestanden, ehe das Strophanthin zu wirken begann, und dauerte es noch abermals 140”, ehe der Block völlig vorübergegangen wa Dieser Versuch bot auch noch andere merkwürdige Erscheinungen dar, die später bei dem toxischen Stadium besprochen werden sollen. Beide Versuche gaben Anlaß, zu, vermuten, daß Stroph- anthin im Anfangsstadium eine Leitungsverbesserung bewirkt. Aber ein Beweis ist dies nicht; denn auch ohne Strophanthin geht der Block von selbst vorüber. Nur ist es auffallend, daß in beiden Fällen die Verbesserung des Blockes mit dem Beginne der Strophanthinwirkung zusammenfällt; in dem einen Falle ein Über- gang von komplettem Block in partiellen, im anderen Falle eine Veränderung des 5: 1-Rhythmus in einen 2: I-Rhythmus, die beide mit Vergrößerung der Vorkammer- und Kammerschläge als Ausdruck der Strophanthinwirkung ver- bunden sind. h In den bisher betrachteten Versuchen war der Block experimentell durch Einwirkung von Formol auf das Hissche Bündel hervorgerufen worden. Der Block le 164 A. A. J. van Egmond: würde also immer, auch ohne Anwendung von Strophanthin, auf den normalen Rhythmus zurückgegangen sein. Ich verfüge aber über zwei Versuche, in denen spontan Block entstanden war. Wie oben erwähnt, wird die Leitung hier niemals von selbst wiederhergestellt, sondern nimmt der Grad des Blockes stets zu. Dies konnte auch in diesen Versuchen nachgewiesen werden. In dem einen Versuch (vom 28. II. 1915) war das Herz, ehe Strophanthin verabfolgt wurde, schon in sehr schlechte Verfassung gekommen. Es war 6:1 und 7: 1-Rhythmus ent- standen, und ab und zu kam erst nach 18 Vorkammerschlägen eine Kammerkon- traktion. Die Kontraktionen des Vorhofes und der Kammer waren sehr klein geworden. In dem anderen Versuche (vom 13. XII. 1913) war nur erst ein leichterer Grad von Leitungsstörung entstanden. Es trat abwechselnd 3 : 2-Rhythmus und 2:1-Rhythmus auf. Vor dem Einsetzen der Strophanthinwirkung wurde die Leitung deutlich schlechter; während erst noch auf vier Vorkammerschläge drei Ventrikel- schläge vorkamen, stellte sich bald 3 : 2-Rhythmus und darauf 2: 1-Rhythmus ein, und dies unbeschadet einer Frequenzabnahme von 157—140 Schlägen per Minute. In beidenFällenwurdenachStrophanthinder normaleRhythmusinner- halb kurzer Zeit völlig wiederhergestellt. Indem Versuch vom 13. XII. 1913 (siehe Abk. 3), wo die leichtere Leitungsstörung bestand, erfolgte der Übergang von dem 2 : 1-Rhythmus in den 3 : 2-Rhythmus in 20”, während der 3 : 2-Rhyth- mus nur wenige Perioden lang bestehen blieb. Die Frequenz blieb während der Einwirkung des Strophanthins dieselbe. In der Normalperiode vor Strophanthin hatte der Block etwa 300°” hindurch ununterbrochen bestanden, während 600” vorher das Ausfallen der Ventrikelsystolen angefangen hatte. In dem Versuch vom 28. VI. 1915, bei dem eine sehr ernste Störung in der Leitung neben Störung in Kontraktilität und Automatie entstanden war, erfolgte die Rückkehr zum normalen Rhythmus langsamer. Bevor Strophanthin in das Herz gelangte, waren der 6: 1 und der 7 : 1-Rhythmus auf kurze Zeit in 4 : 1-Rhythmus übergegangen, eine der Schwankungen in der Leitung, die nachher wieder einem höheren Grade von Block Platz macht und die hier einer beträchtlichen Fregquenzabnahme von 162 auf 124 per Minute zugeschrieben werden muß. Nach Einwirkung von Stroph- anthin aber wurde die Leitung, obwohl die Frequenz nunmehr die gleiche blieb, stetig besser. 160°” nach dem Beginne der Strophanthinwirkung bestand 3 : 2-Rhyth- mus; danach fiel nur noch ab und dann ein Ventrikelschlag aus, und 200”, nach- dem das Strophanthin ins Herz gekommen, war die Störung in der Leitung völlig verschwunden. Der Block hatte hier etwa 300° vor Verabfolgung des Strophan- thins begonnen. In diesen beiden Versuchen wurde also in kurzer Zeit, nachdem das Strophanthin in das Herz gelangt war, die normale Leitung zwischen Vorhof und Kammer wiederhergestellt. In beiden Fällen wurde die Leitung vor Anwen- dung des Strophanthins schlechter, was sich in dem Entstehen von partiellem Block und Zunahme des Grades desselben äußerte. Nach Verabfolgung des Strophanthins stellte sich der normale Rhyifjımus bald wieder ein. (In dem einen Falle wurde jedoch die Leitung schon besser durch Frequenzverminderung.) Dies ist an sich ein Beweis, daß Strophanthin in dem therapeutischen Stadium auf das über- lebende Säugetierherz, welches nicht unter dem Einfluß von Nervenwirkung steht, nicht schädlich wirkt. Aber weil es sich hier um Herzen handelt, in denen die Leitungsstörung spontan entstanden war durch unbekannte Stoffe, die fortgesetzt ihren deletären Einfluß geltend machten, auch während der Strophanthinwirkung, und weil ferner ungeachtet der eben dargelegten ungünstigen Wirkung jener Stoffe nach Verabreichung von Strophanthin Verbesserung, ja sogar Wieder- herstellung der Leitung folgte, so daß kein einziger Ventrikelschlag mehr ausfiel, darf man hieraus schließen, daß das Strophanthin im Anfangs- stadium günstig auf das Leitungsvermögen des Hisschen Bündels einwirkt. 165 tiellem Herzblock. i par eer Arzneimittel bei v eini Über die Wirkun Beh he ln KH BT 3 ET 0 A 6HG 1.9 857 0g‘8 L0'8 63% 98°T 80T 90 :V -Pus3ag-IenyTIusA-olI4YY Iop Sne INU 9Z19ISUOLINEIJUOM aıyr ueduejJdus als ‘yydeıgad uoryyeIyuoy ınz sne Snufs wWOoA Ayo Jyalu Ydneydsgn USPIOM UIOWUTENIOA OT -I9yeds uapunyps 08 °PE 'agaYy wo Z]‘0 :IIeATogu] AV ge'8 peje 2 297 gg‘g A eg'g A 6 107 898 elE A 91% 851 | 880 LEO A "A ge or si 79 g.'g 86 807 Ye 008 La WI 60 0 :V ‘ge I9pueulsgrm ufsy9aM ‘UIAYIBSINIAA UOUOLJYJEIJUONTIWULEYIOA Zunyyardy 99ıyoyaZum ur Jung yoınp yane uajloAnz 9Ip “odejyasraumey guWouoMme “adelyas JlgInyTIıyusAoLıe (adejydasIiawuwey azızugyuge IAmuwmeyIoA Iap UOA -uUOWWOUSZNZ uagey “AINYIEWWBNIOA I9p UT SIEPuUosag ‘usyaystgewedeluN 9Tq -ısgeds uapunyas 08 "98 "day "wo GI :IIeAIoyuI A—-V 120 A Fefeag ET A 283 \ 848 BEA 977 ze'q EN <9°9 IT’L A 918 \ gc'g 906 A LE A EOT :A E90 GET 961 99% IE 06°8 897 %9 769 099 BL [1092 2<‘8 8T'6 78'6 0g°0L :V -LIUUINID AFeIyag adıduryge JoyIoA WoA pun ayastYewoINne RI SAINNIOWUBM OICT (x 1949) ade[ydssJoyıoA adldugyge TAuWey} I9p UOA TaMz UBU PLIOUIOA aAınySsJoyUIo‘ Iop u] "me usoyraysıggewezoruf) uUeg9I unn "OpummısA OfT ne 38T zuenb9a1JsJoyUIOA 9Iq ’U9SIMII SIyBwfez9l USWWON]JOA USYy9oIqIayun -um 9197 Aosorp UI IST snwugAyyg Ja "usumouadnz eg ue uagey uauoryeljuoyTouuey Pun -SIOUJIOA AI 'I9yeds uapunyas 06T Ag 'qaay “um „7°0 :1leAI9JuJ A—V {ee} \ 20°L A 679 A 969 A erg \ "A gel g8‘9 289 6.7 959 ELF :V :ZunpfliqgaV u9agqJ9sIap In® gueg uauesdue] wop yaeu uue(T "wo 9]‘0 :IIeATo4u] A—V ggg 08% A 8%T A a0 A :A LTE 99% Is #91 Au 09°0 800 ' :V -uounpjrgqgqy Iop Zuejuy WOA neuad pg pun 98 'qqy UI “aAınysFoyloA Iop apuy MOoA qE 'qgV UI ‘usssawsd qe INIeM USUOIUIUAS U94SI9 TOP UOA 81 ®E 'qqV UT 'IgIWw uauorggeiJuoylrauwuey "mzq -JOUIOA IOp ayyundsuejuy aIp qe ayyung U94sOF woUTD UOA urW WEpul “Is ey ueur ‘(mo ZT = apunypas I) Ur. uloyowmuoz ur uadryosmumey pun -BJoyIo‘ uayosınz puegsqy U9p uaga3 ualyezZ apuaypgsusyun "uoyas nz odejyosT9wweyıdoA I9p FUnIeggIZIOA uoZuLIad I9p ue Isı Zunyumurueydols Isp Zuejyuy Ioq '(oynurM oId SEI) JqIesaıp Jqraıq Zuanbauy -sF0yIOA PIq Ioqn SnwugAyapeunoN ur uuep ‘snwuugAyuy-g:g ur 9819 enwuygAyy-T:Z I9p 9493 (UT 008: Zu g‘J) umueydons yoıma "e& 'aaV IsseM WO ag YOnIq °0 .9E 'dwaL "uapunyag ur 4197 :oyray ayylIqd "uauorpjeiuoylauwuey :oylay 99MZ "UAULOTJNEIJUOYIIWULLNIOA :ouroyy 9981] ‘(SnwugAyyg-T :7) N00]9ZI0H IodıpurgsjoAun „ueyuods“ "PONSISSHIT Oy9gI9aJULY-9YN90T 'FIOopuasueT] '"zIequoyaumuey '& 'daV "ps 44V og 'aqaV "ag 'gqgV "es ’qgaV 166 A. A. J. van Egmond: Die Frequenz der Vorhofschläge war während der Strophanthinwirkung nahezu keiner Veränderung unterworfen . Zunahme der Frequenz kam einmal vor; diese betrug 6 Schläge per Minute. In 3 Versuchen blieb die Frequenz gleich und in drei anderen Versuchen fand eine geringe Verlangsamung statt. Die größte be- obachtete Abnahme betrug 8 Schläge per Minute (von 142-134). In diesem Ver- such (vom 13. III. 1913), wo der Block spontan war, ging vor der Strophanthin- verabfolgung trotz der Frequenzabnahme von 153 auf 142 der 3 : 2-Rhythmus in den 2 :1-Rhythmus über. Diese geringen Frequenzabnahmen kommen als blockverbessernder Faktor kaum in Betracht. Völlig ausgeschaltet dürfen sie indessen nicht werden. Dies zeigte sich deutlich in dem Versuch vom 10. XII. 1913, bei welchem durch Formol neben der Leitungsstörung (2 : 1-Rhythmus) eine Frequenzverminderung von 150 auf 132 Schläge per Minute entstanden war. Als nun die frühere Frequenz der Vorkammer (150 Schläge) wieder zurückkehrte, veränderte sich der 2 : 1-Rhythmus in 5: 1-Rhythmu:. Die Freguenzabnahme betrug hier nur 18 Schläge und hatte doch eine Verschlimmerung des Blockes zur Folge. In demselben Versuch jedoch wurde unter Einfluß des Strophanthins der 5: 1-Rhythmus in kurzer Zeit in den 2 : 1-Rhythmus verwandelt, während die Frequenz während der Strophanthinwirkung etwas zunahm (von 148-154 per Minute; siehe oben). Bei diesem Herzen, das offenbar für Frequenzveränderungen besonders empfindlich war, ging also ungeachtet der Frequenzzunahme während der Strophanthineinwirkung der höhere Grad von Block in einen niedrigeren Grad. über. Betreffs der anderen Versuche kann man sagen, daß bei ihnen Frequenz- veränderungen nicht als blockverändernder Faktor in Betracht kommen. ' Aus allen Versuchen zeigt sich also ohne Ausnahme, daß Strophanthin im Beginnstadium sicherlich keinen schäd- lichen Einfluß auf die Leitung zwischen Atrium und Ven- trikel ausübt; anderseits konnte eine Verbesserung der Leitungdurch StrophanthininzweiVersuchen bewiesenund in zwei anderen Versuchen wahrscheinlich gemacht werden. 2. Toxisches Stadium. Es ist allgemein bekannt, daß Strophanthin in den späteren Stadien der Vergiftung totale Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer herbeiführt, wobei bald die Vorkammer, bald wieder die Kammer schneller schlägt. Cushny!) hat dies zuerst nachgewiesen. Roth- bergerund Winterberg?) konnten elektrographisch mit ihrer Methode der kombinierten Vagus-Acceleransreizung beweisen, daß die Auto- matie der tertiären Zentra in der Kammer mehr als diejenige des Sinus- knotens durch Strophanthin zur Entwicklung gebracht wird, so daß die Vorkammer ihre Führerschaft über die Kammer verliert und diese in höherer Frequenz als die Vorkammer zu schlagen anfängt. Hieraus folgt schon, daß die Dissoziation in dem toxischen Stadium von Stroph- !) Cushny, A. R., On the action of substances of the digitalis series on the circulation in mammals. Journ. of experim. Med. 2, 233. 1897. : 2) Rothberger, C. J. und H. Winterberg, Über den Einfluß von Stroph- anthin auf die Reizbildungsfähigkeit der automatischen Zentren des Herzens. Archiv f. d. ges. Physiol. 150, 217. 1913. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 167 anthin nicht die Folge einer Beschädigung des Hisschen Bündels zu sein braucht. Wenn die Automatie der Kammern durch Strophanthin _ derartig erhöht wird, daß sie anfangen, frequenter zu schlagen als die Vorkammern, kann das Leitungssystem ganz unbeschädigt geblieben sein. Nur wenn im Stadium der Dissoziation die Kammern anfangen, langsamer zu schlagen als die Vorkammern, muß man eine schädliche Einwirkung des Strophanthins auf das Hissche Bündel annehmen. Bei beschädigtem Bündel wird die Dissoziation zwischen Vorkammer und - Kammer eher eintreten als bei normalen Herzen. Die Kammer ist wäh- _ rend der Leitungsstörung schon darauf eingestellt, bei möglichem Aus- bleiben des Reizes der Vorkammer sofort in ihrem eignen Rhythmus zu schlagen. Die Automatie der Kammer wird durch Strophanthin, wie in _ meiner früheren Mitteilung!) nachgewiesen ist, erhöht. Das für eine Kontraktion erforderliche Material wird schneller regeneriert und wird auch bei normal schlagenden Herzen angehäuft werden. Im Beginn der Strophanthinwirkung hat jedoch zunächst die Vorkammer die Füh- rung; erst später, wenn sie die Führung an den Ventrikel abtreten muß, kommt die erhöhte Automatie der Kammer zum Ausdruck. Bei einem beschädigten Bündel wird die Vorkammer die Kammer nicht so lange im Zaum halten können, wie es bei unbeschädigtem Bündel der Fall sein würde. Dann wird die Automatie der Kammer also eher zum Vor- schein treten und, weil der Rhythmus der Vorkammer von dem durch - Strophanthin zur Entwicklung gebrachten eigenen Rhythmus der Kam- mer nicht viel abweicht, wird oft ein Wechsel von automatischen und von der Vorkammer abhängigen Kammerschlägen stattfinden. Das Früherauftreten der Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer bei experimentell beschädigtem Leitungssystem braucht dann nicht die Folge direkter Giftwirkung auf das Bündel zu sein, sondern kommt im Gegenteil eher auf Rechnung der erhöhten Automatie der Kammer. Um die Entwicklung der Automatie der Kammer bei beschädigter und un- beschädigter Leitung zu untersuchen, wurden auch noch zwei Kontrollversuche mit normalen Herzen angestelit. Beifolgende Tabelle, in der die Versuche nach der Schwere der vorgenommenen Beschädigung angeordnet sind, gibt eine Übersicht über die erzielten Resultate. Aus nachstehender Tabelle geht hervor, daß bei den normalen Versuchen, in denen also keine Besehädigung des Bündels vorhanden war, die Dissoziation viel später auftritt als bei den übrigen Versuchen. Die völlige Dissoziation in den normalen Versuchen entstand 610’ und 630” nach dem Beginn der Strophanthinwirkung. Vor dieser Zeit schlugen die Vorkam- - mern in vollkommen gleichem Rhythmus. Ein Übergangsstadium, in welchem automatische Schläge mit fortgeleiteten abwechselten, wurde nicht beobachtet. In beiden Versuchen war die Frequenz vor der Dissoziation gestiegen (von 124 auf 156 und von 132 auf 168). In dem Versuch von 6. XII. 1913 fing die Vorkammer bei der Dissoziation frequenter an zu schlagen als die Kammer. Eigentümlich war 1) v. Egmond, a. a. O. 168 A. A. J. van Egmond: Se Frequenz der Systolischer 25 = Vorkammern | Stillstand der V Act ar Ei Beginn bei ersuch Art der Läsion ges Vor- | Kam- = & = En RE kammer| mern = S 2) ee ziation ae was 6. XII. 1913 normal 610” 124 156 1200’ | 1200” 8. XII. 1913 ||normal 630” 132 168 1400” | 1200”” 3. XII. 1913 |verlängertesa— v-Intervall 440” 66 |. 60 | 1600” 1 1060” 13. XII. 1913 ||spontan partieller Block 380” 126 132 | 9002| 900’ 1. XII. 1913| völliger Block (verschw. vor i d. Strophanthinwirkung) | 260” | 105 105 1790| 1790” 9. XII, 1913 | völliger Block (verschw. vor d. Strophanthinwirkung) 210” 126 129 |1040”| 710” 12. XII. 1913\völliger Block (während Stroph.-Wirk. part.Block noch nicht verschw.) 270” | 1040| 900” es, daß die Frequenz der Vorkammer im Beginn dieselbe blieb, während diejenige der Kammer langsamer wurde. Auf 6 Vorkammerschläge kamen 5 Kammerschläge oder, auf die Minute umgerechnet, auf 156 Vorkammerschläge 130 Kammerschläge. Dies beruhte nicht auf dem Ausfallen von Ventrikelschlägen: Die Kammer ant- wortete nicht mehr auf die Vorkammer, obwohl die letztere schneller schlug als die erstere. Die Kammer fing an, in ihrem eigenen Rhythmus, langsamer als die Vorkammern, zu schlagen. Dieser Übergang fand plötzlich statt. Er muß der unter dem Einflusse des Strophanthins bewirkten Erschöpfung des Hisschen Bündels zugeschrieben werden. In dem anderen Normalversuch trat die Disso- ziation ungefähr nach derselben Zeit ein. Die Kammer begann darauf schneller als die Vorkammer zu schlagen; auf 6 Vorkammerschläge kamen 7 Ventrikelschläge. Vergleichen wir nun den Zeitraum, der zwischen dem Beginn der Strophanthin- wirkung und der völligen Dissoziation bei normalen Herzen verläuft, mit demjenigen bei vorher beschädistem Bündel, dann erweist sich der Zeitraum bei letzteren. als erheblich kürzer. Er wechselt zwischen. 440” und 210”. Er ist nicht von einer stärkeren Einwirkung des Strophanthins in den verschiedenen Versuchen abhängig. Auch wenn man das Zeitverhältnis zwischen der Dissoziation und dem systolischen Stillstand der Kammer ausrechnet (wobei man den letzteren dann als Maßstab für die Stärke der Einwirkung nimmt), gelangt man zu ungefähr demselben Resul- tat. Frequenzerhöhung der Vorkammer vor der Dissoziation kommt bei den Block- versuchen nicht vor. Zuweilen (so z. B. in den Versuchen vom 13. XII. 1913 und 12. XII. 1913) findet zuvor Wechsel zwischen Automatie und Fortleitung statt. Mehrmals entsteht der völlige Block ohne Übergang aus dem normalen Rhythmus. Der Versuch vom 3. XII. 1913 steht in der Mitte zwischen den normalen und den Blockversuchen. Die Frequenz der Vorkammer ist sehr niedrig (66 per Minute). Diesem Umstande ist es vielleicht zu danken, daß nur Ausfallen einiger Ventrikel- systolen und kein 2 : 1-Rhythmus nach Formol zustande kam. Infolge des lang- lamen Rhythmus hat das Leitungssystem viel mehr Zeit auszuruhen. Aber hier muß denn auch die Automatie der Kammer schnell zum Ausdruck kommen können. In der Tat kommen bereits im Beginn der Strophanthinwirkung Extrasystolen der Kammer vor. Die Vorkammer fährt dabei fort, vollkommen regelmäßig weiter zuschlagen. Sie läßt gleichsam die Kammer eben los, die direkt einige Extrasystolen macht; unmittelbar darauf zwingt die Vorkammer die Kammer wieder, ihr zu folgen. Die Automatie der Kammer ist erhöht bei beschädigtem Leitungssystem. -Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem IIerzblock. 169 Die Folge davon ist, daß bereits im Anfangsstadium einzelne Ventrikelsystolen der Führung des Vorhofs entwischen und daß die Dissoziation früher entsteht als bei unbeschädigtem Bündel. Auch kommt es zuweilen zu einem Wettstreit zwischen Vorkammer und Kammer, wer von beiden die Führung auf sich nehmen wird. Abwechselnd kom- _ men von der Vorkammer abhängige Schläge und autonome Ventrikelschläge vor. Die letzteren können dann durch Rückleitung Extrasystolen der Vorkammer herbeiführen. Ein gutes Beispiel hierfür liefert der Versuch vom 13. XII. 1913 (Abk. 3). Hier war teilweiser Block spontan entstanden und während der Stroph- anthinwirkung völlig verschwunden. Unregelmäßigkeiten stellten sich wieder 200” nach dem Beginn der Strophanthinwirkung ein. Abgesehen von einigen Extrasystolen schlagen die Vorkammern zunächst regelmäßig weiter (Abb. 3b). Später nehmen die Extrasystolen der Vorkammern zu (Abb. 3c); schließlich nimmt die Vorkammerkurve die Form eines Bigeminus an (Abb. 3d). Die Kammerkurve bietet einen viel unregelmäßigeren Anblick dar. Bei genauem Nachmessen (Abb. 3b) stellt sich heraus, daß es einige Kammerschläge gibt, die von der Vorkammer abhängig sind. Die Leitungszeit beträgt 0,1”.. Andere Kammerschläge fallen ungefähr mit dem Vorkammerschlag zusammen (atrioventrikulärer Schlag); wieder andere verursachen durch Rückleitung eine Extrasystole des Vorhofs. Dieser Zustand verschlimmert sich, wie aus Abb. 3c ersichtlich ist. Schließlich besteht allein atrioventrikulärer Rhythmus mit zurückgeleiteten Vorhofschlägen (Abb. 3d). Es ergibt sich also, daß die Unregelmäßigkeiten des Vorhofs von der Kammer abhängig sind. Aber gleichzeitig erhellt hieraus, daß das Leitungsver- _ mögen vollständig wiederhergestellt ist; denn die Kammerschläge sind imstande, durch Vermittelung des Hisschen Bündels Vorhofskontraktionen zu erzeugen. Dasselbe ergibt sich aus der Messung des a.-v. Intervalles bei denjenigen Kammer- schlägen, welche unter dem Einflusse eines Leitungsreizes vom Vorhof her erfolgen. Das Intervall beträgt auf Abb. 3a (bei einer Vorhofsfrequenz von 138) 0,16cm = 0,13”, 15 Sekunden später 0,13”, 100 Sekunden später 0,13”. Auf Abb. 3b (Vorhofsfrequenz 100) 0,12 cm = 0,10”. Die Kammerunregelmäßigkeiten treten also bei verbesserter Überleitung auf. Auch auf Abb. 3c beträgt das a.-v. Intervall 0,12 cm = 0,10”. Die Kurve zeigt also auf das anschaulichste, daß im Stadium der Irregularitäten nach Strophanthin die Überleitung von Vorhof zu Kammer noch nicht gestört zu sein braucht. Ob die Verkürzung des a.-v. Intervalles auf der Frequenzabnahme (von 138 auf 110) beruht oder einer günstigen Strophanthin- wirkung zugeschrieben werden muß, bleibt unentschieden. Diese Erklärung der Kurve glaube ich auf Grund ihres vollkommen regelmäßigen Charakters, den sie allmählich annimmt, so geben zu müssen. Daher ist ein von der Kammer un- abhängiger Vorhofsrhythmus ausgeschlossen. In den aufeinanderfolgenden Stücken von Abb. 3 sieht man also, wie der Sinusknoten seine Herrschaft verliert, und wie tieferliegende Zentren an seine Stelle treten. Nach einiger Zeit ist dann aber der . Zusammenhang zwischen den beiden Herzabteilungen völlig verschwunden. Die Frequenz nimmt zu, wobei diejenige der Kammer größer ist als die des Vorhofes. Man braucht auch hier keine Beschädigung der Leitung anzunehmen, sondern muß vielmehr den Vorgang auf eine Zunahme der Automatie der niedriger liegenden kardiomotorischen Zentren zurückführen, während das Leitungssystem als solches durch das Strophanthin auch jetzt noch nicht beschädigt zu sein braucht. Dies trat noch deutlicher zutage in dem Versuche vom 12. XII. 1913 (Abb. 4), wo unter Einwirkung des Strophanthins der partielle Block noch nicht verschwun- den war, als die Unregelmäßigkeiten in der Kammer begannen. Hier konnte noch ein Übergang vom 2 : 1-Rhythmus in den 3 : 2-Rhythmus im Wechsel mit atrio- ventrikulären Schlägen stattfinden. Der Merkwürdigkeit dieses Phänomens wegen möge hier die Kurve, aus der dies zu ersehen ist, abgebildet werden. Man bemerkt A. A. J. van Egmond 170 awmey pun J9WWMENYNIOA UAUOSIMZ NO1IIJBEIZOSSIT dla A "ıayyds uspuuy9s 0% "ar 'aqay s0°1 A L8'L 18% ste 198 087 18°G 619 A 28'9 A RN sıT 38°T 73 ale 1243 GH gu‘s 11'9 L8‘9 BON (snwygAyy dargjnygragusAorıe) gg ur 9IM PuRIsnz aqfesIep Tapaıı FneIeg 'sne Jejyosiawweyy uld 19p9IM YıeF yaeuep 4819 : USOSRIyosI9uLUeN -IOA UEP [eWSYU0E8 UESJOF ageIyosIeumeyy old "U9PIOMaZ JIossaq You Ist Tomwey} pun JaulWmeyIoA uayosIAz ZungIaT Id "Ioygds uspunyas 07 "Pr "day 068 e17 207 830 Lo :A su gyE 243 68°T ger 890 000 :V "u9PIOM93 I9oFu1la3 Ssurugydo1s sap ZunyıMurm I9p PuaayeA Is1 ZungtoT Iap UL ZunIOIg oIp “uapuegsgua snumgLyg-g:g IST sy "Io9gds uspunyas 08 "OF 'day FIT 0<°0L A 08'6 086 N 138 60°% A GL 099 A "A 2091 gg‘oL 08°6 986 678 90'8 0%, 9,9 :V -Zunıdsiın waIeInYTIyusAolIye UOA Pun Z1duryge HdejyssPwwmeyIoNr WEUTI UOA UOIINRIQUONIIWWEM aUIO IST Pufosyaamgy 'odelyosIiawmweyloA Iop [uUeZ IaPp Y9I9]3 Is adejyasmmwwey Iap |yezZ arq 'layeds uopunyas 0, ar 'qaY "wo ‘| = apunyas I 201 98% 0LE :A 151 88°T {echt krätg ee :V ‘oynurm Aod guI zZuambarlleWwweyIoA UaU9S NZ UAUOTYEIJUONTIWWEN I9P USPIIMIIFTOIH WSOP uUR 481 AunyImumueydoigs Iap uulsag Tag "Uapumyos -19A Jowwey] I9p u9uoryeiguoyfoddoq aIq ’umueydoIs UoA ZuUnyIMurm Pusayea (snwygAyg-T: 7) N90]9ZIH uasIe MIT} Ur WOZITOA UoA Zuesisgn "TH 'day 2.898 "due, "IOS8seM WI Cg YNOuIq 'uapunyas UT NoZ :aylay ayylıq "UauoryerJuoylgwwey :9ylay 9MOMZ "U9UolyyeIJuoyIIWWENIOA :9yUTay 9981990 "TSpung ayassıH Sep Fe [owIog wesmuszold (F UoA uorgeyipddy yoınp uspuegsyus ‘N9OIqZIaH I9FIoA "MOINSISENLT ay9sIaZurg-9490T 'FIopusasuerg 'zaayuayauuey °F 'dqV or 'qaqv "pr 44V or 'qgaV ..q7 'qqv "ey 'daV Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 171 hier im Beginn der Strophanthinwirkung (Abb. 4a) erst bei langsamem Gange den 2:1-Rhythmus; die Vorkammer- und Ventrikelschläge nehmen beide an Größe zu. Die Frequenz beträgt 108 und 54 per Minute. Plötzlich ändert sich das Bild (Abb. 4b). Die Anzahl Ventrikelschläge wird derjenigen der Vorkammern gleich; aber der zweite kleinere Ventrikelschlag ist eine Extrasystole.. Die Vorkammer- kurve weist auch Unregelmäßigkeiten auf. Der kleinere Schlag kommt zu früh. Der erste große Kammerschlag erweist sich beim Messen als von der Vorkammer abhängig. Der folgende Vorkammer- und Ventrikelschlag sind aber atrioventrikulä- ren Ursprunges. Dann kehrt für kurze Zeit der 2: 1-Rhythmus zurück. Bei dem folgenden schnellen Gang (Abb. 4c) ist 3 : 2-Rhythmus entstanden. Auf 3 Vor- kammerschläge kommen 2 Ventrikelkontraktionen. Die Leitungszeit wird nach dem ersten Kammerschlage schnell größer, wie dies immer der Fall ist; der dritte Ventrikelschlag fällt aus (siehe Abb. 4c). Dieser Zustand hält etwa 20 Sekunden an, worauf wieder die in Abb. 4b dargestellte Sachlage entsteht. Dann kommt eine Gruppe, in welcher erst nach dem sechsten Vorkammerschlag ein Ventrikelschlag ausfällt, wonach wieder normal fortgeleitete und atrioventrikuläre Schläge mit- einander abwechseln (siehe Abb. 4d). Während dieses ganzen Vorganges ist die Überleitung immer besser geworden. Auf Abb. 4a beträgt die Überleitung 0,19, auf Abb. 4b 0,16, auf Abb. 4c 0,120,14, auf Abb. 4d schließlich nur 0,10. End- lich fängt dann.der Ventrikel an, ganz unabhängig von der Vorkammer zu schlagen (Abb. 4e). Aus diesen Versuchen geht also unverkennbar hervor, daß die Leitung zwischen Vorkammer und Kammer durch Strophanthin in diesem Stadium nicht beschädigt zu werden braucht. Noch während die sogenannten tertiären kardiomotorischen Zentren in Tätigkeit treten, ein Stadium, das dem toxischen nahe liegt (siehe Roth- berger und Winterberg), kann die Leitung sogar noch besser werden. Praktisch wird dies jedoch für den Blutkreislauf nicht viel Vorteil darbieten. Die regelmäßige Aufeinanderfolge der Vorkammer- und Kammerkontraktionen, welche die besten Vorkedingungen für die Blutversorgung des Körpers schafft, ist unter- brochen. An deren Stelle treten bei gleichbleibender Frequenz Irregularitäten. Ein günstiger Effekt wird hiermit nicht erzielt. Eine spezifische Beschädigung des Leitungssystems durch Strophanthin ist jedoch in diesem Stadium nicht vor- handen. In den späteren Stadien dagegen bleibt die Leitung nicht unbeschädigt, wie . dies bei schlecht entwickelter Automatie der Kammer beobachtet werden kann. Es treten dann durch Strophanthin nicht, so wie gewöhnlich, ventrikuläre Tachy- kardien auf; sondern die Kammer beginnt in dem Endstadium der Vergiftung gerade weniger schnell zu schlagen. Es besteht dann von selbst keine Gelegenheit, daß autonome Schläge mit den von der Vorkammer fortgeleiteten abwechseln. Kommt es dann zur Leitungsstörung, dann treten die verschiedenen Grade von teilweisem Block wieder auf. In 2 Versuchen konnte ein derartiger Vorgang be- obachtet werden. In dem einen Versuch (vom 10. XII. 1913), der oben schon er- wähnt wurde (siehe S. 163), bestand von Anfang an geringe Neigung der Kammer, in ihrem eigenen Rhythmus zu schlagen. Es war durch eine Frequenzzunahme von 132—150 statt 2: 1-Rhythmus 5 : 1-Rhythmus entstanden. Hierbei kam ab und zu ein automatischer Ventrikelschlag vor. Während der Strophanthin- einwirkung verschwand dieser Block völlig in 150 Sekunden. Die Frequenz blieb dabei gleich. Der wiederhergestellte Normalrhythmus blieb darauf nur 70 Sekunden bestehen. Darauf fielen wieder Ventrikelschläge aus. Nach 60 Sekunden war abermals 3 : 2-Rhythmus vorhanden. Hierbei. hatte aber eine Frequenzerhöhung von 156—168 per Minute statt, welche Erhöhung bei diesem für Frequenzverände- rungen so empfindlichen Herzen das Schlechterwerden der Leitung vollkommen erklärt. Danach wurde die Leitung wieder besser. Nach 40 Sekunden folgte auf 172 A.A. J. van Egmond: jeden Vorkammerschlag ein Ventrikelschlag. Dies kam jedoch nicht dadurch, daß die Leitungsstörung aufgehoben war, sondern dadurch, daß ein Ausfallen von Vorkammersystolen begann und die Vorkammer anfing, in anderer Frequenz zu schlagen. Nach dem Ausfallen der Vorkammersystole war das Bündel dann wieder hinreichend erholt, um die Leitung von dem Vorhof nach der Kammer zu bewerkstelligen. Hier zeigte sich, daß 320 Sekunden nach dem Beginne der Stro- phanthinwirkung sino-aurikulärer Block auftrat. Dieser Vorgang kennzeichnet sich als eine spezifische Leitungsstörung zwischen Sinus und Vorkammer, die durch Strophanthin in dem späteren Stadium der Vergiftung herbeigeführt wurde. Und dies geschah bei einem Herzen, bei welchem im Beginne der Strophanthinwirkung die Leitung zwischen Vorkammer und Kammer gerade eine Verbesserung (siehe S. 163) erfahren hatte. Im weiteren Verlaufe des Versuches trat dann noch ein geringes Alternieren zwischen autonomen und fortgeleiteten Schlägen auf. Die Automatie entwickelte sich jedoch nicht in dem Grade, wie das gewöhnlich statt- findet. Tachykardien, sowohl der Kammer als der Vorkammer, kamen nicht vor. In dem anderen Versuche (vom 28. VI. 1915), wo nach dem spontan erfolgten. Entstehen des Blockes Wiederherstellung des Rhythmus eingetreten war, ver- mochte die Kammer einer Tachykardie der Vorkammer wohl zu folgen. Die Frequenz der Vorkammer stieg plötzlich von 120 auf 190 Schläge per Minute; aber die Kammer ging sofort zu derselben Frequenz über. Vor der Einwirkung von Strophanthin hatte eine Frequenzabnahme Verbesserung der Leitung ergeben; nun dagegen verursachte eine erhebliche Frequenzzunahme der Vorkammer kein Schlechterwerden der Leitung. Hier handelt es sich um ein Herz, dessen Kammer- automatie schlecht entwickelt war. Die Vorkammertachykardie ging wieder vorüber; aber nun konnte die Kammer der Vorkammer nicht mehr folgen. ; Der Block kehrte wieder zurück, wie er entstanden war. Nacheinander erschien 3 : 2-, 2:1-, 3:1-, 4:1-, 5:1- und 6: 1-Rhythmus. Endlich standen Vorkammern und Kammern still. Diese beiden Fälle zeigen, daß in den späteren Stadien der Strophanthin- vergiftung Leitungsstörungen eintreten können. Dieses war hier deutlich zu er- kennen, weil das Strophanthin keine Zunahme der Automatie verursachte. Wenn es dies dennoch tut, dann kann die Leitungsstörung maskiert werden. Das Schlech- terwerden der Leitung durch Strophanthin kommt nichtimmerin einem solch frühen Stadium vor. Der Beweis hierfür ist insbesondere in demjenigen Falle geliefert worden, in welchem neben der Entwicklung der Automatie der Kammer Verbesse- ° rung in der Leitung eintrat. Diese Untersuchung hat also, kurz zusammengefaßt, gezeigt, daß Strophanthin im Beginnstadium fraglos keinen schädlichen Einfluß auf die Leitung zwischen Vorkammer und Kammer ausübt. Sogar konnte in zwei Versuchen eine Verbesserung der Leitung durch Strophanthin - bewiesen und in zwei anderen Versuchen sehr wahrscheinlich gemacht werden. Die Automatie der Kammer wird durch das Strophanthin mei- stens zu hoher Entwicklung gebracht. Diese erhöhte Automatie bewirkt bei experimentell beschädistem Bündel im Beginne des toxischen Sta- diums das frühe Auftreten atrio-ventrikulärer und ventrikulärer Kon- traktionen. Hierdurch entsteht oft ein Wechsel zwischen Ventrikel- schlägen, die von der Vorkammer fortgeleitet sind und autonomen Ventrikelschlägen. Die letzteren können dann durch Leitung in um- gekehrter Richtung längs des Hisschen Bündels Anlaß zum Auftreten K.: * Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 173 von Extrasystolen der Vorkammer geben. Hierdurch fangen die Vor- _ kammern und Kammern unregelmäßig an zu schlagen. Das frühe Auf- "treten der Unregelmäßigkeiten ist kein Zeichen eines Schlechterwerdens der Leitung; zuweilen bessert sich diese sogar noch während dieses Stadiums. In den späteren Stadien der Vergiftung mit Strophanthin können Leitungsstörungen auftreten, die, wenn die Automatie der Kammer nicht zum Ausdruck kommt, das Ausfallen von Ventrikel- systolen und partiellen Block zur Folge haben. Später kommt es zu vollkommener Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer, wobei häufig das Leitungssystem durch Strophanthin beschädigt ist, doch nicht zu sein braucht. Es ist auch möglich, daß die Kammerautomatie einen so hohen Grad erreicht hat, daß sie den Sinusrhythmus an Frequenz übertrifft, wodurch die Vorkammer keine Gelegenheit mehr hat, ihre Reize auf die Kammern einwirken zu lassen. Dies alles gilt nur für das überlebende Säugetierherz, das keinen anderen Einflüssen ausgesetzt ist. Bei dem Herzen des intakten Tieres _ werden die Verhältnisse noch viel verwickelter, indem dort das Herz _ Neryeneinflüssen ausgesetzt ist. Dort verursacht das Strophanthin eine Vagusreizung, die allein an sich schon verschiedene Grade von Block _ bewirken kann. Der günstige Einfluß des Strophanthins auf das Lei- & tungssystem selbst und der ungünstige Einfluß durch den durch Stro- _ phanthin erhöhten Vagustonus werden einander aufzuheben suchen. _ Der erhöhte Vagustonus bewirkt wieder Verlangsamung der Frequenz, was einen günstigen Faktor für das Besserwerden der Leitung darstellt. Die erhöhte Kammerautomatie sucht diesen günstigen Einfluß zu be- seitigen. So gibt es beim intakten Tiere eine Anzahl von Faktoren, die einesteils zusammenwirken, andernteils einander entgegenarbeiten und deren Summe schließlich die Wirkung, welche das nacn bei Leitungsstörung dort ausübt, bestimmt. Strychnin, Nach verschiedenen Untersuchern besteht die Wirkung von Strychnin auf das Herz in einer Verlangsamung und einem Kleinerwerden der Kontraktionen. Für die Literatur hierüber sei auf Smith!) verwiesen, der den Einfluß von Strych- nin auf verschiedene durch Gifte hervorgerufene Herzunregelmäßigkeiten unter- suchte. Er beobachtete nach Strychnin eine Verschlechterung von Leitungs- störungen, die durch Ouabain, Cocain, Ergotoxin und Apokodein erzeugt wurden. Ich habe am überlebenden Kaninchenherzen 17 Versuche angestellt. Hierunter waren zwei, bei denen das Strychnin auf Herzen ohne Lei- tungsstörung einwirkte. Bei 3 Versuchen bestand vollkommene Disso- ziation zwischen Vorkammer und Kammer. Bei den übrigen 12 Ver- suchen bestand teilweiser Block. Viermal entstand der Block hierbei !) Smith, M. J., The action of Strychnine in certain types of cardiac irre- gularities. Journ. Pharm. and experim. Ther. 9, 365. 1917. 174 A. A. J. van Egmond: spontan, achtmal durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer. Bei den letzten Versuchen waren die Kontraktionen der Kammer, nachdem sie anfangs sehr groß gewesen waren, allmählich sehr klein geworden. Die Ursache für das spontane Entstehen’ des Herzblockes und das Kleinerwerden der Kontraktionen lag in allen Versuchen an Verunreinigungen der Flüssigkeit. Indessen lieferten die angestellten Versuche hinreichende Data, um Aufschlüsse über die Strychninwirkung bei teilweisem Block zu geben. Die verwendeten Mengen Strychninnitrat wechselten von 1:50000 bis 1: 1000 000. Nach der Verabfolgung von Lösungen von 1 : 50 000 bis 1 : 500 000 werden die Kontraktionen der Kammer kleiner. Bisweilen geht eine leichte Ver- größerung vorher. Die Vorkammerkontraktionen bleiben meistens an Größe un- verändert. Vereinzelt bemerkt man, daß die vorher stillstehenden Vorhöfe wieder anfangen, kleine Kontraktionen zu machen. Mitunter werden auch die Vorkammer- schläge größer. Die Frequenz der Vorkammern nimmt in den meisten Fällen ab. Diese Frequenzabnahme, welche bei völligen Gleichbleiben von Temperatur und Druck auftritt, ist oft bedeutend; sie beträgt manchmal 50 Schläge per Minute, Abb. 5a. Abb. 5b. Abb.5. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. Völliger Herzblock. Die Vorkammern (nicht auf der Abbildung registriert) stehen still. Temp. 35° C. Druck 85cm Wasser. — Abb. 5a. Vor Verabfolgung von Strychnin: Frequenz der Kammern: 26 per Minute. — Abb. 5b. Nach Verabfolgung von Strychnin (1: 100000): Die Ausschläge sind kleiner geworden; die Frequenz ist herabgegangen (bis 19 per Minute). Man sieht einige schnellere Ventrikelschläge den regelmäßigen langsamen Rhythmus unterbrechen. ist meistens aber geringer. Benutzt man eine kleinere Strychninrhenge (1: 1000 000), dann treten nahezu keine Veränderungen in Größe und Frequenz der Vorkammer- und Kammerschläge auf. Unter 7 Versuchen, die mit dieser Menge angestellt wurden, verminderte sich nur zweimal die Vorkammerfrequenz (um 24 Schläge per Minute), einerlei, ob Block bestand oder nicht. In 3 Versuchen bestand kompletter Block. In zwei von ihnen, wo eine Lösung von 1: 1000 000 benutzt wurde, traten keine Veränderungen in den Herzkon- traktionen ein. In dem dritten Versuche wurde eine Lösung von 1 : 100 000 ver- abfolgt. Die Kammerfrequenz nahm bei gleichbleibender Temperatur von 26 auf 20 Schläge per Minute ab; die Kontraktionen wurden dabei kleiner. Ab und zu kamen einige schnellere Ventrikelschläge vor (siehe Abb. 5). Als der Lösung noch ein wenig Strychnin hinzugesetzt ward, nahm die Größe und die Frequenz der Schläge weiter ab und standen die Kammern schließlich still. Die Vorkammern Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 175 standen bereits von Anfang an still und zeigten auch nach der Verabfolgung von Strychnin keine Kontraktionen. In den 4 Versuchen, in welchen spontan Block entstanden war, verbesserte Strychnin die Leitung. Wie schon mehrmals er- wähnt, bessert sich diese spontane Leitungsstörung niemals von selbst; im Gegenteil nimmt die Leitung zugleich mit der Contractilität all- mählich ab. Die Verbesserung der Leitung war am stärksten in dem Versuch vom 12. III. 1918 ausgeprägt, wo der spontan entstandene partielle Block reichlich 500 Sekunden bestanden hatte und der 2 : 1-Rhythmus in 3 : 1-Rhythmus übergegangen war. In demselben Augenblicke, wo Strychnin (1 : 500 000) in das Herz gelangte, wurde der normale Rhythmus wiederhergestellt. Hierbei nahmen die Kontraktionen des Ventrikels enorm an Größe zu. Ehe Block eintrat, hatte ein Pulsus alternans bestanden. Die Ausschläge der großen Schläge waren 1,45 cm, die der kleinen 0,60 cm. Die Ausschläge der Kammer bei dem 3 : 1-Rhythmus, unmittelbar vor der Wiederherstellung des normalen Rhythmus waren 1,00cm und 0,55 cm. Nach der Wiederherstellung des Rhythmus nach Strychnin waren sie bzw. 2,15 cm und 1,50 em. Die kleinen Ausschläge des Pulsus alternans waren nach Strychrin also noch größer als die großen bei dem normalen Rhythmus. Bald wurden die Kontraktionen der Kammer sehr viel kleiner (0,90 cm), während der Pulsus alter- nans verschwunden war. Einige Zeit darauf kehrte der 2 : 1-Rhythmus noch auf kurze Zeit zurück; aber danach stellte sich der normale Rhythmus wieder ein, der nun dauernd bestehen blieb. Die Vorkammerfrequenz war von 132 auf 108 per Minute herabgegangen. Zum Teile ist denn auch die Rückkehr zum normalen Rhythmus der Frequenzabnahme zuzuschreiben. Daß diese jedoch nicht der wichtigste Faktor ist, beweist der Versuch vom 7. III. 1918 (Abb. 6), bei dem die Frequenz der Vorkammer vor Anwendung des Strychnins von 156—126 per Minute abnahm und der normale Rhythmus doch in 2 : 1-Rhythmus und danach in einen abwechselnden Rhythmus von 3:1 und 2:1 überging. Ehe Strychnin ins Herz kam, hatte die partielle Leitungsstörung 720 Sekunden bestanden. Als dann Strychnin (1 : 100 000) ins Herz gelangte, nahm erst der Block etwas zu (während 140 Sekunden); aber darauf entstand 2 : 1-Rhythmus und in 100 Sekun- den war der normale Rhythmus wiederhergestellt. Die Frequenz war inzwischen noch von 126 auf 106 per Minute zurückgegangen. Abb. 6 läßt die verschiedenen Stadien des Herzblocks erkennen und zugleich den schnellen Übergang des anor- malen Rhythmus in den normalen unter der Einwirkung von Strychnin (Abb. 6d). Die Strychninmenge ist schädlich für die Contractilität. Dies sieht man in der Abbildung an der, wenn auch nur geringen Abnahme der Größe der Kontraktionen, erst bei dem 2 : 1-Rhythmus, danach bei dem normalen Rhythmus. Die Abnahme der Contractilität geht hier mit einer Verbesserung der Leitung gepaart, wie dies auch bei Campher und Physostigmin zu sehen ist. In diesem Versuche fand also Frequenzabnahme statt und doch nahm vor der Verabfolgung von Strychnin der Grad des partiellen Blocks zu. Nach Durchströmung mit Strychnin sank die Frequenz langsam weiter; aber direkt nach der Strychninzufuhr kehrte der nor- male Rhythmus wieder zurück. Die günstige Wirkung auf die Leitung muß hier hauptsächlich dem Strychnin zugeschrieben werden. In dem Versuche vom 9. III. 1918, bei welchem eine Strychninlösung von 1 : 170 000 hinzugesetzt wurde, nachdem der Block zum 4 :1- und 5 : 1-Rhythmus gekommen war, dauerte es längere Zeit (690 Sekunden), ehe der Normalrhythmus wiederhergestellt war. Sogar fand teilweise noch eine Verschlechterung der Leitung statt (vom 3 : 1-Rhyth- mus zum 4 :1-Rhythmus), aber schließlich kehrte doch der normale Rhythmus A. A. J. van Egmond "UOWWOUISAL 9J019 UR uagey Iamwey} I9op usgıualoıp SI9puosagq "uauoryyeiyuoy ald '9 ge "dust 'oymurm 1od 9seiyas 96 :zuanbsig "uaysgsaq JLogsadun JqraIg SnwygAyyg afewlou I9q "IoJeds uapunyas 00T "99 'gaaVY — 9.918 ‘dwst "louaopy USUOLNEIJUONIIUWEM IP USPIAM SnwugAyy uafeunlou sap Zunffs4sIayLspeIM I9p Y9eu yoany 'Iauloıy SemI9 THwwey A9pP USUOINIEIYUOM 9IP UAPIIM snwugäyuy-T:g Bap pusiyeM 'ajnumm Iad ade]yos 05T uUIWWeNIoA Iap zuanbarg "ur snwugAyuy Joferu -Iou pun snwygAyg-g:g ‘snwugAyyg-T:z ur Zuedrsgn 49114 uueq (SeiyospoxryusA UTO UONNENNUONTEWWENIOA USNIP IOP Yoeu 9819 43107 oem aFrurm)- "NIOIT UOA PeIy I9yoy you yarsurrue 4yo9saq Zunpjiqqy Top uurdag wiag "zIo sep yoınp (000.001: T) wruyoXrs uspunyag OT pus91yeM YWUOIIS USY9SIMZUT 'Ia4gds uopunyag 0Cg 'P9 'QqY — 'IOJy9aJy9s 314948 Jungle aIp PIIM owyeugezuanbaly Z40IL 0 „g')g 'dwaL 9Dg]9S ZeI me 4IapumwmıaA ulgwweyIoA I9p zZuenbarg 'snwugAyy-T:z ulojfe unu Jya9soq SM ’SNIOIT UASIOMILE4 89P ZUnyoINJug aroyoM ı9yeds uspunyas 081 09 'qQgQVY — 9 .8E 'dwaL "FL :urwweyIoA Iop zuenberg 'snwygAyy-T:Z pun -2:g pufsypomge Jnermep ‘snuu -ugAyg-z:E Junpirgaqy Iop uursag ug 'sT0OJT USSTOMIIEF SEP ZunTNoTAyum SIafaM "Ioygds uopunyag 028 "49 'AAY — 'D .C'gE dweL 'agnurm z9d 9seyas 09T :A9wweNIoA A9p Zusmbairg 'sme JejyospayriyuaA UT YIIBF FejyoasıauureyIoA 'G Iapo 'F “g wapal yoen "ZunıogssgungteT 19p uayogsyum "89 'ggqyY — 'IOsseM WO gg NOnıq "uepunyag UT 49Z :9yTay ATI "UEUOTNEIYUONIWWEYN :aUTIy aaAZ "UOUOLIyeIguoy -IHWWBNIOA :9UToY 9481940 "NIOLIZIOH IOSI9MJIeF „ueyuods“ "MOysIssnIg ayosIogury-a490oT 'IJFILopuagueT 'zIoeyuaypumuey ‘9 'qqYy 9 'gqaVv "P9 "44V 9 aqaV "q9 'qqV “eg 'qaV wo spontan Block entstand, wurde eine Der normale Rhythmus kehrte hier nach ’ wieder zurück. In dem letzten Versuch Lösung _von 1 1 000 000 benutzt. 320 Sekunden zurück, obwohl diese Dosis auf Contractilität und Fre- quenzkeinenEinfluß mehr ausübte. Dieser Versuch besitzt also besondere Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 177 Beweiskraft. Außer in dem letzten Falle nahm die Frequenz immer ab; desgleichen verringerte sich die Größe der Kontraktionen. Aus diesen Versuchen geht also hervor, daß Strychnin eine günstige Wirkung auf die Leitung ausübt. Wenn kein ‚Strychnin hinzugefügt wird, tritt stets Verschlimmerung der Leitungs- störung ein. Daß es zuweilen verhältnismäßig lange dauert, ehe die Leitung wiederhergestellt ist, braucht nicht zu verwundern; denn die Verunreinigungen der Nährflüssigkeit, welche den Block in diesen Ver- suchen verursachen, strömen zugleich mit der Strychninlösung durch das Herz und wirken der günstigen Arzneiwirkung entgegen. Dies tritt deutlich in dem Versuche vom 9.III. 18 zutage (siehe oben), wo zeitweilig noch ein Schlechterwerden der Leitung zu verzeichnen war, .das indessen gegenüber der Strychninwirkung nicht standhalten konnte. Auch wenn der Block durch Kupfer herbeigeführt ist, bemerkt man keinen schädlichen Einfluß des Strychnins avf die Leitung, zuweilen sogar einen deutlichen günstigen Effekt. Wie oben gesagt, zeigte keiner dieser Versuche normale Kon- traktionen, vielmehr waren diese allmählich sehr klein geworden. Bei einem Ver- suche entstand nach Berührung mit\Kupfer teilweiser Block, der sich allmählich verschlimmerte. Als Strychninlösung (1 : 1000000) in das Herz gelangte, ging zunächst der 4 : 1-Rhythmus, der damals bestand, nacheinander in 5: 1-, 6: 1-, 7 :1- und 8 : 1-Rhythmus über (nach 200 Sekunden). Darauf wurde die Leitungs- störung wieder geringer und kehrte der 2: 1-Rhythmus (nach 200 Sekunden) wieder zurück. Die Frequenz der Vorkammer blieb dabei gleich (114 per Minute). Darauf wurde wieder auf Ringersche Flüssigkeit umgestellt. Der Block kehrte "nun abermals zum 8: 1-Rhythmus zurück. Ein zweimal wiederholter Wechsel zwischen Strychninlösung und Ringerscher Lösung ergab jedesmal das gleiche Resultat. Dieses abwechselnde Besser- und Schlechterwerden nach dem Durch- fluß von Strychnin und Ringerscher Flüssigkeit beweist ebenfalls die günstige Wirkung von Strychnin auf die Leitung. Ein anderes Mal bewirkte eine Verstär- kung der Strychninlösung von 1 : 1 000 000 auf 1 : 500 000 eine Wiederherstellung des 2 : 1-Rhythmus, der 420 Sekunden bestanden hatte, zum normalen Rhythmus. In den anderen Versuchen verschwand der teilweise Block schnell, nachdem das Strychnin ins Herz gelangt war. Diese Versuche bieten aber keine weiteren Be- sonderheiten, weil nicht feststeht, ob nicht ohne Strychnin dasselbe geschehen wäre. Bisher konnte stets eine Verbesserung der Leitung durch Strychnin in wechseln- den Mengen nachgewiesen werden. Diese Verbesserung in der Leitung erfolgte, obgleich in der Ringerschen Flüssigkeit ein Stoff vorhanden war, der entweder Block verursachte oder aber einen schädlichen Einfluß auf die Contractilität aus- übte. Es bleiben jedoch 4 Fälle übrig, in denen trotz der Anwendung von Strychnin- lösung eine lange Dauer des Blocks konstatiert wurde. Hier war offenbar der schäd- liche Einfluß des die Leitung beeinträchtigenden Stoffes besonders groß, so daß die günstige Strychninwirkung dadurch maskiert wurde. In diesen 4 Versuchen, wo der Block durch Berührung mit Kupfer entstanden war und Strychnin in Lösungen von 1 : 50 000bis1 : 1000 000 durch das Herz strömte, dauerte es bzw. 500, 650, 1100 und 2000 Sekunden, ehe der partielle Block wieder in normalen Rhythmus übergegangen war. Hätte ich zur Zeit dieser Versuche über normale Ringersche Flüssigkeit verfügt, dann würde man von einem schädlichen Einfluß auf die Leitung durch Strychnin sprechen müssen. Jedoch wurde hier mit anor- maler Ringerscher Flüssigkeit experimentiert, und infolgedessen war es unmög- lich, die günstige Strychninwirkung nachzuweisen. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 12 178 A. A. J. van Egmond: Das Ergebnis dieser Untersuchung ist also, daß beit zwölf Ver- suchen, bei denen partieller Block bestand, in sechs Fällen eine deut- liche VerbesserungderLeitungnachgewiesen werdenkonnte; in zwei weiteren Fällen ging der teilweise Block in Normalrhythmus über, ohne daß wir berechtigt wären, diese Verbesserung mit einem Einflusse von Strychnin in Zusammenhang zu bringen. In vier anderen Versuchen wurde eine lange Dauer des Blockes beobachtet. Bei diesen letzten Fällen konnte der günstige Effekt des Strychnins auf die Lei- tung nicht nachgewiesen werden, weil verunreinigte Ringersche Flüs- sigkeit benutzt wurde, welche die in den ersten sechs Fällen so auffallend günstige Strychninwirkung dem Blicke entzog. Barium- und Caleiumchlorid. Konnten in meiner früheren Mitteilung!) beide Stoffe, Ba und Ca, gemeinschaftlich besprochen werden wegen der Gleichartigkeit ihrer Wirkung auf die automatisch schlagenden Kammern bei totalem Block, wenn auch die anzuwendende Menge bei Kalk viel größer ist als bei Barium, so ist die Sachlage bei dem partiellen Block eine andere. Hier spielt die größere Giftigkeit des Bariums eine wichtige Rolle. Das Barium übt schon in sehr kleinen Mengen einen schädlichen Einfluß auf das Leitungssystem aus, während sich diese ungünstige Wirkung beim Calcium erst bei sehr großen Mengen geltend macht; ja kleine Mengen Calcium fördern sogar die Leitung. Wegen der verschiedenen Wirkung von Ba und Ca bei partieller Tunes POrunE wird jeder der beiden Stoffe gesondert behandelt werden. Bariumchlorid. Wie bekannt übt Barium, obschon seine Wirkung sonst 'mit der- jenigen des Caleiums große Übereinstimmung zeigt, einen schädlichen Einfluß auf das Herz aus. So ist es z. B. nicht gelungen, in Ringers Flüssigkeit das Calcium durch Barium zu ersetzen [Lussana]?). Intra- venös injiziert bei intakten Tieren ruft es tachykardische Anfälle und schließlich Herztod hervor [Boehm]®). Seine Wirkung auf das über- lebende Herz ähnelt derjenigen von Digitalis: erst Vergrößerung von Ausschlägen [Kakowskij?), später systolischer Stillstand. MR Zunächst habe ich die Wirkung des Bariums auf das normalschlagende Herz verfolgt, um die bei partiellem Block anzuwendende Menge auszuprobieren. In 1) v. Egmond a.a. 0. 2) Lussana, Th., Action de quelques medifications des liquides de perfusion sur le coeur isole. ine int. de Phys. 13, 415. 1913. 3) Boehm, R., Über die Wirkung der Barytsalze auf den Tierkörper. Schmiede- bergs Archiv 3, 216. 1875. 4) Kakowski, Über den direkten Einfluß verschiedener Substanzen auf das Herz. Archiv intern. de Pharm. et de Ther. 15, 21. 1905. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 179 großen Dosen (1 : 5000) bewirkt Barium anfangs Vergrößerung und Beschleuni- gung der Vorkammer- und Kammerschläge. Diese Vergrößerung ist jedoch vor- übergehend. Danach werden die Kontraktionen kleiner, bis schließlich die Kam- mern in Systole stillstehen. Vor dem systolischen Stillstand aber beginnen die Vorkammern und Kammern in gesondertem Rhythmus zu schlagen, es entsteht also, ebenso wie bei Digitalis, völliger Herzblock. Wendet man kleinere Mengen an, so nehmen die bei größerer Dosis auftretenden Reizungssymptome der Ventrikel ab. Diese können dann lange Zeit in etwas schnellerem Tempo regelmäßige, nicht vergrößerte Kontraktionen ausführen. Nach kürzerer oder längerer Frist, je nach der gebrauchten Dosis, treten Vorhofsunregelmäßigkeiten auf, die in einigen Extra- _ systolen bestehen, denen oft, aber nicht immer, eine Pause folgt. Der Ventrikel folgt diesen unregelmäßigen Vorhofsschlägen. Die Erscheinung tritt noch bei einer Menge von 1 : 170 000 auf. Jedoch werden bei dieser Menge lange Zeit hindurch (2/, Stunde) regelmäßige Kontraktionen des Herzens verzeichnet. Die bei partiellem Block angewandten Dosen wechselten denn auch zwischer 1 : 50 000 und 1 : 170 000. Es wurden 7 Versuche mit BaCl, an Herzen mit partiellem Block angestellt. Die Leitungsstörung wurde teils durch Abklemmung des Hisschen Bündels, teils durch Berührung mit Kupfer hervorgerufen. Die Giftlösung ward schnell durch Öffnen eines Hahnes an der Herzkanüle zum Herzen geführt, wodurch zeitweise Verände- rungen in der Temperatur auftraten, welche in einigen Versuchen eine Verlang- samung des Herzschlages herbeiführten. BaC], wirkt auf das Leitungsvermögen ungünstig. Bei 5 Versuchen konnte bei diesen kleinen Mengen ein nachteiliger Einfluß auf den teilweisen Block nachgewiesen werden. Der durch das BaCl, dem Leitungssystem zugefügte Schaden ist aus der langen Dauer des partiellen Blockes und zuweilen aus dem Übergang von partiellem zu totalem Block ersichtlich. Dies letztere wurde einmal beobachtet. In dem Versuch vom 22. 1. 1918 wurde, nachdem durch Abklemmung des Hisschen Bündels 2 : 1-Rhythmus entstanden war, wobei die Frequenz der Vorhöfe 210, diejenige der Kammern 105 betrug, BaCl, (1: 170 000) durch das Herz geleitet. Die Frequenz blieb hiernach genau dieselbe; die Ausschläge der Kammern nahmen von 1,40 auf 1,30 cm zu. Der 2 : 1-Rhythmus blieb 200 Sekunden bestehen; darauf entstand 3 : 2--Rhythmus. Im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verlaufe kehrte der 2: 1-Rhythmus darauf wieder zurück, worauf abwechselnd 970 Sekunden hindurch 3:2-Rhythmus und 2: 1-Rhythmus bestand. Um den schädlichen Einfluß des Bariums noch deutlicher in die Erscheinung treten zu lassen, wurde die Lösung verstärkt auf 1 : 100 000. Der zu dieser Zeit bestehende 3 : 2-Rhythmus ging darauf in den 2 : 1-Rhythmus über und 200 Sekunden später in totalen Block. Der un- günstige Einfluß des BaCl, auf die Leitung tritt hier deutlich zutage. Der Kampf, welcher zwischen dem vorhandenen natürlichen, leitungsverbessernden Faktor und dem durch das Bariumchlorid verursachten, leitungverschlechternden Faktor stattfand, kam in dem wechselnden 2 :1- und 3 : 2-Rhythmus zum Ausdruck, während eine Verstärkung der Giftlösung eine vollkommene Aufhebung der Lei- tung zwischen Vorhof und Kammer herbeiführte. Nicht immer tritt dieser schlechte Einfluß so deutlich ans Licht. Der partielle Block geht oft ziemlich schnell in Normalrhythmus über. Aber doch muß man, wenn bei einer beträchtlichen Frequenzabnahme der Vorkammern ein 3 : 2-Rhythmus bestehen bleibt oder ein 3:2-Rhythmus in 2 : 1-Rhythmus übergeht, auch wenn dies nur für kurze Zeit ist, diese Erscheinung einem schlechten Einflusse des Bariums zuschreiben. So blieb einmal nach 1 : 100 000 BaCl, der 3 : 2-Rhythmus während 130 Sekunden bestehen, während die Vorkammerfrequenz von 160 auf 108 per Minute herabsank. Diese bedeutende, durch Temperaturunterschied verursachte Frequenzverminde- - rung mußte natürlich in nicht geringem Grade bei dieser verhältnismäßig leichten Leitungsstörung die Wiederherstellung der Leitung befördern. Und ein anderes Mal 7 : 12* SORT: A. A. J. van Egmond: ging ungeachtet einer Frequenzabnahme von 102 auf 84 per Minute der 3 : 2-Rhyth- mus während der Durchströmung mit einer Lösung von 1 : 50 000 BaC], in 2 : 1- Rhythmus über. Es fand also ein Schlechterwerden der Leitung unter dem Ein- flusse des Bariums statt, obwohl die Leitung infolge der niedrigeren Frequenz mehr Gelegenheit hatte, besser zu werden. Bisweilen bietet sich Gelegenheit, während des partiellen Blocks die von Rothberger und Winterberg nachgewiesene und von mir!) bei totalem Block so ausgesprochen gefundene erhöhte Automatie der tertiären kardiomotorischen Zentren zu beobachten. In dem Versuche vom 1. II. 1918 wurde, nachdem durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer partieller Block hervorgerufen war, eine Lösung von 1 : 50 000 BaCl, durch das Herz geleitet. Nach 80 Sekunden ging IE chenen N. Auan ANA \ IM VI) v f V, IM Bi IW 4 JR iR " BR UM) In W Abb. 7. Kaninchenherz,. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssig- keit. Oberste Reihe: Vorkammerkontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe: Zeit in Sekunden. Temp. 38°C. Druck 85 cm Wasser. Durch das Herz strömt eine Lösung von BaC], (1:50000). Beim Beginn der Abbildung (schneller Gang des Kymographions) besteht 2:1-Rhythmus. Es entsteht dann eine ventrikuläre Tachykardie. Die Kammern schlagen hierbei unabhängig von den Vorkammern. Diese Tachykardie geht vorüber und der 2:1- Rhythmus erscheint von neuem. Man sieht bei langsamem Gange noch zweimal dieselbe Erscheinung auftreten. Während der Tachykardie der Kammer sind an der Kurve die Vor- kammerkontraktionen nicht mehr wahrnehmbar. der 2: 1-Rhythmus zeitweilig in einen Wechsel von 2:1- und 3 : 1-Rhythmus über, wobei alternierend nach zwei und nach drei Vorkammerschlägen ein Kammer- schlag folgte. Die Frequenz der Vorkammern war hierbei von 132 auf 120 per Minute zurückgegangen. Danach entstand wieder 2 : 1-Rhythmus. Nun wurde jedoch der regelmäßige Verlauf der Kurve ab und zu durch kleine Anfälle von ventrikulären Tachykardien unterbrochen. Zunächst traten nur einzelne schnellere Kammerschläge auf; aber später nahm die Länge der Perioden zu, in welchen die Kammer unabhängig und schneller als die Vorkammer schlug. Nach 600 Sekunden war der partielle Block verschwunden und schlugen die Vorkammern und Kammern wieder ganz im gleichen Rhythmus. Als nun mit Kupfer nochmals partieller Block hervorgerufen wurde, konnte man dieselbe Erscheinung noch mehrmals beobachten. Abb. 7 veranschaulicht dieses Phänomen. Die Vorkammerkontraktionen sind nicht völlig unabhängig von den Kammerkontraktionen registriert; aber man I)ayz Egmond a. a. 0. