EICH ee ee : 4 ur Pu ee ee . ren kp er Pi * x ti Bee fer [53 FE F} iernnner Ca} war ee PER EEE #6 “ f} RARIE) hd RER x N dei Ibir % K) Ki NN LER N N.) nrr LO el *% [3 ers ik art WACH Let ) KRONE ’ 4 N + 1er Prater TREE “r % (600 OR & CAR; 9,8 4) 0) s AAhPHBaSN (7 % 7 ur arie NEN aURIRTLPT AN 6749 N; EARR) ar Ka, 4; u jeN; s * ) u “ri F "ie are [HR ah rs sr ki Lahr Matkelane urerLe 2 0 PFLÜGER’ ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A. S. FRANKFURT A. M. KIEL 184. BAND MIT 115 TEXTABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1920 kallererzarehntis, v. Skramlik, Emil. Über die Beziehungen zwischen der normalen und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. (Mit 20 Textabbil- NEE) oa or ER A ET BE RRRUR- Amsler, €. und E.P.Piek. Über die Strophanthincontraetur der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. (Mit 12 Textabbildungen) Kolm, Richard und Ernst P. Piek. Über Änderung der Adrenalinwirkung nach Erregung der vagalen Endapparate. (Mit 10 Textabbildungen) . Laqueur, Ernst. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssig- keit, im besonderen durch „osmotisches Ödem“, auf Atmung, Kreislauf und Blut. Künstliches (osmotisches) Lungenödem. II. Mitteilung. (Mit FRNextanbildungen)a am a ae ee Köllner, H. Das gesetzmäßige Verhalten der Richtungslokalisation im peripheren Sehen nebst Bemerkungen über die klinische Bedeutung IwersBriimmes (Mital4 Mextabbildungen) ..... „. 2. „un. Frey, Ernst. Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen und Muskel auf Siotmeoinalmeninee zurückzuführen. (Mit 17 Textabbil- AMSEN) 4. ae AS ER RR RE NER Neuschlosz, S. M. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. Mit- teilung. Die Chiningewöhnung bei Säugetieren Fröhlich, A. und L. Pollak. Vorrichtung zur Durchströmune des isolierten Rattenherzens. (Mit 2 Textabbildungen) : Dorno, C. Kurze Bemerkung zu Dr. Fritz Schema Wenn über die Wirkung der ultravioletten Strahlen des Tageslichtes auf die Vege- tattone a. 22. EEE NET EEE NEE EIS RIESE NT SONNE TEE ONE Le Heux, J. W., W. Storm van nen) und ah van dem Br oeke. Quan- titative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. II. Mit- teilung. Näheres über den Areas Pilokarpin-Atropin. (Mit 10 Textabbildungen) ER RE EN NEN ESTER END ns Mansield, 6. und A. v. Szent- Györgyi. Untersuchungen über die ae des Herzschlages. (Mit 14 Textabbildungen) . .......2.2.. v. Szent-Györgyi, A. Über Herzmuskeltonus. (Mit 2 Textabbildungen) . Cori, Karl. Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. (Mit 4 Textabbildungen) RE TEE OR RR REN ALU DEREN Mansield, 6. und Ludwig v. Pap. Über das Wesen der chemischen anne: regulation. II. Mitteilung. Die physiologische Wärmeregulation Fürth, Reinhold. Über die "Anwendung der Theorie der Brownschen Be- wegung auf die ungeordnete Bewegung niederer Lebewesen ; Franke, Franz. Die Kraftkurve menschlicher Muskeln bei Slkurlreher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. (Mit 8 Text- abbildungen) . . . Autorenverzeichnis Seite 104 134 Kinn N NR Über die Beziehungen zwischen der normalen und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. Von Emil v. Skramlik, Freiburg i. B. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Mit 20 Textabbildungen. (Eingegangen am 10. März 1920.) Inhalt: I. Einleitung. Fragestellung und Übersicht über die bisher auf diesem Gebiet vorliegenden Forschungsergebnisse (S. 1). II. Eigene Untersuchungen (S. 9): 1. Beobachtungen an der Sinus-Vorhofgrenze (S. 10). 2. Beobachtungen an der Vorhof-Kammergrenze (S. 20): a) ohne besondere experimentelle Eingriffe (S. 22), b) nach Einwirkung von Induktionsschlägen (S. 24), c) nach Temperaturveränderungen (S. 26), &) gleichmäßig das ganze Herz betreffende (S. 26), ß) örtlich ungleiche Temperierung (S. 30), d) nach Einwirkung von Giften (S. 33), e) nach Durchschneidungen (S. 34). 3. Beobachtungen innerhalb der Kontinuität der Kammer (S. 45): a) normale Bahn (S. 45), b) reziproke Leitung (S. 51), ce) Durchschneidungen (S. 51). 4. Beobachtungen an der Kammer-Bulbusgrenze (S. 56). 5. Beschreibung des Phänomens der Bahnung der Erregung (S. 58). III. Zusammenfassung der Versuchsergebnisse (S. 58). I. Einleitung. Bekanntlich kann beim Kaltblüterherzen der Erregungs- und Kon- traktionsvorgang zwischen den einzelnen Herzabteilungen ebensowohl in der verkehrten wie in der normalen Richtung geleitet werden. Wir stehen hierin, wie Engelmann!) bemerkt, einem der am leichtesten demonstrierbaren Phänomene der gesamten Herzphysiologie gegen-- über. Mit ihm steht nicht im Widerspruche, daß man bei einem spontan schlagenden Herzen Extrasystolen, die z.B. an der Kammer erzeugt ‘werden, nicht rückläufig auf den benachbarten Vorhof übergehen sieht. !) Th. W. Engelmann, Über reziproke und irreziproke Reizleitung mit be- sonderer Beziehung auf das Herz. Arch. f. d. ges. Physiol. 61, 275. 1895. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 1 2 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Solche Extrasystolen können nur in bestimmten Phasen der Herztätig- keit erzwungen werden, so daß eine Rückwirkung auf den benachbarten, dem Sinus näher gelegenen Teil nach Maßgabe seines Phasenverhält- nisses ausgeschlossen werden kann. Diese Befunde sind von Trendelen- burg!) und nach ihm Eckstein?) für die Leitung Kammer-Vorhof erhoben worden, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß sie auch für die Leitung Vorhof-Sinus und Bulbus-Kammer gültig sind, wobei her- vorgehoben sein soll, daß die Verhältnisse zwischen Vorhof und dem Sinus als einem Gebilde von hochentwickelter Automatie besonderes Interesse beanspruchen. | Zur Demonstration der rückläufigen Leitung eignen sich somit vor- nehmlich Herzen im Stillstand nach einer ersten Stanniusschen Liga- tur. Hier sind die Verhältnisse ganz einfach. Auf einen Reiz, der den Bulbus trifft, kontrahiert sich zuerst der Bulbus, dann die Kammer und zum Schluß der Vorhof. Es darf nicht unterlassen werden, gleich an dieser Stelle zu bemerken, daß dieses Phänomen eigentlich zweierlei in sich schließt: einmal die rückläufige Erregungsleitung in jedem Herz- teil für sich und dann die von einem Abschnitt auf den andern. Für die Art nun, in der wir uns den Übergang des Erregungs- und Kontraktionsvorganges von einem Herzteil auf den benachbarten zu denken haben, spielt offenbar die Frage, ob es sich dabei um einen im strengen Sinne reziproken, d.h. in der einen und der ihr entgegen- gesetzten Richtung gleichartigen Vorgang handelt, eine große Rolle. Nach der von Engelmann?) entwickelten. Herztheorie geht die Peristaltik von einem dem Sinus näher gelegenen zu einem entfernter befindlichen Punkt des Herzens im Muskel, also myodrom vor sich. Danach sollte man allerdings erwarten, daß der Kontraktionsvorgang in beiden Richtungen, der normalen wie der verkehrten gleichmäßig vor sich geht, und zwar in Analogie mit den Erfahrungen an einer . Nerven- oder Muskelfaser gleich sicher und gleich schnell. Engel- mann dachte sich den Ablauf des Erregungsvorganges im Herzen, das ihm als ein muskuläres Kontinuum vorschwebte, in Form einer von den automatischen Zentren im Sinus ausgehenden, über die ein- zelnen Herzabschnitte peristaltisch fortschreitenden Kontraktions- welle, wobei die ‚Blockfasern‘“ als langsamer leitendes Gebilde den Übergang der Erregung von einem Herzteil auf den andern verzögern. 1) W. Trendelenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herz- muskels bei rhythmischer elektrischer Reizung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1903, S. 271. | 2) A. Eckstein, Zur funktionellen Differenzierung der Herzteile. Arch. f. d. ges. Physiol. 15%, 541. 1914. 3) Th. W. Engelmann, Über myogene Selbstregulierung der Herztätigkeit. K. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam, 31. X. 1896. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 3 Die Beteiligung von Nerven an diesem Geschehen hat er abgelehnt unter Hinweis auf die allerdings ganz erstaunlich langsame Leitung der Erregung in den Blockfasern, deren Geschwindigkeit meist tausend- mal kleiner ist als die in Nervenfasern, z. B. auch den blassen termi- nalen Nervenfibrillen der Froscheornea !) und unter Berücksichtigung der Ergebnisse seiner Messungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung innerhalb der Vorhofsmuskulatur, die zu 9 cm/sek. be- stimmt wurde 2), also viel zu gering ist, als daß man hier Nerven- leitung annehmen könnte. Die langsamere Erregungsleitung in den ‚Blockfasern‘ bildet — das muß mit Nachdruck hervorgehoben werden — den hypothetischen Bestandteil seiner Theorie. Zur Klarstellung dieser Verhältnisse ist es notwendig, hier auf die im Herzen vorliegende Struktureigentümlich- keiten ein wenig einzugehen. Sein Aufbau ist bekanntlich kein so einfacher wie der eines Skelettnerven oder -muskels. Nach den bisher vorliegenden anatomischen Untersuchungen zahl- reicher Forscher — ich erwähne hier die Namen His jun.?), St. Kent), Bräunig?°), Retzer®), Greil?), Keithund Flack®), Mc. Kenzie?), Külbs!0) und Lange!) ist nicht zu bezweifeln, daß die einzelnen Herzabschnitte untereinander durch Muskelbrücken verbunden sind, 1) W. A. Boekelman, Het pantokymographion en eenige daarmed verrichte physiologische proeven. Utrecht, Dissert. 1894. 2) Th. W. Engelmann, Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. 2. Abhandlung: Über die Leitung der Bewegungsreize im Herzen. Arch. f. d. ges. Physiol. 56, 163. 1894. 3) W. His junior, Die Tätigkeit des embryonalen Herzens und seine Bedeutung für die Lehre der Herzbewegungen beim Erwachsenen. Arbeiten aus d. med. Klinik Leipzig 1893. 4) A.F. Stanley Kent, Researches on the structure and function o the mammalian heart. Journ. of Physiol. 14, 233. 1893. ‚ 5) K. Bräunfg, Über muskulöse Verbindungen zwischen Vorkammer und Kammer bei verschiedenen Wirbeltierherzen. Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1904, 8.1. 6) R. Retzer, Über die muskulöse Verbindung zwischen Vorhof und Ventrikel des Säugetierherzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904. ?) A. Greil, Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens und des Truncus arteriosus der Wirbeltiere. Morphol. Jahrb. 31, 123. 1903. °) Keith und Flack, The forme and nature of the muscular connections between the primary divisions of the vertebrate heart. Journ. of Anat. and Physiol. 41, 172. 1907. °) J. Mac Kenzie, Zur Frage des Koordinationssystems im Herzen. Ver- handl. d. dtsch. pathol. Gesellsch. 1910. 10) Külhs, Über das Reizleitungssystem bei Amphibien, Reptilien und Vögeln. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 11, 51. 1912. 11) W. Lange, Die anatomischen Grundlagen für die myogene Theorie des Herzschlags. Arch. f. mikr. Anat. 84, 215. 1914. 1*F 4 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen die je nach Tiergattung verschieden angeordnet und verschieden breit sind. Nicht im gleichen Maße ist aber erwiesen, ob diese Verbindungs- muskulatur tatsächlich auch anders gebaut ist als die der einzelnen Herzabschnitte. Nähere Angaben aus der hier vorliegenden, recht umfangreichen Literatur finden sich in einer eigenen Untersuchung !), in der auch über die Beschaffenheit der Verlfindungsbrücken mancherlei ausgesagt wird. Von den dabei erhobenen Befunden möchte ich hier nur soviel mitteilen, daß bei Frosch und Kröte die Übergangsmuskulatur aus zirkulär angeordneten Muskelfasern zusammengesetzt ist, die sich von der Umgebung nur in der Anordnung, nicht in der Form des ein- zelnen Elementes unterscheidet. Nach diesen Darlegungen kann also bloß von einem muskulärem Kontinuum des Herzens gesprochen werden. Es sei aber nicht unterlassen, auch auf die Bedeutung seiner nervösen Bestandteile hinzuweisen. In seinen muskulären Apparat sind gewissermaßen die nervösen Gebilde eingebaut. Beim Kaltblüter- herzen die Remakschen Ganglienzellen 2) im Sinus, die Ludwigschen im Septum 3), die Bidderschen ) auf der Höhe der beiden Haupt- klappen des Kammerostiums, der ventralen und dorsalen. Sie sind sämtlich durch Nervenbahnen untereinander verbunden, deren Haupt- repräsentanten die beiden Nervi septales sind. Von diesen hat bereits F. Hofmann) nachgewiesen, daß sie als die Endausbreitungen der beiden Rami cardiaci des Nervus vagus, die bekanntlich auch Sympa- thicusfasern enthalten®), zu betrachten sind. Ausdrücklich muß bemerkt werden, daß die Muskelfasern sämtlicher Herzteile, also auch der Block- fasern, nach den Darstellungen von Bethe?), Hofmann®), Dogiel?), Michailow !) u.a. von zahlreichen feinsten Nerven umflochten sind, 1!) Emil von Skramlik, Über die anatomische Beschaffenheit der Block- fasern des Kaltblüterherzens. Im Druck 1920. 2) R. Remak, Über den Bau des Herzens. Müllers Arch. 1844 u. 1850, S. 78. 8) €. Ludwig, Über die Herznerven des Frosches. Arch. f. Anat. u. Physiol., 1848. is 4) F. Bidder, Über funktionell verschiedene und räumlich getrennte Nerven- zentra im Froschherzen. Müllers Arch. 1852, S. 163. 5) F.B. Hofmann, Üker die Funktion der Scheidewandnerven des Frosch- herzens. Arch. f. d. ges. Physiol. 60, 139. 1895. 6) E. v. Skramlik, Über den beschleunigenden Nerven des Froschherzens. Zentrbl. f. Physiol. 34, 349. 1920. ?) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903, 8. 91—95. Über reziproke Leitung vgl. S. 448. 8) F.B?Hofmann, Das intrakardiale Nervensystem des Frosches. Arch. f. Anat. v. His 1902, S. 54. ®) J. Dogiel, Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schildkröten- herzens. Arch. f. mikr. Anat. %0, 780. 1907. 10) Michailow, Das intrakardiale Nervensystem des Frosches. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. 25. 1908. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 5 so daß wir, wie schon Laurens!) hervorhebt, nicht nur in jedem Herz- teil als ganzem, sondern auch in jedem Elemente desselben sowohl muskuläre wie nervöse Gebilde vor uns haben. Solange also nicht endgültig geklärt ist, ob es die Muskeln, ob es die Nerven sind, welche die Überleitung zwischen den einzelnen Herzabteilungen vermitteln, muß der Physiologe seine Experimente vornehmen unter Berück- sichtigung sowohl der Verschiedenheit der Gewebe als auch der unterschiedliehen Anordnung desselben Gebildes an verschiedenen Stellen. Da man also die äußerlich streng abgegrenzten Herzteile histo- logisch durch Muskelsubstanz kontinuierlich und anscheinend ohne Unterschiede in der Elementarstruktur ineinander übergehen sieht, resultiert als einzig berechtigte Vorstellung von der Natur der Pausen zwischen der Tätigkeit der einzelnen Herzabteilungen nur die einer langsameren Leitung des Erregungsprozesses in den Übergangsgebilden. Es soll hier aber ausdrücklich bemerkt werden, daß man deshalb noch nicht genötigt ist, an eine unterschiedliche Funktion der Brücken- fasern zu denken. Es könnte ja die verschiedenartige Anordnung der- selben Elemente an verschiedenen Stellen der zu durchmessenden Bahn eine ausschlaggebende Rolle spielen. Daß eine Änderung in der Breite der Bahn, die man ganz wohl auf Grund der anatomischen Verhältnisse annehmen könnte, keine genügende Erklärung für verlangsamte Lei- tung ist, hat v. Kries?2) in seiner Abhandlung über die Bahnbreite auseinandergesetzt. Bei jeder denkbaren Annahme zur Erklärung der hier vorliegenden Verhältnisse, die auf dem Boden der myogenen Theorie steht, wäre allerdings zu erwarten, daß sich diese Fasern in strenger Übereinstimmung mit den Forderungen während der Über- leitung des Erregungsprozesses auch selbst zusammenziehen. — Schon aus diesen knappen Darlegungen geht hervor, daß das genauere Studium der recht- und rückläufigen Erregungsleitung für die Beur- teilung dieser Verhältnisse von größter Bedeutung ist. Es fehlt in der physiologischen Literatur nicht an Beobachtungen bei Kalt- und Warmblüterherzen, daß die Rückleitung spontan oder bei Schaffung künstlicher Verhältnisse in Anspruch genommen wird, aber auch nicht an Belegen, daß sie sich in ihrem zeitlichen Ver- lauf und Auftreten ganz anders verhält als die normale. Umkehr - der Schlagfolge sahen: Spontan: Queen?) bei Raja clavata, !) Laurens, Die atrioventrikuläre Verbindungsleitung im Reptilienherzen und ihre Störungen. Arch. f. d. ges. Physiol. 150, 193. 1913. - 2) J. v. Kries, Die Bedeutung der Bahnbreite für die Reizleitung im Herzen. Skand. Arch. f. Physiol. 29, 84. 1913. 2) J. Mac Queen, Beobachtungen über das Herz eines Elasmobranchiers (Raja clavata). Zeitschr. f. Biol. 62, 32. 1913. 6 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Mac William!) beim Aal, Straub2) bei Selachiern, (die Disposition des Fischherzens zur Schlagumkehr ist allgemein eine sehr große), Leo Schultze?°) bei Ascidien, bei Stillstand des Schildkröten- herzens nach Vagusreizung Gaskell#), vor allem aber Loh mann>)®), der beobachtet hat, daß dann als erster Herzteil die Kammer einsetzt, welcher der Vorhof folst, ein Verhalten, das sich öfters wieder- holen kann, bevor die Sinusimpulse mächtig genug sind, um wieder die Führung zu übernehmen; durch künstliche Reizung des Ventrikels Gaskell?) am Rochenherzen, Stanley Kent) bei Ratten, H.E. Hering°) beim Hunde-, Katzen- und Kaninchenherzen; nach weitgehenden Durchschneidungen an der Atrioventrikulargrenze Laurens !0) am Schildkröten-, Nakano!l) am Froschherzen; als Folge von verschiedenen operativen Eingriffen Mangold 2) bei Hühnern. Versuche, die Überleitungszeiten beim Froschherzen zu messen, stammen vor allem von Engelmann), der in mehreren Arbeiten auf die normale und umgekehrte Leitung zu sprechen kommt. Er findet das Intervall A,—V, bald größer, bald kleiner als das V,—-A,. Nach ihm beträgt das Minimum für A,—V, 0,25”, für V,—A, 0,05’, das Maximum im ersten Falle 0,60’, im zweiten 0,58”. 1) Mac William, On the structure and rhythm of the heart in fishes with especial reference to the heart of the eel. Journ. of Physiol. 6, 199. 1885. 2) W. Straub, Toxikologische Untersuchungen am Selachierherzen. Leimen f. Biol. 42, 363. 1901. 3) L.S. Schultze, Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. 35, N. F. 28, 22]. 1901. *) W.H. Gaskell, On the innervation of the heart, with especial reference to the heart of the tortoise. Journ. of Physiol. 4, 43. 1884. 5) A. Lohmann, Zur Automatie der Brückenfasern und der Ventrikel des Herzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904, S. 439. : 6) A. Lohmann, Zur Automatie der Brückenfasern des Herzens. 2. Ab- handlung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904, Supp. S. 265. ”) W. H. Gaskell, On the innervation of the heart, with especial refe- rence to the heart of the tortoise. Journ. of Physiol. vol. 4p. 43, 1884. 8) A. F. Stanley Kent, Researches on the structure and function of the mammalian heart. Journ. of Physiol. 14, 233. °) H. E. Hering, Zur experimentellen Analyse der Unregelmäßigkeiten des Herzschlags. Arch. f. d. ges. Physiol. 82, 1. 1900., 10) S. Fußnote 1 S. 5. 11) Nakano, Zur vergleichenden Physiologie des Hisschen Bündels. 2. Mit- teilung. Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Amphibienherzen. Arch. f. d. ges. Physiol. 154, 373. 1913. 12) Mangold und Toyojiro Kato, Zur vergleichenden Physiologie des His- schen Bündels. 3. Mitteilung. Die atrioventikuläre Erregungsleitung im Vogel- herzen. Arch. f. d. ges. Physiol. 160, 124. 1914. 13) Th. W. Engelmann, Der Versuch von Stannius, seine Folgen und deren Deutung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1903, S. 515. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 7 Seemann!) bestimmte A,—V, vor Anlegen der Stanniusschen Ligatur zu: 0,47’’ nach angelegter Ligatur Vs-As 0,42” 0,51” 0,41” 0,337 0,26’ 0,51” 0,37” 0,47” 0,39’ 0,32’ 0,39" also im Durlehschnitt V,—A, kürzer als A,—V,. Zu bemerken ist, daß die Intervalle darum so variieren, weil es sich bei diesen Beobachtungen um keine rückläufige Leitung, hervorgerufen durch eine künstliche Reizung desVentrikels, sondern um spontanen Nodalrhythmus han- delte. Bayliss und Starling?) bestimmten beim Hundeherzen das normale Intervall zu 0,15” gegen das rückläufige mit 0,2”. Carlson?) beobachtete bei Petromyzon das umgekehrte Verhalten. Von Interesse ist auch das Verhalten vergifteter Herzen: Branden- burg *) sah 30 Std. nach Vergiftung eines Frosches durch Einspritzung von 3 mg Digitalin unter dem Einfluß einer reflektorischen Vagus- reizung durch Tetanisieren einer Darmschlinge das Herz vorübergehend in umgekehrtem Rhythmus schlagen. Daß unter Umständen die Leitung in der einen oder andern Rich- tung versagt, hat bereits Engelmann’) betont, der diese Zustände an spätern Stadien des Absterbens eines herausgeschnittenen Frosch- herzens gesehen hat. Ein Versagen der Leitung in der umgekehrten Richtung beobachtete Unger®) bei Erwärmung des Herzens. An einem mit Helleborein vergifteten Herzen konnte Kaiser”) vom Ven- trikel aus keine Kontraktion des Vorhofes auslösen, während der Ven- trikel vom Vorhof aus in Tätigkeit gebracht werden konnte. Die in seiner Arbeit wiedergegebene, zu dieser Erscheinung gehörende Kurve ist jedoch nicht eindeutig; das Froschherz schlug spontan, der Ver- trikel im Halbrhythmus. Sehr bemerkenswert ist noch die Angabe 1) J.Seemann, Über das Elektrokardiogramm bei den Stanniusligaturen. Ein Beitrag zur Deutung der Wirkung ihrer Folgen. Zeitschr. f. Biol. 5%, 548. 1912. ®2) Bayliss and Starling, On some points in the innervation of the mamma- lian heart. Journ. of. Physiol. 13, 410. 1892. 3) Carlson, Contribution to the physiol. of the heart of the Californian hagfish (Bdellostoma Dombeyi). Zeitschr. f. allg. Physiol. 4, 259. 1904. 4) K. Brandenburg, Über die Eigenschaft des Digitalins, beim Frosch- herzen die selbständige Erzeugung von Bewegungsreizen an der Grenze von Vor- höfen und Kammer anzuregen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904, Suppl. S. 213. 5) Th. W. Engelmann. Über reziproke und irreziproke Reizleitung mit besonderer Beziehung auf das Herz. Arch. f. d. ges. Physiol. 61, 276, 1895. 6) W. Unger, Über den Wärmestillstand des Froschherzens. Arch, f. d. ges. Physiol. 149, 364. 1912. ?) K. Kaiser, Untersuchungen über die Ursachen der Rhythmizität der Herz- bewegungen. Zeitschr. f. Biol. 32, 20. 1895. 8 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen von Langendorff und Lehmann!), die beim Kaninchen und Katzenherzen nach Ausschaltung des Sinusgebietes wohl Kontraktionen des Ventrikels, aber keine des Vorhofes sahen; in diesem Falle hat wohl der Atrio-Ventrikularknoten funktioniert. Es ist aber durch ihn bloß die Kammer in Tätigkeit gebracht worden. Engelmann hat von diesen Erscheinungen wohl gewußt, und ein Beweis dafür, daß er sie als ernstliche Schwierigkeit für seine Theorie erkannte, dazu dem Probleme der doppelsinnigen Leitung für die ver- schiedensten Gebiete der Physiologie eine hohe Bedeutung zumaß, ist, daß er diesen Verhältnissen eine eigene theoretische Abhandlung 2) gewidmet hat. Es soll hier auf seine Ausführungen eingegangen werden, die in ihren Grundlagen mit den heutigen Vorstellungen allerdings nicht mehr ganz übereinstimmen; Engelmann geht nämlich von der An- sicht aus, daß Vorhof, Überleitungssystem und Kammer histologisch differenzierte Gewebe sind. Er argumentiert: ‚Die Erregung eines Gewebes hängt nicht allein von der Stärke, sondern auch von dem zeitlichen Verlaufe eines Reizes ab. Da schon bei einem und dem- selben Gebilde unter verschiedenen Bedingungen die zur Erregung führende Steilheit variiert, ist ersichtlich, daß die Steilheitsgrenzen dort eine besondere Rolle spielen werden, wo der Erregungsprozeß auf ein Gewebe übergeht, das sich morphologisch von demjenigen unter- scheidet, von dem die Erregung ausgeht. Je weniger verschieden die Steilheitsgrenzen des Reizes für verschiedene Gewebe sind, um so mehr ist zu erwarten, daß zwischen diesen beiden physiologischen Gebilden nicht allein doppelsinnige, sondern auch in beiden Richtungen gleich schnelle Leitung statthat.““ Gewiß sind diese Überlegungen Engelmanns durchaus berech- tigt. Sie lehren, daß es verkehrt wäre zu meinen, die Annahme einer myodromen Leitung sei durch die Irreciprocitäten ohne weiteres ausgeschlossen oder widerlegt. Indessen:ist durch die von Engelmann herangezogenen Tatsachen doch nur ein Weg gezeigt, auf dem die sich hier zunächst bietenden Schwierigkeiten vielleicht gelöst werden können ; eine wirklich genügende Aufklärung derselben ist aber damit noch nicht gegeben. Vorerst haben wohl die Beobachtungen am ungleich tem- perierten Sartorius®) nur die Bedeutung von Orientierungsversuchen, die eine systematische und vollständigere Durchführung wünschenswert erscheinen lassen. Geht man aber auch von der Anschauung aus, daß der Erregungsvorgang leichter von dem Gebilde mit steilerem Verlauf 1) Langendorff und Lehmann, Der Versuch von Stannius am Warm- blüterherzen. Arch. f. d. ges. Physiol. 112, 352. 1906. 2) S. Fußnote 1, 8.1. 3) Th. W. Engelmann, Versuche über irreziproke Reizleitung in Muskel- fasern. Arch. f. d. ges. Physiol. 62, 400. .1896. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 9 der Vorgänge auf das mit langsamerem sich übertrage als umgekehrt, so stößt doch die Anwendung desselben auf das Herz noch auf weitere Schwierigkeiten. Findet doch hier eine Übertragung des Erregungs- und Kontraktionsvorganges von den schnell zuckenden Muskelfasern des Vorhofes auf die träger arbeitenden der Übergangsgebilde und von diesen wieder auf die sich schneller zusammenziehenden Kammer- muskeln statt. Daraus ist ersichtlich, daß wir beim normalen Gang der Dinge eine Übertragung unter günstigen (vom Vorhof auf die Über- gangsgebilde) und eine unter ungünstigen Bedingungen (von Über- sangsgebilden auf die Kammer) vor uns haben. Würden also wirklich die Steilheitsgrenzen die ausschlaggebende Rolle spielen, dann hätten wir unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit im Herzen eine Anordnung der Gebilde, die für den Durchgang der Erregung zweifellos ungünstig ist. Damit stoßen wir auf eine Schwierigkeit, die durch Engelmanns Erklärung nicht behoben werden kann. Engelmann selbst hat sich nicht verhohlen, daß durch seine Ableitung das Auftreten von Irreziprozitäten nicht restlos geklärt wird. Das geht aus seinen Worten hervor: „Um Mißdeutungen vor- zubeugen, betone ich nochmals ausdrücklich, daß keineswegs bloß Änderungen in der Steilheit des physiologischen Erregungsvorganges, sondern auch andere qualitative wie quantitative Änderungen des Erregungsprozesses als mögliche Ursachen der Verwandlung reziproker in irreziproke Leitung werden wirken können“. Zweifellos bedürfen die bisher ermittelten Tatsachen einer genaueren und vollständigeren Bearbeitung. II. Eigene Untersuchungen. Systematische Untersuchungen über das Problem der beiden Leitungen für das Herz liegen nicht vor. Daher habe ich es unter- nommen, diese Verhältnisse in möglichst umfassender Weise zunächst am Froschherzen zu prüfen. Ich habe alle Grenzen untersucht und auch innerhalb der Kontinuität der Kammermuskulatur experimen- tiert. Registriert wurden jeweils die Contractionen der beiden Ge- webe, deren Leitung untereinander geprüft werden sollte auf der mit berußtem Papier überzogenen Trommel eines Ludwig-Baltzarschen Kymographions. Die Hebel hatten ein Trägheitsmoment von 0,55 g em?, die Vergrößerung war stets gleich und etwa Sfach. Zur Ver- ringerung der Reibung an der berußten Fläche waren die Schreib- spitzen aus Pergaminpapier gefertigt. Die Hebel standen senkrecht übereinander; war das nicht streng der Fall, dann wurde bei der Aus- messung der Kurven eine entsprechende Korrektur in Anwendung gebracht. Meist handelte es sich um Differenzen von weniger als 0,3 mm. Zur Verhütung des Ausdruckes von Mitbewegungen in der 10 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Kurve wurde entweder die Grenze zwischen den Herzteilen mit feinsten Nadeln festgestiftelt, oder mittels Gummiband in der Ruhelage fest- gehalten. Die Ausmessung der Kurven geschah mit Hilfe eines eigens zu diesem Zwecke nach Angaben des Instituts von Jaq uet angefertigten Meßapparates, auf dem 0,1 mm mit Sicherheit abgelesen werden können. Das Meßinstrument ist zur Erleichterung der Feineinstellung auf einen bestimmten Kurventeil mit einer Schraubvorrichtung versehen. Bei meinen Kurven beträgt der Sekundenwert des Millimeters bei der lang- samsten angewandten Trommelgeschwindiskeit 0,17”, so daß 0,02” genau bestimmbar waren, bei der schnellsten mit einem Sekundenwert des Millimeters von 0,02” sogar 0,002”. Die in den Tabellen mitgeteilten Werte entsprechen. Sekunden. Zur Reizung war jeder Herzteil mit einem Elektrodenpaar versehen; der Augenblick der Reizung wurde durch ein Pfeilsches Signal markiert, die Zeit in Fünftelsekunden durch ein Jaquetsches Chronometer. Nach den untersuchten Herz- teilen, resp. ihren Grenzen sondert sich die Arbeit in mehrere Abtei- lungen. 1. Beobachtungen an der Sinus-Vorhofgrenze. Wir haben in dieser Grenze zweifellos ein ungünstiges Objekt vor uns, da man die Automatie des Sinus nicht ausschalten kann, was für die Übertragung des rückläufigen Erregungsvorganges sehr wünschens- wert wäre, wenn man genaue zeitmessende Versuche durchführen will. Immerhin konnten trotz der in der Natur der Sache gelegenen Schwierig- keiten Ergebnisse erzielt werden, die zur Beurteilung der Leitungs- verhältnisse ausreichen. Die Versuche wurden vorgenommen an Fröschen in Äthernarkose oder im Zustande der Unbeweglichkeit durch Curarevergiftung, wobei das Herz ohne jeglichen Blutverlust freigelegt und mit Hilfe des ange- schlungenen Gefäßbändchens so umgeklappt war, daß man Venen und Sinus bequem zu übersehen vermochte. Zur Verhinderung des Aus- druckes von Mitbewegungen in den beiden registrierten Kurven, auf deren Beseitigung, wie schon oben erwähnt, streng geachtet wurde, war an der Sinus-Vorhofgrenze ein Gummiband angelegt, wodurch diese in Ruhelage festgehalten wurde. Suspendiert wurde meist der Sinus in der Gegend der Einmündung der rechten oder linken Vena cava superior, seltener der Vena cava inferior. Von den Vorhöfen vorwie- gend der rechte in der Mitte. Sinus und Atrium waren mit je einenr Elektrodenpaar versehen. Reizt man den Sinus außer dem Bereich seiner refraktären Periode, so führt er eine Extrasystole aus, die sich auf die entfernteren Abtei- lungen des Herzens fortpflanzt; siehe Abb. 1; seine nächste normale und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. al Systole soll sich dann in ähnlichem Abstande von der Extrasystole be- finden wie die normalen Systolen untereinander. Die Ausmessungen meiner hierher gehörigen Kurven sind in Tabelle I zusammengestellt; darin bedeuten die Zahlen des ersten ‚Stabes die Versuchsnummer, die des zweiten die Latenzen der Sinus-Extrasysto- len (le2 S1.),’ die des dritten die Überleitungszeiten des Kontraktions- vorganges von Sinus auf den Vorhof (Si,-A,), die des vierten die Dauer der Sinusperioden (Si,—Si,). Die Extrasystolen sind dadurch kenntlich gemacht, daß die ihnen folgende Periode Si,—Si,, die gegenüber der Norm verlängert ist, fett- gedruckt wurde. Ebenso ist das der Extrasystole entsprechende ver- längerte Intervall Si,—A, durch Fettdruck hervorgehoben. Abb. 1. Originalaufnahme. V. 43a v. 26. VI. 1914. Sinusextrasystolen. Registrierung: Sinus. Vorhof, Zeit in !/,’’, Reizmoment. Aus den hier mitgeteilten Zahlen geht hervor, daß die Dauer der Sinusperiode nach einem wirksamen Extrareiz wächst und zwar mit einer bei ein und demselben Versuche sehr konstanten Regelmäßigkeit. Ich befinde mich mit dieser Feststellung, aus der ich aber mit Rück- sicht auf die geringe Anzahl meiner Versuche keine weiteren Schlüsse ‘ziehen will, in einem gewissen Gegensatz zu den Angaben von Engel- mann!). Nach ihm befindet sich nämlich die der Sinusextrasystole folgende normale Systole von der ersteren in gleichem zeitlichen Ab- stande wie die normalen Sinussystolen untereinander. Diese Ermitt- lung wurde von ihm dahin zusammengefaßt, daß sich die Sinusmusku- latur von der des übrigen Herzens durch den Wegfall einer kompensato- rischen Pause nach Extrareizen auszeichnet (Ungültigkeit des für das übrige Herz geltenden Gesetzes der Erhaltung der normalen Reizperiode). Ob die in meinen Messungen, die auf +0,02” genau sind, nach einem wirk- samen Extrareiz auftretenden, z. T. recht erheblichen Differenzen in 1) Th. W. Engelmann, Über den Ursprung der Herzbewegungen und die physiologischen Eigenschaften der großen Herzvenen. Areh. f. d. ges. Physiol. 65, 109. 1896. 12 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Tabelle I. Sinus-Extrasystolen. Vers. | L.Si. | Sig-A, | Sig-Si, | Vers.| L.Si. | Sig-A, | Sig-Sig | vers. L.Si. | Sig-Ag | Sig-Si, 44 |) 0,21 45 0,36 45 0,38 | 1,35 102, 1,13 0,22 0,31 0.39 1,35 | 0,84 1,24 0,22 0,15 | 0,3% 0,34 1,37 1,35 0,24 0,31 ua an 1,46 1,21 a 0,15 0,31 0, nr 1,41 1,24 ’ 0,15 : 0,28 0,3£ | Lea nn 0,10 | 0,40 En | 0,27 0,34 ne 18: | 1,46 1,24 en 0,19 0,30 > al 1,41 1,19 a 0,19 | 0,34 > on 1,09 0,81 a 0,36 | 0,28 0,13 | 0,39 a 1,52 1,35 ale 0,18 0,30 Ds 1,42 1,20 a 0,22 0,31 Iyall an 0,19 | 0,34 Si 0,21 0,34 > ee | 116 1,23 a 10,22 | 0,30 0,30 > sa 1,49 1,19 ME 0,22 - 0,33 van 1,41 1,26 a 0,22 0,30 18 1,41 0,89 a 0,22 0,16 | 0,34 > 13 45 0,33 le 0,34 1,15 1,15 0,33 0,42 an 0,33 15 1,24 0,34 0,40 a 0,30 1,21 1,20 0,34 ee 0,31 0,78 0.30 ar 0,15 | 0,33 Sr 1,17 1,19 a 0,36 0,39 | “Span 1,17 1 0,39 | 0,39 0,40. 11.26 1,20 0,85 0.30 : 0,39 0,13 | 0,2 2 1,24 1,36 und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 13 Tabelle I. (Fortsetzung.) Vers.|| -L.Si. | Sig-A, | Sig-Si, | Vers.|| L.Si. | Sig-Ag | Sig-Sig | vers. | L.Si. | Sig-A, | Sig-Sig 46 0,29 46 | 1,17 | 46 0,94 1,11 0,31 0,18 | 0,4 0,29 | 1,18 1,66 1,18 0,29 0,29 0,28 1,21 0,93 1,18 0,29 0,35 0,29 0,93 1,25 1,15 0,21 | 0,41 0,36 0,30 1,33 1,24 0,92 0,30 0,37 0,16 | 0,40 1,24 1,26 1,29 0,28 0,37 na 1,20 0,31 47 0,33 0,29 1,21 1,15 1,20 0,36 0,35 0,29 1,21 1,15 2 0101 0,40 0,35 0.25 1,22 0,99 1,18 0,41 0,15 | 0,48 0,29 1,22 i 1,34 0,92 0,40 0,36 0,35 0,89 1,22 1.27 0,21 | 0,43 0,31 0,30 1,34 1,15 1,31 0,38 0,31 0,29 1,24 0,30 1,15 0,34 1,13 0,30 1,27 0,32 0,33 1,16 0,30 1,19 0,35 1,15 0,37 0,86 0,30 1,27 0,15 0,48 0,93 0,37 1,38 0,16 0,40 1.25 0,32 1,25 0,33 1,21 0,31 1,04 0,32 1,20 0,16 | 0,39 1,15 0,28 1,31 0,33 0,31 0,31 0,40 1,18 1,27 1,16 0,32 0,37 0,39 0,93 1,22 0,80 0,16 | 0,40 0,36 0,13 | 0,56 1,27 1,24 .| 1,28 0,35 0,37 0,36 1,17 1,22 1,14 0,27 | | 0,36 | 0,36 14 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen der Sinusperiode gegenüber der Norm (Wachstum oft um 16%) auf ein anderes Verhalten hindeuten, muß einer späteren Untersuchung vor- behalten sein. Reizt man den Vorhof (Sinus und Vorher waren gleich stark, durchschnittlich 10 em Rollenabstand), dann erhält man nicht ganz eindeutige Bilder. Eine Wirkung auf den Sinus ist meistens nicht vor- handen, zumal diese Extrareize des Vorhofs in Phasen der gesamten Herztätigkeit fallen müssen, in denen die Sinusmuskulatur durch den Normalreiz in Tätigkeit gebracht wird. Dann sind weiter eventuelle Ausschläge des Sinus zurückzuführen auf Zug oder Blutrückfluß, und, in allerdings seltenen Fällen auf direkte Reizung des Sinus durch Strom- schleifen, was sich aus EEE sem Zeitverhältnisse der = nn Extrasystole des Vorhofs und der scheinbaren Extra- systole des Sinus ergibt - (s. Abb. 2). Immerhin A Desitze ich in der beige- füsten Tabelle IT auch Fälle, bei denen es einiger- maßen zweifelhaft ist, ob nicht doch der Sinus rück- ee lic vom Vorhof aus in Abb. 2. ®/, Originalaunahme. V. 4b v. 27. v1. 191. Jätigkeit gebracht wurde. Vorhofextrasystolen. Registrierung: Sinus, Vorhof, Zeit Am ehesten wären alssolche in !/,”, Reizmoment. Durch die beiden wirksamen Vorhof- diesen ber Ih reize wurde auch der Sinus aus seinem Rhythmus gebracht. 1ejenigen ZU etrac ten, bei denen A,—Si, gegen- über Si,—A, verzögert ist. Es sei darauf hingewiesen, daß auch bei diesen Versuchen die Messungen ergeben haben, daß die nach dem Extrareiz auftretende normale Systole des Sinus verzögert kommt (s. Tabelle II). In der folgenden Tabelle II bedeuten Vers. die ensnchemmunnner, L.A. die Latenz des Vorhofs, A,—Si, das Intervall der vom Vorhof rück- läufig auf den Sinus übertragenen Erregung, Si,—A, das normale Intervall zwischen Sinus- und Vorhofscontration, Si,—Si, die Sinus- periode. Die Vorhofsextrasystolen sind dadurch kenntlich gemacht, daß eine Eintragung in dem Stabe A,— Si, gemacht wurde, während eine solche an dieser Stelle in dem Stabe Si,—A, fehlt. Die häufig vorkom- menden außerordentlich kurzen Intervalle A,—Si, (vor allem bei V.46b) deuten wohl darauf hin, daß hier der Sinus durch Stromschleifen mit- gereizt wurde. Die Fälle, bei denen die Übertragung der Extrasystole des Vorhofs auf den Sinus gelungen zu sein scheint, sind durch ein * hervorgehoben. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 15 Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn man die Zufuhr des Blutes zum Herzen durch Anschneiden des Sinus unterbricht. Seine Tätigkeit, die unter diesen Bedingungen für eine Zeitlang aufgehoben wird, stellt sich meist in wenigen Minuten in unverändertem Rhythmus und Kontraktions- umfang wiederher. Ansolchen Herzen habe ich nun, allerdings meist ohne Registrierung, beobachtet, daß Extrasystolen des Vorhofs sich auf den Sinus fortpflanzen. Tabelle II. Vorhof Extrasystolen. Te Era Wars, | ia, | si,81, Vers | 12.A 74,8, | 81,4, | 81,8: 43 0,48 44 0,23 | 1,32 | 1,44 0,54 | 0,26 1,47 1,44 0,12 | 0,20 0,24 1,27 1,36 0,50 0,03 0,24 1,35 1,52 0,50 | 0,24 1,32 44 0,20 2 1,46 0,20 0,20 1,47 1,48 0,24 0,21 1,47 126 | 0,091 | 0,24 0,21 1,5% nos 0,23 0,21 1,50 oe 0,26 0,21 1,46 126 0,22 0,25 1,46 Ne 0,18 0,21 1,43 IB 0,24 Dal 1,50 1,43 0,21 0,061 | 0,26 1 1,47 15 0,24 0,24 1,50 1,43 0,20 e. 0,29 1,48 0,24 0,23 1,49 1,41 0,23 0,08 | 0,23 1,45 1,5% 0,061 | 0,18 | 0,23 1,43 1,44 0,30 0,24 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen 16 Tabelle II. (Fortsetzung.) Vers. | L.A. | Aysiz | SigAg | SigSig | vers- L.A. | AySig | Sig-A, | SigSig 44 1,46 | 46b 0,29 0,29 1,15 1,46 0,27 0,30 1,12 1,49 0,31 0,29 1,10 1,49 0,137 | 0,014 0,046 | 0,26 1,2% 1,52 0,22 0,30 1,12 1,47 0,28 0,29 1,13 1,59 0,31 0,20 1,16 1,38 0,29 0,33 1,19 1,54 0,28 1,15 0,25 1,18 0,192 | 0,102 1,19 0,28 0,25 0,091 | 0,30 1,00 0,103 |. 0,089 1,21 0,26 1,12 0,19 RENNER PT ENEER ER EANBERR 0,35 44b 1,40 0,30 1,15 0,33 1,18 0,30 1,15 0,28 | 0,076 | 0,26 n | 1.09 0,20 0,103 | 0,074 1,41 138 0,26 | Da 1,48 | 1,19 und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 7 Tabelle II. (Fortsetzung.) Vers.| L.A. | AySig | SigAg | SigSig | Vers. | L.A. | Ars Ms Ad ses 46b 0,27 46b 1a 1,08 0,32 0,29 1512 | 1,16 0,147 | 0,162 0,31 1,24 | 0,33 0,30 1,18 1,46 0,33 0,32 1,22 Le 0,30 0,29 0,28 0,061 | 0,38 0,18 1,40 0,30 | 0,27 1,19 0,32 230 1,16 1,14 0,33 0,31 1,16 1,22 0,33 0,30 1,18 Balz i 0,12 0,060 0,30 1,2% 16 0,26 0,118 | 0,089 3 1 1,14 29 0,32 0,30 2 ze 1.12 1,17 Verl = - 1,14 0,30 0,35 1,10 1,19 0,30 0,33 1,13 1,19 0,33 0,30 1,08 | 1,16 0,118 | 0,059 0,30 1,27 1,20 0,34 0,30 1,19 1,20 0,27 0,44 | 1,15 113 | 0,29 0,075 | 0,075 1,13 1.51 | 0,31 0,36 Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Ba. 184. 9 18 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Tabelle II. (Fortsetzung.) vers, | RES As | Vers. | L.A. | A,Siy | SigAs | SieSis 478 1,13 0,22 0,21 1,18 0,24 0,39 1,13 1,13 0,089 | 0,24 0,39 1,26 lolks 0a 0,21 | 0,091 i 1.19 —_ 2 0,29 1,16 48b 0,25 au | 126 | 1,14 0.25 0,30 1,12 | 1,16 0,147 | 0,089 N 0,20 1,33 1,17 0,27 0,23 ee 0,118 | 0,25 ir 0,21 » » 1,26 1,20 os ’ 0,28 1,27 0,21 nal 1,15 1,18 0,22 0,22 1,20 | 1,19 TE 0,18 0,22 A 1,19 > 0,118 | 0,118 wuy | WIE ee 1,34 |. > 0,24 0,26 1,19 | 1,19 wa 0,28 0,27 02 154 1,22 ; 0,16 0,27 1,04 1,13 > 0,103 | 0,18 ee 1,35 1,27 , 0,21 0,25 1,25 1,19 0,21 0,28 1,20 0,24 In späteren Stadien des Absterbens kann man Vorhofsreize mit einiger Sicherheit auf den Sinus rückläufig übertragen, wobei dann, wie aus beiliegender Tabelle III, deren Zahlen an einem Präparat er- und rückläufisen Erregungsleitung beim Froschherzen. 109 mittelt wurden, hervorgeht, dasIntervall A,— Si, mitdurchschnitt- lich 0,55’ längeristalsdasIntervall Si,—A, mitdurchschnitt- lich 0,32”. Tabelle Ila. Leitungszahlen Sis-As sowie As-Sis gemessen am absterbenden Herzen 0,30 0,50 0,30 0,53 0,33 0,55 0,33 0,57 0,31 0,55 0,33 0,33 Jedenfalls müssen der Klärung dieser Erscheinungen noch ein- gehende Versuche gewidmet werden. Im allgemeinen kann man also sagen, daß Extrasystolen des Vorhofs in der Norm nicht auf den Sinus übergehen, ein Verhalten, das ja bekanntlich in der Regel auch für die Vorhof-Kammergrenze gültig ist. Ein Übergang von Vorhof- Extrasystolen auf den Sinus wird erst dann zu erwarten sein, wenn durch Beeinflussung bestimmter Art, z. B. durch Abkühlen, die normale Sinusperiode verlängert, andererseits durch Erwärmung des Sulcus eircularis die Erregungsleitung derart beschleunigt wird, daß die vom Vorhof anlangende Erregung, die ohnehin zum Passieren der Grenze eine merklich längere Zeit beansprucht, wie die in normaler Richtung vor sich gehende, den Sinus in einer Phase trifft, in der der normale Reiz noch nicht zur Entwicklung und Geltung gelangt ist. Ich möchte hier noch eine Beobachtung anführen, die ich wiederholt an entbluteten, spontan schlagenden Herzen gemacht habe. Sie besteht darin, daß sich zwischen Sinus und Vorhofs- kontraktion noch eine selbständige jenes weißen Bandes einschiebt, in dessen Höhe nach den Vorschriften von Stannius die 1. Ligatur angelegt werden soll. Es handelt sich um eine Zusammenziehung jenes distal vom Sulcus circularis gelegenen, aus zirkulär verlaufenden Muskelfasern bestehenden Gebil- des, das den Übergang von Sinus zu Vorhofs- muskulatur vermittelt (s. Abb. 3). Die Haupt- pause fällt zwischen Sinus- und Bandkontrak- Abb. 3. Schematische Zeichnung des Froschherzens von der Dor- salseite aus gesehen. 4.d.u.A4.s. bedeuten rechten und linken Vorhof, V. die Kammer, B. den tion, während die zwischen Band- und Vor- hofkontraktion wesentlich kürzer ist. Es sei erwähnt, daß Go m pertz!)das Auftreten dieser 1) €. Gompertz, Über Herz- und Blutkreislauf bei nackten Amphibien. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1884. S. 242, Bulbus. V.». die Vena pulmona- lis, :V.e.8.d. u. V..c.s. s. rechte und linke obere Hohlvene. Der Sinus ist entsprechend der ge- strichelten Linieeröffnet; man sieht den Ring des Ostium sinus venosum, dessen Zusammen- ziehung zwischen die des Sinus und Vorhois fällt Opa 20 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Erscheinung bei Anfertigung seiner Präparate zum Studium der Herz- struktur durch Aufblähen der Herzen gelegentlich beobachtet hat. Unter gewissen Bedingungen macht sich also an der Grenze zweier Herzabschnitte ein Zerfall der Kontraktionsfolge in der normal kon- tinuierlich fortschreitenden Peristaltik bemerkbar. Dieser deutet auf eine langsame Leitung an gewissen Stellen hin, die man eben weder mit dem Auge noch mit Hilfe der Registrierung beobachten kann. Eine Registrierung dieser Vorgänge stößt auf große Schwierigkeiten, da es sich um Partien geringen Ausmaßes handelt, die noch dazu sehr eng nebeneinander angeordnet sind. So beträgt die Breite des oben erwähnten Bandes meist weniger als 0,5 mm. Ob es sich allerdings bei diesem Zerfall um ein durch Absterben be- dingtes Phänomen handelt, oder aber um eine durch Verlangsamung der Leitung kenntlich gemachte Pause, die auch in der Norm vorkommt, muß vorerst unentschieden bleiben. Die letztere Annahme hat aber mehr Wahrscheinlichkeit für sich und würde in guter Überein- stimmung mit den Forderungen der myogenen Theorie sein. Es wäre aber nicht gehörig, hier unter Pause einen Stillstand im Ablauf der Peristaltik zu verstehen. Es handelt sich vielmehr m. R. um einen langsameren Ablauf des Kontraktionsvorganges an dieser Stelle, bedingtidurch die zwischen Sinus und Vorhof sich einschie- bende Schicht zirkulär angeordneter Muskelfasern, worüber ich anderen- orts Näheres berichten werde. 2. Beobachtungen an der Vorhofkammergrenze. Bevor ich auf die eigentlichen Experimente zu sprechen komme, sei es mir gestattet, ein wenig auf die Anatomie hinzuweisen. Die ge- treueste Abbildung der beim Froschherzen vorliegenden Verhältnisse habe ich in der Gauppschen Anatomie.!) gefunden. Die beiden Vorhöfe haben eine in der Längsrichtung angeordnete innere, und eine aus zirku- lär verlaufenden Fasern bestehende äußere Muskelschicht. Quer ver- laufende Muskelzüge finden sich überdies in größeren Mengen in der Nähe der beiden venösen Ostia sinus und in den mittleren Vorhofsan- teilen. Dort, wo das Septum ansetzt, auf das vom Ostium sinus venosum ein Muskelzug übergeht, bildet sich ventral und dorsal eine Muskelleiste, wie die Gauppsche Abbildung zeigt. Eine besondere mächtige Muskelmasse ist die ventral rechts gelegene, als Limbus Vieusseni bezeichnete Vorhofspartie. Die einzelnen längs verlaufenden Muskelbalken ragen in das Vorhoflumen hinein und haben !) E.Gaupp, A. Eckers und R. Wiedersheims Anatomie des Frosches auf Grund eigener Untersuchungen, neu bearbeitet. Braunschweig 1896. Abb. 68 und 69 auf S. 255. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 21 einen Querschnitt von durchschnittlich 0,01 (mm?). Sämtliche Bündel rücken beim Übergang in den Atrioventrikulartrichter näher aneinander heran. Die längs gestellten erfahren dabei eine Änderung ihrer Verlaufs- richtung um 90°, so daß das Gefüge an dieser Stelle dichter wird und nur aus zirkulär verlaufenden Fasern besteht. Das Objekt für die Beobachtungen der Vorgänge an der Vorhof- kammergrenze war das Froschherz im Stillstand nach einer ersten Stanniusschen Ligatur. Registriert wurden die Bewegungen zweier Punkte der Herzoberfläche, und zwar der Vorhöfe in der Medianlinie und des Ventrikels in der Nähe der Herzspitze. Zur Beurteilung aller folgenden quantitativen Versuche sei hervorgehoben, daß es für die Be- stimmungen der Intervalle im wesentlichen nichts ausmacht, welche Stellen des Vorhofs oder Ventrikels zur Registrierung verwendet werden, da ja, wie auch aus meinen Versuchen innerhalb der Kammermusku- latur hervorgeht, die Leitung der Peristaltik im Ventrikel Zeiten von Hundertstelsekunden in Anspruch nimmt, die gegenüber den Pausen natürlich verschwinden. Im übrigen sei auch darauf hingewiesen, daß die zeitlichen Unterschiede, die bei der Reizung des Ventrikels an ver- schiedenen Stellen Basis, Mitte, Spitze im Intervall V,—A, auftreten, außerordentlich gering sind. Versuchstiere waren meistens große un- garische Esculenten. Vor Anlegen der Ligatur wurden die Herzen zur vollständigen Entfernung des Blutes mit Ringerlösung ausgespült. Ich habe bei dieser Maßregel niemals ein Spontanschlagen des Herzens be- obachtet, auch nicht im Nodalrhythmus, wie es vielfach in der Literatur beschrieben ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um eine durch die Ringerlösung verursachte Schädigung derjenigen Zentren, von denen der sogenannte Nodalrhythmus ausgeht. Diese haben nach den Untersuchungen Haberlandts!) ihren Sitz in dem A-V- Trichter. Es wäre aber auch denkbar, daß die im Herzen verbleibenden Blutreste durch den zweifellos vor sich gehenden Gasaustausch einen Reiz auf dieses Automatiezentrum ausüben, der durch das Ausspülen des Herzens entfällt, oder aber, daß durch die bessere Ernährung durch Blut diese Teile länger funktionsfähig blieben. Jedenfalls standen bei meiner Versuchsanordnung die Präparate bis zum völligen Absterben vollkommen still 2). | Die Zeitdauer von der Tötung des Frosches bis zur Verbindung der Herzteile des Präparates mit den Hebeln betrug in der Regel 10—15 Minuten. !) L. Haberlandt, Zur Physiologie des Atrioventrikulartrichters des Frosch- herzens. Zeitschr. f. Biol. 61, 1. 1913. 2) Vgl. auch E. v. Skramlik, Über die automatischen Rhythmen. Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 109. 1920. 22 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen a) Beobachtungen des Intervalls A —V, und V,—A, ohne be- sondere experimentelle Eingriffe. Wie aus den folgenden Tabellen, die verschiedenen Versuchsanord- nungen. entsprechen, hervorgeht, ist das Intervall der beiden Tätigkeiten (im mechanischen Sinne) V,—A, stets länger als Abb. 4. ?/; Originalaufnahme. V. 1la v. 22. XI. 1913. Intervalle As — Vs und Vs — As normal. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,’’, Reizmoment. Die ersten drei Zusammenziehungen sind auf Reizung des Vorhofs, die nächsten drei auf solche der Kammer zurückzuführen. Die Aufnahme wurde 15° nach Tötung des Frosches gemacht. A,—V,, undzwarim Durchschnitt 0,5” gegen 0,3’;im Verlaufe von 2 Stunden wachsen beide Intervalle ohne einen Ein- griff parallel und annähernd proportional (s. Abb. 4 u. 5). In der folgenden Tabelle III ist für einen Versuch die Dauer der Inter- valle verschieden lange Zeit nach Tötung des Frosches ermittelt. Es Abb. 5. /; Originalaufnahme. V. 11b v.22. XI. 1913. Intervalle As— Vs und Vs — Asin späteren Stadien des Absterbens. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,’’, Reizmoment. Die ersten drei Zusammenziehungen sind auf Reizung des Vorhofs, die nächsten drei auf solche der Kammer zurückzuführen. Die Aufnahme erfolgte 2h nach Tötung des Frosches. bedeuten darin, das gilt auch für sämtliche folgenden Tabellen dieses Abschnittes, L. A. die Latenz des Vorhofs, L. V. die der Kammer, bei der gewöhnlich noch hinzugesetzt ist, an welcher Stelle gereizt wurde (Grenze, Mitte, Spitze, G., M., S.), A,— V, das Intervall im normalen und V,—A, das im rückläufigen Sinne. Die ‚‚Zeit‘“ überdies die von der Tötung des Frosches bis zur Aufnahme verflossene Zeit. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 23 Tabelle II. Vers. | Zeit | L.A. |A,V; | L.V. |VgA,| RO. |Vers.| Zeit | L.A. |A,-V, | L.V. AyVs BR. 0. 9 | 10 | 0,24| 0.25 | 0221040 G. | 9 50 | 0,24 | 0,37 | 0,20 | 047 | €. bis | 0,29 | 0,27 | 0,20 | 0,40 | @. bis | 0,29 | 0,36 | 0,25 0,45 | G. 20’ | 0,29 | 0,25 | 0,22 0,38 | @. 60 0,25 0,49 | M. 0,30 |-0,24 | 0,22 0,38 | @. | 0,24 0,49 | M. 0,25 | 0,40 | M. 0,20 0,51) M. 0,20 |0,42| M. | 0,24 0,51 | M. 0,20 | 0,44 | M. 0,24 | 0,49 | S. | 0,20 | 0,42 | M. 0,22 | 0,53 | S. | 0,22 |0,42| M. 0,24 | 0,48 | S 0,29 | 0,44 | M. 0,27 10,43| S. 70 |0,25 0,43 | 0,18 | 0,60 | @. 0,27|043| S. bis | 0,22 | 0,41 0,19 0,60 | €. 0,27 |0,42| S. ' 90’ 0,25 | 0,40 | 0,24 | 0,58 | @. | 0,26 0,42. 0,24 | 0,58 | G. 25 | 0,27| 035 | 0,25 [0,41 | G. 0,24 | 0,55 | M. bis | 0,26 | 0,35 | 0,27 0,38 | €. 0,20 | 0,58 | M. 40' | 0,26 | 0,36 | 0,26 | 0,45 | €. 0,20 | 0,62 | M. 0,25 |0,42| €. 0,21 | 0,58 | S. 0,24 | 0,44 | G. | 0,24 | 0,58 | S. 0,24 | 0,42 | G. 0,22 | 0,60 | S. 0,24 0,45 | @. 0,24 0,42 | G. 100 | 0,33 | 0,44 | 0,22 | 0,68 | . 0,28 0,44 | 8. bis | 0,31 | 0,45 | 0,27 | 0,65 | €. 0,30 |0,40| S. 150’ | 0,29 | 0,45 | 0,22 | 0,62 | ©. 0,30 0,40, 8. 0,27 | 0,62 | G. 0,24 | 0,65 | ©. 40 | 0,25| 0,38 | 0,25 0,41 | €. bis | 0,20 | 0,42 | 0,24 |0,45 | €. 0,27 | 0,64 | M. 45’ | 0,22 | 0,42 | 0,20 0,45 | M. 0,29 | 0,62 | M. 0,19 |0,44| M. 0,29 | 0,60 | 8. 0,22 10,49| S. 0,25 | 0,65 | S. 0,22\10,49| S. 0,22 | 0,62 | S. 0,24 0,45 | S. | In Tabelle IV sind die Mittelwerte der Messungsergebnisse bei zwei Versuchen zusammengestellt; zu den früher ange- gebenen Stäben kommt hier noch einer mit den Proportionalitätsfakto- ren, die den Zahlenwert des Verhältnisses der am absterbenden und am ursprünglichen Präparate gemessenen Intervalle für recht- und rück- läufige Erregunssleitung wiedergibt. Es bedeuten also wie früher V. die Versuchsnummer, Zeit die seit der Tötung des Frosches vergangene Anzahl von Minuten, L. A. die Latenz des Vorhofs, A,—V, das rechtläufige Intervall, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall. R. O. den Reizort. Die A,—V, abst. A,—V,norm. Intervalle amabsterbenden (abst.)und normalen (n.) Herzen; Proportionalitätsfaktoren das Verhältnis der rechtläufigen V,—A,abst. V,—A,norm. 24 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen das Verhältnis der rückläufigen Intervalle am absterbenden (abst.) und normalen (n.) Herzen. Tabelle IV. | | ES DEN Ay-V; abst. | V,-A, abst. Vers. Zeit | L. A. | sYsg L.V. sAs R.O Au ven VAsn. 11 | 15-20 | 0,29 0,17 0,17 n,40 G. 0,17 0,43 S. 25-35 | 0,29 0,18 0,20 0,44 @. 0,20 0,42 Sa 40-50’ | 0,33 0,18 0,19 0,50 G. 0,23 0,51 S. 55-65 | 0,30 0,23 0,17 0,59 G. | 0,17 0,56 S. 70-80’ | 0,41 0,20 0,15 0,57 en 0,18 0,58 S. 100 bis | 0,31 0,23 0,19 0,58 G. 1,41 1,47 110’ 0,20 0,59 S. 12 | 15-25 | 0,19 0,29 0,19 0,44 es 0,14 0,42 S. og 11.094 018 N ore 0,19 0,42 S. 55-65 | 0,20 0,38 0,17 0,42 G. 0,18 0,51 S. 80-90’ | 0,29 0,37 0,26 0,69 G. 0,25 0,59 S. 95 bis | 0,28 0,37 0,16 0,63 G. 105’ 0,16 0,55 S. 110 bis | 0,37 0,39 0,22 0,64 G. 1.35.21 11246 120° 0,19 0,57 S. b) Beobachtungen des Intervalles A,—-V, und V,—-A, nach Einwirkung von Induktionsschlägen. Man kann die beiden Überleitungszeiten auf die verschiedenste Weise modifizieren. Vorerst, indem man daran ging, durch die Vorhof- kammergrenze eine Anzahl von starken Induktionsschlägen zu schicken. Bekanntlich kann man an einem spontan schlagenden Herzen durch diesen Eingriff Halbierung erzielen. Wie aus den beigefügten Tabellen V und VI hervorgeht, wachsen unter diesem Einflusse die beiden Überleitungszeiten parallel und proportional. Bei besonders empfindlichen Herzen kann man, wie aus einem Versuche (Nr. 16) hervorgeht, nach der Einwirkung einer größeren Anzahl (200) und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 25 Induktionsschlägen!) einen Zustand des Herzens herbeiführen, bei dem die Erregung wohl von dem Vorhof auf die Kammer, nicht aber von der Kammer auf den Vorhof übergeht. Dasselbe wurde auch beim Tetani- sieren der Grenze beim Rollenabstand R.-A. = 0 cm beobachtet. Doch ist diese Störung der Rückleitung keine dauernde. Nach einer Stunde Ruhe war die Leitung wieder hergestellt. In der folgenden Tabelle V bedeuten der 1. Stab den Zustand des Herzens, L. A. die Latenz des Vorhofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhof und Kammer, Latenz V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall, die dabei stehende Angabe bedeutet den Ort der Kammer, an dem die Reizelektroden angelegt waren. Tabelle V, Versuch 13. Latenz A. AsVg Latenz V. Vg-A, Grenze Normal 0,26 | 0,24 0,15 0,37 0,28 0,24 0,15 0,38 0,22 0,24 0,15 0,37 Reizung der Grenze 0,20 0,30 0,18 0,39 mit 59 Indukt.-Schlägen 0,18 0,28 0,20 0,39 R. A. 9,5 cm 0,24 0,28 0,22 0,41 | 0,18 0,41 Weitere 50 Indukt.-Schläge 0,13 0,57 0,18 0,65 R. A. 0,0 cm 0,17 0,57 0,18 0,63 0,16 0,59 0,20 0,66 0,23 0,63 0,20 0,61 0,20 0,66 0,19 0,59 0,20 0,62 Ruhepause 30 M. 0,38 0,41 ‚0,29 0,62 0,35 0,43 0,25 0,60 0,39 0,41 0,22 0,64 0,40 0,39 0,22 0,65 0,39 0,45 0,22 0,65 50 Indukt.-Schläge : 0,29 0,55 0,25 0,65 R. A. 0,0 cm 0,31 0,56 0,29 0,65 0,29 0,51 0,25 0,70 0,25 0,51 0,23 0,69 0,24 0,67 1) Es wurden Öffnungsinduktionsschläge durch die Grenze geschickt, deren Stärke durch den Rollenabstand in den Tabellen einigermaßen bestimmt ist; sie wurden mit der Hand gegeben (Anwendung eines Vorreiberschlüssels) in einem Tempo, das nicht näher bestimmt wurde, bei dem ein Schlag dem andern annähernd im Sekundenrhythmus folgte. 26 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen In der Tabelle VI sind wieder Mittelwerte zusammengestellt; es be- deuten darin V. die Versuchsnummer, der 2. Stab den Zustand des Herzens, L. A. die Latenz des Vorhofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhof und Kammer, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rück- läufige Intervall. Außerdem sind die Proportionalitätsfaktoren ange- geben, die der Quotient der Intervalle nach gesetzter Schädigung zu a .._ heißt A,—V, nach In- duktionsschlägen zu A,—V, normal. denen im Normalzustande sind. Tabelle VI. Vorhofkammergrenze. Einwirkung von Induktionsschlägen auf die beiden Intervalle. Avon LS ERS. Vers. LA |AVa| UV | VeAs| Sy nom | Ver nom. 13 | normal... ...| 0,25| 024 | 0,15 | 0,37 59 I.S.R.A. 9,5cm | 0,21 | 0,29 | 0,20 | 0,40 1,2 I, 50 1S.R.A. 0,0cm | 0,15 | 0,58 | 0,20 | 0,63 2,4 1,7 Ruhepause . . . ı 0,39 | 0,42 | 0,24 | 0,63 50 L.S.R.A. 0,0cm | 0,29 | 0,54 | 0,25 | 0,67 2,0 1,6\ 143 normale 0,21 | 0,46 | 0,26 | 0,54 30 1.S.R.A. 0,0cm | 0,22 | 0,88 | 0,23 | 0,99 1,9 1,84 152|Unormaluen.2 2 0,47 | 0,40 | 0,26 | 0,56 300 I.S.R.A. 0,0cm| 0,23 | 0,61 | 0,17 | 0,87 1,52 1,55 16. snormalıı a 0: 0,30 | 0,35 | 0,18 | 0,69 100 1.S.R.A. 0,0cm| 0,29 | 0,57 | 0,17 | 1,00 1,62 1,45 300 1.S.R.A. 0,0cm| 0,35 | 0,70 oo 2,0 oo IS cnormaluı ea 0,21 | 0,39 | 0,18 | 0,45 600 1.S.R.A. 0,0cm| 0,16 | 0,89 | 0,23 , 1,01 2,28 2,25 Darin bedeuten I.S.R.A. Induktionsschläge vom ZRollenabstand; das Zeichen °© aufgehobene Leitung. c) Beobachtungen des Intervalls A,-V, und V,-A, nach Temperaturveränderungen. &) Gleichmäßig die ganze Grenze betreffende. Abkühlungen und Erwärmungen wurden mit Hilfe eines Apparates vorgenommen, der gestattete, bestimmte Herzteile linear ventral und dorsal gleichzeitig, gegebenenfalls ungleich zu temperieren, während die übrigen Herzabschnitte flächenhaft erwärmt oder abgekühlt werden können, freilich nur auf einer Seite. Er ist von v. Kries für das ausge- schnittene Herz konstruiert worden und bedeutet im wesentlichen nur eine Modifikation einer von ihm früher angegebenen Vorrichtung }). Vorhof und Kammer ruhen dabei auf zwei miteinander verbundenen, 1) J.v. Kries, Über eine Art polyrhythmischer Herztätigkeit. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1902, S. 477. und rückläufigen Erregungesleitung beim Froschherzen. | aber streng isolierten Thermoden. Die Grenze befindet sich zwischen zwei Metallschneiden. Die Temperierung erfolgt durch Wasser, das man durch die Thermoden leitet. Kühlt man die Grenze dorsal und ventral auf etwa 6°C ab, dann wachsen beide Überleitungszeiten, wie aus den Tabellen VH und VIlL und der Abb. 6hervorgeht, parallelund innerhalbenger Grenzen auf das 2-bis 5fache. Jede Abkühlung bedeutet aber auch eine dauernde Schädigung des Gewebes; denn man kann durch Erwärmung der Atrioventrikulargrenze auf Zimmertempe- ratur die Intervalle nicht mehr auf das ursprüngliche Maß bringen. Abb. 6. !/, Originalaufnahme. V. 20. v. 13. XII. 1913. Einwirkung der Kälte auf die beiden Intervalle As— Vs und Vs— As. Registrierung in beiden Teilen: Vorhof, Kammer, Zeit in 1/,”, ‚Reizmoment. Linker Kurvenausschnitt: Vorhofreizung. 1. Zeile normal, 2. Zeile nach Ab- kühlung der Grenze durch 10’ auf 6° C. Rechter Kurvenausschnitt: Kammerreizung. 1. Zeile normal, 2. Zeile nach Abkühlung der Grenze durch 10’ auf 6° C. Man beachte das Wachstum der beiden Intervalle, sowie den trägen Verlauf von Vorhof- und Kammerzuckung. Tabelle VII. Versuch 18 und 19. Versuch 18. Latenz A. Ay-Vs Latenz V. | V,-A,-Grenze l Normal le 0,36 0,18 0,49 | 0,16 0,32 0,16 0,49 0,16 0,36 0,16 0,49 0,18 0,32 Kühlung der Grenze durch 15 Min. 0,39 0,69 0,20 0,96 auf ca. 6° C. ventral u. dorsal 0,43 0,72 0,20 0,90 0,40 0,70 0,22 0,90 80 Min. Ruhepause, Erwärmung 0,24 0,51 0,15 0,87 der Grenze auf 30°C. 0,24 0,51 0,11 0,87 0,20 0,53 0,13 0,87 0,20 0,53 0,13 0,87 ‘ Kühlung der Grenze auf ca. 6°C. 0,44 1,20 0,32 1,46 durch 35 Min. 0,44 1,20 0,32 1,46 0,32 1423 0,32 1,46 0,36 1,21 28 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Versuch 18. Fortsetzung. Latenz A. As-Vg Latenz V. | V,-A, Grenze Normal | 0,20 0,27 022 | 0,38 0,20 0,27 0,16 0,40 0,20 0,25 0,20 0,38 I. 0.16 0,25 0,18 0,38 Kühlung der Grenze ventral und 0,47 0,71 0,22 1,44 dorsal auf ca. 6° ©. durch 60 Min. 0,49 0,64 0,19 1,48 0,42 0,58 0,19 1,48 0,49 0,60 0,20 1,44 In der Tabelle VII bedeuten der erste Stab den Zustand des Herzens beziehungsweise die mit ihm vorgenommenen Veränderungen, L. A. La- tenz des Vorhofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhof- und Kammer- tätigkeit, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Inter- vall, die dabei stehende Bemerkung gibt den Ort der Kammer an, wo die Reizelektroden angelegt waren. Tabelle VIII. Einwirkung der Abkühlung der Vorhofkammergrenze auf die beiden Intervalle. A,-Vs gek. | Vg-A, gek. Vers. L. A. AsVs L.V. Vg-Ag A,-V, norm.V;-A, norm. 182 SNormalla an a | 0,16 | 0,34 | 0,17 | 0,49 | 115% gek. 6°C. vw. u. d. 2.0414 70,720: |1.0,21720:9220. 72206 1,89 302 Ruhe. nek al 0,22 | 0,52 | 0,13 | 0,87 3 i35 288 6 Chr. ud 0032 1200 1,70 195 Normalen u nn 00 0,19 | 0,26 | 0,19 | 0,39 | 607 gek. 6°C. v. u. d.. | 0,47 | 0,64 | 0,20 | 1,46.| 2,46 201 Normalen. 2. 20: 0,15 0,26 | 0,19 | 0,38 | 30’ gek. 6°C. v. u. d.. | 0,46 | 1,20 | 0,40 | 1,84 | 4,62 4,86 > ENormalE Sa 0,22 | 0,21 | 0,14 | 0,41 | 407 sek. 6°C. v.u.d.. | 0,26 | 0,53 | 026 | 0,64 | 23,52 1,56 | Auf Zimmert. erwärmt 0,29 | 0,46 | 0,28 | 0,70 | ventral gek. 5° C. | dann AeRSIEEre Tesicı 0,32 | 0,39 | 0,18 | 0,69 In der Tabelle VIII sind wieder Mittelwerte z. T. auch aus den Daten der Tabelle VII zusammengestellt. Im ersten Stab findet sich die Versuchs-_ nummer, im zweiten Angaben über den Zustand des Herzens sowie dessen Veränderungen (v. u. d. heißt ventral und dorsal). L. A. — Latenz des Vorhofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhof und Kammertätigkeit, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall. Zu- letzt sind wieder Proportionalitätsfaktoren angegeben, die durch Divi- sion des bei Abkühlung (gek. gekühlt) mit dem normalen (n.) Intervall gewonnen wurden. und rückläufigen Erregunsesleitung beim Froschherzen. 29 Erwärmung der Grenze dorsal und ventral auf Temperaturen von etwa 30°C bewirkt eine Verminderung der Überleitungszeiten. Es ist aber, wie Tabelle IXa aufweist, die Verkürzung nur unwesentlich und ungleichmäßig, stets aber nimmt die Leitung der Erregung in normalem Sinne weniger Zeit in Anspruch als im umgekehrten. Bedeütsam ist, daß durch Erwär- mung der Grenze dorsal und ventral auf Temperaturen von 38°C. durch etwa 10 Minuten die Rückleitung dauerndaufge- hobenwird. (siehe Abb.7). Sie stellt sich also selbst bei nachfolgender Ab- kühlung nicht wie- der her, was an- schließende stun- denlange Beobach- tungen der Präpa- rateergebenhaben. In der Tabelle IX bedeutet wie- der der erste Stab IUWUNBHUNBUBUNDNUETIERUUDEBULULBUDULUUERETE! Abb. 7. 2/;, Originalaufnahme V. 25. v. 19, XII. 1913. Ein- wirkung der Wärme auf die beiden Intervalle. Registrierung in beiden Zeilen: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,”’, Reizmoment. 1. Zeile As— Vs und Vs— As nach Erwärmung der Grenze ventral und dorsal durch 10’ auf 30° C. 2. Zeile As— Vs und Vs— As nach Erwärmung der Grenze ventral und dorsal durch 10’ auf 40° C. Die Rück- leitung wird dadurch aufgehoben. die Versuchsnummer, der zweite den Zustand des Herzens, bzw. die mit ihm vorgenommenen Veränderungen, L. A. die Latenz des Vor- hofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhof- und Kammertätigkeit, L. V.die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall. Tabelle IX. Vorhofkammergrenze. Vers. Latenz A. AsVs Latenz V. Vg-As 23 Normal 0,26 0,33 0,13 0,48 0,24 0,33 0,15 0,48 0,26 0,31 0,14 0,48 0,28 0,31 0,15 0,43 0,20 0,33 | kr 0,20 0,33 | Erwärmung der Grenze dorsal 0,15 0,22 0,09 0,40 und ventral durch 10 Min. 0,13 022 0,09 0,36 auf 30° 0,14 0,24 0,10 0,36 0,15 0,26 0,10 0,40 0,11 . 0,40 30 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Tabelle IX (Fortsetzung.) Vers. | Latenz A. Ay-V5 | Latenz V. VerAg 24 Normal 0,20 0,31 0,16 0,42 0,22 0,32 0,18 0,40 0,19 0,31 0,18 0,45 0,20 0,31 0,18 0,42 | 0,20 0,31 Erwärmung der Grenze durch 0,11 0,22 0,09 0,30 10 Min. auf 30° dorsal und 0,11 0,24 0,09 0,27 ventral 0,11 0,22 0,09 0,27 0,12 0,18 0,10 0,26 0,09 0,22 0,10 0,27 0,09 0,22 25 Normal 0,20 0,38 0,19 0,45 0,21 0,40 0,20 0,49 | 0,20 0,40 0,16 0,45 0,23 0,40 Erwärmung der Grenze durch 0,13 0,23 0,08 0,32 10 Min. auf 30° dorsal und 0,11 0,23 0,09 0,29 ventral 0,13 0,20 0,08 0,32 0,14 0,22 0,09 0,31 0,14 0,22 0,09 0,32 ß) Örtlich ungleiche Temperierung. Zu besonders interessanten Ergebnissen führten örtlich ungleiche Temperierungen der Vorhofkammergrenze. Diese Erwärmungsver- suche ergaben zwischen ventralen und dorsalen Bündeln bemerkens- werte Unterschiede. Erwärmt man die ventralen Bündelallein auf40°Cundkühltdiedorsalen,sowiealleanderen Abteilun- sen des Herzens auf Zimmertemperatur ab, so zerstört man die Rückleitung dauernd. Sie stellt sich also nach Abkühlung nicht wieder her. Erwärmt man die dorsalen auf dieselbe Temperatur und kühlt alle übrigen Herzabteilungen, dann ist die Rückleitung nur während der Dauer der hohen Erwärmungen gestört. Sie tritt also nach Abkühlung und länger dauernder Ruhepause wieder auf. In diesen Fällen kann man auch Rückleitung erzielen, wenn zuvor mehrmals die Kammer vom Vorhof aus in Tätigkeit gebracht wurde. Wir stehen in dieser Erscheinung dem Phänomen der Bahnung der Erregung!) gegen- über, das unten beschrieben werden soll. Aber auch separate Erwärmung der ventralen und dorsalen Anteile der Atrioventrikulargrenze auf keine so hohen Temperaturen führt zu merkwürdigen Ergebnissen, wie Tabelle X lehrt. 1) Vgl. E.v.Skramlik, Die Bahnung der Erregung. Arch. f. d. ges. Physiol. 150, 29. 1920. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. Sl Tabelle X. Vorhofkammergrenze. Einwirkung der Erwärmung auf’ die beiden Intervalle. Mittelwerte. Ar N Ay-V, erw. Vg-Ag erw. Vers. L. A. SuVs mE. VE sAs Ay: VoAgn. Panlknormallı.. on. . 0,27 | 0,32 | 0,14 |! 0,47 v. u. d. 30°C 10”... | 0,14 | 0,24 | 0,10 | 0,38 0,75 0,81 DA | Emormalne. wer. ne. 0,20 | 0,31 | 0,18 | 0,42 22935020 710227722012 7022220027027 0,71 0,64 Da lnormaln na. 0,21 | 0,40 | 0,18 | 0,42 wo 66.06 SOON 0,22 25 normaler nn. 0,32 | 0,44 | 0,10 | 0,51 D62 388. Cd 152.02 72201410277 1.001101 .0537 0,61 0,72 ve 33 er 0510217047100, 1.0559 268 Imormall ea: 0,19 | 0,29 | 0,16 | 0,41 v3620,02.152@022..1 0130 0/26 0:14.0:36 0,89 0,87 valid 30010 050 1.019 0536 29 Eimormal na 0,20 | 0,21 | 0,13 | 0,27 2362.04. 12270... 0,14 |. 0,19 |..0,10 1.0.21 0,90 0,77 v1220707,30602.022 2 21.020.024 1701 | 0,36 Dr Roma ee). "0,30 | 0,16 0,15 | 0,49 vl er dr 30 er 2270,27 0201 0,20. 041 1,25 0,83 39. & 0ER De ls eek v. u.d. Zimmertemper.. | 0,22 | 0,46 | 0,27 | 0,60 va 36 er 0205 | 0.243 15,0.49 B0R Enormalea se 0,32 | 0,32 | 0,18 | 0,55 ver dr 3l ee 031 02511018053 0,78 0,96 Ber A TOLEr, | 0,32 | 0,30 0,21 | 0,65 alslsnormali. tee. men 0,16 | 0,25 | 0,11 | 0,32 v. 15°C, d. 36°C. ..| 025| 048 | 0,18 | 0,51 1,92 1,59 VEBOREHA15 C 20227 ,.0:807 7.051001 0555 | In der Tabelle X sind wieder die Mittelwerte ausden Tabellen IXa und b zusammengestellt. Es bedeuten darin der erste Stab die Versuchs- nummer, der zweite den Zustand des Herzens beziehungsweise die damit vorgenommenen Veränderungen, L. A. die Latenz des Vorhofs, A,—V,; das Intervall zwischen Vorhef- und Kammertätigkeit, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall; zuletzt sind wieder Proportionalitätsfaktoren angeführt, die durch Division des Intervalls nach Erwärmung (erw.) mit dem normalen (n.) gewonnen wurden. Hatte die Erwärmung sämtlicher Anteile der Grenze zu einer Herab- setzung der Intervalle geführt, so sehen wir nun ein ungleichmäßiges Verhalten der beiden Überleitungszeiten. Daß kein einheitliches Re- sultat erzielt wurde, ist auf die Versuchsbedingungen zurückzuführen. Die ventralen und dorsalen Anteile lagen ohne wärmeisolierende Schicht 323 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen aufeinander, so daß es an gewissen Stellen sicher zum Temperaturaus- gleich kam. Dazu wurden die ungleichen Temperierungen nur an der Außenseite der Grenze vorgenommen. Man kann also nicht mit Sicher- heit sagen, daß die einen Bündel nur erwärmt, die anderen nur gekühlt wurden. Trotzdem geht auch aus diesen Versuchen hervor, daß das Ver- halten der einzelnen Anteile in der Nähe des Atrioventrikulartrichters im Bezug auf die Überleitung der Erregung in beiden Richtungen ein verschiedenes ist. Denn bei Betrachtung der Tabelle X ist doch zu mer- A,—V, erwärmt A,—V, normal bei ungleicher Temperierung der ventralen und ken, daß die Ermittlung des Proportionalitätsfaktors V,—A, erwärmt sowie V,—A, normal dorsalen Anteile einen gewissen Unterschied ergibt. Während diese Faktoren bei der gleichzeitig vorgenommenen Erwärmung der ventralen und Abkühlung der dorsalen Anteile sämtlich kleiner als 1 sind, sind sie bei der umgekehrten Operation zumeist größer als 1. Bei Beginn der Erwärmung der Grenze beobachtet man das Auf- treten von peristaltischen Wellen, die von der Gegend des Atrioventri- kulartrichters ausgehen und sich gleichzeitig über Vorhof und Kammer ausbreiten. Mankann dabei an einen Atrioventrikularrhythmus denken, wie dasschon Haberlandt ausgesprochen hat. Von besonderem Interesse ist eine Beobachtung, die ich bei Herzen gemacht habe, dieim Tierkörper belassen und normal blutdurchströmt waren. Erwärmt man bei solchen den Basisteil des Herzens mit Hilfe einer schneidenförmigen Thermode auf etwa 36°C, dann sieht man über die Ventrikeloberfläche während der Kontraktion eine Art idiomuskulären Wulstes hinwegschreiten. Ich habe auch Erwärmungsversuche an spontan schlagenden Herzen in situ ausgeführt, die ohne Blutverlust freigelegt worden waren, wobei die Tiere nach erfolgter Operation am Leben erhalten werden konnten. Meine Hoffnung, daß man durch Erwärmung der Grenze dorsal oder ventral während des Lebens die rückläufige Leitung zerstören könnte, hat sich nicht erfüllt. Selbst nach Erzeugung von Herzstillstand und Absperrung der Blutzufuhr durch Anlegung einer Klemme an der Sinusvorhofgrenze, so daß man sicher sein konnte, daß der Ventrikel- inhalt wirklich die Temperatur der Thermode angenommen hatte, kam es nicht zur Herbeiführung solcher Zustände. Bei diesen Versuchen ist mir aufgefallen, daß nach einem durch Ausschaltung des Sinus hervor- gerufenen längeren Herzstillstand der Ventrikel sich als erstes zu kon- trahieren beginnt, wobei der Vorhof rückläufig in Tätigkeit gerät. Dies wiederholt sich in längeren Pausen häufig, bis der normale Herzrhythmus vom Sinus aus in Geltung kommt. Die operierten Tiere blieben ver- schieden lang am Leben, 7—21 Tage; die Todesursache waren meist schwere Myokarditiden und Perikarditiden als Folgeerscheinungen der und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 33 Schädigung des Gewebes durch die hohen Temperaturen. In .manchen Fällen war der Ventrikel mit einer Schicht von exsudativem Binde- gewebe bis zu 1 mm Dicke bedeckt. Das Herz selbst war ein unförmiger Klumpen, an dem sich die einzelnen Abteilungen nicht mehr unter- scheiden ließen. Geradezu erstaunlich ist die Resistenz der normalen Leitung am blutdurchströmten Herzen in situ, die selbst durch Ein- wirkung von Temperaturen von über 50°C während 10 Min. nicht alteriert wurde. In zwei Versuchen, den Erfolg der Abschnürung des Septums am Herzen im Tierkörper zu beobachten, fiel mir der schnelle Übergang des Herzmuskels in Totenstarre auf. d) Beobachtungen an der Vorhofkammergrenze nach ' Einwirkung von Giften. Bevor ich noch Einzelheiten erwähne, möchte ich kurz darauf hin- weisen, daß die hier mitgeteilten Versuche nur zur Orientierung dienen sollten. Ihr wesentliches Ergebnis ist die Feststellung, daß durch Ein- wirkung verschiedener chemischer Körper und Gifte die Rückleitung aufgehoben wird. Worauf dies zurückzuführen ist, vornehmlich auf welche speziellen Bestandteile des Helleboreins, das kein einheitlicher Körper ist, läßt sich vorerst nicht sagen. Auch nicht, ob beim Nikotin, das als Base verwendet wurde, das Alkaloid oder der Alkaleszenzgrad schuld trägt. Es wird Aufgabe weiterer spezieller Forschung sein, in diese sehr verwickelten Verhältnisse Ordnung zu bringen. Durch Anwendung von Giften gelingt es verhältnismäßig leicht, Zustände des Herzens herbeizuführen, bei denen die Leitung von der Kammer nach dem Vorhof für längere Zeit oder gar dauernd gestört ist, während die vom Vorhof nach der Kammer, wenn auch nicht in normalem Ausmaße, bestehen bleibt. Die ausgeprobten Herzgifte waren Helleborein, Nikotin und Baryumchlorid. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise durch die Dosierung und die Zeiten, in denen sie die Aufhebung der Rückleitung hervorzurufen vermögen. Nach einigen Vorversuchen zur Bestimmung der Quanten wurde die erforder- liche Dosis in einem Viertel bis einem halben cem Ringerlösung gelöst, vom Sinus aus in die Kammer eingeführt, nachdem zuvor die beiden Aorten abgebunden waren. Nach Einbringen des Giftes wurde der Sinus durch eine erste Ligatur geschlossen. Die Giftlösung verteilte sich hier- auf in Vorhof und Kammer. Diese Art der Applikation des Giftes hat - sich am zweckmäßigsten erwiesen. Dosen der Gifte und Zeiten bis zur eingetretenen Wirkung, d.h. bis zur Zerstörung der rückläufigen Leitung sind folgende: Gift Menge Zeit Helleborein 0,0001 g y,„—1R Nikotin 0,0005 g 4—5h Baryumchlorid 0,00001 g 3—4ı Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 3 34 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Im Anschluß an diese Untersuchungen wurde eine Reihe von Beob- achtungen gemacht, die aber zum größten Teil als bekannt anzu- nehmen sind. Des Interesses wegen setze ich sie hierher. Ich betone gleichzeitig, daß es sich um wiederholte Wahrnehmungen handelt, nicht etwa um vereinzelt dastehende Beobachtungen. Es wurde gesehen bei: Helleborein: nodaler Rhythmus bei ausgeschaltetem Sinus) ; spon- tane Zusammenziehungen des Vorhofes, denen keine Kontraktionen des Ventrikels, wohl aber solche des Bulbus folgten; V-A—V-Rhythmus. Nikotin: nodaler Rhythmus bei ausgeschaltetem Sinus; interessante Periodik vom Typus A,—V,—A, VA, AR,-Vs—-A, VA, usw. Baryumchlorid: nodaler Rhythmus wie bei den vorgenannten, häufig Antiperistaltik sowie Wogen und Wühlen des Herzens. Die ausgeprobten Gifte wirken auf den Atrioventrikulartrichter ein; ob es sich dabei um einen erregenden Einfluß handelt, der durch den all- mählichen Übergang des Giftes in die tieferen Muskelpartien der Basis sehr wohl zu erklären wäre, oder aber um eine Erhöhung der Fähigkeit zu selbständiger Automatie, muß dahingestellt bleiben. e) Beobachtungen an der Vorhofkammergrenze nach Durchschneidungen. Alle bisher erwähnten Eingriffe waren solche allgemeiner Natur, bei denen man zumeist den Angriffspunkt nicht genau festzusetzen ver- mochte. Eingriffe, die sich örtlich streng begrenzen lassen, sind partielle Durchschneidungen, die ich an der Vorhofkammergrenze vorgenommen habe. Ich verweise auf die anatomischen Bemerkungen zu Beginn die- ses Abschnittes, gleichzeitig darauf, daß die Durchschneidungen die Vorhofsbündel in der Nähe der Atrioventrikulargrenze, nicht aber die Überleitungsgebilde als solche betroffen haben. Freilich wurde die Vorhofsmuskulatur an Stellen durchschnitten, wo sie sich bereits ins Ventrikelinnere einzusenken beginnt. Zu diesem Zwecke bediente ich mich einer Zeißschen Binokularlupe und feinster Scheren, Messerchen und Pinzetten; zum Teil war diese Technik durch die Experimente von Laurens und Nakano unter Mangolds Leitung ausgearbeitet. Ich ging in der Regel so vor, daß das viscerale Blatt des Perikards ven- tral und dorsal an der Atrioventrikulargrenze entfernt wurde, wobei die Wurzel des Bulbus zum Vorschein kam. Die als Folge einmaliger Reizung des Bulbus auftretenden Gruppen spontaner Kontraktionen sind in den Abhandlungen von Engelmann?) bereits beschrieben. Daß sie rückläufig auf Kammer und Vorhof übergehen, dürfte nicht be- kannt sein; ihre Zahl variiert sehr, meist handelt es sich um 10 bis 12. 1) Vgl. dazu die Beobachtungen K. Brandenburgs (s. Fußnote 4, 8.7). 2) Th. W. Engelmann, Der Bulbus aortae des Froschherzens. Arch. f. d. ges. Physiol. 29, 425. 1882. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 35 Beläßt man als einziges Verbindungsstück (s.. Abb. 8) zwischen Vorhofund Kammereinventrales Bündel, dann ist dieses, selbst beigeringem Ausmaß, wie ausder beiliegenden Tabelle XI hervorgeht, befähigt, in beiden Richtungen zu leiten, rück- läufig jetzt aber rascher als recht- läufig. Es ist von Wichtigkeit zu be- merken, daß man bei diesen Durchschnei- dungsversuchen in den ventralen Bündeln sehr häufig die normale Leitung versagen m sieht bei Bestehenbleiben der rückläufigen; 4»b.8. Querschnitt durch die Vor- doch ist diese Erscheinung nur eine vor- höfe in der Nähe der Vorhof- T kammergrenze. V.„d,r. 1. 1.1. be- übergehende. deuten ventral dorsal, rechts und In den Tabellen XI—-XVI bedeuten links lateral, S. das Septum. Der R schwarz ausgezogene Teil bezeich- der erste Stab die Versuchsnummer, der net die Stelle, an der das einzige Zwerteiden, Zustand des Herzens, resp, \erbindungsbünael zwischen Vor; E BEE hof und Kammer belassen wurde. die mit ihm vorgenommenen Veränderun- gen, L. A. die Latenz des Vorhofs, A,—V, das Intervall zwischen Vorhofs- und Kammertätigkeit, L. V. die Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall. abs: zil (BIR "Tabelle XI. Vorhofkammergrenze. Versuch 48. | Latenz A. As-Vs Latenz V. VoAg Normal | 0,18 0,38 0,15 | 0,45 - 0,20 0,36 0,13 | 0,45 | 0,18 0,36 0,15 0,45 0,14 0,37 0,14 | 0,45 0,15 0,37 Brücke zwischen Vorhof u. Ve 1,16 0,29 0,60 Kammer: Ventrales Bün- 0,27 1,12 0,20 0,63 del von ca. 0,25 mm Breite 0,25 1,16 0,29 0,60 0,25 1,16 0,28 0,62 0,25 1,21 Eine Verschmälerung der Brücken auf noch geringere Werte führte in diesen, wie in den folgenden Versuchen zur Schaffung eines totalen Blocks. Die Enge der Brücke erklärt, wie schon v. Kries hervorhebt, weder die Verzögerung der Leitung, noch das Zustandekommen eines totalen Blocks. Vielmehr ist daran zu denken, daß die schmalen übrigbleibenden Bündel durch unvermeidliche Läsionen bei ihrer Herstellung in ihrer Funktion geschädigt sind. Das ist um so wahrscheinlicher, als wir uns bei Brückenbreiten von weniger als 0,2 mm sehr erheblich der Längenausdehnung einer Vor- hofsmuskelfaser nähern. 3* 36 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Beläßt man als einziges Verbindungsstück die lateralen Bündel, undzwarentwederrechtsoderlinks (s. Abb. 9 und 10), dl. a. ; rl IL. rl ZI: V. U. Abb. 9 u. 10. Querschnitte durch die Vorhöfe in der Nähe der Vorhofkammergrenze, V., d., r.l., l.!. bedeuten ventral, dorsal, rechts und links lateral, $. das Septum. Der schwarz aus- gezogene Teil bedeutet die Stelle, an der das einzige Verbindungsbündel zwischen Vorhof und Kammer belassen wurde. dann beobachtet man, daß die Leitung in beiden Richtungen mit großer Annäherung gleich schnell vor sich geht. Das lehren Tabelle XII und XIII. Tabelle XII. Vorhofkammergrenze. Versuch 51. Latenz A. As-Vg Latenz V. Vg-Ag Normal 0,21 0,25 0,22 0,49 0,20 0,30 0,18 0,56 0,23 0,30 0,23 0,56 0,23 0,25 0,23 0,52 0,23 0,30 0,22 0,56 Brücke zwischen Vorhof u. 0,16 0,88 0,36 0,50 Kammer: rechts laterales 0,16 0,93 0,37 0,43 Bündel von ca. 0,6 mm 0,12 0,92 0,39 0,45 Breite 0,15 | 0,90 0,38 0,43 0,18 0,90 0,39 0,45 | 0,16 . 0,93 0,41 0,40 0,16 0,93 0,42 0,43 Tabelle XIII. Vorhofkammergrenze. Versuch 54. Latenz A. Ag-Vs Latenz V. VgAs Normal 0,28 0,28 0,15 0,36 0,34 0,32 0,11 0,43 0,34 0,25 0,11 0,39 0,28 0,28 0,11 0,43 0,28 0,26 0,11 0,43 Brücke zwischen Vorhof u. 0,19 0,62 0,12 0,64 Kammer: links laterales 0,19 0,67 0,12 0,69 Bündel von ca. 0,2 mm 0,19 0,71 0,16 0,67 Breite 0,21 0,65 0,14 0,72 0,23 0,69 und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen, 37 Wie aus der angeführten Breite der Brücken hervorgeht, muß man sie an diesen Stellen etwas breiter belassen, um totalen Block zu ver- hüten, als ventral. Bleibt als einziges Verbindungs- stück zwischen Vorhof und Kammer der dorsale Anteilder Verbindungs- bündel (s. Abb. 11), dannleiten diese, wie Tabelle XIV zeigt, selbst in einer Breite von 2—-3 mm nur rechtläufig, nicht aber rückläufig. Dieser Zustand ist dann ein dauernder. Ich habe solche Präparate viele Stunden lang beobachtet, ohne daß sich dieses Verhalten geändert hatte. Das Intervall A,—V, ist in solchen Fällen allerdings sehr verzögert, wie auch die beigefügte Abb. 12 zeigt. rl da. U. ul Abb. 11. Querschnitt durch die Vor- höfe in der Nähe derVorhofkammer- grenze. V., d., r.l., l.l. bedeuten ventral, dorsal, rechts und links la- teral, S. das Septum. Der schwarz ausgezogene Teil bedeutet die Stelle, an der das einzige Verbindungsbün- del zwischen Vorhof und Kammer belassen wurde, Tabelle XIV. Vorhofkammersgrenze. Vers. Latenz A, As-Vs LatenzV. Vg-Ag 57 Normal 0,19 - 0,23 0,16 0,30 0,19 0,25 0,14 0,32 0,21 0,25 0,18 0,32 0,18 0,21 0,19 0,30 0,19 0,21 _ Brücke zwischen Vorhof u. Kammer: dorsales Bün- 0,21 0,83 0,32 1,04 del von cca. 1,5 mm Breite) 0,19 0,93 0,31 0,90 0,19 1,04 0,30 0,90 Brücke zwischen Vorhof u. Kammer: dorsales Bün- 0,24 0,92 oo del von cca. 0,9 mm Breite 0,19 0,99 3 0,21 0,99 58 Nermal ° 0,25 0,31 0,16 0,39 0,25 0,35 0,18 0,42 0,25 0,35 0,19 0,40 0,23 0,35 0,20 0,40 0,25 0,35 0,25 0,34 Brücke zwischen Vorhof u. 0,32 1,35 oo | Kammer: dorsales Bün- 0,36 1,25 del von cca. 3,0 mm Breite 0,34 1027 0,34 1,30 Das Zeichen © bedeutet aufgehobene Leitung. 38 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen In der Tabelle XV sind die Mittelwerte aus den Daten der Tabellen XI— XIV zusammengestellt. Gleichzeitig sind dort auch wieder Proportionalitätsfaktoren ange- führt, die das Verhältnis der Intervalle bei verkleinerter (v. B.) und Abb. 12. °/,;, Originalaufnahme. V. 39b v. 13. I. 1914. Brücke zwischen Vorhof und Kammer ein dorsales Bündel von ca. Imm Breite. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,” Reizmoment. 1. Zeile: As — Vs ist sehr verlängert, die Rückleitung aber vollends aufgehoben. 2. Zeile: ih später; die Rückleitung bleibt aufgehoben. normaler Brücke (n. B.) für recht- und rückläufige Leitung kennzeieh- nen. Aus diesen Zahlen geht hervor, daß bei allein bestehender ventra- ler oder rechts lateraler Brücke das normale Intervall sehr viel mehr wächst als das rückläufige. Tabelle XV. Vorhofkammersrenze Einwirkung von Durchschneidungen auf die beiden Intervalle. (Ag-Ve)v-B. (Vg-Ag)V-B. Vers. L.A. |A,-V,; | L.V. | Vg-Ag (Ay Von.B. (VgAdn.B. 48% normal ana ale. 0,17 | 0,37 | 0,14 | 0,45 vent. Brück cca. 0,25 mm | 0,26 | 1,16 | 0,27 | 0,61 3,12 1,35 EN. DE NE 0,26 0,10 0,52 | 0,24 | 0,34 | 2,00 0,95 50:| normal ne, 0,20 , 0,39 | 0,18 | 0,50 vent. Brücke ca. 0,4mm | 0,17 | 0,52 | 0,20 | 0,43 1,33 0,86 51° normal 0,22 | 0,28 | 0,22 | 0,54 | r. lat. Brücke ca. 0,6 mm | 0,16 | 0,91 | 0,39 | 0,44 3,25 ml) De re Se ee a sa as 179 ru er EEE EEE 920 enormer 0,16 | 0,49 | 0,20 | 0,55 r. lat. Brücke ca. 0,6 mm | 0,25 | 0,50 | 0,31 | 0,45 1,20 0,82 und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 39 Tabelle XV (Fortsetzung). (As-VB)v.B.|(Vg-A,) v.B. Vers. L.A. |A,-V; | L.V. | V5-A, ( Eayjn | (VA) ne. Hsalanormali:. 40.005 0,13 | 0,30 | 0,15 | 0,42 | r. lat. Brücke ca. 0,6 mm | 0,12 | 0,45 | 0,11 | 0,50 11-5022 221519 Damormal en... 0,30 | 0,28 | 0,12 | 0,41 1. lat. Brücke ca. 0,2 mm | 0,20 , 0,67 | 0,13 | 0,68 2,39 1,65 San enormes 0,21 | 0,37 | 0,13 | 0,43 1. lat. Brücke ca. 0,£mm | 0,17 | 0,64 | 0,22 | 0,59 1,73 1,37 86% Enozmall 2... 2.0. 0,24 | 0,29 | 0,16 | 0,42 r. lat. Brücke ca. 1,2 mm | 0,22 | 0,52 | 0,25 | 0,51 1,78 1,04 Sralenormalse se a. 0,19 | 0,23 | 0,17 | 0,31 dors. Brücke ca. 1,5 mm | 0,20 , 0,93 | 0,31 | 0,98 4,08 3,16 dors. Brücke ca. 0,9 mm | 0,21 | 0,97 00 4,21 00 Ssalinormalensss 0,25 | 0,34 | 0,185 0,40 dors. Brücke ca. 3,0 mm | 0,34 | 1,29 oo 3,80 oo Mußte man nach all den erwähnten Versuchen annehmen, daß die normale Leitung gewissermaßen die bevorzugte bilde, schneller verlaufe, gar nicht oder weniger leicht zu alterieren sei, so gewinnt die Tatsache besonders an Bedeutung, daß man Präparate herstellen konnte, die nur in der umgekehrten Richtung leiteten. Dies ist der Fall, wenn manals einzige Verbindungsbrücke zwischen Vorhof und Kammer das 4. Septum übrigläßt (s. Abb. 13). Daß bei Belassung des Septums als einzige Ver- bindung zwischen Vorhof und Kammer die normale Leitung versagt, ist bereits seit langem beobachtet. Aus der Histologie des Septums sei zum besseren Verständnis seines Aufbaus folgendes erwähnt. Das a a ne ee Septum atriorum besteht aus einem eng- kammergrenze. V., d, r.l., 1.1. be- mesehisen" zu beiden Seiten von Endo nn Yeutral dorsa), zeohtel und : links lateral, S. das Septum. Der kardschicht bekleideten Muskelbalken schwarz ausgezogene Teil bezeich- werk. Es hat quere und longitudinal A ee ae angeordnete Bündel. Auf der rechten Fläche tritt quer verlaufend der Fascieulus sagittalis septi besonders - deutlich hervor, der von der cranialen Klappe des Ostiums sinus veno- sum ausgeht und die Fortsetzung eines Muskelzuges bildet, der vom Limbus Vieusseni zur rechten Seite des: Septums ausstrahlt. Nach Gompertz!) werden auf der rechten Scheidewandseite noch zwei beson- dere Längsbündel unterschieden. Von der rechten Atrioventrikular- rl. LL. U. 1) S. Fußnote 1, S. 19. 40 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen klappe steigt der Fasciculus longitudinalis sagittalis kranialwärts empor und verflicht seine Fasern mit denen des Fasciculus sagittalis septi. Der Fasciculus longitudinalis dorsalis steigt von der dorsalen Atrioven- trikularklappe kranialwärts auf und biegt vom Septum aus auf die cau- dale Sinusklappe um. Im Septum verlaufen auch bekanntlich die bei- den Scheidewandnerven, ein dorsaler und ein ventraler, beide bilden die Fortsetzung der Rami cardiaci des Vagus. Ein jeder Nervus septalis gelangt zu einem der unmittelbar über der Atrioventrikularklappe ge- legenen Bidderschen Ganglien. Wir haben also in dem Septum ein : | ee Abb. 14. :/, Originalaufnahme. V. 40b v. 17. I. 1914. Brücke zwischen Vorhof und Kammer: Septum. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,”’, Reizmoment. Die rechtläufige Übertragung des Erregungs- und Kontraktionsvorganges findet hier nicht statt. 1. Zeile 15° nach Her- stellung des Präparates. Bei Reizung des Vorhois erfolgt bloße Vorhofszusammenziehung. Bei Reizung der Kammer kontrahiert sich auch der Vorhof. 2. Zeile Ih später. Nur rückläufige Übertragung des Erregungsvorganges. sowohl muskuläres als nervöses Gebilde vor uns; von Bedeutung er- scheint mir die Verbindung des Vorhofs mit der Kammer durch die beiden Gompertzschen Faserzüge. Es sei hier auch einiges über die Art der Präparation gesagt. Sie wird so vorgenommen, daß zuerst das den ventralen Teilen der Vorhofkammergrenze aufsitzende Perikard entfernt wird. Auf diese Weise kommt der Bulbusursprung zum Vorschein. Dann werden die ventralen Bündel durchschnitten, unter Anwendung besonderer Sorg- falt, daß dabei das Septum nicht alteriert wird, der Bulbus entfernt, sowie der Limbus Vieusseni und die linkslateralen Bündel durchtrennt, so daß als Verbindungsbrücke zwischen Vorhof und Kammer das Sep- tum und ein schmales dorsales Bündel in der Umgebung des Scheide- wandansatzes verbleibt. In diesem Zustande des Präparates wurden noch { und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 41 einmal die beiden Überleitungszeiten bestimmt, wobei es sich (s. Ta- belle XIund XV) konstant herausstellte, daß A,—V, jetzt gegenüber derNormbeträchtlichverlängert war und mehr Zeit beanspruchte, Abb. 15. ?/; Originalaufnahme. V.4le v. 18, I. 1914. Brücke zwischen Vorhof und Kammer 22 Septum. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,”, Reizmoment. Nur die rückläufige Erregung wird übertragen. Abb. 16. !/, Originalaufnahme. V. 42b v. 19. I. 1914. Brücke zwischen Vorhof und Kammer Septum. Registrierung: Vorhof, Kammer, Zeit in !/,”, Reizmoment. Nur die rückläufige Erregung wird übertragen. als das rückläufige Intervall, das eine nur unwesentliche Veränderung erfahren hatte. Durchtrennt man. nun als letztes das dorsale Bündel, dann hat man ein Präparat vor sich, bei dem nur Rückleitung besteht, und zwar handelt es sich dabei (s. Abb. 14—16) nicht etwa um einen ver- 42 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen einzelt beobachteten Fall. Das Herbeiführen dieses Zustandes ist mir in einer Reihe von Versuchen gelungen ; immerhin ist es nicht ausnahms- los zu erzielen. Häufig tritt totaler Block ein, der nicht mehr weicht, aber ich habe bei solchem Anlaß nie ein Ausfallen der rückläufigen Leitung bei Bestehenbleiben der normalen beobachtet. Besonders interessant war. ein Fall, bei dem sich erst nach einer Stunde totalen Blocks bloß die Rückleitung wieder einstellte. Wie in den vorher zitierten Fällen handelt es sich auch hier um Dauerzustände; ich habe Präparate durch 24 Stunden, ja bis zum völligen Absterben beobachtet, ohne daß eine Änderung in diesem Verhalten zutage getreten wäre. Tabelle XVI. In dieser Tabelle bedeuten der 1. Stab die Versuchsnummer, der 2. den Zustand des Herzens sowie die mit ihm vorgenommenen Verände- rungen. Die übrigen Bezeichnungen sind bekannt. Das Unendlichkeits- zeichen (%©) bedeutet, daß die Leitung aufgehoben ist. Vorhofkammergrenze. Vers. | Latenz A. Ag-Vs Latenz V. Vg-As 40 | Normal 0,21 0,35 0,30 0,44 | 023227010535 0,30 0,43 0,23 0,35 0,29 0,44 0,23 0,32 0,30 0,44 : 0,24 0,34 Nach Durchschneidung der 0,12 0,60 0,18 0,57 ventralen, rechts u. links 0,10 0,63 0,18 0,56 lateralen Bündel 0,14 0,61 0,18 0,59 | 0,17 0,60 0,18 0,58 | 0,18 0,59 Brücke zwischen Vorhof u. Kammer: Septum und 0,13 0,93 0,23 0,47 | ein schmales dors. Bündel 0,12 0,90 0,21 0,47 0,10 0,92 0,23 0,48 Brücke zwischen Vorhof u. ‚oo 0,24 0,53 Kammer: Septum. 0,24 0,50 2 Stunden nach Beginn 0,20 0,51 d. Versuches 0,23 0,51 0,20 0,50 0,23 0,52 3 Stunden nach Beginn d. 00 0,29 0,62 Versuches 0,29 0,65 0,30 0,65 0,29 0,63 0,30 0,64 A 0,33 0,65 4 Stunden nach Beginn d. | 6°) 0,35 | 0,78 Versuches 0,33 0,80 0,35 0,78 | 0,33 0,80 | 0,34 0,78 und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen, 43 Tabelle XVII. In dieser Tabelle sind die Mittelwerte aus den Daten der Tabelle 16 zusammengestellt. 1. Stab Versuchsnummer, 2. Stab Zustand des Herzens sowie damit vorgenommenen Veränderungen, L. A. Latenz des Vorhofs. A,—V, das Intervall zwischen Vorhof- und Kammer- tätigkeit L. V. Latenz der Kammer, V,—A, das rückläufige Intervall, dann sind wieder Proportionalitätsfaktoren angeführt, die durch Di- vision des Intervalls bei verengerter Brücke (v. B.) mit dem bei normaler Brücke (n. B.) gewonnen wurden. Das Unendlichkeitszeichen (©) be- deutet aufgehobene Leitung. Vorhofkammergrenze. Finwirkung von Durchschneidungen auf die beiden Intervalle. Mittelwerte. 5 As-Vs v.B. | Vg-Bs vB. ee ee 2 Verse a vonseaiyaasnap: AR Enormalese se. een. 0,23 0,34 0,30 | 0,44 Nach Durchschneidung der v., r. u. ]. lat. Bündel | 0,14 | 0,61 | 0,18 | 0,58 1,50 21532 Septum u. dors. Brücke | 0,12 | 0,91 , 0,22 | 0,47 2,68 1,07 SEO a AR [6 %) 0,22 | 0,51 oo 1,17 SDE Später, nr... ee,. [6e) 0,30 | 0,64 [6 %) 1,45 TuEspaten..2. nn. eher [eo 0,34 | 0,79 oo 1,80 Alelenormalnsr 0.0, 0,16 | 0,39 | 0,15 | 0,50 Septum u. dors. Brücke | 0,23 | 0,99 | 0,27 | 0,71 2,54 1,42 SIETNHNTEN or oo 0,31 | 0,64 [6o) 1,28 DINSpaten N NEE [ee) 0,34 | 0,78 [6) 1,56 42m normales. nn a 0,22 | 0,37 | 0,10 | 0,55 |. Septum u. dors. Brücke | 0,18 |- 0,63 | 0,18 | 0,69 1,70 1,25 Septumei oo 0,32 | 0,98 0) 1,78 Septum u. dors. Brücke | 0,15 | 0,75 | 0,19 | 0,39 2,03 0,72 Bepbum are oo | 0,46 | 0,50 [6 ) 0,92 Fassen wir nun die Ergebnisse der Beobachtungen an der Vorhof- kammergrenze zusammen, dann kann man wohl sagen, daß die einzel- nen Bündel in ihrem Vermögen, die Erregungsleitung in beiden Rich- tungen zu versorgen, ganz ungleichwertig sind. In der nebenstehenden Abb. 17 können wir wahrnehmen, daß die überwiegende Mehrzahl der Verbindungsfasern zur Leitung in beiden Richtungen befähigt ist, wo- bei nochmals darauf hingewiesen werden soll, daß die rechts und links 44 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen lateral gelegenen Bündel die Leitung nicht nur gleich sicher, sondern auch gleich schnell besorgen. In den dorsalen Muskelbalken findet vorwiegend normale, im Septum nur rückläufige Leitung statt. In den ventralen Anteilen scheint das Beförderungsvermögen für die Rück- leitung zu überwiegen. Das geht einmal aus dem zeitlichen Verhältnis der beiden Intervalle hervor, dann aber auch aus den hier beobach- Abb. 17. Querschnitt durch die Vor- höfe in der Nähe der Vorhofkammer- grenze. V., d, r.l, 1.!. bedeuten ventral, dorsal, rechts und links la- teral. Die einzelnen Bündel in ihrer Befähigung zur Übertragung des recht- und rückläufigen Erregungs- vorganges. Die weißen Stellen zeigen an, daßhiernur dierechtläufige Erregung übertragen wird; die punk- tierten, daß hier der Erregungsvor- ganginbeiden Richtungen pas- sieren kann, die schwarzen, daß hier die Übertragung der Erregung nur teten Erscheinungen, daß während der Herstellung solcher Präparate die recht- läufige Leitung öfters versagt, während die rückläufige keine Störung erfährt, freilich ohne daß es sich dabei um dau- ernde Änderungen handelt. Diese Wahr- nehmungen stimmen auch mit Erfahrun- gen bei Erwärmung der ventralen und dorsalen Anteile für sich gesondert über- ein. Hier konnte man in guter Überein- stimmung mit den Durchschneidungs- versuchen beobachten, daß ventrale Erwärmung auf 40°C zu einer dauern- ‚den Aufhebung der Rückleitung führt, während eine ‘gleiche Temperierung der Dorsalanteile nur deren temporäre Unter- brechung hervorruft. Wohl könnte man rückläufig vor sich geht. 5 ; noch daran denken zu fragen, wie sich denn in diesem Falle die rechts und links lateralen Anteile verhalten; da die Grenzen aber zwischen den beiden Schneiden linear ausgespannt waren, kann die Wirkung der Erwärmung resp. Abkühlung für diese Anteile in derartigen Versuchen als mitausgeübt gelten. Wir können unter solchen Versuchsbedingungen eben nur von einem ventralen oder dorsalen Teil der Grenze sprechen. Eine Beobachtung, die ich an der Artrioventrikulargrenze häufig gemacht habe, besteht darin, daß auf einen Reiz, der den Vorhof trifft, nach der zugehörigen Kammerkontraktion der Vorhof sich nochmals zusammenzieht. Ich kann die Bedingungen nicht angeben, unter denen dieser A—V—A-Rhythmus auftritt, der auch sehr häufig am Säuge- tierherzen beobachtet wurde. Nach meinen Ausmessungen hat diese zweite Vorhofskontraktion mit der Kammer durchaus nichts zu tun. