25 X 2x BE DREH SENSRER a Ir x ee " m ER ne » hr he * PR 3 u* EAELOLLELNN * are ER N KUH FR Arie ig Pr \ ERKEN 9 { er Ah am er Hi ® ur “ar ah CN An AR ek Data N ame . N %,* ehe, Tarahı BEE ERPSESE, FA EEE ” we DER EHE FE SSRRHIRTIERTRISRN VELERRER RITTER HT b NR re RN RR RL NOIR ENEN R “arg PEN L) 4% CN hL0K> % h [) DI “ ur4s N ' HERK, er role N) ) \ Ne I “ Per, BER your L ER hi “ Baree tue} Hr at are 1, v Rs R are « u Ki [ % RX ne 8 “ “re «: © u PFLÜGER' ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A. S. FRANKFURT A.M. KIEL 191. BAND MIT 111 TEXTABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1921 Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig Inhaltsverzeichnis. Seite Lipschitz, Werner und Alfred Gottschalk. Die Reduktion der aroma- tischen Nitrogruppe als Indikator von Teilvorgängen der Atmung und der Gärung. — Eine Methode zur vergleichend-quantitativen Bestim- mung biologischer Oxydo-Reduktionen. I. Mitteilung. Versuche an at- menden Zeen) .(Mit 12 Textabbildungen) . . f 1 — — Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe als Indikator - von Teil- voreängen der Atmung und der Gärung. II. Mitteilung. Versuche an gärenden Zellen. (Mit 10 Textabbildungen) . . . 33 — und Günther Hertwig. Erhaltung der Funktionen aerober Zellen bei Ersatz des freien Sauerstoffs durch chemisch gebundenen: „Pseudo- anoxybiose“. 3. Mitteilung. Versuche an Spermatozoen. (Mit 2 Text- abbildungen) .. er dl Einthoven, W. Über are Beobachtung und Abbildung ner Häden. (Mit 13 Textabbildungen) ... . NE: > us Pr a 0) v. Kühlewein, Maite. Cholin als Hormon der Damnberemmme. V. Mit- teilung. Experimentelle Therapie der Magen-Darmlähmung nach COhloro- formnarkose. (Mit 6 Textabbildungen) . . 99 Bilski, Friedrich. Über den Einfluß des Snnrarenins auf das Wachstum der Kaulquappen ... De E08 Meyerhof, Otto. Die em andlmeen im Muskel. V. Mitteilung. Milchsäurebildung und mechanische Arbeit. (Mit 17 a 128 Winterstein, Hans. Zur Kenntnis der Totenstarre . . 184 Weber, Hans H. Die Lösung der Muskelstarre und die Bezönuneen zwi- schen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. (Mit 6 Textabbil- dUN SEN) I ee er. een 180 Voelkel, Hermann. Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. (Mit 7 Textabbildungen) . . 200 . Schönfeld, Herbert. Der Kreatingehalt des Froschmuskels i im ande der en Diatren 211 Parrisius, Walter. Zur Frage der "Contractilität der menschlichen Haut- capillaren. (Mit 7 Textabbildungen) . . . 217 Reijs, I. H. 0. Über die Veränderung der Kraft w 'ährend der Bew egung. (Mit 11 Textabbildungen) . . . 234 Abderhalden, Emil und Ernst W ertheimer. Weitere Beiträge zur Germain von snenmischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. Mit- teilung. (Mit 3 Textabbildungen) . . { 258 — Wase Beiträge zur Kenntnis von dien Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VIII. Mitteilung. Versuche an Meerschweinchen. (Mit 15 Textabbildungen) . . . 278 Lennartz, Ernst. Die Reaktion der Capillaren air mechanische Reize eh Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. (Mit 2 Textabbil- nsen) . 8 NN ER RE EEE BETEN) Autorenverzeichnis . EL EEE ER RER SEE a ER EN DZ U Rural, I) hit ANNE, BR \: ER Ne } ” AN DRANG 5 ae Ian N UI (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt a. M.) Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe als Indikator von Teilvorgängen der Atmung und der Gärung. — Eine Methode zur vergleichend - quantitativen Bestimmung biologischer Oxydo- Reduktionen !!). I. Mitteilung. Versuche an atmenden Zellen. Von Priv.-Doz. Dr. Werner Lipschitz und Dr. Alfred Gottschalk. (Ausgeführt mit Unterstützung der Oscar Löw Beer-Stiftung der Senckenbergi- schen Naturforschenden Gesellschaft). Mit 12 Textabbilduneen. (Eingegangen am 14. Mai 1921). In früheren Untersuchungen?) hatte sich gezeigt, daß der Giftwirkung der aromatischen Nitroverbindungen — sowohl was ihr Methämoslobin- bildungsvermögen als ihre Zellgiftigkeit betrifft — ihre Reduktion zu P-Phenylhydroxylaminen zugrunde liest, und daß der mit dieser Re- duktion kausal verknüpfte Dehydrierungsvorgang der physiologischen Zellatmung entsprechen kann; wie diese ist er an die Zellstruktur ge- bunden, narkotisierbar, blausäureempfindlich usw. Besonders deutlich war das gerade auch‘ in Versuchen an Froschspermatozoen geworden, die ergaben, daß die verschiedenartigsten Gifte (Narkotica, Nikotin, Saponin) in atmungssteigernden Dosen den Reduktionsumfang und damit die Giftigkeit der Nitrokörper steigern. Die weitgehende Übereinstimmung also, die, wie schon früher prinzi- piell festgestellt, steigernden oder lähmenden Einflüssen auf die Reduk- tion des m-Dinitrobenzol zu m-Nitrophenylhydroxylamin und die von anderen Autoren studierte Zellatmung zukommt, ließ eine genauere Untersuchung des Hemmungsverlaufs und der hemmenden Grenzkon- !) Ein Teil der diesen Mitteilungen zugrunde liegenden Versuche wurde in der Sitzung der vereinigten physiologisch-pharmakologischen Sektion auf der 86. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Nauheim vorgetragen. ®) W. Lipschitz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 109, H. 5. 