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 181 erkennt doch deutlich die kleinen Zähnchen auf der Kurve als Repräsentanten der Vorkammerkontraktionen. Die großen Ausschläge in der Vorkammerkurve kommen auf Rechnung des Ventrikels. Bei schnellem Gange des Kymographions sieht man erst den 2 : 1-Rhythmus, der in eine ventrikuläre Tachykardie übergeht, während man bei langsamem Gange noch zweimal eine Wiederholung dieses Vorgangs sieht. Das BaCl, übt also einen schädlichen Einfluß auf die Leitung aus. Dies ergibt sich in verschiedenen Versuchen aus dem Übergange des partiellen in totalen Block, aus der abnorm langen Dauer des partiellen Blocks, aus dessen Bestehenbleiben bzw. Verschlimmerung trotz er- heblichen Rückganges der Frequenz. Mitunter sieht man nach Verab- folgung kleiner Mengen BaCl, während des partiellen Blockes ventri- kuläre Tachykardien auftreten als Folge der erhöhten Reizbarkeit der tertiären kardiomotorischen Zentren, welche die Kontraktionen der unabhängig schlagenden Kammern verursachen. Caleiumchlorid. Die Wirkung von Calcium (in kleinen Mengen) auf das normale - Herz besteht in einer Verstärkung der Kontraktionen und in Frequenz- zunahme. Es erhöht den Tonus des Herzens. Diese von Langendorff und Hueckt), Gross?), Rothbergerund Winterberg?) festgestellten "Tatsachen vermochte ich in einigen Kontrollversuchen zu bestätigen. Es war nun interessant, zu untersuchen, wie das Calcium bei Leitungs- störungen wirken werde, um so mehr, da Gross nach größeren Mengen . ein Ausfallen von Ventrikelschlägen wahrnahm. Es wurden 7 Versuche am überlebenden Säugetierherzen bei partiellem Block ausgeführt. In einem der Versuche war der Block spontan entstanden, in den sechs übrigen wurde er durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer erzeugt. Zu 500cem der Locke-Ringerschen Lösung wurde 0,5—2cem 1Oproz. CaCl, (1—4 : 10 000) hinzugesetzt. Die Calciummenge wurde im Laufe des Versuches noch durch Hinzufügung mehrerer Kubikzentimeter derselben Lösung verstärkt. Im allgemeinen kann man sagen, daß durch Calcium in kleinen Mengen kein ‚ schlechter Einfluß, sondern sogar ein geringer günstiger Einfluß auf die Leitung ausgeübt wird. In vier von den 6 Versuchen verschwand der partielle Block nach Verabfolgung von CaCl, in kurzer Zeit. Zuweilen fand hierbei eine Frequenz- abnahme der Vorkammerschläge durch Temperaturwechsel statt (von 138 auf 102 Schläge per Minute). Der Übergang des partiellen Blockes in normalen Rhyth- mus kann dann natürlich nicht einem günstigen Einflusse des CaCl, zugeschrieben werden. Anders ist es, wenn die Frequenz der Vorkammer zunimmt. So bestand einmal abwechselnd 3 :1- und 2: 1-Rhythmus. Die Vorkammerfrequenz stieg von 90 auf 168 Schläge per Minute nach Verabfolgung von CaCl, (1: 2500) und unbeschadet dieser bedeutenden Frequenzerhöhung ging nach 100 Sekunden dieser partielle Block in normalen Rhythmus über. Man muß hier einen günstigen Ein- 1) Langendorff und Hueck, Die Wirkung des Caleciums auf das Herz. Archiv f. d. ges. Physiol. 96, 473. 1903. } 2) Gross, Die Bedeutung der Salze der Ringerschen Lösung für das iso- lierte Säugetierherz. Archiv f. d. ges. Physiol. 99, 204. 1903. 8) Rothberger, J. und H. Winterberg, Über die Verstärkung der Herz- tätigkeit durch Calcium. Archiv f. d. ges. Physiol. 142, 523. 1911. 182 A. A. J. van Egmond: fluß des Caleiumchlorids annehment); denn die Steigerung der Frequenz würde ohne Anwendung von Ca(l], eine Verschlimmerung des Blockes herbeigeführt haben. Dieser günstige Einfluß des Caleciums auf das Leitungsvermögen kommt auch zum Ausdruck, wenn der Herzblock spontan entstanden ist. In dem Versuch vom 17. XII. 1917 entstand erst abwechselnd 3 : 2- und 2 : 1-Rhythmus, darauf nach- einander 2 :1-,3:1-,4:1- und 5 : 1-Rhythmus. Der spontan entstandene Block verschlimmerte sich also stetig. Durchströmung des Herzens mit 1 ccm 10 proz. Call, : 500 R. (= 2: 10.000) brachte diesen 5 : 1-Rhythmus in 40 Sekunden zum Normalrhythmus zurück. Indes ist der günstige Einfluß des Caleiums, der hier unbe- streitbar zutage trat, nicht besonders groß. Denn nachdem der normale Rhythmus etwa 200 Sekunden bestanden hatte, kehrte derselbe während die Frequenz der Vor- kammer gleich blieb, wieder zum 3 : 2-Rhythmus zurück. Perioden von normalem Rhythmus und 3 :2-Rhythmus wechselten nun regelmäßig einander ab. Die Wirkung des blockerzeugenden Stoffes, der in der Flüssigkeit schon vorhanden war, konnte also wohl zum Teile, aber nicht ganz durch das Calcium aufgehoben werden. Der günstige Effekt, den CaC], auf die Leitung auszuüben vermag, ist jedoch nicht immer vorhanden. Einmal war bei gleichbleibender Frequenz der Vorhöfe der Rhythmus nach Verabfolgung von Calcium (1: 10 000) nach 660 Sekunden noch nicht wieder hergestellt; vielmehr blieb der 2 : 1-Rhythmus im Wechsel mit 3:2-Rhythmus bestehen. Die Calciummenge war hier nicht kleiner als in den vorigen Fällen. Aus diesem Umstande einen schlechten Einfluß des Caleiums zu folgern, scheint mir im Hinblick auf die übrigen Versuche nicht erlaubt. Viel eher muß an einen zufällig lange dauernden Block gedacht werden, der durch Caleium nicht verbessert wurde. In kleinen Mengen übt CaCl, also sicherlich keinen schädlichen Einfluß auf das Leitungsvermögen aus. Zuweilen konnte sogar eine sehr geringe günstige Wirkung nachgewiesen werden. Größere Mengen CaCl, wirken aber immer ungünstig auf die Leitung. Diese Beeinträchtigung des Leitungssystemes findet sowohl bei Herzen, deren Bündel zuvor lädiert wurde als bei intakten Herzen statt. Sie kam recht bald in demjenigen Versuche zum Aus- druck, bei dem nach dem spontan entstehenden Block durch CaCl, (2 : 10 000) der normale Rhythmus wieder zurückgekehrt war, aber danach die Leitungs- störung wieder dann und wann auftrat. Zunahme der Konzentration des Caleiums auf 4 : 10 000 führte nun ein abwechselndes Auftreten von 3 : 2- und 2: 1-Rhyth- mus herbei; der normale Rhythmus kehrte nicht mehr zurück (siehe vorige Seite). In anderen Versuchen mußten viel stärkere Konzentrationen angewandt werden; aber ausnahmslos konnte in 9 Versuchen schließlich partieller Block durch CaCl, hervorgerufen werden, sei es nun, daß dies 3 : 2-Rhythmus oder 2:1-Rhythmus war. Die Konzentration Calcium, mit der dieses Resultat erreicht wurde, betrug ungefähr 1.:1000. Einmal wurde ein höherer Grad von Block durch große Mengen CaCl, erreicht. Es entstand schließlich 8: 1-Rhythmus. Es ist klar, daß hier die Automatie der Kammer durch das Caleium nicht zur Entwicklung gebracht wurde. Zuweilen wurde der 2: 1-Rhythmus durch eine Tachykardie der Vorkammern herbeigeführt. Die Kammern schlagen dann in ihrem gleichen Rhythmus weiter, während die Vorhöfe doppelt so schnell zu schlagen beginnen. Der Übergang zutn normalen Rhythmus oder zu dem 2 : I-Rhythmus erfolgt durch einen atrio-ventrikulären Schlag, wie Abb. 8 dies erkennen läßt?). 1) Vgl. mit Coffein (S. 185), wo bei einer Zunahme der Frequenz (von 186 auf 198 per Minute) der normale Rhythmus wieder in 3 : 2-Rhythmus übergeht. 2) Vgl. die Beobachtungen von De Boer über Rhythmusänderungen bei Digi- talisvergiftung; Verslag Akad. v. Wetensch. Amsterdam 25, 822. 1916; und Archiv Neerl. Physiol. 3, 90. 1918. | | . | Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 183 KERTaNL] \ Mj N MN) N l, Abb. 8a. Abb. 8b. Abb. 8. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssig- keit. Oberste Reihe: Vorkammerkontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe: Zeit in Sekunden. Der Locke-Ringerschen Flüssigkeit sind 51/;, cem 10 prozentiger Lösung von CaC], zugesetzt. — Abb. 8a. Der 2: 1-Rhythmus geht in normalen Rhythmus über. Der Rhythmus der Kammer bleibt hierbei derselbe, während derjenige der Vorkammer bis auf die Hälfte zurückgeht. Vor Eintritt des normalen Rhythmus bemerkt man zwei atrioventriku- läre Schläge. — Abb. Sb. Übergang vom normalen Rhythmus in 2:1-Rhythmus durch Ver- doppelung der Vorkammerschläge. Die schädliche Einwirkung, welche das CaCl, auf die Lei- tung ausübt, tritt also erst bei sehr großen Mengen zutage; in kleinen Mengen hat Calcium eine geringe günstige Wir- kung auf das Leitungsvermögen. ai Mm m | Adrenalin. | Die Wirkungen des Adrenalins bei partiellem Block sind viel leichter zu verfolgen als die des Strophanthins. Auf erhöhte Automatie der Kammern als solche braucht nahezu keine Rücksicht genommen zu werden. Durch Adrenalin tritt, wie in meiner 1. Mitteilung nach- gewiesen ist, fast keine Zunahme der Frequenz der automatisch schlagenden Kammern (bei totalem Block) auf. Neben Verstärkung der Kontraktionen der beiden Herzabteilungen konnte nur in einem Falle eine Frequenzerhöhung der Kammer bei völligem Block von 30 auf 45 Schläge per Minute beobachtet werden. In den übrigen Fällen war sie stets viel geringer. Der Einfluß des Adrenalins, der sich bei partiellem Block am überlebenden Säugetierherzen geltend machen kann, ist also zur Hauptsache von einer direkten Wirkung auf das Lei- tungssystem und von Frequenzänderungen des Sinus bzw. Vorhofs abhängig. Nun spielt die Frequenzänderung durch Adrenalin beim überlebenden Säugetierherzen gerade eine wichtige Rolle. Szymono- wicz!) und Oliver und Schäfer?) sahen beim Herzen in situ nach !) Szymonowicz, Die Funktion der Nebenniere. Archiv f. d. ges. Physiol. 64, 111. 1896. ?) Oliver and Schäfer, The physiological effects of the extracts of the suprarenal capsules. Journ. of Physiol. 18, 230. 1895. 184 A. A. J. van Egmond: Ausschaltung des Vagus, Gottlieb!) bei dem Bock-Heringschen Präparat, Cleghorn?), Gatin - Gruzewska und Maciag?) und Au- stoni®) bei dem Langendorff-Präparat, nach Adrenalin Vergröße- rung und Beschleunigung des Herzschlages eintreten. Diese Beschleu- nigung, die auch bei intakten Vagis nach subcutaner Injektion beim Menschen eintreten kann, bildet an sich ein Hindernis, Adrenalin bei Leitungsstörungen anzuwenden; stellt sich Pulsverlangsamung ein, so ist diese die Folge zentraler Vaguswirkung, die selbst bereits Leitungsstö- rungen verursachen kann. Die Aussichten, mit Adrenalin bei besteherden Leitungsstörungen einen günstigen Effekt zu erzielen, sind also nicht groß. Experimente und klinische Beobachtungen über die nenn des Adrenalins bei teilweisem Block sind mir nicht bekannt. Es wurden 7 Versuche angestellt, in denen Adrenalin bei partiellem Block ein- wirkte. Bei 2 Versuchen war der Block schon vorübergegangen, ehe Adrenalin ins Herz gelangte. Einmal war spontan partieller Block entstanden. In den vier übrigen Fällen machte das Adrenalin seinen Einfluß während des Blockes geltend. Die Stärke der Lösung war 1 : 3—4 Millionen. Bei dieser Konzentration erhält man erst Vergrößerung, darauf Beschleunigung der Kontraktionen. Die Frequenz- zunahme bleibt dabei mäßig und beträgt ungefähr 20 Schläge per Minute. Nur einmal wurde eine erhebliche Frequenzerhöhung (von 200 auf 312 per Minute) wahrgenommen. In keinem dieser Fälle wurde durch direkte Adrenalinwirkung eine Verschlimmerung des Blockes konstatiert. Der Block geht während der Durchströmung mit Adrenalinlösung vorüber, meistens schnell, bisweilen auch langsamer; aber eine längere Dauer des Blockes oder ein Übergang vom 3 : 2-Rhythmus in den 2: 1-Rhythmus wurde niemals beobachtet. Wenn also Adrenalin einwirkt, nachdem der Block schon vorüber- gegangen ist, dann treten wohl die bekannten Veränderungen durch Adrenalin, wie Vergrößerung der Kontraktion und Frequenzzunahme sehr deutlich auf; aber immer bleibt die normale Aufeinanderfolge zwischen Vorhofs- und Kammer- schlägen erhalten. Auch wenn man die Lösung verstärkt, nachdem der Block während der Adrenalinwirkung vorübergegangen ist, kommen keine Verände- rungen in der Leitung mehr vor. Einmal wurde bei hochgradiger Zunahme der Vorhofsfrequenz (von 200 auf 312) eine Rückkehr zum 2: 1-Rhythmus wahrge- nommen. Nach Frequenzabnahme (auf 186 per Minute) kehrte aber die normale Aufeinanderfolge von Vorhof- und Kammerkontraktioren wieder zurück, ohne den gewöhnlichen Übergang in 3 : 2-Rhythmus. Der Übergang des normalen Rhyth- musin partiellen Block muß also hier der enormen Frequenzerhöhung zugeschrieben werden. Es ist übrigens nicht zu verwundern, daß Adrenalin trotz der Frequenz- vergrößerung keine Verschlimmerung des partiellen Blockes verursacht. Nach den 1) Gottlieb, R., Über die Wirkung des Nebennierenextrakts auf Herz und Gefäße. Schmiedebergs Archiv 38, 99. 1897; und 43, 286. 1900. 2) Cleghorn, A., The action of animal extracts, bacterial cultures and eulture filtrates on the mammalian heart. Amer. Journ. of Physiol 2%, 273. 1899. 3) Gatin-Gruzewska, Z. et Maciag, L’action de P’adrenaline pure sur le coeur isole. Journ. de Physiol. et de Pathol. gener. 11, 28. 1909; und Soc. de' Biol. 63, 23. 1907. *) Austoni, Action de l’extrait cortical et de l’extrait medullaire de glande surrenale sur le cur des mammiferes. Arch. ital. de Biol. 56, 354. 1911. Über die. Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 185 Untersuchungen Schrams!) wird durch Adrenalin die Systole verkürzt, die Diastole verlängert. Unbeschadet der Beschleunigung der Herzaktion durch Adrenalin hat also das Hissche Bündel nach einer Kontraktion verhältnismäßig mehr Ge- legenheit, sich zu erholen als bei einer Beschleunigung, die nicht durch Adrenalin, sondern z. B. durch Temperaturerhöhung zustande kommt. Nur bei enormen Frequenzerhöhungen arbeitet dieser Mechanismus nicht mehr genügend. Erzeugt man, während die Adrenalinlösung durch das Herz strömt, aufs neue Block, was auf leichte Weise dadurch zu machen ist, daß man Kupfer an das Hissche Bündel hält, dann verschwindet dieser Block wieder, nicht schneller. aber auch nicht langsamer als vor Anwendung des Adrenalins. Das Adrenalin an sich verursacht also, wie sich aus diesen Versuchen zeigt, kein Schlechterwerden der Leitung. Falls die Adrenalinwirkung mit Beschleunigung des Herzschlages verbunden ist, dann kann, wenn die Beschleunigung sehr groß ist, der Block wieder zurückkehren. Die Verschlechterung der Leitung kommt dann auf Rechnung der Frequenz- zunahme. | In einem Falle, wo spontan Block entstanden war, rief Adrenalin in derselben Konzentration zwar Vergrößerung von Vorkammer- und Kammerschlägen, aber keine Frequenzzunahme hervor. Der partielle Block (2 : 1-Rhythmus) blieb aber bestehen. Eine Rückkehr zu dem normalen-Rhythmus, wie diese bei spontanem Block nach Verabfolgung von Strophanthin beobachtet wurde, fand nicht statt. Der 2 : 1-Rhythmus hielt an, so daß der Versuch nach 15 Minuten abgebrochen wurde: Möglich ist es also, daß Adrenalin hier in einem gewissen Grade der weiteren Entwicklung der Leitungsstörung entgegengewirkt hat. Man vermag hieraus in- dessen nicht zu folgern, daß Adrenalin eine Verbesserung der Leitung bewirkt. Coffein. Wenn man in der klinischen Literatur die spärlichen Fälle, in welchen die Wirkung von Coffein bei Leitungsstörungen beschrieben ist, ver- folst, wird man keine hochgespannten Erwartungen hegen, mit diesem Stoffe Verbesserung von Block zu erzielen. Semerau?) führt einen Fall von partiellem Block an, in welchem Coffein Verschlechterung des Zustandes nach sich zog. Während erst allein bei Bewegung Dissozia- tion bestand, trat diese nach Verabfolgung von Coffein auch zur Zeit der Ruhe ein, trotz Frequenzabnahme. Dies ist um so auffallender, da eine Kombination von Physostigmin und Atropin hier einen gün- - stigen Einfluß auf die Leitung ausübte. Edens?) beschreibt einen Fall, in welchem. bei Leitungsstörung mit Ausfall von Ventrikelsystolen Coffein verabfolgt wurde. Während der Coffeinwirkung konnte der Zustand der Leitung nicht beurteilt werden ; aber danach bestand völliger I) Schram, P. W., De dynamica van het zoogdierenhart bij aortainsufficientie. Dissertation, Utrecht 1915. S. 263. 2) Semerau, Über die Beeinflussung des Blockherzens durch Arzneimittel. Deutsches Archiv f. klin. Med. 120, 291. 1916. 3) Edens, Pulsstudien. Deutsches Archiv f. klin. Med. 100, 221. 1910. Siehe auch Wenckebach, Die Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit. 186 A, A. J. van Egmond: , Block. In beiden Fällen wurde also entweder durch oder trotz Coffein der Zustand der Leitung schlechter. Eine experimentelle Untersuchung über die Wirkung des Coffeins bei Leitungsstörung ist mir nicht bekannt. Auf das überlebende Herz erwartet man von selbst schon keinen günstigen Effekt. Die Wirkung des Coffeins auf das überlebende Herz besteht in Vergrößerung und Beschleunigung der Kontraktionen, sowohl der Vorkammer als der Kammer [Bock!), Hedbom?), Cushny und Van Naten?), Kakowski®)]. Frequenzzunahme ist an sich bereits schädlich bei Leitungsstörungen. Das in seiner Funktion gestörte Lei- tungssystem hat dann keine Zeit, sich zu erholen. Beim Herzen mit intaktem Nervensystem würde möglicherweise der durch Coffein er- höhte Vagustonus diesem schädlichen Einflusse der Beschleunigung entgegenwirken können. Jedoch kann Vagusreizung selbst auch Lei- tungsstörung verursachen. Atropin kann dann keine Rettung bringen; denn dadurch würde erst recht, gerade weil der Vagustonus aufgehoben ist, die Pulsbeschleunigung durch Coffein manifest werden und ein Schlechterwerden der Leitung herbeiführen. | Auch bei experimentell erzeugtem Block, bei dem immer eine große Neigung zur Verbesserung der Leitung vorhanden ist, spielt Frequenz- erhöhung eine große Rolle. Sie wirkt in vielen Fällen der Wiederher- stellung des normalen Rhythmus entgegen. Im allgemeinen übt denn auch Coffein einen schlechten Einfluß auf die Leitung aus; dies kommt jedoch mehr durch die Pulsbeschleunigung, die das Coffein bewirkt, als durch spezifische Giftwirkung zustande. In 6 Versuchen, bei welchen partieller Block erzeugt war, teils durch Druck, teils durch Einwirkung von Silbernitrat auf das Hissche Bündel, wurde die Wir- kung von Coffeino-Natr. benzoicum untersucht; 5ccm einer 10 proz. Lösung hiervon wurden zu 500 cem Locke-Ringerscher Flüssigkeit (= 1 : 1000) hinzugesetzt. Bei Anwendung dieser Lösung stellt sich immer Pulsbeschleunigung ein. Die Frequenz kann dabei enorm steigen. Die größte hierbei beobachtete Zunahme betrug 100 Schläge per Minute (von 180—280); meistens ist sie geringer (30 bis 60 Schläge per Minute). Die Vorhofsschläge werden dabei ausnahmslos größer (Abb. 9); die Ventrikelschläge nehmen zwar häufig auch an Größe zu; zuweilen bleiben sie aber auch gleich und vereinzelt werden sie sogar kleiner. Bei noch größerer Giftkonzentration werden die Kammerschläge schnell kleiner, namentlich auf Kosten der Diastole (Abb. 10). Fünfmal wirkte das Coffein während des par- tiellen Blockes ein; einmal war der Block vorübergegangen, ehe das Coffein ins Herz gelangte. Wenn der Block vorbei ist, ehe das Coffein ins Herz kommt, unter- 1) Böck, Über die Wirkung des Coffeins und des Theobromins auf das Herz. Schmiedebergs Archiv 43, 367. 1900. 2) Hedbom, K., Über die Einwirkung verschiedener Stoffe auf das isolierte Säugetierherz. Skand. Archiv f. Physiol. 9, 1. 1899. 3) Cushny, A. R. and van Naten, Archiv intern. de Pharm et Ther. 9 169. 1899. *) Kakowski, 1. c. S. 50. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 187 scheidet sich die Wirkung in nichts von derjenigen bei normalen Herzen. Die Frequenz steigt; die Vorkammer- und Kammerschläge werden größer. Ausfall von Ventrikelsystolen oder Block kommt nicht mehr vor. Bei Vergrößerung der Giftdosis nehmen die Ausschläge an Größe ab, aber Leitungsstörungen bleiben aus. Besteht der Block noch, während die Coffeinwirkung beginnt, so kann er be- stehen bleiben; manchmal nimmt er dann wieder zu. In Abb. 9, welche von einem Versuche stammt, wo durch Einwirkung von Silbernitrat auf das Hissche Bündel erst völliger, darauf partieller Block (2 : 1-Rhythmus) entstanden war, sieht man zunächst eine Verbesserung der Überleitung. Anfangs besteht (wie beim Beginne der Figur ersichtlich) 3 : 2-Rhythmus. Die Frequenz der Vorhöfe ist 186, diejenige der Kammer 128 per Minute. Die Coffeinwirkung wird deutlich an der Vergröße- rung der Vorhofsschläge. Vorläufig bleibt die Frequenz gleich. Der Block geht denn auch weiter zurück; nach jedem fünften Vorkammerschlag fällt ein Ventrikel- U CHAR LULALNLUKLAULMLALLARAUUAURR Abb. 9. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. Oberste Reihe: Vorkammerkontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe Zeit in Sekunden. Temp. 37°C. Druck 85 cm Wasser. Coffeinum natro-benzoicum (1: 1000) strömt durch das Herz. Die Wirkung des Kaffeins ist an dem Größerwerden der Vorkammer- ‚kontraktionen zu sehen. Der 3:2-Rhythmus, der beim Beginn der Abbildung besteht, geht beim Beginn der Coffeinwirkung in einen niedrigeren Grad von Block über. Die Vorkammerfrequenz ist dann noch dieselbe geblieben (180 per Minute). Darauf nimmt die Vorkammerfrequenz von 180 auf 230 Schläge per Minute zu. Infolge dieser Pulsbeschleunigung kehrt erst der 3:2- Rhythmus, darauf der 2: 1-Rhythmus wieder zurück. schlag aus. Dann erst beginnen die Vorhöfe schneller zu schlagen; die Frequenz steigt von 186 auf 198 per Minute. Der 3 : 2-Rhythmus kommt wieder zum Vor- schein. Die Pulsbeschleunigung hält an; nach einiger Zeit kontrahieren sich die Vorkammern 230 mal in der Minute. Diese große Frequenz hat keine günstige Wirkung auf die Leitung; es tritt wieder 2 : 1-Rhythmus auf. Dieser blieb dann während des weiteren Verlaufes des Versuches bestehen, der länger als !/, Stunde dauerte, während die Frequenz die ganze Zeit hindurch konstant blieb. Das Schlechterwerden der Leitung ist hier hauptsächlich der Frequenzerhöhung zu- zuschreiben. Die Vergrößerung der Vorkammerschläge durch Coffein bei gleich- bleibender Frequenz tritt ein, während der Block noch zurückgeht. Sobald die Frequenz aber höher wird, nimmt die Leitungsstörung wieder zu. Die weitere Frequenzzunahme hatte einen Übergang des 3 : 2-Rhythmus in 2: 1-Rhythmus zur Folge. Ob das lange Weiterbestehen des 2 : 1-Rhythmus, ohne daß aber totaler Block eintrat, die Folge des Gegensatzes ist zwischen der natürlichen Neigung des Leitungssystems, seine Funktion wiederherzustellen, die auch bei Frequenz- 188 A. A. J. van Egmond: zunahme bestehen bleibt, und einer etwaigen ungünstigen Coffeinwirkung, ist schwer zu entscheiden. Es zeigt sich jedoch wohl hieraus, daß, wenn das Coffein als solches eine schlechte Wirkung hat, diese nur sehr gering ist, aber daß ein sehr großer Einfluß auf das Schlechterwerden der Leitung auf das Konto der Frequenzerhöhung zu setzen ist. Wenn die Frequenz während der Einwirkung des Coffeins geringer wird, dann kann auch der Grad von Block geringer werden. Ein anderes Mal war 3 : 1-Rhyth- mus nach Abklemmung des Bündels entstanden. Die Vorhotsfrequenz stieg nach Coffein von 134 auf 178 per Minute. Der 3 : 1-Rhythmus blieb auch hier wieder bestehen. Nach etwa 500 Sekunden sank die Vorkammerfrequenz von 198 auf 164 per Minut> herab. Nun antwortete die Kammer auf jeden zweiten Vorkammer- schlag. Darauf stieg die Frequenz wieder auf die ursprüngliche Höhe, wobei gleich- zeitig der 3 : 1-Rhythmus zurückkehrte. Während des ganzen weiteren Verlaufes blieb dann der partielle Block bestehen. Falls das Coffein Fier einen nachteiligen Einfluß auf die Leitung gehabt haben sollte, was dann aus der langen Dauer des Blockes hervorgehen würde, ist auch dieser hier nicht groß. Wenn Coffein sehr nachteilig wirkte, sollte man bei einer Fregquenzabnahme von 32 Schlägen per Minute keine Verminderung der Leitungsstörung erwarten. Noch ein drittes Mal bestand am Ende eines Versuches der Block noch. In- folge Registrationsschwierigkeiten konnte die Sachlage im mittleren Teile des Versuches nicht gut beurteilt werden. Es entstand eine Tachykardie, bei der die Frequenz der Kammern plötzlich von 180 auf 240 Schläge per Minute stieg. Die Ausschläge der Kammer nahmen enorm an Größe zu und wuchsen von 1,70 em auf 6,15cm an. Nach Ablauf des tachykardischen Anfalles bestand 2 : 1-Rhyth- mus, die Vorhofsfrequenz betrug 186, die Kammerfrequenz 93. Der 2 : 1-Rhythmus hielt bis zum Ende des Versuches an. Der genaue Verlauf des Versuches konnte, wie gesagt, nicht festgestellt werden. Zu Beginn der Coffeinwirkung bestand 2:1-Rhythmus; dieser ist vielleicht in normalen Rhythmus übergegangen (so daß also die Kammerfrequenz vor dem tachykardischen Anfall gleich der Vor- kammerfrequenz war); dann kam eine Beschleunigung und enorme Vergrößerung der Kammerschläge, worauf unter Frequenzrückgang der Kammer wieder 2 :1-Rhythmus auftrat. Die plötzlich auftretende Beschleunigung und Vergröße- rung der Kammerschläge legt hier die Vermutung einer ventrikulären Tachykardie nahe, bei der die Vorkammer in derselben Frequenz weiterschlug. Dies würde dann die Folge der durch Coffein erhöhten Kammerautomatie sein, wie dieselbe bei kom- plettem Block beobachtet wurde (siehe frühere Mitteilung). Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die Beschleunigung der Vorhöfe, die das Coffein bewirkt, eine Hauptursache für das lange Bestehenbleiben des Blockes gewesen ist. Von einem ungünstigen Effekt des Coffeins auf die Leitung als solche kann man nicht gut sprechen. Wenn dies der Fall wäre, sollte man doch eigentlich bei der fortgesetzten Durchströmung des Coffeins durch das Herz, zusammen mit der Frequenzzunahme einen höheren Grad von Block, bis zum kompletten Block hin, erwarten. Um so eher kommt man zu diesem Schlusse bei der Betrachtung der beiden anderen Versuche. In dem Versuche vom 2. VII. 1917 ging der Block während der Coffeinwirkung in 190 Sekun- den vorüber. Die Frequenzzunahme der Vorhöfe betrug 20 Schläge in der Minute (von 148—168). Es bestand 2 : 1-Rhythmus, der auf gewöhnliche Weise in nor- malen Rhythmus überging. Verstärkung der Giftkonzentration bewirkte keine Rückkehr des Blockes. Einmal (Abh. 10) wurde von Anfang an eine noch größere Dosis Coff.-Natr. benz. (1: 700) während des Blockes hinzugesetzt, in der Erwartung, hierdurch direkt eine vollkommene Dissoziation zwischen Vorkammern und Kammern herbeizu- führen. Ungeachtet der deutlichen toxischen Wirkung, welche in Verkleinerung Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 189 der Ventrikelschläge auf Kosten der Diastole bestand, konnte die Wiederherstellung des normalen Rhythmus nicht verhindert werden. Freilich wurde die Rückkehr zum normalen Rhythmus verzögert. Der partielle Block (2 : 1-Rhythmus) hatte 10 Minuten lang konstant bestanden; danach begann 3 : 2-Rhythmus aufzutreten. Gewöhnlich geht dann der Block innerhalb einiger Zehner von Sekunden vorüber. Die längste Dauer des partiellen Blockes, die in anderen Versuchen beobachtet wurde, betrug 15 Minuten. Dies ist jedoch eine Seltenheit. Hier dauerte es aber weitere 10 Minuten, ehe der Block vorüber war. Die Giftwirkung ist an dem Ab- nehmen der Diastole zu sehen (siehe Abb. 10). Die Vorkammerfrequenz steigt erst von 81 auf 96. Der 2 : 1-Rhythmus kehrt wieder zurück; aber 110 Sekunden nach dem Beginn der Coffeinwirkung stellt sich während 20 Sekunden wieder der 3 :2-Rhythmus ein, obwohl die Vorkammerfrequenz auf 102 Schläge per Minute gestiegen war und sich weiterhin noch auf 132 Schläge per Minute erhöhte. Der 2: 1-Rhythmus kehrt danach wieder zurück und bleibt nun bei konstanter Fre- quenz der Vorkammer 500 Sekunden hindurch ununterbrochen bestehen. Darauf ging der Block in 40 Sekunden vorüber. Der normale Rhythmus war wieder her- gestellt; die Kammerschläge waren dabei sehr klein geworden. Weitere Zufuhr von Coffein war nicht imstande, wieder Leitungsstörung hervorzurufen. Bei dieser sehr großen Menge Coff.-Natr. benz., bei der die schädliche Einwirkung auf den Herz- muskel selbst deutlich zutage trat, wurde die Wiederherstellung der Leitung zwar verzögert, aber nicht verhindert. Die Frequenzzunahme der Vorkammern betrug im ganzen 28 Schläge per Minute und ging nur langsam vor sich. Bei geringer Frequenzerhöhung fand noch auf kurze Zeit Rückkehr zum 3 : 2-Rhythmus statt. Es zeigt sich also, daß bei dieser sehr großen Menge Coffein doch nur ein geringer schädlicher Einfluß auf die Leitung ausgeübt ist; denn bei konstanter Frequenz von 132 bleibt der Block noch 500 Sekunden bestehen; aber groß ist der Effekt nicht. Aus den 5 Versuchen, bei denen das Coff.-Natr. benz. während des partiellen Blockes einwirkte, ergibt sich, daß in 3 Fällen der Block länger als eine halbe Stunde bestehen blieb, in einem Falle die Rückkehr zum normalen Rhythmus verzögert wurde und einmal der Block ohne Verzögerung vorüberging. Stets war das übernormale Bestehenbleiben des Blockes mit Frequenzzunahme verbunden. Tritt die Frequenzver- mehrung nicht in den Vordergrund, dann geht der Block auch in kurzer Zeit vorüber. Der schädliche Einfluß des Coff.-Natr. benz. auf die Leitung muß denn auch hauptsächlich auf die dabei auf- tretende Frequenzerhöhung bezogen werden. Campher. Trotz der zahlreichen Untersuchungen über die Wirkung von Cam- pher auf das Herz ist es bisher noch nicht gelungen, die Voraussetzungen zu finden, unter welchen durch Campher konstant eine Reizwirkung auf das Herz hervorgebracht wird. Eine Übersicht über das ganze Campherproblem hat vor einiger Zeit v.d. Velden!) gegeben, so daß es überflüssig ist, hier tief auf die einschlägige Literatur einzugehen. Wohl aber zeigt sich aus der Literatur, daß von verschiedenen Unter- !) von den Velden, R., Die Camphertherapie der Kreislaufstörungen. Zentralbl. f. Herz- u. Gefäßkrankh. 8, 27. 1916. (Hier ausführliche Literatur.) ‘uo2a1sa3 a9nuIm Jod aBr[yog ZEIT Fne 4sı umwWuteyIoA Aop zuonbalg aIq “usqey usuımousdge yTeys auulg uISYyosI[ogseIp ul JoWweyy Jap SdRiyossny arp TegoM ‘raqn snwuyAyy USJeunoUu UT NOOLT asTaMm]le) Iop uagnurm GT 8m yseu Ayad urayyor) sisod U9J0LS ıyas Iop 794yowo3un Iaypds uapunyag 0007 ‘AOL 'aQyY — "uaya9saq Iqreq SnwygAyy-L:z Io 'ulawweyy Iop 9[o9seIg Iop ZunıspurwısA Ioufs UL yoIs Jıogne ZunyuM Arc "nz Jwo19s (002:7) "zueg-ongeu wmufoyog) "odejyosıuweyy z odejyosIowureyroA g Me JewmAZz UeUI Yyaıs SsuoIyNdeıSowÄy Sop soBueHg uarfpuyos sap apuy wy 'oyuurm 190 odriyog 7g :urmwumeyIoA Ip zuonbasg "snwwmÄAyy-]:Z "eOL 'dgVy — 'IosseM WO cg Nonıq 'O.IE 'dwoL "uspunyog usqley Ur oz :oyroy ayglıq, -UOUOLIyEIJUON ‚Jomusy :oyloy ayaAz "usuomgyerruoyTowwesyto‘ :oyry 9981090 "MOxdiıssn]g IoyosıoZury-9y4907 Aw Zunworsypmg °JFIoPpuaZueT 'zIaeyusyoumuey ‘OT 'daY " in IATANT ‘qor 'gagaV "sor 'agaV 190 Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 191 suchern zwar eine herzstärkende Wirkung nachgewiesen wurde, daß diese jedoch nicht in allen Fällen erhalten wird. Auch bezüglich der Campherwirkung auf das überlebende Säugetierherz ist keine Einstim- migkeit vorhanden. Während Seligmannt) und Gottlieb?) in einigen Fällen deutlich einen günstigen Effekt erhielten, konnte Winterberg?) bei kleinen Mengen keine Veränderung, bei größeren nur Funktionsab- nahme feststellen. Heubner*) beobachtete bei einer Campherdampf- konzentration von 1:1000000 an dem Hering-Bockschen Prä- parat nach einer anfangs exzitierenden Wirkung noch Depressions- erscheinungen. Seine Resultate deuten darauf hin, daß man vielleicht bei sehr schwacher Campherkonzentration eine konstante günstige Wirkung erzielen kann. Eine Untersuchung über die Wirkung von Campher auf das Lei- tungsvermögen des Herzens ist noch nicht vorgenommen worden. Kli- nisch?) hat man Campher zwar bei partiellen Leitungsstörungen an- gewandt, aber hiermit keinen Erfolg gehabt. — Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, die Wirkung von Campher sowohl auf die Leitung als auf die Contractilität des Herzens zu ermitteln. Die Ergebnisse, welche diese Untersuchung zeitigte, sind ebensowenig konstant; wohl aber gelang es dabei, mehrere interessante Beobachtungen zu machen. Insgesamt wurden 35 Versuche mit Campher angestellt, bei denen eine Lösung gewöhnlichen Japancamphers in Ringerscher Flüssigkeit in Stärke von 0,142% Verwendung fand, welche Lösung teils von Merck bezogen, teils von mir selbst bereitet wurde. Verschiedene Mengen von ihr wurden zu 500 ccm Ringerscher Flüssigkeit hinzugesetzt. Der teilweise Block wurde immer durch Berühren des Hisschen Bündels mit Kupfer erzeugt. In 5 Versuchen wurden 10 ccm 0,142 proz. Campherlösung auf 500 cem Ringerscher Flüssigkeit benutzt (= 1:35000). In drei von diesen Versuchen blieb der partielle Block (2 : 1-Rhythmus) lange Zeit (880, 430 und 390 Sekunden), nachdem der Campher ins Herz gekommen war, bestehen. Aus der langen Dauer des Blockes würde man auf einen schädlichen Einfluß von Campher auf die Leitung schließen müssen. Die Frequenz der Vorkammer blieb nahezu unverändert. Der im Organismus vorhandene natürliche, blockverbessernde Faktor hat erst nach langer Zeit den Einfluß des Camphers überwinden können. Ein “ 4) Seligmann, R., Zur Kreislaufwirkung des Camphers. Schmiedebergs Archiv 52, 338. 1905. *2) Gottlieb, R., Zur Herzwirkung des Camphers. Zeitschr. f experim. Pathol. u. Ther. 2, 385. 1905. — Über die Einwirkung des Camphers auf das Herz- flimmern. Ibid. 3, 588. 1906. ®) Winterberg, H., Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des Camphers auf das Herz und die Gefäße von Säugetieren. Archiv f. d. ges. Physiol. 94, 455. 1903. — Über Herzflimmern und seine Beeinflussung durch Campher. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 3, 182. 1906. *) Heubner, Zeitschr. f. experim. Med. 1, 267. 1913. 5) Semerau, M., Über die Beeinflussung des Blockherzens durch Arznei- mittel. Deutsches Archiv f. klin. Med. 120, 291. 1916. 192 A. A. J. van Egmond: leitungsverbessernder Einfluß des Camphers ist mit Sicherheit auszuschließen. In den zwei anderen Versuchen, in denen dieselbe Konzentration der Campher- lösung verwendet wurde, verschwand der Block nach 25 und 40 Sekunden. Diese kurze Dauer des Blockes braucht an sich kein Anlaß zu sein, von einer Verbesse- rung der Leitung durch Campher zu sprechen, und wenn keine anderen gleich- zeitigen Erscheinungen aufgetreten wären, würde man diese Versuche unter die- jenigen Experimente einreihen können, bei denen weder ein Besser- noch ein Schlechterwerden der Leitung nachgewiesen werden kann. Indessen wurden in dem Versuch vom 5. II. 1918, wo es 25 Sekunden dauerte, ehe der partielle Block vorübergegangen war, merkwürdige Veränderungen beobachtet. Vor Einwirkung des Camphers bestand 2 : 1-Rhythmus. Als Campher ins Herz gelangte, veränderte sich der 2: 1-Rhythmusin den 3: 1-Rhythmus bei gleichbleibender Frequenz. Die Leitung zwischen Vorhof und Kammer wurde also anfangs schlechter, was völlig mit dem Befunde in den vorigen Versuchen übereinstimmt. Die Contractilität der Kammern nahm dabei zu. Dies steht im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Vorgange, wo Verringerung der Leitung und Verringerung der Contractilität stets parallel gehen. Nach kurzer Zeit ging der 3 : 1-Rhythmus plötzlich in normalen Rhythmus über, ohne Übergang in den 2 : 1-Rhythmus und niedrigere Grade von Block. Die Frequenz der Vorhöfe blieb dabei unverändert. In diesem Versuche fand also erst ein Schlechterwerden der Leitung statt, nämlich ein Übergang von 2: 1-Rhyth- mus in 3:1- Rhythmus, einige Sekunden später dagegen eine Verbesserung der Leitung, nämlich ein Übergang von 3 : 1-Rhythmus in normalen Rhythmus. Dieser direkte Übergang vom 3 : 1-Rhythmus in normalen Rhythmus wurde in normalen Versuchen niemals beobachtet. Freilich ist einmal noch ein ähnlicher Übergang, aber nicht so stark ausgeprägt, wahrgenommen worden, indem der 2 : 1-Rhythmus plötzlich in normalen Rhythmus überging. In weiteren Versuchen, bei denen übrigens kleinere Camphermengen gebraucht wurden, sind. derartige Verbesse- rungen der Leitung nicht wieder beobachtet worden. Sie stellen also in jedem Falle Ausnahmen dar. Wenn kleinere Mengen Campher benutzt werden, kann noch häufig eine lange Dauer des teilweisen Blockes konstatiert werden; so wurde z. B. einmal nach Ver- abfolgung von 1 ccm 0,142 proz. Campherlösung auf 500 ccm R. (= 1: 350 000) eine Dauer des Blockes von 950 Sekunden festgestellt. In den übrigen Versuchen, bei denen aus gleich zu nennenden Gründen immer kleinere Mengen Campher der Ringerschen Lösung zugesetzt wurden, trat der schlechte Einfluß, den Cam- pher auf die Leitung auszuüben vermag, weniger deutlich zutage. Aber in einigen Fällen gelanges doch, sogar bei äußerst kleinen Mengen Campher (0,01 ccm 0,142 proz. Lösung auf 500 ccm R. = 1: 35 000 000) den schädlichen Effekt von Campher nachzuweisen, während dann aber gleichzeitig ein günstiger Effekt auf die Contracti- lität beobachtet wurde. Außer den beiden obengenannten Ausnahmen wurde niemals eine günstige Wirkung von Campher auf die Leitung wahrgenommen. In 5 Versuchen trat spontan Leitungsstörung zwischen Vorkammer und Kam- mer auf. Wie schon mehrmals bemerkt wurde, geht diese niemals von selbst zum normalen Rhythmus zurück. Wurde Campher in verschiedener Konzentration wechselnd von 1: 3 500 000 bis 1: 3 500 000 000 verabfolgt, so ließ sich hierdurch keinerlei Verbesserung des Blockes erzielen. Ein akutes Schlechterwerden der Lei- tung ward anderseits ebensowenig bemerkt. Ein guter Einfluß des Camphers auf die Leitung war also auch hier nicht zu spüren. Im allgemeinen kann man also aus diesen Versuchen die Schlußfolgerung ziehen, daß die Lei- tung durch Verabfolgung von großen Camphermengen schlechter wird und daß bei kleinen Mengen entweder gar kein oder ein un- günstiger Rffekt auftritt. Zum Experimentieren mit kleinen Camphermengen wurde darum übergegangen, weil sich herausgestellt hatte, daß bei einer Menge Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 193 von 1 : 35 000 eine geringe Vergrößerung der Vorkammerschläge stattfand. Diese Vergrößerung, welche auch nach Verringerung der Dosis konstant auftrat, erwies sich nachträglich größtenteils durch einen Fehler in der Versuchsanordnung ver- ursacht. Um der Giftlösung einen schnelleren Zutritt zum Herzen zu ermöglichen, war ein. besonderer Hahn in der Herzkanül> angebracht worden, durch welchen die Flüssigkeit aus dem schädlichen Raum schnell ablaufen konnte. Wie sich später bei den Kontrollversuchen herausstellte, hatte dieses Öffnen des Hahnes zeitweilige Unterschiede in Druck und Temperatur zur Folge, wodurch die Fre- quenz und die Ausschläge der Vorhöfe Veränderungen erlitten. Die Ausschläge der Kammer änderten sich dadurch nicht; doch waren die Veränderungen in den Vorkammerschlägen so frappant, daß nicht nur an sekundäre Veränderungen, : sondern auch an primäre durch Campherwirkung gedacht werden mußte. Die Vergrößerung der Vorhofskontraktionen wurde nämlich bei Kleinerwerden der Giftdosis deutlicher. Die größten Vorkammerkontraktionen wurden bei einer Verdünnung von 1: 350 000 beobachtet. Es wurde nun auch erwartet, daß sich eine Vergrößerung der Kammerschläge bei noch geringerer Konzentrierung ein- stellen würde, und wirklich gelang dies auch. Die Vergrößerung der Kammer- schläge fand jedoch nicht konstant statt. Sie trat sowohl in denjenigen Fällen auf, bei denen der Block noch bestand, als in denjenigen, bei welchen er schon vorüber- gegangen war. Die beste Wirkung hinsichtlich der Vergrößerung der Kammer- schläge wurde bei einer Verdünnung von 1: 35 000 000 erhalten, bei noch kleineren Mengen Campher wurde die Wirkung weniger deutlich. Bei einer hundertmal kleineren Konzentration wurde keine Wirkung mehr wahrgenommen. Diese Menge Campher schien so lächerlich klein, daß dazu übergegangen wurde, Kontrollver- suche anzustellen. Diese bestanden darin, daß erst ohne Anwendung von Gift der Hahn zwecks schneller Durchströmung wiederholt geöffnet und geschlossen wurde; darauf folgte eine Wiederholung desselben Verfahrens bei einer Giftkonzentration, die keine Wirkung hatte und erst dann wurde eine Giftkonzentration durch das Herz geleitet, die bestimmt Effekt haben mußte. Bei einem vereinzelten Kon- trollversuch, wo ein schnelles Durchströmenlassen der Ringerschen Flüssigkeit und der 1 : 3 500 000-Lösung keine Veränderungen in Vorkammer- und Kammer- schlägen verursachte, bewirkte eine Campherlösung von 1 : 35 000 000 eine deut- liche Vergrößerung der Vorkammerschläge, die dauernd bestehen blieb, und eine vorübergehende Vergrößerung der Kammerschläge. Das schnelle Durchströmen allein in anderen Kontrollversuchen ergab aber schon beträchtliche und wechselnde Unterschiede in der Größe der Vorkammerkonzentrationen. Aus diesen Versuchen also allein Schlüsse zu ziehen, war nicht erlaubt. Die einzige Art und Weise, end- gültig zu entscheiden, ob diese Veränderungen allein von den Fehlern in der Ver- suchsanordnung abhängig waren oder aber von Veränderungen, die durch das Gift herbeigeführt wurden, bestand in einer solchen Einrichtung der Versuche, daß obengenannte Mängel vermieden wurden. Als solche kam die von Gottlieb und Magnus!) angewandte Versuchsanordnung in Betracht. Bei derselben sind Tem- peratur und Druck absolut konstant. Die Stärke der hierbei benutzten Campher- lösung war 1 : 35 000 000. Mit dieser Lösung waren sowohl Veränderungen in der Größe der Vorhofskontraktionen als der Kammerkontraktionen zu erwarten. Es wurden hiermit 10 Versuche ausgeführt. Das Ergebnis war nicht nach allen Hin- sichten befriedigend, da die Vorkammerveränderungen fast nicht zutage traten; in einigen Versuchen bestand nur eine leichte Andeutung. Die Kammerkontraktionen erlitten jedoch — im Gegensatz zu den Vorkammer- kontraktionen — bei diesen kleinen Camphermengen Veränderungen, und zwar 1) Gottlieb, R. und R. Magnus, Digitalis und Herzarbeit. Schmiedebergs Archiv 51, 30. 1903. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 13 194 A. A. J. van Egmond: wurden sie größer. Dies war aber nicht in allen Versuchen der Fall. Aber in den 5 Versuchen, wo Vergrößerung auftrat, war diese sehr deutlich. In allen diesen Versuchen hatte vor oder während der Einwirkung Block bestanden, in einem Versuche völliger Block. Die Größe der Kontraktionen nahm nach kurzer Zeit wieder ab; aber sie blieb doch noch erheblicher als vor der Einwirkung von Campher, In mehreren dieser Versuche konnte durch abwechselnde Durchströmung des Herzens mit Campherlösung und Ringerscher Lösung wiederholt eine Vergröße- | rung der Kontraktionen durch Campher beobachtet werden, obwohl das erstemal 1 die Veränderung am größten war; die folgenden Male in demselben Versuch war Il: sie weniger ausgeprägt. Die Vergrößerung der Kammerkontraktionen trat sowohl .während des Blockes als während des normalen Rhythmus auf. Abb. 11 zeigt die Wirkung dieser kleinen Campherdosis bei völligem Block. Der Druck ist I Abb. 11a. Abk. 11b. Abb. 11. Kaninchenherz,. Langendorff. Versuchsanordnung nach Gottlieb-Magnus. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. Temp. 38° C. Druck 60 mm Hg. Völliger Herzblock durch Berührung mit Kupfer. Frequenz der Kammer: 78 per Minute. Allein die Kammerkontraktionen sind wiedergegeben. Zeit in Sekunden. — Abb. 11a. Kampferlösung E 1: 35000000 strömt zu. Die Kammerkontraktionen nehmen enorm an Größe zu: Die Frequenz | steigt von 78 auf 114 Schläge per Minute. — Abb. 11b. 60 Sekunden später. Die Kammerkon- al: traktionen haben zwar an Größe abgenommen, aber sind noch immer deutlich größer als vor 1 der Kampferwirkung. * | 60 mm Hg, die Temperatur 38°C. Die Frequenz der Kammern beträgt 78 per Minute, der Ausschlag der Kammerkontraktionen 2,55 em. Bei Beginn der Figur wird umgestellt auf Campherlösung von 1 : 35 000 000. Die Ausschläge nehmen bis auf 3,40 cm zu und nehmen darauf wieder ab; sie bleiben jedoch größer als vor der Verabfolgung von Campher. Die Frequenz der Kammern stiegt von 78—114 per | Minute. Die Vorkammerschläge waren auch hier vergrößert; jedoch wurden ie | mechanisch vom Ventrikel mitgeschleppt, so daß hieraus keine sicheren Schlüsse zu ziehen sind. Die hier eintretende Frequenzzunahme ward in keinem der anderen Versuche beobachtet. Die Abb. 12 und 13 illustrieren die Vergrößerung der Kammerschläge bei teil- 4 weisem Block und bei normalem Rhythmus nach Block. In Abb. 12, wo der Druck } 60 mm Hg, die Temperatur 38°C und die Frequenz 96 per Minute war, nimmt die Größe der Kammerausschläge, während teilweiser Block (2 : 1-Rhythmus) v besteht, nach Verabfolgung von Campher von 0,50 cm auf 0,75 cm zu, während Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 195 die Frequenz unverändert bleibt. In diesem Versuch zeigte sich auch der schäd- liche Einfluß des Camphers in dieser kleinen Menge auf die Leitung. Der Block nahm zu bis zum 3 : 1-Rhythmus in einer späteren Periode. Viermal wurden noch die normale Ringer-Lösung und die Campherlösung abwechselnd angewandt. Jedesmal trat hier bei Campherlösung ein Größerwerden der Kontraktionen ein, das bei der Ringer-Lösung wieder verschwand. In Abb. 13 sieht man den Block vorübergehen, vielleicht während der Campher- einwirkung. Die Frequenz beträgt 162 per Minute, der Druck 60 mm Hg und die Temperatur 37°C; die Größe nimmt von 3,05—3,55’cm zu, während die Frequenz die gleiche bleibt. Durch diese Versuche, die bei konstantem Druck und konstan- ter Temperatur ausgeführt wurden, wird bewiesen, daß durch eine Camphermenge von 1:35000000 ein deutlich. verstärkender Ein- RAN EEREHERZI RER AIR. state Abb.12. Kaninchenherz. Langendorff. Versuchsanordnung nach Gottlieb-Magnus, Durch- strömung mit Locke-Ringerscher Flüssigkeit. Temp. 38°C. Druck 60 mm Hg. Oberste Reihe: Vorkammerkontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe: Zeit in Sekunden. Teilweiser Herzblock (2:1-Rhythmus) durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer. Beim Beginn der Abbildung (bei Unregelmäßigkeiten in der Vorkammerkurve) wird auf Kampferlösung 1 :35000000 umgestellt. Die Vergrößerung der Kammerkontraktionen ist deutlich sichtbar. Die Frequenz bleibt dieselbe (210 Schläge per Minute). Der 2:1-Rhythmus bleibt bestehen. fluß auf die Kammerschläge ausgeübt werden kann; derselbe tritt jedoch nicht in allen Fällen auf. In dieser Hinsicht stimmen meine Resul- tate also mit denjenigen anderer Untersucher überein. Eine konstante Verände- rung der Contractilität konnte auch bei diesen kleinen Mengen nicht nachgewiesen werden. Die Vergrößerung der Vorkammerschläge, die anfänglich so vielver- sprechend schien, ließ sich in diesen Versuchen nicht bestätigen, so daß wir hier- über ferner schweigen können. Was die Leitung betrifft, so dauerte esin 2 Versuchen 760 und 400 Sekunden, ehe der Block vorüberging, während der letztere in einem Versuche überhaupt nicht mehr schwand; einmal bestand völliger Block und ein anderes Mal ging der Block in einigen Zehnern von Sekunden vorüber. Auch bei diesen kleinen Mengen trat also ungeachtet der zunehmenden Contractilität keine Leitungsverbesserung ein. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist also, daß unter 35 Versuchen mit Campher in 7 Fällen ein ungünstiger Effekt und in 15 Fällen über- haupt kein Effekt auf die Leitung erhalten wurde, während nur in 2 Fällen eine günstige Wirkung von Campher beobachtet werden konnte. 13* A. A. J. van Exmond: -(aynum Iad 93R[qasS Z9T) U21913 ZungjoygqeIeAlsJduey] Iep yoeu pun IOA 757 zuanbarg eIqT "Toufe]] JopeıMm uSUOHNENUONTEULWEN SIp USPIOM UURI ’ouuls UEUYOSIoIseIp Se UAYOSITOISIS IT [UOMOS “AIR[yIsRWwueyH 19p ZunIsgoIsIoA Z1ToAMeZ Jneieq 'Iaqn SnwugAyyg usjewIon ur Iy93 Y9OIq astaMIle} I9q *(y Tod) 000.000 48: T Zunsofsordweyy ne Zungfegs -un "(snwugAyg-F:g@) N00I4ZIOH Iostamjlog Ioydny iu Zunıynıog yoınp uuep ‘aporıag ofewıIou Zunpfigqy Iap uumsag wg "uspunyas ul yIaZ :ayroyy SINIqT "uauoryyeryuoylouwey :ayulay SNaAZ "u9uolgyelguoyleuweylo‘ :oylay 99sI9gQO "IH wu (9 PnIqQ 9.9)E 'dwaL ey -OISENLT TOyosIaZuly-9aYN907T Aw Sunworsyomg 'snusepm-qe1]}}09 yaeu SunupiouesyonsIaA JFIOPUSZUeT 'zIeyuaypuruey EL 'qqy ) BBUSSEEDODLNG N i u N N ren er, b und Magnus angegebenen Versuchsanordnung Bei der von Gottlie älfte der derH in gewiesen wer 35000000 Kammerkontraktionen nach ion von I konnte bei einer Campherkonzentrat den. ine Vergrößerung der eine Fälle Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 197 Physostigmin. An die Untersuchung der Wirkung des Physostigmin bei Leitungs- störungen bin ich mit großen Erwartungen herangegangen. Trotz der starken Vagusreizung[Winterberg]!), die es verursacht, wird es, ent- weder allein oder in Kombination mit Atropin in der Klinik mit den schönsten Erfolgen angewandt. Donath?) beschreibt einen Fall, in welchem ein Kind 3 Monate nach überstandener Diphtherie starke Lei- tungsstörungen (2 :l1-Rhythmus) hatte, die nach !/,—3/, mg Physo- stigmin per os sofort verschwanden. Semerau?) sah bei einem erwach- senen Mann nach subcutaner Injektion von 0,75 mg Physostigmin (dreimal täglich) Verbesserung von partiellem Block eintreten. Die starke Wirkung auf den Vagus veranlaßte ihn, daneben Atropin zu verabreichen. Hierauf fand völlige Wiederherstellung der Leitung statt. Andere Mittel (Coffein, Campher, Digitalis) hatten keine Verbesserung des Zustandes bewirkt. Die günstige Wirkung des Physostigmins bei Leitungsstörungen ist um so auffallender, weil sie auch ohne Ausschal- tung des Vagus zustandekommt. Bei einem beschädigten. Leitungs- system gibt Vagusreizung eher Anlaß zu dem Ausfallen von Ventrikel- systolen als bei normalen Herzen (siehe Digitalis). So scheint das Physo- stigmin nach den klinischen Mitteilungen ein geeignetes Mittel, Lei- tungsstörungen aufzuheben. Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungen des Physostigmins bei teilweisem Herzblock sind nicht an- gestellt worden. Langley und Kato*) erwähnen beiläufig das Auftreten von Herzblock bei Kaninchen nach intravenöser Injektion von 1—4 mg Physostigmin. Die Wirkung des Physostigmins auf das überlebende Herz besteht nach Hedbom?) in Vergrößerung und Verlangsamung der Kontraktionen. Winterberg wies beim Herzen in situ starke Vagusreizung nach, wodurch namentlich die Pulsverlangsamung her- beigeführt wird. Doch konnte er nach großen Dosen Physostigmin nach Ausschaltung des Vagus geringe Pulsverlangsamung beobachten (6 bis 12 Schläge per Minute). Der direkte Einfluß des Physostigmins auf das Säugetierherz ist nach seiner Ansicht sehr gering. Meine Versuche haben die günstigen Erwartungen, die ich betreffs des Physostigmins hegte, nicht verwirklicht. Nicht nur ließ sich das 1) Winterberg, H., Über die Wirkung des Physostigmins auf das Warmblüter- herz. Zeitschr. f.exper. Pathol. u. Ther. 4, 636. 1907. (Hier ausführliche Literatur.) 2)Donath, H., Über die Phlebographie im Kindesalter, zugleich ein Beitrag zur therapeutischen Anwendung des Physostigmins. Wiener med. Wochenschr. 1916, S. 186. : 3) Semerau, M., 1. c. 8.191. *2) Langley and Kato, The physiological action of Physostigmine and its action on denervated skeletal muscle. Journ. of Physiol. 49, 410. 1914/15. 5) Hedbom, K., Über die Einwirkung verschiedener Stoffe auf das isolierte Säugetierherz. Skand. Arch. 8, 147. 1898. 198 A. A. J. van Egmond: Ausbleiben jeder Leitungsverbesserung nachweisen, sondern es gelang auch, einen hochgradig schädlichen Einfluß des Physostigmins auf die Leitung nachzuweisen, und zwar schon bei sehr kleinen Mengen. Als Präparat wurde Salieylate d’eserine, Salle Paris benutzt. Bei jedem Versuche wurde eine frische Lösung bereitet. Die Dosen schwank- ten zwischen 1 :125000 und 1:50 Milliarden. Zu der kleinsten Dosis wurde übergegangen, nachdem der schädliche Einfluß der größeren Konzentrationen zutage getreten war. Die kleinste verabfolgte Dosis mag lächerlich klein erscheinen; aber sie verliert viel von ihrem Mysteriösen, wenn man bedenkt, daß eine Menge von ®/, mg, bei einem Erwachsenen subeutan injiziert, bereits deutliche Wirkung auf das Herz ausübt. Ein Kaninchenherz ist ungefähr 7000 mal leichter als ein Mensch. Außerdem gelangt bei dem überlebenden Herzen die Giftlösung direkt in das Herz. Bei subcutaner Injektion geht viel von dem Gift verloren, indem verschiedene andere Gewebe einen Teil desselben aufnehmen. Auch benutzte ich bei meinen Versuchen eine wässerige Lösung. Das Blut ist imstande, einen Teil des Giftes zu binden. Bei einer subeutanen Injektion von %/, mg erreicht ein großer Teil des Giftes das Herz also nicht. So wird es verständ- lich, daß schon geringe Mengen des Physostigmins auf das überlebende Herz eine Wirkung ausüben können. Ehe zu den Versuchen mit partiellem Block übergegangen ward, wurde ein Ver- such mit einem normal schlagenden Herzen und mit einem Herzen, bei dem voll- kommene Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer bestand, ausgeführt. Die hierbei zur Anwendung gelangende Physostisminlösung hatte die Stärke 1:2 500 000. Im weiteren Verlaufe der Versuche wurde die Lösung fortgesetzt verstärkt, bis eine Konzentration von 1 : 50000 erreicht war. Die auftretende Veränderungen waren nicht groß. Die Kontraktionen, sowohl diejenigen der Vorhöfe als der Kammern, blieben bei den kleineren Dosen gleich; bei den größten nahmen sie etwas ab. Die Frequenz ging herab. Die Durchströmung wurde eben- falls geringer. Dadurch sank bei meiner Versuchsanordnung die Temperatur des Herzens, da die Flüssigkeit durch längeren Aufenthalt in dem schädlichen Raume mehr Gelegenheit zur Abkühlung hatte. Die Frequenzabnahme, die zum Teile der Temperaturerniedrigung, zum Teile (nach Winterbergs Ansicht) der Physo- stigminwirkung zugeschrieben werden muß, war recht bedeutend, auch bei den Versuchen mit partiellem Block. In langdauernden Versuchen konnte sie bis auf die Hälfte sinken, meistens aber betrug sie !/, der ursprünglichen Frequenz. Der Temperaturrückgang betrug höchstens 3° C. Die Flüssigkeitsmenge, welche durch das Herz strömte, nahm während der Physostigminwirkung auf die Hälfte, bisweilen noch mehr ab. Abgesehen von der Frequenzverringerung waren, trotz der großen Menge Physostigmin, die Veränderungen gering. Reizungssymptome, wie Vergrößerung von Kontraktionen, Extrasystolen u. a. kamen weder bei dem normalen Versuch, noch bei dem Versuche mit komplettem Block vor. Die Wirkung von Physostigmin bei teilweisem Block wurde in 7 Fällen unter- sucht. Der Block wurde immer durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer erzeugt. Die Resultate aller Versuche fielen in demselben Sinne aus. Verbesse- rung der Leitung durch Physostigmin kam weder nach großen noch nach kleinen Mengen vor. Meistens konnte ein schädlicher Einfluß festgestellt werden. Als Kriterium für die Verschlimmerung der Leitungs- störung wurde wieder die Dauer des Blockes und etwaige Zunahme des Grades von Block gewählt. Die nach Physostigmin eintretende Pulsverlangsamung kommt als ein wichtiger günstiger Faktor für die Wiederherstellung der Leitung in Betracht; sie verstärkt die natürliche Neigung des Herzens, die Leitungsstörung Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 199 aufzuheben. Ungeachtet dieser sehr günstigen Umstände wurde die Dauer des teil- weisen Blockes durch Physostigmin bedeutend verlängert. In dem Versuche vom 30. IV. 1918 war durch Berührung mit Kupfer völliger Block entstanden. Darauf „wurde Eserinlösung in der Konzentration 1 : 500 000 durch das Herz geleitet. Es dauerte 380 Sekunden, ehe der völlige Block in 2 : 1-Rhythmus überging; dieser blieb 300 Sekunden bestehen, worauf 3 : 2-Rhythmus auftrat. Nach weiteren 140 Sekunden war der normale Rhythmus wieder hergestellt. Die ganze Dauer des Blockes unter Physostigmineinwirkung betrug also 820 Sekunden oder fast 14 Minu- ten. Die Vorkammerfrequenz war dabei von 132 auf 102 Schläge per Minute, die Temperatur von 36,2° auf 35,9° zurückgegangen. Danach wurde die Konzen- tration der Lösung auf 1 : 125 000 verstärkt. Nachdem erst einige Zeit lang nor- male Ringersche Flüssigkeit das Herz durchströmt hatte, wurde aufs neue Block erzeugt und dann wieder Eserin zum Herzen zugelassen. 