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine rückläufig von der Kammer aus hervorgerufene Erregung des Vorhofs. Das ergeben die ausge- messenen Intervalle, die zu 2,3”, 2,37”, 2,34’, 2,37”, 2,37” bestimmt wurden und 4—5mal so groß sind als die übliche Überleitungszeit Kammer-Vorhof. Theoretisch wäre ja der erwähnte Fall denkbar, da man weiß, daß die rückläufige Leitung mehr Zeit in Anspruch nimmt und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 45 als die rechtläufige, daß also der Vorhof schon aus seiner refraktären Phase heraus ist, wenn die Erregung von der Kammer anlangt. Ebenso schwierig ist der V—A—V-Rhythmus zu deuten, den ich bei der Wirkung mancher Herzgifte beobachtet habe, und der ein ähn- liches zeitliches Verhältnis zwischen den Ventrikelkontraktionen auf- weist; vor allem aber der V-A—A-Rhythmus mit 1,22’, 1,22”, 1,22’ zeitlichem Abstand der beiden Vorhofkontraktionen, der zu dem oben erwähnten Fall von A—V—A-Rhythmus gehört und etwa dem norma- len Sinusrhythmus entspricht. Ob und wie weit der Trichter mit seiner Automatie an dem Zustandekommen dieser Erscheinungen beteiligt ist, kann vorerst nicht entschieden werden. 3. Beobachtungen innerhalb der Kammermuskulatur. a) Normale Bahn. Bei Registrierung von Basis und Spitze, die so vorgenommen wurde, daß der dazwischenliegende Ventrikelteil mittels eines schmalen Gummibandes festgehalten wurde, ist mir bei Anwendung einer großen Trommelgeschwindigkeit (ca. 3,0 cm pro Sekunde) aufgefallen, daß der sich zuerst kontrahierende Teil bei Basisreizung ein anderer ist als bei Vorhofsreizung. Reizt man die Basis, dann kontrahiert sich natürlich diese zuerst, und es folgt die Spitze nach. Reizt man den Vorhof, dann kontrahieren sich Basis und Spitze gleich- zeitig; in vielen Fällen hat es den Anschein, als ob die Spitze voran- gehen würde. Auf Grund dieser Beobachtungen mußte man daran denken, daß der Erregungsvorgang in den beiden angeführten Fällen verschiedene Wege einschlägt. Auch hier muß auf die anatomischen Verhältnisse hingewiesen wer- den. Wie aus der im Gauppschen Lehrbuch befindlichen Skizze 68 hervorgeht, besitzt die Kammer des Froschherzens keinen einheit- lichen Hohlraum. Nur an der Basis besteht eine größere Ausbuchtung, Hauptkammer genannt, die sich von links nach rechts erweitert, in ihren linken Anteil münden die Ostia atrioventricularia, aus dem rech- ten geht der Bulbus hervor. Der Spitzenanteil wird durch sagittal ge- stellte Muskelwände, die auf den frontalen Begrenzungsflächen der Kammer nahezu senkrecht stehen, in etwa 8—10 spaltenförmige Räume . geteilt, die als Nebenkammern bezeichnet werden. Die Anordnung der Muskelfasern in der Begrenzungswand ist meist so, daß eine innere Querfaserschicht außen und innen von Längsfasern "begleitet wird, die Wände sind durchaus nicht kompakt, lassen vielmehr von Endo- kard ausgekleidete Lücken zwischen sich. Analog gebaut sind die Sagit- talwände, nur daß. man hier von zwei äußeren Längsfaserschichten reden muß. Die beiden Ostia atrioventricularia werden durch die schon 46 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen oben erwähnten vier Klappen geschlossen. Von den Frontalwänden der Hauptkammer gehen entsprechend den Papillarmuskeln des Säugetier- herzens kurze Muskelbündel ab, an welche sich Sehnenfäden setzen, die arkadenförmig zum freien Rand und der Innenfläche der Klappe hinstreben. In der Begrenzungswand des gegen die Ostia atrioventrieularia ge- richteten Teils der Hauptkammer, sowie in den eben erwähnten Ge- bilden, haben wir den Atrioventrikulartrichter vor uns, dessen Funktion zu ergründen sich eine Reihe von Forschern zum Ziel gesetzt hat, seit Stannius!)in seinen grundlegenden Versuchen die besondere Beschaffen- heit der Vorhofkammergrenze erkannt hatte. Überblickt man die einschlägigen Arbeiten, dann erkennt man sehr bald, daß es sich bei allen stets um die Entscheidung der Frage ge- handelt hat, ob jene spontanen Kontraktionen des Ventrikels, die nach dem Anlegen der zweiten Ligatur in Erscheinung treten, ob jener Nodal-Rhythmus, der ohne Eingriffe, oder als Folge einer ein- maligen Reizung dieser Grenzgegend bei ausgeschaltetem Sinus auf- zutreten pflegt, auf eine Funktion der Bidderschen Ganglien, oder auf eine solche der Überleitungsgebilde zurückzuführen ist. Munk?2) und Marchand?), später Langendorff?) und Kaiser°)$), sahen den Reiz- bildungsort für die automatischen Pulsreihen in den Bidderschen Ganglien. Dagegen hat Gaskell”) dargelegt, daß die anatomische Grundlage für die beobachteten Erscheinungen nicht in den genannten Ganglien, vielmehr in dem von ihm nachgewiesenen zirkulär verlaufen- den Bündel an der Atrioventrikulargrenze zu suchen ist, da wohl bei Reizung der Verbindungsmuskulatur mittels Stichen feiner Nadeln, nicht aber bei solcher der Ganglien Pulsreihen auftraten. Diese Befunde wurden von W. Ewald®) sowie Engelmann?) bestätigt; der letztere 1) Stannius, Zwei Reihen physiologischer Versuche. Müllers Arch. 1852, S. 85. ?2) H.Munk, Zur Mechanik der Herztätigkeit. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878, S. 569. 3) R.Marchand, Versuche über das Verhalten von Nervenzentren gegen äußere Reize. Arch. f. d. ges. Physiol. 18, 511. 1878. 4) O.Langendorff, Studien über Rhythmik und Automatie des Frosch- herzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1884. Suppl. 1. 5) K. Kaiser, Über die Ursachen der Rhythmizität der Herzbewegungen. Zeitschr. f. Biol. 29, 203. 1892. 6) K.Kaiser, Über die Ursachen der Rhythmizität der Herzbewegungen. Zeitschr. f. Biol. 30, 279. 1894. ?, W. H. Gaskell, The contraction of cardiac muscle in textbook of physio- logy v. Schäfer. Bd. 2, S. 173. Edinbourg u. London. 8) W. Ewald, Ein Beitrag zur Lehre von der Erregungsleitung zwischen Vorhof und Ventrikel des Froschherzens. Arch. f. d. ges. Physiol. 91, 2]. 1902. 9) S. Fußnote 13, S. 6. und rückläufigen Erreeungsleitung beim Froschherzen. AT beobachtete bereits ein verschiedenes Verhalten des nodalen Rhyth- mus. Vorhof- und Kammerkontraktionen traten nicht immer gleich- zeitig auf; in der Mehrzahl der Fälle kontrahierte sich zuerst die Kammer, der dann in kurzem Intervall der Vorhof folgte; in einzelnen, allerdings seltenen Fällen sah er das umgekehrte Verhalten. In der letz- ten Zeit hat Haberlandt!'®) in einer Reihe von Abhandlungen seine Er- fahrungen über die Automatie des Trichters beim Froschherzen nieder- gelegt. Er fand, daß die Befähigung zur automatischen Reizbildung, wie sie im Atrioventrikulartrichter entweder spontan, oder auf künst- liche Reizung hin eintritt, bis zur Grenze zwischen oberem und mitt- lerem Kammerdrittel herabreicht, und daß die verschiedenen Anteile des Trichters im Vermögen automatische Reize zu bilden, gleichwertig sind. Für den nodalen Rhythmus am Säugetierherzen haben vornehm- lich Einthoven *) aus seinen Elektrokardiogrammen, H. E. Hering?) aus seinen Beobachtungen über die Kontraktionsvorgänge innerhalb der Kammermuskulatur den Schluß gezogen, daß sich die Bildungsstätte in der Scheidewand an der Vorhofkammergrenze befindet. Schon der erste Versuch, die Trichtergegend von der Ventrikelbasis aus aufzusuchen, führte mich zu der Beobachtung, daß der sogenannte Nodalrhythmus seinen Ausgang vom Trichter nimmt, der sich als erster sichtbar kontrahiert, während Vorhof und Ven- trikel nach einer entsprechenden Pause nachfolgen. Man geht dabei operativ am besten so vor, daß man den Ventrikel eines stillstehenden Herzens von der Spitze aus seitlich aufschneidet und die beiden Anteile, den ventralen und dorsalen nun behutsam aufklappt. Die durch den Schnitt gesetzte Läsion bringt die Trichtergegend in Tätigkeit. Die Kontraktionen kann man am besten an den Reflexen, welche die feuch- ten Klappen werfen, unter der Binokularlupe beobachten, Es ist mir in allen vorgenommenen Versuchen gelungen, durch vierfache Re- gistrierung, und zwar Vorhof, Trichter, Basis und Spitze diese Verhält- nisse graphisch darzulegen (s. Abb. 18—20). Die Verbindung mit den Hebelfäden geschah mittels feinster Häkchen. Die Ausmessungen sind aus nebenstehender Tabelle XVIII zu entnehmen. !) L. Haberlandt, Zur Physiologie des Atrioventrikulartrichters des Kalt- blüterherzens. 2. Mitteilung. Über den Einfluß der Herznerven. Zeitschr. f. Biol. 63, 305. 1914. 7 ®2) L. Haberlandt, Zur Physiologie der Atrioventrikularfasern des Kalt- blüterherzens. Zeitschr. f. Biol. 65, 225. 1916. ®) L. Haberlandt, Weitere Beiträge zur Physiologie des Atrioventrikular- trichters des Froschherzens. Zeitschr. f. Biol. 6%, 83. 1916. *4) Einthoven und Wieringa, Ungleichartige Vaguswirkungen auf das Herz elektrokardiographisch untersucht. Arch. f. d. ges. Physiol. 1910, S. 149. 5) H. E. Hering, Beginn der Papillarmuskelkontraktion und seine Beziehung zum Atrioventrikularbündel. Zentralbl. f. Physiol. 21, 719. 1907. 48 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen In der ’Tabelle XVIII bedeuten der 1.Stabdie Versuchsnummer, L.A. die Latenz des Vorhofs, A,—T, das Intervall zwischen Vorhof- und Abb. 18. °/; Originalaufnahme. V. 13a v. 28. IV. 1914. Vorhofreizung. Registrierung: ‘Vorhof, Basis, Trichter, Spitze, Zeit in !/,’’, Reizmoment. Man beachte die Reihenfolge der Zusammenziehungen: Vorhof — Trichter — Spitze — Basis. Abb. 19, ?/, Originalaufnahme. V. 12d v. 24. IV. 1914. Trichterreizung. Registrierung: Vorhof, Basis, Trichter, Spitze, Zeit in '/,”, Reizmoment. Man beachte die Reihenfolge der Zusammenziehungen: Triehter — Spitze oder Basis? Vorhof. Trichtertätigkeit, S,—S, das Intervall zwischen Trichter und Spitzen- tätigkeit, T,—B, das Intervall zwischen Trichter und Basistätigkeit; L. S. Latenz der Spitze, L. T. Latenz des Trichters, L,—T, das Intervall und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 49 zwischen Spitzen- und Trichtertätigkeit, S,—B, das Intervall,zwischen Spitzen- und Basistätigkeit, T,—A, das Intervall zwischen Trichter- und Vorhoftätigkeit. Abb. 20. 3/, Originalaufnahme. V.12c v.24.IV.1914. Spitzenreizung. Registrierung: Vorhof, Basis, Triehter, Spitze, Zeit in /,”, Reizmoment. Man beachte die Reihenfolge der Zusammen- ziehungen: Spitze — Trichter — Basis — Vorhof. Tabelle XVII. Reiz Vorhof. Versuch Latenz A. A,-Tz Tg-S5 Te-Bs 12a | 0,165 0,422 0,194 0,384. "0,204 0,391 0,282 0,481 13a 0,241 0,543 0,263 0,325 0,259 0,416 0,407 0,450 0,262 . 0,604 0,312 0,462 13c 0,242 0,088 | 0,127 0,223 0,264 0,194 0,234 0,312 0,284 0,184 0,236 0,313 14a. 0,172 0,605 0,178 0,280 0,182 0,562 0,160 0,319 0,179 0,543 0,194 0,332 15a 0,136‘ 0,304 | 0,186 ' 0,270 0,143 0,248 0,198 | 0,323 Reiz Spitze. een | nem Sms SyBa BAR 12 0.155 | 0,078 0,423 0,547 0,131 0,096 0,599 0,590 0,137 0,081 | 0,506 | 0,593 Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 181. 4, 50 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Tabelle XVIII., Reiz Spitze (Fortsetzung). Versuch Latenz S. S,Tg SB; | Tg-Ag 13b 0,184 0,178 0,304 0,916 0,218 0,120 0,279 0,912 0,184 0,159 0,274 0,905 13d 0,227 0,187 0,301 0,815 0,212 0,172 0,267 0,892 0,233 0,159 0,270 0,870 15b 0,207 0,210 0,272 | 0,379 0,176 0,173 0,272 0,397 Spontaner Nodalrhythmus. Versuch | LatenzT. | Tess | TeB, ON, 138 | 0,092 | 0,135 0,925 0,086 0,127 0,995 Reiz Trichter. 123 0,195 0,137 0,205 0,645 0,253 0,086 0,168 0,615 0,187 0,110 0,166 0,623 l3e 0,269 | 0,156 | 0,200 0,855 0,257 0,141 0,193 0,885 Durch unvermeidbare Verletzungen der Überleitungsgebilde beim Freilegen des Trichters zur Registrierung, die am besten durch vor- sichtige Fensterung der Kammerbasis unter Suspension der Klappe aus- geführt wird, sind natürlich sämtliche Zeiten sehr verzögert. Daher sind wohl von geringerer Wichtigkeit die absoluten, als vielmehr die re- lativen Werte der einzelnen Intervalle im Vergleich zueinander. Bei einer Vorhofsreizung kontrahiert sich zuerst der Vorhof, nach einer Pause der Trichter, und dann im kurzen Zwischenraum die übrige Kammer, wobei die Spitze der Basis vorangeht. Es ist von Inter- esse zu bemerken, daß der Hauptanteil der Pause zwischen Vorhof- und Kammerkontraktion auf die Pause zwischen Vorhof- und Trichter- kontraktion entfällt; das Intervall : Trichter — übrige Kammer ist relativ sehr kurz. Reizt man die Spitze, dann kontrahieren sich nacheinander Spitze, Trichter, Basis und Vorhof. Von Bedeutung ist die Feststellung, daß die Pausen Vorhof-Trichter und Trichter-Vorhof untereinander ver- schieden sind, so zwar, daß die letztere länger ist als die erstere; die Pausen Trichter-Kammer und umgekehrt sind nicht ‘wesentlich ver- schieden; Reizung der Trichtergegend führt zu einer Reihe von Kon- traktionen. Mit Rücksicht auf diesen Befund erfährt die Theorie der II. Stanniusschen Ligatur, welche die Kammerkontraktionen als durch und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 51 einen Reizungszustand hervorgerufen erklärt, eine neue Be- stätigung. Die dabei auftretenden Erscheinungen sind eigentlich nichts anderes als Nodalrhythmus, bei dem die Kontraktionen des Vor- hofs ausfallen, weil die Leitung dahin durch die Ligatur unterbrochen ist. Interessant sind auch die Ergebnisse der Versuche mit Reizung des Bulbus. Ich habe nicht einwandfrei feststellen können, ob in diesem Falle der Kontraktion des Bulbus als erstes eine Kontraktion des Trichters oder der Basis folgt. Sicher aber ist, daß unter diesen Bedin- gungen die Basis der Spitze vorangeht. Auch bei Reizung der Basis ist nicht ganz klar, ob sie sich als erster Herzteil zusammenzieht, oder ob nicht auch in diesem Fall die Trichtergegend reagiert. Der Übersicht halber führe ich noch die Reihenfolge der sich kontrahierenden Herz- teile bei an verschiedenen Stellen einsetzenden Reizen an. Reiz Reihenfolge Vorhof Vorhof, Trichter, Spitze, Basis Trichter Trichter, Spitze, Basis, Vorhof Basis Basis oder Trichter? Spitze, Vorhof Spitze Spitze, Trichter, Basis, Vorhof Bulbus Basis oder Trichter? Spitze, Vorhof Nodalrhythmus | Trichter, Spitze, Basis, Vorhof. b) Reziproke Leitung. Die Frage der Reziprozitäten hat innerhalb der Kammermusku- latur zu folgenden Resultaten geführt: Reizt man Basis (B) und Spitze (S), dann ist das Intervall S,—B, stets länger als B,—-S,. Durch Ab- kühlung werden beide Zeiten verlängert, und zwar nahezu proportio- nal, durch Erwärmung verkürzt, stets bleibt also S,—B, länger als B,—S;,. In Analogie mit dem Verhalten an den Grenzen zweier Herzab- schnitte, an denen das normale Intervall stets kürzer zu sein pflegt, als das rückläufige, müßte man für die Verhältnisse innerhalb der Kon- tinuität der Kammer schließen, daß, wie aus der äußeren Betrachtung hervorgeht, die Leitung von der Basis nach der Spitze die rechtläufige ist. Daß diese Verhältnisse normal aber etwas anders liegen, lehren die folgenden Versuche. Reizt man vom Vorhof aus unter Registrierung von Vorhof, Basis und Spitze, dann erscheint das Intervall B,—S, oft gleich 0, jedenfalls viel kürzer als bei direkter Reizung der Basis. Das weist darauf hin, daß unter den normalen Bedingungen des Herzschlags die Erregung vom Trichter zur Spitze und von hier zur Basis läuft. _ Reizt man vom Bulbus aus, dann ist das Intervall B,—S, gleich dem durch Basisreizung feststellbaren (s. Versuch 19 aus Tabelle XIX). c) Durchschneidungen. Gewisse Unterschiede scheinen sich zu ergeben, wenn man innerhalb der Kammermuskulatur Durchschneidungen vornimmt, und einmal 4* 52 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen die inneren Anteile der Muskulatur, also jene obenerwähnten Sagittal- wände, in anderen Fällen nur die äußeren Begrenzungswände übrig läßt. Solche Durchschneidungen müssen unter Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse in gehöriger Entfernung von der’ Grenze, also unterhalb der queren Halbierungslinie der Kammer vorgenommen werden. Durchschneidung der Sagittalwände, bei der natürlich Teile der vorderen und rückwärtigen Begrenzungswand der Kammer mitgetroffen werden, führt (siehe Tabelle XIX, V.20—23) zu einer auffälligen Verzöge- rung der Leitung Basis-Spitze, auch bei Reizen, die vom Vorhof ausgehen. In den meisten Fällen handelt es sich dabei freilich nur um vorüber- gehende Erscheinungen. Nach Ablauf von 20—30 Minuten geht die Leitung B,—S, schon wieder mit entsprechender Schnelliskeit vor sich ; nicht aber die S,—B,, die verzögert bleibt. Es muß bei diesen Ver- suchen freilich unentschieden bleiben, ob wirklich alle Sagittalwände von dem Schnitt getroffen waren. Bedenken daran steigen auf, wenn man einen Versuch berücksichtigt, bei dem nach erfolgter gründlicher Durchschneidung der Sagittalwände die Erregbarkeit der Spitze kon- stant sank, und die Wiederherstellung der Leitung B,—S, nicht be- obachtet wurde. Durchschneiden der Wand führt (s. Tabelle 19, V. 25 u. 26) zu einer viel geringeren aber bleibenden Verzögerung. Die Klärung dieser Ver- hältnisse muß einer späteren eigenen Untersuchung vorbehalten bleiben. Erwärmung der beiden verschiedenartigen Brücken ruft (s. Tabelle XIX. V. 27—33) eine Verkürzung der Intervalle hervor. Die Mittelwerte sämtlicher Versuche, die an der Kammer angestellt wurden, sind in der Tabelle 24 zusammengestellt. Bei den verschiedenartigsten Präparaten, vornehmlich denjenigen, bei denen die Leitungsbahn zwischen Kammer und Spitze durch ein Sagittal- oder Wandmuskelbündel präsentiert war, fand ich die Leitung in beiden Richtungen stets intakt. Ausnahmsweise versagte für kurze Zeit die Leitung von der Basis nach der Spitze bei Bestand derjenigen von der Spitze nach der Basis. Ich wiederhole, daß es sich dabei nur um etwa 10—20’ dauernde Zustände gehandelt hat. Nach Ablauf dieser Zeit war die Leitung in beiden Richtungen wieder möglich. Ein Versagen der Leitung Spitze-Basis habe ich niemals beobachten können. Ja, selbst Erwärmung der vorhin erwähnten Brücken auf Temperaturen von über 45° C schädigte die Leitung in keinem Fall. Es sei nur neben- bei bemerkt, daß diese Feststellung auch in einem guten Einklang zu der Annahme ist, daß die Erregung normalerweise von der Spitze zur Basis läuft. Haben wir doch an allen Grenzen viel eher ein Versagen der rückläufigen Leitung beobachtet. In der Tabelle XIX sind wieder die Mittelwerte aus den Daten sämt- licher zur reziproken Leitung gehörigen Versuche zusammengestellt. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 53 Darin bedeuten der erste Stab die Versuchsnummer, der 2. den Reizort sowie den Zustand des Herzens, L. B. die Latenz der Basis, B,—S, das Intervall zwischen Basis- und Spitzentätigkeit, L. S. die Latenz der Spitze, S,—B, das Intervall zwischen Spitzen und Basistätigkeit. Die zuletzt angeführten Proportionalitätsfaktoren (von V.27 ab) sind durch Division der Intervalle nach Erwärmung oder Abkühlung (erw. oder gek.) mit dem normalen (n.) gewonnen. Tabelle XIX. Kammermuskulatur. By-S,; erw. | Sg-Bz erw. Vers. L.B. | B;,S, | L.S. | S,-B, BESIm: SB, n. 5 | normal SEO IE 050361 00192170063) normal . . .. .... | 0,219 | 0,040 | 0,206 | 0,074 8 | normal... . .. . |.0,189 | 0,026 | 0,256 | 0,083 — 10 | normal ........ | 0,226 | 0,037 | 0,267 | 0,078 12 | normal ....... | 0,119 | 0,026 | 0,141 | 0,060 14 || normal .... ...) 0,190 0,035 | 0,202 | 0,088 15 normale .-| 0,196 | 0,026 | 0,204 | 0,062 16 | normal 0,1870) 0,033.| 0,192') 0,063 | | IS mern. 0,11910,0370,236)0,073 IaennReız3Vorhof'. . . . 0,008 | Reiz: Basis . . . . | 0,222 | 0,042 Reiz: Bulbus. . . . 0,045 Reiz: Basis . . . . | 0,230 | 0,085 20 | Durchschnittene Sagittalwände.. . . 0,346 , 0,216 | 0,500 21 || wie20. Nach gesetzter | IDEE Tasionwar.e. 9. 0,250 | 0,156 | 0,405 2lspäter ul. 0: 0,095 | 0,173 | 0,201: 21 | wie 20. 20’ nach ge- 22 | setzter Läsion. . . 0,088 | 0,449 | 0,455 22 | wie20. Nach gesetzter asian... 0,142 | 0,164 | 0,287 2lspäter; N. 2°. 0,075 , 0,205 | 0,299 80’ später . . . . 0,072 | 0,197 | 0,202 23 | wie20. Nach ER | Bäsıon #2... . | ı 0,466 0,204 | 0,605 | DVAESpatere 0,109 | 0,206 | 0,225 25 | dors. Sagittalwände a Brücken.4 Sen 0,176 | 0,207 | 0,279 | 35’ nach gesetzt. Läs. 0,115 | 0,312 0,268 26 | wie25. 20’ nach ge- | ı setzter Läsion. . . | 0,192 | 0,043 | 0,194 | 0,199 | 27 | normal .. 0,143 | 0,017 | 0,198 | 0,037 | nach Erwärm. 107 40°C. 0,098 | 0,008 | 0,139 | 0,014 | 0,47 0,38 54 E. v. Skramlik: Uber die Beziehungen zwischen der normalen Tabelle XIX (Fortsetzung). 29 normal anne 0,164 | 0,016 0,123 > nach Erwärm. 5’ 40°C. | 0,128 | 0,008 | 0,116 | 0,058 | 0,50 0,76 Durchschnittene Sagittalwände. 30 | nach erf. Durchschn. | 0,257 | 0,045 | 0,142 | 0,230 5 Erwärmung der Brücke 40° . . . | 0,169 | 0,016 | 0,126 | 0,058 31 nach erf. Durchschn. | 0,175 0,128 0,291 | 0,177 10° Erwärmung der Brücke 40° . . . | 0,068 | 0,016 | 0,038 | 0,059 Durchschnittene Begrenzungsflächen 32 nach erf. Durchschn. | 0,194 | 0,023 | 0,237 | 0,118 10° Erwärmung der Brücke 40° . . . | 0,111| 0,010 | 0,148 | 0,073 33 || nach erf. Durchschn. | 0,249 | 0,286 | 0,168 | 0,387 10° Erwärmung der Brücke 40° . . . | 0,109 | 0,058 | 0,087 | 0,085 EEE NETTES ENTE TEN RETTETTTSEHRSEH TESTER 34 normale 2.022 0,097 | 0,048 | 0,108 | 0,068 : , Abkühl. d. Kamm. 4° | 0,156 | 0,189 | 0,219 | 0,308 | 3,95 4,52 Registriert man Vorhof, Basis und Spitze, von denen die letzteren nur durch eine schmale dorsale Wandbrücke miteinander in Verbin- dung stehen, dann kann man in gewissen Fällen die merkwürdigsten Kontraktionsfolgen beobachten. Auf eine Kontraktion des Vorhofs folgt einmal die Basis, während die Spitze in Ruhe bleibt, beim nächsten Vorhofsreiz die Spitze, während die Basis sich nicht kontrahiert. Beim dritten Reiz, der den Vorhof trifft, folgen beide. Reizt man bei einem solchen Präparat die Spitze, so folgt manchmal nur die Basis, in anderen Fällen nur der Vorhof, oder beide. Bei diesem Vorgange handelt es sich wohl um verschiedene Dauer der refraktären Phase an verschiedenen Kammerstellen. Des Interesses halber setze ich die Reihenfolge hierher. Vorhof Basis Spitze!) Spitze Basis Vorhof!) K K K K K K K K 0 K K 0 K 0 K K 0 K K 0 0 1) K bedeutet Zusammenziehung, 0 bedeutet keine Kontraktion. Den ——— und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 55 Bei schnell aufeinanderfolgenden Reizen, die den Vorhof trafen, wurde ein Alternieren der Basis- und Spitzenkontraktionen beobach- tet, wie es in dem folgenden Schema zusammengestellt ist. Vorhof Basis Spitze!) K 0 K K K 0 K N) K K K 0 Hierher gehören auch die Beobachtungen über das Verhalten der Koordination bei Wegschneiden der einzelnen Klappen. Entfernt man von den vier venösen Klappen die ventrale oder dorsale allein, dann tritt keine Koordinationstörung ein, weder in der normalen noch in der um- gekehrten Richtung. Entfernt man die ventrale und dorsale zusammen (es sind das die Klappen, an denen sich die Bidderschen Ganglien zellenhaufen befinden), dann ist in Übereinstimmung mit den alten Eekhard schen?)®) Versuchen die Koordination in beiden Richtungen für eine Dauer von etwa 10 Minuten gestört. Sie stellt sich nach dieser Zeit wieder ein, meist aber die rückläufige vor derrechtläufigen. Zu einer dauernden Koordinatenstörung kommt es nur beim Weg- schneiden sämtlicher vier venösen Klappen. Der Marchandsche Befund, daß durch Exstirpation der Bidderschen Ganglien allein die Koordi- nation zwischen Vorhof und Kammer gestört wird, berechtigt zur An- nahme, daß er bei den Durchschneidungen auch die restliche Trichter- gegend lädiert hatte. Daß eine vorsichtige Wegnahme der angeführten Ganglien die Koordination in der normalen Richtung nicht zu stören vermag, geht unzweifelhaft hervor aus den Befunden Gaskells bei der Schildkröte, Hofmanns?) beim Frosch. Wieso selbst ein vorsichtiges Wegschneiden der Klappen, die ja nach den histologischen Befunden nur endokardiales Gewebe sind, das den Muskelbündeln aufsitzt, den Übergang des Erregungsvorgangs von Vorhof auf Kammer und umgekehrt zu verhindern imstande ist, bleibt durch meine Versuche unentschieden. Denkbar wäre jedoch, daß sich zwischen den Klappen, die nicht streng aneinandergrenzen, noch intaktes Muskelgewebe befindet, das durch die Durchschneidung nicht hätte alteriert werden dürfen. Hierbei ist doch wohl an eine Schädigung der obenerwähnten, den Papillarmuskeln analogen Muskelbündel, die - von der Kammerwand zu den Klappen ziehen, zu denken. 1) K bedeutet Zusammenziehung, 0 bedeutet keine Kontraktion. ®2) ©. Eckhardt, Ein Beitrag zur Theorie der Ursache der Herzbewegungen. Seine Beiträge zur Anat. u. Physiol. I, 145. 1858. 3) C. Eckhardt, Beiträge z. Anat. u. Physiol. 7, 192. 1874. *) F.B. Hofmann, Beiträge zur Lehre von der Herzinnervation. Arch. f. d. ges. Physiol. %2, 409. 1898. 56 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen Ich habe, wie vorhin erwähnt, in einer eigenen Reihe von Versuchen das Vorangehen der Spitzen- vor der Basiskontraktion beob- achtet. Daß die Erregung, nachdem sie den Trichter als Verbindungs- brücke zwischen Vorhof und Kammer passiert hat, ihren Weg zur Spitze durch die Papillarmuskeln nimmt, wäre wohl zu denken, es konnte aber nicht klargestellt werden, ob sich normalerweise die Erregung vom Trichter aus gleichmäßig schnell und sicher nach allen Kammer- teilen zu ausbreitet, oder aber, ob die Erregung zur Spitze gelangt und von dort innerhalb der Kammermuskulatur zur Basis fortschreitet. Diese meine durch mechanische Registrierung gewonnenen Befunde innerhalb der Kammermuskulatur des Froschherzens stehen in guter Übereinstimmung mit den elektrographischen zahlreicher Unter- sucher des Säugetierherzens. Da ist vor allem A. D. Waller!) zu er- wähnen, der aus seinen Capillar-Elektrometerkurven den Schluß ge- zogen hat, daß die Erregung im Säugerherzen vom Vorhof aus durch das Papillarmuskelsystem zur Spitze läuft und von dort zurück zur Basis, wonach sich stets die Spitze vor der Basis kontrahieren müßte. H.E. Hering?) hat gefunden, daß die Papillarmuskelkontraktion des rechten Ventrikels der übrigen Kammerkontraktion vorangeht. 4. Vorgänge an der Kammerbulbusgrenze. Das untere Ende des Bulbus ragt ringförmig in den Ventrikel hinein und ist nach den Angaben vonGompertz von einer doppelten peri- kardialen Hülle umgeben, da sich das Perikard von Vorhof und Kammer auf den Bulbus hinüberschlägt und auch das in den Ventrikel hinein- ragende Stück überzieht. Von Bedeutung ist, daß die das Ostium arteriosum bildenden Muskelfasern der Kammer unmittelbar in die des Bulbus übergehen, welche in zwei Spiralfaserschichten von entgegen- gesetzter Windung angeordnet sind. Das Perikard wurde bei diesen Versuchen stets vom Bulbus entfernt. Es ist nicht schwierig, die Bulbuskontraktion graphisch zu registrieren. 1. Daß man auf einen einzelnen Reiz hin eine Reihe von Bulbus- kontraktionen auslösen kann, ist häufig beschrieben worden (vgl. Engel- mann und Ewald). Jedenfalls gehört der Bulbus zu den Organen mit Automatie, wenn diese auch gleich der des Atrioventrikulartrichters lang nicht so hoch entwickelt ist, wie im Sinus. Daß automatische Bul- buskontraktionen rückläufig auf Kammer und Vorhof übergehen, dürfte nicht bekannt sein. 2) A.D. Waller, On the electromotive changes connected with the beat of the mammalian heart and of the human heart in particular. Philosoph. trans- actions 180, 169. 2) Siehe Fußnote 5, S. 47. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 57 2. Auch an dieser Grenze ist das Intervall rückläufig länger als wie rechtläufig, wie aus den Tabellen XX und XXI hervorgeht. In diesen Tabellen bedeuten der 1. Stab die Versuchsnummer, der 2. den Zustand des Herzens sowie die mit ihm vorgenommenen Verände- rungen, L. V. die Latenz der Kammer, V,—Bu, das Intervall zwischen Kammer- und Bulbustätigkeit, L. Bu. Latenz des Bulbus, Bu,—V, das rückläufige Intervall. Tabelle XX. Kammerbulbusgrenze. Versuch | Latenz V. Vgz-Rug Latenz Bu. | Bug-Vg 35 | Normal 0,17 0,32 0,34 0,39 | 0,17 0,33 0,35 0,38 "0,17 0,33 0,34 0,39 0,17 0,31 0,35 0,40 0,18 0,32 | | 0,18 0,31 | | 30 Min. nach Tötung 0,20 0,31 0,31 0,37 | d. Frosches 0,19 0,32 0,32 0,39 0,19 031 | 031 0,39 | 0,32 0,38 Tabelle XXI. Kammerbulbusgrenze. Mittelwerte. Versuch | | Latenz V. V,-Bu, |Latenz Bu. | Bu,-V; Brormel. . ...:. .. Won] 88» 0,35 0,39 (E50 später 2:2: 0,19 0,31 0,32 0,38 36 || normal... ... | so 0,31 01 | 089 60 päter N. .0. - 770,22 0,44 SE normal... 914 0,42 0,24 0,56 ur De 0,10 0,14 0,22 0,29 Z momall IOEMR> 0,15 0,36 41 Normale: 0,15 0,27 0,31 0,33 Erwärmung 40° 10 0,19 0,33 0,31 0,27 Grenze In der TabelleXXI sind die Mittelwerte aus den Bulbusversuchen zu- sammengestellt. Die Bezeichnungen sind dieselben wie in Tabelle XX. 3. Abkühlung der Bulbuskammergrenze führt zu einer starken Ver- längerung der Überleitungszeit. Erwärmung auf Temperaturen von etwa 25—30° zu einer Verkürzung, stets aber bleibt Bu,—V, länger als V,—Bu,. Durch Erwärmung auf Temperaturen über 35° bei Kühlung der übrigen Herzteile kommt es zur Aufhebung der rückläufigen Lei- tung, von der ich allerdings nicht zu sagen vermag, ob sie dauernd ist oder temporär, in dem Sinn, daß sie sich nach Abkühlung nicht wieder einstellt. 58 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen 4. Partielle Durchschneidungen an der Bulbuskammergrenze führen beide Zustände des Herzens herbei, sowohl Aufhebung der rück- läufigen bei. Bestehen der rechtläufigen, als auch, was weitaus wichtiger ist, Aufhebung der rechtläufigen bei Aufrechterhaltung der rückläufigen, doch verfüge ich über kein genügendes Versuchsmaterial, um eine definitive Entscheidung darüber zu fällen, ob einzelne Bündel für die Leitung in der einen oder anderen Richtung bevorzugt werden. 5. Bahnung der Erregung.!) Hier sei noch auf ein Phänomen hingewiesen, das ich häufig an der Vorhofkammergrenze bei ihrer ungleichen Temperierung, vornehmlich aber bei alleiniger Erwärmung der. dorsalen Bündel auf hohe Tempe- raturen (über 40°), an der Kammerbulbusgrenze auch ohne jeglichen Eingriff beobachtet habe. Es besteht darin, daß man rückläufig keine Kontraktion hervorrufen kann, also daß bei Reizung der Kammer sich nicht der Vorhof, bei Reizung des Bulbus sich nicht die Kammer kontrahiert, auch wenn man noch so oft reizt. Erregt man nun den Vor- hof, so daß rechtläufig die Kammer, oder die Kammer, so daß recht- läufig der Bulbus in Tätigkeit kommt, ein oder mehrmals, dann ist man nun imstande, von der Kammer aus den Vorhof, vom Bulbus aus die Kammer zur Kontraktion zu bringen, und nun beliebig oft. Läßt man das Präparat für kurze Zeit in Ruhe, dann tritt das Phänomen von neuem auf. In Ermangelung einer anderen Benennung, vor allem einer anderen Deutung, möchte ich dieses Phänomen als das der „Bahnung der Erregung‘ bezeichnen, wofür die Vorstellung ausschlaggebend war, daß durch den Durchgang der rechtläufigen Erregung die rückläufige ermöglicht wird. Es ist von Interesse zu bemerken, daß, je länger die. auf den Versuch folgende Ruhepause dauert, um so häufiger die einzel- nen Herzabteilungen- rechtläufig in Tätigkeit gebracht werden müssen, damit die rückläufige Leitung wieder zustande kommt. II. Zusammenfassung. Die Hauptergebnisse der obigen Untersuchungen seien im folgenden kurz zusammengestellt: 1. Die Leitung der Erregung im Herzen ist kein schlechtweg um- kehrbarer Vorgang; er zeigt sich vielmehr unter mancherlei Umstän- den und verschiedenen Hinsichten als irreziprok, d. h. im recht- und rückläufigen Sinne ungleich, wobei im allgemeinen die rechtläufige Lei- tung gegenüber der rückläufigen begünstigt ist. Als Erscheinungsweisen solcher Umkehrbarkeit haben sich die folgenden ergeben: 1) S. Fußnote I S. 30. und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 59 a) Die Übertragung der Erregung zwischen zwei Herzteilen, Sinus-Vorhof, Vorhof-Kammer, Kammer-Bulbus nimmt, wenn die Ver- hältnisse nicht durch besondere experimentelle Eingriffe verschoben sind, stets im rückläufigen Sinn mehr Zeit in Anspruch als im recht- läufigen. Diese Anschauung darf mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die Kammermuskulatur in ihrer Kontinuität übertragen werden, wobei sich dann herausstellen würde, daß die Leitung von der Spitze zur Basis die normale ist. b) Durch verschiedene Eingriffe (örtlich ungleiche Temperierungen, namentlich aber Durchschneidungen) kann man mit Sicherheit nicht nur solche Zustände herbeiführen, in denen zwischen 2 Herzteilen, ins- besondere Vorhof und Kammer, die rückläufige Leitung versagt, sondern auch solche, in denen das Gegenteil der Fall ist. So bleibt nur die rechtläufige Leitung erhalten, wenn man alle Verbindungen mit Ausnahme eines schmalen dorsalen Bündels durch- schneidet oder wenn man hohe schädigende Temperaturen auf der ven- tralen Seite einwirken läßt, vor deren Einfluß die dorsalen Teile durch gleichzeitige Abkühlung geschützt werden. Läßt man dagegen als alleinige Verbindung das Septum bestehen, so ist nur dierückläufige Leitung erhalten. Es scheint also das Septum allein für die rückläufige Leitung, gewisse dorsale Bündel nur oder doch ganz überwiegend für die reehtläufige geeignet zu sein, während die ventralen und lateralen Bündel zu beiderlei Leitungen. befähigt sind. Das Übergewicht der rechtläufigen Leitung ist also kein so ausgesprochenes. Innerhalb der Kontinuität der Kammermuskulatur ist ein solches voll- ständiges Auseinanderfallen der Leitungen in einem und anderem Sinn nicht festzustellen. c) Wenn die rückläufige Wirkung: zunächst nicht vorhanden ist, kann sie in manchen Fällen dadurch hervorgerufen werden, daß die nämliche Leitung einige Male im rechtläufigen Sinne von einer Erregung durchlaufen wird (Bahnung der Erregung). Auch dieses Phänomen läßt sich nur an den Grenzen zweier Abteilungen (Vorhofkammer und Kammerbulbus) beobachten. 2. Es gelingt an der Kammer die Bewegung mehrerer Stellen (am besten Trichter, Basis und Spitze) unabhängig zu registrieren und die zeitliche Folge festzustellen, in der sie in Tätigkeit kommen, sei es, _ wenn die Erregung in der natürlichen Weise vom Vorhof auf die Kammer übergeht, sei es bei künstlicher Reizung des einen oder anderen Kammer- teils. Diese Beobachtungen machen wahrscheinlich, daß unter den normalen Bedingungen des Herzschlags die Erregung nach Passieren der Überleitungsbündel sowohl zur Spitze als zur Basis läuft. Auf Grund der anatomischen Verhältnisse ist sehr wohl möglich, daß sich so die Spitze vor der Basis kontrahiert. 60 E. v. Skramlik: Über die Beziehungen zwischen der normalen 3. Zwischen die Kontraktion des Sinus und des Vorhofs schiebt sich die Zusammenziehung des den Sulcus circularis entsprechenden zirkulären Muskelringes, zwischen Vorhof- und Kammerkontraktion die des Trichters ein. Beide sind als Klappenschlüsse aufzufassen, wenn auch nur im Sinne einer Stellung der Klappen. Kommen wir hier noch einmal auf die eingangs erwähnten theore- tischen Fragen zurück, so darf wohl gesagt werden, daß die Zweifel an der Zulänglichkeit der Engelmannschen Erklärungen eher verstärkt als beseitigt oder auch nur abgeschwächt erscheinen. Gewiß können wir uns mit Engelmann vorstellen, daß der Übergang der Erregung von einem schnell auf ein langsam arbeitendes Gebilde leichter und siche- rer erfolgt als der umgekehrte. Nimmt man weiter an, daß die auf lang- samstes Tempo eingestellten Übergangsgebilde zwischen die schnellere Kammermuskulatur und die noch schnellere des Vorhofs eingefügt sind, so erscheint es zwar nicht selbstverständlich aber doch denkbar, daß auch der ganze Übergang vom Vorhof zur Kammer gegenüber dem entgegengesetzten begünstigt ist. Wenn aber in gewissen Teilen diese Begünstigung viel stärker ist als in andern, ja in einzelnen Teilen das Verhältnis direkt das entgegengesetzte ist, so weist das doch darauf hin, daß es bei der Übertragung außer auf die relative Schnelligkeit_oder Langsamkeit der einzelnen Teile noch auf andere Umstände ankommt. Man könnte wohl an besondere Gestaltungen in der Verzweigung, Brückenbildung oder dergleichen denken. Doch hat eine solche Er- klärung wenig Ansprechendes, wenn, wie v. Kries wahrscheinlich ge- macht hat, die Leitung im Herzen eine auxomere ist, d. h. von einem kleinsten Element auf eine unbegrenzt größere Zahl von solchen sich zu übertragen vermag. So ist wohl der ganze jetzt bekanntgewordene Komplex von Tatsachen mit der Vorstellung einer rein myo- dromen Leitung noch schwerer zu vereinbaren, als die vordem schon bekannten vereinzelten Tatsachen. Freilich ist unser Wissen von den Vorgängen der Leitung zu unsicher und lückenhaft, als daß solchen Bedenken eine entscheidende Bedeutung zukommen könnte. Welche Möglichkeiten sich für die Leitung zwischen Gebilden von ungleicher Beschaffenheit bei Verzweigungen, Brückenbildungen oder dergleichen ergeben, das läßt sich vorderhand nicht mit Sicherheit be- urteilen. Immerhin werden die gesamten Tatsachen, die wir als Irre- ziprozitäten zusammenfassen können, naturgemäß den Gedanken an eine Beteiligung der nervösen Elemente bei der Leitung besonders zwischen den verschiedenen Herzabteilungen wieder näher rücken. Bildet doch die von Kühne festgestellte Tatsache, daß der Erregungsvorgang im Skelettmuskel wohl vom Nerven auf den Mus- kel, nicht aber umgekehrt vom Muskel auf den Nerven übergeht, ein: klassisches Beispiel irreziproker Leitung. Es soll auch daran erinnert und rückläufigen Erregungsleitung beim Froschherzen. 61 werden, daß die durch einen motorischen Nerven dem Zentralnerven- system zugeleitete Erregung ohne Erfolg bleibt. Indessen war es nicht Aufgabe dieser Arbeit, in so fundamentalen Fragen eine Ent- scheidung zu suchen; auch liegt es mir vollkommen fern, in dieser Hinsicht in bestimmter Weise Stellung zu nehmen. Es sollte lediglich ein gewisses Gebiet von Erscheinungen systematisch untersucht werden. Die gefundenen Tatsachen befriedigend zu erklären, wird allerdings eine wichtige Forderung sein, die wir an eine Theorie der Erregungsleitung im Herzen stellen müssen. Für die Richtigkeit einer solchen wird es ein bedeutungsvolles Kriterium sein, ob sie von Irrezipro- zitäten Rechenschaft zu geben vermag. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Wien.) Über die Strophanthineontraetur der getrennten Kammer- hälften des Kaltblüterherzens!). Von C. Amsler und E.P. Pick. (Ausgeführt mit Unterstützung der Fürst-Liechtenstein-Spende.) Mit 12 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. Juni 1920.) Die folgenden Untersuchungen, deren Beginn in den Herbst 1916 fällt, gingen von der Frage aus, ob es möglich sei, die Wirkung der Digitalis- körper auf einzelne, voneinander getrennte, überlebende Teile des Herzens zu studieren. Als wir damals mit dieser Frage uns zu befassen begannen, zeigte es sich, daß das Froschherz in ausgezeichneter Weise hierfür geeignet sei, indem selbst kleine Ausschnitte aus demselben ünter günstigen Bedingungen stundenlang rhythmisch tätig bleiben. Bereits Gaskell?) hatte ausgeschnittene Stücke aus der Spitze- des Schildkrötenherzens wieder zum Pulsieren gebracht, und Porter?) und später Eiger?) konnten sogar an isolierten Teilen des Säugerven- trikels längere Zeit rhythmische Bewegungen beobachten. Inzwischen haben auch Loewe?) und Harries®) das schlagend überlebende Herz- 1) Siehe Amsler und Pick, „Über die Verschiedenheit der Strophanthin- wirkung auf die linke und rechte Hälfte des Esculentenventrikels“, Zentralbl. £. Physiol. 34, Nr. 7, 1920, sowie H. H. Meyer, „Über die Digitalistherapie‘, Vor- trag, gehalten im Wiener med. Doktorenkollegsium am .24. XI. 1919. Wiener med. Wochenschr. 1920, Nr. ]1. 2) Gaskell, Journ. of physiol. 6, 43. 1883—84; s. auch J. Erlanger, Amer. journ. of physiol. 16, 160. 1906. 3) W. T. Porter, A new Method for the Study of the isoleted mammalian heart. Amer. journ. of physiol. 1, 511. 1898. 4) M. Eiger, Versuche am isolierten überlebenden Säugetierherzen nach Abtragung verschiedener Teile desselben. Zentralbl. f. Physiol. 32, 205. 1918. 5) Loewe, Das schlagend überlebende Herzstreifenpräparat. I. Arbeiten a. d. pharmakol. Inst. d. Univ. Göttingen 1918. Sonderabdruck der Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 6, 5. u. 6.H. 1918. 6) Harries, Das schlagend überlebende Herzstreifenpräparat. II. Arbeiten a. d. pharmakol. Inst. d. Univ. Göttingen 1918. Sonderabdruck der Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 6, 5. u. 6.H. 1918. C. Amsler u. E.P. Pick : Strophanthincontractur d. getrennt. Kammerhälften usw. 63 streifenpräparat zu pharmakologischen Untersuchungen verwendet. Unsere Versuche mit verschiedenen, aus dem Ventrikel des Esculentenherzens aus- geschnittenen Stückchen, die in ge- eigneter Weise in einer mit Sauerstoff gut durchlüfteten Ringerlösung sus- pendiert waren, haben ergeben, daß deren rhythmische Tätigkeit vielfach in derselben Weise durch Gifte beeinflußbar ist, wie die Funktion des ganzen Herzens. Wir untersuchten diesbezüglich Mus- carin, Atropin, Nikotin, Adre- nalin, Campher, Strophanthin, Pilocarpin und Chloralhydrat und geben in Abb. 1!) ein Beispiel einer Muscarin-, Adrenalin-, Atropin-Wirkung auf einen Herzstreifen, welcher aus dem oberen, ventralen, linken Ventrikel- quadranten herausgeschnitten worden war und in der Nährlösung eine regel- mäßige Automatie aufwies. Man ersieht aus derselben, daß Muscarin hier die gewohnte vagale, zum diastolischen Stillstand führende Endwirkung auslöst, die durch Adrenalin, wie dies aus Unter- suchungen von Kolm und Pick?) am ganzennach Straub isolierten Frosch- herzen hervorgeht, sowohl in Bezug auf Inotropie, wie auf Chronotropie schwer, oder gar nicht zu beheben ist, hingegen auf Atropin der normalen Funktion sofort Platz macht. Sowohl dieser Ver- such, wie auch zahlreiche andere, mit verschiedenen Giften ausgeführte, schei- nen uns zu beweisen, daß die nervösen ‚Endapparate in den ausder Herzkammer ausgeschnittenen Muskelstreifen ihre Reaktionsfähigkeit unverändert beibe- halten haben. Dies gilt vor allem für t) Alle Kurven sind von rechts nach links zu lesen. Bei a x Muscarin, bei b x (Fortsetzung von a) Adrenalin, bei e x (Fortsetzung von b) 2 Tropfen 5°/„iges Atropin. sulfur. Herzstreifen, ausgeschnitten aus dem oberen, ventralen, linken Teil des Ventrikels. Abb. 1. 2) Kolm und Pick, Über Änderung der Adrenalinwirkung nach Erregung der vagalen Endapparate. Diese Zeitschr. 184, 79. 1920. 64 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontractur Streifen, welche aus der oberen Hälfte des Ventrikels ausgeschnitten wurden und stimmt überein mit den Erfahrungen Haberlandts!), welcher die Befähigung zu automatischer Reizbildung bis zur Grenze des oberen und mittleren Kammerdrittels verfolgen konnte. Unsere mit Nikotin an Herzstreifen ausgeführten Versuche weichen dagegen von diesen Ergebnissen wesentlich ab, weswegen über dieselben ge sondert berichtet werden soll. Unsere Hauptversuche bezweckten den Einfluß des Strophan- thins auf die voneinander sagittal getrennten Herzhälften, welche beide in derselben Nährflüssigkeit eingespannt waren, zu studieren. Bevor ul I Abb. 2. Frontal getrennte Herzhälften (Vorhöfe und: Kammer in der Frontalebene geteilt). Oben: dorsale Ventrikelhälfte im Zusammenhange mit den dorsalen Hälften der Vorhöfe. Unten: Ventrale Kammerhälfte mit den ventralen Hälften der Vorhöfe zusammenhängend. Bei x Img Strophanthin: Kurz nachher beiderseitig einsetzende, am Abweichen der Fuß- punkte von der Abscisse ersichtliche systolische Contractur. wir an diese Untersuchungen herangingen, unterrichteten uns einige Versuche, in denen wir den Herzschnitt in der Frontalebene anleg- ten, über die Einwirkung des Strophanthins auf die dorsale und ven- trale Herzhältte. Wie aus Abb. 2 hervorgeht, verhalten sich diese beiden Herzhälften insofernidentisch, als sie beide den- selben Rhythmus — sei es Sinus- oder Vorhofrhythmus, — auf- weisen und sich auf Strophanthin in gleicher Weise kon- trahieren. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der dorsalen und ventralen Herzhälfte konnte somit nicht festgestellt werden, voraus- gesetzt, daß der Schnitt so fiel, daß jeder Ventrikelhälfte die ent- sprechende Vorhofhälfte angehörte, von welcher an Stelle des Sinus die Reizerzeugung ausging. ‘) Haberlandt, Die Physiologie der Atrioventrikularverbindung des Kalt- blüterherzens. Arch. f. Physiol. 1916, S. 367. der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 65 Ganz anders aber verhält es sich, wenn das Herz statt in frontaler in sagittaler Richtung geteilt wird, so daß die rechte und linke Herz- hälfte voneinander getrennt sind. Über solche Versuche sei im folgenden berichtet!). Die Frage der Einwirkung von Digitaliskörpern auf beide Herzhälften wurde in der älteren Literatur schon vielfach aufgeworfen. Francois Frank?) glaubte, daß Digitalis beide Herzhälften gleich- mäßig beeinflusse, während andere wie Openchowsky, Schatiloff, Bayet®) die Ansicht vertraten, daß Digitalis auf das rechte Herz nicht wirke, sondern daß nur das linke Herz für Digitalis empfindlich sei. 1. Wie verhalten sich die voneinander sagittal getrennten Ventrikel- hälften, wenn sie, von Sinus und Vorhöfen isoliert, automatisch schlagen, gegenüber Strophanthin ? Bringt man die rechte und linke Kammerhälfte, welche mittels einer scharfen Schere voneinander getrennt wurden, dadurch zum auto- LULEUIEIENENITE EEE NUITEEN N x Abb. 3. Sagittal getrennte Hälften des Ventrikels; Sinus und Vorhöfe fehlen; beide Hälften schlagen daher automatisch. Oben linke, unten rechte Kammerhälfte: Bei x 1mg Strophan- thin: Kurz nachher beiderseits einsetzende, am Abweichen der Kurvenfußpunkte von der Ab- seisse ersichtliche systolische Contractur. matischen Schlagen, daß man sie von Vorhöfen und Sinus lostrennt, so erzeugt Zusatz von Strophanthin zur gemeinsamen Nährlösung beiderseits in gleichmäßiger Weise ein Ansteigen der Ventrikelhälften zur systolischen Einstellung (Abb. 3). Es besteht somit fürdieauto- 1) Näheres über die eingeschlagene einfache Methodik findet sich in unserer vorläufigen Mitteilung und ist überdies aus den, den einzelnen Kurven beigefügten Legenden ersichtlich. Wir verwandten durchweg das krystallisierte Strophanthin _ ' Thoms in relativ großen Dosen — ca. Img — um die Unterschiede möglichst deutlich in Erscheinung treten zu lassen, wobei auch die Menge der von uns ver- wendeten Nährlösung (ca. 10 ccm) zu berücksichtigen war. Wir benützten stets Esculentenherzen. 0) Francois Frank, Zit. nach Wybauw. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 434. >») Openchowsky, Schatiloff und Bayet, Zit. nach Wybauw. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 434. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 5 66 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontractur matisch schlagenden Kammerhälftenin Bezug auf die systo- lische Strophanthinwirkung bei den hier benützten Gift- mengen kein wesentlicher Unterschied; es verhalten sich linke und rechte Hälfte der Kammer diesbezüglich wie der Ventrikel des intakten Herzens. 2. Wie werden linke und rechte Kammerhälfte von Strophanthin beein- flußt, wenn die linke mit Sinus und Vorhöfen verbunden bleibt, während die rechte davon getrennt wurde? Bekanntlich liegt der Sinus dem rechten Vorhof an. Will man die linke Ventrikelhälfte mit der Reizerzeugung im Sinus in Verbindung erhalten, so ist man daher gezwungen, den zur Trennung beider Kammer- hälften von der Herzspitze aus sagittal geführten Schnitt nur bis zur Artrioventrikularfurche und dann in dieser horizontal nach rechts fortzusetzen. Dadurch gewinnt man zwei Herzstücke, von denen das eine die linke Kammerhälfte, die beiden Vorhöfe und den Sinus umfaßt, während das andere nur die rechte Hälfte der Kammer darstellt (s. Abb. 4). Infolgedessen schlägt das erstere wie das ganze Herz, d. h. koordiniert (systematisch), in der Reihenfolge Sinus, Vorhöfe, linke Ventrikelseite; das andere dagegen, getrennt vom Öberherzen, folgt den Impulsen der eigenen tertiären Zentren und weist daher die ventrikuläre Automatie auf. Werden nun beide, auf die geschilderte Weise gewonnenen Herzteile in dieselbe Nährflüssigkeit getaucht, so weist bei Strophanthinzusatz nur die By $ [I u ı \ \ N } N % N Abb. 4. Schema der Schnittführung zur Iso- lierung der rechten Kammerhälite von den Vorhöfen; der linke Kammeranteil bleibt mit dem Oberherzen ver- bunden. -- -- Schnittführung Edrerennns Reizleitung lrechter Vorhof ITlinker Vorhof III rechte Kammerhälfte IVlinke Kammerhältte. rechte, automatisch schlagende Kammerhälfte die Neigung auf, in Contractur überzugehen, während die linke Hälfte des Ventrikels im Gegensatz hierzu dem diastolischen Zustand zustrebt, um schließlich in Diastole stehenzubleiben. Wir haben somit die merkwürdige Tatsache vor uns, daß ein und dieselbe Giftlösung die beiden gleichzei- tig von ihr umspülten Kammerhälften völlig entgegengesetzt beeinflußt (Abb. 5). Schmiedeberg!) und dessen Schüler?) haben die vielfache Beobachtung gemacht, daß Stoffe der Digitalissruppe bei Einwirkung vom Endo- und Epikard aus auf das Froschherz sich verschieden verhalten, indem !) Schmiedeberg, Über den Mechanismus der Hemmungswirkung am Herzen. Arch. f. Physiol. 1910, S. 173. ®2) Wybauw, Beitrag zur Kenntnis der pharmakologischen Wirkung der Stoffe aus der Digitalisgruppe. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 434. der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 67 dieselbe Giftlösung von innen zur Systole, von außen zur Diastole führt. Nach Schmiedeberg liegt die Erklärung dieser sonderbaren Er- scheinung in dem Vorhandensein zweier Muskelsysteme, deren Elasti- zität durch Digitalisstoffe entgegengesetzt beeinflußt werde, und zwar derart, daß das äußere, aus diastolischen Muskelfasern bestehende Sy- stem, die Erschlaffung des Ventrikels aktiv herbeiführe, während die innere, aus systolischen Fasern zusammengesetzte Muskelschichte, die Kammer in Systole versetze; die diastolische Erschlaffung beruhe auf einer Hemmung der Herzbewegungen, wobei jedoch eine Erregung vagaler Hemmungsvorrichtungen nicht im Spiele sei, da sie auch am atropinisierten Herzen nicht ausbleibe. Es ist augenscheinlich, daß für unseren Befund des ungleichen Verhaltens beider Kammerhälften Dun > „MUND Abb. 5. Sagittal getrennte Ventrikelhälften ; oben linke, mit Vorhöfen und Sinus zusammen- hängende, unten rechte, von diesen losgelöste Kammerhälfte. Die obere, linke Hälfte schlägt systematisch, d. h. in der Reihenfolge Sinus, Vorhöfe, Kammerhälfte; die untere, rechte weist automatischen Rhythmus auf. Schnittführung: von der Herzspitze sagittal bis zur A-V.-Furche, dann in dieser horizontal nach rechts. Bei x Img Strophanthin. gegen Strophanthin die von Schmiedeberg gegebene, für das intakte Herz wohl zutreffende Erklärung, keine Geltung haben kann, aus dem einfachen Grunde, weil in unserem Falle die Giftlösung gleichzeitig die inneren und äußeren Schichten der Herzwand umspült. Selbst bei der Annahme, daß rechte und linke Kammerhälfte insofern ungleich gebaut wären, als die eine reicher an diastolischen Muskelfasern sein würde als die andere, könnte obige Erklärung nicht für uns herange- zogen werden, wie dies schon aus der Tatsache, daß sich die beiden ganz isolierten, automatisch arbeitenden Ventrikelhälften dem Strophanthin gegenüber gleich verhalten und in Contractur übergehen, und aus später anzuführenden Daten mit Sicherheit hervorgeht. Da zwischen der rechten und linken, völlig isolierten Ventrikel- ‚hälfte, wie oben gezeigt wurde, bei der Vergiftung mit Strophanthin ein ungleiches Verhalten nicht festgestellt werden konnte, im Gegensatz zum Verhalten beider Teile, falls die linke Seite mit dem Oberherzen in Verbindung blieb, war der Schluß gegeben, daß die Ursache der diastolischen Wirkungaufdenlinken Kammerteilindessen Verbindung mit dem Oberherzen liege, bzw. daß der Grund des 55 68 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontraetur systolischen Anstieges der isolierten, rechten Hälfte in deren Abtrennung vom Öberherzen bestehe. Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung be- weisen die nachfolgenden Versuche. a) Die Wirkung der Abschnürung der linken Ventrikel- hälfte vom Oberherzen in der Atrioventrikularfurche (Stannius II) während der Strophanthinwirkung. Schnürt man während des Verlaufs der Strophanthinwirkung auf die linke, im Sinusrhythmus und die rechte, automatisch schlagende LA h . YuUvyyh] Abb. 6. Dieselbe Schnittführung, wie bei Abb.5. Oben systematisch schlagende linke, unten automatisch pulsierende rechte Kammerhälfte. Bei x 1ccm 0'1- proz. Strophanthin zu8 ccm Ringerlösung: rechts (unten) setzt bald Neigung zu Contractur ein; diese wächst später unter Zunahme der Automatie. Links (oben) beginnt der Ventrikel in geringem Grade der Diastole zuzustreben: bei x x wird links (oben) in der A.V-Furche ligiert (Stannius II), worauf auch die linke Ventrikelhälfte in Contractur übergeht. Kammerhälfte die erstere mittels einer Ligatur in der A.-V.-Furche vom Oberherzen ab, so daß sie, wie die rechte, automatisch weiterpulsiert, so tritt in dem Augenblicke des Einsetzens der Automatie auch links die systolische Strophanthinwirkung ein (Abb. 6) b) Der Einfluß der durch Strophanthin links gesetzten Überleitungsstörung auf dasVerhalten der linken Kammer- hältte. Die bekannte schädigende Wirkung des Strophanthins auf die Reiz- leitung hat häufig eine völlige Unterbrechung derselben zur Folge, so daß der Effekt dieser Störung auf die Herztätigkeit der gleiche ist, wie sie mechanisch Stannius II hervorruft: es tritt Kammerautomatie ein. Dasselbe kann man an der systematisch (im Sinusrhythmus) arbeitenden, hier also der linken Herzhälfte, durch Strophanthineinwirkung auslösen. Dabei sieht man, daß ähnlich wie nach Stannius II, mit dem Erwachen der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 69 der Automatie linkerseits auch die systolische Wirkung des Strophan- thins in der linken Kammerhältte in Erscheinung tritt, während sie bis dahin, also vor der Reizleitungsschädigung, fehlte (Abb. 7). ut Il) I Il N Il Ill l -AwMDULULLLLLLDL] il TEIBEN xxx xx x Abb. 7. Schnittführung, wie bei 5. Oben linke, koordinierte, unten rechte automatische Ventrikelhälfte.e Bei x Zusatz von 15 cem (,l-proz. Strophanthins zu 85 cem Ringerlösung: rechts (unten) kommt es sofort zu Contractur, links (oben) setzt bei x x eine Störung der Überleitung ein (durch Auszählen der Vorhof- und Ventrikelpulse festgestellt), d. h. eine Hal- bierung des Rhythmus; kurz darauf völlige Blockierung. Bei x x x wird diese von Automatie des Ventrikels abgelöst und mit dieser erst geht der Ventrikel in Contractur über. Sy c) Die Wirkung des Camphers auf die durch Strophanthin erzeugte Reizleitungsstörung der linken Kammerhälfte. Fröhlich und Grossmann!) haben neuerdings gezeigt, daß Campher imstande ist, die geschädigte Überleitung zu erleichtern. Wir benutzten daher den Campher in der Absicht, durch Verbesserung der durch Strophanthin geschädigten Reizleitung der Contracturneigung des linken Kammerteils entgegenzuwirken, was auch gelang. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die angeführten Versuche mit Sicherheit zeigen, daß die diastolische Wirkung des Strophanthins auf die linke, mit dem Oberherzen in Verbindung gebliebene Kammer- seite, in dieser Verbindung selbst ihre Ursache haben muß und nicht etwa in einem besonderen Verhalten der Kammermuskulatur begründet sein kann. Wir müssen daher einen im Oberherzen lokalisierten Mechanis- mus annehmen, welcher den Ventrikel vor der contracturierenden Stro- phanthinwirkung zu schützen imstande ist. Fällt die Verbindung zwischen Oberherz und Ventrikel, sei es mechanisch (Stannius II), sei es chemisch (pharmakodynamische Reizleitungsschädigung;) weg, so verliert naturgemäß dieses Hemmungszentrum seinen Einfluß auf die Kammer und diese stellt sich sogleich systolisch ein. Wird umgekehrt die Verbindung zwischen Ober- und Unterherz wiederhergestellt (z. B. durch Campher), so entwickelt sich die Strophanthincontractur, die bereits eingesetzt hatte, nicht weiter und geht unter Umständen zurück. Ver- gleichen wir diese Tatsachen mit der Annahme Schmiedebergs, !) Froehlich und Grossmann, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 82, 177. 1918. 70 ©. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontraetur daß es sich bei der diastolischen Wirkung von Digitaliskörpern auf das Epikard des intakten Froschherzens um einen Hemmungsprozeß handelt, so können wir feststellen, daß unsere diesbezüglichen Versuche eine Stütze dieser Schmiedebergschen Annahme wohl abgeben könn- ten, nur mit dem Unterschiede, daß wir das Hemmungszentrum in das Oberherz verlegen müssen, während Schmiedeberg und sein Schüler Wybauw einen ventrikulären Hemmungsapparat annehmen. Der von uns geführte Nachweis, daß ein der Strophanthincontractur des Ven- trikels entgegenwirkendes Hemmungszentrum im Oberherzen zu suchen sei, ermöglicht indes auch die Vorstellung, daß bei Einwirkung der Digitalislösungen durch Eintauchen des Herzens in dieselben dieses Hemmungszentrum im Oberherzen von der Giftlösung umspült und erregt wird und dadurch die Ventrikeldiastole herbeiführt. Wirken die Digitaliskörper aber von innen auf die Kammer, wie beim Willia mschen, übrigens auch beim Straubschen Herzen, so erreichen sie das Oberherz nur auf dem Wege der Diffusion in einer wahrscheinlich schwächeren Konzentration, als bei der Applikation von außen und dürften daher auch auf das Hemmungszentrum in geringerem Maße einwirken, als auf die Ventrikelmuskulatur, weshalb die Kammer in Systole übergeht. Die Tatsache, daß stark verdünnte Strophanthinlösungen auch vom Innern des Herzens aus (Gottlieb!) zur Diastole führen, könnte durch die Annahme verständlich werden, daß der Hemmungsapparat des Oberherzens auf Strophanthin leichter, oder auf viel stärkere Giftver- dünnungen anspricht, als die Ventrikelmuskulatur. d) Die Beziehungen des Reizleitungssystems zum Hem- mungsmechanismus der Ventrikelcontractur. Das Verhältnis zwischen dem von uns im Oberherzen angenommenen Hemmungszentrum und .dem Reizleitungssystem geht aus den unter b) und c) angeführten Versuchen deutlich hervor. In dem einen geht mit der Aufhebung der Reizleitung die Ausbildung der Contractur, in dem anderen umgekehrt mit der Verbesserung der Leitung die Unterdrückung der systolischen Einstellung Hand in Hand. Man darf daher wohl mit Recht vermuten, daß die Bahnen der Bewegungsreize mit denen der Hemmung in irgendeinem anatomischen Zusammenhange stehen müssen. Reizleitungssystem und intrakardialer Hemmungsmechanis- mus wurden schon früher von Heidenhain zur Erklärung des Stan- nius lin der Weise miteinander in Verbindung gebracht, daß der durch diesen bedingte Stillstand die Folge einer Dauererregung von Hemmungs- apparaten sein sollte, welche das Einsetzen der Ventrikelautomatie unterdrücke. Erst die Aufhebung dieses Hemmungsapparates durch 1) R. Gottlieb, Über die Aufnahme der Digitalissubstanzen in die Ge- webe. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 82, 1. 1918. der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 71 die II. Stanniusligatur an der Atrioventrikulargrenze erwecke die Auto- matie. Wenn auch zweifellos der Ventrikelstillstand nach Stannius I im Sinne vonGaskell, Engelmann, Hofmann, Hering und anderen teilweise als die Folge des Wegfalls der Reizerzeugung im Sinus zu deuten ist, so bleibt bisher das Auftreten der ventrikulären Automatie nach der Abschnürung in der A.-V.-Furche ungeklärt, und die Beobach- tungen Seemanns!) über das Elektrokardiogramm bei den Stannius- ligaturen machen es in der Tat wahrscheinlich, daß neben dem erwähn- ten Ausfall der Sinusreize noch eine im Vorhof oder im Bereiche der A.-V.-Furche gelegene Hemmungseinrichtung vorhanden sein müsse, welche der Ventrikelautomatie entgegenwirke. Unsere oben angeführten Versuche erbringen auf einem anderen Wege den Beweis, daß Reiz- leitungssystem und ein im Oberherzen, oder in der A.-V.-Furche ge- xxx xx x Abb. 8. Dieselbe Schnittführung, wie Abb. 5. Oben linke coordinierte, unten rechte auto- matische Kammerhälfte. Bei x 1,5ccm 0,1-proz. Strophanthins zu 85 ccm Ringerlösung. Die rechte Kammerseite (unten) zeigt das gewöhnliche Verhalten. Bei x x setzt der Sinus aus, ohne daß es jedoch zu Contractur käme; bei xxx setzt Automatie ein und zugleich mit dieser Contractur der linken Ventrikelhälfte. legener Hemmungsmechanismus, welcher mit der ventrikulären Auto- matie auch die Ausbildung einer systolischen Strophanthincontractur zu unterdrücken vermag, miteinander in Zusammenhang stehen müssen. In ähnlicher Weise, wie die bei der ersten Stanniusligatur hervorge- rufene Erregung des vermuteten Hemmungsmechanismus nicht in das Reizerzeugungszentrum verlegt werden kann, schien es uns wahrschein- lich, daß das Zentrum der Contracturhemmung für den Ventrikel mit jenem, welches die Reizimpulse im’ Sinus beherrscht, nicht identisch ist, zumal wir aus Versuchen von Fröhlich und Pick?) sowie von Amsler und Fröhlich?) wissen, daß eine Anregung der Reizerzeugung stets mit einer Förderung der Kammercontractur einhergeht. Für die Rich- tigkeit obiger Vermutung ließ sich der Beweis im folgenden Versuch er- bringen (Abb. 8). Tritt nämlich im Verlaufe der Strophanthinvergiftung !) Seemann, Über das Elektrokardiogramm bei den Stanniusligaturen. Zeitschr. f. Biol. 5%, 445. S ®?) Fröhlich und Pick, Über Contractur des Froschherzens. Zentralbl. f. Physiol. 33, 225. ®2) Amsler und Fröhlich, Bioelektrische Untersuchungen am isolierten Froschherzen. Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. (im Druck). 12 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontractur eine Herabsetzung der Reizerzeugung im Sinus ein, so daß es zur Ver- minderung der chronotropen und inotropen Herzaktion oder zu vorüber- gehenden Stillständen der Kammer kommt, so bleibt dennoch, trotz der Abschwächung der Reizerzeugung, der fragliche Hemmungs- mechanismus ungestört und es entwickelt sich keine Strophanthin- contractur des Ventrikels. Erst wenn im weiteren Verlauf des Versuches die Ventrikelautomatie infolge der atrioventrikulären Blockierung durch Strophanthin erwacht, setzt zugleich mit dieser auch die contractu- rierende Strophanthinwirkung ein. Daraus folgt, daß das von uns an- genommene Hemmungszentrum für die Ventrikelcontraetur nicht mit dem Reizerzeugungszentrum im Sinus identisch sein kann. e) Bestehen Beziehungen der Contracturhemmung zum Herzvagus? In Versuchen, welche darauf gerichtet waren, festzustellen, ob der contracturhemmende Einfluß des Oberherzens eine Funktion des Herz- vagus sei, hat sich ergeben, daß auch nach Ausschaltung des Vagus mit Atropin der Mechanismus der Contraeturhemmung unverändert be- stehen bleibt!). Daraus folgt, daß der vagale Hemmungsapparat und die der Contractur des Ventrikels entgegenwirkende Funktion des Ober- herzens nicht identisch sind. Die Bedeutung des peripheren vagalen Hemmungsapparates für den Ablauf der Herzbewegungen unter der Digitaliswirkung ist an sich , ganz besonders beim Warmblüter, sehr gering, womit die Tatsache übereinstimmt, daß die Verstärkung der Diastole durch Digitaliskörper, wie Schmiedeberg und Böhm her- vorheben, nach Atropinisierung unverändert bleibt. Dagegen wird man von jetzt ab gezwungen, dem im Öberherzen gelegenen hemmenden Apparat wenigstens für den Ablauf der Herzbewegungen am mit Digi- talis vergifteten Kaltblüterherzen einen viel größeren Einfluß einzu- räumen. Daß aber für die rhythmische Herztätigkeit überhaupt der- artige, vom Oberherzen ausgehende, vom Vagus unabhängige Hemmungs- impulse wesentlich sind, machen auch die Seemannschen Versuche über das Elektrokardiogramm am Stanniusherzen, welche durch unsere Beobachtungen gestützt werden, wahrscheinlich. Während die Ausschaltung des vagalen Hemmungsapparates durch Atropin die contracturhemmende Wirkung des Oberherzens auf den mit Strophanthin vergifteten Ventrikel nicht zu beeinflussen imstande ist, 1) In unserer vorläufigen Mitteilung äußerten wir die Ansicht, daß der Hem- mungsapparat vagaler Natur sei, weil Atropin die Ausbildung einer Strophanthin- contractur im linken, systematisch schlagenden Ventrikelteil zu begünstigen schien. Weitere diesbezügliche Versuche konnten aber diese Ansicht nicht bestätigen, ebenso wie auch die Verstärkung der Strophanthinhemmung durch Muscarin nicht mehr als eine durch Vaguserregung erzeugte angesehen werden kann (siehe weiter unten). nen der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 713 kann man mit vaguserregenden Mitteln, insbesondere mit Muscarin und Physostigmin, diesen Hemmungsmechanismus scheinbar 'verstär- ken. Daß es sich jedoch auch hier nicht um einen vagalen Prozeß handelt, wird dadurch bewiesen, daß zwar die negativ ino- und chronotrope Mus- carinwirkung durch Atropin glatt beseitigt werden kann, nicht aber die hemmende Wirkung dieses Mittels auf die Strophanthincontrac- tur. Daß die Contracturhemmung durch Muscarin und Physostigmin in der Tat nicht am Oberherzen angreift, sondern völlig anderer Natur ist, geht deutlich daraus hervor, daß sie auch an der vom Oberherzen getrennten, rechten Kammerhälfte in Erscheinung tritt. Wir haben es somit hier mit einer Hemmung zu tun, die nur am Ventrikel angreift und weder mit dem vagalen Endapparate, noch mit unserem Hemmungs- zentrum im Oberherzen irgend etwas gemein hat, sondern vielmehr auf Abb. 9. Schnittführung, wie bei Abb. 5. 15° vor dem x Zusatz von Physostigmin; bei x Zusatz von Img Strophanthin. physikalisch-chemische Prozesse an der Oberfläche der Ventrikelwand zu beziehen ist, wie sie von Fröhlich und Pick!) kürzlich an dem mit Physostigmin vergifteten Herzen studiert worden sind (Abb. 8). f) Einfluß von Giften, welche die Reizerzeugung steigern, auf die Contracturhemmuns. Untersuchungen von Fröhlich und Pick sowie von Amsler und Fröhlich haben gezeigt, daß Mittel, welche anregend auf die Reiz- erzeugung wirken, wie z. B. Adrenalin und Coffein oder wie die Dehnung des Herzens, den in Contracturbereitschaft stehenden Ventrikel in maximale Contractur versetzen können. Die Contracturbereitschaft läßt sich durch unterschwellige Dosen von Contracturmitteln, wie CaC],, BaCl,, NH,, Strophanthin, Sapotoxin, Optochin, Chloral, durch hypertonische Kochsalzlösung und endlich nach Pietr- kowsky?) auch durch Vorhofdehnung erzeugen. Wir haben daher 1) Fröhlich und Pick, Über Veränderung der Wirkung von Herzgiften durch Physostigmin. Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 11, 89. 1920. ?) Pietrkowsky, Einfluß experimenteller Vorhofsdehnung auf den Tonus der Ventrikelmuskulatur. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 81, 35. } 74 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontractur zu ermitteln gesucht, ob Gifte, welche die Reizerzeugung steigern, durch Vermehrung der Contracturreizee die Hemmung der Stro- phanthincontractur aufzuheben imstande sind. Die Versuche wurden ausgeführt mit Adrenalin, Ephedrin und BaCl,, Mittel, welche in vorzüglicher Weise befähigt sind, die Reizbildung anzu- regen (siehe Abb. 10). Die angeführte Kurve zeigt, daß nun- mehr Strophanthin auch die linke, mit dem Oberherzen in Verbin- dung gebliebene Ventrikelhälfte in kräftige Contractur zu ver- setzen vermag, so daß jetzt zwischen der linken und rechten Kammer- hälfte bezüglich der Strophanthincontraetur kein Unterschied mehr vorhanden ist. Es gelingt demnach durch Mittel, welche die Reiz- erzeugung vermehren und hierdurch auch die Contracturzentren stär- ker erregen, den Einfluß des Hemmungszentrums im Oberherzen auszu- schalten und den zwischen Contractur- und Erschlaffungszentrum be- N NINSUHNNDN A Ä ı\ AUT Il Abb. 10. Dieselbe Schnittführung wie bei Abb. 5. Bei x 1ccm Adrenalin, bei xx img Strophanthin. stehenden Gleichgewichtszustand zugunsten der Contractur zu ver- schieben. Dasselbe wird naturgemäß erreicht, wenn die Contractur- zentren oder die Ventrikelmuskulatur direkt durch hohe Dosen der obenerwähnten Contracturmittel, speziell des Strophanthins selbst, mächtig erregt werden. Dann ist das Oberherz nicht mehr imstande, der Ventrikelcontractur entgegenzuwirken. | 3. Wie werden linke und rechte Kammerhälfte von Strophanthin be- einflußt, wenn die rechte mit Sinus und Vorhöfen verbunden bleibt, während die linke davon getrennt wurde? Trennt man beide Ventrikelhälften sagittalin der Weise, daß man den Schnitt bis zur AV-Furche führt und dann in letzterer horizontal nach links fortsetzt, so wird umgekehrt, wie oben, jetzt die linke Kammerhälfte vom Oberherzen abgetrennt, also in automatische Rhyth- | mik versetzt, während die rechte Kammerseite nunmehr mit dem Ober- | herzen in Verbindung bleibt und infolgedessen koordiniert (systematisch) pulsiert, d. h. in der Reihenfolge Sinus, Vorhöfe, Kammerhälfte (siehe der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. 1D Abb.11). Läßt man nun auf diese so gewonnenen Herzpräparate Stro- phanthin einwirken, indem man sie in ein und dieselbe Giftlösung ein- taucht, so tritt jetzt die Strophanthincontracturinderlinken Kammerhälfte ein. Die rechte Hälfte aber, welche im automatischen Zustand einer kräftigen Strophanthincontractur zuneigte, läßt jetzt eine solche vermissen, indem sie, wenn sie auch nicht gerade in völlig diastolischen Stillstand über- geht, sich nur geringfügig kontrahiert und höchstens in Mittellage übergeht (Abb. 12). Welches ist nun der Grund dieses umgekehrten Verhaltens beider Herzhälften? Die Ursache, daß sich jetzt die linke, vom Oberherzen getrennte Ven- trikelhälfte bei Strophanthineinwirkung kontra- hiert, liegt nach unseren bisherigen Auseinander- setzungen nur in der Tatsache ihrer Loslösung von den Vorhöfen, infolge deren die Hemmung des Oberherzens diesen Ventrikelteil nicht mehr zu beeinflussen vermag. Umgekehrt bleibt die rechte Kammerhälfte, die nunmehr infolge ihrer Verbindung mit den Vorhöfen unter deren hem- menden Einfluß steht, in der Contracturneigung een nun Abb. 11. Schema der Schnittführung zur Iso- lierung derlinken Kam- merhälfte von den Vor- höfen; derrechte Kam- meranteil bleibt mit dem Oberherzen verbunden. ---- Schnittführung Reizleitung Irechter Vorhof IIlinker Vorhof III rechte Kammerhälite IVlinke Kammerhältte. im Gegensatz zu ihrem automatischen Zustande deutlich zurück. Wenn sie nicht in gänzliche Diastole verfällt, so ist der Grund hierfür wohl nur darin zu suchen, daß die Hemmungsbahnen IINRINITITTIN ll]! SS u A U MN) I I h Ju LUUNDIHNN \ Jh ——— bo Abb. 12. Oben linke automatische, unten rechte coordinierte Ventrikelhälfte. Bei x 1,5 ccm. 0,1 proz. Strophanthin zu 85 cem Ringerlösung. Links (oben) setzt sogleich Contractur ein, rechts (unten) dagegen bildet sich erst allmählich Einstellung in Mittellage aus. Der Schnitt verläuft zwischen beiden Ventrikelhälften von der Spitze zur Basis und von hier in der A.V.- : Furche nach links. ähnlich wie die Bahnen für die Bewegungsimpulse, wie dies noch später des näheren auseinander gesetzt werden soll, hauptsächlich auf der linken Seite des Ventrikels verlaufen. Die Folge davon ist, daß die rechte Ventrikelhälfte in bezug auf die Contracturwirkung des Stro- 76 C. Amsler und E. P. Pick: Über die Strophanthincontraetur phanthins der Hemmung des Oberherzens in geringerem Grade ausge- setzt ist. Am Säugerherzen haben, wie schon eingangs erwähnt, Open- chowsky, sein Schüler Schatiloff und Bayet das entgegengesetzte Verhalten beider Ventrikelhälften angenommen, indem das rechte von Digitalis nicht beeinflußt werden sollte, während das linke die Digitalis- wirkungen aufweise. Es ist naheliegend, das während der Strophanthin- vergiftung häufig zu beobachtende Phänomen der Hemisystolie in seiner Ursache auf diese Verhältnisse und nicht etwa auf eine Ver- schiedenheit der Muskulatur an sich zurückzuführen. Dabei ist außer- dem zu berücksichtigen, daß im Verlaufe der Strophanthinvergiftung am ganzen Herzen die sich entwickelnde Reizleitungserschwerung, welche sogar eine völlige Blockierung zu erzeugen vermag, die beiden Ven- trikelhälften ganz verschieden beeinflussen kann. Je nachdem die Reizleitung, mit der offenbar die Hemmungsleitung für die Strophanthin- contractur wenigstens anatomisch identisch ist, für die rechte oder linke Ventrikelhälfte stärker oder schwächer geschädigt ist, wird diese oder jene früher oder später der Ventrikelautomatie verfallen und damit, funktionell losgelöst von dem hemmenden Einfluß des Oberherzens, bald rascher, bald langsamer der Contractur zuneigen. Es ist klar, daß in einem solchen Stadium der Vergiftung nicht allein das Entstehen der Hemisystolie bei einseitig ausgebildeter Ventrikelecontractur, sondern auch das Einsetzen einer völlig unkoordinierten Ventrikeltätigkeit, wie z. B. Wühlen und Wogen, oder Herzperistaltik durch den ungleichmäßigen Ausfall der Reiz- und Hemmungsleitung gefördert, wenn nicht geradezu verursacht werden kann. Wir wollen nicht unterlassen, noch zu bemerken, daß Fälle vor- kommen können, in denen auch die rechte Ventrikelhälfte, im Zusammen- hang mit dem Oberherzen, ebenso stark am Übergang in @ontractur verhindert wird, wie die linke, koordiniert pulsierende, was stets darauf beruht, daß infolge der Schnittführung etwas linksseitiges Ventrikel- gewebe rechts haften geblieben ist, so daß das Oberherz mittels dieser linksseitigen Ventrikelreste die Hemmungsimpulse ungeschwächt der rechten Kammerhälfte zusenden kann. 4. Bemerkungen über den Verlauf der Reizleitung beim Froschherzen. Durch die Untersuchung von Mangold und seinen Mitarbeitern Laurens!) und Nakano?), sowie durch jene von Haberlandt (1. c.), sind wir über den Verlauf der atrioventrikulären Erregungsleitung am Amphibienherzen insofern unterrichtet, als wir wissen, daß die von 1) Laurens, Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Reptilienherzen. und ihre Störungen. Diese Zeitschr. 150, 139. 2) Nakano, Zur vergleichenden Physiologie des Hisschen Bündels. Diese Zeitschr. 154, 373. i der getrennten Kammerhälften des Kaltblüterherzens. zer den Vorhöfen zum Ventrikel gelangenden Bewegungsimpulse nicht etwa in einem geschlossenen Bündel, sondern in zerstreuten, trichterförmig von den Vorhofwänden der Ventrikelbasis zustrebenden Fasern geleitet werden. Eine gewisse funktionelle Differenzierung dieser Fasern konnte Nakano insofern feststellen, als er in Durchschneidungsversuchen zeigte, daß hauptsächlich die dorsalen und lateralen Partien der Atrio- ventrikularverbindung für die Erregungsleitung maßgebend sind, wie auch Laurens für das Eidechsen- und Schildkrötenherz namentlich die linksseitigen Fasern für die Koordination als die wichtigsten hält. Bei unseren Durchschneidungsversuchen am Esculentenherzen fiel uns auf, daß man in der AV.-Furche von rechts her fast bis in die Mitte ‘der Kammer einschneiden kann, ohne daß die rechte Kammerhälfte dadurch ihre rhythmische Funktion einstellte und in automatischen Gang überginge. Sobald man aber den Schnitt nur um ein geringes nach links weiterführt, büßt die rechte Kammerhälfte ihren koordinier- ten Rhythmus ein und gehtin Automatie über. Es ist daher augenschein- lich, daß bei Rana esculenta die Leitung der Bewegungsreize vom rech- ten Vorhof auf die rechte Kammerhälfte nicht durch die rechts-lateralen Partien des Atrioventrikulartrichters erfolgt, sondern nur durch die- jenigen, die der linken Hälfte der AV-Furche anliegen. Somit sind, ähnlich wie beim Schildkrötenherzen, auch hier die linksgelegenen Anteile des Leitungstrichters auch für die Koordination der rechten Kammerhälfte die wichtigsten. Dadurch wird es auch verständlich, daß, trotzdem ja der Sinus dem rechten Vorhof anliegt, die linke Seite des Ventrikels koordiniert pulsiert, wenn sie mit dem Öberherzen in Verbindung geblieben ist, obwohl sie durch den von der Herzspitze aus sagittal geführten Schnitt von der rechten Kammerhälfte gänzlich ab- getrennt wurde. Die Bewegungsimpulse gelangen also mit Umgehung der rechten Ventrikelseite zur linken Kammerhälfte. Auch die Koordi- nation der rechten Seite des Ventrikels bleibt trotz weitgehender Tren- nung von der linken bestehen. Erst dann, wenn der sagittal zwischen beiden Hälften geführte Schnitt sich der Kammerbasis nähert, hört der Sinusrthythmus der rechten Hälfte auf und macht der Automatie Platz, obwohl der Zusammenhang der rechten Seite mit dem rechten Vorhof intakt geblieben ist. Daraus folgt, daß jenes Bündel, welches den rech- ten Teil der Kammer versorgt, sich schon frühzeitig, also entweder in der Ebene der A.V-Furche, oder unmittelbar darunter, von demjenigen abspaltet, welches die Bewegungsimpulse der linken Kammerseite zuführt (s. Abb. 4u.11). Es liegt somit schon hier die Differenzierung — Gabelung der Reizleitungsbahnen — vor, welche in der Wirbeltierreihe fortschreitend zum Gebilde des Hisschen Bündels führt (s. Schema). Auch hier ist, wie beim fertig entwickelten Hisschen Bündel, der linke Schenkel, wenigstens funktionell, dem rechten überlegen.. 78 €. Amsleru.E.P.Pick: Strophanthincontractur d. getrennt. Kammerhälften usw. 5. Sehlußsätze. 1. Dorsale und ventrale Herzhälfte weisen denselben koordinierten Rhythmus auf und gehen bei Strophanthineinwirkung gleichmäßig in Contractur über. 2. Linke und rechte, vom Oberherzen abgetrennte Kammerhälften, die automatisch schlagen, weisen bei Strophanthinvergiftung in gleicher Weise systolische Einstellung auf. 3. Bleibt die eine Kammerhälfte mit dem Oberherzen in Verbin- dung, während die andere davon getrennt wird, so weist bei Strophan- thinbehandlung nur die letztere Contractur auf, während die erstere am Übergang in Contractur teilweise oder ganz gehemmt wird. 4. Die Ursache der Contracturhemmung der mit den Vorhöfen in Verbindung gebliebenen Kammerseite wird durch die Annahme eines spezifischen, außerhalb des Reizerzeugungszentrums im Sinus lokali- sierten Hemmungszentrums für die Ventrikelcontraetur erklärt. Die von diesem Zentrum ausgehenden Bahnen scheinen mit denen der Be- wegungsreize zu verlaufen, da eine Schädigung dieser auch eine Auf- hebung der Hemmung zur Folge hat. 5. Die Contracturhemmung ist vom Vagus unabhängig. 6. Gifte, wie Adrenalin, Ephedrin, Bariumchlorid, welche die Reiz- erzeugung anregen, oder die, wie Campher, die Reizleitung erleichtern, wirken dem Hemmungsmechanismus für die Ventrikelcontraetur ent- gegen. Ebenso wirken große Strophanthindosen. 7. Auch die von den Vorhöfen getrennten, automatisch schlagenden Ventrikelhälften können vor der Strophanthincontractur durch Musca- rin- und Physostigminvorbehandlung geschützt werden. Diese Hem- mung der Strophanthincontractur beruht auf einem anderen Mechanis- mus als die Hemmung durch das Vorhofzentrum; sie ist nicht vagal und hat ihren Grund in einer örtlichen Beeinflussung des Muskelgewebes durch die genannten Gifte. 8. Die Reizleitungsbahnen im Herzen von Rana esculenta sind be- reits differenziert und zeigen eine Gabelung, welche als Vorläufer des Hisschen Bündels angesehen werden kann. Der linke Schenkel dieser Reizleitung ist stärker als der rechte. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Wien.) Über Änderung der Adrenalinwirkung nach Erregung der vagalen Endapparate. Von Richard Kolm und Ernst P. Pick. (Ausgeführt mit Unterstützung der Fürst-Liechtenstein-Spende.) Mit 10 Textabbildungen. (Eingegangen am 1. Mai 1920.) Die doppelte nervöse Versorgung aller Organe mit fördernden und hemmenden Nerven deutet darauf hin, daß für den ungestörten Verlauf der Lebenstätigkeit ein Gleichgewichtszustand der beiden entgegenge- setzt wirkenden Nervenimpulse nötig ist. Diese doppelte Innervation, die mit wenigen Ausnahmen als sym- pathisch und parasympathisch aufzufassen ist, ermöglicht es, im Er- folgsorgan eine bestimmte pharmakologische Wirkung einerseits durch Erregung oder Lähmung des Fördernerven andererseits des Hemmungs- nerven hervorzurufen. Zahlreiche Erfahrungen haben gelehrt, daß dem von Sherrington!) für die willkürliche Muskulatur nachgewiesenen Hemmungsreflex zwischen Agonisten und Antagonisten eine allge- meine Bedeutung auch für die unwillkürlich innervierten Organe zu- kommt, indem die Erregung des einen Systems mit einer Tonusminde- rung im anderen — gegensätzlich wirkenden — verbunden ist; dadurch verlieren die beiden entgegengesetzt wirkenden Nervensysteme gewisser- maßen ihre selbständige Bedeutung als Antagonisten und werden in ihrer Wirkung so sehr voneinander abhängig, daß funktionell die Doppel- innervation vielfach in eine einheitliche, zweckentsprechende übergeht. So hat H. H. Meyer?) für die Wärmeregulierung das Vorhandensein zweier die Körpertemperatur entgegengesetzt beeinflussender Zentren postuliert, des sympathischen Wärmzentrums und des vagalen Kühl- zentrums, welche einander in dem erörterten Sinne beeinflussen. Ähnliche Anschauungen über funktionelles Zusammenwirken antago- nistischer Innervationssysteme lassen sich auch für die Herzrhythmik entwickeln [H. H. Meyer?)]. !) Sherrington, Proc. royal soc. 36, 285 und Journ. of physiol. 36, 185. 2) Meyer, Referat. 30. Kongr. f. inn. Med. 1913. ®2) H. H. Meyer, Wiener med. Wochenschr. 1920, Nr. 1. 80 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung Die Abhängigkeit der pharmakodynamischen Wirkung von dem jeweiligen Erregungszustand des Erfolgsorganes ist seit langem bekannt und das klassische Beispiel hierfür liefert das verschiedentliche Ver- halten des Darmes dem Atropin gegenüber: Der durch Vagusmittel erregte Darm wird durch Atropin beruhigt, während der atonische Darm eine Tonuszunahme erfährt [Magnus!)]. Wenn auch das Atropin als wesentlich parasympathisches Gift anzusehen ist, so ist auch hier die Möglichkeit gegeben, wie schon Me yer?) anführt, daß mit der direkten Erregung der vagalen Endapparate eine Dämpfung der hemmenden ‘ sympathischen Nervenelemente verbunden ist. Es lag die Frage nahe, ob sich derartige Beziehungen zwischen den beiden antagonistisch wirken- den Nervensystemen experimentell erweisen lassen und ob im spe- ziellen Falle mit der Erregung des Vagus eine Erregbarkeitsminderung des Sympathicus verbunden sei. Unsere diesbezüglichen Hauptversuche wurden einerseits mit Acetylcholin, welches zu den wirksamsten vaga- len Erregungsmitteln gehört, andererseitsmit Adrenalin, demtypischen Sympathicusreizmittel, angestellt; sie erstreckten sich auf die Beein- flussung der Herztätigkeit, des Gefäßgebietes und des Magen- Darmtraktes. A. Herzversuche. Die Einwirkung des Adrenalins auf das Herz wird auf Grund der Untersuchungen von Oliver und Schäfer und insbesondere von Gott- lieb?) als eine Folge der Erregung teils muskulär, teils nervöser moto- rischer Apparate des Ventrikels aufgefaßt, welche sich im allgemeinen als Steigerung der Chronotropie und Inotropie äußert. Schon in der älteren Literatur finden sich vereinzelte Angaben über Beobachtungen entgegengesetzter Wirkungen, so z. B. über Pulsverlangsamungen im Beginn der Adrenalinwirkung, welche auf die Erregung des Vagus- zentrums zurückgeführt wird, da sie nach Vagusdurchschneidung und Atropinisierung ausbleibt [Oliver und Schäfer®), Cybulski und Szymonowiczd)l. Neujean®) hatte beobachtet, daß Adrenalin bei durchschnittenen Vagis eine der Tachykardie vorausgehende Pulsver- langsamung erzeuge, welche er auf eine Erregung der intrakardialen Vagusendigungen zurückführte. 1) Magnus, Diese Zeitschr. 108, 1. 1905; s. auch Magnus, Pharmako- therapie im Lehrbuch der Therapie innerer Krankheiten, herausgeg. v. Krause und Garre. I. Bd. Fischer, Jena 1911, S. 139. 2) Meyer- Gottlieb, Die experimentelle Pharmakologie. Urban u. Schwar- zenberg, Wien-Berlin 1920. 4. Aufl., S. 211. 3) Gottlieb, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 38, 99. 1896 u. 43, 286. 1899. *) Oliver und Schäfer, Journ. of physiol. 18, 277. 1895; Proc. physiol. soc. 16 u. 1%. 1894. | 5) Szymonowicz, Diese Zeitschr. 64, 97. 1896. 6) Neujean, Arch. internat. de pharmacodyn. et de therap. 13, 45. 1904. nach Erregung der vagalen Endapparate. 81 Auch später wurden Beobachtungen gemacht, welche dafür sprechen, daß das Adrenalin unter gewissen Bedingungen durch direkte Wirkung auf die peripheren Herzapparate die Herztätigkeit beeinträchtige. Ganz besonders deutlich wird diese ungünstige Beeinflussung der Herz- tätigkeit durch Adrenalinapplikation, wenn ihr irgendeine Erregung des Vagus vorausgegangen ist. So beobachteten Kahnt), Goodman Levy?2), Nobel und Rothberger?) bei leichter Chloroformnarkose oder Chloralhydratwirkung, die mit einer Vaguserregung einhergehen, schwerste Störungen der Herzrhythmik, Bradykardie oder auch ven- trikuläre Tachykardie, die zum tödlichen Kammerflimmern führt. Nach Vagotomie oder Atropinisierung blieb die Adrenalinarhythmie aus oder konnte nur mit großen Adrenalindosen ausgelöst werden, Goodman Levy erzielte dieselben Wirkungen auch nach Zerstörung der zentralen Nervenapparate. Eine befriedigende Erklärung dieser Erscheinung konnte bis jetzt nicht gegeben werden. Nur die Tatsache steht fest, daß eine Erregbarkeitsänderung der ventrikulären Zentren nicht besteht, daß hingegen eine Steigerung des Vagustonus durch Chloroform und Chloralhydrat die chronotrope Wirkung der Accelerans- reizung beeinträchtigt [Nobel®%)]. Diese Tatsachen weisen dahin, daß unter dem Einflusse vagaler Reize die sympathicotropen Mittel auf das Herz ganz anders einwirken, als wenn sie unter normalem Vagustonus die Sympathicusendigungen allein erregen ; im Sinne unserer einleitenden Bemerkungen geht aus den eben angeführten Beobachtungen bei der Chloroformnarkose hervor, daß unter starker vagaler Erregung der Sympathicustonus bedeutend herabgesetzt ist, und es lag für uns die Frage vor, ob nicht unter der- artigen Bedingungen am Herzen an Stelle der Erregung der sympathi- schen-Nervenendigungen sogar eine Erregung der vagalen einsetze, die normalerweise durch das Überwiegen der Sympathicuserregung voll- ständig verdeckt wird. Wir untersuchten demnach, ob das Adrenalin an Herzen, die durch Acetylcholin in eine kräftige vagale Erregung versetzt worden sind, invers wirke, indem es die diastolische Acetyl- cholinwirkung verstärke, beziehungsweise statt der normalen posi- ‚tiven Inotropie einen diastolischen Stillstand erzeuge, der durch Atropin aufhebbar ist. Die pharmakologische Analyse der Acetylcholinwirkung wurde in den letzten Jahren in erschöpfender Weise von Dale) durchgeführt, aus dessen Untersuchungen hervorgeht, daß dieser Cholinester von 1) Kahn, Diese Zeitschr. 129, 379. 1909. 2) Levy, Heart 4, 319. 1912—13. 3) Nobel und Rothberger, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 3, 151. 1914. 4) Nobel, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 9, 400. 1919. 5) Dale, Journ..of pharmacol and exp. therapeut. 6, 147. 1914/15. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 6 82 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung allen bekannten Cholinverbindungen bei weitem der‘ wirksamste ist, da bereits Konzentrationen von 1:100 Millionen einen diastolischen Stillstand am isolierten Froschherzen zu erzeugen vermögen [siehe auch Fühner!)]. Wir arbeiteten mit dem krystallisierten salzsauren Salz (Kahlbaum), von welchem stets frische Lösungen bereitet wurden, da bekanntlich die Wirksamkeit infolge Zersetzung in der alkalischen Ringerlösung sehr rasch zurückgeht; aber auch im festen Zustande ändert sich das Präparat: infolge seiner großen Zerfließlich- keit trotz Aufbewahrung in zugeschmolzenen Glasröhren, so daß die in verschiedenen Zeiträumen verwendeten Acetylcholindosen nicht gut miteinander verglichen werden können, eine Erfahrung, die auch andere Autoren, wie z. B. Reid Hunt?2), gemacht haben. Als Adrenalinpräparate kamen zur Verwendung das Adrenalin von Parke, Davis & Co., das synthetische Links- und Rechtssuprarenin Höchst und das Tonogen Richter; außerdem untersuchten wir in einzelnen Fällen das dem Institut von den Höchster Farbwerken in liebens- würdiger Weise zur Verfügung gestellte salzsaure Methylaminoaceto- brenzcatechin, dessen dem Adrenalin analoge Wirkungen durch Loewi und Meyer?), sowie Morita®) nachgewiesen worden sind. Die Versuche wurden nach der Straubschen Methode an isolierten Temporarien- und Esculentenherzen im Frühjahr und Sommer angestellt. An jedem Herzen wurde zunächst jene Konzentration von Acetylcho- lin ermittelt, welche, ohne Stillstand zu erzeugen, eine deutliche Vagus- erregung herbeiführte, die sich hauptsächlich in einer Abnahme der Inotropie äußerte; wie schon vorher erwähnt wurde, schwanken diese Dosen je nach der angewandten Lösung und nach der Empfindlichkeit des Herzens ganz bedeutend, so daß in einzelnen Fällen schon mit Lö- sungen von 1:10 Millionen, in anderen aber erst mit Lösungen von 1:1000 in Ringerscher Flüssigkeit eine negative inotrope Wirkung erzielt werden konnte. Ferner mußte an dem normal schlagenden Her- zen, also noch vor der Erzeugung der Vaguserregung durch Acetyl- cholin auch die Adrenalinwirkung festgestellt werden, da sich in Kon- trollversuchen zeigte, daß große Dosen verschiedener Adrenalin- präparate an sich zuweilen die Inotropie des Froschherzens im negati- ven Sinne beeinflussen; dabei handelt es sich um Adrenalindosen von 0,4—0,5 cem einer lpromill. Lösung ; mit schwächeren Dosen läßt sich das normale Froschherz in diesem Sinne nicht beeinflussen. Die Mengen, welche wir für unsere Versuche verwendeten, lagen unterhalb dieser Grenze und bewegten sich zwischen 0,1 ccm einer Lösung von 1: 100 000 bis 0,2 cem einer Lösung von 1: 1000. 1) Fühner, Biochem. Zeitschr. %%, 408. 1916. ?) Hunt, Amer. journ. of physiol. 45, 197. 1918. 3) Loewi und Meyer, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 53, 213. 1905. 4) Morita, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 78, 245. 1915. nach Erregung der vagalen Endapparate. Nach Auswertung einer völlig unwirk- samen Adrenalindosis an dem Straubschen Herzpräparate wurde nach Erneuerung der Nährflüssigkeit eine wirksame Acetyl- cholinmenge hinzugefügt; nach Einstellung des Herzens auf eine konstant bleibende Inotropie wurde ohne Ringerwechsel die vorher als unwirksam gefundene Adrenalin- menge zugesetzt: meist tritt unmittelbar nach dem Adrenalinzusatz eine dem völli- gen diastolischen Stillstande sich nähernde Abnahme der Herztätigkeit ein, welche in vielen Fällen von einer sehr deutlichen Ab- nahme der Chronotropie begleitet ist; manchmal setzt vor dem diastolischen Stillstand an Stelle der Schädigung der Chronotropie und Inotropie eine solche der Reizleitung ein, welche sich in der Entwicklung einer ventrikulären Automa- tie äußert. Häufig bleibt sehr rasch nach Hinzufügen der Adrenalinlösung das Herz in Diastole stehen, und man gewinnt zu- weilen den Eindruck, als ob- durch den Adrenalinzusatz die bis dahin latente Ace- tyleholinwirkung mit einem Schlage ge- weckt würde und jetzt erst den plötzlich einsetzenden Herzstillstand verursache; viele Herzen sind nämlich gegen Acetyl- cholin scheinbar wenig empfindlich und zeigen selbst auf große Acetylcholindosen keine deutliche Abnahme der Inotropie; in diesen Fällen erzeugt Adrenalinzusatz so- fortigen diastolischen Stillstand [siehe Abb. 15]!). Es zeigt sich dem- nach, daß Herzen, welche unter Vaguserregung durch Acetylcholin stehen, mit Adrenalin nicht etwa, - wie man erwarten sollte, eine Ver- besserung ihrer Tätigkeit erfahren, sei es: in bezug auf Inotropie oder Chronotropie, sondern im Gegen- 1) Alle Kurven sind von rechts nach links zu lesen. © Esculentenherz nach Straub: a) bei A wird 0,1 ccm Acetylcholin 1 prom. zugesetzt: sehr langsam zunehmende negativ inotrope Versuch vom 7. V. 1919. Abb. 1. [op * 001 proz., bei C in bei B Zusatz von 0,2 ccm rechts-Suprarenin in 0 Wirkung, die sich allmählich auf eine gleichbleibende Höhe einstellt; b) Fortsetzung von a): and, während die 0,01 proz. und bei D in 0,1 proz. Lösung: erst in der stärksten Konzentration hemmt Adrenalin die Herztätigkeit und führt zum Ventrikelstills nach Vorhöfe noch arbeiten; nach kurzer Zeit kommt es zur völlig vom Vorhofe dissoziierten Ventrikelaktion und Gruppenbildung; c) Fortsetzung von b): 83 wiederholtem Ringerwechsel beginnt wieder gute rhythmische Herzpulsation; bei E wird zur Kontrolle 0,2 ccm, bei 7 0,5 ccm rechts-Suprarenin in der früher die Herzaktion bleibt nunmehr ungeschädigt. Konzentration zugesetzt: wirksamen 0,1 proz. 84 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung teil durch an sich unschädliche Dosen von Adrenalin in den beiden genannten Herzqualitäten ungünstig beeinflußt werden. Die- sen Zustand schwer geschädigter oder völlig aufgehobener Herztätigkeit vermag Atropin so günstig zu beeinflussen, daß nach kurzer Zeit das Herz wieder normal schlägt (siehe Abb. 3—5). Die Empfind- lichkeit der Herzen gegenüber diesem Synergismus von Adrenalin und Acetyl- cholin ist individuell verschieden, wechselt mit den angewendeten Mengen und ist außerdem abhängig von dem gegenseiti- gen Dosenverhältnis der beiden Gifte. In jenen Fällen, in denen die Vorbehandlung durch Acetylcholin infolge der Anwen- dung zu kleiner Dosen ungenügend war, war auch Adrenalin in kleinen Dosen un- wirksam, ja sogar imstande, die durch Acetylcholin erzeugte, geringe Abschwä- chung der Inotropie in einzelnen Fällen aufzuheben (siehe Abb. 2). Wird das Froschherz zunächst atropinisiert, so bleibt sowohl die Acetylcholinwirkung als auch die eben beschriebene Adrenalin- wirkung aus, und selbst die großen Adre- nalindosen, die sonst an sich auch ohne Acetylcholinvorbehandlung die Herztätig- keit ungünstig beeinflussen, zeigen keiner- lei Effekt; diese Beobachtung weist da- rauf hin, daß auch in dem letztern Falle der jeweilige Vagustonus für die Adre- nalinwirkung maßgebend ist (s. Abb. 4b). In gleicher Weise wie das Adrenalin Parke - Davis erwiesen sich auch die anderen eingangs erwähnten Adrenalin- präparate wirksam; ein Unterschied zwischen den einzelnen Präparaten war nicht zu beobachten. In einzelnen Fällen untersuchten wir das die sym- pathischen Nervenendigungen erregende Ephedrin; auch mit die- sem Mittel wurde nach Vorbehandlung mit Acetylcholin eine dem negativ inotrope Vaguswir- Vaguswirkung; bei F wird nunmehr die früher (bei keine Veränderung der Herztätigkeit; auch die :10 000 zugefügt: :10 000) jetzt nicht mehr verstärkt, doch bleibt auch die positiv iso- :1 000 000 (bei B) glatt aufheben läßt; auch Zusatz einer Konzentrierteren Adre- trope Adrenalinwirkung aus. : 10 000) bei C bewirkt keine Änderung der Herztätigkeit. Bei RW erfolgt Ringerwechsel und hierauf Zusatz der doppelten Menge Acetylcholin wie vorher (bei D und E je 0,1 ccm einer 0,0001 prom. Lösung): : 10.000) zugefügt: das Herz bleibt in Diastole stehen; bei RW? wiederholter Ringerwechsel: Einsetzen eR Adrenalin (bei I) in der bei 7 wirksamen Menge (0,1 ccm einer Lösung von 1 Wirkung des bei H zugesetzten Acetylcholins in der anfangs benutzten einfachen Dosis (0,1 ccm der 0,0001 prom. Lösung) wird durch das nachfolgende Abb. 2. Versuch vom 9. V. 1919. Temporarienherz nach Straub: Bei A Zusatz von 0,1 ccm Acetylcholinlösung 0,0001 prom.: kung, die sich durch Zusatz von 0,1 ccm einer Adrenalin-lösung 1 normaler Herzpulsation; bei G wird neuerdings 0,1 ccm der Adrenalinlösung 1 nalinlösung (0,1 ccm in einer Verdünnung 1 C) unwirksame Adrenalindose (0,1 der Lösung 1 nach Erregung der vagalen Endapparate. 