1920; ‚„Der Zusammen- hang von Zellatmung und Giftwirkungen‘“. Med. Klinik Nr. 49. 1920. —G. Hert- wig u. W. Lipschitz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 275. 1920. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 1 2 W. Lipschitz und A. Gottschalk: ad zentration von Narkoticis, Blausäure usw. lohnend erscheinen, um den Beweis der Nitroreduktion als Atmungsindikator weiterzuführen. Die Versuche ergaben, daß neben den bisher immer bilanzmäßig verfolgten Faktoren der Zellatmung: Sauerstoffzehrung und Kohlensäureproduk- tion sich der zuerst von H. Wieland!) in den Vordergrund gerückte, vielleicht wesentlichste Faktor: die Wasserstoffwanderung zu ver- gleichend-quantitativen Untersuchungen besonders gut eignet. Die Benutzung eines verküpenden Farbstoffes wie des so vielfach gebrauchten Methylenblaus als Wasserstoffakzeptor erschien von vorn- herein wenig aussichtsvoll, weil die Reduktionsversuche bei Sauerstoff- abschluß in Vakuumröhren, also unter komplizierten Verhältnissen vor- genommen werden müssen, wie das Thunberg?) kürzlich angegeben hat. Noch weniger glücklich scheint die Versuchsanordnung von Roger?) der zu einer Organaufschwemmung in 0,5proz. Natriumbikarbonat- lösung ohne Ausschluß von Luftsauerstoff mehrmals 3 Tropfen 2 proz. Methylenblaulösung hinzufügt und die Dauer kompletter Entfärbung bei 38° mißt. — Eine ganz inadäquate Meßmethode reduktiver Zell- prozesse endlich scheint es zu sein, wenn von anderer Seite?) die Höhe der Flüssigkeitssäule von in der Zeiteinheit entfärbter Methylenblaulösung (in cm) bestimmt wird. — Vor allem aber sind quantitative Untersuch- ungen mit Hilfe dieses Indikators theoretisch deshalb anfechtbar, weil Meyerhof) eine Steigerung des Gaswechsels von Zellen durch Methylen- blau und einen dabei weitgehend veränderten Oxydationsmechanismus nachgewiesen hat: Der reversibel reaktionsfähige Farbstoff Methylen- +B, blau = Methylenweiß übt nämlich wahrscheinlich seine atmungs- +0 steigernde Wirkung katalytisch als Sauerstoffüberträger aus, nimmt also z. T. die Rolle des Atmungsfermentes ein und macht in dieser Eigen- schaft den Oxydationsvorgang gegenüber z. B. Blausäure unempfind- licher, als es dem physiologischen Geschehen entspricht. — Auch andere in diese Richtung weisende Beobachtungen liegen vor: Palladin und Mitarbeiter®) stellten nach Methylenblauzusatz häufig eine starke Ver- mehrung der CO,-Produktion von Pflanzenteilen fest. Thunberg’) fand eine nicht ganz unerhebliche und durch Salzzusatz gesteigerte Methylenblau-,,Restreduktion“ wasserextrahierter Froschmuskulatur und wies ferner für das System Bernsteinsäure + Methylenblau 1) Ber. d. Dtsch. Chem. Ges. 45, 484 u. 2606; 46, 3327; 4%, 2085. 2) Skand. Archiv f. Physiol. 35, 165. 1918; 40, 1. 1920. 3) Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 83, 1377. 1920; Presse med. Jg. 28, Nr. 84, 825. *) A. H. Drew, Brit. journ. of exp. pathol. 1, Nr. 2, S. 115. 1920. 5) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%0, 378. 1918. 6) Biochem. Zeitschr. 35, 1. 1911. ?) Joe. cit. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. 3 wasserextrahierte er en ae Humarsäure an Methylenweiß nach, daß durch HCN zwar die Oxydation der Bernsteinsäure, also der Verbrauch von gasförmigem Sauerstoff gehemmt wird, nicht aber die Reduktion des Farbstoffes. Die Unbrauchbarkeit des Methylenblaus als Atmungsindi- kator wird darüber hinaus durch die Tatsache bewiesen, daß es nach Ausschaltung aller fermentativer Prozesse rein chemisch durch Zell- bestandteile reduziert wird, so durch die in allen Organen auch post- mortal vorhandene Cysteingruppe [Heffter]t), durch Mischungen von - Globulin und Albumin [Roger|?), durch schwach alkalische Lösungen von Aminosäuren und Glucosamin oder durch alkoholische Extrakte viele Tage alter menschlicher Wasserleichenteile[ Loewe]?). Durch nichts aber werden die besonderen Schwierigkeiten, die aus der Verwendung des Methylenblaus zum Studium des ‚intermediären Stoffwechsels und der dabei wirksamen Enzyme‘ ?) sich ergeben, klarer als durch den Be- fund Thunbergs, daß Maleinsäure zwar schon in kleinsten Mengen deletär auf den physiologischen Gaswechsel wirkt, daß sie aber die „Hydrogenotransportase‘ wasserextrahierter Muskulatur gegenüber Methylenblau kräftig reaktiviert. All diese Unstimmigkeiten fehlen weitgehend dem vitalen Reduk- tionsvorgang, der das farblose Dinitrobenzol irreversibel in das rein gelbe m-Nitrophenylhydroxylamin überführt und der durch die Farbinten- sität, also Konzentration der entstandenen gelben Hydroxylaminlösung mit größter Leichtigkeit sich kolorimetrisch quantitativ verfolgen läßt. Demgemäß ließ sich von den Thunbergschen auffallenden Befun- den weder die für den Atmungsvorgang nach ihm ausschlaggebende Rolle der sterischen Verschiedenheit von d- und l-Weinsäure) mit unserem Atmungsreagenz bestätigen, — Traubensäure war gegenüber wasser- extrahierter Muskulatur überhaupt kaum wirksam; — noch das Resti- tutionsvermögen von Brenztraubensäure und Maleinsäure®). Auch die theoretischen Erörterungen von Thunberg bezüglich der stets unvoll- ständigen Fumarsäurewirkung‘), die nach seiner Auffassung in einer dehydrierungsartigen Bildung von Acetylendicarbonsäure und dem Ein- tritt folgender Gleichgewichtslage besteht: Fumarsäure — Methylen- blau < 7 Acetylendicarbonsäure + Methylenweiß, entbehren der experimentellen Begründung, nachdem sich in unseren Versuchen feststellen ließ, daß das gleiche gegenüber der Bernsteinsäure vermin- derte Restitutionsvermögen der Fumarsäure häufig auch in dem irre- 1) Med.