300 Sekunden darauf war der komplette Block wieder in 2: 1-Rhythmus übergegangen. Nach 25 Minuten bestand dieser 2: 1-Rhythmus noch; der normale Rhythmus kehrte nicht zurück. Die Vorhofsfrequenz war von 102 auf 78 Schläge gesunken, die Ventrikelfrequenz dementsprechend von 5l auf 39, die Durchströmung von 20 auf 12 ccm per Minute. In normalen Fällen ist es eine große Seltenheit, wenn der teilweise Block !/, Stunde lang dauert. Nach Verabfolgung dieser großen Menge Physostigmin bestand der 2 : l1-Rhythmus nach 20 Minuten noch ungehindert, obwohl die Frequenz bedeutend herabgegangen war. Wenn dies ein alleinstehender Fall wäre, könnte man an einen Zufall denken; jedenfalls schließt die lange Dauer des teilweisen Blockes eine eklatante Verbesserung der Leitung, die man nach Physostigmin erwarten sollte, aus. Aber auch in den anderen Versuchen sieht man diese Verlängerung des Blockes auftreten. Um nun einen sicheren Maßstab für die Dauer eines Blockes bei einem und demselben Herzen unter normalen Verhältnissen und unter Physo- stigminwirkung zu erhalten, wurde erst mit Kupfer Block herbeigeführt und nach- dem dieser vorübergegangen war, aufs neue mit Kupfer Block erzeugt, worauf Physostigmin zugelassen wurde. Man kann also, wenn dies auch nicht mathematisch ist, einen Vergleich anstellen zwischen derjenigen Zeit, die der Block bei Durch- strömung mit der Locke-Ringerschen Flüssigkeit dauert und der Zeit, die er bei Durchströmung mit Physostigminlösung beansprucht. Ein gutes Beispiel hierfür bietet der Versuch vom 8. V. 1918, weil hier die normale Dauer des Blockes schon so äußerst lang war. Es wurde erst Block mit Kupfer erzeugt, dessen Ge- samtdauer 360 Sekunden betrug (erst komplett während etwa 20 Sekunden; wo- von 6 Sekunden auf Ventrikelstillstand entfallen, danach 200 Sekunden lang 2:1-Rhythmus, 110 Sekunden 3 : 2-Rhythmus, und 50 Sekunden zur Wieder- herstellung des normalen Rhythmus). Darauf wurde wieder Block durch Kupfer hervorgerufen. Der Block war wieder total während 30 Sekunden, mit 6 Sekunden Ventrikelstillstand, worauf 2 : 1-Rhythmus einsetzte. Nun wurde Physostigmin- lösung in sehr schwacher Konzentration (1 : 50 000 000 000) zum Herzen zuge- lassen. Es zeigte sich, daß der Block nach dieser Eserinzuführung 550 Sekunden bestehen blieb (2 : 1-Rhythmus während 400 Sekunden). Ehe Physostigmin ins Herz kam, hatte der 2 : 1-Rhythmus bereits 150 Sekunden bestanden. Die Ge- samtdauer der Leitungsstörung betrug also 700 Sekunden. Bei Durchströmung mit der normalen Lösung nahm die Vorkammerfrequenz von 114-102 per Minute ab, während Eserindurchströmung von 92—76. Die Verhältnisse für das Verschwinden des Blockes waren somit für beide Perioden gleich. Doch dauerte der Block unter Physostigmineinwirkung etwa doppelt so lange, als bei der ersten Durchströmung, ehe der normale Rhythmus zurückkehrte. Dies ist um so auffallender, da die Eserinlösung außerordentlich verdünnt war (1/500 000000 mginlccm). Per Minute strömte 0,2. 10-”.mg durch das Herz. Diese winzige Menge machte doch schon ihren Einfluß geltend. Das überlebende Säugetierherz erweist sich somit 200 A. A. J. van Egmond: in diesem Fall als ein sehr empfindliches Objekt für biologische Reaktionen. Wenn es richtig ist, daß diese minimale Giftmenge schon schädlich wirkt, mußte dieses bei einer größeren Giftmenge noch deutlicher zutage treten. Um dies zu unter- suchen, wurde, nachdem der Block vorüber war, normale Ringer-Lösung durch das Herz geleitet. 500 Sekunden lang strömte diese nun durch das Herz, ohne daß Ausfall von Ventrikelsystolen eintrat. Dann wurde abermals mit Kupfer Block herbeigeführt. Es entstand wieder kompletter Block mit einem Ventrikelstillstand von 25 Sekunden, worauf wieder ein Übergang in den 2 : 1-Rhythmus stattfand. Die normale Ringerflüssigkeit strömte weiter durch. Dadurch wurde die Dauer des Blockes wieder kontrolliert. Der Block blieb außerordentlich lange bestehen. Erst nach 1150 Sekunden, also fast 20 Minuten, war der normale Rhythmus wieder zurückgekehrt. Ob diese lange Dauer des Blockes darauf zurückzuführen ist, daß das Physostigmin aus der vorigen Periode noch nicht aus dem Herezn weggespült. war, ist schwerlich zu sagen. Nach Wiederherstellung des Rhythmus wurde noch 520 Sekunden gewartet, ehe aufs neue durch Kupfer Block erzeugt wurde. Die Vor- kammerfrequenz war inzwischen auf 82 Schläge per Minute heruntergegangen, die Durchströmung auf 5cem per Minute, die Temperatur von 34° auf 33° C. Die Umstände, nach so langem Bestehen des Blockes bei Durchströmung mit nor- maler Ringerscher Flüssigkeit mit einer größeren Dosis Physostigmin ein Schlech- terwerden der Leitung nachzuweisen, waren, auch schon infolge der geringen Vor- kammerfrequenz, nicht günstiger geworden. Es wurde.nun der Ringerschen Lösung Y/ooo mg Eserin (1 : 500 000 000) zugesetzt und dann durch Berührung mit Kupfer Block erzeugt. Abermals entstand völliger Block mit einem Ventrikel- stillstand von einigen Sekunden; 15 Sekunden danach begann 2 : 1-Rhythmus. Dieser blieb unter dem Einflusse des Eserins 920 Sekunden lang bestehen, worauf der Grad von Block zunahm (Abb. 14a). Eine solche Verschlimmerung des Blockes wurde normalerweise nie beobachtet. In der Normalperiode dieses Versuches waren die Kontraktionen !/, Stunde lang an Größe konstant geblieben. Die Wiederherstellung des normalen Rhythmus war in diesem Versuch schon ver- schiedentlich wahrgenommen worden. Aber nach Zuleitung der eben genannten Eserinlösung (1 : 500 Millionen) wurde nach 920 Sekunden die Leitung schlechter. Die Frequenz der Vorkammer war auf 68 Schläge gesunken (von 132); sie stieg wieder auf 76, worauf 4 : 1-Rhythmus auftrat (siehe Abb. 14a). Die Kammer- frequenz war 19 per Minute. Dieser höhere Grad von Block hielt an. Erst zeigte sich ab und zu noch 2 : 1-Rhythmus; aber auf die Dauer wurden die Perioden des 4 : 1-Rhythmus länger. Ein Übergang vom 2 : 1-Rhythmus in den 3 : 1-Rhythmus wurde nicht wahrgenommen; vielmehr entstand der 4 : 1-Rhythmus unvermittelt aus dem 2 : 1-Rhythmus. Die geringe Frequenzzunahme (von 68 auf 76), welche plötzlich auftrat, hat vielleicht bei dem Übergang vom 2: 1-Rhythmus in den 4: 1-Rhythmus eine Rolle gespielt. Groß ist dieser Einfluß indes nicht gewesen, denn später ging die Frequenz wieder auf 66 per Minute zurück, während doch der 4 : 1-Rhythmus bestehen blieb (siehe Abb. 14b). Um zu erfahren, ob normale Ringerflüssigkeit noch jetzt imstande sei, den Block wiederherzustellen, wurde nun wieder diese zum Herzen geleitet. Als sie dort anlangte, hatte der Block im ganzen 1830 Sekunden bestanden, also schon 1!/,mal so lange wie die längste Normalperiode. Die normale Ringersche Flüssigkeit erwies sich tatsächlich imstande, die Leitung auf die Dauer zu verbessern; aber sie vermochte sie nicht vollständig wiederherzustellen. Nach 340 Sekunden kehrte 3 : 1-Rhythmus zurück, nach weiteren 13 Sekunden begann 2 : 1-Rhythmus und nach abermals 21 Sekunden für kurze Zeit normaler Rhythmus; aber dieser konnte sich nicht behaupten. Der 2:1-Rhythmus kehrte wieder zurück. Nachdem die Ringerlösung 30 Minuten durchs Herz geströmt war, wurde der Versuch abgebrochen. Der Normalrhythmus ließ sich nicht wiederherstellen. Die Frequenz der Vorhöfe betrug am Ende des nn ln. u a 2. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 201 Versuches 64 Schläge per Minute. In diesem Versuche konnte alsoeinwand- frei ein Schlechterwerden der Leitung durch Physostigmin in sehr geringer Konzentration nachgewiesen werden. Diese Verschlechterung trat bei einem Herzen auf, das wie zuvor nachgewiesen wurde, imstande war, seinen normalen Rhythmus wiederherzustellen. Die Dauer des Blockes unter normalen Verhältnissen und unter Einwirkung von Physostigmin konnte direkt miteinander verglichen werden. Die Dauer des Blockes fiel schon bei einer Menge von 1:50 Milliarden zuungunsten des Physostigmins aus. Eine tausendfach größere Menge (1 : 50 000 000), die aber doch noch als sehr klein bezeichnet wer- den darf, war imstande, das Leitungsvermögen noch mehr zu schädigen, so daß ein Übergang von dem 2: 1- in den 4 : 1-Rhythmus stattfand. Diese Verschlech- terung der Leitung erfolgte trotz nahezu nicht unterbrochener Frequenzabnahme der Vorkammer. Es waren also die günstigsten Bedingungen für die Wieder- herstellung des normalen Rhythmus vorhanden. Die Durchströmung mit normaler Il} klasse HR Rinne rl Abb. 14a. Abb. 14b. Abb. 14. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssig- keit. Temp. 33°C. Druck 85 cm Wasser. — Abb. 14a. Durch Berührung mit Kupfer ist teilweiser Block (2: 1-Rhythmus) hervorgerufen. Physostigminlösung 1:500 x 106 strömt wäh- rend 900 Sekunden durch das Herz. Es ist Pulsus alternans entstanden. Der 2:1-Rhythmus geht unter Einwirkung von Eserin in 4: 1-Rhythmus über. Die, Frequenz der Vorkammern geht während der Durchströmung mit Eserin von 84 auf 72 Schläge per Minute herab. Die Tempe- ratur ist von 33° C auf 31,5° C gesunken. — Abb. 14b. 150 Sekunden später. Der 4: 1-Rhythmus besteht ungehindert weiter. Frequenz der Vorkammer 66 Schläge per Minute. Ringerscher Flüssigkeit, die sonst und auch in diesem Versuch sich fähig erwies, den normalen Rhythmus wiederherzustellen, vermochte wohl eine Verringerung des Grades von Block zu bewirken. konnte aber nicht den normalen Herzmechanis- mus auf die Dauer zurückkehren lassen. Durch das Physostigmin war die Leitung irreversibel beschädigt. Auch in den übrigen Versuchen wurde eine lange Dauer des Blockes konsta- tiert. So wurde in dem Versuch vom 1. V. 1918 nach Physostigmin (1 : 50 000 000) eine Dauer von 1420 Sekunden = 25 Minuten festgestellt, ehe der normale Rhyth mus zurückgekehrt war. Am 2. V. dauerte es nach Anwendung einer Konzentration von 1 : 5 000 000 000 900 Sekunden, am 3. V. nach einer noch schwächeren Lösung Physostigmin (1 : 50 000 000 000) 1130 Sekunden. Am 4. V. blieb kompletter Block 860 Sekunden lang; dann trat 410 Sekunden teilweiser Block auf, der danach in normalen Rhythmus überging. Die Gesamtdauer des völligen und des teilweisen Blockes war somit 1270 Sekunden. Zuweilen kehrte der normale Rhythmus nicht zurück, bis wieder Ringerlösung ins Herz kam. Man erhält dann den Eindruck, daß die normale Ringerlösung den Anstoß zur Wiederkehr des normalen Rhythmus gibt; bei einer derartig langen Dauer des Blockes ist dies aber nicht mit Sicherheit 202 A. A. J. van Egmond: zu sagen." Immer findet während der Eserinwirkung Frequenzabnahme statt, ein Umstand, welcher der Rückkehr zum normalen Rhythmus in die Hand arbeitet. Mitunter sank die Vorkammerfrequenz bis auf die Hälfte herab (von 180 auf 90); meistens betrug sie zwei Drittel der normalen Zahl (von 150 z. B. 100). Und un- geachtet dieser bedeutenden Frequenzabnahmen war der Block doch von langer Dauer. In zahlreichen anderen Fällen habe ich eine Dauer des teilweisen Blocks, von einer Viertelstunde nur dreimal beobachtet. Hier zeigte sich eine mehr als viertelstündige Dauer des Blockes in sieben aufeinanderfolgenden Versuchen. Diese Erscheinung mag sicher als ein Beweis dafür gelten, daß diese lange Dauer des Blockes der Physostigminwirkung zugeschrieben werden muß. Mehrfach wurde auch dadurch, daß abwechselnd normale Ringerlösung und Phy- sostigminlösung durch das Herz geleitet ward, eine Verbesserung oder Verschlech- terung des Blockes erzielt. So wurde in dem Versuch vom 2. V. zum zweiten Male Block herbeigeführt während der Durchströmung mit Eserinlösung (1: 5 000 000 000) Als eine Zeitlang 2 : 1-Rhythmus bestanden hatte, wurde auf Ringerlösung um- gestellt. Darauf trat 3 : 2-Rhythmus auf. Sobald der 3 : 2-Rhythmus sich wieder einstellte, also Verbesserung der Leitung eingetreten war, wurde wieder Eserin- lösung durchgeleitet, was die Rückkehr des 2 : 1-Rhythmus zur Folge hatte. Dies wurde dreimal wiederholt. Jedesmal führte Eserinlösung eine Verschlechterung der Leitung herbei, die durch normale Ringerlösung wiederaufgehoben wurde. Auf diese Weise gelang es, bis zum Ende des Versuches, mehr als 2000 Sekunden hindurch den teilweisen Block aufrechtzuerhalten. Das gleiche ergab sich auch in anderen Versuchen. Bisweilen trat dabei 4 : 1-Rhythmus auf, der dann durch Ringerlösung wieder auf einen geringeren Grad von Block zurückgebracht wurde. Bei Anwendung von Physostigmin wurde noch eine Eigentümlichkeit bezüglich der Form bemerkt, unter der die Rückkehr zum Normalrhythmus erfolgt. Ge- wöhnlich geht der 3 : 1-Rhythmus in 2 : 1-Rhythmus über, dieser wieder in 3 : 2- Rhythmus; darauf fällt nach jedem vierten, fünften usw. Vorkammerschlag ein Kammerschlag aus, bis der normale Rhythmus wiederhergestellt ist. Unter dem Einfluß des Physostigmins sieht man nun wiederholt bei dem Übergang zum 3: 2- Rhythmus einen Wechsel zwischen 2 : 1-Rhythmus und 3 : 2-Rhythmus auftreten; d. h. bald fällt nach jedem zweiten, bald nach jedem dritten Vorkammerschlag ein Ventrikelschlag aus. Das Eigentümliche ist, daß dabei Leitung und Contrac- tilität nicht parallel gehen, sondern im entgegengesetzten Sinne variieren. In normalen Versuchen geht das Schlechterwerden der Leitung mit Verschlechte- rung der Contractilität Hand in Hand. Hat man nebeneinander einen 3: 1-, “ 2: 1- und Normalrhythmus, dann bemerkt man, daß die Kontraktionen der Kammer beim Normalrhythmus am größten, beim 2: 1-Rhythmus kleiner und bei 3 :1-Rhythmus am kleinsten sind. Tritt abwechselnd 3 : 1- und 2: 1-Rhythmus auf, also folgt erst nach 3, dann nach 2 Vorkammerschlägen 1 Kammerschlag, dann entsteht ein Pulsus alternans. Die Kontraktion, die nach dem dritten Vorkammer- schlag folgt, ist größer als diejenige nach dem zweiten Vorkammerschlag. Bei der ersteren ist die Leitung besser als bei den zweiten. Dasselbe beobachtet man bei dem 3 : 2-Rhythmus, also wenn nach je 3 Vorkammerschlägen 1 Ventrikelschlag ausfällt. Dann entsteht wieder ein Pulsus alternans. Der größte Schlag folgt nach der längsten Pause. Die Leitung ist dann wieder verbessert. Bei dem folgenden Schlag ist die Leitungszeit wieder länger, die darauffolgende Kontraktion viel kleiner. Die nebenstehenden Figuren (Abb. 15 und 16a) erläutern das Gesagte. Hieraus zeigt sich, daß normalerweise Leitung und Contractilität einander parallel laufen. Wird die eine schlechter, dann verschlechtert sich auch die andere und umgekehrt. Unter Einwirkung von Physostigmin ändert sich dieses Verhältnis (Abb. 16b). Auf der Kurve bemerkt man verschiedene Gruppen, die sich immer wiederholen. Zu Anfang sieht man eine sehr große Kammerkontraktion, die auf | Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 203 Ha a Hl on I a A AN N v vw INN u Abb. 15a. Abb. 15b. Abb. 15c. | j Abb. 15. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssig- | keit. Oberste Reihe: Vorkammerkontraktionen. Zweite Reihe: Kammerkontraktionen. Dritte Reihe: Zeit in Sekunden. — Abb. 15a. Normaler Rhythmus. Ausschlag der Kammern 2,40 cm- ! — Abb.15b. Durch Berührung mit Kupfer ist teilweiser Block entstanden, und zwar 3: 1-Rhyth- mus. Die Ausschläge der Kammer sind viel kleiner geworden (1,05 cm). Dann entsteht alter- nierend 3:1 und 2: 1-Rhythmus Die Kammerschläge sind abwechselnd größer und kleiner. Der kleinste Kammerschlag folgt, wenn die Leitungszeit am längsten ist, der größte Kammerschlag, wenn die Leitungszeit am kürzesten ist. — Abb. 15c. Es ist 2:1-Rhythmus entstanden. Die Ausschläge der Kammer sind bedeutend größer (1,70 cm) als bei dem 3: 1-Rhythmus (1,05 cm), | aber viel kleiner als bei dem normalen Rhythmus (2,40 cm). ENEREINIINENENEIK AI ENENSIELENENIENPENENEIEANBERENERERER Abb. 16a. Abb. 16b. Abb. 16. Kaninchenherz. Langendorff. Durchströmung mit Locke-Ringerscher Flüssig- keit. Druck 85 cm Wasser. — Abb. 16a. Normaler 3:2-Rhythmus. Die Kammer zeigt einen Pulsus alternans. Der größte Schlag der Kammer kommt, wenn die Leitungszeit am kürzesten ist, der kleinste, wenn die Leitungszeit am längsten ist. A: 0,00 0,55 1,10 1,65 2,20 2,75 3,30 V: 0,10 0,83 1,75 248 - 3,40 Abb. 16b. Physostigminlösung strömt durch das Herz. Abwechselnd 2: 1-Rhythmus und 3: 2- Rhythmus. Der 3:2-Rhythmus zeigt Abweichungen vom gewöhnlichen Verlaufe. Der kleinste Kammerschlag kommt bei der kürzesten Leitungszeit, der größte Schlag bei der längsten Lei- tungszeit (bei x). A: 0,00 0,545 1,09 1,635 2,18 2,725 3,27 3,815 4,36 4,905 5,45 5,995 V: 0,13 1,19 1,88 2,86 3,983 4,49 5,55 6,25 A: 6,54 7,085 7,63 7,175 8,72 9,265 1 Sekunde = 0,96 cm. V: 1,22 7,89 8,95 einen Vorhofsschlag folgt; der nächste Vorhofsschlag gibt keine Ventrikelkontrak- tion (2 : l1-Rhythmus). Dann folgen zweimal nacheinander 3 Vorkammerschläge, auf welche jedesmal nur 2 Ventrikelschläge antworten (3 :2-Rhythmus). Der zweite Zyklus bietet den normalen Anblick; nach der größeren Pause Wieder- herstellung der Leitung mit großem Ventrikelschlag, dann Verlängerung der Lei- 204 A. A. J. van Egmond: tungszeit mit kleinem Ventrikelschlag. Der erste Zyklus verläuft jedoch anders. Bei diesem kommt erst ein kleiner Ventrikelschlag bei kurzer Leitungszeit, auf den ein größerer Ventrikelschlag bei verlängerter Leitungszeit folgt. In Abb. 16 ist bei dem normalen Zyklus die Leitungszeit bei dem ersten großen Schlage 0,17 Se- kunden, bei dem zweiten kleinen Schlage 0,27 Sekunden; bei dem anormalen Zyklus ist die Leitungszeit bei der ersten und kleinsten Kontraktion 0,10 Sekunden, bei dem zweiten und größeren 0,27 Sekunden. Das Verhältnis ist also gerade um- gekehrt: im ersten Falle also große Contractilität bei kurzer Leitungszeit und kleine Contractilität bei langer Leitungszeit, im zweiten Falle kleine Contraetilität bei kurzer Leitungszeit und größere Contractilität bei langer Leitungszeit. Dies beweist, daß Leitung und Contractilität zwei verschiedene Eigenschaften des Her- zens sind, welche im entgegengesetzten Sinne verlaufen können. Ein derartiges Verhalten wurde in mehreren mit Physostigmin angestellten Versuchen beobachtet. Bei anderen Giften wurde dieses Verhalten nicht bemerkt. Aus dieser Untersuchung zeigt sich, daß das Physostigmin bei dem überlebenden Säugetierherzen mit beschädigtem Leitungssystem einen sehr schlechten Einfluß ausübt. Die auf die Leitung ausgeübte Schädi- gung wurde aus der sehr langen Dauer des teilweisen Blockes in allen Versuchen gefolgert. Der teilweise Block dauerte mehrmals länger als eine halbe Stunde. Bisweilen wird durch das Physostigmin das Lei- tungssystem unwiderruflich beschädigt, so daß eine dauernde Rückkehr zum normalen Rhythmus, sogar nach Durchströmung mit normaler Locke - Ringerscher Flüssigkeit nicht mehr stattfindet. Der schäd- liche Einfluß des Physostigmins konnte schon bei einer Menge von 0,000 0001 mg auf 500 R., also einer Lösung von 1 :500 Milliarden nachgewiesen werden. Durch wiederholtes Wechseln von normaler Lösung und Giftlösung ließ sich abwechselnd ein Besser- und Schlechter- werden der Leitung herbeiführen. Diese ungünstigen Resultate stehen in grellem Widerspruche zu den sehr günstigen Ergebnissen, die in der Klinik erzielt worden sind. Dort wurde trotz der Vaguswirkung, die namentlich bei Beschädigung der Lei- tung ein sehr ungünstiger Faktor für die Leitung ist, Wiederherstellung von teilweisem Block nach Verabfolgung von Physostigminerreicht. Was die Ursache dieser verschiedenen Resultate ist, wird durch eine nähere Untersuchung ergründet werden müssen, wie es ebenfalls er- wünscht ist, die Wirkung von Physostigmin auf das isolierte Herz nach vorangehender Verabfolgung von Atropin zu untersuchen. Sehluß. Überblickt man die Wirkungen, welche die verschiedenen unter- suchten Gifte auf die Reizleitung von Vorhof zur Kammer bei partiellem Herzblock ausüben, so ist es überraschend, daß so vielfach ein ganz anderer Effekt gefunden wurde, als erwartet war. Die Leitung günstig beeinflussende Gifte sind Strophanthin, Strych- nin und Caleiumchlorid (letzteres nur in kleinen Dosen). Kein Einfluß Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 205 wird von Adrenalin ausgeübt. Ungünstig wirken Bariumchlorid, Coffein, Campher und Physostigmin. Strophanthin und Strychnin ließen gerade einen ungünstigen Effekt erwarten. Das erstgenannte Gift, das klinisch vielfach studiert wurde, führte nach den bisherigen Beobachtungen immer Leitungsstörungen herbei, die meistens zwar von Vagusreizung abhängig waren, aber in einigen Fällen doch (bei Ausschaltung des Vagus durch Atropin) durch Strophanthin hervorgerufen wurden. Auch kommt man auf den Gedanken, daß Strophanthin stets ungünstig auf das Leitungssystem einwirken müsse, weil meistens die vollkommene Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer betont wird, welche in dem toxischen Stadium der Ver- giftung eintritt. Nun braucht diese Erscheinung nicht immer auf einer Störung im Leitungssystem zu beruhen; sondern dies kann auch durch das Entstehen vermehrter Kontraktionsreize in den Kammern selbst verursacht werden, wodurch das Leitungssystem automatisch aus- geschaltet wird. Aber obendrein verliert man dabei das therapeutische Stadium ganz aus dem Auge. Und gerade im therapeutischen Stadium tritt die günstige Wirkung des Strophanthins beim partiellen Block des überlebenden Säugetierherzens ein. Daß im toxischen Stadium nach Strophanthin völliger Block eintritt, steht jedoch fest. Strychnin ließ einerseits Günstiges durch die Pulsverlangsamung erwarten, die es bewirkt, andererseits bedingt es auch Abnahme der Con- tractilität, eine Abnahme verschiedener Funktionen des Herzens also, weshalb auch ein Schlechterwerden der Leitung erwartet werden konnte. Die Untersuchung Smiths schien auf einen ungünstigen Efffekt von Strychnin auf Leitungsstörungen hinzudeuten. Da aber in seinen Ver- suchen der Block durch verschiedene Gifte hervorgerufen worden war, weiß man indessen nicht, ob es sich um eine Wirkung von Strychnin auf das Leitungssystem oder einen Einfluß auf das in dem Leitungs- system anwesende Gift handelt. In meinen Versuchen hatte Strychnin einen sehr günstigen Einfluß auf die Leitung. Beim Physostigsmin wurde eine deutliche Leitungsverbesserung er- wartet, und die günstige, in der Klinik damit erzielte Wirkung recht- fertigte dieses Vertrauen. Die Resultate fielen jedoch im umgekehrten Sinne aus, Physostigmin verschlechterte die Leitung beträchtlich. Die schädliche Wirkung von Barium auf die Leitung wurde, in Hinblick auf seinen ungünstigen Effekt bei normalen Herzen, wohl erwartet. Das Calciumchlorid übt eine geringe günstige Wirkung auf die Lei- tung aus. Dieser günstige Einfluß geht aber schon bei geringer Zunahme der Dosis in einen ungünstigen Effekt über. Dadurch kommt die enge Verwandtschaft, welche zwischen Barium und Calcium in ihrer Wirkung auf das Herz besteht, zum Ausdruck. 206 | A. A. J. van Egmond: Der schädliche Einfluß des Coffeins auf die Leitung muß der Fre- quenzzunahme zugeschrieben werden. Bei dem Adrenalin spielte die letztere bei den gewählten Mengen nur eine geringe Rolle, was mit der veränderten Form der Herzkontraktion nach Adrenalin durchaus im Einklange steht. Der schädliche Einfluß von Campher auf die Leitung bot insofern eine Überraschung dar, als derselbe schon bei außerordentlich kleinen Mengen (allerdings nur in einem Teil der Versuche) nachgewiesen werden konnte. Zusammenfassung‘). Am überlebenden, nach Langendorffs Verfahren mit Locke- Ringerscher Flüssigkeit durchströmten Kaninchenherzen wurde par- ' tieller Block erzeugt: a) mechanisch (durch Allem des Hisschen Bündels). b) chemisch (durch Applikation von Formol oder Silbernitrat auf das Bündel); c) durch Berührung des Bündels mit Kupfer. Die funktionelle Leitungsstörung, welche durch Berührung des Hisschen Bündels mit Kupfer entsteht, wird wahrscheinlich dadurch verursacht, daß sich äußerst kleine Metallmengen auflösen. Auch mit anderen Metallen kann ein solcher Effekt erzielt werden, namentlich mit Cd und Zn, während Pb, Al, Bi und Ag sehr viel schwächer wirken. In einer Reihe von Versuchen entstand der Block ‚spontan‘, d h. durch Verunreinigungen der benutzten Ringerschen Flüssigkeit. Der experimentell erzeugte Block geht immer wieder in normalen Rhythmus über. Der ‚spontan‘ entstandene Block nimmt immer in Grad zu; er geht niemals von selbst in normalen Rhythmus über. Bei gleichzeitiger Registrierung von’ Vorhof- und Kammerkon- traktionen wurden die nachstehend genannten Veränderungen durch die folgenden Gifte hervorgerufen: l. Strophanthin verbessert im therapeutischen Stadium die Lei- tung zwischen Vorhof und Kammer. Das Stadium der Unregelmäßigkeiten tritt bei beschädigtem Bündel eher auf als bei unbeschädigtem Bündel. Die Unregelmäßigkeiten werden im Beginne dadurch herbeigeführt, daß der Sinusknoten die Führung an die tiefer gelegenen kardiomoto- rischen Zentren abtreten muß. Es entsteht ein Wechsel erst von Kam- merschlägen, die vom Vorhof abhängig sind und atrio-ventrikulären Schlägen, später von atrio-ventrikulären Schlägen und autonomen 1) Vgl. hierzu auch die Zusammenfassung in meiner früheren Mitteilung ‚‚Über die Wirkung einiger Arzneimittel beim vollständigen Herzblock‘‘, Archiv f. d. ges. Physiol. 154, 39. 1913. Über die Wirkung einiger Arzneimittel bei partiellem Herzblock. 207 Kammerschlägen, welche (infolge Leitung in umgekehrter Richtung) Vorkammerkontraktionen verursachen können. Schließlich entsteht völlige Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer. Die vollkommene Dissoziation zwischen Vorkammer und Kammer im toxischen Stadium braucht nicht ausschließlich auf einer spezifischen Beschädigung des Leitungssystems durch Strophanthin zu beruhen; sie kann auch durch eine erhöhte Bildung von Kontraktionsreizen in den Kammern zustande kommen, welche Reize die vom Sinus aus kommen- den Kontraktionsreize an Zahl übertreffen. Wird die Automatie der Kammern durch Strophanthin nicht zur Entwicklung gebracht, dann kann im toxischem Stadium eine Beschädigung des Leitungssystems nachgewiesen werden, wodurch Ausfall von Ventrikelschlägen und teil- weiser Block zustande kommt, der schließlich in völligen Block über- geht. In meinen früheren Versuchen bei totalem Block hat sich außer- dem herausgestellt, daß nach Strophanthin im toxischen Stadium arhyth- mische Kammertachykardie eintritt, wodurch eine weitere Ursache für die unregelmäßige Herztätigkeit in diesem Stadium gegeben ist. 2.Strychnin verbessert die Leitung zwischen Vorhof und Kammer. Die Verbesserung der Leitung ist noch bemerkbar bei Mengen, welche keinen Einfluß mehr auf Contractilität und Frequenz ausüben. Bei größeren . Mengen nehmen Frequenz und Contractilität ab, während trotzdem die Leitung fortgesetzt den günstigen Einfluß des Strychnins erfährt. Mitunter findet anfangs eine Vergrößerung von Kammerkon- traktionen statt. Bei totalem Block bewirkt Strychnin Verkleinerung und Frequenzabnahme der Kammerkontraktionen. Manchmal treten gruppenweise beschleunigte Kammerkontraktionen auf. | 3. Caleciumchlorid in kleinen Mengen übt in geringem Grade einen günstigen Einfluß auf die Leitung zwischen Vorhof und Kammer aus, während gleichzeitig die Contractilität verbessert wird. Nach größeren Mengen wird die Leitung zwischen Vorhof und Kammer sowohl bei nor- malen Herzen als bei experimentell erzeugtem Block immer schlechter. Es entsteht dann partieller Block. In der Regel bleibt die Frequenz der Vorhöfe dabei gleich. Bisweilen entsteht der partielle Block durch eine zeitweilig auftretende aurikuläre Tachykardie, bei.der die Vorhöfe die doppelte Frequenz annehmen und die Kammer in dem ursprünglichen Rhythmus weiterschlägt. Bei totalem Block treten arhythmische An- fälle von Kammertachykardie auf. 4. Bariumcehlorid verschlechtert immer die Leitung zwischen Vorhof und Kammer. Nach kleinen Mengen nimmt der Grad von Block zu; nach größeren Mengen wird die Leitung zwischen Vorkammer und Kammer aufgehoben. Die durch BaCl, erhöhte Automatie der Kammern greift zuweilen störend ein, so daß zwischen dem regelmäßigen 2 : 1- Rhythmus einige ventrikuläre tachykardische Anfälle vorkommen, 208 A.A.J.van Egmond: Wirkung einiger Arzneimittel b. partiellem Herzblock. während welcher der Zusammenhang zwischen Vorhof und Ventrikel völlig verloren ist. Bei totalem Block treten arhythmische Anfälle von Kammertachykardie auf. 5. Adrenalin übt keinen deutlichen direkten Einfluß auf die Lei- tung zwischen Vorhof und Kammer aus. Durch exzessive Erhöhung der Vorhofsfrequenz kann aber ein teilweiser Block entstehen. Der Umstand, daß nach Coffein leichter partieller Block entsteht als nach Adrenalin, während beide Stoffe eine gleich starke Zunahme der Fre- quenz bewirken, beruht wahrscheinlich darauf, daß nach Adrenalin die diastolische Erschlaffung des Herzens schneller eintritt. 6. Coffein bewirkt Leitungsstörung zwischen Vorkammer und Kammer. Die lange Dauer des teilweisen Blockes oder die Rückkehr des wiederhergestellten Rhythmus zum teilweisen Block wird aber nicht durch eine spezifische Giftwirkung auf das Leitungssystem, sondern ausschließlich durch die dabei auftretende ua der Vor- kammer verursacht. 7. Campher übt in größeren Mengen einen schädlichen Einfluß auf die Leitung zwischen Vorhof und Kammer aus. In kleineren Mengen ist entweder kein oder ein ungünstiger Einfluß zu verspüren. Nur aus- nahmsweise kann bisweilen ein günstiger Effekt auf die Leitung erzielt werden. In äußerst kleinen Mengen (1 : 35 000 000) läßt sich in vielen Fällen (50%) eine deutliche Zunahme der Contractilität beobachten, während dann doch die Leitung in negativem Sinne beeinflußt werden kann. 8. Physostigmin übt, sogar in sehr kleinen Mengen, einen schäd- lichen Einfluß auf die Leitung zwischen Vorhof und Kammer aus. Der partielle Block dauert entweder außerordentlich lange oder ergeht in einen höheren Grad von Block über. Normale Ringersche Flüssigkeit kann den höheren Grad von partiellem Block wieder beseitigen. Zu- weilen ist das Leitungssystem irreversibel durch Physostigmin beschä- digt. Die Verschlechterung der Leitung findet trotz Frequenzabnahme statt. Bei totalem Block verlangsamt Physostigmin die Kammerkon- traktionen. DIE "2 Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. Von Hans Stübel. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena.) Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 26. November 1919.) Am Schlusse seiner bekannten im Jahre 1899 erschienenen Abhand- lung über die ‚Struktur der contractilen Materie‘ kommt M. Heiden- hain!) zu der Folgerung, daß eine ‚erneute mikroskopische Unter- suchung der Muskelkontraktion dringend notwendig ist“. Trotzdem haben, seitdem die zusammenfassende Arbeit von Heidenhain er- schienen ist, sich nur wenige Autoren in eingehenderer Weise mit diesem Problem befaßt. An erster Stelle sind hier Hürthle!) und Meigs?) zu nennen. Hürthle untersuchte mit einer außerordentlich genauen Tech- nik auf mikrophotographischem und kinematographischem Wege den Ablauf der spontanen Kontraktionswellen der Muskeln von Hydro- philus piceus, einem für diese Untersuchungen besonders günstigen und daher schon häufig benutzten Objekte. Sowohl in bezug auf die Dar- stellungen der Struktur der Muskelfaser als auf die Darstellung der wäh- rend der Kontraktion mikroskopisch wahrnehmbaren Veränderungen der Muskeln kommt Hürthle zu Ansichten, die von denen der früheren Autoren — Rollet, Engelmann, Merkel u. a. — wesentlich ab- weichen, denen aber auch in der Folge Widerspruch begegnet ist, in- sonderheit bezüglich der Auffassung bestimmter Strukturelemente. Allerdings hebt Hürthle selbst hervor, daß auf Grund seiner Unter- suchungen ein abschließendes Urteil über die Struktur des Muskels und ihre funktionellen Veränderungen nicht zu fällen sei, und daß Unter- suchungen auch an anderen als den von ihm untersuchten Muskeln wünschenswert seien. Im folgenden seien einige Beobachtungen über die Struktur des quergestreiften Muskels und ihre unter verschiedenen Bedingungen auf- 1) Hürthle, Über die Struktur der quergestreiften Muskelfaser von Hydro- philus im ruhenden und tätigen Zustand. Archiv f. d. ges. Physiol. 126, 1. 1909. 2) Meigs, The Structure of the element of Cross-striated Muscle, and the changes of Form which it undergoes during Contraction. Zeitschr. f. allg. Physiol. 8, 81. 1908. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 14 210 -H. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung- tretenden Veränderungen, die im wesentlichen an den Muskeln des Frosches (Rana esculenta und temporaria) angestellt wurden, mit- geteilt. Von Insektenmuskeln wurden zum Vergleich vor allem die Flügelmuskeln von Dipteren und Hymenopteren (Musca, Sarcophaga, Bombyx) herangezogen. Über die an diesen letzteren Objekten gewon- nenen Erfahrungen soll jedoch erst in einer späteren Mitteilung aus- führlicher berichtet werden. Allerdings sind die Muskeln des Frosches bekanntlich in vieler Hin- sicht zu mikroskopischen Untersuchungen weniger geeignet als die der meisten Insekten und besonders diejenigen des Hydrophilus. Die ein- zelnen Fasern sind bedeutend dicker und lassen sich nicht so leicht iso- lieren, die Querstreifung ist schmaler, spontane Kontraktionswellen sind nicht zu beobachten. Von vornherein kann man also sagen, daß eine Beobachtung der feineren Veränderungen der Muskelstruktur wäh- rend des Kontraktionsvorganges selbst sich ‘an den Muskelfasern des Frosches nicht anstellen läßt. Trotzdem erschien es wünschenswert, einmal auch dieses Objekt zum Vergleiche heranzuziehen, um so mehr, da neben der mikroskopischen Untersuchung der Arthropodenmuskeln diejenige der quergestreiften Muskeln der Wirbeltiere, wenn man von der Erforschung gewisser Eigentümlichkeiten des Herzmuskels absieht, gänzlich in den Hintergrund getreten ist, während umgekehrt fast alle mit anderen Methoden ausgeführten Untersuchungen zur Physiologie der quergestreiften Muskeln an Wirbeltieren angestellt worden sind. Es wurden, um möglichst genaue Vergleiche ziehen zu können, nur zwei Muskeln, der Sartorius und der Outaneus pectoris verwendet, der erstere, weil er sich als parallelfaseriger Muskel besonders gut zer- zupfen und zur Herstellung von Längsschnitten verwenden läßt, der letztere, weil er sich im Ganzen, ohre daß man eine Muskelfaser an irgendeiner Stelle zu verletzen oder auch nur zu berühren oder zu dehnen braucht, herausnehmen und unter dem Mikroskop betrachten läßt. Dabei ist dieser Muskel immerhin so groß, daß er zwischen Objektträger und Deckglas längere Zeit verweilen kann, ohne daß die Gefahr raschen Austrocknens vorliegt. So kann man unter Umständen davon absehen, den Muskel in irgendeinem flüssigen Medium zu betrachten, was für viele Fälle von Vorteil ist. Im Gegensatz hierzu wird der Sartorius durch die der mikroskopischen Betrachtung vorausgehende Präparation weit mehr beschädigt. Einzelne, in Ringerlösung oder in Göthlinscher!) Lösung liegende Stücke dieses Muskels wurden unter dem binokularen Mikroskop mit feinen Nadeln in ihre Fasern zerzupft und dann der Be- trachtung bei starker Vergrößerung unterworfen. Immerhin gelingt 1) NaC1 0,65%, NaHCO, 0,1%, KC1 0,01%, CaCl, 0,0065%, Na;HPO, 0,0009%, NaH,PO, 0,0008% vgl. Göthlin, Über die chemischen Bedingungen für die Aktivität des Herzmuskels. Skand. Archiv f. Physiol. 12, 1. 1902. “ a; B re BL ER: es des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 211 es so, längere Faserbruchstücke zu erhalten, deren Struktur, wenn man von den Enden der Stücke absieht, sich in nichts von derjenigen ganz unverletzter Fasern des Cutaneus pectoris unterscheidet. Zur Untersuchung diente hauptsächlich die Zeißsche apochroma- tische Ölimmersion 2 mm Brennweite, num. Apert. 1,3 in Verbindung mit den Kompensationsokularen 4, Sund 12. Besonderer Wert wurde bei den vergleichenden Untersuchungen darauf gelegt, eine stets gleichmäßige Lichtquelle zu benutzen. Es wurde daher nur bei künstlichem Licht untersucht unter Verwendung einer Nernst-Lampe, deren Licht durch ein Zettnowsches!) Filter abgeschwächt wurde (3 cm Schichtdicke). Vorerst sei in Kürze das bekannte Bild der normalen Querstreifung “ der Muskelfaser des Frosches beschrieben, da es sich in gewissen charak- Abb. 1. Zupfpräparat des Sartorius von Rana temporaria in Ringerlösung. Abbe&scher Zeichen- apparat, apochrom. Immersion, 2 mm Brennweite, nom. Apert. 1,3, Kompens.-Okular 8, etwas schematisiert. Normale zusammengesetzte Querstreifung. teristischen Beziehungen vom Insektenmuskel unterscheidet, und seine normale Struktur vor allem auch von derjenigen abweicht, welche Hürthle als die typische vom Hydrophilusmuskel beschreibt. Be- trachtet man eine Muskelfaser eines möglichst frischen, unversehrten Musculus cutaneus pectoris, so. sieht man von einer fibrillären Längs- streifung des Muskels, also von einer Gliederung in Säulchen oder in Fibrillen, nichts. Gleichmäßig zieht die Querstreifung durch die ganze Dicke des Sarkolemmschlauches, nur unterbrochen von den Zellkernen, die ihrerseits von einer spindelförmigen Scheide körnigen Sarkoplasmas umgeben sind. Betrachtet man nun die Querstreifung näher, so ge- wahren wir bei einer bestimmten Einstellung folgendes Bild (Abb. 1): Es wechseln miteinander breite, schwächer lichtbrechende, helle und dunkle, stärker lichtbrechende Streifen ab. Jeder helle Streifen wird 1) Aqua dest. 300 cem, Kupfersulfat 35 g, Kaliumdichromat 3,59 g, Schwefel- säure l ccm. 14* 212 H. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung außerdem durch einen dunklen, linearen Streifen in zwei Hälften ge- teilt, während der breitere dunkle Streifen homogen erscheint. Die- jenige Einstellung, bei welcher die stärker lichtbrechenden Schichten dunkel erscheinen (tiefere Einstellung), will ich in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der früheren Autoren als die normale Einstellung be- zeichnen, und wir werden uns weiterhin bei der Beschreibung der Quer- streifung stets auf diese Einstellung beziehen. Nach der von den meisten Autoren angenommenen Nomenklatur bezeichnen wir den dicken, dunk- len Querstreifen mit Q, die beiden durch den dünneren dunklen Streifen getrennten hellen Streifen mit Z und den dünnen dunklen Streifen selbst mit Z, so daß wir also die Periode Z, I, ©, I erhalten. Dieses Bild der Querstreifung ist beim Froschmuskel als das normale zu betrachten. Je frischer und unversehrter ein Muskel ist, je schonender das Präparat behandelt wurde, um so mehr Fasern zeigen das eben beschriebene Bild; und ebenso: je schonender eine Faser in einem Zupfpräparat behandelt worden ist, um so größer ist diejenige Strecke ihres Verlaufes, welche dieses Bild darbietet. Dieser Befund steht also in Übereinstimmung mit dem Befund der großen Mehrzahl der früheren Autoren, welche die Querstreifung am Insektenmuskel beschrieben haben. Allerdings weichen die Ansichten über den Streifen Z auseinander. Während er einerseits als das Bild einer real existierenden Schicht angesprochen wird, erklärt ihn Hürthle als wahrscheinlich durch ‚einen optischen Effekt, ent- standen durch eine eigentümliche Lichtbrechung an der Grenze der beiden Schichten“ (I und Q). Hürthle!) deutet also den Z-Streifen als eine lediglich durch Lichtbrechung entstehende Erscheinung. Es lassen sich eine ganze Reihe Tatsachen anführen, welche dieser Anschauung widersprechen. Hier seinurerwähnt, daßM. Heidenhain?) Färbemethoden angegeben hat, mit Hilfe deren der Streifen Z elektiv gefärbt werden kann. Ferner sieht man unter Umständen an mit Hei- denhainschem KEisenhämatoxylin?®) gefärbten Längsschnitten den Streifen Z in mehr oder weniger deutlicher Weise differenziert. An einem gut fixierten Muskel gewahren wir dann im mikroskopischen Bilde ganz dieselbe Querstreifung wie beim überlebenden ungefärbten Präparat. Dies ist aber durchaus nicht immer der Fall, sondern hängt von dem Grade der Differenzierung ab. So kann bei einer gewissen Differenzierung in ein und demselben Schnitt der Streifen Z an einer etwas dickeren Stelle des Schnittes ebenso dunkel a sein wie der Streifen Q, an Dil. ec. 8.42, 2) Heidenhain, M., Über die Struktur an menschlichen Herzmuskels. Anatomischer Anzeiger 20, 49. 1902; derselbe?in Eneyklop. d. mikr. Technik 2. Aufl. 1910, Bd. 2, S. 316. 3) Vol. über die Technik: Heidenhain, M., Noch einmal über die Darstellung der Zentralkörperchen durch Eisenhämatoxylin nebst einigen allgemeinen Be- merkungen über Hämstoxylinfarben, Zeitschr. f. wissensch. Mikr. 13, 186. 1896. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 213 einer dünneren Stelle kann er gerade noch ganz schwach gefärbt sichtbar sein, während der Streifen @ noch bedeutend dunkler erscheint, und schließlich kann der Streifen Z überhaupt verschwunden, d.h. entfärbt worden sein, während der Streifen @ noch als ganz stark gefärbtes Querband hervortritt. Hier kann es sich beim Sichtbarwerden des Streifens Z also keinesfalls nur um eine durch Lichtbrechung und -beugung an der Grenze zweier optisch verschiedener Medien bewirkte Erscheinung handeln, sondern nur um die mehr oder weniger starke Färbung oder Lichtabsorption eines materiellen Gebildes. Ge- legentlich der Besprechung der Beobachtung am Flugmuskel der Insek- ten werden noch weitere, ebenso schlagende Beweise für die materielle Existenz des Streifens Z, vor allem auch für seine schon so oft hervor- gehobene Sonderstellung gegenüber den Streifen J und Q beizubringen sein. Außer den Streifen Z, I und Q sind am quergestreiften Muskel noch unterschieden worden: 1. Der Streifen N (Engelmann), welcher den Streifen I in die zwei Unterabteilungen Z (zwischen N und Z) und I (sensu strietiori, zwischen N und Q) teilt. 2. Der Streifen M (Mittel- scheibe von Hensen und Merkel, welcher den Q-Streifen in zwei sym- metrische Hälften teilt,“und 3. die Zone Qh (Aufhellungszone im Inneren von @). Von diesen Streifen kommt N bei den Muskelfasern des Frosches nicht zur Beobachtung. Q%h ist an der überlebenden Muskelfaser selten mit voller Deutlichkeit wahrnehmbar, läßt sich jedoch an der fixierten Faser mit Hilfe von differenzierenden Färbungen (z. B. Eisenhämatoxy- lin nach M. Heidenhain) als mehr oder weniger stark gefärbte oder ganz entfärbte mittlere Zone des Streifens Q wahrnehmen. Die Anwesenheit des Streifens M ist beim Frosch an der überlebenden Muskelfaser ebenso wie am gefärbten Präparat sehr selten und unter noch nicht näher fest- stellbaren Bedingungen mit voller Sicherheit zu beobachten. Auf diesen Streifen wird sogleich bei der Besprechung der atypischen Querstrei- fungsbilde- zurückzukommen sein. Bei der Froschmuskelfaser ist es allerdings nicht immer so leicht, das oben beschriebene normale Bild der Querstreifung einzustellen wie bei den Muskelfasern der Insekten, da infolge der erheblicheren Dicke der Faser sich Übereinanderlagerungen sehr verschiedener Bilder er- geben, und in einer optischen Ebene sich natürlich häufig Übergänge - von dem Bilde der ‚‚Normaleinstellung‘“ zu allen möglichen anderen Ein- svellungsbildern ergeben können. Man trifft jedoch auch Muskelfasern bzw. Abschnitte von solchen, wo bei keiner einzigen Einstellung sich das normale, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sichtbare Bild der Querstreifung beobachten läßt. Neben dem normalen Bild können so an der überlebenden Muskelfaser noch eine ganze Reihe anderer Bilder zur Beobachtung kommen. Diese Abweichungen ergeben sich einmal aus der Veränderung des Streifens Q@ (bzw. der stärker licht- [2 214 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung brechenden Schicht) in bezug auf seine Lage zu Z, und weiterhin aus dem Verschwinden des Streifens Z. Außerdem kann wie gesagt auch noch der Streifen M auftreten. Es wurde bereits erwähnt, daß in der Mitte des Streifens Q ein noch etwas stärker lichtbrechender, sehr dünner, scharf abgegrenzter Streifen auftreten kann, der von den meisten Autoren mit M bezeichnet wird. Der typische Streifen M teilt die Schicht & in zwei symmetrische Hälften. Beim Froschmuskel ist dieser Streifen nur ganz ausnahmsweise als ein zu der normalen Reihenfolge der Streifen hinzutretendes Glied wahrnehmbar. Diese Reihenfolge würde dann also mit Z, I,Q, M,®, I, Z zu bezeichnen sein. Ich konnte die Anwesenheit des Streifens M sowohl am überlebenden als am fixierten und gefärbten Präparat (4proz. Formel, Eisenhämatoxylin nach M. Heidenhain, linearer, stärker gefärbter Streifen) beobachten. Bestimmte Bedingungen, unter welchen dieser Streifen auftritt, ließen sich jedoch nicht feststellen. Keinesfalls aber darf der Streifen M mit der schon oben erwähnten Auf- hellungszone Qh verwechselt werden, die im überlebenden Präparat unter Umständen als etwas schwächer lichtbrechende Mittelzone des Streifens Q (gegebenenfalls zu beiden Seiten von M), und im gefärbten Präparat als schwächer gefärbte bzw. entfärbte Mittelzone erscheint. Zwischen dieser Mittelzone und der Iindzone des Streifens Q findet sich keine scharfe Grenze. Häufiger als der für viele Arthropodenmuskeln typische Streifen M tritt bei der Froschmuskelfaser ein linearer, dunklerer bzw. stärker lichtbrechender Streifen innerhalb der Q-Schicht dann auf, wenn der Streifen Z fehlt ( Abb. 2). Jh 445 Ich willdiesen Streifen mit Af3f! Mexbezeichnen, weilesun- {2£f} wahrscheinlich ist, daß er | dem soeben beschriebenen typischen Streifen M ana- log ist. Die Reihenfolge der Streifen würde in die- sem Falle lauten: I, ®, Mx,@;I,Q usw. Eine wei- tere Komplikation kann BER. MM nun dadurch eintreten, Abb. 2. Zupfpräparat des Sartorius von Rana temporaria in S Ringerlösung. Abbescher Zeichenapparat, apochrom. Immer- daß Mx den Streifen Q sion, 2 mm Brennweite, nom. Apert. 1 3, Kompens.-Okular 8, nicht in zwei symme- etwas schematisiert. Zusammengesetzte Querstreifung mit . e D & Streiien nn trische Hälften teilt, son dern mehr an eine Seite des Streifens @ heranrückt. Im Grenzfall kann schließlich Mx gerade an die Berührungsstelle von I und Q zu liegen kommen, so daß dann Q durch einen stärker lichtbrechenden linearen Streifen von I abge- ar ee des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 215 grenzt wird. Schließlich wird zuweilen das normale Bild der Quer- streifung noch dadurch verändert, daß der Streifen Z den Streifen I nicht vollkommen symmetrisch teilt, sondern (ganz analog dem Ver- _ halten von M& in Q) mehr an eine Seite des Streifens I heranrückt. Die Deutung aller dieser verschiedenen Bilder begegnet natürlich außerordentlichen Schwierigkeiten, und zwar kommen für jedes einzelne der beschriebenen Bilder folgende Erklärungsmöglichkeiten in Betracht: 1. Der Unterschied des Bildes von demjenigen der normalen Quer- streifung ist nicht die Folge einer materiellen Veränderung der Struk- tur der Muskelfaser, sondern beruht darauf, daß sich die Bedingungen, unter denen die normale Muskelstruktur zur Abbildung kommt, ge- ändert haben. 2. Der Unterschied des Bildes von demjenigen der normalen Quer- streifung ist die Folge einer materiellen Veränderung der Struktur. In diesem Falle kann der Unterschied ein Ausdruck sein entweder: a) einer physiologischen Veränderung des Funktionszustandes des Muskels, oder b) einer pathologischen Veränderung des Muskels infolge abnorm starker Reizung oder beginnenden Absterbens. Sehr wesentlich ist für die Beurteilung dieser abw en Quer- streifungsbilder, zu entscheiden, ob diese Bilder sowohl beim ungefärbten Zupfpräparat als auch beim fixierten und gefärbten Muskel vorkommen. Dieser Fall ist verwirklicht für die (für den Froschmuskel) atypischen Strukturelemente M und Qh. Der Streifen Mx hingegen konnte von mir in gefärbten Präparaten niemals gesehen werden. Ebensowenig konnte die oben beschriebene asymmetrische Lagerung des Streifens Z am gefärbten Präparat festgestellt werden. Zur Fixierung des Muskels wurde eine 4proz. Formollösung benutzt. Zur Färbung wurden verwendet: Eisenhämatoxylin nach M. Heiden- hain!), eine „regressive Neutralfärbung‘ nach M. Heidenhain!) (Bril- lantschwarz, Toluidinblau) und Hämalaun nach Paul Mayer?). Ist ein Strukturbild nur am ungefärbten Präparat wahrnehmbar, so ist die Möglichkeit gegeben, daß dieses Strukturbild nach Nr.1 er- klärt werden kann aus Veränderungen der materiellen normalen Muskel- struktur. Andererseits kann aber auch ein durch Färbung nicht dar- stellbares Strukturbild der Ausdruck einer materiellen Veränderung der Muskelstruktur sein, und zwar, wenn diese veränderte Muskelstruk- tur sich nicht duıch die angewandte Fixierungsmethode erhalten oder durch die Färbungsmethode darstellen läßt. Zulye. ?2) Mayer, P., Notiz über Hämatein und Hämalaun. Zeitschr. f. wissensch. Mikr. 20, 400. 1904; Lee und Mayer, Grundzüge der mikroskopischen Technik, 4. Aufl. 1910, S. 162. 216 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung- Von vornherein erscheint es am plausibelsten, die soeben beschrie- benen, abweichenden Strukturbilder als rein optische Erscheinungen, denen eine materielle Veränderung der Muskelstruktur nicht zugrunde liegt, zu deuten. Dies gilt vor allem von denjenigen der oben beschrie- benen Fälle, in welchen der Streifen Z oder der Streifen Mx eine asym- metrische Lage innerhalb des Streifens / ‚bzw. des Streifens @ einnehmen. Vor allem könnten die Bilder der einzelnen Streifen dann ihre Lage zu- einander verändern, wenn sich die Neigung der Längsachse der Muskel- faser zur optischen Achse des Mikroskopes verändert. Es würde also dann durch die Neigungsänderung der Faserachse eine Art von schräger Beleuchtung der Muskelfaser zustande kommen. Diese Erklärung der Strukturbilder gewinnt dadurch um so mehr an Wahrscheinlichkeit, als beim normalen Querstreifungsbild durch Herstellung schiefer Beleuch- tung künstlich eine asymmetrische NerDaeeung des Streifens Z hervor- gerufen werden kann. Ehe man daher irgendein Strukturbild als atypisch bezeichnet, ist es unbedingt erforderlich, die betreffende Stelle des Präparates unter den verschiedensten Beleuchtungs- und Einstellungsmöglichkeiten (ge- rade und schiefe Beleuchtung bei mehr oder weniger starker Abblendung des Lichtes, Änderung der Einstellungshöhe) betrachtet zu haben. Erst, wenn unter keinen Umständen die normale Reihenfolge Z, I, Q, I in symmetrischer Weise erscheint, kann man mit einiger Sicherheit von dem Vorhandensein eines atypischen Strukturbildes sprechen. Damit ist dann selbstverständlich noch nicht gesagt, daß dieses atypische Strukturbild der Ausdruck einer materiellen Veränderung der Muskelstruktur ist. Trotzdem es also im höchsten Grade wahrscheinlich ist, daß eine große Anzahl atypischer Bilder nicht als der Ausdruck einer materiellen Veränderung der Muskelstruktur zu betrachten sind, so bestehen doch berechtigte Zweifel darüber, ob diese Schlußfolgerung in allen Fällen erlaubt ist. Dies gilt vor allem für den häufigsten Fall des atypischen . Strukturbildes, in welchem der Streifen Q@ durch einen linearen, stärker lichtbrechenden Streifen (,Mx“) in zwei symmetrische Hälften geteilt ist, während der Streifen Z fehlt (I, Q, Mk, Q). Diese Form der Quer- streifung findet sich so häufig in ein und derselben Faser unmittelbar neben der normalen Querstreifung, daß schwerlich an eine Veränderung der Abbildungsbedingungen gedacht werden kann. Wir finden diese Form ebensowohl am überlebenden Muskel, welcher auf Reizungen hin noch Kontraktionen ausführen kann, als am abgestorbenen Muskel, z. B. einem mehrere Stunden oder Tage alten Zupfpräparat in Ringer- lösung. Am fixierten Muskel (4proz. Formol, Alkohol absolutus, kon- zentrierte wässerige Sublimatlösung) ist der Streifen Mx viel seltener zu beobachten. Entweder müssen sich dann also die optischen Bedin- gungen für das Sichtbarwerden des Streifens Mx geändert haben, oder a 7 des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 217 aber es besteht die Möglichkeit, daß unter dem Einflusse des Fixierungs- mittels die materielle Struktur des Muskels verändert wird in dem Sinne, daß der Streifen Mx unsichtbar wird. Im Vergleich zur Querstreifung vieler Insektenmuskeln ist die nor- male Querstreifung des Froschmuskels so eng, daß eine vergleichende Dickenmessun g.der „„Muskelfächer“ und vorallem der ‚Muskelschichten‘‘!) mit typischer und mit den verschiedenen Formen atypischer Querstrei- fung sich schwerer mit wünschenswerter Genauigkeit durchführen läßt. Auch werden vor allem genaue Messungen vielfach durch die Dicke der Fasern erschwert. Es läßt sich auf diesem Wege nicht feststellen, ob eine bestimmte Form der atypischen Querstreifung einem veränderten - Kontraktionszustande des Muskels entspricht. Dies ist um so weniger möglich, als wir eine atypische Querstreifung niemals als durchgehende Struktur in der gesamten Masse einer Faser vorfinden, sondern stets ' neben der typischen oder neben anderen Formen der atypischen Quer- streifung. Das sehr veränderliche Auftreten der atypischen Querstrei- fungen spricht auch gegen die Annahme, daß diese Bilder der morpholo- gische Ausdruck bestimmter physiologischer Vorgänge sind. Andererseits erwecken aber die atypischen Querstreifungsbilder unser Interesse, wenn wir sie mit den Bildern vergleichen, welche von früheren Autoren für die Struktur des kontrahierten Muskels gegeben worden sind. So erinnert das Auftreten stärker lichtbrechender linearer Streifen an der Grenze von J und Q und vor allem auch der Streifen Mx (also die Periode /,Q, Mx,Q@) an die Bilder, welche Merkel?) vom kon- trahierten Insektenmuskel gibt (,Kontraktionsstreifen“), wobei im Sinne Merkels anzunehmen wäre, daß die stärker lichtbrechende Sub- stanz der normalen Q-Schicht sich zu beiden Seiten an Z anlagern würde. Mx wäre dann identisch mit dem Streifen Z und die Periode wäre dann zu bezeichnen: Z, stark lichtbrechende oder Q-Substanz, schwach licht- brechende oder /-Substanz, Q-Substanz, Z usw. (vgl. Abb. 2). Um zu ermitteln, ob die beschriebenen atypischen Querstreifungs- bilder der Ausdruck bestimmter funktioneller Veränderungen des Muskels sind, wurden geeignete Präparate mit dem Induktionsstrom gereizt und während der Reizung mit dem Mikroskop beobachtet. Hierzu erwies sich wiederum der Musculus cutaneus pectoris als sehr geeignet. Um möglichst dünne Präparate zu erhalten, wurden nur kleine Frösche verwendet. Um aber ein noch dünneres Objekt beobachten zu können, wurden auch Faserstücke des Sartorius, einzeln oder in Bündeln zu 1) Diese Ausdrücke werden in Übereinstimmung mit Hürthle gebraucht. Hürthle, l.c. S. 23. ... >) Merkel, Der quergestreifte Muskel. Archiv f. mikr. Anat. 8, 244. 1872. — Über die Kontraktion der quergestreiften Muskelfaser. Archiv f. mikr. Anat. 19 649. 1881. 