85 El an Andi 1.1 TEEN j N ei D P € B 4A Abb. 3. Versuch vom 30. IV. 1919. Esculentenherz nach Straub: Bei A Zusatz von 0,1 cem Acetyl- cholin in 1 proz. Lösung: scheinbar keine Änderung der Herztätiskeit; nach 2’ wird 0,1 ccm 1.-Supra- renin in der Verdünnung von 1 : 1000000 (bei B), nach abermals 2’ 0,1 ccm 1.:Suprarenin in der Verdünnung von 1 : 100 000 (bei C; die hier erfolgte Änderung der Abseisse ist durch eine Schreib- hebelverschiebung bedingt) zugesetzt: es erfolgt zunächst ohne inotrope Veränderung eine stark verlangsamte Herzaktion mit Ausbildung von langen diastolischen Pausen (bei P wird das Kymo- eraphion auf 1’ stillgestellt); Atropin (0,2 ccm einer 5prom. Atrop. sulf.-Lösung bei D) erzeugt wieder eine anfangs noch verlangsamte, doch regelmäßige Herzaktion. a sssane13 1 LG li N In il Abb. 4. Versuch vom 2. V. 1919. Temporarienherz nach Straub: a) Bei A 0,1 ccm Acetylcholin 0,0001 prom.: rasches Einsetzen der vagalen inotropen Hemmung; bei B Zusatz von 0,1 ccm Adre- nalin (Parke, Davis u. Co.) 0,0001 prom., bei € 0,1 ccm Adrenalin 0,001 prom., bei D 0,1 ccm Adre- nalin 0,01 prom.; bei E 0,5 ccm Adrenälin 0,01prom.: erst nach letztem Zusatze bedeutende Ver- stärkung der diastolischen Hemmung, rasch folgender diastolischer Herzstillstand und Ausbildung der ventrikulären Automatie; bei P bleibt die Trommel 2 Minuten lang stehen. b) Fortsetzung von a): Bei RW wiederholter Wechsel der Spülflüssigkeit mit folgender Wiederkehr des normalen Herzrhythmus; bei F Zusatz von 0,2 ccm Atropinsulfur 1 prom.; bei @ Zusatz von 0,4 ccm Adrenalin 1prom.: keine Änderung der Inotropie. STINE — _—_—__—__ ! ' MR ! E D C B 4A Abb. 5. Versuch vom 15. V. 1919. Esculentenherz nach Straub: Zusatz von Acetylcholin: bei A 0,1 ccm einer 0,001 proz., bei B 0,1 ccm einer 0,01 proz., bei C einer 0,1 proz. Lösung: erst nach letztem Zusatz beginnende Vaguswirkung; bei D Zusatz von 0,2 ccm Adrenalon 0,001 proz.: Herz bleibt in Diastole stehen; es entwickelt sich ventrikuläre Automatie bei Vorhotstillstand; bei Z wird 0,05 ccm . Atropin. sulfur. 1 proz. zugesetzt: Verstärkung der Inotropie und Einsetzen des normalen Rhythmus. diastolischen Herzstillstand sich nähernde Schwächung der Herzaktion hervorgerufen. Verwendeten wir zur Vorbehandlung an Stelle des Acetylcholins das viel weniger wirksame salzsaure Cholin (Kahlbaum), so ge- !ang es nicht, eine Umkehr der Adrenalinwirkung hervorzurufen (siehe 86 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung Abb. 6); dagegen war Pituglandol, das nach Werschinin!) die peripheren Herzhemmungsapparate kräftig tonisiert, ebenfalls imstande, das Herz für die negative inotrope Adrenalinwirkung überempfindlich zu machen; in gleicher Weise wirkte auch Neurin, während wir AN iv In ya | I! ll INN a PTR NUNRHENIRNN f 1 N N N 1 ! G EF' E D RW C B Abb. 6. Versuch vom 24. V. 1919. Temporariaherz nach Straub: bei 4 0,5 ccm Cholin. hydrochl. (Kahlbaum) in 1 proz. Lösung: keine Änderung der Herztätigkeit; hierauf bei B 0,2 ccm 1.-Suprarenin 0,01 proz. und bei © 0,2 ccm 1.-Suprarenin 0,1 proz.: es erfolgt nur eine leichte Frequenzsteigerung; nach Ringerwechsel bei RW wird bei D 0,1 ccm Acetylcholin in 0,001 proz. Lösung zugesetzt: scheinbar keine Änderung der Herzaktion; bei E Zusatz von 0,2cem 1.-Suprarenin 0,01 proz.: sofortiger Eintritt der Herzschlagverlangsamung ohne Änderung der Inotropie; bei 7 wird 0,2 ccm 1-Supra- renin in 0,1proz. Lösung zugefüst, worauf das Herz diastolisch stillsteht; bei @ Zusatz von 0,1 Atropin sulf. 1proz. und bei m mechanische Reizung des Ventrikels: allmähliches Einsetzen der normalen Herztätigkeit. bei Vorbehandlung mit einem au; Fliegenpilzen gewonnenen mus- earinhaltigen Extrakt mit Adrenalin wohl keine Verstärkung der diastolischen Muscarinwirkung, aber auch keine Verbesserung der Herztätigkeit im Sinne der Inotropie und Chronotropie erzielten; es wäre möglich, daß die Verwendung eines reinen Muscarinpräparates das uns nicht zur Ver- fügung stand, ein der Acetylcholinwirkung völlig entsprechendes Resultat gezeigt hätte [s. Abb. 7)2]. Die angeführten Be- z = Abb. 7. Versuch vom 6. VI. 1919. Esculentenherz nach Straub. obachtungen, die ur Bei A und B Zusatz von je 0,2 ccm Fliegenpilzextrakt: deut- durch zahlreiche Ver- liche Schädigung der Inotropie und Chronotropie; bei € Zusatz h F hh von 0,2 ccm 1.-Suprarenin 1prom.: es ändert sich die durch eueng en roschherzen Muscarin geschädiste Herzaktion nach keiner Richtung hin. bestätigt gefunden ha- ben, zeigen übereinstimmend, daß bei starker Erregung der vagalen Herz- nervenendapparate durch Acetylcholin und die diesem in ihrer Wirkung nahestehenden Gifte (Muscarin, Neurin, Pituglandol) die Anspruchsfähig- keit dersympathischen Nervenendigungen im Herzen für Pharmaka in be- zug auf die inotropen und chronotropen Leistungen bedeutend herabge- setzt ist. Dabei leidet die Empfänglichkeit für inotrop wirkende Reize mehr als die für chronotrope. Gleichzeitig mit der Erregbarkeitsherab- setzung bzw. Ausschaltung der sympathischen Nervenendigungen scheint II) 1) Werschinin, Diese Zeitschr. 155, 1. 1914. 2) Vgl. diesbezüglich auch Abb. 1 der vorhergehenden Arbeit von C. Amsler und B.P. Pick. ar nach Erregung: der vagalen Endapparate. 87 die vagale Erregbarkeit so sehr gesteigert zu werden, daß nunmehr Adre- nalinwirkungen zutage treten, welche unter physiologischen Verhältnissen vollkommen durch die vorherrschende Sympathicuswirkung verdeckt werden. Denn die in unseren Versuchen auf Adrenalinzusatz einsetzende Abnahme der inotropen und chronotropen Herzqualitäten macht die Annahme wahrscheinlich, daß es sich unter den gegebenen Bedingungen um Erregung der vagalen Endapparate durch Adrenalin handle, zu- mal Atropin die Herztätigkeit wieder zur Norm zurückführt. Überbliekt man diese Versuchsergebnisse, so drängt sich die Analogie mit den von Goodman Levi, sowie von Nobel und Rothberger gemachten Beobachtungen auf, in denen die vagale Übererregbarkeit durch leichte Chloroform- und Chloralhydratnarkose verursacht worden war. Wenn auch diese deletäre, mit Ventrikelfliimmern verbundene Adrenalinwirkung von den genannten Autoren auf eine kombinierte Vagus-Accelerans-Reizung bezogen wird, so muß immerhin auch die Erklärungsmöglichkeit berücksichtigt werden, daß die unter dem Ein- flus:e des gesteigerten Vagustonus herabgeminderte Anspruchsfähigkeit des Accelerans die vagalen Wirkungen des Adrenalins auslöst, welche nunmehr synergistisch mit der vorangegangenen Chloroform- bzw. Chloralhydratvergiftung den Herzstillstand herbeiführen. Diese Deutung fände eine Stützein dem Befunde von Nobel, daß unter Chloroform-Chlo- ralhydratwirkung die elektrische Erregbarkeit des Accelerans abnimmt. Während in der Norm der Tonus der sympathischen Nervenendi- gungen gewissermaßen auf die durch das Adrenalin auslösbaren Reize abgestimmt erscheint und die vagalen Endigungen nur den vorwiegend parasympathisch wirkenden Giften zugänglich sind, verschiebt sich mit dem starken Überwiegen des vagalen Tonus das Gleichgewicht, so daß der sympathische Nervenendapparat nunmehr selbst auf scheinbar spezifisch sympathische Gifte nur schwer oder gar nicht anspricht und die in der Norm völlig verschwindenden vagotropen Wirkungen des Adrenalins in den Vordergrund treten. Diese Erklärung scheint uns den angeführten Versuchsergebnissen am besten gerecht zu werden und wir waren bemüht, in den folgenden Versuchen auch an anderen Ver- suchsobjekten für sie weitere Anhaltspunkte zu gewinnen!). B. Versuche an Gefäßen. Neben der typischen vasoconstrictorischen Adrenalinwirkung ist seit langem bereits eine dieser entgegengesetzte gefäßerweiternde 1) Es sei daran erinnert, daß auch umgekehrt während einer Dauererregung des Sympathicus durch Adrenalin mitunter die vagalen Apparate an Erregbar- keit einbüßen; so erzeugt in diesem Zustande nach Biedl?) die Reizung des Herz- vagus keine inotrope Hemmung, die Depressorreizung keine Blutdrucksenkung. ?) Biedl, Innere Sekretion. Urban u. Schwarzenberg, Wien-Berlin. 2. Aufl., S. 430. ss R. Kolm und E, P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung bekannt !); sohaben Moore und Purington, Pari, Elliott, Hoskins und Clure, Cannon und Lyman?) mit kleinsten Adrenalinmengen eine Reizung der Vasodilatoren und Blutdruckabfall erhalten, eine Beob- achtung, welche Chiari und Fröhlich?) auch an mit Oxalsäure ver- gifteten Katzen gemacht haben. Unter besonderen Bedingungen kann die Vasodilatatoren-Erregung sehr deutlich werden; dies hat zuerst Dale) nach Lähmung der Vasoconstrictoren durch Ergotoxin zu zeigen vermocht, dann Pearce®) nach Degeneration der Vasoconstric- toren, sowie nach Durchströmung des Läwen - Trendelenburgschen Froschpräparates mit calciumfreier Kochsalzlösung und endlich haben Bauer und Fröhlich®) durch längerdauernde Adrenalindurchströ- mung der Haut-Muskelgefäße des Frosches die Vasoconstrietoren in einen für Adrenalin und für andere sonst vasoconstrietorisch wirkende Gifte unempfindlichen Zustand versetzt, in welchem an Stelle der Vasoconstrietion die genannten Mittel Gefäßerweiterung erzeugen. Es ist somit an einem doppelten Angriffspunkt des Adrenalins kaum zu zweifeln und wenn normalerweise die Gefäßverengerung überwiegt, so liegt augenscheinlich der Grund in der leichteren Erregbarkeit (Über- wiegen des Tonus) der Vasoconstrictoren, welche mit einer geringeren Anspruchsfähigkeit der erweiternden Nerven verbunden ist. Unsere Ver- suche gingen nun dahin, zu untersuchen, ob eine vorhergehende oder gleichzeitige starke vagale Erregung ähnlich wie am Herzen auch an den Gefäßen eine Umkehr oder wenigstens eine Hemmung der normaler- weise zu beobachtenden constrictorischen Adrenalinwirkung erzeuge. Auch zum Studium dieser Gefäßwirkung wurden Esculenten ver- wendet; wir durchströmten das Läwen-Trendelenburgsche Präparat ent- weder hintereinander mit Ringerlösungen, die Acetyleholin oder Adrenalin enthielten, oder verwendeten zur Durchströmung Gemische von Acetylcholin-Adrenalin-Ringerlösungen ; zur näheren Analyse prüften wir das Verhalten der durch diese Gifte veränderten Gefäße gegen Atro- pin und Nicotin. Bekanntlich erzeugt das Acetylcholin beim Warm- blüter, wie Dale nachgewiesen hat, eine muscarinartige Blutdruck- senkung, die mit Atropin aufgehoben werden kann, wie dies auch aus Reid Hunts späteren Untersuchungen hervorgeht. Durch Amsler 1) Die ausführliche Literatur darüber siehe bei Winterberg, Die experi- mentelle Analyse der Herz- und Gefäßmittel in Jagit, Handbuch der Herzkrank- “ heiten. III. Bd. Deuticke, Wien 1914. II. Teil, S. 687 u. ff. 2) Cannon und Lyman, Amer. journ. of physiol. 31, 376. 1912/13. 3) Chiari und Fröhlich, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 64, 214. 1911 und 66, 110. 1911. “4, Dale, Journ. of physiol. 34, 163. 1906. 5) Pearce, Zeitschr. f. Biol. 62, 243. 1913. 6) Bauer und Fröhlich, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 84, 33. 1918. ; nach Erregung der vagalen Endapparate. 89 und Piek!) wurde gezeigt, daß die Froschgefäße schon auf sehr starke Verdünnungen von Acetylcholin mit einer kräftigen Constrietion rea- gieren, deren letzte Ursache aber bisher noch nicht aufgeklärt wurde. Es galt daher zunächst festzustellen, ob diese Wirkung des Cholinesters beim Kaltblüter identisch mit der des Adrenalins oder aber eine anders- artige sei. Bei unserer mangelhaften Kenntnis der Innervationsverhält- nisse der Kaltblütergefäße wäre es immerhin möglich, daß trotz ent- gegengesetzter Wirkung bei Warm- und Kaltblütern der Angriffspunkt des Acetylcholins der gleiche ist, und wir haben daher untersucht, ob auch beim Kaltblüter das Atropin antagonistisch wirke. Die Anführung einiger Versuchsprotokolle möge die einschlägigen Verhältnisse veran- schaulichen. a) Versuche über denAntagonismus von Acetylcholin und Atropin am Läwen-Trendelenburgschen Froschpräparat. Versuch 1 vom 21. Juni 1919. . Zeit | Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute. 12h 31’ Ringer 188 12h 32’ = 188 12h 3% . = 186 12h 34’ Acetylcholin 1 : 10 000 12h 35 „5 ; s0 12h 36’ 5 34 12h 37 5 38 12h 39’ 4; 34 12h 40’ Atropin 2%/,g i 160 12h 41’ & 180 12h 42° | Br - 180 12 43° er 180 12h 44’ Acetylcholin 0,1%,0 174 12h 45’ 55 174 12h 47’ | EB 172 12h 50° | er 174 12h 53 I 172 12h 54’ Adrenalin 0,01°%/go 12h 55 | > vollständiger Gefäßkrampf Versuch 2 vom 23. Juni 1919. Ih 58 Ringer 164 1% 59’ 3 166 23h 00’ ss 168 2h 01’ Acetylcholin 0,1°%/oo 2h 02° = 64 29h 03 Rn 54 2h 04 = 88 2%h 05 35 86 1) Amsler und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 85, 61. 1919. 90 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung Versuch 2 (Fortsetzung). Zeit | Durchströmungsflüssigkeit | Tropfenzahl in der Minute 2h 06’ | Atropin 29/90 | 38 2h 06,5 | s; | 142 2h 07 | 5 | 186 23h 08 Re y 194 2h 09 Al | 180 2h 10° R | 168 2h 17’ Acetyleholin 0,1%/,0 | 150 2h 12° | % 136 Sn | . 140 2h 14’ 8 142 216, 5 \ 134 2h 17’ N 128 2h 20,5’ IS 152 2h 21,5 ER 152 2h 23° Adrenalin 0,005%/ 99 140 23h 24,5’ o 34 2u 25,5 \ u 58 2h 27’ iR 47 2h 28,57 | = 38 Das Ergebnis beider vorstehender Versuchsprotokolle fanden wir in einer Reihe gleichartiger Versuche bestätigt. Sie zeigten alle über- einstimmend, daß die durch Acetylcholin verursachte Gefäß- verengerung regelmäßig nahezu mit einem Schlage durch Atropin aufgehoben wird und daß nach Atropinisierung Acetylcholin wirkungslos ist, während Adrenalin seine vasokonstriktorischeWirkungunverändert entfaltet. Daraus geht mit Wahrscheinlichkeit hervor, daß der Angriffspunkt beider Gifte verschieden ist. Die Tatsache, daß die Acetyleholinwirkung durch Atro- pin aufzuheben ist, läßt vermuten, daß an der gefäßverengernden Wir- kung des Acetylcholins vagale Nervenendigungen beteiligt sind. Da- mit wären zum ersten Male Beziehungen zwischen vasokon- striktorischen Gefäßnerven und vagalen Endapparaten beim Kaltblüter festgestellt und wir hätten somit neben dem sympathischen System angehörigen Vasokonstriktoren auch solche vagaler Natur beim Kaltblüter zu unterscheiden. Der Umstand, daß Acetylcholin die Gefäße der Warmblüter peripher erweitert, jene des Kaltblüters peripher verenst und daß durch Atropin beide Wirkungen aufhebbar sind, macht es wahrscheinlich, daß der Vagus beiersteren Vasodilatatoren,bei letzteren Vasokonstriktoren führt, oder daß die vagalen Gefäßverengerer des Kaltblüters durch Acetylcholin leichter erregbar sind als jene des Warmblüters; denn in sehr großen Dosen kann nach Reid Hunt auch am isolierten Warmblüterohr Ge- fäßverengerung erzeugt werden. nach Erregung der vagalen Endapparate. 91 b) Versuche über Acetylcholinwirkung nach Vorbehandlung mit Nieotin. Bekanntlich konnte Dale feststellen, daß dienach Atropinisierung auf Acetylcholin eintretende Blutdrucksteigerung durch lähmende Dosen von Nicotin behoben wird, daß somit der Angriffspunkt der vasokonstriktorischen Wirkung des Acetylcholins am atropinisierten Warmblüter nicht peripherer Natur ist. Es war daher festzustellen, “ob die von uns beobachtete vasokonstriktorische Wirkung am Frosch- gefäßapparat, die sich, wie die vorstehenden Versuche zeigen, durch Atropin aufheben läßt, durch Erregung der vagalen Nervenendigungen oder aber zentraler gelegener Nervenabschnitte zustande komme. Zu diesem Zwecke wurde das Präparat mit Nicotin solange vorbehandelt, bis die anfängliche Ganglienerregung in eine Lähmung überging [Han- dovsky und Pick!)], worauf die Durchströmung mit Acetylcholin erfolgte. Versuch 3 vom 18. Juni 1919. Zeit Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute na El Ringer 192 11h 58 2 192 11h 59’ weinsaures Nicotin 2%/,, 192 12h 00° 3 “ 192 12h 00,5’ 55 98 12h 01,5 in r 68 12% 02’ N S 66 12h 03 er Ben 68 122 04 & “ 102 12h 05 ” er | 152 12h 06 “s 35 156 12h 07’ a 35 156 12h 08 Acetylcholin 0,01°/go 12h 09’ = | 106 12% 10 5 | 90 12h 11’ us | 54 12h 19 a 82 12h 14’ 55 74 124 317 R 46 124 26 is 40 Aus dem angeführten Protokoll ist deutlich ersichtlich, daß der Angriffspunkt des Acetylcholins peripher vom Ganglienapparat gelegen ist, daß daher die Gefäßverengerung beim Kaltblüter einem anderen Wir- kungstypus folgt als beim Warmblüter. !) Handovsky und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. ?1, 89. 1913. 93 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung Besteht die Annahme zu Recht, daß die Gefäßwirkung des, Acetyl- cholins durch Erregung der vagalen Nervenendigungen hervorgerufen wird, dann müßte auch die Möglichkeit vorhanden sein, in Analogie zu den früher erörterten Herzversuchen die Adrenalinwirkung auf die Ge- fäße durch Vorbehandlung mit Acetylcholin zu verändern. Die Ergeb- nisse diesbezüglicher Versuche sind aus den nachfolgenden Proto- kollen zu ersehen. ec) Versuche über Adrenalinwirkung auf Gefäße nach Vor- behandlung mit Acetylcholin. Versuch 4 vom 11. Juni 1919. Zeit Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute 10h 41’ Ringer 196 10h 42’ EN 200 10h 43’ R 200 10h 43,5° | . Acetyleholin 0,01%/,o 10h 45’ 55 136 10% 46,5’ 5 76 10h 48’ 5 66 10h 48,5’ l. Suprarenin 0,01°/,o 10h 49’ ss 68 10h 50,5’ y% 74 10h 52’ 55 126 10h 53’ 55 100 10h 54,5’ 5 s2 10% 55,5’ Acetylcholin 0,01°/go 66 10h 57,5’ 3 30 11% 01’ 55 36 Versuch 5 vom 10. Juni 1919. Zeit Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute | Bl | Ringer 174 6 15 r 178 6h 16 8 178 6" 16,5 Acetylcholin 0,01°/oo : 6h 17,5 > 62 6 18 ;5 38 6 20’ En 34 6 21’ l. Suprarenin 0,019/,o 6h 22’ ss 23 6h 24,5’ as 46 6N 26,5’ 53 56 6h 28,5 5 s0 6" 30’ > 90 nach Erregung der vagalen Endapparate. 93 Versuch 5a on 25. Juni 1919. Zeit | Durchströmungsflüssigkeit | Tropfenzahl in der Minute 10h 43,5’ Ringer 146 10h 44 | Ä 146 10h 45’ Acetylcholin 0,1%/go 140 10h 45,5’ 5 62 10h 47,5’ r 62 10h 48’ 55 60 10h 49’ 35 24 10h 50’ Adrenalin 0,01°/go 30 10h 52’ >, 34 10h 53’ 35 42 10h 54’ 5 44 10h 55’ 5 42 10h 56’ 55 46 10h 59’ ss 34 11h bis 11h 46’ Ringer 11h 46’ = 100 11h 46,5 Adrenalin 0,01%/go 11h 47’ a 76 11h 48 er 60 11h 49’ 35 54 11h 50’ EA 52 11h 52,5’ Acetylcholin 0,19/go 66 11h 53,5’ N 12 11h 54,5’ % 78 11h 55 “ 86 11h 56 Adrenalin 0,019%/,o 54 11h 57° 5 34 11h 58 5 96 11h 59’ 55 94 12h 00° 55 88 12h 02,5’ x, 70 In folgenden Versuchen wurde Acetylcholin und Adrenalin in Mischungen angewendet. Versuch 6 vom 11. Juni 1919. Zeit | Durchströmungsflüssigkeit | Tropfenzahl in der Minute 12h 44’ Ringer 184 12h 45’ 55 176 12h 46’ 53 180 12h 46,5’ || Acetylcholin + l. Suprarenin!) 12h 47’ 5 55 192 12h 48’ > 53 112 1 2h 49,5 55 es 108 1 zb 50° Eh = 104 1 zb 51’ 55 se 100 51925752557 zn EB 96 !) Die Ringerlösung enthält 0,01%/,, Acetylcholin und 0,01°/,, 1.-Suprarenin, 94 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung: Versuch 6 (Fortsetzung). Zeit Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute 120 53. Ringer!) 12h 54’ 8 94 12h 56’ * 98 12h 57 „3 96 12h 59 l. Suprarenin 0,01°%/go 88 1h 00’ ss 94 1h 02° % 69 1h 03,5 >> 48 12 05 ss 23 1 06 D 29 1h 08 9 36 1h 09 ” 36 1» 10 Acetylcholin + 1.-Suprarenin ?) 1R 10 “ ” 50 ib 11V’ u 28 53 1h 12,5 “ > 71 1h 14° Br 5% 110 1h 15 5 5% 103 1 17° 5 5: 92 1 18,5 15% = s0 1h 20° 55 > 13 Ih 22’ 65 33 12 Versuch 7 vom 11. Juni 1919. Zeit Durchströmungsflüssigkeit Tropfenzahl in der Minute 4n 34’ Ringer 160° ah 35 > 166 4h 35,5’ 6 166 an 36° Acetylcholin + 1.-Suprarenin 3) 4h 37° b9 50 108 4h 38 © 0 60 4h 39 o6 96 76 4h 40,5 6 5 s0 4h 42’ En s" 82 ah 44’ 90 6 s0 ah 45’ D » so 1) Trotz Auswaschens mit Ringerlösung besteht die Konstriktion weiter, weil sich erfahrungsgemäß das Acetylcholin leicht, das Adrenalin jedoch schwerer auswaschen läßt; daß die Fortdauer der Konstriktion nicht auf Acetylcholin- wirkung beruhe, sondern von dem noch nicht ausgewaschenen Adrenalin her- rühre, geht daraus hervor, daß die folgende Adrenalindurchströmung in normaler Weise Konstriktion hervorruft. 2) Die Ringerlösung enthält 0,01°/,, Acetylcholin und 0,01°/,, 1.-Suprarenin. 3) Die Ringerlösung enthält 0,02°%/,0 Acetyleholin und 0,01°/,, 1.-Supra- renin, somit die doppelte Menge Acetylcholin als die im früheren Versuche ver- wendete Durchströmungsflüssigkeit. nach Erregung der vagalen Endapparate. 95 Versuch 7 (Fortsetzung). Zeit Durchströmungsflüssigkeit | Tropfenzahl in der Minute 4h 46’ Ringer !) 4h 47’ 08 12 4h 48’ > 70 4h 50’ 5 64 4h 51 x 60 4h 52’ = 56 4h 52,5 l.-Suprarenin 0,01°%/oo 4h 53° en 74 4h 54,5’ > 46 4h 56’ 25 5 50 4h 57’ 9 48 5h 07 4 37 5 02° ” 32 Man ersieht aus den angeführten Versuchen, daß Gefäße, welche unter Acetylcholinwirkung stehen, durch Adrenalin entweder nicht verengt, in manchen Fällen sogar etwas erweitert werden; dabei ist es nicht von wesentlicher Bedeutung, ob die beiden Pharmaka hinter- einander oder gleichzeitig in Mischungen einwirken. Neben dieser Tat- sache ergibt sich weiter, daß bei gleichzeitiger Durchströmung des Froschgefäßpräparates auch die sonst intensive Acetylcholinverengerung entweder ausbleibt oder, wenn die Menge des Acetylcholins in der Mischung überwiegt, nur in sehr geringem Maße einsetzt. Wir haben es demnach mit einer gegenseitigen Hemmung zu tun, indem Acetyl- cholin die Adrenalinwirkung und bei gleichzeitiger Einwirkung unter den angeführten Bedingungen auch umgekehrt Adrenalin die Acetyl- cholinwirkung verhindert. Eine eindeutige Erklärung dieser Tatsachen ist deswegen schwieriger als bei der Acetylcholin-Adrenalinwirkung auf das Froschherz, weil wir es nicht mit einem funktionellen Anta- gonismus zwischen Vagus und Sympathicus, sondern mit syner- gistischer Wirkung dieser beiden autonomen Nervensysteme zu tun haben. Trotzdem scheint es uns, daß auch hier die Anspruchs- fähigkeit des einen Systems vom jeweiligen Erregungszustande des anderen abhängt. Die angeführten merkwürdigen Phänomene scheinen uns demnach am bequemsten einer Erklärung zugänglich unter der Annahme, daß die durch Acetylcholin hervorgerufene Vagus- erregung die gefäßverengernden Sympathicusendigungen !) Trotz Auswaschens mit Ringerlösung besteht die Konstriktion weiter; weil sich erfahrungsgemäß das Acetylcholin leicht, das Adrenalin jedoch schwerer auswaschen läßt; daß die Fortdauer der Konstriktion nicht auf Acetylcholin- wirkung beruhe, sondern von dem noch nicht ausgewaschenen Adrenalin her- rühre, geht daraus hervor, daß die folgende Adrenalindurchströmung in normaler Weise Konstriktion hervorruft. 96 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung für Adrenalin unempfindlich macht und daß andererseits die durch Adrenalin erzeugte Sympathicuserregung die Erregbarkeit der vagalen Vasokonstriktoren für Acetyl- cholin herabsetzt, was ein gegenseitiges Aufheben der Wirkungen zur Folge hat. In manchen Versuchen wurde durch Adrenalin nach Acetylcholin sogar eine leichte Erweiterung beobachtet. Wir glauben, daß es sich hierbei bloß um Elastizitätsschwankungen der nunmehr der Herrschaft der Vasokonstriktoren beider Systeme entzogenen Gefäß- wände handle, nicht aber um eine Erregung der sympathischen Vaso- dilatatoren im Sinne Dales. Die Ergebnisse dieser Versuche zeigen, daß Gefäßgifte, welche elek- tiv das eine der autonomen Systeme beeinflußen, das Wirkungsbild von Gefäßgiften für das andere System wesentlich zu ändern imstande sind; diese Beobachtungen sind geeignet, uns einen Einblick in die un- gemein komplizierten Verhältnisse zu geben, von welchen die Reaktion der Gefäßnerven beherrscht werden, und erinnern an Tatsachen, welche schon von anderen Autoren zum Teil unter anderen Gesichtspunkten berichtet worden sind. So sei vor, allem die Änderung der Depressor- wirkung angeführt, welche Bayliss!) nach Strychnin- und Chloroform- vergiftung an Warmblütern gesehen hat, indem die auf elektrische Rei- “ zung sonst einsetzende Vasodilatation nunmehr einer Vasokonstriktion Platz macht. Hierher gehört auch eine von Katsch?) an Kaninchen mit Bauchfenster gemachte Beobachtung, daß die Darmgefäße, welche normalerweise auf intravenöse Injektion von 0,1—0,5 mg Adrenalin aufs stärkste verengt werden, nach Physostigminbehandlung des Tieres, nach welcher eine vagale Gefäßdilatation erfolgt, nur auf stärkste Adre- nalindosen (erst durch allmähliche Einspritzung von 4 mg) ansprechen. Endlich sei hier erwähnt, daß Langley?°) statt der für bestimmte Strychnindosen charakteristischen Blutdruckerhöhung an decerebrier- ten Katzen, bei denen der Blutdruck durch vorhergehende Adrenalin- injektion oder elektrische Rückenmarkreizung eine starke Erhöhung erfahren hat, einen Blutdruckabfall peripheren Ursprungs erhalten hat. Es ist wahrscheinlich, daß diese Beispiele der veränderten Reaktions- fähigkeit der Gefäße durch Änderung des Tonusgleichgewichtes beider autonomer Systeme sich werden in der Folge durch weitere Beobach- tungen vermehren lassen. C. Versuche am überlebenden Kalt- und Warmblüterdarm. Die Innervation des Darmes wurde bekanntlich durch die Arbeiten von Langley und Magnus so weit klar gestellt, daß wir mit Sicherheit 1) Bayliss, Proc. royal. soc. 80, 339 und Journ. of physiol. 3%. 2) Katsch und Borchers, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 12, 225. 1913. 3) Langley, Journ. of physiol. 53, 147. 1919. nach Erregung der vagalen Endapparate. 97 wissen, daß, abgesehen vom Gangliensystem, der Vagus der Erreger, der Sympathicus der Hemmungsnerv für die Darmbewegungen ist. Dementsprechend erregen alle Mittel mit vagalem Angriffspunkt die Darmrhythmik, während die sympathicotropen eine Ruhigstellung des Darmes hervorrufen; die gleichen Gesetze gelten im allgemeinen auch für die anderen Bauchorgane, wie Uterus und Blase. Wir haben es hier mit einem deutlich ausgeprägten antagonistischen System zu tun, das erlaubt, jedwede Störung des Gleichgewichtes deutlicher wahrzunehmen, als es bei den noch nicht völlig geklärten Innervationsverhältnissen der Gefäße der Fall ist. Die vielfach bestätigte Erfahrung, daß die Arz- neiwirkung bei diesen Organen von ihrem jeweiligen Tonuszustand ab- hänge, wurde bereits eingangs erwähnt; sie ist auch dafür maßgebend, daß manche Pharmaka anders wirken, als man nach ihrem Angriffs- punkt voraussetzen sollte. Für die uns hier interessierenden Fragen sei z. B. angeführt, daß der unter Physostigminwirkung stehende Darm durch Adrenalin sehr schwer zu lähmen ist (Katsch), während der pilokarpinisierte Darm bekanntlich schon durch kleinste Atropindosen ruhig zu stellen ist (Mag- nus). Während Adrenalin regelmäßig die Darmbewegungen hemmt, berichtet Magnus in einem Falle über Tonuszunahme im Gegensatze zum gewöhnlichen Befund und nach Streuli!) bewirken ‚‚submini- male‘“ Dosen von Adrenalin an der überlebenden Säugetierblase ‚‚nur bei gutem Tonus und bei guter Automatie‘ eine kräftige Kontraktion, während sonst Adrenalin vollständige Erschlaffung herbeiführt. . In den folgenden Versuchen wurde am überlebenden Froschmagen und Kaninchendarm geprüft, ob die Veränderung des Vagustonus durch Acetylcholin eine Aufhebung bzw. eine Umkehr der Adrenalin- wirkung zur Folge habe. Die mächtig erregende Wirkung des Acetyl- cholins auf die glattmuskeligen Organe, insbesondere auf den Darm. ist durch die Untersuchungen Guggenheims?) und Dales bekannt geworden. Auch in unseren Versuchen konnten wir am überlebenden Frosch- magen und Kaninchendarm in der Magnusschen Versuchsanordnung mit Acetylcholin in Konzentrationen von 1: 100 000 und 1: 1,000 000 eine intensive Vaguserregung erzielen. Die Versuche wurden derart angestellt, daß zunächst eine die Darmtätigkeit vollständig lähmende Adrenalindosis ermittelt wurde; nach wiederholtem Wechsel der Ringer- flüssigkeit wurde dieser hesirlahellie in der oben angegebenen Konzen- tration zugesetzt. Auf der Höhe der Wirkung fügten wir ohne Wechsel der Nährlösung jene Adrenalinmenge zu, die sich vor dem Acetylcholin- zusatz als lähmend erwiesen hat. Unmittelbar nach dem Adrenalin- 1) Streuli, Zeitschr. f. Biol. 66, 167. 1916. 2) Guggenheim und Löffler, Biochem. Zeitschr. %4, 208. 1916. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 17 98 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung zusatz trat entweder eine Tonussteigerung mit mächtigem, An- schwellen der Peristaltik ein, die durch längere Zeit anhielt oder eine kurz anhaltende Tonussteigerung ohne wesentliche Zunahme der Peri- staltik, wie dies bei schon ermüdeten Därmen mit geschwächter Auto- matie zuweilen zu beobachten war. In anderen Fällen bewirkte Adre- nalinzusatz nach Acetylcholin in den ersten Sekunden einen kurzdauernden Tonusabfall, der aber sofort, von einer langdauernden Tonussteigerung abgelöst wurde, die in man- chen Fällen sogar die Acetylcholinwirkung übertraf (s. Abb. 8S—10); ebenso wie die durch Acetylcholin hervorgerufene Erregung ließ sich auch die nach Adrenalin einsetzende dureh Atropin sofort aufheben (s. Abb. 9). Ein wesentlicher Unterschied zwischen Re- aktion des Froschmagens und der des Kanin- chendünndarms bestand nicht, außer daß der erstere entsprechend seiner trägeren Peristaltik langsamer reagierte (s. Abb. 10). Ähnlich wie bei unseren Herzversuchen ist ah Abb. 8. Versuch vom 31. V. 1919. Kaninchen-Dünndarm nach Mag- nus suspendiert; Temperatur 36°; regelmäßige, frequente Pendelbe- wegungen; bei A Zusatz von 1ccm Acetylcholin 1prom. : starke tonische Kontraktur mit erhalte- nen Pendelbewegungen; bei B Zu- satz vonlccmlI-Suprarenin 1prom. nach sofortigem Tonusabfallrasch einsetzender Tonusanstieg auf die doppelte Höhe wie früher. auch hier hervorzuheben, daß die beschrie- benen Resultate von dem richtigen Dosen- verhältnis zwischen vorbehandelndem Ace- tylcholin und dem nachwirkenden Adre- nalin abhängen. Die günstigsten Resultate erhielten wir bei Vorbehandlung mit Ace- tylcholindosen, welche eine kräftige Tonisie- rung des Vagus gewährleisteten; die Größe der Dosis hängt naturgemäß von dem Tonus- zustand des jeweils benützten Präparates ab, so daß sich die Mengen nicht von vornherein bestimmen lassen. Das gleiche gilt auch für die zu wählende Adrenalinmenge, die fallweise festgestellt werden muß. Über diese Versuche am überlebenden Magen-Darm läßt sich zu- sammenfassend sagen, daß die vagale Erregung durch Acetyl- cholin jene des Sympathicus durch Adrenalin verhindert, so daß nunmehr die sonst von der Sympathicuswirkung verdeckte „vagale“‘ Komponente des Adrenalins in Erscheinung tritt und die elektiv vagale Acetylcholinwirkung verstärkt. Diese Ergebnisse stehen in guter Übereinstimmung zu den früher angeführten Herz- und Gefäß- versuchen und bilden eine wertvolle Stütze für die geäußerte Ansicht, daß jede Störung des Tonusgleichgewichtes im autonomen Nerven- system mit einer Änderung der gewöhnlichen pharmakodynamischen Wirkungen verbunden sei. nach Erregung der vagalen Endapparate. 99 Vor mehrern Jahren hat Lohmann!) den Antagonismus von Suprarenin und Cholin in bezug auf den Blutdruck, dann am Langen- dorffschen Kaninchenherzen und überlebenden Katzendünndarm stu- E D C Abb. 9. Fortsetzung von Kurve 3 nach Verstellung der Kymographientrommel: der erhöhte Tonus bleibt erhalten; bei C Zusatz von 0,2 ccm, bei D von 0,5 cem 1-Suprarenin 1 proz: mächtiger Tonus- anstieg besonders nach letzterem Adrenalinzusatz; infolge leichter Neigung der Trommelachse zeichnet der Schreiber nur die Fußpunkte der Pendelbewegungen, deren Excursionshöhe die gleiche war, wie früher; bei E Zusatz von 0,3 ccm Atropin. sulf. 1proz.: Eintritt sofortiger Lähmung. diert und die Ansicht vertreten, daß das Cholin der Nebennierenrinde der physiologische Antagonist des Adrenalins aus dem Nebennierenmark sei. Wenn auch sicherlich zuzugeben ist, daß im allgemeinen dieser doppel- r a E D C Abb. 10. Versuch vom 27. V. 1919. Rana escul.; Magen nach Magnus suspendiert in einem 100 ccm fassenden Gefäße; Zimmertemperatur. Bei C Zusatz von 1 ccm Acetylcholin einer Lösung von 1 ::10000: mächtiger Tonusanstieg; bei D Zusatz von 1 ccm 1.-Suprarenin 1prom.: Peristaltik bleibt erhalten und es erfolgt allmählicher Tonusanstieg; bei Z abermaliger Suprareninzusatz, wie - vorher: weiterer Tonusanstieg mit Zunahme der Peristaltik. seitige Antagonismus für das wenig wirksame Cholin zu Recht bestehe, so geht aus unseren Versuchen hervor, daß sich unter den gewählten Bedingungen hingegen ein Synergismus des Adrenalins mit dem aller- dings das Cholin an Wirksamkeit um mehr als das 1000fache über- 2) Lohmann, Diese Zeitschr. 118. 215. 1907 und 122, 203. 1908. 7* 100 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung der Adrenalinwirkung: treffenden Acetylester des Cholins ergeben kann. Mit sehr klein ge- wählten Acetylcholindosen trat auch bei unserer Versuchsanordnung die rein antagonistische Wirkung zutage (s. Abb. 2). Von le Heux!) wurde vor kurzem einwandfrei gezeigt, daß Cholin bzw. dessen Ester die physiologischen Hormone der Darmbewegung darstellen und es ist daher naheliegend, anzunehmen, daß die von uns studierten Verhält- nisse für die verschiedene Reaktion des lebenden Organismus gegen- über Arzneimitteln von Bedeutung seien?). Zusammenfassung. Betrachten wir die Ergebnisse vorstehender Versuche unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte, so läßt sich sagen, daß die im allgemeinen festgehaltene scharfe Trennung in selektiv vagotrope und sympathico- trope Pharmaka nur unter den physiologischen Tonusbedingungen beider autonomer Systeme gelte. Es wurde bereits eingangs an verschie- denen Beispielen ausgeführt, daß die Tonuszunahme des einen Systems stets eine Tonusabnahme des Antagonisten erzeuge und an dieses physiologische Wechselspiel der Innervationsstärke der vagalen und! sympathischen Nervenapparate ist auch die normale Wirkung eines Arzneimittels gebunden. Wird aber durch irgendeinen Eingriff die Mög- lichkeit der gegenseitigen Beeinflussung dadurch gestört, daß dieses sich von selbst einstellende Gleichgewicht der beiderseitigen Inner- vationsimpulse zugunsten des einen oder anderen Asonisten stark ver- schoben wird, dann kann die alte Gleichgewichtslage nicht mehr erreicht werden und es stellt sich ein neuer Innervationszustand ein, der für die Arzneiwirkung nunmehr eine ganz neue Grundlage schafft. Das eine der: beiden autonomen Nervensysteme hat dann seine normale Anspruchsfähigkeit nahezu eingebüßt, während das andere in seiner Erregbarkeit weit über die Norm gesteigert sein kann und in diesem Zu- stande auch imstande ist, auf Impulse zu reagieren, auf welche es in dem normalen Gleichgewichtszustande nicht anspricht. Daraus ergibt sich eine Änderung des Wirkungsbildes eines Giftes, welche uns unter Umständen entweder als Hemmung oder sogar als Umkehr einer Arznei- wirkung erscheint. Damit ist ein neues Moment als Bedingung der Arznei- wirkung experimentell festgestellt worden, von dem wir glauben, daß es unter pathologischen Verhältnissen insbesondere für die Herztätig- keit eine große Rolle spielt. Es wurde bereits früher darauf hingewiesen, daß in der leichten Chloroform- und Chloralhydratnarkose Adrenalin 2) Le Heux, Diese Zeitschr. 193, 8. 1918. 2) Einer in jüngster Zeit erschienenen, uns nur im Referat (Chem. Centralbl. 1, 511. 1920) zugänglichen Mitteilung von le Heux entnehmen wir den ihm ge- lungenen experimentellen Nachweis, daß die Art. der Atropinwirkung vom Cholin- gehalt des Darmes abhängig sei. nach Erregung der vagalen Endapparate. 101 ein tödliches Herzflimmern erzeugen kann; diese außergewöhnliche Adrenalinwirkung beruht auf einer Umstimmung des Tonusver- hältnisses zwischen Vagus und Accelerans. Weiters stehen die be- merkenswerten Beobachtungen von Arnstein und Schlesingert), daß Adrenalin im Senium vielfach Blutdrucksenkung und Bradykardie auslöse und somit den vagalen Hemmungsapparat des Herzens errege, mit den von uns erhobenen experimentellenTatsachen in Übereinstim- mung und lassen sich mit der relativ geringen Erregbarkeit des Sym- pathicus, auf welche u. a. auch die von den Autoren häufig festgestellte Hemmung der Adrenalin-Glykosurie hinweist, und dem damit einher- gehenden Überwiegen des Vagustonus erklären. Bereits Eppinger und Hess?) haben auf Grund klinischer Studien den Versuch gemacht, einzelne Krankheitsbilder mit der gesteigerten Vaguserregbarkeit und der gleichzeitig verminderten Anspruchsfähigkeit des Sympathicus- apparates zu erklären. Mag sich auch klinisch eine Trennung zwischen „Vagotoniker“ und ‚„Sympathicotoniker‘ infolge der nicht genügend scharf zu umgrenzenden Symptome und zahlreichen, dem lebenden Organismus zur Verfügung stehenden Kompensationseinrichtungen nicht immer durchführen lassen, so konnte immerhin für das Verhalten der Gefäßnerven der Vagotoniker verschiedentlich [Falta, Newburgh und Nobel3), Dresel®t)] nachgewiesen werden, daß hier deutlich eine verringerte Anspruchsfähigkeit des sympathischen Nervensystems be- stehe. Unsere Versuche zeigen, daß die beiden Begriffe „Vagotonie“ und „Sympathicotonie‘ für das pharmakologische Wirkungsbild ihre Geltung mehr denn je besitzen und geeignet sind, in die äußerst ver- wickelten Wirkungsverhältnisse der Arzneimittelkombinationen Einblick zu gewähren. Die Übereinstimmung, welche in unseren am Herzen, Gefäßapparat und Magen von Kaltblütern, sowie am Kanin- chendarm gewonnenen Versuchsergebnissen hervortritt, beweist die wichtige Rolle, welche der Sensibilisierung des Vagus für die Anspruchs- fähigkeit des sympathischen Nervenendapparates im allgemeinen zu- fällt; sie scheint auch zu zeigen, daß der Erregungszustand, in welchen der ansprechende Nervenapparat durch ein Gift versetzt wird, ein so dominierender sein kann, daß er allein — unabhängig von dem physio- logischen Angriffspunkt des zweiten Giftes — dafür entscheidend ist, ob die Giftkombination synergistisch oder antagonistisch wirke. !) Arnstein und Schlesinger, Wiener klin. Wochenschr. 1919, Nr. 49, S. 1179. ?) Eppinger und Hess, Die. Vagotonie. Samml. klin. Abhandlgn. über Pathol. u. Ther. der Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen, herausgeg. von v. Noorden. 9. u. 10.H. Hirschwald, Berlin 1910. 3) Falta, Newburgh und Nobel, Zeitschr. f. klin. Med. 72, 97. 2) Dresel, Deutsche med. Wochenschr. 45, 955. 1919. 102 R. Kolm und E. P. Pick: Über Änderung von Adrenalinwirkung Cannon und Lyman haben die Meinung vertreten, daß die Wir- kung des Adrenalins von dem Tonuszustande der glatten Mus- kulatur der Gefäße in dem Sinne abhängig sei, daß ein hoher Gefäßtonus die inverse Adrenalinwirkung, wie sie Dale nach Ergo- toxinvergiftung beobachtete, bedingt, eine Hypothese, welche ange- sichts der späteren Versuche von Dale, Pearce und Bauer und Fröhlich nicht haltbar erscheint. In unseren Versuchen sehen wir, daß Adrenalin nach der mittels Acetylcholinvergiftung hervorgerufenen Vaguserregung eine Umkehr sowohl fördernder als auch hemmender Wirkungen er- zeugen kann: so tritt am Herzen die negativ inotrope Wirkung ein, an den Gefäßen entfällt die Vasokonstriktion und an’dem Magen- Darm setzt Tonuserhöhung ein. Diese Beobachtungen unterscheiden sich also von der Daleschen Adrenalinumkehr wesentlich dadurch, daß letztere ausschließlich nur die sympathischen Förderungs- nerven betrifft. Für unsere Versuche kann die Hypothese von Cannon und Lyman von der Bedeutung des jeweiligen Tonus- zustandes des glattmuskeligen Erfolgsorgans für die Adre- nalinumkehr nicht zutreffen, da gerade die Tonussteigerung von Magen und Darm die Vorbedingung für die weitere Erhöhung des Tonus durch Adrenalin bildet; vielmehr scheint uns die Ansicht mit den Tatsachen am besten im Einklang zu stehen, daß die Tonuszunahme des vagalen Endapparates die Ursache für die veränderte ‚‚vagotrope‘‘ Adre- nalinwirkung darstellt. Sehlußsätze. 1. An dem unter mäßiger Vaguswirkung durch Acetylcholin-, Pitui- trin-, Muscarin- oder Neurin-Vorbehandlung stehenden Esculenten- herzen erzeugt Adrenalin in Dosen, welche unvergiftete Herzen nicht be- einflussen, diastolischen Stillstand oder eine negative Inotropie und Chronotropie; in manchen Fällen (bei Muscarin und Pituitrin) äußert sich der Einfluß der Vaguswirkung darin, daß Adrenalin seiner positivinotropen und chronotropen Herzwirkung verlustig wird; ähnlich wie Adrenalin wirkt auch Methylaminoacetobrenzcatechin (Adrenalon) und Ephedrin. 2. Der durch Adrenalin erzeugte diastolische Herzstillstand, sowie die negativ inotrope und chronotrope Wirkung lassen sich durch Atro- pin beheben. 3. Die konstringierende Acetylcholinwirkung auf die Froschgefäße läßt sich durch Atropin beheben, nach Lähmung der peripheren Gan- glien durch Nicotin bleibt sie erhalten. 4. Adrenalin bleibt nach Durchströmung der Froschgefäße mit verdünnten Acetyleholinringerlösungen unwirksam oder wirkt gefäß- erweiternd. nach Erregung der vagalen Endapparate. 103 5. Mischungen von Acetylcholin- und Adrenalinlösungen in an sich gut wirksamen Mengen haben keine der Konzentration der beiden Kom- ponenten auch nur annähernd ‚entsprechende verengernde Wirkung auf die Froschgefäße; es besteht zwischen diesen beiden Gefäßgiften ein doppelseitiger Antagonismus. 6. Durch Acetylcholin unter Vaguswirkung gesetzter Magen-Darm (Froschmagen, Kaninchendünndarm) wird von Adrenalin nicht gehemmt, sondern vorübergehend oder dauernd kräftig Sure, diese Erregung wird ame Atropin un . Die ‚„vagotrope‘ Wirkung des Adrenalins am Herzen, den Ge- ana und dem Magen-Darmtrakt wird auf die infolge der überwiegen- den Vaguserregung verminderte Erregbarkeit der sympathischen End- apparate zurückgeführt. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit, im besonderen durch „osmotisches Odem“, auf Atmung, Kreis- lauf und Blut. Künstliches (osmotisches) Lungenödem. II. Mitteilung). Von Ernst Laqueur. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 27. Mai 1920.) (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Gent.) Die Versuche sind unternommen worden, um den Einfluß der Füllung der Lunge mit Flüssigkeit beim gesunden Tiere zu unter- suchen. In den letzten Jahren ist das Lungenödem nicht nur als sekundäre Folge verschiedener Krankheitszustände beobachtet worden, sondern es hat als primäres, toxisches Ödem nach Einatmung giftiger Gase eine erhöhte Bedeutung bekommen. Von den einzelnen abnormen Er- scheinungen, die beim kranken oder vergifteten Individuum mit Lungenödem beobachtet werden, ist es oft schwer oder unmöglich auszumachen, was von diesen abnormen Erscheinungen auf die allge- meine Krankheitsursache bzw. das einzelne Krankheitssymptom zu- rückzuführen ist, und was wirklich nur auf das Konto des in den Vor- dergrund tretenden Lungenödems zu setzen ist. Es galt darum beim gesunden Tiere Veränderungen nachzumachen, die gleichwertig denen des sekundären oder primären (toxischen) Lungenödems sind. Das, was beim Lungenödem am meisten imponiert, ist das Vor- handensein von Flüssigkeit in den Alveolen. Darum ver- suchte ich zunächst, das Lungenödem einfach durch Füllung dieser präformierten Hohlräume mit Flüssigkeit nachzumachen, indem solche (Wasser oder physiologische Kochsalzlösung) durch die Trachea einge- 1!) Als erste Mitteilung ist die kürzlich erschienene Arbeit (gemeinsam mit D. de Vries Reilingh) im Dtsch. Arch. f. klin. Med. 131, 331. 1920, anzu- sehen. Siehe auch Laqueur, Münch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 43. Auch bei der vorliegenden Mitteilung, deren Versuche im Sommer 1918 fertiggestellt waren, hatte ich mich der teilweisen Mitarbeit der Herren Prof. de Vries Reilingh und cand. med. J. van Cakenberghe zu erfreuen. Der erstere ist seit der Drucklegung verstorben. Auch hier will ich ihm für seine treue und wertvolle Hilfe nicht nur bei dieser Arbeit, sondern bei all unserer Tätigkeit in Gent aufrichtig danken. E. Laqueur: Einfluß d. künstlichen Füllung d. Lunge mit Flüssigkeit. I. 105 spritzt wurde. Dies gelingt, wie schon Sehrwald!) und andere vor mehr als 30 Jahren gezeigt haben, recht gut. Allerdings muß ich hinzusetzen, daß uns, als wir mit diesen Versuchen anfingen, nichts davon bekannt war?). Es zeigte sich, daß für einzelne unserer Fragestellungen dieser Weg nicht ausreichte. Die Flüssigkeit hält sich, wenn man nicht über- trieben große Mengen nimmt, nicht lange in der Lunge, da rasch die sehr prompt wirkende Resorption einsetzt. Es mußte also eine andere Methode gesucht werden. Abgesehen nämlich von der schnellen Resorption, kam als Nachteil des bisherigen Weges hinzu, daß durch Einspritzung von isotonischen oder hypo- tonischen Lösungen wohl die Füllung bereits vorhandener Hohlräume zum Teil glückte, aber kein eigentliches Ödem entstand. Es gibt Patho- logen, wie z. B. erst kürzlich Rieker?), die — mit Bezug auf die Bezeich- nung Ödem anderer Organe — als Lungenödem nur die Durchtränkung des adventitiellen Gewebes und seine Anschwellung infolge der Flüssig- keit bezeichnen, und die hiervon das, was im allgemeinen als Lungen- ödem imponiert: die Abscheidung von Flüssigkeit in die Alveolen und Bronchien, als (prästatische) Exsudation trennen wollen. — Ohne darauf einzugehen, ob das glücklich ist und sich einbürgern wird, müssen wir jedenfalls zugeben, daß eben zum wirklichen Lungenödem die Durchtränkung des Gewebes gehört, und daß die aus der Lunge schaumig austretende Flüssigkeit von innen nach außen, d.h. vom Blute in die Lufträume hinein, zwischen und vielleicht auch durch die Zellen der Lungenwände hindurch, abgeschieden wird. — Für Veränderungen der Funktion der Lunge können beide Seiten des Lungenödems von Be- deutung sein: sowohl die Durchtränkung des Gewebes, wodurch viel- leicht vorwiegend die Zirkulation beeinflußt werden könnte, als auch die Abscheidung in die Lufträume, die besonders die Ventilation be- einträchtigen müßte. Am gesunden Tiere ein solches Lungenödem, das völlig dem bei kranken oder vergifteten Individuen zu entsprechen scheint, nachzu- machen, gelingt durch Einspritzung von ein wenig stark hypertonischer Lösung in die Trachea; schon nach 5 Minuten und früher ist ein starkes Lungenödem vorhanden, das 2 Stunden wenigstens in diesem Grade bestehen bleibt. Wie das klinischeVerhalten gesunder Tiere mit Flüssigkeit, im besonderen mit solchem osmotischen Ödem in der Lunge ist, welche Bedeutung Muskelruhe für den Verlauf hat, und im weiteren, was mit den klinischen Untersuchungsmethoden von dem abnormen Zustande !) Dtsch. Arch. f. klin. Med. 39. 1887. ?) Die ersten Versuche sind gemeinsam mit R. Magnus im Physiologischen Laboratorium der Kaiser-Wilhelm-Akademie ausgeführt worden. Siehe auch Lagqueur und Magnus, Zeitschr. f. experim. Med. 1920. ®) Ricker, Volkmanns Sammlung 13, Nr. 256—260. 1919. Leipzig, Barth. 106 E. Laqueur: der Lunge nachgewiesen — oder richtiger, was alles nicht nachgewiesen — werden kann, ist an anderer, den Klinikern mehr zugänglieher Stelle!) auseinandergesetzt, weil es sich um eine praktisch nicht unwich- tige Sache zu handeln scheint. Methode. Die Tiere wurden in Rückenlage aufgebunden, bei Kaninchen die Luftröhre in einem kleinen Bereich freigelegt und die Speiseröhre in vielen Fällen unterbunden, mehrmals auch durchschnitten und das obere Ende in die Haut- wunde eingenäht. Die Unterbindung ist nötig, wenn bei Versuchen mit Ein- spritzungen größerer Flüssigkeitsmengen auf quantitative Beobachtungen Wert gelegt wird. In manchen Fällen steigt nämlich im Anfang Flüssigkeit aus der Trachea zurück und kann dann verschluckt werden. Die Kaninchen, ca. 1,5 kg schwer, wurden meist mit ihrem Brett ziemlich steil aufgerichtet und mittels Pravazspritze viermal je 5 ccm, in Abständen von etwa 2 Minuten, physiologische Kochsalzlösung oder (öfter mit Methylenblau gefärbtes) Aqua destillata durch die Luftröhre eingespritzt. Danach wurden die Tiere sogleich abgebunden. Bei Ein- spritzung der wenigen bzw. des l ccm konzentrierter Lösungen war Abbinden des Ösophagus überflüssig; denn aus dem oberen eingenähten Ende kam in diesen Fällen nie etwas heraus, Die Abbindung unterblieb darum in den späteren Ver- suchen. I. Einfluß auf die Atmung. Schon während der Einspritzungen und sofort danach läßt sich fast immer ein Einfluß auf die Atmung erkennen. | Schon vor länger als 3 Jahren habe ich gemeinsam mit Magnus?) den Einfluß intratrachealer Injektion von physiologischer Kochsalzlösung auf die Atmung in ca. 10 Versuchen an Katzen festzustellen gesucht. Hierbei ergab sich, daß nur in einigen Fällen (3 von 10) die Atemfrequenz zunahm, dagegen in der größeren Zahl (6) objektive Dyspnöe, d.h. Verstärkung der Atembewegungen mit Beteiligung der respiratorischen Hilfsmuskeln eintrat). Kaninchen antworten ja bekanntlich auf jede kleinste Störung mit Veränderung der Atemfrequenz, und so ist bei diesen Tieren regel- mäßig, ob kleine oder große Mengen injiziert werden, sofort nach der Einspritzung die Zahl der Atmungen stark vermehrt; dagegen fehlte wiederholt eine deutliche Dyspnöe. Nur in den Fällen, wo sehr schnell nach der Injektion durch Verstopfung der größeren Luftwege durch die Flüssigkeit oder durch Schaum schwerste Atemnot und meist dann auch Erstickung eintrat, war natürlich die Atmung stark verlangsamt. Was die Größe der Frequenzsteigerung anlangt, so kann sie beim Kaninchen beträchtliche Werte erreichen (bis 230 in der Min.); die Zu- nahme ist stets am stärksten in der ersten Viertelstunde. In einzelnen Fällen ist die Frequenz bereits am Ende der ersten halben Stunde wieder normal, in der Mehrzahl aber doch nach einer Stunde noch erhöht. 1) Laqueur und Reilingh, |.c. ?) Laqueur und Magnus, l.c. 3) Die Dyspnöe ist gut kenntlich an stärkeren Bewegungen der Nasen- flügel, des Jugulums und der Flanken (Zwerchfellbewegungen). Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssiekeit. IT. 107 Dies bisher Gesagte gilt für die Versuche mit Einspritzung größerer Mengen isotonischer bzw. hypotonischer Lösungen, die ja vom Augen- blick der Injektion ab durch Resorption verringert werden. Im Falle der Hervorbringung typischen osmotischen Lungenödems, wo ja die große Füllung zwei Stunden u. m. vorhanden ist, bleibt die Frequenz- erhöhung auch noch in der zweiten Stunde bestehen; sie ist aber auch hier in der ersten halben Stunde am größten (s. später). Genaueres über die Beeinflussung der Atmung durch die künst- liche Füllung erfährt man durch die Messung der Atemgröße (Vo- lumen in ’der Min.) und Atemtiefe (Volumen des einzelnen Atem- zuges). Dies geschah mittels des Jacobj - Dreserschen Verfahrenst). Obwohl der Atemwiderstand möglichst klein gehalten wurde, machte er sich doch stets, namentlich bei kleinen Tieren, bei den Messungen dadurch bemerkbar, daß während dieser die Atemfrequenz sank. Dies wurde geringer, als zur Trennung von Ein- und Ausatmungsluft statt der üblichen Müllerschen Flaschenventile Quecksilber-Celloidin Ven- tile nach Gildemeister gebraucht wurden?). Für die einzelne Be- stimmung wurden 3—5 einzelne Messungen für je 20’ gemacht. Um die Größe der Schwankungen zwischen den äußersten Werten bei den einzelnen Messungen und die Schwankungen zwischen den verschiedenen Bestimmungen kennen zu lernen, sind 2 Versuche ausführlich wiederge- geben. Versuch 47. 2,850g. Kaninchen. Nachdem an 2 Tagen fünf verschiedene Bestimmungen ausgeführt waren, wurde durch die freigelegte Trachea in etwa 20 Sekunden l ccm 47 proz. Traubenzuckerlösung injiziert und darauf bis zur Tötung (am Ende der zweiten Stunde nach der Einspritzung) fünf weitere Be- stimmungen gemacht. Siehe Tabelle I. Im ersten Stabe der Tabelle ist die Zeit der Messungen, in den beiden folgenden die Atemfrequenz unmittelbar vor bzw. nach der Bestimmung (also bei Atmung ohne Ventile) angegeben; in den folgenden Stäben Frequenz, Größe und Tiefe, und zwar bedeuten die ersten Zahlen das Mittel aus den einzelnen Messungen, die beiden in Klammern stehenden Zahlen die Grenzwerte. Aus allen Normal- werten wie aus den Werten nach der Injektion sind die Mittel berechnet. Wir sehen aus der Tabelle, daß mit Ausnahme der ersten Bestimmung, bei der das Tier vielleicht etwas aufgeregt war, die anderen Bestimmungen vor der Injektion recht gut untereinander übereinstimmen. Nach der Einspritzung geht die Frequenz deutlich in die Höhe, und die Größe nimmt etwas zu, da die Tiefe nicht entsprechend abnimmt. So bleibt es auch während der ersten 20 Minuten, dann geht die Frequenz zurück und damit die Größe, und in der zweiten Stunde sinkt diese noch etwas, da bei der gleichen Frequenz die Tiefe abnimmt. Im ‘großen ganzen ist also die Atemveränderung gering, wie man besonders aus dem Vergleich der Mittel der Normalwerte mit denen aus den Bestimmungen nach der Injektion (s. letzte Zeile der Tabelle) sehen kann. | )) Siehe Methode bei Laqueur und Magnus, ].c. 2) Herrn Prof. Gildemeister danke ich bestens für "die freundliche Über- (assung solcher Ventile. 108 E. Laqueur: Tabelle I. Kaninchen 28509. Frequenz a BN während Größe in cem Tiefe in ccm en der Bestimmung a Normalbestimmungen. 46 138 | 139 . (111—120)| 552 (510—610)|4,80 (4,25 —5,00) 40 136 | 104 | 98 ( 90—108)| 392 (360—420)|4,01 (3,47 —4,25) 22 82 | 84 76 ( 72— 81)| 364 (345—390)|4,79 (4,45 — 5,40) 17 112 99 | 92 ( 90— 93)[390 (375 —405) 4,24 (4,17 —4,35) 1 102 | 108 | 99 ( 93—108)|412 (390 — 450), 4,17 (4,07 —4,35) Mittel | 110 | 107 2 | 422 4,40 Mittel | ohne die erste | 1087109991 389 4,30 stimmung | | Nach der Einspritzung von 1,5 ccm 47 proz. Glucoselösung. on 159 | 165 144 ( 2? )| 545 ( N) DRS ? ) ee us 165 | 159 1137 (129—150)| 550 (480—660) 4,01 (3,40 — x ” Ik: 132 | — 114 (106—120)|450 (420—480) 3,95 (3,9 —4,0 ) 1 113 | — ‚113 (111—117)|410 (390—420)|3,63 (3,5 n 65) 1!/;, | 156 | — 117 (111—120)|440 (390 —480)|3,76 (3,15—4,0 ) Mittel | 144 | 125 [439 3,82 Tabelle II gibt die Ergebnisse von Versuch 48. (Kan. 1850 S). Tabelle II. Kaninchen 18509. Frequenz pro Minute Zeit in | unmittelbar | Stunden | vor | nach | während Größe in ccm der Bestimmung Tiefe in ccm Bemerkungen m Sn Normalbestimmungen. 120, 1.69) 527.1 51.(. ° 2)1320.(815 330) 22.02 116 | 60 | 48 |45( 2 9)1370(30-390)821( 27 72 | 78 | 60 | 61 ( 54— 75)|407 (330-465) 6,67 (8,35 —4,40) 68 | 69 | 57 ! 57 ( 60— 54)[341 (330-360) 5,98 (5,50—6,39) 48 | 73 | 60 | 58 ( 54— 63)|240 (210—270)4,10 (4,34—4,74) 44 | 63 | 51 | 43 ( 42— 45)|315 (270-360) 7,33 (6,45—8,00) 15514632 1854253. 5-54 A AD Mittel | 68 | 56 | 5% [351 6,7 Nach der Einspritzung von 1,0 ccm 47 proz. Glucoselösung 1/10 |147 | 150 124 (120—126)|345 (331 —375)|2,78 (2,62—3,12) ae 5/j | 177 | — | 93 ( 84-102)|299 (255—315)|3,21 (2,79—3,45)| etwas mehr D. 5), |150| 132 nn (114—138) [320 (240-360) 2,35 (1,9 —3,16)) frißt. ı [138 | 132 123 (114—132)|410 (390-—-350)|3,33 (2,96—3,66)| schwache D. 11), | — | 123 107 (102—114)|400 (330—480) |3,74 (3,24—4,2 ) Mittel | 153 | 134 |11% [355 3,00 influß d Q . Die Ba normalen Schwan Er sind hier j 5 er als in den viel aöe8: gehenden V ı vorher- Eee : : d : ersuch. T EEE : em ist . Trotz- 2352 ä ; : ; sehr d i . | Einfluß d eutlich der Euuie nn 2° er Injektion de | proz. T : s& ; zuckerlösun an a quenz zu ee Z £ u . 3 £ | sogleich ur oo - - N am m fast 150 U | der ab nach 1 Se 28 | | zusink : en sinken. Mit 32 : - ae ein enzzunah i 35 a e ents me ist = = : prechende Ab E | den er Tiefe ve \ E ü 5 se ; | 2 n EN [eX Wie) E sich wenig & e Größe Sn 2 ege 1 :; 2 telwert aus Ri en 2 = . ; M ee, en Normal a] _ : : ungen änd: | . rade um a = : | dem gekehrt wie i = - : Ben ser a 8 aren & stei A n Ve = E 2 = . | St igt in der I: 2= nz N: - 3 a | : | unde die Grö ee E as - E Stand Ka NEE cher aa. ++ 7 m r 5 ein Geri die Tiefe re > 2 3 eringes wi an : a “ |; | nımmt S eder : 5 | . EinV = : |: si erglei : Sn ir In tel vor und ich der = os 8 Fr : RE na ee 1: > ind as 3 S © Ss a SE =) ” ollkommene as a 35 . 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Laqueur: gleichen bzw. um aus ihnen ein Mittel berechnen zu können, sind die Atem- größe und Atemtiefe auch für die Oberfläche der Tiere berechnet worden. Das Ausmaß der Atmung bei verschiedenen großen Tieren hängt nämlich weniger von dem Gewicht als von der Oberfläche ab. Für diese erhält man bekanntlich einen ungefähren Anhalt, wenn man die ?/,-Potenz des Gewichts nimmt. Um die Tabelle nicht unübersichtlich zu machen, sind die einzelnen Quotienten aus Atemgröße bzw. -tiefe und -oberfläche für die einzelnen Versuche nicht aufge- führt, sondern nur die Mittel hieraus für jeden Abschnitt und jede Gruppe und dann für beide Gruppen zusammen. Diese Mittel sind bezeichnet als p. o., d.h. pro Oberfläche, wobei lqdm als Einheit gewählt ist. Außer Gewicht, Frequenz, Größe und Tiefe ist in der Tabelle noch die Zeit der Tötung der Tiere und endlich die bei der Sektion in den Lungen noch vorgefundene Flüssig- keitsmenge angegeben. Diese Menge ist berechnet als Differenz des gefundenen und des errechneten normalen Lungengewichtes.. Als normales Lungengewicht (Lunge kurz über der Bifurkation abgeschnitten) ergibt sich bei unsern Kaninchen in 12 Versuchen 3,0—5,2 g pro kg im Durchschnitt 4,26 pro kg. — Die mehr oder weniger vollständige Ausblutung macht keinen erkennbaren Unterschied. Die drei zuerst (Gruppe A) angeführten Versuche sind solche, bei denen 20 ccm Wasser eingespritzt wurden, die zwei letzten (Gruppe B) sind die bereits erwähnten Versuche mit osmotischem Ödem. Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß konstant in allen Versuchen nur die Zunahme der Frequenz und Abnahme der Tiefe nach der Einspritzung ist, ferner, daß die Frequenzzunahme fast immer in der ersten Viertelstunde am größten ist (s. a. unten). Weiter zeigt sich, daß das Verhältnis von Frequenz und Tiefe zueinander in den einzelnen Zeitabschnitten bei den verschiedenen Tieren verschieden ist, so daß die Atemgröße etwas variiert, aber, und dies ist das Wesentliche, diese Variation hat nichts Regelmäßiges. Vergleichen wir die Atemgröße in allen vier in der Tabelle mit O, I, II und III bezeichneten Abschnitten, also vor der Injektion, in der ersten Viertelstunde danach, in der folgenden halben Stunde und endlich in der ersten Hälfte der zweiten Stunde bei den einzelnen Versuchen untereinander, um festzustellen, wie oft in den einzelnen Abschnitten der größte oder kleinste Wert gelegen ist, so finden wir folgendes: In dem Abschnitt vor der Injektion ist die Atemgröße einmal am größten, zweimal am kleinsten und zweimal hat sie einen Mittelwert. Dasselbe gilt für die erste Viertelstunde nach der Injektion. Im nächsten Abschnitt ist sie zweimal am kleinsten, hat sonst Mittelwerte und im dritten Abschnitt ist sie einmal am größten und hat sonst Mittelwerte. Gleiche Unregelmäßiskeit besteht, wenn wir nur den Vergleich auf die drei Abschnitte nach der Injektion beschränken, dann hat der erste dreimal den größten, einmal den kleinsten, der zweite Abschnitt zweimal den kleinsten Wert, dreimal Mittelwerte und der dritte zweimal den größten und zweimal den kleinsten Wert. Und fragen wir endlich nur, wie ist überhaupt die Veränderung der Atemgröße nach der Injektion gegen- über dem Werte vor dieser, so ist, wenn wir zunächst die erste Gruppe vergleichen, die Atemgröße im ersten wie im dritten Abschnitt danach einmal gleich geblieben, einmal größer und einmal kleiner, im zweiten Abschnitt einmal größer und zweimal kleiner geworden, und in der zweiten Gruppe mit osmotischem Ödem ist die Atem- größe im ersten und dritten Abschnitt einmal größer geworden, einmal gleich geblieben, im zweiten einmal größer, einmal kleiner geworden. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. H. 111 Also alles zusammen, die Maxima und Minima der Atemgröße in den verschiedenen Abschnitten zeigen ein regelloses Verhalten; die Ausschläge nach den verschiedenen Seiten gleichen sich ziemlich aus, so daß, wenn wir nur die Mittelwerte — bezogen auf 1 qdm Ober- fläche —, die von den individuellen Schwankungen frei sind, ansehen, die Atemgröße in beiden Gruppen wie auch im Gesamtmittel (beide Gruppen zusammengefaßt) ziemlich konstant bleibt. Dies Ergebnis der ziemlichen Konstanz der Atemgröße ist von Interesse, weil Magnus und ich beim toxischen Ödem gefunden hatten, daß sich dabei noch vor Entstehung des Ödems ein so starker nervöser (Vagus)-Einfluß geltend macht, daß die Atemgröße sogleich nach der Vergiftung regelmäßig abnimmt, und zwar darum, weil die Tiefe des einzelnen Atemzuges so stark sinkt, daß sie auch durch eine Frequenz- erhöhung nicht auszugleichen ist (s. a. später über den Vaguseinfluß). In diesen Versuchen mit Füllung der Lunge, sozusagen von außen durch Eingießen größerer Mengen nicht hypertonischer Lösungen oder von innen (durch osmotisches Ödem), ohne weitergehende Verände- rungen der Lunge!) ist also die hervortretende Änderung der Atmung die Abnahme der Tiefe und eine damit proportionale Zunahme der Frequenz. Die letztere erklärt sich von selbst, da nur durch eine solche Zunahme bei gleichbleibendem Atembedürfnis aber abnehmender Tiefe die gleiche Ventilationsgröße zustande kommen kann. Wir sehen also als das Primäre das Sinken der Tiefe an. Warum sinkt die Tiefe? Einmal, weil durch mehr oder minder voll- ständigen Abschluß einzelner Bronchien verschiedene Teile und Teil- chen der Lunge von der Ventilation mehr oder minder ausge- schlossen werden, und dann, weil die Lunge durch die Anwesenheit von Flüssigkeit gedehnt wird. Zur Hervorbringung einer gleichen Tiefe wie vor Auftreten der Flüssigkeit wird also ein viel stärkerer Zug notwendig. Der erste Grund bedarf kaum einer weiteren Auseinandersetzung. Quantitative Angaben über die Größe und Zahl der ausgeschlossenen Partien, die ja in jedem Augenblick wechseln können, sind unmöglich. Nur ist zu sagen, daß dies Moment im Beginn der Versuche mit Ein- spritzung größerer Mengen Flüssigkeit, da diese doch erst allmählich in die Alveolen hineingesaugt wird, eine stärkere Rolle spielen wird. Was dieDehnung derLunge anlangt, so kommen zwei Faktoren dabei in Betracht, einmal muß natürlich die Anwesenheit von Flüssig- keit als solche unmittelbar dehnend wirken, dann aber führt dies mittel- bar zu einer mehr oder minder umfangreichen Blähung. !) Daß die Lunge nicht wesentlich verändert wird, ist, wie an anderer Stelle noch ausgeführt wird, aus der raschen, völligen Wiederherstellung der Tiere und den geringen Abweichungen an der Lunge bei späterer Sektion zu schließen. 112 E. Laqueur: Einen gewissen Anhalt für den Grad der Dehnung durch den ersten Faktor: die Flüssigkeit als solche gewinnen wir durch folgende Überlegung. Die Lunge sinkt zwar auch in der Norm beim Exspirium nicht völlig zusammen, aber eine Volumenverminderung darüber hinaus ist nur in beschränktem Umfange möglich (Residual- luft, deren Umfang mir beim Kaninchen noch nicht bekannt ist); solche verstärkte Exspirationen können nur aktiv sein und müßten äußerlich deutlich kenntlich werden ; wir haben wenig davon gesehen. — Die Anwesenheit von Flüssigkeit verschiebt also die Ausgangsstellung für die Inspiration. Um über den Grad dieser Verschiebung ein Bild zu gewinnen, brauchen wir nur die normalen Exkursionen, ausgedrückt durch die Atemtiefe, mit dem Volumen der in der Lunge vorhandenen Flüssigkeit zu vergleichen. Wie groß das Volumen, d.h. wieviel Flüssig- keit bei den Versuchen mit Einspritzung nicht hypertonischer Lö- sungen im einzelnen Augenblick anwesend ist, kann man wegen der schnellen und individuell verschiedenen Resorption schwer angeben; in der Größenordnung (siehe Tabelle III) wird dies aber nach den ge- wählten Mengen namentlich in frühen Zeiten nach der Injektion an- nähernd mit den durch das osmotische Ödem entstandenen Mengen übereinstimmen. Bei diesen (siehe III. Mitteilung) haben wir einen besseren Anhalt, denn innerhalb der ersten 2 Stunden sind die bei vielen Tieren angetroffenen Mengen nicht sehr verschieden gewesen, in der ersten halben Stunde eher größer als in der letzten halben Stunde. In den beiden ausführlich behandelten Versuchen Nr. 45 und 46 finden wir z. B. nach etwa 2 Stunden noch ca. 15,6 bzw. ca. 15,5 ccm in den Lungen, nach ebengenannten Versuchen über die Resorption ist jedenfalls die Menge Flüssigkeit in noch kürzeren Abständen nach der Injektion (t/,, !/; Stunde usw. danach), also in den Zeiten, in denen die Atmung gemessen wurde, nicht kleiner, sondern eher größer. In Tabelle I und II sind genauer verzeichnet, wie groß die Schwan- kungen der Atemtiefe in der Norm an verschiedenen Tagen und bei häufiger Messung sind. Bei Versuch 45 (Tab. I) war der kleinste bzw. größte Wert 3,15 bzw. 5,40, der Mittelwert 4,40 ccm; bei Versuch 46 (Tab. II) 4,34 bzw. ca. 9,0 bzw. 6,7 ccm. Der Vergleich zwischen der normalen Atemtiefe und dem Flüssig- keitsvolumen ergibt also, daß dies 2—4mal so groß ist, das bedeutet also, daß die Inspiration der mit Flüssigkeit gefüllten Lunge erst bei einer Stellung der Lunge beginnt, wo die Lunge schon so erweitert ist, als hätte sie eine ungewöhnlich tiefe Atembewegung (2—4 mal größer als normal) gemacht. Die nächste Frage ist, wie die durch die Flüssigkeit unmittelbar bewirkte Volumenzunahme der Lunge bei den hier gewählten Mengen sich zu der überhaupt möglichen Volumenzunahme verhält. Eine endgültige genaue zahlenmäßige Antwort vermag ich darauf noch 1) Siehe folgende Anmerkung. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. II. 113 nicht zu geben, indessen zeigen die bisherigen Erfahrungen, daß die überhaupt mögliche Volumenzunahme der Lunge — im Thorax und während des Lebens — eine sehr erhebliche sein kann. Und damit kommen wir auf das zweite, oben erwähnte Moment, durch das die Anwesenheit der Flüssigkeit in der Lunge eine Dehnung über die unmittelbare ee hinaus hervorruft: Blähung vieler Partien. Schon während des Lebens kann man auf Grund des perkutorisch feststellbaren Tieferrückens des Zwerchfells darauf schließen. Bei der Sektion der Tiere innerhalb der ersten Stunden nach Einspritzen von Flüssigkeit fällt stets auf, daß die Lungen mehr oder weniger unvoll- ständig zurückgesunken sind, sich steif anfühlen, etwas knistern, sehr groß sind, häufig Randemphysem zeigen und deutlich stellenweise ge- bläht sind. Die Volumenzunahme, das sieht man auf den ersten Blick, ist sehr beträchtlich und meist darüber hinausgehend, als durch die Menge der noch vorhandenen Flüssigkeit zu verstehen ist. Mittels einer ziemlich rohen, von Berenstein im Hermannschen Laboratorium schon vor etwa 30 Jahren angewandten Methode haben Vries Rei- linsh und van Cakenberghe in mehreren Fällen das Lungen- volumen bei Exspirationstellung bestimmt. Nach dem Tode wurde die Trachea abgebunden und dann die herausgenommenen Lungen in eine bis zum Rande mit Wasser gefüllte Flasche eingetaucht und die über- selaufene Wassermenge bestimmt. Hierbei ergab sich in der Tat, daß das Volumen der Lungen mit Flüssigkeit deutlich größer war, als der beim Tode noch vorhandenen Gewichtsvermehrung entspricht !). Warum eine solche Blähung zustande kommt, ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Am wahrscheinlichsten scheint mir, daß sich durch Flüssigkeits- tröpfehen in den Bronchiolen ventilartige Verschlüsse bei der Exspiration bilden. Bei der Inspiration wird die Flüssigkeit leichter in die relativ großen Alveolen hineingesaugt, bei der Exspiration aber ein Flüssigkeitsteilchen rail. leicht in die engsten Bronchiolen hineingepreßt, und so eine vollständige Entleerung der Alveolen verhindert, wodurch allmählich eine Blähung eintreten muß. Nach dem hier Besprochenen ist es also ohne weiteres verständlich, daß es für das Tier vorteilhafter sein muß, die normale Ventilations- sröße dadurch zu erreichen, daß die weit über die normale Inspi- rationsstellung hinaus gedehnte Lunge nur flach weiteratmet und dafür entsprechend schneller, vorteilhafter als etwa die ursprüngliche Tiefe beizubehalten, also die Dehnung bei jeder Inspiration sehr stark zu er- höhen, nur um die Frequenz nicht zu steigern. l) Anmerkung bei der Korrektur. Von einer Wiedergabe der bei Abfassung der Arbeit noch wenigen Versuche ist hier abgesehen, da der ganzen Frage der Blähung der Lunge seitdem genauer nachgrgangen ist, und diese demnächst unter Anführung entsprechender Beispiele mit genauer Methode behandelt wird. : Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. S 114 E. Laqueur: Ein Zeichen, daß bereits bei der verminderten Atemtiefe die Inspirationsanstrengung gegenüber der Norm gesteigert ist, — also um so mehr bei einer normalen Tiefe gesteigert sein würde —, erkennt man durch Messung des Pleuradruckes. Dieser ist ja ein Ausdruck des Zuges, der auf die Lungenaußenfläche wirkt. Der ‚‚nega- tive‘ Druck nahm bei Katzen, wie Magnus und ich!) feststellten, sehr erheblich zu, wenn Flüssigkeit in die Lunge injiziert wurde oder toxisches Ödem entstanden war. Zum Beispiel fiel er von — 6cm Ag. nach Einspritzung von 10 ccm physiolo- gischer Kochsalzlösung auf — 12cm und nach weiteren 10 ccm auf — 18 cm!), Abgesehen von dem rein mechanischen Moment der großen Deh- nung der Lunge durch die Anwesenheit der Flüssigkeit und durch die Blähung, ist, im Zusammenhange damit ein nervöses Moment be- teiligt, das der Vertiefung der Atmung entgegenwirkt: die Reizung der Vagusfasern?). Sie erfolgt bekanntlich bei der Dehnung der Lunge während der Inspiration, die Reizung wird also bei der, auch in der Exspiration, schon gedehnten Lunge bei geringer Tiefe der In- spiration erfolgen und so diese hemmen, auf diese Weise die Ex- spiration einleiten usw., kurz — die Frequenz steigern. Wir haben bisher von den zu beobachtenden Atemveränderungen, Abnahme der Tiefe und Zunahme der Frequenz, die Tiefenabnahme als das primäre hingestellt. Dies ist nicht ganz richtig, denn wir wissen, daß stärkere Reizung des Atemzentrums zu dyspnoischer Atmung, d.i. Frequenzzunahme und Vertiefung, führt. Eine stärkere Reizung des Atemzentrums wird aber in vielen Fällen nach Einspritzung von Flüssigkeit und auch beim osmotischen Ödem zunächst erfolgen, weil die Bedingungen für den Gasaustausch in der Lunge natürlich ver- schlechtert sein werden, und zwar auch — abgesehen von den schon genannten dehnenden Momenten — durch Abschluß mehr oder minder großer Partien von der Atmung infolge Bronchialverschlusses durch Flüssigkeit oder Schaum, ferner infolge der Bedeckung respirierender Alveolarflächen mit Flüssigkeit. Insofern könnten wir also in unseren Fällen ’die Frequenzzunahme auch für ein primäres Symptom der dyspnoischen Atmung ansehen. ! Wie dem aber auch sei, ob primär oder sekundär, die Frequenz- steigerung ist beim Kaninchen — bei der Katze scheint das nicht der Fall — unbedingt nötig, um Asphyxie zu verhindern. Dies geht deut- lich daraus hervor, daß, wenn die Frequenzzunahme durch beiderseitige Dlic: 2). Diese mechanische Reizung der Vagusfasern konnten wir, wie schon er- wähnt, beim toxischen Ödem von der trennen, die sich hierbei bereits im Be- ginn der Vergiftung noch vor Entstehung einer Exsudation durch die Herab- setzung der Atemtiefe geltend macht (s. oben). Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. IL 115 Vagotomie vereitelt wird, die Tiere sehr schnell ersticken. Ein solcher Versuch ist in der weiter untenstehenden Kurve (S. 126) wiedergegeben. Versuch 31. Einem Kaninchen von 2,36kg wurden 5ccm ca. 20 proz. Glucoselösung intratracheal injiziert. Danach stieg die Atemfrequenz sofort von ca. 90 auf 160, dann im Laufe der nächsten !/, Stunde bis 210, um dann auf 180 zu sinken und sich auf dieser Höhe die folgende Stunde zu halten. Als dann erst der rechte Vagus durchschnitten wurde, sank die Frequenz auf 48, die Dyspnöe nahm sehr zu; als der zweite Vagns durchschnitten war, fiel die Frequenz auf 8, das Tier war sterbend. In einem anderen Falle, wo vor der Injektion die Vagi durchschnitten war, trat sofort nach der Einspritzung schwerste Dyspnöe mit Maulaufsperren und Tod ein. Bei Vagusdurchschneidungen hat man daran zu denken, daß aber abgesehen von der Frequenzverminderung der Atmung, auch die durch Lähmung der Recurrentes bedingte Kehlkopfverengung ungünstig wirken kann. Es wurden darum Versuche angestellt, bei denen durch vor- hergehende Einführung einer Tracheal-Kanüle diese Erschwerung der Atmung nach Vagotomie verhindert war. : Auch dann starben die Tiere, als ihnen osmot. Lungenoedem bei- gebracht wurde. Entsprechende Kontrollversuche sowohl mit 'Trachealkanüle und folgender Vagotomie aberohne Ödem, wie mit Kanüle und Ödem aber ohne Vagotomie zeigten, daß solche Tiere nach 24% noch gesund waren. Ein Fall schien zunächst dem hier behaupteten Zusammenhang zu wider- sprechen. Nach einer vermeintlichen doppelseitigen Vagotomie blieb die Atmung frequent, und das Tier ging trotz osmot. Ödems nicht zugrunde. Die Sektion zeigte aber, daß der rechte Vagus noch unversehrt war. Unbe- merkt war er wohl aus dem Faden, mit dem er vor der Einspritzung der hyperton. Lösung angeschlungen war, bei dem Durchschneidungsversuch herausgerutscht. Unter normalen Umständen wird die Atemgröße nach Ausfall der Vagi zunächst nicht geändert, weil die sinkende Frequenz durch Ver- größerung der Tiefe infolge der verstärkten und verlängerten Inspi- ration ausgeglichen wird. Die unzweckmäßige tetanische Atmung führt indessen nach einiger Zeit auch zu einer Verminderung der Atemgröße — in unseren Fällen, wo eine Vertiefung in dem etwa notwendigen Ausmaße, um die Frequenzabnahme zu kompensieren (bei eben ge- nanntem Versuch 31 auf das 4- bzw. 23fache), unmöglich war, versteht man darum die schnelle Erstickung Daß eine gewisse, und zwar ziemlich beträchtliche Frequenz unbe- dingt nötig ist, um nach Füllung der Lunge mit Flüssigkeit auch durch osmotisches Ödem dem Atembedürfnis zu genügen, geht auch aus dem weiter untenstehenden Versuche 65 (S. 121) hervor. In diesem wird das Tier künstlich geatmet, und zwar recht stark, sicher ebenso reich- lich, wenn nicht ausgiebiger als es durch spontane Atmung — aus den 116 E. Laqueur: Bewegungen des Thorax zu schließen — erreicht werden kann. Trotz- dem genügt dies aber bei langsamem Tempo der künstlichen Atmung (33 pro Minute) nur eine Zeitlang, um die natürliche Atmung zu unterdrücken; nach einiger Zeit beginnt sie wieder und schiebt sich nach jedem künstlichen Atemzuge ein, so daß eine Frequenz von etwa 68 erreicht wird ; unter diese Zahl ist auch bei einer weiteren Verstärkung der künstlichen Atmung nicht zu kommen. Die Ergebnisse dieses Abschnitts sind folgende: Beim Kaninchen ist nach Einspritzung größerer Menge nicht- hypertonischer Lösung, wie auch nach Entstehen von osmotischem Ödem nach Injektion sehr geringer Mengen stark hypertonischer Lösung ohne weiteres äußerlich erkennbar die Erhöhung der Fre- quenz, dagegen fehlen oft Zeichen einer Dyspnöe. Genauere Messung der Atmung ergibt, daß die Ventilationsgröße nicht geändert ist. Es liest dies daran, daß zwar die Atemtiefe herabgesetzt, dies aber im Durchschnitt durch eine entsprechende Erhöhung’ der Frequenz ausgeglichen wird. Die Abnahme der Tiefe beruht einmal auf Ausfall mehr oder minder großer Lungenpartien durch Abschluß der zuführenden Bron- chien und Bronchiolen durch Flüssigkeit, ferner vor allem auf der Dehnung der Lunge. Diese ist herbeigeführt sowohl durch die An- wesenheit der Flüssigkeit als solche, zweitens durch eine sehr beträchtliche Blähung. Die quantitativen Verhältnisse sind einiger- maßen zu übersehen. — Durch die Flüssigkeit selbst würde der Lunge eine Stellung gegeben, die sie sonst erst bei einer Inspiration hätte, welche eine von normaler Tiefe um das 2—4fache überträfe. Durch die dazukommende Blähung entspricht aber die wirkliche Stellung der Lunge der bei einer noch viel größeren Dehnung. Die Frequenzzunahme braucht nicht nur als sekundär, als Aus- gleich der Abnahme der Tiefe, angesehen zu werden, sondern als ein primäres frühes Symptom der Dyspnöe wegen des: verschlechterten Gasaustausches, die durch die Lungenveränderung ohne weiteres ver- ständlich ist. Verhinderung der Frequenzzunahme nach doppelseitiger Vagusdurchschneidung führt darum unmittelbar zur Asphyxie und zum Tode En II. Einfluß auf den Kreislauf. Als Wichtigstes scheint festzustehen, daß ein unmittelbarer, irgend- wie wesentlicher, primärer Einfluß der Füllung der Lunge mit Flüssigkeit auf den Körperkreislauf nicht besteht. Änderungen, die wir bisher festgestellt haben, lassen sich zwanglos als sekundär, und zwar als Er- stickungssymptome auffassen. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit, II. 117 a) Einfluß auf den Herzschlag. Im wesentlichen ergab sich bei den Versuchen (ohne Ödem) mit Ein- spritzung von größeren Mengen physiologischer Kochsalz- lösung oder von Aq. dest., daß während der Einspritzungen die Frequenz des Herzschlages mehr oder minder stark herabging, und zwar oft sprungweise immer im Anschluß an jede einzelne der 4 In- jektionen von je 5ccm. Dies war besonders deutlich in den Fällen, wo während der Dauer der Einspritzung erhebliche oder gar starke Dys- pnöe entstand. Hierfür ein Beispiel.: Versuch 15. Kaninchen 1350 g. Respiration 60. Atemgröße 360 ccm. Tiefe 6ccm. Oesophagus abgebunden. Min.!) Eingriff Resp. Herzschlag | Bemerkungen = unmittelbar vor der Injektion | 63 320 | 0 ersten 5ccm Aq. injiziert | 1 120 320 | 4 zweiten 5 ccm Ag. injiziert Fe 5) 165 270 etwas Dyspn. 5 dritten 5 ccm Aq. injiziert 7 I kei 240 |Dyspnöe stär- | | ker, etwas | Rasseln N) vierten 5cem Ag. injiziert | | | 10 | 24 sS0 starke Dyspn. 13 Vagi durchschnitten ‚unregelm. 144 15 | eE unregelm. Schaum sterbend 16 | | tot In diesem Versuch sieht man deutlich, daß die Abnahme der Fre- quenz des Herzschlages mit der Dyspnöe wächst, und der Herzschlag so bis auf ein Viertel der Normalzahl sinken kann. Die Frequenz steigt aber nach Durchschneidung der Vagi. wieder bis fast auf das Doppelte, es ist also das Ganze wesentlich als Erstickungssymptom zu deuten. In einem anderen Fall, in dem ebenfalls der Herzschlag von 245 nach der zweiten Einspritzung, wo deutliche Dyspnöe eintrat, auf 200 sank, nach der dritten auf 180 und nach der vierten, während die Dyspnöe noch stärker geworden, bis auf 84 gesunken war, machte das Tier wenige Minuten danach, bis auf eine beschleunigte Atmung . (130 pro Minute), einen völlig normalen Eindruck, lief spontan und der Herzschlag betrug wieder 240; also auch hier nur ein vorüber- gehender, durch Asphyxie verständlicher Einfluß der Füllung der Lunge. Bei Entstehung von osmotischem Ödem durch hypertonische Lösungen gilt das gleiche, d.h., die Frequenz des Herzschlages geht !) Gerechnet von der ersten Einspritzung ab. 118 E. Laqueur: nur herab, wenn’ stärkere Dyspnöe entsteht, bleibt dagegen ziemlich unverändert ohne solche. Versuch 28. Kaninchen 1770g, unmittelbar vor Einspritzung Respiration 44, Herzschlag 280. 1 Minute nach Einspritzung von 5 cem 9,6proz. Glucose Respiration 72, Herz 84, starke Cyanose, starke Dyspnöe; 2 Minuten später sterbend, Lunge wog 17 g statt + 7,5g normal, also + 9,5 Flüssigkeit war in der Lunge, und mehr als +4 cem zugelaufen, Hier besteht also starke Frequenzherabsetzung mit starker Dyspnöe. Demgegenüber zeigen die beiden folgenden Versuche das Fehlen eines Einflusses auf den Herzschlag bei fehlender Dyspnöe. Versuch 29. Kaninchen 17708. Min. | Eingriff Resp. Herzschlag Bemerkungen — | unmittelbar vor der Injektion 54 240 0 | 5ccm 9,6proz. Glucose injiziert 1 . 162 schlecht Dyspnöe, | zu zählen Cyanose 3| 132 210 wenig Dyspnöe | kräftiger 10 | 120 252 wenig Dyspnöe | kräftig kaum Cyanose 30 || 120 249 keine Dyspnöe Nach 1 Stunde Tier getötet, Gewicht der Lungen + 25g statt + 7,5g für für die ursprüngliche; also +4 17,5 g Flüssigkeit in der Lunge, mehr als 12 ccm zugelaufen. Versuch 34. Katze 2570 g. Min. Eingriff Resp. | Herzschlag Bemerkungen —_ vor der Injektion 25 | 184 0 5 ccm 19,2 proz. Glucose injiziert 1 20 165 kaum Dyspnöe 8 : | 25 168 | keine Dyspnöe In der folgenden Stunde immer ziemlich dasselbe; Tier ganz normal. 65 33 2 n180 Nach 75 Minuten getötet. Gewicht der Lunge 38,5 statt + 20g normal, + 18,5 g Flüssigkeit in der Lunge, also mehr als 13 ccm zugelaufen. — Also ein Einfluß der Füllung der Lunge mit Flüssigkeit auf den Herzschlag, einerlei, ob die Füllung durch Einspritzung von außen oder durch Entstehung von einem osmotischen Ödem hervorgebracht wird, ist nur soweit festzustellen, als dadurch Asphyxie entsteht, wobei durch Erregung des Vagus die Frequenz stark herabgeht. b) Einfluß auf Blutdruck. Auch hier gilt dasselbe wie hinsichtlich der Beeinflussung des Herz- schlages. Es fehlt ein unmittelbarer Einfluß der Füllung aufden Blutdruck. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. TI. 119 Nach den Versuchen!) an phosgenvergifteten Katzen, bei denen sofort nach der Vergiftung, noch vor jedem Ödem, eine Blutdruck- senkung eintrat, die im Laufe der Vergiftung mit zunehmendem Ödem stärker wurde, konnte man daran denken, daß auch durch die Füllung der Lungen mit Flüssigkeit, besonders durch Entstehen eines osmo- tischen Ödems, eine Blutdrucksenkung einträte. Es ist indessen nichts davon festzustellen. Die Versuche wurden in der üblichen Weise an der Carotis mittels Hg-Mano- meter an Ludwigs Kymographion angestellt?). Da die Tiere die hierbei gewöhn- liche Rückenlage beim Ödem schlecht vertrugen, wurden sie nach Einbinden der Kanülen auf den Bauch festgebunden und auch in dieser Lage nach Auf- richtung bis etwa zum Winkel von 45° die intratracheale Einspritzung vor- genommen. Versuch 20. Kaninchen 2060 g, linke Carotis mit Manometer verbunden Min. Eingriff Ba a Resp. Bemerkungen —_ unmittelbar vor der Injektion 126 65 0 3 ccm 5,2 proz. Glucoselsg. injiz. oe 166 Dyspnöe 1 146 38 BE 2 Oesophagus abgebunden 126 wenig Dyspnöe 3 2 ccm 5,2 proz. Glucoselsg. injiz. 31), 186 stärkere Dyspnöe 31/, 146 38 4 5 ccm 5,2 proz. > 5 41), 180 großblasiges Rasseln 4°), 160 5 5 ccm 2,5 proz. 55 BP 6 164 24 starke Dyspnöe Ü 5 ccm 5,2 proz. 2 N 170 9 & 24 Herz 180 10 Vagi durchschnitten 101), 140 11 158 20 Herz 240, stärk- ’ ste Dyspnöe, Cy- anose, Schaum 12 178 14 setzt aus 15 r. Carotis m. einer Kanüle verb. 16 daraus verblutet 170 |unregelm. . 16!/, | erst nach + 30 ccm Blut Senkung auf 120 17 58 Stillstand 18 Krämpfe 100 ’ 2) Laqueur und Magnus, |. c. ?) Zwei Versuche habe ich im Pharmakologischen Laboratorium in Utrecht ‚ausgeführt, wofür ich Herrn Prof. Magnus meinen besten Dank sage. 120 E. Laqueur: Gewicht der Lunge 34,3 g statt des ursprünglichen Gewichts + 8,6 g, also + 26 ccm Flüssigkeit vorhanden, also statt der Resorption sogar noch ca. 6 cem zugelaufen. (An Stelle von Agq. oder isoton. Kochsalzlösung ist hier isoton. Glucose- lösung zur Injektion benutzt worden, wobei die Resorptionsverhältnisse andere sind [siehe III. Mitteilung.) Wie aus Obenstehendem hervorgeht, steigt der Blutdruck jedesmal nach Einspritzung isotonischer Glucoselösung gleichzeitig mit Auf- treten von Dyspnöe, er geht aber, wenn diese geringer wird, wieder zurück. Bei den folgenden Versuchen wurde stärkeres osmotisches Ödem erzeugt: Versuch 64. Kaninchen 18508. In Äthernarkose aufgebunden, Vagi an- geschlungen. Min. Eingriff B rt Resp. Bemerkungen = unmittelbar vor der Injektion 12502 76 0 l ccm 54proz. Glucoselsg. injiz. 1 127 160 |Spur Dyspnöe Nasenflügelatmg. 5 119 156 ) 119 152 13 137 16 138 138 19 etwas erwärmt keine Dyspnöe, macht , Beweggn. 21 139 144 26 135 162 27 137 126 30 138 117 32 linker Vagus durchschnitten 321/, | 143 1l4 Respirat. tiefer 1.189 5 133 136 37 | rechter Vagus durchschnitten 374g 155 Dyspnöe 39: | 153 84 R 40 | durch Nackenstich getötet Der Blutdruck zeigt fast während des ganzen Versuchs sehr‘ wenig Schwan- kungen; nach einem geringen Herabgehen in den ersten 10 Minuten steigt er danach, ebenfalls unbedeutend, um sich auf dieser Höhe zu halten. Auch außer der vermehrten Atemfrequenz besteht keine irgendwie deutliche Atmungsver- änderung. Nur am Schluß, nachdem beide Vagi durchschnitten waren, und so bei Herabsinken der vorher gesteigerten Atemfrequenz Dyspnöe auftrat, stieg der Blutdruck etwas. Daß ein starkes Ödem entstanden war, zeigte die Sektion, die Lunge war überall ödematös, besonders stark auch äußerlich in den beiden Oberlappen verändert. Sie wog 20,1 g statt ursprünglich ca. 7,8 g, d. h. abgesehen von dem Il cem injizierter Flüssigkeit sind noch ca. ll ccm zugelaufen. In der Pleura war ca. 2cem Flüssigkeit. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. IL. 121 Es war noch zu überlegen, ob nicht eine primäre, durch die Füllung der Lunge doch etwa entstandene Blutdrucksenkung verdeckt und ausgeglichen würde durch eine möglicherweise vorhandene psychische Erregung und durch Reizung des Vasomotorenzentrums; beides könnte durch Verschlechterung der Ventilation zustandekommen, auch selbst wenn die Verschlechterung nicht zu einer äußerlich ohne weiteres er- kennbaren Dyspnöe führte. Um dies zu prüfen, wurde noch ein Versuch angestellt, wobei ein- mal das Tier narkotisiert war, und weiter durch dauernde künstliche Atmung, die während des Versuchs noch verstärkt wurde, einer Ver- minderung des Gasaustausches möglichst entgegengearbeitet wurde. Versuch 65. Kaninchen 2050 g, Narkose, künstliche Atmung (Äther 3 : 10 Meyer-Schlitzhähne), Vagi angeschlungen. Min. | Eingriff ; a Bemerkungen — | vor der Injektion 76 0 || 1 ccm 54 proz. Glucoselösg. injiziert 1 80 künstl. Resp. 33, dazwi- 3 80 schen immer 1 natürl. At- | | mung, zus. 68 pro Min. 8 | künstliche Atmung verstärkt 17780 22 16 keine natürl. Atmung mehr 23 176 29 16 wieder je 1 natürl. Atmg. | | zwischen der künstlichen 31 | künstl. Atmung noch mehr ver- stärkt, Äther weg 76 bleibt dasselbe 33 78 r ) 34 | Vagi durchschnitten 0 79 35 1151.88 natürl. Atmung vertieft 38 || durch Nackenstich getötet Bei diesem Versuch mit Narkose und künstlicher Atmung ist der Blutdruck fast völlig konstant während der ganzen Beobachtungszeit, abgesehen von einer sofortigen, sehr geringen Senkung bei der doppelseitigen Vagotomie, gefolgt von einer mäßigen Steigerung. Die künstliche Atmung genügte durch ihr langsames nicht über 33 pro Minute zu steigerndes Tempo dem Atmungsbedürfnis nicht vollständig, so daß das Tier zunächst immer einen natürlichen Atemzug nach jedem künstlichen machte. Als dann die künstliche Atmung verstärkt wurde, hörte die natürliche Atmung zunächst auf, begann aber nach einiger Zeit wieder und war dann auch durch _ eine weitere Verstärkung der künstlichen Atmung nicht mehr zum Verschwinden zu bringen. Daß aber beide Arten zusammen vollkommen dem Atembedürfnis genügen, konnte man an der ruhigen Weise der natürlichen Atmung und ihrem relativ langsamen Tempo erkennen. — Das in diesem Versuch entstandene Ödem war recht beträchtlich, die Lunge wog 25,1 g statt des ursprünglichen Gewichts von ca. 8,7 g, also abgesehen von dem einen injizierten Kubikzentimeter waren ca. 15 ccm zugeströmt. 122 E. Laqueur: D Als das Wesentliche dieses Versuchs ergibt sich also, daß auch, wenn keine psychische Erregung oder eine Reizung des Vasomotoren- zentrums durch ungenügende Ventilation anzunehmen ist, wodurch eine etwa entstandene Blutdrucksenkung kompensiert werden könnte, der Blutdruck völlig konstant bleibt. Wir dürfen also schließen, daß ein Einfluß der Füllung der Lunge mit Flüssigkeit, auch durch Zuströmen von innen heraus, bei einem typischen Ödem, auf den Blutdruck nicht besteht. c) Einfluß auf den Lungenkreislauf. Es bliebe nun noch die Wirkung im besonderen auf den Lungen- kreislauf zu untersuchen. Nach dem Fehlen eines Einflusses auf den Körperkreislauf ist von vornherein nicht sehr wahrscheinlich, daß eine hochgradige Beein- flussung des kleinen Kreislaufs besteht; denn wäre dies der Fall, dann müßte sie durch irgendwelche kompensatorische Maßnahmen im großen Kreislauf gerade ganz ausgeglichen werden, da nur so die Konstanz im Körperkreislauf verständlich wäre. Am wenigsten ist ein Einfluß durch Füllung der Lunge von außen mit isotonischer Flüssigkeit, wie z.B. bei Versuch 20 zu erwarten, theoretisch eher möglich in den Fällen von wirklicher Ödembildung mit Durchtränkung der Wände, wobei man eine Behinderung des Capillar- kreislaufs o. dgl. sich vorstellen kann. Indessen wissen wir durch Ver- suche von Magnus!) an der isolierten Katzenlunge, daß nur ein Ödem, das sehr stark ist, ein erhebliches Kreislaufhindernis abgibt. So fand Magnus bei Lungen, die 14,5 bis 16g pro Kilogramm wogen, das ist für Katzen gerade etwa das Doppelte gegenüber der Norm, normalen Blutdurchfluß, bei Lungen über 22 p. K. dagegen eine ver- minderte und bei phosgenvergifteten Tieren mit Lungengewichten von 33—57 g pro Kilogramm die geringste Durchströmung. Im Vergleich hiermit haben wir es bei unseren Versuchen nur mit einer mäßigen Gewichtsvermehrung der Lunge zu tun, in den beiden hier zuletzt ge- nannten Blutdruckversuchen wogen die Lungen 11 und 12 g pro Kilo- gramm, das bedeutet beim Kaninchen eine 21/),—23/,fache Vermehrung gegenüber der Norm. Insofern ist es darum vielleicht nicht unbe- rechtigt, anzunehmen, daß ein osmotisches Ödem dieser Grade kein erhebliches Strömungshindernis abgeben wird. — d) Klinische Kreislauferscheinungen. Die, im wesentlichen negativen, Ergebnisse über die Beeinflussung des Kreislaufs durch die Füllung der Lunge mit Flüssigkeit können wir noch durch Folgendes ergänzen. Unter allen — jetzt wohl mehr 1) Laqueur und Magnus, l.c. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. I. 123 als 90 — Versuchstieren mit Füllung durch größere Mengen nicht- hypertonischer Lösungen oder mit osmotischem Ödem ist spontan kein einziges Tier am ‚Herztod‘“ gestorben, soweit man dies nach dem Verlauf und der Sektion sagen kann, sondern sämtliche spontan Ge- storbene hatten Schaum in den Luftwegen und auch noch ziemliche Mengen Flüssigkeit in den Lungen: sie sind erstickt (siehe erste Mit- teilung). Auch klinisch zeigten sich, wie eben gesagt, wenn überhaupt Er- scheinungen festzustellen, nur solche von seiten der Atemorgane, mit Ausnahme eines einzigen Tieres, das nach Einspritzung von 20 cm Ag. auch noch eine halbe Stunde danach und länger einen auffallend matten und kranken Eindruck machte, sich kaum auf den Füßen halten konnte, und während der Beobachtungszeit gelegentliche Dyspnöe mit deut- licher Cyanose, dies auch noch nach 1!/, Stunden zeigte. Dabei war an den Lungen nicht viel zu bemerken, und auch bei der Sektion, nach- dem das Tier 1!/, Stunden nach der Einspritzung fast moribund war und dann verblutet wurde, konnte man weder Schaum finden, noch an den Lungen weitgehende Veränderungen. Diese waren nur noch etwas gebläht und enthielten etwa 21/,g Flüssigkeit. Dagegen zeigte sich Flüssigkeit im Pericard und vor allem Knötchen an der Mitralis, die wahrscheinlicherweise eine Verengung bedingt hatten. ‚Wenigstens sprach hierfür, daß während des Lebens noch vor der Einspritzung Prof. de Vries Reilinsh ein deutliches präsystolisches Geräusch über der Herzspitze gehört und ‚wahrscheinlich Mitralstenose‘“ notiert hatte. Also gerade dieser, zunächst als Ausnahme imponierende, Fall, in dem das Tier auffallende klinische Erscheinungen dargeboten hatte, die an eine schwere und längerdauernde Beeinträchtigung des Kreis- laufs denken ließen, wird zu einer Bestätigung der Regel: daß eine solche bei normalen Tieren durch Füllung der Lunge mit Flüssigkeit nicht geschieht, sondern wohl nur, wenn das Herz bereits geschädigt ist, wie z. B. hier durch einen Klappenfehler. — Die Ergebnisse dieses Abschnittes sind kurz folgende: Die nach Füllung der Lunge mit Flüssigkeit bzw. durch osmo- tisches Ödem bisher beobachteten Kreislaufänderungen sind restlos durch die dabei auftretenden asphyktischen Besgleit- erscheinungen zu erklären. Im besonderen sinkt die Frequenz des Herzschlages gleich- zeitig mit Zunehmen der Dyspnoe und bleibt bzw. wird ohne solche normal. Die Frequenzabnahme ist Folge von Vagusreizung. Nach doppel- seitiger Vagotomie stellt sich die Frequenz zum Teil wieder her, indessen erliegen die Tiere wegen der sinkenden Atemfrequenz schnell diesem Eingriff. 124 E. Laqueur: Der Blutdruck wird nicht beeinflußt, außer daß gelegentliche und vorübergehende Steigerungen gleichzeitig mit Erscheinungen von Dyspnöe auftreten. — Es ist nichts von einer primären Senkung nach- zuweisen, die etwa durch eine gleichzeitige psychische Erregung oder Reizung des Vasomotorenzentrums verdeckt und ausgeglichen würde. Daß der Lungenkreislauf im besonderen stark verändert wird, ist nach diesen negativen Erfahrungen am großen Kreislauf nicht an- zunehmen, im besonderen sprechen auch die Versuche von Magnus an der isolierten Katzenlunge in diesem Sinne, da sich hierbei nur höhere Grade von Lungenödem als starkes Strömungshindernis erwiesen haben. Für die relativ geringe Beeinflussung des Gesamtkreis- laufes spricht noch das Folgende: Kein einziges unter mehr als 90 Tieren (mit Einspritzung in die Lunge und mit osmotischem Ödem) zeigte andere. (gegebenenfalls auch zum Tode führende) Symptome als solche, die restlos durch Erschwerung der Atmung zu erklären sind, außer einem: bei diesem war vor dem Versuch und nachher bei der Sektion ein Herzfehler nachzuweisen. II. Einfluß auf das Blut. Ein Einfluß von der Flüssigkeitsfüllung als solcher auf das Blut war nicht zu erwarten, sondern nur von der Art der Entstehung dieser Füllung: das Abströmen von Flüssigkeit aus dem Blut in die Lunge konnte bei der raschen Entwicklung des osmotischen Ödems für die Zusammensetzung des Blutes von Bedeutung sein. Bei der Phosgenvergiftung hatte sich ergeben, daß sich danach eine sehr starke Bluteindiekung entwickelt!): die Zahl der Erythrocyten sinkt im Kubikmillimeter außerordentlich. Dies wurde von uns statt durch Zählung mittels Hämoglobinbestimmungen festgestellt. Mag- nus!) hat dann weiter besonders auf den Zusammenhang zwischen Größe der Ödembildung und der Stärke der Bluteindickung hingewiesen. Nach ihm läßt sich aus der prozentischen Hämoglobinveränderung unter der Voraussetzung, daß der absolute Gehalt des Hämoglobins gleichbleibt, die Veränderung der Gesamtmenge des Blutes er- rechnen etwa auf folgende Weise: Unter der Annahme, daß die normale Blutmenge ca. 7% des Körpergewichts?) beträgt, sei diese berechnet zu b, dann ist, wenn der Hb-Gehalt vor der Vergiftung p Prozent ist, die gesamte im Körper vorhandene Hb-Menge h = r2 . I) Laqueur und Magnus, 1.c. 2) Wenn die tatsächliche Blutmenge beim Kaninchen statt 7% des Körper- gewichts, wie hier den späteren Berechnungen zugrunde gelegt ist, nur 5 oder 6,5%, beträgt, so würden sich die Zahlen für Blutmenge und Flüssigkeits- austritt auf den beiden untenstehenden Kurven und der Tabelle IV etwas ändern müssen. In neuesten Bestimmungen gibt Salvesen (Journ. of biol. Chem. 40, 109 (1919) 5%, Mac Quarrie, Irvine und Nelson C. Davis (Americ. Journ. of physiol. 