-naturwiss. Arch. I, 81. 1908. loc. eit. ?) loc. eit. S. 44ff. 1* 4 W. Lipschitz und A. Gottschalk: versiblen System in Erscheinung tritt: Fumarsäure + Dinitrobenzoi extrahierte Muskulatur — 7 X + Nitrophenylhydroxylamin. Auch wurde die Un- richtigkeitder Thunbergschen Hypothese bereits durch die Beobachtung Meyerhofs!) bewiesen, daß bei der Oxydation der Fumarsäure durch wasserextrahierte Muskulatur der respiratorische Quotient nahezu der theoretisch verlangte (1,33) ist, also die Fumarsäure — auf den Sauer- stoffverbrauch bezogen — quantitativ zum Endprodukt verbrannt wird, obwohl auch in diesem Fall ihr Restitutionsvermögen für den Gaswechsel weit geringer ist als das der Bernsteinsäure. Übrigens hängt der Umfang des Restitutionsvermögens von Fumarsäure sowohl in den Respirationsversuchen Meyerhofs als in unseren Reduktionsmessungen stark von der angewandten Konzentration der Säure ab. Wir fanden außer Muskel- und Hefekochsaft?) folgende Substanzen wirksam, die wasserextrahierte Froschmuskulatur bezüglich der Nitro- reduktion deutlich reaktivieren: Bernsteinsäure, Fumarsäure, Glycerin- phosphorsäure, und zwar sowohl die käufliche, die der Konstitution nach wahrscheinlich ein Gemisch von symmetrischer und d + l-asymmetri- scher ist, als auch — bei Anwesenheit von K,HPO, — die einheitlich asymmetrische «-Form, die kürzlich von E. Fischer und Pfähler syn- thetisch dargestellt wurde?). In Gegenwart von Phosphat waren ferner wirksam: Zitronensäure, Glutaminsäure, Milchsäure. Als nahezu un- wirksam erwiesen sich: R,HPO, selbst, Maleinsäure, Glutarsäure, Brenz- traubensäure, «- und P-Oxybuttersäure, Traubensäure, Glycerin, Gly- cerinsäure, Dextrose, Lävulose, Glycogen trotz gelinder Extraktion mit destilliertem Wasser und Anwesenheit von Phosphat. Von diesen ge- prüften Substanzen scheint die Brenztraubensäure besonderes Interesse zu verdienen; ihre Unwirksamkeit auf die Wasserstoffaktivierung in den Muskelzellen ist hervorzuheben gegenüber der zentralen Stellung der Säure im Gärungsakt: leichteste Decarboxylierbarkeit (Neuberg und Mitarbeiter). Es wurde dann weiter die Wirkung nichtspezifischer lipoidlöslicher Stoffe systematisch gegenüber der Reduktion der Nitrogruppe unter- sucht und gefunden, daß sie hier ebenso wie gegenüber den „Oxydatio- nen“ und gegenüber der Bildung von ‚„‚Gärungs’kohlensäure dem Gesetz der homologen Reihen gehorcht, d. h. daß die hemmenden Konzentra- tionen der homologen Substanzen mit steigendem Molekulargewicht stark fallen. Der Verlauf dieser Reduktionshemmungskurven an Muskelzellen ist den von Warburg an Vogelerythrocyten studierten Atmungshem- !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%5, H. 1/2, S. 46. ?) Lipschitz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 109, H. 5. 1920. 3) Für die freundliche Überlassung des reinen &-Glycerinphosphorsauren Barium aus der Sammlung seines Vaters bin ich Herrn Dr. H. O. L. Fischer zu größtem Dank verpflichtet; cf. Ber. d. Dtsch. Chem. Ges. 53, 1606. 1920. W. Lipschitz. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 5 mungskurven so ähnlich, nämlich ebenfalls nahezu linear, daß die Auf- fassung von Oxydation und Reduktion als Äußerungen eines Vorganges, der Wasserstoffwanderung, damit sehr viel an Berechtigung gewinnt. Besondere Beweiskraft für die Annahme eines identischen Mechanis- mus der Nitroreduktion und des Verbrauchs an Atmungssauerstoff scheinen uns weitere Versuche zu besitzen, die die reziproke Ab- hängigkeit der Reduktion von der Sauerstoffversorgung der Zellen zeigen. Wir entnehmen den Ergebnissen all dieser Ver- “suche die Berechtigung, die Konzentration des gebildeten Nitrophenyl- hydroxylamins als vergleichendes Maß energieliefernder chemischer Zell- vorgänge zu benutzen, und werden für die Anwendung dieser Methode Beispiele anführen. Die Tatsache, daß die Narkoticakonzentrationen, die erforderlich sind, um die Nitroreduktion zu hemmen, fast durchweg etwa doppelt so hoch liegen wie die, welche den Verbrauch an Luftsauerstoff um den gleichen Betrag hemmen!), ist wohl neben den etwas verschiedenen Re- aktionsbedingungen auf das verschiedene Verhalten der Nitrogruppe und des Luftsauerstoffes gegenüber den Zellmembranen, z. B. ihrer verschie- denen Lipoidlöslichkeit zurückzuführen, — nicht aber auf einen ver- schiedenen Reaktionsmechanismus. Gerade der lineare Verlauf der Hemmungskurven, der z. B. im Gegensatz steht zu den eigenartig ge- krümmten Hemmungskurven der Sauerstoffzehrung nitrifizierender Bakterien ?), und die ziemlich streng additive Wirkung von Narkotica- kombinationen gegenüber dem Reduktionsvorgang weisen auf einen der Atmung von Muskelzellen entsprechenden Reaktionsmechanismus hin. Weitere Parallelbeobachtungen zum Atmungsvorgang