218 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung drei und vier Fasern, verwendet. Die Versuche führten zu keinem ein- deutigen Ergebnis. Bei schwacher Reizung veränderte sich das Bild der Querstreifung überhaupt nicht, auch dann nicht, wenn die Faser als Ganzes deutliche Bewegungserscheinungen zeigte. Bei stärkerer Reizung traten sehr rasch ganz charakteristische, aber irreversible Ver- änderungen des Querstreifungsbildes ein, die weiter unten ausführlich beschrieben werden sollen. Fassen wir alle bisher über die Querstreifung der Froschmuskelfaser gemachten Beobachtungen zusammen, so kommen wir zu folgendem Er- gebnis: Die bei weitem häufigste Streifenfolge einer überlebenden, noch auf Reize mit Kontraktion reagierenden, möglichst unversehrten Frosch- muskelfaser ist Z, /, Q@, I. Diese Streifenfolge läßt sich am fixierten Muskel auch färberisch darstellen. Unter Umständen gewahrt man sowohl am frischen als am gefärbten Präparat die Aufhellungszone Qh und den Streifen M. Von anderen atypischen Streifenfolgen ist am häufigsten die Periode /, @, Mx, Q@. Eine Deutung der atypischen Strukturen gelang nicht. Weitere Untersuchungen hierüber sollen angestellt werden. Manches spricht zugunsten der Annahme, daß der als Mx bezeichnete Streifen für die kontrahierte Muskelfaser ul ist (in Über- einstimmung mit Merkel). Zur Untersuchung der verschiedenen Querstreifungsbilder wurde stets auch die Betrachtung in polarisiertem Licht herangezogen, ohne daß dieselbe in unserem Falle weitergehende Aufschlüsse erteilt hätte. Neben dem typischen Querstreifungsbild (Z, I, @, I) tritt aber in allen Präparaten bei weitem häufiger als die soeben beschriebenen aty- pischen Querstreifungsbilder und in vollkommen unveränderlicher Form eine andere Streifenfolge auf, die ich im folgenden als die „einfache Querstreifung‘“ bezeichnen werde (Abb. 3). Im Gegensatz zu dieser einfachen Querstreifung können wir alle bisher beschriebenen Bilder — die typischen und die atypischen — als Formen von „zusammen- gesetzter Querstreifung‘ betrachten. Bei der. einfachen Quer- streifung, wechseln nur zwei Schichten, eine stark lichtbrechende und doppelt brechende und eine schwach lichtbrechende und einfach bre- chende miteinander ab. Diese Querstreifung hat eine bedeutend ge- ringere Fachhöhe als die typische. Die durchschnittliche Fachdicke der zusammengesetzten Querstreifung beträgt beim Cutaneus pectoris des Frosches 2,5 u; dagegen beträgt die durchschnittliche Dicke der einfachen Querstreifung bei einem nicht gedehnten Muskel 0,9 u. Charakteristisch für diese einfache Querstreifung ist nun, daß sie sich niemals an einer frischen, überlebenden Faser, sondern nur an ab- _ gestorbenen bzw. im Absterben befindlichen Fasern vorfindet, daß also dieses Querstreifungsbild irreversibel ist. Es kann also Muskelsubstanz, welche die einfache Querstreifung zeigt, nicht wieder in den Zustand des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 219 der doppelten Querstreifung zurückkehren. Andererseits sei nochmals ausdrücklich hervorgehoben, daß keineswegs alle abgestorbene Muskel- substanz das Bild einfacher Querstreifung zeigt, was ja aus den oben mitgeteilten Befunden an fixierten Muskelfasern ohne weiteres hervorgeht. An jedem Zupfpräparat eines Muskels sind stets Stellen mit ein- facher Querstreifung zu beobachten. Stellt man beispielsweise ein Zupfpräparat aus Fasern des Sartorius her, so erhält man selbstver- ständlich nur Bruchstücke von Fasern. Diese Fasern werden beim Zerzupfen auch stellenweise durch den Druck der Präpariernadeln ge- quetscht sein. An den Enden der Faserbruchstücke, aus denen der Faserinhalt unter Quellung zum Teil aus dem Sarkolemmschlauch her- vortritt, und auch manchmal an gequetschten Stellen findet sich vor BRD EINEN 000 N INN zone | I) IN) NL NRRTDBRRLN & Ära es KUN) DDIRNUNN RNDDLNNUNNN NNNNV/ ! NN UL, nn) N \) NN N N Wi N n . ) MN ill al N DIN: N WRITE VL WR Abb. 3. Zupfpräparat des Sartorius von Rana temporaria in Ringerlösung. Abbe6scher Zeichen- apparat, apochrom. Immersion, 2? mm Brennweite, nom. Apert. 1,3, Kompens.-Okular 8, etwas schematisiert. Einfache Querstreifung. allem die einfache Querstreifung. Sie geht also von denjenigen Stellen aus, an denen der Absterbeprozeß beginnt. Eine deutliche Längsstrei- fung ist im Gebiete der einfachen Querstreifung im allgemeinen nicht zu erkennen. Die Faserteile mit einfacher Querstreifung grenzen ent- weder an solche Faserteile, in denen sich überhaupt keine Querstreifung mehr vorfindet, sondern in denen der Sarkolemmschlauch von einer feinkörnigen Masse erfüllt ist oder an Faserteile mit zusammengesetzter Querstreifung typischer oder atypischer Form. Bei längerer Betrachtung eines in Ringerlösung liegenden Zupfprä- parates kann man nun sehen, wie allmählich die einfache Querstreifung auf Kosten der zusammengesetzten an Umfang zunimmt, und es gelingt dann, nicht nur die beiden Querstreifungsbilder nebeneinander zu sehen, sondern man kann unmittelbar den Vorgang der Verwandlung von zusammengesetzter Querstreifung in einfache beob- achten. 220 H. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung Der Vorgang beginnt damit, daß an der überlebenden, zerzupften Muskelfaser allmählich eine — wenn auch durchaus nicht immer scharf und regelmäßig ausgeprägte — Längsstreifung aufzutreten beginnt. Diese Längsstreifung wird vor allem dadurch sichtbar, daß innerhalb der Längsstreifen die einzelnen Elemente der Querstreifung verschiedene Niveaus annehmen!). Sahen wir also bei dem frischen, überlebenden Präparat die Muskelfaser durchgehends gleichmäßig schraffiert, so daß jeweils ein Z-, I- oder Q-Streifen die Faser ihrer ganzen Querausdehnung nach in demselben Niveau durchsetzt, so hat sich jetzt der Faserinhalt in einzelne Längsabschnitte von wahrscheinlich prismatischem Quer- schnitt differenziert. Das Niveau der Querstreifungselemente in den benachbarten Säulchen ist nun vielerorts gegeneinander verschoben. Dieser Verschiebungsprozeß geht in einem sich selbst überlassenen z. B. in Ringerlösung liegenden Faserbruchstücke ganz allmählich vor sich. Die Verschiebung der Querstreifungsperioden kann in einem Faserstück zuweilen bereits sofort nach erfolgter Präparation sichtbar sein, sie kann erst nach mehreren Stunden auftreten, aber der Muskel kann auch absterben, ohne daß sich das Bild der normalen Querstreifung ändert. So sieht man vielfach, daß der Muskel in dem eben beschriebenen Zu- stand — Säulchendifferenzierung und Verschiebung der Querstreifungs- perioden — verharrt und in diesem Zustande auch abstirbt. Häufiger aber beobachtet man, daß der Muskel sich noch weiter verändert und in den Zustand der einfachen Querstreifung übergeht. Dieser letztere Prozeß läßt sich unmittelbar unter dem Mikroskop beobachten; er geht im Verlaufe weniger Sekunden vor sich, leider viel zu rasch, als daß sich die bedeutenden Veränderungen, welchen die Struktur des Muskels hierbei unterworfen wird, in allen Einzelheiten verfolgen ließen. Fassen wir eine Stelle des Inhaltes einer Faser ins Auge, wo Substanz mit einfacher Querstreifung an solche mit zusammen- gesetzter Querstreifung, welch letztere in der Regel schon die soeben beschriebene Säulchendifferenzierung zeigt, angrenzt, so gewahren wir, daß urplötzlich die Substanz eines Säulchens oder einer Gruppe von solchen in Bewegung gerät. Das Säulchen zieht sich in der Richtung seiner Längsachse zusammen, und zwar bewegt sich die Substanz des Säulchens nach der einfach quergestreiften Substanz hin. Man hat den Eindruck, daß das Säulchen ein ‘elastischer, gespannter Faden sei, an seinem einen Ende mit der einfach quergestreiften Substanz verbunden, !) Diese „Parallelverschiebung‘“ der Säulchen gegeneinander ist bereits seit langem bekannt. Vgl. hierzu ‘M. Heidenhain in Ergebnisse d. Anat. 1899. In ‚Plasma und Zelle‘ beschreibt M. Heidenhain weiterhin noch sogenannte „Noniusperioden“ und gibt denselben eine komplizierte Deutung. Ich bin auf Grund der Beobachtung des Vorganges der Parallelverschiebung geneigt anzu- nehmen, daß es sich bei diesen „‚Noniusperioden‘‘ um eine „bloße Verschiebung der Struktur, hervorgerufen durch geringe ungleichartige Kontraktionen‘“, handelt. 7 des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 291 daß dieser Faden nun an irgendeiner Stelle seines Verlaufes durch- schnitten würde, und daß das mit der einfach quergestreiften Sub- stanz zusammenhängende Säulchenstück sich daraufhin zusammen- zieht. Am meisten wird man natürlich bei der Beobachtung dieses Vorganges durch die Veränderungen gefesselt, denen die Querstreifung während der Zusammenziehung des Säulchens unterliegt. Man sieht hier unmittelbar, wie die zusammengesetzte in die einfache Querstrei- fung übergeht. Der Übergang von der einen Querstreifungsform in die andere vollzieht sich nicht gleichzeitig in dem ganzen sich kontrahieren- den Säulchenstück oder in einem größeren Abschnitt desselben, sondern jeweils nur das der einfachen Querstreifung nächst benachbarte zu- sammengesetzte Fach des Säulchens geht in den einfachen Zustand über. Dadurch verliert es erheblich an Längenausdehnung, zieht also das nächstfolgende zusammengesetzte Fach nach sich, das nun seinerseits demselben Prozeß unterworfen wird usw. So erhält man den Eindruck, daß die zusammengesetzte Querstrei- fung des sich kontrahierenden Säulchens nach der einfachen Querstrei- fung hinwandert. Z-, I-, Q- und /-Streifen jedes Faches bewegen sich, ohne sich in ihrer Lage gegenseitig merklich zu verschieben nach der einfach quergestreiften Substanz hin. An der Grenze der beiden Struk- turen scheint nun die zusammengesetzt quergestreifte Substanz plötzlich auf einen Widerstand zu stoßen, sie brandet gewissermaßen an die ein- fach quergestreifte Substanz heran, wobei sie sich selbst in einfach quer- gestreifte Substanz verwandelt. Allerdings ist gerade diese entschei- dende Phase des ganzen Vorganges von viel zu kurzer Dauer, als daß sich diejenigen Veränderungen, die uns am meisten interessieren würden, erkennen ließen, so vor allem die Art und Weise, auf welche der Z-Streifen verschwindet. Ein Übergangsstadium, während dessen die Querstrei- fung gänzlich verlorengegangen ist, wie das von Merkel!) am Arthro- podenmuskeln beschrieben wurde, ließ sich hierbei niemals beobachten. auch nicht an fixierten Fasern. Hingegen wird die Kontur der Quer- streifung, und zwar sowohl der Q- als der Z-Streifen schon vor dem Über- gang zur einfachen Querstreifung verwaschener. Der soeben beschriebene Vorgang dürfte für die Erkenntnis der Struktur des Muskels, seiner physikalischen Eigenschaften und auch seiner Veränderung bei der normalen Kontraktion nicht ohne Bedeu- tung sein. Trotzdem ist er meines Wissens wenigstens für den Wirbel- tiermuskel noch nicht beschrieben worden, während beim Insekten- muskel begreiflicherweise stets das Interesse für die Beobachtung der an diesem Objekt auftretenden spontanen Kontraktionswellen über- ı) Merkel, Der quergestreifte Muskel. Archiv f. mikr. Anat. 8, 244. 1872. 222 H. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung: wog. Nur Exner!) beschäftigte sich eingehender mit den ‚dauernd kontrahierten Stellen‘ von Hydrophilus piceus, nachdem schon Mer- kel2) derartige Dauerkontraktionen an den Thoraxmuskeln von Fliegen beschrieben hatte. Der Übergang der Muskelsubstanz aus dem zusammengesetzten in den einfach quergestreiften Zustand ist als ein abnormer Vorgang zu betrachten, denn er kommt nur bei absterbenden Muskeln vor und ist irreversibel. Aber es muß hervorgehoben werden, daß nicht alle abster- bende Muskelsubstanz in den einfach quergestreiften Zustand übergeht. Es kann nämlich einerseits die Muskelsubstanz sich beim Absterben noch weitgehender verändern, indem sie die Querstreifung überhaupt verliert. Andererseits kann die Muskelsubstanz absterben, ohne daß sie ihre typische zusammengesetzte Struktur einbüßt. Es ergibt sich nun die Frage: Ist dieser-Übergang aus dem zusammen- gesetzten in den einfachen Zustand als ein Lebensvorgang zu be- trachten, tritt also der Übergang als die Folge von Reizen ein, weil der Muskelsubstanz noch ein gewisses Maß von Erregbarkeit zukommt? Um diese Frage zu beantworten, wurden die Bedingungen, unter denen die zusammengesetzte Querstreifung in die einfache übergeht, näher untersucht, worüber im folgenden berichtet werden soll. Bisher hatten wir die einfache Querstreifung unter zwei verschie- denen Bedingungen entstehen sehen: 1. Nach Durchschneidung, von der Schnittstelle ausgehend; 2. nach Quetschung von der Druckstelle ausgehend. In beiden Fällen geht also die Veränderung von Stellen aus, die einer mechanischen Reizung ausgesetzt waren. Im ersteren Falle kommt natürlich die Möglichkeit einer chemischen Reizung infolge der Berührung des Faserinhaltes mit dem äußeren Medium (Ring- erlösung) in Betracht. Über chemische Reizmittel, die zur Ent- stehung der einfachen Querstreifung führen, soll weiter unten berichtet werden. Elektrische Reizung: Der möglichst unversehrt herauspräpa- rierte Musculus cutaneus pectoris oder ein Zupfpräparat des M. Sartorius (Bündel von 3—4 etwa 0,5cm langen Faserstücken) wurden in der Richtung der Längsachse der Fasern mit dem Induktionsstrom gereizt. Wie schon beschrieben, waren bei schwächerer Reizung wohl Bewegungen des Muskels als Ganzes, nicht aber charakteristische Veränderungen des Querstreifungsbildes zu beobachten. Auffallend war nun allerdings, daß nach elektrischer Reizung des Cutaneus pectoris in vielen Fasern ganz allmählich die zusammengesetzte Querstreifung sich in der Weise änderte, daß statt der Periode Z, I, Q, I die Periode I, @Q, Mx, Q in den 1) Exner, Über optische Eigenschaften lebender Muskelfasern. Archiv f. d. ges. Physiol. 40, 360. 1887. 2) Merkel, |. c. [7 2 R) » des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 223 ‚einzelnen Fasern auftrat. Eine plötzliche, unmittelbar nach Beginn der Reizung erfolgende Änderung des Querstreifungsbildes in diesem Sinne konnte jedoch nicht beobachtet werden. Vielleicht werden die Dicke der Froschmuskelfaser an sich und die geringe Höhe der Muskelfächer - hier dauernd der Beobachtung unüberwindliche Schwierigkeiten ent- gegensetzen. Wurde nun das Präparat mit sehr starken Induktionsströmen wenige (5—10) Sekunden gereizt, so trat der Übergang von der zusammen- gesetzten in die einfache Querstreifung, der sonst beim Zupfpräparat nur an wenigen Stellen zu beobachten war, plötzlich und an vielen Stellen des Präparates ein und überdauerte dann noch die Zeit der Reizung. Von besonderem Interesse war es, hierbei festzustellen, von welchen ‚ Stellen aus die Veränderung der Muskelstruktur ihren Ausgangspunkt nahm. In allen Fällen, in denen sich dieser Ausgangspunkt überhaupt feststellen ließ, handelte es sich um die Stelle einer Muskelfaser, die bereits in irgendeiner Weise geschädigt war, also eine Schnitt- oder Quetschstelle der Muskelfaser, an der sich bereits infolge mechanischer Reizung einfache Querstreifung gebildet hatte, oder ein Faserstück, in dem schon vor Beginn der Reizung eine Niveauverschiebung der Quer- streifungselemente stattgefunden hatte. Finden sich in einer Faser zwei oder mehrere solcher Ausgangspunkte, so kann man beobachten, wie ein Teil der Muskelsubstanz ein ‚Säulchen‘‘ oder eine Gruppe von solchen sich nach dem einen, eine andere Gruppe nach dem anderen Ausgangspunkt hinbewegt und wie also die Substanz der einzelnen Säulchen in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeigleitet. — Es war mir bisher nicht möglich, den ganzen Vorgang, vom ersten Auf- treten von Veränderungen der noch gänzlich unversehrten typisch zusammengesetzt quergestrejften Substanz an beginnend, zu beob- achten. Beeinflussen der Strukturveränderung desabsterbenden Muskels durch Salzlösungen. Es wurde eine Reihe von Versuchen angestellt, die sowohl die Beeinflussung durch verschiedene Konzen- trationen ein und desselben Salzes als die Beeinflussung isosmotischer Lösungen verschiedener Salze feststellen sollte. Diese Versuchsreihe bedarf jedoch noch nach verschiedener Richtung hin der Erweiterung, insonderheit bezüglich der Auswahl der Salze. Untersucht wurden bis jetzt die wichtigsten der im Blutserum vorhandenen Salze: NaCl, KC1 und CaCl,, ferner die für den Muskel wichtigen Kaliumphosphate, KH,PO,, K,HPO,, K,PO,, außerdem noch Ammoniumsulfat und Ammoniumchlorid, letztere, weil ihre Lösungen als besonders gute Lösungsmittel für native Eiweißkörper gelten; speziell das Ammonium- chlorid ist vielfach bei der Herstellung von Muskelplasmalösungen ver- 224 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung wendet worden). Außerdem wurden stets Ringerlösung und destilliertes Wasser zum Vergleich herangezogen. Als Untersuchungsobjekt dienten Zupfpräparate des M. Sartorius vom Frosch, daneben auch solche von der Extremitätenmuskulatur der Maus. Wurden dieselben länger als 24 Stunden in der betreffenden Lösung gelassen, so wurde die Lösung mit Toluol überschichtet. Bringt man ein Zupfpräparat von überlebender Muskulatur (Frosch oder Maus) in Kochsalzlösung und läßt es daselbst einige Tage liegen, so ergibt die Untersuchung je nach der Konzentration der angewandten Lösung sehr verschiedene Bilder. In bezug auf das Bild der Querstrei- fung sind folgende Möglichkeiten vorhanden: 1. zusammengesetzte Quer- streifung, 2. einfache Querstreifung, 3. die Querstreifung ist verschwun- den, der Faserinhalt zerfallen, und zwar in kleine Körnchen (,,körniger Zerfall‘); unter Umständen ist dieser körnige Inhalt in einzelne vonein- ander abgegrenzte Schollen zerfallen (,‚scholliger Zerfall‘). Aber nicht die Querstreifung allein zeigt beim Absterben des Muskels in Salzlösung verschiedener Konzentrationen Veränderungen. Bei gewissen Kon- zentrationen kann auch eine am frischen Präparat nicht sichtbare Längsstreifung besonders deutlich hervortreten. Ferner kommen neben der Querstreifung im absterbenden Muskelgewebe häufig noch Körn- chen und Tröpfchen von verschiedener Größe und verschieden starkem Lichtbrechungsvermögen zum Vorschein. Durch die Untersuchungen von Noll2) wissen wir, daß ein großer Teil dieser Tropfen aus Fett und fettähnlichen Substanzen besteht. Es wurden mehrfach Zupfpräparate, die derartige Tropfen und Körner zeigten, mit einer heiß gesättigten, konzentrierten Lösung von Schar!ach R behandelt und es konnte jedes- malin Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Noll eine Rotfärbung der Tropfen und damit ihre Fett- bzw. Lipoidnatur festgestellt werden. Folgende Tabelle soll die Wirkung von NaCl-Lösungen verschiedener Konzentration auf den Sartorius des Frosches erläutern. Die Präparate wurden nach einem 3—4tägigen Aufenthalt in der Salzlösung untersucht (Zimmertemperatur). Dieser Tabelle ist folgendes zu entnehmen: Von der hypotonischen Konzentration von 0,5% bis zur hypertonischen Konzentration von 2%, ist die Struktur größtenteils zerstört, der Inhalt der Sarkolemm- schläuche, soweit noch vorhanden, körnig zerfallen. Am wenigsten von der Querstreifung ist nach Behandlung mit 2proz. Lösung übrig- !) Danilewsky, Über die Abhängigkeit der Kontraktionsart der Muskeln von den Mengenverhältnissen ihrer Bestandteile. Zeitschr. f. physiol. Chemie %, 125. 1882. — Saxl, Uber die Mengenverhältnisse der Muskeleiweißkörper unter physiologischen und pathologischen Bedingungen. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 1. 1907. 2) A. Noll, Mikroskopischer Nachweis der Protoplasmaliperiode, insbesondere des Muskelgewebes. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1913, S. 35. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 225 Querstreifung Konzen- Längsstreifung j _tration enache ee (Säulchen) Zerfallserscheinungen 0,5% ‚ vorhanden |nur in 1 Faser angedeutet Mit körnigem Zerfall. Faser- x an begrenz- inhalt häufig aus d. Sarko- ter Stelle lemmschlauch ausgetreten. 19, | ei |nur an ganz 3 | Wie bei 0,5%. | vereinzelten | | Stellen 2% |vorhanden, aber wie bei 1%) vorhanden Wie bei 0,5%, dazu dicke selten Tropfen in Längsreihen. 5% seltener als zu- | vorhanden deutlich vor- |Körnchen gegen Tropfen zu- sammenges. | handen rücktretend, stellenw. dicke Querstreifung | Tropfen in Längsreihen. 710% |wie bei 5% ” deutl. ‘vorhand. | Wie bei 5%. 220%, | 2 10%, Er deutlich vor- |Kein Zerfall der Querstreifung, # handen Längsreihen dicker Tropfen. 30% |\fehlt überall vor- | Auffaserung in Wie bei 20%. handen Säulchen u. Fi- brillengruppen _kon- |fehlt überall vor- |wie bei 30% Wie bei 20%. _ zentr. handen Mr geblieben. Wo die Querstreifung erhalten geblieben ist, ist sie ganz überwiegend einfach. Um die wenigen eng begrenzten Stellen mit zu- sammengesetzter Querstreifung zu finden, muß man oft viele Fasern eines Präparates absuchen. Bei höherer Konzentration ändert sich der Befund in dem. Sinne, daß an immer weniger Stellen ein körniger Zer- fall des Faserinhaltes auftritt, von 20%, an fehlt derselbe vollkommen. Gleichzeitig tritt mit höherer Konzentration die einfache Querstreifung immer mehr auf Kosten der zusammengesetzten zurück, bei einer Kon- zentration von 30% verschwindet die erstere vollkommen. Die Längs- streifung tritt erst bei einer Konzentration von 2%, deutlicher in Er- scheinung und gewinnt bei steigender Konzentration immer mehr an Deutlichkeit; damit nimmt die Spaltbarkeit der Muskelfaser zu, so daß. sich der Faserinhalt bei den höchsten Konzentrationen in Längselemente zerzupfen läßt, die den beim Vorgange der Bildung einfacher Quer- streifung geschilderten Säulchen analog sind, und die besonders an ihren Enden oft in noch viel feinere Längselemente — Fibrillengruppen — zerfallen. Charakteristisch ist ferner die Bildung der Körnchen und Tröpfehen. Bei geringeren Konzentrationen — bis zu 2%, — herrscht der Zerfall der Muskelsubstanz in Körnchen vor. Die größeren und stärker lichtbrechenden Tröpfchen, also das unter Umständen aus dem Faser- inhalt freiwerdende Fett (bzw. Lipoidsubstanzen) überwiegt die fein- körnigen Massen erst bei Konzentrationen, bei denen die Querstreifungs- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 15 226 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung: struktur erhalten bleibt, ganz in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Noll!), denen zufolge dieses Fett nicht den Fibrillen sondern dem Sarkoplasma entstammt. Ganz entsprechende Ergebnisse wurden auch mit Reihen von Zupf- präparaten der Extremitätenmuskulatur der Hausmaus erhalten, nur mit dem Unterschiede, daß hier die Längsstreifung bereits bei geringeren Konzentrationen hervortrat, und daß bei höheren Konzentrationen nicht ein so auffallendes Hervortreten der Längsreihen dicker Tropfen festzustellen war. Weiterhin sei eine entsprechende Versuchsreihe mit KCl tabellarisch aufgeführt: Konzen Querstreifung Tänes Sn 6 | Zerfall hei on a re streifung erfallserscheinungen 0,5% | vorhanden aber | nirgends deut- angedeutet | Sehr häufig körniger Zerfall, nicht in allen| lich | besonders an den Faser- Fasern | enden. Faserinhalt er- weicht; oft leere Sarko- lemmschläuche. 1% |wie bei 0,5% |wie bei 0,5% |angedeutet Häufig körniger Zerfall. 2% | fehlt fehlt kaum an-|Der ganze Faserinhalt be- | gedeutet steht nuraus Körnchen;die hier und da reihenweise angeordnet sind. 5% |tehlt fehlt |angedeutet| Wie bei 2% ; aber häufigere | Längsreihen vonKörnchen. 10% \vorhanden, aber|vorhanden vorhanden | In allen Fasern noch Stellen seltener als die mit körnigem Zerfall; in zusammenge- manchen noch durch- setzte gängig. 20% |fehlt in allen Fasern vorhanden fehlen 30% „ ”» .» » >. je 93> Der Unterschied in der Wirkung der verschiedenen Konzentrationen ist demnach ein ganz ähnlicher wie beim Kochsalz. Die Wirkungen hochkonzentrierter Lösungen sind sich fast völlig gleich. Auffallend aber ist, daß die Zerstörung der Querstreifung in höherem Maße und auch noch bei Anwendung höherer Konzentrationen stattfindet als beim NaCl. Ganz analog verhält sich auch das Auftreten der beiden verschiedenen Querstreifungsarten: in Fasern, die abgestorben sind, ohne daß es zur Entstehung von körnigem Zerfall gekommen ist, ist es auch nicht zur Entstehung einfacher Querstreifung gekommen. Im folgenden seien noch einige Versuchsreihen mit anderen Salzen wiedergegeben: DENfoll,I:e. Konzen- des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. Querstreifung Längsstreifung 227 Zerfallserscheinungen tration einfache | zusammengesetzte — vorhanden, aber fehlt kaum angedeut. Körniger Zerfall in allen nicht in allen Fasern; Faserinhalt sehr Fasern weich. — | vorhanden, aber vorhanden, aber| ,, s- Körniger Zerfall in allen nicht in allen seltener als die Fasern. Fasern einfache 0,5% | vorhanden vereinzelt an um- | vorhanden Körniger Zerfall sehr häufig; schriebenen Stel- die Fasern sind sehr leicht len zerreißlich; der Inhalt zer- fällt leicht. Beim Zer- rupfen zerreißen d. Fasern oft in der Querrichtung. 1%, vorhanden, aber |fehlt Wie bei 0,5%. sehr selten 2%, vorhanden, aber| „, »» 0a nicht in allen Fasern 5 5% | vorhanden selten » » » 0,5%, Fasern weni- ger.leicht zerreißlich. 10% :: vorhanden, oft ” Körniger Zerfall nicht so v. der einfachen häufig wie bei 0,5—5%. schwer abgrenzb. 20% = vorhanden, selte- » Nur an wenigen Stellen ner als einfache körniger Zerfall. Q., stellenweise Mx-Schichten 30% > vorhanden, etwa r Keine Zerfallserscheinungen. ebenso häufig als einfache Q. 50% en vorhanden, häu- | vorhanden, stel- Es u - figer als ein-| lenweise Auf- fache Q. faserung in Säulchen 0,5% » vorhand., seltener | angedeutet Körniger Zerfall häufig. ; als einfache Q. 195 > vorhanden sehr deutlich, 5 Puasselten- Sonderung in Säulchen 2% 2 „ ER) wie bei 1% ” „ Ex 5% ” EL} ’ oft Er) E2) 1% „ Er) „> auch Mz-Streifen Schrumpfung. 10% nB vorhanden BENEHEE NE 3], Starke Schrumpfung. 20% ” ” ER) ER) 19% ” Ex) kon- | fehlt überallvorhanden „ ,„ 1% ” Re zentr., 228 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung M \ Konzen- Querstreifung Er R r Salz en einfache A naseriis Längsstreifung Zerfallserschein. K;HPO, | 0,5% in allen Fasern [selten und un- | vorhanden; auf- Körniger Zerfall vo h deutlich fallende Paral-| besonders an der lelverschiebung| enden. der Säulchen 55 1% BSR fehlt wie bei 0,5% |Wie bei 0,5%. ni DE N ch sehr selten und| „ „ 0,5% | „ „0,5%. undeutlich a AN kaum häufigerals| „ „ 0,5% |» » 0,504; Faserr bei 2% in der Querrichtun reißlich. : a 10% | zumeist vorhan-|häufig neben der „ „ 0,5% Kein Zerfall; Schr den einfachen Q. in derselben Faser “ 20% fehlt überallvorhanden sehr deutlich;| ‚, | Auffaserung in Säulchen. 3 kon- | fehlt > » wie bei 20% » » zentr. 2 K,PO, | 0,5% | fast in allen Fa- | fehlt vorhanden; oft | Körniger Zerfall vorh; sern, verquollen Parallelver- aussehend schiebung der Säulchen. a 1% ||wie bei 0,5% 5 vorhanden u. na s 2% etwas seltener als selten en &5 55 / bei 0,5% FR) 9% wie bei 205 er) PR) » ” 9 10% |sehr selten fastinallen Fasern 5 En 5 2 aber sehr selten. 7 20% || fehlt überallvorhanden "= fehlen R ” 30% | » » > » „ starke Schrumpfun (NH,),SO, 0,5% |vorhanden, aber |sehr selten angedeutet Körniger Zerfall vorhe noch nichtin.der Häfte der Fasern ir 1% |wie bei 0,5% fehlt . » » Pr 2% ||fehlt fast gänzlich | „, % ar er „ 5 5% | vorhanden vorhanden 3 = » selten. „ 10% > 5 ” fehlen | Aa 20%, | selten überwiegend vor- vorhanden 5 handen s 30% |fehlt überall sehr ausgeprägt, ,, \ 50% E2} EE) ” 2 " des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 229 Konzen- N Aus dieser Tabelle geht hervor, daß die verschiedenen Konzen- trationen auch beim CaCl,, KH, PO, K,HPO,, K,PO, und (NH,)SO, den beim NaCl und KCl festgestellten Unterschieden im mikroskopischen Bilde entsprechen. Eine Ausnahme macht nur ; das NH,Cl. Die einzelnen Salze zeigen in ihrer Wirkung allerdings mannigfache Unterschiede. Ausgedehntere Versuchsreihen, die noch andere Salze, so vor allem die am Ende der bekannten physikalisch- chemisch wichtigen Reihen!) stehenden Rhodanide und Citrate, ferner Magnesiumsalze und weiterhin auch Lactate und Carbonate in den Kreis der Untersuchung einbeziehen müßten, könnten vielleicht Auf- schlüsse über die Bedeutung bestimmter Ionen für das Auftreten ver- schiedener Querstreifungsformen geben. Ganz allgemein kann man jedoch aus den angeführten Versuchen ableiten, daß bei niederen Kon- zentrationen, bei denen auch ein mehr oder weniger ausgebreiteter kör- niger Zerfall des Faserinhaltes eintritt, die einfache Querstreifung über- wiegt, während bei höheren Konzentrationen auch der abgestorbene Muskel die im Leben vorhandene zusammengesetzte Querstreifung bei- behält. Dieser letztere Fall tritt dann ein, wenn eine sehr rasche Schrump fung und damit auch ein sehr rasches Absterben der Muskelfasern er- folgt; als Ausdruck der Schrumpfung wird auch die mit steigender Kon- zentration immer deutlicher werdende Längsstreifung anzusehen sein. Es ergibt sich also auch aus diesen Versuchen, daß der Übergang von der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung an der noch lebenden Muskelfaser erfolgt. Starke Salzlösungen bewirken also durch die starke Wasserentziehung, die sie verursachen, und wohl auch durch ihre eiweiß- fällenden Eigenschaften eine Fixierung des im Leben vorhandenen nor- malen Querstreifungsbildes. 1) Vgl. hierzu Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl. 1914, S? 496ff. tration | einfache ER Längsstreifung une 0,5% | vorhanden, aber fastinallen Fasern nicht sehr aus- | Körniger Zerfall vorhanden. selten geprägt | 1% |selten selten dgl. 5 ei Mn 2%, ||sehr selten * fehlt dgl. > ” »> 22, N dgl. & 5 n 10% | vorhanden sehr selten kdels ıE% IR > = 20% 15 selten i dgl. 55 5 > 30% e | R ‚dgl. » » » kon- |fast überall vor-| „, del. o6 = >> zentr. handen | 230 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung Dementsprechend sehen wir, daß diejenigen Substanzen, welche all- gemein in der mikroskopischen Technik zur Fixierung gebraucht werden, ‘bei einem frischen, möglichst unversehrten, überlebenden Muskel die zusammengesetzte Querstreifung erhalten. Voraussetzung ist stets, daß das Fixierungsmittel genügend rasch und in genügend hoher Konzentration zur Wirkung kommt. Von der gebräuchlichen Fixierungsmitteln wurden daraufhin Formol in 4proz. Lösung, kon- zentrierte wässerige Sublimatlösung, Alkohol absolutus und konzen- trierte wässerige Pikrinsäurelösung untersucht. Während aber die drei letztgenannten Fixierungsmittel starke Schrumpfungen, Sublimat und Pikrinsäure außerdem eine körnige, die Faser undurchsichtig machende Fällung der Eiweißkörper hervorrufen, wirkt Formol vergleichsweise weniger schrumpfend und konserviert die normale Form und die nor- malen optischen Eigenschaften (Durchsichtigkeit) fast ebenso gut wie die normale Querstreifung. Aus diesem Grunde wurde es auch bei der Herstellung von Schnittpräparaten als Fixierungsmittel stets bevorzugt. Allerdings kann man auch beim Formol feststellen, daß nur rasches Einwirken auf möglichst unversehrten Muskel die einfache Querstrei- fung erhält. Läßt man auf ein im Ringerlösung liegendes, zusammen- gesetzte Querstreifung zeigendes Zupfpräparat eine verdünnte Formol- lösung langsam von einer Seite unter das Deckgläschen fließen, so kann man unter dem Mikroskop unmittelbar beobachten, wie die Muskel- fasern sich auf den Reiz der Formolwirkung hin zusammenziehen und wie dabei zusammengesetzte Querstreifung genau ebenso wie bei der Reizung mit starken Induktionsströmen in die einfache Querstreifung übergeht, wobei der Ausgangspunkt der Veränderung schon die bei der Präparation entstandenen Partien einfacher Querstreifung an den Bruch- enden der Fasern sind. | Ringerlösung bewirkt ganz in demselben Sinne wie jede andere verdünnte Salzlösung, vielleicht nur etwas langsamer, eine Veränderung der zusammengesetzten Querstreifung in einfache und weiterhin kör- nigen Zerfall. Dasselbe gilt vom destillierten Wasser, nur daß hier — wohl infolge des rascheren Absterbens der Muskelfasern — stets auch Stellen mit zusammengesetzter Querstreifung bestehen bleiben. In bezug auf die chemische Natur der Körper, welche die Substanz der quergestreiften Muskelfibrillen (sowohl die einfach als die doppelt brechende) zusammensetzen, lassen sich aus den mit Salzlösungen an- gestellten Versuchen nur wenige Schlußfolgerungen ziehen. Bei Be- handlung frischer (nicht totenstarrer) Muskeln mit destilliertem Wasser und mit verdünnten Salzlösungen wird die Querstreifung zu einem großen Teile zerstört, am meisten bei Anwendung verdünnter Salz- lösungen (NaCl 2 proz., KCl 2—5 proz., CaCl, 1 proz., (NH,),SO, 2 proz., NH,Cl 2-5 proz., Ringerlösung). Bereits dureh verhältnis- % u des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 231 mäßig niedrige Salzkonzentration (NaCl 5 proz., (NH,),SO, 5 proz.) wird die quergestreifte Substanz gewissermaßen fixiert, d.h. in einen Zustand übergeführt, der weder eine Auflösung noch einen körnigen Zerfall der - Substanz bewirkt. Diese Konzentration ist beim Ammonsulfat bedeutend niedriger als es einer Halbsättigung der Lösung entsprechen würde. Am Froschmuskel läßt sich nicht entscheiden, ob die Querstreifung an einen einzelnen der vor allem durch die Untersuchungen v. Fürths!) näher bekannt gewordenen Plasmaeiweißkörper, Myogen und Myosin geknüpft ist, insbesondere, da nach v. Fürth im Froschmuskel neben Myogen erhebliche Mengen von Myogenfibrin enthalten sind, welches sich „vom Myosin im wesentlichen nur durch den niederen Koagulations- punkt unterscheidet‘). Wir haben gesehen, daß die Querstreifung bei Behandlung eines Zupfpräparates mit destilliertem Wasser verlorengeht, ein Umstand, der dafür zu sprechen scheint, daß Myogen am Aufbau der quergestreiften Substanz wesentlich beteiligt ist. Andererseits geht, wie aus den mitgeteilten Tabellen ersichtlich ist, die Querstreifung in noch weiterem Umfange durch Behandlung mit verdünnten Salzlösungen zugrunde und die Fixierung der Querstreifung durch wenig konzen- triertere Salzlösungen spricht wiederum für eine erhebliche Beteiligung von Eiweißkörpern, die sich wie Globuline verhalten (Myosin, Myogen- fibrin). Ein Teil der die quergestreifte Substanz zusammensetzenden Eiweißkörper dürfte allerdings zu den sog. Stroma-Eiweißkörpern ge- . hören und auch nach Behandlung mit verdünnten Salzlösungen zur Bildung der unlöslichen körnigen Massen, die dann den Sarkolemm- schlauch erfüllen, beitragen. Ein anderer und wahrscheinlich wesent- licherer Teil dieser körnigen Massen könnte aber auch aus Plasmaei- weißkörpern bestehen, die einer raschen Gerinnung anheimgefallen und dadurch unlöslich geworden sind. Die soeben ausgeführten Schlußfolgerungen stehen in Übereinstim- mung mit den Ergebnissen von Saxl®), welcher fand, daß die Eiweiß- körper des Muskelsplasmas die Bestandteile der die Querstreifung des Muskels bedingenden Substanzen sind. Andererseits ist es mir nicht gelungen, gewisse Beobachtungen Danilewskys und Schipiloffs*) über das Verhalten der extrahierten Muskeleiweißkörper zu bestätigen, deren Nachprüfung schon vor län- gerer Zeit von v. Fürth?) als dringend wünschenswert bezeichnet worden 1) v. Fürth, Über die Eiweißkörper des Muskelplasmas. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 36, 231. 1895. 2) v. Fürth, Zur Gewebschemie des Muskels, Ergebn. d. Physiol. I, 1, 125. 1902. SF Saxl, Ic. 2) Schipiloff und Danilewsky, Über die Natur der anisotropen Substanzen der quergestreiften Muskels und ihre räumliche Verteilung im Muskelbündel. Zeitschr. f. physiol. Chemie 5, 349. 1881. 5) Ergebn. d. Physiol. I, 1, 125. 232 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung ist. Nach Danilewsky und Schipiloff zeigt Myosin in festem Zu- stande, durch Eintrocken konzentrierter Myosinlösungen oder durch Fällung mit Säure hergestellt, Doppelbrechung. Die Angaben der genann- ten Autoren lassen sich nur schwer einer genauen Nachprüfung unter- ziehen, da z. B. nicht erwähnt wird, welchen Tieren die zur Untersuchung verwendeten Muskeln entstammten. Ich ging bei der Nachprüfung fol- gendermaßen vor: Einem eben getöteten Frosch entnommene Muskeln wurden in der Kälte (Temperatur durchschnittlich 6°) fein zerhackt und mit einer 10 proz. Ammoniumchloridlösung 2 Stunden ausgezogen. Um eine Hemmung der Gerinnung durch das Blut, wie sie durch v. Fürtht) festgestellt wurde, auszuschließen, wurden die Versuchstiere vor Ent- nahme der Muskeln entblutet und dann von der Aorta aus mit Ringer- lösung durchspült, bis die Durchspülungsflüssigkeit klar aus dem rechten Vorhof ablief. Das Extrakt wurde abgepreßt und filtriert. In den meisten Fällen lief das Filtrat bereits verhältnismäßig stark getrübt durch das Filter (dementsprechend gewahrte man bei ultramikrosko- pischer Untersuchung zahlreiche relativ große, tanzende Körnchen in der Flüssigkeit oder es trat (sehr viel seltener) nach einigen Stunden eine spontane gallertige Gerinnung ein. Wurde das eingetrocknete Filtrat oder das spontane Gerinnsel bei gekreuzten Nikols untersucht, so ließ sich niemals eine Doppelbrechung der Muskeleiweißkörper wahr- nehmen. A priori kann man sagen, daß eine Doppelbrechung des ge- trockneten oder mit Säure gefällten Muskelextraktes eine äußerst merk- würdige und schwer zu deutende Erscheinung sein würde. Schipiloff und Danilewsky kommen zu dem Schlusse, daß „die von Ernst Brücke hypothetisch angenommenen doppelt brechenden Elemente — Disdiaklasten — in den krystalloiden Myosinpartikelchen ihre tat- sächliche Grundlage finden“, sie übersehen aber vollkommen, daß zur Erklärung der Doppelbrechung auf Grund der Annahme von Disdia- klasten nicht nur gehört, daß die Disdiaklasten — also krystallinische Micellen im Sinne Nägelis — doppelt brechende Eigenschaften haben, sondern daß diese Teilchen innerhalb des Muskels auch gleichsinnig orien- tiert sein müssen, damit eine Doppelbrechung zustande kommen kann. Es erscheint nun ausgeschlossen, daß in einer durch Eintrocknen oder Säurefällung des Muskels entstandenen Masse von Muskelextrakt eine derartig gleichsinnige Orientierung der ‚‚krystalloiden Myosinpartikel- chen‘ eintritt. Es gelang mir nicht, fädige Gerinnsel aus Muskelextrakt zu erkalten. Bekanntlich sind derartige Fäden doppelt brechend, und das steht mit der soeben geäußerten Auffassung nicht im Widerspruch. Fädige Gerinn- sel entstehen dann, wenn während des Gerinnungsprozesses Zugwirkun- 1) v. Fürth, Über die Einwirkung von Giften auf die Eiweißkörper des Muskelplasmas. Archiv f. experim. Physiol. u. Pharmakol. 3%, 389. 1896. x er ‘ des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 233 gen auftreten. Solche Zugwirkungen können nun auch eine gleichmäßige Orientierung kleinster, in der Substanz des Fadens liegender krystalliner Teilchen und damit das Auftreten von Doppelbrechung bewirken. Mit Recht führt hier schon Nasse!) die doppeltbrechenden Eigen- schaften der Fibrinfäden als Analogon an. Hier liefern auch noch andere, bei der Blutgerinnung zu beobachtende Erscheinungen eine Stütze für die Anschauung, daß die Doppelbrechung in der gleichsinnigen Orien- tierung kleinster krystalliner Teilchen ihre Ursache hat?). Beobachtet man nämlich den Vorgang der Blutgerinnung mit Hilfe des Ultramikro- skops unter Anwendung starker Vergrößerung, so gewahrt man, daß die Gerinnung nicht mit der Bildung von Fäden, sondern mit der Entstehung äußerstfeiner Nadelneinsetzt. Alle bei dieser Nadelbildung auftretenden Erscheinungen beweisen, daß wir es bei der Blutgerinnung mit einem Krystallisationsprozeß zu tun haben: ein Vorgang, der keineswegs ver- einzelt dasteht, indem im Laufe der Zeit eine ganze Anzahl ‚‚Gallert- bildungen‘“ sich bei ultramikroskopischer Untersuchung als Krystalli- sationsprozesse erwiesen haben?). Eine ultramikroskopische Unter- suchung der Gerinnung von Muskeleiweißlösungen zum Zwecke der Be- obachtung des Gerinnungsvorganges unmittelbar unter dem Mikroskop verlief resultatlos. Daß aber nicht nur die Doppelbrechung derartiger Fäden, sondern vor allem auch die doppeltbrechenden Eigenschaften der Muskelsubstanz selbst durch die Annahme ‚krystallinischer Mi- cellen“ im Sinne Nägelis (,Disdiaklasten“ v. Brückes) ohne weiteres erklärlich werden, wird z. B. mit Recht durch v. Fre y*) hervorgehoben. v. Frey weist darauf hin, daß durch die zahlreichen Untersuchungen Ambronn>»?) für die verschiedensten doppeltbrechenden Gebilde der 1) Nasse, Der chemische Bau der Muskelsubstanz. Biol. Zentralbl. 2, 313. 1882 —83. 2) Stübel, Ultramikroskopische Studien über Blutgerinnung und Thrombo- eyten. Archiv f. d. ges. Physiol. 156, 361. 1914. SEVsl. hierzu 7. B.: Höber, l.c. S. 125. 4) v. Frey, Allgemeine Physiologie der quergestreiften Muskeln. Nagels Handb. d. Physiol. d. Menschen 4, 420. 1909. — Vgl. hierzu auch Biedermann, Physiologie der Stütz- und Skelettsubstanzen. Wintersteins Handb. d. vergl. Physiol. 3, 1, 343ff. 1912. 5) Ambronn, Pleochromismus gefärbter Zellmembranen. Ber.d. D. Bot. Ges. 6, 85. 1888. — Über das optische Verhalten der Cutieula und der verkorkten Mem- branen; ebenda S. 226. — Das optische Verhalten und die Struktur des Kirsch- gummis; ebenda %, 103. 1889. — Über die Veränderungen des chemisch-physikali- schen Verhaltens der Cellulose bei Einlagerung von Schwefelzink. Festschrift f. Wiesner 1907. — Pleochromismus mit Gold oder Silber gefärbter Zellhäute, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 48, 622. 1896. — Über anomale Doppelbrechung beim Celluloid, ebenda 63, 1910. — Über das Zusammenwirken von Stäbchendoppelbrechung und Eigendoppelbrechung III, Kolloidzeitschr. 20, 173. 1917. — Über die akzidentelle Doppelbrechung im Celloidin und in der Cellulose. Nachr. v. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Math.-physik. Kl. 1919. 234 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung Nachweis geliefert worden ist, daß die Doppelbrechung durch Einlage- rung krystalliner Teilchen bedingt ist. Möglicherweise sind beim Muskel die ultramikroskopischen Granula Bottazzis diejenigen Teilchen, welche die Doppelbrechung bedingen v. Fürth!t). Um weitere Aufschlüsse über das Verhalten der Querstreifung beim Absterben des Muskels unter verschiedenen Bedingungen und vor allem über die Verwandlung der zusammengesetzten Querstreifung in die einfache zu erhalten, wurden Versuche über die Veränderungen der Querstreifung des Muskels bei der Wärmestarre gemacht. Die Ver- suche wurden in der Weise ausgeführt, daß entweder Stücke ein und desselben Muskels (Sartorius vom Frosch) möglichst rasch nach erfolgter Präparation in Ringerlösung von bestimmter Temperatur gebracht und dann 5—10 Minuten bei dieser Temperatur gehalten wurden, oder es wurde jedesmal ein ganzer unversehrter Muskel in die Ringerlösung gebracht. In letzterem Falle wurden stets die beiden Muskeln desselben Frosches verwendet, und zwar wurde der eine Muskel ohne weiteres in die Ringerlösung gebracht, so daß er sich in der Wärme kontrahieren konnte (isotonisch) der andere in gedehntem Zustande (isometrisch). Zur Dehnung des Muskels wurde derselbe in Verbindung mit der Tibia und dem Beckenknochen gelassen. Jeder Knochen wurde in eine Klemm- schraube eingeschraubt, die ihrerseits an einem starren Stabe befestigt waren, die eine Klemmschraube fest, die andere mit möglichst geringer Reibung verschieblich. Nach Befestigung der Knochen wurde die feste Klemmschraube nach oben gehalten und die Verbindung der verschieb- lichen Klemmschraube mit dem Stabe gelockert, so daß die letztere ent- lang ihrer Führung abwärts glitt und durch ihr Gewicht (9g) den !) In seiner neuesten zusammenfassenden Arbeit: „Die Kolloidehemie des Muskels und ihre Beziehungen zu den Problemen der Kontraktion und der Starre‘“. Ergebn. d. Physiol. 1%, 367. 1919., die mir erst nach Fertigstellung dieser Veröffent- lichung bekannt wurde, bleibt von Fürth auf der Erklärung der doppeltbrechenden Eigenschaften des Muskels durch Spannungen (im Sinne von Ebners) bestehen. Gerade die Auffassung, daß die doppeltbrechenden Eigenschaften des Muskels durch das Vorhandensein gleichsinnig orientierter, ultramikroskopischer, krystal- linischer Micellen im Sinne Nägelis, denen in verschiedenen Achsen verschiedene optische Eigenschaften und eine verschiedene Quellbarkeit zukommt, bedingt sind, würde meines Erachtens eine wichtige Stütze für die von Fürthsche Theorie der Muskelkontraktion bilden, wie aus v. Fürths eigenen Ausführungen hervorgeht, von denen daher folgendes wörtlich angeführt sei: „Die ultramikroskopischen Myosingranula Bottazis sind als präformierte Fibrillenbestandteile anzusehen, welche dicht aneinandergedrängt und in ein kolloidales Medium eingebettet, ver- möge ihrer strukturellen Anordnung das Substrat für die Doppelbrechung der Muskelfibrillen bilden‘ (S. 556); vgl. hierzu ebenda S. 493 u. S. 548. Neben der besonderen „strukturellen Anordnung‘ dürften aber die Beschaffenheit der Granula seibst, denen jaauch von Fürth die Eigenschaft anisodiametrischen Quellungs- vermögen zuschreibt, die Ursache der Doppelbrechung — und zwar die wesent- liche — sein. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 235 Muskel dehnte. Dann wurde die bewegliche Klemmschraube wieder fest angezogen und so der gedehnte Muskel in die Ringerlösung gebracht. In nachstehender Tabelle sei eine Versuchsreihe wiedergegeben, in der jeweils ganze Sartorien (isotonisch und isometrisch, Rana esculenta, Sommerfrosch) in Ringerlösung von verschiedener Temperatur zur Wärmestarre gebracht, 15 Minuten bei dieser Temperatur gehalten und dann mikroskopisch untersucht wurden. Isotonisch Länge in cm Querstreifung vor nach Zerfallserscheinungen d. Erwär- einfache zusammengesetzte mung h 373,3 2,5 |meist nur an den Enden | häufig vorhanden; häu-|Nur an den Enden der der Faserstücke des| figanstattdesZ-Strei-| Faserstücke. Zupfpräparates fens der Streifen Mzx % x 4213,1| 1,6 [fast ausschließlich vor-|nur ganz vereinzelt | Querstreifung stellenweise 2 handen; sehr ver-| Streifen Mx ange-|verschwunden; dafür kör- % schiedene Dicke der) deutet niger Zerfall. © Muskelfläche % % 49||3,4| 1,6 [ausschließlich vorhan- | fehlt Stellenweise Zerfall des " den Faserinhaltes in feinkör- I nige Schollen; der körnige oder querge- | streifte Faserinhalt hat sich in einzelne Quer- | stücke zusammengezogen, zwischen denen der . | Sarkolemmschlauch kollabiert ist. 57|3,3| 1,3 ausschließlich vorhan- | fehlt Wie bei 49°. j den 66 3,4 1,4 Jausschließlich vorhan- | fehlt - | In einzelnen Fasern stellen- den - | weise scholliger Zerfall. 753,2] 1,4 [ausschließlich vorhan- | fehlt Scholliger Zerfall selten. den in regelmäßiger Ausbildung 10012,8 1.1 vorhanden vorhanden; Mx-Strei- | Wie bei Ude fen häufiger als Z- Streifen 236 HH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung: =n Isometrisch A — Länge { 2 inem Querstreifung 3 vor |nach Zerfallserscheinungen d. Deh- einfache zusammengesetzte Grad|| nung 37 3,3 4,4 [fehlt in allen Fasern, wo| Vielfach keine Querstrei- überhaupt Querstrei-| fung mehr vorhanden; fung sichtbar, starke] dafür körniger Zerfall. Parallelverschiebung der Säulchen 49 3,1/3,7|ausschließlich vorhan- | fehlt Querstreifung oft ganz ver- den, wo Querstreifung schwunden. noch wahrnehmbar; in vielen Fasern verwaschen und sehr undeutlich; breite Muskelfächer; nur an den stärker Kontrahierten Enden der Alsen stücke schmale Muskelfächer | 49 3,4 4,6|überwiegend vorhan- fehlt Die einzelnen sehr deut- den; sehr verschie- lich voneinander abge- dene Fachdicke grenzten Säulchen sind vielfach stark gegeneinan- der verzogen; es wechseln längere Stücke breiter, einfacher Querstreifen mit kürzeren Stücken schmaler, einfacher Querstreifen ab. Nur bei er- | steren ist die Parallelverschiebung ausgeprägt. 57\3,3[3,8] ausschließlich vorhan- | fehlt Der Faserinhalt hat sich den in einzelne Schollen, die oft körnigen Zerfall zei- | gen, Zusammengezogen. 66|3,4|3,7|überwiegend vorhan- | an vereinzelten Stellen|Die einzelnen Säulchen | den; sehr verschie- | Z-Streifen oder Mx-| sind vielfach stark gegen- | dene Fachdicke, oft | Streifen eben ange-| einander verzogen. | verwaschen deutet 75\3,2|3,6] überwiegend vorhan- | an vereinzelten Stellen | Wie bei 66°. | den; Fachdicke sehr | verschiedene Z-Strei- verschieden, meist| fen | breit 10012,8|3,3]Jüberwiegend vorhan- | vorhanden mit deut-| Wie bei 66°. den lichen Z-Streifen Die Versuche, in denen nicht der ganze Muskel, sondern nur einzelne Muskelstückchen erwärmt wurden, zeigten fast in jeder Beziehung das- selbe Bild, wie das bei isotonischer Kontraktion in der Tabelle näher beschriebene. Mehrfach war aber bereits bei einer Erwärmung auf 75° ein überwiegendes Vorhandensein der zusammengesetzten Querstrei- fung festzustellen. Die über den Einfluß der Erwärmung angestellten Versuche zeigen also, daß auch die während des mit dem Auftreten der Wärmestarre des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 237 verknüpften Absterbens die zusammengesetzte Querstreifung in die einfache übergeht. Einer besonderen Besprechung bedürfen nur die Versuche, in welchen auf unter 40° und diejenigen, in welchen auf über 70° erwärmt wurde. Bei Erwärmung auf eine Temperatur unter 40° waren die Resultate verschieden. Bei zwei im April ausgeführten Versuchsreihen war bereits nach einer 5 Minuten dauernden Erwärmung des Muskels auf 35° in vielen Teilen des Präparates ein körniger Zerfall des Faserinhaltes ein- _ getreten; wo noch Querstreifung vorhanden war, handelte es sich aus- schließlich um die einfache Form. Im Gegensatz hierzu verhielt sich ein Präparat, das im August 15 Minuten lang auf 37° erwärmt worden war, nicht anders wie ein frisches, bei Zimmertemperatur gehaltenes, “ schonend behandeltes Zupfpräparat; d.h. es zeigte sich überwiegend zusammengesetzte Querstreifung, die einfache Form war nur da auf- getreten, wo die Faser ersichtlich mechanischen Insulten ausgesetzt gewesen war, vor allem an Rißstellen. Erst bei Erwärmung auf 42° trat im August das Bild auf, das im April bei Erwärmung auf 35° er- halten wurde. Weitere Versuche nach dieser Richtung hin sollen aus- geführt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um eine Verschiedenheit, die durch Unterschiede in der Gerinnungs- temperatur von Muskeleiweiß je nach der Jahreszeit bedingt sind. Ein Frosch, der im Sommer der unmittelbaren Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist, wird häufig auf eine Temperatur von 35—40° erwärmt werden können. Es wäre schwer verständlich, wenn sich in diesem Falle ein bereits bei 30 —40° gerinnender Eiweißkörper[Myogenfibrin v. Fürths!)] im lebenden Muskel als wesentlichen Bestandteil desselben vorfände. Dies kann aber sehr wohl bei einem Winterfrosche der Fall sein. Es könnte sich hier um eine in vivo erfolgende durch Einwirkung der Außen- temperatur bedingte physikalisch-chemische Veränderung (Dispersitäts- grad) eines Muskeleiweißkörpers handeln, ein Vorgang, welcher nach den Untersuchungen v. Fürths und den ultramikroskopischen Beob- achtungen Bottazzis und Quagliariellos nicht ausgeschlossen er- scheint. Besondere Beachtung verdienen auch diejenigen Versuche, bei welchen der Muskel plötzlich einer Temperatur von 70—100° ausgesetzt wurde, und in denen trotz Eintritts maximaler Wärmestarre stellen- weise eine mehr oder weniger deutliche zusammengesetzte Querstrei- fung erhalten blieb. Dieses Verhalten scheint dem Bestehenbleiben der zusammengesetzten Querstreifung bei Behandlung des Muskels mit konzentrierten Salzlösungen oder mit den in der mikroskopischen Tech- nik üblichen Fixierungsmitteln analog zu sein. Die Erhitzung wird hier eine so rasche Abtötung’ des Faserinhaltes hervorrufen, daß es zwar zu Dive Bürth!l. ce. 238 H. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung einer vollkommenen Gerinnung der Eiweißkörper des Muskels kommt, daß aber gewissermaßen keine Zeit mehr für die Verwandlung der zu- sammengesetzten in die einfache Querstreifung vorhanden ist. Wir haben eben in dieser Veränderung des Querstreifungsbildes einen Vor- gang zu sehen, der nur an der lebenden, allerdings mehr oder weniger schwer geschädigten und daher im Absterben begriffenen Muskelfaser stattfindet, und deren Zustandekommen eine gewisse Zeit beansprucht. Im Hinblick hierauf war es natürlich naheliegend, auch das Verhalten der beiden Arten von Querstreifung am totenstarren Muskel zu untersuchen. An einem vollkommen totenstarren Muskel finden wir in der Mehrzahl der Fasern, aber durchaus nicht in allen, durchgehends einfache Querstreifung. Diese einfache Querstreifung ist von sehr ver- schiedener Fachdicke. In anderen Fasern finden wir neben der ein- fachen auch zusammengesetzte Querstreifung mit deutlichen Z-Streifen. Häufig kam gerade bei der Totenstarre der oben als ‚Mx‘“ bezeichnete Streifen zur Beobachtung, und zwar räumlich zwischen dem einfachen - und normalen zusammengesetzten (d.h. Z-Streifen-)Typus in ein und derselben Faser, so daß es hier den Anschein hat, als ob sich zwischen das Stadium der normalen zusammengesetzten Querstreifung tatsäch- lich eine zusammengesetzte Querstreifung mit dem Streifen Mx als Übergangsstadium bei der Entstehung der einfachen Querstreifung ein- schaltet. Man müßte dann annehmen, daß sich dieses Übergangsstadium bei der weiter oben beschriebenen, unter dem Mikroskop zu beobachten- den Verwandlung der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung wegen der Geschwindigkeit des Vorganges nicht wahrnehmen läßt. Von Agenzien, welche Muskelstarre hervorrufen, wurde weiterhin noch das Chloroform geprüft. Sartorien wurden entweder frei in einer Glas- schale liegend oder mit Hilfe desoben beschriebenen Dehnungsapparates gedehnt in eine mit Chloroformdampf und Wasserdampf gesättigte Atmo- sphäre gebracht, bis sich die freiliegenden Muskeln ad maximum zu- sammengezogen hatten. Es gibt wohl kaum ein anderes Agens, das eine so weit gehende Kontraktion bewirkt als Chloroform. Innerhalb weniger Minuten zogen sich die Muskeln auf 1/,—/, ihrer ursprünglichen Länge zusammen. Dementsprechend verhielten sich die Querstreifungsbilder. An den kontrahierten Muskeln (isotonisch) war, wo vorhanden, nur ganz schmale, einfache Querstreifung festzustellen. Häufig war die Querstreifung verschwunden, und die Fasern waren von einer feinkör- nigen Masse ausgefüllt, die jedoch merkwürdigerweise hier und da noch Doppelbrechung zeigte. — Auch der isometrische Muskel zeigt nach Chloroformwirkung maximale Veränderung. Die in der Querausdeh- nung erheblich geschrumpften Säulchen haben sich so gegeneinander verzogen, daß eine regelmäßige Querstreifung nirgends mehr zu sehen ist. Im besten Falle gewahrt man noch eine starke schräge Verziehung des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 239 von Gruppen mehrerer Säulchen. Diese Verziehung der an sich sehr verwaschenen Querstreifung bedingt die Entstehung einer Zeichnung, welche derjenigen der Myomeren der Rumpfmuskulatur eines Fisches ähnelt. Wie dort die Myomeren, so stoßen hier die Querscheiben be- nachbarter Säulchen unter spitzen Winkeln zusammen. Meist aber sind die einzeinen Säulchen parallel gegeneinander verschoben und dann ist, da die Säulchen stark geschrumpft sind urd die Querstreifung in ihnen gänzlich verwaschen ist, von einer eigentlichen Querstreifung überhaupt nichts mehr wahrzunehmen. Vielmehr erscheint der Muskel durch das unregelmäßige Durcheinander stärker und schwächer licht- brechender Substanzteilchen wie geschummert. Diese schwächer und stärker lichtbrechenden Teilchen haben aber ihr Verhalten gegenüber polarisiertem Licht nicht geändert. Auch die maximale Chloroformstarre verwandelt also die zusammen- gesetzte in einfache Querstreifung sowohl bei isotonischer als bei iso- metrischer Anordnung. Dies steht in Übereinstimmung damit, daß diese Starre verhältnismäßig langsam eintritt. Von Interesse ist dabei auch, daß die Chloroformstarre wenigstens in ihrer ersten Phase ein reversibler Vorgang ist [F. B. Hofmann, Rossi!)]