51, 257 [1920]) 6,2—8,1°,, im Mittel 6,5% an. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssiekeit. Il. 125 Wird nach der Vergiftung oder dem Eingriff der Prozentgehalt zu p, be- 100 Ah stimmt, so ist, wenn Ah gleichbleibt: db, — a usw. Also je größer p,, je mehr Hb gefunden wird, um so kleiner b,, d.i. die Flüssigkeit, in der es verteilt ist. Auf diese Weise hatten wir!) aus den Hämoglobinbestimmungen berechnet, wieviel Flüssigkeit aus dem Blut verloren war. Aus einer Reihe von Versuchen ergab sich eine Mittelzahl, die annähernd ebenso eroß war als die, welche die Zunahme des Lungengewichts im Durch- schnitt angab. Mit anderen Worten: die Flüssigkeit, die das Blut verlor, konnte man im Ödem der Lunge wiederfinden, oder umgekehrt: die Blutveränderung ist nur sekundär, Folge des Auslaufens durch die geschädigten Alveolar- und Capillarwände in der Lunge. Soviel Wahrscheinliches diese Anschauung für sich hat, so bleibt der Einwand, der uns übrigens auch öfters gemacht wurde: man ar- beitet an vergifteten Tieren, bei denen auch primäre Schädigungen des Blutes bzw. Schädigungen von Capillaren in anderen Gebieten als nur in der Lunge gesetzt sein könnten, so daß darum keine genügend schnelle Ergänzung der einmal aus dem Blut ausgetretenen Flüssigkeit statt- finden könne. Es hatte darum Interesse, diesen Zusammenhang von Lungenödem und Blutveränderung an unseren ganz reinen Fällen nachzuprüfen. Bei Tieren, wo die Bildung des Ödems durch Einspritzung von Wasser anziehenden, im übrigen unschädlichen Lösungen geschieht, ist der oben genannte Einwand natürlich hinfällig. Zunächst ergibt sich auch die Tatsache, daß in sämtlichen unter- suchten Fällen zu einem Zeitpunkt innerhalb der ersten 2 Stunden nach der Einspritzung — längere Zeiten kommen bei unseren bisherigen Versuchen wohl nicht in Betracht — der Hb.- Gehalt höher war als vor der Einspritzung. Das Blut wurde aus der Ohrarterie genommen, sodaß man wohl von verschiedener Zusammensetzung des Blutes in verschiedenen venösen Ge- bieten frei war. In den ersten Fällen wurde der Hb-Gehalt nach Fleischl- Miescher, in den späteren nach Sahli bestimmt. Am Ende wurde eine Bestimmung aus dem Gesamtblut gemacht. Hierbei ist auch noch zu be- rücksichtigen, daß durch die Verdünnung, die beim Verbluten in den späteren Portionen des Blutes sich geltend macht, ein höherer Hb-Gehalt als vor dem Ver- such a fortiori für eine während des Lebens stattgefundene Eindiekung beweisend ist. Die Bestimmungen durch Sahli unterscheiden sich bei größerer Übung, wenn mehrere Bestimmungen hintereinander im Abstand von !/, Stunde gemacht werden, meist nur um höchstens 2!/, Grade — sind dagegen für Normalbestim- mungen vor den Versuchen die Zwischenräume größer, in denen auch das Kanin- chen aus seiner gewöhnlichen Umgebung herausgenommen und in einem engen Käfig im Laboratorium gehalten wurde, so betrugen die Schwankungen mehr. Zum Vergleich mit den Bestimmungen nach der Einspritzung haben wir darum nur die letzten unmittelbar vor dieser gemachten Bestimmungen verwertet (s. unten bei Tab. IV). 1) Laqueur und Magnus, |. ce. 126 E. Laqueur: Anbei folgen die Kurven von 2 Fällen als Beispiele. In Kurve I von Ver- such 31 ist die Zeit die Abszisse, der Hb-Gehalt, nach Fleischl bestimmt, ist in unterbrochener Linie als Ordinate aufgetragen. Gleichzeitig ist die Atemfre- quenz (ausgezogene Linie) aufgezeichnet. Wir sehen, daß der Hb-Gehalt 15 Minuten nach der Einspritzung gestiegen ist, nach einer halben Stunde noch weiter gestiegen und nach 1 Stunde wieder etwas gefallen, aber dann immer noch höher als vor der Einspritzung ist. Gleich- zeitig mit dem Hb-Gehalt nimmt die Atemfrequenz sehr stark zu. Nachdem erst der rechte, dann der linke Vagus durchschnitten, fällt die Atemfrequenz (s. Ab- schnitt I); das Tier stirbt. Eine Hb-Bestimmung aus dem Gesamtblut ergibt, 220 200 S R 180 2 / \ eng S — N 160 N A) IS Swo 7 ES N RE 0 S720 16 . SR N le S700 15 N) EN D 80 74 Ri Q 60 713 Se x Die Zahl 7 75 - N a 8 40 12 SE SS Wa S NEN 20 9 5 IV SE 0% Nor 3%20 6/7] 40 50 yR 70 20 30 40 50 FR 70 20 Abb. 1. daß das Blut auch nach fast 1!/, Stunden nach der Einspritzung etwas eingedickt ist. Wie stark die Eindickungen im Augenblick der Hb-Bestimmungen sind, d.h. wieviel Flüssigkeit aus dem Blute getreten ist, ist in Kubikzentimeter (die Zahlen in Klammern) neben der Hb-Kurve vermerkt. Am Ende des Lebens waren etwal8 ccm weniger Flüssigkeitals vor der Einspritzung im Blute, und das Lungengewicht (einschließlich Schaum, aber verringert um das Gewicht der eingespritzten Flüssigkeit) betrug etwa 17 g mehr, als dem normalen Gewicht entspricht, d.h. es sind etwa 17 ccm eingelaufen. Ein weiteres Beispiel gibt Abb. 2 von Versuch 48. Hier ist der Hb-Gehalt nach Sahli bestimmt und Grade des Hämometers als Ordinaten aufgetragen. Da 100 Sahligrade —= 17,3%, Hb sind, so läßt sich aus deren Änderung ebenso die Flüssigkeitsveränderung im Blut errechnen, wie bei unmittelbarer Hb-Bestim- mung nach Fleischl. Vor der Einspritzung sind drei Hb-Bestimmungen gemacht, die ersten zwei am Tage vorher in 7 Stunden Abstand, die letzte, 1!/, Stunden vor der Einspritzung, ist zur Berechnung des im Blute vorhandenen Hb benutzt Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. II. DT und damit als Grundlage für die Zahlen (die in Klammer stehenden) des Flüssig- keitsaustritts aus dem Blute gebraucht worden. Wir sehen, wie auch hier bereits t/, Stunde nach der Injektion der H b-Gehalt gestiegen ist, das Tier zeigte dabei leichte Dyspnoe. Diese nimmt im Laufe der nächsten !/, Stunde zu und bleibt in der folgenden Stunde etwa auf dieser Höhe. Der Hb-Gehalt steigt weiter mit einer geringen Schwankung und erreicht nach mehr als 1!/, Stunden sein Maximum. Das Tier wird durch Verbluten getötet, Leider ist die Hb-Bestimmung aus dem Gesamtblute verloren gegangen. Der Wasseraustritt aus dem Blut war 10 Minuten vor dem Tode etwa 20 ccm, der Einlauf von Flüssigkeit in die Lunge 19,3 g. In diesen beiden in Kurven dargestellten Versuchen ist also die Übereinstimmung der Größe der Bluteindiekung, gemessen am Aus- 78) ose ınlracheat g S 70 S S N ss engezjö8ed] EIN 7m (| )-füssigkeits- 9 N 5 dem Blut 65 r* + —— ar Lung: 134972 - len e (el AR Hämoglobin in Graden nach Sahli 600 tritt von Flüssigkeit mit der Größe der Zunahme der Lunge an Flüssig- keit eine fast vollkommene. \ Eine Übersicht über alle Versuche mit Hb.-Bestimmungen sehen wir in Tabelle IV. Neben der Versuchsnummer, Gewicht der Tiere in Gramm, ist angegeben, wieviel und welche Art Lösung injiziert, wie lange nach der Einspritzung der Tod eingetreten ist. In der folgenden Spalte ist angegeben, wie groß das Gewicht der Lunge einschließlich des am Ende desLebens aus der Trachea ausgelaufenen Schaumes pro kg Tier ist; die nächste Spalte gibt an, wieviel Gramm zugelaufen sind (berechnet in der oben S. 125 angegebenen Weise). Es folgen dann mit An- gabe der Zeit in Stunden die Hb-Bestimmungen, und zwar erst die vor. und in den nächsten Spalten, die nach der Einspritzung gemacht sind. Die Zahlen be- deuten, sofern sie unter 20 sind, Prozent Hb, bestimmt nach Fleischl, so- fern sie über 50 sind, Grade nach Sahli. Aus den Änderungen des Hb-Gehalts gegenüber dem letzten unmittelbar vor der Einspritzung bestimmten Werte ist dann die Änderung des Flüssigkeitsgehaltes im Blut in Kubikzentimeter angegeben; und zwar bedeuten die Zahlen ohne Vorzeichen, daß soviel ausgetreten ist und die Zahlen mit + davor, daß Flüssigkeit eingetreten, also das Blut verdünnt ist. In der Tabelle sind unterstrichen einmal die Zahlen, welche angeben, wieviel Gramm in die Lunge eingelaufen sind, und ferner die, welche angeben, um wie- viel am Ende des Lebens das Blut eingedickt ist. 128 BE. Laquenr: Tabelle IV. | | Br Lunge Hämoglobin Flüssie- N Gewicht, Injektion ns : zuge- | vor d.Injektion inachd. Injektion keitsaus- Bemerkungen | | Min. > ke ‚laufen Zeit c: a ... lin % od. tritt aus | b in cemt)| „) | in'%o oder 5°) Zeit h $3) Blut 1770%) 5 cem. 9,7%/,Glue.| 8| 9,6 4,53 | !%/,| 12,06%, el 1107 7 | A) 1 11 \ OO RN 2 58| 14 12,4 | !/, 14.2 in 122) 92120 3), IMs 025 | | nl 5 1023502190, 19,3% 7 1:86.10. 38346 1101.,02 12/2 14,0 un 15,0 21 Ye 16,7 28 | 12/ı 16,0 21 on. 01536 18 2570 |5 „19,3% „ | 72| 150| 142|,| 106 2 | 010 6 (Katze) | | 8 1.1180) 6 2250 |1 „56,5% „ | 35| 103 | 18,2 |, | 70 /, | 70 | +0 | *schwanger (2180*) "le 5 11 | () Gewicht | m. | 7 12 |ohne Uterus | 1500 1 „56,5%: » | 65| 20,4 | 18,3%, | 61 Un | 17 | (Katze) | sn 6 EU 1 69 13 Re | 7 2850.) 11/,cemA7%/, » 1119) 97 141 | 18) 19:78 ln 83 +0 1 | 83; 88 a | 8 +2 | | In | +2 | | 1 85 +6 | C/h, 8l =-5 | | mn 9 1 1850 |1 ccm 47%, „ 1130| .12,6 | 14,5 | 21 | 67,67,685| %, | 67 10 | 17 | 66; 65; 65.5 | 1 66,5 g | & in | 88 7 7a 64 4 | | 2 172030) 12/accmAuy, , | 95 1,6133 17 76, 705 | 002 a0 m | 2a 69,5; 72 h, 73 9 A 76 10 ji U 12, | 1%/a 80 14 | n.T. ! 84 23 !) „Zugelaufen‘“ ist die Differenz des gefundenen Lungengewichts (einschließ- lich ausgeflossenen Schaums) und dem aus Körpergewicht und Injektionsmenge errechneten Gewichte. ?2) Die Zahlen unter 20 sind Prozent Hämoglobin nach Fleischl be- stimmt, die über 50 bedeuten Grade Hämoglobin nach Sahli. ®3) n.T. =nach dem Tode, und zwar ist die Hämoglobinbestimmung im Gesamtblut gemacht. 4) Sofern nichts vermerkt handelt es sich um Kaninchen. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. II. 129 Tabelle IV. Fortsetzung. | Lunge Hämoglobin 7 a Flüssig- Nr. | { Re 1a: zuge- vor d. Injektion \nachd. Injektion keitsaus- B k | T. |Gewicht Injektion jnach echt = | AR ae emerkungen | | Er D- K. Iimcomi)| x | in % od. 8?) | Zeit h |" Gen Blut | i | | | 48 2280 l"/gcem47°%/,Gluk. 105 13,4 | 19,3 22 | © 1, 1675, 11 | | 15 | 65,5 a2 205 | 1a 12/2) 68 | 5/6 "71,5 20 | Wal 2270, u 16 la 02:50 12 | un | 12/20 1.02:5 21 501 1670 |1%/, „ 47% „ | 3| 10,2 8s4| 2| 53,5 ; | | | | 127%10.54 In. T.2)| 68*| 1% |*a.d. Herzen 49 | 1750 1%, „47%, „ | 6| 114 | 1101/38) 55,54 |n.T.| 63*| 19 *a.d. Herzen 30 2370 5ccm 1,8%, NaCl| 70) 63 | 04 | %,| 11,9 ae lt | | | = 13,9 23 starke Diurese | I 12n187226 | | Dans 12/908, 15 22260. 77,200% „ 291 8727| 92| 4 |: 76 IRS1/SER REF 10 | | | al 22 rlAae| 5 , „ Anurie | | | nu 7.69 1025 Vergleichen wir in jedem Versuch die fett gedruckten Zahlen mit- einander, so ergibt sich, daß die Übereinstimmung zwischen Blut- eindickung beim Tode und Zufluß in die Lunge keineswegs immer so gut ist, wie in den beiden in Kurven wiedergegebenen Versuchen 31 | und 48. Meist ist die Bluteindickung geringer, als zu erwarten war. Daß Unregelmäßiskeiten vorkommen und gerade in dieser Richtung, ist ganz selbstverständlich. Auf einen der Gründe hatte Magnus ‚beim kranken Tier schon hingewiesen, daß nämlich das Nachströmen von Flüssigkeit aus den Geweben in das Blut bei verschiedenen Indi- viduen verschieden schnell stattfinden wird. Als weiterer Grund kommt aber bei unseren Versuchen wohl noch besonders in Betracht, daß die Resorption der einmal in die Lunge abgesonderten Flüssigkeit zu verschiedenen Zeiten je nach der entstandenen Konzentration einsetzen muß. Darum ist weder die beim — willkürlich bestimmten — Tode festgestellte Bluteindiekung maximal, noch gibt das beim Tode bestimmte Lungengewicht das Maximum des Zulaufs. 1) „Zugelaufen“ ist die Differenz des gefundenen Lungengewichts (ein- schließlich ausgeflossenen Schaums) und dem aus Körpergewicht und Injek- tionsmenge errechneten Gewichte. ?) Die Zahlen unter 20 sind %/, Hämoglob. nach Fleischl bestimmt, die über 50 bedeuten Grade Hämoglob. nach Sahli. ®) n. T. = nach dem Tode, und zwar ist die Hämoglob.-Bestimmung im - Gesamtblut gemacht. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 9 130 E. Laqueur: Daß die Bluteindickung während des Lebens verschiedentlich noch größer war, läßt ja ohne weiteres die Tabelle ersehen So liegt von den 11 Tieren, die über eine halbe Stunde gelebt haben, das Maximum einmal in der ersten halben Stunde, 6mal in (besonders gegen Ende) der zweiten halben Stunde nach der Einspritzung. In 7 Fällen nahm also die Bluteindickung danach bis zum Tode ab. Trotzdem ist, da der Tod im Durchschnitt aller 14 Versuche schon nach 66 Minuten herbeigeführt wurde, die durchschnittliche Übereinstimmung der aus dem Blute ausgeflossenen Menge mit der in die Lunge eingelaufenen eine sehr gute. Es ergibt sich nämlich, daß 158cem aus dem Blute aus- _ getreten sind und 168,8 g eingelaufen. Es enthielt also im Durchschnitt beim Tode das Blut noch 11,3cem weniger Flüssigkeit als vor der Einspritzung und das Gewicht der Lunge (ungerechnet der injizierten - Flüssigkeit) war um 12,05g schwerer, d.h. bei einem spezi- fischen Gewicht von etwa 1,03 sind 11,7 ccm eingelaufen. Um noch auf einige Einzelheiten einzugehen, so sei erwähnt, daß auch zwei- "mal eine vorübergehende Verdünnung des Blutes nach der Einspritzung beobachtet wurde, Ferner besteht in 2 Versuchen ein besonders großer Unterschied zwischen der beim Tode aus dem Blut ausgetretenen Menge und der in die Lunge eingelaufenen, und zwar handelt es sich um die beiden zuletzt gestellten Versuche, in denen hypertonische Lösung von Kochsalz an Stelle der Glucose verwandt wurde. In Versuch 30 finden wir in der Lunge nur 0,4ccm mehr als zu erwarten, und dabei sind im Blute beim Tode noch 13 ccm ausgetreten, ja während des Lebens waren sogar noch mehr, nämlich 26 ccm aus dem Blute verschwunden. Im Versuch 37 liegt es gerade umgekehrt, da zeigt die Lunge einen Zulauf von über 9 ccm, das Blut ist aber beim Tode sogar verdünnter als vor der Ein- spritzung. Diese großen Unstimmigkeiten lassen sich wohl durch ein Moment, das wir bisher zu ihrer Erklärung nicht herangezogen haben, dessen Magnus aber auch gedenkt, erklären: nämlich durch die verschieden große Urinabscheidung. Die beiden genannten Versuche sind die einzigen, in denen dies besonders auffällig war und dies von uns notiert wurde, ehe wir noch wußten, daß es von irgendwelcher Bedeutung werden könnte. Im Falle des Versuchs 30 fiel die besonders große Dune auf, im Falle des Versuchs 37 die hochgradige Oligurie. In Versuch 30 wurden 5 ccm einer 1,9 proz. N ne injiziert. 19 Minuten vorher wurden mittels Katheter 24,5 ccm Urin mit 0,72% Cl entleert. Der Katheter blieb liegen, 2 Minuten nach der Einspritzung entleerten sich 28 ccm mit 0,63% Cl 18 Minuten nach der Einspritzung nochmals 13 ccm mit 0,38% Cl; bei der Sek- tion 75 Minuten nach der Einspritzung war die Blase leer. Es hat also eine lebhafte Wasserdiurese sogleich nach der Injektion eingesetzt, zugleich ist Flüssigkeit in die Lunge abgeschieden worden, aus der eingetretenen Dyspnöe zu erschließen: also die deutliche Bluteindiekung im Beginn ist ver- ständlich. Bei der Resorption der Flüssigkeit aus der Lunge, die aus der Abnahme der Dyspnöe und vor allem aus dem Fehlen der Vermehrung der Flüssigkeits- menge in der Lunge bei der Sektion zu erschließen ist, nahm die Eindickung des Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. 1. 131 Blutes ab, dies hat aber auch nach 1!/, Stunden noch nicht ganz die ursprüngliche Zusammensetzung erreicht. . Im Falle des Versuchs 37 liegen, wie schon erwähnt, die Verhältnisse gerade umgekehrt. Es wurde 1 ccm 20 proz. NaCl-Lösung injiziert. Die Lunge zeist beim Tode noch einen Einlauf von 9 cem, das Blut ist aber verdünnter als vor dem Versuch. Eine Eindickung ist 20 Minuten nach der Injektion vorhanden, in geringerem Grade noch nach 40 Minuten, dann aber tritt sogar Verdünnung ein. Was die Urinabsonderung anlangt, so verhält sie sich nun gerade umgekehrt wie in Versuch 30. Auch hier wird die Blase 12 Minuten vor dem Versuch ganz entleert, die aufgefangenen 37 ccm enthalten 0,601% Cl. Während des ganzen Versuches wurde kein Urin abgeschieden und erst beim Tode nach 1!/, Stunden fanden sich in der Blase 3,8 ccm mit 0,306% Cl. Es fehlt also nicht nur hier eine Diurese, sondern es besteht beinahe Anurie; 3,8 ccm in 1!/, Stunden bei Versuch 37 gegen 41 ccm in etwa derselben Zeit bei diesem Versuch 30. Wenn also zunächst nach der Einspritzung aus dem Blute Flüssigkeit in die Lunge gelaufen ist, so wurde die im Beginn entstehende Bluteindickung durch Nachströmen aus den Geweben und Fehlen einer Flüssigkeitsabgabe durch die Nieren ausgeglichen und sogar überkompensiert. Es liegen hier zweifellos interessante Beziehungen vor, die aber erst durch eingehendere Versuche gut aufgeklärt werden können. Die bisherigen Versuche konnten nur Andeutungen liefern. Im letzten Jahre ließ ich (im Institut für allgemeine Pathologie und Pharmakologie in Amsterdam) Herrn Dr. Meyer mit einer genaueren Methode der Haemoglobinbestimmung die Veränderung des Blutes nach Entstehung des osmotischen Ödems verfolgen, und auch da ergab sich in fast allen Fällen eine Blutverdickung. Die Methode war annähernd 10 mal so genau, d. h. die Abweichung von 2 zu gleicher Zeit entnommenen Blutproben war nur 1,0% und weniger. Anstatt mit dem festen Glasteil des Fleischl-Miescher- schen Apparates oder der Haematinlösung bei Sahli, wurden die jeweiligen Blutproben mit einer Haemoglobinlösung verglichen, und zwar mit der aus demselben Blut mittels des Autenriethschen Kolorimeters. Es wurden ferner statt der kleinen Pipetten und der kleinen Blut- mengen (10—20 cmm) bei den eben genannten Apparaten Wasser- mann-Pipetten benutzt und 100 bezw. 500 cmm Blut entnommen, und dadurch der Pipettenfehler (Blutreste an der Außenfläche usw.) — der größte Fehler bei Haemoglobinbestimmungen — sehr verringert. Es wurde in folgender Weise verfahren: Aus der Ohrarterie wurden ca. 1 ccm Blut in einem, einige Kriställchen NaFl enthaltenden Schälchen aufgefangen, von diesem Blut 0,5 ccm auf 25 ccm Aq und 2mal 0,1 cem auf 10 ccm Aq aufgefüllt. Die erste, die 2 proz. Lösung ist Standardlösurg, sie hält sich im Eisschrank wenigstens 2 Tage ganz unverändert. Durch Schütteln werden die Lösungen stets in Oxy- Haemoglobinlösungen verwandelt. Beide 1 proz. Lösungen werden mit dieser Lösung verglichen und geben also die „normalen Werte‘; für jede Lösung 9* 132 E. Laqueur: werden annähernd 10 Ablesungen gemacht und das Mittel genommen. Beide weichen wenig voneinander und den zu erwartenden 50% der Standardlösung ab. Es werden dann im Laufe des Versuchs immer wieder 10 Tropfen (ca. 0,5 ccm) Blut aufgefangen und davon 2mal 0,1 ccm Blut auf 10 ccm Blut aufgefüllt, und diese Lösung mit der Standardlösung verglichen. Bei über einen Tag währenden Versuchen wird diese immer wieder mit den beiden ersten „‚normalen‘ Lösungen kontrolliert, ergeben sich dann immer die gleichen Werte, so ist es sehr unwahrscheinlich, daß sich alle 3 Lösungen ganz gleich- mäßig verändert haben. h Der Nachteil, daß wir so nur relative Haemoglobinveränderungen be- stimmen, ist für unsere Frage hier, und sicher für eine ganze Reihe anderer, wo es nur auf die Flüssigkeitsverschiebungen in demselben Tiere ankommt, gleichgültig. Übrigens können ja durch eine gewöhnliche Haemoglobinbestim- mung nach Fleischl oder Sahli während des Versuches diese relativen Werte jederzeit in absolute umgerechnet werden. Die. Methode ist zweifellos für viel längere Zeiträume brauchbar, wenn nach dem Vorgange Bürkers und anderer, wie auf dem letzten Physiologen- kongreß in Hamburg mitgeteilt wurde, die Lösung durch Zusatz von Natrium- hydrosulfit (Merck) sogleich reduziert und in Haemoglobinlösung verwandelt werden; als solche sollen sie, gut verschlossen, unbegrenzt haltbar sein. ... - Außer durch Haemoglobinbestimmungen ist auch durch das relative Volumen, das die Blutkörperchen im Blut einnehmen, zu er- kennen, ob eine relative Vermehrung dieser, also eine Bluteindickung, nach einem osmotischen Ödem stattgefunden hat. Selbstverständlich bestehen ziemlich beträchtliche individuelle Unterschiede, aber es ist wohl kein Zufall, wenn in den 6 Fällen, in denen nach dem Tode im Gesamtblut das Volumen der Blutkörperchen bestimmt wurde!), die 3 Fälle mit geringer Haemoglobinzunahme,. also geringem Wasseraustritt, niedrigere, zum Teil erheblich geringere, Volumenzahlen haben als die 3 Fälle mit stärkerem Wasseraustritt. So beträgt z. B. das Blutkörperchenvolumen in Versuch 47 40,7% (Serum 59,3%), in Versuch 46 nur 32,1%; in dem erstgenannten Versuch sind nach den Haemoglobinbestimmungen (s. Tab. IV) 23 cem aus dem Blut verschwunden, im Falle des Versuchs 46 nur 2 ccm. In den 6 Fällen, in denen das Volumen bestimmt wurde, haben die Blutkörper der 3 Fälle, wo der Wasseraustritt mehr als 12 cem ' betrug, ein um 16% größeres Volumen als in den 3 Fällen, wo er weniger als 9ccm betrug; nämlich 41,4% durchschnittlich, statt 35,7%. Daß es sich bei den größeren Blutkörperchen-Volumina um eine wirkliche relative (d. i. in der Volumeneinheit) Vermehrung der Blutkörperchen handelt, also eine Verminderung der Flüssigkeit im Blut, nicht aber nur um eine Verschiebung in dem Sinn, daß die einzelnen Blutkörperchen durch Schwellung an Volumen zunehmen, 1) Die Volumenbestimmungen wurden durch Zentrifugieren von je 10cem defibriniertem Blut in 1—2 mensurierten Röhrchen bis zum konstanten Volu- men ausgeführt. Einfluß der künstlichen Füllung der Lunge mit Flüssigkeit. II. 133 kann man aus dem Gleichbleiben der Zusammensetzung der Blutkör- perchen, soweit dies aus dem Ol-Gehalt zu erschließen ist, annehmen. — So ist z. B. der Cl-Gehalt der Blutkörperchen in eben genanntem Versuch 46 mit einem Blutkörperchen-Volumen von 32,1%, und im Versuch 47 mit einem Blutkörperchen-Volumen von 40,7 °/, genau der gleiche, nämlich 0,180 %/,. —!) Um das wesentliche Ergebnis dieses Abschnitts zu wiederholen: Nach Entstehung eines osmotischen Ödems erfährt das Blut eine Eindiekung, die annähernd mit der Größe des Ein- strömens von Flüssigkeit in die Lunge übereinstimmt. Es liest darin die Bestätigung der von Magnus und mir ausge- sprochenen Ansicht, daß auch beim phosgenvergifteten gaskranken Tier die auffallende Bluteindickung nur eine Folge des Ödems ist und keineswegs auf primärer Beeinflussung des Blutes bzw. der Körper- capillaren zu beruhen braucht. — Wegen einer Zusammenstellung aller Ergebnisse sei auf die Zusammenfassungen hinter den einzelnen Abschnitten verwiesen. !) In diesem Zusammenhang sei auf die kürzlich erschienene interessante Arbeit von W. Lipschitz über die osmotischen Veränderungen des Blutes nach Infusion hypertonischer Traubenzuckerlösung im Arch. f. exp. Pharm. u. Path. 85, 359 (1920) hingewiesen. Das gesetzmäßige Verhalten der Richtungslokalisation im peripheren Sehen nebst Bemerkungen über die klinische Be- deutung ihrer Prüfung. Von Professor Dr. H. Köllner. (Aus der Universitäts-Augenklinik Würzburg [Direktor: Prof. Dr. wes sely].) Mit 14 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Juni 1920.) Die Richtung, in welcher ein gesehener Gegenstand erscheint, die Sehrichtung, wird, wie sich Hering!) ausdrückt, durch räumliche Relationen der Anschauungsbilder unter sich bestimmt. Sie haben weder mit dem wirklichen Sehen, noch mit den wirklichen Netzhaut- bildern etwas zu tun, und es wäre erst empirisch festzustellen, in welcher Beziehung die Anschauungsbilder zu den wissenschaftlich erforschten Netzhautbildern stehen. Nach dem Heringschen ‚Gesetz der identischen Sehrichtungen“ lokalisieren wir bekanntlich normalerweise einen Gegenstand, welcher sich in der Medianlinie befindet und auf welchen unser Blick gerichtet ist, auch bei einäugiger Betrachtung nicht nach seiner Richtungslinie, d.h. nach der vom Gegenstand durch den Knotenpunkt des Auges gedachten Geraden, beim fovealen Sehen, also der Blicklinie, vielmehr entsprechend der Blicklinie eines imaginären Zyklopenauges in der Mitte zwischen rechtem und linkem Auge. Diese Eigentümlichkeit haftet also den rechts- und linksäugigen Eindrücken in gleicher Weise an, so daß von Kries?) hier von einer Synchyse der rechts- und links- äugigen Eindrücke sprechen konnte. Freilich wurde schon bald beobachtet, daß eine derartige Richtungs- lokalisation, wie sie durch die Seheindrücke bestimmt wird, durchaus keine unveränderliche ist. Das geht einmal aus der Schnelligkeit her- vor, mit welcher das Urteil über die Richtung des fixierten Gegen- standes korrigiert werden kann, z. B. wenn man ein Prisma vor das Auge setzt, ferner auch daraus, daß die Richtung bei manchen Individuen unterverschiedenen Beobachtungsbedingungen wechselnkann. Anisome- 1) Hering, Beiträge zur Physiologie. Engelmann 1861. S. 50. 2) v. Kries, In Helmholtz, Physiologische Optik. 3. Aufl. S. 464. H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten der Richtungslokalisation usw. 135 trope z. B. können für Nähe und Ferne unter Umständen die Lokali- sation bald entsprechend dem in der Medianlinie gelegenen Zyklopen- auge, bald mehr nach der Blicklinie des einen Auges hin vornehmen. Eine ähnliche Veränderlichkeit der Sehrichtung konnte v. Kries!) auch bei latenter Divergenz beobachten, und schließlich wissen wir auch, daß bei Herabsetzung oder Verlust des Sehvermögens eines Auges die Sehrichtung unter Umständen vollkommen mit der Blicklinie des gesunden Auges zusammenfallen kann !vgl. z. B. die Selbstbeobachtung Wundts?)]. Die Frage, mit welcher Regelmäßigkeit und in welchem Grade diese Abweichung der Sehrichtung von der Medianlinie des Körpers nach der Blicklinie eines Auges hin bei latenten Störungen des Muskel- gleichgewichts sowie bei einseitiger Herabsetzung der Sehschärfe vor- kommt, hat nicht nur physiologisches Interesse, es kommt ihr auch eine große praktische Bedeutung zu. Herr Prof. Wessely hatte einige einfache objektive Simulationsproben angegeben, welche auf der Unter- drückung eines der Doppelbilder eines nahen Gegenstandes beim Blicken in die Ferne beruhen), und an einer großen Reihe von Fällen festgestellt, daß bereits der geringste Grad von latentem Strabismus zu genügen pflegt, um auch bei unbedeutender Minderwertigkeit eines Auges die Unterdrückung dessen Bildes herbeizuführen, während andererseits bei erhaltenem Muskelgleichgewicht hierzu meist ein erheblicher Grad "einseitiger Sehschwäche erforderlich ist. Bemerkenswert ist nun, daß das in diesem Sinne monokulare Sehen bei Störungen des Muskel- gleichgewichts auch dann vorhanden ist, wenn die binokulare Tiefen- wahrnehmung z.B. am Heringschen Fallversuch, vollkommen unge- stört erfolgt und auch die Sehrichtung wie beim Normalen mit der Medianlinie zusammenfällt. Diese interessanten Beziehungen zwischen einseitiger Unterdrückung von Doppelbildern einerseits und der Lage der Sehrichtung wie auch dem Verhalten der Tiefenwahrnehmung anderer- seits sind auf Anregung von Herrn Prof. Wessely an der Würzburger Klinik weiterhin mit dem gleichen Ergebnis nachgeprüft worden. Liegen normalerweise die Verhältnisse für das periphere Sehen ebenso, wie für das foveale, erfolgt auch hier die Richtungslokalisation im Sinne des Zyklopenauges, so muß bei einäugiger Beobachtung die Abweichung der Lokalisationsrichtung von der Richtungslinie des Seh- objekts in der rechten und linken Gesichtsfeldhälfte, oder ich will hier gleich besser sagen, in der temporalen und nasalen, natürlich in gleichem Sinne stattfinden, wie es bei der Blicklinie der Fall ist, d.h. für das linke Auge muß im ganzen Gesichtsfelde eine Abweichung nach rechts. !) v. Kries, Graefes Archiv f. Ophthalmol. 24 (4), 117. ?2) Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie 2, 641. 1910. ®2) Wessely, Ophthalm. Gesellschaft Heidelberg 1908. 136 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten für das rechte nach links erfolgen. Abb. 1 gibt diese Verhältnisse wieder: während für das beobachtende linke Auge, welches den Punkt F fixiert, die Richtungslinien der Lichter Ol und Or die Tafel Zin / und rschneiden, müßte die Richtungslokalisation weiter nach rechts, nämlich nach ZI und Zr hin erfolgen, wenn in gleicher Weise wie beim fovealen Sehen das Zyklopenauge zum Ausgangspunkt gewählt würde. Daß diese Vorstellung richtig ist, wurde bereits von Schoen!) auf Grund seiner binokularen Versuche über die Unterdrückung von Doppel- bildern im peripheren Sehen bezweifelt. Auch v. Kries?) hält die Möglichkeit für gegeben, daß für das periphere f 9, PDehen die Verhältnisse anders liegen, als für das a äh ’ foveale, daß hier eine Verlagerung des Zentrums, a i auf welches die Sehrichtung bezogen wird, nach dem einen bzw. anderen Auge hin statt- finden kann. Ich habe nun, zunächst von anderen Gesichts- punkten aus, Untersuchungen vorgenommen über die Frage, in welcher Weise und in welcher Gesetz- mäßigkeit bei einäugiger Beobachtung eine Änderung der Lokalisationsrichtung im peripheren Sehen gegenüber dem fovealen statt- findet. Sie ergaben sehr bald bei der Mehrzahl der normalen Beobachter für die beiden Gesichtsfeldhälften ein gänz- an .. lich abweichendes, höchst charakte- Abb. 1. ristisches und schon bei oberflächlicher Untersuchung anscheinend gesetzmä- Biges Verhalten. Hiervon kann sich jeder leicht in .orientierender Weise mittels eines einfachen Verfahrens überzeugen, wie es ähnlich bereits von v. Helmholtz angewendet wurde. Man fixiert einen fernen Punkt und stellt seitlich davon in nicht zu geringem Abstand in beliebiger Entfernung vom Auge ein Licht auf, so daß es sich um etwa 10—15° exzentrisch von der Fovea abbildet. Dann hält man einen Schirm, etwa ein größeres Buch in beiläufig 30 cm Entfernung so vor sich, daß man über dessen oberen Rand hinweg gerade das Licht sieht, während die Bewegungen der Hand, mit welcher die Richtungslokalisation vorgenommen werden soll, hinter dem Buch verborgen bleiben. Nun fährt man hinter dem Buche mit der Hand in die Höhe, bis der emporgestreckte Zeigefinger an dessen oberem Rande sichtbar wird, und versucht auf diese Weise den Finger in die Richtung des exzentrisch gesehenen Lichtes zu bringen. Man wird dabei 1) Schoen, Graefes Archiv f. Ophthalmol. 24 (1). ®2) v. Kries, in Helmholtz, Physiologische Optik. 3. Aufl. der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 137. folgende Beobachtung machen: Gleichgültig, ob mit dem rechten oder linken Auge beobachtet wird, jedesmal wenn das Licht in der tempo- ralen Gesichtsfeldhälfte liest, wird der Finger am oberen Buchrande an- nähernd in der Richtungslinie des Lichtes erscheinen, d. h. Lokalisations- richtung und Richtungslinie fallen hier annähernd zusammen. Wech- selt man aber nun mit dem Auge, betrachtet man jetzt z. B. mit dem linken, während man zuvor den Versuch mit dem rechten Auge vor- genommen hatte, so daß das Licht jetzt im Bereich der’ nasalen Gesichts- feldhälfte liegt, so erscheint beiWiederholung desVersuchesder Finger an einer ganz falschen Stelle am oberen Buchrande, nämlich viel zu weit nasalwärts, annähernd etwa dort, wo dasBild desLichtes für das geschlossene Auge liegen würde. Der Ausfall dieses Versuches, besonders die Größe des ‚Lokalisations- fehlers‘‘, wie ich ihn kurz nennen will, in der nasalen Gesichtsfeldhältfte, wird die meisten, die ihn das erstemal vornehmen, überraschen !). Bei mehrfacher Wiederholung schnell hintereinander pflegt man den Lokalisa- tionsfehler durch veränderte Handstellung unwillkürlich zu korrigieren, so daß der Versuch in dieser Form dann zuweilen nicht mehr gelinst. Man verlege nun den Fixierpunkt aus der Ferne in die Lokalisations- ebene (indem man z. B. auf den oberen Buchrand einen kleinen Reiter aufsetzt), und wiederhole den Versuch: Bei der Richtungslokalisa- tion erscheint der Zeigefinger nunmehrimmerannäherndin der Richtungslinie, sowohl wenn dasLichtin der tempora- len, als auch wenn es in der nasalen Gesichtsfeldhälfteliegt. Zur genaueren Bestimmung der Richtungslokalisationen bediente ich mich eines Verfahrens, wie es ähnlich für andere Versuche bereits von Landolt, Bielschowsky, Best u. a. angewendet worden ist. Ein langes horizontales tischartiges Brett von etwa lm Länge und etwa 40 cm Breite wurde so aufgestellt, daß der Beobachter, wenn er an der einen Schmal- seite den Kopf anlegte, mit den Augen gerade darüber hinwegblicken konnte. 30 cm von den Augen entfernt ließ sich eine senkrechte Schiefertafel so einfügen, daß sie oben etwa 3cm über dem Brett hervorsah, während ihr größter Teil sich unterhalb des Brettes befand, so daß hier der Beobachter die Richtung der dar- gebotenen Sehobjekte anzeichnen konnte, ohne daß es ihm möglich war, die Stellung der Hände mit den Augen zu kontrollieren. Als Fixierpunkt diente ein beliebiges Objekt, das in wechselndem Abstande von den Augen auf dem Brette selbst oder gegebenenfalls auch noch weiter entfernt aufgestellt wurde. Die durch einen Strich markierte Mitte der Schiefertafel, welche letztere also als ‚‚Lokalisations- ebene‘ diente, wurde vor Beginn des Versuches so eingestellt daß sie in der Median- ebene des Beobachters also in der durch den Fixierpunkt gehenden Senkrechten auf der Mitte der Verbindungslinie beider Augen lag. Bei geübten Versuchs- personen ließ sich das leicht subjektiv erreichen, indem die Tafel so eingestellt wurde, daß das Doppelbild des Markierungsstriches der Tafelmitte in gleichem Abstande rechts und links vom Fixierungspunkte zu liegen kam. Im allgemeinen !) Inwieweit manche Normale ein abweichendes Verhalten zeigen, wird später erwähnt werden. 138 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten war die objektive Einstellung bequemer, indem ich einfach die Nasenwurzel an- visierte und mitihr und dem Fixierpunkte die Tafelmitte in eine Linie brachte. Der an das Brettende angelegte Kopf durfte dann nicht mehr bewegt werden. Natürlich wurde mehrmals während und nach dem Versuch nachkontrolliert, ob die Haltung auch beibehalten war. Eine Kinn-Stirnstütze erleichtert den Versuch sehr. Als Lokalisationsobjekt diente mir eine seitlich vom Fixierpunkt aufgestellte elektrische Lampe oder auch eine Kerzenflamme. Ihre Entfernung vom Auge war an und für sich belanglos, da es nur auf die Richtung ankam, Ich habe sie in etwa 2m Entfernung aufgestellt. Ihre Richtungslinien schnitten natürlich die Lokalisationstafel für jedes Auge an einer anderen Stelle in einer Anordnung. wie Abb. 3a zeigt, für das linke Auge bei Pl, für das rechte Auge bei Pr. Es wurde dafür gesorgt, daß Pl und Pr stets auf gleicher Seite vom Fixierpunkte, also beide rechts oder beide links, zu liegen kamen. Beide Punkte wurden am oberen Tafel- rande durch Kreidestriche markiert, damit der Abstand von der Markierungslinie gemessen werden konnte. Es mag vielleicht einfacher erscheinen, an Stelle des fernen Lichtes als Lokali- sationsobjekte derartige Kreidestriche zu benützen und deren Lage dann unten anzeichnen, gleichsam fortsetzen zu lassen. Allein Erschütterungen der Tafel beim Ankreiden bieten hier leichter einen Anhaltspunkt über die örtliche Lage, so daß das Ergebnis dann unrichtig werden kann. Ist auf diese Weise Haltung des Kopfes, Fixierpunkt — er mag zunächst in 90 cm Entfernung vom Auge liegen — und Stellung des Lokalisationslichtes festgelegt, so wird der Beobachter aufpefordent, das eine Auge zu schließen (dieses kann auch durch einen vorgesetzten Schirm ausgeschaltet werden) und nun so- wohl die Lage des Fixierpunktes als auch die Läge des Lichtes auf der Tafel unter- halb des Brettes mit Kreide anzuzeichnen. Der Fixierpunkt wird nun natürlich vom Normalen nicht dort markiert, wo die Blicklinie die Tafel schneidet, d.h. seitlich von der Medianlinie, sondern wird, wie schon eingangs erwähnt, entsprechend dem „Cyklopenauge“ in die Medianlinie selbst lokalisiert. — rechte Hand anoce Finke Hand Abb. 2a. \ Abb. 2b. Diese Lokalisation erfolgt ziemlich genau, auch seitens Ungeübter. Die fehlerhaften Abweichungen sowohl bei mehrfachen Versuchen bei ein und demselben Beobachter, als auch die individuellen Verschiedenheiten über- steigen an der Tafel selten 1,5 cm, was einem Winkel von etwa 5° entspre- chen würde (Abb 2a.), oft erfolgt die Lokalisation sehr genau (z.B. Abb.2b). Ähnliche normale Lokalisationszahlen hatte auch Best!) gefunden. !) Best, Graefes Archiv f. Ophthalmol. 93. | der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 139 Die Lokalisation des Lichtes erfolgt nun bei der Mehrzahl der Beob- achter in folgender Weise (es sei, um Mißverständnisse zu vermeiden, nochmals hervorgeho- = ben, daß bei allen f N) 7 5 diesenVersuchennicht ih A das Licht fixiert wird, sondern nur der in der Medianebene liegende Fixierpunkt): Liegt das Licht in der tempo- ralenGesichtsfeld- hälfte des beob- achtenden, z. B. rechten Auges (siehe Abb. 3a), beiläufig in einer seitlichen Ent- . fernung von etwa 15° vom Fixierpunkte, so erfolgt die Loka- lisation befriedigend genau entsprechend der Lage des Punktes Pr. auf der Tafel, d.h. der Strich auf der Tafel unter- halb des Brettes bildet annähernd die Fortsetzung des Markierungs- striches für das Licht. p Era ME zLEE Hierfür bietet Abb.2b ? OR ein Beispiel (der mit L bezeichnete Strich für die Beobachtung mit dem linken Auge). Die normalen Loka- lisationsfehler betra- gen auch hier zwar mehrere Grade!), doch läßt sich die un- gefähre Übereinstim- mung stets gut erken- nen, wie aus den weite- ren in dieser Abhand- lung beigegebenen Ab- bildungen hervorgeht. Gehört dagegen das Lichtbild der nasalen Gesichtsfeld- hälfte des beobachtenden Auges an, so macht sich sofort der bei [2 " un n Abb. 3a. Abb. 3b. 7a Abb. 3. Abb. 3d. ‘) Es wird gern etwas zu weit temporalwärts lokalisiert. 140 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten dem Orientierungsversuch erwähnte Lokalisationsfehler bemerkbar: der Beobachter zeichnet auf der Tafel die Stellung des Lichtes viel zu weit nasalwärts an, nahezu an die Stelle, an welcher die Richtungslinie für das nichtsehende linke Auge die Tafel schneiden würde. So entspricht z.B. auf Abb. 2b der Strich R einer Lage des Lichtes, welche durch den der Medianlinie näheren Pfeil markiert wird, wenn das rechte Auge beob- achtete. Das Licht erscheint am oberen Tafelrande 3,5 cm von der Medianlinie entfernt, wird aber in einem Abstande von 8 cm lokali- siert. Läßt man den Abstand der Richtung des Lichtes in der Median- linie unverändert, verlegt aber den Fixierpunkt weiter vom Auge weg, z. B. in eine Entfernung von 2,75 m, so wächst dieser Lokalisations- fehler in der nasalen Gesichtsfeldhälfte. Abb. 4 zeigt einen Versuch Abb. 4. Abb. 5. am linken Auge bei einem Normalen. Das Licht erscheint am oberen Tafelrande wieder 3,5 cm von der Medianlinie entfernt, wird jedoch jetzt in einem Abstande von durchschnittlich 9—9,5 cm lokalisiert. Nähert man umgekehrt den Fixierpunkt dem Auge und der Lo- kalisationsebene, so nimmt der Lokalisationsfehler ab. Liegt der Fixierpunkt in der Lokalisationsebene selbst, also bei obiger Versuchsanordnung 30cm vom Auge ent- fernt (man setzt am einfachsten einen kleinen Reiter auf die Mitte des oberen Tafelrandes), so ist der Lokalisationsfehler gänzlich verschwun- den, d.h. die Markierung auf der Tafel entspricht nunmehr fast genau der Richtungslinje des Lichtes, wie sie für das beobachtende Auge am oberen Tafelrande markiert sind. Abb. 5 zeigt einen derartigen Versuch. Das Licht erscheint in der linken Tafel- bzw. Gesichtsfeldhälfte für das rechte, in der rechten für das linke Auge wieder 3,5 cm von der Medianlinie entfernt. Die Lokalisation ist hier sowohl mit dem rechten Auge (R) wie mit dem linken (L) richtig erfolst. : der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 141 Abb. 6 veranschaulicht den gleichen Versuch bei einem anderen Beobachter. Hier wurde mit jedem Auge sowohl in der nasalen, wie in der temporalen Gesichtsfeldhälfte die Lokalisation vorgenommen, Sie erfolgte wiederum überall genau entsprechend den Richtungslinien des Lichtes. Wir sehen also an den hier angeführten Beispielen, daß die Größe des in der nasalen Gesichtsfeldhälfte auftretenden Lokalisationsfehlers Abb. 6. Abb. 7. von dem Abstande des Fixierpunktes bzw. des Horopters von der . Lokalisationsebene abhängig ist, d.h. mit ihm wächst. Es drängt sich nun sofort die Frage auf, inwieweit es sich bei diesem Lokalisationsfehler in der nasalen Gesichtsfeldhälfte um eine typische physiologische Erscheinung handelt. Schon die Untersuchung der ersten 15 normalen Versuchspersonen konnte hierüber keinen Zweifel lassen; denn bei 11 von ihnen war die Abb. 8. Abb. 9. Größe der gefundenen Abweichung auch mit verschiedenen Versuchs- bedingungen immer annähernd die gleiche, wenn man von kleineren Fehlern absieht, wie sie notwendigerweise durch ungenaue Handführung oder durch leichte Fixationsschwankungen auftreten müssen. Es wur- den gewöhnlich 6—10 Markierungen auf der Tafel vorgenommen, um die Fehlergrenzen zu ermitteln. Aus den beigegebenen Abbildungen ist ersichtlich, welchen Umfang diese Fehler etwa hatten. Ergab sich 142 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten bei Anzeichnung der Medianlinie eine nennenswerte Abweichung, so wurde sowohl mit der rechten, wie mit der linken Hand angezeichnet und bei dabei auftretenden Unterschieden (s. u.) das Mittel genommen. Bei den im folgenden angeführten Protokollen bei einer Anzahl derartiger Normaler, die unter verschiedenen Versuchsbedingungen (d.h. bei wechselnder Entfernung des Fixierpunktes und bei verschiedenem Abstande des zu lokali- sierenden Lichtes von der Medianlinie) beobachteten, sind die angeführten Zahlen Mittelwerte aus den verschiedenen Markierungen die stets auf halbe Zentimeter abgerundet wurden. Die Tafel zum Aufzeichnen befand sich durchgängig 30 cm von dem be- obachtenden Auge entfern,t das zu lokalisierende Licht in beiläufig etwa 2m Entfernung. Die Lage des Fixierpunktes wurde zuvor als Kontrolle ebenfalls auf der Tafel lokalisiert; die Lokalisation erfolgte stets richtig in der Medianlinie. l. Versuch. Linkes Auge beobachtet. Fixierpunkt 275cm entfernt. Das Licht erscheint im Abstande von 1,7 cm rechts von der Medianlinie. Beobachter Die Lokalisation erfolgt in einem Abstande von der Medianlinie an selbst 7,5 cm Dr. FR. 7,5 cm (Abk. 7) Dr. La. 7.5cm Dr. H. 5 cm 2. Versuch. Linkes Auge beobachtet. Fixierpunkt 275 cm entfernt. Die Richtungslinie des Lichtes schneidet die Tafel in einem Abstande von 3,5 cm rechts von der Median- linie. Beobachter Die Lokalisation erfolgt in einem Abstande von selbst 9—-9,5cm Dr. Fi 99,5 cm (Abb. 4} Dr. Pa 8,5 cm Dr. K. 8,5—9,5 cm Dr. La. 99,5 cm (Abb. 8) Dr. Hi 9,0 cm Dr: H 6,5 cm Dr. B 65cm 3. Versuch. Rechtes Auge beobachtet. Fixierpunkt 90 cm entfernt. Die Richtungslinie des Lichtes schneidet die Tafel im Abstande von 3,5 cm links von der Medianlinie. Beobachter Die Lokalisation erfolgt im Abstande von der Medianlinie von selbst 7,3—8,5 cm Dr. Fi. 8—-8,5 cm (Abb. 2a) Ko. 8,5 cm Li. 8,0 cm Fe. 8,0 cm Dr. Hi. o 8,5 cm Dr. W. 8,0 cm der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 143 4. Versuch. Linkes Auge beobachtet. Fixierpunkt 73cm entfernt. Die Richtungslinie des Lichtes schneidet die Tafel im Abstande von 2cm rechts von der Medianlinie. Beobachter. Die Lokalisation erfolgt im Abstande von der Medianlinie von selbst 5—6cm Dr. Fi. 5—6cm (Abb. 9) Dr. La. 5,5—6 cm 5. Versuch, Rechtes Auge beobachtet. Der Fixierpunkt befindet sich in einer Entfernung von 60cm. Die Richtungslinie des Lichtes schneidet die Tafel im Abstande von 3,5 cm links von der Medianlinie. Beobachter Die Lokalisation erfolgt im Abstande von der Medianlinie von selbst 6—-6,5 cm Ba. 6,5 cm Dr. Hi. 6,5 cm Dr. E. 6,2 cm Dr. W. 7,0 cm. 6. Versuch. Der Fixjerpunkt befindet sich in der Ebene der Tafel, d.h. 30 cm vom Auge entfernt. Die Lokalisation erfolgt bei allen Beobachtern richtig. Zur leichteren Einhaltung des Fixierpunktes!) wird hier besser mit beiden Augen fixiert und das Lichtbild des einen Auges durch einen kleinen Schirm in der Tafelebene abgedeckt: sämtliche Beobachter lokalisieren dann bei strenger Einhaltung der Fixation bzw. Konvergenz richtig (z. B. Abb.5 von Dr. La. und Abb. 6 von Dr. F). Daß die Richtungslokalisation in der nasalen Gesichtsfeldhälfte von dem Grade der Konvergenz bzw. Akkommodation abhängig ist, wie sie bei den bisherigen Versuchen durch die verschiedene Entfernung des Fixierpunktes herbeigeführt wurde, konnte ich bei mir selbst auch noch auf folgende einfache Weise feststellen : Der Fixierpunkt befand sich in der Ebene der Tafel in der Mitte, an deren oberem Rande. Beobachtete ich nun mit meinem linken Auge das mit einer Myopie von 4,0 D behaftet ist, so war für die Beobachtung keinerlei Akkomodation erforderlich, denn der Fixierpunkt lag noch etwas jenseits des Fernpunktes dieses Auges. Während ich mit meinem rechten emmetropischen Auge die Richtung richtig lokalisierte, wie eben im 6. Versuch erwähnt wurde, erfolgt sie mit dem linken Auge falsch, so als wenn dieses emmetropisch und auf einen fernen Punkt gerichtet gewesen wäre. Sowie ich aber die Myopie durch ein vorgehaltenes Kon- kavglas korrigierte und dadurch eine Akkomodation auf den Fixierpunkt erzwang, wurde sofort auch hier die Lokalisation wieder entsprechend der Richtungslinie des Lichtes vorgenommen, ganz wie mit dem rechten emmetropischen Auge. Das gleiche ergab sich, wenn ich bei dem Versuch bei meinem rechten Auge durch Vorsetzen eines Konvexglases von 3,0 D die Akkomodation ausschaltete.?) Abb. 10 1) Die Versuchung, nach dem in der Ferne stehenden Licht zu blicken, ist für viele Beobachter hierbei groß. 2) Dieser Versuch am normalen Auge, d.h. die schnelle völlige Entspannung der Akkomodation bei Beobachtung der Fixation auf das Objekt, ist natürlich für viele Beobachter nicht leicht, 144 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten gibt eine derartige Versuchsreihe für beide Augen wieder in der rechten Tafel- hälfte für das linke, in der linken für das rechte Auge. Es wurde in unregelmäßigem Wechsel das Konkav- bzw. Konvexglas vorgesetzt und entfernt. Man erkennt deutlich die regelmäßige falsche Lokalisation bei Ausschalten der Akkommodation (die Markierungsstriche fallen viel zu weit nach außen von der oben angezeichneten Richtungslinie des Lichtes) und die richtige bei Akkommodationsanspannung (die Markierungsstriche stimmen wieder mit der Richtungslinie überein, entsprechend Versuch 6). Diese Protokolle mögen genügen, um zu zeigen, daß bei der Mehr- zahl der Normalen der Lokalisationsfehler in der nasalen Gesichtshälfte stets der gleiche war. Um gute Beobachter zu haben, wurden als Ver- suchspersonen in erster Linie Kollegen verwendet, die sich in liebens- würdiger Weise für die Beobachtung zur Verfügung gestellt hatten, Ko, Li, Fe und Be waren poliklinische Patienten, denen ich eine ge- nügend genaue Beobachtung und hinreichende Geschicklichkeit zu- trauen konnte. Auf die Ausnahmen, wie sie z.B. Dr. H. und Dr. B. bei Versuch 1 und 2 zeigten, komme ich noch zurück. Die Ursache des gesetzmäßigen „Lokalisationsfehlers‘“. Wenn man beispielsweise mit dem linken Auge nach dem in der Medianlinie befindlichen 90 cm entfernten Fixierpunkt blickt, so er- scheint dieser natürlich am oberen Rande der Lokalisationstafel nicht über deren Mitte, sondern nach links davon, und zwar bei einem Pu- pillenabstande von etwa 6 cm — auf feinere Unterschiede kommt es hierbei nicht an — 2 cm nach links, da sich die Tafel in 30 em Ent- fernung vom Auge befindet. Alles, was an dieser Stelle erscheint, wird also bei der Markierung auf der Tafel in die Medianlinie verlegt, d.h. also gewissermaßen 2 cm zu weit nach rechts. Würde die gleiche Lo- kalisationsverschiebung in der ganzen nasalen Gesichtshälfte gleich- mäßig stattfinden, so müßte dadurch ein regelmäßiger Lokalisations- fehler stattfinden, in dem gleichen Sinn wie oben angegeben: das Licht müßte an jeder Stelle des Gesichtsfeldes um 2 cm weiter nach rechts lokalisiert werden, als es am oberen Tafelrande geschehen wird. Je mehr der Fixierpunkt in die Ferne rückt, um so mehr würde dieser Lokalisationsfehler wachsen, um mit 3 cm, d.h. dem halben Pupillen- abstande, sein größtes Ausmaß zu erreichen, wenn die Augen nahezu parallel stehen, der Fixierpunkt also angenähert im Unendlichen liegt. Umgekehrt müßte der Lokalisationsfehler abnehmen, wenn der Fixier- punkt näher an die Tafel heranrückt, um endlich ganz zu verschwinden, wenn beide in gleichem Abstande vom Auge sich befinden. Da dieses Verhalten, nämlich das Anwachsen des Lokalisations- fehlers, mit der Entfernung des Fixierpunktes und sein Verschwinden, wenn die Lokalisationsebene mit dem Fixierpunkt oder richtiger ge- sagt, mit dem Horopter annähernd zusammenfällt, in der Tat bei den der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 145 obigen Versuchen zutrifft, könnte man zunächst versucht sein, hierin die einfache Erklärung für das Phänomen zu suchen. Dann würde allerdings in der temporalen Gesichtsfeldhälfte diese Abweichung nach rechts fehlen, aber ein derartiger Unterschied zwischen beiden Gesichts- feldhälften wäre immerhin denkbar. Allein die oben angeführten Zahlen, wie auch die Abbildungen zeigen sofort, daß die Abweichung der Lokalisation von dem Ort, wo das Licht wirklich gesehen wird, regelmäßig viel zu groß ist, als daß eine derartige Erklärung in Frage kommen kann. Ich habe, um darzutun, wie groß der Lokalisationsfehler an den verschiedenen Stellen des Gesichtsfeldes ist, meine eigenen Beob- achtungen auf Abb. 11 wiedergegeben: das rechte Auge war das beobachtende, der Fixierpunkt befand sich in 90 cm Entfernung, das Licht wurde nacheinander in die verschiedenen Richtungen gebracht, welche am oberen Tafelrande durch Striche gekennzeichnet sind. LEE 7 2. 2 ß rechtes Auge linkes Auge Abb. 10. Abb. 11. Hierbei zeigt sich, daß ich in der rechten (temporalen) Gesichtsfeld- hälfte bis ziemlich nahe an den Fixierpunkt die Lokalisation durchaus annähernd richtig vornehme, daß dann, wenn das Licht in der Richtung des Fixierpunktes liegt (2 cm rechts von der Medianlinie D bei Strich 5) die Lokalisation, wie erwartet werden muß, in die Medianlinie erfolst, und daß schließlich in der linken (nasalen) Gesichtsfeldhälfte der Lokali- sationsfehler schon in kurzer Entfernung vom Fixierpunkte erheblich zunimmt. Ich will nicht behaupten, daß alle normalen Beobachter das genau gleiche Verhalten zeigen, doch dürften nach den obigen Ver- suchszahlen jedenfalls keine prinzipiellen Unterschiede auftreten, wenn man von den nicht schon genannten und noch zu besprechenden Aus- nahmen absieht. Abb. 11 läßt übrigens erkennen, daß angenähert gleichen Winkel- abständen des Lichtes rechts und links von dem Fixierpunkt (ausge- drückt durch die Entfernung 5—3 und 5—7 der kleinen Striche am oberen Tafelrande) auch bei der Richtungsmarkierung wenigstens an- genähert gleiche Abstände entsprechen (man vergleiche Markierungs- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 10 | 146 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten striche 5—3 und 5—7), nur daß die letzteren erheblich größer sind. Die Relativität der Winkelabstände des Lichtes rechts und links vom Fixierpunkt wird also auch bei der Richtungslokalisation wenigstens für mein Auge nicht sehr wesentlich verändert, wie ja denn auch das Licht tatsächlich in diesem Falle nasalwärts und temporalwärts an- genähert gleichweit vom Fixierpunkt entfernt gesehen wird. Zum Verständnis für diese so verschiedene Richtungslokalisation in der temporalen und nasalen Gesichtsfeldhälfte müssen wir uns eines alten, nicht sehr beachteten Versuches Schöns (l.c.) erinnern: Wenn man mit beiden Augen einen Punkt in nicht zu weiter Entfernung fixiert und nun die Richtung eines seitlich stehenden Lichtes, das sich an Doppelbildern auf den rechten bzw. linken Netzhauthälften abbildet, andeutet, so lokalisiert man stets im Sinne des Bildes der nasalen Netz- haut- bzw. der temporalen Gesichtsfeldhälfte, während das andere Netz- hautbild entsprechend der nasalen Gesichtsfeldhälfte des anderen Auges vom Gehirn gewissermaßen nicht beachtet wird. Im gemeinschaftlichen Sehfelde wird also die Richtung durch das Bild bestimmt, welches der temporalen Gesichtsfeldhälfte angehört. Beim Sehen mit nur einem Auge liegen die Verhältnisse nun offen- bar ganz gleich: Die Richtungslokalisation im exzentrischen Sehen bei einäugiger Beobachtung wird nicht, wie beim fovealen Sehen, auf einen in der Mitte zwischen beiden Augen als Zentrum der Sehrichtung anzu- sehenden Punkt entsprechend dem Zyklopenauge bezogen, vielmehr ergibt sich folgendes Gesetz: in der temporalen Gesichts- feldhälfte erfolgt die Lokalisation richtig, d.h. annähernd entsprechend der Lage des Netzhautbildes. In der nasalen Gesichtsfeldhälfte dagegen findet dieLe- kalisation annähernd entsprechend der Lage statt, welche die mit dem Netzhautbilde korrespondierende Stelle auf der nasalen Netzhauthälfte des anderen (nicht sehenden) Auges einnehmen würde, wenn auch dieses Auge auf den Fixier- punkt gerichtet wäre. Abb. 3b möge dieses Lokalisationsgesetz erläutern. Das linke ge ‘ist auf den in der Medianebene liegenden Fixierpunkt F gerichtet. Das in der rechten (nasalen) Gesichtsfeldhälfte liegende Licht O wird über der Tafel L bei Pl gesehen. Die Lokalisation erfolgt nun nicht bei Pl, sondern so, als wenn das rechte Auge auf F gerichtet wäre und das Licht nun auf der korrespondierenden Netzhautstelle dieses Auges, d.h. um den gleichen Winkel wie FlO nach rechts von Fr gesehen würde, d.uhinipeiwelz Liegt der Fixierpunkt in der Lokalisationsebene, bzw. fällt diese mit dem Horopter annähernd zusammen, so fällt P natürlich in die Richtung Ol also mit Pl zusammen, und die Lokalisation erfolgt der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 147 wieder richtig, d. h. dort, wo O in der Tat von dem linken Auge gesehen wird (Abb. 3e). Während demnach bei dem Schönschen binokularen Versuch von den beiden vorhandenen Doppelbildern das eine vom Gehirn für die Lokalisation nur nicht ausgewertet zu werden pflegt, und zwar in der rechten Sehfeldhälfte das des linken, in der linken Hälfte das des rechten Auges, finden wir bei meinem oben mitgeteilten Lokalisations- gesetz die für die Physiologie des binokularen Sehens höchst bemer- kenswerte Tatsache, daß selbst beim Sehen mit nur einem Auge, also wenn nur ein Bild vorhanden ist, für die Rich- tungslokalisation in der rechten Gesichtsfeldhälfte immer das rechte, in der linken Gesichtsfeldhälfte das linke Auge, bzw. dessen jeweilige nasale Netzhauthälfte bestimmend ist, ganz gleichgültig, ob das Bild des zu lokalisierenden Objektes auf diese selbst oder auf die korrespondierende Stelle des anderen Auges fällt. Der Beweis dafür, daß bei den verschiedenen Versuchsanordnungen die Lokalisation in der Tat in Übereinstimmung mit diesem Gesetz erfolet, kann rechnerisch erbracht werden. In Abb. 3b läßt sich die Lage des Punktes P auf der Tafel L, also die Stelle, an welcher die Lokalisation erfolgen müßte, leicht trigonometrisch berechnen, und zwar aus dem halben Pupillenabstande, der Entfernung des, Fixier- punktes F, sowie der Tafel Z vom Auge und der Entfernung des Punktes Pl von der Medianlinie. Auf diese Weise läßt sich der Winkel F1O und damit auch P schnell finden. Es wäre demnach nur festzustellen, ob die so berechnete Lage von P in der Tat mit dem Lokalisationsfehler, wie er in der Strecke Pl P zum Ausdruck kommt, bei den verschiedenen Versuchen annähernd übereinstimmt. Das war nun in einer Genauigkeit der Fall, die mich selbst überrascht hat. Die nachträgliche Berechnung von P ergab bei allen guten Beobachtern kaum eine Abweichung von (4,5 cm gegenüber den Versuchsergebnissen, nämlich bei Versuch 1: 7,5 cm Abstand von der Medianlinie 3 5 239% Em 35 5. Pr 5 > BL 3: 8,lcm ” N % rF 35 er 4: 5,Bcm = as x 5 N, 55 8: 6,2cm & RE S 5 Einen weiteren Beweis endlich dafür, daß in der Tat für die Rich- tungslokalisation in der nasalen Gesichtsfeldhälfte eines Auges jeweils die korrespondierende Netzhautstelle des anderen, nicht sehenden Auges bestimmend ist, bilden die Beobachtungen an Einäugigen (s. u.). Es wäre schließlich noch der Sonderfall zu diskutieren, in welcher Weise die Lokalisation erfolgt, wenn der Fixierpunkt bzw. der Horopter 107 148 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten näher an dem beobachtenden Auge liegt als die Tafel, auf welcher die Richtung des Lichtes angezeichnet werden soll. _ Nach dem Lokalisationsgesetz könnte man vielleicht zunächst daran denken, daß nunmehr entsprechend Abb. 3d der Punkt, welcher wieder der Lokalisation des Lichtes in der nasalen Gesichtsfeldhälfte des beob- achtenden linken Auges entspricht, vielzu weit nach links zu liegen kommt, da auch hier wieder der Winkel FrP gleich dem Winkel PLLF sein muß. Aber schon bei näherer Überlegung erweist sich diese Annahme als unwahrscheinlich bzw. unmöglich. Denn die Lokalisation muß zunächst erfolgen, als wenn die Tafel im Horopter bzw. in der Ebene des Fixier- punktes läge, also für das linke Auge dort, wo sich die Linien 7 Pl und r P schneiden. Würde die Hand in der Richtung des Lichtes gegen die Tafel vorgeführt werden, so müßte sie also zunächst geradeaus nach dieser Stelle und dann im Winkel nach links gegen P geführt werden. Das ist natürlich unmöglich. Vielmehr wird die Lokalisation Kr \ A RE Abb. 12. Abk. 13. so erfolgen, als wenn der Schnittpunkt von ! Pl und r P geradeaus auf die Tafel projiziert würde. Das gleiche muß auch der Fall sein, wenn die Beobachtung mit dem rechten Auge erfolgen würde. Hier würde die Lokalisation so vorgenommen werden, als wenn der Schnittpunkt von Pr mit dem Horopter (nicht ein- gezeichnet) auf die Tafel projiziert würde. Je nach der exzentrischen Lage des Lichtes kann hierbei die Lokalisation das eine Mal annähernd richtig, das andere Mal zu weit nach der Medianebene (für das linke Auge) oder auch zu weit temporalwärts (für das rechte Auge) erfolgen. Die Ausführung des Versuches entspricht in der Tat annähernd dieser Überlegung; annähernd, denn je weiter die Tafel entfernt ist, desto größer werden auch die Fehler bei der Handführung, so daß der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 149 hier die Genauigkeit der Lokalisation im allgemeinen abnimmt. Auch der Ausfall dieses Versuches widerspricht also keineswegs meinem Lokalisationsgesetz, sondern läßt sich ebenfalls einfach aus ihm ab- leiten. Unterschiede in der Lokalisation mit der rechten und linken Hand. Läßt man die Lokalisation sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand vornehmen, so ergibt sich bei den Versuchspersonen ein verschiedenes Verhalten. Ich habe meinen Beobachtern gewöhnlich in beide Hände je ein Stück Kreide von verschiedener Farbe gegeben und sie aufgefordert, die Stellung des Lichtes auf der Tafel in unregelmäßigem Wechsel bald mit der rechten, bald mit der linken Hand anzuzeichnen.!) Ein Teil von ihnen lokalisiert fast immer mit beiden Händen nahezu an der gleichen Stelle (Abb. 2a). Bei vielen aber tritt eine erhebliche Diffe- renz auf, meist derart, daß die linke Hand mehr oder weniger weit nach rechts anzeichnet als die rechte \seltener umgekehrt). Es liegt dies offenbar daran, daß der rechte Arm immer mehr nach links herüber, der linke dagegen nach rechts herübergreift. Es fragt sich hier nur, ob dadurch nicht die Versuche ungenauer werden. Das ist aber nur in geringem Grade der Fall. Der Abstand zwi- schen den Markierungen der rechten und linken Hand ist nämlich oft im ganzen Gesichtsfeld, sowohl in der Medianebene, wie auch in der rechten und linken Gesichtsfeldhälfte, angenähert der gleiche. Die Zeiehnungen der beiden Hände auf der Tafel sind dann nur gewisser- maßen gegeneinander verschoben, während der Abstand der Striche in den seitlichen Gesichtsfeldteilen von der angezeichneten Medianlinie im großen und ganzen der gleiche ist. Man kann entweder dann das Mittel zwischen der rechts- und linkshändigen Markierung wählen, oder sich auch nur nach einer von beiden richten und den Abstand der Lokalisationsstriche in den beiden Gesichtsfeldhälften dann nicht von der wirklichen Medianlinie, sondern von der angezeichneten aus messen, falls letztere von der ersteren etwas seitlich abweicht. Im all- gemeinen zeichnet begreiflicherweise bei Rechtshändern die rechte Hand, bei Linkshändern die linke richtiger an, wie man sich an dem Markieren der Medianlinie leicht überzeugen kann. Ich pflege meist bei praktischen Versuchen die Medianlinie zur Kontrolle mit beiden Händen markieren und, falls sich hierbei zwischen rechts und links kein wesentlicher Unterschied ergibt, die Lokalisation in der rechten und linken Ge- sichtsfeldhälfte mit einer, für gewöhnlich natürlich mit der rechten Hand, vor- nehmen zu lassen. Bei größerer Differenz zwischen rechts und links wird durch- gängig mit beiden Händen angezeichnet. 1) Man muß die Kreidestücke nicht zu lang wählen bzw. sie kurz fassen lassen, damit nicht durch eine schräge Haltung fehlerhafte Abweichungen entstehen. 150 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten Ausnahmen von dem typischen Verhalten. Wie schon oben erwähnt wurde, verhielten sich zwei meiner Ver- suchspersonen insofern anders, als bei ihnen die Lokalisation des Lichtes in der nasalen Netzhauthälfte nicht so weit abwich, als es das Gesetz verlangt und wie es bei der Mehrzahl der Normalen der Fall ist. Es sind dies bei dem obenerwähnten 1. und 2. Versuch die Herren Dr. H. und Dr. B. Bei letzterem hatte nun eine eingehendere Untersuchung der Lo- kalisation sowohl mit dem rechten als auch mit dem linken Auge in beiden Gesichtsfeldhälften folgendes ergeben: Versuch bei Dr. B. Abstand des Fixierpunktes 275 cm, der Tafel 30 cm vom Auge. Das Licht erscheint in der linken Gesichtsfeldhälfte für das rechte Auge 3,5, für das linke Auge 9cm von der Medianlinie entfernt, in der rechten Gesichtsfeldhälfte umgekehrt für das linke 3,5 und für das rechte 9 cm. Die Lokalisation erfolgt: Hinsichtlich des Fixierpunktes richtig in der Medianebene. In der linken Gesichtsfeldhältte: a) Bei der Beobachtung mit dem linken Auge zwischen 6 und 7 cm von der Medianlinie entfernt. b) Bei Beobachtung mit dem rechten Auge zwischen 6 und 7cm von der Medianlinie entfernt. In der rechten Gesichtsfeldhälfte: a) Bei der Beobachtung mit dem rechten Auge zwischen 5,5 und 6,5 cm von der Medianlinie entfernt. b) Bei Beobachtung mit dem linken Auge zwischen 5 und 6cm von der Medianlinie entfernt. (Es wurden jedesmal 5—7 Markierungen vorgenommen.) Der Versuch zeigt also, daß in diesem Falle für die gewählte Ver- suchsanordnung in jeder Gesichtsfeldhälfte mit beiden Augen die Lokalisation in der gleichen Weise erfolgte, und zwar mit beiden Augen falsch, indem die Markierung annähernd in der Mitte zwischen den Stellen der Tafel lag, an denen das Licht für die beiden Augen sichtbar war, also ebenso, wie es Abb. 1 wiedergibt. Man würde demnach annehmen können, daß bei diesen Personen auch in der Peripherie bis zu einer Exzentrizität von 10—15° die Lo- kalisation tatsächlich so wie im fovealen Sehen, d. h. entsprechend dem Zyklopenauge erfolst. Meine Beobachtungen bei einer anderen Versuchsperson, die sich ähnlich verhielt, würden dafür sprechen, daß sich der Übergang von dem fovealen Sehen (Lokalisation entsprechend dem Zyklopenauge) und dem exzentrischen Sehen (Lokalisation entsprechend meinem Ge- setz) individuell an verschiedenen exzentrisch gelegenen Stellen des Gesichtsfeldes vollziehen kann. Bei ihr ließ sich wenigstens bei einem Winkel von 7° noch die erstere Art der Lokalisation, bei einem Winkel von 10—12° dagegen schon die zweite nachweisen, während bei mir der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 151 selbst und anderen auch bei 7° Abstand die Lokalisation bereits meist!) rein entsprechend meinem Gesetz erfolgt. Untersuchungen an einem größeren Material können erst über diese individuellen Verschiedenheiten weitere Klarheit schaffen, so daß ich mit Erklärungen noch zurückhaltend sein will. Mir kommt es vorerst ja nur darauf an, auf das der überwiegenden Mehrzahl der Menschen eigentümliche gesetzmäßige Verhalten bei der Richtungslokalisation in den peripheren Teilen des Gesichtsfeldes hinzuweisen. Für praktisch-klinische Versuche, auf deren Bedeutung ich am Schlusse kurz zurückkommen werde, genügt es im allgemeinen jeden- falls, wenn das Netzhautbild des zu lokalisierenden Objektes (Licht) sich um etwa 10—12° exzentrisch abbildet, weil nach meinen Er- fahrungen bei der Mehrzahl der Individuen hier die Lokalisation be- reits rein im Sinne des obigen Gesetzes erfolst. Es wäre für die Physiologie des Sehens und die ganze Frage nach der Ausdehnung, innerhalb welcher das makulare Sehen auch in dieser Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt, von Interesse, an einer größeren Reihe von Versuchspersonen zu prüfen, bei welcher Exzentrizität im Gesichtsfeld die Umstellung der Richtungslokalisation erfolgt, und in welcher Weise sie sich hier vollzieht. Ich habe bis jetzt den Eindruck, als wenn auch hier für ein und dieselbe Sehfeldstelle eines Beobachters die Verhältnisse nicht unter allen Umständen die gleichen sind. So sind demnach hinsichtlich des Verhaltens der Richtungslokali- sation in den verschiedenen Teilen des Gesichtsfeldes noch mannigfache Fragen zu beantworten, und ich möchte meine Ausführungen durchaus nicht als eine endgültige Lösung des Problems aufgefaßt wissen. Versuchsergebnisse. . Die Richtungslokalisation im exzentrischen Sehen bei einäugiger Beobachtung wird bei der Mehrzahl der Individuen nicht wie beim Sehen mit der Fovea und ihrer nächsten Umgebung auf einen in der Mitte zwischen beiden Augen als Zentrum der Sehrichtung anzusehen- den Punkt entsprechend dem Zyklopenauge bezogen, vielmehr ergibt sich hier folgendes Lokalisationsgesetz: In der temporalen Gesichtsfeldhälfte erfolgt die Lokalisation immer annähernd entsprechend der Lage des Netzhautbildes bzw. in der Richtung des gesehenen Gegenstandes. In der nasalen Gesichtsfeldhälfte dagegen findet die Lokalisation annähernd entsprechend der Richtung statt, welche der mit dem Netz- hautbilde korrespondierenden Stelle auf der nasalen Netzhauthälfte 1) Nicht immer. Zuweilen erfolgt auch bei mir hier noch die Lokalisation entsprechend dem Zyklopenauge. ; 152 \ H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten des anderen nichtsehenden Auges entsprechen würde, wenn auch dieses Auge auf den Fixierpunkt gerichtet wäre. Dabei ist anscheinend gleichgültig, in welcher Entfernung sich das zu lokalisierende Objekt befindet!). Bestimmend für die Richtungslokalisation ist also mit anderen Worten in der rechten Gesichtsfeldhälfte das rechte, in der linken Ge- sichtsfeldhälfte das linke Auge bzw. deren jeweilige nasale Netzhaut- hälfte, gleichgültig, ob das Bild des Gegenstandes auf diese selbst oder auf die korrespondierende Netzhauthälfte des anderen Auges fällt. Man kann das Gesetz auch folgendermaßen ausdrücken: In den rechten Gesichtsfeldhälften beider Augen — mit Ausnahme der näheren Umgebung des Fixierpunktes — erfolgt die Lokalisation so, als wenn die Sehrichtung mit der Blicklinie des rechten Auges, in den linken Gesichtsfeldhälften, als wenn die Sehrichtung mit der Blicklinie des linken Auges zusammenfiele?), d.h. im Sinne der alten Nagelschen Projektionstheorie. Dadurch ergeben sich bei einer Bildlage in der nasalen Gesichts- feldhälfte typische physiologische Lokalisationsfehler; diese fehlen nur dann, wenn die Richtung des gesehenen Gegenstandes in der Horopterebene (und natürlich auch jenseits derselben) markiert wird, da sich im Horopter die Sehlinien der beiden Augen schneiden. Der Lokalisationsfehler nimmt an Größe zu, je weiter der Fixierpunkt bzw. der Horopter von der Ebene, in welcher die Richtung markiert wird, in den Raum hinein entfernt liegt, und zwar wird hierbei das Objekt regelmäßig zu weit nach der Seite des nichtsehenden Auges lokalisiert. Für die Mehrzahl der Menschen stimmt die so markierte Richtung auf- fallend genau mit den entsprechend obigem Gesetz rechnerisch ermit- telten Werten überein. Von welchem Abstande vom Fixierpunkt an dieses Gesetz für die Richtungslokalisation maßgebend ist, bedarf noch weiterer Unter- suchungen. Wahrscheinlich bestehen hierbei individuelle Verschieden- heiten. Schlußbetrachtungen. So zeigt sich aufs neue wieder, daß auch beim Menschen die funk- tionelle Vermischung der beidäugigen Seheindrücke im gemeinschaft- 1) Die Richtung wird anscheinend meist so angegeben, als wenn sich das Ob- jekt im Horopter befände. Doch sind hierüber noch weitere Unteisuchungen erforderlich. 2) Die für die Umgebung des Fixierpunktes und für den zwischen den Blick- linien beider Augen liegenden Raum gültige Richtungslokalisation im Sinne des Zyklopenauges kann man sich auch so entstanden denken, als wenn die beiden Blicklinien hier in eine zusammengefallen wären. In diesem Sinne stellt die Richtungslokalisation im Sinne des Zyklopenauges zur einen Grenzfall meines Lokalisationsgesetzes dar. der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 153 lichen Sehfelde noch recht unvollkommen ist. Auch bei ihm wird die rechte Sehfeldhälfte noch weitgehend von den Eindrücken des rechten Auges, die linke von den Eindrücken des linken Auges bestritten. Schon vor einiger Zeit konnte ich an einem einfachen Versuch zeigen, daß bei der binokularen Farbenmischung vor dem Eintritt des Farben- wettstreites in der rechten Sehfeldhälfte die Farbe des rechten Auges, in der linken die des linken Auges deutlich dominiert, wobei die Tren- nungslinie beider ziemlich genau senkrecht durch den Fixierpunkt geht!). Sehr deutlich tritt dieses Überwiegen der temporalen Gesichts- feldhälften im gemeinschaftlichen Sehfelde ferner bei einem markanten Versuche Wesselys2) hervor, der für die Simulationsprüfung ein- seitiger Blindheit von großer Bedeutung ist: Wenn man im Dunkel- zimmer beide Augen schließen läßt und nun mit dem Augenspiegel von vorn das Licht einer hinter dem Beobachter stehenden Lichtquelle auf die Lider des einen Auges fallen läßt, so wird die Aufhellung fast nur in der temporalen Gesichtsfeldhälfte des belichteten Auges emp- funden und die Lichtquelle, d.h. der Spiegel regelmäßig viel zu weit temporalwärts lokalisiert. Auf diese Weise ist es dem Beobachter sofort möglich anzugeben, welches Auge das belichtete ist. Bei der Richtungslokalisation tritt diese physiologisch so wichtige und phylogenetisch so interessante Erscheinung noch viel eindringlicher zutage. Ä Hier zeigt sich erst, wie weitgehend auch beim Menschen in den höheren optischen Funktionen noch die Eindrücke überwiegen, welche von den gekreuzten Sehnervenfasern übermittelt werden, und damit an eine früher vollkommene Sehnervenkreuzung erinnern. Denn die auf dem Wege der ungekreuzten Fasern angekommenen Sehreize werden bei der Richtungslokalisation vom Gehirn so verwertet, als wenn sie an der korrespondierenden Netzhautstelle des anderen Auges auf dem Wege der gekreuzten Fasern kämen. Man sieht aus alledem, wenn ein an rechtseitiger Hemianopsie Leidender, wie nicht selten, mit der Klage zum Arzt kommt, er sähe auf dem rechten Auge nicht mehr, so hat diese laienhafte Angabe eine größere Berechtigung, als man auch in opthalmologischen Kreisen ge- meinhin anzunehmen geneigt ist. Auf die Frage, ob dieser Verschiedenheit der zentralen Bewertung der Eindrücke korrespondierender Netzhautstellen im peripheren Sehen ‚eine besondere Bedeutung für die binokulare Tiefenwahrnehmung zu- koramt, will ich hier nicht näher eingehen. Schön hatte früher ge- glaubt, diesen Verhältnissen, soweit sie ihm bekannt waren, einen ent- scheidenden Einfluß auf sie beimessen zu müssen. Wir dürfen aber 1) Köllner, Arch. f. Augenheilk. %6, 153. 2) Wessely, 85. Vers. deutscher Naturf. u. Ärzte, Wien 1913. 2 154 H. Köllner: Das gesetzmäßige Verhalten wohl eher annehmen, daß die binokulare Tiefenwahrnehmung durch diese Verschiedenwertigkeit der beidäugigen Eindrücke, wenn über- haupt, dann eher eine Hemmung als eine Förderung erleiden würde; daß in ihr die beim Tiefensehen in Erscheinung tretende Trennung der rechts- und linksäugigen Sehreize ihre Erklärung findet, erscheint mir jedenfalls wenig wahrscheinlich. Die Tatsache, daß auch beim monokularen Sehen durch die Rich- tungslokalisation in der nasalen Gesichtsfeldhälfte sich nachweisen läßt, wie die Verwertung der Seheindrücke im Zentralorgan auf Grund der binokularen Verknüpfung erfolgt, ist auch in klinischer Be- ziehung von Bedeutung. Wenn die Sehkraft eines Auges in Verlust gerät oder aus irgendeinem Grunde, wie z.B. durch Augenmuskel- lähmung, dessen Beteiligung am binokularen Sehakte unmöglich wird, so ist dadurch zwar sofort die binokulare Tiefenwahrnehmung unmög- lich. Aber es ist damit noch nicht gesagt, daß nun auch im Zentral- organ gleichzeitig eine Umwertung der Seheindrücke stattfindet. Das Zentralorgan könnte vielmehr gewissermaßen vorerst noch binokular eingestellt sein, auch wenn das Sehen in Wirklichkeit bereits monokular geworden ist. In der Tat kann man nun leicht feststellen, daß bei Einäugigen noch eine Zeitlang nach der Erblindung oder Entfernung eines Auges die Richtungslokalisation genau in der gleichen Weise erfolet, wie bei einem Normalen, dessen zweites Auge geschlossen ist, d.h. in der nasalen Gesichtsfeldhälfte des Auges noch so, als ob zu der Netzhaut- stelle, auf welcher sich das zu lokalisierende Objekt abbildet, noch eine korrespondierende des zweiten Auges vorhanden wäre, die für die Richtungslokalisation maßgebend ist (Abb. 12, Betrachtung mit dem rechten Auge, das linke fehlt). Wohingegen längere Zeit nach dem Ver- lust eines Auges meist auch die Richtungslokalisation rein entsprechend dem monokularen Sehen erfolgt. Dieses Verhalten zeigt z. B. Abb. 13: Die beiden Markierungen, welche der Lage des Lichtes in der tempo- ralen und nasalen Gesichtsfeldhälfte entsprechen, haben hier von der- jenigen des Fixierpunktes fast genau den gleichen Abstand, wie das Lichtbild rechts und links von der Medianlinie (Rr und RI), wobei die gesamte Lokalisation, einschließlich der Medianlinie nach dem sehenden Auge hin verschoben erscheint. Es war bisher nicht möglich, auf so einfache Weise festzustellen, ob im Zentralorgan die Verwertung der Seheindrücke auf Grund der binokularen Verknüpfung der Sehfeldstellen oder im Sinne rein ein- äugigen Sehens erfolgt. Denn für das foveale Sehen ist die Verlagerung der Sehrichtung nach dem einen Auge hin nicht groß genug, um sie bei Ungeübten diagnostisch verwerten zu können. Im exzentrischen Sehen mit einem Auge ist jedoch der Unterschied zwischen der „binokularen der Richtungslokalisation im peripheren Sehen usw. 155 und monokularen‘ Lokalisationsweise so groß, daß er auch bei un- geübten Beobachtern noch deutlich zutage treten kann (Abb. 14). An anderer Stelle werde ich noch näher ausführen, inwieweit wir in dieser neuen Methode ein einfaches Mittel besitzen, auch die An- gewöhnung an das einäugige Sehen zu prüfen, wie es bisher noch nicht möglich war. Hierbei ergibt sich die interessante Tatsache, daß die Umstellung von der ‚„binokularen‘‘ Richtungslokalisation in die ‚mon- -okulare“ durchaus nicht schnell erfolgt, sondern daß vielmehr hierüber meist mehrere Jahre vergehen, wobei offenbar große individuelle Unterschiede bestehen können. Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. Von Professor Dr. med. Ernst Frey. Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität Marburg an der Lahn. 'Mit 17 Textabbildungen. (Eingegangen am 3. April 1920.) Plan der Arbeit. 1. Einleitung (S. 157). II. Grundlagen der Vorstellungen des Kontraktionsvorganges (S. 157). III. Die Einzelzuckung, der Tetanus und die Kontraktur des Muskels (S. 157). IV. Der Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz (S. 160). 1. Der Verlauf des Wiederaufbaus (S. 160). 2. Der Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei verschiedener Größe der einzelnen Komponenten (S. 165). 3. Änderungen der Herztätigkeit durch rechnerische Änderungen der Stoff- wechselvorgänge (S. 167). a) Störungen der Herztätigkeit bei plötzlicher Änderung der Kohlen- säuremenge (8. 167). b) Störungen der Herztätigkeit bei Wechsel der Geschwindigkeit des Abdiffundierens der Kohlensäure (S. 168). { c) Störungen der Herztätigkeit bei Wechsel der Geschwindigkeit des Wiederaufbaus der Milchsäuremuttersubstanz (S. 169). d) Störungen der Herztätigkeit bei verschiedener Geschwindigkeit der Oxydationen (S. 169). e) Störungen der Herztätigkeit bei verschiedener Frequenz der Herz- schläge (S. 170). V. Die Erscheinungen am Herzen (8. 171). . Die Refraktärzeit (S. 171). . Die Frequenzhalbierung (S. 172). . Pulsus alternans (S. 175). Die Form der Zuckung (S. 177). Die Extrasystole (S. 178). . Superposition der Zuckungen und Tetanus am Herzen (S. 179). . Der Vagusreiz (S. 180). . Die Treppe (S. 182). . Der systolische Stillstand (Die Dtslavereitiunn) (S. 185). VI. Die autonome Reizbildung (S. 186). 10. Das refraktäre Verhalten der autonom schlagenden Kammer gegen- über Vagusreiz und Giften (S. 187). VII. Schluß (S. 187). VIII. Zusammenfassung (S. 188). III II E. Frey: Verlauf der Kontraktion am Herzen und Muskel usw. 157 I. Einleitung. Die Theorien der Muskeltätigkeit beschäftigten sich bisher alle nur mit der Muskelzuckung selbst, dem Zustandekommen einer Verkürzung überhaupt; auf die einzelnen Erscheinungen bei der Kontraktion des Skelettmuskels und Herzens haben sie noch keine Anwendung ge- funden. Und doch wird sich zeigen, daß auch unsere unvollständige Einsicht in die Vorgänge des Stoffwechsels des Muskels schon genüst, eine große Anzahl von Erscheinungen abzuleiten, die Vorstellungen von den Vorgängen näher zu umgrenzen und die Möglichkeiten der Aus- lesung einzuschränken. II. Grundlagen der Vorstellungen des Kontraktionsvorgangest). Aus den Messungen der Wärmeproduktion bei der Muskelkontrak- tion geht hervor, daß der Vorgang der Entladung der potentiellen Energie ohne nennenswerte Wärmetönung stattfinden kann, daß dagegen die Erholung mit Verbrennungsprozessen einhergeht. Es scheint dabei der Umsatz der aufgespeicherten Energie in Arbeit durch das Entstehen von Milchsäure bedinst zu sein, welche ihrerseits auf Oberflächen ‚oder auf den Quellungszustand von Kolloiden einwirkt; während der Erholung wird dann wieder die Milchsäure zu ihrer Vorstufe aufgebaut, wozu oxydative Prozesse die notwendige Energie hergeben?). III. Die Einzelzuekung, der Tetanus und die Kontraktur des Muskels. Verfolgen wir an der Hand dieser schematischen Vorstellung eine Muskelzuckung, so tritt durch einen Reiz Milchsäure in Freiheit, und zwar nehmen wir an, der gesamte Vorrat an milchsäureliefernder Sub- stanz. Dies würde dem Alles-oder-Nichts-Gesetz am Herzen entsprechen, welches wahrscheinlich auch für den Skelettmuskel Geltung hat. Durch Einwirkung auf die Oberflächenspannung oder den Quellungszustand kleiner Teilchen kommt es dann zu einer Zuckung, zu der Entwicklung von Spannung und zu einer Verkürzung. Ich wähle mit Absicht den unbestimmten Ausdruck Zuckung und Zuckungs- kurve, weil es die Darstellung erleichtert, wenn man von Quellung, also der Form- veränderung spricht; in Wirklichkeit ist vielleicht die Entwicklung von Spannung das Ursächliche; es erreicht ja auch die Spannungskurve eher den Gipfel als die Verkürzungskurve, !) O0. Frank, Thermodynamik des Muskels. Ergebn. d. Physiol. 3. 1904. 2. Teil. — Hill, Die Beziehungen zwischen der Wärmebildung und der im Muskel stattfindenden chemischen Prozesse. Ergebn. d. Physiol. 1916. 15. Jahrg. — O. von Fürth, Die Kolloidehemie des Muskels und ihre Beziehungen zu den Pro- blemen der Kontraktion und der Starre. Ergebn. d. Physiol. 1919. 17. Jahrg. ?) Höber, Die Arbeitsleistung der Verbrennungsvorgänge in den Organismen. Zeitschr. f. Elektrochemie 19, 738. 1913. Zit. nach von Fürth, Die Kolloid- chemie usf. Ergebn. d. Physiol. 17. Jahrg. 1919 (S. 505). 158 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen Es kommt also zu einer Wasseraufnahme kleiner Teilchen unter dem Einfluß der Milchsäure; es wird daher die einströmende Menge Wasser: von der Milchsäuremenge abhängig sein, wir setzen sie proportional derselben, was freilich nur annähernd innerhalb gewisser Grenzen zu- trifft. Dann ist die kleine Wassermenge dx, welche in der kleinen Zeit dt einströmt, also die Geschwindigkeit des Vorganges gleich einer- Geschwindigkeitskonstanten X mal der Milchsäure (= L). Wenn aber- die Beladung mit Wasser schon fortgeschritten ist, so wird nur noch das. Wasserdefizit für die Strömungsgeschwindigkeit maßgebend sein, oder nur noch die Menge Milchsäure, welche gewissermaßen ihr Wasser- noch nicht erhalten hat, also ZL—x. Nun nimmt aber die Milchsäure ab einerseits durch die Prozesse des Wiederaufbaus, die einsetzen müssen, sobald wieder etwas Milchsäure da ist, andererseits wohl auch durch die Absättigung der Milchsäure durch das Bicarbonat; kurz, die Milch- säure nimmt sofort nach ihrem Entstehen ab, also schon während der: Zuckung selbst. Als das Wahrscheinlichste erscheint es dabei — aber- es ist für die Betrachtung belanglos!)—, daß dieser Prozeß des Verbrauchs. der Milchsäure zuerst schnell, wenn viel Milchsäure da ist, später bei nur- noch kleinen Mengen Milchsäure langsamer vonstatten geht, indem zu jeder Zeit derselbe Prozentsatz der noch vorhandenen Milchsäuremenge aufgebaut wird; dann ist zu jeder Zeit die Milchsäuremenge gleich Ze=°* wobei c einen Geschwindigkeitsfaktor und ti die Zeit bedeutet. Denn wenn ein Stoff a in der Weise abnimmt, daß die Abnahmegeschwindig- keit immer proportional der noch vorhandenen Menge ist, so ist die Geschwindig- keit der Abnahme, also der in der kleinen Zeit di verlorengehende kleine Teil dy, dividiert durch die kleine Zeit dt gleich einer Geschwindigkeitskonstanten. c mal der noch vorhandenen Menge a — y; also dy/dt = c (a — y) oder integriert. — In(a — y) = ct + Const. Den Wert für Const. erhalten wir zur Zeit 0, wo a ) alla —y) =e-° oder a — y=ae”*!; also ist die jeweils ‚vorhandene Menge- gleich der Anfangsmenge mal e- *%. Es ist also unsere Gleichung für das Einströmen von Wasser: dx/dt = K(Le”"'—. x). Trennung der Variablen ist nicht möglich; daher de— K(Le’*" — x)dt=0; dies ist kein vollständiges Inte- gral; wird es aber durch Multiplikation mit dem integrierenden Faktor- —= ct oder- nicht nur t, sondern auch y gleich Null ist, = — Ina. Also In nen e#'; dann ergibt sich integriert: ze?! Zen Const.; z. Z_ h Br KABE su. a es 0 wird N er ao re —e*. Es folgt also das Einströmen dem Wasserdefizit; da aber die Milchsäure- dauernd abnimmt, so wird später dieses Defizit negativ, es ist mehr Wasser ein-- geströmt als dem Gleichgewicht entspricht, und geht in umgekehrter Richtung 2) und genügt zur Ableitung der Unterschiede der Beobachtungen, trotz- dem der Wiederaufbau komplizierter verläuft (s. u. z. B. refr. Phase). und Muskel auf Stofiwechselvorgänge zurückzuführen. 159 wieder hinaus. Wir erhalten also eine Kurve, welche anfangs steil ansteigt, später nach Erreichen eines Gipfels wieder abfällt. Am Schluß bleibt eine geringe Er- hebung über Null längere Zeit bestehen (— Verkürzungsrückstand). Eine solche Kurve oder ein solcher Vorgang entspricht z. B. der Auflösung eines Salzes in siedendem Wasser; fügen wir dem Wasser Salz zu, so wird davon erst viel, dann dem Sättigungsdefizit entsprechend weniger gelöst; gleichzeitig nimmt aber durch Verdunsten die Menge Wasser ab, und es kommt zum Ausfallen des Salzes. Das. Wasser entspricht der Milchsäure, das Salz dem Quellungswasser bei der Kon- traktion. Ein zweiter ähnlicher Vorgang wäre die Temperatursteigerung eines Gefäßes mit kaltem Wasser, das man in einen auskühlenden Topf mit heißem Wasser hineinstellt. Zuckungsverlauf: Zuckungshöhe zur Zeit 0,5 oder 1 oder 1,5 usw. bis 5 (Kon- stanten: X — 0,5; e—1; Z — 10,0): 1,72; 2,53; 2,49; 2,32; 2,04; 1,73; 1,43; : 1,17; 0,95; 0,76. — Bei fehlendem Verbrauch der Milchsäure würde die Zuckungs- höhe betragen: 2,22; 3,94; 5,28; 6,33; 7,14; 7,77; 8,27; 8,65; 8,95; 9,18. Es fällt sofort auf, daß die Zuckungskurve weit hinter dem Niveau zurückbleibt, das sie erreichen würde, wenn die Milchsäure nicht schon während der Zuckung verbraucht würde, daß also diese Art der Muskelzuckung eigentlich recht unökono- misch ist, weil gleichzeitig mit der Entwicklung von |} Kraft auch die Vorgänge des Unwirksammachens der causa movens einsetzen. Aber eine solche Einzel- zuckung ist auch nur ein Laboratoriumsexperiment, und alle im Körper vorkommenden Muskelzusammen- ziehungen sind tetanischer Natur und bestehen in ei en einer Reihe sich schnell folgender Reize, und die hier setzendem Wieder- : E 0 : aufbau der Milch- geschilderten Vorgänge sind die Voraussetzung für die säure zu ihrer Mut- Wirksamkeit solcher Reizfolgen: nur durch den sofort cn wieder erfolgenden Aufbau der Milchsäure zu ihrer Verbrauch der Milch-- Muttersubstanz findet der nächste Reiz schon wieder Da zersetzbares Material vor, und die vielen sich schnell folgenden Reize machen so viel Milchsäure frei, wie der Muskel in der Zeiteinheit zu Milch- säuremuttersubstanz aufbaut. Dann wird die Milchsäuremenge für einige Zeit auf dem größtmöglichen Niveau gehalten, freilich unter einer Höchstleistung des Stoffwechsels; daher sind die tetanischen Kontrak- tionen so viel größer als die Einzelzuckungen, erschöpfen aber auch den Muskel viel stärker. Eine dritte Art der Verkürzung stellt die tonische Kontraktur, die Dauerkontraktion dar, welche ohne erheblichen Stoff- wechselt), ohne Sauerstoffverbrauch?)®) und ohne Ausschläge des ab- ‚leitenden Galvanometers) verläuft. Hier z. B. beim Schließmuskel der- Muschel, fehlen die Prozesse des Aufbaus der Milchsäure, und der unter [ !) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903. S. 371. 2) Parnas, Diese Zeitschr. 134, 441. 1910. 3) Bethe, Diese Zeitschr. 142, 291. 1911. 4) Fröhlich und H. H. Meyer, Zentralbl. f. Physiol. %6, 269. 160 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen dem Einfluß der einmal entstandenen und bestehenbleibenden Milch- säure veränderte Muskel gleicht einem elastischen Band; und erst bei der Erschlaffung (z. B. unter Nervenwirkung, s. später Vaguswirkung) würden die aufbauenden Prozesse wiedereinsetzen, die im Skelettmuskel dauernd vor sich gehen, sobald Milchsäure für den Aufbau vorhanden ist. Es gibt nun Gifte, welche einen solchen Wiederaufbau der zersetz- baren Substanz hindern und dadurch die Zuckung größer machen und in die Länge ziehen; als Hauptvertreter kann das Veratrin gelten: zu- nächst zeigt der Muskel nach der Vergiftung nichts (es vertritt also nicht etwa das Veratrin die Rolle der Milchsäure) und erst auf einen Reiz hin sehen wir am Skelettmuskel die langdauernden Kontrakturen, am Herzen die Dauerkontraktur des systolischen Stillstandes!). Nach die- sen Betrachtungen müßten auch die Digitalissubstanzen, weil sie am Herzen systolischen Stillstand hervorrufen, zu veratrinähnlichen Kon- trakturen am Skelettmuskel führen, dies ist in der Tat der Fall?2). Ein Antagonist des Veratrins ist nach von Frey?) der Kalk, welcher die ab- normen Veratrinerscheinungen aufhebt, was auf eine Beschleunigung des Aufbaus der Milchsäuremuttersubstanz deutet. Daher sehen wir am träger aufbauenden Herzen nach Kalk Superpositionen und Tetanus möglich werden®). Natürlich kann eine Dehnung der Zuckungskurve auch durch Verkleinerung des Faktors K (der Quellungsgeschwindigkeit), zustandekommen, Verhältnisse, die später unter Form der Zuckung und Treppe noch erörtert werden. (Warum bei verlangsamtem Wieder- aufbau am Skelettmuskel während des Aufbaus neue spontane Zuckun- gen auftreten müssen, wie man es beim Veratrin oder bei Kalkmangel [Biedermannsche Lösung] sieht, wird später bei der autonomen Reizbildung besprochen werden.) IV. Der Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz. 1. Der Verlauf des Wiederaufbaus. Anders als beim Skelettmuskel liegen die Verhältnisse beim Herzen. Hier sind es Einzelzuckungen, mit denen der Körper arbeitet. Wenn uns auf Grund der oben entwickelten Anschauungen die Aufgabe ge- stellt würde, eine Einzelzuckung, die, wie wir sehen, die Milchsäure- menge für den Kontraktionsvorgang gar nicht ausschöpft, zweck- mäßiger, ökonomischer zu gestalten, so würden wir dahin streben, das 1) R. Boehm, Über die Wirkungen des Veratrins und Protoveratins. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. %1, 269. 1913. 2) Unveröffentlichte Versuche des Verfassers. ®) von Frey, Studien über die Wirkungsweise des Veratrins auf den quer- gestreiften Muskel. Sitzungsber. d. Physikal.-med. Ges. zu Würzburg 1912. 2, A. Walther, Zur Lehre vom Tetanus des Herzens. Diese Zeitschr. %8, 597. 1899. . und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 161 Unwirksamwerden der Milchsäure möglichst lange hinauszuschieben, das heißt aber, den Wiederaufbau der Milchsäure zu ihrer Muttersub- stanz möglichst zu verzögern. Dadurch würden wir einerseits dem ra- schen Verbrauch der Milchsäure vorbeugen und'eine bessere Ausnutzung für den Erfolg erreichen, andererseits würden wir aber dabei sehen, daß ein solches Gebilde für einen dem ersten schnell folgenden zweiten Reiz noch nicht genügende Mengen zersetzbarer Milchsäuremutter- substanz in Bereitschaft hätte, sich dem zweiten Reiz gegenüber re- fraktär verhielte. In der Tat zeigt das Herz diese Erscheinungen. Es vermeidet den unzweckmäßig raschen Verbrauch der Milchsäure, hat aber kurz nach Beginn seiner Zuckung noch nicht neue Mengen von Milchsäuremuttersubstanz zur Verfügung und baut erst allmählich steigende Mengen davon auf, es fehlt ihm die Fähigkeit der Summation der Zuckungen und des Tetanus; und so bedarf es dabei nicht der An- nahme des Eingreifens nichtmuskulöser Einrichtungen, wie etwa eines Nervensystems, welches der Muskultur neue Eigenschaften aufzwingt; die dem Skelettmuskel fehlen, sondern es handelt sich nur um quanti- tative Verschiedenheiten. Fand doch L.S. Schultzet) dieselben Eigen- schaften am Salpenherzen und konnte die Umkehr des Herzschlages auf eine Schädigung des einen Herzendes durch seine Tätigkeit selbst zurückführen, Verhältnisse, die, wie wir gleich sehen werden, auch für den Herzschlag des Wirbeltieres von ausschlaggebender Bedeutung sind. Denn wenn wir die Einzelheiten des Wiederaufbaus verfolgen wollen, so müssen wir am Herzen die rasche Aufeinanderfolge der Herzschläge berücksichtigen. Man hat schon immer die Kontraktilität wie auch die Reizbarkeit und Reizleitung in Beziehung gesetzt zu der Zeit der Erholung, also zu der Menge aufgestapelter potentieller Energie, aber dies ist nur ein Moment. Ein zweites ist die Größe des vorhergehen- den Herzschlages, welche dem Aufbau entgegenwirkt. Andeutungen in dieser Richtung finden sich in der Literatur mehrfach, eigene Unter- suchungen bestätigen sie. Für die Reizleitung hat Engelmann?) nachgewiesen, daß eine kurz vorher erfolgte Überleitung die Zeit der folgenden verlängert, aber auch für die Kon- traktionsgröße ist die eben abgelaufene Tätigkeit des Herzens maßgebend. So sagt Hofmann?) bei Beschreibung der Höhe verschiedener Zuckungen, welche teils großen, teils kleinen folgten, und bei großen noch in die letzten Stadien des Abfalles der vorigen Zuckung fielen: „Diese und ähnliche Beobachtungen zeigen !) L. S. Schultze, Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen. Jena- ische Zeitschr. f. Naturwiss. 35. N. F. 28, 221. 1901. ?) Th. W. Engelmann, Über den Ursprung der Herzbewegungen und die physiologischen Eigenschaften der großen Herzvenen des Frosches. Diese Zeitschr. 65, 109. 1897. (S. 153.) 3) F. B. Hofmann, Über die Änderung des Kontraktionsablaufes am Ven- trikel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderung und im hypodynamen Zustande. Diese Zeitschr. 84, 130. 1901. (S. 142.) Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 11 162 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen zugleich, daß der Kontraktionsablauf eigentlich nicht von der Länge des Reiz- intervalles an sich, sondern vielmehr davon abhängt, in welche Phase der vor- hergehenden Kontraktion die Reizung hineinfällt. Obwohl auch diese Formu- - lierung noch nicht ganz korrekt ist — denn offenbar wäre es richtiger, auf den der Kontraktion zugrunde: liegenden Stoffwechselvorgang zu rekurrieren —, will ich sie doch vorläufig beibehalten.‘‘ Ferner schreibt Straub!): „Erklären ließe sich diese Erscheinung vielleicht mit der Annahme, daß niedrigere Kontrak- tionen eine kürzere refraktäre Phase besitzen und demnach in der rhythmischen Tätigkeit ein längeres Stadium der zunehmenden Erregbarkeit. Doch müßten erst spezielle Untersuchungen angestellt werden.“ Und Straub ist meines Erachtens mit Recht der Ansicht, daß ‚‚Verlängerung der refraktären Phase und Minderung der jeweils gebildeten potentiellen Energie innerhalb der Erregungsintervalle Ausdruck ein und desselben Vorganges sind; daß also Verlängerung der refrak- tären Phase zur Abschwächung der Systolenhöhe führt“. Wenn Alcock und Meyer?) auch den engen Zusammenhang zwischen Anspruchsfähigkeit und Kon- traktilität nicht anerkennen, so erwähnen sie doch den Umstand, daß ‚‚die An- spruchsfähigkeit sich zu erhöhen scheint, wenn die vorhergehenden Energieent- ladungen sich verringern, daß also mit anderen Worten kleinere Systolen das Herz anspruchsfähiger hinterlassen als größere“. Auch Hering?) bringt die Länge der Refraktärzeit in Abhängigkeit von der Dauer der vorhergehenden Zuckung. Aber Feststellungen, daß große Zuckungen nicht nur schädigend auf die Refraktär- zeit und Erregbarkeit, sondern auch auf die folgende Systolenhöhe einwirken, habe ich in der Literatur nicht finden können und daher Untersuchungen in dieser Richtung angestellt.