ergaben sich bei Kombinationsversuchen von unspezifischen Narkoticis mit Blau- säure: In diesem Falle erhielten wir niemals Additionswirkungen, sondern geringere Hemmungen, als der Summe der Einzelwirkungen entspricht, ja wir konnten unter geeigneten Bedingungen sogar eine Reduktions- steigerung blausäurebeladener Zellen durch Narkotica feststellen, ebenso wie Warburg?) und Meyerhof?) eine Oxydationssteigerung von Blutzellen resp. nitrifizierenden Bakterien beobachteten und sie als Verdrängung der Blausäure von den Zelloberflächen durch nichtspezifi- sche Stoffe deuteten. Darüber hinaus trat aber auch der umgekehrte Fall ein, der sich in den Atmungsversuchen Warburgs und Meyerhofs nicht realisieren ließ, nämlich eine Reduktionssteigerung narkoticabelade- ner Zellen durch Blausäure, also eine Abschwächung der Wirkung nicht- !) Vogelbluterythrocyten, Vibrio, Leberläppchen, Zentralnervensystem: cf. Warburg, Ergebn. d. Physiol. 292. 1914; Froschmuskelzellen: Meyerhof. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%5, 33. ?) Meyerhof, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 165, 231. 1916. S\Rloezeit. 8. 307. *) loc. cit. 6 W.Lipschitz und A. Gottschalk: spezifischer Stoffe durch Blausäure; und gerade diese Erscheinung ließ sich besonders deutlich machen durch Verwendung von hohen Narkoti- cumkonzentrationen, die 90%, und mehr hemmen, bei Kombination mit maximal hemmenden HCN-Dosen. Damit scheint der von Warburg erstrebte Beweis der gegenseitigen Beeinflussung von Blau- säure und nichtspezifischen Stoffen durchgeführt. Jedoch ergaben systematische Versuche mit genau neutralisiertem Cyankali, daß die Blausäurewirkung selbst komplex ist; ihre Konzentrationshemmungskurve nimmt gegenüber der Nitroreduktion durch Froschmuskelzellen einen überraschend anderen Verlauf als ihre Hemmungskurve gegenüber der ‚Atmung‘ von Vogelerythrocyten (Warburg), nitrifizierenden Bakterien oder Froschmuskelzellen (Meyer- hof). Nach diesen beiden Autoren nämlich ist die Konzentrationshem- mungskurve der Blausäure annähernd eine gerade Linie. Bei T/s,9 000 D- KCN wird die Atmung der nitratbildenden Bakterien, bei Y/,oo0oo n-KCN die der Erythrocyten um 75% gehemmt, bei Y/syo n-KCN die Atmung der Muskelzellen um 70%, und bei 8 x 10° erreicht die Atmungshem- mung der Bakterien den Betrag von 90%. Demgegenüber zeigt nun zwar im Beginn die Hemmungskurve der Nitroreduktion durch Cyankali gleichfalls einen der Konzentration proportionalen Verlauf und erreicht zwischen 1,5 und 8 x 10°? neinen Wert von ca. 65%, dann aber wird bei weiter steigender KCN-Konzen- tration die Hemmungskurve rückläufig, bis sie bei 5—6°/,,„oder8 x 10 °?n der Normalreduktion bis auf ca. 10% nahe kommt. Bei noch weiterer Steigerung der Giftkonzentration ("/, bis "/,) tritt dann eine neue seichte und uncharakteristische Hemmungssteigerung ein. — Es ist ohne weiteres klar, daß Verdrängungsvorgänge, wie wir sie oben bei Gelegenheit der Kombinationsversuche mit ‚allgemeinen Narkotieis“ er- wähnten, für diese reine Blausäure-Hemmungskurve keine ausreichenden Erklärungsmöglichkeiten gewähren, sondern daß hier ein ganz beson- derer Wirkungsmechanismus vorliegen dürfte; zu seiner Aufklärung sind weitere Untersuchungen u. a. Kohlensäurebestimmungen im Gange. - Experimentelles. Die Methodik der nachfolgenden Versuche gestaltete sich im wesent- lichen so, daß eine genügend große Menge Muskulatur von den hinteren Extremitäten möglichst frischer oder kühl aufbewahrter Temporarien mit der Schere fein zerschnitten und sorgfältig durcheinander gemischt wurde. Davon wurden dann Portionen von 2,0 g auf der Handwage ab- gewogen und in Jenaer 25 cem-Erlenmeyerkölbchen mit 10 ccm Flüssig- keit vermischt. Meist nach 15 Minuten wurde 0,2 g feingepulvertes, mehr- fach umkrystallisiertes m-Dinitrobenzol zugefügt, das Kölbchen ver- korkt und öfters umgeschüttelt. Nach beendeter Reaktion wurde noch- Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 7 mals umgeschüttelt und die Flüssigkeit durch ein trockenes Filter ge- gossen. Die Filtrate wurden kurz hernach im Authenrieth schen Kolori- meter verglichen; als Keilfüllung diente in der Regel ein doppelt ange- setzter Kontrollversuch in destilliertem Wasser, so daß die Kolorimeter- (verdünnungs-)zahlen direkt die Reduktionshemmungen angaben. Mit- unter diente auch eine aus einer anderen Versuchsreihe stammende Kontrollösung als Keilflüssigkeit, so daß der Normalversuch nicht auf die Kolorimeterzahl O0 fiel; dann wurden die Versuchsergebnisse nach folgender Formel umgerechnet: “ (100 — x) - 100 a Tr oder 100 m — 1 Vene 1) wobei a die Kolorimeterzahl des Normalversuches der Serie, & die Zahl des jeweiligen Serienversuches bedeutet. Da die Kolorimetereinstellung bei geringen Verdünnungen zwischen 0 und 20% für das Auge schwieriger ist, wurde bei derartig geringen Re- duktionshemmungen oder gar bei Reduktionssteigerungen die Versuchs- lösung nach Filtrieren 1 :1 mit destilliertem Wasser verdünnt, kolori- metriert und nach der Formel umgerechnet: = 2(% —- 50). (2) Ist x < 50, so drückt sich die Reduktionssteigerung x, durch nega- tives Vorzeichen aus. In Fällen, in denen sehr starke Reduktionssteigerungen eintreten, kann Verdünnung der Versuchslösung auf das Vierfache und Umrech- nung nach der Formel nötig werden: .