. Betrachtet man einen Muskel in maximaler Chloroformstarre, also dann, wenn sich der Muskel auf !/, seiner ursprünglichen Länge und noch weiter zusammengezogen hat, oder betrachtet man eine ebenso lange Zeit in einer Chloroformatmosphäre befindlich gewesenen gedehnten Muskel, so fällt unmittelbar als besonders bemerkenswert auf, daß der Muskel auch erheblich an Volumen eingebüßt hat. Diese Volumensver- _ minderung geschieht durch Flüssigkeitsverlust. Die Versuche wurden so angestellt, daß der Muskel während der Einwirkung des Chloroform- dampfes möglichst vor Wasserverlust geschützt wurde, indem die Prä- parate in eine große gut verschlossene Glasbüchse gebracht wurden, auf deren Boden sowohl eine Schale mit Wasser als eine Schale mit Chloroform aufgestellt war. Trotzdem sahen die Muskeln bereits nach wenigen (ca. 15) Minuten wie ausgetrocknet aus. Der Grund hierfür war leicht festzustellen, denn der Muskel schied in dicken Tropfen eine trübe, etwa wie Blutserum gefärbte Flüssigkeit aus. Im Ultramikroskop?) zeigte diese Flüssigkeit zahlreiche, in Brownscher Molekularbewe- gung begriffene Körnchen, verhielt sich also ähnlich wie der von Bottazzi und Quagliariello®) beschriebene Muskelpreßsaft, nur 1) Rossi, Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweißgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. Zeitschr. f. Biol. 56, 253. 1911. — F. B. Hofmann, Zentralbl. f. Physiol. 23, 209. 1909. 2) Zeissscher Kardioidkondensor, Bogenlicht. ®) Bottazzi und Quagliariello, Recherches sur la constitution physique et les proprietes chimico-physiques du suc des muscles lisses et des muscles stries Arch. interr. de Physiol. 12, 234. 1912. 240 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung daß die Ultramikronen in diesem Falle wahrscheinlich bereits größer waren. Die Beobachtungen, welche über den Übergang von einfacher in zusammengesetzte Querstreifung am Froschmuskel gemacht wurden, verdienen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Erkenntnis der Muskel- struktur und auch des Kontraktionsvorganges noch einer weiteren Er- örterung. Vorher seien jedoch noch einige am Insektenmuskel an- gestellte Beobachtungen angeführt, die besonders wegen der Frage nach der Natur des Z-Streifens unser Interesse beanspruchen. In einer späteren Veröffentlichung soll hierüber Ausführlicheres mitgeteilt werden. Als Untersuchungsobjekt diente vor allem die Flügelmuskula- tur der Fliegen (Musca, Homalomyia, Calliphora, Sarcophaga) und Hymenopteren (Bombyx, Vespa, Apis), die meistenteils frisch, in physio- logischer Kochsalzlösung zerzupft, betrachtet wurde. Eine Schilderung der schon so oft beschriebenen Querstreifung der Thoraxfibrillen er- übrigt sich. Es sei nur auf die ausgezeichneten, unter Anwendung ultra- violetten Lichtes hergestellten Photographien dieses Objektes verwiesen, welche Meigs !) veröffentlicht hat. | Die Thoraxfibrillen der Insekten sind so dünn, daß sie auch bei Dunkelfeldbeleuchtung zu beobachten sind, eine Methode, die bisher bei der Untersuchung von quergestreiften Muskeln noch nicht angewendet worden ist. In doppelter Hinsicht ist jedoch die Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung von Interesse. Einmal kann sie vielleicht Auf- schlüsse geben über die Natur der einzelnen Schichten und Streifen und zweitens könnte sie unter Umständen auch Aufschlüsse über den physikalisch-chemischen Zustand der Fibrillensubstanz sowie über et- waige Änderungen dieses Zustandes geben. Bei der Betrachtung der Thoraxfibrillen mit Dunkelfeldbeleuchtung fällt vor allem die bekannte, aber noch lange nicht genügend erforschte Inkonstanz der Querstreifungsbilder auf. Im einfachsten Falle erschei- nen die Fibrillen als homogene Zylinder (gleichmäßig schwarz) mit stark lichtbrechender Kontur. Nicht entscheiden läßt es sich bei einer solchen homogenen Faser, ob diese Kontur dem Vorhandensein einer besonderen Hülle entspricht: Die Abbildung der Faserkontur als leuch- tende Linie kann lediglich durch den Unterschied im Brechungsexpo- nenten zwischen umgebender Flüssigkeit und Fibrillensubstanz bedingt sein. Zwischen dem Bilde einer homogenen Fibrille (Abb. 40) und dem komplizierten Querstreifungsbilde: Z, I, @, M,@, I, existieren nun eine ganze Reihe bemerkenswerter Übergangsbilder, deren Untersuchung durch die Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung wesentlich erleichtert wird. Im einfachsten Falle ist die Kontur der Fibrille in regelmäßigen 1) Meigsl.c. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 241 Abständen unterbrochen (b) oder die Kontur ist in regelmäßigen Ab- ständen durch Punkte ausgezeichnet, was besonders dann zu beobachten ist, wenn die betreffende Fibrille etwas gequollen ist (c). Diese Punkte können jedoch auch isoliert in der Mitte der Unterbrechungen der ei Is R Be Barılh 1 m n o Abb.4a—o. Verschiedene Bilder der Thoraxfibrillen von Sarcophaga bei Dunkelfeldbeleuchtung (schematisiert), vgl. Text. N Kontur liegen (b), oder es können die unterbrochenen Konturen einer Fibrille bei jeder Unterbrechung in Punkten endigen (e). Das Vor- handensein von in regelmäßigen Abständen auftretenden Unterbrechun- gen der stark leuchtenden Konturen beweist, daß die Fibrille von einer besonderen, stärker lichtbrechenden Hülle (Außenschicht) umgeben ist, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 16 242 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung während der Inhalt der Fibrille ein auffallend geringes Brechungsver- mögen besitzt und optisch homogen ist. Hier gibt uns also die Betrach- tung bei Dunkelfeldbeleuchtung einen Aufschluß, der bei Hellfeld- beleuchtung nicht zu gewinnen ist. Die Fibrillenhülle kann nun die Fibrille ihrer ganzen Länge nach gleichmäßig überziehen (w) oder in regelmäßigen Abständen ringförmig unterbrochen sein (b) oder in regel- mäßigen Abständen ringförmig verdickt sein (Punkte, c), schließlich kann auch eine Kombination von ringförmigen Unterbrechungen und Verdiekungen vorkommen (d, e) Von diesen in regelmäßigen Abständen auftretenden Unterbrechun- gen oder Verdickungen geht nun vielfach ein Querstreifen aus, der in allen Fibrillen, wo überhaupt Querstreifung zu sehen ist, nie vermißt wird und sehr oft für sich allein als einziges Querstreifungsphänomen auftritt. Betrachtet man diesen Querstreifen zum Vergleich bei Hellfeld- beleuchtung, so unterliegt es keinem Zweifel, daß es sich nur um den Streifen Z handeln kann. Alle Beobachter, die sich eingehender mit dem Streifen Z beschäftigt haben, sind darüber einig, daß diesem Streifen eine ganz andere Bedeu- tung zukommt, als den Schichten Q und I. In voller Übereinstimmung hiermit stehen die Beobachtungen, die man mit Hilfe der Dunkelfeld- beleuchtung am Z-Streifen der Thoraxfibrillen machen kann. Der Z- Streifen steht hier in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hülle (Außenschicht) der Fibrille; er geht in diese Hülle unmittelbar über und zeigt auch dasselbe Lichtbrechungsvermögen wie die Hülle (f). Der Z-Streifen ist ferner unter verschiedenen Bedingungen von verschie- dener Dicke; bei erheblicherer Dickenzunahme kann er doppelt kon- turiert erscheinen (9). Wenn die Kontur der Fibrille durch Punkte (also ringförmige Verdickungen der Fibrillenhülle) unterbrochen ist, steht der Streifen Z mit diesen Punkten in Verbindung. In einem Prä- parate waren merkwürdigerweise vielfach die Konturen (somit die Fibrillenhülle) verschwunden und die Fibrillen waren nur sichtbar durch die Z-Streifen, die beiderseits in derartigen Punkten endigten und durch die der (an sich unsichtbaren) Fibrillensubstanz oft reihenweise anlie- genden interstitiellen Körner (h). Diese letztere Erscheinung liefert einen bemerkenswerten Beweis für die Annahme, daß der stark licht- brechenden Kontur eine besondere Hülle der Fibrille entspricht. Schließ- lich war auch zu beobachten, daß der Streifen Z die Fibrille nicht ihrer ganzen Quere nach durchzog, sondern in seiner Mitte noch eine Lücke zeigte, so daß also der Streifen Z nicht einer durch die ganze Dicke der Fibrille durchgehenden Schicht, sondern nur einer randstän- digen, ringförmigen Schicht zu entsprechen schien (?). Daß dem Streifen Z eine Schicht von besonderer Festigkeit ent- spricht, geht unzweideutig aus den schon häufig beschriebenen Quel- des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 243 lungs- und Schrumpfungsbildern von Muskelfibrillen hervor, die bei Dunkelfeldbeleuchtung besonders leicht zu beobachten sind. Bei der Quellung sehen wir den Streifen Z seine Ausdehnung behalten, während ‘die dazwischen liegenden Fibrillenabschnitte ihr Volumen vergrößern und eine tonnenförmige Gestalt annehmen (k); im Gegensatze hierzu ziehen sich diese Fibrillenstücke bei der Schrumpfung ein (l). Auch wenn der Streifen Z nicht selbst sichtbar ist, sondern nur die in regel- mäßigen Abständen auftretenden punktförmigen Verdickungen der Fibrillenhülle, so wird diese auf dem Niveau der Verdickungen bei der Quellung nicht mit ausgedehnt (c). Besonders schön sieht man, daß die Z-Schieht die Fibrille in bestimmte Abschnitte teilt, wenn eine Fibrille bei der Präparation gebogen worden ist. Dann ist nämlich die Kontur der Fibrille nicht gleichmäßig gebogen, sondern jedesmal auf der Höhe des Z-Streifens geknickt, so daß die Fibrille wie eine aus unter- einander gleichförmigen Gliedern zusammengesetzte Kette erscheint (m). Viel seltener als die Z-Schicht lassen sich bei Dunkelfeldbeleuchtung die J- und Q-Schichten wahrnehmen. Dem entspricht, daß bekanntlich auch bei Hellfeldbeleuchtung gerade die Thoraxfibrillen eine Differen- zierung in /- und Q-Schichten oft nur schwer erkennen lassen. Ist die Q-Schicht überhaupt erkennbar, so hebt sie sich von der optisch leeren I-Schicht als eine minimal getrübte, ganz schwach leuchtende Zone ab. Oft grenzt diese leuchtende Zone nicht unmittelbar an die Wand der Fibrille, sondern ist von dieser durch eine optisch leere Zone getrennt (n). Niemals sind die /- und Q-Schichten in solchen Fibrillen zu unterschei- den, die nicht auch die Z-Schichten zeigen. Am seltensten war der Streifen M in den Thorasfibrillen zu beob- achten. Wo er auftrat, verhielt er sich ganz analog dem Streifen Z, indem.er seinen Ausgang deutlich von der Fibrillenhülle nahm und oft auch, ebenso wie das am Streifen Z beschrieben wurde, von als Punkten wahrnehmbaren ringförmigen Verdickungen der Fibrillenhülle. Der Streifen M unterschied sich jedoch im Dunkelfeld vom Streifen Z durch seine viel geringere Lichtstärke, er muß also einem viel zarteren Gebilde entsprechen (0). Aus der Beobachtung der Thoraxfibrillen bei Dunkelfeldbeleuch- tung können wir also folgende Schlüsse ziehen: Die Fibrillen sind aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Hülle umgeben. Im Zusammen- hange mit dieser Hülle steht die Z-Schicht, die oft von ringförmigen Verdickungen der Hülle ausgeht. Ein der Z-Schicht ganz analoges, nur viel zarteres und viel seltener auftretendes Gebilde ist die M-Schicht. Die Schichten @ und I sind im Dunkelfeld selten zu unterscheiden; & erscheint dann minimal getrübt, häufig von der Fibrillenhülle durch eine optisch leere Zone getrennt. Durch verschiedene Funktionszustände bedingte Unterschiede in 16* 244 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung dem optischen Verhalten der einzelnen Schichten bei Dunkelfeldbeleuch- tung ließen sich bis jetzt nirgends erkennen. Es lag nahe, hierauf be- sonders zu achten, im Hinblick auf die Hypothese, daß der Muskelkon- traktion eine kolloidale Zustandsänderung der contractilen Substanz zugrunde liegt. Derartige Zustandsänderungen (Kolloidfällungen) wären unter Umständen mit Hilfe des Ultramikroskopes wahrnehmbar. Die hierüber an den Thoraxfibrillen angestellten Beobachtungen hatten ein ebenso negatives Ergebnis wie entsprechende Beobachtungen, die früher vom Verfasser an Geißel- und Flimmerzellen und an glatten Muskelzellen verschiedener Tiere (Laternenmuskeln der Seeigel, Re- tractor penis der Schnecke u.a.) gemacht wurden!). Fassen wir am Schlusse unserer Betrachtungen die Ergebnisse, zu denen wir insonderheit bei der Beobachtung der quergestreiften Muskel- faser des Frosches gekommen sind zusammen, so können wir sagen, daß sich auch hier einige Tatsachen finden lassen, die für unsere Auffassung von der Struktur des Muskels und vom Wesen des Kontraktionsvor- ganges von Bedeutung sind. Vor allem gilt dies von Erscheinungen, die bei der Beobachtung des Überganges der zusammengesetzten Quer- streifung in die einfache gemacht werden können. Hier sehen wir nicht nur eine Veränderung der Querstreifung, sondern auch über die Gliederung der Muskelfasern in längs verlaufende Elemente — Säulchen und Fibrillen — erhalten wir gewisse Aufschlüse. Wird die Muskelfaser des Frosches in irgendeiner Weise verändert, so tritt bekanntlich eine Längsstreifung auf. Dieser Vorgang beruht entweder darauf, daß die Muskelfaser in einzelne längs verlaufende Elemente zerfällt, oder daß bereits präformierte Längselemente sich schärfer voneinander absondern. Es ist viel darüber gestritten worden, ob eine Teilung des Muskels der Länge nach präformiert ist oder nicht. Wir sehen, daß die verschiedensten Einflüsse beim Froschmuskel stets eine Teilung in Längselemente von ungefähr gleicher Dicke (ca. 9 u) herbei- führen. Diese Längselemente haben wir als die „Säulchen“ der Froschmuskelfaser bezeichnet. Am fixierten Präparat gewahren wir dann weiterhin eine Längsspaltung der Säulchen in Fibrillengruppen und Fibrillen. Wesentlich ist es nun, daß die Säulchen nicht nur mor- phologische, sondern bis zu einem gewissen Grade auch funktionelle Einheiten darstellen, denn wir sehen, wie bei dem Bewegungsvorgang während des Überganges aus der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung die einzelnen Säulchen sich getrennt voneinander zu- sammenziehen und wir sehen dabei weiterhin, wie dieser Vorgang nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich getrennt und auch nach verschie- denen Richtungen hin an den einzelnen Säulchen abläuft. Hierdurch !) Stübel, Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel und Geißelzellen. Archiv f. d. ges. Physiol. 151, 115. 1913. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 245 ist auch die besonders schön bei gedehnten Präparaten zu beobachtende „Parallelverschiebung der Fibrillen gegeneinander“ zu erklären, die bereits vielfach zum Beweise der Präexistenz der Längsstreifung der Muskelfaser herangezogen worden ist!). Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der Frage der Teilung der Säulchen in einzelne Fibrillen. Bis jetzt hat sich nur bei den ausnahms- weise dicken, in vieler Beziehung eine Sonderstellung einnehmenden Thoraxfibrillen der Insekten, deren Kontraktionen so häufig das Objekt der Forschung waren, feststellen lassen, daß sie morphologische und funktionelle Einheiten sind. Behandeln wir die Muskelfaser eines Frosches mit schrumpfenden Agenzien (konzentrierteren Salzlösungen oder den gebräuchlichen Fixierungsmitteln), so tritt stets ein Zerfall der ‚Säulchen‘“ in dünnere Längselemente ein. Ob diese Längselemente „präformiert“ sind oder nicht, ist eigentlich eine müßige Frage. Dem gesetzmäßigen Auftreten dieser Längselemente muß eine Struktur- eisentümlichkeit der lebenden Muskelfaser zugrunde liegen. Anderer- seits ist es selbstverständlich, daß diese Struktureigentümlichkeit sich bei der Schrumpfung des Muskels verändert. Viel wesentlicher ist, daß die fibrillären Längselemente, in die ein Säulchen zerfällt, von sehr ver- schiedener Dicke sein können, und daß, wie M. Heidenhain hervor- hebt, die dünnsten Längselemente, diejenigen sind, deren Dicke gerade an der Grenze des mikroskopischen Auflösungsvermögens liest. M. Heiden- hain?) kommt so zu dem Postulate ‚‚metafibrillärer‘‘ Längselemente, welches vor allem im Hinblick auf die optischen Eigenschaften der quergestreiften Muskelfaser und auf die Vorstellungen über das Wesen der Anisotropie fibrillärer Gebilde im Sinne der Nägelischen Micellar- theorie und in unserem Falle speziell der Brückeschen Disdiaklasten- hypothese von Bedeutung ist. Bezüglich der Querstreifung erscheint es uns vor allem wesent- lich, daß alle Beobachtungen an der Froschmuskelfaser dafür sprechen, daß der Streifen Z ein Bestandteil des normalen Querstreifungsbildes ist, der nicht als ein „optischer Effekt‘ zu deuten ist, sondern dem Vorhandensein einer dünnen Schicht entspricht, die am ungefärbten Präparat infolge ihres höheren Lichtbrechungsvermögens und am ge- färbten infolge ihrer besonderen Färbbarkeit zur Abbildung kommt. Im Hinblick darauf sind nun die Beobachtungen von Interesse, die man bei Dunkelfeldbeleuchtung an den Thorasfibrillen der Insekten machen kann. Hier lassen sich zwingende Beweise für die schon von vielen Forschern?) vertretene Ansicht beibringen, daß die Z-Schicht t) Vgl. M. Heidenhain, Ergebn. d. Anat. II, 8,33. 1898. — W. Biedermann, Vergleichende Physiologie der irritablen Substanzen. Ergebn. d. Physiol. 8, S. 166. 2) Heidenhain, M., Plasma und Zelle, S. 595. 3) Heidenhain, M., 1. c. 246 NH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung gegenüber den Schichten / und @ eine ganz besondere Stellung einnimmt. Die Z-Schicht verhält sich bei Betrachtung im Dunkelfeld grundver- schieden von diesen beiden anderen Schichten.. Allem Anscheine nach steht sie mit einer festeren Hülle der Thoraxfibrille (die nicht mit dem “ Sarkolemm zu verwechseln ist) in Zusammenhang. Auch die mechani- schen Eigenschaften der Z-Schicht sind von denen der übrigen Fibrillen- substanz verschieden, wie das aus ihrem Verhalten bei der Quellung und Schrumpfung der Fibrille hervorgeht. Vielfach ist die Ansicht ausgesprochen worden, daß der Streifen Z einer die ganze Faser durchsetzenden, zusammenhängenden Schicht entspricht, die im Gegensatz zu den Schichten J und Q nicht nur den einzelnen Längselementen zukommt. Für diese Auffassung bietet aller- dings das Bild der Froschmuskelfaser, wie wir es unter den verschieden- sten Bedingungen beobachtet haben, ebensowenig Anhaltspunkte wie das Bild der Thoraxfibrillen der Insekten im Dunkelfeld. Würde man sich dieser hauptsächlich auf Grund von Befunden an fixierten Prä- paraten vertretenen Anschauungen anschließen, so müßte man auf jeden Fall eine ganz außerordentlich leichte Zerreißbarkeit der interfibril- lären oder wenigstens der zwischen den einzelnen Säulchen gelegenen Abschnitte der Z-Schicht annehmen, worauf schon mehrfach hingewiesen worden ist!). Nur durch diese Hilfsannahme ließen sich dann die Er- scheinungen bei dem Übergang aus der zusammengesetzten in die ein- fache Querstreifung erklären. Hierbei sieht man, wie oben näher be- schrieben, daß sich die einzelnen, Säulchen gegenseitig verschieben. Während dieses Vorganges, bei dem das Niveau der Querstreifung in zwei benachbarten Säulchen oft um das Zehn- und Mehrfache einer Fach- dicke verschoben wird, bleibt aber die Z-Schicht noch vollkommen sichtbar. Die Z-Schicht müßte, wenn sie zwischen den einzelnen Säulchen auch vorhanden wäre, daselbst in unwahrscheinlich hohem Grade gedehnt sein oder sie müßte daselbst wenigstens besonders leicht zerreißlich sein, während sie innerhalb der Säulchen keinerlei Ver- änderungen darbietet, sich aber gerade im Gegenteil durch besonders große Festigkeit auszeichnet. \ Vor allem ist aber die isolierte Kontraktion der einzelnen Muskel- säulchen auch für die Beurteilung des Aggregatzustandes der con- tractilen Substanz von der größten Bedeutung. Wenn man diesen Vorgang unter dem Mikroskop beobachtet, so erscheint er mit der An- nahme eines flüssigen Aggregatzustandes unvereinbar. Die Zusammen- ziehung erscheint hier so, wie wenn ein gespannter elastischer Faden — das Säulchen — an einer Stelle zerreißt und dann sich nach einer Seite hin zusammenzieht. Trotz der erheblichen Ortsveränderungen, die die einzelnen Teile des Säulchens dabei ausführen, bleibt die Struktur 1) Vgl. z.B. Biedermann, 1. c. $. 166. des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 247 erhalten, was bei einer wirklichen Flüssigkeit nicht der Fall sein könnte, sehr wohl aber bei einer Substanz von gallertiger Konsistenz. Damit wäre aber ausgeschlossen, daß sich die Substanz des Säulchens als. Ganzes infolge der Wirkung von Oberflächenspannungskräften zusam- menzieht. Die Kontraktion einer solchen gallertigen Masse wird sich nur als Flüssigkeitsverschiebung innerhalb der gallertigen Substanz also als eine Zustandsänderung der einzelnen festen Teilchen der Gallerte erklären lassen. Allerdings ist der Vergleich der isolierten Zusammenziehung eines Säulchens mit der Zusammenziehung eines elastischen Fadens nur teilweise richtig. Stellen wir uns z.B. die Zusammenziehung eines Kautschukfadens, auf welchem in regelmäßigen Abständen Querstreifen aufgemalt sind, vor. Wird dieser Faden gespannt und dann an einer Stelle plötzlich durchschnitten, so ziehen sich alle Teilstücke des Fadens annähernd gleichzeitig zusammen und es wird also hier die Querstrei- fung auch an allen Stellen des Fadens gleichzeitig enger. Das ist nun bei der Kontraktion eines Muskelsäulchens keineswegs der Fall. Hier tritt das Dünnerwerden der einzelnen Fächer oder Schichten nicht gleich- zeitig auf, sondern — wie weiter oben beschrieben — nacheinander. Dasjenige Fach wird zuerst zusammengezogen und geht dabei aus dem Zustand der zusammengesetzten in den der einfachen Querstreifung über, welches der bereits vorhandenen einfach quergestreiften Substanz anliest, und auf diese Weise pflanzt sich allmählich der Vorgang von der Stelle, an der die Veränderung begann, ausgehend fort. Man gewinnt geradezu den Eindruck, daß die Änderung der Querstreifung und damit die Zusammenziehung eines Faches infolge des Kontaktes mit schon gebildeter einfach quergestreifter Substanz vor sich geht. Welche Schlußfolgerungen lassen sich nun aus der Beobachtung dieses Überganges von zusammengesetzt quergestreifter in einfach quergestreifte Substanz ziehen? Von vornherein muß betont werden, daß sich hierbei am Froschmuskel nicht feststellen läßt, was während der Kontraktion aus der Z-Schicht wird. Dazu läuft der Vorgang zu rasch ab und dazu ist die Querstreifung von vornherein zu schmal. Die Z-Schicht kann verschwinden, weil sich ihre Substanz verändert und damit ihr Brechungsexponent sich verringert. Eine zweite Erklärungs- möglichkeit besteht in der Annahme, daß die Substanz der Q-Schicht ihre Lage verändert und sich an die Z-Schicht anlagert (Merkel). Da der Unterschied in Brechungsexponenten zwischen Z- und Q-Schicht ein sehr geringer ist, würde auch dann die Z-Schicht im mikroskopischen Bilde verschwinden. Schließlich könnte die Z-Schicht auch unsichtbar werden, weil ihre Dimensionen sich so verringern, daß das Auflösungs- vermögen des. Mikrosköpes zu ihrer Abbildung nicht mehr ausreicht. Man kann nur so viel sagen, daß die. Bedingungen, unter denen 248 AH. Stübel: Mikroskopisch wahrnehmbare Veränderungen der Querstreifung eine Verwandlung der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung vor sich geht, außerordentlich verschieden sind, stets aber sind die Er- ‚scheinungen, unter denen diese Veränderung abläuft, die gleichen. Ferner geht die Erscheinung stets einher mit einer maximalen Kon- traktion des Muskels (sofern der Muskel nicht gedehnt ist). Aber auch bei Dehnung des Muskels verändert sich die Querstreifung in demselben Sinne, nur daß die Fachhöhe nicht abnimmt. Die Verwandlung der Querstreifung erfolgt weiterhin stets — soweit möglich — im Kontakt mit bereits einfach quergestreifter Substanz. Alle untersuchten Reiz- mittel, chemische (Chloroform, verschiedene Salze), osmotische (Wasser- entziehung und Quellung) und elektrische Reize, ebenso Erwärmung bringen das gleiche Bild hervor. Dasselbe gilt von der Totenstarre. Aber die Veränderung der Querstreifung tritt nur dann ein, wenn das verändernde Agens den Muskel nicht momentan zum Absterben bringt. Wird der Muskel rasch abgetötet, z. B. durch stark wirkende Fixie- rungsflüssigkeiten oder hoch konzentrierte Salzlösungen, so vollzieht sich beim Absterben keine Veränderung mehr. Besonders merkwürdig waren in dieser Beziehung einige Versuche mit plötzlicher Erwärmung des Muskels auf über 70°. Hier war unter Umständen trotz maximaler Wärmestarre noch zusammengesetzte Querstreifung zu sehen. Diese Beobachtungen lassen sich nur so deuten, daß zur Entstehung der einfachen Querstreifung eine gewisse Zeit erforderlich ist. Meines Erachtens könnte man den Übergang aus der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung als eine übermaximale Kontraktion des Muskels betrachten, die noch an der lebenden Muskelfaser abläuft, aber — wie schon Merkel und Exner hervorgehoben haben — irre- _ versibel ist. Diese Muskelkontraktion tritt dann ein, wenn der Muskel sich so stark kontrahiert, daß die Restitutionsfähigkeit der Muskelsub- stanz zugrunde geht. Es handelt sich also um einen nekrobiotischen Prozeß, dem aber trotzdem bei der Erforschung des Wesens der Muskel- kontraktion eine gewisse Bedeutung zukommt, indem er als ein Grenz- fall der Muskelkontraktion zu betrachten ist. Zusammenfassung. Die normale Querstreifung des überlebenden, möglichst unversehrten Froschmuskels zeigt die Periode Z, I, Q,!. Von dieser Periode treten Abweichungen auf; am häufigsten findet sich statt des Streifens Z ein stärker lichtbrechender (dunklerer), linearer Streifen in der Mitte von ®: „Mx‘. Der Streifen Mx ist möglicherweise identisch mit dem ‚„Kon- traktionsstreifen“ Merkels und anderer Autoren. Es ließ sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob der Streifen Mx dem normalen Kontraktionszustande entspricht. Wird die quergestreifte Muskelfaser stark gereizt, so geht die nor- . ne. : ZEN des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. 249 male „zusammengesetzte‘ Querstreifung in den Zustand der „ein- fachen‘‘ Querstreifung über, bei welcher nur eine stärker und eine schwächer lichtbrechende Schicht zu sehen ist. Der Vorgang der Ver- wandlung der zusammengesetzten in die einfache Querstreifung läßt sich unter dem Mikroskop beobachten, besonders gut bei Reizung mit dem Induktionsstrom. Die Verwandlung erfolgt in den einzelnen Säul- chen getrennt voneinander; diese sind also bis zu einem gewissen Grade funktionelle Einheiten. Wenn der Muskel so rasch als möglich zum Absterben gebracht wird, so bleiben die Z-Streifen erhalten: Die gebräuchlichen Fixierungsmittel und konzentrierten Salzlösungen erhalten die zusammengesetzte Quer- streifung; zuweilen erhält auch plötzliche Erwärmung auf über 70° die zusammengesetzte Querstreifung. — In schwächeren‘ Salzlösungen und bei weniger starker Erwärmung geht die zusammengesetzte Quer- streifung größtenteils in einfache über, ebenso bei der Totenstarre und bei verschiedenen Formen der chemischen Starre (z. B. Chloroform). Der Übergang zur ‚einfachen‘ Querstreifung ist der Ausdruck einer letzten maximalen irreversiblen Kontraktion des Muskels. Bei Beobachtung der Thoraxfibrillen der Insekten im Dunkelfeld zeigen sich sehr wechselnde Bilder. Es ergibt sich, daß aller Wahrschein- lichkeit nach die Thoraxfibrille von einer stärker lichtbrechenden Hülle (Außenschicht) umgeben ist. Mit der Außenschicht steht der Z-Streifen in unmittelbarem Zusammenhang; er entspricht einem materiellen Gebilde. Eine durch die Kontraktion bewirkte Änderung der optischen Eigenschaften der Substanz der Thoraxfibrillen ließ sich nicht feststellen. Untersuehungen über den sog. Totstellreilex der Arthropoden. ‘2. Mitteilung. II. Über Tenthrediniden-Reflexe. Von Prof. L. Löhner. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Graz.) Mit Tafel I. (Eingegangen am 1. Dezember 1919.) Inhaltsübersicht. . Einleitung (S. 250). . Tot- und Schreckstellungsreflexe von Arge pagana Panz. (S. 251). . Zusammenfassung (S. 257). . Nachträge und Ergänzungen zur Literaturübersicht der ersten Mitteilung (S. 258). 5. Tafelerklärung (S. 259). PWoXN — 1. Einleitung. In Weiterführung meiner Untersuchungen!) über die ‚Totstell- retlexe‘“ und ‚Hypnoseerscheinungen“ der Gliederfüßer nahm ich die systematische Durchforschung der einschlägigen Verhältnisse bei den verschiedenen Arthropodenfamilien in Angriff. Bereits die stichproben- weisen Vorversuche lenkten meine Aufmerksamkeit auf die Tenthre- diniden. Larven wie- Imagines der Blattwespen zeigen nämlich in schöner Form das ‚„Sichtotstellen‘; besonders bemerkenswert erscheint aber der Umstand, daß die ersteren, die sog. Afterraupen von einigen Arten außerdem noch typische ‚Schreckreflexstellungen‘ einnehmen. Wiewohl im Hinblicke auf physiologische Grundlagen und biologische Bedeutung Totstellreflexe, Mimikryreflexe und Schreck- oder Warn- stellungsreflexe, wie ich an anderer Stelle?) ausgeführt habe, einander recht nahestehen, sehen wir sie sonst doch nur selten nebeneinander bei einer und derselben Tierart auftreten. Es kann geradezu als Regel !) Die erste Mitteilung über den Gegenstand (I. Allgemeiner Teil und II. Ver- suche mit Diplopoden) erschien in Zeitschr. f. allg. Physiol. 16, 373—418. Mit Taf. VII—X u. 1 Textabb. 1914. 2) L. Löhner, Über einen eigentümlichen Reflex der Feuerunken nebst Be- merkungen über die „tierische Hypnose“. Archiv f. d. ges. Physiol. 1%4, 348. Sl): L. Löhner: Untersuchungen über den sog. Totstellreflex der Arthropoden. II. 251 selten, daß die einzelnen Formen dieser biologischen Schutzreflexe einander gegenseitig ausschließen, und daß eine bestimmte Art meist nur über eine bestimmte Reflexform verfügt. Man hat daher geglaubt, sie nicht nur als etwas Zusammengehöriges, sondern als etwas geradezu Identisches, als lediglich artverschiedene Erscheinungsformen desselben Vorganges auffassen zu dürfen. Das Nebeneinandervorkommen typi- scher Tot- und Schreckstellungsreflexe bei den Afterraupen — ein Um- stand, auf den bisher nicht ausdrücklich aufmerksam gemacht wurde — schien mir die Möglichkeit zu bieten, hier Aufschlüsse über gewisse Verschiedenheiten der beiden Reflexformen im Hinblicke auf Eintritts- bedingungen, Ablauf und Beeinflußbarkeit zu erhalten. Unsere Kenntnisse über diese Insektenreflexe nach der physio- _ logischen Seite hin müssen als sehr dürftig bezeichnet werden, — und das trotz der verhältnismäßig zahlreichen Hinweise hierüber in der entomologischen Literatur. Letztere beschränken sich nämlich größten- teils auf das rein Morphologische, we aber biologisch-ökologische Dar- legungen gegeben werden, geschieht dies meist in einseitiger Betonung des teleologischen Momentes bei Zugrundelegung eines heute überholten Standpunktes!). Gilt vorstehendes schon für die biologischen Reflex- stellungen der Insekten im allgemeinen, so um so mehr für die der verhältnismäßig wenig gesammelten und dementsprechend untersuchten Tenthrediniden. So findet sich auch in dem gegenwärtig maßgebenden Werke, der neuerschienenen Blattwespenmonographie von Enslin?), nur eine kurze Darstellung des Gegenstandes, die auf das Vorkommen dieser Reflexe bei den verschiedensten Arten hinweist und sie ausge- sprochen teleologisch deutet. 2. Tot- und Schreckstellungsreflexe von Arge pagana Panz. Im Sommer (Juli—September) 1918 hatte ich Gelegenheit, an Rosen- kulturen im Becken von Belluno die zierliche Arge pagana Panz.?) in großer Zahl anzutreffen. Diese hübsche Rosenblattwespe, die mir als Hauptstudienobjekt für die vorliegende Untersuchung diente, konnte ich in sämtlichen Entwicklungsstadien, von der Eiablage und Eient- wicklung in der ‚doppelreihigen Stengelkammer‘“ angefangen, ein- gehend beobachten und mich bei ihrer Häufigkeit mit der gesamten 1) Vgl. hierzu J. Loeb, Die Bedeutung der Tropismen für die Tierpsycho- logie. Leipzig 1909. —G. Bohn, Die neue Tierpsychologie. Deutsche Übersetzung von R. Thesing. Leipzig 1912. (Veit & Co.). —L. Löhner, |. c. S. 377 (1914), und 1. c. S. 346 (1919). 2) E. Enslin, Die Blatt- und Holzwespen (Tenthredinoidea). In Chr. Schröder, Die Insekten Mitteleuropas, insbesondere Deutschlands. 3. Hymenopte- ren. 3. Teil. Stuttgart. 1914. (Franckh.) S. 95—208. ®) Herrn Dr. A. Meixner, Assistenten am zoolog. Institute der Universität Graz, bin ich für die Überprüfung der Bestimmung zu Dank verpflichtet. 252 g L. Löhner: Ökologie vertraut machen. Die meisten Versuche und Beobachtungen wurden an freilebenden Tieren an ihren natürlichen Standorten, den Rosenstöcken, angestellt; aber auch die Haltung, Beobachtung und Zucht der Afterraupen nach Art der Schmetterlingsraupen in Raupen- kästen bereitete keinerlei Schwierigkeiten. Die nicht sehr flüchtigen Imagines von Arge pagana Panz. (Taf. TI, Abb. 1), durch ein orangegelbes Abdomen bei sonst stahlblauer Körper- färbung ausgezeichnet, verfallen bei plötzlichem Zugreifen regelmäßig in eine typische Totstellreflexstellung, wie sie für viele Blatt- und Gallwespen bekannt ist (Abb. 2). Enslin!) beschreibt sie folgender- maßen: „Die Haltung hierbei ist ganz charakteristisch, Antennen und Beine sind angezogen und der Kopf ist gegen das Sternum geneigt. Der Starrezustand wird besonders bei den kleineren Arten, den Blenno- campiden, Hoplocampiden und Selandriiden angetroffen. Selten ist die Starre lange andauernd und der Übergang von ihr zur Bewegung und zum Davonfliegen erfolgt oft sehr plötzlich.“ Dieser Reflex der ausgebildeten Wespen ist zweifellos nichts anderes als eine durch die abweichenden Bauverhältnisse bedingte neue Aus- drucksform des bei den Afterraupen (Abb. 3) in Gestalt eines Spiral- reflexes auftretenden Totsteilreflexes (Abb. 4). Da die angestellten Versuche und Beobachtungen über die Totstell- reflexe von Imago und Larve der vorliegenden Art keinerlei wesens- neue Gesichtspunkte ergeben haben, möchte ich bei der derzeit ge- botenen Kürze aller Veröffentlichungen von der Wiedergabe von Einzel- heiten und Versuchsprotokollen absehen. Dagegen möchte ich mich etwas eingehender mit der als Schreck- oder Warnstellungs- reflex bezeichneten Bereitschafts- (Trutz-) Stellung der Afterraupen (Abb. 6—8) befassen. Die Paganalarven gehören zu jenen Arten, die, beim Fraße an der Blattkante sitzend, diese benagen. Ihre Haltung ist dabei meist die gewöhnliche Raupen-, oft aber auch, ohne daß immer eine kürzlich vorausgegangene Beunruhigung nachweisbar wäre, die erwähnte Reflex- stellung. Diese letztere löst sofort die Normalhaltung ab, sobald äußere Reize das Tier treffen. Sie beginnt damit, daß zuerst die Anal-, dann sämtliche Abdominalfüße die Unterlage blitzschnell loslassen; zugleich wird der Hinterleib emporgeschleudert und in bestimmter Weise er- hoben gehalten, während nur das Kopfende mit den am Blattrande festgeklammerten Brustfüßen in seiner ursprünglichen Lage verbleibt. In der Seitenansicht bieten die Tiere dadurch einen eigentümlichen Anblick dar; ihr Körper ragt in doppelter, S-förmiger Krümmung empor, wie es Enslin für die Afterraupen von Croesus septentrionalis L. (l. ce. Abb. 31, S. 120) und Pteronus salieis L. (l. c. Abb. 3, Taf. I) ab- 1) EB. Enslin, 1. ec. 8. 128, ET Untersuchungen über den sog. Totstellreflex der Arthropoden. II. 253 bildet und wie es dieser Arbeit beigegebene Figuren (Abb. 6 und 7) für Arge pagana Panz. zeigen. Von allen reflexauslösenden Reizen scheinen — dasselbe gilt be- kanntlich auch von allen übrigen nahestehenden Reflexen — mecha- nische Druck- und Berührungsreize am meisten wirksam zu sein. Die Körperoberfläche erweist sich so ziemlich in ihrer ganzen Ausdehnung gleich reizempfindlich; wenigstens konnten Prädilektionsstellen, die in anderen Fällen!) unzweifelhaft vorhanden sind, hier nicht nachgewiesen werden. Aber auch die Empfindlichkeit gegen andere Reizqualitäten, so besonders gegen optische Reize und Erschütterungen der Unter- lage, ist hier bemerkenswert groß. Aufmerksamkeit erregte vielfach der Umstand, daß die häufig ge- sellig am selben Blatte und in nächster Nachbarschaft hintereinander- sitzenden Afterraupen (vgl. Abb. 8) gleichzeitig „wie auf Kommando“ die Schreckstellung einnehmen, wodurch der sonderbare Eindruck, der schon durch den Einzelvorgang hervorgerufen wird, noch eine Ver- stärkung erfährt und nach Enslin?) geeignet sein soll, „einen Feind zu erschrecken“. Die Gleichzeitiskeit des Reflexes ist wohl darauf zurückzuführen, daß derselbe Reiz nahe benachbarte Tiere zu gleicher ‚ Zeit trifft; mitunter mag auch die rasche Bewegung, die ein Tier bei Einnahme der Trutzstellung vollführt, als auslösender Reiz auf die Nachbarn wirken. Wie ich wahrscheinlich machen konnte, beruhen die absonderlichen Trutzstellungen der Arthropoden, und damit auch der vorliegende Fall, auf einer verschieden starken tonischen Kontraktion der einzelnen Muskelsruppen. Als Regel darf gelten, daß der Vorgang auch hier, sofern er durch einen Einzelreiz ausgelöst wurde, mit vollständiger Bewegungslosigkeit verbunden erscheint. Reihenreize haben dagegen meist den Erfolg, daß das Hinterleibsende in der Horizontalebene rasch pendelnd hin und her bewegt wird, ohne daß die Bereitschafts- stellung als solche aufgegeben wird. Hierin zeigt sich also ein grund- lesender Unterschied gegenüber den Spiralreflexen (Totstellreflexen), zu deren charakteristischen Eigenschaften die absolute Bewegungs- losigkeit (Immobilitäts- oder Immobilisationsreflexe) gehört; das erste Auftreten von Bewegungserscheinungen als Überreizungseffekt nach Serienreizen bedeutet in diesem letzteren Falle immer Beendigung des Reflexes und damit auch der bezeichnenden Reflexstellung. Wird die Applikation mechanischer Druck- und Berührungsreize auf die Afterraupen während der Trutzstellung sehr oft wiederholt oder übersteigt die Intensität der späteren Reize ein gewisses Maß, so wird der Schreckstellungsreflex durch den Totstellungsreflex in der 1) L. Löhner,l. c. S. 392 (1914) und 1. c. S. 325 (1919). SWE < ._ S es} © S EM S & I PR, S 2 N er = - 2 = 28 Au=% 8 Ss 3 = en Inn a 7 = Ss N 5 Se —. I <: +8 Sa il eu = =) 1 7 ir le \ = \ ; \ ; l 1 = a a 1 3,0 3,18 3,18 3,36 3,36 3,75 2415 2 5,0 5,98 5,98 6,98 6,98 8,9 8,9 5 11,0 23,1 24 35 36 59,5 61 10 19,0 84,2 102 152 183 281 340 15 27,0 208,0 300 390 560 750 1080 20 34,0 370 640 715 1230 1400 2410 30 46,0 745 1490 1470 2920 2900 5780 40 56,3 1110 2220 -| 2150 4300 4230 8460 50 64,0 1350 2700 2630 5260 5200 10400 60 71,0 1550 3100 3000 6000 5900 11800 100 87,5 1920 3840 3750 7500 7380 14760 00 100 2222 4444 | 4343 8686 8484 16968 ven lassen deutlich erkennen, daß die wesentlichen Merk- male des Verlaufsder Dunkel- adaptation der Netzhaut- ‘peripherie durch die ent- wickelte Formel richtig dar- gestellt werden. Die Emp- findlichkeit nimmt in den ersten Minuten langsam zu, dann sehr rasch, und endlich, wenn ‚die Adaptationszeit länger als 40—60 Minuten | Lara wird, wieder langsam bis zu 399 / ma dem Grenzwert, der erstnach I mehreren Stunden erreicht ,90 DZ Er wird. EZ Bei den großen Abwei- DABEI ? 70 30 50 700 chungen, die der Verlauf der bp.1. Verlauf der Dunkeladaptation: a) für monokulare Kurveder Dunkeladaptation Beobachtung und kleines Reizfeld, b) für binokulare Be- N & obachtung und kleines Reizfeld, c) für binokulare Beob- bei den verschiedenen Ver- achtung und größeres Reizfeld. lim. a, b, c bedeuten die „ Grenzwerte der Erregbarkeit, die nach unendlich langer suchspersonen } hat, könnten Zeit erreicht werden würden. Als Abszisse Zeitin Min., wir uns mit dieser Überein- als Ordinate Erresbarkeit in willkürlichen Einheiten. ur ON AR 2.4000 Die Tabellen wie die Kur BrREra Bar ee 22 A. Pütter: stimmung zwischen Theorie und Beobachtung wohl begnügen, es macht aber doch den Eindruck, als ob ein typischer Unterschied zwischen Beobachtung und Rechnung besteht, und zwar insofern, als die beobachteten Kurven in der Zeit zwischen 10 und 20 Minuten noch steiler ansteigen als die berechneten und andererseits zwischen 60 und 120 Minuten flacher verlaufen. Der Grund hierfür erscheint nach den früheren theoretischen Untersuchungen über die Erregung des menschlichen Auges sehr verständlich, Wir fanden, daß die Zunahme des Diffusionskoeffizienten r nicht nur eine Funktion der Reizstärke J, sondern auch der jeweiligen Konzentration der R-Stoffe, d.h. eine Funktion von y ist. Es liegt daher sehr nahe, anzunehmen, daß der Rückgang der Veränderungen an r gleichfalls in seiner Ge- schwindigkeit von der jeweiligen Konzentration der R-Stoffe abhängt, und zwar derart, daß die rückläufige Veränderung um so rascher er- folgt, je geringer deren Konzentration, je kleiner y ist. Nach dem Ver- schwinden der Erregung erreicht y seinen kleinsten Wert, die rück- läufige Veränderung von r müßte also am raschesten erfolgen und dann im weiteren Verlauf der Wiederherstellung der Erregbarkeit immer langsamer werden. Da wir diesen Einfluß unberücksichtigt gelassen haben und mit einem konstanten mittleren Geschwindigkeitsfaktor ge- rechnet haben, muß die berechnete Kurve zuerst langsamer und später rascher ansteigen als die beobachtete. Die rechnerische Durchführung dieser Theorie wäre sehr schwierig und würde uns kaum in allgemeiner Erkenntnis fördern, weshalb sie nicht weiter verfolgt werden soll. 3. Die Nachbilder. Die Betrachtungen über die Wiederherstellung der Erregbarkeit, über die Dunkeladaptation der Fovea centralis und der Netzhautperipherie. gaben von einfachen, der Theorie entsprechenden Voraussetzungen aus die Beobachtungstatsachen in völlig befriedigender Weise wieder. Wenn man aber genauer nachsieht, was für Erscheinungen nach Beendigung einer Dauerreizung zu erwarten wären, so ergibt sich eine Forderung, die mit den tatsächlichen Beobachtungen durchaus nicht übereinstimmt. Gehen wir wieder von unserem Modell aus und betrachten den Zustand, in den es übergeht, wenn eine Dauerreizung unterbrochen wird, so können wir angeben, wie stark die Erregbarkeit unmittelbar nach dem Ende der Reizung herabgesetzt sein muß. Die Betrachtung gestaltet sich folgendermaßen: Am Ende der Dauerreizung hat r den Wertr = r„| 1+ k(y& — Y,) J] erreicht. Setzen wir die Konstanten für das Auge ein, wie sie sich in den bisherigen Untersuchungen bewährt haben!), so ist r = 0,1[1 + 0,000012 (ya — 9,9) J] . 1) Siehe V. Mitteilung. Archiv f. d. ges. Physiol. 195, 371397. 1919. Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 273 Die Reaktionskonstante qg nimmt nach dem Ende der Reizung sogleich den Wert gu, = 0,01 an, den sie im ungereizten Zustande hat. Würde sich r während der Zeit des Absinkens von y nicht ändern, so ist leicht zu berechnen, wie tief y von dem Wert y„ aus sinkt, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht ist. Der Wert, den y in diesem neuen Gleichgewichtszustande hat, ist 100g: 0,99 er Es läßt sich dann weiter leicht berechnen, wie groß die Reizintensität J sein muß, die bei diesem Zustande des Systems eine eben merkliche Reizung bewirkt: Eine eben merkliche Erregung soll beim Auge ein- treten, wenn die Konzentration der R-Stoffe = 9,9 + 0,99, d.h. = 10,89 geworden ist. Es muß also die Gleichung gelten: 100 - (1 + J) tgl HN] Da % = 0,01 ist, ergibt diese Gleichung nach J aufgelöst 10,89 r 1—0,1089r Vom Zustande des Grundumsatzes aus, wenn y= 9,9 ist, ist der Schwellenreiz J — 0,12. Die Herabsetzung der Erregbarkeit durch eine vorangegangene Reizung kann man demnach leicht durch das Ver- hältnis ausdrücken, in dem der Reiz 0,12 zu dem Schwellenreiz steht, der sich für den Zustand nach dem Aufhören einer Dauerreizung be- rechnet. “ Die folgende Tabelle 5 enthält alle Zahlen, die zu einer Übersicht über die Verhältnisse erforderlich sind. 10,89 — J= Tabelle 5. ne | Be | a ER | R,= , 0 9,9 0,1 9,9 0,12 1,0 2.100: | - ‚90,0 0,108 9,2 0,22 1,84 1.000 127 0,217 4,59 1,44 12 10 000 78,4 0,783 1,26 8,4 70 16 000 70,0 1,00 0,99 12,0 100 . 100 000 35,6 2,6 0,38 | 38,8 322 3. -,.108 | 15,1 9,3 0,187 135 1130 10 . 108 | 10,8 9,1 0,109 | 9900 82 000 Der erste Stab gibt die Intensität des Reizes, der dauernd gewirkt hat. Der zweite Stab den Wert (y»), den y unter der Wirkung dieser Dauerreizung annimmt. Daraus berechnet sich nach der Gleichung r = (,1[1 + 0,000012 (yo — 9,9) J] der Wert von r, den der dritte Stab bringst. Im vierten Stab ist der Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 18 274 A. Pütter: Wert von y angegeben, auf den sich das System nach dem Aufhören der Reizung einstellt (bezeichnet als y’). Der fünfte Stab gibt den Wert des Schwellenreizes (R,), wie er dem Zustande des Systems nach dem Abklingen entspricht. Im letzten Stabe endlich ist das Verhältnis. der Erregbarkeit nach dem Ende einer Dauerreizung zu der Erregbar- keit im Grundumsatze angegeben. Nach der theoretischen Rechnung soll die Erregbarkeit eines Netz- hautelementes immer tiefer sinken, je höher die Reizintensität ist, mit der die Umstimmung vorgenommen wird. Nach der Einwirkung: einer Reizintensität von etwa 16 000 soll die Erregbarkeit 1 : 100 der Erregbarkeit bei voller Dunkeladaptation sein, nach der Einwirkung von“J = 100 000 schon 1 : 322 und nach der Einwirkung von J = 106 soll sie 1: 1130 sein. Im vorigen Abschnitt war von einem solchen Einfluß der Vorbe- lichtung auf den Umfang der Adaptation nicht die Rede. Piper hat in seinen schönen Untersuchungen gerade Wert darauf gelegt, daß es ein „physiologisches“ Helladaptationsmaximum gibt, und daß die Erregbarkeit in diesem Zustande nicht mehr merklich von der Lichtintensität abhängig ist, mit der die Vorbelichtung aus- geführt wird. In seinen Versuchen hielten sich die Versuchspersonen 1/, Stunde bis mehrere Stunden im Freien auf. Der Himmel war bald klar, bald mäßig bewölkt, die Versuche fanden im Sommer und Herbst statt. Die Schwankungen der Lichtintensität, die hierbei vorkamen, reichten nicht hin, um den Schwellenwert, der bei Beginn der Adap- tationsversuche ermittelt wurde, merklich zu beeinflussen. Daß die Zeit des Verweilens im Freien ohne Einfluß war, erscheint uns als Forderung, da die kürzeste Zeit 15 Minuten betrug, und — wie früher ausgeführt — die Umstimmung schon nach etwa 3 Minuten praktisch vollständig ist). Vielleicht waren die Schwankungen der enden Lichtintensität. zu gering, um deutlich in Verschiebungen der Schwellenwerte zum Ausdruck zu kommen. Wenn es aber überhaupt möglich wäre, die Erregbarkeit nennenswert unter den Punkt herunterzudrücken, den Piper mit der gewöhnlichen Vorbelichtung erhielt, so müßte das nach Erweiterung der Pupille durch Homatropin gelingen, denn diese kommt in ihrem Erfolge einer Steigerung der Lichtintensität auf etwa das 6fache gleich. War die Erregbarkeit eines einzelnen Elementes vorher auf Yo herabgesetzt (J = 16 000), so müßte sie nach der Erweiterung der Pupille (J etwa gleich 100 000) auf !/,, herabgesetzt sein. 1) W. Lohmann, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 41, 290—311, 1907 fand bei Umstimmung durch diffuses Tageslicht keine beträchtliche Abnahme der Erreg- barkeit zwischen 6 und 10 Minuten. Der steile Absturz der Erregbarkeit erfolst schon in den ersten 20 Sekunden. aa iu Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 275 Von einer solchen stärkeren Herabsetzung der Erregbarkeit bei sehr starker Belichtung war nichts zu bemerken, wohl aber trat eine andere Erscheinung auf. Es entwickelte sich ein Zustand der ‚Blendung‘“, dersich „weniger durch ein Höherrücken der Anfangsschwelle als durch das Auftreten überaus intensiver subjektiver Liehtnebel und Nachbilder und möglicherweise durch eine Ver- zögerung des Beginnes der Empfindlichkeitszunahme zu kennzeichnen scheint‘ !). Die Empfindlichkeitszunahme setzte in diesen Versuchen erst nach 5 Minuten ein. Eine solche Verzögerung im Be- ginn der Dunkeladaptation hatte auch Aubert nach längerem An- starren einer blendend weißen Schneedecke beobachtet. Wir treffen hier auf eine Erscheinung, die die bisherige Theorie nicht erklärt: die Erregbarkeit der Netzhautelemente scheint bei Vor- belichtung mit starken Lichtintensitäten nicht beliebig zu sinken, sondern einen Grenzwert zu erreichen, und zwar erfolgt die Begrenzung dadurch, daß Nachbilder auftreten und für einige Minuten die Be- stimmung der Reizschwelle für äußeres Licht unmöglich machen. Aus den Eigenschaften der Stäbchen oder Zapfenzellen, wie wir sie bisher kennengelernt haben, ist ein solches Verhalten völlig unverständlich. Wir gelangen hier wieder an einen Punkt, wo die Annahme unabweisbar ist, daß in den Leistungen des Auges, wie wir sie beobachten, die Eigen- schaften verschiedener physiologischer Elemente zum Ausdruck kom- men. Diese Vorstellung, die im Sinne der v. Kriesschen Zonentheorie liest, kann keine Theorie der Vorgänge im Auge entbehren. Es kann hier nicht die Aufgabe sein, eine allgemeine Theorie der Nachbilder zu entwickeln, die auf große, zur Zeit noch nicht überwundene Schwierig- keiten stößt, wohl aber muß gezeigt werden, daß die grundsätzliche Möglichkeit zum Verständnis der Erscheinung der (positiven) Nach- bilder, wie sie uns hier begegnen, auf Grund meiner Theorie der Reiz- vorgänge sehr wohl besteht. Da wir in den Veränderungen, die das periphere Sinneselement beim Abklingen einer Dauerreizung erfährt, nichts finden, was uns das Vor- kommen von Nachbildern verständlich machen könnte, müssen wir daran denken, daß wir ja gar keine unmittelbare Kunde von dem Zu-. stande dieses Systems erhalten, sondern daß die Zustandsänderung, die unter der Wirkung und Nachwirkung des Lichtes in den Außen- gliedern der Stäbchen und Zapfen vor sich geht, erst dadurch sinnlich erfahrbar wird, daß sie auf weitere, zentraler gelegene Systeme ein- wirkt, und diese verändert. Wir wollen nur den einfachen Fall betrachten, daß der Erregungs- zustand der Stäbchen- oder Zapfenzelle auf eine mit ihr verbundene Nervenzelle einwirkt. . Wie früher betont, müssen wir jede derartige 1) L.e.8.173. 187 IE A. Pütter: Wirkung eines erregbaren Elementes auf ein anderes als einen chemi- schen Reizvorgang auffassen. Die besonderen Möglichkeiten im Ablauf solcher chemischen Reizungen haben wir in der vorigen Ab- handlung!) schon erörtert. Wir sahen sie besonders dadurch ausge- zeichnet, daß schwache Reize den Wert von y verkleinern können, d.h. als Hemmung wirken können, während stärkere erregen und sehr starke endlich lähmen. Wir wollen jetzt annehmen, der Erregungs- zustand der Sinneszelle wirke auf ein reizbares System, dessen Eigen- schaften dem Modellbeispiel ähnlich sein sollen, das wir in der vorigen Abhandlung?) (8. 54ff.) durchgerechnet haben. Seine Eigenschaften seien gekennzeichnet durch die Werte r— 0,01 [1 + J%P(1— er], 9 001 3 Da es sich zunächst nicht um den zeitlichen Verlauf der Erregung in diesem System handelt, können wir seinen Zustand für t—= & durch die Gleichung bestimmen: 1000 (1 + 0,1J”) AH FL +0,11 +0,17) | Der jeweilige Erregungszustand der Sinneszelle wirkt als Beizfauf dieses System ein. Bezeichnen wir mit J die Intensität des Lichtes, das als Reiz auf die Sinneszelle wirkt, und mit y die Konzentration der R-Stoffe in ihr, dann ist die Reizintensität, die die nächste Nerven-' zelle trifft, und die wir J’ nennen wollen, eine Funktion von y. Wir können sie bestimmen durch die Gleichung J=k-y. {4 & k setzen wir = 0,455. Ist die Lichtintensität J = 0,0, d.h. befindet sich das Auge im Dunkeln, so ist y = 9,9. Bei Abwesenheit des äußeren Reizes wirkt also auf die Nervenzelle ein Reiz J’, dessen Intensität wir nach der eben aufgestellten Gleichung durch den Zahlenwert J’ = 0,455 - 9,9 = 4,50 ausdrücken. Unter der Wirkung eines solchen Reizes hat die Konzen- tration der R-Stoffe in der Nervenzelle — wir nennen sie y’ — den Wert y’ — 514,85. Dieser Konzentration entsprieht subjektiv das dunkle Grau, das wir. als Eigenlicht der Netzhaut bezeichnen. Eine Steigerung des Wertes von y’ über 514,85 bedeutet subjektiv Hellig- keit, eine Empfindung, die auf dem Weg von Dunkelgrau zum Weiß liegt; eine Herabsetzung muß dementsprechend als Schwarz emp- funden werden. ” 1) Archiv f. d. ges. Physiol. 1%6, 39—69. 1919. 2) VI. Mitteilung. Archiv f. d. ges. Physiol. 146, 39-69. 1919. FT ERBEIT IE > BZ r r Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. DT Der Lichtreiz von der Intensität J = 0,00, das Fehlen jeden ob- jektiven Lichtes, läßt y’ nur auf 514,85, auf den Wert sinken, den wir als Eigengrau der Netzhaut empfinden. Wie ist eine weitere Herab- setzung des Reizes J’ möglich ? Offenbar durch die Nachwirkung einer stärkeren Reizung mit Licht! Wir sahen ja oben (8.273), daß nach dem Abklingen einer stärkeren Lichtreizung der Wert von y tiefer sinkt als 9,9, daß er nach einer Reizintensität von J = 1080 den Wert 4,40 annimmt, nach der Einwirkung eines Reizes J = 10% den Wert 0,187. Berechnen wir nun, welchen Zahlenwert die Konzentration der R-Stoffe in der Nervenzelle (y’) annimmt, wenn J’ = 0,455 - 4,4 — 2,00 und J’ = 0,455 - 0,187 = 0,085 wird. Dem Werte J’ = 2,00 entspricht ein y’= 490. Dem Werte J’ = 0,085 entspricht ein y’ = 590. Das ist ein sehr wichtiges Er- gebnis: während bei völliger Dunkeladaptation und Abwesenheit alles äußeren Lichtes der Wert y' — 514,85 ist, wird er während der Zeit der Nachwirkung eines mittelstarken Reizes (J = 1080) niedriger, d.h. als Nachwirkung eines solchen Reizes muß Schwarz empfunden werden. Unter der Nachwirkung eines sehr starken Reizes (J — 10%) aber sinkt y’ nicht weiter, sondern nimmt höhere Werte an, als bei völliger Dunkelheit, es muß also als Nachwirkung sehr starker Reize Licht empfunden werden. Hier haben wir die theoretische Erklärung der Nach- bilder. 