*2) Sie ergaben, daß nicht nur die Refraktärzeit nach großen Systolen zunimmt, sondern auch die Zuckungshöhe durch eine vorhergehende große Zuckung herabgedrückt wird. Überhaupt sieht man doch im allgemeinen beide Eigenschaften, die Erregbarkeit und die Kontraktilität, so auffällig Hand in Hand gehen, daß ich mich der Meinung, die Hering?) vertritt, anschließe, daß beide Eigenschaften der Ausfluß ein und desselben Vorganges sind; und zwar sind beide von der Menge Milchsäuremuttersubstanz abhängig. (Auf die Ver- hältnisse, auf die Engelmann) bei der Vagusreizung aufmerksam macht: Ab- nahme der Kontraktionshöhe und Wachsen der Anspruchsfähigkeit, werden wir bei der Analyse der Vaguswirkung näher eingehen.) Diese Schädigung einer großen Systole für den folgenden Aufbau deutet auf das Zurückbleiben von Schlacken hin; da aber die Ent- ladung selbst kein oxydativer Vorgang ist, so sind auch die Reaktions- 1) W. Straub, Über die Wirkung des Antiarins am ausgeschnittenen sus- pendierten Froschherzen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 45, 346. 1901 (S. 370). ®) Alcock und Meyer, Über die Wirkung des Carpains auf die Herztätig- keit. Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1903. Physiol. Abt. 224 (S. 236). >) H. E. Hering, Über die gleichsinnige Änderung der Schlagfrequenz und der refraktären Phase des menschlichen Herzens. Diese Zeitschr. 89, 283. 1902. 4) E. Frey, Die Wirkung des Strychnins auf die Refraktärperiode und die Überleitungszeit des Froschherzens. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 5) H. E.’Hering, Über die gegenseitige Abhängigkeit der Reizbarkeit, der Kontraktilität und desLeitvermögens der Herzmuskelfasern und ihre Bedeutung für die Theorie der Herztätigkeit und ihrer Störungen. Diese Zeitschr. 86, 533. 1901. 6) Engelmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1902. Physiol. Abt. Suppl. S. 16. und Muskel auf Stoffwechselvoreänge zurückzuführen. 163 produkte für Entladung und Aufbau nicht die gleichen, und es muß erst das Bindeglied festgestellt werden, ehe von einer Hemmung durch zurückbleibende Schlacken gesprochen werden darf. Dies ist nun die Kohlensäure, welche durch die entstehende Milchsäure in Freiheit ge- setzt wird, und als Produkt der Verbrennung die zum Aufbau nötigen Oxydationen hemmt. Die Vorgänge des Wiederaufbaus der Milchsäuremuttersubstanz verlaufen also in der Weise, daß die durch den Reiz entstandene Milch- säure wieder aufgebaut wird, und zwar anfangs schnell, später, wenn schon viel Milchsäure verbraucht ist, langsamer. Die Energie zu diesem Aufbau liefern Oxydationen, welche eine Hemmung durch die vorhan- dene Kohlensäure erleiden, welche die Milchsäure aus dem Bicarbonat in Freiheit setzte. Diese Kohlensäure wird nun allmählich in das Blut hinein abdiffundieren, so daß schließlich nach Wegfall aller Hemmungen der Aufbau bis zu Ende gehen wird, bis alles verfügbare Material zu Milchsäuremuttersubstanz aufgebaut ist. Wenn wir in mathematischer Form diesen Aufbau verfolgen wollen, so können wir dies nur ange- nähert, weil wir über die einzelnen Reaktionen nicht unterrichtet sind, ja nicht einmal wissen, wieviel Moleküle an denselben teilnehmen. Trotzdem können wir ein Schema des Vorganges entwerfen, welches uns manche Einzelheit abzuleiten gestattet, wenn wir annehmen, daß der Wiederaufbau und die energieliefernden Reaktionen so eng mit- einander gekuppelt sind, als wäre es eine einzige Reaktion. Wir müssen dabei nur zwei Einschränkungen machen; erstens die, daß unsere er- rechneten Werte nicht der Größe nach mit den tatsächlichen über- einstimmen, sondern nur dem Sinne nach. Wenn wir also die Menge Milch- säure aus irgend einem Anlaß größer finden als vorher, so trifft dies zu, aber die Vergrößerung kann in der Rechnung übertrieben erscheinen oder zu klein sein, weil eben die Reaktion nicht in ihren Einzelheiten bekannt ist. Zweitens kuppeln wir die Vorgänge des Aufbaus selbst und die dazu die Energie liefernden Oyxdationen so eng, als sei es eine einzige Reaktion, welche wir, da hemmende Produkte auftreten, uns so vorstellen können, wie eine unvollständig verlaufende Reaktion, wo wir die Geschwindigkeit des einen Vorganges um die des entgegenge- setzten vermindern müssen, um die Gesamtgeschwindigkeit zu erhalten. Und wenn wir nun bei unserer Rechnung anfangs negative Werte für die Milchsäuremuttersubstanz erhalten, so besagt dies, daß die Oxy- - dation, welche die Energie zum Aufbau liefern sollen, noch nicht in Gang gekommen sind, weil noch zuviel hemmende Kohlensäure vor- handen ist, welche erst abdiffundieren muß. Es würden dann die Oxy- dationen in umgekehrter Richtung verlaufen wollen, also selbst Energie verbrauchen, die sie liefern sollen, und darum kommt der Vorgang vor- erst noch gar nicht in Fluß. Wenn wir also negative Werte für die Milch- alle 164 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen säuremuttersubstanz erhalten, so rührt dies daher, weil wir, um den hemmenden Charakter der Kohlensäure zu erfassen, uns die Reaktion als reversibel vorstellen mußten, was sie in allen ihren Phasen ja nicht sein kann. Dies ist also die zweite Einschränkung, die durch die enge Kuppelung der Vorgänge zu einer Reaktion bedingt ist. Dann aber steht dieser summarischen Betrachtungsweise nichts entgegen, und sie ermög- licht uns überhaupt erst ein Formulieren des Vorganges, was allemal den Vorstellungen und Überlegungen einen scharfen Umriß gibt und zur Klarheit viel beiträgt. Die Geschwindigkeit des Aufbaus, also die in der kleinen Zeit dt aufgebaute kleine Menge dx, dividiert durch diese Zeit dt, ist dann gleich einer Geschwindig- keitskonstanten A, mal dem zum Aufbau dienenden Gesamtmaterials. Bezeichnen wir dieses Material mit G, so kommt die schon aufgebaute Menge Muttersubstanz jeweils in Abzug, die Geschwindigkeit des Aufbaus ist also d«/dt = K, (GE — x). Hemmend, also entgegengesetzt, wirkt dabei die Kohlensäurekonzentration, die entsprechend der Höhe der vorhergehenden Zuckung verschieden groß ist, also in entsprechendem Maße, in etwa äquivalentem Maße gemessen, gleich H ist. Diese Hemmung der Reaktion wird ausgedrückt, indem wir von der Aufbau- geschwindigkeit die der entgegengesetzt verlaufenden Reaktion abziehen, also das Produkt eines zweiten Geschwindigkeitsfaktors und der die hemmende Reak- tion herbeiführenden Moleküle. Eine Sorte davon kennen wir nur, die Kohlen- säurekonzentration. Alle unbekannten Molekülkonzentrationen fassen wir, in- dem wir sie als konstant ansehen, in die Geschwindigkeitskonstanten mit ein, so daß unser hemmendes Produkt gleich X,- H ist. Die Konzentrationen an oxy- dablem Material, an Sauerstoff sehen wir ebenfalls als konstant an, was inner- halb der Ermüdungsgrenzen wohl auch zutrifft; diese Oxydationsreaktion würde dann im ersten Gliede und zwar in dem Faktor X enthalten sein. Nun nimmt aber die Kohlensäurekonzentration durch Abdifiundieren in das Blut hinein ab, und zwar wohl entsprechend der jeweils vorhandenen Menge; dann ist immer statt H nur He-"! vorhanden, wenn m ein Geschwindiskeitsfaktor und i die Zeit bedeutet. Es lautet also unsere definitive Gleichung des Aufbaus dx&/dt = K,(@ — x) — K, He-"t. (Eigentlich müßten wir noch die während des Auf- baus und den damit verbundenen Oxydationen entstehende Kohlensäuremenge ein- fügen; da aber auch von dieser ständig ein Teil entführt wird, so kann sie ver- nachlässigt werden, oder gewissermaßen als eine Verkleinerung der Aufbaugeschwin- digkeit angesehen werden, wodurch die Rechnung, die ja doch nur in groben Zügen zutrifft, wesentlich vereinfacht wird.) — Wir rechnen nun die Werte für x, die Werte der Milchsäuremuttersubstanz zu verschiedenen Zeiten aus, und verfolgen, welchen Einfluß eine vorhergehende große oder kleine Zuckung (= wechselndes FH), eine wechselnde Aufbaugeschwindiskeit (K}), eine wech- selnde Abdiffusion der CO, (m) oder eine wechselnde Stärke der Oxydationen (K,) hat. Rechnung: dx/dt = K,(G — x) — K,He-”!; Trennung der Variablen ist nicht möglich; daher dz — [Kı(@ — x) — K, He *!] dt = 0; dies ist kein voll- ständiges Differential, wird es aber durch Multiplikation mit dem integrierenden Faktor efı!, und ergibt integriert: zefıt — @GeKit + K, HeKıt-mtl(K, — m) — Const. Zur Zeit O ist auch x=0, also ist Const. = — @ + K,H/(Kı — m); daher zeKı! — @ (eKı!— 1) — K, H(efı! mt _ J)/(K, — m); z=@G(1-e- Kb) — R,Hler mt _e- Kıl)(K, m). und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 165 2.Der Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei ver- schiedener Größe der einzelnen Komponenten. Wenn wir für die Konstanten in unserer Gleichung verschiedene Zahlenwerte einsetzen, so können wir die Werte für x zur Zeit 1, zur Zeit 2 und so fort berechnen, und wir erhalten eine Kurve des Aufbaus der Milchsäuremuttersubstanz, welche je nach der Wahl der Konstanten verschieden ausfällt. Als normal für den Herzschlag wollen wir @ = 10; K, 0,75; K,=2; m=0,5 annehmen. Wenn dann jedesmal der Leitungsreiz zur Zeit 5 eintritt, so ist x, also die verfügbare Menge Milchsäuremuttersubstanz gleich 6,45 und H = 7.03 (s. u.). (Es lassen sich leicht Zahlenwerte finden, welche eine bestimmte Erscheinung erklären, z. B. die Frequenzhalbierung oder die Extrasystole; dann aber stößt man auf Schwierigkeiten bei der Treppe. Und es waren mehrere Monate an- gestrengter Arbeit erforderlich, ehe eine Kombination gefunden wurde,- welche alle Erscheinungen gleichzeitig umfaßt.) Wenn bei der Aufeinanderfolge der Herzschläge, welche immer nach der Zeit 5 den Aufbau unterbrechen und die Muttersubstanz zersetzen, die zur Zeit 5 aufgestapelte Menge dauernd gleich bleiben soll, so muß es auch die Menge der Kohlensäure zur Zeit 0 sein: also die Größe H; diese setzt sich zusammen aus der Menge Kohlensäure, welche die vorige Zuckung in Freiheit setzte (also gleich dem Zahlenwert der vorigen Milchsäuremuttersubstanz, immer in entsprechendem Maße gemessen) und der restierenden, noch nicht gänzlich abdiffundierten Menge CO, der zweitfrüheren Zuckung. Nehmen wir an, es seien von früher noch 0,58 CO, vorhanden und die Größe der Zuckung (also die Menge der aufgestapelten Milchsäuremuttersubstanz sei gleich 6,45, und dementsprechend auch die Menge der Milchsäure und weiterhin auch die gleiche Menge Kohlensäure), so wird H zur Zeit 0 gleich 0,58 — 6,45 — 7,03. Setzen wir diesen Wert in unsere Gleichung ein, so ergibt sich nach der Zeit 5 wieder 6,45 für x, also der gleiche Wert, von dem wir ausgingen; wir haben also einen dauernden Normalzustand von gleich hohen Pulsen vor uns; ebenso beträgt die restierende Menge Kohlensäure 7,03. e= *!, also mal e- 05-5 — 0,58, hat also die gleicheGröße, wie wir annahmen. (Dies wurde ausprobiert; wie, werden wir gleich sehen.) Wir beginnen also zur Zeit 0 unsere Rechnung immer von neuem. Die Zeit 0 bedeutet den Beginn der Zuckung, die explosionsartige Zersetzung der Muttersubstanz. h cf it Abs, Sad ren der Phase STEIG. £rregb. ufonfr: Unsere Normalkurve (auf der Zeichnung 3 immer die mittlere Kurve) verläuft also zunächst unter Null, was, wie wir sahen, so viel bedeutet, als daß die Prozesse des Aufbaus noch nicht begonnen haben, weil die 2 166 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen hemmende Kohlensäure noch nicht in genügender Menge abdiffundiert ist und die Oxydationen, welche zum Aufbau die Energie liefern sollen, noch nicht eingesetzt haben. Dann steigt die Kurve steil an und sie ent- spricht genau dem Verlauf der Kurve der Erregbarkeit, wie sie Tren- delenburg!) durch Eintragen der reziproken Schwellenwerte für die Extrasystole abgebildet hat. Es entspricht also die Zeit, in der unsere Kurve unter Null verläuft, wo also der Aufbau noch gar nicht in Gang gekommen ist, der absolut refraktären Phase des Herzens, der Anstieg der Periode der steigenden Erregbarkeit. In dieser wächst sowohl die Erregbarkeit wie auch die Kontraktilität entsprechend der Menge aufgestapelter Milchsäuremuttersubstanz. Verändern wir nun die Kon- stanten, so sehen wir, daß unter Umständen, welche den Aufbau för- dern, die Kurve der gestapelten Energie schon von der Zeit Null an sich über die Nullinie erhebt; dann fehlt eine refraktäre Phase, und wir haben die Verhältnisse des willkürlichen Muskels vor uns, welcher Super- position der Zuckungen und Tetanus zeigt. Wir finden also zwischen Skelettmuskel und Herzen nur quantitative Unterschiede in der Ge- schwindigkeit des Stoffwechsels. Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz: Normal (Konstanten: @ = 10; K, = 0,75; K,—= 2; m = 0,5): Milchsäuremuttersubstanz zur Zeit 1, 2 usf. bis 10: (— 2,36); (— 0,38); + 2,31; + 4,27; 6,45; 7,70; 8,54; 9,08; 9,44; 9,66; (H — 7,03). Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei wechselnder Aufbaugeschwin- digkeit (K,); die anderen Konstanten normal, X, = 0,4: (— 2,29); (— 1,83); (— 0,12); + 2,12; 4,02; 5,51; 6,58; 7,58; 8,24; 8,77; (H =4,37). — K, = 16: + 2,79; + 5,11; 6,67; 8,02; 8,72; 9,20; 9,50; 9,69; 9,81; 9,90; (HZ = 9,50). Aufbau bei wechselnder Abdiffusion der CO, (m); die anderen Konstanten normal; m = 0,25: (— 1,50); (— 0,69); + 0,95; 2,48; 3,94; 5,21; 6,24; 7,05; 7,68; 8,19; (A — 5,52). — m = 1,0: ( 2,09); = 1,69; 5,15; 7.29,78559579,27: 9:60; 9,84; 10,00; 10,00; (H = 8,64). Aufbau bei wechselnder Stärke der Oxydationen (K,); die anderen Kon- stanten normal: K, = 1: + 0,75; + 2,86; 4,96; 6,62; 7,77; 8,57; 9,10; 9,44; 9,66; 9,350 (H = 8,46). — K,=3: (— 4,19); (— 2,67); + 0,45; + 3,38; 5,52; 6,97; 8,15; 8,83; 9,28; 9,57; (H = 6,00). Wäre die Reaktion eine so eng gekuppelte, wie hier angenommen wird, so dürfte man natürlich nicht die Konstanten X, oder K, einzeln ändern, weil bei einer reversiblen Reaktion das Verhältnis X,/K, den Endzustand angibt, und eine Beschleunigung des Vorganges nur ein schnelleres Erreichen dieses Endzustandes bedeuten würde, etwa durch katalytische Beeinflussung des Vorganges; hier aber könnte wohl eine getrennte Änderung einer Komponente angenommen werden, weil es sich um die summarische Zusammenfassung mehrerer Reaktionen in eine reversible handelt, deren einzelne Phasen in Wirklichkeit sehr wohl getrennt voneinander verlaufen könnten und nur der benötigten Energie wegen (also phy- sikalisch) einander beeinflussend angenommen werden. Und so habe ich alle Mög- lichkeiten erörtert, ob sie in der Tat vorliegen, kann erst die Zukunft lehren. 1) Trendelenburg, Über den zeitlichen Ablauf der Refraktärphase am Herzen. Diese Zeitschr. 141, 378. 1911. und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 167 Bemerkenswert ist dabei, daß zwar jede Förderung des Aufbaus einen schnelleren Aufbau bedingt, daß aber der Anstieg der Kurven doch g et N va A} N ne vi vs us Bun D {' RI) R ‘ ’ ‘ N %r v Abb. 3. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei wechselnder Aufbaugeschwindigkeit — Ab- diffusion der Kohlensäure — Größe der Oxydationen. einen verschiedenen Verlauf nimmt, je nach der Komponente, welche eine Änderung aufweist, Verhältnisse, welche uns später noch bei der autonomen Reizbildung beschäftigen werden. 3. Änderungen der Herztätigkeit durch rechnerische Ände- rungen der Stoffwechselvorgänge. Wenn bei der gleichmäßigen Folge der Herzschläge ein genau abge- wogenes Gleichgewicht zwischen der restierenden Kohlensäuremenge und der Größe der Herzschläge bestehen muß, wie wir sahen, so fragt es sich, wie sich der Herzschlag verhält, wenn dies Gleichgewicht ge- stört wird. a) Störungen der Herztätigkeit bei plötzlicher Änderung der Kohlensäuremenge. Wie nehmen zunächst an, es sei aus irgendeiner Ursache plötzlich die Kohlen- säuremenge in einer Reihe gleichmäßiger Herzschläge nicht gleich 7,03, sondern gleich 10. Aufbau der Milchsäure- muttersubstanz bei plötzlicher einmaliger Zunahme der Koh- lensäuremenge.!) Konstanten: E10 075785 2,0; m — 0,5; jede Zeile bedeutet eine Periode von der Zeit 5. ! Abb. 4. 1 (Tabelle siehe umstehend.) CO, = Menge plötz- CO; = Menge plötz- Dasselbe geschieht, wenn lich vermehrt. lich vermindert, die CO, plötzlich vermindert wird: auch hier stellt sich der Herzschlag wieder auf die normale Höhe ein, und zwar unter abwechselnd großen und kleinen Pulsen; nur ist jetzt der erste Puls nach der Störung größer, der zweite kleiner als ein normaler. 1) Beispiel einer solchen Rechnung; die anderen Tabellen konnten aus Raum- mangel nur als Endwerte angeführt werden. 168 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen Milchsäure CO, aus der Ges. = CO, :Muttersubstanz zo vorigen für die jetzige zum Schluß der Bemerkungen Periode Periode jetzigen Periode 6,45 Dt Zar 6,45 0 7,03 6,45 = x 6,45 | 10,00 5,05 5,05 0,82 5,87 7,00 7,00 0,48 7,48 6,24 6,24 0,61 | 6,85 6,54 CO, plötzlich vermehrt: 6,54 0,56 | 7,10 6,42 Unter Pulsus alternans 6277| 058 1.27.00 6,47 wird der alte Dauerzu- 6,47 0,58 | 7,05 6,44 stand wieder erreicht. 6,44 0,58 | 7,02 6,46 6,46 0,58 | ; 7,04 6,45 6,45 0,58 | 7,03 6,45 Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei plötzlicher einmaliger Abnahme der Kohlensäure: Konstanten @= 10; K, = 0,75; K,=2; m = 0,5; Mutter- substanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; jetzt Kohlensäure statt 7,03 nur 5,00 (am Anfang der Periode): 7,41; 6, 09; 6, 64; 6,38; 6,48; 6,44; 6,46; 6,45; 6,45. b) Störungen der Herztätigkeit bei Wechsel der Geschwindigkeit des Abdiffun- dierens der Kohlensäure. Wenn die Kohlensäure nun dauernd vermehrt wird, so kann dies durch Be- hinderung der Abdiffusion erreicht werden; wir verfolgen also den Wiederaufbau (d.h. die Größe der Herzschläge), indem wir in der Reihe normaler Herzschläge die Konstante m von 0,5 auf 0,3 abnehmen lassen: Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei plötzlich einsetzender dauernd bestehen bleibender Behinderung der Abdiffusion der Kohlensäure: Konstanten: G— 107° Rs Os Kor m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; jetzt m = 0,3: 3,58; 5,20; 4,13; 4,80; 4,41; | 4,66; 4,50; 4,60; 4,53; 4,60; 4,53. — Aufbau der Milchsäure- | j muttersubstanz bei plötzlich ein- setzender anhaltender Verbesse- rung der Abdiffusion der Kohlen- säure: Konstanten: @G= 10; K1ı- 0,75; K,=2:; m — 05; Muttersubstanz zum Schlußjeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an m = 1,0: 8,81; 1 8,57; 8,60; 8,59; 8,59; 8,59. — Abb. 5. Oben links: Abdiffusi der CO, plötzlich Bis kommt, also a sehlechtert. Open nk: Abdisfusion elcoN Ei enenden Störung an ZUlstE lich verbessert. Unten: Abdiffusion der CO, plötzlich alternans, dann aber erreicht die stärker verschlechtert. Pulshöhe ein neues Niveau, wel- ches höher oder tiefer liegen kann als das normale; und zwar erfolgt das Einpendeln der Herzschläge um das neue Niveau. — Tassen wir die Störung etwas größer werden, so dauert es längere und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 169 Zeit, ehe ein neuer Dauerzustand erreicht wird, und der Unterschied in der Höhe der beiden abwechselnden Pulse ist deutlicher: Aufbau der Milchsäuremutter- substanz bei starker Einschränkung der Abdiffusion der Kohlensäure: Konstan- ten: @=10; K, = 0,75; K,=2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an m = 0,2: 0,95; 5,33; 1,46; 4,88; 1,84; 4,54; 2,16; 4,26; 2,40; 4,05; 2,58; 3,89; 2,72; 3,716; 2,85; 3,65; 2,94; 3,56; 3,02; 3,49; 3,09; 3,44; 3,12; 3,41; 3,15; 3,39; 3,16; 3,37. c) Störungen der Herztätigkeit bei Wechsel der Geschwindigkeit des Aufbaues der Milchsäuremuttersubstanz, Dieselben Erscheinungen begegnen uns immer wieder, wenn wir die anderen Konstanten in förderndem oder hemmendem Sinne ändern: Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei plötzlicher Vergrößerung der Auf- baugeschwindigkeit: Konstanten: @ = 10; K) = 0,75; K, = 2; m = 0,5; Mutter- substanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an K} = 1,0: 7,80; 7,45; 7,47; 7,47; 7,47. — Aufbau der Milsäuremutter- substanz bei plötzlicher Vermin- derung der. Aufbaugeschwindigkeit: Konstanten: @= 10; K, = 0,75; K,=2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der — > Zeit 5:6,45; 6,45; von jetzt an Abb. 6. K, = 0,6: 5,04; 5,86; 5,41; 5,66; Aufbaugeschwindig- Aufbaugeschwindigkeit 5,51; 5,61; 5,55; 5,58; 5,56; 5,57; keit vergrößert. verkleinert. 5,57; 5,57. d) Störungen der Herztätigkeit bei verschiedener Geschwindigkeit der Oxydations- prozesse. Wenn wir die Oxydationsprozesse in unserer Rechnung ändern wollen, so können wir dies durch Variierung der Konstanten K, tun, indem wir diese hemmende Konstante vergrößern oder verkleinern. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei plötzlich einsetzender anhaltender Verbesserung der Oxydationen: Konstanten: G= 10; K, = 0,75; K,—=2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von I Mm IL | Abb. 7. Oxydationen Oxydationen Oxydationen gefördert. gehemmt. stark gehemmt. jetzt an K,=1: 8,11; 7,72; 7,78; 7,77; 7,77; 7,77. — Aufbau der Milchsäure- muttersubstanz bei plötzlich einsetzender anhaltender Verschlechterung der Oxydationen: Konstanten: @=10; K, = 0,75; K,=2; m = 0,5; Muttersub- stanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an KR, =3: 4,19; 5,97; 5,23; 5,69; 5,41; 5,58; 5,47; 5,54; 5,50; 5,53; 5,51; 5,52; 5,52. — Auf- 170 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen bau der Milchsäuremuttersubstanz bei plötzlich einsetzender starker Behinderung der Oxydationen: Konstanten: G = 10; K, = 0,75; K, = 2; m = 0,5; Mutter- substanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an K, =5: 1,47; 7,35; 1,01; 7,86; 0,34; 8,59; —. Wir sehen also hier etwas Neues auftreten: bei starker Behinderung der Oxydationen kommt es nicht zu einem Einpendeln der Herzschläge durch Pulsus alternans auf das neue niedrigere Niveau, sondern die kleinen Herzschläge werden immer kleiner, die mit ihnen abwechselnden großen immer größer, bis die kleineren ganz ausfallen und Frequenzhalbierung eingetreten ist, eine Erscheinung, welche den Leser sofort an das Entstehen der Frequenzhalbierung bei der Digitalisver- giftung erinnern wird. e) Störungen der Herztätigkeit bei verschiedener Frequenz der Herzschläge. Ändern wir nun zum Schluß unserer konstruierten Beispiele, deren Kennt- nis die Analyse der Erscheinungen am Herzen selbst voraussetzt, die Frequenz der Herzschläge, so sehen wir bei Frequenzverminderung, also bei großen Reiz- pausen die Herzschläge größer werden, bei kürzeren Reizpausen die Pulse kleiner werden. Auch hier tritt im Übergangsstadium Pulsus alternans auf. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei langsamerer (künstlicher) Reizung: Konstanten: G@ = 10; K, = 0,75; K, = 2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an Dauer der Periode 7: 8,54; 8,20; 8,26; 8,25; 8,25; 8,25. — Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei fre- quenterer (künstlicher) Reizung: Konstanten: G=10; K,=0,75; K,=2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 6,45; 6,45; von jetzt an Dauer der Peri- ode 4: 4,27; 5,95; 4,98; 5,50; 5,22; 5,37, 5,29; 5,33; 5,31; 5,32; 5,32. Ein solches Beispiel von Pulsus alternans im Übergangsstadium zu 1 ] frequenterer Reizung hat Hof- mann!) beschrieben und abgebildet; Abb. 8. Bei künstlicher Reizung plötzlich Frequenz es finden sich also in der tatsäch- vermindert — Frequenz vermehrt. lichen Beobachtung die errechneten Verhältnisse wieder. Es besitzt also das Herz in seinen Stoffwechselvorgängen einen Be- gularisationsmechanismus, der es ermöglicht, daß einmalige Störungen sehr schnell wieder ausgeglichen werden; und zwar dadurch, daß eine durch eine Störung bedingte kleinere Systole auch weniger hemmende Produkte für den nächsten Aufbau zurückläßt, so daß der zweite Herz- schlag nach der Störung wieder größer ausfällt und das Niveau der nor- malen Pulse übersteigt. Allmählich gleichen sich die Unterschiede dieser abwechselnd großen und kleinen Herzschläge aus, und der alte‘ Dauerzustand ist erreicht. Bei dauernden Störungen paßt sich der Herzschlag den neuen Verhältnissen an, indem unter einer Art Ein- pendeln ein neues Dauerniveau der Pulse erreicht wird. Sind die Stö- 1) F. B. Hofmann, Über die Änderungen des Kontraktionsablaufes am Ventrikel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderung und im hypo- dynamen Zustande. Diese Zeitschr. 84, 130. 1901. und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. rat rungen sehr groß, so kann der Unterschied der abwechselnd großen und kleinen Pulse nicht allmählich verschwinden, sondern immer mehr zunehmen, so daß die kleinen Herzschläge immer kleiner werden, bis sie schließlich verschwinden und Frequenzhalbierung eintritt, wie es der tatsächlichen Beobachtung bei der Digitalisvergiftung entspricht. Auch bei Frequenzwechsel paßt sich das Herz der neuen Aufbauzeit an und zwar wieder unter vorübergehendem Pulsus alternans, in der Rechnung wie in der Beobachtung. V. Die Erscheinungen am Herzen. Wenn wir jetzt von den tatsächlichen Beobachtungen am Herzen aus- gehen, wollen wir versuchen, diese Erscheinungen auf Stoffwechselvor- gänge zurückzuführen und rechnerisch abzuleiten. 1. Refraktärzeit. Bei Betrachtung der Kurve 2 des Aufbaus der Milchsäuremuttersub- stanz lehrt ein Blick auf den zeitlichen Verlauf, daß anfangs eine ge- wisse Zeit vergeht, ehe der Aufbau überhaupt in Gang kommt und wäh- rend dieses Zeitraums nichts von zersetzbarer Substanz vorhanden ist, so daß ein Reiz zu dieser Zeit unwirksam sein muß. Der Zeitpunkt Null für den Wiederaufbau der Milchsäuremuttersubstanz liegt dabei am Anfang der Zuckung, zur Zeit des Zersetzens der Muttersubstanz zu Milchsäure. Nach Ablauf dieser — absolut refraktären — Phase des Herzens steigt die Kurve der aufgestapelten Muttersubstanz steil in die Höhe, und wir haben das Stadium der steigenden Erregbarkeit vor uns; dabei geht die Kurve der Muttersubstanz und die der Erregbarkeit wie sie Trendelenburg!) abbildet, identisch in die Höhe. Es ent- spricht also die Erregbarkeit der Menge aufgestapelter zersetzbarer Sub- stanz. In ganz der gleichen Weise nimmt die Kontraktilität zu. Es genügen also bei viel zersetzbarer Substanz schon schwächere Reize, um sie zu Milchsäure umzusetz n. Wie groß ist nun die Stärke des normalen Leitungsreizes? Ist er ein Schwellenreiz? Wir wissen, daß unsere künstlichen Reize stärker sein können, indem sie an einem Herzen noch Zuckungen auslösen, welche den normalen Leitungsreiz nicht mehr beantwortet. Aber es muß der normale Leitungsreiz stärker sein als ein Schwellenreiz. Und zwar aus folgenden Gründen. Es löst der normale Leitungsreiz mitunter kleinere Zuckungen aus, als der normalen Pulshöhe entspricht, hat also geringere Mengen Muttersubstanz vorgefunden, als ihm für gewöhnlich zur Verfügung stehen; solche kleinere Zuckungen aber erfordern zu ihrer künstlichen Auslösung einen stärkeren Reiz als zur Herbeiführung einer normal hohen Zuckung zur nor- 1) W. Trendelenburg, Über den zeitlichen Ablauf der Refraktärphase am Herzen. Diese Zeitschr. 141, 378. 1911. 172 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen malen Zeit (oder ganz kurz vorher). Und so haben auch Alcock und Meyer!) aus dem Verlauf der Carpainvergiftung am Herzen auf einen Reizüberschluß ge- schlossen: „Wenn man nun zunächst und vorläufig annimmt, daß der normale, richtig eintreffende, momentane Reiz mehr als ausreichend sei zur Auslösung der Ventrikelsystole, so kann bei allmählicher Vergiftung die Anspruchsfähig- keit des Ventrikels bereits abnehmen, ohne es gleich in der Halbierung merken zu lassen; denn der vorher mehr als zureichende Reiz ist dann auch bei absolut oder relativ etwas herabgestimmter Anspruchsfähigkeit in der koinzidierenden Herzphase eben noch zureichend. — Wenn daher unter diesen Umständen (d.h. ehe die Frequenzhalbierung einsetzt) das Herz noch weiter in ungestörtem Rhyth- mus schlägt, so erscheint uns damit die eingangs gemachte vorläufige Annahme, ' daß die vom Sinus und Vorhof dem Ventrikel in der Norm zufließenden Reize merklich stärker sein müssen, als sie zur Auslösung der Ventrikelsystole zu sein brauchten, bewiesen.“ Dieser von Alcock und Meyer gefolgerte ‚„‚Reizüberschuß‘“ läßt sich also auch aus dem physiologischen Verhalten des Herzens schließen.’ Wir werden also bei unseren Betrachtungen gezwungen sein, einen bestimmten Wert für den normalen Reiz zu nennen, ihn der Stärke nach zu definieren und die Menge Muttersubstanz anzugeben, bei welcher der normale Leitungszeiz noch wirksam ist, wo er dann also ein Schwellenreiz in dieser Phase der Herztätigkeit wäre. Wir nehmen ihn entsprechend einer Menge von Milchsäuremuttersubstanz von 3,5 an, während ihm in unserem Schema für die normale Tätigkeit zur rich- tigen Zeit 6,45 von der Muttersubstanz zur Verfügung steht, er also schwächer zur Auslösung einer Kontraktion sein könnte. Wenn wir es nun nicht mit normalen Zuständen zu tun haben, sondern z. B. mit einer Schwächung des Aufbaus, so sehen wir aus den oben (S. 167) mitgeteilten Kurven ohne weiteres, daß ein solcher verzögerter Aufbau nicht nur die absolut refraktäre Phase verlängert, sondern auch späterhin die Refraktärperiode (der steigenden Erregbarkeit) vertieft, d.h. in allen Phasen des Wiederaufbaus das Herz weniger anspruchsfähig macht, ein Verhalten, auf welches Alcock und Meyer unter Anwendung des Ausdruckes Vertiefung der refraktären Phase hingewiesen haben. Es finden eben diese Ver- hältnisse wohl durch Verfolgen des Wiederaufbaus ohne weiteres eine anschau- liche Darstellung, so daß sich ein näheres beschreibendes Eingehen darauf er- übrigt. 2. Die Frequenzhalbierung. Straub?) hat an der Hand eines Schemas die Frequenzhalbierung bei der Digitalisvergiftung auf die Verlängerung der Refraktärzeit, die er beim Antiarin fand, in der einleuchtendsten Weise zurückgeführt, in- dem er annahm, daß durch die fortschreitende Vergiftung dauernd die. Refraktärzeit verlängert werde, bis sie die Zeit zwischen zwei Leitungs- reizen überschreitet, so daß der fortschreitende Prozeß der Vergiftung eine plötzliche Änderung am Herzschlage hervorruft, nämlich zur Frequenzhalbierung führt. Um diese Verhältnisse in unsere Vorstel- lungen einzufügen, brauchen wir nur einen gedehnteren Verlauf des Auf- baus anzunehmen und wir stellen sachlich den Vorgang ganz in der- selben Weise dar. 1) Alcock und H. Meyer, Über die Wirkung des Carpains auf die Herz- tätigkeit. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1903, S. 223. Abt. Physiol. (S. 233). 2) W. Straub, Über die Wirkung des Antiarins am ausgeschnittenen sus- pendierten Froschherzen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 45, 380. 1901. ) und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 173 Ein solcher verzögerter Aufbau tritt, wie wir sahen, immer dann ein, wenn wir eine fördernde Komponente verkleinern oder eine hemmende vergrößern. Wir wollen in einer gleichmäßigen Folge von Herzschlägen nun solche rechnerische Veränderungen vornehmen, und zwar in der Weise, daß wir jedesmal eine der Konstanten dauernd immer mehr in der angedeuteten Weise verändern, und sehen, ob dadurch eine Frequenzhalbierung zustande kommt. Da dies bei allen solchen Änderungen der Fall ist, so können wir aus der Beobachtung der Frequenzhal- bierung nicht entscheiden, an welchem Teilvorgange eine solche Vergiftung an- setzt, ob also die Aufbaugeschwindigkeit selbst (K,) geringer geworden ist, oder die Abdiffusion der Kohlensäure gelitten hat (kleineres m), oder die Oxydationen geschwächt wurden (größeres K,). Daß die Refraktärzeit bei der Kohlensäure- vergiftung ebenfalls verlängert ist, hat Straub!) gezeigt. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei langsamer Abnahme der Aufbau- geschwindigkeit: Konstanten: G—= 10; K, zuerst — 0,75; nimmt dauernd ab; K, = 2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (die Konstante X, in Klammer vor dem Wert der Muttersubstanz): (0,75) 6,45; (0,75) 6,45; (0,725) 6,29; (0,7) 6,13; (0,675) 5,99; (0,65) 5,86; (0,625) 5,67; (0,6) 5,54; (0,575) 5,25; (0,55) 5,22; (0,525) 4,95; (0,5) 4,86; (0,475) 4,53; (0,45) 4,39; (0,425) 4,01; (0,4) 3,99; (0,375) 3,56; (0,35) 3,51; (0,325) 2,97 (unterschwellig, fällt aus); Aufbau geht weiter: (0,3) 8,58 z. Z. 10. Also Frequenzhalbierung. — Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei schnellerer (linearer) Abnahme der Aufbaugeschwin- digkeit: Konstanten: @—=10; K, zuerst — 0,75; nimmt dauernd ab; AK, —= 2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (X, davor in Klammern): (0,75) 6,45; (0,75) 6,45; (0,7) 6,04; (0,65) 5,82; (0,6) 5,43; (0,55) 5,08; (0,5) 4,58; (0,45) 4,31; (0,4) 3,65; (0,35) 3,37 —= unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter; also Muttersubstanz z. Z. 10: (0,3) 7,72; (0,25) —; z. Z. 10: (0,2) 2,08 —= unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, also z. Z. 15: (0,15) 4,30; (0,1) —; z. Z. 10: (0,05) —; z. Z. 15: (0,025) —. Also Frequenzhalbierung, dann Drittelung, dann Stillstand. Aufbau der Milchsäuresubstanz bei zunehmender Verschlechterung der Oxy- dationen; Konstanten: = 10; A, =0,75; X, zuerst —2; nimmt dauernd ] Abb. 9. Aufbaugeschwindigkeit dauernd Aufbaugeschwindigkeit dauernd immer schlechter. immer schlechter (schnelle Verschlechterung). zu; m — 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (X, davor in Klammern): (2) 6,45; (2) 6,45; (3) 4,79; (4) 4,70; (5) 3,70; (6) 3,94; (7) 2,70 — unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 10: (8) 9,18; (9) —; z. Z. 10: (10) 7,79; (11) —; z. Z 10: (12) 7,74; (13) —; z. Z. 10: (14) 7,38; (15) —; z. Z. 10: (16) 7,15; (17) —; z. Z. 10: (18) 6,89; (19) —; z. Z. 10: (20) 6,67; (21) —; z.Z. 10: (22) 6,46. Also lange Zeit Frequenzhalbierung. — Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei starker zunehmender Verschlechterung 1) W. Straub, Über die Wirkung der Kohlensäure am ausgeschnittenen suspendierten Froschherzen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 45, 380. 1901. 174 FE. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen der Oxydationen. Konstanten: G= 10; K,)= 0,75; K, zuerst =2; nimmt dann dauernd zu; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (K, davor in Klammern): (2) 6,45; (5) 1,47 = unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 10: (8) 8,65; (11) —; z. 2.10: (14) 7,08; (17) —; z. Z. 10: (21) 6,41; (24 )—; z. Z. 10: (27) 5,82; (30) =; z. 2. 10: (33) 5,36; (36) — ;z. Z.10: (39) 4,95; (41) —;z. Z. 10: (44) 4,74; (47) — ;z. Z.10: (50) 4,28; (53) —; z. Z. 10: (56).4,12; (59) —; z. Z. 10: (62) 3,82; (65) —; z. Z. 10: (68) 3,73; (71) —; z. Z. 10: (74) 3,34 = unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 15: (77) 9,41. Also langdauernde Frequenzhalbierung bis zum Schluß Frequenzdrittelung. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei Verschlechterung der Abdiffusion der Kohlensäure. Konstanten: @=10; K, = 0,75; K,=2; m zuerst — (0,5, nimmt dauernd ab; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (m davor in Klammer): (0,5) 6,45; (0,5) 6,45; (0,45) 6,41; (0,4) 5,19; (0,35) 5,13; Abb. 10. Links oben: Oxydationen immer schlechter. Rechts oben: Oxydationen immer schlechter (schnelle Verschlechterung). Links unten: CO, = Abdiffusion immer schlechter. Rechts unten: Stufenweise Abnahme der Aufbaugeschwindigkeit. (0,3) 4,26; (0,25) 3,84; (0,2) 1,68 — unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 10: (0,2) 6,84; (0,15) —; z. Z. 10: (0,15) 3,74; (0,1) —; z. Z. 10: (0,1) 0,47 = unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 15: (0,1) 6,19; (0,08) —; z. Z. 10: (0,08) —; z. Z. 15: (0,08) 3,31 = unterschwellig, fällt aus, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 20: (0,08) 6,92. Also Frequenz- halbierung, -drittelung, -viertelung. Man bemerkt hier schon häufig, daß auch bei einer solchen progressiven Veränderung einer Konstanten die Tendenz zu Pulsus alternans sich geltend macht, welche nach einmaliger Änderung auftrat; hier zeigt sich diese Tendenz in dem Auf- treten von Gruppen; noch deutlicher sieht man auch bei weiter fortschreitender Verkleinerung von K, einen lang dauernden (bis zur Frequenzhalbierung) Pulsus alternans, wenn man die Konstanten nicht geradlinig, sondern logarithmisch ab- nehmen läßt. Zur Zeit läßt sich auf eine solche prinzipiell wichtige Frage der Phar- makologie, ob eine Vergiftung sich gradlinig vertieft oder erst schnell und später weniger rasch, eine Antwort nicht geben. — Ebenso treten Gruppen von Pulsen auf, wenn man eine solche Veränderung stufenweise verlaufen läßt, wofür ich noch ein Beispiel anführe. (Die tatsächliche Beobachtung bei der Digitalisver- giftung, wo so häufig die Frequenzhalbierung unter Pulsus alternans auftritt, würde dafür sprechen, daß sich diese Vergiftung erst schnell, später weniger ver- tieft.) (Beispiel s. später bei systolischem Stillstand.) und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen, 175 Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei stufenwe’ser Verminderung der Aufbaugeschwindigkeit. Konstanten: @= 10; K, zuerst — 0,75; nimmt dann stufenweise ab; K,—=2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (X, davor in Klammern): (0,75) 6,45; (0,75) 6,45; (0,68) 5,85; (0,68) 6,26; (0,69) 5,97; (0,61) 5,38; (0,61) 5,76; (0,61) 5,56; (0,54) 4,78; (0,54) 5,37; (0,54) 4,98; (0,49) 4,77; (0,49) 4,88; (0,49) 4,88; (0,45) 4,06; (0,45) 4,80; (0,45) 4,19; (0,41) 3,90; (0,41) 4,24; (0,41) 3,92; (0,37) 3,47 — unterschwellig, fällt, Aufbau geht weiter, Muttersubstanz z. Z. 10: (0,37) 8,94; (0,37) —. Also wellenförmiger Verlauf der Pulshöhe bis zur Frequenzhalbierung. Man könnte nun auch meinen, daß ein solches Auffallen jedes zweiten Pulses auf einer Störung der Überleitung beruhe, welche in besonderer Weise durch das Gift geschädigt werde; doch trifft dies für unseren Fall nicht zu. Denn der Ven- trikel ist auch gegen den künstlichen Reiz refraktär, wie Straub nachwies, und dieser war während des ganzen Versuches gleich stark. Es kann also das Ausfallen jedes zweiten Kammerpulses nicht auf einer Abschwächung des zugeleiteten Reizes beruhen. Überhaupt ist, soweit ich sehe, die Annahme eines Dekrementes bei der Reizleitung den meisten Autoren nicht recht sympathisch, sondern sie meinen, daß das Alles-oder-Nichts-Gesetz sich auch auf diesen Vorgang erstrecke, indem eben eine Leitung stattfände oder nicht, nicht aber in wechselnder Stärke mög- lich sei. Die Schädigung der Leitung durch die vorherige Leistung macht sich in _ einer Verlängerung der Überleitungszeit geltend, wie Engelmann!) zeigte, und es scheint bei der Leitung die Zeit das Analoge der Größe der Zuckung bei der Kontraktilität zu sein. Ich?) beobachtete, daß nicht nur die Erholungszeit für die Geschwindigkeit der Überleitung maßgebend ist, sondern auch der Erfolg der- selben, daß sich nach einer wirkungslosen Überleitung die Überleitungszeit wieder verkürzt. (Ein endgültiges Urteil über die Frage des Dekrementes wird sich wohl erst fällen lassen, wenn es gelungen ist, die Erregung und Leitung, d. h. die elek- trischen Vorgänge in Zusammenhang mit Stoffwechselvorgängen zu bringen.) 3. Pulsus alternans. Wir begegneten schon häufig dem Pulsus alternans als Über- gangserscheinung, indem sich beim Übergang des Herzens zu einer neuen Form der Tätigkeit große und kleine Pulse im Wechsel zeigten. Dies liest daran, daß ein abnorm kleiner Puls auch abnorm geringe Mengen von Schlacken (= Kohlensäure) für den neuen Aufbau hinterläßt, so daß der folgende Herzschlag größer als ein normaler wird; das Umge- kehrte trifft dann für den dritten Herzschlag zu. Solche Verhältnisse sind im ersten Teil ausführlich berechnet worden, sie finden sich z. B. nach einer Extrasystole in der tatsächlichen Beobachtung wieder, ebenso wie beim Übergang zu einer neuen Frequenz, wie oben berechnet wurde und wie Hofmann?) beobachtete. !) Engelmann, Über den Ursprung der Herzbewegungen und die phy- siologischen Eigenschaften der großen Herzvenen des Frosches. Diese Zeitschr. 65, 109. 1897 (S. 153). .. ?) E. Frey, Die Wirkung des Strychnins auf die Refraktärperiode und die Überleitungszeit am Froschherzen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 2) F. B. Hofmann, Über die Anderung des Kontraktionsablaufes am Ven- trikel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderung und im hypodynamen Zustande. Diese Zeitschr. 84, 130. 1901 (S. 145). 176 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen Hofmann sah bei plötzlicher Vermehrung der Reizfrequenz zuerst eine ganz kleine Systole, dann wieder eine größere; die dritte hatte den Charakter der ersten, die vierte den der zweiten, ‚‚aber die Unterschiede im Kontraktionsverlauf werden immer kleiner und sind gewöhnlich schon nach 4—6 Kontraktionen vollständig ausgeglichen. Nur bei ganz frequenten Reizungen habe ich bei Kaltfröschen ge- legentlich diese alternierende Kontraktionsform lange bestehen sehen. In dem auf Tafel III Abb. 5 abgebildeten Falle fiel beim plötzlichen Übergang zu doppelter Reizfrequenz der zweite Reiz anfangs noch in das refraktäre Stadium der vorher- gehenden Kontraktion, blieb infolgedessen unwirksam und die Schlagfrequenz änderte sich zunächst nicht. Erst die fünfte Reizung der frequenten Reihe fällt aus irgendeinem zufälligen Grunde (vermutlich war dies Reizintervall ganz wenig länger als die vorigen) eben über die Grenze des refraktären Stadiums hinaus und löst eine ganz niedrige und rasch ablaufende Kontraktion aus. Durch die mit dieser Störung verknüpfte Verkürzung des Kontraktionsablaufes sind nun- mehr die Bedingungen für das Wirksamwerden jedes Reizes gegeben, und es bildet sich jetzt bei sehr angenäherter Gleichheit der Reizintervalle für einige Zeit ein regelrechter Pulsus alternans aus, der aber schließlich doch noch sich ausgleicht. Es ist also in diesem Falle die Anpassung an die frequente Schlagfolge wohl viel später erfolgt, aber die Tendenz dazu ist doch auch hier vorhanden“. — „Wenn nun aber bei sehr frequenten Reizungen die Reizintervalle alternierend etwas länger und kürzer sind, so kann diese Ausgleichstendenz nicht zur Wirkung ge- langen und es kommt ein dauernder Pulsus alternans zustande. Ich habe der- artige Kurven regelmäßig durch rhythmische Reizung mittels der Balzarschen Reizuhr gewinnen können, deren Pendel auf der einen Seite einen toten Punkt hat, so daß die Reizintervalle bei Einstellung auf 1’ nicht genau gleich, sondern abwechselnd etwas länger und kürzer sind (1,1’’ und 0,9”). Die Folge davon ist, daß auf das längere Reizintervall eine höhere und länger dauernde Kontraktion folst, in welche sich die Kontraktion des kürzeren Intervalles als rasch ablaufende Extrasystole hereinschiebt. In diesem Falle kommt also die kleine Differenz der Reizintervalle übertrieben zum Ausdruck.‘“ Berechnen wir einen solchen Fall von abwechselnd langen und kurzen Reizintervallen, so finden wir in der Rechnung diese Beobachtung wieder. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei abwechselnd langen und kurzen Reizpausen. Konstanten: G = 10; K, = 0,75; K, = 2; m = 0,5; Muttersubstanz am Schluß jeder Periode von der Zeit 5 oder abwechselnd damit von der Zeit 4 (Zeit vorher in Klammern): (5) 6,45; (5) 6,45; (4) 4,27; (5) 7,31; (4) 4,24; (5) 7,28; (4) 4,26; (5) 7,27; (4) 4,26; (5) 7,27; (4) 4,26. Also dauernder Pulsus alternans. Es gibt noch eine andere Art von Pulsus alternans, auf welche unsere Stoffwechselbetrachtungen sich nicht anwenden 1 lassen, weil sie für den ganzen Ventrikel gelten. Trendelen- burg!) beobachtete alternierende Pulse, welche auf partieller N zip B Kontraktion einzelner Herzabschnitte beruhen. Das gleiche wechselnd kurze 5 R R Er und lange Reiz- sahen Gottschalk?) und Kisch®). Auf solche, vielleicht für pausen. die klinische Pathologie wichtigere Fälle von Pulsus alternans lassen sich natürlich unsere Rechnungen nicht ausdehnen. 1) W. Trendelenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herz- muskels bei rhythmischer elektrischer Reizung. Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. Jahrg. 1903, S. 271. 2) A. Gottschalk (Köln), Herzalternans als Folge periodisch auftretender Erschlaffung der Kammerwand. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Ther. 20, H. 3. 3) B. Kisch (Köln), Partielle Dilatation der Kammerwand beim Herzkammer- alternans. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 20, H. 3. und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 7 4. Die Form der Zuckung. Die Form der Zuckung sowohl wie ihre Höhe ist abhängig von der Menge Milchsäuremuttersubstanz, die dem Reiz zur Verfügung steht, ferner aber von der Geschwindiskeit des Aufbaus, weil dieser — und zwar der neu einsetzende — schon während der Zuckung selbst die Milch- säure verbraucht. Und so bedingt ein beschleunigter Wiederaufbau in der Folge der Herzschläge zwar eine größere Menge bereitgestellter Muttersubstanz, aber auch einen rascheren Verbrauch der causa movens, wodurch die Pulshöhe im entgegengesetzten Sinne beeinflußt wird !), Bisher habe ich die Höhe der Zuckung nur in Abhängigkeit von der Menge zersetzbarer Substanz geschildert, dies gilt aber nur solange, als alle anderen Prozesse gleich bleiben; zulässig war es auch, wenn die Reizschwelle in Frage kam, wie bei der Frequenzhalbierung. Wir müssen aber, wenn wir den Verlauf der Zuckung betrachten, diese Menge Milchsäuremuttersubstanz als Milchsäure (immer in entsprechendem Maße gemessen) in unsere erste Zuckungsgleichung einsetzen. Und wir werden so eine Anzahl Erscheinungen dem Verständnis näherbringen, welche aus der Menge aufgestapelter Energie selbst nicht abzuleiten sind. Hofmann?) hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Form der Zuckung sich nicht nur in der Weise ändern kann, daß sie im ganzen kleiner wird, sondern auch in ihrem Verlauf Unterschiede aufweisen kann, und hat prägnante Bilder der verschiedenen Zuckungen zusammengestellt. Dies läßt sich rechnerisch durch Änderung der Konstanten unserer Zuckungsgleichung ableiten. Verändern wir die Menge Milchsäure, also L, so haben wir es mit großen und kleinenZuckungen schlechtweg zu tun. Es erscheint dann bei schnellem Trommel- gang (z. B. nach der Extrasystole) die große Zuckung nicht nur höher, sondern auch gewissermaßen dicker, dauert länger. Normale Zuckung: Konstanten: Z = 10; c—1; K —0,; Höhe der Zucküng z. Z. 0,5; z. Z. 1; 2.2. 1,5 usf. bis z. Z. 5: 1,72; 2,53; 2,49; 2,32; 2,04; 1,73; 1,43; 1,17; 0,95; 0,76. — Zuckungshöhe bei halber Milchsäuremenge; Konstanten: L=5; c=1; K=0,; Höhe z.Z. 0,5; z. 2. 1 usf. bis z. Z. 5: 0,86; 1,27; 1,25; 1,16; 1,02; 0,87; 0,72; 0,59; 0,48; 0,38. Bei beschleunigtem Aufbau wird auch der Verbrauch der Milchsäure ein sehr großer; auf diese Weise wird die Höhe der Zuckung herabgedrückt (z. B. bei Vagusreizung). Wir vergleichen die Zuckungshöhe bei kleinerer Aufbaugeschwindig- keit mit der ‚normalen‘ Zuckung (s. oben): Zuckungshöhe z. Z. 0,5; z. Z. 1 usf. bis z.Z. 5 (Konstanten: L=10; c=0,4; K = 0,5): 2,05; 3,25; 3,85; 4,12; 4,10; 3,90; 3,65; 3,35; 3,00; 2,65. — Wir verstehen jetzt, warum eine Vergiftung, welche mit einer Schädigung des Aufbaus einhergeht, wie es bei der Digitalisvergiftung aus der Verlängerung der refraktären Phase folgt, mit einer Steigerung der Leistung des einzelnen Herzschlages einhergehen kann, und zu einer so auffälligen Förderung der Kontraktilität führen kann, wie es der systolische Stillstand ist. Vergleichen wir endlich die Normalkurve mit derjenigen bei halber Quellungs- geschwindigkeit, so wird die Zuckungskurve außerordentlich gedehnt. Man muß !) Eine Erscheinung, die, wie wir bei Besprechung der Vaguswirkung noch sehen werden, die letzte Ursache des Streites um das Vorhandensein inotroper und bathmotroper Nerven, sowie der Anschauung ist, Kontraktilität und Reiz- barkeit seien zwei getrennte Prozesse. 2) F. B. Hofmann, Über die Änderungen des Kontraktionsablaufes am Ventrikel und Vorhofe des Froschherzens bei Frequenzänderung und im hypo- dynamen Zustande. Diese Zeitschr. 84, 130. 1901. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 12 178 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen an solche Verzögerung der Quellungsgeschwindigkeit denken (wenn wir uns den Vorgang einmal in grober Weise vorstellen wollen), SIR Abb. 12. Einzelzuckung bei wechselnder Milch- wechselndem Ver- wechselnder Quel- wenn etwa nach längerer Ruhe sich das Quellungs- wasser über größere Strek- ken verteilt hat, während es sonst — bei schneller Folge der. Herzschläge oder Muskelkontraktionen — gewissermaßen noch vor der Tür steht und räumlich in sehr begrenz- ter Entfernung hin und säure (normal und brauch der Milch- lungsgeschwindig- n/2). säure (normal und keit (normal und her pendelt. Und so dau- nJ2). n/2). ert es nach langer Ruhe einige Zeit, ehe der Pro- zeß in voller Wirkung so recht N in Gang kommt. — Zuckungshöhe z. 2. 05; z. z1;z zZ 15 usf. bis z. Z. 5 (Konstanten: ZL = 10; e— 1; K2—10,25)27 0: 92237 1,54; 1,62; 1,50; 1,41; 1,29; 1,16; 1,05; 0,93. — Der Verlauf der Kurve wird also gedehnter. Abb. 13. Extrasystole zur Zeit 4 nach dem Beginn eines normalen Herzschlages. (Vorher gestrichelt eine Extrasystole z. Z. 3). 5. Die Extrasystole. Die Erscheinungen der Extrasystole — ihre von der Länge der Erholungszeit abhängige Größe, der Ausfall des Erfolges des folgenden Leitungsreizes, die abnorme Größe der ersten Zuckung nach der kom- pensatorischen Pause und die Tatsache, daß die Extrasystole unter ge- wöhnlichen Verhältnissen unterhalb des Niveaus der normalen Herz- schläge bleibt, weil ihr weniger aufgestapeltes Material zur Verfügung steht, trotzdem sie von einem höheren Nullpunkt beginnt — lassen sich sämtlich rechnerisch ableiten. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei einer Extrasystole zur Zeit 3. Kon- stanten: G=10; K), = 0,75; K,=2; m= 0,5; Muttersubstanz nach jeder Periode: 6,45; 6.45; Extrasystole z. Z. 3: 2,31; Muttersubstanz z. Z. 2, d.h. beim Eintreffen des nächsten Leitungsreizes: 3,27 — unterschwellig, fällt aus, kompen- satorische Pause; nächste Systole z. 2. 2+5 =17: 9,17; dann: 5,38, 6,87; 6,29; 6,51; 6,43; 6,46; 6,45. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei einer Extrasystole z. Z.4. Konstanten wie oben; Muttersubstanz: 6,45; 6,45; Extrasystole z. Z. 4: 4,27; Muttersubstanz z.Z. 1, d.h. beim Eintreffen des nächsten normalen Leitungsreizes: —; also kompensatorische Pause; nächster Herzschlag z. Z. 1 +5 = 6: 8,32; dann 5,72; 6,74; 6,34; 6,49; 6,43; 6,46; 6,45. Zuckungsverlauf bei der Extrasystole z. Z. 4; Konstanten: K = 0,5; ce = 0,4. Rest der Mutters. Zuckungshöhe zur Zeit Zuckung, —U ! a. vorig. n. dies. | | Re Periode Periode] BR Ib ' 1,5 | 2 | =; | 3 | 3, | = | = | 3 1,8618 6, 45 2,739 3, 192 3,169 | 3,328 | 3,177 | 2,921 | 2,677 | 2,412 | 2,131 | 1,8618 1,8618 | 6,45 |2,739| 3,192 3,169 | 3,328 | 3,177 2,921 | 2,677 | 2,412 | 2,131 | 1,8618 und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 179 Extrasystole z. Z. 4 (Rest der Milchsäuremuttersubstanz aus der vorigen Periode — 1,30 + Muttersubstanz jetzt 4,27, zus. — 5,57!). Rest der |Mutters. Zuckung =L a. vorig. | n. dies. Y RR SgE ; Periode |Periodel 9° 1 1.5 2 2,5 3 7 | 2,4121 | 5,57 12,991 [3,243 | 3,116 | 3,169 | 2,974 | 2, 10 2,440 2,192 | 1,924 | 1,674 | Us z0Z7786: 10152625 1,2625 | 8,32 |2,646 | 3,428 | 3,550 | 3,875 | 3,772 | 3,520 | 3,255 | 2,958 | 2,629 | 2,3083 2,3083 | 5,72 |2,940 | 3,229 | 3,120 | 3,192 | 3,005 | 2,746 | 2,487 | 2,228 | 1,958 | 1,7051 1,7051 | 6,74 |2,675 3,190 | 3,198 | 3,390 | 3,251 | 3,009 | 2,755 | 2,478 | 2,171 | 1,9259 1,9259 | 6,34 |2,766 | 3,196 | 3,160 | 3,306 | 3,140 | 2,902 | 2,647 2,384 | 2,104 | 1,8380 . 1,8380 | 6,49 |2,728 | 3,191 | 3,172 | 3,335 | 3,187 | 2,941 | 2,687 | 2,42] | 2,140 | 1,8706 Zuckunsghöhe zur Zeit 39:| 4 4,5 5 {Zuckungsverlauf bei der Extrasystole z. Z. 3 [Rest der Milchsäuremutter- substanz aus der vorigen Periode: 0,69 + Milchsäuremuttersubstanz jetzt 2,31]; Konstanten die gleichen wie oben; Rest der vorigen Zuckung: 2,9207 ; Zuckungshöhe z. 2. 0,5, dann ] usf. bis 5: 2,872; 2,730; 2,260; 2,302; 2,065; 1,721; 1,600; 1,399; 1,207; 1,036.) Dabei wurde die Zuckungshöhe durch Einsetzen der Muttersubstanz als Z in die erste Zuckungsgleichung gewonnen; zu beachten ist, daß hier bei einer Auf- einanderfolge von Herzschlägen immer noch von vorher ein Verkürzungsrückstand vorhanden ist, welcher während der Zuckung abnimmt, so daß der Wert für x lautet: LK (c-C— e-Kb)(K —c)-+ae-#!. Dieser abnehmende Ver- kürzungsrückstand a ist auch der Grund für den Rückfall der Kurven kurz vor Erreichen des Gipfels, er findet sich gerade bei diesen Konstanten; kommt aber auch häufig auf experimentell gefundenen Kurven vor, wie ich bei der Durch- sicht eines Stoßes alter Herzkurven feststellte, nachdem sich ein solcher Rück- fall rechnerisch ergab. 6. Superposition der Zuckungen und Tetanusdes Herzens. Unter einer Anzahl von Bedingungen erlangt auch das Herz die Fähigkeit, zwei sich kurz folgende Zuckungen zu summieren, so daß die Höhe dieser summierten Zuckung über das Niveau der normalen Herzschläge hinausrast?). Zuletzt hat Walther®) (unter Hofmann) die Fälle von Superposition der Zuckungen am Herzen zusammengestellt, und die Erscheinungen besonders bei der Muscarinversiftung näher studiert. Von physiologischen Bedingungen kommen dafür der Vagusreiz und die Treppenbedingungen in Betracht, von pharmako- logischen Stoffen der Kalk, Muscarin und Chloralhydrat®). Es nähert sich also unter diesen Bedingungen das Herz dem Skelettmuskel, und wir müssen daher auf einen beschleunigten Aufbau schließen, so daß ich dem zunächst naheliegenden 1) Rest= Le- «. 2) OÖ. Frank, Gibt es einen Herztetanus? Zeitschr. f. Biol. 38. N. F. 20, 300. 1899. 3) A. Walther, Zur Lehre vom Tetanus des Herzens. Diese Zeitschr. 78. 597. 1899. 4) E. Rhode, Über die Einwirkung des Chloralhydrats auf die charakte- ristischen Merkmale der Herzbewegung. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 54, 104. 1905. 12* 180 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen Schluß Rhodes für das Chloralhydrat nicht folgen kann, welcher nervöse Ele- mente heranzog. Worauf diese Beschleunigung im einzelnen beruht, kann man nicht sagen, ob der Aufbau selbst oder die Oxydationen oder endlich die Abdiffusion gefördert wird. — Ein rechnerisches Beispiel für die S uperposition werde ich bei der Vagusreizung geben. Wir müssen die Fähigkeit des Herzens zu Superposition und Tetanus auf einen beschleunigten Aufbau zurückführen, so daß es sich in seinem Stoffwechsel dem Skelettmuskel nähert; natürlich ist in solchen Fällen auch die Refraktärzeit verkürzt. 7. Vagusreiz. Unter der Vaguswirkung werden die Pulse langsamer, bis sie ganz ausbleiben, Erscheinungen, welche wir erst später bei der Reizbildung besprechen wollen. Ferner werden die Pulse kleiner und das Herz er- langt die Fähigkeit zu Superposition und Tetanus. Daraus müssen wir schließen, daß sich das Herz in seinem Stoffwechsel dem des Skelett- muskels genähert hat, bei welchem Superposition und Tetanus leicht zu erzielen ist (und dem auch eine autonome Reizbildung fehlt). Der Auf- bau erleidet also unter der Vaguswirkung eine Förderung, und der so- genannte Hemmungsnerv des Herzens ist ein trophisch fördernder Nerv des Herzens. Daher hinterbleibt auch eine echte, nicht nur scheinbare Förderung der Vagusreizung als Nachwirkung. Und so würde der Va- gus auch am Darm und Bronchiaimuskel ein fördernder Nerv sein, so daß z. B. die Erregung vom Auerbachschen Plexus aus am Darm größeren Erfolg hat. Durch diesen beschleunigten Aufbau werden am Heızen die Pulse in ihrer Höhe herabgedrückt, weil der schnelle Auf- bau auch die Milchsäure sehr rasch verbraucht, daher der schnelle Ab- lauf der Kontraktion unter der Vaguswirkung und das Sinken des diastolischen Tonus!). Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei der Vagusreizung. Konstanten: G=10; K, = 0,75; K, = 0,25; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5: 9,18; 9,18; jetzt eine Extrasystole z. Z. 3: 7,77; Mutter- substanz z. Z. 2, wo der nächste normale Leitungsreiz anlangt: 6,11; also keine kompensatorische Pause; nächster Herzschlag: 9,35; 9,18; 9,18. Zuckungsverlauf bei der Vagusreizung (Konstanten: K = 0,5; c=|1). Rest der vorigen Zuckung: 0,7600. Zuckungshöhe z. Z. 0,5; z. Z. 1 usf. bis z. Z. 5 (bei Milehsäuremuttersubstanz 9,18): 2,183; 2,783; 2,645; 2,409; 2,090; 1,758; 1,444; 1,177; 0,951; 0,7600 (also Rest wieder 0,7600). — Extrasystole z. Z. 3, wo in der Norm die Extrasystole gerade angedeutet war; Rest der Milchsäuremuttersubstanz aus der vorigen Periode 0,46 + Muttersubstanz jetzt 7,77; also zusammen — 8,23. Zuckungshöhe z. Z. 0,5; z. Z. 1 usf. bei Rest der Zuckung = 1,7576 und den gleichen 1) Bei großen Reizpausen werden die Zuckungen wie bei der Treppe ge- dehnt. Vgl. Rhodius und Straub, Studien über die Muskarinwirkung am Froschherzen bei erhaltenem Kreislauf. bes. über die Natur des Tetanus des Herzens im Muskarinzustand und die der negativ inotropen Wirkung auf die Herzmuskelzuckung. Diese Zeitschr. 110, 492. 1905. und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 181 Konstanten wie oben: 2,783; 3,147; 2,879; 2,554; 2,192; 1,816; 1,481; 1,200; 0,966; 0,669. — Es superponiert also eine sonst kaum angedeutete Extrasystole unter der Vaguswirkung. Die anderen Wirkungen der Vagusreizung, die Wirkung auf die Überleitung und diejenige auf die Erregbarkeit, scheinen vielfach durch die starke Abschwächung der Kontraktionshöhe ein falsches Bild zu geben.!) Auch sie hängen von den Stoff- wechselvorgängen in der Weise ab, daß die gesteigerte Menge von in Bereitschaft stehender Milchsäurevorstufe die Erregbarkeit steigert, so daß unter der Vagus- wirkung schon schwächere Reize eine (allerdings stark verminderte) Zuckung aus- lösen. Da hier der schnelle Verbrauch der vermehrten Milchsäure die Pulse her- unterdrückt, so findet scheinbar kein Parallelgehen von Kontraktilität und Er- regbarkeit statt; da dieser klassische Fall der Unabhängigkeit der Kontraktilität und Erregbarkeit aber eine selbstverständliche Folge der Stoffwechselbeschleunigung darstellt, trotzdem auch hier mehr Muttersubstanz vorhanden ist, von welcher die Erregbarkeit immer, die Kontraktilität in der Norm, wenn der Aufbau nicht be- schleunigt ist, abhängt, so schließe ich mich der hauptsächlich von Hering vertretenen Ansicht an, daß Kontraktilität und Erregbarkeit von ein und dem- selben Vorgang abhängig sind, nämlich der Menge Muttersubstanz. — Die Ver- langsamung der Überleitung unter der Vagusreizung ist, wie wir oben sahen, mit der Verkleinerung der Pulse zu vergleichen; bei der Leitung entspricht die Zeit der Größe bei der Kontraktilität. Eine vollkommene Hemmung der Überleitung dagegen scheint dem Vagusreiz nicht zuzukommen, oder doch nur nach Schädigung der leitenden Muskulatur, z. B. durch Quetschung, aber ein solcher Vorgang führt zu einer Entstehung von Milchsäure, wie vom willkürlichen Muskel her be- kannt ist, und dies stört natürlich die Verhältnisse grundlegend. Von dieser Blockie- rung der Leitung bei Quetschung und Vagusreiz sagt Hofmann?): „Solange man die Klemme vorsichtig und locker anlegt, daß der Hauptsache nach der Bulbus aortae festgehalten wird, ist auch bei dieser Versuchsanordnung eine Leitungs- hemmung bei Vagusreizung kaum zu erzielen. Mit sehr großer Regelmäßigkeit dagegen konnte ich den letzten Erfolg herbeiführen, wenn ich absichtlich die Klemme ganz fest anzog, so daß es den Z Anschein hat, als ob eine Schädigung des Abb. 14. Gewebes, wie sie hier durch Quetschung Vagusreiz mit Extrasystolle Normal mit Ex- erfolgt, eine wesentliche Vorbedingung für Zn: EN das Zustandekommen der Leitungshemmung während der Vagusreizung bildet. Die Kurven III und IV auf Tafel VIII, welche den Erfolg der Reizung der Scheidewand- nerven vor und nach Quet- schung des Vorhofsgewebes App. 15. Treppe mit 2 Extrasystolen zur Zeit 3 nach dem an der Atrioventrikulargren- Herzschlage, 1) nach dem zweiten (superponiert) und 2) ze zeigen, bieten gute Bei- nach dem zwölften (superponiert nicht). spiele für das eben Gesagte.‘ Hier wurde in der Rechnung die Beschleunigung des Aufbaus von der För- derung der Oxydationen abgeleitet; aber auf welcher Komponente ein solcher !) Vel. F. B. Hofmannin Nagels Handk. d. Physiol. 1, 1, 270. ®2) F. B. Hofmann, Beiträge zur Lehre von der Herzinnervation. Diese Zeitschr. 42, 409. 1898 (S. 441). 182 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen schnellerer Aufbau beruht, darüber läßt sich nichts sagen; wir wissen nur den Bruttoeffekt. 8. Die Treppe. Die Treppe, allmähliches Anwachsen der Zuckungshöhe, gedehnterer Verlauf der ersten Zuckungen und die Möglichkeit der Superposition und des Tetanus am Herzen während dieser Treppe, folgen aus den Ände- rungen, welche der Stoffwechsel nach längerer Ruhe’ erfahren muß. Zunächst wird alle Kohlensäure Zeit gefunden haben, restlos abzudiffundieren ; daher fällt ein hemmender Einfluß des Aufbaus fort, und er wird eine Beschleu- nigung erfahren; daher die Fähigkeit des Herzens zu Superposition und Tetanus. Das Quellungswasser wird sich gleichmäßig über größere Räume verteilt haben, so daß es nicht so schnell zur Verfügung steht, daher der gedehntere Verlauf der anfänglichen Zuckungen; dies drückt auch die Höhe der Kontraktion herab (kleineres X der Zuckungsgleichung). In demselben Sinn wirkt der beschleunigte Aufbau mit seinem schnelleren Verbrauch der Milchsäure. Dagegen wird alles verfügbare Gesamtmaterial zu Muttersubstanz aufgebaut sein, was die Zuckung erhöhen müßte, wenn nicht die beiden eben erwähnten Komponenten der Zuckungs- größe entgegenwirkten. Alles dies gleicht sich nach ein paar Zuckungen wieder aus. Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei der Treppe. Konstanten: @ = 10; K,=0,75; K, = 2; m allmählich fallend bis zur Norm (= 0,5); Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (m davor in Klammer): längere Pause; 10,00; (m = 1,0) 8,41; (0,9) 8,41; (0,8) 8,07; (0,7) 7,47; (0,6) 6,99; (0,5) 6,29; (0,5) 6,51; (0,5) 6,43; (0,5) 6,45; (0,5) 6,45; also wieder normal. — Extrasystole zur Zeit 3 nach Zuckung II (m = 0,9): 4,66. Zuckungsverlauf bei der Treppe. Die eben errechneten Werte für die Mutter- substanz in die Zuckungsgleichung als L eingesetzt. Zuckungshöhe z. Z. 0,5 z. 2. 1 usf. bis z. Z. 5 (die Konstanten vorher in Klammern) erster Schlag: (X = 0,25; c = 0,9; Rest der vorigen Zuckung = 0; Muttersubstanz = 10,00); 0,954; 1,430; 1,650; 1,750; 1,650; 1,560; 1,440; 1,310; 1,180; 1,0600; zweiter Schlag (K = 0,3; c = 0,8; Rest 1,0600; Muttersubstanz 8,41): 1,880; 2,257; 2,353; 2,331; 2,199; 2,108; 1,825; 1,631; 1,333; 1,1026; dritter Schlag (X = 0,355; c = 0,7; Rest — 1,1026; Muttersubstanz = 8,41): 2,061; 2,526; 2,678; 2,649; 2,503; 2,503; 2,073; 1,827; 1,608; 1,4029; nächster Schlag (X = 0,4; c = 0,6; Rest = 1,4029; Muttersubstanz — 8,07): 2,284; 2,893; 2,957; 3,017; 2,857; 2,618; 2,379; 2,075; 1,813; 1,5613; nächster Schlag (K = 0,45; c = 0,5; Rest —= 1,5613; Muttersub- stanz = 17,37): 2,613; 3,148; 3,282; 3,256; 3,061; 2,825; 2,608; 2,275; 2,021; 1,7102; nächster Schlag (X = 0,5; c = 0,4; Rest = 1,7102; Muttersubstanz — 6,99): 2,729; 3,273; 3,189; 3,494; 3,353; 3,208; 2,847; 2,573; 2,277; 1,9926; näch- ster Schlag (X = 0,5; c = 0,4; Rest — 1,9926; Muttersubstanz — 6,29): 2,808; 3,220; 3,178; 3,310; 3,149; 2,898; 2,641; 2,376; 2,091; 1,8303; nächster Schlag (K=0,5; c = 0,4; Rest = 1,8303; Muttersubstant —= 6,51): 2,726; 2,192; 3,135; 3,141; 3,193; 2,947; 2,693; 2,428; 2,145; 1,8753; nächster Schlag (X = 0,5; ce = 0,4; Rest — 1,8753; Muttersubstanz = 6,43): 2,745; 3,194; 3,153; 3,296; 3,158; 2,926; 2,671; 2,407; 2,126; 1,8578; nächster Schlag (K = 0,5; c = 0,4; Rest = 1,8578; Muttersubstanz = 6,46): 2,726; 3,183; 3,169; 3,330; 3,179; 2,934; 2,678; 2,415; 2,133; 1,8642; nächster Schlag (X = 0,5; c = 0,4; Rest — 1,8642; Mutter- substanz = 6,45): 2,740; 3,194; 3,170; 3,329; 3,339; 2,921; 2,677; 2,415; 2,132; 1,8622; nächster Schlag (X = 0,5; c = 0,4; Rest = 1,8622; Muttersubstanz = 6,45): 2,739; 3,192; 3,169; 3,328; 3,177; 2,920; 2,676; 2,412; 2,131; 1,8618; nächster Schlag (X =0,5; c=0,4; Rest = 1,8618; Muttersubstanz — 6,45): 2,739; 3,192; 3,169; 3,328; 3,177; 2,921; 2,676; 2,412; 2,131; 1,8618. — Extrasystole und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 183 z.Z. 3 nach Zuckung II: (X = 0,3; c = 0,8; Rest der Zuckung = 2,1084; Rest der Milchsäure aus der vorigen Periode — 0,77 + Muttersubstanz jetzt 4,66; zu- sammen = 5,43): 2,440; 2,513; 2,440; 2,287; 2,029; also höheres Niveau als spontane Zuckung zu dieser Zeit = Superposition. Vgl. damit normale Extra- systole z. Z. 3 nach Zuckung XII. 9. Der systolische Stillstand. (Die Digitalisvergiftung.) Auch dem Herzen kommt die Fähigkeit einer tonischen Kontraktur zu; nach einer Reihe von Giften bleibt es systolisch stehen, und zwar wie ein tonisch kontrahierter Muskel, ohne Aktionsströme zu zeigen!). Das klassische Beispiel für den systolischen Stillstand ist die Digitalis- vergiftung, bei welcher Straub (l. c.) einen verlangsamten Aufbau, kenntlich an der Verlängerung der Refraktärperiode, nachgewiesen hat. Lediglich aus dieser Tatsache lassen sich die Erscheinungen des systoli- schen Stillstandes in seiner verschiedenen Intensität ableiten. Denken wir uns an einem Herzen, welches sich in normaler Schlagfolge be- findet, plötzlich alle die Milchsäuremuttersubstanz aufbauenden und daher Milch- säure verbrauchenden Prozesse eingestellt, so wird der letzte Herzschlag zur Kon- traktur; denn, findet die Hemmung während des Anfanges des Anstieges statt, so bleibt die Milchsäure bestehen und ein Abstieg findet nicht mehr statt; und erfolgt das Aufhören des Aufbaus nach der Erschlaffung, so ist schon für den näch- sten Herzschlag die Muttersubstanz bereit, und aus dem folgenden Herzschlag ent- wickelt sich die Kontraktur. Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn der Aufbau allmählich geringer wird: dann wird für jeden späteren Herzschlag das Bereitstellen der Muttersubstanz schlechter, es nimmt also die für jeden Herz- schlag zu Gebote stehende Menge Milchsäure immer mehr ab, die Pulse werden kleiner, und wenn endlich der Aufbau ganz aufhört, und also auch der Verbrauch der Milchsäure, so wird zwar aus der letzten Zuckung eine Kontraktur, aber die Menge Milchsäure ist für diese Contractur schon recht gering geworden: die Kon- traktur erreicht nicht die Höhe, wie bei plötzlicher Einstellung des Aufbaus der Muttersubstanz; mit anderen Worten, bei langsamer Vergiftung erfolgt der Still- stand nicht mehr auf der vollen Höhe der normalen Systole, sondern fällt immer niedriger aus, je mehr die aufbauenden Prozesse vorher schon gelitten haben, und so kommt es durch denselben Mechanismus, durch Einstellen. des Wieder- aufbaus der Milchsäuremuttersubstanz, wenn er plötzlich einsetzt, zu systolischem — wenn er sich langsam entwickelt, zu diastolischem Stillstande des Herzens. Bei schneller Digitalisvergiftung erhebt sich die Kurve peitschenförmig über das Niveau der Systole — bei langsamer Vergiftung, z. B. von der Außenfläche des Herzens aus, tritt diastolischer Stillstand ein. — Wir finden diese Erwägungen durch ein paar rechnerische Beispiele bestätigt. Zuckungsverlauf bei plötzlicher Hemmung des Wiederaufbaus. Zuckungs- höhe (Muttersubstanz = 6,45; c = 0,4): 3,3278 z.Z. 2 (größte Höhe); 1,8618 z. 2. 5 (Diastole und Rückstand); neuer Schlag (Muttersubstanz = 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. 2. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 6,45; c = 0,001) 4,1592 z. Z. 2; 6,0576 z. Z. 5; 6,3774 z. Z. 10; 6,1469 z. Z. 50. — Also peitschen- förmiger Anstieg über das systolische Niveau. !) Siehe De Boer und A. Fröhlich, Die elektrischen Erscheinungen während der Kontraktur des Froschherzens. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 84, 273. 1918. 184 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei schneller Verminderung der Aufbau- geschwindigkeit. Konstanten: G = 10; K, nimmt ab; K, = 2; m = 0,5; Mutter- substanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (K, davor in Klammern): (0,75) 6,45; (0,75) 6,45; (0,6) 4,00; (0,4) 3,80; (0,2) —; (0,1) —; Bildung hört also Abb. 16. Systolischer Stillstand bei schneller Abnahme der Wiederaufbaugeschwindigkeit. Diastolischer Stillstand bei langsamer Abnahme der Wiederaufbaugeschwindigkeit. (= Digitaliswirkung.) dauernd auf. Zuckungsverlauf bei schneller Verminderung der Aufbaugeschwindig- keit. Zuckungshöhe (Muttersubstanz — 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. 2.2; 1, 8618 z. 2.5; neuer Schlag (Muttersubstanz —= 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. Z. 2; 18618 z. Z.5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,00; c = 0,2) 2,7113 z. Z. 2; 1,9267 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 3,80; c = 0,001) 3,1087 z. Z. 2; 3,6352 z. Z.5; 3,7622' z. 2. 10; 3,6214 z. Z. 50. — Also schneller systolischer Stillstand. Zuckungsverlauf bei dauernder Verschlechterung des Aufbaus (Aufbau siehe S. 173). Zuckungshöhe (Muttersubstanz — 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. Z. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 6,29; c = 0,375) 3,3251 z. Z. 2; 1,9390 z.Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 6,13; c = 0,35) 3,3465 z. Z. 2; 2,0409 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,99; c = 0,325) 3,3846 z. Z. 2; 2,1321 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 5,85; c = 0,3) 3,4488 z. Z. 2 2,2525 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz —= 5,67; c = 0,275) 3,4619 z. Z. 2; 2,3247 Z= 5; neuer Schlag (Muttersubstanz —= 5,54; c = 0,25) 3,5013 z. Z. 2; 2,4509 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,25; c = 0,225) 3,4878 z. Z.2; 2,5109 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,22; c —= 0,2) 3,5628 z. Z. 2; 2,6958 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz — 4,95; c = 0,175) 3,5535 z. Z. 2; 2,7710 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz — 4,86; c — 0,15) 3,6022 z. Z. 2; 2,9342 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz — 4,53; c — 0,125) 3,5593 z. Z. 2; 2,9767 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,39; c = 0,1) 3,5684 z.Z. 2; 3,1196 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,01; c = 0,075) 3,4707 z. Z. 2; 3,0107 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz = 3,99; c = 0,05) 3,4909 z. Z. 2; 3,3319 z. Z. neuer Schlag (Muttersubstanz = 3,56; c = 0,025) 3,4122 z. Z. 2; 3,2672 z. Z. 5. — Also Entwicklung des systolischen Stillstandes als Rückstandskontraktur. we 0. vw. wo. 8° oe Sa ce und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zürückzuführen. 185 Aufbau der Milchsäuremuttersubstanz bei erst schneller, dann langsamer Verminderung der Aufbaugeschwindigkeit (X, nimmt nach der Formel 0,75 mal e-*! ab, worin c=(,1 ist). Konstanten: @=10; X, nimmt ab; KR, =2; m = 0,5; Muttersubstanz zum Schluß jeder Periode von der Zeit 5 (K, davor in Klam- mern): (0,75) 6,45; (0,75) 6,45; (0,68) 5,85; (0,61) 5,44; (0,54) 4,85; (0,49) 4,87; (0,45) 3,91; (0,41) 4,23; (0,37) 3,13; fällt als unterschwellig aus, Aufbau geht weiter; also z. Z. 10: (0,34) 8,45; (0,30) —; also z. Z. 10: (0,28) 4,14; (0,25) —: also z. Z. 10: (0,23) 6,09; (0,20) —; (0,18) 2,27; fällt als unterschwellig aus, also z. Z. 15: (0,16) 5,82; (0,14) —; also z. Z. 10: (0,12) —; also z. Z. 15: (0,10) 0,29; fällt als unterschwellig aus, also z. Z. 20: (0,08) 2,90; fällt als unterschwellig aus, also z.Z. 25: (0,06) 2,90; bleibt also dauernd unterschwellig (Pulsus alternans vor Frequenzhalbierung!). — Zuckungsverlauf. Zuckungshöhe (Mutter- substanz = 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. Z. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Mutter- substanz = 6,45; c = 0,4) 3,3278 z. Z. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersub- stanz = 5,85; c = 0,35) 3,1988 z. Z. 2; 1,7518 z. Z.'5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,44; c—= 0,3) 3,1181 z. 2.2; 2,0639 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstan z = 4,85; c = 0,25) 3,0758 z. Z. 2; 2,1480 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 4, 87; c = 0,2) 3,2574 z. Z. 2; 2,5095 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 3,91; € = 0,15) 3,0089 z. Z. 2; 2,3837 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,23; c = 0,1) 3,2648 z. 2.2; 2,9662 z. 2.5; 1,9263 z. Z. 10; neuer Schlag (Muttersubstanz — 8,45; c = 0,09) 5,5404 z. Z. 2; 5,8871 z. Z. 5; 4, 1352 z. Z. 10; neuer Schlag (Mutter- substanz — 4,14; c = 0,08) 3,8691 z. Z. 2; 3,2123 z. Z. 5; 2,2107 z. Z. 10; neuer Schlag (Muttersubstanz = 6,09; c = 0,07) 4,2729 z. Z. 2; 4,5844 z. Z. 5; 3,5638 z. Z. 10; 2,4786 z. Z. 15; neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,82; c — 0,06) 4,3376 z. 2. 2; 4, 5682 z. Z. 5; 3,5651 z. Z. 10; 2,6830 z. Z. 15; /0,33174 z. Z. 50. — Also diastolischer Stillstand. Zuckungsverlauf bei dauernd zunehmender Verschlechterung des Aufbaus (Aufbau siehe S. 173). Zuckungshöhe (Muttersubstanz — 6,45; c — 0,4) 3,3278 z.Z2. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 6,45; c — 0,4) 3,3278 z.2. 2; 1,8618 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 6,04; c — 0,35) 3,2805 z.Z. 2; 2,0068 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,82; c — 0,3) 3,3846 z.2. 2; 2,2772 z.Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 5,43; c = 0,25) 3,4312 z.2. 2; 2,4130 z.Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 5,08; c = 0,2) 3,4612 z. 2. 2; 2,4483 z.Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 4,58; c = 0,15) 3,3441 z.2. 2; 2,7419 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,31; c = 0,1) 3,4416 z. 2. 2; 3,0479 z. Z. 5; neuer Schlag (Muttersubstanz — 3,65; c — 0,09) 3,2604 z. 2. 2; 2,7246 z.Z. 5; 1,7995 z. Z. 10; neuer Schlag (Muttersubstanz — 7,72; c—=(0,08) 5,2554 z. Z. 2; 5,5054 z. Z. 5; 4,0869 z. Z. 10; 2,7638 z. Z. 15; neuer Schlag (Muttersubstanz = 4,30; c = 0,07) 3,5255 z. Z. 2; 3,3355 z. Z. 5; 2,5235 z. Z. 10; 1,7501 z. Z. 15; 1,2248 z. Z. 20; 0,1462 z. Z. 50. — Also diastolischer Still- stand. Die Verzögerung des Aufbaus ist hier durch Verkleinerung der Konstanten des Wiederaufbaus herbeigeführt worden; aber wir wissen über die spezielle Be- einflussung nichts, sondern können bei der Digitalisvergiftung nur den Gesamt- effekt, eben die Verzögerung beobachten. Ganz ähnlich wirkt Veratrin!), welches - ja auch am Skelettmuskel zu langdauernden Kontrakturen führt. Der Kalk, der in kleinen Dosen den Aufbau fördert, scheint in großen ihn zu hemmen, oder aber es kommt hierbei noch ein Einfluß auf die Kolloide selbst dazu, nicht nur ein Stoffwechseleinfluß. 1) R. Boehm, Über die Wirkungen des Veratrin und Protoveratrin. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 71, 269. 1913. 186 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen VI. Die autonome Reizbildung. Die autonome Reizbildung kann nicht wie die Erregbarkeit und Kontraktilität von der Menge der aufgestapelten Milchsäuremuttersub- stanz abhängen, scheint aber doch mit dem Aufbau in Zusammenhang zu stehen; ist doch die Stätte der Reizbildung nicht genau auf einen Punkt beschränkt; sondern es entsteht der normale Reiz an verschiede- nen Stellen der Einmündung der großen Venen, gewissermaßen an dem Orte, welcher — wenn man so sagen darf — zuerst fertig ist. Ich ver- mute nun, daß dabei die Steilheit der Aufbaukurve eine Rolle spielt. Erreicht der Anstieg eine gewisse Steilheit, so kommt die Reizbildung zustande, bleibt der Anstieg unter einem gewissen Schwellenwinkel, so bleibt sie aus. Natürlich muß eine gewisse Menge Muttersubstanz vorhanden sein, damit der Reiz wirksam werden kann; und da sehen wir, daß ein sehr rascher Aufbau, der schon von der Zeit Null an sich über die Nullinie erhebt, zuerst die größte Steilheit besitzt, wo noch nicht genügend Muttersubstanz aufgestapelt ist, später aber nur sehr wenig ansteigt. D. h. aber: das Gebilde mit dem besten Aufbau, der will- kürliche Muskel bildet autonom keine Reize; wohl aber, wenn der Auf- bau verzögert wird, wie nach Veratrin, wo ja, wie die lange Kontraktur lehrt, die Milchsäure nicht so schnell in ihre Vorform zurückverwandelt wird; dann sehen wir nicht nur die Erschlaffung langsam vor sich gehen, sondern während dieser langsamen Erschlaffung, während dieses lang- samen Aufbaus treten neue autonom entstandene Zuckungen auf, ohne neuen äußeren Reiz. Und ebenso verhält sich der Muskel in kalk- entziehenden Lösungen, in denen Biedermann!) rhythmische Kon- traktionen am Skelettmuskel beobachtete. Umgekehrt hebt Kalk?) die Erscheinungen des veratrinvergifteten Muskels auf, wie er auch am Herzen den Aufbau befördert und zu Superposition und Tetanus führt. Und wenn man am Herzen den Aufbau beschleunist, z. B. durch Vagus- reiz, so leidet die Reizbildung und hört schließlich ganz auf, das Herz verhält sich dann wie ein willkürlicher Muskel, ist zu Superposition und Tetanus fähig, bildet aber keine Reize. Ist der Aufbau anderer- seits stark in die Länge gezogen, so hört ebenfalls die Reizbildung auf, wir kommen aus dem Optimum der Steilheit des Aufbaus heraus. Betrachtet man die anfangs abgebildeten Kurven des Aufbaus, so sieht man, daß ihr Verlauf sehr verschieden ist, je nach der Komponente, welche man variiert. Es verläuft also eine Kurve bei beschleunigtem Wiederaufbau ganz verschieden, je nach der Größe, auf welcher die Beschleunigung beruht, und ebenso ist es bei verzögertem Aufbau. Ich gebe hier noch einmal schematische Bilder der Steil- heit der Kurven des Aufbaus wieder, und zwar bei wechselnder Aufbaugeschwindig- keit oder wechselnder Abdiffusion der Kohlensäure oder wechselnder Stärke der 1) Biedermann, Wiener Sitzungsber. 8% (3), 257. 1880. 2) von Frey, Studien über die Wirkungsweise des Veratrins auf den quer- gestreiften Muskel. Sitzungsber. d. Physikal.-med. Ges. zu Würzburg 1912. und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 187 Oxydationen; man sieht, daß die Steilheit ganz verschieden beeinflußt wird; mit anderen Worten, es braucht nicht jede Beschleunigung des Aufbaus zu einer langsameren Reizbildung zu führen, wie die Vagusreizung, und nicht jede Hem- mung des Aufbaus zu einer Beschleunigung, wie die Acceleransreizung. Abb.17. Schematische Darstellung der Steilheit der Kurve des Aufbaus der Milchsäuremuttersubstanz bei wechselnder Aufbau- bei wechselnder Abdiffusion bei wechselnder Stärke geschwindigkeit. der Kohlensäure. der Oxydationen. 10. Das refraktäre Verhalten der autonom schlagenden Kammer gegenüber dem Vagusreiz und gegenüber Giften. Bei der Reizbildung ist der Sinus und Vorhof der empfindlichere Tejl des Herzens und daher auch der führende Abschnitt; die Pulse der autonom schlagenden Kammer sind seltener; die Kammer ist also der träger reagierende Herzteil. Wenn nun die Reizbildung erst in späteren Stadien des Anstieges der Aufbaukurve zustandekommt, so verlaufen die Kurven alle ziemlich nahe beieinander ohne Rücksicht auf ihre verschiedene Vergangenheit, auch bei wechselndem Aufbau. Wenn die Dreiecke nach rechts sehr lang sind, so macht es für die durchschnitt- liche Steilheit der Hypothenuse wenig aus, ob sie etwas zeitiger links unten beginnen, oder etwas höher nach rechts oben streben. Das heißt aber: der trägere Herzteil ist in seiner Reizbildung nicht so empfind- lich für geringe Änderungen der Aufbaugeschwindigkeit; die autonom schlagende Kammer wird durch den Vagusreiz und eine Reihe von Giften!) weniger beeinflußt als das normal schlagende Herz. Und ebenso wird durch Förderung des Aufbaus die Steilheit dieses Aufbaus dem Optimum der Reizbildung genähert; der träger reagierende Herz- teil wird durch Beschleunigung seines Aufbaus in der Reizbildung ver- stärkt, so durch die parasympathischen Reizeifte?2) und durch Kalk?). VII. Schluß. Man kann also auf Grund der heutigen Vorstellungen von dem Stoffwechsel des Muskels und des Herzens eine ganze Reihe von Erscheinungen ableiten und in rechnerischer Form verfolgen. Und man hat vielleicht den Eindruck gewonnen, 1) A. Fröhlich und E. Pick, Untersuchungen über die Giftfestigkeit des Reizleitungssystems und der Kammerautomatie. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 84, 250. 1913. ®2) A. Fröhlich und E. Pick, Unwirksamkeit der Stanniusligatur an Frosch- herzen unter dem Einfluß parasympathischer Reizgifte. Ebenda 84, 267. 1918. 3) Rothberger und Winterberg, Über die experimentelle Erzeugung extrasystolischer ventrikulärer Tachykardie durch Acceleransreizung. (Ein Bei- trag zur Herwirkung von Barium und Caleium.) Diese Zeitschr. 142, 461. 1911. 188 E. Frey: Ein Versuch, den Verlauf der Kontraktion am Herzen daß trotz der nur in groben Zügen möglichen Verfolgung der Stoffwechselvor- gänge der Versuch einer Durchrechnung manche Einzelheit uns erschlossen hat, wie den Pulsus alternans, den systolischen Stillstand bei der Disitalisvergiftung, Einzelheiten, welche uns bei einer einfachen Beschreibung entgangen wären. Man wird bei diesen Betrachtungen anfangs den Eindruck gehabt haben, als stelle man an eine unzureichende Erkenntnis zu hohe Anforderungen, wenn man den Umriß der Stoffwechselvorgänge am Muskel bis in weite Konsequenzen hinein verfolgt, aber ich meine, daß gerade die Ausdehnung einer Theorie auf recht viele Beobachtungen besser vor Täuschungen schützt, als wenn man nur eine Ansicht vermutungsweise äußert und sich vor weitgehenden Folgerungen hütet. Und gerade die rechnerische Verfolgung zwingt uns zu einer scharfen Begriffsbestimmung, die, meine ich, auf alle Fälle erstrebt werden muß, soweit sie sich nur irgend er- reichen läßt, und die, so unvollkommen sie auch zur Zeit noch ist, doch gleich- zeitig eine Art von Rechenschaft abgibt. Die hier dargetane Übereinstimmung der errechneten Werte mit a tat- sächlichen Beobachtungen beweist natürlich nur, daß die Vorgänge nach einem solchen oder ähnlichen Reaktionsschema verlaufen, kann aber für die Charak- terisierung der einzelnen Komponenten, z. B. in chemischem Sinne, nicht heran- gezogen werden. Ich bin mir wohl bewußt, daß diese Skizze, die ich von den Erscheinungen der Muskelzuckung und des Herzschlages entworfen habe, nicht nur der Aus- malung bedarf, sondern auch der Verbesserung, und daß ein erster Versuch, ein so großes Wissensgebiet unter einheitlichem Gesichtspunkt zu betrachten, manche Verzerrung aufweisen wird, meine aber doch, daß in diesen Betrachtungen ein Körnchen von Wahrheit enthalten sein muß. VII. Zusammenfassung. Geht man von der heute herrschenden Ansicht aus, daß beim Zustandekommen der Muskelzuckung das Auftreten von Milchsäure eine Rolle spielt, welche die ammnarenmlaklenz und die Verkürzung im Muskel veranlaßt, etwa dadurch, daß eine Wasserverschiebung in bestimmte Teilchen hinein stattfindet, und daß dieses Auftreten von Milchsäure ein Prozeß ist, der ohne Verbrennungen statt- findet, während solche den Wiederaufbau der Milchsäure zu ihrer Muttersubstanz begleiten, so kann man erstens die Zuckung des Muskels selbst und zweitens den Wiederaufbau der Muttersubstanz rechnerisch verfolgen, wenn auch beides nur in angenäherter Form. Es ergibt sich dann die Zuckung als der Wassereinstrom z. B. in quellende Teilchen unter dem Einfluß der Milchsäure; letztere nimmt aber schon während der Zuckung durch den Wiederaufbau ab. Dadurch wird die Menge entwickelter Milchsäure bei der Einzelzuckung nicht ausgenutzt, der Effekt aber gesteigert, wenn durch immer neue Reize die aufgebaute Muttersubstanz immer aufs neue zersetzt wird (Tetanus). — Eine bessere Ausnutzung durch einen Einzelreiz wird erreicht, wenn der Milchsäureverbrauch beim Wiederauf- bau verzögert ist und die Milchsäure nicht so schnell wieder verschwindet, z. B. beim Herzschlag; auf der anderen Seite ist dann aber kurze Zeit nach dem Reiz noch keine neue Muttersubstanz vorhanden, so daß ein zweiter Reiz unwirk- sam ist (refraktäres Stadium des Herzens und Unfähigkeit zu Superposition). Geht der Aufbau sehr schnell vor sich, so zeigt das Herz die Fähigkeit zu Super- position und Tetanus (Vagusreiz, Muscarinvergiftung, Kalkvergiftung), gleich- zeitig können aber trotz gesteigerter Milchsäuremenge die Pulse kleiner werden, weil schon während der Zuckung die Milchsäure für den neuen Wiederaufbau verbraucht wird (inotrope Vaguswirkung). Bei gesteigertem Wiederaufbau ist auch die Refraktärzeit verkürzt, bei verlangsamtem verlängert. Die Höhe des und Muskel auf Stoffwechselvorgänge zurückzuführen. 189 Pulses wird nicht nur bei wenig Muttersubstanz kleiner, sondern auch bei schnellem Wiederaufbau. Weil durch die entstehende Milchsäure Kohlensäure in Frei- heit gesetzt wird, so ist für den Wiederaufbau ein hemmendes Produkt anwesend, trotzdem der Zerfall der Muttersubstanz zu Milchsäure kein oxydativer Vor- gang ist; daher schädigen große Zuckungen den folgenden Wiederaufbau stärker als kleinere. Dadurch kommt eine Selbstregulierung der Stoffwechselvorgänge zustande, und so läßt sich rechnerisch ableiten, daß es bei Störungen aller Art immer wieder zu gleichmäßigen Herzschlägen kommt, freilich bei dauernden Störungen zu einem anderen Niveau. Dies neue Gleichgewicht stellt sich unter Pendeln um die neue Gleichgewichtslage, d.h. unter Pulsus alternans ein. Bei der Treppe ist der Wiederaufbau beschleunigt (Superposition und Tetanus), weil die Kohlensäure vollständig abdiffundiert ist; deswegen sind auch die ersten Zuckungen niedrig; gedehnt sind sie wegen des verlangsamten Wassereinstroms, während sonst das Wasser sich räumlich nur sehr wenig hin und her bewegt. — Bei der Digitalisvergiftung ist der Wiederaufbau verzögert (Verlängerung der Refraktärzeit und Frequenzhalbierung), deswegen aber auch die Einzelzuckung hoch (weil die Milchsäure nicht so rasch verbraucht wird). Je weiter der Wieder- aufbau gehemmt wird, desto mehr geht das Herz in den systolischen Zustand über; je langsamer diese Hemmung einsetzt, desto diastolischer ist der schließliche Still- stand (Vergiftung von außen). — Die autonome Reizbildung ist abhängig von der Steilheit des Wiederaufbaus; diese Steilheit ist bei schnellem Wiederaufbau vermindert (oder fällt ganz in den Anfang der Kurve, wo noch unterschwellige Mengen vorhanden sind); daher hört bei Vagusreiz die Reizbildung auf, gerade so wie beim Skelettmuskel. Wird an diesem der Aufbau gehemmt, so verlaufen die Kurven gedehnter und es treten autonome Zuckungen auf (Veratrin); beschleunige man jetzt den Wiederaufbau durch Kalk, der am Herzen Superposition und Tetanut ermöglicht, so wird der Muskel wieder normal. — Der autonom schlagende Vens trikel reagiert auf die Steilheit erst später, dann aber macht eine geringe Beschleu- nisung oder Verzögerung des Aufbaus für den Gesamtanstieg der Kurve wenig aus, daher ist er refraktär gegenüber om Vagusreiz und gegenüber gewissen Ver- giftungen. Die rechnerische Verfolgung dieser Vorgänge hat den Vorteil, uns zu scharfer Begriffsbestimmung zu zwingen, kann aber beim heutigen Stand der Erkenntnis nur angenähert gelten. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. Mitteilung. Die Chiningewöhnung bei Säugetieren. Von S. M. Neuschlosz. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Budapest [ Direktor: Prof. Z. v. Vamossy].) (Eingegangen am 25. Juni 1920.) I. Einleitung. Die Frage der Chiningewöhnung bei höheren Säugetieren, nament- lich aber beim Menschen, ist zum erstenmal von Löwenstein und mir!) und unabhängig von uns auch von Teichmann?) aufgeworfen worden. Anlaß zu Untersuchungen in dieser Richtung gab die Beob- achtung, daß bei chronischen Malariafällen, welche längere Zeit mit Chinin, namentlich aber mit Chinininjektionen behandelt worden waren, die Wirksamkeit des Chinins so sehr abnahm, daß schließlich auch durch größere Dosen selbst eine vorübergehende anheben nicht mehr herbeigeführt werden konnte. Durch diese Beobachtung veranlaßt, unternahmen wir dann, das Schicksal des einverleibten Chinins bei Kranken zu verfolgen, welche längere Zeit hindurch Chinininjektionen erhalten hatten. Wir haben zu diesem Zwecke die Menge des mit dem Urin ausgeschiedenen Chinins festzustellen versucht, mußten aber uns mangels quantitativ chemischer Einrichtungen mit einer qualitativen Reaktion: der Kalium quecksilberjodidprobe begnügen. Aus der Menge des Nieder- schlages bzw. der Intensität der Trübung, die das Hinzufügen dieses Reagens zum Urin verursachte, haben wir die Menge des ausgeschiede- nen Chinins geschätzt und gelangten zu dem Schlusse, daß die Menge des ausgeschiedenen Chinins bei vorbehandelten Individuen stets geringer war, als bei solchen, die keine Chininkur durchgemacht hatten. In vielen Fällen konnte bei solchen ‚„‚gewöhnten‘‘ Individuen nach dem Einverleiben von 0,58 Chininum hydrochlor. auch keine Spur von Chinin im Urin nachgewiesen werden. 1) Löwenstein und Neuschlosz, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 84. 1917. ?2) Teichmann, Dtsch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 35. S. M. Neuschlosz: Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte IV. 191 In späteren Arbeiten!) habe ich dann nachzuweisen versucht, daß diese Chiningewöhnung des Menschen durch das Einverleiben von Neosalvarsan oder auch sonstiger Arsenverbindungen (Natriumkako- dylat, arsenigsaures Natrion usw.) gebrochen, und die Chininausschei- dung im Harne wieder auf den ursprünglichen Wert hinaufgetrieben werden kann. Gleichzeitig erlangte auch das Chinin seine ursprüngliche Wirkung den Malariaplasmodien gegenüber wieder. Die Richtigkeit dieser Befunde wurde von Giemsa und Halber- kann?) einerseits, von Hartmann und Zilla®) andererseits in Frage gestellt. Die Einwände, welche die genannten Autoren gegen unsere Arbeiten gelten lassen, können in folgende Punkte zusammengefaßt werden: 1. läßt sich mit der qualitativen Kaliumquecksilberjodid- probe der Chiningehalt des Urins nicht vexläßlich schätzen, denn die Intensität der Trübung kann leicht zu Täuschungen Anlaß geben; 2. konnten die Autoren unsere Befunde mit Hilfe einer quantitativen Methodik nicht bestätigen, fanden vielmehr, daß die Chininausscheidung im Harn auch nach längerer Behandlung stets auf gleicher Höhe blieb. Bei der Besprechung dieser Kritiken muß bemerkt werden, daß dieselben — abgesehen von der hier nicht näher zu erörternden Arbeit von Teichmann — lediglich meine Publikationen*) berücksichtigen, während die vorhergegangene Arbeit von Löwenstein und mir), auf welche aber meine späteren Aufsätze fußen, gänzlich außer acht gelassen wird. Dies hat seine erklärliche Ursache darin, daß die Arbeit von Löwenstein und mir®), welche bereits im November 1916 abge- schlossen wurde, aus mir fernstehenden Gründen erst nach dem Er- scheinen meiner späteren Arbeiten?) zur Veröffentlichnng kam, was ich aber zur Zeit der Abfassung meiner Aufsätze — im Felde — nicht wußte und daher manches, das zum Verständnis dieser Arbeiten nötig gewesen wäre, als in der vorhergehenden Arbeit bereits auseinander- gesetzt, nicht nochmals hervorzuheben müssen glaubte. Dieser Mangel meiner Arbeiten führte dann zu unvermeidlichen Mißverständnissen seitens Giemsa und Halberkann sowie Hartmann und Zilla. Unter Berücksichtigung dieses Tatbestandes sei zu den genannten Ar- beiten folgendes bemerkt: ad 1. Es ist fraglos richtig, daß sich ein ) Neuschlosz, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 37 u. 39. ) Giemsa und Halberkann, Dtsch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 48 und Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 22. 1918. ®2) Hartmann und Zilla, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 50 und Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 83. 1918. *) Neuschlosz, a.a. O. 5) Löwenstein und Neuschlosz, a.a. O. 6) Löwenstein und Neuschlosz, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 84. 1917. ?) Neuschlosz, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 37 u. 39. 1 2 192 S. M. Neuschlosz: wie auch immer gearteter qualitativer Nachweis eines Stoffes niemals an Genauigkeit mit einer quantitativen Bestimmung messen kann, und daß namentlich eine Schätzung, wie wir sie in unseren Arbeiten ausgeführt hatten, stets mit beträchtlichen Fehlerquellen verbunden ist. Die Ungenauigkeit einer Methode läßt sich aber bis zu einem ge- wissen Grade durch eine große Anzahl von Versuchen vermindern. In unseren Arbeiten wurden Versuche an einigen hundert Menschen ausgeführt, die ausnahmslos zum Ergebnis führten, daß die Chinin- ausscheidung im Harne bei gewöhnten Individuen stets geringer ausfällt als bei nicht gewöhnten. Bei der genauen Übereinstimmung einer so,großen Anzahl von Versuchen, das Ergebnis derselben ledig- lich zufälligen Momenten zuzuschreiben, wie dies Giemsa und Halber- kann sowie Hartmann und Zilla tun, scheint mir doch nicht zu-. lässig zu sein. Ferner muß hervorgehoben werden, daß bei einer Anzahl gewöhnter Patienten, so z. B. bei Nr. 28, 29, 34, 62, 65, 70, 71, 74, 801) im ganzen Tagesurin nach Einverleibung von 0,5g Chininum hydro- chloricum auch nicht eine Spur von Chinin im Urin nachgewiesen wer- den konnte, was kaum mehr als bloße Täuschung gedeutet werden kann. Ad 2. geht es bereits aus der Arbeit von Löwenstein und mir hervor, daß eine lediglich perorale Chinindarreichung auch in unseren Versuchen nicht zu einer Steigerung der Chininzerstörung im Organismus geführt hat, daß vielmehr dieselbe lediglich nach paren- teraler Chininzufuhr auftritt. Die Richtigkeit dieser Tatsache wurde aber weder von Giemsa und Halberkann, noch von Hart- mann und Zilla nachgeprüft. Dieselben begnügten sich mit der Fest- stellung, daß eine Herabsetzung der Chininausscheidung infolge der usuellen peroralen Chinintherapie nicht eintritt und meinten, hier- durch unsere Befunde widerlegt zu haben. In den von den genannten Autoren besprochenen Arbeiten, die sich lediglich mit der Wirkung des Arsens auf die Chininzerstörung bei bereits gewöhnten Individuen befassen, ist allerdings der Umstand, daß es sich hier stets um paren- teral vorbehandelte Menschen handelt, nicht genügendermaßen her- vorgehoben, dies habe ich aber damals mit Bezug auf die vorhergegangene — allerdings erst später erschienene — Arbeit von Löwenstein und mir nicht für notwendig gehalten. Hierauf ist aber der Widerspruch zwischen unseren Befunden und denen Giemsas und Halberkanns sowie Hartmanns und Zillas zurückzuführen. Die Versuchsergeb- nisse Teichmanns, der auch bei lediglich peroral behandelten Indi- viduen eine Chiningewöhnung beobachtet hat, bleiben allerdings nach wie vor unaufgeklärt und werden wohl tatsächlich auf einen Irrtum beruhen. 