=4(2 —- 75). (3) Die kolorimetrische Einstellung der mäßig gelben Lösungen bei diffu- sem Tageslicht ist sehr leicht; es wurden — wie bei der polarimetrischen Bestimmung optisch aktiver Substanzen — stets mehrere Ablesungen hintereinander von beiden Richtungen her vorgenommen und der Mittelwert berechnet; die Übereinstimmung der Einzelwerte war sehr gut, die maximale Differenz betrug + 1,5%. Verdünnungsgrade über 90—92% sind mit dem Kolorimeter nicht mehr meßbar. In manchen Fällen wurde Wert darauf gelegt, eine komplette Hemmung der Nitroreduktion nachzuweisen; zu diesem Zweck wurde das Filtrat mit einigen Tropfen Soda alkalisiert: Spuren Nitrophenylhydroxylamin wer- den durch deutlichen Farbenumschlag in Rot kenntlich (Soda-Reak- tion). Die Benutzung eines genaueren Instrumentes würde die Ab- lesung verfeinern, doch sind die in der Eigenart des Zellmaterials!) !) Vgl. Meyerhof, Die Atmung der Froschmuskulatur. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 175, H. 1/2. S W. Lipschitz und A. Gottschalk: liegenden Versuchsfehler viel größer, so daß die kolorimetrischen Fehler die Resultate nicht beeinträchtigen. Für die Verwendung von destilliertem Wasser anstatt optimalen Mi- lieus (Phosphat und Muskelkochsaft) für die meisten Reduktionsversuche waren mehrere Gründe maßgebend, vor allem der, daß die rein gelbe Nitrophenylhydroxylaminlösung bereits durch die schwach alkalische Reaktion von K,HPO, rot und leichter oxydabel wird ; von der Zufügung von Muskelkochsaft wurde Abstand genommen, u. a. um die Versuchs- bedingungen möglichst einfach und leicht reproduzierbar zu gestalten. Im allgemeinen wurde das gewöhnliche, mehrere Tage aufbewahrte destillierte Wasser benutzt, das ja gewisse Mengen Luftsauerstoff ent- hält; zur Erreichung maximaler Reduktion wurde es durch Auskochen und längeres Durchperlen mit reinem Wasserstoff davon befreit. Die Versuchstemperatur betrug im allgemeinen 18—20°. Weitere Einzel- heiten werden bei der Schilderung der Versuche angegeben werden. 1. Eichung des Keils im Authenriethschen Kolorimeter mit m-Nitrophenylhydroxylaminlösung. 4 & Froschmuskulatur in 20 com Wasser + 4 g Dinitrobenzol; nach 16 Stunden filtriert und z. T. als Keilfüllung benutzt, z. T..mit Wasser verdünnt und gegen den Keil eingestellt. Konzentration | 100%, | 75% 662/5% | 50%, 25% | 20%, () 0 27 | 33.200059 75: 78 Ablesungen | 0 25 32 52 | 18 \ 0 26 | 12859 | Mittelwert@ | 000 56. Su | 78 2-+ 2 g Froschmuskulatur in je 10 cem H,O + je 0,2 g Dinitro- benzol; nach 20 Stunden gemeinsam filtriert und mit Hilfe eines anderen Keiles kolorimetriert. Konzentration | 6 | 50%, 250, 12,5%, Ih 2a a EN 85,5 B 31,5 48 | 13 | 5, Ablesungen 39 Ag | 73 | 85.5 | 48,5 | Mittelwet | 315 | 48 | 73 | 85,5 Wiederholung. Konzentration | 50% ö Me Ablesungen Ä 50 | 51 Mittelwert || 50 Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 9 Wiederholung. Konzentration 100% 90% 60% | 40% 20% 10% vo I oz 585 | 795 89 ns 0 ) 41,5 59,5 80 88,5 = men 105 105| 241,5. | 595 9; 89. 41,5 60 Ke) 88,5 Mittelwert 0 795 41,5 59,5 79,5 89 Zwischen 90 und 92 liegt die Grenze | der Meßbarkeit. Sodareaktion | dunkelrot bis kräftig gelbrot | hellrot rotviolett kirschrot | 700 700%30 80 0 60 50 40 30 20 m 0 Konzentration Abb. 1a. 2. Abhängigkeit der Reduktionsstärke von der Konzentra- tion der Zellen in der Flüssigkeit. Je 2 & Muskulatur suspendiert in Konzentration cem H>0 E= g Dinitrobenzol 100 | 10 02 66/3 | 15 0,3 50 | 20 0,4 331/3 | 30 0,6 Nach 20 Std. abfiltriert und gegen willkürlichen Keil eingestellt. Konzentration Ablesung Nach Formel (1) umgerechnet 100 20 il) 66°/, 60 0 50 76 70 33" /g 84 s0 10 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Wiederholung. Konzentration ccm H;0 g Dinitrobenzol Ablesung umgerechnet 100 10 0,2 0 50 20 0,4 69 25 40 0,8 90,5 16,7 60 1,2 94,8 0 Der viel stärkere Abfall der 70 BOLENBE NEL Nitrophenylhydroxylaminkonzen- a | tration, als der reinen Verdün- N nungskurve entspräche, ist nach 2 WET den Atmungsversuchen Meyer- u —— Ne 3 hofs!) und nach früheren Reduk- 50 Ne tionsversuchen von Lipschitz?) ED N Se auf die Verdünnung des Kofer- “ \ ments der Atmung zu beziehen, IN | wodurch die Atmung resp. Nitro- ER Brass reduktion selbst vermindert ist. 30 + en IS) 3. Abhängigkeit der Reduk- ne el etncnyon derReaktionsdauer. Apbip: Je 2g Muskulatur + 10cem H,O + 0,28 Dinitrobenzol; nach t Stunden abfiltriert und im Eisschrank verschlossen aufbewahrt, bis t — 24. Diesen 24-Stundenversuch als Vergleichsversuch benutzt. Wiederholung. Wiederholung. t= Ablesung (a) tr — Ablesung (b) u Ablesung (c) 6 23:8 3 43,6 2 47 0) 6 4 31,75 4 34 24 0 6 10,23 6 20,5 81/, 6 8 3 24 0 4. Abhängigkeit der - Reduktion von dem Atmungsabfall. Gleichzeitig und aus der gleichen Muskel- masse wie die Versuchs- reihen b und ce unter Nr. 3 wurden Muskel- portionen von 2g in 1) Arch. f. d. ges. Phy- siol. 190, 382 (1918). 2) Zeitschr. f. physiol. Abb. 2a. Chemie 109, H. 5. 1920. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. al 10 ccm H,O stehen gelassen und erst, nachdem die Zellatmung schon t Stunden gedauert hatte, mit je 0,2 g Dinitrobenzol versetzt. Jeder Versuch wurde nach 20—24 Stunden durch Filtrieren beendet. Als Vergleichsversuch diente der Normalversuch, bei dem ti = 0 ist. Ü= Ablesung (b) = Ablesung (c) ip Min: 0 5 Min. 0 A Stdy 46 (DL 56 6 Std. 74 Sn a al SB, 79,5 DD 90 (Sodareaktion : farblos) DA 92 (Sodareaktion: farblos) Diese Versuche zeigen ähnlich den Respirations- versuchen Meyerhofs!), daß die Atmung der zer- schnittenen Froschmusku- latur ziemlich rasch abfällt, besonders unter Bedingun- gen, bei denen leichte Aus- laugung von Stoffen aus den geöffneten Muskelzellen stattfindet. Nach 6 Stun- den ist die Reduktionsge- schwindigkeit auf weniger OR ZI USE BE 70 22 24h als die Hälfte, nach 8 Stun- Eu den etwa auf ein Viertel, nach 24 Stunden auf unmeßbar kleine Werte gesunken. [0 70 5. Abhängigkeit der Reduktion von der Inaktivierungstemperatur der Muskel- zellen. Je 2g Muskulatur in lIO ccm H,O von der Temperatur t eingetragen und 15—20 Minuten bei gleicher Temperatur aufbewahrt, dann rasch auf 20—25° abgekühlt, mit je 0,2g Dinitrobenzol vermischt und 20 Stunden bei 18—20° aufbe- wahrt. t= Ablesung Sodareaktion 20% 0 dunkelrot 44—45° 85 sehr hell gelbrot 5859° 88 fraglich 89° > 2 = !) Arch. f. d. ges. Physiol. 1%5, 26. 1919. Abb. 3a. 1% W. Lipschitz und A. Gottschalk: Ein zweiter Versuch, unter günstigeren Reaktionsbedingungen an- gestellt, verlief trotzdem entsprechend: Je 2 g Muskulatur in 1 proz. KHCO,-Lösung von der Temperatur t suspendiert, nach 20 Minuten Zusatz von Dinitrobenzol und Aufbewah- rung bei gleicher Temperatur. Nach 1!/, Stunden filtriert. 6 — Farbe des Filtrats Sadareaktion 20° kräftig gelbrot tiefrot 44—45° sehr helleelb hellrosa 58—60° hellst gelb 2 6.Abhängigkeitder Reduktion vonder Sauerstoffversorgung der Zellen. Die Erwägung, daß die Identität des Mechanismus der Zellatmung und der Nitroreduktion sich mit dieser Methode besonders leicht be- weisen lassen müsse, bei der der reduzierte Indicator durch Luftsauerstoff nicht wieder in die Ausgangssubstanz zurückverwandelt werden könne, führte nun über das erwartete Resultat hinaus zu therapeutischen Folgerungen bez. des Vorgehens bei Nitrovergiftungen. In 50 cem-Erlenmeyerkolben werden je 3,5 g Muskulatur in 20 ccm destilliertem Wasser suspendiert, das vorher 1!/, Stunden lang 1. mit reinem Wasserstoff, 3. mit Sauerstoff durchperlt war, während 2. als Normalversuch diente. Die Suspensionsflüssigkeit blieb 30 Minuten unter gleichen Bedingungen wie vor Eintragen der Muskulatur und wurde dann mit je 0,4 g Dinitrobenzol versetzt; die Kölbehen 1 und 3 wurden mit Stopfen und Gaseinleitungsrohr leicht verschlossen, so daß das Gas in sehr langsamem Tempo durch die Flüssigkeit perlte, Kölbchen 2 wurde wie üblich verkorkt und öfters umgeschüttelt. 1 | 2 3 Wasserstoff | Normalversuch Sauerstoffversuch Nach 15 Min.: deutlich gelb | beginnend hellgelb farblos Nach 6 Std. abfiltriert und | colorimetriert Ablesung (a): O 13 > 9% Sodareaktion: dunkelrot | kräftig kirschrot Hauch rosa Wiederholung mit 4,0 g Muskulatur, die in der wässerigen Suspen- sion diesmal 40 Minuten mit Gas behandelt wurde, ehe Dinitrobenzol zu- gesetzt wurde. 1 2 3 Nach 12 Min. hellgelhb hellst gelb fast farblos 2 deutlich gelb deutlich gelb del. 2 81/0 Std. kräftig gelb kräftige gelh del. Nach 6 Stunden abfiltriert und colorimetriert: Ablesung (b) 0 23,1 92 (Sodareaktion: ?2) Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 13 Reversibilität der Reduktionshemmung durch Sauerstoff. Je 2 g Muskulatur in 10 ccm sauerstoffgesättigtes und weiter mit Sauerstoff durchperltes Wasser + 0,2 g Dinitrobenzol. 1 2 Nach 1 Std. farblos farblos jetzt auf Wasserstoff umgeschaltet: A OT Fi beeinnend gelb li; ” kräftig gelb Der an sich mögliche Einwand gegen diese Versuche, daß der ver- wendete molekulare Wasserstoff in Richtung auf die Reduktion der Nitroverbindung wirke, wurde bereits durch frühere ähnliche Versuche!) unter Verwendung von Stickstoff widerlegt. Ein anderer Einwand, der sich gegen die Sauerstoff versuche richtet, scheint stichhaltiger. Er betrifft nämlich die Empfindlichkeit einmal gebil- deten Nitrophenylhydroxylamins selbst gegen Sauerstoff. Auf Grund der Tatsache, daß Hydroxylamin und noch in viel höherem Grade P-Phenyl- hydroxylamin leicht oxydabel ist, könnte man mit Recht folgern, daß das Ausbleiben der Nitrophenylhydroxylamin-Reaktionen bei Sauer- stoffzufuhr zu den Zellen nicht sowohl darauf beruhe, daß keine Bildung dieses Reduktionsproduktes stattfinde, als darauf, daß das gebildete Produkt wieder z. B. zur Azoxy- oder Nitrosoverbindung oxydiert werde. Dieser Einwand wurde in folgender Weise unter extremen Be- dingungen experimentell geprüft: Es wurden 2 Normalversuche mit 4 resp. 2 g Muskulatur in 20 resp. 10 ccm destilliertem Wasser unter Zu- satz von 0,4 resp. 0,2 g Dinitrobenzol angestellt und nach 20 Stunden die Filtrate colorimetrisch miteinander verglichen. Der 2 g-Versuch stimmte mit dem 4 g-Versuch völlig überein ; Ablesung (unverdünnt) —1 Probe 1:1 verdünnt: 50 0 49 +05 48 (0) 49 Darauf wurde das Filtrat des 2 g-Versuchs wieder zu den Muskelstück- chen zurückgegossen und 20 Stunden mit Sauerstoff durchperlt, während das Filtrat des 4 g-Versuchs aus dem Keil zu den entsprechenden Muskel- stückehen zurückgegossen und verkorkt wie üblich aufbewahrt wurde. Nach 20 Stunden wurde das sauerstoffgesättigte Filtrat von neuem mit dem Normalfiltrat colorimetrisch verglichen. Es zeigte sich, daß die Farbintensität unter der Sauerstoffwirkung erheblich abgenommen hatte. Ablesung (unverdünnt) 50 Sodareaktion 30! 