8 Wenn diese Ausführungen auch nicht eine vollständige Theorie der Nachbilder ergeben, so machen sie doch eine Anzahl von Tatsachen aus der Lehre von den Nachbildern so gut verständlich, daß es lehrreich ist, den Beispielsfall noch etwas näher durchzurechnen. Zunächst müssen wir feststellen, welchen Zahlenwert die Schwelle bei der Nerven- zelle hat. Die Überlegung,. die uns zur Kenntnis dieser Größe verhilft, ist einfach: Der Schwellenreiz für das Sinneselement war J = 0,12, unter seiner Wirkung stieg die Konzentration der R-Stoffe in der Sinnes- zelle um 0,99 Einheiten, von 9,9 auf 10,89. Ein Reiz von der Intensität J’ = 0,45 (9,9 + 0,99) = 4,95, der auf die Nervenzelle einwirkt, läßt die Konzentration y’ hier von 514,85 auf 522,0, d.h. um 7,15 Einheiten aan Das ist die Unterschiedsschwelle für die Nervenzelle. Erst wenn'ein Reiz so stark ist, daß unter seiner Nachwirkung y’ von 514,85 bis 507, 7 sinkt, tritt als Nachwirkung ein ‚„Nachbild“ auf, und zwar ein negatives Nachbild, das bei völlig verdunkeltem Auge er- scheint, ein Nachbild, daß sich von dem Eigenlicht der Netzhaut da- durch unterscheidet, daß es eben merklich dunkler ist. Wie sich leicht berechnen läßt, entspricht dem Wert y’ = 507,7 die Intensität 278 A. Pütter: J’ =4,0, d.h. der Reiz, der als Nachwirkung ein eben merkliches ‚0 0,455 RN herabsetzen. Das tut ein Reiz von der Intensität J — 130 (in theore- tischem Maß), also ein Reiz von der 1100fachen Stärke des Nullschwellen- reizes. i Steigert man die Reizintensität weiter, so ergibt die Rechnung, daß ein Reiz J = 1080, dem ein y = 4,40 nach dem Abklingen ent- spricht, das tiefste erreichbare Schwarz als negatives Nachbild bei völlig verdunkeltem Auge hervorruft, ein Schwarz, das durch den Wert y’ = 490 gekennzeichnet ist, d.h. das 3,5 merkliche Empfindungs- schritte dunkler ist als das Eigengrau der Netzhaut. Bei weiter steigender Reizintensität erreicht man bei J = 8000 den Punkt, wo y’ nur noch 507,7 erreicht, d.h. wo zunächst nach dem Ende der Reizung nur eben noch ein negatives Nachbild zu sehen ist. Für eine Reizintensität von J = 14000 soll zunächst nach dem Abklingen überhaupt kein Nachbild erscheinen, sondern das Eigen- grau, da y’ hier wieder gleich 514,85 wird. (Natürlich muß dann im weiteren Verlauf der Wiederherstellung der Erregbarkeit das negative Nachbild erscheinen s. u.) Wenn wir endlich die Umstimmung des Auges mit Reizen vor- nehmen, die stärker als J = 17 000 sind, so sinkt y beim Abklingen auf 0,92 und darunter, so daß J’” — 0,420 und kleiner wird: allen Werten von J’, die kleiner als 0,42 sind, entsprechen Werte von y’, die größer als 522,0 sind, d.h. alle solche Reize müssen positive Nachbilder erzeugen, die merklich heller sind, als das Eigenlicht der Netzhaut. Die maximale Helligkeit, die die Nachbilder erreichen können, ergibt sich aus der Theorie in ihrer jetzigen einfachen Form nicht. Wohl kann man leicht berechnen, welchen Wert y’ annehmen würde, wenn die Umstimmung im peripheren System dauernd bestehen bliebe (d.h. wenn y seinen Wert nicht änderte), und wenn dadurch dem zentralen System Zeit gegeben würde, sich auf seinen Gleichgewichts- zustand einzustellen; aber die Werte für %y’, die man so erhält, und die in Tabelle 6 im letzten Zahlenstabe aufgeführt sind, entsprechen nicht den maximalen Helligkeiten der Nachbilder. Immerhin wird man aus ihnen einen qualitativen Schluß auf die Helligkeit der Bilder ziehen können, nämlich den, daß sie mit wachsender Intensität des äußeren Reizes zuerst schnell, dann immer Luna nz am Etat gewinnen. Nach der Einwirkung eines Reizes J — 50 000 nimmt y Pilen Wert 549 an, nach Einwirkung von J = 10° nur 555, nach J = 10% wird y’ = 5% und eine weitere Steigerung der Reizstärke um das 10fache, d.h. auf J = 10% läßt y’ nur auf 618 steigen. Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 279 In seinen quantitativen Untersuchungen. über positive Nachbilder kommt Goldschmidt!) zu dem Ergebnis (l. c., S. 232): „Je stärker ein Reiz ist, um so größer ist der Helliskeitswert des durch ihn ausge- lösten positiven Nachbildes; in zwei korrespondierenden Reihen von Reizstärken und Nachbildhelligkeiten wachsen aber die Reizstärken durchgängig erheblich schneller als die Helligkeitswerte der positiven Nachbilder, im Bereich der schwachen Reize ist die Progression in den Helligkeitswerten der positiven Nachbilder verhältnismäßig noch am srößten, und nimmt mit zunehmender Reizstärke allmählich immer mehr ab.“ 3 Das wäre qualitativ das Verhalten, das auch unser Modell- system zeigt, aber quantitativ kann keine Übereinstimmung ver- langt werden. Die folgende Tabelle 6 zeigt in übersichtlicher Zusammenstellung die Wirkungen und Nachwirkungen der verschiedenen Reize, wie sie auf Grund der Vorstellung zu erwarten sind, daß die Sinneszelle auf ein zentrales System, mit dem es verknüpft ist (einer Nervenzelle, die auf dem Wege zur Großhirnrinde liegt), einen chemischen Reiz aus- übt, dessen Intensität von der jeweiligen Konzentration der R-Stoffe im Sinneselement abhänst. Tabelle 6. Y | J’ | y an mit m 0,12 en en Br Schwelle für objektives Licht = hell 0,00 | 9,9 |4,50 1514,85 Eigenlicht der Netzhaut = dunkelgrau schwarz =nega- 130| 88 |4,0 507,7 |Schwelle für Schwarz trssı Nachbild 1080| 4,4 1|2,0 490,0 |tiefes Schwarz hei völli ; 5 ei völlig ver- 8000| 1,32 [0,6 507,7 Schwelle für Schwarz irmellim Ange Nachwirkung ||14000| 1,05 |0,475 |514,85|Eigenlicht der Netzhaut = dunkelgrau der Reizin-/|17000| 0,92 0,420 |522,0 [Schwelle für positives Nachbild = hell tensität J = ||50000| 0,488 |0,367 [549,0 |positives Nachbild = hell 10° |0,38 10,174 555,0 eh En 10° | 0,187 |0,085 |590,0 % nn 10° | 0,109 |0,0495| 618 n ” oo 0 0 910 ” „ „ ' Das System, das aus der Sinneszelle und der Nervenzelle besteht, zeigt sehr gut die Eigenschaften, die sich aus den Beobachtungen über die Dunkeladaptation und die Nachbilder ergeben: Wir sahen, daß die Erregbarkeit des einzelnen Sinneselementes nur im Verhältnis von 1 : 100 herabgesetzt werden soll. Eine solche Herab- setzung erfordert die Vorbelichtung mit einem Reiz von der Intensität 1!) R. H. Goldschmidt, Quantitative Untersuchungen über positive Nach- bilder. In: Psychologische Studien, herausgeg. v. W. Wundt 6, 159—251. 1910. 280 A. Pütter: J = 16000. Diese Intensität liegt gerade unterhalb der schwächsten Intensität, die nach unserer Theorie ein positives Nachbild erzeugen soll. Wird durch die Erweiterung der Pupille die Lichtintensität auf etwa 100 000 gesteigert, so entsteht ein helles Nachbild, und es ist zu- nächst nicht möglich, die Reizschwelle für äußeres Licht zu bestimmen. Diese Bestimmung wird erst möglich, wenn mit zunehmender Dunkel- adaptation % den Wert 0,92 überschritten hat, und dann findet man wieder, daß die Erregbarkeit etwa !/,., der höchsten Erregbarkeit ist. Das Modell erklärt also das physiologische Helladaptationsmaximum, dessen Vorhandensein Piper nachgewiesen hat. An das positive Nachbild schließt sich, wie Beobachtung und Theorie übereinstimmend ergeben, däs negative Nachbild (bei völlig verdunkeltem Auge) an. Um diese Art der negativen Nachbilder leicht sichtbar zu machen, gibt v. Kries!) folgende Anweisung: man tut gut, „nicht gar zu helle Vorbilder zu benutzen (nicht Kerzen- oder Lampenflammen oder noch hellere Lichtquellen, sondern etwa weiße Objekte in gewöhnlicher Tagesbeleuchtung auf dunklem Grunde), diese aber etwas länger, 20—60 Sekunden zu fixieren. In diesem Falle ist nach Verdunkelung des Auges das positive Nachbild nur von ge- ringem Betrage und schwindet bald ganz, um dem dann während län- gerer Zeit beobachtbaren negativen Platz zu machen.“ Die Theorie läßt leicht erkennen, daß ein mäßig starker umstimmen- der Reiz das negative Nachbild schon in vollster Entwicklung zeigt, ohne daß überhaupt ein positives aufzutreten brauchte. Diese Übereinstimmungen zwischen Theorie und Beobachtung ge- nügen hier, wo es sich nur darum handelt zu zeigen, daß das Auftreten von Nachbildern ein Sonderfall des Abklingens ist, der dann zur Beobachtung kommt, wenn das Sinneselement dauernd einen schwachen, hemmenden Reiz auf eine Nervenzelle ausübt. Fällt diese Hemmung dadurch fort — oder wird sie geringer —, daß die Konzen- tration der R-Stoffe in dem peripheren Element nach dem Aufhören einer stärkeren, umstimmenden Dauerreizung unter den Wert sinkt, den sie im Grundumsatz hat, so tritt nunmehr die Eigentätigkeit der Nervenzelle ungehemmt hervor. Die Hemmung, die die Sinneselemente auf die zentraler gelegenen Ganglienzellen ausüben, kann auch dadurch fortfallen, daß die peri- pheren Elemente absterben oder wenigstens funktionsunfähig werden. Die Theorie erfordert dann ein ungehemmtes Hervortreten der Eigen- tätigkeit der zentralen Elemente. Die Beobachtung Brewsters, daß im Bereich von Skotomen das Eigenlicht der Netzhaut lebhafter, heller ist als in den normalen Teilen, scheint im Sinne dieser theoretischen Forderung zu sprechen. 1) In Nagels Handbuch Bd. III, S. 208. EEE r Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 281 Ist der dauernd wirkende Reiz nicht so schwach, daß er eine maxi- male Hemmung bewirkt, so ist der erste Erfolg einer Herabsetzung des hemmenden Impulses nicht eine Steigerung, sondern eine noch weitere Herabsetzung der Eigentätigkeit der Nervenzelle, und erst eine erheb- lichere Verminderung der hemmenden Wirkung läßt eine verstärkte Eigentätigkeit hervortreten. Auch über die Dauer der Nachbilder gestattet die Theorie einige Aussagen, die gut zu den Beobachtungen passen. Zunächst ist qualitativ zu sagen, daß das helle Nachbild von dem primären Bilde durch einen dunklen Zwischenraum getrennt sein muß, denn den Zahlenwerten y = 9,9 bis y = 1,05, die im Schwinden der Erregung der Sinneszelle eine gewisse Zeit lang herrschen, entsprechen Werte von y’, die zwischen 514,85 und 490 liegen, d. h. Werte, die dem dunklen Grau des Eigenlichtes der Netzhaut bzw. dem Schwarz des negativen Nachbildes (bei völlig verdunkeltem Auge) entsprechen. Wie lange es nach dem Aufhören des äußeren Reizes dauert, bis das positive Nachbild auftritt, läßt sich zur Zeit nicht exakt berechnen, da die Theorie nur den Zustand bei konstanter Reizung darstellt, und es sich hier um eine Reizung handelt, bei der die Reizstärke mit der Zeit abnimmt. Ebensowenig läßt sich genau angeben, welche Zeit das positive Nachbild zu seiner vollen Entfaltung braucht. Jedenfalls aber läßt die Theorie qualitativ richtig erkennen, daß das positive Nachbild erst eine gewisse Zeit nach dem Ende der Belichtung auftritt und dann zunächst rasch heller wird, bis die größte Helligkeit erreicht ist. Etwas genauer läßt sich — aber auch nur näherungsweise — angeben, wie lange das positive Nachbild bestehen bleibt. Sein Ende ist ja erreicht, wenn y den Wert 1,05 erreicht. In dem Abschnitt, der von der Wieder- herstellung der Erregbarkeit handelte, sahen wir, daß das Sinnesele- ment in der Weise zu seiner vollen Erregbarkeit zurückkehrte, daß die jeweilige Erregbarkeit durch die Gleichung (5): & = 1 + 100(1— e"%°%) darstellbar war, wobei t in Minuten gemessen war. Wir können mit großer Annäherung annehmen, daß der Wert von y nach einer entsprechenden Gleichung seinem Grenzweıt 9,9 zustrebt, den er nach unendlich langer Zeit bei völliger Dunkelheit erreicht, und können setzen y = 9,9 (1—.ce%%%). Hier bedeutet c eine Integrationskonstante, die die Gleichung für t=0 erfüllt. Die folgende Zusammenstellung zeigt für die drei Intensitäten 109, 10° und 10” die Dauer der positiven Nachbilder, und zwar im zweiten Stabe die Zeit, zu der das Nachbild nur noch die Stärke des Eigenlichtes der Netzhaut hat, und im dritten die Zeit, zu der das positive Nachbild in das negative umschlägt. 382 A. Pütter: . Positives Nachbild nur Umschlag des positiven Stärke des umstimmen- noch gleich dem Eigen- Nachbildes in das nega- den; Reizes licht der Netzhaut tive J = 10 3,60 Minuten 3,86 Minuten 106 ags...N GO RT 107 en 6.50.05 Die Dauer eines solchen positiven Nachbildes würde also zwischen 31/, und 61/, Minuten liegen. Hierbei ist zu bedenken, daß in der Ge- schwindigkeit der Wiederherstellung der Erregbarkeit erhebliche in- dividuelle Unterschiede beobachtet werden, so daß die Zeiten ebensogut um 20—30%, länger oder kürzer sein können, also sich leicht bis 61/, bzw. 81/, Minuten ausdehnen könnten. Goethe!) gibt die Dauer des positiven Nachbildes, das er erhielt, nachdem er 5 Sekunden lang ein blendend helles Sonnenbild betrachtet hatte, auf 7 Minuten an, und Helmholtz berichtet, daß nach kurzem direkten Sehen in die Sonne das positive Nachbild mehrere Minuten dauerte. Diese Zeiten sind also gerade von der Größenordnung, die die Theorie erfordert. Der Fall der Beziehung zweier verschiedener erregbarer Systeme zueinander, bei dem die Konzentration der R- Stoffe deseinen der Reizfürdasandereistundje nach seiner Intensität hemmend oder fördernd wirken kann, scheint mir von grundsätzlicher Bedeutung für die Physiologie des Nervensystems. | Esmuß in diesem Zusammenhange nochmals betont werden, daß essich hier nicht um eine vollständige Theorie der Nachbilder handelt. Die bisher gemachten einfachen Annahmen vermögen sie nicht zu geben. Die posi- tiven Nachbilder, von denen hier die Rede ist, dürften dem tertiären Bilde entsprechen, das man bei kurzdauernder Reizung des Sehorgans erhält. Wenn es auch nahe liest, in ähnlicher Weise wie hier diese Nachbilder, auch andere Erscheinungen dieser Art aufzufassen, so liegen doch nicht genug quantitativausgeführte und entsprechend verarbeitete Erfahrungen vor, die eine genauere Gestaltung des allgemeinen Schemas ermöglichen. Daß sich aus einer solchen theoretischen Auffassung, wie sie hier entwickelt ist, oder einer grundsätzlich ähnlichen die Erscheinung der negativen Nachbilder erklärt, die man nach entsprechender Vorbe- lichtung bei Einwirkung eines einheitlichen Reizes erhält, hat Schjelderup?) betont. Der Reiz muß ja auf dem durch Reizung um- gestimmten Felde einen geringeren Erfolg haben als auf dem vorher unbelichteten, das seine volle Erregbarkeit besitzt. Auf diese Erscheinungen soll hier aber nicht näher eingegangen werden. Die Geschwindigkeit, mis der die Rückkehr zum Anfangszustande erfolgt, ist sehr gering im Vergleich mit der Geschwindigkeit, mit der das !) Farbenlehre $ 41. 2) Zeitschr. f. Psychol. 80, 232. 1918. | Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 283 reizbare System seinen Zustand im Anklingen einer Reizung ändert, und auch noch erheblich geringer als die Geschwindigkeit der Umstim- mung. Ein Maß für diese Geschwindigkeit ist der Zeitfaktor, die Bejzahl von ti. Sie ist beim Anklingen der Erregung in dem Beispielsfalle des menschlichen Auges = 0,1. Der Zeitfaktor der Umstimmung, d.h. die Beizahl, die die Geschwindigkeit mißt, mit der der Diffusionskoeffizient r seine Größe ändert, ist beim Auge für die verschiedenen Reizintensitäten verschieden. Wie früher!) gezeigt wurde, ist diese Beizahl, die wir als © bezeichneten, bei einer Reizstärke J = 6800; 9 — 0,0000185 bei u = 235 000; 9 = 0,00000682 . Die Beizahl endlich, die die Geschwindigkeit der Wiederherstellung der Erregbarkeit mißt, schwankt zwischen den Werten 0,00000105 und 0,0000006252), d.h. sie ist noch 10 bis 20 mal kleiner als die Geschwin- digkeitszahl der Umstimmung. 4. Die Merkbarkeit von Lichtlücken. Es muß hier noch eine Frage erörtert werden, die theoretisch von großem Interesse ist, das ist die Frage der Merkbarkeit von Lichtlücken. Wirkt ein Lichtreiz auf das Auge ein, und wird er für kurze Zeit ge- schwächt oder unterbrochen, so wird die Lichtlücke merkbar nur, falls die Unterbrechung eine gewisse Zeit gedauert hat. Beobachtungen über die Dauer solcher eben merklicher oder eben unmerklicher Licht- lücken geben Anhaltspunkte für den Verlauf des Abklingens der Er- regung in den ersten Augenblicken nach dem Aufhören des Reizes. Merkbar kann nach unserer Theorie die Lichtlücke nur dann werden, wenn sie so lang ist, daß während ihrer Dauer die Konzentration der R-Stoffe um den Betrag der Unterschiedsschwelle sinkt. Legen wir das System, das wir bisher für das Auge mit Erfolg ange- wandt haben, der Rechnung zugrunde, so erhalten wir die folgenden Zeiten, die bei den verschiedenen Reizstärken nötig sind, um den Wert von y um 0,99 Einheiten, d. h. um die Unterschiedsschwelle sinken zu lassen. Theoretische Zeit, bis y Beizstärke auf den Wert (y-0,99) gesunken ist Je = I-t 1,0 1,83 1,85 21 0,307 6,45 101 0,11 11,0 | 3000 0,011 55,0 t) Archiv £.d. ges. Physiol. 1%5, 378. 1919. ®2) Die Beizahlen sind 0,017 bis 0,0286, wenn die Minute als Zeiteinheit gewählt wird. Nimmt man die; theoretische Zeiteinheit 2,2 o als Einheit, so _ ergeben sich die obigen Werte. 284 A. Pütter: Die Zeiten, nach denen eine Lichtlücke wahrnehmbar werden müßte, sollen also nach der Theorie mit abnehmender Reizstärke wachsen. Das entspricht den Beobachtungen. Es entspricht ferner den Beobachtungen, daß die Verkürzung der Zeit einer eben wahr- nehmbaren Lichtlücke bei steigender Reizintensität nicht der Reiz- stärke proportional ist, d. h. daß das Produkt von Lichtstärke x Lichtpause nicht konstant bleibt, sondern mit steigender Reiz- stärke steigt, wie die Werte J.t deutlich erkennen lassen. Trotz dieser Übereinstimmung mit den Beobachtungen von Gildemeister!) und Rutenburg?) über die Wahrnehmbarkeit von Lichtlücken zeigt sich hier eine ganz wesentliche Unstimmigkeit der Theorie in ihrer bisherigen einfachen Form. Diese Unstimmigkeit liest darin, daß die Dauer dereben wahrnehmbaren oder eben nicht mehr wahr- nehmbaren Lichtlücken, die die Theorie ergibt, ganz’ bedeutend kürzer ist, als die Beobachtung sie zeigt. Bei einem schwachen, schwellennahen Reize (J = 1) sollte schon eine Unterbrechung von 1,83 Zeiteinheiten, d. h. von 1,83.2,2 — 4,05 o (theoretische Zeiteinheit — 2,2 o) merkbar sein. Reize von J — 21 oder 101, die auch noch recht schwach sind, würden schon durch Lichtlücken von 0,675—0,242 o merkbar unterbrochen werden. Demgegenüber lehrt die Beobachtung, daß bei mäßigen Lichtstärken die eben merk- lichen Lichtlücken etwa 3,2 bis fast 30 o lang sein müssen, wenn die Lichtintensität im Verhältnis von 4,65 zu 1,0 variiert wird (Gildemeister, ].c.). Wie erklärt sich dieses Versagen der einfachen Theorie ? Wir müssen wieder daran denken, daß wir nicht ein einzelnes’reiz- bares System vor uns haben, sondern eine Kette solcher Systeme, und daß sinnlich erfahrbar nur der Zustand des letzten Gliedes dieser Kette ist. Wir hatten bisher angenommen, daß in dem Augenblick, in dem der Lichtreiz unterbrochen wird, der Reiz, der auf das reizbare System wirkt, gleich Null wird. Das gilt aber nur für das periphere System, für die Stäbchen oder Zapfenzelle der Retina. In ihr müßte also die Konzentration der R-Stoffe in der Weise sinken, wie wir es be- rechnet haben. In der Kette reizbarer Systeme aber muß der Verlauf anders sein. Als Reiz für jedes zentraler gelegene Element wirkt ja die Konzentration der R-Stoffe in dem nächsten peripheren System, und. diese wird in dem Augenblick, in dem das Licht unterbrochen wird, keineswegs gleich dem Werte im Grundumsatz, sondern beginnt in diesem Augenblick erst zu sinken. Wir können also für das zentrale 1) Martin Gildemeister, Über die Wahrnehmbarkeit von Lichtlücken. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 48, 256-267. 1914. 2) D. Rutenburg, Über die Netzhautreizung durch kurzdauernde Licht- blitze und Lichtlücken. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 48, 268—284. 1914. Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 285 System (Ganglienzelle) überhaupt nicht den einfachen Fall verwirk- lichen, daß wir den Reiz momentan ausschalten. Das Absinken des Erregungszustandes in den zentralen Gliedern der Neuronkette ist immer ein Absinken bei einer mit der Zeit abnehmenden Reizstärke, nicht ein Absinken nach einer momentan verschwindenden Reizein- wirkung. Welche Schwierigkeiten sich der Berechnung der Konzentrations- änderungen in einem System, das durch die Konzentration der R-Stoffe eines anderen Systems erregt wird, entgegenstellen, mag ein ganz ver- einfachter Beispielsfall zeigen. 1 Wir betrachten eine Vereinigung von nur zwei Systemen, A und B. A ist das periphere, B das zentrale. In dem Augenblick, in dem die Reiz- einwirkung auf A aufhört, sei die Konzentration der R-Stoffe in ihm u 100, der Wert im Grundumsatz sei Y% = 9,9 und in zwei Zeit- einheiten falle die Konzentration in A immer um die Hälfte des Wertes, ' um die sie noch vom Zustande des Grundumsatzes entfernt ist. Der Verlauf der Werte von y wird dann ausgedrückt durch die Kurve A (Abb. 2). Die jeweilige Konzentration der R-Stoffe im System A wirkt als Reiz auf das System B, in der Weise, daß q’ (die Reaktionskonstante in dem System B) gleich ist {= (1 + y). Um den Fall nicht zu verwickeln, sei von der Umstimmung, d. h. von der Veränderung von r ganz ab- gesehen. Die Konzentration der R-Stoffe im System B nennen wir y’ und drücken sie durch eine Formel von ganz derselben Struktur aus, wie wir sie immer für y benutzt haben, also y= A Eee =; In dieser Gleichung treten dieselben Werte auf wie bisher immer, nur mit dem Index versehen. Um zu berechnen, wie hoch die Konzen- tration y’ in jedem Augenblick ist, müssen wir eine Vereinfachung ein- führen, die eine näherungsweise Berechnung ermöglicht. Wir zerlegen die stetige Kurve A in eine Treppenkurve in der Weise, wie es in Abb. 2 angedeutet ist, und rechnen nun, daß die Intensität des Reizes, der auf das System B wirkt, sich von Zeit zu Zeit unstetig ändert und dazwischen konstant ist. Für einen Reiz von dieser Form können wir nach unserer Gleichung für y’ den Wert dieser Größe in jedem Augenblick berechnen. Die Kurve B zeigt sehr deutlich, wie sich das Absinken des Erregungszustandes verhält. Die Konzentration y’ fällt zuerst sehr langsam, dann rascher und zum Schluß wieder lang- samer, wir haben eine S-förmige Kurve. Die beistehende Tabelle 7 gibt die Werte von y und y’ für die Systeme A und B für eine Anzahl von Zeitpunkte. 286 A. Pütter: Tabelle 7. * a ;; Zeit System 4A System B 15 = y’= 0 100 501 2 65 499 4 33 463 6 21,9 416 10 13 325 14 10,9 255 18 9,9... 206 20 99.. 187 22 la = 172 37 9,9.. 100,3 Wie lange es dauert, bis die Erregung um einen eben merklichen Betrag in beiden Systemen abnimmt, hängt davon ab, wie groß der Schwellenwert ist. Aus den Kurven können wir näherungsweise abnehmen, wie lange Zeit es dauert, bis die Kurven um bestimmte Beträge gefallen sind, z. B.: Zeit vom Aufhören des äußeren Rei- Größe der Schwelle d.h. yes bis zur Erreichung der Schwelle B Betrag des Absinkens im Abklingen ZB der Kurve System A System B 2 0,1 2,0 20 5 0,25 3,5 14 10 0,50 4,5 I 20 0,90 6,6 7,34 30 1,35 7,8 ae 88 12,0 37,0 3,09 t=0 2 4 6 70 74 JB 20 Abb. 2. Verlauf des Abklingens der Erregung in einem zusammengesetzten System, in dem die Konzentration der R-Stoffe im System A als Reiz auf das System B wirkt. Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. 287 Auf alle Fälle muß die Zeit, die bis zum Eintritt einer Änderung gleicher Größe an dem System B vergeht, beträchtlich länger sein als die Zeit, die die gleicheVeränderungan A erfordert. Nach dem Aufhören des Reizes scheint die Erregung im System B zunächst noch eine Weile ungeschwächt zu bestehen, so lange nämlich, bis im Abklingen die Unterschiedsschwelle erreicht ist. Die gesamte Zeit des Abklingens wird in diesem Beispiel etwa verdreifacht, sie wird in ihrer Länge viel weniger beeinflußt als die Dauer einer bestimmten geringen (eben merklichen) Abnahme der Erregung. Diese Überlegungen machen es verständlich, daß mit der einfachen Theorie, dienur von einem reizbaren System spricht, die Länge der Licht- lücken, dieeben merklich werden, sich grundsätzlichnicht berechnen lassen. Wie bei allen den Erscheinungen, die in dieser Studie behandelt werden, kommen wir wieder auf den theoretisch so außerordentlich wichtigen Fall, in dem die Beobachtungen nur durch eine ‚„‚Zonentheorie“ (v. Kries) dargestellt werden können. Eine weitere Ausführung der Theorie der Vorgänge, die nach Be- endigung von Reizungen verschiedener Dauer und verschiedener Stärke in einem System ablaufen, das sich aus zwei (oder mehr) Gliedern zu- sammensetzt, soll erst später versucht werden. Hier genügt der Nach- weis, daß die Beobachtung über die Unterschwelligkeit verhältnismäßig langer Lichtlücken kein Argument gegen meine Theorie der Reizvorgänge abgeben kann. 5. Schlußbemerkungen. Die einfache Annahme, daß die Wiederherstellung der Erregbarkeit eines einzelnen Elementes nach vorhergehender umstimmender Reizung mit um so größerer Geschwindigkeit erfolgt, je weiter dasElement noch von dem Zustande höchster Erregbarkeit entfernt ist, hat sich gut bewährt. Der Verlauf der Dunkeladaptation der Netzhautperipherie, der dieser Annahme zu widersprechen schien, hat seine Aufklärung gefunden. Es handelt sich im Auge um die Summation der Wirkungen meh- rerer Arten reizbarer Elemente, deren jedes in der angegebenen Weise seine Erregbarkeit wiedergewinnt. Der Verlauf der Dunkeladaptation bei Pferd und Hund!) ist grund- sätzlich gleich dem beim Menschen, nur verlaufen die Vorgänge, be- sonders beim Pferd, etwas träger. | Auch für Vögel und Reptilien scheint der Verlauf ganz ähnlich zu sein, soweit man es nach den Zahlen beurteilen kann, die v. Hess?) für Eule und Schildkröte gibt. Auch bei ihnen erfolgt die Zunahme der Erregbarkeit im Dunkeln in den ersten Minuten langsamer als in den folgenden, in denen ein steiler Anstieg der Kurve eintritt, worauf dann wieder langsamere Zunahme erfolst. 1) Alois, Dressler, Archiv f. d. ges. Physiol. 153, 137—195 1913. 2) C. Hess, Gesichtssinn in Wintersteins Handb. d. vergleich. Physiol. Bd. 4. 288 A. Pütter: Es wäre sehr lehrreich, genauere Adaptationskurven für eine größere Anzahl, vor allem auch wirbelloser Tiere, zu besitzen. Die Möglichkeit, sie zu gewinnen, ist durch die grundlegenden Arbeiten C. v. Hess’ gegeben, der in vortrefflicher Anpassung an die Eigenart der verschie- denen Tiere eine ganze Anzahl von Methoden entwickelt hat, die die erforderlichen Feststellungen gestatten. Bei Krebsen und Muscheln scheint nach v. Hess der Verlauf der Dunkeladaptation anders als bei den höheren Wirbeltieren in der Netzhautperipherie zu sein, indem hier die Erregbarkeit schon in den ersten Minuten rasch und dann immer langsamer zunimmt, wie wir es für die kleinen Felder der Fovea centralis (monokular) beim Menschen fanden. Dafür, daß auch an anderen reizbaren Systemen die Wiederherstel- lung der Erregbarkeit nach einem Exponentialgesetz erfolgt, sei nur ein Beispiel angeführt und durchgerechnet: die Wiederherstellung der Erregbarkeit der peripheren motorischen Nerven des Forschers nach vorhergehender Reizung. Adrian!) bestimmt die Intensität des Reizes, der eben eine Summa- tion der Zuckung gibt, die ein kurz vorhergehender Reiz ausgelöst hat. Die eben wirksame Reizstärke nimmt rasch ab mit wachsendem Zeit- abstand zwischen dem umstimmenden und dem Prüfungsreiz. Aus den Abb. 3 und 4 seiner Abhandlung lassen sich die Zahlen entnehmen, die wir brauchen. Sie sind in Tabelle 8 zusammengestellt. Die Angaben beziehen sich auf den Froschischiadicus, und zwar bei 5° und 16°. In jeder der beiden Tabellen 8a und b enthält der erste Stab die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Reiz, der zweite die Reizstärke, die eine Summation bewirkt. Als Einheit der Reizstärke dient die Stärke des Schwellenreizes beim vorher ungereizten Präparat. Als Erregbar- keit ist der reziproke Wert der Reizstärke (im dritten Stabe) aufgeführt. Bei der Berechnung der Erregbarkeit zu verschiedenen Zeitpunkten gehen wir von der Erwägung aus, daß die Erregbarkeit eine gewisse Zeit nach dem Ende der Reizung noch Null ist, denn wir kennen ja beim Nerven ein „absolutes Refraktärstadium‘. Bei 5° setzen wir die Zeit des absoluten Refraktärstadiums gleich 0,0047 Sek. und bekommen gute Über- einstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung, wenn wir die An- nahme, daß die Erregbarkeit um so rascher wiederkehrt, je weiter sie von ihrem Grenzwert — den wir = 100 setzen — entfernt ist, durch die Gleichung E = 100[1 —e-We-n] zum Ausdruck bringen. In dieser Gleichung bedeutet ö die Zeit, die seit der ersten Reizung verstrichen ist, und ?’ die Dauer des absoluten Refraktärstadiums. 1) Adrian, Wedensky inhibition in relation to the „all-or-none‘“ principle in nerve. Journ. of. Physiol. 46, 3834-412. 1913. er Mu 1 Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. . 289 Die Beizahl 0,082 mißt die Geschwindigkeit der Rückkehr der a barkeit, die sich dem Werte 100 nähert. Die zweite Beobachtungsreihe ist bei 16° gemacht, also bei einer 11° höheren Temperatur als die erste. Es ist daher zu erwarten, daß das absolute Refraktärstadium nur etwa halb so lang ist und die Geschwin- digkeit der Wiederherstellung der Erregbarkeit doppelt so groß. In der Tat bekommt man sehr gute Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung, wenn man das absolute Refraktärstadium zu 0,00235 und die Beizahl der Erholungszeit zu 0,164 setzt, wie aus Tabelle 8 b) zu ersehen ist. Wenn eine Temperaturerköhung um 11° die Zeit des absoluten Refraktärstadiums halbiert und den Geschwindigkeitsfaktor k verdoppelt, so können wir den Verlauf der Wiederherstellung der Bueg' barkeit auch für 27° und 38° berechnen. Wir haben zu setzen bei: 5° = 0,0047 k = 0,082 16 0,00235 0,164 27 0,001675 0,328 38 0,0008375 0,656 00 5n 700 15,0 200 250 Abb. 3. Wiederherstellung der Erregbarkeit des motorischen Nerven des Frosches. — @ berech- nete Punkte O) beobachtete Punkte. — Abszisse ist die Zeit in o. Ordinate die Erregbarkeit in Prozenten der Erregbarkeit des frischen Präparates. Tabelle 8. A a) u: -t=0,0047 a: EN 16°: =0,00235 SER 3 ln ze en Zeit | Erregbarkeit in Proz. Zeit Erregbarkeit in Proz. in Sekunden | J der normalen in Sekunden J der normalen a | beobachtet | berechnet St beobachtet | berechnet 0,0055 16,0 6,25 6,58 0,00273 16,0 6,25 7,0 0,0060 12,0 8,34 10,0 0,00300 7,4 125 11,0 0,0033 160 | 167 18,5 0,00485 2,9| 34,5 34,0 0,0105 2,64 38 38,0 0,00636 1,82 55,0 SU 0,0132 2,0 50 50,3 0,0088 1,51 66,2 | - 65,6 0,0173 1,44 69,5 64,6 0,0123 1,23 81,3 80,6 Pfilügers Archiv f. d. ges. Physio]. Bd. 180. 19 290 A. Pütter: Studien zur Theorie der Reizvorgänge. VII. Die Kurven für 27° und 38° sind ebenso wie die mit den Beobachtun- gen zu vergleichenden für 5° und 16° in Abb. 3 eingezeichnet. Die theoretische Analyse der Beobachtungen bei 5° und 16° gestattet Vor- aussagen über die Beobachtungen, die bei höheren Temperaturen zu erwarten sind, vorausgesetzt, daß die Vorgänge bei diesen Temperaturen noch ‚ähnlich‘ mit denen bei niederen Temperaturen sind, d. h. daß nicht bereits Vorgänge als begrenzende Faktoren wirksam werden, die bei niederen Temperaturen noch unwirksam sind. Ergebnisse. 1. Die Höhe der Erregbarkeit eines einzelnen reizbaren Systems nach dem Aufhören einer Dauerreizung ist eine Exponentialfunktion der Er- holungszeit. Ebenso ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Erreg- barkeit mit der Zeit ändert, eine Exponentialfunktion der Erholungszeit. 2. Der Verlauf der Dunkeladaptation der Netzhautperipherie, der diesem Gesetz zu widersprechen scheint, erklärt sich daraus, daß mehrere Elemente zusammenarbeiten, von denen jedes seine Erregbar- keit nach dem angegebenen Gesetz wieder gewinnt. 3. Die Erscheinungen der positiven Nachbilder sowie der negativen Nachbilder, die bei völlig verdunkeltem Auge auftreten, tinden ihre Er- klärung auf Grund der Theorie, wenn man ein System annimmt, das aus. der Sinneszelle und einer Ganglienzelle besteht, und wenn man die Konzentration der Erresungsstoffe in der Sinneszelle als den (che- mischen) Reiz betrachtet, der auf die Ganglienzelle einwirkt. 4. Die Beobachtungen über die relativ lange Dauer unterschwelliger Lichtlücken findet ihre grundsätzliche Erklärung gleichfalls darin, daß für die Gesamtleistung des Auges das Zusammenarbeiten mehrerer reizbarer Systeme maßgebend ist. EEE EEE ER 3 0 Fe nr REED SLDERELOH us EEDWERENS Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. Se Abb. 1. Abb. 2. -——— m == R = Abb. 5. Tafel 1. Abb. 6. Löhner, Totstellreflex. Verlag von Julius Springer in Berlin. ao; A Er) ER Beiträge zum Problem der Körperstellung. IV. Mitteilung. Optische Stellreflexe bei Hund und Katze. Von A. de Kleijn und R. Magnus. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit Tafel II u. IH. (Eingegangen am 15. Dezember 1919.) In der ersten Mitteilung dieser Reihe!) wurden die Stellreflexe beim Kaninchen nach Exstirpation des Großhirns genau analysiert. Das Vermögen dieser Tiere, aus jeder beliebigen Lage des Körpers die Normal- stellung anzunehmen, ließ sich auf das Zusammenwirken von vier ver- schiedenen Gruppen von Reflexen zurückführen, welche alle ihre Zentren gemeinsam im Mittelhirn haben. Diese Reflexe sind: 1. Laby- rinthstellreflexe auf den Kopf, durch welche der Kopf aus jeder beliebigen Lage nach der Normalstellung hin bewegt wird. Sie sind am besten zu untersuchen, wenn das Tier frei in der Luft gehalten wird. 2. Stellreflexe auf den Kopf durch asymmetrische Reizung der sensiblen Körpernerven. Diese lassen sich am besten isoliert untersuchen bei labyrinthlosen Tieren. Liegt der Körper in asymme- trischer Lage auf dem Boden, so wird durch asymmetrische Erregung der sensiblen Körpernerven reflektorisch eine Drehung des Kopfes zur Normalstellung zustande gebracht. 3. Halsstellreflexe. Sobald der Kopf durch die.beiden vorher genannten Reflexe in die Normalstellung gebracht ist, der Körper aber noch nicht, so wird durch die abnorme Haltung (Drehung, Streckung, Beugung) des Halses ein Reflex aus- gelöst, durch den der Körper in die richtige und symmetrische Stellung zum Kopfe gebracht wird. 4. Stellreflexe auf den Körper durch asymmetrische Reizung der sensiblen Körpernerven. Auch wenn der Kopf sich nicht in der Normalstellung befindet, kann der Körper, wenn er in asymmetrischer Haltung auf dem Boden liegt, 1) R. Magnus, Beiträge zum Problem der Körperstellung. I. Mitt. Stell- reflexe beim Zwischenhirn- und Mittelhirnkaninchen. Archiv f. d. ges. Physiol. 163, 405. 1916. 192 292 A. de Kleijn und R. Magnus: durch einen Reflex, der durch die asymmetrische Berührung mit dem Boden ausgelöst wird, richtig gestellt werden. Optische Stellreflexe spielen beim Kaninchen nach Exstirpation des Großhirns keine Rolle. In der zweiten Mitteilung!) konnte dann weiter gezeist werden, daß das Kaninchen auch beiintaktem Großhirn über keine anderen Stellreflexe verfügt als die bisher geschilderten. Optische Stell- reflexe sind auch bei intakten Kaninchen nicht vorhanden. In der dritten Mitteilung?) wurde dann über Beobachtungen be- richtet, welche Barenne und der eine von uns an zwei Katzen und einem Hunde nach Exstirpation des Großhirnes angestellt haben. Die Analyse der Stellreflexe ergab, daß Katzen und Hunde nach Verlust des Großhirns ebenfalls nur die vier genannten Gruppen von Stellreflexen besitzen. Optische Stellreflexe spielen bei ihnen keine Rolle. Während nun aber beim Kaninchen kein Unterschied in der Stell- funktion zwischen Tieren mit und ohne Großhirn vorhanden ist, ist dieses bei Hund und Katze anders. In dieser Mitteilung soll gezeigt werden, daß Hund und Katze mit erhaltenem Großhirn op- tische Stellreflexe besitzen, und daß bei ihnen die Augen mit- wirken, um den Tieren die Einnahme der Normalstellung zu ermöglichen. Will man diese Verhältnisse untersuchen, so muß man die Tiere frei in der Luft halten, denn nur dann wird eine Berührung mit der Unterlage vermieden, und die Stellreflexe durch asymmetrische Reizung der sen- siblen Körpernerven auf den Kopf und auf den Körper können nicht zustande kommen. Das Tier ist unter diesen Umständen zunächst nur auf seine Labyrinthstellreflexe angewiesen, und wenn man die Laby- rinthe exstirpiert, ist beim großhirnlosen Hund und der großhirnlosen Katze und beim Kaninchen mit und ohne Großhirn die Auslösung sämt- licher Stellreflexe unmöglich geworden. Bei der Untersuchung laby- rinthloser, aber im Besitze des Großhirns sich befindender Hunde und Katzen, die frei in der Luft gehalten wurden, ergab sich nun, daß diese Tiere noch Stellreflexe besitzen, durch welche sie imstande sind, ihren Kopf im Raume in die richtige Stellung zu bringen. Diese Stelireflexe werden von den Augen ausgelöst. | Zur Veranschaulichung dieser Tatsache sollen zunächst die Beob- achtungen an einem kleinen Hunde ausführlich mitgeteilt werden. !) R. Magnus, Beiträge zum Problem der Körperstellung. II. Mitt. Stell- reflexe beim Kaninchen nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Archiv f. d. ges. Physiol. 194, 134. 1919. 2) J. G. Dusser de Barenne und R. Magnus, Beiträge zum Problem der Körperstellung. III. Mitt. Stellreflexe bei der großhirnlosen Katze und dem groß- hirnlosen Hunde. Archiv. f. d. ges. Physiol. 180, 75. Beiträge zum Problem der Körperstellung. IV. 293 Das Tier wurde in intaktem Zustande, vor Exstirpation der Labyrinthe, an verschiedenen Tagen frei in der Luft gehalten und auf das Vorhandensein von Labyrinthstellreflexen untersucht. Dabei wurden zunächst die Augen mit einer Kopfkappe verschlossen. Wird das Tier in Normalstellung am Becken i in der Luft gehalten, so steht auch der Kopf in Normalstellung. Bei rechter und linker Seitenlage des Beckens wird der Kopf nahezu (etwa bis auf 30°) nach der Normalstellung hin gedreht. Bei Rückenlage des Beckens wird der Kopf in die Normalstellung gebracht da- durch, daß der Vorderkörper des Tieres, besonders der Hals und der obere Thorax stark ventralwärts gebeugt wird; in anderen Fällen wird der Kopf dadurch nor- mal gesetzt, daß der Vorderkörper des Tieres eine Spiraldrehung von 180° beschreibt. Bei Hängelage mit Kopf oben steht der Kopf in Normalstand. Bei Hängelage Kopf unten hängt der Kopf mit der Schnauze senkrecht nach unten, der Hals ist aber deutlich dorsalwärts gebeugt. Bei der Untersuchung ohne Kopfkappe nimmt das Tier mit seinem Kopf ungefähr dieselben Stellungen ein, nur wenn das Becken in Seitenlage gehalten wird, wird der Kopf vollständig in Normalstellung gedreht. Die Stellreflexe dieses Tieres in der Luft werden sowohl mit als ohne Kopfkappe kinematographisch aufgenommen. Am 22. IX. 1919 wird die doppelseitige a eleestupaen von de Kleijn ausgeführt. Am 23. 9 Uhr vormittags hält das Tier seinen Kopf gerade und zeigt keinen, Nystagmus. Untersuchung auf Stellreflexe in der Luft ohne Kopfkappe (also mit offe- nen Augen) ergibt, daß das Tier in der Luft keine Stellreflexe besitzt. Bei Hängelage Kopf oben steht der Kopf in rechter Seitenlage, bei Hängelage mit Kopf unten steht der Kopf in Rückenlage, bei Seitenlage des Beckens wird der Kopf ebenfalls in Seitenlage gehalten (Abb. 1, Tafel II), bei Rückenlage steht der Kopf ebenfalls in Rückenlage (Abb. 2). . Die Untersuchung ergibt also, daß am Tage nach der Labyrinthexstir- pation das Tier in der Luft keine Stellreflexe besitzt und daß auch die Augen hierbei nicht mitwirken. . Bereits nach 2 Tagen, am 25. IX., ist dieses jedoch anders. Es ist deutlich, daß das Tier in der Luft jetzt imstande ist, seinen Kopf, wenn auch noch nicht völlig richtig zu setzen, so doch gegen den Normalstand hinzudrehen. Bei der Untersuchung ist es nun deutlich, daß das Tier dieses durch Fixieren mit seinen Augen bewirkt. Vor allem wird der Kopf jedesmal gegen die Normalstellung hin bewegt, wenn das Tier irgendeinen Gegenstand erblickt. Bei Hängelage mit Kopf unten steht allerdings der Kopf noch in Rückenlage, bei Hängelage mit Kopf oben werden dagegen schon Versuche gemacht, den Kopf ventral zu beugen und richtig zu stellen. In Rückenlage werden Versuche gemacht, durch Ventralbeugung ‘ den Kopf in die Normalstellung zu bringen und bei Seitenlage wird der Kopf gegen den Normalstand hingedreht, kann aber noch nicht richtig gestellt werden. Am 29. IX. hält das Tier beim Sitzen seinen Kopf vollkommen gerade und zeigt keinen Nystagmus. Es läuft, wie das nach doppelseitiger Labyrinthexstir- pation die Regel ist, in großen Zirkeltouren rechts oder links herum durch den Käfig. Die Untersuchung auf Stellreflexe in der Luft ohne Kopfkappe, also mit offenen Augen, ergibt nun das Folgende: Bei rechter Seitenlage wird der Kopf durch Linkswenden oder Linksdrehen im Raume richtig gesetzt, bei linker Seiten- lage wird der Kopf durch Rechtsdrehen richtig gesetzt. Das Ergebnis ist aber noch etwas wechselnd. Bei Hängelage mit Kopf unten befindet sich der Kopf zuerst in Rückenlage und wird darauf durch Linkswenden in Seitenlage und manchmal ' auch völlig in Normalstellung gebracht. Bei Hängelage mit Kopf oben sieht das 294 A. de Kleijn und R. Magnus: Tier nach links oder rechts, wobei der Kopf häufig in Mittelstellung gerade steht und bei Rechts- oder Linkswendung fast richtig im Raume gestellt wird. Auch bei dieser Untersuchung wird es deutlich, daß das Tier dadurch seinen Kopf in die richtige Stellung bringt, daß es jeden Gegenstand, den es in seinem Gesichtsfeld bekommt, fixiert, wie z. B. die Hand des Experimentators, einen Blei- stift, Nahrung usw. Das Vermögen des Tieres, nach Labyrinthexstirpation seinen Kopfim Raume richtig zu setzen, wenn es frei in der Luft gehalten wird, verschwindet nun sofort und endgültig, wenn die Augen mit einer Kopfkappe geschlossen werden. Nunmehr steht bei rechter Seiten- lage der Kopf in rechter Seitenlage, bei linker Seitenlage der Kopf in linker Seiten- lage oder Rückenlage, bei Rückenlage der Kopf in Rückenlage, bei Hängelage mit Kopf unten der Kopf in Rückenlage, bei Hängelage mit Kopf oben der Kopf in rechter oder linker Seitenlage. 8. X. Das Tier hat nunmehr gelernt, mit Hilfe seiner Augen, wenn es in der Luft frei gehalten wird, seinen Kopf bei sämtlichen Lagen des Körpers im Raume in die Normalstellung zu bringen. Es werden zwei Reihen von Stereoaufnahmen gemacht, die eine mit, die andere ohne Kopfkappe. Mit Kopfkappe ist das Tier im Raume vollkommen des- orientiert, das Ergebnis der Untersuchung ist das gleiche wie am 29. IX.: in rechter Seitenlage steht der Kopf in rechter Seitenlage (Abb. 3), bei linker Seitenlage steht der Kopf in linker Seitenlage, bei Rückenlage steht der Kopf in Rückenlage (Abb. 4), bei Hängelage mit Kopf oben steht der Kopf in Rückenlage (er ist stark hintenüber gefallen), bei'Hängelage mit Kopf unten steht der Kopf ebenfalls in Rückenlage. Wird nunmehr die Kopfkappe abgenommen, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. In Seitenlage wird der Kopf vollkommen in die Normalstellung gebracht (Abb. 5, Tafel III). Bei Hängelage mit Kopf unten erfolgt starke Dorsalbeugung des Kopfes, die Schnauze wird gehoben und der Kopf kommt in Normalstellung. Besonders ist dieses der Fall, wenn das Tier irgendeinen Gegenstand fixiert. Bei Hängelage mit Kopf oben steht der Kopf nunmehr genau in Normalstellung, bei Rückenlage ist der Vorderkörper des Tieres ventralwärts gebeugt, der Kopf steht in Normalstand, und das Tier fixiert die Umgebung mit großer Lebhaftigkeit (Abb. 6). Dieser Versuch hat also ergeben, daß der Hund direkt nach der Labyrinthexstirpation in der Luft zunächst vollkommen desorientiert ist, daß er aber im Laufe weniger Tage lernt, von seinen Augen Gebrauch zu machen und mit ihrer Hilfe den Kopf in die Normalstellung zu bringen. Dieser Prozeß beginnt bereits nach 2—3 Tagen. Er ist nach einer Woche noch nicht ganz vollendet, nach etwas über 14 Tagen vermag das Tier jedoch in der Luft seinen Kopf vollständig in Normalstellung zu bringen: - Genau dasselbe wurde an mehreren anderen Hunden wahrge- nommen. Erwähnung verdient, daß auch bei einem Hunde, bei welehem Dr. Dusser de Barenne am 4. XII. 1918 den größten Teil des Kleinhirns exstirpiert hatte, so daß bei der späteren Sektion nur der Vorderteil des Wurmes und seitlich von der Medulla oblongata kleinere Reste gefunden wurden, sich ebenfalls die Entwick- lung der optischen Stellreflexe nachweisen ließ. Diesem Tiere wurde am 3. III. 1919 das rechte und am 4. IV. 1919 das linke Labyrinth von de Kleijn exstirpiert. Das Tier zeigte bei der Untersuchung am 23. IV. und am 2. und 26.V., daß es mit verbun- denen Augen in der Luft gehalten keine Spur von Stellreflexen hatte, dagegen Su Beiträge zum Problem der Körperstellung. IV. 295 war mit offenen Augen das Verhalten dieses Tieres das gleiche wie bei dem vorher geschilderten Hunde. In beiden Seitenlagen, in Hängelage mit Kopf oben und in Rückenlage, wurde der Kopf vollkommen recht gesetzt, in Hängelage mit Kopf unten wurde die Halswirbelsäule stark dorsalwärts flectiert, so daß der Kopf gegen die Normalstellung hinbewegt wurde. Die Entwicklung der optischen Stellreflexe beim Hunde findet also auch nach Ausschaltung des größten Teiles des Kleinhirnes statt. Auch bei der Katze lassen sich dieselben Beobachtungen über optische Stellreflexe machen wie beim Hund. Man muß sich zu diesen Versuchen kleine zahme Tiere aussuchen, weil die meisten Katzen, wenn sie in den verschiedenen Lagen frei ia der Luft ge- halten werden, zu ungebärdig sind und aus diesem Grunde die Be- obachtungen stören. Folgendes Versuchsbeispiel möge zur Veranschaulichung dienen. Kleine Katze zeigt bei Untersuchung mit der Kopfkappe frei in der Luft ‚gehalten deutliche Labyrinthstellreflexe auf den Kopf. Bei Hängelage Kopf unten wird der Hals stark dorsalwärts gebeugt und die Mundspalte steht vertikal nach unten. Bei Hängelage Kopf oben steht der Kopf vollständig in Normalstellung. Bei Rückenlage wird der Kopf durch Ventralbeugung des Vorderkörpers in die Normalstellung gebracht. Bei Seitenlage wird der Kopf durch Drehen in die Normalstellung gebracht, und zwar sowohl aus rechter wie aus linker Seitenlage. Am 23. X. werden von allen diesen Stellungen stereoskopische Aufnahmen mit Kopfkappe in der Luft gemacht. An demselben Tage doppelseitigeLabyrinth- exstirpation durch de Kleijn. Schon nach 2 Tagen läßt sich nachweisen, daß optische Stellreflexe sich ausge- bildet haben. Bei der Untersuchung mit Kopfkappe steht der Kopf bei Rücken- lage und bei Hängelage Kopf unten und oben in Rückenlage, bei Seitenlage steht der Kopf in Seitenlage. Wird dagegen ohne Kopfkappe, also mit offenen Augen in der Luft untersucht, so wird bei Seitenlage des Beckens der Kopf gegen den Normalstand, hingedreht, den er aber nicht vollständig erreicht. Bei Rückenlage findet starke Ventralbeugung des Vorderkörpers statt oder es wird der Kopf und der Vorderkörper spiralig gedreht, so daß der Kopf ungefähr in Normal- stand kommt. Bei Hängelage mit Kopf unten wird der Kopf durch Dorsal- beugung gegen den Normalstand hinbewegt, bei Hängelage Kopf oben steht der Kopf ungefähr normal. Am 3. XT. ergibt die Untersuchung auf Stellreflexe in der Luft mit Kopf- kappe dasselbe wie am 25. X. Ohne Kopfkappe mit offenen Augen wird bei Seitenlage des Körpers der Kopf in Normalstellung gebracht, wenn das Tier einen Gegenstand mit den Augen fixiert. Auch bei Rückenlage und bei Hängelage Kopf oben und unten kommt der Kopf vollständig in Normalstellung!). Am 5. XI. dasselbe Ergebnis: keine Stellreflexe in der Luft mit Kopfkappe, deutliche Stell- reflexe in der Luft ohne Kopfkappe bei offenen Augen, wobei deutlich ist, daß hauptsächlich durch Fixieren von Gegenständen mit den Augen die optische Stell- reflexe ausgelöst werden. Wird das Tier zuerst mit Kopfkappe in Seitenlage in der Luft gehalten, dann steht der Kopf in Seitenlage. Wird jetzt die Kopf- kappe fortgenommen, so wird der Kopf durch Drehen oder Wenden sofort in die Normalstellung gebracht. Abb. 7 zeigt die Katze bei Hängelage Kopf unten 1) Bei Hängelage Kopf unten glückt dieses nicht bei allen normalen und labyrinthlosen Tieren. Der Hals wird dann dorsal gebeugt, aber die Mundspalte kommt nicht völlig in Normalstellung. 396 - 2. A. de Kleijn und R. Magnus: mit Kopfkappe; man sieht, daß der Kopf in halber Rückenlage steht. Auf Abb. & dasselbe Tier in der gleichen Lage ohne Kopfkappe, der Kopf ist jetzt stark dorsal- wärts gebeugt, und man kann auf der Abbildung erkennen, wie das Tier die vor- gehaltene Hand des Experimentators fixiert. Diese Beobachtungen wurden an einer Reihe von Katzen und Hun- den wiederholt und hatten stets das gleiche Ergebnis. Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Beobachtungen folgendes: : Gehirnlose Katzen und Hunde haben dieselben vier Gruppen von Stellreflexen, wie sie früher für Kaninchen geschildert worden sind. In der Luft sind dieselben ausschließlich auf die Labyrinthstellreflexe auf den Kopf und die sich daran anschließenden Halsstellreflexe an- gewiesen. Exstirpiert man derartigen Tieren beide Labyrinthe, so sind sie in der Luft vollständig desorientiert. Katzen und Hunde, welche sich im Besitz ihres Großhirns befinden, verhalten sich dagegen anders. Sie haben die Möglichkeit, die Augen. zur Orientierung im Raume mit zu benutzen. Man kann dieses dadurch nachweisen, daß man sie nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation frei in der Luft untersucht. Unmittelbar nach der Labyrinthezstir- pation sind Hunde so gut wie vollständig, Katzen sehr hochgradig des- orientiert. Nach einigen Tagen jedoch lernen die Tiere, ihre Augen mit zu benutzen, und nach mehr oder weniger langer Zeit bildet sich ein Zu- stand aus, in welchem sie auch ohne Labyrinthe bei den verschiedenen Lagen im Raume ihren Kopf vollständig in die Normalstellung bringen können. Die direkte Beobachtung lehrt, daß die Tiere hierbei ihre Augen benutzen, und daß die optischen Stellreflexe sich an das Fixieren von Gegenständen der Außenwelt mit den Augen anschließer. Uotersucht man solche labyrinthlose Katzen und Hunde mit und ohne Kopfkappe, so kann man die optischen Stellreflexe mit Sicherheit ausschalten und wieder auftreten lassen. Aus der Tatsache, daß die geschilderten se Stellreflexe Sen nur bei Tieren. mit erhaltenem Großhirn entwickeln, geht hervor, daß die optischen Stellreflexe an das Vorhandensein der Rinde gebundensind. Es ist dieses auch notwendig, da großhirnlose Katzen und Hunde außer dem Pupillenreflex und der Lidkneifung auf Belich- tung keine optischen Reaktionen zeigen. Interessant ist der Gegensatz von Hund und Katze gegenüber dem Kaninchen. Das intakte, im Besitze seines Großhirns befindliche Kaninchen hat keine optischen Stellreflexe und unterscheidet sich in seinem Verhalten, was die Stellreaktionen betrifft, in keiner Weise vom Thalamuskaninchen. Beim Kaninchen ist also der Steh- und Stellappa- rat ausschließlich auf den Hirnstamm beschränkt, bei Hund und Katze dagegen’ spielen Verbindungen mit der Großhirnrinde und, wie diese Ver- suche ergeben haben, wahrscheinlich mit der optischen Rinde eine Rolle. Fr Beiträge zum Problem der Körperstellung. IV. 297 Ob tatsächlich das Vorhandensein der Sehrinde allein zum Zustande- kommen der optischen Stellreflexe genüst, muß natürlich noch durch besondere Versuche festgestellt werden. Aus der Tatsache, daß direkt nach der Labyrinthexstirpation Katzen und Hunde in der Luft zu- nächst mehr oder weniger desorientiert sind, ergibt sich, daß diese Tiere während ihres Normallebens, solange sie intakte Labyrinthe be- - sitzen, im wesentlichen diese Sinnesorgane zur Orientierung im Raume (in der Luft) benutzen, und daß sie erst die Augen zur Orientierung heranziehen, wenn die Labyrinthe versagen. Man kann deutlich das Erlernen dieses Vorganges im Laufe der ersten Tage nach der Operation verfolgen. Studien über physiologische Ähnlichkeit. VI. Wachstumsähnlichkeiten. Von August Pütter (Bonn). Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Januar 1920.) Die folgenden Erörterungen über die Vergleichbarkeit von Wachs- tumsvorgängen enthalten eine Weiterbildung meiner Theorie der phy- siologischen Ähnlichkeit!). Ähnlichkeit ist stets ‚teilweise Gleichheit“, Gleichheit in bezug auf irgendeine Eigenschaft oder Beziehung. Diese Gleichheiten zu finden ist eine der großen Aufgaben der vergleichen- den Physiologie. Jede Erkenntnis einer Gleichheit an Stellen, an denen man bisher nur Unterschiede sah, bringt uns auf dem Wege zu einer allgemeinen Physiologie einen Schritt vorwärts. Die Vorbedingung für eine dem Gegenstande angemessene Art der Vergleichung ist ein theoretisches Verständnis für die Eigenart des Vorganges, der bei verschiedenen Organismen verglichen werden soll. Je tiefer eine solche theoretische Analyse dringt, desto schärfer ge- staltet sich die Vergleichung, desto mehr werden die Begriffe, mit denen wir arbeiten, dem Gegenstande angemessen, d. h. desto geeig- neter werden sie zu seiner eindeutigen Beschreibung. Wir müssen also zunächst versuchen, einige allgemeine Grund- vorstellungen über das Wachstum so scharf zu formulieren, daß wir mit ihnen zu einem vergleichenden Verständnis der Wachstumsvorgänge gelangen können. Bei diesen theoretischen Ableitungen soll der Grund- satz maßgebend sein, daß über die Vorgänge in den lebenden Systemen nur solche Annahmen gemacht werden, die aus der Physik und Chemie bekannt sind und in mathematischer Form zahlenmäßig festgelegt werden können?). Diesen Grundsatz zu verlassen, habe ich bisher noch in keinem Falle nötig gefunden. I. Zur allgemeinen Theorie des Wachstums. Das Wachstum erreicht sein Ende nicht dadurch, daß keine neuen arteigenen Stoffe mehr erzeugt und zu der für die Tierart wesentlichen 1) Pütter, Studien über physiologische Ähnlichkeit. I—IV. Archiv f. d. ges. Physiol. 168, 209—246. 1917. V. Archiv f. d. ges. Physiol. 192, 36”—412. 1918. 2) Siehe Pütter, Studien zur Theorie der Reizvorgänge. I—IV. Archiv f.d. ges. Physiol. 1%1, 201ff. 1918. % A. Pütter: Studien über physiologische Ähnlichkeit. 299 Struktur zusammengefügt werden, sondern dadurch, daß der Stoff- aufbau und der Stoffzerfall sich das Gleichgewicht halten. Diese dyna- mische Auffassung der Begrenzung des Wachstums ist die Grundlage der folgenden theoretischen Ausführungen. In jedem lebenden System findet dauernd eine langsame Um- wandlung der Baustoffe statt, die schließlich dazu führt, daß Teile des Systems leistungsunfähig werden. Langsam erfolgen diese Um- wandlungen im Verhältnis zu den Umwandlungen im Betriebsstoff- wechsel. Ob die Umwandlung der Baustoffe in grob sichtbarer Form vor sich geht, indem aus einer voll leistungsfähigen Zelle ein Trümmer- haufen organischer Verbindungen wird, der der Auflösung verfällt, oder ob sie in einer Weise, die mit dem Mikroskop nicht verfolgt De kann, zur Zerstörung kleinster Teile des lebenden Systems führt, für die allgemeine theoretische Betrachtung, die hier versucht EN von untergeordneter Bedeutung. Wesentlich für die Theorie des Wachsting ist nur der Ansatz darüber, in welchem Verhältnis die beiden Vorgänge der Abnutzung oder des Zerfalls einerseits und des Aufbaus andererseits zu der Masse des Tieres und damit dann auch zueinander stehen. Über den Zerfall der Baustoffe kann man als einfachste Annahme hinstellen, daß er konstant sei, d. h. daß in der Zeiteinheit stets der gleiche Anteil des Bestandes jenen Umwandlungen unterliegt, die zur Abnutzung führen. Symbolisch müßten wir demnach die Größe des Zerfalls darstellen durch den Ausdruck &k’. 43. Hier bedeutet A die Lineardimension, d. h. die dritte Wurzel aus dem Gewicht und K’ eine Beizahl, die angibt, welcher Bruchteil des Bestandes in der Zeit- einheit zerfällt. Für die Größe des Anbaus neuer lebensnotwendiger Stoffe und Struk- turen ist der entsprechende Ansatz nicht erlaubt. Die Bildung neuer organischer Substanz aus den Nahrungsstoffen erfordert Arbeit. Diese Arbeit wird gewonnen durch Vorgänge des Betriebsstoffwechsels und so ist von vornherein einleuchtend, daß die Menge der neu aufgebauten organismischen Substanz zur Größe des Betriebsstoffwechsels in Be- ziehung gesetzt werden muß. Die Intensität des Betriebsstoffwechsels ist nun aber, wie wir aus zahlreichen Erfahrungen wissen, bei sehr vielen Tieren proportional dem Quadrat der Lineardimension, d. h. einer Größe von der Dimen- sion der Fläche. Wir wollen hier weder auf die Frage eingehen, welche Fläche es ist, deren Größe der Betriebsstoffwechsel proportional ist, noch auf die andere, ob die Beziehung zum Quadrat der Lineardimen- sion streng ist, sondern unszunächst mit dem naheliegenden Ansatz begnü- gen, daß die Menge arteigener Substanz von bestimmter Struktur, die in ‚der Zeiteinheit aufgebaut wird, proportional k - 42 gesetzt werden könne. 300 A. Pütter: Der wirkliche Zuwachs eines lebenden Systems ergibt sich dann aus der Differenz zwischen Anbau und Zerfall und ist demnach gleich k . 12 — k’ 28. r Der Zuwachs erreicht sein Ende, wenn diese Differenz gleich Null, d. h. wenn Aufbau und Zerfall einander gleich sind. In diesem Falle erreicht dann / den höchsten Wert, den es erreichen kann. Diesen Wert wollen wir mit L bezeichnen und können dementsprechend als Bedingung für die Grenze des Wachstums die Gleichung schreiben: k L?