1) Löwenstein und Neuschlosz, a.a. O. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 193 Daß länger dauernde parenterale Chininzufuhr auch bei Tieren zu einer Chiningewöhnung führt, zeigen die Versuche von Löwenstein und Kosian!); ferner müssen an dieser Stelle meine eigenen Befunde?) erwähnt werden, nach welchen die Chininfestigung bei Protozoen (Paramaecium) auf einer gesteigerten Zerstörungsfähigkeit ge- wöhnter Tiere gegen Chinin beruht, also auf einem dem Wesen nach ähnlichen Vorgang zurückzuführen ist, wie wir ihn für den menschlichen Organismus gefunden haben. Nach alledem schien es wünschenswert, die Frage der Chinin- gewöhnung bei höheren Säugetieren nochmals aufzugreifen, um die verschiedenen schwebenden Fragen mit Hilfe einer exakten Methodik aufklären zu können. Dies haben wir in den hier zu besprechenden Versuchen unternommen. II. Methodik?) Es gibt wohl kaum einen zweiten Stoff, für welchen so viele Bestimmungs- methoden angegeben worden wären, wie für das Chinin: ein Zeichen, daß ihnen allen schwerwiegende Fehler anhaften. Fast ein jeder der vielen Forscher, die sich mit der Frage der Chininausscheidung beim Menschen oder Tieren befaßten, hat es für notwendig gefunden, eine neue Methode der Chininbestimmung aus- zuarbeiten. Die älteren Versuche auf diesem Gebiete sind in den Arbeiten von Merkel®), Schmitz?) und Katz‘) zusammengestellt und kritisiert worden, brauchen daher hier nicht weiter besprochen zu werden. Unter den in neuerer Zeit angegebenen Methoden verdienen die von Schmitz’), Katz®) und H. H. Meyer?) berücksichtigt zu werden. Das von Schmitz angegebene Verfahren beruht dem Wesen nach auf einer - Kombination der beiden Methoden von Kleine!®) und Gordin!!). Das Chinin wird hierbei im alkalisch gemachten Harn mit Pikrinsäure gefällt, der Niederschlag mit Chloroform extrahiert, der nach Abdampfen des Chloroforms zurückbleibende Rückstand in 30 ccm ®/,,-H,SO, aufgenommen, die Lösung in einem 100 ccm- Meßkolben gespült, das Chinin mit Jod-Jodkali gefällt, auf 100 ccm aufgefüllt, filtriert und in 50 ccm des Filtrates nach Entfärbung mit Natriumthiosulfat, die nicht durch Chinin gebundene Säure mit %/,,-NaOH, gegen Phenolphthalin als Indicator zurücktitriert. iccm gebundene Säure entspricht nach Schmitz 0,0885 x Chinin. Gegen diese Methode wird von Katz?) der Einwand geltend !) Löwenstein und Kosian, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 84. 1917; Biochem. Zeitschr. 99. 1919. ®2) Neuschloß, Diese Zeitschr. 196. 1919. 2) Bei der Prüfung der verschiedenen Chininbestimmungsmethoden hat mich Herr Dr. med. I. Rieger auf dankenswerte Weise unterstützt. *) Merkel, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 4%. 1902. 5) Schmitz, Ibidem 56. 1907. 6) Katz, Biochem. Zeitschr. 36. 1911. ?) Schmitz, a. a. O. 8) Katz, a. a. O. 9) Beschrieben bei Hartmann und Zilla, a.a. O. 10) Kleine, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 38. 1901. 11) Gordin, Berichte d. Dtsch. Chem. Ges. 32. 1899. 12) Katz, a.a. O. und Pharmakol. Zentralhalle 1901. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 13 194 - 8. M. Neuschlosz: gemacht, daß beim Filtrieren des Jod-Chininsulfatniederschlages Säure durch das Filtrierpapier festgehalten werden kann, und dadurch die Bestimmung mehr Chinin aufweist, als tatsächlich vorhanden ist. Dies konnten wir aber nicht be- stätigen. Vielmehr erwies sich die zweite Hälfte der Methode: die Titration des freien Chinins nach Gordin als vollkommen brauchbar und verläßlich, während die erste Hälfte der Methode, das Isolieren des Chinins nach Kleine, auch uns nicht zufrieden gestellt hat. Die Mängel dieses Verfahrens ergaben sich erstens aus der bereits von Wiechowski!) hervorgehobenen Tatsache, welche auch von Schmitz?) zugegeben wird, daß aus dem Pikratniederschlage der Tierharne (Hunde, Katzen und nach unseren Erfahrungen auch Kaninchen) auch normaler- weise basische Substanzen in den Chloroformextrakt übergehen; zweitens aus der Erscheinung, daß bei der Extraktion dieses Niederschlages durch Chloroform sich häufig vollkommen untrennbare Emulsionen bilden, welche die Isolierung des Extraktes gänzlich vereiteln können. Aus diesen Gründen mußten wir die Schmitz- sche Methode als unzulänglich verlassen. Das von Katz ausgearbeitete Verfahren besteht seinem Wesen nach aus einer Ausschüttelung des Chinins aus dem alkalisch gemachten Harne mit Chloroform- äther, woran sich dann eine recht komplizierte und langwierige Reinigung des Chinins und schließlich eine Titration desselben in alkoholischer Lösung mit 2/0 KOH und Poirriers Blau als Indicator folst. Das Verfahren ist, wie erwähnt, zeitraubend und daher zur Ausführung einer längeren Reihe von Bestimmungen nur wenig geeignet. Eine ausgezeichnete Neuerung hat aber Katz jedenfalls eingeführt. Vor der Ausschüttelung des alkalischen Harns mit Chloroformäther sättigt er nämlich dasselbe mit Ammo- niumsulfat, wodurch das Entstehen von Emulsionen bei der Ausschüttelung gänzlich vermieden werden kann. Da wir die Bedenken von Katz gegen die Gordinsche Titration des bereits isolierten Chinins nicht teilen und lediglich die von Schmitz verwendete Isolierungsmethode für unbrauchbar fanden, schien eine Kombination des Katzschen Isolierungsverfahren mit der Titrierung nach Gordin einer eingehenden. Prüfung wert zu sein. - Bevor wir auf die nähere Eröterung dieses kombinierten Verfahrens übergehen, soll zuerst die H. H. Meyersche Methode der Chininbestimmung kurz besprochen werden. Die von Hartmann und Zilla®) hierzu gegebene Vorschrift ist im Prinzip die folgende: In dem mit Ammoniumcarbonat alkalisch gemachten Harn wird das Chinin als Tannat gefällt; der Tannatniederschlag wird auf dem Wasser- bade mit Calciumhydroxyd zersetzt, heiß filtriert und der Niederschlag mit heißem, ammoniakalischem Wasser ‚quantitativ chininfrei‘‘ gewaschen. Das die gesamte Chininmenge enthaltende Filtrat wird mit Äther ausgeschüttelt und das Chinin nach Verjagen des Äthers gravimetrisch bestimmt. Die genannten Autoren geben an, diese Methode in mehr als 2000 Analysen ‚als exakt und expeditiv‘‘ gefunden zu haben. Ihre Einfachheit und leichte Ausführbarkeit lud daher auch uns ein, dieselbe zu versuchen. Der Erfolg blieb jedoch aus. In 12 parallelen Bestimmungen mit dem Harne zugesetzten genau abgewogenen Mengen Chinin ergaben die Be- stimmungen jedesmal mit 13—65%, weniger Chinin, als hinzugefügt worden war. Wodurch dieses Mißlingen verursacht wurde, können wir nicht mit Bestimmtheit angeben. Bei der Ausschüttelung der ammoniakalischen Chininlösung mit Äther trat allerdings eine recht störende Emulsionsbildung auf, daß aber dieselbe so große Fehler in der Bestimmung bedingen sollte, scheint uns nur wenig wahrscheinlich. 1) Wiechowski, Arch. f. experim. Bo) u. Pharmakol. 46. 1901. 2) Schmitz, a. a. O. 3) Hartmann und Zilla, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 83. 1918. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 195 Wahrscheinlicher ist es, daß das zum Zersetzen des Chinintannates benutzte Caleiumhydroxyd das Chinin so fest adsorbiert, daß man dasselbe mit noch so- viel ammoniakalischem Wasser nicht ‚quantitativ chininfrei‘‘ waschen kann. Nach dem mißlungenen Versuch, das Chinin nach H. H. Me yer zu bestimmen, griffen wir wieder zu den vorerwähnten Methoden. Wie bereits erwähnt, schien eine Kombination des Extraktionsverfahrens von Katz mit der Titriermethode Gordins erfolgreich werden zu können. Dies hat sich auch bewahrheitet, und das von uns schließlich angenommene Bestimmungsverfahren gestaltete sich folgendermaßen: Ein aliquoter Teil des Harns (etwa die Hälfte) wurde, wenn nötig, auf dem Wasserbade eingeengt, mit Ammoniumsulfat, entsprechend der Katzschen Vorschrift gesättigt, mit Ammoniak stark alkalisch gemacht und einmal mit der doppelten und zweimal mit der gleichen Menge Äther ausgeschüttelt. Die vereinigten Extrakte wurden nach Abdestillieren des Äthers in ca. 20 cem Chloroform aufgenommen, nach Hinzufügung etwas gebrannter Magnesia filtriert, mit 3—5 ccm Chloroform nachgespült, das Chloroform verjagt und mit dem Rück- stand die Titration nach Gordin ausgeführt. Dieses Verfahren hat sich für die Chininbestimmung im Hunde- und Kaninchenharn, im Blut und in Organpreßsäften gleich gut bewährt. Um die Brauchbarkeit der Methode zu prüfen, habe ich eine größere Anzahl Probebestimmungen mit bekannten Chininmengen ausgeführt, welche in ver- schiedenen organischen Flüssigkeiten, wie Harn, Blut, Organpreßsäften usw. gelöst worden waren. Von diesen sollen hier folgende wiedergegeben werden: 1. Hundeharn: 0,342% g Chininum hydrochloricum wurden in 500 ccm Hundeharn gelöst. Berechneter Chiningehalt 0,0560%. Die Chininbestimmung in 4 x 100 ccm ergab a) 0,0549%, b) 0,0575%, c) 0,0558%, d) 0,05%5% Chinin. 2. Kaninchenharn: 0,2698 g Chininum hydrochloricum wurden in 250 ccm Kaninchenharn gelöst. Berechneter Chiningehalt 0,088%%. 4 Bestimmungen in je ö0cem Harn ergaben: a) 0,0902%, b) 0,0868%, c) 0,0868%, d) 0,0902% Chinin. 3. Kaninchenmuskelpreßsaft: 0,1642 g Chininum hydrochloricum wur- den in 50 ccm Preßsaft gelöst. Berechneter Chiningehalt: 0,2684%. 3 Bestim- mungen in je 15 ccm ergaben: a) 0,2974%, b) 0,2593%, c) 0,2653% Chinin. Die Fehlergrenze der Methode ist also ca. + 3%. III. Chiningewöhnung bei parenteraler Chininzufuhr. Es wurde zuerst in einer Reihe von Versuchen die Frage geprüft, ob sich durch andauernde parenterale Chininzufuhr bei den Versuchs- tieren eine Chiningewöhnung in dem Sinne einer verminderten Chinin- ausscheidung nachweisen läßt. Diese Versuche wurden an 2 Hunden und 4 Kaninchen ausgeführt. Die- selben erhielten jedesmal 3 Tage hintereinander Chinin (die Hunde 0,5 g Chininum hydrochloricum pro die, die Kaninchen 0,2g). Das Chinin wurde in Form einer 10 proz. Urethan-Chininlösung intramuskulär einverleibt. Hiernach wurde mit der Chinineinverleibung so lange pausiert, bis der Urin gänzlich chininfrei geworden war, um dann eine zweite ähnliche Periode anzuschließen. Während des ganzen Versuches wurde der Urin der Tiere täglich abgegrenzt und in demselben — wenn möglich in 2 Parallelproben — das Chinin nach der oben angegebenen Methode bestimmt. ! Bei der Berechnung der Versuche wurde überall so vorgegangen, als ob die mit dem Harn ausgeschiedene und sich sämtlichen Reagenzien gegenüber dem Chinin ähnlich verhaltende Substanz tatsächlich unverändertes Chinin wäre, 13* 196 S. M. Neuschlosz: und es wird auch überall der Ausdruck „Chinin“ für die Bennennung dieses Stoffes benützt. Nun weisen aber gerade einige der hier zu besprechenden Versuchs- ergebnisse darauf hin, daß das Chinin nicht im unveränderten Zustand, sondern als Umwandlungsprodukt desselben ausgeschieden wird. Die verwendete Be- rechnungsart, bei welcher mit dem für Chinin geltenden Koeffizienten (0,00885) gearbeitet wurde, ergibt daher nicht ganz richtige absolute Werte. Da ich aber die genaue Formel für das Chininumwandlungsprodukt, welches im Harn erscheint, nicht feststellen konnte, und es sich für mich bei diesen Versuchen doch in erster Reihe um relative Werte handelte, bin ich trotzdem bei dieser Art der Berechnung geblieben. Die Frage, in welcher Form das Chinin zur Ausscheidung gelangt, wird in einem späteren Abschnitt der Arbeit noch eingehend besprochen werden. Der Chiningehalt des Faeces ist von allen Autoren stets so gering gefunden worden, daß ich eine Bestimmung desselben für überflüssig erachtete. Um die geübte Versuchsanordnung vor Augen zu führen, soll ein Versuch in folgendem in Extenso wiedergegeben werden. Versuch 2. 12.1 bis 15. II. 1920. Männlicher Hund 7000 ®. Tag Urinmenge Chinin gefunden Einverleibtes Chinin ccm im Harn, g hydrochl., gI.M. De | _ — 0,5 13.1. | 1200 0,1412 0,5 1A7. | 1345 0,1333 | 0,5 In) 1235 0,1137 | = 16.1. 600 0,0409 | _ I7-L 1300 0,0307 | > 18. 1. 600 0 | — 19.1. 1450 Ö — 20.1. 1300 ( | 0,5 ; DARalE 835 0,0607 | 0,5 2221. 430 0,0722 0,5 23.1. 450 0,0635 — 24.T. 700 0,0280 _ 25.1. 325 0017 | — 26.1. 650 0 | 0,5 Ara 835 0,0632 0,5 28. | 920 0,0492 0,5 DIE | 860 0,0323 — 30.1. 320 0,0245 | 2 als Il, 1220 0,0108 — La | 1238 0 _ 2.11. bis 8. II. Pause. 9.11. 1180 () 0,5 10. II. 150 0,0550 0,5 11. II. 1100 0,0506 0,5 12. II. 580 0,0225 — 13. I. 750 0,0096 _ 14. II. 1100 0,0037 _ 1 DE 790 0 — Die Ergebnisse aller hierhergehörigen Versuche enthält die Tabelle I. (S. 198.) Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 197 Wie ersichtlich, ergeben die Versuche ausnahmslos, daß die Chinin- ausscheidung, welche anfangs etwa ein Drittel der einverleibten Chininmenge beträgt, infolge der Gewöhnung sukzessive abnimmt, um schließlich nur mehr einen geringen Bruchteil des ursprüng- lich nach Einverlejbung derselben Chininmenge ausgeschiedenen Quan- tums zu betragen. Hiermit war der Nachweis, daß der Organismus der an Chinin sewöhnten Tiere die Fähigkeit erlangt, das Alkaloid in einem höheren Maße zu zerstören, nunmehr einwandfrei erbracht. IV. Verhalten des Chinins bei peroraler Darreichung. Es mußte hiernach die Frage untersucht werden, ob die vielfach gemachte Beobachtung, daß sich mit peroraler Chinindarreichung keine Gewöhnung herbeiführen läßt auch mit unserer Versuchsanord- nung bestätigt werden kann, ob also zwischen der Wirkung der pero- ralen und parenteralen Chininzufuhr tatsächlich ein prinzipieller Unter- schied besteht. Die Versuchsanordnung stimmte genau mit der oben beschriebenen überein, mit dem einzigen Unterschied, daß das Chinin nicht intra- muskulär, sondern per os bei Hunden in einer Knochen und Fleisch enthaltenden Brühe gelöst, bei Kaninchen mittels Magensonde verabreicht wurde. Das Ergebnis dieser Versuche ergibt sich aus Tabelle II. (S. 198.) Aus diesen Versuchen geht hervor, daß in Übereinstimmung mit den meisten Autoren und auch unseren früheren Beobachtungen, eine Gewöhnung infolge lediglich peroraler Chininzufuhr nicht ein- tritt, daß die Chininausscheidung vielmehr auch nach längerer Chinin- darreichung stets auf derselben Höhe bleibt. Durch die Feststellung dieser Tatsache ergab sich die Notwendig- keit, die Ursache derselben aufzufinden. Es war a priori anzunehmen, daß das Chinin während seiner Passage durch den Magen- darmtrakt oderderLebereine Änderung erfährt, nach welcher es die Eigenschaft verliert, die chininzerstörende Funktion des Organismus anzuregen. Von derselben Arnahme ausgehend, untersuchten Löwenstein und Kosian!), ob das Chinin infolge der Einwirkung von Pepsin oder Trypsin irgendeine Änderung erfährt, welche sein weiteres Schicksal im Organismus beeinflussen könnte. Die Frage wurde aber von den genannten Autoren im negativen Sinne beantwortet. Nun ist es seit Grossers2) Arbeiten bekannt, daß unter den Or- ganen normalerweise in erster Reihe der Leber die Fähigkeit zukommt. 1) Löwenstein und Kosian, Biochem. Zeitschr. 99. 1919. 2) Grosser, Biochem. Zeitschr. 8. 1908. 198 S. M. Neuschlosz : Tabelle I. Die Ausscheidung des 7 a ssgseeressse er das Chinin abzubauen. Auf diese physiologische Chininzerstörung in der Leber ist die Tatsache zurückzuführen, daß auch normalerweise bloß etwa ein Drittel des einverleibten Chinins ausgeschieden wird, während der übrige Teil im Körper spurlos verschwindet. Wenn nun — wie dies von vornherein nicht unwahrscheinlich erschien — die ge- | T. Periode IT. Periode | 5] E eu jeesle: 2 5 | 3 |B2s5| 8 | 88 |„a2j235:| © | 25 1258 | N en 053 © as |2e5%1|273 © 23 22358 = E22 ® sa | =23|l2==<| 2 ga 35 2 58) > | 53 |2ae[sse| > | 55 wo > EE „aA |R@8lss Be: 3 le, = EB | g g cem g g cem g 1 10. XILL— 27. XI1.| Hund | 8500 1,5 2415 0,4341 | 35,4 1-5 1440 |0,3738| 30,5 | 1919 (6) | 2| 12.1.—15.1f. |Hund [7000| 1,5 | 5710 |0,4598| 33,5 | 1,5 | 2740 |0,2381| 19,4 | 1920 6) | 3 | 17. 11.— 23. III. |Kanin-| 2400| 0,6 131 |0,1699| 34,6 | -0,6 167 [0,1363 27,8 I chen | 4 | 17. II. — 23. III. |Kanin-| 2000| 0,6 155 0,1711 34,9 | 0,6 165 0,1419) 28,% | chen © 5 29.111. — 25.IV. [Kanin-| 1700| 0,6 | 112 [0,1496| 30,5 | 0,6 | chen | | 6 ı 29. III. — 25.1V. |Kanin-| 1700| 0,6 90 10.1502, 30,6 | 0,6 | | chen Mittelwerte: | 33,9 26,6 Tabelle II. Die Ausscheidung des | I. Periode II. Periode | Fi © © © ©) | 5) = =. l2=3]|8: a. 2 |ı Datum Tier Be 838 © 8O 02188 © 20 1902 2 © == E an 2 oe de Un © = | vs 2 5 S © = we > SE © m SI) ee == |s35 [es = Zos2l® n=\ 7qos = | B>E ER ER 3 Sg 8 ccm g \ g cem g 730. II. — 25. 1V.| Hung [100001 1,5 | 4500 0,1335| 353 1 15 6) | | | 823.1. — 18.IV. Kanin-| 1600| 0,6 | 116 0,1626| 32,7 | 0,6 | 96. 10.1582) 32,3 | ‚chenQ@ | : | 923. II. — 18. IV. Kanin-' 2500| 0,6 | 150 |0,1605| 32,7 | 0,6 | 104 |0,1601| 32,6 | |chenQ@ Mittelwerte: | 33,6 | 32,5 ep) [ep) ri | [-b} ke) [o} . = ES © | Pa A| _ | > eo) > | m) | (ds) | fe | S I} on =| =| ‚IS © je (eb) = e = 2 > 6) Fin & © R I) 2 =) & Lu - Sr o = eyı) S- 3 N =! a Lan! - See =| a [77] an} Fer — © (@) DE) = Er >. oO ee nl = = || o es rg m > [=] [27 24 a A © || EB 8 [un {=} un R=) : de! [@) 2 POINISISSNE "PINA sujury9g U9JALOLIOA -ul9 Sop % T9IAOIM > 6,5 %, umuryg au auapunJeas uni) uf 9auawurı] ccm 102 |0,0361 110 0,0318 96 0,0369, wIN9TLIOJUD -oIpAy wnurmmy) = aZUuaN 3IAqT]IOAUT „’p9ILy9sagsne "pınA sururg) U9FATOTIOA -u9 Sop % TPTA9IM 0,6 0,6 11,5 11,2 9,8 uruy) 93uoW auapunJ93 urn) wm g ccm 93uauwruLı/) 3680 0,1414 2 0,0553 11 132 |0,0481 wN9LIOJUI -oıpÄy wnummgp) = 33uam IJqTaJlaAu „psryasadsne "pına sururyj) U9FATILIIA -u19 Sop % T9IA9IM 20,0 1,5 14,6 0,6 16,0 0,6 15,6 0,6 urumy/) 98uaM auopunps urn ur ” a3uawurıN ccm | 1681 |0,2454) ' 4155 ‚0,1800 116 0,0787. 134 0,0765, wın9LIoJy2 -oIpÄq wnulmmy/) OZUaM 9IAI9TI9AUFST 1,5 1,5 0,6 7,1 Chinins nach peroraler Chininzufuhr. spITUIsagEnE 'pınM surulyg U9FAIIJI9A -ur9 sap % IPIA9IM 36,3 36,3 umuyg 93uaW 9uapunJ93 ulm) wI &n V. Periode 9zuawuriN ccm 4150 |0,4450 um9TIOJUD -oIpÄy wnurumyg uam 9IqlaJldAuT ‚paryasadsne 'pInM sururyg U9IATOLIOA -ura sap % T9TA9IM 1,5 32,9 32,3 urumyg 93uaW 9uapungos ulıf) wI Periode &0 1% a3uawurı] ccm 104 |0,1584 0,1620, 32,7 92 wm9TLIOLUI -oIpÄy umuruuyg 9guam 9Iq12LIIAUIT „’PIIyISSFSnE 'PIMM suruly,) U9IqTI]IIA -uf9 Sop % TOTA9IM urury) a3uaMW 9uapunya3 un) WI &0 III. Periode IIUaWuLIN) ccm 1,5 0,6 32,7 0,6 108 ‚0,1604 100 /0,1596| 32,5 wIMITIO]UD -oıpAy wnurumy,) aduam 9IATOTIOAUTTT g 1,5 0,6 0,6 auf einem im gewöhnten Organismus erhöhten Abbau desselben in der Leber beruhen würde, so müßte dieselbe Chininzerstörung steigerte nach peroraler Darreichung des Chinins mindestens ebenso deutlich zutage treten, wie nach parenteraler, da ja die Leber gerade das aus dem Magendarmtrakt kommende Chinin am sichersten abzufangen imstande Tabelle III. 200 S. M. Neuschlosz: sein müßte. Unsere Versuche zeigten aber, daß gerade das Gegenteil hiervon der Fall ist. Die gesteigerte Zerstörung des Chinins im gewöhn- ten Organismus kann also nicht auf einem erhöhten Abbau in der Leber beruhen und muß in anderen Organen vor sich gehen. Bei peroraler Darreichung muß aber das Chinin, bevor es zu irgend- welchen anderen Organen gelangen kann, zuerst die Leber passieren. Ein Teil desselben kommt auch niemals weiter, denn es wird zerstört und bloß der überbliebene Rest hat dann Gelegenheit, mit anderen Organen in Berührung zu kommen. Dieses ‚„Chinin“ hat aber die Fähigkeit, eine erhöhte Abbaufähigkeit seitens der Zellen anzuregen, wie sie das parenteral einverleibte Chinin innehat, offenbar verloren. Es muß also in der Leber irgendwelche Änderung erfahren haben. Wenn aber dieser Schluß richtig ist, und das Chinin während seiner Passage durch die Leber verändert wird, so müssen die bereits an Chinin gewöhnten Organe parenteral vorbehandelter Tiere sich dem per os einverleibten Chinin gegenüber anders verhalten, als dem na- tiven, ihnen direkt zugeführten gegenüber. Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung wurde in den folgenden Versuchen geprüft. V. Schicksal des peroral dargereichten Chinins bei paren- teral gewöhnten Tieren. Es wurde untersucht, wie sich gewöhnte Tiere, welche nach intra- muskulären Chinininjektionen bloß mehr einen geringen Bruchteil des einverleibten Chinins ausgeschieden hatten, sich peroral darge- reichtem Chinin gegenüber verhalten. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle III zusammengestellt. Das Schicksal des peroral zugeführten Chinins bei parenteral gewöhnten Tieren. | Chininausscheidung nach Chininausscheidung nach | parenteraler Zufuhr peroraler Zufuhr | 5 ©, © RO: © u lee Sa een 5 425 zZ 3) ‘= Zn. © soll! ae) Eu Ss jasa| & | 38 2:2[a5s: 3 Ei BE 5 Datum Tier E 27: 5 55 s03|8,2 : 35 1282 a k S = u 2 > |85306 =) on see ln Ss S 3 |e32 | 35 k= u -B BeS = Kr = ia 25 358 © | Sieh > sa |aesıBEo|, 5 Be |82* r | E a" 22855 «= |8=8 | | fe) Säle Rn 3 | = m E25” 7 BrE g g ccm g ccm g | 1015.07. —28. II. | Hundg 7400| .1,5 | 2695 0,1154) 9,4 | 1,5 | 2505 0,3375 | 22,3 11|| 19.1V.—2.V. |Kaninchen 9 1700| 0,6 110 [0,0318] 6,4 | 0,6 98 0,1516 30,9 Mittelwerte: | %,9 | 29,1 Es ergibt sich also die höchst merkwürdige Tatsache, daß parenteral sewöhnte Tiere nach peroraler Darreichung wesentlich mehr Chinin (etwa dreimal soviel) ausscheiden, als nach parenteraler Dar- Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 201 reichung. Die erlangte Fähigkeit des Organismus, das Chinin in er- höhtem Maße zu zerstören, versagt, wenn das Chinin im Wege des Magendarmtraktes einverleibt wird. Auch diese Tatsache läßt sich wohl kaum anders deuten, als in dem bereits erwähnten Sinne, daß das per os einverleibte Chinin gelegentlich seiner Passage durch die Leber eine Änderung erfährt, nach welcher die Zellen, denen die durch die Ge- wöhnung bedingte gesteigerte Chininzerstörung zufällt, dasselbe nicht mehr anzugreifen vermögen. Um die Richtigkeit dieser Annahme einer Prüfung unterziehen zu können, mußte erst nachgeforscht werden, in welchen Organen die gesteigerte Chininzerstörung vor sich geht, ferner ob dieselbe an die Lebenstätigkeit gewisser Zellen gebunden ist oder aber durch Fermente besorst wird. Die dieser Frage gewidmeten Versuche sollen in folgen- dem besprochen werden. VI. Verhalten von Blut und Organpreßsäften gewöhnter und normaler Tiere gegen Chinin. Ausgehend von der bereits oben erwähnten Möglichkeit, daß die Zerstörung des Chinins im Organismus durch Fermente besorgt werden könnte, wurde das Verhalten des Blutes und der Preßsäfte verschie- dener Organe gegen Chinin geprüft. Es wurden zu diesem Zwecke normale bzw. gewöhnte Tiere durch eine Carotis- kanüle entblutet; danach Leber, Milz, Nieren und ein Teil ihrer Glutaeus- muskulatur herausgenommen, mit einer Fleischschneidemaschine zu einem Brei zerhackt, mit Quarzsand verrieben und mit einer Buchnerpresse ausgepreßt. Der Preßsaft wurde mit etwas Ringerlösung verdünnt, von etwaigen corpus- culären Elementen mittels Zentrifugieren befreit und die resultierende, leicht opalescierende, filtrierbare Flüssigkeit zu den unten zu beschreibenden Ver- suchen benutzt. Außerdem wurden Versuche mit defibriniertem Blut, Oxalat- blut und Blutserum angestellt, die aber ausnahmslos erfolglos blieben. Ein Versuch mit den auf die oben beschriebene Weise hergestellten Organpreßsäften sei im folgenden geschildert. Versuch 12. 6.IV. Normales Kaninchen. A. Leberpreßsaft. Zu 60ccm Leberpreßsaft werden 10ccm einer ca. 1 proz. Chininum hydrochloricum-Lösung hinzugefügt. 2X15 ccm des Gemisches wurden sofort abpipettiert und darin das Chinin bestimmt. Der Rest wurde auf 24 Stunden in einem Brutschrank bei 37 °C stehengelassen. Dann wieder in 2x15ccm das Chinin bestimmt. Die Bestimmungen ergaben sofort: 0,2800% Chinin — nach 24 Stunden: 0,0213% Chinin; entsprechend einem Verluste von 92%- B. Milzpreßsaft. Zu 20ccm Milzpreßsaft wurden 5cem Chininlösung gegeben. Die Chininbestimmungen wurden in je 2x5ccm ausgeführt. Sie er- gaben sofort: 0,5%00% Chinin — nach 24 Stunden: 0,5000% Chinin. Ver- lust: 4%. C. Nierenpreßsaft. 20ccm Nierenpreßsaft + 15 ccm. Chininlösung so- fort: 0,5300% Chinin — nach 24 Stunden: 0,5545% Chinin. Verlust: — 4%. S. M. Neuschlosz : D. Muskelpreßsaft. 60 ccm Muskelpreßsaft + 10 ccm. Chininlösung so- fort: 0,330%% Chinin — nach 24 Stunden: 0,318%%, Chinin. Verlust: I%- Eine Übersicht aller auf diese Weise ausgeführten Versuche ent- halten die Tabellen IV (normale Tiere) und V (gewöhnte Tiere). Tabelle IV. Das Verhalten der Organpreßsäfte normaler Tiere gegen Chinin. rs mn Versuchs nummer Leberpreßsaft Milzpreßsaft Nierenpreßsaft Muskelpreßsaft Datum Tier Ur- | sprüngl. | Chinin- | gehalt 0/ p /o Chinin- gehalt nachd. Versuch % Verlust % /o Ur- sprüngl. Chinin- Chinin- | gehalt nach d. Versuch o/ /o ur. sprüngl. Chinin- Chinin- gehalt nach d. Versuch 0/ | /o Verlust So o_ Ur- sprüngl. Chinin- Chinin- gehalt nach d. Verlust IE Verlust sg Meran PP WW Kaninchen Kaninchen Hund 0,2800 0,2773 0,2407 |0,0047 Mittelwerte: 0,0213 0,0480 92 [0,5200 83 87 [0,2540 87,3] |0,5000| 0.2560 0.2390 8 10.2480 5] 0,5545 0,2773 0,2573 4 10,2453 0,2] 0,3187 0,2080 0.2327 Aus diesen Versuchen geht also hervor, daß bei normalen Tieren lediglich im Leberpreßsaft ein chininzerstörendes Ferment nachgewiesen werden kann, während im Preßsaft anderer Organe kein solches Fer- ment vorhanden ist. Dieser Befund steht in guter Übereinstimmung mit der Beobachtung Grossers!), nach welcher bei der Durchströmung der Leber mit chininhaltiger Flüssigkeit das Chinin zum Teil zerstört wird. Irgendwelche andere Organe scheinen bei der Chininzerstörung unter normalen Verhältnissen in nennenswertem Maße nicht mitzu- wirken. chinirgewöhnten Tieren wesentlich anders. Wie wir feststellen konnten, verhält sich die Sache bei Tabelle V. Das Verhalten der Organpreßsäfte gewöhnter Tiere gegen Chinin. | Sa | Versuchsnumm. - SQ Leberpreßsaft Milzpreßsaft Nierenpreßsaft Muskelpreßsaft Ur- sprüngl. Chinin- Chinin- gehalt nach .d. Versuch, 0/ /o Ur- sprüngl. Chinin- ‚ Versuch Chinin- gehalt nach d. °2 Verlust % Ur- sprüngl. Chinin- gehalt o/ /oO Chinin- gehalt nachd. Versuch /o sprüngl. Ur- Chinin- gehalt % Chinin- gehalt nach d. Versuch % 12. 1V. Kamen 116.IV. Kaninch. 0,2573 0,2787 0,2893 |30.1l.. Hund Mittelwert | 0,0273 0,0360 0,0533 | 0,4800 0,4240 0,3953 0,0560 0,0820 0,0180 0,2827 0,2520 0,3900 Er ie 2) Ss = 52 Verlust 63 75,3] 0,2620 0,2747 0,3767 0,0193 0,0187 0,0207 Während also beinormalen Tieren lediglich der Leberpreß- saft die Fähigkeit besitzt, das Chinin zu zerstören, erstreckt sich diese Fähigkeit bei gewöhnten Tieren auf eine Reihe anderer Or- gane, wie Milz, Nieren, Muskulatur auch aus. Durch diese Fest- stellung scheint das Wesen der Chiningewöhnung aufgedeckt zu sein, denn es kann angenommen werden, daß dieser Unterschied auch im 1) Grosser, a.a. 0. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 203 lebenden Tier zu Recht besteht, und auch dort bei normalen Tieren das Chinin lediglich durch die Leber zerstört wird, während bei gewöhn- ten Tieren an dieser Tätigkeit auch andere Organe teilnehmen. Die Zerstörungsfähigkeit der Leber — gemessen an der Geschwindigkeit des Abbaues durch den Preßsaft — scheint bei gewöhnten Tieren der Norm gegenüber nicht merklich gesteigert zu sein. Die nächste Frage, die durch diese Feststellungen aufgeworfen und beantwortet werden mußte, war, wieweit sich dieselben zur Erklärung der oben besprochenen Erscheinungen des verschiedenen Verhaltens des peroral und parenteral verabreichten Chinins heranziehen lassen. Wir sind früher zum Schlusse gekommen, daß das per os einverleibte Chinin bei seiner Passage durch die Leber eine Veränderung erfahren müsse, nach welcher es einerseits die Abwehrvorrichtungen des Organis- mus nicht mehr anzuregen vermag, andererseits aber auch von den einmal mobilisierten Abwehrfermenten nicht mehr angegriffen werden kann. Es fragt sich, ob diese Annahme sich mit Hilfe der aufgefundenen aktiven Preßsäfte beweisen ließe. Im Falle nämlich unsere Hypothese richtig wäre, müßte Chinin, welches mit Leberpreßsaft in Berührung gestanden ist, der gänzlichen Zerstörung aber entging, durch den aktiven Preßsaft eines anderen Organes nicht mehr angegriffen werden können. Daß sich dies auch tatsächlich so verhält, zeigen die folgenden Versuche. bei welchen folgendermaßen vorgegangen worden ist. Eine Chininlösung wurde auf die oben beschriebene Weise mit dem Leber- preßsaft eines gewöhnten Tieres vermischt, und das Gemisch auf 3 Stunden in den Thermostaten gestellt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde das Chinin mittels Ather und Chloroform auf die übliche Weise extrahiert, der Extrakt in Salzsäure aufgenommen, mit Natriumcarbonat neutralisiert, dem Muskelpreßsaft desselben gewöhnten Tieres zugesetzt und auf 24 Stunden neuerlich in den Thermostaten gestellt. Um die Wirksamkeit des Muskelpreßsaftes zu kontrollieren, wurde ein Teil desselben mit einer reinen Chininlösung gleichzeitig auf seine Zerstörungs- kraft geprüft. Versuch 18. 13. IV. A. Zu 60 ccm Muskelpreßsaft eines gewöhnten Kaninchens wird Chinin hinzugefügt, welches vorher 3 Stunden lang mit dem Leberpreßsaft desselben Kaninchens im Thermostaten gestanden war. ‘Chinin- gehalt des Gemisches sofort: 0,2680% Chinin — nach 24 Stunden: 0,2426% Chinin. Verlust: 9%. B. Zu 60 cem Muskelpreßsaft desselben gewöhnten Kaninchens werden 10 ccm einer reinen Chininum hydrochloricum-Lösung hin- zugefügt; sofort: 0,246%% Chinin — nach 24 Stunden: 0,0%8% Chinin. Verlust: 89%. Versuch 19. 17. IV. A. 60 ccm Muskelpreßsaft eines gewöhnten Kaninchens werden mit Chinin versetzt, das mit dem Leberpreßsaft desselben Tieres 3 Stunden lang im 'Thermostaten gestanden war; sofort: 0,1427% Chinin — nach 24 Stunden: 0,14697% Chinin. Verlust: —3%. B. 60 cem Muskel- preßsaft desselben Kaninchens werden mit 10 ccm einer reinen Chininum hydrochloricum-Lösung versetzt; sofort: 0,2813% Chinin — nach 24 Stunden: 0,020%% Chinin. Verlust: 9%%. Versuch 20. 6. IV. A.60ccm Muskelpreßsaft eines gewöhnten Hundes werden mit Chinin versetzt, das mit dem Leberpreßsaft desselben Hundes 3 Stunden 204 S. M. Neuschlosz: langim Thermöstaten gestanden war; sofort: 0,210%% Chinin nach 24 Stun- den: 0,2013% Chinin. Verlust: 4%. B. 60 ccm Muskelpreßsaft desselben Hundes werden mit 10 ccm einer reinen Chininum hydrochloricum-Lösung ver- setzt; sofort: 0,234%% Chinin — nach 24 Stunden: 0,0106% Chinin. Ver- lust: 99%. Durch diese Versuche ist demnach der Beweis erbracht, daß das Chinin bei der Berührung mit der Leber zum Teile gänzlich zer- stört, zum Teile aber so verändert wird, daß es zwar die chemischen Reaktionen des Chinins gibt und auch als solches bestimmt werden kann, sich aber in seinem biologischen Verhalten von dem Chinin abweichend verhält. Durch diese Tatsache findet der oben besprochene Unterschied zwischen dem Verhalten des parenteral und des peroral verabreichten Chinins seine Erklärung. Das parenteral verabreichte Chinin gelanst nach seiner Resorption. von der Injektionsstelle sofort in den großen Kreislauf und kommt daher mit den verschiedenen Organen in Be- rührung, deren Abwehrtätigkeit es anrest. Ein Teil kommt auch mit der Leber in Berührung und wird von derselben zerstört, das übrige wird wieder ausgeschieden. Nach wiederholten Chinininjektionen vermehren sich aber die chininzerstörenden Fermente in den Organen so sehr, daß das Chinin durch dieselben zum allergrößten Teile zerstört wird, und höchstens nur mehr Spuren in den Urin gelangen. Anders bei peroraler Chinindarreichung. Hier kommt das einverleibte Chinin mit den einzelnen Organen in keine direkte Berührung, sondern muß, um in den Kreislauf zu gelangen, zuerst die Leber passieren. Hier wird ein Teil des Chinins gänzlich zerstört, während ein kleiner Teil zwar eine gewisse Änderung erfährt, aber ohne weitgehend abgebaut zu werden, in den Kreislauf gelangt. Die durchgemachte Änderung genügt aber, um dem Chinin die Fähigkeit zu nehmen, die vom nativen Chinin in Bewegung gesetzten Abbauvorrichtungen der Zellen zu mobilisieren. Andererseits wird auch das in der Leber veränderte Chinin durch die bereits mobilisierten Abbaufermente gar nicht angegriffen. Durch diese Feststellungen wird jedoch noch eine Frage aufgerollt. Wir fanden ja, daß das Chinin bei der Berührung mit Leberpreßsaft eine Umwandlung erfährt, nach welcher dasselbe von den aktiven Preßsäften der übrigen Organe nicht mehr angegriffen werden kann. Bei der Wirkung des Leberpreßsaftes auf das Chinin entstehen dem- nach intermediäre Abbauprodukte, welche von den Fermenten der übrigen Organe gewöhnter Tiere nicht angegriffen werden können. Dieselben Abbauprodukte treten aber bei der Zerstörung des Chinins durch das Leberferment bloß als Zwischenstufen auf und werden inner- halb 24 Stunden bis auf 10—20% weiter abgebaut; andererseits geht die Zerstörung des Chinins auch z. B. in Gegenwart von aktivem Muskel- preßsaft. bis zur Entstehung niedriger Abbauprodukte vor sich, kann Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 205 also unmöglich jene Zwischenstufe passiert haben, welche das Muskel- ferment nicht mehr abzubauen vermag. Es müssen demnach die Zwi- schenstufen bei der Chininzerstörung, je nachdem, ob dieselbe durch das Leberferment oder das Ferment anderer Organe herbeigeführt wird, zum Teile mindestens verschieden sein. Wir müssen also zwischen . dem Chininabbau in der Leber und demselben in den übrigen Organen gewöhnter Tiere einen qualitativen Unterschied annehmen: eine An- schauung, für welche, wie später gezeigt werden soll, noch weitere Um- stände zu sprechen scheinen. VII. In welcher Form wird das Chinin ausgeschieden? An diese Fragen schließt sich noch ein weiteres Problem an, welches in der Vergangenheit bereits öfters zu Kontroversen Anlaß gegeben hat: die Frage, in welcher Form das Chinin den Organismus ver- läßt. Der erste, der sich mit dieser Frage beschäftigte, war Kerner), der nach Chininverabreichung neben unverändertem Chinin einen Stoff aus dem Harn isolieren konnte, welchen er für ein Oxydationsprodukt des Chinins, für Dihydroxychinin hielt. Eingehende Untersuchungen auf diesem Gebiete hat dann Merkel?) im Schmiedebergschen Laboratorium ausgeführt, in welchen er zu dem Ergebnis gelanst, daß der nicht abgebaute Teil des Chinins im Harn ‚‚als ein basisches Umwandlungsprodukt des Chinins erscheint, welches so entstanden zu sein scheint, daß gleichzeitig eine Alkylierung und eine Oxydation des Chinins ohne Sauerstoffeintritt stattgefunden hat“. Während diese Autoren also eine Veränderung auch des nicht gänz- lich zerstörten Chinins im Organismus‘ gefunden haben, kommen Schmitz3) und Katz) zu dem Resultat, daß der nicht abgebaute An- teil des Chinins in völlig unverändertem Zustande den Körper verläßt. Ohne auf die chemischen Grundlagen dieser Kontroverse an dieser Stelle eingehen zu wollen, scheinen mir die Befunde Merkels, die auf recht sorgfältige Arbeiten fußen, durch die entgegengesetzten Angaben von Schmitz und Katz noch keineswegs widerlegt, da ja hier im günstigsten Falle nur ein Befund einem anderen gegenübersteht, und durch die späteren Autoren keine essentiellen Fehler der Mer kelschen Arbeit aufgedeckt worden sind. Es muß also die Frage jedenfalls als offen angesehen werden. Nun scheinen aber gerade die vorhin besprochenen Beobachtungen einen Beitrag zu dieser Frage liefern zu können. Dieselben haben her- vorgetan, daß das Chinin gelegentlich seiner Passage durch die Leber al 2 ) Kerner, Dieses Archiv 2. 1869; 3. 1870. ) Merkel, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 4%. 1902. 3) Schmitz, a.a. O. Katz, a. a. ©. 206 S. M. Neuschlosz: eine Änderung erfährt, also unmöglich mehr als unverändertes Chinin ausgeschieden werden kann. Dasselbe beweist auch folgender Versuch. Versuch 21. 19. bis 25. IV. Einem normalen. nicht gewöhnten Hunde wurden 3 Tage hindurch täglich 0,5 Chininum hydrochloricum per os verab- reicht. Der während dieser Zeit gelassene Harn wurde gesammelt, eingeengt und aus demselben das Chinin mit Äther extrahiert. Nach Abdampfen des Äthers wurde der Rückstand in Chloroform aufgenommen und nach Hinzufügen von etwas Magnesia filtriert. Das Filtrat wurde von Chloroform befreit, und das zurück- bleibende Chinin in wenig verdünnter Salzsäure aufgenommen. Die resultierende salzsaure Chininlösung wurde zum Teil zur Chininbestimmung verwendet, während ein aliquoter Teil einem gewöhnten Kaninchen intramuskulär eingespritzt wurde. Das Versuchsergebnis war wie folgt: Injiziert wurde 0,3280 g Chinin, ausgeschieden mit dem Harn: 0,2164 g Chinin, d.i. 66% der einver- leibten Menge. Da aber nach unseren Erfahrungen mit dem Urin stets höchstens etwa ein Drittel des einverleibten Chinins wieder ausgeschieden wird, so konnte die hier in Frage stehende Substanz, die ja zu 66% unzer- stört den Körper verließ, unmöglich Chinin, sondern nur ein Stoff- wechselprodukt desselben sein, welches von dem Organismus in ge- ringerem Grade angegriffen wird als das native Chinin. Es scheint somit, daß die von Merkel verfochtene Angabe, nach welchem das Chinin nicht im unveränderten Zustand, sondern als Stoffwechsel- produkt desselben wieder ausgeschieden wird, trotz den gegenteiligen Angaben späterer Autoren zu Recht besteht. Daß dieser Befund die neuerliche Inangriffnahme des Problems auch von der chemischen Seite nahelegt, ist selbstverständlich. Ich habe dieselbe aber dieses Mal doch nicht unternehmen zu müssen geglaubt, da sie zu weit außerhalb des Rahmens dieser Arbeit, welche doch der Frage der Chiningewöh- nung gewidmet ist, gefallen wäre; ich behalte mir aber eine allfällige spätere Bearbeitung der Frage vor. VIII. Der Einfluß von Arsen auf die Chiningewöhnung. Gelegentlich meiner Untersuchungen über die Chiningewöhnung beim Menschen!) konnte ich feststellen, daß die durch dieselbe bedingte gesteigerte Chininzerstörung durch Neosalvarsan oder auch andere Arsenverbindungen aufgehoben werden kann. Nun ist aber die Richtig- keit dieser Befunde wie bereits erwähnt,, von einigen Autoren ange- zweifelt worden, so daß es wünschenswert erschien, dieselbe mit Hilfe einer verläßlichen, quantitativen Methodik nachzuprüfen. Zu diesem . Zwecke wurden parenteral chiningewöhnte Tiere einige Tage hindurch mit subeutanen Injektionen von arsenigsaurem Natron behandelt und dann die Chininausscheidung im Harn nach drei Chinininjektionen 1) Neuschlosz: Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 37 u. 39. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 207 abermals bestimmt. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus Tabelle VI zu ersehen. Tabelle VI. Die Wirkung von Arsen auf die Chininausscheidung gewöhnter Tiere. Die Chininausscheidung vor | Arsen- Die Chininausscheidung nach der Arsenbehandlung behdlg. der Arsenbehandlung © ı © a n & h [) = Ss 8 aas| a5 [82 5 PR | Ge- [38 , 8 FE: 32 Er SEE =) 38 52 R ei E=| ers! =) 3.3 na2%5 Datum | Tier | wicht | „2 2 353 Eee Be a as (858 583 = & | a2 1284 = & 2 a =e5 = ae |s84 Ze ae i= ao |eg2& Scale za i=231 928 leE32| 5 za I. 235 | 880% Ss ı Belleası ae ® [=) 55 |8228& >= am |228]| 8° |sS ae |529 | go Rz es5| 2 a? fa) Se iS} BE>E BE>>E g g ccm g gpr.die g ccm g 9.11. 29.M. | Hund S |8500 1,5 | 3680 |0,1414| 11,5 [0,005 15 3150 0,3783 | 30,8 23. I1.—9.IV. Kaninchen S| 2400| 0,6 121 10.0293] 6,0 |0,0025| 0,6 110 |0,1406 | 28,6 19. IV. —9.\V. n 1700| 0,6 96 | 0,0369 7,5 |0,0025| 0:6 92 |0,1484| 30,3 Mittelwerte: 8,3 | 29,9 Es zeigt sich also, daß in Übereinstimmung mit meinen an Men- schen gemachten Beobachtungen die durch die Gewöhnung bedinste gesteigerte Chininzerstörungsfähigkeit des Organismus sich auch bei Hunden und Kaninchen durch die Einverleibung von ge- ringen Arsenmengen aufheben läßt. Da ich nun in einer früheren Arbeit!) habe zeigen können, daß die zuerst von Bilfinger?) beob- achtete Brechung der Chininfestigkeit bei Protozoen auf einen ähnlichen Mechanismus beruht, so sind wir wohl berechtigt anzunehmen, daß die Chiningewöhnung bei einzelligen und höheren Organismen ein seinem Wesen nach gleicher Vorgang ist, und wir in dem- selben einem in der Tierwelt weitverbreiteten biologischen Phänomen gegenüberstehen. Was nun den Mechanismus der Arsenwirkung auf die Chinin- zerstörung betrifft, so schien es nach der vorher gemachten Fest- stellung, daß der Abbau des Chinins durch Fermente besorgt wird, am wahrscheinlichsten zu sein, daß das Arsen in diesem Falle als Ferment- gift wirke und die Aufspaltung des Chinins durch das Ferment auf spezifische Weise verhindere. Wie der folgende Versuch aber gezeigt hat, ist dies doch nicht der Fall. Versuch 25. 18. IV. 60ccm aktiver Muskelpreßsaft eines gewöhnten Kaninchens wurden mit 10 cem Chininlösung und 10 cem einer 1proz. Lösung von NaAsO, vermischt. Der Chiningehalt des Gemisches betrug sofort: 0,2440%, Chinin — nach 24 Stunden 0,04% Chinin. Verlust: 89%. Das chininabbauende Ferment entfaltet seine Wirkung unbe- hindert trotz der Anwesenheit des Arsens. Mit einer Ferment- 2) Neuschlosz, Dieses Archiv. 1%6. 1919. 2) Bilfinger, Med. Klin. 1911, Nr. 13. 208 S. M. Neuschlosz: hemmung läßt sich also die Wirkung des Arsens auf die Chininzerstö- rung des Organismus nicht erklären. Wir müssen demnach annehmen, daß das Arsen nicht die Fermentation selbst, sondern den mit der Fermentmobilisation einhergehenden Lebensvorgang hintan- hält. Diese Annahme steht auch in recht guter Übereinstimmung mit den Tatsachen, welche bisher über die Wirkung des Arsens bekannt- geworden sind. Während nämlich Arsenik nach den Versuchen von Onakal) die oxydativen Funktionen der Zellen in außerordentlichem Maße herabsetzt, ist über die hemmende Wirkung von Arsen auf Oxy- dasen meines Wissens bisher nichts bekannt geworden; im Gegenteil werden Fermentationen nach Schäfer und Böhm?) von Arsen nur sehr wenig beeinflußt. Es scheint demnach eine Analogie zwischen Oxydationshemmung und Aufhebung der Chininzerstörungsfähigkeit der Zellen durch Arsen zu bestehen. Eine weitere Frage, die sich aus den besprochenen Befunden ergab, war, ob sich die hemmende Wirkung des Arsens auf die Chininzerstörung lediglich bei gewöhnten, also das Chinin in gesteigertem Maße zerstören- den Tieren zutage tritt, oder ob dieselbe auch bei normalen Tieren nachgewiesen werden kann. Für das bereits erwähnte Problem, ob die normale Chininzerstörung in der Leber einerseits und der lediglich bei sewöhnten Tieren auftretende Chininabbau in den anderen Organen auch qualitativ als verschiedene Vorgänge angesehen werden müssen, war die Entscheidung dieser Frage von großer Wichtigkeit. Zu diesem Zwecke wurden normale Tiere einige Tage hindurch mit Arsen behandelt und dann die Chininausscheidung bei denselben auf die übliche Weise geprüft. Versuch 26. 24. IV. bis 8V. Männlicher Hund 90009. Das Tier erhält vom 27. IV. bis inklusive 1. V. täglich 0,005 8 NaAsO, sub- cutan, dann am 2., 3. und 4. V. je 0,5 g Chininum hydrochoricum intramuskulär. Der vom 2. bis 7. V. entleerte Harn (4250 ccm) enthält insgesamt 0,4125 g Chinin, also 33,6% der einverleibten Menge. Versuch 27. 19. kis 30.IV. Weibliches Kaninchen 10008. Das Tier erhält vom 19. bis 24. IV. täglich 0,0025 g NaAsO,, dann am 25., 26. und 27. IV. je 0,2 g Chinium hydrochloriecum intramuskulär. Der vom 25. bis 29. IV. entleerte Harn enthält insgesamt 0,1618 g Chinin, d.i. 33% der einver- leibten Menge. Diese Versuche zeigen also, daß die Chininzerstörung bei normalen Tieren durch Arsen nicht eingeschränkt wird, da die Chinin- ausscheidung bei denselben nach fünftägiger Arsenbehandlung nicht größer ist, als bei normalen Tieren im allgemeinen. Hieraus folgt, daß Arsen auf die Chininzerstörung in der Leber keinen Einfluß !) Onaka, Zeitschr. f. physiol. Chemie %0. 1910. ?2) Schäfer und Böhm, Zit. nach Meyer und Gottliebs Experim. Phar- makologie. III. Aufl. S. 393. Berlin u. Wien 1914. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 209 hat und lediglich den Chininabbau in den anderen Organen zu hemmen imstande ist. Diese Tatsache bestätigt wiederum die Rich- tigkeit der bereits früher hervorgehobenen Anschauung, daß der nor- male Chininabbau in der Leber und die Chininzerstörung in den übrigen Organen bei gewöhnten Tieren zwei voneinander auch qualitativ verschiedene Vorgänge sind. Durch die Chiningewöhnung wird also nicht eine bereits präexistierende Fähieckeit des Organismus bloß ge- steigert, sondern es tritt eine dem Wesen nach vollkommen neue Er- scheinung zutage, welche sich von der Chininzerstörung im normalen, nicht gewöhnten Organismus, einerseits durch die bei dem Abbau entstehenden Zwischenprodukte (siehe oben), andererseits durch die Beeinflußbarkeit derselben durch Arsen unterscheidet. IX. Zusammenfassung. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen sich kurz wie folst zusammenfassen: 1. Durch andauernde parenterale Chininbehandlung läßt sich bei Hunden und Kaninchen eine recht beträchtliche Chiningewöh- nung herbeiführen, welche sich in einer stets zunehmenden Zerstörung des Alkaloides im Organismus äußert. 2. Durch lediglich perorale Chinindarreichung läßt sich eine Ge- wöhnung auf keine Weise herbeiführen. Die Chininzerstörung im Or- sanismus bleibt auch nach längerer peroraler Behandlung stets auf der- selben Höhe. 3. Gewöhnte Tiere, deren Organismus das ihnen parenteral ein- verleibte Chinin bereits zum allergrößten Teile zerstört, verhalten sich peroral dargereichtem Chinin gegenüber, wie die normalen Tiere. 4. Während unter den Organpreßsäften normaler Tiere ledig- lich dem Leberpreßsaft chininzerstörende Eigenschaften zukommen, konnten dieselben bei gewöhnten Tieren auch bei den Preßsäften der Milz, der Nieren und der Muskeln nachgewiesen werden. Die gesteigerte Chininzerstörung bei gewöhnten Tieren wird demnach den in atestan Organen enthaltenen Fermenten zugeschrieben. 5. Chinin, welches eine Zeitlang bereits mit Leberpreßsaft in Be- rührung stand, wird von dem aktiven Muskelpreßsaft gewöhnter Tiere nicht mehr angegriffen. Hieraus wird geschlossen, daß das peroral dargereichte Chinin bei seiner Passage durch die Leber eine Ände- rung erfährt, nach welcher dasselbe einerseits nicht mehr die Abwehr- vorrichtungen des Organismus anzuregen vermag, andererseits aber auch von den bereits mobilisierten Abwehrfermenten nicht mehr an- gegriffen wird. Hiermit wird der früher dargetane Unterschied in der Wirkung zwischen parenteraler und peroraler Chinineinverleibung erklärt. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 14 210 5. M. Neuschlosz: Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IV. 6. Das Chinin wird, sofern es nicht gänzlich zerstört wird, nicht als unverändertes Chinin, sondern als ein Umwandlungsprodukt desselben ausgeschieden, da aus dem Harn isoliertes ‚„‚Chinin“ nach neuerlicher Einverleibung im Organismus zu einem viel geringeren Grade zerstört wird, als unverändertes Chinin. 7. Durch eine einige Tage andauernde Arsenbehandlung kann die gesteigerte Chininzerstörung bei gewöhnten Tieren wieder auf die Norm herabgedrückt werden. Da Arsen die Chininzerstörung durch den aktiven Preßsaft gewöhnter Tiere nicht hemmt, wird angenommen, daß das Arsen die Entstehung des Abwehrfermentes auf eine einst- weilen unbekannte Weise hintanhält. 8. Auf die Chininzerstörung im Organismus normaler Tiere hat die Arsenbehandlung keinen Einfluß. Hieraus wird geschlossen, daß sich die gesteigerte Chininzerstörung bei gewöhnten Tieren von derjenigen im Organismus normaler Tiere auch qualitativ unterscheidet. Vorrichtung zur Durchströmung des isolierten Rattenherzens. Von A. Fröhlich und L. Pollak. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Wien.) Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 28. Juni 1920.) Die von uns zur Durchströmung des isolierten Rattenherzens!) angewendete Apparatur (Abb. 1) unterscheidet sich von der gebräuch- lichen Langendorffschen und ihren Modifikationen durch mehrere a 24 > | : R n & an “ ; In = afın a) Abb. 1. Einzelheiten. Da sich letztere beim Arbeiten mit dem genannten Organe sehr bewährt haben, ist eine kurze Schilderung gerechtfertigt. Die Dreizahl der bei pharmakologischen Untersuchungen üblichen Durchspülungsgefäße haben wir beibehalten und ihnen eine Form gegeben, die unleugbare Vorteile bietet. Es ist die eines chemischen 1) Vgl. Fröhlich und L. Pollak, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. S6, 104. 14* 212 A. Fröhlich und L. Pollak: Scheidetrichters, welche es ermöglicht, die jeweils benützte Durch- spülungsflüssigkeit fast bis zum letzten Tropfen zu verwenden und so- dann das Gefäß nach erfolgtem Abschluß durch seinen Glashahn (a) beliebig oft neu zu füllen. Der Rauminhalt jedes Gefäßes wurde mit 85 ccm festgesetzt. Ein größeres Volumen ist bei Verwendung desRatten- herzens nicht empfehlenswert, da wir dieses Organ mit defibriniertem Kaninchenblute durchströmten und mehr als 25—30 cem Blut einem kräftigen Kaninchen auf einmal nicht entzogen werden können, ohne das Tier zu schädigen. Die angegebene Menge liefert in Verdünnung mit dem neunfachen Volum Ringer-Lösung eine Gesamtmenge von 250—300 ccm, die es gestattet, die Reservoire 4—5 mal zu beschicken. Der zur Durchspülung nötige Druck wurde in der üblichen Weise von einem O,-Zylinder geliefert, nur wurde, um Druckschwankungen auszugleichen, als Windkessel ein ca. 2!/, Liter fassender starkwandiger Absaugkolben (c) vorgeschaltet, mit dem seitenständig ein Hg-Mano- meter (M) verbunden war, auf dem der jeweilige Durchströmungsdruck abgelesen wurde. Das zu den Reservoirs führende Glasrohr gabelt sich in drei mit je einem Glashahn versehene Rohre, welche zu den eben genannten Glasgefäßen führen. Diese selbst sind mit Kautschuk- stopfen verschlossen, durch welche ein Glasrohr fast ganz bis zum Grunde des trichterförmigen Gefäßes vorgeschoben ist, so daß die austretenden und in der Nährlösung aufsteigenden Sauerstoff- blasen reichlich Gelegenheit haben, diese mit O, zu sättigen. Die drei von den Reservoirs, die, wie er- wähnt, mit Glashähnen (a, a,, a,) verschließbar sind, ableitenden Glasrohre vereinigen sich nach kurzem (3 cm) Verlaufe zu einem gemeinsamen, 31/,cm langen Ableitungsrohre, in das sie unter spitzen Winkeln einmünden. An dieses schließt sich die elektrische Wärmevorrichtung (W). Diese hat folgende Einrichtung und Dimensionen (Abb. 2): Sie besteht im Wesen aus einem nach oben zu offenen Metall-Zylinder (von 12 cm Länge und 13 mm innerem Durchmesser), der mit drei Zu-. bzw. Ableitungswegen ausgestattet ist (1, 2, 3). Rohr 1 nimmt die aus den Reservoirs (A in Abb. 1) flie- ßende Nährlösung auf, welche, da das seitenständige Rohr durch einen Metallhahn (4) und die Wärme- vorriehtung oben durch einen Kautschukstopfen (5) verschlossen ist, nur durch das bodenständige Abflußrohr (3) entweichen kann, Durch den Kautschukstopfen hindurch ragt ein Thermometer (6) bis in die Nähe des Abb. Vorrichtung zur Durchströmung des isolierten Rattenherzens. 213 Bodens des Zylinders. An die Abflußöffnung (3) wird eine gleichfalls mit einem Metallhahn versehene Kanüle (7) mit stumpfem Ende, wie sie zu intravenösen Injektionen im Tierversuche benützt wird, angeschlossen, und diese im Anfangsteile der Aorta oberhalb der Semilunarklappen des untersuchten Herzens befestigt. Die durch das Herz hindurchge- triebene Flüssigkeit muß somit die Wärmevorrichtung in größten Teile ihres Längsdurchmessers passieren und erfährt hierbei die notwendige Erwärmung. Von (8) bis (9) erstreckt sich eine mit Asbest überkleidete (und selbstverständlich auch durch Asbest gegen den Metallzylinder isolierte) und daher in den Abbildungen nicht sichtbare Drahtwicklung, ‚durch welche der Strom der Straßenleitung, nachdem er einen passenden Widerstand passiert hat, hindurchgeleitet wird. Wir verwendeten, wie in Abb.1 ersichtlich, eine hintereinander geschaltete Reihe von S Kohlen- und Metallfaden-Glühlampen verschiedener Kerzenstärke (Rh), doch wird selbstredend jeder passende Schieber-Rheostat die- selben, wenn nicht bessere Dienste tun können. Es wurde bereits er- wähnt, daß durch die obere Öffnung des Wärmezylinders ein Thermo- meter bis in die Nähe des Bodens geleitet wurde, so daß die abgelesene Temperatur nur wenig von jener differieren konnte, ‚mit welcher die Nährlösung das Herz erreichte. Von Wichtiskeit ist ferner der gleichfalls erw ähnte, am Boden des Wärmezylinders seitenständig angebrachte und mit einem Metallhahn verschließbare Seitenweg 2 in Abb. 2, der eine doppelte Aufgabe hat: Es kann einerseits bei einem Wechsel der Durchströmungsflüssigkeit durch Öffnen des Hahns die zuvor verwendete und noch das Röhren- system erfüllende Lösung rasch zum Ausfließen gebracht und somit der Wechsel von einer auf die andere Speiseflüssigkeit (Giftlösung) fast augenblicklich vollzogen werden, andererseits aber können, da das freie Ende dieses Seitenrohres an die üblichen Rekordspritzen angepaßt ist, kleine Mengen einer beliebigen Giftlösung mit einer solchen Spritze in den Wärmezylinder hineingedrückt werden. Auf diese Weise kann das Herz vorübergehend unter die Wirkung kleiner Mengen eines ge- wünschten Mittels gebracht werden, ohne daß es nötig wäre, die Durch- strömung zu unterbrechen. Etwa im Systeme befindliche Luftblsaen sammeln sich unterhalb des Kautschukstopfens (5) an, wo sie nicht störend wirken können, und selbstredend durch Lüften des Stopfens leicht zu entfernen sind. Kurze Bemerkung zu Dr. Fritz Schanzs ‚Versuche über die Wirkung der ultravioletten Strahlen des Tageslichtes auf die Vegetation“. i Von Prof. Dr. phil. C. Dorno, Davos. (Eingegangen am 1. Juli 1920.) Herr S. behauptet neuerdings in obigem Aufsatz, daß meine physi- kalischen Messungen der Sonnen- und Himmelsstrahlung ‚nicht stim- men können, da sie mit den biologischen Beobachtungen nicht in Ein- klang gebracht werden können“. Alle sachlichen Einwände gegen die von mir angewandten Methoden, welche Herr S. in der Vergangenheit gemacht hat, sind von mir widerlegt worden, und ich verweise hierauf?). Herrn Dr. Bernhards Befund, auf welchen Herr S. sich neuerdings beruft, wird von mir in der in Erscheinung begriffenen Veröffentlichung „Klimatologie im Dienste der Medizin?) besprochen und erklärt, und der gegen den gesamten festfundamentierten Wissenschaftszweig, die meteorologische Optik, neuerhobene Vorwurf, „es wird von den Phy- sikern vielfach dagegen gefehlt, daß der sichtbare und ultraviolette Spektralbereich nicht genau voneinander abgegrenzt werden‘, dürfte von jedem, der den Band 63 von Viewegs ‚Die Wissenschaft?)‘“ ge- lesen hat, als unberechtigt und wenig Vertrautheit mit der Materie verratend erkannt werden. 1) Münch. med. Wochenschr. 1916, Nr. 6. Dtsch. med.Wochenschr. 1916, Nr. 34. Strahlentherapie 8, 607 —610. 1918. 2) Viewegs Sammlung „Die Wissenschaft“. 3) ©. Dornao, ‚Physik der Sonnen- und Himmelsstrahlung‘“ 1919. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. II. Mitteilung. (Näheres über den Antagonismus Pilokarpin-Atropin.) Von J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität in Utrecht.) Mit 10 Textabbildungen. (Eingegangen am 1. April 1920). Für eine Untersuchung nach der Stärke verschiedener Belladonna- präparate und auch für andere Zwecke machte sich in unserem Institute das Bedürfnis nach einer guten physiologischen Wertbestimmung von Atropin geltend. Eine der gebräuchlichen Methoden, bei der die Auf- hebung des Muscarinstillstandes des Froschherzens durch Atropin benutzt wird, hatte sich bei den in unserm Laboratorium ausgeführten Versuchen als ungenau erwiesen. Es wurde daher untersucht, ob sich bessere Resultate erreichen ließen, wenn als Kriterium für die Atropin- wirkung die antagonistische Wirkung dieses Giftes gegen die Pilocarpin- wirkung auf den überlebenden Darm gewählt wurde. Ausführliche Untersuchungen über diesen Antagonismus sind in diesem Institut von van Lidth de Jeude!) angestellt worden. In ssziner Mitteilung findet man gleichzeitig eine erschöpfende Literatur- übersicht über diesen Gegenstand. Van Lidth de Jeude nahm diese Untersuchungen in folgender Weise vor: : ; Dünndarmstücke eines Kaninchens ließ er ihre Kontraktionen auf einem Kymographion registrieren. Die Darmstücke befanden sich in Gefäßen von 15 ccm, 75 ccm oder 150 cem Inhalt. Van Lidth de Jeude verfügte über eine Vorrichtung, die es ihm ermöglichte, zu gleicher Zeit 12 Darmstücke ihre Kon- traktionen aufzeichnen zu lassen. Die Darmgefäße waren mit Tyrodeflüssigkeit gefüllt. Dieser Flüssigkeit wurden wechselnde Mengen Pilocarpin zugesetzt. !) A. P. van Lidth de Jeude, Quantitatieve onderzoekingen over het antagonisme van Sulfas atropini tegenover Hydrochloras pilocarpini, Salicylas physostigmini en Hydrochloras muscarini (Gräbler) op overlevende darmen van zoogdieren. Dissertation Utrecht 1916; siehe auch: Derselbe, Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. Arch. f. d. ges. Physiol. 170, S. 523. 1918. | 216 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und Ü. van den Broeke: - De Infolge der Verschiedenheit der Größe der Gefäße konnte van Lidth de Jeude in den verschiedenen Versuchen sowohl die Dosis Pilocarpin als dessen Kon- zentration wechseln lassen. Wenn die Pilocarpinwirkung eingetreten war, wurde jede 20 Sek. !/, ccm einer bestimmten Atropinlösung zugesetzt, und dies immer wiederholt, bis eine deutliche Atropinwirkung zu verzeichnen war. Van Lidth de Jeude führt in seiner Mitteilung eine Reihe von Fehlern an, die bei einer derartigen Untersuchung vermieden werden müssen. Die Schnelligkeit, mit welcher der Sauerstoff während der Untersuchung durch die Gefäße perlt, muß nicht zu viel wechseln, da bei einem starken Sauer- stoffstrom die Mischung des Atropins schneller erfolgt und sich somit eher eine antagonistische Wirkung bemerkbar machen wird, als bei einem schwachen Sauer- stoffstrom. Des weiteren muß die Konzentration der Atropinlösung, von der immer 1/, ccm hinzugetropft werden muß, in allen Versuchen dieselbe sein, da andernfalls ungenaue Resultate erhalten werden, und derartiges mehr. Unter Beobachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln führte van Lidth de Jeude eine Serie sehr eingehender Untersuchungen aus, deren Ergebnisse, soweit dieselben für die uns interessierenden Unter- suchungen von Bedeutung sind, folgendermaßen zusammengefaßt werden können: Die Pilocarpinwirkung ist von der Konzentration abhängig, in der das Gift in der den Darm umgebenden Tyrodeflüssigkeit vorhanden ist und nicht von der absolut vorhandenen Menge. Die Atropinwirkung an sich (hemmender Einfluß von kleinen Dosen) ist mehr von der absoluten Menge abhängig als von der Konzentration, in der das Gift vorhanden ist. Bei den hohen Atropindosen (12,5—150 mg auf 75 cem Flüssigkeit) war die Konzentration entscheidend. Auch die antagonistische Atropinwirkung hängt nach van Lidth de Jeude mit der absoluten Menge und nicht mit dem Grade der Konzentration, in der das Gift vorhanden ist, zusammen. Ferner fand van Lidth de Jeude, daß im allgemeinen bei starken Unterschieden in den Pilocarpindosen und Pilocarpinkonzentrationen die als Zusatz erforderlichen Atropindosen sehr wenig voneinander abwichen. Die einzige Beziehung, welche bei dem Antagonismus Pilocarpin-Atropin auf den Darm zwischen den Werten der beiden Gifte gefunden wurde, war, daß bei starkem Steigen der Pilocarpindosis (bis zum 500fachen des Ausgangswertes) die Atropindosis nur wenig zunahm (3—5 mal). Hiermit waren also die von Magnus im Jahre 1908 mit- geteilten Resultate!) bestätigt. Magn us hatte damals nämlich gefunden, daß bei Steigen der Pilocarpindosis (bis zum 50fachen), die für den Antagonismus erforderliche Atropindosis sich nicht änderte oder wenig- stens nicht höher als auf höchstens das 10fache stieg. !) R.Magnus, Kann man den Angriffspunkt eines Giftes durch anta- gonistische Giftversuche bestimmen? Arch. f. d. ges. Physiol. 123, 111. 1908. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 217 Obwohl van Lidth de Jeudes M>thode für den von ihm ins Auge gefaßten Zweck sehr brauchbar war, konnte sie nicht ohne weiteres in solehen Fällen angewandt werden, wo es galt, eine physiologische Wertbestimmung einer Atropinlösung vorzunehmen, da in der Reaktion des Darmes verschiedener Tiere und sogar in der Reaktion verschie- dener Darmstücke eines und desselben Tieres große Unterschiede be- stehen. Wir haben daher die Methode etwas verändert und dabei von dem bekannten Umstande Gebrauch gemacht, daß man die Wirkung vieler Gifte ‚„auswaschen‘ kann, so daß das Organ danach sich wieder in demselben Zustande befindet wie vorher und es wieder in der gleichen Weise auf dieselbe Giftmenge reagiert. Infolge dieser Eigenschaft kann also wiederholte Male die Wirkung eines Giftes auf dasselbe Darmstück untersucht werden. Dieses Verfahren haben schon Barger und Dale!) bei einer Untersuchung nach der Wirkung ver- schiedener Gifte auf den Uterus benutzt. Neukirch?) hat nachgewiesen, daß auch die Wirkung von Pilocarpin auf den überlebenden Darm aus- gewaschen werden kann. Für unseren Zweck mußte also erst unter- sucht werden, ob dies auch mit Atropin der Fall sei. Ursprünglich glaub- ten wir, daß dieses nicht möglich sei, weil van Lidth de Jeude mit- geteilt hatte, daß die Atropinwirkung von der absoluten Menge Atropin abhängig sei und nicht — wie bei den meisten anderen derartigen Gif- ten — von dem Grade der Konzentration, in welcher das Gift verab- folgt wird. Wir glaubten, daß die Wirkung von Atropin nur dann von der absoluten Menge abhängig sein könne, wenn alles oder fast alles vorhandene Atropin aus der Flüssigkeit von dem Darm adsor- biert wird, und es schien uns unwahrscheinlich, daß dann die ganze Atropinmenge in kurzer Zeit wieder sollte ausgewaschen werden können. Bei näherer Untersuchung zeigte es sich jedoch, daß in der Tat . die Atropinwirkung, ebenso wie die Pilocarpinwirkung, durch Auswaschen aufgehoben werden kann. Diese Feststellung ver- anlaßte uns, aufs neue zu untersuchen, ob wirklich die Atropinwirkung allein unabhängig sei von der absoluten Menge und nicht von der Kon- zentration. Bei dieser Untersuchung, bei der sich — wie nun schon mitgeteilt sei — herausstellte, daß auch beim Atropin allein die Konzen- tration des Giftes entscheidend ist, gelangte eine Versuchsanordnung zur Durchführung, die von der von van Lidth de Jeude benutzten abweicht, und die von uns befolgte Technik unterscheidet sich wesent- lich von der seinigen. Wir wollten nämlich nicht — wie van Lidth de Jeude es machte — einem Darmstück nur einmal Pilocarpin verab- I) Barger and Dale, Chemical structures and sympathomimetie action of animals. Journ. of physiol. 41, 14. 1910. 2) P. Neukirch, Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm. Arch. f. d. ges. Physiol. 14%, 153. 1912. 218 J- W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und ©. van den Broeke: folgen und darauf Atropin hinzutropfen, bis die antagonistische Wirkung eintrat, sondern wir wollten, um an demselben Darmstück die Wirkung verschiedener Dosen und Konzentrationen untersuchen zu können, den Darm jedesmal in ein anderes Gefäße bringen können, ohne daß dabei der Zusammenhang zwischen Darmstück und Hebel aufgehoben wird. Wir haben uns für diesen Zweck eines Apparates bedient, der schon an anderer Stelle beschrieben ist!). Bei diesem Apparat vgl. (Abb. 1) wird das Darmstück nicht an den Boden des Gefäßes befestigt, sondern an das umgebogene Ende eines Glasstabes, der in das gläserne Gefäß hineinragt. Es ist dies eine Befestigungsart, wie sie früher immer benutzt wurde. Der Glasstab ist an einen Metallstab befestigt, welcher gleichzeitig den Hebel trägt, der die Kontraktionen des Organes registriert. Der Metallstab ist in senkrech- ter Richtung in einer Me- tallhülse verschieblich, so daß er mit einer einzigen Handbewegung hochge- schoben werden kann, wo- durch das Darmstück aus der Flüssigkeit herausgeho- ben wird, ohne daß an dem Zusammenhang zwischen Hebel und Darm etwas ver- ändert wird, da sich der Hebel ebenfalls mit nach oben bewegt. Das Glasge- fäß, in welchem sich der Darm befindet und das einen Inhalt von 75 cem hat, steht wieder in einem kupfernen Gefäß, in wel- chem sich außerdem noch ein zweiter gläserner Behäl- Abb. 1. ter (von 150 ccm Inhalt) befindet. Der genannte kupferne Behälter enthält auch noch einen 'Thermoregulator, der mit einem unter dem Behälter stehenden kleinen Brenner verbunden ist. Der metal- lene Behälter samt dem darunter stehenden Brenner sind auf einer drehbaren ‚Scheibe befestigt. Die ganze Installation ist nun derartig, daß, sobald der den Darm und den Hebel tragende Stab hochgeschoben ist, der metallene Behälter mit einer einzigen Handbewegung gedreht werden kann, so daß der Darm, wenn man ihn wieder herunterläßt, in das Gefäß von 150 ccm Inhalt ge- langt. Das Gift wird dann in diesem Gefäß ausgewaschen und man kann das Hinüberbringen aus einem Gefäß in das andere so schnell ausführen, daß die auf dem Kymographion registrierte Kurve kaum unterbrochen wird. Man kann also auch gewünschtenfalls den ganzen Prozeß des Auswaschens genau registrieren. t) W. Storm van Leeuwen, Physiologische Waardebepalingen van genees- middelen. Haarlem. De Erven F. Bohn. 1919. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 219 Der hier beschriebene Apparat ist ein Teil der großen in Abb. 1 abgebildeten Einrichtung, die aus drei Metallgefäßen besteht, welche nebst ihrer drehbaren Scheibe auf einem Brett montiert sind, das hin und her geschoben werden kann. Man vermag nun den Darm willkürlich in jedes der sechs Gefäße zu bringen, die sich insgesamt in den drei Metallbehältern befinden. (Dies ist u.a. auch von Bedeutung, wenn die Wirkung von Giften bei verschiedener Temperatur unter- sucht werden soll.) Bei dieser Anordnung verfügt man also über drei Gefäße von 75 ccm, Inhalt und über drei andere von 150 cem, in welche das überlebende Darmstück hinein- gebracht werden kann.‘ Einer der drei Metallbehälter wurde in einigen Versuchen durch ein großes Glasgefäß ersetzt, welches 1300 ccm Tyrodeflüssigkeit fassen konnte und gleichzeitig einen Thermoregulator und ein Röhrchen enthielt, durch das Sauerstoff perlte. Wurde der Darm in dieses große Gefäß gebracht, dann konnte die Wirkung einer bestimmten Dosis Atropin bei 20fach stärkerer Verdünnung untersucht werden als wenn dieselbe Dosis Atropin in eines der kleineren Gefäße, die dann nur 65 ccm enthielten, gebracht wurde. In einer ersten Versuchsreihe wurde nun untersucht, ob die Pilo- carpinwirkung tatsächlich allein von der Konzentration abhängig sei. Dies war wirklich der Fall, so daß wir in dieser Hinsicht völlig van Lidth de Jeude beistimmen können, und es sich also erübrigt, unsere diesbezüglichen Versuche mitzuteilen. In einer folgenden Versuchsreihe wurde untersucht, ob das Atropin ausgewaschen werden kann. Dabei wurde folgendermaßen verfahren : Beim Beginn des Versuches befindet sich der Darm in dem Gefäße a von 150 cem (siehe Schema Abb. 2), das nur Tyrodeflüssigkeit j enthält. In dem Gefäße b von 75cem ist Tyrodeflüssigkeit, der 10 mg Pilo- carpin zugesetzt sind. Gefäß d von (75ccm Inhalt) enthält die vorgenannte Flüssigkeit mit einem Zusatz von 10 mg Pilokarpin + 0,02 mg Atropin und in dem vierten Gefäß f — ebenfalls von 75cem Inhalt — befindet sich wieder dieselbe Flüssigkeit wie im zweiten Gefäß b, nämlich Tyrodeflüssigkeit mit 10 mg Pilocarpin. Das Darmstück wird nun zunächst vom Gefäß a aus in das Gefäß b ge- bracht, woselbst das dort vorhandene Pilocarpin eine Tonussteigerung verursacht ON Abb. 3a. (siehe Abb. 3a). Nach 2 Minuten wird der Darm in das Gefäß f gebracht, in wel- chem sich ebenfalls 10 mg Pilocarpin befinden. Das Niveau bleibt genau dasselbe. woraus erhellt (was übrigens durch Kontrollversuche auch vorher schon fest- 220 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke: gestellt war), daß das Überführen des Darmes von dem einen Gefäß in das andere, falls es schnell geschieht, keinen Einfluß auf den Kontraktionszustand des Darmes hat. Nach einem Aufenthalt von 1!/, Minuten in dem Gefäß f wird der Darm in das Gefäß d gebracht, in welchem sich ein Zusatz von 10 mg Pilocarpin + 0,02 mg Atropin befindet. Das Niveau sinkt, und nach 13/, Minuten ist die Pilo- carpinwirkung durch das Atropin antagonistisch aufgehoben. — Der Darm wird nunmehr in das Gefäß b gebracht (Pilocarpin ohne Beimi- schung von Atropin (Abb. 3b), wor- Abb. 3b. auf sofort wieder die Pilocarpin- wirkung auftritt. Danach wird in Ge- fäß a ausgewaschen. Dann wird noch einmal dasselbe Verfahren wiederholt (Abb. 3c) und dabei zeigt sich, daß das Atropin auch das zweitemal wieder wirksam ist. Abb. 3. Durch diese und in gleichem Sinne verlaufende Versuche wurde das Folgende bewiesen: 1. Die Atropinwirkung ist völlig reversibel, denn nachdem der Darm zum ersten Male in dem Gefäß gewesen war (Pilocarpin und Atropin), vermochte das Pilocarpin in b sofort wieder seine Wirkung geltend zu machen, wenn auch etwas minder intensiv als vorher, und nachdem in Gefäß a der Darm eine Zeitlang ausgewaschen worden war, wirkte das Pilocarpin wieder in normaler Weise und konnte diese Wirkung durch Atropin aufgehoben werden. 2. Von dem Darm wird die wirksame Dosis Atropin (0,02 mg in 75 ccm T'yrodeflüssigkeit) nicht so stark adsorbiert, daß die Konzen- .tration der Flüssigkeit merklich geändert wird; denn nachdem die Pilocarpinwirkung auf den Darm durch Atropin gehemmt wird und da- nach die Atropinwirkung in Gefäß a ausgewaschen ist, erweist sich ein zweites Mal das Atropin in Gefäß b noch ebenso wirksam wie vorher. Das erstemal wurde nämlich die Wirkung von 10 mg Pilocarpin durch 0,02 mg Atropin in 1!/, Minuten vollkommen aufgehoben, das zweite- mal in 1?/, Minuten. Daß von dem Darm nur sehr kleine Mengen Atropin aus der Er- nährungsflüssigkeit adsorbiert werden, ergab sich noch besser aus dem folgenden Versuch (Abb. 4a und b). Bei demselben wurde erst der Darm von dem Gefäß a aus (siehe Schema Abb. 2) in Gefäß b (10 mg Pilocarpin) gebracht. darauf in Gefäß f (10. mg Pilo- Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 221 karpin) und endlich in Gefäß d (10 mg Pilocarpin —- 0,03 mg Atropin). Das Atropin hob die Pilocarpinwirkung in 1'!/, Minuten auf. Danach wurde aus- gewaschen und noch einmal dasselbe Darmstück erst in Gefäß b gebracht (10 mg Pilocarpin) und dann in.d (Pilocarpin und Atropin) mit demselben Resultat. Dies wurde darauf jedesmal mit einem neuen Darmstück, aber ohne daß die Flüssig- keiten erneuert wurden, noch viermal wiederholt, so daß schließlich in denselben Flüssigkeiten sechsmal Pilocarpinwirkung eingetreten war, die durch 0,03 mg Atropin sechsmal aufgehoben wurde. Das erstemal ward mit 0,03 mg Atropin die Pilocarpinwirkung in 1!/, Minuten völlig aufgehoben. das sechstemal geschah dies in derselben Zeit. Der sechste Versuch ist in Abb. 4b wiedergegeben. Abb. 4a. Abb, &b. Der Umstand, daß eine Lösung, die nur 0,03 mg Atropin in 75 cem Flüssigkeit enthält, 6mal — darunter einigemal auf ein verschiedenes Darmstück — die Wirkung von Pilocarpin antagonistisch beeinflussen kann, macht es bereits sehr unwahrscheinlich, daß die Atropinwirkung nicht von der Konzentration, sondern von der absoluten Menge ab- hängis sein sollte; denn dies letzte würde man sich nur dann vorstellen können, wenn bei der antagonistischen Wirkung der größte Teil des Atropins aus der Flüssigkeit von dem Darm adsorbiert würde, während in unseren Versuchen bewiesen ist, daß von dem Darm nur sehr kleine Mengen Atropin aufgenommen werden können. Um jedoch weitere Gewißheit über die Frage zu haben, ob die Atropin- wirkung von der absoluten M>nge oder von der Konzentration abhängig ist, wurde eine Reihe Versuche angestellt, von denen als Beispiel der folgende mitgeteilt wird (siehe Abb. 5a—d). Das Gefäß a von 150 ccm (vergleiche Schema Abb. 2) enthält allein Tyrode- flüssigkeit. Gefäß b (75 ccm) enthält außer der vorgenannten Flüssigkeit 10 mg Pilocarpin, Gefäß d (75 ccm) 10 mg Pilocarpin + 0,04 mg Atropin und Gefäß c (150 cem) 20 mg Pilocarpin + 0,04 mg Atropin. In Gefäß c ist also die Dosis Pilocarpin zweimal so groß als in d und die Konzentration ist gleich derjenigen 3222 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke: ind. Die Dosis Atropin ist in ce ebenso groß wie in d und daher ist die Konzentration des Atropins in c halb so groß wie in d. Es wurden nun die folgenden Versuche ausgeführt: Abb.5a. Ein Darmstück wird von Gefäß a in das Gefäß b (Pilocarpin) gebracht, in welchem es 1!/, Minuten bleibt, und darauf in Gefäß d (Pilocarpin + Atropin). Die in d vorhandenen 0,04 mg Atropin in 75 cem Flüssigkeit heben die Wirkung von 10 mg Pilocarpin in 1!/, Minuten fast ganz auf. Abb. 5b. Ein anderes Darmstück wird von a. ebenfalls in b gebracht, in welchem Gefäß es auch 1!/, Minuten bleibt. Darauf wird es in das Gefäß ce über- führt (dieselbe Konzentration Pilocarpin wie in d; die halbe Konzentration Atropin aber die- selbe Dosis dieses Giftes wie in d). Deutlich geht nun aus Abb. 5b hervor, daß 0,04 mg Atropin in 150 ccm Tyrodeflüssigkeit in 1!/, Minuten die Wirkung von 10 mg Pilocarpin nicht ganz auf- heben können. Abb. 5c. Ein drittes Darm- - stück wird ebenfalls von Gefäß a aus in Gefäß b gebracht und von b wieder inc. Auch hier vermögen 0,04 mg Atropin die Pilocarpinwirkung nur teilweise Abb. 5a. aufzuheben. Abb. 5d. Ein viertes Darm- stück endlich wird ebenso wie das erste von Gefäß a aus in Gefäß b gebracht und danach ebenso wie das erstemal in das Gefäß d. Es zeigt sich, daß das Atropin die Pilocarpinwirkung fast ganz aufhebt. Deutlich ist in diesen Abbildungen zu erkennen, daß das Atropin in den Abb. 5b und c, wo sich 0,04 mg Atropin in 156 ccm Tyrodeflüssigkeit befanden, viel weniger stark wirkt als in den Abb. 5a und b, wo dieselbe Menge Atropin auf 75 ccm Flüssigkeit entfiel. In anderen Versuchen erhielten wir ein gleiches Resultat. Da es indessen schwer ist, die genaue Grenzdosis für die Atropinwirkung zu bestimmen, d.h. eine Dosis zu finden, die gerade genau eine hemmende Wirkung ausübt, während die Hälfte jener Dosis nicht mehr völlig antagonistisch wirkt, gelang es nicht in allen Fällen auf diese Weise nachzuweisen, daß die Atropinwirkung von der Konzentration ab- hängig ist. Um dies nun noch schärfer beweisen zu können, war es notwendig, die Größe der benutzten Gefäße mehr wechseln zu lassen. Abb. 5 b. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 223 Daher wurden Versuche angestellt mit Gefäßen von 15 cem und 150 cem. Hierbei stellte sich aber heraus, daß die Gefäße von 15 cem, in denen sich meistens sehr viel Schaum bildet, sehr un- regelmäßige Resultate er- gaben. Dies dürfte auch wohl eine der Ursachen sein, warum van Lidth de Jeude, der mit Gefäßen von 15 ccm, 75 ccm und 150 cem ar- beitete, den Unterschied in der Wirkung dersel- ben Atropinmenge bei verschiedener Konzentra- tion nicht deutlich feststellen konnte. Da sich also das Gefäß von 15 cem zu klein er- ° wies, haben wir als klein- stes Gefäß bei einer folgen- den Versuchsreihe das Ge- fäß von 75 cem behalten, aber dieses nur gefüllt mit 65 cem Flüssigkeit. Als zweites Gefäß wurde, wie oben gesagt, ein großes Abb. 5c. Becherglas von 1,5 1 Inhalt Abb. 5.d. gewählt, in welches aber nur 1300 ccm Tyrodeflüssigkeit ® BOT OXT 7 getan wurden. Die Auf- stellung war nunmehr der. ®% art, wie sie in Abb. 6 sche- matisch angegeben ist. Abb. 6. Es wurden jetzt die nachstehend beschriebenen Versuche gemacht (vgl. Abb. 7a—f).: Gefäß a ( 150 ccm) enthält allein Tyrodeflüssigkeit. sb ODE) er 10 mg Pilocarpin ER RA) i 10 ,, “N + 0,01 mg Atropin ner (130027) 5022007, = +0,15 „ ” Abb. 7a. Ein Darmstück wird von Gefäß a aus in Gefäß b (Pilocarpin) gebracht und bleibt darin 1!/, Minuten, worauf es in Gefäß d überführt wird. Die Pilocarpinwirkung wird in d durch 0,01 mg Atropin in 65 ccm Flüssigkeit teilweise aufgehoben. 224 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke: Abb. 7b. Ein Darmstück wird von a aus in b (Pilocarpin) gebracht und bleibt darin 1'/, Minuten, wonach man es in Gefäß e (1300 cem) bringt. Es zeigt sich, daß die Pilocarpinwirkung in e.durch 0,15 mg Atropin in 1300 cem nicht aufgehoben wird. Die Dosis Atropin ist in e 15 mal so groß wie ind, die Konzentration des Atropins dagegen °/, derje- nigen in d. Nunmehr werden die Atro- pindosen verändert, und zwar wird in Gefäß d 0,03 mg Atro- pin gebracht, in Gefäß e 0,45 mg, also wieder 15 mal so viel. Abb. 7c. Ein Darmstück wird von a aus in b (Pilocarpin) gebracht, in welchem es 1!/, Mi- nuten bleibt. Dann kommt es in Abb. 7a. d (10 mg Pilocarpin + 0,03 mg Atropin.. Nach einer Minute ist die Pilocarpinwirkung auf- gehoben, d. h. die Fußpunkte der Pendelbewegungen sind wie- der nahezu auf das alte Niveau zurückgekehrt. SDR Abb. 7d. Ein Darmstück wird von a aus in b (Pilocarpin) gebracht, bleibt darin 1'/, Minu- ten und kommt darauf in e (1300 cem Flüssigkeit + 200 mg Pilocarpin + 0,45 mg Atropin). Nach 1 Minute ist zwar die Pilo- carpinwirkung teilweise aufge- Abb. 7b. hoben, aber nicht soweit wie in Abb. 7c. | Jetzt wird die Atropindosis in d auf 0,04 mg erhöht und die- jenige in e auf 0,6 mg. Abb. 7e. Ein Darmstück wird von a aus in b (Pilocarpin) ge- bracht und bleibt darin 1!/, Mi- nuten, wonach es in d überführt wird (10 mg Pilokarpin + 0,04 mg Atropin).. Nach 1?!/, Minuten ist die Pilocarpinwirkung fast ganz Abb. Te. aufgehoben. Abb. 7f. Ein Darmstück wird von a aus in b (Pilocarpin) gebracht und bleibt darin 1!/, Minuten. Dann kommt esin e (1300 cem, 200 mg Pilocarpinin + 0,6 mg Atropin). Nach 1/,—1 Mi- nute ist die Pilocarpinwirkung fast ganz aufgehoben. Das Resultat dieser Versuche ist also, daß 0,01 mg Atropin in 65 ccm Tyrodeflüssigkeit eine stärkere Wirkung hat als 0,15 mg in 1300 ccm; Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 225 0,03 mg Atropin in 65 ccm Tyrode hatte eine stärkere Wirkung als 0,45 mg in 1300 ccm Tyrode und eine ebenso starke Wirkung wie 0,6 mg Atropin in 1300 ccm Tyrode. Aus dieser Versuchsreihe und aus anderen, ganz in demselben Sinne verlaufender Reihen darf also gefolgert werden, daß die Atropinwirkung ebenso wie die Pilocarpinwirkung, völlig von der Konzentration des Giftes und nicht von der absoluten Menge, in welcher es sich vor- findet, abhängig ist!). Dieses Ergebnis weicht ziem- lich von demjenigen ab, welches van Lidth de Jeude erzielte. Der Grund hierfür ist in dem Umstande zu suchen, daß unsere Technik sich erheblich von der seinigen unterscheidet!). v. Lidth de Jeude ver- richtete seine Untersuchungen jedesmal an einem verschiedenen Darmstück; wir dagegen arbei- teten wiederholt (freilich nicht immer) mit demselben Darm- stück. Daß bei van Lidth de Jeudes Untersuchungen eine Fehlerquelle durch das Be- nutzen sehr kleiner Gefäße (solche von 15 cem Inhalt) entstand, ist oben schon dargelegt. Außerdem sind die Weisen der Verabfolgung des Atropins und das Kri- terium der antagonistischen Atropinwirkung bei van Lidth de Jeude andere als bei uns. Letzterer setzte der Flüssigkeit, in der sich das Darmstück befand, erst Abb. 7d. Abb. 7 e. Abb. 7f. 1) Hierauf wurde dann in einem Zusatz zur Arbeit von van Lidth de Jeude aufmerksam gemacht. Arch. d. ges. Physiol. 1%0, 552. 1918. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. . - 15 326 +J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und Ü. van den Broeke: eine bestimmte Menge Pilocarpin hinzu und wenn dieses dann eine deutlich reizende Wirkung ausübte, wurde mit Zwischenpausen von 20 Sekunden jedesmal !/, ccm einer Atropinlösung von konstanter Stärke hinzugetropft, bis eine deutliche Atropinwirkung zu beob- achten war. In Abweichung von vorgenanntem Verfahren brachten wir den Darm erst in dasjenige Gefäß, welches 10 mg Pilocarpin enthielt, ließen ihn genau 1?/, Minuten darin, und überführten ihn danach in ein Ge- fäß, das außer den 10 mg Pilocarpin noch die zu untersuchende Menge Atropin enthielt und beobachteten, ob nach einer bestimmten Zeit (meistens 1 oder 1?/, Minuten) die durch das Pilocarpin verursachte Tonuszunahme aufgehoben war. Es wurde dabei angenommen, daß dieses letztere der Fall war, sobald die Fußpunkte der Kurve wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückgekehrt waren, einerlei, ob die Pendelbewegungen des Darmes dann noch größer waren als vorher oder nicht. Van Lidth de Jeude dagegen benutzte als Kriterium den Umstand, ob nach Verabreichen von Atropin die Kurve einen deut- lich wahrnehmbaren Beginn einer Senkung zeigte oder nicht; mit andern Worten: van Lidth de Jeude achtete auf den Beginn der antagonistischen Wirkung, wir dagegen auf den nach einer be- stimmten Zeit erreichten Zustand. Van Lidth de Jeude hatte in seiner mehrmals angeführten Mit- teilung festgestellt, daß bei Steigerung der Pilocarpindosis (bis zum 500fachen) die für den Beginn von ant- agonistischer Wirkung erforderliche Atro- pinwirkung nur sehr wenig (3—5fach) stieg. Aus früheren Untersuchungen war uns bekannt, daß die Kurve, welche das Verhältnis zwischen Konzentration und Wirkung von Pilocarpin angibt, einen Ver- lauf hat, wie dieser in Abb. 8 schematisch angegeben ist. Im Beginne der Kurve (a—c) haben kleine Unterschiede in der Konzen- tration eine große Verschiedenheit in der Wirkung zur Folge, während bei den höheren Konzentrationen die Wirkung mit Steigen der Kon- zentration nur sehr wenig zunimmt. Es lag die Vermutung nahe, daß die von van Lidth de Jeude beobachtete kleine Steigung der Atropindosis bei Steigen der Pilocarpin- dosen gerade im Anfangsteile a—c der Konzentrations-Wirkungskurve liegen werde, d.h. es wurde vermutet, daß bei sehr kleinen Dosen Pilocarpin die Atropindosis relativ stark steigen ‚werde bei Steigung der Pilocarpinkonzentration, während dann in den höheren Pilocarpin- konzentrationen die für den Antagonismus erforderliche Atropinmenge Abb. 8. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 227 gleichbleiben werde. Diese Frage wurde in einer besonderen Versuchs- reihe untersucht. Bei diesen Versuchen gelangten keine Kaninchendärme, sondern Katzen- därme zur Verwendung, da sich in einer Voruntersuchung herausgestellt hatte, daß letztere bei derartigen Versuchen resistenter sind. Benutzt wurden Katzen- darmstücke, von denen die Mucosa abgelöst worden war. Vor dem Versuche wurde der Darm längs der Anheftungsstelle des Mesenteriums in der Längs- richtung gespalten und ferner wurde dann links und rechts noch ein Stück weg- geschnitten, so daß nur ein schmaler Streifen aus der Mitte (in der Längsrichtung) übrigblieb. Die von der Mucosa befreiten Darmstücke können in Tyrodeflüssig- keit im Eisschrank aufbewahrt werden und bleiben tagelang, zuweilen eine Woche lang brauchbar. Ein derartiger Darmstreifen wurde in ein Gefäß von 75 ccm gebracht und mit dem Hebel verbunden. Oft führt der Darm gar keine oder doch nur wenige spontane Bewegungen aus, welcher Umstand für unsere Untersuchung aber eher ein Vorteil als ein Nachteil war; denn als Kriterium der Pilocarpin- und Atropin- wirkung wurde immer die Tonuszu- oder -abnahme gewählt und nicht das Größer- oder Kleinerwerden der Pendelbewegungen. Wenn sich das Darmstück einige Zeit hindurch — oft sind dafür Stunden erforderlich — in der Tyrodeflüssigkeit bei 38° befunden hat, werden wechselnde - Dosen Pilocarpin hinzugesetzt, die jedesmal wieder ausgewaschen werden und hiermit wird fortgefahren, bis eine Dosis Pilocarpin gefunden ist, die einige Male nacheinander eine kleine aber konstante Tonuserhöhung ergibt. Dann wird untersucht, wieviel Atropin erforderlich ist, um diese Tonuszunahme fast ganz aufzuheben. Nachdem dies bekannt ist, wird demselben Darmstück eine etwas größere Dosis Pilocarpin verabfolgt, so daß eine mittelgroße Tonuszunahme eintritt und wiederum wird, diejenige Dosis Atropin gesucht, welche diese Pilo- carpinwirkung aufhebt. Endlich wird soviel Pilocarpin verabreicht, daß gerade eine fast maximale Tonussteigung erfolgt (dem Punkte c in Abb. 8 entsprechend) und der dazu gehörende Atropinwert gesucht. Bei diesen Untersuchungen wurde immer eingehend die Zeit berücksichtigt. d.h. das Atropin wird immer 3 Minuten nach dem Hinzufügen des Pilokarpins verabfolgt, worauf der Darm dann noch weitere 3 Minuten in der Flüssigkeit _ gelassen wird; danach wird dann notiert, ob eine Aufhebung der Pilocarpinwirkung stattgefunden hat oder nicht. Hierauf erfolgt Auswaschen des Darmes in einem Gefäß von 150 cem und inzwischen wird das benutzte Gefäß von 75 ccm gereinigt und aufs neue gefüllt. Bei dieser Untersuchung zeigte sich nun schon sofort, daß die Empfindlichkeit für Pilocarpin bei den verschiedenen Därmen sehr stark wechselt. So übte z. B. in Versuch 59 eine Pilocarpinmenge von 0,2 mg eine sehr geringe Wirkung aus, während in Versuch 48 eine viel kleinere Dosis, nämlich 0,008 mg Pilocarpin, eine viel stärkere Wirkung hatte. Bereits bei den ersten Untersuchungen stellte sich heraus, daß die Menge Atropin, welche erforderlich ist, um die Pilo- earpinwirkung in 3 Minuten aufzuheben, nicht von der dem Darm- stück verabfolgten Pilocarpinmenge abhängig ist, sondern von der Intensität der Wirkung, die in dem speziellen Falle von der dar- gebotenen Pilocarpinmenge auf den Darm ausgeübt wird. Hierdurch wurde es notwendig, für das Beurteilen der Resultate dieser Versuchs- 2 228 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke: reihe die Pilocarpinwirkung zu unterscheiden als schwach (+), mit- tel (+--) und stark (+++), d. h. gerade submaximal (also entsprechend dem Punkte c in Abb. 8). Das Resultat aller Versuche dieser Reihe ist in Tabelle I wieder- gegeben. In Rubrik a findet man die Nummer des Versuches. Falls bei einer Versuchs- nummer mehrere Pilocarpinwerte angegeben sind, so beziehen sich diese auf dasselbe Darmstück. In Rubrik b ist die verabfolgte Menge Pilocarpin verzeich- net, in Rubrik e der Effekt der Pilocarpinwirkung, und in Rubrik d endlich ist vermeldet, wieviel Atropin benötigt war, um in 3 Minuten die Pilocarpinwirkung aufzuheben. In allen Versuchen wurde mit Gefäßen von 75 cem Inhalt gearbeitet. Die in Tab. I zusammengestellten Resultate sind in den Tab. II, III und IV angeordnet nach der Intensität der Pilocarpinwirkung. Tabelle]. Ne | Pilocarpin Effekt. v. Pil. Dosis Atropin ın megr in mgr 47 | 0,04 .. 0,0005 48 | 0,008 4. > 0,0005 | 0,008 LAU > 0,001 49 0,02 an 0,0005 49 0,02 ai 0,00055 49 0,2 Ne AL 0,0015 50 0,07 ar 0,0005 50 0,7 en 0,0015 1,4 ade 0,003 51 0,015 a 0,00025 0,015 ALAL, 0,0003 0,15 +++ > 0,0009 52 0,01 ae 0,0005 0,1 +++ 0,0015 53 0,2 SU AL LE 0,002 54 0,15 L 0,00065 54 1,0 Aa 0,002 55 0,05 ar 0,0004 0,06 AL, 0,0005 0,07 an 0,0006 56 0,05 AL 0,0004 oo mn 0,0006 57 | 0,02 A IR 0,0006 0,02 +++ > 0,001 58 0,01 ann 0,0005 0,015 aan 0,001 59 0,2 | “ 0,00075 0,4 | Auen. 0,0015 0,6 | + 0,0015 | 1,0 | ++ 0,00175 60 00 | ++ 0,0006 0,02 ++ 0,0006 61 3,5 | ++ 0,0003 Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 229 In Tab. II findet man alle Versuche, in welchen von der ange- gebenen Menge Pilocarpin eine geringe Wirkung ausgeübt wurde (+). Es zeigt sich, daß in diesen 11 Versuchen durchschnittlich 0,0005 mg Atropin für die antagonistische Wirkung erforderlich war. Tabelle I (+). Pilocarpindosis 0,008—0,2 mg Atropin im Mittel 0,0005 mg 11 Versuche Nr. ne | in 47 0,0005 | 0,04 48 > 0,0005 0,008 49 0,0005 | 0,02 50 0,0005 0,07 5l 0,00025 0,015 52 0,0005 0,01 54 0,00065 0,15 55 0,0004 0,05 0,0005 0,06 56 0,0004 0,05 59 0,00075 0,2 In Tab. III findet man die Versuche, in denen das Pilocarpin eine mittlere Wirkung hatte (++). Als Durchschnitt von 15 Versuchen wurde ein Atropinwert von 0,001 mg Atropin gefunden. Tabelle IH (++). Atropin Nr. Pilocarpin mg mg i 48 > 0,001 0,008 Pilocarpindosis 0,008—3,5 mg 49 0,00055 0,02 Atropin im Mittel 0,001 mg 50 0,0015 0,7 15 Versuche 0,003 1,4 51 0,0003 0,015 55 0,0006 0,07 56 0,0006 0,06 0,0006 0,02 58 0,0005 0,01 59 0,0015 0,4 0,0015 0,6 0,00175 1,0 60 0,0006 10210501 0,0006 | 0,02 61 0,0003 | 3,9 In Tab. IV (submaximale Wirkung +++) wurde als Durch- schnitt von 7 Versuchen ein Wert von 0,0014 mg Atropin ermittelt. In der Zone a—b der Konzentrations-Wirkungskurve des Pilo- carpins (vgl. Abb. 8) ist für den Antagonismus also erforderlich 0,0005 mg Atropin, in der Zone b—c 0,001 mg und in der Zone e—d 0,0014 mg. J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und Ü. van den Broeke: WW 3% o Tabelle IV (+++). Nr. | Atropin Pilocarpin mg mg 49 0,0015 0,2 | Pilocarpindosis 0,015—1,0 mg 51 >0,0000 0,15 | Atropin im Mittel 0,0014 mg 52 | 0,0015 0,1 | 7 Versuche 53 | 0,002 0,2 | 54 0,002 1,0 | 57 | 0,001 0,02 | 58 0,001 0,015 | Daß die Atropinwirkung nicht mit der Dosis oder der Konzentration des Pilocarpins, sondern mit der Intensität der von dem Pilocarpin ausgeübten Wirkung in Verband steht, ging sehr deutlich aus mehreren Versuchen aus Tab. I hervor. In Versuch 54 z.B. hat 0,15 mg Pilo- carpin eine geringe Wirkung; die Dosis Atropin ist dort auch klein, nämlich 0,00065 mg. In Versuch 52 hat 0,1 mg Pilocarpin (also weniger als in Versuch 54) eine starke Wirkung und dadurch ist die für den Ant- agonismus erforderliche Atropinmenge auch größer, nämlich 0,0015 mg. Derartige Beispiele sind zahlreich. Nicht nur wenn die Wirkung des Atropins auf verschiedene Darmstücke betrachtet wird, ist die erforderliche Atropindosis von der Wirkung abhängig, sondern auch bei Experimentieren mit dem- selben Darm bestehen dieselben Verhältnisse. Wenn nämlich auf denselben Darm das Pilocarpin das eine Mal (aus unbekannten Ur- sachen) eine stärkere Wirkung entfaltet als das andere Mal, ist auch in dem ersteren Falle mehr Atropin er- forderlich als in dem zweiten, und es ist also 0,0005l M nicht so, daß im all- nn gemeinen ein empfind- liches Organ, das auf wenig Pilocarpin rea- giert, durch seine grö- Bere Reizbarkeit auch empfindlicher für Atro- pin ist. Daß die Atro- pinmenge auch bei Ein- wirken auf denselben Darm völlig von der Intensität der Pilocarpin- wirkung abhängig ist (wenigstens in dem Gebiete a—c der Konzen- trations-Wirkungskurve), wird u.a. illustriert durch Abb. 9, ag. Abb. 9a und k. Quantitative Untersuchungen über den Antagonisnus von Giften. 231 In Abb. 9a ergibt 0,01 mg Pilocarpin eine kleine Wirkung, die gerade durch 0,0005 mg Atropin in 3 Minuten aufgehoben wird. 0,02 mg Pilocarpin übt auf dasselbe Darmstück eine mittlere Wirkung aus (Abb. 9d). 0,0005 mg Atropin ist nun nicht mehr hinreichend fürdenAntagonismus (Abb. 9d). Aus dem Vergleich von Abb. 9b und ce zeigt sich ebenfalls, wie sehr die Atropinwirkung von der Intensität der Pilocarpin- wirkung abhängig ist. In Abb. 9c hat 0,02 mg Pilocarpin eine stärkere Wirkung als die- selbe Dosis in Abb. 9b hat; daher hatin Abb. 9c 0,00025 mg Atropin auch einen schwäche- ren Effekt als in Abb. 9b. In Abb. 9e, f und g wird schließlich eine große Dosis Pilo- carpin verabfolgt (0,1 mg Pilo- carpin), die eine submaximale Wirkung ausübt. 0,0005 mg Atropin ist nun überhaupt nicht 0 00025 & Abb.9e und d. mehr ausreichend für die antagonistische Wirkung und auch 0,001 mg des letztge- nannten Giftes vermag noch nicht die Pilocarpinwirkung aufzuheben. Erst 0,0015 mg Atropin bewirkt eine fast gänzliche Aufhebung der Pilocarpinwirkung in 3 Minuten. Abb. 9e, f und ge. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß in der Zone a—c der Kon- zentrations-Wirkungskurve, die Atropinwirkung von der Wirkung des Pilocarpins abhängig ist, wurde vermutet, daß in dem ferneren 232 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und C. van den Broeke: Verlaufe der Konzentrations-Wirkungskurve, also bei noch höheren Dosen Pilocarpin, die für den Antagonismus erforderliche Atropin- dosis nicht mehr steigen werde. Wäre dies der Fall, dann hätten — obwohl wir ganz andere Kriteria benutzten als van Lidth de Jeude — unsere Ergebnisse völlig mit den seinigen übereingestimmt. Gegen unsere Erwartung zeigte sich jedoch, daß bei weiterem Steigen der Pilocarpindosis auch die Atropindosen — wenigstens beim Festhalten an unseren Kriteria — erheblich vergrößert werden mußten. Ein Beispiel hiervon bietet Versuch 62. 0,3 mg Pilocarpin hatte in diesem Versuch eine submaximale Wirkung (Punkt ce der Konzentrationswirkungskurve). Für den Antagonismus war in Abb. 10a, b und c. diesem Falle 0,0005 mg Atropin ausreichend; 0,00035 mg hatte eine zu geringe Wirkung. Nunmehr wurden 3 mg Pilocarpin verabreicht, also 10 mal so viel, mit dem Resultate, daß die sich hierdurch einstellende Tonuszunahme des Darmes sich nur sehr wenig von derjenigen im vorigen Falle unterschied (in dem Ge- biete c—d und weiterhin in der Konzentrations-Wirkungskurve). 0,0007 mg Atropin hatte nur eine geringe Wirkung; 0,001 mg war nicht hinreichend für den Ant- agonismus. 0,0018 mg Atropin hob die Pilocarpinwirkung fast ganz auf, und erst durch 0,003 mg Atropin wurde vollkommene Aufhebung bewirkt. Schließ- lich wurden 15 mg Pilocarpin verabreicht, mit dem Resultate, daß die hierdurch verursachte Tonuszunahme durch 0,006 mg Atropin noch nicht aufgehoben wurde. Wenn also die Pilocarpindosis in diesem Versuch, nachdem der Punkt c der Konzentrations-Wirkungskurve etwa erreicht war, 10 mal größer gewählt wurde, dann mußte die Atropindosis größer werden (wenigstens 3 mal, höchstens 6mal). Wurde die Pilocarpindosis 50 mal größer alsim An- fang, dann war eine 12 mal größere Atropindosis noch nicht ausreichend. Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 233 Tabelle V. Dosis Pilocarpin | Intensität a. Wirkung | Dosis Atropin | Resultat Abb, 0,15 | ++ 0,0004 | fast aufgehoben 10b 0,15 | ++ | 0,0005 aufgehoben | 10a 1,5 +++ 0,0008 nicht aufgehoben | 10c 1,5 | rar 0,0012 > „ 104 1,5 | = 1 | 0,0016 ER) „ | 10e 1,5 I +44 | 0,002 \ aufgehoben | 10f 15,0 | Ze 0,004 \ nicht aufgehoben | 10g Dasselbe zeigte sich in Versuch 63, von dem die Resultate in obenstehender Tabelle (Tab. V) und in Abb. 10, a—g, verzeichnet sind. In diesem Versuche wurde erst 0,15 mg Pilocarpin ver- abfolgt, dessen Wirkung durch 0,0005 mg Atropin aufgehoben wurde. Darauf ward die Pilo- carpindosis auf das 10fache erhöht, was zur Folge hatte, daß die benötigte Atropin- dosis dadurch viermal größer wurde. Wenn eine hundert- mal größere Pilocarpindosis zur Anwendung gelangte, dann war eine achtmal größere Atropin- dosis bei weitem noch nicht ausreichend für den Antago- nismus. Die Resultate dieser letz- ten Versuche weichen also von denjenigen, die van Lidth de Jeude anstellte, ab, welche Abweichungdurch den Unterschied in der be- folgten Technik erklärt wer- den kann. Außerdem muß man aber noch den Umstand berücksichtigen, daß sich bei diesen hohen Pilocarpindo- sen der Unterschied in dem * einerseits von uns, anderer- seits von van Lidth de Jeude gewählten Krite- Abp. lWRundg 234 J. W. Le Heux, W. Storm van Leeuwen und Ü. van den Broeke: rium viel stärker geltend macht alsin den vorigen Versuchen. Denn nach den sehr hohen Pilocarpindosen ist die Zeit von 3 Minuten, wonach die Atropinwirkung in unsern Versuchen beurteilt wird, zweifellos zu‘ kurz. In denjenigen Versuchen, bei welchen kleine Mengen Pilocarpin benutzt wurden, hatte sich uns gezeigt, daß, falls nach 3 Minuten die Pilocarpinwirkung durch das Atropin noch nicht aufgehoben war, die Atropinwirkung nach längerem Warten nur noch langsam zunimmt, so daß sich das Beurteilen der Wirkung nach 3 Minuten als ein recht geeigneter Maßstab erwies. Bei den sehr hohen Pilocarpindosen ist dies nicht so; dort kommt es wiederholt vor, daß nach 3 Minuten erst eine geringe Wirkung von dem Atropin ausgeübt ist, während nach 4—-5 Minuten die Wirkung bisweilen vollkommen ist. Unter Berück- sichtigung des Umstandes also, daß bei den hohen Pilocarpindosen die Zeit von 3 Minuten entschieden zu kurz ist und bei den niedrigen Pilo- carpindosen die Zeit nicht sehr viel länger als 3 Minuten genommen werden darf (weil andernfalls zuviel Aussicht besteht, daß die Pilo- carpinwirkung spontan vermindert, so daß eine Atropinwirkung simu- liert werden würde, wo eine solche in Wirklichkeit nicht bestand), ist unsere Methode nicht zuverlässig bei dem Vergleichen der antagonisti- schen Atropinwirkung bei sehr kleinen und bei sehr großen Pilocarpin- mengen. Daher haben wir auch unsere Untersuchung in dieser Rich- tung nicht fortgesetzt, und können wir allein mitteilen, daß bei starker Zunahme der Pilocarpindosis in der Zone c—d (und weiter) in der Konzentrations-Wirkungskurve die Atropindosis zweifelsohne noch weiter steigen wird, ohne daß es uns möglich ist, hierüber genauere Data zu verschaffen. : In dem zweiten Teile unserer Untersuchung hat sich also heraus- gestellt, daß in der Zone a—c der Konzentrations-Wirkungskurve des Pilocarpins die antagonistische Atropindosis von der vorherigen Pilo- carpindosis in weitgehendem Maße unabhängig ist und vielmehr in demselben Sinne steigt, wie die Wirkung des Pilocarpins zunimmt. Wie die Verhältnisse in der Zone c—d der Konzentrations-Wirkungs- kurve, also nach sehr hohen: Pilocarpindosen liegen, läßt sich zur Zeit noch nicht vollständig übersehen. Erstens wissen wir nicht, ob in dieser ‚ Zone, in welcher die Verkürzung des Darmes mit steigender Pilocarpin- menge nicht mehr wesentlich zunimmt, es sich um zunehmende Er- regungsvorgänge handelt, die sich nur aus anatomischen Gründen (weil der Muskel sich nicht mehr als maximal verkürzen kann) nicht äußern können. Zweitens aber kommt in diesem Bereiche die Zeit der Einwirkung des Atropins als bestimmender Faktor mit ins Spiel. Je größer die Atropindosis, desto steiler erfolgt die antagonistische Er- schlaffung des Darmes. So kommt es, daß, wenn man wie in. unseren Versuchen, den Grad der Atropinwirkung stets nach 3 Minuten be- Quantitative Untersuchungen über den Antagonismus von Giften. 235 stimmt, mit steigenden Pilocarpindosen steigende Atropinmengen ge- funden werden, während nach van Lidth de Jeude für den ersten Eintritt der antagonistischen Wirkung die Atropinmengen nur sehr wenig steigen. Die endgültige Aufklärung dieser Verhältnisse dürfte noch auf ziemliche Schwierigkeiten stoßen, da nach den großen Pilo- carpindosen der Erregungszustand des Darmes ohne Atropinzusatz nicht lange auf konstanter Höhe bleibt und daher das Endresultat bei antagonistischen Versuchen nicht mit Sicherheit zu beurteilen ist. Schlußfolgerungen. Bei einer Untersuchung mit einer von uns beschriebenen Methode ergab sich folgendes: I. In Übereinstimmung mit demjenigen, was von van Lidth de Jeude u.a. gefunden wurde, ist die Pilocarpinwirkung auf den über- lebenden Darm völlig von der Konzentration des Pilocarpins in der Ernährungsflüssigkeit abhängig. Die Pilocarpinwirkung ist vollkommen reversibel. II. Im Gegensatz zu der Annahme van Lidth de Jeudes ist auch die antagonistische Atropinwirkung völlig von der Konzentration ab- hängig und nicht von der absoluten Menge, in welcher das Gift vor- handen ist. Auch die Atropinwirkung ist — wenigstens bei nicht zu sroßen Atropindosen — vollkommen reversibel. Ein überlebendes Stück Dünndarm adsorbiert von der minimal wirksamen Dosis Atropin, die sich in 75 cem Tyrodeflüssigkeit befindet, nicht soviel, daß die Konzentration des Atropins dadurch merklich verändert wird. III. Die für den Antagonismus erforderliche Menge Atropin ist bei den relativ kleinen Dosen Pilocarpin, die nämlich eine zwischen den Punkten a und ce der Konzentrations-Wirkungskurve (Abb. 8) gelegene Wirkung ausüben, nicht von der verabfolgten Menge Pilocarpin ab- hängig, sondern hauptsächlich von dem Grade der vom Pilocarpin ausgeübten Wirkung. Diejenige Atropinmenge, welche erforderlich ist, um eine submaximale Pilocarpinwirkung aufzuheben, ist etwa 3mal so groß wie die Atropinmenge, welche erfordert wird, um eine Pilo- carpindosis, die nur eine kleine Wirkung ausübt, antagonistisch zu beeinflussen. (Aus dem Pharmakologischen Institut der ungarischen Elizabeth-Universität Pozsonyt). [Vorstand: Prof. Dr. G. Mansfeld.]) Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. Von Prof. Dr. @. Mansfeld und Dr. A. v. Szent-Györgyi. I. Assistent am Institut. Mit 14 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Juni 1920.) I. Einleitung. Daß das Herz die Bedingungen seiner Tätigkeit in sich selbst trägt, ist eine Erkenntnis, welche wir schon Albrecht v. Haller zu danken haben, der eigentliche Reiz der Herztätigkeit ist uns aber völlig rätsel- haft. Wohl haben die Untersuchungen der letzten Jahrzehnte wichtige Tatsachen über Natur und Ursprungsort des Reizes zutage gefördert, unsere Vorstellung aber über das Wesen der Herzautomatie konnte den unsteten Boden der Hypothesen noch nicht verlassen. Die alte Theorie der Blutreize, nach welcher das einströmende Blut — sei es durch seine chemische Beschaffenheit, sei es durch mechanische Eigen- schaften, das Herz zum Schlagen bringt, gehört — dank den Unter- suchungen von S. Ringer und von O. Langendorf — bereits der Geschichte an und die neueren Anschauungen J. Loebs und Howels über die Wirkung der Na- resp. Ca-Jonen führten ebensowenig zu einer befriedigenden Lösung des Problems. Sehr bemerkenswert erscheinen die Untersuchungen von Albanese?) und diejenigen von Magnus?), welche zeigten, daß eine Durchströmung mit Luft oder indifferenten Gasen ausreicht, um die Tätigkeit des Her- zens zu unterhalten, daß also das Herz die Fähigkeit besitzt, auch t) Das Institut wurde am 1. Januar 1919 eröffnet und mußte am 21. September desselben Jahres zufolge Übernahme der Universität durch die tschechische Regierung von uns geräumt werden. Diese und die in den folgenden Arbeiten mit- geteilten Untersuchungen wurden während dieser Zeit unter tschechischer Besetzung ausgeführt. Die Literaturangaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da uns keine Bibliothek zur Verfügung stand und ein Verlassen des besetzten Gebietes damals unmöglich war. 2) Arch. di farmacol. e terapeut. Palermo 1896. (Zit. nach Langendorf, Erg. d. Phys. 4. Jahrg.) ®) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 4%, 200. 1902. G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: Ursache des Herzschlages. 237 ı ohne jegliche Zufuhr chemischer Stoffe seine Tätigkeit fortzusetzen. Dies sprach dafür, daß der adäquate Reiz des Herzschlages im Herzen selbst entstehen muß, wie es zuerst von Langendorf angenommen wurde. Dieser nahm für die Automatie des Herzens sog. autochtone Reize in Anspruch, Reize also, die durch den Stoffwechsel des Gewebs- elementes an Ort und Stelle als Produkt seiner vitalen Dissimilation entstehen und faßte seine Anschauungen in einem Satz zusammen: „Das Lebensprodukt der Zelle ist ihr Erregert).‘ Auch Engelmann!) schloß sich den Anschauungen Langendorfs an, doch hatte diese Annahme zur Zeit ihrer Entstehung ein großes Hindernis im Wege. Unsere Vorstellung über die chemischen Vorgänge bei der Muskelkontraktion gingen dahin, daß Oxydation, also auch das Entstehen von Dissimilationsprodukten während der Kon- traktion des Muskels erfolgt, am Herzen also in dem Zeitpunkt der Systole. Nun haben aber die Untersuchungen von Engelmann ge- zeigt, daß das Herz gerade in dieser Zeit seine Erregbarkeit eingebüßt hat und so war eine wirksame Reizung durch Dissimilationsprodukte schwer verständlich. Erst die Untersuchungen von W. Pauli?) und von Hill3) lehrten uns, daß Oxydation und Wärmebildung im Muskel in die Phase der Erschlaffung fallen, am Herzen also offenbar in jene Zeit, in welcher das Herz in der Tat den höchsten Grad seiner Erregbar- keit erreicht. Von dieser Seite aus steht also heute der Annahme kein Hindernis im Wege, daß ein Dissimilationsprodukt der Zelle den adäquaten Reiz des Herzens darstellt. Fragen wir nun, welches Produkt der Zelle den Reiz für die Herz- tätigkeit abgeben könnte, so glauben wir einen Wegweiser in jenen Untersuchungen erblicken zu dürfen, welche uns über die ungleich große Automatie verschiedener Herzteile unterrichteten. Schon die phylogenetische Entwicklung der reizerzeugenden Appa- rate lehrt uns, daß die Fähigkeit der Automatie — je höher man in der Wirbeltierreihe aufsteigt, ‚gewissermaßen ein Vorrecht der gegen das Venenende gelegenen Teile des Herzens ist?)“, während bei niederen Tieren — wo doch das ganze Herz, wie z. B. bei den Fischen, von ve- nösem Blut gespeist wird — allen Teilen des Herzens die Automatie ungefähr in gleichem Maße eigen ist. Betrachten wir aber die Größe der Automatie verschiedener Herzteile am höheren Organismus, so finden wir auch, daß sie um so schwächer entwickelt ist, je weiter sie 1) Vgl. Langendorf, Herzmuskel und Intrakardiale Innervation in Erg. d. Physiol. 1, 2. 2) Wolfgang Pauli, Kolloidehemie der Muskelkontraktion. Dresden und Leipzig. 1912. °) A. V. Hill, Journ. of physiol. 40 u. 42. *) Rothberger: Physiologie des Kreislaufs in Jagit, Handbuch der Herz- und Gefäßerkrankungen II. Bd., 1. TI., S. 73. (Deuticke 1913.) 238 (x. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: [7 vom venösen Ende des Herzens liegen. Diese Tatsache, welche ja in der Benennung des rechten Herzohres als Ultimum moriens Halleri lange schon zum Ausdruck kam, führt zur Annahme, daß das venöse Blut jedenfalls günstigere Bedingungen für die Reizbildung schafft, als das arterielle. Diese Annahme ist aber im vollen Einklang mit der Vorstellung Langendorfs, nach welcher der innere Herzreiz unter den Dissimilationsprodukten der Zelle zu suchen sei. Um als Reiz wirksam zu werden, muß dieses Produkt der Zelle naturgemäß bis zu einer ge- wissen Konzentration in derselben sich anhäufen und die Bedingungen hiezu scheinen uns besonders geeignete dort zu sein, wo die Zelle von einem Blut umgeben ist, welches mit Stoffwechselprodukten bereits beladen ist — das Gefälle also zwischen Zellinnerem und umgebenden Medium ein kleines ist — wie es eben am venösen Ende des Herzens der Fall ist. Bei dieser Überlegung mußte in erster Reihe an die Kohlensäure gedacht werden, welche als adäquater Reiz des Herzschlages in Betracht kommen könnte. Die Annahme, daß die durch Dissimilationsvorgänge im Herzen entstandene Kohlensäure den Reiz für die Herztätig- keit darstellt, hat gewiß manches Verlockende. Es wäre zunächst biolo- gisch interessant, wenn jener Stoff, der als Regulator der äußeren Atmung dem Organismus entscheidende Dienste leistet, auch die innere Atmung in Gang zu halten imstande wäre. Auch wäre es denkbar, daß die OO,, bei deren lebensnotwendigen Entfernung aus dem Organismus das Herz eine so mächtige Rolle spielt, selbst den Reiz für die Herztätigkeit abgäbe, sehen wir doch so oft im Organismus das Prinzip verwirklicht, daß das. Bedürfnis selbst, zugleich der Reiz für die Befriedigung des Bedürf- nisses ist. Wenn wir aber danach fragen, inwieweit unsere Annahme mit bekannten Tatsachen im Einklang steht, so ergibt sich, daß die Unter- suchungen über die Wirkung der Kohlensäure wenig‘ Anhaltspunkte dafür liefern, daß sie als innerer Reiz des Herzens angesehen werden. könnte. Die älteren Beobachtungen Kroneckers!) und seiner Schule, nach welcher die CO, schädlich wirke und daher unbedingt fortgeschafft werden müsse, waren allerdings nicht leicht verständlich, in Angesicht jener hohen CO,-Tension, welche unter physiologischen Bedingungen,. gerade an den Stätten der normalen Reizbildung herrscht. Daß sie nun auch bei weitem nicht so gefährlich für die Herztätigkeit ist, als es. angenommen wurde, zeigten zuerst die Untersuchungen von Göthlin?), der sogar die Herzenergie steigernde Wirkung kleiner CO,-Mengen. ı) Vgl. Langendorf in Erg. d. Physiol. I, 2 1.c. 2) Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol. 12. D Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 239 nachwies — eine Beobachtung, welche auch von Starling!) und seinen Schülern beschrieben wurde. Daß aber eine gewisse Kohlensäure- spannung in Blut und Geweben für alle Organfunktionen, also auch für die Tätigkeit des Herzens unbedingt notwendig ist, zeigten die interessanten Untersuchungen von J. Henderson?). Allerdings war aus diesen nicht zu ersehen, in wieweit die Störungen der Herztätigkeit als Wirkung der Akapnie auf das Herz selbst oder aber auf andere Organe (Gehirn, Blutgefäße usw.) zustande kamen. Dieses Bedenken aber ist um so gerechtfertigter, da aus den Versuchen an künstlich durchströmten Herzen eindeutig hervorzugehen schien, daß die Akapnie für das Herz selbst keine schädlichen Wirkungen herbeiführt. Ja die günstigen Wirkungen eines Alkalizusatzes zur Ringerlösung für die Herztätigkeit werden geradezu darauf zurückgeführt, daß die Alkalien die produzierte CO, chemisch zu binden und rasch zu ent- fernen berufen sind. Allerdings fiel es manchen Autoren auf [Ringer, Rush, Locke, Öhrvall3], daß ein Zusatz von Natriumbicarbonat, welches ja CO, nicht mehr zu binden vermag, günstiger sei als ein Zu- satz von NaOH oder Na,CO,, aber alle Autoren stimmen darin überein, daß auch letztere in entsprechenden Mengen dem Herzen zugeführt geeignet sind, die Herztätigkeit zu unterhalten. Die Tatsache aber, daß Alkalien, welche CO, energisch zu binden fähig sind, für eine normale Herztätigkeit unschädlich sind, spricht dafür, daß der CO,-Mangel für das Herz selbst keine schädlichen Folgen haben kann und steht im krassen Wiederspruch mit der Annahme, daß die CO, als Reiz der Herztätigkeit in Betracht kommen könnte. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Frage für unsere Hypothese hatten wir selbst Versuche in dieser Richtung angestellt und mußten uns davon überzeugen, daß Ringerlösungen, in denen das NaHCO, in äquimolekularen Mengen mit NaOH ersetzt wurde, in der Tat ge- eignet sind, eine normale Herztätigkeit zu unterhalten. Nun waren wir schon im Begriff, unsere Hypothese ganz aufzugeben, als noch die Prüfung einer Möglichkeit notwendig erschien. Die Zubereitung physiologischer Lösungen geschieht meist nicht unter Kautelen, wie wir sie in der Chemie zu üben gewohnt sind. Das verwendete Wasser steht oft tagelang im Laboratorium und kann schon beträchtliche Mengen CO, enthalten, das käufliche NaOH ist gewiß immer carbonathaltig und wenn wir schließlich nicht dafür Sorge tragen, daß vor und während des Versuches die Luftkohlensäure von unserer Lösung fernbleibt, so kann es leicht geschehen, daß wir in unserer Lösung, ohne es zu wissen, statt NaOH Natriumbicarbonat !) Journ. of physiol. 40. ®) Amer. journ. of physiol. 21, 25, 26, 2%. 2) Vgl. O. Langendorf, Erg. d. Physiol. 1, 2, 1.c. S. 316. IA0 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: haben, welches aber die CO, nicht mehr zu binden imstande ist. Um also die Rolle der CO, für die Herztätigkeit festzustellen, mußte die Wirkung solcher Ringerlösungen geprüft werden, welche unter streng- stem Ausschluß der CO, zubereitet sicher geeignet waren, die vom Herzen produzierte CO, zu binden und unwirksam zu machen. Die Wirkungen derartiger Lösungen sind, wie wir sehen werden, über- raschende und bildeten die Grundlage für alle weiteren Versuche, welche im folgenden mitgeteilt werden sollen. II. Methodik. Um zunächst die Wirkung der Alkapnie für die Tätigkeit des Herzens zu prüfen, mußten wir sie mit Lösungen durchströmen, welche einerseits völlig frei von CO, waren anderseits Alkalien enthielten, welche die CO, zu binden imstande sind. Die Versuche wurden an, von uns selbst in der Zeit zwischen Anfang März bis Mitte August 1919 frisch eingefangenen Kröten und Rana esculenta ausgeführt!). Die Tiere wurden durch Ausbohren des Rückenmarkes immobilisiert, der Thorax eröffnet, die zur Durchströmung des Herzens dienende Kanüle in die untere Hohlvene eingebunden, die beiden Aorten angeschnitten, alle anderen Gefäße wurden abgebunden. Um den Druck unter allen Umständen gleich zu halten, ihn aber nach Belieben variieren zu können, wurde von einem von uns (Sz.-Gy.) eine besondere Kanüle angefertigt. In den oberen breiten Teil einer sog. Straub- schen Herzkanüle werden mit Paraffin 3 Glasröhren eingeschmolzen. Zwei von diesen sind mit je einer Mariotteschen Flasche verbunden, die dritte kommuni- ziert frei mit der Außenluft. Durch Schrägstellen der Kanüle wird der Druck beliebig hoch eingestellt. Ein Anstieg des Druckes im Herzen ist ausgeschlossen, denn die Nährlösung fließt, wenn sie den gewünschten Druck übersteigen sollte, durch die offene Mündung dieses Rohres nach hinten ab. Der ganze Inhalt der Kanüle beträgt etwa 0,2 ccm, so daß bei einer Umschaltung die neue Lösung fast momentan das Herz erreicht und ein Ausspülen der alten Lösung aus der Kanüle kann auch noch durch Ansaugen des mittleren Rohres beschleunigt wer- den. Mittels einer Glascapillare können auch beliebige Pharmaka durch dieses Rohr zu der Spülflüssigkeit gemischt werden. ’ Wie ersichtlich, geschah die Durchströmung des Herzens in natürlicher Weise, die Nährlösung folgte der normalen Blutrichtung und wurde vom Herzen selbst weiterbefördert. Dies war für unsere Versuche — wo es sich um Verhältnisse der Reizbildung handelte, von besonderer Wichtigkeit. Die Tätigkeit von Vorhof und Kammer wurde nach dem Suspensionsverfahren Engelmanns an einem Schleifenkymograph verzeichnet. Die natürliche horizontale Lage des Herzens wurde dadurch gewährleistet, daß der an der Herzspitze befestigte Faden über eine kleine Rolle lief. An der A.-V.-Grenze lag ein leicht gespannter Faden um die Vorhof- und Kammerkontraktionen auseinanderzuhalten. Es mußte peinlich darauf geachtet werden, daß die beiden Schreibspitzen des Engel- mannschen Doppelhebels genau übereinanderschrieben, was durch Mikrometer- schrauben erreicht wurde. Nachdem wir unsere Versuche auch am völlig isolierten, also ausgeschnittenen Herzen wiederholen wollten, jedoch keineswegs darauf verzichten konnten, daß 1) Ein Unterschied im Verhalten beider Tierarten konnte nicht gefunden werden. Sämtliche in dieser Arbeit reproduzierten Kardiogramme sind an Rana esculenta gewonnen. Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 241 die Durchströmung des Herzens in physiologischer Weise erfolge und nicht in verkehrter Richtung, wie es allgemein üblich ist, so mußten wir eine für unsere Zwecke entsprechende neue Methode ausarbeiten, welche im folgenden beschrieben werden soll: Mittels einer chirurgischen Nadel werden zwischen Leber und Herz zwei Fäden unter die untere Hohlvene geführt. Mit dem einen Faden wird die . Kanüle in die Vene eingebunden. Der andere Faden wird unter den Aortenbögen durchgeführt und mit seinem Anfangsteil verknüpft, und zwar so, daß man beim Zusammenziehen der Ligatur darauf achtet, daß der Faden tief unter dem Sinus verläuft um nicht Teile des Sinus mit abzubinden. Nun werden die Aortenbögen nach oben etwas auspräpariert, durchschnitten und das ganze Herz unterhalb der Ligatur mit einem Scherenschlag herausgeschnitten und auf eine Korkplatte gelegt, wo die Aortenbögen mit je einer Stecknadel befestigt werden. Das Herz liegt dabei in seiner normalen Lage, kann in normaler Richtung durchströmt und in üblicher Weise registriert werden. Die Methode ist sehr empfehlenswert; ihr einziger Nachteil ist, daß durch die Ligatur der Vagus für längere Zeit stark erregt wird. Will man dies vermei- den, so empfiehlt es sich, vor Anlegen der Ligatur 1—2 Tropfen Atropinlösung (10/,,) auf das Herz zu träufeln. Unsere Methodik für die an Warmblüterherzen ausgeführten Versuche soll später beschrieben werden. Wir werden in dieser Arbeit über das Ergebnis von 187 Versuchen zu berichten haben. Die verwendeten Lösungen wurdeninfolgender Weise zubereitet: Das destillierte Wasser wurde durch Aufkochen entgast und bis zum Auskühlen mit O, durchströmt. Der O, wurde zur Befreiung von CO, durch zwei Wasch- flaschen geschickt, welche konzentrierte NaOH-Lösung enthielten. Mittels dieses O0, gesättigten Wassers wurde die Stammlösung für die Ringersche Lösung in größerer Menge zubereitet. Diese enthielt: NaCl 0,6%, KCl 0,01% CaCl, Cryst. 0,02%. Diese Stammlösung muß unter strengstem Ausschluß von CO, aufbewahrt werden. ? Zu dieser Stammlösung wurde die entsprechende Laugenlösung erst kurz vor dem Versuch zugesetzt. Die Laugen hielten wir in 0,04 normaler Konzentration in Wulfschen Flaschen bereit, welche durch Natronkalkröhren vor dem Ein- dringen der CO, geschützt waren. Bei der Zubereitung dieser Laugenlösungen mußte für das Fernhalten der CO, strengstens gesorgt werden. Das verwendete NaOH wurde nach der Vorschrift von Sörensen carbonatfrei gemacht. Alle Alkalien wurden in äquimolekularen Mengen, und zwar in 0,002 nor- maler Konzentration verwendet, indem zu 95ccm der Stammlösung 5 cem der 0,04 normalen Laugenlösung zugefügt wurde. Nur das Na,CO, kam — ent- sprechend seinem Bindungsvermögen der CO, gegenüber in doppelter Konzen- tration zur Anwendung!). Die in dieser Weise zubereitete alkalische Ringerlösung wurde in die 100 ccm fassende Mariottesche Flasche gegossen, deren Luftzuleitungsrohr mit einer Natronkalkröhre verbunden war, wodurch das Eindringen der CO, auch während des Versuches verhindert wurde. Die Versuche wurden mit folgenden Alkalien ausgeführt: NaOH, NH,OH, Ca(OH),?), Ba(OH),, Na,CO,. Als normale Ringerlösung diente unsere Stammlösung unter Zusatz von NaHCO, ebenfalls in 0,002 normaler Konzentration. ; !) Um eine Trübung dieser Flüssigkeit durch Fällung von CaCO, zu verhin- dern, war ein Zusatz geringer Mengen von Blutserum oder Ascitesflüssigkeit (2%), was für die Wirkung als indifferent sich erwies, notwendig. ?) Die gesamte Menge des Ca in der Ringerlösung war dadurch nicht verändert. Pfiügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 16 242 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: III. Wirkung der Akapnie für die Herztätigkeit. Werden die alkalischen Ringer- lösungen nicht unter strengstem Ausschluß der CO, zubereitet und aufbewahrt, so sind sie geeignet, die Herztätigkeit — wie dies ja von vielen Forschern be- hauptet wird — lange Zeit in normaler Weise zu unterhalten. Halten wir aber die eben beschriebenen Kautelen ein, so werden wir durch überraschende Wirkungen der Alkalien für die ge- ringe Mühe reichlich be- lohnt. Alle Lösungen, in welchen das Bicarbo- nat mit den genann- ten Alkalien ersetzt war, wirken — abge- sehen von einer initialen, systolischen Wirkung, wel- che nur bei den starken Laugen in Erscheinung tritt — in prinzipiell gleicher Weise. Ein Un- terschied zeigte sich nur in quantitativer Hinsicht — genauer ausgedrückt in dem Zeitpunkt, in welchem die verschiede- nen Phasen der Wirkung eintreten, und zwar je nachdem wir eine starke Base oder eine schwache zum Versuch heranziehen. Um die Wirkungen auch in ihrem zeitlichen Verlauf richtig zu charakterisieren, beschreiben wir zunächst die Wirkung der stärksten Base, des Natriumhydr- Abb. 1e. Abb. 1d. Vers. 114. 6 Minuten nach Durchströmen mit NaOH-Ringer. II. Stadium. Abb. 1b Vers. 114. Normale Herztätigkeit. Abb. 1b. Vers. 114. 30 Sek. nach Durchströmen mit NaOH-Ringer. I, Stadium. Abb. 1c. Abb. 1d. Vers. 114. 11 Minuten nach Durchströmen mit NaOH-Ringer. III. Stadium. Abb. ta. Abb. 1a. Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 243 oxydes, um dann diejenige der schwächsten (Na,CO,) ihr gegen- überzustellen. (Sämtliche Kurven sind in Schriftrichtung zu lesen. Oben Vorhof, Mitte Kammer, unten Zeit in 2 Sek.) Wirkung des Natriumhydroxydes: Ersetzen wir die normale Ringerlösung, welche ein kräftigschlagendes Froschherz durchströmt (Abb. la) mit einer solchen, welche statt des NaHCO, NaOH in 0,002 normaler Konzentration enthält, so sehen wir schon innerhalb 10—12 Minuten alle drei Stadien der Wirkung. In Abb. 1b sehen wir die Veränderung der Herztätigkeit nach einer halben Minute. Die rasch vorübergehende systolische Wirkung ist nicht charakteristisch für die Alkaliwirkung und kommt nur bei stark dissoziierten Basen vor und ist, wie wir später zeigen werden, durch die Wirkung der OH-Jonen auf den Herzmuskel bedinst. Hin- gegen sehen wir eine verkürzte Überleitungszeit, welche hier durch die systolische Wirkung wohl etwas verdeckt wird, viel deutlicher bei der Durchströmung mit schwächeren Laugen zur Beobachtung kommt. Das abgekürzte Intervall zwischen Vorhof und Kammerkontraktion nebst einer negativen Chronotropie ist eine charakteristische Wirkung, der Alkalien, welche regelmäßig die weiteren Veränderungen einleitet und wir bezeichnen sie als I. Stadium der Alkaliwirkung. Nach sechs Minuten (Abb.1c) sehen wir schon eine augen- fälligere Änderung der Herztätigkeit. Vorhof- und Kammerkon- traktion erfolgt gleichzeitig, das Herz schlägt im nodalen "Rhythmus und eine weitere Verlangsamung des Herzschlages kommt zur Beobachtung (II. Stadium). " Nach weiteren vier bis fünf Minuten sehen wir das III. Sta- dium der Wirkung (Abb. 1d), charakterisiert durch die völlige Umkehr der Schlagfolge. Die Führung des Herzens übernimmt die Kammer, die Systole des Vorhofes erfolgt nach jeder Kammerkontraktion und wir sehen eine weitere Abnahme der Schlagzahl. Das weitere Schicksal der Herztätigkeit kann sich nun in zweifacher Weise gestalten. Entweder bleibt diese Kammerautomatie längere Zeit bestehen, wobei die Zahl der Kontraktionen immer mehr abnimmt, so daß schließlich nur mehr 2—3 Kontraktionen in der Minute erfolgen, oder aber versagt in einigen Minuten auch die Automatie der Kammer und das Herz steht still. Die Wirkung des Na,CO, unterscheidet sich von der eben geschilderten nur in unwesentlichen Punkten. . Das erste Stadium ist frei von systolischer Nebenwirkung, die ver- kürzte Überleitungszeit ist sehr deutlich ausgeprägt, tritt aber erst nach 8— 10 Minuten auf (Abb.2a und 2b). In etwa 15—20 Minuten haben wir das zweite Stadium des nodalen Rhythmus vor uns (Abb. 2e). 16* 244 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: Das dritte Stadium der Kammerautomatie tritt oft erst nach einer Stunde ein, manchmal fehlt es ganz und das Herz schlägt im nodalen Abb.2c. Vers. 115. 3) Minuten nach Durch- strömen mit Na,CO,-Ringer. II. Stadium. Abb. 2b. Vers. 115. I8 Minuten nach Durch- Abb.2a. Veıs. 115. Normale Herztätigkeit. strömen mit Na,CO;-Ringer. I. Stadium. Rhythmus bis zu 2 Stunden fort. Alle anderen von uns unter- suchten Alkalien sind befähist, in der angewandten Konzen- tration (0,002 ccm) die eben beschriebenen Veränderungen hervorzurufen. Für eine De- monstration der Wirkung eignet sich am besten das NH,OH. Es nimmt in bezug seiner Dis- soziation und seiner Avidität der CO, gegenüber eine Mittel- stellung zwischen dem NaOH und dem Na,CO, ein. Durch seine Flüchtigkeit und Eindrin- gungsfähigkeit erfolgt die Wir- kung sehr rasch, aber die ini- tiale systolische Nebenwirkung, welche nur den starken Basen (NaOH, CaOH) eigen ist, tritt in den Hintergrund. Wollen wir nun die Verän- derungen der Herztätigkeit, welche. wir infolge der Alkali- zufuhr beobachteten, charak- terisieren, so müssen wir sagen, daß alle Alkalien, welche CO, zu binden imstande sind, zu einer charakte- ristischen Änderung der Schlagfolgeeinzelner Herz- abschnitte führen und diese Änderung von einer allmählichen Verlangsa- mung der Herztätigkeit be- gleitet ist. Wenden wir Alka- lien an, welche eine starke Avi- dität der CO, gegenüber auf- weisen, so kommt es rasch zu einer vollkommenen Umkehr der Schlag- folge und schließlich zum Stillstand des Herzens. Bei schwächeren Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 245 Basen läßt die Kammerautomatie (III. Stadium) lange auf sich warten und ein Stillstand des Herzens wird meist nicht erreicht. IV. Experimentelle Analyse der Alkaliwirkung. Bevor wir auf die Frage näher eingehen, welche physiologische Ursachen der beobachteten Veränderung der Herztätigkeit zugrunde liegen, mußten wir zunächst in chemischer Beziehung Klarheit schaffen und zwar in zweifacher Richtung: 1. Es mußte vor allem entschieden werden, ob die Wirkung auf das Herz überhaupt die Folge des Säure- bindungsvermögen der Alkalien ist oder aber ihrer Fähigkeit, in wäs- serigen Lösungen OH-Ionen abzuspalten. Nachdem diese beiden Eigen- schaften der Alkalien voneinander weitgehend unabhängig sind, ließ sich durch Anwendung verschieden stark dissoziierter Basen mit Sicherheit entscheiden, welche Wirkung den OH-Ionen und welche dem Säurebindungsvermögen zukommt. Eine 0,002 normale NaOH-Lösung z. B. hat genau dasselbe Säurebindungsvermögen, als eine 0,002 normale NH,-OH-Lösung, ihre OH-Ionenkonzentration ist aber wesentlich höher. Verdünnen wir sie nun zur Hälfte, so ist ihr Säurebindungs- vermögen nur mehr halb so groß, die OH-Ionenkonzentration muß aber immer noch viel höher sein als diejenige der Vergleichslösung. Wenn wir nun unsere Versuche mit derart verdünnten NaOH-Lösungen ausführen, deren Säurebindungsvermögen wesentlich geringer, ihre OH-Ionenkonzentration aber noch bedeutend höher ist als jene der gewöhnlich verwendeten NH,-OH oder Na, CO,-Ringerlösungen, so lassen sich die Wirkungen, welche durch Bindung einer Säure zustande kommen, von jenen trennen, welche durch die OH-Ionen hervorgerufen werden. | Zu diesen Versuchen verwendeten wir eine Ringerlösung, in welcher das NaOH statt in 0,002 normaler, nur in 0,001 normaler Konzentration zugegen war. Die Bestimmung der [H] in unseren Lösungen wurde im Laboratorium für physikalisch-chemische Biologie zu Wien mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Prof. Wo. Pauli von Herrn Dr. Ma- tula ausgeführt und ergab folge: de Werte: C„ der 0,002 n-NH, - OH- Ringer=?%:-15-10°9;C,, der 0,001n-NaOH-Ringer = 2-34. 10-1. Die halbko: zentrierte NaAOH-Lösurg erwies sich also 92 mal konzen- trierter an OH-Ionen als die Vergleichslösung. Wird ein Herz mit dieser NaOH-Lösung durchströmt, so tritt die sy- stolische Wirkung, wie wir siein Abb. 1b gesehen haben, fast unvermindert. stark auf und ist unvergleichlich stärker, als wir sie bei der Durch- strömung mit doppelt so konzentrierter NH,-OH-Lösung beobachten. Diese Wirkung ist also bestimmt eine Wirkung der OH-Ionen, an wel- chen ja die 0,001 normale NaOH-Lösung weitaus konzentrierter ist als 246 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: die 0,002 normale NH, . OH-Lösung!). Diese vorübergehende systo- lische Wirkung ist aber auch die einzige, welche wir mit unserer ver- dünnten NaOH-Lösung erzielen können. Die charakteristische Ände- rung der Schlagfolge oder auch nur die geringste Störung der Herz- tätigkeit vermissen wir vollkommen selbst nach stundenlanger Durch- strömung und somit erscheint es erwiesen zu sein, daß diese Wirkung der Alkalien keine Wirkung der OH-Ionen darstellt, sondern nur durch die Bindung von Säuren zustande kommt. In Abb. 4a u. b sehen wir die Veränderung der Herztätigkeit wäh- rend der Durchströmung mit 0,002 normaler NH, . OH-Ringer nach 24 Minuten. Das Herz steht bereits unter Führung der Kammer (III. Stadium) und es besteht eine starke negativ chronotrope Wirkung. Demgegenüber zeigt Abb. 5a u. b., daß das Herz nach einstündiger Durchströmung mit 0,001 normaler NaOH-Ringer von etwa 100 mal so hoher OH-Ionenkonzentration, aber halb so großem Säurebindungs- vermögen völlig normal arbeitet. 2. Eine zweite nicht minder wichtige Frage war, ob die Wirkung der Alkalien in der Tat durch Bindung der CO, und nicht etwa durch Neutralisierung anderer Säuren zustande kommt. Diese Frage ließ sich dadurch entscheiden, daß wir zu den Versuchen Alkalien heran- zogen, welche die Kohlensäure überhaupt nicht, wie das NaHCO, oder nur in sehr geringem Maße, wie das Na,HPO, zu binden imstande sind. Wir können nun das Herz mit der zehnfachen Konzentration an diesen Alkalien stundenlang durchströmen und obwohl das Säure- bindungsvermögen dieser Lösungen zehnmal so stark ist, als die der gewöhnlich benutzten, sehen wir keine Spur einer Veränderung der 1) Daß diese Wirkung der OH-Ionen offenbar eine reine Muskelwirkung ist, zum mindesten nichts mit der Tätigkeit des Herzens zu tun hat, läßt sich auf folgende Weise zeigen. Es wird eine Straubsche Ka- nüle von der Aorta aus in die Kammer eingeführt, das Herz in üblicher Weise iso- liert und die Herzkammer in ihrem oberen Drittel ab- gebunden. Die stillstehen- de Herzspitze wird nun durch Einzelinduktions- schläge jede zweite Sekunde zur Kontraktion gebracht. Abb. 3. Elektr. gereizte Herzspitze. Beim y NaOH-Ringer Auf diese Weise 3 erhalten in die Straubsche Kanüle gebracht. wir eine regelmäßige Mus - kelkurve. Wird nun die normale Ringerlösung mit einer NaOH-Ringerlösung vertauscht, so sehen wir genau dieselbe Änderung an dieser Muskelkurve (s. Abb. 3), welche am spontan schlagenden Herzen als systolische Wirkung in Erscheinung tritt (vgl. Abb. 1b). Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 247 Herztätigkeit, was darauf schließen läßt, daß die von uns be- schriebene Wirkung durch die Bindung der CO, zustande kommt. Nachdem durch diese Versuche gezeigt werden konnte, daß es die Akapnie ist, welche die Veränderung der Herztätigkeit herbeiführt, mußte gefragt werden, in welcher Weise diese Veränderung physiologisch zu deuten ist? Wir sahen zunächst, daß die Schlagfolge der einzelnen Herzteile eine abnorme wird, dann eine vollkommene Umkehr stattfindet und as NVA WI AA h N " | | Abb. 5b. Abb. 4a. Normale Herztätigkeit. Abb. 4b. 24 Minuten nach Durchströmung mit 0,002 n-NH, - OH-Ringer [H'] = 2: 15 - 10°. Abb. 5a. Normale Herztätigkeit. Abb. 5b. Nach einstündiger Durchströmung mit 0,001 n-NaOH-Ringer [H'] = 2. 34 - 107". schließlich, wenn die Akapnie genügend stark war, daß das Herz still- steht. Die Zahl der Kontraktionen nimmt von Anfang an ab, eine weitere Änderung aber, welche auf eine Störung der Reizleitung oder der Kontraktibilität durch die Akapnie hindeuten würde, war nicht zu beobachten. Schon dieser Typus der Wirkung wies darauf hin, daß es sich um eine Störung der Reizbildung handeln mag und die Annahme schien einigermaßen berechtigt, daß die Reiz- bildungsapparate des Herzens zufolge des ÜO,-Mangels der Reihe nach untätig werden. Eine Stütze für diese Vermutung bietet schon die Erfahrung, daß, wenn ein Reizbildungsapparat, wel- cher die Führung des Herzens innehat, ausgeschaltet wird, die Auto- matie sekundärer oder tertiärer Zentren erwacht und ganz ähnliches sahen wir ja am Herzen, welches CO,-Mangel erlitt. Allerdings war dies 248 (&. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: nicht die einzige Möglichkeit einer Deutung und so mußte der Versuch Klarheit bringen. Falls unsere Annahme richtig ist und die abnorme Schlagfolge zu- folge der Akapnie durch das Ausschalten der Reizbildungsapparate zustande kommt, so müßte die mechanische Ausschaltung des Sinus- knotens — wie es durch die erste Stanniussche Ligatur zu erzielen ist, im Verlaufe der Alkaliwirkung ohne die geringste Änderung der Herz- tätigkeit auszuführen sein, nachdem wir doch dadurch ein Gebilde ausschalten, welches — gemäß unserer Annahme — seine Tätigkeit bereits eingestellt hat. Daß diese Voraussetzung in der Tat zutrifft, zeigte uns eine Reihe von Versuchen. In diesen Versuchen mußte das Ende der Durchströmungskanüle tief, bis in den Vorhof geführt werden, damit nach Anlegung der Ligatur an der Grenze von Sinus und Vorhof der Flüssigkeitsstrom keine Unterbrechung erleide. Das Herz wurde mit Alkalien wie gewöhn- lich durchströmt, bis das Herz im nodalen Rhythmus schlug oder die Schlagfolge eine vollkommene Umkehr erlitt. Wenn wir nun die I. Stanniussche Ligatur ausführen, so arbeitet das Herz unentwegt im nämlichen Tempo weiter. Die I. Stanniussche Ligatur führt weder zu einer präautomatischen Pause, noch zu einer Verlangsamung des Herzschlages. Daß die Ursprungsreize in diesem Stadium der Alkaliwirkung in der Tat nicht mehr vom Sinus ausgehen, sondern von der A-V.-Grenze, läßt sich noch auf andere Art zeigen. Gaskell hatte die Entdeckung gemacht, daß eine isolierte Erwärmung der Sinusgegend die beschleu- , nigte Tätigkeit aller Herzteile nach sich zieht, während die Erwär- mung anderer Regionen keine Acceleration zur Folge hat. Dieser Ver- such war eben der Beweis, daß die normalen Ursprungsreize vom Sinus ausgehen und daß dieser Teil des Herzens die Führung über das ganze Organ innehat. Führen wir nun im II. Stadium der Alkaliwirkung (nodaler Rhyth- mus) diesen Versuch aus, so bekommen wir bei isolierter Erwärmung des Sinus keine Spur einer Acceleration, hingegen eine mächtige positiv chronotrope Wirkung, wenn wir die A.-V.- Grenze auf 30°C erwärmen (Abb. 6a u. b). Die Erwärmung ge- schah mittels kleinen U-förmig gebogenen Capillaren, welche um die betreffenden Herzteile gelegt wurden. Die beiden Enden dieser Röhr- chen waren mit sog. Ventilgummischläuchen versehen. Der eine Schlauch stand mit einem Trichter in Verbindung und diente zum Einführen des warmen Wassers, welches durch die Capillare durchfloß und sie erwärmte; der zweite Schlauch war zum Ableiten des Wassers bestimmt, welches dadurch mit dem Herzen selbst nicht in Berührung kam, son- dern nur durch seine Temperatur wirksam war an jener Stelle, an wel- cher die Capillare das Herz berührte. Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 249% Durch diese Ergebnisse hat unsere Annahme, daß eine Entziehung der CO, zu einer sukzessiven Ausschaltung der Reizbildungszentren führt an Wahrscheinlichkeit sehr gewonnen. Wir sehen, daß die un- natürliche Schlagfolge der einzelnen Herzteile, wie es z. B.im II. Stadium der Wirkung als Nodalrhythmus in Erscheinung tritt, dadurch zustande kommt, daß der Sinusknoten in der Tat keine Impulse mehr dem Herzen entsendet und die Führung dem Tawaraknoten abgetreten hat. Abb. 6a. Beim A isolierte Er- Abb. 6b. Beim A isolierte Erwärmung der A-V- wärmung des Sinus. Grenze. Aus diesen Versuchen ergibt sich aber auch, daß die Empfindlich- keit der Reizbildungsapparate der Akapnie gegenüber um so größer ist, je höher ihre Automatie, eine Erscheinung, auf die wir später noch zurückkommen werden, welche aber eine nähere Besprechung einiger Beobachtungen schon jetzt ermöglicht. Nach dem Versagen des Sinusknotens, also kurz nach begonnener Durchströmung mit Alkalien — aber bevor noch der Nodalrhyth- mus einsetzt — sahen wir, daß das Intervall zwischen Vorhof und Kammerkontraktion abgekürzt ist (I. Stadium). Dies weist darauf hin, daß die Erregungen in diesem Stadium von jenem automatischen Apparat ausgehen, welcher im Vorhof schon von Gaskell!) und von Loewit2) vermutet, durch die Untersuchungen von Lewis), Zahn), 1) Journ. of physiol. 4, zit. nach Hofmann in Nagels Hb. I, S. 225. 2) Diese Zeitschr. 23. 1880. Zit. nach Hofmann in Nagels Hk. I, S. 225. 3) Heart II. *) Zentralbl. f. Physiol. 26. 250 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: Hering!), Rothberger und Winterberg?) festgestellt wurde und wahrscheinlich am Coronarvenentrichter (Hering) seinen Sitz hat. Seine Empfindlichkeit der Akapnie gegenüber dürfte nicht wesentlich geringer sein als diejenige des Sinusknotens, denn diese ‚Vorhofs- automatie‘“ ist immer nur von kurzer Dauer und die Führung geht bald auf den Tawaraknoten über. Wenn nun die Akapnie noch weiter fort- schreitet, wird die Führung von tertiären Zentren der Kammer besorgt, welche gewiß die geringste Empfindlichkeit für CO,-Mangel zeigen. Die Automatie der Kammer sinkt aber auch bald ‚was in der stetigen Abnahme der Schlagzahl zum Ausdruck kommt. Daß die Kammer nun noch längere Zeit hindurch Impulse entsendet, ist nicht allein in ihrer geringen Empfindlichkeit der Akapnie gegenüber, sondern gewiß auch in unserer Versuchseinrichtung begründet. Hat nämlich die Schlagzahl schon stark abgenommen, so wird auch die Nährlösung nur sehr langsam weiterbefördert, wodurch das Alkali durch die pro- duzierte CO, abgesättigt wird und eine vollständige Akapnie nicht er- reicht werden kann. Sehr schön sehen wir dies in Versuchen, in welchen die Akapnie bereits zum Stillstand des Herzens geführt hat, wodurch die Lösung überhaupt nicht mehr weiterbefördert wird. Wenn wir das Herz in diesem Zustand noch weiter beobachten, so sehen wir, daß es etwa nach 3—4 Minuten wieder eine Reihe von Kontraktionen aus- führt, offenbar weil die inzwischen produzierte CO, die geringe Menge NaOH, welche im Herzen stockt, in NaHCO, verwandelt hat. Hier- durch wird aber auch der Inhalt des Herzens ausgestoßen und unter der Wirkung des frisch nachströmenden Alkalis kommt das Herz aber- mals zum Stillstand, ein Spiel, welches oft lange Zeit zu beobachten ist. Das Ergebnis unserer bisherigen Versuche läßt sich also dahin zusammenfassen, daß die abnorme Schlagfolge ein- zelner Herzteile und das schließliche Versagen der Herz- tätigkeit während der Durchströmung mit Alkalien auf eine chemische Bindung von Kohlensäure zurückzuführen ist und daß die Reizbildungsapparate unter der Wirkung dieser Akapnie der Reihe nach untätig werden. Um die nähere Ursache dieser Reaktion der Reizbildungsapparate zu erfahren und damit die Rolle der CO, für die Herztätigkeit unserem Verständnis näherzubringen, mußten weitere Versuche angestellt werden. V. Die Rolle der CO, für die Herztätigkeit. Die Tatsache allein, daß die Entfernung der Kohlensäure zum allmählichen Stillstand des Herzens führt, berechtigt noch keineswegs 1) Verh. der Dtsch. pathol. Gesellschaft XIV. 1910. 2) Diese Zeitschr. 135. (Alle 4 zitiert nach Rothberger, Physiologie des Kreislaufs in Jagi@, Handbuch Bd. II, 1.) Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 251 zu der Annahme, daß wir in der CO, den inneren Herzreiz erkannt haben. Es ist ja bekannt, daß das Herz auch dann seine Tätigkeit ein- stellt, wenn wir ihm sein Ca entziehen, und dennoch scheint es unbe- rechtigt zu sein, den Schluß zu ziehen: das Ca-Ion sei der adäquate Reiz des Herzens, wie es Howell!) getan hat. Denn die Tatsache, daß ein kalkfreies Herz nicht nur stillsteht, sondern auch seine Erreg- barkeit für äußere Reize eingebüßt hat [Langendorf und Hueck?)], zeigt, daß der Kalk nur eine der vielen Bedingungen der Herztätigkeit ist. Um aber von einer chemischen Substanz behaupten zu dürfen, daß sie der Erreger der Herztätigkeit ist, muß erst erwiesen werden, daß trotz Entziehung dieser Substanz das Herz alle seine Quali- täten unverändert beibehält und nur die reizbildenden Apparate ihre Automatie eingebüßt haben. Von keiner ein- zigen für die Herztätigkeit notwendigen Substanz konnte dies bisher nachgewiesen werden, und so mußte die Frage untersucht werden, welche Wirkung die Entziehung der Kohlensäure auf die verschiedenen Qualitäten des Herzens, also auf Erregbar- keit, Erregungsleitung und Contractilität ausübt. Um diese Frage lösen zu können, schien uns zunächst zweckmäßig, den Angriffspunkt der Akapnie im Herzen selbst festzu- stellen oder m. a. W. zu prüfen, ob das Herz seine normale Tätigkeit beibehält, wenn wir dem ganzen Herzen, mit Ausnahme des Sinusknotens, die Kohlensäure entziehen. Unsere bisher beschriebenen Versuche ließen ja vermuten, daß nach Einwirkung der Alkalien die Reizbildungszentren ihre Tätigkeit einstellen, und wenn dies die einzige Ursache der beobachteten Wirkung ist, so muß das Herz selbst mit den stärksten Alkalien durchströmt, seine normale "Tätigkeit beibehalten, wenn wir das führende Zentrum vor der Wirkung der Alkalien, also vor der Akapnie schützen. Um dies zu erreichen, haben wir in folgender Weise die Versuche angestellt: Die zur Durchströmung dienende Kanüle wurde durch Vena cava und Sinus tief in den Vorhof geführt. An der Grenze von Sinus und Vorhof wurde die Kanüle mit einem weichen Wollfaden eingebunden, so daß ein Rückströmen der Flüssigkeit in den Sinus verhindert war, die Leitung der Sinusreize jedoch keine Unterbrechung erlitt. Nach Anbringung dieser Ligatur arbeitete das Herz ungehindert unter Führung des Sinus fort. Wir können nun in dieser Weise vom Vorhof aus das Herz stunden- lang mit Alkalien durchströmen, ohne die charakteristische Änderung der Schlagfolge zu beobachten. Geschieht die Durchströmung mit 2) Amer. Journ. of physiol. 2. 2) Diese Zeitschr. 96. 252 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: schwach dissoziierten Alkalien wie Na,CO, oder NH, : OH, so tritt überhaupt keine Änderung der Herztätigkeit ein. Verwenden wir NaOH mit seiner hohen OH-Ionenkonzentration, so sehen wir die initiale systolische Wirkung, dann die allmähliche Abnahme der Con- tractilität, also die bekannten schädlichen Wirkungen der OH-Ionen auf den Herzmuskel, jedoch eine Änderung der Reizbildung tritt nie- mals in Erscheinung. In Abb. 7a u. b sehen wir ein Beispiel für dieses Verhalten des Herzens. In diesem Versuch 94 hatten wir, um die Akapnie zu über- treiben, das Na,CO, in doppelter Konzen- tration, also 0,008 nor- mal, in den Vorhof strömen lassen. Das Kardiogramm b) zeigt die Herztätigkeit nach 30 Minuten. Bis auf eine geringe Abnahme der Vorhofkontraktio- nen ist keine Ände- rungzusehen, nament- lich keine Umkehr der Schlagfolge, ja nicht Ange einmal der nodale EN Rhythmus. aa Der Sinus, ge- Abb. 7a. Vers. 94. Normal. Abb. 7b. Vers. 94. 30 Min, schützt vor der Akap- durchströmt mit 0,008 n- 9 d Ik Na,CO,-Ringer vom Vorhof Nie, sen et ungehin- auE) dert seine Reize dem Herzen zu; dieses aber arbeitet völlig normal weiter, trotzdem es unter dem höchsten Grad des CO,-Mangels steht, haben wir doch absichtlich die Alkal konzentration auf das Doppelte erhöht. Durch diese Versuche gelang es, unsere Frage wesentlich einzu- schränken, denn sie zeigten uns, daß der Angriffspunkt der Akapnie im Reizbildungszentrum liegt. Es mußte aber weiter gefragt werden, welche Änderung in diesen durch Bindung der CO, zuwege geht. Es fragt sich, ob das Reizbildungszentrum in seiner Funktion nor- mal geblieben und nur durch Ausfall des Reizes seine Tätigkeit einge- stellt hat, oder aber überhaupt funktionsunfähig ward, also auch seine Erregbarkeit eingebüßt hat. Diese Frage hatten wir am Sinusknoten in folgender Weise unter- sucht. Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 253 Nachdem wir die Reizschwelle des Sinus zur Auslösung einer Extra- systole mit Induktionsschlägen festgestellt hatten, wurde das Herz wie gewöhnlich mit CO,-bindenden Alkalien durchströmt. In einem Stadium der Wirkung, in welchem vom Sinus keine Erregungen mehr ausgingen, das Herz also im nodalen Rhythmus schlug oder sogar schon unter Kammerautomatie stand, wurde nach Ablauf einer Herz- kontraktion der Sinus mit einem Induktionsschlag gereizt. Das Er- gebnis von zwei in dieser Weise ausgeführten Versuchen sehen wir in Abb. 8a u. b. In Vers. 114 arbeitete das Herz unter der Wirkung von NaOH im V.-A.-Rhythmus, wie es an der ersten spontanen Kontraktion der Abb. 8a ersichtlich. Nach Ablauf dieser spontanen Kontraktion wurde der Sinus gereizt und die Folge war eine völlig normale Kon- traktion im A.-V.- Kos Rhythmus. Dassel- be Verhalten zeigte das Herz in Ver- such115 mitNa,CO, durehströmt, wel- ches im nodalen Rhythmus arbeite- te; auch hier löst eine Reizung des ‚Sinus eine völlignor- male Kontraktion ‚aus (Abb. 8b). Das- selbe läßt sich auch App. 8a. Vers. 114. IH. Stad. Abb.8b. Vers. 115. II. Sta- 5 BL der NaOH-Wirkung. Erste Kon- dium der Na,CO,-Wirkung. mit mechani traktion spontan, zweite durch Erste Kontraktion spontan, scher Reizung des elektr. Reizung des Sinus. zweite durch elektr. Reizung untätigen Sinus er- ges Sinun. zielen, die Kardiogramme werden aber durch die mechanische Rei- zung deformiert, so daß sie für eine Reproduktion ungeeignet er- ‚scheinen. | Über die quantitativen Verhältnisse der Erregbarkeit ‚gaben diese Versuche ebenfalls wichtigen Aufschluß. Wenn wir zur Durchströmung schwach dissoziierte Alkalien anwenden, so finden wir keine Änderung der Erregbarkeit, selbst wenn schon der Tawara- Knoten seine Tätigkeit eingestellt hat. Der Kohlensäuremangel führt also nicht einmal zu einer Abnahme der Erregbarkeit. Dies möchten - wir besonders hervorheben, weil Göthlin!) behauptet hat, daß eine totale Aufhebung der CO,-Tension ‚von heruntergesetzter oder auf- ‚gehobener Irritabilität begleitet wird“. Diese Behauptung stützt er ‚auf einen Versuch, in dem eine Herzspitze mit 0,002% NaOH ge- Sy I 254 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: speist wurde und deren Erregbarkeit wesentlich abnahm. Die Beob- achtung von Göthlin war vollkommen richtig, nur ist die Abnahme der Irritabilität nicht die Folge des CO,-Mangels, sondern der hohen OH-Ionenkonzentration. Hatten wir nämlich zu unseren Versuchen NaOH verwendet, so fanden wir auch eine Abnahme der Reizbarkeit. So stieg z. B. in Versuch 114 (Abb. 8a) die Reizschwelle von 8cm auf 0 cm R. A. Aber gerade unsere Versuche mit schwächer dissoziierten Basen, aber von gleichgroßem CO,-Bindungsvermögen zeigten, daß der CO, - Mangel selbst nicht einmal eine Herabsetzung der Erregbarkeit setzt. Noch eine andere Beobachtung spricht dafür, daß die Apparate der: Reizbildung durch Entziehung der CO, keinen Schaden erleiden, sondern nur in Ermangelung des Reizes keine Impulse mehr entsenden. Wenn nämlich die Bindung der CO, keine sehr energische ist, wie es. bei Durchströmung. mit Na,CO, der Fall ist, die Durchströmung auch noch nicht zu lange gedauert hat, und wir den bereits untätigen Sinus. in der früher beschriebenen Weise erwärmen, womit wir offenbar seine Erregbarkeit erhöhen, so beobachten wir häufig, daß er die Führung vom Tawaraknoten wieder übernimmt und der normale Herzschlag so lange anhält, als die Erwärmung fortgesetzt wird. Wir glauben dies so deuten zu müssen, daß durch die erhöhte Erregbarkeit auch eine verminderte CO,-Konzentration für die Reizerzeugung ausreicht, oder aber daß mit der infolge der Erwärmung erhöhten CO,-Produktion im Sinus die CO,-Bindung nicht mehr Schritt halten kann und es da- durch zu einem Überwiegen des Sinus kommt. Eine Analogie dazu wäre dann in den schönen Versuchen von ©. Amsler und E. P. Pick!) zu erblicken, in welchen durch Erwärmung der A.-V.-Grenze am normalen Herzen der Tawaraknoten die Führung an sich reißt. Jedenfalls er- blicken wir auch in dieser Beobachtung ein Zeichen dafür, daß eine tiefgehende Schädigung des Reizbildungszentrums trotz eingestellter Funktion kaum bestehen kann. Wenn wir also kurz das Ergebnis dieser Versuche zusammenfassen wollen, so können wir sagen: 1. Die Akapnie führt nur dann zu einer Störung der Herztätigkeit,, wenn sie auf das Reizbildungszentrum zu wirken vermag. Schützen wir jenen Teil des Herzens, welcher die Führung innehat durch eine Ligatur vor der Einwirkung der Alkalien, so arbeitet der Herzmuskel ungehindert fort. Der CO,-Mangel ist also für Reizleitung, Erregbarkeit und Contraetilität völlig unschädlich, sein Angriffspunkt liegt im Reizbildungsapparat. 1) Cäsar Amsler und E. P. Pick, Über den Einfluß der Temperatur auf die Reizbildungsstätten und die Reizleitung im Froschherzen. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 84, 1918. Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 255 2. Die elektrische und mechanische Erregbarkeit des Reizbildungs- apparates ist unverändert erhalten, wenn er unter der Wirkung der Alkalien längst keine Reize mehr entsendet. Die Tatsache, daß unter der Wirkung der Akapnie nicht nur Reiz- leitung, Contractilität und Erregbarkeit des Herzmuskels erhalten bleibt, sondern auch die bereits untätigen Reizbildungszentren gegenüber äußeren Reizen ihre normale Erregbarkeit erhalten haben, spricht für die Annahme, daß wir in der CO, nicht eine einfache Bedingung, sondern einen Reiz für die Herztätigkeit zu er- blicken haben. VI. Die Reizwirkung der CO, auf die Reizbildungsapparate. Wenn wir auch aus den Wirkungen der Akapnie, welche wir eben beschrieben haben, wohl mit Recht auf die wichtige Rolle der CO, für die Reizbildung schließen dürfen, erschien es doch wünschenswert, zu erfahren, ob wir durch Erhöhung der CO,-Tension auch eine direkte Reizwirkung an den Reizbildungsapparaten herbeiführen können? Zunächst berichten wir über die Versuche, welche die Wieder- belebung der erloschenen Reizbildung zum Ziele hatten. Arbeitet ein Herz infolge der Akapnie bereits unter Führung der Kammer und ist auch seine Tätigkeit schon nahe dem völligen Ver- sagen, so ist die vollkommene Erholung mit Sicherheit zu erwarten, wenn wir auf normale Ringerlösung umschalten. Die Rückkehr zur normalen Herztätigkeit geschieht aber ziemlich langsam, in etwa 20 bis 30 Minuten, und das Erwachen der automatischen Zentren erfolgt in umgekehrter Reihenfolge, als sie erloschen sind: Indem das Herz zu- nächst in zunehmendem Tempo unter Führung der Kammer seine Arbeit vollbringt, sehen wir plötzlich das Auftreten des Nodalrhythmus; nach etwa 10—15 Minuten erscheint die Vorhofautomatie und schließ- lich schlägt das Herz unter Führung des Sinus in vollkommen normaler Weise. Ganz anders erfolgt aber die Erholung, wenn wir eine Ringerlösung verwenden, in welcher wir außer NaHCO, freie CO, in 0,002 normaler Konzentration gelöst haben!): Nach kaum einigen Sekunden tritt schon eine Besserung ein und innerhalb 1—2 Minuten ist die Herz- tätigkeit eine normale. Ein Beispiel für dieses Verhalten zeigt uns Versuch 74 in Abb. 9: Das Herz mit Na,CO,-Ringer durchströmt, zeigte bereits Kammer- 1) Die Zubereitung solcher Lösungen geschah in der Weise, daß wir eine normale Ringerlösung mit der doppelten Konzentration an NaHCO, (0,004 norm.) bereiteten und dann die Hälfte des NaHCO, mit HCl absättigten, indem wir je 95 cem der Ringerlösung mit 5 ccm 0,04 norm. HCl-Lösung versetzten. 256 (&. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: automatie und die Herztätigkeit war nahe dem Versagen. Nach Um- schalten auf CO,-haltige Ringerlösung sehen wir in kurzer Zeit die Wiederkehr einer normalen Herztätigkeit. Wenn auch schon aus diesen Versuchen auf eine fördernde Wirkung der CO, auf die Reizbildung zu schließen war, konnte immerhin ein- NENNEN NN HAITI VNNIAA URN ARAANANAAANAAAARA a IN dann (j) 1 | Abb. 9. III. Stad. der Na,CD,-Wirkung. Beim y 0,002 n. freie CO, enthaltende Ringerlösung. gewendet werden, daß sie keinen Schluß über die eigentliche Reizwirkung der Kohlensäure zulassen, nachdem durch die Zufuhr von CO, nur ein bestehender Mangel behoben wurde. Daß aber die Kohlensäure nicht nur an derartigen durch Akapnie geschädigten Herzen als Reiz wirksam ist, ließ sich an Herzen zeigen, welche unter der Führung des Tawara- knotens stehen. Diese Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Die Kanüle wird von der Vena cava inferior aus über den Sinus wieder in den Vorhof vorgeschoben und dann mit der I. Stanniusschen Ligatur festgebun- den. Nach Ablauf der präautomatischen Pause schlägt das Herz bekanntlich im langsamen Nodal - Rhyth- mus unter Führung des Ta- waraknotens. Als Durch- strömungsflüssigkeit dient normale Ringerlösung. Wird nun diese mit einer ver- tauscht, welche außer NaHCO, (0,002norm.) eben- soviel freie CO, enthält, so findet eine mächtige Accele- ration statt, welche so lange anhält, bis wir wieder auf ‘ normale Ringerlösung um- schalten. Die Acceleration in- folge der erhöhten CO,- Spannung ist in Abb. 10 zu sehen; sie beträst in diesem Versuch das Abb. 10. Herztätigkeit nach Stannius I.-Ligatur. Beim A Mi 0,002 n-CO,-Ringer. Fünffache der normalen Schlagzahl. Diese CO,-Acceleration konnten wir mit den von uns benutzten CO,-Konzentrationen am Sinusknoten nicht erzielen, was wahr- Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 257 scheinlich darin seine Ursache findet, daß der Sinusknoten — entsprechend seiner größeren Automatie — schon in der Norm unter höherer, vielleicht sogar optimaler CO,-Spannung steht. Daß die geringere Automatie des Tawaraknotens durch eine Steigerung der CO,-Spannung erhöht werden kann, spricht jedenfalls dafür, daß die Größe der Automatie mit der CO,-Spannung innerhalb gewisser Grenzen parallel geht. Eine weitere Klärung dieser Verhältnisse erfordert die genaue Erforschung quantitativer Beziehungen. VII. Die Wirkung der H-Ionen auf die Reizbildung. Nachdem die eben beschriebenen Versuche auch eine direkte Reiz- wirkung der CO, am Herzen dargetan haben, sollte die Frage unter- sucht werden, ob wir es mit einer spezifischen Wirkung der Kohlensäure zu tun haben, oder aber die CO, nur zufolge ihrer Säurenatur — also vermöge ihrer Fähigkeit die Wasserstoffionen- Konzentration zu erhöhen, die Apparate der Reizbildung erregt. Bekanntlich wurde letztere Annahme für das Atemzentrum von Winter- stein!) vertreten, wogegen aber von Laqueur und Verzar?) ernste Bedenken erhoben wurden. Um diese Frage am Herzen zu entscheiden, mußte zunächst ge- fragt werden, in welcher Konzentration unsere CO,-Ringer- lösung, welche, wie wir eben sahen, eine mächtige Reizwirkung auf die Automatie des Herzens besitzt, Wasserstoffionen enthält? Eine einigermaßen exakte Berechnung der Wasserstoffzahl in solchen Lö- sungen ist unmöglich, die Bestimmung mit der Gaskettenmethode stößt aber auf große Schwierigkeiten. Die Bestimmung der H-Ionen- konzentration mittels Indicatoren nach Sörensen schien aber sehr geeignet für die Entscheidung dieser Frage. Prof. OÖ. Loewi in Graz hatte die große Freundlichkeit, diese Bestimmung für uns auszuführen, wofür ihm auch an dieser Stelle bestens gedankt sei. Das Ergebnis dieser Bestimmungen war, daß in unserer Ringerlösung von der Zu- sammensetzung: 0,6% NaCl, 0,01% KÜCl, 0,02% CaCl, eryst., 0,002 norm. NaHCO, und 0,002 norm. CO, die Wasserstoffzahl genau EESI 10= ist: Diese Feststellung ist für unsere Frage von ganz besonderer Wichtig- keit, denn sie erbringt den Beweis dafür, daß die erregende Wirkung der CO, auf die Apparate der Reizbildung keine Wirkung der H-Ionen ist, sondern nur eine spezifische Kohlensäure- wirkung sein kann. Daß aber nicht allein die Kohlensäure, sondern auch H-Ionen eine Erregung der automatischen Apparate herbeiführen können, läßt sich 1) Dieses Archiv 138. 167. 2) Dieses Archiv 143, 395. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 17 958 (x. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: zeigen, wenn wir das im nodalen Rhythmus schlagende Stanniusherz nicht mit CO,-Ringer, sondern mit einer Ringerlösung durchströmen, welche frei von Alkalien und von CO, ist, aber 0,002 norm. HCl enthält. Das Ergebnis solcher Versuche war, daß die Salzsäure jedesmal eine beträchtliche Acceleration herbeiführte, also, wenn auch schwächer, ähnlich gewirkt hat, als die CO,. Die Tatsache, daß nicht allein die CO,, sondern auch die H-Ionen als Reiz für die Herztätigkeit in Betracht kommen können, scheint uns von einem gewissen Interesse zu sein. Es erscheint nicht unmög- lich, daß im Falle von O,-Mangel, wie z. B. bei der Bergkrankheit, wo doch die CO,-Tension unter die Norm sinkt, die Wirkung der H-Ionen vikariierend einsetzen und die Säurebildung — diese konstante Be- gleiterscheinung verminderter Verbrennung — unter diesen Um- ständen die normale Herztätigkeit zu sichern vermag. Es sei aber be- sonders betont, daß diese Annahme rein hypothetisch ist, um so mehr, nachdem wir mit der Möglichkeit zu rechnen haben, daß in unseren Ver- suchen die Reizwirkung der HÜl gar keine direkte Wirkung der H-Ionen darstellt, sondern dadurch zustande kommt, daß die Säure aus den Geweben CO, freimacht, wie es Laqueur und Verzart!) für das Atem- zentrum annehmen. VII. Die Rolle der CO, für die Reizbildung am Säugetier- herzen. Die bisher mitgeteilten Versuche schienen unsere Annahme zu be- stätigen, daß das venöse Blut, welches die Reizbildungsapparate höch-., ster Automatie umgibt, mit seiner hohen CO,-Spannung maßgebend für die Größe der Automatie ist; denn wir sahen einerseits ein Erlöschen der Reizerzeugung, wenn wir die CO,-Tension herabsetzen, andererseits daß ein Zusatz von CO, die Automatie sekundärer Apparate zu steigern vermag. Es fragt sich nun, ob eine ähnliche Rolle der CO, auch an sol- chen Herzen nachzuweisen ist, die einen Coronarkreislauf besitzen, an denen jeder Teil des Herzens, also auch jene Reizbildungsappa- rate, die am venösen Herzende liegen, gleichmäßig von frischem arte- riellem Blut gespeist werden. Es ist nach unseren bisherigen Kennt- nissen nicht verständlich, wie in diesen eine wirksame Konzentration an CO, entstehen könnte und wollen wir nicht darauf verzichten, am Warmblüterherzen der CO, dieselbe Rolle für die Reizbildung anzu- nehmen, wie wir sie für das Amphibienherz erkannt haben, so müssen wir die Annahme machen, daß am Warmblüterherzen — trotz Coronar- kreislauf — auch noch eine direkte Stoffaufnahme von den Herzhöhlen: erfolgt, daß also die Apparate der normalen Reizbildung auch hier unter der Herrschaft des venösen Blutes stehen. Dale Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 259 Um diese Möglichkeit zu prüfen, mußte zunächst die prinzipielle Frage untersucht werden, ob ein Stoffaustausch zwischen den Zellen des Herzen und dem Inhalt der Herzhöhlen am Warmblüter durch ein- fache Diffusion erfolgen kann. Unsere Versuchseinrichtung zur Ent- scheidung dieser Frage war folgende: Die Versuche wurden an isolierten Kaninchenherzen ausgeführt. Die Iso- lierung geschah nach dem Prinzip der Langendorfschen Methode, welche wir unseren Zwecken entsprechend etwas abändern mußten; als Apparat verwendeten wir den Locke - schen Apparat, den wir ebenfalls etwas modifiziert haben. Nachdem das Tier durch Verbluten aus der Carotis verendet war, wurde der Thorax er- öffnet und die zur Durchströmung der Coronarien bestimmte Kanüle in die Aorta luftfrei einge- bunden und die Coronarien sofort mit warmer Ringerlösung durchströmt. Die Vena cava su- perior sinistra wurde direkt vor ihrer Einmün- dung in den rechten Vorhof mit einem kleinen Scherenschlag eröffnet, wodurch die Nährlösung, welche das Coronarsystem durchströmte, freien Abfluß nach außen hatte, ohne in den rechten Vorhof zu gelangen. Dies war zwar nicht unbe- dingt notwendig, erschien aber zweckmäßig, um eine Verdünnung jener Lösung zu vermeiden, welche die Herzhöhlen durchspülte. In die Vena Abb. 11. Doppelt durehströmtes cava superior dextra wurde eine kleine Glas- Warmblüterherz. kanüle eingebunden, welche dazu diente, einen Flüssigkeitsstrom direkt in den rechten Vorhof zu schicken, welcher seinen Weg teils durch die rechte Kammer und Art. pulmonalis nahm, teils schon durch das angeschnittene rechte Herzohr nach außen abfloß. Nachdem das Herz in ‚dieser Weise vorbereitet war, was höchstens 2—3 Minuten in Anspruch nahm, wurde es ausgeschnitten und mittels der Aortenkanüle mit dem Lockeschen Apparat verbunden. Nachdem die Versuche keinen geschlossenen Kreislauf erheischten, wurde der zum Auffangen und Rückströmen der Flüssigkeit bestimmte Teil des Apparates entfernt und das frei herabhängende Herz mit dem Engel- mannschen Doppelhebel in Verbindung gebracht, wie es aus der Abb. 11 ersichtlich Die Aortenkanüle und die Venenkanüle standen jede für sich mit einer Mariotte- schen Flasche in Verbindung, in welchen die O,-gesättigten Ringerlösungen sich befanden. Bevor die Lösungen das Herz erreichten, durchliefen sie je eine Spirale, welche in ein gemeinsames Wasserbad von konstanter Temperatur getaucht waren. Die Temperatur der einströmenden Lösungen wurde dicht vor dem Herzen durch eingesenkte kleine Thermometer gemessen und durch Regulieren der Durchflußgeschwindigkeit und der Wasserbadtemperatur konstant erhalten. In dieser Weise ist es uns gelungen, mit zwei völlig gesonderten Lösungen das Herz zu durchströmen. Die eine Lösung war die eigent- liche Nährlösung und nahm ihren Weg durch die Coronarien, die zweite durchfloß einfach die Höhlen des rechten Herzens. Um nun zu sehen, ob von diesen aus eine direkte Stoffaufnahme erfolgt, hatten wir zu dieser Lösung die verschiedensten Arzneimittel und Gifte bei- gemischt, und zwar so, daß wir dieselben mittels Pravazscher Spritze Ne 260 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: in die Rohrleitung injizierten. Die Durchflußgeschwindigkeit dieser Ringerlösung war eine ziemlich große, so daß sie nicht tropfenweise, sondern im dünnen Strahl das rechte Herz verließ, das Verweilen der Pharmaka in den Herzhöhlen war also kaum länger, als die Zeit der Injektionsdauer, welche I—2 Minuten betrug. Und dennoch hatten alle Stoffe, flüchtige und nichtflüchtige, prompt ihre Wirkung entfaltet, ohne daß auch nur eine Spur von ihnen in die Coronarien gelangen konnte. In den folgenden Abb. 12 u. 13 sehen Abb. 13. Vers. 124. Isoliertes Kaninchenherz. War von der Vena cava aus mit Pilocarpin vergiftet. Beim A 1 mg Atropin in die Vena cava injiziert. wir die Wirkung von Adrenalin, Pilocarpin und Atropin, welche von der Vene aus dem rechten Herzen zugeführt wurden, wäh- rend die Coronarien mit giftfreier normaler Ringerlösung durchströmt waren. Ebenso konnte der Einfluß von Chloroform, Campher und die sy- stolische Wirkung von Digitalis voll zum Ausdruck gebracht werden. Wir Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 261 sehen durch diese Versuche erwiesen, daß die Zellen des Herzens auch mitdemlInhalt der Herzhöhlen in regem Stoff- austausch stehen. Das Ergebnis dieser Versuche und die eben beschriebene Versuchs- einrichtung zeigte uns den Weg für die Prüfung jener Frage, ob die CO, ähnlich wie bei Kaltblüterherzen auch am Säugetierherzen als Reiz der Herztätigkeit in Betracht kommt. Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt: Zunächst wurde das isolierte Kaninchenherz in der oben beschriebenen Weise von der Aorta und der Vene aus mit normaler O,-gesättigter Ringerlösung durchströmt. Die Zusammen- setzung der Lösung war: NaCl 0,9% KCl 0,01%, CaCl, cryst. 0,02% und NaHCO, 0,002 norm. Nachdem die normale Herztätigkeit registriert war, hatten wir die Nährlösung, welche die Coronarien durchströmte, durch Umschalten mit einer anderen vertauscht, welche statt des NaHCO, 0,004 norm. Na,CO, ent- hielt und unter strengstem Ausschluß von CO, zubereitet wurde. Durch die Venen- kanüle strömte weiter die normale Ringerlösung. Diese Umschaltung hatte den Zweck, zu sehen, wie die Akapnie vom Warmblüterherzen ertragen wird. Es stellte sich zunächst heraus, daß das Säuge- tierherz gegen- über dem CO,- Mangel noch weit empfind- licher ist, als das Amphibien- herz. Nach kaum einer Minute sehen wir schon das Herz in nodalem Rhyth- mus schlagen und nach 3—4 Minuten ist bereits das II. Stadium der Wir- kung erreicht: das Herz schläst unter Abb. 14. Vers. 127. Isoliertes Kaninchenherz. Seit 4 Minuten X Coronarien mit Na,CO,-Ringer durchströmt (V-A-Rhythmus). Bei der Führung der yv 0,002 n. CO,-Ringer in den rechten Vorhof. Kammer. In Ab- bildung 14 sehen wir die Tätigkeit des Herzens 4 Minuten nach der Um- schaltung auf Na,CO,-Ringer und es läßt sich deutlich entnehmen, daß die Kammerkontraktion vor der Vorhofsystole erfolgt. Wenn wir nun in diesem Stadium die normale Ringerlösung, welche in die Vene einströmt, mit einer anderen vertauschen, welche außer NaHCO, noch 0,002 norm. freie CO, enthält, so sehen wir, daß die Herztätigkeit in kürzester Zeit wieder normal wird und 262 G. Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: nach kaum einer Minute der Sinusknoten die Führung wieder über- nommen hat. Diese Versuche zeigen uns einerseits, daß auch am Säugetierherzen die Funktion der normalen Reizbildung erlischt, wenn wir die produ- zierte CO, den Zellen entführen, anderseits erkennen wir die hohe Be- deutung der CO,-Spannung des venösen Blutes für die automatische Tätigkeit jener Apparate, welche die Führung des Herzen besorgen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse: . a) Untersuchungen am Kaltblüterherzen. 1. Wirkung der Akapnie: Wird das isolierte, in situ belassene Herz von Amphibien mit Ringerlösungen durchströmt, welche frei von CO, sind und statt des NaHCO, in 0,002 normaler Konzentration Alkalien enthalten welche Kohlensäure zu binden imstande sind (NaOH, Ca0OH, BaOH, NH,OH, Na,C0O,), so erfolgt eine charakte- ristische Änderung der Herztätigkeit: nebst einer fortschreitenden Ver- langsamung des Herzschlages wird «lie Schlagfolge der einzelnen Herz- teile abnorm (Vorhofautomatie, Nodalrhythmus), dann erfährt sie eine völlige Umkehr (Kammerautomatie) und schließlich, wenn die Akapnie genügend stark war, kommt es zum Stillstand des Herzens. 2. Es ließ sich zeigen, daß diese Wirkung unabhängig von der OH- Ionenkonzentration als eine Folge des Säurebindungsvermögen der Alkalien zustande kommt, und zwar nur solchen Alkalien eigen ist, welche Kohlensäure zu binden imstande sind. Alkalien, welche diese Fähigkeit entbehren sind selbst in zehnfacher on za uhcule sam (NaHCO,, Na,HPO,). 3. Die abnorme Schlagfolge und der schließliche Stallstand findet seine Ursache darin, daß die Reizbildungsapparate zufolge der Akapnie der Reihe nach, und zwar, je größer ihre Automatie, um so früher ihre Tätigkeit einstellen: Im II. Stadium der Wirkung (Nodal-Rhythmus) ist sowohl die I. Stanniussche Ligatur als auch die isolierte Erwärmung des Sinus wirkungslos, die Erwärmung der A-V-Grenze ruft hingegen eine mächtige Acceleration hervor. 4. Wird das ganze Herz der Akapnie ausgesetzt, bleibt aber der führende Apparat der Reizbildung (Sinus) von der Wirkung der Al- kalien verschont, so vermag das Herz vollständig normal zu arbeiten, was den Beweis dafür liefert, daß während der Akapnie sämtliche Qualitäten des Herzmuskels, Reizleitung, Erregbarkeit, Contractilität erhalten bleiben, daß also der a Lumet, der Akapnie nur im Reiz- bildungsapparat liegen kann. 5. Durch Feststellung der Reizschwelle der Reizbildungsapparate zeigte sich, daß die Erregbarkeit der bereits untätigen Reizbildungs- apparate unvermindert erhalten ist, ihre elektrische oder mechanische Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. 263 Reizung eine vollkommen normale Herzkontraktion auslöst, daß also die CO, nicht eine Bedingung, sondern offenbar selbst der Reiz für die Herztätigkeit ist. II. Wirkung der CO,: 6. Bestätigt wurde diese Annahme durch Versuche, welche zeigten, daß das akapnische Herz in wenigen Mi- nuten eine normale Tätigkeit aufnimmt, wenn wir es mit einer Ringer- lösung durchströmen, welche 0,002 norm. freie CO, enthält. 7. Eine direkte Reizwirkung der CO, ließ sich an Herzen zeigen, welche unter der Führung‘ des Tawaraknotens (I. Stanniusligatur) arbeiten. Die freie CO, enthaltende Ringerlösung bewirkt eine mäch- tige Acceleration. 8. Dieselbe Reizwirkung läßt sich auch mit 0,002 norm.-HÜCl-Ringer- lösungen erzielen, was dafür spricht, daß außer der CO, auch H-Ionen als Reiz für die Herztätigkeit in Betracht kcmmen können. Daß aber die CO, nicht nur durch Erhöhung der H-Ionenkonzentration, sondern durch spezifische Eigenschaften ihre Reizwirkung ausübt, beweist die Tatsache, daß CO, auch in neutraler Lösung ([H.] = 10°) voll zur Wirkung kommt. b) Untersuchungen am Säugetierherzen. 1. Es ließ sich durch geringe Modifikationen der Langendorf- schen Methode zeigen, daß ein direkter Stoffaustausch zwischen Inhalt der Herzhöhlen und den Zellen des Herzens wie an Amphibienherzen auch noch an Säugetierherzen trotz Coronarkreislauf besteht, was ver- muten ließ, daß die Reizbildungsapparate, die am venösen Ende des Herzens liegen, unter der Herrschaft des venösen Blutes der höheren CO,-Spannung ihre führende Rolle verdanken. 2. Es konnte gezeigt werden, daß die Entziehung der CO, ebenso wie am Froschherzen, auch am Säugetierherzen bald zur Untätigkeit des Sinus und des Tawaraknotens führt, nur daß die Umkehr der Schlagfolge hier noch viel schneller erreicht wird und das Herz schon nach 3—4 Minuten unter Führung der Kammer arbeitet. Reizleitung Erregbarkeit und Contractilität des Herzmuskels erscheinen auch hier als völlig normal. 3. Wird in diesem Stadium der Akapnie von der Vena cava superior aus eine Ringerlösung in den rechten Vorhof geleitet, welche 0,002 norm. freie CO, enthält, so erfolgt nach wenigen Minuten die Rückkehr zur normalen Herztätigkeit und der Sinusknoten übernimmt zufolge er- höhter CO,-Spannung wieder die Führung des Herzens. Schlußbetrachtungen. Wenn die vorangehende Untersuchung auch gewiß noch in man- cher Richtung einer Ergänzung bedarf, und wir noch weit davon ent- fernt sind, den Mechanismus der Herzautomatie klar zu übersehen, 264 . Mansfeld und A. v. Szent-Györgyi: Ursache des Herzschlages. so erscheint sie doch geeignet, in die Frage nach den automatischen Funktionen des Organismus einzudringen. Schon die Tatsache, daß die CO, nicht nur die äußere, sondern auch die innere Atmung im Gang hält, führt uns zur Frage, ob wir es nicht mit einem Spezialfall einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit zu tun haben und ob nicht vielleicht alle automatischen Funktionen der Zelle: der regelmäßige Wechsel von Assimilation und Dissimilation auf der gleichen inneren Ursache beruhen und das wäre die Erregbarkeit der lebendigen Substanz durch jenen Stoff, welcher als letztes Glied der Dissimilationsprozesse entsteht. Der inhaltsreiche Satz Langendorfs: ‚Das Lebensprodukt der Zelle ist ihr Erreger‘ und die Vorstellungen, welche wir über die chemischen Vorgänge in der lebendigen Substanz den geistvollen An- schauungen von Hering und Gaskell zu danken haben, würde da- durch eine gewisse Ergänzung erfahren. Die Feststellung, daß das Endprodukt der Dissimilation den Reiz für einen neuen Erregungsvor- gang abzugeben vermag — wie wir es am Herzen eben gesehen —, er- leichtert uns das Verständnis der Automatie. Aus diesem Gesichtspunkte erschien es wichtig, zu erfahren, ob die CO, auch an anderen automatisch tätigen Organen eine ähnliche Rolle spielt wie bei der Tätigkeit des Herzens. Nachdem wir an der Fortsetzung dieser Versuche gehindert wurden, so wollen wir kurz über jene Versuche berichten, welche wir am überlebenden Darm von Kaninchen ausgeführt haben. Die allgemeine Versuchseinrichtung war durch unsere am Herzen gewonnenen Ergebnisse schon gegeben. Es mußte zunächst untersucht werden, ob die automatisch-rhythmischen Pendelbewegungen von Darmstücken eine Veränderung erfahren, wenn wir dafür sorgen, daß die von den Zellen gebildete CO, chemisch ge- bunden wird. Um die Akapnie des Darms herbeizuführen, wurde die- selbe Ringerlösung verwendet, welche wir zum gleichen Zweck am Kaninchenherzen verwendet haben. Sie enthielt 0,004 norm. Na,CO, und wurde unter strengstem Ausschluß der CO, zubereitet. Wird nun die normale mit O, durchströmte Ringerlösung, in welcher der Darm in üblicher Weise eingehängt seine Pendelbewegungen auf dem Kymo- graph verzeichnete, mit der Na,0O,-Lösung vertauscht, so hören, trotz reichlicher O,-Zufuhr, schon nach weniger als einer Minute die auto- matischen Bewegungen auf und diese Lahmlegung der Funktion hält so lange an, bis -wir wieder die normale Ringerlösung auf den Darm einwirken lassen. Die Erholung erfolgt in 4—5 Minuten. Die Ent- ziehung der Kohlensäure wird also am überlebenden Darm mit der Ein- stellung der automatischen Pendelbewegungen beantwortet und es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß die CO, für die Automatie des Darms und vielleicht auch anderer Organe eine ähnliche Bedeutung hat, wie wir sie für die Herztätigkeit nachweisen konnten. (Aus dem pharmakolog. Institut der ungar. Elizabeth-Universität Pozsony [Vor- stand: Prof. Dr. @. Mansfeld].) Über Herzmuskeltonus. Von Dr. A. v. Szent-Györgyi, 1. Assistent am Institut. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am. 2. Juni 1920.) In der vorgehenden Mitteilung beschriebene Untersuchungen gaben uns Gelegenheit, in einer großen Anzahl von Versuchen die Tätigkeit des Herzens zu beobachten, wie sie sich nach Ausschaltung des Sinus- knotens gestaltet, sei es daß diese Ausschaltung durch die I. Stan- niussche Ligatur oder durch das Herbeiführen einer Akapnie erfolgt. In allen Versuchen konnte beobachtet werden, daß an Herzen, welche unter Führung des Tawaraknotens stehen, die Kontraktionen wesent- lich größer sind als vor der Ausschaltung des Sinus. Diese Beob- achtung ließ uns vermuten, daß die Zunahme der Kontraktionsgröße in einer Verminderung oder gar in einem Verlust des Herzmuskeltonus seine Ursache findet. Während wir über den Tonus der quergestreiften Muskeln und über seine reflektorische Natur durch die grundlegenden Untersuchungen von Brondgeest unterrichtet wurden, sind wir über die tonische Innervation des Herzmuskels noch völlig im unklaren. Der An- nahme, daß auch hier die tonischen Impulse dem Zentralnerven- system entstammen und durch Vermittlung der extrakardialen Nerven das Herz erreichen, widerspricht schon die weitgehende Unabhängiskeit der Herztätigkeit vom Nervensystem, und es schien nicht unwahrschein- lich, daß wie die Reize für die Herztätigkeit selbst auch jene für den ‘ Tonus dem Herzen selbst entstammen und ihren normalen Ursprungs- ort ebenfalls im Sinus haben. Bestärkt wurden wir in dieser Annahme durch Versuche, welche uns zeigten, daß weder die Durchschneidung beider Herznerven — also die völlige Isolierung des Herzens — noch die chemische Ausschaltung des Vagus (Atropin) oder die chemische Erregung von Vagus und Accelerans (Pilocarpin, Adrenalin) zu Ver- änderungen Anlaß geben, welche auf eine Veränderung des Muskel- tonus schließen lassen würden, auf Veränderungen also, wie wir sie \ 266 A. v. Szent-Györgyi: eben nach Ausschaltung des Sinus beobachten konnten. Ob aber diese Veränderungen, welche im folgenden näher beschrieben werden sollen, in der Tat in einem Verlust des Herzmuskeltonus ihre Ursache finden, sollte im folgenden einer Prüfung unterzogen werden. Versuchsanordnung: Die Versuche wurden an in situ belassenen, künst- lich durchströmten Eskulentenherzen ausgeführt. Die Durchströmung geschah mittels der in der vorgehenden Mitteilung beschriebenen Kanüle von der Vena cava inferior aus. In den Versuchen, in welchen der Sinus durch die I. Stannius- sche Ligatur ausgeschaltet wurde, mußte die Kanüle bis in den Vorhof vorgeschoben werden und die Ligatur wurde an der Grenze zwischen Vorhof und Sinus so an- gelegt, daß der Faden auf die Kanüle zu liegen kam, wodurch die Durchströmung keine Unterbrechung erfuhr. Die Ligatur wurde als erfolgreich betrachtet, wenn nach einer kürzeren oder längeren Pause das Herz im Nodalrhythmus weiter- schlug. Die Aortenbögen wurden angeschnitten, alle anderen Gefäße des Herzens waren abgebunden. Registriert wurde die Herztätigkeit mit der Suspensionsmethode an einem Schleifenkymograph. Das Herz arbeitete unter geringer Belastung des Hebels, welche während des ganzen Versuches natürlich konstant gehalten wurde. Formveränderung der Kontraktionswelle nach Ausschalten des Sinus. Wenn wir die Kurve der Herzkontraktion nach der I. Stannius- schen Ligatur mit jener desselben Herzens im normalen Zustand ver- gleichen, so sehen wir ganz konstante Veränderungen derselben, welche wir in Abb. 1 und 2 gut beobachten können. Zunächst ist ersichtlich, Abb. 1a. Vor der I. Stannius-Ligaturr. Abb. 1b. Nach der I. Stannius-Ligatur. daß die Exkursionen an Größe wesentlich zugenommen haben und daß der absteigende Ast der Kurve einen etwas steileren Verlauf zeigt. Eine sehr wesentliche Änderung sehen wir aber am Fußpunkt der Kurve, und zwar zweifacher Art. Einmal sehen wir, daß der Fußpunkt der Kurve viel tiefer liest als die Ruhelage, aus welcher also die nächste Systole den Hebel emporzieht, zweitens, daß der Hebel, bevor er zur Ruhe kommt, eine Wellenlinie beschreibt. Über Herzmuskeltonus. 267 Diese Veränderungen sollen im folgenden näher besprochen werden: 1. Schon eine Betrachtung der Kurven läßt erkennen, daß die Ver- größerung der Kontraktion auf Kosten der diastolischen Erschlaffung erfolgt, nachdem die Gipfelpunkte der Kurve vor und nach der Ligatur nahezu in gleicher Höhe liegen, die Fußpunkte hingegen nach unten verschoben sind. Allerdings erfährt die Registrierung durch Anlegen (der Ligatur eine unvermeidliche Störung, und so war es wünschenswert, durch direkte Messung am Herzen zu entscheiden, ob die Zunahme auf Rechnung der diastolischen Erschlaffung oder der systolischen Kontraktion zustande kommt. ! Dieses hatten wir einerseits durch direkte Messung der Ventrikel- länge, andererseits durch Bestimmung des Volumens des Herzinhaltes zu entscheiden gesucht. Für die direkte Messung der Ventrikellänge sind wir so vorgegangen, daß wir dicht neben dem Herzen eine ihm parallel liegende Millimeterskala fixiert hatten, und zwar so, daß ihr Nullpunkt an der A.-V.-Grenze und der jeweilige ‚Stand der Herzspitze einfach, abgelesen wurde. Ein Beispiel aus diesen Versuchen soll im folgenden den Unterschied der Ventrikellänge nach der Ligatur demonstrieren: Systole Diastole Länge des Ventrikels vor der Ligatur 6,5 9,5 Länge des Ventrikels nach der Ligatur 6,5 11,0 In allen unseren Versuchen sahen wir, daß das Herz während der Diastole stärker erschlafft, genauer ausgedrückt, daß es durch die Last des Hebels stärker gedehnt wird, wenn wir den Sinus ausschalten. ‘Ganz dasselbe Ergebnis ergaben unsere Messungen an photographischen Aufnahmen, welche wir in folgender Weise angefertigt haben: Das Herz wird so eingestellt, daß die berußte Fläche des Kymographes hinter dem Herzen liest und also gleichzeitig mit dem Herzen auch die Kurve samt Schreibhebel aufgenommen wird. Dies dient als Kontrolle, daß die Aufnahme tatsächlich am Höhepunkt der Systole resp. Diastole gemacht wurde. Daß sowohl das Herz als auch der Apparat während des ganzen Versuches nicht verschoben werden darf, ist eine selbst- verständliche Forderung. Die Ventrikellänge läßt sich nun auf der Platte auf das genaueste ausmessen und ein derartig ausgeführter Versuch bestätigte uns das Ergebnis unserer direkten Messungen, daß nämlich die Zunahme der Kontraktionsgröße beinahe ausschließlich durch die vollkommenere Erschlaffung bedingt ist. Die volummetrische Bestimmung geschah in folgender Weise: Das Herz wurde nach der Straubschen Methode isoliert. Versehen wir die Straubsche Kanüle mit einer Millimeterskala und verwenden wir als solche ein Röhrchen von geringem Durchmesser (5 mm), so läßt sich der höchste und der niedrigste Stand des Flüssigkeitsspiegels leicht ablesen und damit die Größe der diastolischen Erschlaffung und der systolischen Kontraktion bestimmen. j 268 A. v. Szent-Györgyi: Das Ergebnis eines Versuches soll auch hier beispielsweise angeführt werden: Systole Diastole Stand des Flüssigkeitsspiegels vor der Ligatur 40 mm 30 mm Stand des Flüssigkeitsspiegels nach der Ligatur 40 „ 20 In diesem Versuch faßte also das Herz in der Diastole die doppelte Menge Flüssigkeit nach der Stanniusligatur als im normalen Zustand, und in allen Versuchen sahen wir ein ähnliches Verhalten des Herzens. Wir sehen also aus diesen Versuchen, daß der Herzmuskel weit mehr zu erschlaffen vermag, wenn wir den Sinus abschnüren, und dies spricht schon mit großer Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Herzmuskel im normalen Zustand einen Tonus besitzt, und daß dieser durch das Ausschalten des Sinus zumindest eine Verminderung erfährt. Daß die vollständigere Erschlaffung nicht eine einfache Folge der Verlangsamung das Herzschlages ist, geht aus Versuchen hervor, in welchen die Ausschaltung des Sinus nicht durch die Ligatur, sondern durch Entziehung der CO, geschieht. Wie in der vorgehenden Mitteilung gezeigt wurde, büßt der Venen- sinus unter der Wirkung der Akapnie seine Fähigkeit der Reizbildung _ ein und die Führung des Herzens wird zunächst: vom Tawaraknoten übernommen. Dem Auftreten des Nodalrhythmus geht stets ein ver- langsamter Sinusrhythmus voran und oft ist die Frequenz des lang- samen Sinusrhythmus gleich jener des Nodalrhythmus, hier und da kommt es aber auch vor, daß der Nodalrhythmus sogar etwas frequenter ist, als der Sinusrhythmus vor seinem Versagen gewesen. In solchen Fällen sehen wir aber sofort nach dem Einsetzen des Nodalrhythmus genau dieselben Veränderungen an der Kurve wie nach der Stannius- ligatur, so daß die vollkommenere Erschlaffung des Herzmuskels sicher nicht die Folge der negativen Chronotropie ist. 2. Wenn wir nun den absteigenden Schenkel der Kurve näher be- trachten, so sehen wir an ihr jene merkwürdige Veränderung, welche wir bereits erwähnt haben: der Hebel fällt viel tiefer herab, als der Ausgangspunkt der Systole liegt und bevor er diese Ruhelage erreicht, beschreibt er eine Anzahl von Wellen. Die Bedeutung dieser Verände- rung wird uns erst klar, wenn wir die sog. Zugkurve des quergestreiften Muskel uns in Erinnerung bringen, wie sie von R. Ewald, dann unter seiner Leitung von G. Emanuel!) beschrieben wurde: Wenn wir einen Frosch in vertikaler Lage an ein Brett befestigen, seine Symphyse in entsprechender Weise fixieren, die frei herabhängenden Beine nun mit je einem belasteten Hebel verbinden und die Hebelspitzen von einer gewissen Höhe herabfallen lassen und ihre Bewegungen auf- zeichnen, so erhalten wir die sog. Zugkurven der Muskeln. Wir sehen einen — durch das fallende Gewicht bedingten — schräg verlaufenden, 1) Dieses Archiv 99. Über Herzmuskeltonus. 269 absteigenden Ast und nun einige flache Wellen, bis sich der Hebel beruhigt und nun eine gerade Linie, die Abszisse, aufzeichnet. Das Cha- rakteristische einer solchen normalen Zugkurveist, daß die Wellen niemals tiefer als die Abszisse zu liegen kommen. und dadurch unterscheiden sie sich von einer Kurve, welche z. B. durch ein elastisches Band in gleicher Weise erzielt werden kann. Dieses wird durch das herabfallende Gewicht über seine Ruhelage hinaus gedehnt, der mit ihm verbundene Hebel sinkt tief unter die Abszisse, wird durch die Elastizität des Bandes in die Höhe gezogen, um wieder herabzufallen und wir sehen eine Reihe von steilen Wellen, deren Fußpunkte unterhalb der Abszisse liegen und diese erst allmählich erreicht wird. | Ewald und Emanuel haben nun gezeigt, daß die Zugkurve des atonischen Muskels jener gleicht, welche durch ein elastisches Band beschrieben wird. Der Hebel fällt mangels tonischer Innervation des Muskels unter die Abszisse und beschreibt zufolge der Elastizität des tonuslosen Muskelgewebes eine Reihe steiler Wellen, welche auch von Emanuel ‚Elastizitätsschwankungen‘“ genannt wurden. Wir hatten diese Versuche von Emanuel wiederholt und konnten in der Tat die von ihm beschriebenen Unterschiede wahrnehmen, und diese Beobachtungen waren es, welche unsere Aufmerksamkeit auf die veränderte Form der Kontraktionskurve des Herzens nach Ausschalten des Sinus gelenkt haben. Die Kurve, welche wir mit einem belasteten Hebel durch das Suspensionsverfahren von Herzen gewinnen, ist nämlich nichts anderes als eine Zugkurve des Herzmuskels, mit dem Unterschiede, daß hier die Last nicht vom Experimentator in die Höhe gezogen wird, sondern vom Herzen selbst. Dementsprechend sehen wir auch ganz analoge Verhältnisse: Vom normalen Herzen wird dem herabfallenden Gewicht ein gewisser Widerstand entgegengeleistet und der Muskel wird auch nicht weiter gedehnt, als bis zu seiner Ruhelage, in welcher er bis zur nächsten Systole verharrt. Wird aber der Sinus seiner Funktion be- raubt, so verhält sich der Herzmuskel ganz ähnlich wie der atonische, seiner Nerven beraubte Skelettmuskel. Bei gleicher Belastung wie zuvor wird er vom herabfallenden Gewicht viel stärker gedehnt und erreicht seine Ruhelage erst, nachdem er seine ‚‚Elastizitätsschwan- kungen“ aufgezeichnet hat. Durch diese Versuche glauben wir eine weitgehende Ähnlichkeit zwischen dem Herzmuskel und der Skelettmuskulatur gefunden zu : haben. Beide erhalten von der Stätte ihrer Ursprungsreize Impulse, welche ihm dauernd zufließen und einen gewissen Grad von Tonus verleihen. Am Herzen ist die Quelle dieser tonischen Impulse selbstver- ständlich nicht das Zentralnervensystem, sondern jener Teil des Herzens, welchem auch die Impulse seiner normalen Tätigkeit entstammen. 270 A. v. Szent-Györgyi: Beide Funktionen des Sinus, die Bildung von Reizen für die Kon- traktion und das Aussenden dieser tonischen Impulse, sind aber von- einander weitgehend unabhängig. Daß diese beiden Fähigkeiten nicht innig miteinander verknüpft sind, geht schon daraus hervor, daß der Tawaraknoten wohl die Fähigkeit besitzt, Reize für die Kon- traktion zu bilden, nicht aber zugleich dem Herzmuskel seinen Tonus wiederzugeben. Daß aber auch am Sinus selbst die beiden Reize voneinander unabhängig gebildet werden können, beweist eine Tat- sache, welche während der Erholung des Herzens von der Akapnie häufig beobachtet werden kann. Haben wir ein Herz mit Alkalien durchströmt und dadurch die in der vorgehenden Arbeit beschriebenen Wirkungen der Akapnie erreicht und wollen nun die normale Herztätigkeit mit normaler Ringerlösung herstellen , so sehen wir oft, daß der Sinus schon die Führung des Her- zens übernommen hat, die Kurve aber eine Zeitlang noch jene Ver- änderungen zeigt, welche wir als charakteristisch für den atonischen Muskel eben beschrieben haben. Ein schönes Beispiel für dieses Ver- halten zeigt Abb. 2. In diesem Versuch hatten wir mit H,N.OH-Ringer den Nodalrhythmus und den ato- nischen Zustand herbeigeführt und nachdem das Herz etwa 10 Minuten in Nodalrhythmus schlug; hatten wir auf normale Ringerlösung umge- schaltet. Die Abbildung stellt jenes Stadium dar, in welchem der Sinus bereits die Führung innehat, und der Verlauf der Kurve zeigt noch genau die Form wie in Abb. 1b), also nach der Stanniusschen Ligatur. Dieser Versuch zeigt auch, was wir schon weiter oben besprochen haben, daß nämlich die Formveränderung der Kontraktionswelle nicht die Folge der negativen Chronotropie sein kann. App: Denn hier sehen wir das Herz wieder in raschem Tempo schlagen und dennoch sehen wir an der Kurve die starke diastolische Erschlaffung und die Elastizitätswellen, weil eben der Sinus schon die Fähigkeit der nor- malen Reizbildung, nicht aber seine Tonusfunktion wiedererlangt hat. Zusammenfassung. l. Wird der Sinus durch die I. Stanniusligatur oder durch Akapnie seiner normalen Funktion beraubt, so erfährt der Herzmuskel eine Über Herzmuskeltonus. : 271 Änderung, welche in der vollständigeren Erschlaffung, in einer größeren Dehnbarkeit und im Auftreten von Elastizitätsschwankungen sich kundgibt, also ein dem atonischen Skelettmuskel analoges Verhalten zeist (Ewald, Emanuel). Daraus wird geschlossen, daß der Herzmuskel im normalen Zustand ähnlich dem Skelettmuskel einen Tonus besitzt, welcher vom Sinus unterhalten wird. 2. Durch die Akapnie wird der Sinus nicht nur seiner Fähigkeit beraubt, Reize für die Herzkontraktion zu bilden, sondern verliert auch die Funktion, tonische Impulse dem Herzmuskel zu entsenden. Die CO, scheint also auch für die Bildung dieser tonischen Reize von entscheidender Bedeutung zu sein. 3. Trotzdem ließ es sich zeigen, daß beide Funktionen des Sinus, die Reizbildung für die Kontraktion und jene für den Tonus, von- einander weitgehend unabhängig sind). 4. Die stromabwärts gelegenen Reizbildungsapparate scheinen nicht die Fähigkeit zu haben, tonische Impulse dem Muskel zu ver- mitteln. 1) Ob nicht ‚auch eine anatomische Trennung beider Fähigkeiten besteht, und zwar daß die Erzeugung tonischer Impulse vielleicht eine Funktion der Ganglienzellen ist, soll in einer späteren Arbeit einer Prüfung unterzogen werden. (Aus dem pharmakolog. Institut der ungar. Elizabeth-Universität Pozsony [Vor- stand: Prof. Dr. G. Mansfeld].) Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. Von Karl Cori jun. aus Prag. Mit 4 Textabbildungen. e (Eingegangen am 2. Juni 1920.) Die Tatsache, daß eine Verminderung der Kohlensäurespannung am Herzen in erster Reihe jenen Apparat seiner Funktion beraubt, von welchem die normalen Ursprungsreizee dem Herzen zugeführt werden, und daß wir dadurch in der Lage sind, willkürlich und rever- sibel eine heterotope Reizbildung herbeizuführen, schien uns eine geeignete Methode in die Hand zu geben, um die Bedingungen der normalen und abnormen Reizbildung näher kennenzulernen, eine Frage, welche nicht nur physiologisches Interesse bietet, sondern auch im Mittelpunkt klinischer Forschung steht. Insbesondere für pharmako- logische Untersuchungen erschien diese Methode geeignet, da wir doch am normalen Herzen eine Wirkung auf die Reizbildung von anderen Wirkungen nur selten mit Bestimmtheit zu unterscheiden vermögen. Die vorgehenden Untersuchungen von Mansfeld und Szent- Györgyi haben dargetan, daß der Sinusknoten, die Stätte normaler Reizbildung, unter der Wirkung der Akapnie sehr bald seine Tätigkeit einstellt, um die Führung Apparaten geringerer Automatie zu über- geben. Wie wir sahen, bewahrt der Sinusknoten trotz erloschener Reiz- bildung seine Erregbarkeit in vollem Maße, und die Annahme schien gerechtfertigt, daß wir in diesem Stadium der Akapnie einem normalen Reizbildungsapparat gegenüberstehen, welcher aber zufolge vermin- derter CO,-Tension seine Automatie soweit eingebüßt hat, daß diese nun von der Automatie stromabwärts gelegener Apparate übertroffen wird. Dieses Verhalten des Sinusknotens legte den Gedanken nahe, zu untersuchen, auf welche Art und Weise es möglich wäre, die ge- schwächte Automatie des normalen Reizbildungsapparates wieder zu seiner ursprünglichen Höhe zu verhelfen und damit das unter hetero- toper Reizbildung arbeitende Herz seiner normalen Tätigkeit zu- zuführen. K. Cori: Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. 