50 = 49 Gelbfärbung des Normalfiltrates: +++ rar !) Lipschitz, Zeitschr. f. physiol. Chemie 109, 248. 14 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Immerhin aber ist das gelbe Nitrophenylhydroxylamin bei seinem völligen Verschwinden zu einer gleichfalls gelben (wenn auch schwächer gefärbten) Verbindung oxydiert worden. Daher beweist das Ausbleiben jeder Gelbfärbung in jedem Zeitpunkt bei den oben beschriebenen Sauerstoffversuchen wirklich im Sinne unserer Ausführungen das Aus- bleiben jeder reduktiven Veränderung der aromatischen Nitrogruppe wegen der optimalen Sauerstoffversorgung der Zellen. Später!) zu schildernde Parallelversuche an sauerstoffbehandelten Ascaris- und Regenwurmmuskelzellen ergaben demgemäß entsprechend der darin mitspielenden gärungsartigen Nitroreduktion eine durch Sauerstoff nicht völlig unterdrückbare Gelbfärbung. Reduktionsverminderung bei steigendem Sauerstoffpartialdruck. Versuchsanordnung wie beschrieben: 4 g Muskulatur, 20 ccm destil- liertes Wasser, das 1?/, Stunden vorher mit 1. Wasserstoff, 2. —, 3. mit Luft durchströmt war, und das zusammen mit der Muskulatur vor Zu- fügen des Dinitrobenzols noch 45 Minuten durchperlt wurde. Nach 6 Stunden langer Reaktionsdauer filtriert und cclorimetriert. Op Ablesung (ec) \ Wasserstoffversuch 0 o Normalversuch 14 Luftsauerstoffversuch 60 Mehrere andere Versuche unter Durch- perlung mit reinem Sauerstoff ergaben eine .Hemmungszahl von 90, so daß eine inverse Abhängigkeit der Nitroreduktion nicht nur von der anwesenden Sauerstoff- menge, sondern auch von seinem Partial- druck zu bestehen scheint. Gerade diese Beobachtung bildet einen besonders evidenten Beweis für das Eintre- ten des Nitrosauerstoffs an Stelle des mole- kularen Sauerstoffs; denn nach mittelfeiner Aufteilung der Muskulatur fand Meyerhof len agdest Zyf- Q,- eine Atmungssteigerung bei über Luft- Po Sättigung sättigung hinaus steigender Sauerstoffkon- Abb. 3b. zentration, die bei sehr feinem Zerschneiden der Muskulatur verschwindet. Diesen Unter- schied aber hält Meyerhof für bedingt durch den Sauerstoffmangel im Innern der großen Muskelpartikel. Für die mittelfein zerschnittene Muskulatur, wie wir sie in unseren Versuchen verwandten, bildet also t) cf. folgende Mitteilung. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 15 die Nitrogruppe in Konkurrenz mit dem atmosphärischen Sauerstoff die bessere, weil leichter eindringende Sauerstoffquelle. Diese Versuche erst bilden nun eine experimentelle Basis für das so häufig geübte Verfahren der Sauerstoffeinblasung bei akuten mensch- lichen Unglücksfällen mit indirekten Blutgiften. Die bisherige Vor- stellung, auf die sich das therapeutische Vorgehen gründete, war, daß die Regeneration des über Methämoglobin z. T. zu reduziertem Hämo- globin weiter veränderten Blutfarbstoffs zu Oxyhämoglobin durch Sauerstoffzufuhr begünstigt werde, — eine Vorstellung, die kaum bewiesen und die recht kompliziert zu sein scheint; sie ähnelt der therapeutischen Begründung für die Sauerstoffbehandlung der Kohlenoxyd-Vergiftung und mag für noch nicht erklärbare Heilwirkungen gegenüber gewissen anderen Blutgiften (z. B. aromatischen Aminen besd. Anilin) vorläufig herangezogen werden. Bei den indirekten Blutgiften jedoch, die wie die Nitroverbindungen, mit der Zellatmung verknüpft, reduktiv im Organismus entstehen, ist sicherlich die Zurückdrängung der Reduktion durch abundante Sauerstoffversorgung der Zel- len und Gewebe eine besser gestützte Begründung der Therapie. Dieser Methode der Sauerstoffinsufflation tritt übrigens als durchaus prüfbare therapeutische Maßnahme nach früheren Versuchen von Lip- schitz!) die Dämpfung der Zellatmung und gleichzeitig der damit verknüpften Giftung durch Chiningaben an die Seite. Besonderer Erfolg läßt sich von Kombination beider Maßnahmen erwarten: Dämpfung des Sauerstoffbedürfnisses der Zellen durch Chinin und Steigerung der Sauerstoffversorgung durch Insufflation. 7. Strukturzerstörung der Zellen. 2 + 2 g Muskulatur zerschnitten, mit je 10 cam H,O + 0,2 g Dinitro- benzol gemischt. Ebenso 2 g Muskelpulver, das durch Gefrieren von Muskulatur in flüssiger Luft und Zerreiben in der Kälte bereitet war. Filtration nach 20 Stunden. Hemmung in % Kontrollen 0 Gefrierversuch ; >91 Mehrfache Wiederholung ergab stets das gleiche Resultat. 8. Wirkung homologer Reihen nichtspezifischer Narkotica auf die Reduktion, Je 2,0 g Muskulatur 15 Minuten in 10 ccm der Narkotikumlösung, dann Zusatz von 0,2 g Dinitrobenzol; nach 18—20 Stunden abfiltriert. Normalversuch in destilliertem Wasser. 1) Zeitschr. f. physiol, Chemie 109, 240. 