— k IL? oder k L=-7- (1) Die Beizahl %k’, die die Geschwindigkeit des Zerfalls mißt, ist nach unserer Voraussetzung eine Konstante, die nicht weiter zerlegbar ist, die Beizahl k dagegen, die angibt, in welchem Umfange Baustoffe aus dem Stoffwechselmaterial entstehen, muß von den Eigenschaften des Organismus in einer Weise abhängig sein, über die bestimmte Annahmen naheliegen. Die Nahrungsstoffe, die einem lebenden System zufließen, werden im Baustoffwechsel wie im Betriebsstoffwechsel umgesetzt, es muß also im Verlauf der Umwandlungen, die sie erleiden, einen Punkt geben, wo sich die Stoffe auf diese beiden Arten von Vorgängen verteilen und von der zahlenmäßigen Art dieser Verteilung wird die Größe der Beizahl k abhängen. Wir können uns die Vorgänge, die hierbei statt- finden, an einem Modell veranschaulichen, das ich schon bei anderer Gelegenheit mit Erfolg benutzt habe. In ein Gefäß von der Höhe a strömt. Wasser ein, und zwar so, daß der Zufluß nur auf der Strecke (a—.x) erfolgt, wenn x die Höhe des jeweiligen Wasserstandes ist, Am Boden des Gefäßes befindet sich eine Ausflußöffnung, und die Größe des Ausflusses wird gemessen durch die Zahl qg. Die Höhe des Wasserstandes in diesem Gefäß ist im sta- tıonären Zustande ap "pre Wir wollen nun mit x die Konzentration der Stoffe bezeichnen. die sowohl im Bau- wie im Betriebsstoffwechsel verwendet werden. Die Zahl q sei ein Maß für den Betriebsstoffwechsel, während der Auf- bau neuer organismischer Substanz proportional x sei. Wir können dann die Beizahl % gleich x setzen und erhalten Se De Die Größe «a bezeichnet die höchste Konzentration, die das Stoff- wechselmaterial erreichen kann. Wir wollen q = 1 setzen, das bedeutet, Studien über physiologische Ähnlichkeit. 301 ‘wir wählen als Einheit für die Menge der Stoffe, die dem Raume zu- strömen, in dem die Umsetzungen vor sich gehen, die Menge jener Stoffe, die im Betriebsstoffwechsel umgesetzt werden, oder anders gesagt, wir drücken p in Teilen oder Vielfachen von q aus. Es ist dann also p k=aqa z 1 8 und.nach (1) 5 u Bar u Dem Grenzzustande, der durch diese Gleichung bezeichnet ist, strebt das wachsende System mit um so größerer Geschwindigkeit zu, je weiter er noch von ihm entfernt ist, denn je weiter entfernt von der Grenzbedingung das System ist, um so größer ist die Differenz k 42 — X 33, die den Zuwachs bedeutet. But Die jeweilige Länge 4 (2 — Ye; wenn @ das Gewicht bedeutet) muß dann ausgedrückt sein durch eine Gleichung von der Form c+»+t DH ( —x ee) (3) wobei L durch Gleichung (2) bestimmt ist. In Gleichung (3) bedeute & eine Integrationskonstante, die man erhält, wenn man t = Osetzt. D.h. & enthält die Anfangsbedingung, die aus der Beobachtung zu entnehmen ist, Die Zahl c ist die „Wachstumszahl‘ des betreffenden Tieres, sie mißt die Geschwindigkeit mit der der Zuwachs erfolgt. Die theoretische Ableitung führt also zu dem Resultat, daß eine verhältnismäßig einfache Beziehung zwischen der Wachstumszeit und der Lineardimension der Tiere zu erwarten ist. Dabei bedeuten L bzw. A srundsätzlich nicht bestimmte empirisch abmeßbare Strecken des Körpers, sondern sie sind nur definiert dadurch, daß es Größen von der Dimension VG sind, wenn @ das Gewicht bedeutet. Es wird sich zeigen, daß unter bestimmten Bedingungen für diese theoretische Lineardimension eine empirisch feststellbare Länge gesetzt werden kann, aber das ist ein besonders einfacher Sonderfall. Bevor wir prüfen, ob diese Gleichung in der Tat geeignet ist, De stimmte Vorgänge des tierischen Wachstums zu beschreiben, wollen wir uns zunächst klarmachen, welche Einflüsse auf die einzelnen Fak- toren einwirken, die für den Grenzzustand und die Geschwindigkeit des Wachstums maßgebend sind. l. Die Temperatur. Auf den Ablauf aller physikalischen und chemischen Vorgänge und ebenso auf alle Lebensvorgänge wirkt die Temperatur bedeutsam ein. Die Größe einer Reaktionskonstante steigt erfahrungsgemäß mit 302 A. Pütter: steigender Temperatur, und zwar wird der Zahlenwert der Konstante verdoppelt bis verdreifacht, wenn die Temperatur um 10° steigt (R. G. T-Regel, van’t Hoffsches Gesetz). Wir sagen, es sei Q, — 2 bis 3 und die Reaktionsgeschwindigkeit sei eine Exponentialfunktion der Temperatur. Der Einfluß, den die Temperatur auf einen Difusioeko er hat, ist anderer Art. Seine Größe steigt erfahrungsgemäß proportional der Temperatur, d.h. der absolute Zuwachs für je 10° ist konstant. Die Größe der Änderung im Verhältnis zur Größe des Wertes des Koeffi- zienten ist bei einer solchen linearen Abhängigkeit um so größer, je kleiner der absolute Wert des Koeffizienten ist. Es hat also für Größen, die derart linear mit der Temperatur ändern, keine Berechtigung, die Änderung in Vielfachen oder Bruchteilen des Anfangszustandes an- zugeben, wie es vielfach geschieht. Wenn wir uns klarmachen wollen, welchen Einfluß die Temperatur auf den Ablauf der Wachstumsvorgänge hat, müssen wir bis auf die einzelnen Konstanten zurückgehen und sehen, ob es sich bei ihnen um physikalische oder ‘chemische Größen handelt, ob wir also eine exponentielle oder lineare Abhängigkeit annehmen müssen. k Die Grenzgröße ZL, die im Wachstum erreicht wird, ist Z = m (nach Gleichung 1). Die Beizahl %’ ist als Reaktionskonstante aufzufassen, hängt also exponentiell von der Temperatur ab. Die Beizahl k haben wir aufgelöst in den Ausdruck au rta Pr In ihm bedeutet q auf alle Fälle eine Reaktionskonstante, ist also auch eine Exponentialfunktion der Temperatur. Die Zahl p müssen wir als Diffusionskoeffizienten deuten und a, das die Gleichgewichts- konzentration einer chemischen Reaktion bedeutet, dürfte nach den Erfahrungen der physikalischen Chemie von der Temperatur nur wenig abhängig sein, so daß wir diese Zahl zunächst als konstant bei wechselnder Temperatur betrachten können. Wenn wir uns jetzt an einem schematischen Beispiel den Einfluß der Temperatur auf die Grenze des Wachstums klar machen, so wollen wir Q,, stets gleich 2,0 setzen und bei linearer Abhängigkeit für 10° Temperaturerhöhung einen Zuwachs der Zahl um 0,4 annehmen. Die Zahl a sei 100. Der Einfluß der Temperatur muß ganz verschieden sein, je nachdem in welchem Verhältnisse p und g zu einander stehen. Wir wollen für die Temperatur, die wir als Ausgangspunkt wählen, k’ stets gleich 1,0 setzen und für p und g nacheinander die folgenden Wertepaare: Studien über physiologische Ähnlichkeit. 303 el) Dee DD ON a—E0R, Nennen wir die Ausgangstemperatur 0°, so erhalten wir für die Fälle: & B y u = I = 0° 9,1 50 91 10° 10,0 20,5 42 20° a 1,18 18,2 Es ergibt sich also aus einfachen physikalisch-chemischen Überlegungen heraus, daß sowohl eine Zunahme wie eine Abnahme der Grenzgröße mit steigender Temperatur möglich ist, daß aber in den meisten Fällen die Erhöhung der Temperatur zu einer Verminderung der Grenzgröße führen wird. In unseren Beispielen haben wir nur in Fall x zwischen 0° und 10° eine Zunahme der Grenzgröße mit steigender Temperatur, von 10 bis 20° nimmt sie auch hier schon ab. Wenn p = 0,3 wird (berg 3:0), so würde die Grenzgröße bei 0° — 23 und bei 10° — 25, also nahezu unabhängig von der Temperatur sein. Die biologische Erfahrung lehrt, daß in vielen Klassen ‚sehr viele Spezies oder Gattungen, die eine über kalte und warme Gegenden ausgedehnte Verbreitung besitzen, in den käl- teren Gegenden ihre Vertreter zu auffällig größeren In- dividuen heranwachsen lassen als in den wärmeren Gegen- dent)“. Auch experimentelle Erfahrungen sprechen in demselben Sinne. Henneberg?) sah Anguillula aceti bei 7—13° auffallende Größen erreichen und die Kulturversuche mit Paramaecium in Hert- wigs Laboratorium zeigten gleichfalls eine erhebliche Größenzunahme bei niederen Temperaturen (10°), eine Verkleinerung bei 25°. Die bio- logische Erfahrung lehrt aber auch weiter, daß diese Regel nicht unein- geschränkt gilt. Rhumbler (l. ce.) weist darauf hin, daß unter den Foraminiferen die Formen, die besonders viel Kalk zur Herstellung _ ihrer Wände nötig haben, in warmem Wasser besonders groß werden. Außer auf den Grenzzustand wirkt die Temperatur auch auf die Geschwindigkeit des Wachstums und wir besitzen hier schon eine Anzahl biologischer Beobachtungen, die zeigen, daß die Wachstums- seschwindiskeit eine Exponentialfunktion der Temperatur ist. In der Gleichung 3, die die jeweilige Länge darstellt, wird die Geschwindigkeit - des Wachstums gemessen durch die Beizahl c. Diese Zahl muß also !) L. Rhumbler, Die Foraminiferen der Plankton-Expedition. Kiel und Leipzig 1909, S. 201. 2) W. Henneberg, Zur Biologie des Essigaals (Anguillula aceti [Müll]). Sonderdruck aus: Die deutsche Essigindustrie 1899. Berlin 1900. Gebr. Unger. 102 Seiten. 304 A. Pütter; mit steigender Temperatur exponentiell zunehmen. Wir wollen wieder an- nehmen, daß Q,, für sie gleich 2,0 sei und nun für die Fälle &, 8 und y die Wachstumskurven bei verschiedenen Temperaturen berechnen. In der Gleichung NER Well 1 +x& en, setzen wir & = 0,99, d. h. wir nehmen als Ausgangspunkt einen Zu- stand, in dem das Tier nur 1% der größten Länge hat. Die Wachs- tumszahl c setzen wir bei 0° = 0,1 (bei 10° also 0,2 usw.) und für Z setzen wir die Werte ein, die wir eben berechnet haben. Die folgenden Tab. 1 bis 3 zeigen etwas sehr Bemerkenswertes: In allen den Fällen, in denen bei höherer Temperatur die Grenzgröße, der das Wachstum zustrebt, kleiner ist, als bei niederen Temperaturen, ist trotzdem die Länge der Tiere während der ersten Zeitabschnitte des =70 50 700 200 Abb.1. Verlauf des Wachstums bei verschiedenen Temperaturen. Abszisse = Zeit, Sinai Länge in willkürlichen Einheiten. Wachstums größer, als bei niederer Temperatur. Erst in den späteren Wachstumsperioden macht sich die geringe Grenzgröße in einem Zurück - bleiben der Tiere, die bei höherer Temperatur wachsen, deutlich geltend. Abb. 1 erläutert diese Verhältnisse graphisch für den Fall x, den Tab. 1 darstellt. Tabelle 1. Fall &: 0° 10° | 20° Bir A = ae N= 1 0,182 0,3 0,415 2 0,346 0,5 0,738 5. 0,548 1,0 1,65 10 | 0,98 1,9 2,6 15 1,46 2,66 3,36 20 1,90 3,37 3,80 30 2,65 4,52 50 3,92 | 6,35 100 Wa | 8,66 200 ' 2088.10 17.22.9182 oo ga a 310 Studien über physiologische Ähnlichkeit. Tabelle 2. Fall f: ER 0° 10° 20° = 1 = A = = 10 1,4 2,14 3,16 15 2,0 2,88 4,20 20 2,5 3,74 5,04 30 a 5,30 | 6,10 50 HOUR 8,0 7,18 100 9,5 12,8 er! 200 16,9 - 17,6 7,18 500 31,8 20,4 7,78 1000 43,2 20,5 7,18 oo 50,0 20,5 7,18 Tabelle 3. Fall y. nd 0° 10° 20° u ——zz 10 1,82 2,43 3,84 15 253 3,03 5,30 20 2,92 4,00 6,55 30 3,65 5,78 8,90 50 5,46 9,23 12,20 100 10,0 16,2 | 16,2 200 18,6 26,0 18,0 500 39,0 38,0 18,2 1000 61,0 41,9 18,2 oo 91 42 18,2 Wenn wir also zwei Populationen vergleichen, die bei zwei ver- schiedenen Temperaturen heranwachsen, so ist zu erwarten, daß bei den jüngeren Jahrgängen die Tiere aus der hohen Temperatur größer sind, bei den alten Jahrgängen aber die aus der tieferen Temperatur. Ziehen wir weiter in Betracht, daß infolge der natürlichen Vernichtung die Zahl der übrig bleibenden Tiere mit dem Alter rasch abnimmt, so kann es sehr wohl kommen, daß wir in der Natur bei hoher Tem- peratur im Durchschnitt größere Individuen von einer Spezies an- treffen, für die doch die Grenzgröße, die erreicht werden kann, mit steigender Temperatur abnimmt. Es betrage z. B. die Vernichtung in der Zeiteinheit (etwa 1 Jahr) 1/, des Bestandes, dann sind von 10 000 Individuen, die zu Anfang vor- handen waren, nach i Zeiteinheiten noch vorhanden x = 10 000 e "9%! d. h. nach 10 Zeiteinheiten noch 182 20 5 Br 3,37 30 . ® 0,062. In allen drei durchgerechneten Fällen sind selbst nach 30 Zeiteinheiten die Warmtiere noch länger als die Kalttiere, d. h. wir würden nur als Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 150. ; ; 20 306 A. Pütter: besondere Seltenheit sehr alte Tiere finden, an denen wir unmittelbar ersehen könnten, daß die Warmtiere einer geringeren Grenzgröße _zu- wachsen, als die Kalttiere. | Die Abnahme der Grenzgröße mit steigender Temperatur muß da am auffälligsten hervortreten, wo langlebige Tierarten nur einer ge- ringen Vernichtung ausgesetzt sind. 2. Die Nahrung. Der zweite Faktor, der bestimmend für das Wachstum, sowohl für seine Geschwindigkeit wie für den Grenzzustand sein muß, ist die Nahrungsmenge, die in der Zeiteinheit zur Verfügung steht. Es ist hierbei von geringer Bedeutung, ob die Nahrung aus einer Nährlösung direkt resorbiert wird oder erst durch Verdauungsvorgänge gelöst und dann resorbiert wird. Sobald die Intensität des Betriebsstoffwechsels durch erhöhtes Angebot von Nahrungsstoffen erhöht wird, ist auch die Möglichkeit gegeben, daß der Baustoffwechsel steigt und dadurch der Überschuß des Stoffanbaus. über den Stoffzerfall, d. h. also der wirk- liche Ansatz pro Zeiteinheit zunimmt. Für unsere theoretische Betrachtung ist wesentlich, daß keineswegs jede Veränderung in der Menge der pro Zeiteinheit gebotenen Nah- rung in einer merklichen Veränderung, des Umsatzes deutlich zu werden braucht. Nur wenn die Aufnahme der Stoffe in das lebende System der begrenzende Faktor, d. h. wenn die Nahrung ‚im Minimum“ ist, wird eine Steigerung ihrer Menge zur Steigerung des Umsatzes, eine Herabsetzung zum Sinken des Umsatzes führen. Ist dagegen die Nahrung im Überschuß vorhanden, so hat eine weitere Steigerung keinen fördernden Einfluß mehr auf den Zuwachs und eine Herab- setzung der Nahrungsmenge setzt erst dann den Zuwachs herab, wenn durch sie ein notwendiger Nahrungsstoff ins Minimum kommt. Für Studien über den Verlauf des Wachstums wird es zunächst immer wünschenswert sein, solche Fälle herauszusuchen, wo die Nahrung nicht als begrenzender Faktor auftritt, denn das Problem ist ja in erster Linie das, zu erkennen, wie das Wachstum unter möglichst günstigen äußeren Bedingung abläuft und aus inneren BeeeL Sen seine Begrenzung findet. Daß die Art der Nahrung von wesentlichem Einfluß auf den Ver- lauf des Wachstums ist, ist eine bekannte Tatsache. Sehen wir von den Fällen ab, in denen ein Nährstoff überhaupt nicht geeignet zur Verwendung im Baustoffwechsel ist, und betrachten nur die Fälle, in denen die gebotenen Nährstoffe verschieden gut geeignet zum Auf- bau arteigener Stoffe sind, so können wir an unserm Modell leicht er- sehen, wie ein Einfluß auf die Grenzgröße zu denken ist. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 307 Die Geschwindigkeit des Aufbaus neuer arteigener Stoffe setzen wir proportional Hier bedeutete p den Diffusionskoeffizienten des Nährstoffes und q die Reaktionskonstante, die die Geschwindigkeit mißt, mit der er im Betriebsstoffwechsel umgesetzt wird. Wird ein neuer Nährstoff geboten, so können beide Zahlenwerte sich ändern. Wenn die Grenzgröße L gleich ist ee: N DM —— , Prgqg so nimmt sie die folgenden Werte an, wenn die Zahlen, die p und q messen, sich ändern. pm 2 »g—_ 1. L-=%61,0 »—1 — 4 pm q 22713393 » 050g IE: 33,3 m 0850, 2 51, 220,0 Je langsamer der Nährstoff zu der Stelle hindiffundiert, an der die Baustoffwechseltätigkeit beginnt, und je rascher er im Betriebsstoff- wechsel umgesetzt wird, desto kleiner wird die Grenzgröße L, die mit Hilfe dieses Nährstoffs erreicht werden kann. 3. Das Alter. In den bisherigen Betrachtungen war angenommen, daß das Wachs- tum durch das Alter der Tiere nur mittelbar beeinflußt werde, d.h. nur insofern, als ältere Tiere ihrer Grenzgröße schon näher wären, und nur aus diesem Grunde langsamer wüchsen. Es besteht aber sehr wohl die Möglichkeit, auch wenn man von einfachen physikalisch- chemischen Vorstellungen ausgeht, ein Altern der lebenden Sy- steme selbst anzunehmen. Die Eigenschaften der Systeme, die für das Wachstum maßgebend sind, haben wir durch drei Konstanten ausgedrückt, die Zahlen k’, p und g. Von diesen sind zwei als Reak- tionskonstanten anzusehen: %’ und g. Die Zahl k’ mißt die Geschwindig- keit, mit der die Körperstoffe im ‚Abnutzungsstoffwechsel‘‘ umge- wandelt werden, qg mißt die Geschwindigkeit, mit der im Betriebs- stoffwechsel die Stoffe umgesetzt werden. Da die Eigenschaften eines homogenen chemischen Systems von seiner Vorgeschichte unab- hängig sind, würde es eine Abweichung von unseren Grundsätzen über die Erklärung von Lebensvorgängen bedeuten, wollten wir diese Größen als veränderlich mit der Zeit annehmen. Unser Grundsatz ist ja, nur solche Veränderungen an Reaktionskonstanten und Diffusions- koeffizienten anzunehmen, die aus der Physik oder Chemie bekannt sind. 20* 308 A. Pütter: Für die Zahl p aber liegen die Dinge anders. Wir betrachten p als einen Diffusionskoeffizienten, d. h. wir bringen durch seinen Zahlen- wert die Eigenschaft einer Membran, und zwar einer aus Kolloiden bestehenden Membran oder einer Gallertmasse, eines Gels, zum Aus- druck. Es ist eine aus der Kolloidehemie wohlbekannte Tatsache, daß Kolloide ‚‚altern“, d. h. daß sich ihre physikalischen Eigenschaften mit der Zeit ändern. Ein heterogenes System, das aus kolloidalen Stoffen aufgebaut ist, ist in seinen Eigenschaften von seiner Vorgeschichte abhängige. Wir dürfen also, ohne den Boden fest begründeter physi- kalisch-chemischer Auffassungen zu verlassen, die Größe p als Funk- tion der Zeit variieren lassen. Die nächstliegende Annahme ist die, daß die Permeabilität, die durch p gemessen sind, mit der Zeit ab- nimmt, so daß wir für p den Ausdruck einführen können : P=M—-&t, wenn 9, den Wert von p zur Zeit = 0 bedeutet und & eine Beizahl, die wir als die Beizahl des Alterns bezeichnen können. Die Durchrechnung eines Beispielsfalles wird wiederum am besten zeigen, welchen Einfluß die Einführung eines solchen Faktors, der das Altern berücksichtigt, auf den Verlauf der Wachstumskurven hat. Wir setzen in der Gleichung =1-00li, a=10%0, %=10 und p=1,0 und erhalten für (09%: - 1 — 0,01: 100 2 — 0,01: für 10° Temperaturerhöhung wachsen k und q mit einem Q,, = 2,0, p wird für 10° um 0,4 erhöht und & um 0,004. Z nimmt dann bei den verschiedenen Temperaturen und, für die verschiedenen Zeiten die Werte an, die die folgende Tab. 4 zeigt. Tabelle 4. ni 0° 10° 20° = L= i = 0) 50 20,5 7,78 10 47,5 19,4 72 20 44,5 17,9 6,6 30 41,2 16,4 6,0 40 3 14,8 5,31 50 33,4 13,0 4,60 60 28,5 10,9 3,72 70 23,1 8,7 3,05 so 16,6 6,15 2,06 90 9,1 3,28 1,08 Studien über physiologische Ähnlichkeit. 309 Um den Verlauf der Wachstumskurve zu berechnen, sei ein Fall gewählt, bei dem die Wachstumszahl ce = 1,0 bei 0° ist und Q,, für sie 2,0 ist. Dann sind die Längen A zu den verschiedenen Zeiten und bei den verschiedenen Temperaturen durch die Zahlen gemessen, die Tab. 5 gibt. Tabelle 5. BE 0° | 10° 20° = ne a 5 5,36 8,0 7,00 10 9,5 7194 7,20 20 | 16,5 16,0 | Bor 30 21,4 16,0 6,0 40 27,0 14,8 5,31 50 26,0 13,0 4,6 60 25,0 10,9 3,72 70 22,1 8,7 3,05 80 16,6 | 6,15 | 2,06 Der Ansatz, daß die Abnahme der Zahl p mit der Zeit linear erfolst, wird immer nur als erste Annäherung brauchbar sein. Viel wahrscheinlicher ist es, anzunehmen, daß infolge des Alters die Zahl p einem Grenzwert zustrebt, der von Null verschieden ist, während unsere erste Annahme ergibt, daß p=0 wird, wenn &%t=p,ist. Setzen wir x = 0,01 und , = 1, so würde für 5 = 100 ?=0 werden. Führen wir die Annahme ein, daß p sich einem endlichen Grenz- wert nähert, so müssen wir noch eine weitere Annahme über die Ge- schwindigkeit der Änderung von p machen. Als wahrscheinlich wäre eine Abhängiskeit von der Form p=9p, — we-*t"" anzunehmen. Hier bedeutet (p, — a) den Grenzwert, dem die Veränderung von p mit der Zeit zustrebt und & ist wieder die Beizahl des Alterns. Wird ein solcher Faktor des Alterns eingeführt, so gewinnt die Wachstums- kurve ein anderes Aussehen. Sie nähert sich nicht mehr mit stets abnehmender Geschwindigkeit einem Grenzwert, der die größte Länge darstellt und theoretisch nach unendlich langer Zeit erreicht wird, sondern sie erreicht nach vergleichsweise kurzer Zeit ein Maximum und fällt dann langsam wieder. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß eine Darstellung, die eine Abnahme der Größe mit der Zeit er- klärt, nach dem vorher ein höchster Wert erreicht war, den Beob- achtungen angemessener ist, als die Darstellung, die das Maximum nach unendlich langer Zeit erreichen läßt. Gibt man dem Alters- faktor die Form MEZ N = 0a 310 A. Pütter: so wird die Länge L nach einer gewissen Zeit (wenn & it — p, ist) gleich Null, wählt man dagegen die Form DD Va | so strebt die größte Länge nach unendlich langer Zeit einem endlichen Grenzwert an. II. Beispiele von Längenwachstumskurven. Die theoretischen Ausführungen des vorigen Abschnittes führen zu der Vorstellung, daß unter konstanten Lebensbedingungen einfache Beziehungen der Länge der Tiere zu der Zeit bestehen, während der Wachstum stattgefunden hat. Es soll im folgenden zunächst an einer Anzahl von Beispielen geprüft werden, ob diese Vorstellung sich be- währt. Ein Erfolg wird nur dann zu erwarten sein, wenn die Tiere, deren Wachstum wir betrachten, unter annähernd gleicher Temperatur bei gleicher Ernährung, gleichen Sauerstoffdruck und auch sonst gleich- bleibenden Bedingungen, z. B. gleichem Salzgehalt des Mediums leben, bzw. wenn keine dieser- Bedingungen ‚ins Minimum tritt‘, d. h. be- srenzender Faktor wird. Es war schon oben betont worden, daß die ‚„Länge“, die nach der Theorie‘in einfacher Beziehung zur Wachstumszeit stehen soll, keine empirisch meßbare Größe zu sein braucht, daß es sich vielmehr nach der Begriffsbestimmung nur um eine Größe handelt, die proportional der dritten Wurzel aus dem: Gewicht ist. Betrachtet man das‘ Wachs- tum von Tieren, die ihre Proportionen nicht-verändern, bei: denen also junge und alte, kleine und große Tiere, einander geometrisch ähnlich sind, so kann man an Stelle der idealen Lineardimension jede beliebige Länge setzen, die man an den entsprechenden Teilen des Tieres abmessen kann. Eine solche ähnliche Länge ist die Gesamtlänge des ganzen Körpers. Von ihr soll im folgenden zunächst die Rede sein. l. Das Wachstum das Homer Das Zahlenmaterial ist der Arbeit von Ehrenbaumt!) über künst- liche Zucht und Wachstum des Hummers entnommen. Als Anfangs- zustand wählen wir das vierte Lebensstadium, das erste, in dem der junge Hummer am Boden lebt und in seiner Gestalt dem erwachsenen Tiere ähnlich ist. Die Angaben der Länge beziehen sich auf Hummer von Rhode Island nach Hadley. Es wurden nur die Längen genommen, die nach je einem Jahr erreicht wurden, da innerhalb eines Jahres die Geschwindigkeit des Wachstums je nach der Temperatur außer- ordentlich verschieden ist, während bei Betrachtung des ganzen Jahres- zuwachses die monatlichen Unterschiede nicht in Betracht kommen. !) Ehrenbaum, Sonderabdruck aus den ‚Mitteilungen des Deutschen See- fischerei- Vereins“ Nr. 6, 1907. - Studien über physiologische Ähnlichkeit. 311 Tabelle 6. Alter Länge in cm nach Jahrgängen beobachtet berechnet 0 1,35 1,35 I 6,20 6,6 II | 10,2 10,2 III 16,2 16,2 IV 20,0 19,8 V 724,1 25 VI 27,5 De VIl 30,0 30,0 XXXII 57,0 57,3 Die Berechnung ist durchgeführt nach der Gleichung 5,71 = so ı — 0,9775 a) Wie die gute Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Rechnung zeigt, verhält sich der Hummer so, als ob er einer größten Länge von 60 cm zustrebte und das Wachstum dabei um so langsamer erfolste, je näher er diesem Grenzwert kommt. Besonders bemerkenswert ist es, daß die Angabe über einen besonders großen, alten Hummer, der bei 33 Jahren eine Länge von 57 cm erreicht hatte, sich. genau in’ die Rechnung einfügt, die auf Grund des Verhaltens in den ersten 7 Jahren aufgestellt wurde. Wir reichen hier mit der einfachsten Wachstums- formel völlig aus, ein Altersfaktor wird nicht bemerkbar. 2. Das Wachstum des Herings (Clupea harengus). Über das Wachstum des Herings liegt sehr reichliches Zahlenmaterial vor. Es ist in den großen norwegischen Heringsuntersuchungen ent- halten, die unter Hjorts!) Leitung ausgeführt sind. Außer den An- gaben über die Länge der Heringe verschiedener Gegenden in den einzelnen Jahresklassen haben wir noch die Untersuchungen von Rosa M. Lee?), die aus den Messungen an den Schuppen und aus deren Jahreszuwachs den Zuwachs der ganzen Fische berechnet. Das Wachstum der Heringe verschiedener Herkunft ist verschieden genug, um eine gesonderte Bearbeitung der einzelnen Gruppen zu rechtfertigen. a) Heringe aus den britischen Gewässern. Die Zahlen sind aus den Kollektionen 25—28 bei Hjort (|. ce.) entnommen. Als Ausgangspunkt ist die Jahresklasse II gegeben.; Wir »» 4)'Johan Hjort, Report on herring-investigation until January 1910. Publ. de eirconstance Nr. 53. 1910. 2) Rosa M. Lee, An inverstigation into the methods of growth determination in fishes. Publ. de circonstance Nr. 63. 1912. 312 A. Pütter: setzen also die Zeit i für diese Jahresklasse gleich Null und können die Länge der höheren Jahrgänge berechnen nach der Gleichung = \= 91 —02e ” ) Wie gut Beobachtung und Berechnung übereinstimmen, zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 7. | Länge in cm Jahresklasse beobachtet | berechnet II 25232 23,2 III 25,1 24,7 IV 25,85 25,8 V 26,55 26,6 VI 271,25 27,2 VII 27,30 27,6 VII h 27,78 | 28,0 b) Heringe aus dem Kaltegat. Nach Kollektion 29 bei Hjort a. a. O. berechnet nach der Glei- chung = Bla 05. m Tabelle 8. Länge in cm Jahresklasse | beobachtet | berechnet II 23,0 23,0 III 24,5 24,5 IV 25,6 25,6 V 26,6 26,6 vI are 27,3 VII 28,0 27,9 VIIL 28,3 28,3 IX 29,0 29,0 XIII 30,0 29,5 Die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ist glänzend. c) Heringe von den Färöers. Nach Kollektion 18—22 von Hjort berechnet nach der Gleichung: N sılı — 0,345 a) Studien über physiologische Ähnlichkeit. Tabelle 9. Jahresklasse IX Länge in cm beobachtet 20,4 24,9 27,5 98,3 29,1 29,5 30,0 29,0 31,0 - berechnet 20,4 23,5 27,1 28,6 29,5 30,0 30,4 30,8 30,9 Die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ist im allgemeinen gut, doch fällt der beobachtete Wert für die Jahres- klasse VIII aus der Reihe heraus und ist an sich unwahrscheinlich, d. h. beruht wohl auf Zufälligkeiten des Materials. d) Heringe aus der Gegend von Island. Kollektion 15—17 bei Hjort, berechnet nach der Gleichung: 1331 srl es. =) Tabelle 10. Länge in cm Jahresklasse beobachtet berechnet III 26,0 26,0 | (26,0) IV 31,3 29,2 | (29,4) v 32,47 31,6 | (81,5) v1 33,57 33,2 | (33,1) VII 34,63 34,2 | (34,5) VIII 35,13 35,1 | (36,0) IX 35,63 35,7 | (36,3) x 36,1 36,1 | (36,5) SEI 36,1 36,3 | (37,05) Xu 36,3 36,5 | (37,15) XTII 36,63 36,7 | (37,3) XIV 36,8 39,6 | (37,3) Die Übereinstimmung ist für die Jahresklassen IV und V nicht sehr gut, im ganzen aber sehr befriedigend. Die eingeklammerten Zahlen sind nach einer anderen Gleichung berechnet, die unten besprochen werden wird. e) Heringe aus den norwegischen Gewässern. Material sind die Kollektionen I—7 von Hjort. Während bei den bisherigen Berechnungen die einfache Wachstumsformel ohne Ein- führung des Altersfaktors genügte, muß für die beiden letzten Bei- 314 A. Pütter: spiele von Wachstumskurven dieser Faktor eingeführt werden. Schon das vorige Beispiel der isländischen Heringe legte die Einführung dieses Faktors nahe, doch brachte er hier noch keine augenfällige . Verbesserung der Resultate, wie aus den eingeklammerten Zahlen der vorigen Tabelle zu ersehen ist. Für die norwegischen Heringe drücken wir die Grenzgröße L durch die Gleichung aus: 3.55 — 0,03771 4,55 — 0,0377 Der Sinn dieser Gleichung ist in den allgemeinen Erörterungen über das Wachstum erklärt. Die Zahl p ist hier gleich 3,55 gesetzt, der Altersfaktor ist 0,0377. Die Gleichung, nach der die Längen be- rechnet sind, lautet: 7,01 a 2 L=50- RE er BE SE I I. Länge in cm Jahresklasse beobachtet | berechnet Il S 17,1 17,1 DE: 21,24 20,7 III 24, 40 23,7 IV 25,8 26,0 V 27,52 Sal: MI. 29,25 29,8 VII 31,6 31,1 VIII 32,2 3255 IX 34,8 33,3 I 35,2 34,2 XI 35,0 34,6 XI 35,4 85,1 Die Übereinstimmung ist wieder sehr befriedigend, die Abweichungen gehen über einzelne Prozente nicht hinaus. f) Heringe von Island. Das Material zu dieser Zahlenreihe ist aus der Arbeit von M. Lee entnommen. Es bezieht sich auf Heringe der Kollektion 15 bei Hjort. Die Längen der Fische sind hier aus dem Wachstum der Schuppen berechnet. Es ist von besonderem Wert, die Ergebnisse dieser Methode. mit denen der direkten Längenmessungen zu vergleichen. Bei Tieren, bei denen im Wachstum die geometrische Ähnlichkeit zwischen jungen und alten Tieren gewahrt bleibt, ist es grundsätzlich ganz gleichgültig, welche Lineardimension man mißt, um das Wachstum zu verfolgen. Dieser allgemeine Satz hat in den Untersuchungen an den Herings- schuppen seine volle Bestätigung gefunden. Die Fische bieten ja für die Erforschung des Wachstums insofern besonders einfache Beispiele, Studien über physiologische Ähnlichkeit. 315 als eben bei ihnen die geometrische Ähnlichkeit zwischen großen und kleinen, alten und jungen Tieren in hohem Maße gewahrt ist. Die Grenzgröße, der das Wachstum dieser Fische zustrebt, ist wieder wie bei den Heringen aus den norwegischen Gewässern berechnet . nach der Gleichung 3,55 — 0,0977: wer Die jeweilige Länge nach der Gleichung N vlı — 0,755 a) Tabelle 12. Länge in cm Jahresklasse berechnet aus dem berechnet nach Zuwachs der Schuppen der Wachstumsformel T 9,6 9,6 ine 17,6 16,9 III 23,6 | IV 203 26,3 V 29,8 29,4 VI 31,6 31,5 VII 33,1 33,1 VIII 34,2 34,2 IX 34,9 35,2 X 35,5 36,0 xT 35,6 36,2 SEM 35,8 36,6 X 36,4 36,8 XIV 36,7 Sal Die Übereinstimmung zwischen den Werten, die auf Grund der Beobachtungen an den Schuppen ermittelt sind und den berechneten Zahlen ist sehr gut. Mit denselben Zahlenwerten für L und c (der Wachstumszahl) sind nun auch die Zahlen berechnet, die in Tab. 10 eingeklammert stehen. Sie zeigen, daß sich die direkten Längenmessungen der Heringe von Island und die Längenbestimmungen nach dem Wachstum der Schuppen in der Tat mit ganz der gleichen Formel mit befriedigender Überein- stimmung berechnen lassen. Nun der Wert &, durch den der Anfangs- zustand bestimmt ist, war in beiden Fällen verschieden, da sich die Beobachtung der Längen’der Fische nur auf solche von mehr als 26 cm (Jahresklasse III) bezog, die Längen, die aus den Jahresringen der Schuppen abgeleitet; sind, aber schon für die Jahresklasse I (mit 9,6 cm) ermittelt werden konnten. Überblicken wir die sechs Wachstumskurven der Heringe, so können wir zunächst in bezug auf die Maximallänge, der sie zuwachsen, zwei Gruppen unterscheiden. Einerseits die Fische aus den britischen Ge- wässern, dem Kattegat und von den Färöers, die 29, 30 bzw. 3l cm 316 A. Pütter: als größte Länge erreichen, andererseits die Heringe der norwegischen Gewässer und von Island, die einer Grenzgröße von 39 cm zuwachsen. Was die Zuwachsgeschwindigkeit anlangt,.so haben wir in jeder der beiden Gruppen raschwüchsige und langsamwüchsige. Die Heringe aus den britischen Gewässern und dem Kattegat wachsen ihrer geringen Grenzgröße relativ langsam zu, ebenso die norwegischen Heringe ihrer viel bedeutenderen Grenzgröße. Die Wachstumszahlen sind 8,6 und 7,2 bzw. 7,0. Raschwüchsig sind die großen Heringe aus den islän- dischen Gewässern mit einer Wachstumszahl 11 und vor allem die von den Färöers, die ihrer geringen Grenzgröße schnell zuwachsen. Ihre Zuwachsgeschwindigkeit ist durch 15,5 gemessen, der höchsten Zahl, die beim Hering beobachtet ist. Auf die Frage, welches der Grund dieser Verschiedenheiten ist, vermögen wir nur mit der Angabe der Möglich- keiten zu antworten. Es kommen Verschiedenheiten der Temperatur, des Salzgehaltes und der Nahrungsmenge als äußere Faktoren in Betracht, die wohl innerhalb der einzelnen Gruppen relativ konstant gewesen sein dürften, von Gruppe zu Gruppe aber recht verschieden sein können. Es kommt ferner als innerer Faktor der Unterschied der Rassen der Heringe in Betracht. Eine nähere Erörterung der Bedingungen, die in dem einzelnen Falle maßgebend gewesen sind, kann nicht durch- geführt werden. Erst wenn genauere Beobachtungen über die Unter- schiede der Bedingungen vorliegen, denen die einzelnen Gruppen während ihres Wachstums ausgesetzt sind bzw. genauere Angaben _ darüber, zu welcher Rasse die einzelnen Gruppen gehören, könnte diese Frage entschieden werden. 3. Das Wachstum der Gadiden. a) Schelljisch (Gadus aeglefinus). Material nach Lee (l. c. S. 16), die Längen sind aus dem Zuwachs der Schuppen ermittelt. Die Wachstumskurve ist berechnet aus der Gleichung | ne oo) A = 120\1 — 0,85e @ Tabelle 13. | Länge in cm Altersklasse beobachtet berechnet 1 | 17,9 17,9 II 29,1 26,2 III 38,0 33,6 IV 42,0 40,8 V 44,9 47,0 Vi 46,4 53,5 VII 58,0 59,0 Studien über physiologische Ähnlichkeit. 37 Die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ist nicht sehr gut, die Gleichung gibt nur den allgemeinen Charakter der beobachteten Zahlen wieder. Es ist dabei zu bedenken, daß das Be- obachtungsmaterial nicht sehr umfangreich war. b) Dorsch (Gadus morrhua). Material aus Hjort!) (S. 130). Die Angaben über das Wachstum des Dorsches in den ersten Lebens- jahren ergeben die Gleichung = ln — 0,967 wm) Tabelle 14. Länge in cm Altersklasse beobachtet | berechnet 0 5 5 I 15,1 13,5 II 21,9 22,5 III 31,2 28,5 IV 35,0 36,0 Für die höheren Jahrgänge finde ich die Gleichung 9,81 — 1solı — 0,738e 150 ) ä Tabelle 15. | Länge in cm Altersklasse beobachtet | berechnet N 39,4 | 39,4 IV 46,0 46,5 V 52,4 52,5 VI 56,3 58,6 VII 62,2 64,5 VIII 66,2 70,5 IX 73,9 75,0 X 80,1 80,0 Ganz anders verläuft das Wachstum des Dorsches nach D’Arey Thompson?) im Firth of,Forth. Die Länge der Fische in den ver- schiedenen Altersklassen für den Monat Februar ist darstellbar durch die Gleichung | Mt ) A=150\1 —- 0,9e 1%). Die Wachstumszahl ist also wesentlich höher, als in den beiden an- deren mitgeteilten Fällen. Beobachtung und Rechnung stimmen ganz gut überein. f t) Johan Hjort, Fluctuations in the great fisheries of northern Europe. Rapport et Proc&s-Verbaux. 1914. 2) D’Arcy Dentworth Thompson, Second Report on the distribution of the cod and other rouend fishes. Rapports et Proces-Verbaux 13. 1911. 318 -A. Pütter: Tabelle 16. Länge in cm Altersklasse beobachtet | berechnet 0 15 15 I 33 34,5 II 52 51,8 III 72 66,2 IV — 79,0 V 96 89,0 4. Das Wachstum der Scholle (Pleuronectes platessa). Material liefern die Untersuchungen Heinckest!). Die Berechnung nach der Gleichung 841 = zslı _ 0,9360 ®] ergibt sehr gute Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berech- nung, wie die folgende Tab. 17 zeigt, die sich auf Weibchen bezieht. Die Zahlen gelten für Schollen aus der südöstlichen Nordsee. Tabelle 17. Länge in cm Altersklasse beobachtet berechnet 0 5 Di I 12 (19:2) 12,2 II 19 (19,7) 19,4 | Il 24 (24,4) 25,0 IV 28 30,5 V 35 35,5 v1 40 40,0 VIL 45 43,3 VIII 48 47,2 EX 50 50,2 x 52 53,0 xI 54 55,9 SREL 55 58,0 XV — 63,4 xXX — 69,7 XXV —_ 72 XXXVII 77,0 76,8 Sehr lehrreich ist der Vergleich zwischen den Schollen der südlichen Nordsee und der Barentssee. Die folgenden Angaben über Länge und !) Friedrich Heincke, Untersuchungen über die Scholle. Generalbericht. Rapports et Pro&cs-Verbaux 15. 1913. — Fr. Heincke und H. Henking, Über Schollen und Schollenfischerei in der südöstlichen Nordsee. Aus: Beteiligung Deutschlands an der internat. Meeresforsch. IV/V.Jahresber. 1907.— Fr. Heincke, Neue Forschungen über Alter und Wachstum der Schollen. Sonderabdruck aus Fischerboten VII. Jhr. 1916. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 319 ‚Alter nach Heincke sind nur als ungefähre Zahlen anzusehen, die bei Untersuchung größeren Materials noch kleine Änderungen er- fahren können. Sie lassen sich darstellen durch die Gleichung | 2,561 = 95 1 — 0,95 | Diese Schollen verhalten sich also so, als ob sie einer erheblich größeren 'Grenzgröße zuwüchsen, wobei aber die Zuwachsgeschwindigkeit viel geringer ist, als für die Nordseeschollen. Tabelle 18. Ä Länge in cm Jahresklasse beobachtet | berechnet VII 25 20 x 35 26 XXIL 45 45 XXXII 55 57 L 70 zu. Gewissermaßen das Gegenstück dazu liefern die Schollen der Ost- see. Über ihr Wachstum haben wir Zahlen von Johansen!). Beob- achtung und Rechnung stimmen allerdings für die Jahrgänge II—IV nicht gut überein, in den älteren Jahrgängen wird die Übereinstim- mung besser. Immerhin gibt die Gleichung 7,28 t 1 sol — 0,8 ee) eine angenäherte Darstellung der Verhältnisse, aus der zu ersehen ist, daß sich die Ostseeschollen (aus dem großen Belt und Langelandsbelt) so ver- halten, als ob sie mit einer Zuwachsgeschwindigkeit, dienur wenig geringer ist als für die Nordseeschollen (7,28 gegen 8,4), einer Grenzgröße von nur 40 cm zustrebten. Tabelle 19. Länge in cm Jahresklasse beobachtet berechnet II 8 8 II 16,5 13,2 III 20,5 17,6 IV 24,0 21,8 V 26,5 25,0 VI 27,0 ll vn . 28,5 29,2 VII 30,0 31,0 IX 31,5 ; 32,5 X 33,0 34,2 XX [40,0] 39,2 1) A.C. Johansen, Dritter Bericht über die Eier, Larven und älteren Stadien der Pleuronectiden in der Ostsee nach Zahl, Größe, Alter und Geschlecht. Rapport 14, 21. 1912. soo, A. Pütter: Diese Größe würde etwa mit 20 Jahren erreicht werden, was zu Heinckes Angabe stimmt, daß die ältesten Schollen der Ostsee nur 20 Jahre erreichen und 40 cm lang werden. 5. Das Wachstum der Forelle (Salmofario). Wenn in den bisher mitgeteilten Beispielen sich eine überraschend gute Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ergab, so ist daraus zu schließen, daß das Wachstum der betreffenden Tiere unter sehr gleichmäßigen Lebensbedingungen vor sich geht, denn nur in diesem Falle hat die aufgestellte Wachstumsgleichung ihre innere Berechtigung. Würden die äußeren Lebensbedingungen, die das Wachs- tum beeinflussen können, z. B. Temperatur- und Salzgehalt des Wassers oder Nahrungsmenge sich dauernd ändern, so müßte sich auch die Geschwindigkeit des Wachstums ändern, und wir könnten® keinen derartig einfachen Verlauf der Wachstumskurve bekommen. Wollten wir experimentell feststellen, wie eine Änderung der Lebensbedingungen auf das Wachstum wirkt, so müßten wir Tiere unter verschiedenen, aber in jedem Falle konstanten Bedingungen heranwachsen lassen, oder wir müßten in einem bestimmten Zeitpunkt die Lebensbedingungen ändern und feststellen, wie sich nun die Wachstumskurve ändert. Die Natur macht uns ein derartiges Experiment mit der Forelle vor, die sich teils im Süßwasser, teils im Meere entwickelt. Das Material, das wir zu analysieren haben, teilt Lee!) mit. Die Längen- maße sind auch hier wieder aus den Abmessungen der Schuppen berechnet. Die Zeit, von der an die Forelle ihre Meereswanderungen aufnimmt, ist an den Schuppen deutlich festzustellen, sie wird durch ein wesent- lich rascheres Wachstum erkennbar. Wir müssen also einerseits das Wachstum der Forellen untersuchen, die noch nicht ins Meer gewandert sind, und andererseits das Wachstum der Forellen nach Eintritt der Wanderung. a) Forellen im Süßwasser. In den ersten 3—6 Jahren lebten die von Lee untersuchten Fische im Süßwasser, ihr Wachstum ist zu berechnen nach der Gleichung = sol as 0.905 a) Tabelle 20. Alter Länge in cm in Jahren beobachtet berechnet 1 5,7 5,7 2 10,7 11,4 3 15,3 15,7 4 20,2 19,8 5 24,9 23,3 6 30,1 27,0 2) ie SL IL Studien über physiologische Ähnlichkeit. 321 b) Forelle nach der Meereswanderung. Ganz anders verläuft das Wachstum in den Jahren nach Beginn der Wanderung. Die Beobachtungen erstrecken sich bis in das 15. Lebens jahr und machen die Einführung eines Altersfaktors nötig. Während sich die Süßwasserforellen so verhalten, als ob sie einer Grenzgröße von 60 em zuwüchsen, wobei die Geschwindigkeit des Zuwachses durch die Zahl 6 gemessen wird, verhalten sie sich nach der Wanderung ins Meer so, als ob sie einer Grenzgröße zustrebten, die zunächst 160 em beträgt und mit zunehmendem Alter geringer wird, entsprechend einem Altersfaktor von 0,25. Die Geschwindigkeit des Wachstums ist dabei erheblich gesteigert, sie wird durch die Zahl 16,4 gemessen, ist also 2,72 mal so groß, wie für die Süßwasserformen. Die Gleichungen, nach denen das Wachstum zu berechnen ist, lauten 4 — 0,251 a) = AU ———— , 5 — 0,251 ( 16,41 Di A= L\l —- 0,77e ) Beobachtung und Berechnung stimmen sehr gut überein. Tabelle 21. ze: EUR Anden ar Bang innen Pur ar in Jahren beobachtet berechnet b) 36,8 36,8 6 47,9 48,6 7 58,4 58,2 8 67,9 67,5 9 79,6 75,7 10 | 84,7 81,8 11 | 88,0 88,0 | 91,0 92,1 13 | 93,9 95,1 14 96,0 96,2 15 98,0 97,0 III. Längenwachstum und Massenzunahme. Die einfache Gestalt, die die Wachstumsgesetze für eine Reihe von Tieren haben, beruht darauf, daß wir die Lineardimension be- trachtet haben. Hätten wir versucht unmittelbar die Massenzunahme als Funktion der Zeit darzustellen, so hätten wir viel verwickeltere Formeln erhalten. Den Unterschied der Längenwachstumskurve von der Gewichtskurve zeigt am deutlichsten eine graphische Darstellung wie Abb. 2. Die Gewichtskurve (G) hat einen Wendepunkt, die Längen- kurve (L) hat keinen Wendepunkt. Aus der Länge kann man aber leicht das Gewicht eines Tieres ableiten. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. 21 322 A. Pütter: Bleiben‘ die Proportionen eines Tieres während des Wachstums unverändert, so sind die Gewichte der verschieden langen Stadien proportional den drit- L ne ten Potenzen der Län- us! IE 7 gen. In den Hischen IR z han haben wir solche Tiere, die innerhalb weiter | 3009 Grenzen ohne erheb- ) ur liche Verschiebungen Di iR ga | gaog der Proportionen wach- ee x L sen, wir können also ihr A ana n0g ewicht leicht aus der eK a Länge ableiten. Für je- £ de Art brauchen wirnur 7 v” X P.04 einen Proportionali- Abb. 2. Wachstumkurve des Herings. Z = Längenwachstum. PR @ = Gewichtszunahme. Abszisse = Alter ir’ Jahren. Ordinate tätsfaktor Au kennen, für L = Länge in cm, für G= Gewicht in g. der durchdie Gleichung G=k.L?: bestimmt ist!). Drücken wir Z, die Länge der Tiere in Zentimeter, @, das Gewicht in Gramm aus, so bedeutet die Zahl & das Gewicht eines Fisches von lcm Länge in Gramm. Würden wir als Längeneinheit das Meter und als Gewichtseinheit das Kilogramm wählen, so würde k das Gewicht eines Fisches von Im Länge in Kilogramm bedeuten. Zur Vergleichung von Fischgewichten im allgemeinen ist es am hand- greiflichsten, das „Metergewicht“ der Fische anzugeben. Diese Zahl ist ein Maß für die größere oder geringere Schlankheit oder Plumpheit einer Fischart. Vergleicht man Individuen derselben Art, so ist das Metergewicht ein Ausdruck für den Ernährungszustand. So schwankt z. B. beim Dorsch das Metergewicht zwischen 6,15 und 9,2 kg, im Mittel beträgt es 7,85 kg. Beim Lachs haben wir: Metergewichte zwischen 7,0 und 16,4 kg im Mittel 10 kg. Aus den zahlreichen Messungen, die Reibisch 2) für die Scholle ausgeführt hat, ergeben sich als extreme Metergewichte 8,7 und 12,4, bei weitem die größte Menge der Schollen hat aber Metergewichte von 9,8—11,5 kg, so daß wir auch hier 10 kg als Mittelwert ansehen dürfen. Ich teile im folgenden die Metergewichte einer Anzahl von Fischen mit, über die zuverlässige Wägungen vorliegen. \) Diese Gleichung wird in der Biologie der Meeresfische viefach gebraucht. z. B. von D’Arey Thompson, Reibisch. Heincke. ?) J. Reibisch, Biologische Untersuchungen über Gedeihen, Wanderung und Ort der Entstehung der Scholle (Pleuronectes platessa) in der Ostsee. Wissenschaft- liche Meeresuntersuchungen. Abteilung Kiel, N. F. 13. 1911. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 323 Metergewicht in kg Monte£aal ae ER EN ER EN LERNT GER 0,65 Riemenfisch Basslerns Banks) ara ae 1,28 Aal (Anguillula vulgaris) [9° a A Raja elavata Dorproche .’. .....2.... 14.7469 Raja batis Glattroche . -.. . .. ES ee Myliobatis aquila Adlerroche ....... 2... 5 ErsEmorchun., Dorsch‘ Bang. San una 7,85 Biupeaspilchardus, Sardıne - en. .1...02 2.800 @lupes harengus, Hering...» . .. . >. 2.2. 8,45 Salıme Balkae Berk ee 721010 f RUE TEE 6 eh EU 11,2 Salmo trutta, Forelle H A RR TO 6 leuroneetes, platessa, Scholle . . . ... 1.2 2 2..100 Gasterosteus aculeatus, Stichling. .. . . ..... 12,0 Cyprinus carpio, Karpfen . . ”.... 0... .164-27,3 (20,0) Gobmsspasanellus .. .. ."..: ... Te Kohn @arasswszauratuse Goldüisch, 5 22... 2...25240 Balistes capriscus . ... . EN 3226 Hielasterkchromisi u u. 2 ee 30 Seorpaena porcus . . . RT ESSEN! Orthagoriscus mola, Mondfisch TE TEN 75,0 Die schlanken, gut schwimmenden Fische haben Metergewicht von 7—16 kg, im Mittel 8—12 kg, hierhin gehören außer den genannten Fischen auch Hecht, Thunfisch, Schwertfisch, Wels, Huchen, Stör, Barbe, Forelle, Äsche, Hai. Erheblich geringer ist das Metergewicht der flachen Rochen (ca. 5 kg), und der aalförmigen Fische (Conger 1,85, Muraena 1,78). Die plumpe Scorpaena erreicht fast 36 kg Meter- gewicht und das Zerrbild eines Fisches, der Orthagorisous mola wiegt sar 75 kg bei 1m Länge.!) 1) Man kann sich bei Berücksichtigung diesen Zahlen ein Bild davon machen, mit wie wenig Kritik häufig die Angaben von Längen und Gewichten bei Fischen nebeneinander gestellt werden. Es seien einige Beispiele aus Brehms Tierleben (4. Auflage) angeführt. Die störartigen Fische haben ein Metergewicht von 8—10 kg. Wenn nun angegeben wird, daß der Hausen 9 m lang und bis zu 1400 kg schwer wird, so ist eine dieser Angaben sicher falsch. Wird er 9 m lang, so muß das Gewicht 5800 bis 7300 kg betragen, beträgt das Gewicht nur 1400 kg, so kann die Länge nur 5,2 bis 5,5 m sein. Ein Gewicht von 1400 kg bei 9 m Länge würde ein Metergewicht von 1,92 kg ergeben, also eine Form, so schlank wie ein Aal. Wenn als abnorm sroßer Karpfen ein solcher von 1,5 m und 35 kg erwähnt wird, so hätte er damit ein Metergewicht von nur 10,4 kg, wäre also so schlank wie ein Lachs, während bei 35 kg höchstens eine Länge von 1,28 m zu erwarten wäre (Metergewicht 16,4). Wenn aber daneben zu lesen ist, es solle auch einmal ein Karpfen von 2,5 m Länge und auch nur 35 kg Gewicht gefangen sein, sokann diese Angabe nicht richtig sein, denn das würde einem Metergewicht von 2,23 kg also einer Schlankheit entsprechen, die zwischen Aalmännchen und Aalweibchen steht. Beim Schwertfisch wird erwähnt daß die durchschnittliche Länge 2,5—3 m und das entsprechende Gewicht 150 bis 200 kg sei, das entspricht einem Metergewicht von 8,3 kg und ist sicher eine richtige Angabe, wenn aber daneben einem Schwertfisch von 5 m nur 350 kg zu- 21: 324 A. Pütter: Für die Fische, deren Wachstumskurven im ‚vorstehenden berechnet worden sind, haben wir genaue Angaben über das Metergewicht. Daß die beobachteten und berechneten Werte für die Gewichte in der Tat recht gut übereinstimmen, zeigt die folgende Tab. 22 für die Scholle. Tabelle 22. Scholle: Gewicht in g Jabzesklazse beobachtet berechnet 0 — 1,25 1 15 16,4 II 74 73 III 147 156 IV 231 285 V | 447 447 VI 664 640 VII 942 833 VIII hell 1050 IX 1288 1265 R 1447 1485 XI 1619 1740 XI 1710 1940 Eine so einfache Beziehung zwischen einer empirisch meßbaren Länge und dem Gewicht, wie sie sich bei den Fischen findet, erleichtert uns aber nicht überall die Betrachtung der Wachstumsvorgänge. Das gewöhnliche ist vielmehr, daß sich mit der Zunahme der Größe eine Veränderung der Proportionen vollzieht, so daß große und kleine, d. h. in diesem Falle alte und junge Tiere derselben Art einander durchaus nicht immer geometrisch ähnlich sind. Sobald dabei die geometrische Ähnlichkeit nicht gewahrt ist, ist eine bestimmte homologe Länge kein Maß mehr für das Gewicht. Bei Tieren, bei denen die geometrische Ähnlichkeit gewahrt bleibt, ist es grundsätzlich ganz gleichgültig, welche Länge man als Maßstab wählt, alle sind gleich geeignet dazu, die Körperlänge ebenso wie die Länge bestimmter Strecken an den Schuppen (Hjort). Bei Tieren, die einander nicht geometrisch ähnlich sind, ist ebenso grundsätzlich keine gebilligt werden (d. h. ein Metergewicht von 2,8") so kann das nicht stimmen. Einer Länge von 5 m entspricht ein Gewicht von 1030 kg. Die Zahl solcher Unstimmig- keiten ist recht erheblich, sie sollen nicht alle angeführt werden. Es wäre aber er- ‚wünscht, daß in Zukunft diesen quantitativen Verhältnissen etwas mehr Auf- merksamkeit geschenkt würde. Mit deutlichem Mißtrauen teilt der Verfasser die Angabe des alten norwegischen Bischofs Gunner mit, daß die Leber des Riesenhai ein Gewicht von 1000 kg erreiche. Diese Angabe verdient durchaus Vertrauen, denn der Riesenhai wird 12 m lang, hat nach seiner Gestalt und den Erfahrungen mit kleineren Haien sicher ein Metergewicht von 10 kg, erreicht also 17 300 kg Gewicht. Eine Leber von 1000 kg würde dann 5,8%, der Tiergewichts ausmachen, was eine ganz zutreffende Angabe sein dürfte. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 325 meßbare Länge als Maßstab geeignet, die Standhöhe z. B. ebensowenig, wie die Sitzhöhe (Pirquet). Daraus ergibt sich eine Schwierigkeit, wenn wir versuchen, auch für Tiere, die unter Veränderung ihrer Proportionen wachsen, Wachs- tumskurven zu berechnen. Einerseits zeigt uns die Theorie, daß ein- fache Beziehungen zwischen Größe und Wachstumszeit nur dann zu erwarten sind, wenn wir die Lineardimension als Maß der Größe wählen, andererseits können wir keine Länge messen, die eine zur ‘Messung der Größe geeignete Lineardimension darstellt. Eine einfache Überlegung hilft aber über diese Schwierigkeit hinweg: Wir brauchen ja nur die Lineardimension, nach der wir suchen, aus der Masse abzuleiten, in dem wir als Lineardimension die dritte Wurzel aus dem Gewicht setzen. Die Gleichung Pal —G gilt für jedes Tier, nur bedeutet Z nicht, wie bei den Fischen, die meß- bare Körperlänge, sondern die ideale Längeneinheit. In: welchem Maßstabe wir diese Einheit ausdrücken, ist an und für sich ganz gleichgültig, da wir aber den Zweck der Vergleichung ver- schiedener Tiere verfolgen, empfiehlt sich eine Festsetzung, die Tieren von gleichem Gewicht auch stets dieselbe Länge zuordnet, gleichviel ob es Fische oder Säugetiere sind. Ein Fisch von 10 kg Gewicht hat im allgemeinen eine Länge von 100 cm, wenn wir an die große Zahl der guten Schwimmer denken, deren Metergewicht etwa 8 bis 12 ist. Es wird sich also empfehlen auch für ein Säugetier von 10 kg Gewicht eine Lineardimension von 100 festzusetzen, um so einen unmittelbaren Anschluß zwischen den Längen- angaben für Fische und den Angaben der idealen Lineardimensionen für andere Tiere zu erreichen. Genau genommen müßten wir natürlich auch bei Fischen, die nicht das Metergewicht 10 kg haben, ihre gemessene Länge in eine ideale Länge umrechnen. Die Scholle hat ein Metergewicht von 10, der Hering nur von 8,45kg. Ein Hering von l1Okg wäre also 105,5 cm lang, während seine ideale Länge nur 100 ist. Sobald Fische von sehr verschiedenem Metergewicht verglichen werden sollen, wird es sich auch tatsächlich empfehlen, die Umrechnung auf die ideale Länge vorzunehmen. IV. Theoretische Längenwachstumskurven. Als erstes Beispiel für eine theoretische Längenwachstumskurve wähle ich die der weißen Ratte. Über die Gewichte liegen zahlreiche Messungen von Donaldson vor, die Brailsford Robertson!) be- 1) T. Brailsford Robertson, On thenormal rate of growth of an individual, and its biochemical significance. Archiv f. Entwicklungsmech. d. Organismen 25, 581—614. 1908. 396 A. Pütter: nutzt hat, um seine Theorie zu belegen, daß der Verlauf der Massen- zunahme im Wachstum dem Verlauf einer autokatalytischen Reaktion entspräche. Die Übereinstimmung, die er zwischen seiner theoretischen Gleichung und den Beobachtungen erziehlt, ist sehr schlecht. Ich gehe auf eine nähere Diskussion der Möglichkeit, das Wachstum als Auto- katalyse darzustellen, nicht ein, da mein ablehnender Standpunkt dieser Auffassung gegenüber aus den Erörterungen in den vorigen Kapiteln genügend hervorgeht. Die folgende Tabelle ist berechnet nach der Gleichung: _ 0,425 = 30.01 — 0,741e 3% ) Tabelle 23. Weiße Ratte. Linear- berechnete Li- | berechnetes Alter beobachtetes Gewicht in g post partum dimension neardimension Gewicht in in Tagen weiblich männlich A y g 0 5,4 5,2 8,12 8,12 5,4 10 12,2 12,1 10,7 10,75 12,4 21 21,2 22,6 12,8 13,6 25,2 3l 31,8 32,9 14,6 15,8 39,5 40 42,2 43,7 16,1 17,5 53,8 55 68,5 68,4 19,0 . 19,9 79,0 61 81,7 78,4 20,1 20,8 90,0 70 106,6 99,8 22,0 22,0 107 82 125 0, 124,7 2 23,3 127 92 152,3 139,6 24,7 24,2 141 102 168,8 152,4 25,6 25,0 157 112 183,8 160,2 26,4 25,7 170 124 197,3 170,7 27,0 26,5 186 138 209,7 — 211,5 27,5 209,7 150 225,4 ar 28,2 27,6 2311 164 231,4 — 28,5 28,0 220 178 239,4 en 28,7 28,5 232 216 252,9 — 29,2 29,3 252 256 265,4 — 29,8 29,7 263 365 279,0 — 30,2 30,2 279 Hier bedeutet 30,4 die theoretische Grenzlänge, entsprechend einem Gewicht von 282g. Der Faktor 0,741 ergibt sich aus dem gewählten Anfangspunkt, bei dem die Lineardimension 8,12 beträgt. Da die Zeit tin diesem Falle in Tagen ausgedrückt ist, muß der Zahlenwert von c, den wir hier 0,425 setzen, mit 365 multipliziert werden, um ihn mit den Zahlen vergleichbar zu machen, die wir oben für die Fische ermittelt haben, bei denen das Jahr als Einheit galt. Es ist also c—l53 Die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ist "Studien über physiologische Ähnlichkeit. 327 befriedigend, die Abweichungen gehen nirgends über die Größe der möglichen Fehler der Beobachtung hinaus, sie sind erheblich geringer als bei Brailsford Robertsons Berechnungen. Immerhin ist die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Rechnung lange nicht so gut, wie sie es für die Fische in den meisten Fällen war. Als zweites Beispeil mag das Wachstum des Kaninchens betrachtet werden. Die Zahlenangaben entnehme ich Friedenthals!) Physiologie des Wachstums. Wenn ich das Alter in Tagen nach der Geburt angebe, so soll das nicht eine Ablehnung der sehr berechtigten Zählung Frieden- thals von der Befruchtung aus sein. Der Punkt, den ich als Anfangs- punkt wähle (2 Tage post partum), ist durchaus willkürlich gewählt, denn es handelt sich hier nicht darum, den ganzen Verlauf des Wachs- tums zu verfolgen, sondern nur einen Abschnitt, für den die Annahme zutreffen dürfte, daß während seiner Dauer das Verhältnis von 42 zu 43 maßgebend für das Wachstum ist. Daß der Zeitpunkt der Geburt weder ein ausgezeichneter Punkt der Wachstumskurve ist, noch bei den ver- schiedenen Säugetieren einen vergleichbaren Punkt darstellt, sei nur betont, um Mißverständnissen vorzubeugen. Auch für das Wachstum der Fische haben wir ja willkürliche An- fangspunkte gewählt. Von Einfluß auf das Resultat ist diese Wahl nicht, sie beeinflußt nur die Größe der Integrationskonstante &, in der die gewählte Anfangsbedingung zum zahlenmäßigen Ausdruck kommt. Der sachliche Sinn dieses Verfahrens ist der, daß über Zu- stände, die vor dem gewählten Anfangspunkt liegen, nichts durch die Gleichungen ausgesagt werden soll. Die Berechnung für das Kaninchen erfolgt nach der Gleichung: = ss|ı 2208 s) Die theoretische Länge 85 entspricht einem Gewicht von 6100 9. Der Wert von c ist, wie oben entwickelt, für Vergleichszwecke gleich 0722365 = 255 zu setzen. Die Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung ist für 55 und 140 Tage nicht gut, die Gleichung stellt nur den allgemeinen Verlauf des Wachstums in groben Zügen dar. Ob bei reicherem Beob- achtungsmaterial die Unterschiede zwischen den beobachteten und berechneten Werten größer oder geringer werden würden, muß dahin- gestellt bleiben, es muß aber auf alle Fälle damit gerechnet werden, daß eine Gleichung von so einfachem Bau den wirklichen Wachstums- verhältnissen nicht gerecht werden kann. 1) Hans Friedenthal, Allgemeine und spezielle Physiologie des Menschen- wachstums. Berlin 1914. J. Springer. S. 59. 