273 Diese Frage, welche ich auf Anregung und unter der Leitung von Prof. Mansfeld zu untersuchen unternommen habe, ist innig verknüpft mit jener nach den Beziehungen der verschiedenen Reizbildungsapparate zueinander, eine Frage, welche in Anbetracht ihrer Bedeutung für die klinische Erforschung der Extrasystolen unsere besondere Aufmerk- samkeit erforderte. Unsere Versuchseinriehtung als auch die Apparatur war dieselbe, welche in der vorgehenden Arbeit ausführlich beschrieben wurde. Als Versuchstiere wurden Rana esculanta verwendet. Die Akapnie wurde mit NH,OH oder NaOH herbeigeführt, welche der CO,-freien Ringer- lösung in 0,002 norm. Konzentration zugefügt wurden. Es sollte zunächst untersucht werden, wie die zufolge Akapnie herbeigeführte heterotope Reizbildung durch elektrische oder chemische Reizung des Accelerans beeinflußt wird. Daß eine Acceleransreizung die Automatie der normalen Reizbildungsstätte zu erhöhen imstande ist, unterliegt keinem Zweifel, und so war es mit großer Wahrschein- lichkeit zu erwarten, daß die durch CO,-Mangel geschwächte Automatie des Sinus durch Erregung des Accelerans soweit gesteigert werden kann, daß er die Führung des Herzens übernimmt. Um diese Annahme zu prüfen, wurde folgendermaßen vorgegangen: Am künstlich durchströmten Herzen hatten wir den Vagus freipräpariert und das Herz atropinisiert. Nun wurde der Vagusstamm, welcher doch beim Frosch die Acceleransfasern zum Herzen führt, elektrisch gereizt. Nachdem wir uns zuvor überzeugten, daß am normalen Herzen der bekannte Erfolg einer Accellerans- reizung in Form positiv chronotroper und inotroper Wirkung in Erscheinung trat, wurde die normale Ringerlösung mit NH, - OH-Ringer ersetzt und gewartet, bis die Führung des Herzens vom Tawaraknoten übernommen wurde. Nachdem das Herz einige Minuten im Nodal-rhythmus schlug, wurde das Herz wieder mit Atropin vergiftet und die im Yagus verlaufenden Acceleransfasern gereizt. In dieser Art hatten wir 9 Versuche ausgeführt, die Reizung mit allen möglichen Stromstärken versucht, ohne auch nur ein einziges Mal das Erwachen der Sinustätigkeit zu erreichen. Im Widerspruch aber mit diesem negativen Ergebnis stand das Resultat weiterer Versuche, welche wir durch die chemische Reizung des Accelerans mittels Adrenalin erzielten. Wird zur Speisungsflüssig- keit des nodal schlagenden Herzens 0,0002 g Adrenalin zugefügt, so geht in der Mehrzahl der Versuche die Reizbildung innerhalb einer Minute auf den Sinus über und der Sinusrhythmus bleibt so lange bestehen, bis die Adrenalinwirkung abgeklungen ist, durch wiederholte Adrenalin- ‚gaben aber immer wieder herbeigeführt werden kann. Als Beispiel für diese Adrenalinwirkung seien die entsprechenden Kurventeile aus Versuch 20 hier wiedergegeben (Abb. la, b, c). Es war nun zunächst befremdend, daß die elektrische Reizung des Accelerans und die chemische mittels Adrenalin kein gleichsinniges Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 18 274 K. Cori: Ergebnis zeitigte. Dieser Widerspruch wurde aber sogleich verständlich, als es sich herausstellte, daß das Atropin die Wirkung hat, den Erfolg der Accele- ransreizung ZU Ver- eiteln. Hatten wir nämlich an unseren Nodalherzen vor der Applikation‘ von Adrenalin Atropin gegeben, wie wir es vor der elektrischen Acceleransreizung getan haben, so war es uns auch mit dem Adrenalin niemals gelungen, den Sinus- rhythmus herbeizu- führen. Aus diesen Ver- suchen mußten wir folgern, daß Atropin die Acceleransrei- zung antagonisiert. Dieser Antagonis- mus zwischen Acce- ' leransreizung und Atropin war nicht leicht verständlich, und es schien von vornherein ausge- schlossen, daßes sich um einen Antagonis- mus mit gleichem Angriffspunkte han- delt. Einerseits ha- ben weitereVersuche gezeigt, daß die einmal erzielte Adrenalinwirkung durch Atropin nicht mehr aufgehoben werden kann, auch nicht, wenn die Atropinmenge nach 0,0003 g Adrenalin Rückkehr des Sinus-Rhythmus. 1 Min. Abb. lc. Nodal-Rhythmus nach 0,002 n NaOH-Ringer. Abb. 1b. Normale Herztätigkeit. Abb. 1a. Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. 275 bis zum Fünffachen gesteigert wurde, anderseits sahen wir, daß am normalen Herzen, was ja allgemein bekannt ist, die Acceleranswirkung durch Atropin in keiner Weise gehindert wird. Es war also auf der einen Seite wahrscheinlich, daß hier eine Wirkung des Vagus zur Gel- tung kommt, es schien aber auch klar, daß der beobachtete Antagonis- mus in einer dem nodalen Rhythmus eigentümlichen Eigenschaft begründet ist. Währenddem wir am normalen Herzen durch Erregung des Vagus eine Hemmung der Sinusautomatie setzen und somit der Acceleransreizung entgegenwirken, sehen wir hier gerade das Gegenteil: Die Ausschaltung des Vagus mittels Atropin erweist sich als antagonistisch der Acceleransreizung gegenüber. Aus diesem Dilemma führte uns nun eine zufällige Beobachtung auf die richtige Spur. Wenn wir nämlich das Herz nach der Methode von Mansfeld und Szent-Györgyi isolieren, d.h. vor dem Herausschneiden aus dem Körper in toto abbinden und nun mit Alkalien durchströmen, so zeigt sich, daß der Nodalrhythmus viel später einsetzt, als wenn wir das Herz in situ belassen. Selbst eine Durchströmung mit NaOH- Ringer, welche am nicht ausgeschnittenen Herzen in wenigen Minuten zum Nodalrhythmus führt, läßt lange Zeit, oft bis zu einer halben Stunde den Sinus in Tätigkeit, wobei die Abnahme der Automatie des Sinusknotens nur in, einer starken Verlangsamung des Herzschlages zu erkennen ist, die Führung aber nicht auf den Tawaraknoten über- geht. Diese merkwürdige Erscheinung bot eine gewisse Analogie zu den älteren Befunden von Gaskell und Haidenhain, nach welchen bei der I. Stannius-Ligatur die Reizung des Vagus eben durch die Ligatur das Erwachen der Automatie des Tawaraknotens hindert. Auch wir mußten also daran denken, daß die Ligatur, mit welcher das Herz unter- bunden wird, eine starke Reizung des Vagus verursacht und daß dieser Erregungszustand des Vagus den Tawaraknoten derart hemmt, daß er die Führung vom Sinusknoten nicht zu übernehmen vermag. Diese Annahme wird durch den Versuch vollauf bestätigt. Wenn wir auf ein isoliertes Herz, das trotz hochgradiger Akapnie noch im langsamen Sinusrhythmus arbeitet, einen Tropfen Atropin- lösung (1°/,0) träufeln, so wird die Führung des Herzens sofort vom Tawaraknoten übernommen!). Wir sehen aus diesen Versuchen, daß der Erregsungszustand des Vagus dem Erwachen der Tawaraautomatie entgegenwirkt, und damit erklärt sich auch unsere Beobachtung, daß die Ausschaltung des Vagus !) Nachdem der Nodalrhythmus am Frosch langsamer ist als der Sinus- rhythmus, so erfolgt durch Atropin unter diesen Bedingungen eine negativ chronotrope Wirkung. ; 18* 276 K. Cori: mit Atropin gerade das Gegenteil, d.i. ein Überwiegen des Tawara- knotens über den ohnehin geschwächten Sinusknoten, also ein hart- näckiges Festhalten am Nodalrhythmus zur Folge hat. Die Führung des Herzens wird immer von jenem Apparat besorgt, dem. der höchste Grad der Automatie innewohnt. Erfährt die Automatie des Sinus- knotens eine Verminderung, so daß sie unterhalb derjenigen des Tawara- knotens sinkt, so wird die Führung natürlich von diesem übernommen. Das Entstehen eines Nodalrhythmus hänst also nicht allein vom Zu- stand des Sinusknotens ab, sondern in gleich hohem Maße von jenem des Tawaraknotens. Wenn sich aber die Automatie des Tawaraknotens durch Erregung des Vagus hemmen läßt, so muß eine Vagusreizung genau denselben Endeffekt — die Rückkehr der Sinustätigkeit — zur Folge haben, wie die Reizung des Accelerans. Um diese Folgerung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, hatten wir 14 Versuche ausgeführt, und aus diesen ergab sich, daß die Reizung des Vagus, ob diese nun mit dem elektrischen Strom, mit Pilocarpin oder Physostigmin ausgeführt wurde, in 11 Versuchen prompt die Rückkehr der Sinustätigkeit bewirkte. Als Beispiel geben wir die entsprechenden Kardiogramme aus Versuch 34 wieder (Abb. 2a, b und c). Diese Versuche zeigen, daß an Herzen, welche im nodalen Rhythmus schlagen, die normale Sinusfunktion wiederhergestellt werden kann, gleichviel ob wir den Accelerans oder den Vagus reizen. Aus beiden Versuchsreihen zeigte sich aber, daß es einige Herzen gab, bei welchen die Nervenreizung vergeblich war, und die Versuche, welche wir zur Aufklärung dieser Erscheinung angestellt haben, er- wiesen sich als recht lehrreich. Es zeigte sich nämlich, daß, wenn ein nodal schlagendes Herz durch Adrenalin nicht zum normalen Rhyth- mus zurückkehrt, die Reizung des Vagus prompt zum Sinusrhythmus führt, und umgekehrt solche Herzen, welche der Vagusreizung gegen- über sich refraktär verhalten, Adrenalin den Nodalrhythmus beseitigt. Die folgende Zusammenstellung zeigt dieses Vikariieren von Accelerans und Vaguswirkung, wie wir es an 6 Tieren zu beobachten Gelegenheit hatten: Vers. Nr. 17, 19, 25, 26, 40, 56 Adrenalin a aan Vagusreizung +++ + -.— Aus diesen Versuchen scheint genau dasselbe hervorzugehen, was wir schon früher sahen, daß nämlich die Anspruchsfähigkeit des Sinus- knotens von der Größe des Vagustonüus abhängt. Ist dieser gering, so wird Adrenalin versagen, wie wir es am atropinisierten Herzen ge- sehen, denn die Reizung des Accelerans reicht nicht aus, um dem Sinus den Sieg über die ungehemmte Automatie des Tawaraknotens zu sichern. Zur Physioloeie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. 277 y {e) = > © In diesen Fällen können wir aber durch Reizung des Vagus die Auto- matie des Tawaraknotens soweit schwächen, daß der Sinus die Führung übernimmt. Ist aber der Vagus von Haus aus in einem hohen Er- nach 0,0002 g Phy- sostigmin. 1 Min. Abb. 2c. « OH-Ringer. Abb.2b. Nodal-Rhythmus nach NH, regungszustand, so wird Adrenalin das erfolgreiche Mittel sein und eine weitere Reizung des Vagus wird versagen müssen. Nun gibt es aber eine Reihe von Herzen, an welchen beide Ein- griffe, Reizung von Accelerans und Vagus, jede für sich allein unwirk- sam war. Ob es sich dabei um eine zu weit vorgeschrittene Akapnie oder um eine besondere Empfindlichkeit des Herzens dem CO,-Mangel Normale Herztätig- keit. 2a. Abb. 278 K. Oori: gegenüber handelte, ist nicht zu entscheiden, aber diese Fälle gaben uns Gelegenheit, ein Zusammenwirken von Vagus und Accelerans einer Prüfung zu unterziehen. 1. Es konnte zunächst gezeigt werden, daß an Herzen, welche weder auf Adrenalin noch auf Vagusreizung allein ansprechen, durch Kombination beider Eingriffe der Nodalrhythmus sofort beseitigt werden kann. Als Beispiel sei das Protokoll von Versuch 27 angeführt: Eskulentenherz in situ .durchströmt mit NH, - OH-Ringer. Nach 40 Sekunden Nodalrhythmus. 0,002 g Pilocarpin: Nodalrhythmus besteht unverändert und geht nach Abb. 3a. Nodal-Rhyth- Abb. 3b. 30 Sek. nach Adrena- Abb. 3c. Nach Atropin mus. lin + Pilocarpin. Rückkehr des Nodal- Rhythmus. 2 Minuten sogar in Vs-As-Rhythmus über. 0,0002 g Adrenalin: Nach einer Minute ‘“ Sinusrhythmus. Nach Abklingen der Adrenalinwirkung (1!/, Minuten) tritt wieder der Nodalrhythmus auf. Nachdem 5 Minuten gewartet wird: 0,0002 g Adrenalin: Nodalrhythmus unverändert, auch nach 2 .Minuten. 0,001 g Pilocarpin: In 30 Sekunden. Sinusrhythums. In Versuch 39 wurde am nodal schlagenden Herzen Pilocarpin und Adrenalin gleichzeitig gegeben. Fast sofort tritt Sinusrhythmus auf (Abb. 3, a u. b). Gibt man jetzt Atropin, beseitigt also die Wirkung des einen Giftes, so tritt sofort wieder Nodalrhythmus auf (Abb. 3c). 2. Noch schöner läßt sich dies demonstrieren, wenn man die akap- nischen Herzen dauernd mit Adrenalin oder Pilocarpin durchströmt. Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugunge am Herzen. 279 Es gibt Herzen, die trotz dieses Zusatzes unter Wirkung des CO,-Mangels dauernd in nodalem Rhythmus schlagen. Gibt man nun zum Adrenalin Pilocarpin oder zum Pilocarpin Adrenalin, so tritt sofort Sinusrhythmus auf. Statt Pilocarpin kann auch natürlich Physostygmin verwendet werden. Als Beispiel sei Versuch 56 angeführt: Durchströmung mit NH, - OH-Ringer. Auf 100 ccm dieser Lösung 1 mg Adrenalin. Nodalrhythmus tritt auf nach 2 Min: 24 Sek., also etwas später als ohne Adrenalin. Pilocarpin 0,002 g: in 2 Min. Sinusrhythmus. Durch 16 Min. wird das Herz mit CO,-Ringer erholt. Dann wieder: Durch- strömung mit NH, - OH-Ringer + 0,01 g Pilocarpin auf 100 cem. Nach 2 Min. 48 Sek. Nodalrhythmus. Adrenalin 0,0002 g: Nach 42 Sek. Sinusrhythmus. (Abb. 4.) Abb. 4. Wie wir sehen, ergeben alle diese Versuche übereinstimmend ein recht merkwürdiges Ergebnis. Entgegen unseren Kenntnissen, daß Accelerans und Vagus am Herzen stets antagonistisch wirken — eine Vorstellung, welche auch unser therapeutisches Denken beherrscht — kommen wir nun zu dem Ergebnis, daß beide Nerven des Herzens nicht Antagonisten sind, sondern synergetisch zusammen- wirken, sobald es heißt, die normale Reizbildung und damit die günstigsten Bedingungen für die Blutbewegung zu sichern. ; Nicht die physiologischen Tatsachen, nur unser praktisch-thera- peutisches Denken erfährt durch diese Erkenntnis eine Änderung. Denn der synergetische Endeffekt, den wir durch Reizung beider Nerven erzielen, beruht in Wirklichkeit auf einem Antagonismus. Nur daß am nodal schlagenden Herzen die hemmende Wirkung des Vagus stärker auf den Tawaraknoten, der fördernde Einfluß des Accelerans aber auf den Sinusknoten gerichtet ist, die beiden Apparate der Reiz- bildung aber miteinander in einer steten” Konkurrenz stehen. 280 K.Cori: Zur Physiologie und Pharmakologie der Reizerzeugung am Herzen. So wird es also klar, daß Gifte, welche am normalen Herzen eine antagonistische Wirkung entfalten, bei heterotoper Reizbildung syner- setisch zusammenwirken können, und gleichzeitig gereicht mit Sicher- heit zu einer normalen Herztätigkeit führen!). !) Nachdem das Adrenalin wegen der Flüchtigkeit seiner Wirkung für thera- peutische Zwecke nicht sehr geeignet erscheint, haben wir uns noch zur Aufgabe gemacht, eine Reihe von Mitteln zu prüfen, welche am nodalen Herzen das Adre- nalin ersetzen könnten. Von den bisher untersuchten Arzneimitteln erwies sich das Coffein als das wirksamste, den nodalen Rhythmus zu beseitigen. Eine Kombination von Coffein mit vaguserregenden Mitteln wäre der klinischen Prü- fung wert, wenn es heißt, die heterotope Reizbildung zur Norm zurückzuführen. (Aus dem Pharmakolog. Institut der ungar. Elizabeth-Universität Pozsony [Vor- stand: Prof. Dr. G. Mansfeld].) Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. II. Mitteilung!). Die physiologische Wärmeregulation. Von 6. Mansfeld und Ludwig v. Pap. (Eingegangen am 2. Juni 1920.) I. Fragestellung. Das merkwürdige Verhalten des Stoffwechsels warmblütiger Tiere bei wechselnder Außentemperatur ist gewiß eine der schönsten An- passungsvorgänge des Organismus an seine Umgebung und in Gemein- schaft mit der physikalischen Wärmeregulation geeignet, eine weit- gehende Unabhängigkeit unserer Organfunktionen von der Außenwelt zu sichern. Daß Wärmebildung und Wärmeabgabe nervösen Zentren gehorchen und von diesen zu gemeinsamer zielstrebigen Tätigkeit ge- ordnet werden und daß der jeweilige Erregungszustand der zentralen Apparate die Körpertemperatur bestimmt ist als gefestigte Tatsache bekannt. Die Untersuchungen, welche durch die Entdeckung der Wärmestichhyperthermie eingeleitet wurden, führten auch zur Er- kenntnis jener Bedingungen, welche die physiologische Wärmeregulation beherrschen. Die Feststellung, daß die Erregung des Wärmezentrums nebst Einschränkung der Wärmeabgabe zu einer vermehrten Wärme- bildung führt, gaben uns Aufschluß über die Art und Weise, wie der Organismus der Abkühlung sich erwehrt und die Wirkung direkter Erwärmung bestimmter Hirnteile [Barbour?)] zeigten uns die Schutz- vorrichtung des Warmblüters gegen Überhitzung. Die für Warmblüter eigenartige Änderung des Stoffwechsels bei Erniedrigung der Außentemperatur [Zuntz und Röhrig?), Cola- 1) I. Mitteilung: G. Mansfeld, Über das Wesen der chemischen Wärme- regulation. Diese Zeitschr. 161. S. 430 (1915) und Zbl. für Physiol. Bd. 27 S. 267 (1913). ?) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. %0. 3) Dieses Archiv 4. (1871). 282 G. Mansfeld und L. v. Pap: santi!)] Finkler?), Pflüger?), Rubner*)] wird allgemein als Folge gesteigerter Innervation angesehen und diese Annahme stützt sich auf die Beobachtung, daß jedwede Erregung des Wärmezentrums, sei sie durch mechanische Reizung, durch chemische Stoffe oder durch Ände- rung der Bluttemperatur herbeigeführt, in der Tat von gesteigerter Oxydation begleitet wird. Indes schien diese einfache nervöse Be- ziehung zwischen zentralen Apparaten und peripheren Organen für ein Verständnis der Vorgänge nicht zu genügen und so wurde vor geraumer Zeit von einem von uns [M5.)] die Frage untersucht, ob nicht bei der chemischen Wärmeregulation außer der Erregung nervöser Apparate auch? chemische Stoffe (Hormone) beteiligt sind, welche auch nach Ausschaltung des Nervensystems eine gesteigerte Oxydation in den Organen unterhalten. Um diese Frage zu entscheiden, wurde der Stoffverbrauch iso- lierter Herzen von normalen und fiebernden Kaninchen unter gleichen Bedingungen verglichen und es stellte sich heraus, daß die Herzen, welche während der Fieberhöhe den Tieren entnommen wurden, vom erregten Wärmezentrum also völlig isoliert waren, wesentlich mehr Zucker verbrauchten, als die Herzen normaler Tiere. Diese Beob- achtung, welche inzwischen von O. Loewi$) nachgeprüft und bestätigt wurde, sprach dafür, daß die fieberhaft gesteigerte Wärmebildung nicht in einer gesteigerten Innervation der Organe ihre Ursache findet, sondern die Bedingungen der gesteigerten Wärmebildung in den Zellen selbst zu suchen sind und diese wahrscheinlich durch chemische Stoffe (Hormone) unterhalten wird. Die prinzipielle Gleichartigkeit der regulatorischen Vorgänge bei fieberhafter und bei normaler Körpertemperatur legte den Gedanken nahe, daß auch in der Norm bei der Erhaltung unserer Körpertemperatur chemische Stoffe — Blutreize — eine Rolle spielen könnten und daß die Erregung des Wärmezentrums — sei sie reflektorisch von sensiblen Hautnerven aus, oder direkt durch veränderte Bluttemperatur herbei- geführt —, ebenso zur Bildung chemischer Stoffe führt, wie der Wärme- stich und diese dann als Hormone, durch Vermittlung der Blutbahn zu den peripheren Organen gelangen und die Wärmebildung dem Zweck entsprechend verändern. Im folgenden berichten wir über Versuche, welche der Untersuchung dieser Frage gewidmet waren. 1) Dieses Archiv 14. S. 92 (1877). 2) Ebenda 15. S. 603 (1877). 3) Ebenda 18.- S. 247 (1878). *) Biologische Gesetze. Marburg 1887. 5) Dieses Archiv 161. S. 430 (1915) und Zentralbl. für Physiol. Bd. 27 S. 267 (1913). 6) Zentralbl. f. Physiol. 28. S. 197 (1914). Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. II. 283 II. Methodik. Die Kaninchenherzen wurden nach der Methode von Langendorf isoliert und im Lockeschen Apparat mit Ringer-Lockelösung durchströmt. Der Zucker- zusatz betrug etwa 0,07—0,1%. 15—20 Minuten nach Isolierung des Herzens begann der eigentliche Versuch damit, daß durch ein vor dem Herzen eingeschal- tetes Seitenrohr die erste Probe für die Zuckerbestimmung entnommen wurde. Jede !/, Stunde wurde Pulszahl, die vom Herzen ausgeworfene Tropfenzahl und Temperatur der Nährlösung (dicht oberhalb des Herzens) bestimmt. Die Spirale des Apparates tauchte in einem Wasserbad, dessen Temperatur durch einen Hg-Regulator konstant erhalten wurde. . Nach Ablauf der gewählten Versuchs- zeit, welche 60 bis 110 Minuten betrug, wurde eine zweite Probe entnommen, ihr Zuckergehalt bestimmt und der so ermittelte Gesamtzuckerverbrauch pro Gramm Herz und Stunde berechnet. Die Zuckerbestimmung geschah nach Entfernung der geringen Eiweißmengen mit kolloidalem Eisenhydroxyl (Michaelis- Rona) nach der Methode von Bertrand. Das Anfangsvolum der Nährlösung, welche in den Apparat gegossen wurde, war in allen Versuchen 300 cem. Die für die Zuckerbestimmung entnommenen Proben wurden in genau kalibrierten 50-ccm-Meßkolben aufgefangen. In diese hatten wir vor Entnahme der Nährlösung mittels 1-cem-Pipetten je 1 ccm Seignette- Lösung (1 proz.) und Eisenhydroxyldösung (10 proz.) zugegossen und dann mit der Nährlösung bis zur Marke aufgefüllt. Für jede Bestimmung kamen also 48 ccm der Lösung zur Verwendung. Nach Durchschütteln des Kolbeninhaltes wurde filtriert und in zwei Proben von je 20 ccm die Zuckerbestimmung ausgeführt. Nachdem so verdünnte Permanganatlösungen, wie sie von uns verwendet wurden, nicht haltbar sind, so wurde eine 10fach konzentrierte Stammlösung be- reitet, deren Titer wöchentlich einmal mit Ammoniumoxalat nachgeprüft wurde, und aus dieser Stammlösung wurde an jedem Versuchstag mit genau kalibrierter Pipette und Meßkolben eine Verdünnung 1 : 10 bereitet. III. Zuckerverbrauch der Herzen von gekühlten und er- wärmten Kaninchen. Es mußte zunächst die Frage entschieden werden, ob bei der ge- steigerten Wärmebildung normaler Tiere in der Kälte chemische Stoffe beteiligt sind, m. a. W., ob der vermehrte Stoffverbrauch auch nach Ausschaltung des Nervensystems fortbesteht. Eine Beobachtung, welche schon in der I. Mitteilung erwähnt wurde, sprach bis zu einem gewissen Grade für diese Möglichkeit. Es zeigte sich nämlich schon damals, daß während die isolierten Herzen normaler Kaninchen in den Monaten von Januar bis inkl. Mai nahezu gleiche Zuckermengen verbrauchten, im Monat Juni der Zuckerver- brauch plötzlich auf die Hälfte, ja bis zu ein Dritteil herabsank. Es sollte nun geprüft werden, wieviel Zucker die isolierten Herzen von Kaninchen verbrauchen, welche vor Isolierung des Herzens bei verschiedener Außentemperatur lebten. Die Versuche zerfallen in 3 natürliche Gruppen: 1. Normale Kaninchen, welche unter gewöhnlichen Bedin- gungen lebten, aber an sehr heißen Sommertagen zum Versuch kamen. ‘9poL wop 10A aegjoggrwun (r 68628 | 06 | 28°% | FFL-98T | 90T —HFI | 6% 09T | 2'0E | FE TEE Örynstossen uopung @ ITITA’IL| 6I LBE—LLE| 06 | CO | OTI—8EI | 86-921 | 08% 29782, 116.982 12,982 Eee One) oe 6 TIAZ | ZI 0'68—E'8E | 09 | OLE | SET—OST | 80I-071 | 09% oe | E78 | ee | 688 = er € 007088 | 001 | C6 | 071-081 O0I—OF | 8% ZzıT | IE | 208 | 288 “Otumgzossem| opung I | 'TIA2L| € vse—0'sE | 00T | 96° | SSI—08I CaI—0c1 18% url —. | oe Bet a6 vopungg ITA:CL (6 = OIOLL SIUNNOSqV = =} | MH g8e—g2E| 06 | 977 | 26-921 96081 | 080 ee ee 8 ge Bi » 068-028 | 06 | IE |. 7896 | 96201 | 8C0 We I = ae aa © I gisezeise | OIT | 16% | 8OI—0ST | 08021 | 280 ir | 20) Er &$ uopumg G | ILA’ST|| 7 E 919], SYULIBMIT SS & TSETELE 00T | 09% | SOL-8EL | 96-021 | 08% IX: — | = | d18 == IIA’8Z | 6 = G68=0'88 | OIT | FGG | 0GI—08T | seI—0sı | 00 eilt =. 22 0608 9% = IIA%| 2 = dgg—e,e| 06 | 288 | 001-021 | 96921 | so 167 ee 74 = IIASL| I @) 9I9L], ITEULON. 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In einem Versuch wurde das Tier im Eiskasten bei einer Luft- temperatur von 9—12°C 24 Stunden lang gehalten und in einigen Versuchen kamen die Tiere in das städtische Kühlhaus, wo sie einige Tage bei einer Temperatur von + 2 bis +6° © lebten. Es sei hier gleich vorweggenommen, daß die Zeitdauer der Abkühlung völlig indifferent für die Ergebnisse war, diese allein von der Intensität der Abkühlung abhängig sind. 3. Kaninchen, welche vor der Isolierung des Herzens einige Stunden im benachbarten Kesselhaus der Kliniken verbrachten bei einer Luft- temperatur von 30—833° C. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe sind aus Tabelle I ersichtlich. 1. Was zunächst die drei normalen Tiere betrifft, so sehen wir einen Zuckerverbrauch des isolierten Herzens, dessen Größe pro Stunde und Gramm zwischen 0,80 und 1,0. mg liest; Werte also, die schon in der I. Mitteilung an 4 Sommertieren (4.—19. Juni 1914) angetroffen wurden. 2. Noch niedrigere Werte, und zwar solche, die schon z. T. innerhalb der Fehlersrenze liegen, finden wir am Herzen jener Tiere, welche bei einer so hohen Außentemperatur gehalten wurden, daß ihre chemische Wärmeresulation offenbar völlig ausgeschaltet war und die Körper- temperatur zufolge Wärmestauung in die Höhe ging. Der Zucker- verbrauch war in diesen 3 Versuchen 0,27, 0,58 und 0,80 mg. Vor der Isolierung des Herzens erreichte die Körpertemperatur bei Kaninchen 4 und 6 eine fieberhafte Höhe von 40,7 resp. 39,7 und sehr lehrreich für die Vorgänge der Wärmeregulation erweist sich eine Gegenüber- stellung dieser beiden Versuche zu 2 anderen, in welchen die fieberhafte Temperaturerhöhung nicht durch Erwärmen der Tiere, sondern durch den Wärmestich ausgeführt wurde, wie wir es in der Tabelle II (s. S. 286) veranschaulichen. Erfolgte also die Temperatursteigerung durch Erwärmen des Tieres, so wird von seinem isolierten Herzen fast gar kein Zucker verbraucht, während das Herz wirklich fiebernder Tiere fünf- resp. dreimal soviel Zucker verzehren als das Herz normaler Tiere, welche bei gleicher Außentemperatur lebten. (Vgl. die Normaltiere der I. Tabelle.) 286 G. Mansfeld und L. v. Pap: Tabelle II. Körpertemperatur | | p p Abs. | Zuckerver- | Gewjent | Dauerd. Temperatur Vers. | Datum Unmittel- | Zucker- | brauch pro des Herz- a Nähr- | Norm. | bar vord. | Ver- Stunde U. | perzens | Vel- Osung Nr. || 1919 Tode brauch | 1g Herz suches oc Überhitzte Tiere 24. VII. | 38,7 39,7 2,60 » 18. VII. | 38,3 40,% 1,50 0,2% 2:91 1102 3832 38% 0,58 3,26 90° ı37,0—39,0 Durch Wärmestich fiebernde Tiere 10 | 29. VII. | 39,0 40,5 18,73 5,33 2,32 90° 137,5—38,9 13. VIIL| 39,4 | 40,5 12,60 3,08 2,45 100° |37,7— 39,0 3. Gegenüber den normalen Sommertieren, noch mehr aber gegen- über den erwärmten Tieren finden wir einen mächtig gesteigerten Zuckerverbrauch am Herzen jener Kaninchen, welche vor dem Tode sich gegen Kälte zu schützen hatten. Die Größe des Zuckerverbrauchs entspricht in diesen 5 Versuchen jenen Werten, welche in der I. Mit- teilung in den Monaten Januar—Mai gefunden wurden und beträgt das Doppelte bis 31/,fache jener Werte welche an den normalen Sommertieren erhalten wurden. Wir sehen also, daß der Zuckerverbrauch der isolierten Herzen normaler Tiere von der Außentemperatur bestimmt wird, bei welcher das Tier unmittelbar vor dem Isolieren des Herzens sich befand. Am isolierten Herzen finden wir eine gleichsinnige Änderung des Stoffverbrauchs, wie es für den Stoffwechsel warmblütiger Tiere infolge Änderung der Außentemperatur fest- gestellt wurde. Die gesteigerte Wärmebildung in kalter Umgebung, die herabgesetzten Oxydationen in der Wärme — der ganze Vorgang der chemischen Wärmeregulation drückt sich auch noch im Verhalten überlebender Organe aus, welche vom Nervensystem abgetrennt sind, und wir glauben in unserer Folgerung nicht zuweit zugehen, wenn wir schon nach diesen Ergebnissen die Vermutung aussprechen, daß im Vorgang der normalen Wärmeregulation chemische Stoffe (Hormone), beteiligt sind, welceh auch nach Ausschaltung des Nervensystems die Größe des Stoffverbrauchs in den Organen bestimmen. Diese Vermutung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, bezweckten die weiteren Versuche. IV. Wirkung von Blutserum gekühlter und erwärmter Tiere. Die vorgehenden Versuche zeigten, daß die regulative Änderung des Stoffverbrauchs in kalter und warmer Umgebung auch nach Aus- schalten des Nervensystems, ja sogar an Herzen, welche vom Organis- Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. I. 287 mus vollständig losgelöst sind, noch nachzuweisen ist, und als wahr- scheinlichste Erklärung für diese Erscheinung muß angenommen werden, daß die Zunahme der Oxydationen nicht in einer gesteigerten Innervation der wärmespendenden Organe ihre Ursache finden kann, wie es beim Muskelzittern in exzessiver Kälte der Fall ist, sondern daß durch die Erregung des Wärmezentrums zunächst von einem Organ gewisse chemische Stoffe gebildet werden, welche in den Zellen selbst einen Anstieg dissimilatorischer Prozesse herbeiführen. Ist aber diese Erklärung zutreffend, so muß die Möglichkeit gegeben sein, solche den Stoffwechsel beeinflussende Substanzen im Blutserum frierender Tiere nachzuweisen!). Um diese Möglichkeit zu prüfen, sind wir in folgender Weise vor- gegangen: Zu jedem Versuch wurden zwei Tiere verwendet, von denen _ das eine erwärmt, das andere gekühlt wurde. Dem einen Tier wurde Blut entnommen und die Wirkung des Blutserums auf den Zucker- verbrauch des isolierten Herzen des zweiten Tieres untersucht. Dieses geschah in der Weise, daß entweder das Blutserum (5ccm) dem Tier vor Isolierung des Herzens in die Ohrvene injiziert wurde, oder aber l ccm des Serums direkt in den Lockeschen Apparat gespritzt, der Nährlösung zugemischt worden war. Das merkwürdige Ergebnis dieser Versuche ist aus folgender Ta- belle III ersichtlich: Wenn wir das Ergebnis dieser Versuche mit jener der ersten Ver- suchsreihe (Tabelle I) vergleichen, so sehen wir, daß das Blutserum sowohl der frierenden Kaninchen als jenes der erwärmten Tiere im höch- sten Grade sich aktiv erweist. Das isolierte Herz erwärmter Tiere, welche sonst einen minimalen Zuckerverbrauch zeigen (0,27, 0,58, 0,80 mg), verbrauchen nach der Serumbehandlung Zuckermengen, welche nur von den Herzen gekühlter Tiere verspeist werden (2,57, 2,82, 3,56, 3,46 mg) und umgekehrt der hohe Zuckerverbrauch von Herzen gekühlter Tiere (1,51, 2,28, 3,60, 2,80, 2,92 mg) wird durch das Serum erwärmter Tiere zu einem Minimum herabgedrückt (0,69, 0,94, 0,41, 1,22, 0,97). Wie wir sehen, richtet sich die Wirkung des Serums direkt gegen das periphere Organ und seine Aktivität erweist sich ebenso groß, ja sogar größer, wenn wir es dem überlebenden Organ zuführen. Um die Wirksamkeit des Serums deutlich zu veranschaulichen, sollen die Werte des Zuckerverbrauchs normaler und serumbehandelter Herzen in der Tabelle IV nebeneinandergestellt werden: !) Wie schon in der I. Mitteilung erwähnt wurde, liegt schon ein derartiger Versuch in der Literatur vor, und zwar von Montuori, dem es gelungen war, den O,-Verbrauch und die CO,-Produktion normaler Hunde durch Transfusion des Blutes eines künstlich abgekühlten Hundes zu steigern. G. Mansfeld und L. v. Pap uopungg storo‘GEl DO . 9E—eE [e'sE-0'68) 06 88'78OT—0OST uoypropssoqt |c’gele'geIs'gg "TBSOqT MSeÄTı "XL or uopungg */;@ goro'se Oo 986% [eLE-4'6E 06 1247| 96-021] 06—8EI el u — O'GE' BE "TOSOAL | MIN LTITA SQ re EBENE -dv uoyos | er | -94907Juop an uopungg {IT EFIOLT, WOA seE|| ; 6'8g 0. 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JuaE ODER Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. II. 289 Tabelle IV. Ohne Som BER Mekomn Vers. | Zuckerverbrauch des isolierten | Vers. | Zuckerverbrauch des isolierten N Herzen pro Gramm u. Stunde Nr. || Herzen pro Gramm u. Stunde Gekühlte Tiere: 2 1,51 15 | 0,69 3 2,28 18 0,94 5 3,60 32 0,41 12 2,830 34 1522 19 2,92 40 0,97 Erwärmte und Sommertiere. 1 0,85 20 2,57 7 1,00 30 | 2,32 9 0,80 33. | 3,56 4 0,27 3l 3,46 6 0,58 jr 17 |! 0,80 | Zu Aus dem Ergebnis dieser Versuche müssen wir den Schluß ziehen, daß im Organismus sowohl bei niederer als bei hoher Außentemperatur besondere chemische Stoffe in das Blut gelangen, welche den Stoff- verbrauch in den Organen sehr wirksam in einer, der Wärmeregulation entsprechenden Weise beeinflussen. Die Wirkungen dieser beiden Hormone stehen miteinander im voll- kommensten „wechselseitigen Antagonismus‘ und zwar so, daß das schon wirkende vom eingeführten stets verdrängt wird. Nur in dieser Weise läßt sich die Beobachtung erklären, daß für die Größe des Zuckerverbrauchs immer die Beschaffenheit des zugeführten Serums entscheidend war. Ob hier noch quantitative Beziehung ob- walten, müßte der Gegenstand besonderer Untersuchungen sein. Je- denfalls läßt sich die physiologische Rolle beider Hormone für eine wirksame Wärmeregulation nur in der Weise vorstellen, wie es auch unsere Versuche zeigen — daß nämlich jedes der beiden Hormone vom anderen prompt aus seinem Wirkungsbereich verdrängt werden kann. Was die Produktion dieser Stoffe betrifft, so müssen wir annehmen, daß sie unter der Herrschaft des Nervensystems, und zwar der wärmeregulierenden Apparate steht. Diese senden, wie es scheint, ihre Impulse nicht zu jeder Zelle unseres Körpers — wie wir es bisher dachten —, um regulierend in das Zelleben einzugreifen, sondern be- wirken dies indirekt dadurch, daß sie den Anstoß zur Bildung innerer Sekrete abgeben. Jene Tatsache, daß vom Organismus zwei ver- schiedene Stoffe geliefert werden — ein fördernder und ein hemmender — Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. 19 2390 G&. Mansfeld und L. v. Pap: steht in schönem Einklang mit der Annahme Hans Horst Meyerst), nach welcher im Zentralnervensystem außer dem Wärmezentrum auch noch ein Kühlzentrum sein muß, eine Annahme, zu welcher H. H.Meyer durch eine Reihe von Beobachtungen gedrängt wurde, und welche — wie uns scheint — durch unsere Befunde eine neue Stütze erfährt. V. Untersuchungen über die Herkunft der wärmeregu- lierenden Hormone. Die Erkenntnis, daß das Blut von Tieren, welche sich gegen Kälte oder Wärme zu wehren haben, den Stoffverbrauch des isolierten Herzens zweckentsprechend zu verändern vermag, veranlaßte uns, die Frage zu untersuchen, welche Organe diese aktiven Stoffe des Serums liefern ? Was zunächst das fördernde Hormon der frierenden Tiere betrifft, so waren schon gewisse Anhaltspunkte bereits vorhanden und unser Verdacht fiel in erster Reihe auf die Schilddrüse. Die stoffwechsel- steigernde Wirkung der Schilddrüse ist ja einerseits längst bekannt, anderseits wissen wir, daß sie bei den chemischen Prozessen im Fieber eine bedeutende Rolle spielt?2). Nachdem in der I. Mitteilung gezeigt worden ist, daß während der gesteigerten Wärmebildung im Fieber entnommene Herzen wesentlich mehr Zucker verbrauchen, als die norma- len Herzen und im Anschluß daran OÖ. Loewi?) nachgewiesen hat, daß dies nicht der Fall ist, wenn man Tiere ohne Schilddrüse zu den Versuchen verwendet, so war es schon von vornherein wahrscheinlich, daß auch die Abkühlung für den Stoffverbrauch des isolierten Herzens wirkungs- los bleiben müsse, wenn wir die Tiere ihrer Schilddrüse berauben. Um dies zu prüfen, hatten wir Tiere nach Exstirpation ihrer Schild- drüse der Einwirkung von Kälte ausgesetzt und dann den Zucker- verbrauch des isolierten Herzen festgestellt. Versuch 13. A. VI. 1919. Kaninchen. Exstirpation der Schilddrüse am 31. VII. 1919. Wasser- kühlung 1 Stunde. Temperatur sinkt von 38,6—34,5°C. Starkes Muskelzittern. Temperaturanstieg bis 34,7°C. Isolierung des Herzens. Herzversuch: Dauer 90 Minuten. Pulszahl 92—72. Tropfenzahl 140 bis 96. Temperatur der Nährlösung 37,5— 38,5. Herzgewicht 2,85 g. Absoluter Zuckerverbrauch 3,14 mg. Zuckerverbrauch pro Stunde und 1g Herz: 0,73 mg. Versuch 216. Zıavam 1919: Kaninchen. Exstirpation der Schilddrüse am 31. VII. 1919. Wasser- kühlung 1 Stunde. Temperatur sinkt von 38,9—35,5° C. Starkes Muskelzittern. Temperaturanstieg bis 36,0° C. Isolierung des Herzens. !) Hans H. Meyer, Theorie des Fiebers und seiner Behandlung (Referat). Verhandl. d. Dtsch. Kongr. f. inn. Med. XXX. Wiesbaden 1913. 2) G.Mansfeld und Z. Ernst, Über die Ursache der gesteigerten Eiweißzerset- zung und Wärmebildung im infektiösen Fieber. Diese Zeitschr. 161. S. 399 (1915). 3) ©. Loewi, Zentralbl. f. Physiol. 28. S. 197 (1914). en Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. I. 291 Herzversuch: Dauer 90 Minuten. Pulszahl 72—84. Tropfenzahl 36 —44. Temperatur der Nährlösung 34—37,2° C. Herzgewicht 3,05 g. Absoluter Zucker: verbrauch 4,00 mg. Zuckerverbrauch pro Stunde und 1g Herz: 0,8% mg. Diese Versuche, von denen wir allerdings nur zwei auszuführen Gelegenheit hatten, zeigt, daß die Abkühlung unwirksam ist, wenn die Tiere der Schilddrüse beraubt sind; denn der Zuckerverbrauch des isolierten Herzen lag in beiden Versuchen nicht höher, als an den nor- malen Sommertieren der I. Versuchsreihe. _ Diese Beobachtung ist eine neuerliche Stütze dafür, daß die Schild- drüse in der chemischen Wärmeregulation eine bedeutende Rolle spielt und wie im Fieber so auch bei der physiologischen Regulation gegen Kälte durch Produktion eines Hormons in die Wärmebildung der Or- gane entscheidend eingreift. Um.nun ein klares Bild von der Rolle der Schilddrüse für den Vorgang der physiologischen Wärmeregulation zu gewinnen, hieß es noch den Er- folg der Erwärmungan schilddrüsenlosen Tieren festzustellen. Da- für genügte es natürlich nicht, den Zuckerverbrauch des Herzens jet wärmter Tiere mit und ohne Schilddrüse festzustellen, sondern wir mußten die Wirkung des Serums operierter und dann erwärmter Tiere untersuchen, wie wir es inder 11. Versuchsreihe an normalen Tieren taten. Für diese Versuche hatten wir also dem Serumspender die Schild- drüse exstirpiert. Nach Erholung von der Operation wurde das Tier in üblicher Weise erwärmt und das von ihm gewonnene Serum am isolierten Herzen abgekühlter Tiere geprüft. Das überraschende Ergebnis dieser Versuche ist aus folgender Ta- belle V zu ersehen. Der Zuckerverbrauch der Herzen war in diesen 4Versuchen ein sohoher, wie wir es bei den gekühlten Tieren der I. Versuchsreihe gesehen haben (vgl. Tabelle I), welche kein Serum erhielten. Von einer Hemmung des Zuckerverbrauchs, wie wir es als Wirkung des Serums normaler erwärm- ter Tiere in Tabelle III sehen, ist hier keine Rede, und wir müssen dar- aus folgern, daß auch die Bildung jenes Hormones, welches infolge der Er- wärmung dem Serum die Eigenschaft verleiht, den Zuckerverbrauch isolierter Herzen zu hemmen, an die Tätigkeit der Schilddrüse gebunden ist. Zusammenfassung. l. Der Zuckerverbrauch des isolierten Herzens normaler Tiere wird von der Außentemperatur bestimmt, bei welcher das Tier unmittelbar vor dem Isolieren des Herzens sich befand: Das aus- geschnittene Herz gekühlter Tiere verbraucht 2—3mal so viel Zucker als das Herz von Tieren, welche bei heißer Sommertemperatur 19% Gekühlte Tiere mit dem Serum erwärmter schilddrüsenloser Tiere behandelt. Tabelle V. der Nährlösung | pro Minute Daten über den Herzversuch Pulszahl 2 G. Mansfeld und L. v. Pap . es a R H | Er Datum ‚der = kam! = jan © | Schilddrüsen- = = & & | exstirpation £ B i 5 < 1919 S Q aa 3 „ |B.a.Blut- | © ın an S = 3 |entn. BAG a < — => 2|00| 60) ge) iD [or = N °Q m rm & r In -- orm. & & an or} Ing ®) o o Oo Außentempera- | o & o 9 o "Ro = = 3 ss Se 7? \tur und Dauer | ‘2 > or ONE fe | or) an Are p) op) an N ® d. Temperatur- = | + | & Br ES eingriffes or) & a or) er) or) = 2 El Sy ,.® | > = = | En | | A532: | {or} — | vo. ml | r - u) | & u | m oe) Dauer des | Herzversuches ; = 2 Minuten ; © Na) Herzgewicht &. a g | [os - Tropfenzahl | = = 16.6) Re) a [SS | — -— >) [e.6) [er} ji & es) fer) {er} Zuckerverbr. pro Stunde und 1 g Herz in mg 1.80 144—108162—1262,50 90 39,3—37, 1,90 Absoluter Zuckerver- brauch in mg 675 910, %,16 5,60 8,12 | 2,39 1102—80 176—12012,26 90 138.5—37,680—35 S eis © Sen - = Ara eo! = 5.» a leaaen er a8 ze = ra = = = easaeMesen 98 ; RT DES AIDS BSG > = mE smazzorlsanı u SEE eo a Era nen, an © © 22302 Sieh 2 3 Be ee) oO o.n Sn = Ä a < nn Gr -_ [7 >} [ S g A oral! Si Sl a| 5, Maximal | cS en oe 58 m " or) or) r|2 IR | In nn &. © ©| #&| Minimal | & 1 u 5| 9 | : Nor) an an Br) =\8| > S STE Es | Normal oo & S & © | ON or) Br) Br) = 0 TORE: © o.= — — — nn Außen- a 3 &n an an 8 ln un {77} n ke} temperatur SS e) © © 5 = = Sa e Dauer des 3 Ss = = - = 2 e Temperatur an = ae > eingriffes ur = rn = 8 . . . A 4 = an! =) =ı = EIS 3 fan zZ << Ba = er de) a - far) A © 2 = Versuch Nr. = ES 2 ER leben und werden die Tiere für einige Stun- den in eine Temperatur von 30—34°C gebracht; so verbraucht ihr aus- geschnittenes Herz fast gar keinen Zucker (Ta- belle I). 2. Das Blutserum gekühlter Tiere hat die Fähigkeit, den sehr geringen Zuckerver- brauch des Herzens er- wärmter Tiere in die Höhe zu treiben (Ta- belle III). « 3. Das Blutserum erwärmter Tierehat die Fähigkeit, den hohen Zuckerverbrauch des Herzens gekühlter Tiere herabzudrücken (Tabelle III). 4. Es ist gleich- gültig, ob wir die Sera dem Blut des noch lebenden Tieres oder der Nährlösung des überlebenden Herzens zusetzen. 5. Die Abkühlung schilddrüsenloser Tiere erhöht nicht den Zuckerverbrauch des isolierten Herzens. 6. Das Serum von erwärmten Tieren, die ihrer Schilddrüse be- raubt wurden, hat nicht die Fähigkeit, den Zuckerverbrauch des Herzens gekühlter Tiere herabzusetzen. Über das Wesen der chemischen Wärmeregulation. II. 293 Aus diesen Versuchsergebnissen scheint hervorzugehen, daß die nor- male sog. chemische Regulation gegen Kälte und gegenWärme durch Ver- mittlung chemischer Stoffe geschieht, und zwar daß in kalter und in warmer Umgebung offenbar unter der Herrschaft zentraler Apparate je ein Hormon gebildet wird, welche den Stoffverbrauch der Organe, im Sinne einer zweckentsprechenden Wärmeregulation ändern, einander gegenseitig antagonistisch beeinflussen und daß beide Hormone wahrscheinlich Produkte der Schilddrüse sind). Tabelle VI. Belege für die Zuckerbestimmungen. 1 m) Am Anfang des Versuches Am Ende des Versuches Se rg | ae s 5 3 2 5 Verbrauchte Per- s Verbrauchte Per- = oe Ö manganatlösun r 3 58 5 = 5 a ZUERSE = 5 für 20 ccm es Zucker EB |a2R| 3° Filtrates = Filtrates = e Ss = ccm % = cem os l 300 48 34,3 34,9 | 0,08935 48 34,2 34,0 | 0,08736 7 300 48 | 36,7 ' 36,9 | 0,09450 48 36,3 36,3 | 0,09285 8 300 48 | 35,3 35,2 , 0,09025 48° | 34,8 34,6 | 0,08890 2 300 48 35,7 | 35,7 | 0,09135 48 34,5 34,7 | 0,08836 3 300 48 | 34,3 34,6 | 0,08785 48 32,5 32,7 | 0,08336 5 300 ı 48 | 352 | — 0,09014 48 33,5 33,5 | 0,08561 12 300 48 333 , 332 | 0,08511 48 31,9 31,9 | 0,08166 19 300 48 | 31,9 | 32,1 | 0,08191 48 29,9 30,2 , 0,07687 4 300 48 33,8 | 33,7 | 0,08636 48 33,5 33,5 0,08576 6 300 48 |, 34,3 | 34,2 | 0,08770 48 33,9 33,8 | 0,08660 17 300 48 319 | 32,1 | 0,08191 48 31,6 31,5 | 0,08072 10 300 48 | 35,3 35,5 | 0,09070 | 48 32,4 32,6 | 0,08321 23 300 48 348 | 35,1 | 0,08950 | 48 33,1 32,9 | 0,08446 15 300 48 | 32,4 32,5 | 0,08306 | 48 31,9 32,0 | 0,08116 18 300 | 48 | 29,0 29,0 | 0,07418 | 48 28,1 28,3 | 0,07198 32?) | 300 48 357 35,5 | 0,08875 | 48 | 35,3 35,4 | 0,08800 34) | 300 48 | 36,2 36,3 | 0,09040 | 48 395,9 —_ 0,08850 402) | 300 48 | 32,3 32,2 | 0,08037 48 31,8 31,6 | 0,07887 20 300 |; 48 | 32,7 32,5 | 0,08346 | 48 31,4 31,2 | 0,08012 302) | 300 485 36,9 37,1 | 0,09230 | 48 35,4 35,2 | 0,08825 332) | 300 48 385 = 0,09639 | 48 36,9 36,7 | 0,09190 312) | 300 | 48 380 | 37,8 | 0,09484 | 48 36,2 35,9 | 0,08985 13 290 48 | 33,3 33,3 | 0,08526 | 48 32,9 32,7 , 0,08396 16 300 48 33,0 330 | 0,08446 | 48 32,3 32,5 | 0,08286 | 40,1 | 0,10318 | 48 38,9 39,3 0,10048 37°) | 300 48 | 33,0 32,9 | 0,08211 48 31,5 — | 0,07847 38?) | 300 438 | 30,9 31,0 | 0,07712 | 48 30,0 — 0,07488 392) | 300 48 | 29,5 29,3 | 0,07313 | 48 28,3 28,1 , 0,06988 !) Diese Erkenntnis scheint auch die Wege zu einer funktionellen Diagnostik der Schilddrüse zu ebnen. ?) Icem KMnO, = 1,005 mg Cu. In allen anderen Versuchen war 1 ccm KMnO, = 1,032 mg Cu. Über die Anwendung der Theorie der Brownschen Bewegung auf die ungeordnete Bewegung niederer Lebewesen. Von Reinhold Fürth. (Aus dem Physikalischen Institut der deutschen Universität in Prag.) (Eingegangen am 30. Juni 1920.) Beobachtet man die Bewegung niederer Lebewesen unter dem Mikro- skop, so erhält man, insbesondere, wenn man sich innig mit dem Studium der Brownschen Molekularbewegung befaßt hat, auf den ersten Blick den Eindruck einer vollständig ungeordneten, d. h. einer allein vom Gesetze des Zufalls beherrschten Bewegung, wie es ja auch die Brown- sche Bewegung ist. Es liegt daher nahe, die Bewegung der niederen Lebe- wesen, z. B. der Infusorien, nach denselben Prinzipien zu untersuchen, wie es bei der Brownschen Bewegung geschieht, insbesondere, ob die seinerzeit von Smoluchowski und Einstein aufgestellte Formel für die Verschiebung bei Brownscher Bewegung auch ihre Anwendung behält, wenn sie auf ein Material angewendet wird, das seine Bewegung nicht einem äußeren Antriebe (Stöße der Moleküle der umgebenden Flüssigkeit), sondern einem inneren Antriebe, wie bei Lebewesen mit Eigenbewegung, verdankt. ; Eine solche Untersuchung ist nun in der Tat bereits von K. Przi - bram!) in bezug auf die Bewegung verschiedener Infusorien angestellt worden und hatte den Zweck, die Einsteinsche Formel für das mittlere Verschiebungsquadrat bei Brownscher Bewegung an diesem Material zu verifizieren. Diese Formel nun sagt folgendes aus: Betrachten wir bloß die Pro- jektion der Bewegung auf eine Koordinatenrichtung und nennen wir die in der Zeit zurückgelegten Verschiebungen von der Anfangslage aus x, dann erhalten wir im Mittel über viele Teilchen gleicher Größe oder auch im Mittel über viele Messungen an einem und demselben Teilchen im Verlaufe seiner Bewegung für das mittlere Verschiebungsquadrat x? die Formel a: x —al, (1) woaeineKonstanteist, die beider Brownschen Bewegung vonder Tempera- tur, derViscosität der umgebenden Flüssigkeit und der Größe des Teilchens 1) K. Przibram, Dieses Archiv 153, 401. 1913. K. Przibram, Archiv f. Entwicklungsgeschichte d. Organismen 43, 20. 1917. R. Fürth: Über die Anwendung der Theorie der Browuschen Bewegung usw. 295 abhängt, bei der Infusorienbewegung außerdem noch von der speziellen, dem betrachteten Tiere eigenen Lebhaftigkeit seiner vitalen Bewegung. Die Methodik, deren sich Przibra m hierbei bedient, ist kurz die folgende. Für eine große Anzahl der Tierchen wird vermittels des Abbeschen Zeichenapparates und eines sekundenschlagenden Metronoms die Ver- schiebung eines Tieres in äquidistanten Zeitintervallen aufgezeichnet und daraus für alle Ausgangslagen das mittlere Verschiebungsquadrat gebildet. Tut man dies nicht nur für das einfache Zeitintervall, sondern auch für das doppelte, vierfache, achtfache usw., so sollten sich die ent- sprechenden x? nach Formel (1) verhalten wiel :2:4...,d.h.die Quo- tienten der so aufeinanderfolgenden Zahlen sind alle gleich 2. Es wird nun für jedes Infusor aus allen so gebildeten Quotienten das Mittel genommen und untersucht, ob bei neuerlicher Mittelbildung über viele ähnliche Tierchen der theoretische Wert 2 bevorzugt ist. Es zeigt sich in der Tat, daß im Mittel ungefähr der Wert 2 herauskommt, daß dagegen für die Individuen selbst oft recht beträchtliche Abweichungen von diesen Wert auftreten, obzwar wir es ja bereits hier schon mit Mittelwertsbil- dungen zu tun haben. Man kann also die Przibramschen Versuche nur als eine recht rohe Bestätigung von (1) ansehen, die dem Zweifel darüber Raum läßt, ob sich die Formel auch dann bewährt, wenn sie auf ein statistisches Material genügender Breite, gewonnen an einem einzelnen Infusor, angewendet wird. Und das ist ja gerade eine not- wendige Bedingung, wenn man eine dezidierte Aussage über die Art derartiger Bewegungen machen will. Abgesehen nun von dem Mangel an Genauigkeit, der der Przibram- schen Untersuchungsmethode anhaftet, erheben sich von vornherein Zweifel darüber, ob sich die Formel (1) auf diese Bewegungen wirklich anwenden läßt. Sie ist nämlich unter der Voraussetzung abgeleitet, daß die Bewegung vollständig den Charakter einer ‚„Zufälligen‘ trägt, d. h. einer solchen, bei der in jedem Momente die Richtung, in welcher nun die Bewegung weitergehen wird, vollkommen unbestimmt und in keiner Weise davon abhängig ist, welches die Richtung der Bewegung im Augenblick vorher gewesen ist. Dies ist nun eine Annahme, die zwar in bezug auf die Brownsche Bewegung, wo ja der Mechanismus in den rein zufällig erfolgenden Stößen der Mediummoleküle besteht, ohne wei- teres zulässig ist, aber im Falle der Protistenbewegung offenbar schon sehr unwahrscheinlich wird, da man einem Lebewesen, auch wenn es noch so tief organisiert ist, dennoch, schon aus mechanischen Gründen, die Fähigkeit zuschreiben muß, sich, wenn auch nur ziemlich kurze Zeit hindurch, auf einer wenig gekrümmten Bahn bewegen zu können?). 1) In der zitierten Arbeit weist Herr Przibram auch bereits auf diesen Tatbestand hin, ohne jedoch daraus weitere Schlüsse auf eine Modifikation der Einsteinschen Formel zu ziehen. 296 R. Fürth: Über die Anwendung der Theorie der Brownschen Bewegung Diesem Umstande kann man nun auch mathematisch Rechnung tragen, wie ich ausführlich an anderer Stelle gezeigt habe!), durch Einführung des Begriffes der „Persistenz der Bewegungsrichtung‘‘. Darunter will ich die Wahrscheinlichkeit verstehen, daß das Teilchen sich (Bewegung in einer Koordinatenrichtung vorausgesetzt) in irgendeinem Zeit- momente in derselben Richtung weiterbewest, in der es angekommen ist, und nicht in der entgegengesetzten. Diese Wahrscheinlichkeit, die offen- bar zwischen 0,5 (vollständig zufällige Bewegung) und 1 (vollständig gerichtete Bewegung) gelegen sein muß, bezeichnen wir mit p. Wir denken uns ferner die Bahn aus lauter gleich langen Stückchen von der Länge & zusammengesetzt und nennen die Anzahl der pro Sekunde durchlaufenden Wegstückchen v. Die Geschwindigkeit der Bewegung ist dann @ = v - &. Unter diesen Voraussetzungen habe ich 1. e. folgende Formel für x? abgeleitet, die an Stelle von (1) zu treten hat = —atıb(c 1), (2) wobei die drei Konstanten a, 5b, c mit den Größen &, v, p durch die Gleichungen zusammenhängen el, In e=0pr 9 9 ‘Gelingt es nun, an dem Infusor genügend lange Beobachtungsreihen anzustellen, um die Mittelwerte der Formel (2) mit hinreichender Ge- nauigkeit bestimmen zu können, so ist es offenbar möglich, aus einer solchen Beobachtungsreihe die Größen &, » und p für das betreffende Individuum zu berechnen und so indirekt auf den Mechanismus der Be- wegung des Tieres einen Schluß zu ziehen. Um die Ungenauigkeit der Registrierung vermittels des Zeichen- apparates zu vermeiden, wurde folgende Beobachtungsmethode ange- wendet. Die Beobachtungen erfolgten mittels eines Mikroskopes und einer Zeißschen 0,1 mm tiefen Kammer zur Zählung von Blutkörperchen, die unter dem Namen Objektnetzmikrometer bekannt ist, um das Ver- dunsten der Flüssigkeit zu vermeiden. War die Bewegung des Infusors zu rasch, so wurde das Wasser, in dem es sich befand, mit einer 1 proz. Tragantlösung zur Erhöhung der Viskosität nach Bedarf versetzt. Die Registrierung erfolgte nach der vom Verf. seinerzeit angegebenen ?) einfachen Methode der Registrierung von ‚doppelseitigen Erstdurchgangs- zeiten‘. Zu diesem Zwecke wurde ein quadratischer Okularraster im Okular des Beobachtungsmikroskopes angebracht und vermittels eines elektromagnetischen Doppelstiftschreibers nach dem Prinzip eines Morseapparates, dessen erster Hebel durch einen Mersetaster vom !) R. Fürth, Zeitschr. f. Phys. 2, 1920. 2) R. Fürth, Ann. d. Phys. 53, 177, 1917. auf die ungeordnete Bewegung niederer Lebewesen. 297 Beobachter, und gessen zweiter Hebel durch ein sekundenschlagendes Metronom mit Quecksilberkontakt betätigt wurde, jeder Erstdurchgang des betrachteter Infusors durch einen Strich der einen der beiden Scha- ren des Rasters registriert. Hierbei wurde ein Durchgang von links nach rechts durch einen Punkt, und ein solcher von rechts nach links durch einen Doppelpunkt markiert. Auf dem Telegraphenstreifen erhält man dann paralell laufend zwei Scharen von Punkten, von denen die einen die Zeitmarken sind, deren Zwischenräume je eine Sekunde be- deuten, und die anderen die Passagen durch die Mikrometerteilstriche vorstellen. Aus diesen Registrierstreifen kann man nun, am besten so, daß man ihre Angaben graphisch auf Millimeterpapier darstellt, fol- gende Resultate entnehmen: 1. den Mittelwert der Zeit, die zwischen je zwei Durchgängen durch benachbarte Rasterteilstriche vergeht, die sogenannte ‚mittlere doppelseitige Erstpassagezeit‘ i,; 2. die analoge Zeit aber in bezug auf das doppelte Rasterintervall i, und so fortfahrend die Zeiten t,, i,..., in bezug auf drei, vier Rasterintervalle usw. L. ce. habe ich nun gezeigt, daß diese mittleren Passagezeiten einer Formel der Gestalt (1) genügen, wenn man darin «2 durch das Quadrat des gerade betrachteten Rasterintervalls und £ durch die entsprechende mittlere Passagezeit ersetzt. Es ist nun anzunehmen, daß auch im Falle der erweiterten Formel (2) diese Art der Ersetzung zutreffend bleibt, so daß es möglich wird, so vermittels der gewonnenen Erstdurchgangs- zeiten Formel (2) zu prüfen. Es mögen nun als Proben der Methode aus meinen Beobachtungen zwei Reihen an zwei Arten von Paramaecium!) wiedergegeben werden. Das erste, kleinere der beiden Tiere wurde in Wasser mit Zusatz von Tragantlösung beobachtet, um seine Geschwindigkeit etwas herabzu- setzen. Die Beobachtung erfolgte mittels des Objektivs aa und des orthoskopischen Okulars f = 15 mm von Zeiß, um eine genügend hohe Vergrößerung bei großem Gesichtsfeld zu erhalten. Diese Vergrößerung betrug 95fach linear. Ein Teil des Okularmikrometers entsprach 0,073 mm. An dem untersuchten Tier wurden 112 Zeiten registriert, die sich jedoch im Detail nicht wiedergebe. In der folgenden Tabelle I sind in der ersten Spalte die dazugehörigen mittleren Passagezeiten tvon<=1 bis x = 10 eingetragen. Wir suchen nun zunächst die Werte der Konstanten a, b, c so zu bestimmen, daß durch sie die gewonnene empirische Funktion möglichst gut dargestellt werde. Das gelingt auf graphisch-numerischen Wege !) Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die beobachteten Tiere eine andere Art von Infusorien waren, was sich bei der verwendeten schwachen Vergröße- rung nicht gut feststellen ließ, im übrigen aber auch, da es sich ja bloß um Beispiele für die neue Methodik handelt, in diesem Zusammenhange nicht von Belang ist. 398 R.Fürth: Über die Anwendung der Theorie der Brownschen Bewegung ziemlich einfach, das Detail der Ausführung kann hier füglich übergangen werden. Es wurden so folgende Werte der Konstanten erzielt: a—1051.006,7 5. 78,652 0 0:9943, Setzt man diese Zahlen in (2)einund berechnet mittels der beobachteten t die zugehörigen x2, so kann man sich ein Bild über die Genauigkeit der Formel machen, indem man die so berechneten x2(ber.) mit den Quadraten der ganzen Zahlen von 1— 10 vergleicht. Wie aus der dritten Spalte der Tabelle I hervorgeht, ist die Übereinstimmung recht out. Tabelle 1. x (beob.) t x:(ber.) 1 18,5 1,0 2 58,7 34 3 111,8 ler 4 221,0 16,0 5 334,1 26,3 6 423,1 34,8 7 524,6 44,7 8 722,6 64,5 9 899,2 81,7 10 1078,1 99,5 Wir können aber nun auch noch weiter auf Grund der Formel (3) aus den berechneten Werten von a, b, c die der theoretisch wichtigeren Konstanten £&, » und p bestimmen, was am besten durch Lösung der transzendenten Gleichungen (3) auf graphischem Wege erfolgt. Ohne auf die Details näher einzugehen sei das Resultat dieser Berechnungen wie folgt mitgeteilt. Es ergibt sich p—= 0,556, v = 0,003863, =». 5,52 partes/sec = 0,00106 mm//sec . Wir sehen also, daß in diesem Falle die Persistenz der Bewegungsrichtung eine geringfügige ist, da sich der Wert von p nur wenig von dem der gänzlich ungeordneten Bewegung p = 0,5 unterscheidet. Als zweites Beispiel bringe ich eine Beobachtung an einem größe- ren Infusor in reinem Wasser, zu der daher eine schwächere Ver- größerung, nämlich Objektiv aa und Okular 1 von Zeiß genommen, wurde !). Die Registrierung erfolgte wieder mittels desselben Rasters, wo- bei jedoch in diesem Falle einem Teil eine objektive Strecke von 0,13 mm entsprach. Die Vergrößerung war 24fach linear; die Anzahl der Beob- achtungen war 134. In der folgenden Tabelle II sind analog zu der früheren die zusammengehörigen beobachteten Werte von x und Z ein- getragen. Für die Konstanten erhält man hier die folgenden Werte: 0 310% b = 1600, e— We !) Für ihre frdl. Mithilfe bei der Beobachtung dieser und einiger anderer Reihen sei Frl. N. Weigner bestens gedankt. auf die ungeordnete Bewegung niederer Lebewesen. 299 Vermittels dieser Zahlen wurde nun wie oben aus Formel (2) für jedes be- obachtete i das zugehörige x ausgerechnet und in Tabelle Il eingetragen, was auch hier, wie man sieht, zu einer recht guten Übereinstimmung führt. Tabelle II. x(beob.) t x: (ber.) 1 5,76 0,4 2 15,63 3,1 "3 29,04 8,2 4 45,91 16 5 74,86 27 6 91,49 39 7 106,24 52 8 118,9 65 1) 131,2 82 10 154,2 99 Schließlich kann man auch hier wieder aus (3) die Konstanten &,» undp berechnen, die sich zu » — 0,90,» — 0.01, © — 9: 0,834 — 0,0083 mm/sec ergeben. Also ist hier die Nachwirkung oder Persistenz der Bewegungs- richtung auffallend groß, was offenbar einer anderen Organisation des betreffenden Tierchens im Gegensatze zu den früheren zuzuschreiben ist. Die Lebhaftigkeit der Bewegung ist hier auch, wie aus dem Werte von » hervorgeht, viel größer, was wohl dem Umstande zuzuschreiben ist, daß hier im Gegensatz zu der zähen Flüssigkeit des vorigen Bei- spieles reines Wasser als Fludium verwendet wurde. Die beiden Beispiele werden genügen, um zu ersehen, daß es auf diesem Wege wohl möglich ist, einerseits eine Klasse von Bewegungen zu studieren, die eine Art Mittelstellung zwischen den völlig ungeord- neten und den geordneten einnehmen und durch meine Formel (2) im großen und ganzen beherrscht werden, andererseits so zu neuen und wie mir scheint biologisch nicht uninteressanten Schlüssen quantitativer Art über die Bewegung niederer Lebewesen zu gelangen. Da die Methodik wie man sieht sehr einfach ist und auch die Berechnung weiter keine wesentlichen Schwierigkeiten bietet, dürfte es wohl keine überflüssige Mühe sein, das große und interessante Material, das die verschiedenen niederen Lebewesen in dieser Beziehung bilden, nach solchen Prinzi- pien weiter zu untersuchen, wozu ich mich aber als Physiker nicht be- rufen fühle und was daher denjenigen aufgespart bleiben mag, die sich mit dem Studium der niederen Lebewesen befassen. Die Kraftkurve menschlicher Muskeln bei willkürlicher Inner- vation und die Frage der absoluten Muskelkraft. Von Franz Franke. (Aus dem Institut für animalische Physiologie, Theodor Stern-Haus, Frank- furt a. M.) i Mit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Juli 1920.) Über die Kräfte, welche bei der Kontraktion unserer eigenen Muskeln in Erscheinung treten, sind wir verhältnismäßig sehr viel weniger unter- richtet, als über die der üblichen physiologischen Versuchstiere, obwohl eine Kenntnis derselben von nicht unerheblichem praktischem Interesse wäre. Zwei Gründe scheinen hierfür vorzuliegen: Die Bevorzugung rein theoretischer Probleme von seiten der Physiologen und die Schwie- rigkeit unmittelbar an den Muskel des Menschen heranzukommen. Durch die Entwicklung der modernen Chirurgie ist dies zweite Hin- dernis zum Teil überwunden. Vanghetti und nach ihm besonders Sauerbruch haben Verfahren ausgebildet, um bei Amputierten die brachliegenden Muskeln für die Bewegung von Prothesen wieder nutz- bar zu machen, indem sie die Muskeln kanalisierten (Sauerbruch) oder Schlingen ausihren Endsehnen mit Haut auskleideten (Vanghetti), um sie mechanisch mit Teilen der Prothese zu verbinden. An solchen ar- mierten menschlichen Muskeln sind Bestimmungen über die Kraft und die Veränderungen derselben auf dem Verkürzungswege bei willkürli- licher, maximaler Innervation durch Bethe!) und neuerdings durch Schlesinger?) gemacht worden. Die zutage tretenden Kräfte waren aber verhältnismäßig gering, viel geringer als sie erwartet werden mußten. Bethe sieht als Gründe der geringen Kraft Schädigungen der Muskeln durch' die Amputation, veränderte Ernährungsbedingungen und ein ungünstiges Angreifen der Muskelfasern an dem durchgesteckten Stift an, wodurch reflektorische Hemmungen der eingeleiteten Kontraktion verursacht würden. 1) Bethe, A., Beiträge zum Problem der willkürlich beweglichen Prothesen. Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 31, S. 1002. 2) Schlesinger, Prof., Technische Ausnutzung der kinoplastischen Arm- stümpfe. Dtsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 10, S. 262. F. Franke : Kraftkurve menschlicher Muskeln bei willkürl. Innervation usw. 301 Es war daher jetzt praktisch wichtig geworden, die maximale Kraft und den Kraftablauf gesunder menschlicher Muskeln festzstellen, um ein genügendes Vergleichsmoment zu haben, wie weit die Muskeln durch die Operation und andere Umstände geschädigt sind. Neben diesem praktischem Interesse werden solche Feststel- lungen aber auch einen theoretischen Wert beanspruchen dürfen, da wir über alle Fragen der willkürlichen Innervation der Muskeln eigentlich nur am menschlichen Muskel sichere Aufschlüsse erhalten können. Bestimmungen über den Ablauf der Kraft gesunder menschlicher Muskeln auf ihrem Verkürzungswege fehlen bisher vollkommen. Die Forscher haben sich bei den in der Literatur vorliegenden Untersuchun- gen allein auf die Festlegung der Kraft an einem bestimmten Punkt beschränkt, nämlich auf die Bestimmung der sogenannten ‚„abso- luten Muskelkraft‘“. Über die Definition dieser Kraftgröße gehen aber die Ansichten recht erheblich auseinander. Eine einheitliche Auffassung gibt es nicht und viele Angaben leiden an einer großen Unklarheit. Es kann auch bezweifelt werden, ob aus den vielen Kraftgrößen, welche sich an ein und demselben Muskel bei stärkster Innervation feststellen lassen, ein bestimmter Wert ausgewählt werden kann, ohne eine Übersicht über sämtliche Kraftgrößen zu besitzen. Eduard Webert), auf den die Aufstellung des Begriffs „absolute Muskel- kraft‘ zurückgeht, ist dies offenbar schon ganz klar geworden. Er fußte nämlich auf den Untersuchungen von Schwann, der zuerst den Nachweis geführt hatte, daß die Kraft eines ausgeschnittenen Muskels nicht auf seinem ganzen Verkürzungs- wege gleich wäre, sondern mit der Verkürzung des Muskels abnimmt und schließ- lich bei größter Verkürzung Null wird. Offenbar schwebte ihm also vor, in der „absoluten Muskelkraft‘ die größte Kraft zu bestimmen, die der Muskel auszuüben imstande ist, und er bezog dieselbe, um verschiedene Muskeln miteinander ver- gleichen zu können, auf die Einheit des Muskelquerschnittes, d. h. den Quadratzentimeter der Querschnittsfläche. Diese Beziehung auf die Einheit des Querschnittes ist allgemein angenommen worden, nur daß man an Stelle des anfangs genommenen anatomischen Querschnittes, d. h. einen Schnitt senkrecht zur Zugrichtung des Muskels, später den physiologischen Querschnitt, d. h. einen Schnitt senkrecht zur Faserrichtung setzte. Worüber aber die Ansichten sehr weit auseinandergehen, war die Frage, bei welcher Länge man die „absolute Kraft‘ zu bestimmen hat und wie man sie zu bestimmen hat. Ed. Weber?) nennt die „absolute Kraft“ die Muskelkraft pro Quadratzenti- meter Querschnitt „beim Beginn der Kontraktion“. Wohin der Beginn der Kon- traktion aber zu verlegen ist, überließ er seinem subjektiven Ermessen. Seine Ver- suche führte er am Fußgelenk des Menschen folgendermaßen aus: Ein zwischen !) Weber, Ed., Bestimmung der Muskelkraft am Menschen. Wagners Handwörterbuch d. Physiol. Bd. III. 1846, 2)s. 8. 301 Anm. 1. 302 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln den Füßen der aufrechtstehenden Versuchsperson durchgesteckter Wagebalken war durch einfache Vorrichtungen so angebracht, daß der Kontraktion der Waden- muskeln durch das eigene Körpergewicht des Menschen und ein an dem Wagbalken angebrachtes verschiebliches Gewicht eine gleichgroße Gegenkraft entgegen- gesetzt werden konnte. Durch eine, wie später von anderen Autoren nachzuweisen versucht wurde, irrtümliche Berechnung der Hebelarme des Fußes sowie durch Bestimmung des Querschnitts der Wadenmuskulatur berechnete er die Kraft pro Quadratzentimeter. Die Stellung des Fußes, in welcher die Bestimmung vor- genommen wurde, war also die rechtwinklige! Von den vielen möglichen Stellungen wurde diese willkürlich ausgewählt. Ein Nachweis, daß bei dieser Stellung der Muskel seine größte Kraft besitzt, fehlt. Seine größte physiologische Länge besitzt er ja jedenfalls in dieser Stellung nicht. Feuerstein!) und Knorz?) übernehmen im wesentlichen die Webersche Definition, weichen jedoch in der angewandten Methodik nicht unwesentlich ab. Feuerstein stellt nur Versuche an Froschmuskeln an und kommt zu dem Schlusse, daß die „absolute Kraft‘‘ wächst mit zunehmender Spannung des Muskels, da- gegen macht er über das Verhalten der Kraft bei zu- oder abnehmender Länge des Muskels keine Angaben. Knorz untersucht an einer Reihe von kräftigen Männern die Kraft der Beugemuskeln des Armes bei genau rechtwinkliger Stellung des Unterarms zum Oberarm; er bestimmt vermittels einer einfachen Hebel- vorrichtung das Gewicht, das bei dieser Armstellung gerade noch gehoben werden kann. In derselben Weise mißt er die Kraft der Flektoren des Fußes bei genau rechtwinklig gebeugtem Fuße. Der Autor wählt also willkürlich eine bestimmte Gliedstellung als Ausgangspunkt für die Kraftbestimmung. Einige spätere Autoren machen in der Schärfe der Definition der absoluten Muskelkraft einen erheblichen Rückschritt, indem sie die Abnahme der Kraft auf dem Verkürzungswege des Muskels ganz vernachlässigen. So definiert Henke°) „absolute Muskelkraft ist diejenige Kraft, die ein Quadratzentimeter unter mitt- ieren Umständen ausübt‘. Auch bei einigen neueren Autoren ist die absolute Muskelkraft nicht die größte Kraft des Muskels, bezogen auf den Querschnitt, sondern die mittlere Kraft. Z. B. sagt R.”Fick?): „Die Kraft, die Spannung der Muskeln, ist proportional ihrem Querschnitte, und zwar beträgt sie für die mittlere Faserlänge und maximale Innervation rund 10 kg pro Quadratzentimeter.‘“ Den Be- griff der Spannung nimmt auch Herrmann?) in seiner Definition der absoluten Muskelkraft auf, indem er schreibt: „Die absolute Kraft eines Muskels läßt sich definieren als das Maximum der Spannung, welche derselbe erreichen kann, ohne seine natürliche Länge zu ändern.“ Sinngemäß würde es im Anschluß an die alte Webersche Definition sein, die größte Kraft pro Quadratzentimeter als die absolute Muskelkraft zu bezeichnen. Bei welcher Länge des Muskels diese vorhanden ist, kann. nur das Experiment entscheiden. Wenn einige Autoren (Bethe, Landois) sie an die Stelle der größten physiologischen oder der eben gespannten Länge verlegen, so hat dies wohl von 1) Feuerstein, Zur Lehre von der absoluten Muskelkraft. Diss. Tübingen 1889. ®2) Knorz, F., Beitrag zur Bestimmung der absoluten Muskelkraft. Diss. Marburg 1865. 3) Henke, W., Die Größe der absoluten Muskelkraft aus Versuchen neu berechnet. Zeitschrift f. rat. Med. Bd. 24, 8. 247. 4) Fick, R., Über die Arbeitsleistung der auf die Fußgelenke wirkenden Muskeln. Festschr. f. v. Kölliker. Leipzig 1892. 5) Herrmann, Zur Messung der \lluskeellneil & am Iikemschen. Pflügers Archiv %3. Bonn 1898. bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 303 vornherein einige Wahrscheinlichkeit, ist aber keineswegs bewiesen. Auch I. H. O. Reys!) nimmt als absolute Kraft die größte Kraft pro Quadratzentimeter an, ohne aber, wie dies wohl besser sein dürfte, eine bestimmte Muskellänge vor- auszusetzen. Er sagt: „Die absolute Kraft von Muskeln im Körper unter Einfluß des Willens ist die größte Kraft, die im Verlauf der Kontraktion in der Längs- richtung der Endsehne ausgeübt werden kann.‘ Seine Berechnungen haben aber, wie auch diejenigen anderer Autoren, den Mangel, daß den an den Versuchsper- sonen gewonnenen Kraftresultaten die Maße von anatomischen Präparaten zugrunde gelegt werden. Von den bisher gegebenen Definitionen erscheint am klarsten und eindeu- tigsten diejenige von OÖ. Frank?), welche besagt: „Als Kennzeichen für die ab- solute Muskelkraft ist das absolute Maximum einer Schar von Spannungskurven anzusehen.‘ Es fehlt in dieser Definition nur die Beziehung auf den Querschnitt. Ich selber möchte folgende Definition vorschlagen: Absolute Muskelkraft ist die maximale Kraft (Spannung) pro Quadratzentimeter der physiologischen Querschnitts- fläche, welche der Muskel bei maximaler Innervation und sünstigster Länge auszuüben imstande ist. Sie wird verschieden sein, je nachdem ob die maximale Innervation durch Einzelreize, durch künstliche tetanische Reize oder durch will- kürliche Innervation herbeigeführt wird. Auf welchem Punkt des Ver- kürzungsweges, d. h., bei welchem Grad der Dehnung das Maximum gelegen ist, kann allein das Experiment entscheiden. 1. Methodik. Der Ablauf der Kraftkurve zahlreicher menschlicher Gliederbewe- sungen wurde in einer früheren Arbeit von Prof. Bethe gemeinsam mit dem Verf.3) untersucht. Zur genaueren Auswertung der dabei beteilig- ten Muskelkräfte eigneten sich aber nur die Bewegungen im Ellbogen- selenk. Denn sowohl die Beuge- wie die Streeckmuskeln des Unterarmes haben einen zur Gelenkachse senkrechten Verlauf ihrer Kraftrichtung wodurch sich die Rotationsmomente ziemlich genau bestimmen lassen. Außerdem sind die Muskeln mit Ausnahme des M. triceps parallelfasrig gebaut, was für die Bestimmung des Querschnittes von erheblicher Be- deutung ist. Die Kraft bei maximaler Innervation und verschiedenen Winkelstellungen wird dadurch bestimmt werden können, daß man an einem bestimmten Punkte des Unterarmes eine Gegenkraft angreifen läßt, die mit der Kraft der Beuger bzw. Strecker im Gleichgewicht steht. Aus der Größe dieser Gegenkraft läßt sich, wie später dargelegt wird, die wirkliche Muskelkraft annähernd genau ausrechnen. Die Messungen 1) Reys, I. H. O., Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. Pflügers Archiv 1913. :2) Frank, O., Zeitschr. f. Biolog. Bd. 32, S. 370. 1895. 3) Bethe, A. und cand. med. Franke, Fr., Die Kraftkurven der indirekten natürlichen Energiequellen. Münch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 8, S. 201—205. 304 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln wurden mit demselben Apparate ausgeführt, den wir für die Messung der Muskelkräfte an Gesunden und Amputierten bereits früher mit Er- folg benutzt haben!). Der kräftige Hebel } (Abb. la u. b) ist fest mit einer starken Achse a ver- bunden, die möglichst genau mit Hilfe einer einfachen Zentriervorrichtung auf den Drehpunkt des zu untersuchenden Gelenkes eingestellt wird. An seinem freien Ende trägt der Hebel h eine Gabel, in welche der zur Kraftmessung bestimmte Gliedmaßenteil, in diesem Falle also der Unterarm, mit Hilfe gepolsterter Holz- kissen fest eingeklemmt wird. Auf der Achse a kann vermittels der Muffe f ein Mitnehmer m so aufgeschraubt werden, daß % und m jeden beliebigen Winkel = Zpn: Br (iR Z b „ 61-72° % b „ 9-95° 5 b ,„ 27—98° » a „ 73—114° 5 a „ %--125° 5 a ,„ 99—126° 29 T „ 115-140° ss rt „127—140° es rt „127—140° ') Berechnet nach den Messungen an den Röntgenaufnahmen der Ver- suchsperson Be. °) Für dieselbe Versuchsperson bestimmt am Holzmodell. ®) Direkt gemessen an einem anatomischen Leichenpräparat anderer Dimensionen. 312 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln 20 513 409 3,06 3,03 132 |\048| 0 0 20.40 60 80 700 120 140° Abb.5. Kurve der wirklichen Muskelkraft des Triceps für die 3 Versuchspersonen und bei ver- schiedenen Winkelstellungen. Für die Versuchs- person Be sind aus der Tabelle IT die ent- sprechenden Verkürzungen des Muskels (aus- gehend von 130°) zum Vergleich auf der Abscissenachse abgetragen. der Hebelarme herausgerechnet wurden. Hierbei ist zu berücksich- tigen, daß die Werte für den Hebel- armOb und( ce minimale sind und daß die wirklichen Kräfte wohl etwas größer anzuschlagen, sind, da der Muskel zum Teil auch an den kleinen Hebelarmen angreift. Abb.5 zeigt die erhaltenen Kraft- werte in Kurvenform; als Ordi- naten wurden die jeweilige Anzahl von Kilogramm und als Abseissen die zugehörigen Beugungswinkel aufgetragen. Sämtliche drei Kur- ven beginnen bei 10° Beugung mit einem geringen Kraftwert, steigen rasch bis zu ihrem teil- weise recht hoch gelegenen Maxi- mum an, bei 110° und in einem - Falle bei 120°, und zeigen dann einen ziemlich steilen Abfall bis zu ihrem Endwert bei 140°. In der Abb. 5 ist auch die Verkür- zung des Muskels für die Versuchs- person Be nach der Tabelle ITein- getragen. DieTabelle IT und Abb.5 geben eineAnschau- ung von der wınksiteihem Kraft des | Kricepse san seinem Verkürzungsweg. Bemerkenswert ist, daß das Maxi- mum der Kraft nicht bei der größten Länge des Muskels zu liegen scheint, sondern schon vor- her überschritten ist. 2e. Berechnung der Kraft der Beugemuskeln. Der Bestimmung der Kraft der Beugemuskeln stellten sich erhebliche Schwierigkeiten ent- gegen. Denn einmal ließ sich nicht ohne komplizierte Rech- bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 313 nung der Anteileinesjeden derfünf Beugemuskeln (Pronatorteres, Radialis ext. long., Brachialis int., Biceps und Supinator long.), an der Gesamt- kraft festsetzen und andererseits konnte. die Messung der Hebelarme an den Versuchspersonen mit Hilfe-des Röntgenverfahrens nur unvollstän- dig vorgenommen werden. Es wurden daher die Berechnungen, die O. Fischer!) bereits hierüber auf Grund von Messungen am Leichen- material angestellt hat, unseren eigenen Berechnungen zugrunde gelest. O0. Fischer gewann seine Resultate auf folgende Weise?): Er bestimmte an 4 normalen männlichen Leichen die Mittelpunkte des Ursprungs und der Ansatzfläche der genannten 5 Beugemuskeln. Ein nicht dehnbarer am Mittel- punkt des Muskelursprungs befestister Faden, der die Resultante der Kraft des Muskels darstellt, zieht durch eine im Mittelpunkt des Muskelansatzes an- gebrachte Öse, so daß die Verkürzungen des Fadens bei den verschiedenen Beugegraden des Armes direkt gemessen werden konnten. Aus den gemessenen Verkürzungen werden ‚die Rotationsmomente der 5 Muskeln, worunter die- jenige Kraft verstanden ist, welche am Hebelarm 1 rechtwinklich angreifend dasselbe leistet, wie der Muskel an seinem wirklichen Hebelarme und bei seiner Zugrichtung“ wie folgt erhalten. Konstruiert man sich für einen Muskel eine Verkürzungskurve in der Weise, daß als Abscissen Strecken angenommen werden, welche durch ihre Länge die Anzahl der Beugegrade ausdrücken, und als Or- dinaten die Größen der Verkürzungen, welche der Muskel von der äußersten Strecklage bis zu der jeweiligen Beugelage eingegangen ist, und konstruiert man dann in jedem Punkte der Kurven die Targente an dieselbe, so ist das Rotationsmoment des Muskels für diesen Punkt der Kurve proportional mit der trigonometrischen Tangente des Winkels, den diese konstruierte Tangente mit der Abcissenachse bildet. Dabei ist zunächst immer die Kraft als konstant und gleich 1 (1 kg) vorausgesetzt und der Querschnitt als 1 (1 qcm) angenommen. Bei letzterer Annahme stellen die Rotationsmomente nichts anderes dar als die wirksamen Hebelarme der einzelnen Muskeln bei jedem Beuge- grad. Die Größe dieser Hebelarme deckt sich aber nicht ganz mit der von uns auf rechnerischem Wege gefundenen. Dagegen liefern die Rota- tionsmomente,’die unter Zugrundelegung des wirklichen Muskelquer- schnitts, den Fischer ebenfalls an Leichen bestimmte, und der von Hermann übernommenen Annahme einer dem Quadrat der Ver- kürzung proportionalen Abnahme der Muskelkraft gewonnen werden, eine gute Übersicht über den Anteil der einzelnen Beugemuskeln an der Gesamtbeugekraft (siehe Fischer, Tabelle S. 304). Daher konnte diese Tabelle derart benutzt werden, daß bei den verschiedenen Beuge- winkeln der prozentuale Anteil des M. brachialis und biceps), der bei- den einzigen Muskeln, die wir für unsere Berechnungen in Betracht zogen, aus der Summe sämtlicher Rotationsmomente bestimmt wurde (Tabelle IV, Spalte2 und 6). Nach den hierbei gefundenen Prozentzahlen wurden die entsprechenden mit dem Dynamometer am Hebelarm von 1) s. 8. 306 Anm. 2 2) Ebenda S. 305. ®) Der M. biceps wurde von mir als ein Muskel aussah, während Fischer beide Köpfe getrennt behandelt. 314 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln 150 mm gemessenen Beugewerte (Abb. 2) reduziert und folgende Kraft- maße für Biceps und Brachialis erhalten (Tab. IV, Spalte 3—5 u. 7—9). Tabelle IV. Anteil des Brachialis und Biceps (berechnet nach Fischer) an der bei den verschiedenen Winkelgraden am Dynamometer gefundenen Gesamt- beugekraft des Armes. 5 Brachialis Biceps Grad a Be. DE Din ne Be. Di. a 10 45,4 all 7ER 35,9 5,7 8,9 6,1 20.8 253 99 | 115 148 35,0 8.4 9,8 6,6 A000 3150 9,8 10,5 7,1 35,7 10,7 oM 8,2 60 | 30,7 I EG 8,9 319 .. | 12.9: 2135 11018 80 32,5 11,4 »| 13,0 11,0 32,0 11,22 51038 10,8 90 33,5 11202191. 1,.190 30,7 1042 2 1108 at 110 34,3 10,3 86 | 126 28,4 8,5 za 1085 120 33,5 6,4 Sn 29,1 5,5 46 | 96 130 || 34,9 3,5 31 8,7 29,6 2,9 2,6 7.4 2d. Berechnung der. wirklichen Kraft, des Biceps und Brachialis. Für die Berechnung der Muskelkräfte des Biceps und Brachialis mußten zunächst die recht komplizierten Verhältnisse der beiden Mus- keln stark vereinfacht werden. Es wurden analog der Fischerschen Methode die Mittelpunkte!) des Muskelursprungs und Ansatzes durch eine Grade verbunden und diese als Richtung der Resultante der Muskel- kraft angenommen. Für den Ursprung des Brachialis wurde ein Punkt unterhalb der Tuberositas deltoidea in 9 cm Entfernung vom Epicondylus lateralis und für den Biceps ein Punkt des Caput humeri 30 em vom Epicondylus lateralis entfernt angenommen. Die Länge der Hebel- arme der beiden Muskeln an den Unterarmknochen sind bereits ange- geben (Tabelle Id und e. ) Die Größe der wirksamen Hebelarme bei ver- schiedenen Beugegraden wurde durch folgende Rechnung gefunden: a) Brachialis. In Abb. 6a sei d = der Entfernung des Gelenkmittelpunktes von der Mitte des Muskelursprungs. d — dem am Röntgenbild gemessenen Hebelarm des Brachialis (reduziert). 9 = dem zu bestimmenden Winkel zwischen Resul- tante der Muskelkraft und Oberarm. &%—Ö0 — dem gemessenen Beugewinkel, vermindert um den am Röntgenbild bestimmten Winkel (Tabelle 1, Abb. 3). h = dem zu berechnenden wirksamen Hebelarm. 1) Daß dies zulässig ist, hat Dr. Steinhausen rechnerisch festgestellt. Er gedenkt, hierauf in einer besonderen Arbeit einzugehen. bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 315 Es ist jetzt 1. tgp — . y=d-sin(x —0Ö): a c=d-.cos(x — Ö); d- cos(x — 6) + b b-sinp. 2 tgy = 3 h | b) Biceps. In Abb. 6b seid, = der Länge der Humerusachse zwischen den beiden Gelenkmittelpunkten. n — der senkrechten Entfernung des Ansatzpunktes des Biceps von der Humerusachse. e— dem am Röntgenbild gemessenen Hebelarm des Biceps. 9, — dem Winkel zwischen der verlängerten Muskel- kraftresultante und der Oberarmachse. X—e — dem gemessenen Beugewinkel vermindert, um den am Röntgenbild gemessenen Winkel (Ta- belle I). h = dem gesuchten wirksamen Hebelarm. Es ist jetzt: Yı f 1. tgQ, Eu, \ y =e-sin(& — e; % =e-.cos(@ — E); u Be en nn Yı | a n-|b, +e-cos(a — e)]| e-sn(x -—e) —n 5, en e-sin(& — e) e-cos(x —e)+b, 4 a Die Größe der auf diese Weise gefundenen Hebelarme für Biceps und Brachialis weicht nicht unerheblich von der ab, die OÖ. Fischer durch seine Berechnungen erhielt. Die wirklichen Muskelkräfte nun, die an diesen Hebelarmen wirk- sam sind, lassen sich analog dem Verfahren beim M. triceps nach folgen- der Gleichung errechnen: Hebel 150 mm wirkliche Muskelkraft (kw) wirksamen Hebel des Muskels (h); Kraft am Hebel 150 mm (kb) ' kw = 150 - kb 7 Folslich: \ 316 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln Für kb wurden die entsprechenden in Tabelle IV niedergelesten, be- reits umgerechneten Kraftwerte eingesetzt. Für die 3 Versuchsper- sonen ergaben sich dann folgende Kurvender wirk- lichen Muskelkräfte (Abb. 7a und b). In den beiden Abbildungen sind wiederum als Abscissen die Winkelgrößen und als Ordinaten die zugehörigen Muskelkräfte eingetragen. Die Kraftkurven des Bi- ceps zeigen, von einer klei- nen Abweichung abge- sehen, eine gleichartige Tendenz. Nach einem stei- Abb. 6a u.b. a Schema zur Berechnung der Hebelarme des Brachialis. b Schema zur Berechnung der Hebelarme 5 des M. Biceps. an len Anstieg von einem kg — 130 =? 130 720 720 \- 110 770 700 700 90 80 .0° 20 40 60 80 100 120 140° 0° 20 40 60 80 700 120 140° a b R Abb.7au.b. a Kurve der wirklichen Muskelkraft des M.brachialis für die 3 Versuchsper- sonen und bei verschiedenen Winkelstellungen. b Kurve der wirklichen Kraft des Biceps für die 3 Versuchspersonen und bei verschiedenen Winkelstellungen. bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 317 relativ hohen Anfangswert erreichen sie sämtlich bei 20° ihr Maxi- mum, um dann mehr oder weniger rasch abzufallen Während nun die Kurven Be. und Di. dicht nebeneinander herziehen, zeigt die Fr. Kurve einen erheblich flacheren Verlauf. Daß der Wert nicht bis auf Okg absinkt, was bei wollkommener Kontraktion doch zu erwarten wäre, liest an der Schwierigkeit, über 130° Beugung hinaus noch einigermaßen genaue Messungen am Dynamometer anzustellen. Andererseits ist die beträchtliche Höhe des Maximums bei 20° dadurch bedinst, daß bei diesem Winkelgrad der kleinste Hebelarm des Biceps in Rechnung gesetzt werden muß, der ungefähr gleich groß ist dem Ra- dius der Gelenkrolle plus aufliegenden Weichteilen. Letztere Größe kann wegen der zu großen Schwierigkeiten nur annäherungsweise bestimmt werden. Daß die Bicepssehne durch die Gelenkrolle am freien Zug be- hindert war, kam nach eingehenden Betrachtungen am anatomischen Präparat nur für die Winkelgrade von 1—20° in Betracht. Dagegen spielt die Behinderung des freien Muskelzuges durch die Gelenkrolle eine größere Rolle beim Brachialis. Wenn man auf Grund verschiedener Messungen für den Durchmesser der Gelenkrolle einen Mittelwert von 14—15 mm annimmt, so ergibt sich, daß der freie Mus- kelzug erst bei einem Beugungswinkel stattfinden kann, der nahe an 40°, in einem Falle (Kurve Di,. Abb. 7a), sogar über 40° liest. Wegen der durch ungenaue Größe des Hebelarms, der für die Beugegrade bis 40° in Frage kommt, bedingten Unsicherheit der Kraftwerte sind die be- treffenden Kurvenabschnitte in Abb. 7a schwächer ausgezogen. In ihrem Gesamtverlauf zeigen die Kurven des Brachialis Be. und Di., nachdem sie gemeinsam mit der Fr. Kurve ihr Max’'mum erreicht haben (auch hier scheint das Maximum der Kraft nicht bei der größten physiologischen Länge des Muskels gelegen zu sein), einen von letzterer verschiedenen Verlauf, denn während die beiden erstgenannten Kurven steil und gleichmäßig abfallen, zieht die Kurve Fr. bedeutend flacher dahin und zeigt auch in ihrem Anfangsteil erheblich niedrigere Ordinatenwerte. Diese Abweichung der Kurve Fr. vom typischen Ver- lauf sowohl bei M. biceps und M. brachialis ist natürlich eine Folge des atypischen Verhaltens der entsprechenden Aufnahmekurve (Abb. 2a). 3. Bestimmung des Querschnittesund derabsoluten Muskel- kraft. Den Querschnitt der von uns behandelten Muskeln der drei Versuchs- personen zu bestimmen ist natürlich nur möglich mit Hilfe eines Ana- logieschlusses, wozu folgender Lehrsatz eine Handhabe bot: Ähnliche Flächen verhalten sich zueinander wie die Quadrate homologer linearer Größen. Es mußten sich also die meßbaren Querschnittsflächen der genannten Muskeln irgendeines ähnlichen Leichenarmes zu den ent- 318 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln sprechenden Querschnitten der Muskeln der Versuchspersonen verhalten, wie das Quadrat des Umfanges des Leichenarmes zum Quadrat des Um- fanges des Armes der Versuchsperson. Durch den rechten Oberarm einer kräftigen männlichen Leiche von ca. 30 Jahren, die mit starkem Formol frisch injiziert war, wurden 11 Schnitte senk- recht zur Oberarmachse, Il cm vom Acromion beginnend, in je 2em Abstand voneinander gelegt. (Der Arm befand sich in Streckstellung; die Länge des Ober- arms betrug 30 cm.) Die erhaltenen 9 Scheiben wurden sorgfältig gereinigt und die Umfänge derselben gemessen. Darauf wurde jede Scheibe so vor die Linse des photographischen Apparates und zwar in horizontaler Lage gebracht, daß ihr Bild in natürlicher Größe auf der Mattscheibe erschien. Diese wurde nun gegen eine mit mattiertem Gelatinepapier überzogene Glasplatte ausgewechselt und darauf die Konturen der Muskelquerschnitte nachgezeichnet. Die Zeichnungen wurden auf Millimeterpapier übertragen und durch Auszählen der Quadrate der Inhalt der einzelnen Flächen bestimmt. Auf diese Weise konnte für jeden der 3 Muskeln Biceps, Triceps und Brachialis der größte anatomische Querschnitt festgestellt werden. Nach der bereits oben erwähnten Proportion: Muskelquerschnitt der Leiche Muskelquerschnitt der Versuchsperson (Umfang des Leichenarmes®? _(Armumfang der Versuchsperson)? wurden für den Biceps und Brachialis die in Tabelle V angegebenen Werte gefunden. Tabelle V. Berechnung des Querschnittes der Mm. Triceps, Biceps und Bra- chialis bei den 3 Versuchspersonen. reihe 2 Präparat Be. | Di. Fr. Umfang des Armes 30 ) 26 n) 23 ) ı 259) N = 26°) 24°) 25 °) 23%) X a2, icieens I2200012°20:3.., 25,10, sale =5£ Biceps 11,5 Sa OR 79 | 5 Brachialis 110,94. 10900086 Der anatomische Querschnitt des Biceps und Brachialis kann ohne weiteres auch als physiologischer Querschnitt angesehen werden, da diese Muskeln fast vollkommen parallelfaserig sind. Für den Tri- ceps trifft dies nicht zu; eine Berechnung des physiologischen Quer- schnitts würde wegen des sehr verwickelten Faserverlaufs nur auf Grund ausgedehnter Spezialforschungen möglich sein. Es wurde daher vorläufig der anatomische Querschnitt der Berechnung zugrunde ge- legt, wobei ich mir dessen voll bewußt bin, daß die gewonnenen Zahlen sroße Fehler enthalten können. Zur Bestimmung der absoluten Muskelkraft muß der eingangs gegebenen Definition folgend. die größte im Verlauf der Kontraktion aufgetretene Kraft der in Betracht gezogenen Muskeln auf die Quer- 1) In Höhe des größten Querschnittes des Triceps und Biceps. °) In Höhe des größten Querschnittes des Brachialis. bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 319 schnittseinheit lcm? reduziert werden. Die größte Kraft liegt, wie ge- sagt, bei allen untersuchten Muskeln nicht bei der größten Länge, die auf ihrem physiologischen Wege erreicht wird, wohl aber in deren Nähe. Es wurden im einzelnen die in der Tabelle 6 zusammengestellten Werte gefunden. Das Maß der absoluten Muskelkraft schwankt in den einzelnen Versuchen und bei den verschiedenen Muskeln zwischen 8,9—19,8 kg. Hierbei ist nun zu berücksichtigen, daß die hohen Werte für M. triceps, die bei den 3 Versuchspersonen etwa 50% höher liegen als die Zahlen für die Beugemuskeln, vielleicht zurückzuführen sind auf die nicht genau mögliche Querschnittsbestimmung.desM. triceps. Die Zahlen scheinen dafür zu sprechen, daß die absolute Kraft pro Zenti- meter individuell verschieden ist. Um das bestimmt behaupten zu können, müßten allerdings noch.mehr Versuche vorliegen. Tabelle VI. Maß der absoluten Muskelkraft bei den 3 Versuchspersonen für die Mm. Biceps, Brachialis und Triceps. a | Fr. | Mittel | Mittel Be. | gesamt | Beuger Trieeps | 16,8 |17,9 | 19,8 | | Biceps 11,4 | 12,4 | 8,9 Ina Brachialis | 12,1 |12,5 | 97 wo o1d 34 ur 4Jıy7 | N 111 Ein Vergleich mit den von früheren Autoren bestimmten Werten für die absolute Muskelkraft zeigt, daß diese wesentlich niedriger sind als die von mir gefundenen Zahlen: So geben als Maß der Muskelkraft des Menschen pro Quadratzenti- meter an: Weber 0,831 kg Hermann 624m, Henke 6—8 ,, Knorz 5,9 , . (Fußmuskeln) 8,12 , (Armmuskeln) Fick A. 10 5 4. Verhältnis der direkt bestimmten Kraftkurven des Arms zu den errechneten Kraftkurven der Muskeln. Nach einer Annahme von O. Fischer!) wird durch das Angreifen der Muskeln an wirksamen Hebelarmen von zunehmender Länge der schnelle Kraftabfall der Muskeln ausgeglichen. Es würde also z. B. beim Biceps bis zu den Beugungsgraden, bei welchen die wirksamen Hebelarme an Länge wieder abnehmen, die sehr schnell mit der Ver- kürzung abfallende Kraft des Muskels in eine einigermaßen gleichmäßige äußere Kraftentfaltung des Unterarmes verwandelt. Fischer ist in 1) Kgl. sächs. Ges. d. Wiss. Abt. III, 15. 1889. 320 F. Franke: Die Kraftkurve menschlicher Muskeln die experimentelle Prüfung dieser Annahme nicht eingetreten; auch von anderen Seiten ist dies, soweit uns bekannt ist, nicht geschehen. In- wieweit die Fischersche Hypothese für die Muskeln des menschlichen Oberarms zutreffend ist, zeigt die Abb. 8a und b. In derselben ist für den Biceps (8a) und für den Tri- ceps (Sb) die direkt am Apparat gemessene Kraftkurve (vgl. Abb. 2a und b) eingetragen und im Vergleich dazu die Kurve, welche zustande kommen würde, wenn der Muskel für den Zentimeter Verkürzung gleichgroße Winkelbewegungen des Unterarms bewirken würde, also mit dieser Endsehne über eine Rolle von gleichbleibendem Hebel- arm liefe. Man ersieht aus den Kurven, daß zwar ein vollkommener Aussleich der Kraft durch das an- sewandte Hebelsystem nicht er- reicht wird, daß aber doch die Kraft des Muskels sehr viel gleichmäßiger ee a) Biceps, b) Triceps. Das Maximum der Kraft ist, besonders beim Biceps, vom Anfang zur Mitte hin verschoben, so daß die größte äußere Kraft nicht dort vorhanden ist, wo der Muskel selbst seine größte Kraft ausübt, sondern an einer Stelle, wo die Kraft des Muskels schon sehr beträchtlich gesunken ist. Andererseits ist in der Nähe des Endpunktes des ausgenützten Ver- kürzungsweges die nach außen wirkende Kraft immer noch sehr beträcht- lich, während (die des Muskels schon sehr gering geworden ist. Es ist dies eben dadurch möglich, daß am Anfang der Verkürzung durch kleine Längenänderungen sehr viel größere Winkelbewegungen bewirkt werden als am Ende. Ein vollkommener Ausgleich, wie er wohl Fischer vorgeschwebt hat, würde technisch schwer erreichbar sein und eskann sogar fraglich er- scheinen, ob er besonders nützlich wäre. Tatsache ist, daß wir mit dem Arm die größten Beugespannungen in einem Winkelbereich von etwa 15—80° anwenden, die größten Stemmspannungen dagegen in einem Bereich von 110—60°, also dort, wo die größten Drehmomente vorhan- den sind. Vielleicht ist dies nichts weiter als eine Anpassung an eine nicht ganz vollkommene Einrichtung; möglicherweise ist es aber auch so zu verstehen, daß in den anderen Winkelbereichen ein kleineres Dreh- moment für den Organismus von geringerem Interesse ist, wenn da- 0 20 4% 60 680 700 7120 140° bei willkürlicher Innervation und die Frage der absoluten Muskelkraft. 321 durch in den wichtigsten Winkelbereichen größere Drehmomente ge- wonnen werden. Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Prof. Bethe meinen besten Dank für die Anregung zu dieser Arbeit und seine dauernde Beratung während ihrer Ausführung aussprechen. Auch Herrn Dr. med. et phil. Steinhausen bin ich zu großem Dank für seinen liebenswürdigen Rat besonders bei der Behandlung einiger mathematischer Fragen ver- pflichtet. Zusammenfassung. Mit einem besonders konstruierten Dynamometer wurde die Kraft des menschlichen Unterarms an 3 Versuchspersonen und verschiedenen Beugunssgraden (von 0—140°) bei maximaler Innervation bestimmt und zwar sowohl der Beugung wie der Streckung. 2. Aus den so erhaltenen Kraftkurven der maximalen Innervation lassen sich beim Triceps die entsprechenden Kräfte des Muskels unter Zugrundelesung der Hebelverhältnisse berechnen. Die größte Kraft bei der günstigsten Versuchsperson und dem günstigsten Winkel (120°) betrug 449 kg, bei den beiden anderen Versuchspersonen lag das Maxi- mum bei 110° und betrug 341 bzw. 372 kg. 3. Der Kraftablauf des Biceps und Brachialis wurde unter Zugrunde- lesung der Zahlen von O. Fischer und eigener Berechnungen bestimmt. Die maximale Kraft des Biceps lag bei allen Versuchspersonen wie auch beim Brachialis nicht bei der größten physiologischen Länge des Muskels, sondern bei einem — allerdings nicht um viel — geringeren Verkürzungs- grade. Bei beiden übereinstimmend bei etwa 20° Beugung. Die maximale Kraft betrug beim Biceps nach der Berechnung bei den 3 Versuchs- personen 70, 95 und 133 kg, beim Brachialis 83, 114 und 127 kg. 4. Der Begriff der absoluten Muskelkraft wird an der Hand der Literatur diskutiert und folgende Definition als die zweckmäßigste hingestellt: „Absolute Muskelkraft ist die maximale Kraft (Spannung) pro Quadratzentimeter der physiologischen Querschnittsfläche, welche derMuskel bei maximalerInner- vation und günstigster Länge auszuüben imstande ist.“ Diese günstigste Länge wurde in Absatz 2 und 3 durch den entsprechenden Winkel ausgedrückt. 5. Der anatomische Querschnitt der benutzten Muskeln wurde durch ein einfaches Vergleichsverfahren berechnet. Beim Biceps und Brachia- lis deckt sich der anatomische Querschnitt mit dem physiologischen. Es berechnete sich die absolute Kraft des Biceps bei den 3 Ver- suchspersonen zu 12,4; 11,4 und 8,2 kg; des Brachialis zu 12,5; 12,1 und 9,7 kg pro Quadratzentimeter, im: Durchschnitt also zu Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 184. Dat: 322 F. Franke: Kraftkurve menschlicher Muskeln bei willkürl. Innervation usw. 1l,1kg. Dieser Wert liegt höher als die bisher in der Literatur an- gegebenen Zahlen. 6. Für den Triceps läßt sich der physiologische Querschnitt nicht berechnen. Pro Quadratzentimeter des anatomischen Querschnittes betrug die absolute Muskelkraft bei den 3 Versuchspersonen 19,8; 17,9 und 16,8 kg. 7. Dadurch, daß die Muskeln an Hebeln angreifen, deren wirksamer Hebelarm sich mit der Verkürzung des Muskels, wenigstens auf dem größten Teil des Verkürzungsweges vergrößert, wird, wie dies ©. Fi- scher angenommen hat, die abnehmende Kraft des Muskels im äußeren Effekt bis zu einem gewissen Grade ausgeglichen. Autorenverzeichnis. Amsler, C. und E.P. Pick. 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