3238 A: Pütter: Tabelle 24. Kaninchen. Alter Beobachtetes Linear- Linear- Gewicht in post partum | Gewicht in dimension dimension g Tage @ n en berechnet 2 51,0 17,1 17,1 51,0 5 71,7 19,2 19,6 75,5 10 120 22,8 22,1 108 30 186 26,4 26,4 186 55 1000 46,4 41,9 731 140 3500 70,5 63,2 2520 330 5000 79,5 80,2 5130 500 6000 84 34 6000 . Die Unzulänglichkeit dieser einfachen Gleichung tritt deutlich her- vor,. wenn man versucht, die Wachstumskurve der Menschen durch sie darzustellen. . Die verwickelten Verhältnisse, die in den mehrfachen Krümmungsänderungen der Wachstumskurve auch dann zum Aus- druck kommen, wenn man die’idealen Lineardimensionen anstatt der Gewichte als Funktion der Zeit darstellt, lassen eine Analyse dieser Wachstumskurve z. Z. noch nicht zu. V. Die Messung der Wachstumsgeschwindigkeit. In den beiden folgenden Tabellen 25 und 26 sind für Hering und Scholle aus den Längen die Gewichte berechnet, wobei für den Hering ein Metergewicht von 8,45 kg, für die Scholle von 10,0 kg ange- nommen ist. Tabelle 25. Scholle. B, \ 2 \ Jährlicher Zuwachs Jahresklasse Se NZ De Br an Länge an Gewicht |in Proz. des An- cm g fangsgewichtes 0 DIR 1525 I 12,2 16,4 7,2 15,15 - 1210 II 19,4 73 72 56,6 345 III 25,0 156 5,6 83 114 IV 30,5 285 5,5 129 82,5 V 35,5 447 5,0 162 57,0 VI 40,0 640 4,5 193 43,4 VIl 43,6 833 3,6 193 30,2 VIIL 41,2 1050 3,6 217 26,0 IX 50,2 1265 3,0 215 20,5 X 53 1485 2,8 220 17,4 - XT 55,8 1730 2,8 245 16,5 XII 38 1940 2,1 210 11% XIII 63,4 2550 1,8 203 - 10,4 xXX 69,7 3360 1,26 162 6,33 XXV 72,0 3720 0,46 12 2,14 XXXVIN 76,8 4500 0,37 60 1,33 Studien über physiologische Ähnlichkeit. 329 Tabelle 26. Hering. L Gewicht in |Längenzuwachs| Gewichtzu- | Gewichtszunahme ‚ Alter Länge in g pro Jahr nahme pro Jahr |pro Jahr in Proz. in Jahren cm G=Z2 - 0,00845 cm g d. Anf.-Gewichtes I 9,6 7,45 II 16,9 41,0 7,2 | 33,55 464 III 22,1 98,0 5,9 57,0 139 IV 26,3 155 3,5 . 57,0 58 IV 29,4 215 1352 60,0 38,6 VI 31,5 263 - 7 48,0 22,3 VII 33,1 308 1,6 45,0 za VIII 34,2 339 151 31,0 10,1 IX 35,2 370 1,0 31,0 - 9,19 X 36,0 395 0,8 25,0 6,75 XT 36,3 405 0,3 10,0 2,53 XTI - 36,6 415 0,3 10,0 2,46 XTIL 36,8 422,5 0,2 725 N 1,80 XIV 37,0 430 0,2 7,5 1,76 XV 37,2 436 0,2 6,0 1,40 Diese beiden Tabellen können als Grundlage zur Behandlung der Frage dienen, welches Maß für das Wachstum gebraucht werden kann. In der Literatur finden sich recht verschiedene Versuche, die Größe des Wachstums zu messen. Man kann zunächst ganz empirisch den absoluten Zuwachs pro Jahr (oder für eine andere Zeiteinheit) angeben. Da fragt es sich, ob man den linearen Zuwachs oder die Gewichtszunahme wählen soll. ‚ Der absolute Zuwachs in der Länge pro Jahr nimmt bei einem Wachs- tum, das der oben verwendeten Gleichung folgt, von Jahr zu Jahr ab, wie aus dem vierten Stab der Tabellen zu ersehen ist. Wollten wir den absoluten Längenzuwachs in der Zeiteinheit als Maß der Wachstums- geschwindigkeit verwenden, so würden wir sagen müssen, die Ge- schwindigkeit sei im ersten Jahr am größten und werde dauernd geringer. Wählt man dagegen den absoluten Gewichtszuwachs pro Jahr als Maß der Wachstumsgeschwindigkeit, so findet man, wie die fünften Stäbe der Tabellen zeigen, daß dieser Wert nicht im ersten, sondern erst in einem späteren Wachstumsjahr am größten wird. Beim Hering wird im fünften, bei der Scholle im elften Jahr die jährliche Gewichts- zunahme am größten. Wir würden also sagen, daß die Wachstums- geschwindigkeit bei ihnen durch eine Anzahl Jahre zunimmt, dann erst ein Maximum erreicht und darauf geringer wird. Sedgwick Minot!) hat noch ein anderes Maß für die Wachstums- geschwindigkeit gewählt, nämlich die Gewichtszunahme pro Zeitein- heit, ausgedrückt in Prozenten des Anfangsgewichtes des Zeitabschnit- t) Charles Sedgwick Minot, Moderne Probleme der Biologie. Jena 1913. S. 58 ff. 330 A. Pütter: tes. Die Zahlen, die man auf diese Weise erhält, finden sich in dem letzten Stabe der Tabellen 25 und 26. Wählen wir diesen prozentualen Zuwachs als Ausdruck für die Wachstumsgeschwindigkeit, so finden wir wieder, daß sie im ersten Lebensjahr — allgemeiner: im Beginn des Wachstums — am größten ist und dann zuerst rasch, darauf langsamer mit der Zeit abnimmt. Es ist nur eine etwas andere Ausdrucksweise, wenn man nicht den prozentualen Zuwachs in einer bestimmten Zeit, sondern die Zeit eines bestimmten prozentualen Zuwachses, z. B. die Zeit der Gewichtsverdoppelung als Maß für die Wachstumsgeschwindig- keit wählt. Auch in diesem Falle würde man behaupten, daß die Ge- schwindigkeit zu Anfang der Wachstums am größten wäre und mit der Zeit immer geringer würde. Wird irgendeiner dieser Maßstäbe der Wachstumsgeschwindiskeit den Anforderungen gerecht, die wir an ihn stellen müssen ? Es ist leicht zu zeigen, daß sie alle ungeeignet sind, das zum Aus- druck zu bringen, was der Begriff der Wachstumsgeschwindigkeit aus- sagen soll. Alle diese Zahlen messen ja nur den Zuwachs, und gar nicht die Wachstumsgeschwindigkeit, d. h., die Geschwindigkeit, mit der neue arteigene Substanz entsteht und zu der spezifischen Struktur der Art zusammengefüst wird. Der Zuwachs ist die Differenz zwischen der Menge der neu aufgebauten und der in derselben Zeit zerfallenden Substanz. Beim ‚erwachsenen‘ Tier halten sich die Vorgänge des Auf- baus und Zerfalls das Gleichgewicht, d.h., wir nennen ein Tier erwachsen, wenn Gleichgewicht zwischen den beiden Vorgängen eintritt. Es hören aber die Vorgänge, die das Wachstum kennzeichnen, keineswegs mit dem Ende des Zuwachses auf. Wenn wir von Wachstumsgeschwindigkeit sprechen, so wollen wir damit eine elementare physiologische Eigenschaft eines lebenden Systems kennzeichnen und nicht den äußerlich sichtbaren Erfolg, der dadurch beeinflußt wird, daß gleichzeitig mit den Vorgängen des Wachstums noch ganz andere Prozesse ablaufen, in denen Teile des lebenden Sy- stems zugrunde gehen. Die Wachstumsformel, mit der wir eine so vollkommene Darstellung der Wachstumsverhältnisse des Herings und der Scholle geben können, beruhen nun auf der Voraussetzung, daß die Wachstumsgeschwindig- keit, bezogen auf eine Größe von der Dimension der Fläche, konstant sei. Oder mit anderen Worten, wir haben angenommen, daß die spezifische elementare Fähigkeit neue arteigene Substanz auf- zubauen und ihr die spezifische räumliche Anordnung (Struktur) zu erteilen, die die Art kennzeichnet, sich während der ganzen Wachs- tums überhaupt nicht ändert, daß sie sich aber mit zunehmender Größe deshalb in geringerem Maße betätigt, weil in der Zeiteinheit weniger Material zum Aufbau zur Verfügung steht, da die abnehmende Studien über physiologische Ähnlichkeit. 331 Oberflächenentwicklung weniger Stoffe dahin gelangen läßt, wo sie — mit unverminderter Geschwindigkeit — im Wachstumsstoffwechsel verbraucht werden. Bei einem Wachstumsverlauf, der auf Grund einer solchen Voraus- setzung berechnet ist, zeigt sich die Abnahme der Zuwachsgeschwindig- keit mit zunehmendem Alter genau so, wie man sie empirisch erhält, wenn man den absoluten Längenzuwachs oder den prozentualen Ge- wichtszuwachs als Maß der Geschwindigkeit "benutzt. Die Formel, die wir für das Wachstum gefunden haben, erlaubt uns aber in viel einfacherer Weise die Zuwachsgeschwindigkeit zu messen, als es die empirischen Methoden ermöglichen, die bisher angewandt wurden. Der Ausdruck —- ‚der in den Wachstumsgleichungen als Beizahl der Zeit i auftritt, ist ein Maß für die Geschwindigkeit des Zuwachses. In ihr ist implizite alles das enthalten, was man zum Ausdruck bringt, wenn man entweder die absolute jährliche Längenzunahme oder die absolute jährliche Gewichtszunahme oder die prozentuale Gewichts- zunahme pro Zeiteinheit oder die Zeit der Gewichtsverdopplung be- rechnet. Wenn man nicht die wirkliche Wachstumsgeschwindigkeit sondern die Zuwachsgeschwindigkeit messen will, so ist in allen den Fällen, die sich durch unsere Gleichung darstellen lassen, nur eine Zahl nötig, die c Rn: . Das ist ein Vorteil gegenüber den bisherigen schwerfälligen Methoden, deren Angaben stets nur für einen bestimmten Zeitpunkt gelten und daher für jedes Lebensalter besonders angegeben werden müssen. Unser Ziel ist aber noch: weiter gesteckt, wir wollen nicht nur die Zuwachsgeschwindigkeit messen, sondern die beiden Größen, die in ihr stecken, die Geschwindigkeit des Wachstums-und die Geschwindiskeit der Abnutzung. Es handelt sich also um die Bestimmung folgender zwei Größen: 1. Einer Größe, die die Geschwindigkeit mißt, mit der das betreffende lebende System im Abnutzungsstoffwechsel zugrunde geht, und 2. einer Größe, die die Geschwindigkeit mißt, mit der der Aufbau neuer arteigener Substanz erfolgt, die, zu spezifischer Anordnung zu- sammengefügt, neue Teile des lebenden Systems bildet. Diese Zahl soll die Geschwindigkeit der aufbauenden Tätigkeit so zum Ausdruck bringen, wie sie sich bei optimaler Zufuhr von Nahrungsstoffen stellen würde, d.h. unabhängig von der jeweiligen Größe des Tieres, durch die ja der Zufluß von Nahrungsstoffen in gesetzmäßiger Weise (proportional A!) immer mehr eingeschränkt wird. Um diese beiden Größen zu bestimmen haben wir zwei Zahlenangaben: Zuwachszahl im Verhältnis zur Grenzgröße, d. h. der Ausdruck 332 A. Pütter: 1. Die Grenzgröße, der das- - betreffende Tier zußkfehr und 2. die Geschwindigkeit, mit der es dieser Grenzgröße zustrebt. Wie wir oben entwickelt haben kommt in der größten Länge des Tieres — wir nennen sie L — das Verhältnis der beiden Geschwindig- keiten des Aufbaus und Abfalls zum Ausdruck. Wir bezeichneten die Zahl, die die Geschwindigkeit des Aufbaus pro Flächeneinheit mißt mit %, die Zahl die den Abbau pro Masseneinheit mißt mit % und erhielten die Gleichung L= oder k=L:Kk. [4 In der Wachstumsgleichung fanden wir einen Ausdruck für die Geschwindigkeit des Zuwachses. Die Beizahl der Zeit, durch die wir diese Geschwindigkeit des Zuwachses messen konnten, hätte die C OH & za x R en Gestalt ; .woe eine, Zah bezeichnet, die für die einzelne Tierart unter konstanten Bedingungen charakteristisch ist. Diese Beizahl ist ein Maß für die Größe der Differenz von k und %’, d. h. für die Differenz von Auf- bau und Abbau, denn diese Differenz ist maßgebend für den Zuwachs. Wir erhalten also als zweite Beziehung der Größen k und X’ die Gleichung Dt k—k= L' Setzen wir in dieser Gleichung k = L.%k’, so erhalten wir / DREH a 2 k(L )=z oder Kk’ a VI. Die Vergleichung der Wachstumszahlen. Wollen wir verschiedene Tiere in bezug auf ihr Wachstum vergleichen, so müssen wir aus den Werten von L und c, die die Analyse der Beob- achtungen unmittelbar ergibt, die Zahlen k und %’ ableiten. Erst sie können einer rationellen Vergleichung zugrunde gelegt wer- den. Die folgende Tabelle 27 gibt für die untersuchten Tiere die Zahlen, die zur Vergleichung erforderlich sind. In Tabelle 28 sind dann noch die entsprechenden Zahlen für einige Tiere mitgeteilt, deren Wachstumskurven (aus Mangel an Zahlen- material) nicht genauer analysiert werden konnten, für die aber unge- fähre Überschlagsrechnungen angestellt wurden unter der Annahme, daß für die betrachteten Wachstumsstrecken Ähnlichkeit mit der hier erörterten Form des Wachstums bestünde. Die Zahlen dieser Tabelle sind also mit großer Vorsicht zu verwenden, bei Verarbeitung umfang- reicherer Erfahrungen mögen sie noch manche Änderung erleiden. Die Zahlen, die die Wachstumsgeschwindigkeit messen (die Größen k) sind bei den einzelnen Tieren sehr verschieden. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 333 Vergleichen wir zunächst die Fische untereinander, so ist die Wachs- tumsgeschwindigkeit der Heringe von den Färöer (k = 0,515), 19mal größer als die der Schollen der Barentssee (k — 0,0272). Die Geschwindig- keiten des Abnutzungsstoffwechsels sind noch stärker voneinander ver- schieden. Wieder haben die Färöer-Heringe das Maximum .(k” — 0,0166) und die Schollen der Barentssee das Minimum (k’ —= 0,000285), die Werte verhalten sich wie 58,1: 1,0. Es liest sehr nahe anzunehmen, daß diese Unterschiede zum Teil dadurch bedingt sind, daß die Tiere bei verschiedener Temperatur wachsen. Ein Vergleich zwischen den Schollen der südlichen Nordsee und der Barentssee zeigt sehr deutlich diesen Einfluß. Da das Wachstum in den Sommermonaten stattfindet, muß man die Meerestemperaturen zu dieser Zeit (nicht etwa Jahresmittel) der Vergleichung zugrunde legen. Die Barentssee hat im August Oberflächentemperaturen von 0—4°, die südliche Nordsee solche von 16°. Die Tiere wachsen also bei Tempe- raturen, die um rund 15° verschieden sind. Würden die Unterschiede in der Geschwindigkeit ihres Wachstums nur auf diesen Temperatur- unterschieden beruhen, so könnten wir für die beiden Zahlen k und k’ den Wert der Temperaturkoeffizienten Q,, berechnen. Für die Barentssee ist k = 0,0272 für die südliche Nordsee k = 0,109, das ergibt Q,, = 25; d. h. einen Wert für die Beschleunigung durch die Temperaturerhöhung, die dem van’t Hoffschen Gesetz der Beschleunigung chemischer Reaktionen entspricht. Für %’ berechnet sich Q,, = 2,85, also auch noch innerhalb der Grenzen, die wir für chemische Reaktionen kennen, aber — das ist wichtig — verschieden von dem Wert für die Wachstums- geschwindigkeit. Es ist aber zu bemerken, daß die Schollen der Nordsee bei so niederen Temperaturen, wie sie in der Barentssee herrschen, wohl überhaupt nicht wachsen könnten, daß also doch spezifische Unterschiede (Rassen- unterschiede) vorhanden sein werden. Auf alle Fälle ist zu erwarten, daß die Unterschiede der Wachstums- zahlen (%k und %’) geringer werden würden, wenn alle Tiere bei der gleichen Temperatur lebten, immerhin würden auch dann noch die Unterschiede der Werte von k für die einzelnen Spezies das 3- bis 4fache betragen, und die der Werte %’ würden sogar um das 40fache verschieden bleiben, wenn wir die Abnutzungskonstante %’ für den Dorsch (0,0004—0,00044) mit der des Herings der Färöer (0,0166) vergleichen. Sehr lehrreich ist der Vergleich zwischen dem Wachstum der Forelle im Süßwasser und im Meere. In beiden Fällen erhalten wir für k’ den gleichen Wert, d. h. im Abnutzungsstoffwechsel geht unter den ver- schiedenen Bedingungen des Lebens im süßen und salzigen Wasser stets der gleiche Anteil des Stoffwechsels pro Zeiteinheit zugrunde. Dagegen ist die Wachstumsgeschwindigkeit im Meere 1,66mal so groß wie im 334 A. Pütter: Süßwasser. Ob daran bessere Ausnutzung einer gleichen Nahrungsmenge oder Aufnahme größerer Nahrungsmengen schuld ist, läßt sich ohne direkte Beobachtungen natürlich nicht entscheiden. Zur Vergleichung der Wachstumsverhältnisse Wirbelloser mit denen der Fische liegt kein genügendes Material vor. Die guten Zahlen für den Hummer und die unsicheren für die Flußperlmuschel liegen innerhalb der Grenzen, die für Fische beobachtet sind. Vergleichen wir nun das Wachstum der Säugetiere mit dem der Fische, so sind die Zahlen, die die Wachstumsgeschwindigkeit messen, bei ihnen viel höher, als bei den Fischen. Da ist natürlich sogleich an den Unterschied in der Temperatur zu denken. Die Säugetiere wachsen bei Temperaturen heran, die 20—25° höher liegen, also die, bei denen die Fische der Nordsee wachsen. Könnten Fische bei diesen hohen Temperaturen wachsen, so würden wir erwarten, ihre Wachstumsge- schwindigkeiten um das Sechsfache oder sogar Zehnfache höher zu finden. Wir finden die Werte von k bei den Säugetieren 10—28 mal so hoch, als bei den Fischen, wenn wir rechnen: Für Fische bei ca. 15° k = 0,06 bis 0,515; für Säugetiere bei ca. 37° k = 1,69 bis 5,3. Ein sehr bedeutender Teil dieser Unterschiede würde also forttallen, wenn wir bei gleichen Temperaturen vergleichen könnten. Die Unter- schiede, die dann noch bestehen bleiben, würden innerhalb der gleichen Grenzen eingeschlossen sein, die wir schon bei Vergleichung der Fische untereinander fanden. Für die Geschwindigkeit des Abnutzungsstoffwechsels gilt dasselbe, sogar in noch höherem Grade, denn wir können etwa rechnen: für Fische bei ca. 15° % = 0,0004—0,0166, für Säugetiere bei ca. 37° k’ — 0,0052—0,174, also Unterschiede, die das 13fache nicht überschreiten. Diese Andeutungen einer Vergleichung der Wachstumszahlen ver- schiedener Tiere können erst weiter ausgestaltet werden, wenn ein größeres Material vorliegen wird. Sie sollen nur den Weg zeigen, wie solche Vergleichungen sinngemäß durchgeführt werden können. Schon jetzt kann man ersehen, daß die spezifischen Unterschiede zwischen sehr verschiedenen Tieren nicht so groß sind, wie man auf den ersten Blick denken sollte, daß vielmehr die Größenordnung der Fähigkeit, neue arteigne Substanz zu bilden und zu der spezifischen Struktur zusammen- zufügen bei sehr verschiedenen Tieren, bei Muschel, Hummer, Hering und Scholle, Dorsch, Forelle usw. dieselbe ist, wie bei Ratte, Kaninchen, Schaf, Schwein und Rind. Größer scheinen die Unterschiede im Ab- nutzungsstoffwechsel. Finden wir bei Fischen Unterschiede wie 1:40, so können wir nicht mehr davon sprechen, daß diese Eigenschaft bei den verschiedenen Tieren von derselben Größenordnung wäre. In ihr Studien über physiologische Ähnlichkeit. 335 Tabelle 27. Zahl der Maß für die Ge-| Maß für die Ge- Grenzlänge Trade: schwindigkeit | schwindigkeit Tierart \ { L geschwindigkeit des Aufbaues des Abbaues In cm e k= SR" Be c DER) ZE=1) Emmera... | 60 5,7 0,0965 0,00161 Hering: | a) Britische Gewässer . 29 8,6 0,307 0,0106 b) Rattegat .. - . - | 30 7,2 0,248 0,00829 EIERAEOTS . .i. 21... 3l 15,5 0,515 0,0166 Delsland‘.. ... ....0- | 39 11,0 0,290 0,00741 e) Norwegen... . : 39 7,0 0,184 0,00472 Schellfisch . . : . . . 120 10,2 0,0856 0,000711 Dersene See | 150 9,0 0,0603 0,000403 a) Norwegen... . . | 150 9,8 0,0660 0,000440 b) Firth of Forth. . . 150 24,0 0,161 0,001075 Scholle: 3a) Südl. Nordsee 15—16° 78 8,4 0,109 0,0014 b) Barentssee 0-—4°. . 95 2,56 0,0272 0,000285 GWOSTLEEN 21. 0.% 40 7,28 0,186 0,00464 Forelle: | a) Süßwasser... . . | 60 6,0 0,102 0,00170 Pelleer su... u. | 98 16,4 0,1685 0,00172 abe nal.t I 30,4 155 5,28 0,174 Kaninchen. =. .:... | 85,0 255 3,04 0,0357 Tabelle 28. | c c @ e F | gen ee) Flußperlmuschel . . . 21,5 0,325 0,0159 0,00074 Karpenl. 12. .... 100 16,5 0,168 0,00168 sel. 2 60 12,2 0,206 0,00343 DCHaTn....c > Ba7 298 1,69 0,00955 Schweinen, 246 486 1,99 0,0082 Iitaal oo 342 620 1,82 0,0052 scheinen spezifische Eigentümlichkeiten viel stärker zum Ausdruck zu kommen, wie in der Wachstumsgeschwindigkeit, aber auch in bezug auf diese Eigenschaft finden wir Tiere derselben Klasse (Fische) unter- einander nicht weniger verschieden, als diese Tiere von solchen anderer Klassen (Säugetiere) oder gar Stämme (Krebse, Mollusken). VI. Geltungsgrenzen der Wachstumsgleichungen. Die Tatsache, daß sich eine ganze Anzahl von Wachstumskurven durch die einfachen Gleichungen darstellen lassen, die wir in den vorigen Abschnitten entwickelt und angewandt haben, darf nicht zu einer Über- schätzung dieser Ableitungen verführen. Die Gleichungen sind unter 336 A. Pütter: ganz bestimmten Voraussetzungen entwickelt, und nur soweit diese zutreffen, können sie gültig sein. | Die erste Einschränkung ihrer Gültigkeit liegt i in der Wahl der An- fangsbedingung. Nirgends haben wir das Wachstum von seinem Besinn an durch die Gleichungen dargestellt, sondern immer nur von einem Punkte aus, der mehr oder weniger weit von dem Zustande der ersten Furchungszelle entfernt liegt. Wir können also nicht behaupten, daß die ersten Stücke der Wachstumskurven demselben Gesetz folgen. Der Anfangspunkt ist willkürlich gewählt, seine Wahl hing entweder davon ab, daß wir über jüngere Stadien kein Beobachtungsmaterial hatten, oder davon, daß wir nur solche Stadien zur Untersuchung heran- ziehen wollten, die einander geometrisch ähnlich sind, so daß die ,‚ für das Verhältnis von Inhalt und Oberfläche, darstellt. Für die ersten Entwicklungsstadien gilt nun bei keinem Tier diese geometrische Ähnlichkeitsbeziehung, so daß die Gleichung in dieser Form nicht auf sie angewendet werden darf. Die zweite Einschränkung der Gültigkeit der Gleichung liest darin, ' daß wir bei ihrer Entwicklung ein ganz bestimmtes Verhältnis des Be- triebsstoffwechsels zur Lineardimension angenommen haben. Wir setzten ja an, daß seine Größe dem Quadrat der Lineardimension, also einer Größe von der Dimension der Fläche, proportional sei, während der Abnutzungsstofiwechsel proportional der dritten Potenz von A, d.h. proportional dem Gewicht sei. Nur unter dieser Voraussetzung ergab sich die einfache Bedingung für die Grenzgröße, gemessen durch die Lineardimension. Diese Voraussetzung trifft aber keineswegs bei allen Tieren zu. So ist der Sauerstoffverbrauch der Kieselschwämmel) ihrer Masse proportional und für sie läßt sich daher aus dem Verhältnis von Bau- und Betriebsstoffwechsel überhaupt keine Bedingung für die erreichbare Grenzgröße ableiten. Auch für die Insekten scheint der Stoffwechsel eher der dritten als der zweiten Potenz der Lineardimen- sion proportional zu sein, wahrscheinlich aber in viel verwickelterer Abhängigkeit von der Länge zu stehen, so daß auch für sie die Grund- lage der entwickelten Gleichungen nicht zutrifft. Aber auch bei Wirbeltieren und Krebsen ist es nicht sicher, daß der Ansatz über das Verhältnis der Betriebsstoffwechsels zur Lineardimen- sion allgemein gilt. Weder für die ganz frühen Entwicklungsstadien können wir seine Gültigkeit sicher behaupten, noch für die ganz großen erwachsenen Tiere. Es könnte sehr wohl sein, daß bei den ersten Schritten der Entwick- lung der Betriebsumsatz ebenso wie der Abnutzungsstoffwechsel pro- ı) A. Pütter, Der Stoffwechsel der Kieselschwämme. Zeitschr. f. allg. Phy- siol. 16, 65—114. 1914. Studien über physiologische Ähnlichkeit. .337 portional der Masse wäre. 'Träfe diese Annahme zu, dann müßten wir zunächst einen Abschnitt der Entwicklung bekommen, in dem der Zuwachs der Masseneinheit pro Zeiteinheit konstant wäre. Das würde aber bedeuten, daß sich.die ersten Entwicklungsstadien so verhalten würden, wie eine Bakterienkultur, die sich — ungehemmt durch Nah- rungsmangel oder Anhäufung von Stoffwechselprodukten — vermehrt, ‘ Nach einer gewissen Zeit, sobald eine bestimmte Größe erreicht ist, würde dann entweder die Anhäufung von Stoffwechselprodukten oder die Begrenzung des Zuflusses der Nahrungsstoffe als ‚„‚begrenzender Faktor‘ auftreten. Solange die Wachstumsgeschwindigkeit noch nicht durch das Verhältnis von Oberfläche und Inhalt begrenzt wird, hat es keinen Sinn, die Lineardimension als Funktion der Zeit darzustellen, sondern für diesen Teil der Wachstumskurve muß man sinngemäß die jeweilige Masse als Funktion der Zeit betrachten. Käme die Anhäufung von Stoffwechselprodukten nicht in Betracht, so müßte die jeweilige Masse ausgedrückt sein durch die Gleichung g=& et. Hier bedeutet g das Gewicht, zur Zeit t, x das Anfangsgewicht und k den Vermehrungsfaktor, der zunächst als konstant anzusetzen wäre. Häufen sich die Stoffwechselprodukte an, so muß % kleiner werden, denn um so langsamer erfolgt die Massenzunahme, Als Beispiel eines Wachstums, das näherungsweise diesen Typus zeigt, sei das der Raupen des Seidenspinners erwähnt. Der Vermehrungsfaktor % würde, nach der obigen Gleichung be- rechnet, für die fünf Abschnitte der Entwicklung folgende Werte Abschnitt I Dauer 175 Stunden % = 0,0133 ” II a) ” k = 0,01062 ip TE ANLSO » k = 0,0099 % Van ©1165 = k = 0,0100 = V a rt ” k = 0,0083 Berechnen wir die Gewichte, indem wir das Ende des ersten Wachs- tumsabschnitts als Anfangspunkt wählen, so erhalten wir nach der Gleichung x = 4,734 e'"! die folgenden Zahlen: Gewicht in mg Zn aunden ST eohackket3) berechnet 0 4,734 4,734 159 25,57 23,6 309 114,05 ° 103 474 - 514,17 531 651 2220,99 3120 1) Fr. Tangl, Über die Gültigkeit des Rubnerschen Wachstumsgesetzes in verschiedenen Tierklassen. Arbeiten auf dem Gebiete der chemischen Physio- logie 11. Heft (N. F., 6. Heft) 1919, S. 87—106. Pfügers Archiv f..d. ges. Physiol. Bd. 180. 2 338 A. Pütter: Der Seidenspinner verhält sich während dieser Zeit in bezug auf die Massenzunahme in der Tat nicht viel anders, wie eine Bakterienkultur, die sich unter konstanten Bedingungen vermehrt. Es findet in etwa 70 Stunden immer eine Verdoppelung des Gewichtes statt. _ Wie die Begrenzung des Wachstums erfolgt, ist nicht sicher zu sagen, nur die langsame Abnahme des Wertes von k mit der Zeit deutet darauf hin, daß sich doch die Bedingungen des Stoffumsatzes allmählich ver- schieben und so eine Wachstumshemmung bewirken. Jedenfalls aber liegen die Verhältnisse ganz anders als bei den wachsenden Fischen oder beim Hummer. Für den menschlichen Embryo könnte man in den ersten Wochen der Entwicklung eine entsprechende Kurve berechnen, bei der übrigens k eine stärkere und gleichmäßigere Abnahme zeigt wie beim Seiden- spinner. 2 Die Darstellung dieses Teils der Wachstumskurve soll hier nicht weiter verfolgt werden, denn es fehlt an Daten, die eine Vergleichung für verschiedene Tiere ermöglichen. Es mußte nur besonders darauf hingewiesen werden, daß innerhalb dieses Teils des Wachstums Ähnlich- keiten.oder Unähnlichkeiten bestehen können, über die aus der Ver- gleichung der späteren Wachstumsstadien nichts zu entnehmen ist. VIII. Zur Theorie der physiologischen Ähnlichkeit. Die bisherigen Studien über physiologische Ähnlichkeit galten dem Problem der absoluten Größe. Es wurde untersucht, wie sich die einzelnen Leistungen zahlenmäßig. verändern müssen, wenn sich die absolute Größe eines lebenden Systems ändert. Die eigenartige Voraussetzung, von der wir bei diesen Betrachtungen ausgingen, war die, daß die verschieden großen Tierarten, deren Lebens- äußerungen verglichen wurden, in bezug auf die Beschaffenheit (physi- kalische wie chemische) ihres Stoffbestandes und in bezug auf die Struktur ihrer lebenden Systeme einander gleich wären. Unter dieser Voraussetzung ließ sich dann ableiten, welche Verschiedenheiten im Umfang der einzelnen Leistungen zu erwarten wären, wenn nur die Verschiedenheit der Größe und die damit verbundene Verschiebung der Verhältnisse der Teilvorgänge zueinander die tatsächlich vorhandenen Unterschiede der Leistungen bedingen würden. Diese Art der Ähnlichkeitsbetrachtung führte für jede Leistung oder Eigenschaft zur Aufstellung einer idealen Vergleichsreihe, an der ver- glichen werden konnte, ob sich ein Tier beliebiger Größe einem andern „ähnlich‘ oder ‚„unähnlich“ verhielt. Unter „physiologischer Ähnlichkeit“ war in diesem Fall eine quali- tative Gleichheit der aufbauenden Substanzen und ihrer räumlichen Anordnung zu verstehen. Studien über physiologische Ähnlichkeit. 339 Alle diese Untersuchungen sollten also die speziellen Eigenschaften als Funktion der absoluten Größe darstellen. Bei der Betrachtung der Wachstumsähnlichkeiten handelt es sich um etwas ganz anderes, geradezu Entgegengesetztes. Um es ganz scharf zu formulieren handelt es sich darum: die absolute Größe als Funktion der spezifischen, d.h., für jede Art besonderen, Eigenschaften darzustellen. Wie vertragen sich diese beiden Gesichtspunkte? Ist es nicht ein unlösbarer Widerspruch, das eine Mal die spezifischen Eigenschaften der verglichenen Tiere als gleich anzusetzen und das andere Mal als spezifisch verschieden ? Eine einfache Überlegung wird zeigen, daß sich diese beiden Betrach- tungsarten keineswegs ausschließen, sich vielmehr aufs beste ergänzen. Wenn wir auf Grund der gegebenen biochemischen Möglichkeiten für jede Spezies und in jeder Spezies für jede Zellart besondere streng spezifische Eiweißkörper als wesentliche Bestandteile annehmen, so bedeutet das nicht, daß sich deshalb nun alle diese Zellarten in jeder Hinsicht verschieden verhalten müßten. Die Unterschiede werden vielmehr für große Klassen ‚spezifisch‘ verschiedener Zellarten: derart sein, daß sie nur gegenüber ganz bestimmten Bedingungen erkennbar werden. Alle Eiweißkörper sind durch eine ganze Anzahl von Reaktionen ausgezeichnet, die nur von der allgemeinen Eiweißnatur, nicht von der speziellen Struktur des einzelnen Eiweißkörpers abhängen. Wenn wir weiter ins Einzelne gehen und den Aufbau des Eiweißmoleküls aus be- stimmten Aminosäuren ins Auge fassen, so müssen wir erwarten, große Mengen von Eiweißkörpern zu finden, an deren Aufbau sich die gleichen Aminosäuren in gleichen Mengenverhältnissen beteiligen und die doch „spezifisch“ verschieden sind durch die Art und Weise, wie diese Bau- steine angeordnet sind. Nur in dem Verhalten gegen ganz bestimmte Bedingungen können diese Verschiedenheiten zum Ausdruck kom- men, der überwiegenden Zahl der Bedingungen gegenüber werden sich ‘ die spezifisch unterschiedenen Körper doch so verhalten, als ob sie ganz gleich wären. Wenn wir also in den früheren Ähnlichkeitsbetrachtungen fanden, daß sich eine Anzahl von Leistungen verschieden großer Tiere so ver- hielten, als ob die Tiere gar nicht spezifisch voneinander verschieden wären, so können wir diese Einsicht auch so ausdrücken, daß wir sagen: die spezifischen Unterschiede, die zwischen’ den verschiedenen Tier- arten bestehen, machen sich in bezug auf eine ganze Anzahl von Lei- stungen nicht bemerkbar. Diese Leistungen werden von dem spezi- fisch verschiedenen Substrat der Lebensvorgänge in ganz glei - eher Weise vollbracht. Die quantitativen Unterschiede, die wir in bezug auf solche ‚ähnlichen‘ Leistungen beobachten, sind nicht be- 22* 340 A. Pütter: Studien über physiologische Ähnlichkeit. dingt durch die tatsächlich vorhandenen qualitativen Unterschiede, sondern nur durch die verschiedene Größe der Tiere und die durch sie bedingten Verschiedenheiten der Proportionen der Teilvorgänge. In der verschiedenen Größe der Tiere aber kommen spezifische Unterschiede zum Ausdruck, ebenso in der Geschwindigkeit, mit der die Tiere unter gleichen Bedingungen dieser Grenzgröße zuwachsen. Wir haben ja gesehen, daß zwei Zahlengrößen, durch die bestimmte physiologische Eigenschaften gemessen werden, maßgebend für die Grenzgröße und die Zuwachsgeschwindigkeit sind. Diese Größen messen einerseits die Geschwindigkeit des Aufbaus neuer lebender Sub- stanz und andererseits die Geschwindigkeit des Zerfalls der lebenden Systeme im Abnutzungsstoffwechsel. Die Grenzgröße fanden wir durch den Quotienten dieser beiden Größen bestimmt, die Zuwachsgeschwin- digkeit durch ihre Differenz. Das Resultat unserer Arialyse der Wachstumsvorgänge war eine Tabelle der Zahlenwerte der beiden Faktoren, aus der hervorging, daß sie bei den verschiedenen Tieren sehr verschieden groß sind. Die physiologische Ähnlichkeit, von der hier die Rede ist, ist also von anderer Art wie die, mit der wir uns in den früheren Studien be- schäftigt haben. Die Ähnlichkeit besteht hier nicht in der Materialgleichheit, sondern nur in der Gleichheit der Gesetze, nach denen aus ver- schiedenem Material verschieden große Tiere mit verschiedener Ge-: schwindigkeit heranwachsen. Ähnlich nennen wir das Wachstum der Tiere, für die sich die ein- fache Beziehung der jeweiligen Länge zur Wachstumszeit bewährt, die wir theoretisch abgeleitet haben. Dieser Ableitung lag die Vor- stellung zugrunde, daß der Aufbau neuer arteigener Substanz von der Stoffzufuhr abhängig sei, und zwar in der Weise, daß die Menge der Substanz, die in der Zeiteinheit aufgebaut wird, proportional 42, dem Quadrat der Lineardimension, ist, während der Zerfall in der Zeiteinheit stets einen bestimmten Prozentsatz des Bestandes ausmacht. Unähnlich dieser Wachstumsart ist das Wachstum in den Fällen, in denen der Stoffumsatz nicht dem Quadrat der Lineardimension proportional ist, sondern etwa der dritten Potenz, wie bei den Schwämmen (für die wir freilich keine Zahlen über das Wachstum haben), oder bei einer Bakterienkultur oder näherungsweise bei der Raupe des Seiden- spinners. ! ? Ähnlich würden wir diese Formen des Wachstums unter sich nennen können, sobald der Nachweis erbracht würde, daß bei ihnen die An- häufung bestimmter Stoffwechselprodukte das Wachstum begrenzt. TEUER TEE Vogelgesang und Wetter, physikalisch - biologisch untersucht. Vorläufige Mitteilung. Von Dr. Albreeht Schwan. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Halle.) (Eingegangen am 9. Januar 1920.) Die Tatsache, daß die Singvögel ihren täglichen Gesang morgens kurz vor Sonnenaufgang beginnen und dabei eine ziemlich feststehende Reihenfolge einhalten, ist schon längere Zeit bekannt. Hat man doch diese Reihenfolge, in der die einzelnen Arten ihren Früh- gesang anstimmen, geradezu als „Vogeluhr‘ bezeichnet. Sie geht dem Sonnenaufgang parallel, zeigt also von Woche zu Woche andere Zeiten an. Als Erster hat Haecker!) während der letzten Jahre über diese Erscheinung eingehendere Beobachturgen angestellt und dabei gefunden, daß je ein bestimmter Helliskeitsgrad frühmorgens die einzelnen Vogelarten aufweckt, und daß Schwankungen der Hellig- keit infolge starker Bewölkung usw. sich auch im Beginn des Ge- sanges äußern. . Wenn auch die vielen Beobachter des Vogelgesanges darin einig sind, daß dieser Frühgesang auch durch Gewitter, Hagel, Regen, Ka- nonendonner usw. nicht merklich beeinträchtigt wird, so ließ sich doch aus den Beobachtungen Haeckers u. a. entnehmen, daß der Beginn des täglichen Gesanges durch die einzelnen meteorologischen Elemente bis zu einem gewissen Grade beeinflußt wird, und die Hoffnung war be- rechtigt, durch exakte Untersuchungen dieser ganzen Frage auch über die vielumstrittene Wirkung des ‚Wetters‘ zu einer größeren Klarheit zukommen. Hier sei nur betont, daß man unter Wetter bekanntlich einen ganzen Komplex der verschiedensten meteorologischen Elemente ver- steht. Ihr Einfluß auf Mensch und Tier ist sehr mannigfach und teil- weise recht beträchtlich, zum Teil aber noch ungeklärt und umstritten. Die zahlreichen Beobachtungen und Experimente, die darüber gemacht wurden, sind mit gewissen Schwierigkeiten und Nachteilen verbunden, !) „Reizphysiologisches über Vogelzug und Frühgesang“. Biol. Zentralbl. 36. 1916. 342 A. Schwan: von denen einige aufgezählt werden sollen: meist werden nur einzelne Wetterfaktoren untersucht; jedoch lassen sich diese nur schwer trennen, vielmehr beeinflussen sie sich zum Teil selbst untereinander; zum Teil reagiert ein Organismus auf einen Faktor je nach An- oder Abwesenheit der übrigen bald so, bald so. Bei Versuchen unter künstlichen Be- dingungen werden gewöhnlich vom Experimentator einzelne Wetterele- mente abnorm gesteigert, und es fragt sich, ob man die Ergebnisse ohne weiteres mit den Verhältnissen im Freien identifizieren darf. Schließ- lich spielen noch Einflüsse mehr psychischer Art eine Rolle, indem speziell bei höheren Tieren infolge von Beschränkung der Bewegungsfreiheit, von Angstzuständen, Ernährung usw. die Resultate getrübt werden, wozu beim Menschen noch die Gefahr der Suggestion und andere rein psychische Wirkungen zur Geltung kommen. Die Methode vorliegender Untersuchungen vermied .ihrer ganzen Anordnung nach diese Mängel. Die Regelmäßigkeit, mit der die Vögel ihren täglichen Gesang beginnen, geht so weit, daß nicht nur die Reihenfolge der einzelnen Arten weitgehend konstant ist, sondern auch innerhalb einer Spezies halten die Individuen eine bestimmte, wenn auch zeitlich sehr zu- sammengedrängte Reihenfolge ein. Diese oft geradezu erstaunliche Regelmäßigkeit findet übrigens eine Parallele in dem Abschluß des täglichen Gesanges, der auch für jede Art eine sehr große Regelmäßig- keit und ebenfalls eine enge Anlehnung an die Lichtverhältnisse zeigt. Die Reihenfolge abends ist ungefähr umgekehrt als die des Vormittags, so daß also die zuerst anfangenden Sänger, Rotschwänzchen, Drosseln usw., auch zuletzt aufhören. Vorliegende Beobachtungen fanden in der Weise statt, daß die genauen Anfangszeiten eines jeden Individuums innerhalb eines kleineren Reviers notiert wurden. Als Beobachtungsort wurde der Kurpark des Bades Wittekind (im nördlichen Stadtviertel von Halle a. S. gelegen) gewählt. Die eigentlichen Bestimmungen begannen Anfang März 1919 und wurden täglich, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, bis 31. Juli durchgeführt. Eine gewisse Schwierig- keit lag darin, die einzelnen Individuen innerhalb einer Spezies genügend auseinanderzuhalten, da man sonst leicht individuelle und artliche Ver- schiedenheiten konfundiert hätte. Ermöglicht wurde dies dadurch, daß fast alle Singvögel während der Nacht ihren bestimmten, festen Stand- ort haben, von dem sie auch ihren täglichen Gesang anstimmen. Bei den typischen Sängern fällt nämlich Aufwachen und Anfang des Ge- sanges zusammen. Eine Ausnahme machen z. B. Ringeltaube, Grün- specht, jedenfalls auch Kuckuck und vielleicht auch die Grasmücken. Direkt individuell nach Klang und Rhythmus des Gesanges und nach ihrem Standort konnten vier Singdrosseln, sowie ein Amsel- und Pirol- männchen unterschieden werden. Annähernd individuell sind die Be- obachtungen bei Weidenlaubvogel und Kohlmeise, ferner auch bei Vogelgesang und Wetter, physikalisch-biologisch untersucht. 343 Girlitz, Grünfink und mit gewissen Einschränkungen bei Buchfink und Haussperling. Abgesehen von diesen beiden letzten Arten kann die Individualität der Beobachtungen noch aus der schon erwähnten, fast wunderbaren Regelmäßigkeit postuliert werden, in der täglich die ersten Laute der einzelnen Individuen vom gleichen Standort und bei einer ganz bestimmten Helligkeit gehört werden. Mit der Uhr in der Hand wurde jeweils der zuerst gehörte Ton eines Vogels notiert, welche Messungen sich etwa 45 Minuten hinzogen. Wäh- rend dieser Zeit wurde mehrmals der Grad der Helliskeit mit einem Weberschen Photometer bestimmt, für dessen Überlassung ich Herrn Prof. Dr. P. Schmidt, Direktor des hiesigen Hygienischen Institutes, zu großem Dank verpflichtet bin. Ferner wurde an Ort und Stelle wäh- rend der Beobachtungszeit die Lufttemperatur, die relative Feuchtigkeit und die elektrische Leitfähigkeit der Luft gemessen. Herr Geheimrat Mie, Direktor des Physikal. Institutes, stellte mir liebenswürdigerweise einen Zerstreuungsapparat hierzu zur Verfügung. Die Windgeschwindig- keit und Bewölkung wurde geschätzt. Außerdem standen mir infolge der Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Dr. Holdefleiss, dem Leiter der Wetterwarte des Landwirtsch. Inst., die gesamten statistischen Auf- zeichnungen der Station zur Verfügung. In der Hauptsache benutzte ich davon die Bestimmungen des Luftdruckes, der Bewölkung; ferner die Angaben des Sonnenscheinautographen und des feuchten Thermo- meters. Was die Bestimmung der Luftelektrizität anbelangt, so sei hier nur bemerkt, daß man neuerdings dazu neigt, wenigstens zum Teil auf sie die psycho-physiologischen Einwirkungen des Gewitters, des Föhn, des Bergklimas usw. zurückzuführen, obwohl einwandfreie Nachweise eigentlich fehlen. Durch die Beobachtungen zeigte sich, daß zwar die Helligkeit der Hauptfaktor ist, nach dem der Gesangsanfang der einzelnen Arten sich regelt, daß aber diese „Weckhelligkeit‘‘ eines jeden Indivi- duums unter dem Einfluß der meteorologischen Faktoren auf einer kurzen Skala gleitet. Die Anfangszeiten wurden in Kurven eingetragen: Diese zeigen innerhalb einer Spezies fast völlige Parallelität und Kon- gruenz, weshalb man auch von einer Arthelliskeit sprechen kann. Daß nicht gegenseitiges Aufwecken die Ursache ist, zeigen erstens folgende Überlegungen: wenn ein erstes Individuum seine”Artgenossen aufweckte, so wäre‘ damit noch nicht erklärt, wieso dieses erste In- dividuum immer bei demselben Dämmerungswert aufwacht; und dann müßten schließlich auch die übrigen, später beginnenden Arten einmal dadurch aufgeweckt werden; diese werden aber auch durch den lautesten Gesang der Frühsänger nicht veranlaßt, vor ‚ihrer Helligkeit“ zu beginnen. Zweitens wurde nie ein Vogel dürch ein starkes Geräusch (Gewehrschüsse, Handgranaten während der hiesigen Märzunruhen 1919) % 344 u a . A. Schwan: LG zu einem vorzeitigen Anfang seines Gesanges gereizt. Drittens spricht auch gegen die Annahme des gegenseitigen Aufweckens ein Vergleich der Anfangszeiten, die Herr Gymn.-Lehrer O. Keller-Halle an mehreren Tagen dieses Jahres in Cröllwitz und in der Karlstraße (beide Stellen sind etwa I—2 km von meinem Beobachtungsort entfernt) feststellte. Die Zeiten zeigen nämlich oft fast”eine verblüffende Über- einstimmung. Ebenso stimmten die gleichfalls von Herrn Keller bei Leipzig beobachteten Anfänge mit meinen Hallenser Zeiten überein. Ich bin Herrn Keller für die Ermöglichung dieser wichtigen Kontrolle zu großem Dank verpflichtet. Außerdem zeigen auch die Kurven der verschiedenen Arten eine weit- . gehende Parallelität. Daß die Helligkeit den Haupteinfluß ausübt, kann auf verschiedene Weise keicht nachgewiesen werden. Einmal laufen die Anfangskurven dem Sonnenaufgang parallel; ferner fangen an einzelnen trüben Tagen sämtliche Arten später als am Vortage an, nämlich erst dann, wenn die betreffende Arthelliskeit erreicht ist; und schließlich werden durch ein außergewöhnlich langsames Fortschreiten der Dimme- rung an solchen Tagen die Anfangskurven stark auseinandergezogen: die später anfangenden Arten (Girlitz, Grünfink und Sperling) beginnen verhältnismäßig spät nach den Frühsängern (Rotschwänzchen, Drosseln USW.). Abgesehen von dieser Gleichförmigkeit der Anfangszeiten können deutlich einzelne Kulminationszeiten unterschieden werden, in denen nämlich die Vögel bei einer geringeren Helligkeit ihren Frühgesang be- ginnen. Da diese Kulminationszeiten der einzelnen Arten zeitlich nicht zusammenfallen, scheiden äußere Faktoren aus. Es gelingt dagegen ohne Schwierigkeit, diese Verschiedenheiten bezüglich der Anfangshelligkeit auf den Fortpflanzungsinstinkt und die Brutpflege zurückzuführen!). ‘ Das kann nicht wundernehmen, weil ja der Vogelgesang mit dem Ge- schlechtsleben aufs engste zusammenhängt, ja vielmehr einen wichtigen Teil davon darstellt. Immerhin ist es interessant, auf exakte Weise gewissermaßen messen zu können, in welchem Maße das Geschlechts- leben einen Organismus physiologisch umstellt. Zur Zeit der Mauser ist übrigens umgekehrt die Reizempfindlichkeit herabgesetzt, die Vögel beginnen ihren Gesang erst bei größerer Helligkeit. Am einfachsten offenbart sich dieser Rhythmus des Instinktes beim Pirol, weil er infolge seines späten Eintreffens nur einmal brütet. Er beginnt in den ersten Tagen nach seiner Ankunft (10. V.) bei einer Hellig- keit von durchschnittlich 4—8 Meterkerzen (mk), fängt dann allmählich früher an und hat zwischen 20. V. und 5. VI. seine Kulminationszeit, ‘) Zu ähnlichen Ergebnissen ist, wie ich einem freundlichst übersandten Korrekturbogen entnehme, auch Professor C. Zimmer gelangt. Bayer. Ornith. Ges. 14. 1919. Vergl. auch Plaßmann in „Aus der Natur‘ 1919. & Se « 2 ER m f EN, % Vhelgesare und Wetter, physikalisch-biologisch untersucht. 345 Mh | sein Anfang liegt etwa bei 3 mk. Dann wird der frühe Anfang wieder langsam später, zuerst bei etwa 7 mk, bleibt dann von wenigen Aus- nahmen abgesehen bis zum 22. VI. so. Die Verspätung nimmt dann immer mehr zu, die Anfangshelligkeit ist etwa 30 mk und noch höher. Diese einmalige Kulminationsperiode vom 20. V. bis 5. VI. stimmt nun in der Tat sehr gut mit der Periode im Fortpflanzungsleben des Pirol überein; denn meist legt das Weibchen Anfang Juni seine Eier ab. Die übrigen Arten haben mindestens zwei Brutperioden und lassen diese auch meist sehr deutlich in ihren Anfangshelligkeiten erkennen. Bei der Singdrossel sind diese Kulminationszeiten z. B. deutlich vom 8. IV. bis 22. IV und dann noch Same vom 14. V. bis 17. VI. in diesem Jahre zu beobachten. Aus dieser Periodizität ergibt sich ein ehtiger mehr methodolo- gischer Gesichtspunkt. Man wird nämlich bei der Untersuchung der Abhängigkeit der Anfangszeiten vom Wetter niemals weit auseinander- liegende Daten vergleichen dürfen. Denn ein bestimmtes Individuum ist beispielsweise an einem späten Termin infolge dieser eingreifenden, umformenden Wirkung der Brunstzeiten biologisch-physiologisch anders zu werten als an einem früheren Termin. Aus diesem Grunde wurden bei dem Auswerten der Beobachtungen immer nur zwei unmittelbar benachbarte Tage in Beziehung gebracht, und zwar wurden z. B. zur Untersuchung des Luftdruckes nur solche Tagepaare herausgegriffen, die sich meteorologisch in allen Faktoren glichen und nur im Luftdruck einen Unterschied zeigten. Es können aus Raummangel nur die Hauptresultate aufgezählt werden: der Beginn des täglichen Gesanges wird, wie schon erwähnt wurde, durch meteorologische Faktoren beeinflußt, d. h. die Sanges- stimmung des Vogels ist vom Wetter abhängig. Gute Stimmung äußert sich in einem besonders frühen Gesang, die Helligkeit ist dann besonders gering. Bisweilen sind die Abweichungen einzelner Arten besonders groß, weil eine Art gegen manche Wetterelemente emp- findlicher ist als eine andere Spezies, so daß an solchen Tagen die Vogel- uhr zum Teil gestört wird. Übrigens reagieren die Vögel hauptsächlich auf eine Veränderung der Witterungsfaktoren; der absolute Wert spielt eine untergeordnetere Rolle. Als sehr einflußreich hat sich der Wind erwiesen, indem er einmal mechanisch, durch Erregung des Muskelhautsinnes (nach Naumann- Hennicke infolge passiven Sträubens der Federn), auf den Vogel un- angenehm einwirkt. Außerordentlich empfindlich ist die Amsel, ähnlich der Pirol; unempfindlich Girlitz und Singdrossel, besonders aber der Weidenlaubvogel. Dann wirkt der Wind bei niederen Temperaturen abkühlend und läßt den Gesang der temperaturempfindlichen Arten später anfangen wie 346 A. Schwan: z.B. der Drossel, Kohlmeise und Grünfink. Die Amsel ist gegen diese Wirkung des Windes unempfindlich, sofern die Windstärke nur klein ist. Eine ‚‚erfrischende‘‘ Wirkung des Windes, wie wir sie an uns bei schwülem Wetter verspüren, konnte infolge der immerhin niederen Morgentemperaturen nicht untersucht werden. Die höchste gemessene Temperatur betrug etwa 16°. Unterhalb dieses Wertes wirkt Tempera- turzunahme in angenehmem Sinne, also verfrühend, Temperaturab- nahme umgekehrt. Wenig empfindlich sind Girlitz, besonders aber Amsel. Mit der Temperatur eng verknüpft ist die Wirkung der Feuchtigkeit, insofern hohe Feuchtigkeitsgrade durch erschwerte Verdunstung der Hautfeuchtigkeit den Wärmeverlust des Vogelkörpers vermindert, also lustbetonend wirken. Annähernd kann man als Maßstab hierfür die Temperaturen des feuchten Thermometers setzen. Die unangenehme Empfindung, die der Mensch bei hoher Feuchtigkeit infolge ihrer Ab- leitung der Hautwärme hat, wird beim Vogel nicht beobachtet; offen- bar verhindert dies das Federkleid der Vögel, wenigstens was die äußere Haut anbetrifft. Regen wirkt nur von einer gewissen Stärke an. Landregen läßt fast alle Arten verstummen, am wenigsten Amsel und Weidenlaubyogel. Was den Luftdruck anbelangt, so nahm man eigentlich immer schon einen Einfluß auf die Vögel an, obwohl exakte Versuche darüber nicht vorliegen. Erscheinungen des Vogelzuges wie z. B. die Rückkehr der Zugvögel vorwiegend bei Föhnwetter im Frühjahr bringt man gewöhn- lich mit Luftdruckschwankungen in Zusammenhang. In der Tat ist ein Einfluß des Luftdruckes, wenn auch nicht sehr hervorstechend, doch deutlich vorhanden: steigender Luftdruck erhöht die Sangesstimmung, fallender wirkt negativ. Besonders empfindlich sind Amsel und Weiden- laubvogel. Übrigens ist die Wirkung des Luftdruckes sehr gut von der des Windes zu trennen, da dessen Einfluß auch bei steigendem Barometer beobachtet werden kann; natürlich finden sich sehr oft die Wirkungen beider Faktoren verkoppelt und sich gegenseitig verstärkend vor. | ae Ebenfalls kausal mit dem Luftdruck ist die elektrische Leitfähigkeit der Atmosphäre verbunden. Doch gelangt das reine. Abhängigkeits- verhältnis beider Komponenten eigentlich nur selten zur Beobachtung. Die Ionisation der Luft ist von sehr verschiedenen Bedingungen abhängig und wird oft in ihrer Wirkung durch andere meteorologische Elemente verdeckt. Dies ist sicherlich der Grund, weshalb das ganze Problem der Luftelektrizität noch so ungeklärt ist. Es gelang, folgendes festzustellen: normale Werte der Leitfähigkeit wirken neutral, dagegen sind Ab- weichungen nach oben unlustbetonend. Sehr wahrscheinlich ist der gleiche Einfluß auch bei unter den Normalwert sinkender Ionisation Vogelgesang und Wetter, physikalisch-biologisch untersucht. 347 vorhanden; sicher ist, daß solche niederen Werte nicht die Sangesstim- mung der Vögel erhöhen. Schwierig ist es, die Wirkung der Bewölkung, Beleuchtungsverhält- nisse usw. zu klären. Einmal ist es schwer, eine bestimmte Bewölkungs- art hinreichend zu charakterisieren, und dann ist Bewölkung immer eine Begleiterscheinung oder die Folge anderer ‚meteorologischer Ver- änderungen (Intensität und Beschaffenheit des Lichtes, elektrische Leitfähigkeit; Wind, Luftdruck, Feuchtigkeit usw.). Die Untersuchungen ergaben, daß Bewölkung an sich keinen ausschlaggebenden Einfluß aus- übt, vielmehr ist ihre Wirkung gewissermaßen die Resultante dieser einzelnen Komponenten. Klarheit der Luft und damit hohe Intensität des Lichtes wirkt in förderndem Sinne. Wenn übrigens ein photo- metrischer Wert besonders viel helle Strahlen enthält, so wirkt er auf das Vogelauge etwas heller; offenbar ein Zeichen eines vom Menschen etwas abweichenden Lichtsinnes der Vögel. Die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen meteorologischen Elemente wurde hier nur einige Male angedeutet. Einzelheiten werden später gebracht werden. Sie zeigen, daß klimatische Messungen möglichst sämtliche Wetterelemente berücksichtigen müssen, da sonst leicht Trug- schlüsse zustande kommen. Als wichtigster klimatischer Faktor ergibt sich dabei der Wind, da er außer seiner rein mechanischen Wirkung innerhalb niederer Temperaturen stark abkühlend wirkt, außerdem die elektrische Leitfähigkeit erhöht, Ausdruck einer Barometerschwankung ist, stärkere Bewölkungsänderungen und dadurch Schwankungen der Leitfähigkeit und der Lichtintensität hervorruft usw. Schon durch diese Ausführungen dürfte der Beweis erbracht worden sein, wie sehr die Vögel vom Wetter abhängig sind, und wie viele Ähn- lichkeiten zwischen Mensch und Vogel in dieser Hinsicht bestehen. Zum Schluß möchte ich nicht versäumen, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. V. Haecker für die Anregung zu dieser Arbeit und für bereit- willigste Unterstützung meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich Herrn Prof. Dr. Brüel und Prof. Dr. Wigand für wert- vollen Rat'zu Dank verpflichtet. Autorenverzeichnis. Dusser de Barenne, J. G., und R. Magnus. Beiträge zum Problem der Körperstellung. III. Mitteilung. ‘ Die.Stellreflexe bei der großhirnlosen Katze und dem großhimnlosen Hunde. S.. 75. N van Egmond, A. A. J. Über die ' "Wirkung einiger Arzneimittel bei par- tiellem Herzblock nebst Versuchen über Entstehen von Herzblock durch -oligodyname Metallwirkung., S. 149. Fleisch, Alfred. . Enthält der Ar- terienpuls eine aktive Komponente? 8238: G@aertner, Gustav. suche bei sehr hohem Druck. S. 90. Gutzmann,H.undA.Loewy. Über den intrapulmonalen Druck und den Luftverbrauch bei der normalen At- "mung, bei phonetischen Vorgängen und bei der exspiratorischen Dispnöe. Sa | Hess, W. R. Die graphische Aufzeich- ‘nung der Herztöne nach neuer Me- thode. S. 35. — — Viseosimeter mit : Temperatur- regulierung. S. 61. de Kleijn, A, undR.Magnus. Bei- träge zum Problem der Körper- stellung. IV. Mitteilung. Optische Stellreflexe bei Hund und Katze. SED IE Löhner, L. Untersuchungen über den sog. Totstellreflex der Arthropoden. II. Mitteilung. III. Über Thenthre- diniden-Reflexe. S. 250. Atmungsver- | Loewy, A. siehe H. Gutzmann und " A. Loewy. Magnus, R. siehe J. @. Dusser de Barenne und R. Magnus. — — siehe A. de Kleijn und R. Magnus. Pütter, August. Studien zur The- ‚orie der Reizyorgänge. VII. Mittei- lung. Das Abklingen der Erregung, S. 260. „ Studien über physiologische Ähnlichkeit. VI. Wachstumsähnlich- keiten. S. 298. Schwan, Albrecht. Über die Ab- hängigkeit des Frühgesanges unserer Singvögel von meteorologischen Fak- toren, untersucht auf Grund physi- kalischer Methoden. Vorläufige Mit- teilung. S. 341. v. Skramlik, Emil. Ein Apparat. zur Durchströmung der Leber. S.'. — — Über.eine Methode zur Demon- stration der Herztätigkeit. S. 25. Sokolowsky,R. siehe O. Weiss und R. Sokolowsky. Stübel, Hans. Mikroskopisch wahr- nehmbare Veränderungen der Quer- streifung des Muskels nach Versuchen am Frosch- und Insektenmuskel. S. 209. Weiss,O.,undR.Sokolowsky. Die physikalischen Grundlagen der Ge- räuschwahrnehmung. S. 96. Zondek, Bernhard. Der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die -Peristaltik. S. 68. Pen Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. Tafel 11. Abb. 1. Kleiner Hund am Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation. Becken in Seiten- lage frei in der Luft gehalten. Kopf stehtin Seitenlage. Stellreflex auf den Kopf fehlt. Abb. 2. Derselbe Hund am Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation. Becken in Rücken- lage freiin der Luft gehalten. Kopf steht in Rückenlage. Stellreflex auf den Kopf fehlt. Abb. 3. Derselbe Hund 16 Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation mit Kopf- kappe. Das Tier wird in rechter Seitenlage frei in der Luft gehalten. Kopf steht in Seitenlage. Stellreflex auf den Kopf fehlt. Abb. 4. Derselbe Hund 16 Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation mit Kopf- kappe. Becken in Rückenlage frei in der Luft gehalten. Kopf steht in Rücken- lage. Stellreflex auf den Kopf fehlt. de Kleijn u. Magnus, Zum Problem der Körperstellung. IV. Verlag von Julius Springer in Berlin, Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 180. Tafel II. Abb. 5. Derselbe Hund 16 Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation ohne Kopf- kappe. Hinterkörper in rechter Seitenlage frei in der Luft gehalten. Der Kopf ist durch Drehung vollständig in Normalstellung gebracht. Der Vorderkörper ist der Drehung des Kopfes gefolgt. Optischer Stellreflex auf den Kopf mit anschließendem Halsstellreflex. Abb. 6. Derselbe Hund 16 Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation ohne Kopf- kappe. Hinterkörper in Rückenlage frei in der Luft gehalten. Der Kopf ist in Normalstellung gebracht, das Tier fixiert den Photographen. Der Vorderkörper ist dem Kopfe gefolgt und ventralwärts herüber geklappt. Optischer Stell- reflexaufden Kopf mit anschließendem Halsstellreflex. Abb. 7. Katze 13 Tage nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation mit Kopfkappe. Hängelage Kopf unten in der Luft. Kopf steht in halber Rückenlage. Stell- reflex auf den Kopf fehlt. Abb. 8. Dieselbe Katze am gleichen Tage ohne Kopfkappe. Hängelage Kopf unten in der Luft. Dorsalbeugung des Halses (und Linksdrehung), wodurch der Kopf sich der Normalstellung nähert. Das Tier fixiert die vorgehaltene Hand des Experimentators. Optischer Stellreflex aufden Kopf. Verlag von Julius Springer de Kleijn u. Magnus, Zum Problem der Körperstellung. IV. in Rasfin N n Ph EN En NED 05761 I | | MBL WHO Lu m) E S LO | Pl Pa? a a Orr PAAR 0% Lalyz = mern en RES “ TE Eu E > \ E 2 -: / HR DE a FESTE} 7:9 RR rt we > ee TE - a een = rs ee ix ee N . De et Be u DL ie, new ee Ser + ne Jiy ern r EELETET PETE ee . ee er , Zr rErer ee RI Se