16 W.Lipschitz und A. Gottschalk: Methylurethan or Hemmung in % 5 39 7.5 51 10 62 15 36 20 >90 a) b) Äthylurethan % Hemmung in % WA Hemmung in % 4 24 2 14 6 45 4 26 1) 62 6 46 10 86 10 86 12 >.92 19 >92 c) d) vn . Hemmung in % %% Hemmung in % 4 30 8 63 6 47 10 33 12 > 92 Propylurethan % Hemmung in % 0,5 49 1 48 2 68 3 82 4 > 9% 0 [7] 70 19 20 20 30 30 40 “0 50 50 50 - 60 \\ 60 60 70 N 70 70 N 80 \ 80 80 | zn 90 | 90 90 4 N 0% | en a | 51 1709079220% ge NORA OT 6667 1333 2000 2666 Zu 8 8 70. 12% 700 200 300 400 Millimol , 2247 4495 674,2. 899 Millimo! Milimol Abb, 4a. Abb. 4b. Abb. &c. Phenylurethan Hemmung in % cesättigt 68 Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 17 Propylalkohol % Hemmung in % 2 3 4 43 6 68 ie) 89 10 >90 a) b) i-Butylalkohol % Hemmung in % Yu Hemmung in % 2 50,5 1 35 4 89,5 D) 50,5 5 >30 3 82 4 90 aaytkoh | | N UESENTENETREE, ESS I 0% 1 EISEN: II 166,7 3333 500 6666 8333 7000 1166,7 7333 1500 1667 135 270 405 540 675 Millımo/ Milmol Abb. 5a. Abb. 5b, a) b) Methyläthylketon % Hemmung in % YA Hemmung in % 2 41 2 3l 4 65 4 60 6 89 6 86 8 > 92 7 89 e) % Hemmung in % 2 45,5 4 63 7 90 a) b) €) Methylpropylketon Hemmung Hemmung Hemmung % in % % in % % in % 0,5 35 1 51 1 60 1 45 2 86,5 2 88 2, 82 3 90 4 >90 Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. > W.Lipschitz und A. Gottschalk: \y MON 90 90 : B 22) 100 Methyläthy/keron 100 Neihylargaylke ODE RZ 7 ZEEESIELU 739 278 417 556 695 834 973 112 7163 232,6 349 465 Mrllimol Miıllmol Abb. 6a. Abb. 6b. [7] 70 20 3) Äthyläther % Hemmung in °% 30 1 22 ”) 40 2 38 3 58 50 4 735 6 5 dit 70 b) % Hemmung in % 22 6 89 90 8 >90 20 7 EEE ER Ather Abb. 7. Die übrigen Narkotica wurden vor Ausprobierung der colorimetri- schen Methode in ihrer Hemmungswirkung geprüft und die Grenzkon- zentration bestimmt; die Versuche waren im übrigen den oben geschil- derten völlig entsprechend angesetzt. Methylalkohol % ...... . 15 18 Gelbfärbung . EL = Sodareaktion Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. 19 Athylalkoholıo, a 2. 15 20 25 Gelbfärbung . . . . - wer ea Sodareaktion L ((+)) ar IDerselbeio a en Ber 15 18 20 Gelbfärbung . En — — Sodareaktion .- ((+)) ((+)) Bropylalkohokon 2: 8 9 10 Gelbfärbungse a „a er. en — — Sodareaktin . -..... (4) ((+)) ((+)) i- Butylalkohol % aa 3 4 Gelbfärbunge na JE (+) —— Sodareaktion . = ((+)) ((+)) nr Nmiylalkohol Io, u... FE 2 2,5 Gelbfarbunge m ne: == = — Sodareaktion s e- (+) ((+)) INGELON Een 18 19 20 Gelbfärbungs ze a er _ —_ -- Sodareaktion 5 -- ((+)) ? Methyläthylketon % . . 6 7 Gelbfärbung. 2 27.2.2... 2 = Sodareaktion ..... + ((+)) Methylpropylketon % . 2 3 4 Gelbfarbunges a an = = _ Sodareaktion = ? ? Methylbutylketon %. . 1 2 3 Gelbfäarbungg ee era. = = — Dodareaktionssmr u — — Methylphenylketon % . 0,2 0,4 0,6 0,8 Gelbfärbung.. ....... +++ + — —_ Sodareaktion .. ... . +4+41 meı + ((+)) Chloralhydrat % Are 1 z 3 Gelbfärbuns@e sy ae + (+) — Sodarealkbionm ser + — Hemmende Grenzkonzentrationen (Reduktionshemmung bis fast zur Farb- losigkeit oder kolorimetrisch ca. 90%). Alkohole: Mol. Gew. Gew. % Millimol IMechylm nen... 032 20,0 6500 the. A6 18,0 4000 Bropyl en Sure. 60 9,0 1500 I Bubylae na 2 7 4,0 540 I- Amy ee 9188 2,9 200 20 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Mol. Gew. Gew. % Millimol Urethane: Methyl-'. 2... essen Ro 16,0 2200 Ach ylaaı nu. 8 1155 1300 Propyl: 2.0 ...022103 3,6 360 Ketone: INGEtOn- ns 20,0 3500 Methyläthyjl- .... 72 7,0 973 Methylpropyl- . . . . 86 3,0 349 Methylbutyl- . . . . 100 2,0 200 Methylphenyl- . . . . 120 0,8 67 Äther: Athyleı eure at Id 8,0 1081 Chloralhydrat . . . . 164 3,0 183 9. Kombinationswirkungen!). a) Allgemeiner Narkotika untereinander. Äthylurethan und Propylalkohol. Hemmung in % 449,5: M. Athylurethan (AU): re a ee 30 667 „ Propylalkohol (4%) . - - RR 5, 449,5 „, Äthylurethan und 667 M Propnlalkonoi BEE 7A] Äthylurethan und Propylalkohol. 449,5 M Athylurethan (AUS) ve. ee 385 667 ,„ Propylalkohol (4%) . . AO) 449,5 ,„, Äthylurethan und 667 M Propvlalkohol ES) Methyläthylketon und Propylalkohol. 278 M Methyläthylketon (21, a... ee 2 Se 667 ,„, Propylalkohol (4%) - - NUR 5} 278 ,„ Methyläthylketon und 667 M Boni ikonel N 08 i-Butylalkohol und Propylalkohol. 210. Ma-Butylalkcholu(24 an a a ne nr. 2 un. 25055 667 „, Propylalkohol (EI). RR 5 270 „, i-Butylalkohol und 667 M Propslalkonel‘ ET LERSS Methyläthylketon und Äthylurethan. 2/8. M Methylathylketon (2) un 2. m con... Al 229 ,„ Äthylurethan (2%,) . . A Se) 278 ,„, Methyläthylketon und 229 M nihan NEN ok a5) !) Bzgl. Deutung der Resultate unter Verwertung der Hemmungskurven der einzelnen Narkotica vgl. OÖ. Warburg, Ergebn. d. Physiol. 1914, S. 304. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. 21 Methyläthylketon und Methylpropylketon. Hemmung in % 218m ME Methyläthylketon 2) 2 ur... 116,3 „„ Methylpropylketon (1%,) . - er. 278 „, Methyläthylketon und 116,3 M I Methylpre an lketon 72 b) Kombination allgemeiner Narcotika mit Blausäure (frische Stamm- lösung von KCN puriss. Merck mit HCl gegen Lackmus neutralisiert, mit AgNO, titriert und verdünnt). Äthylurethan und HCN. Hemmung in % 678 M Äthylurethan (6°/,) . 46 4,6,, KEN (0,329759).: . 62 678 „, Äthylurethan und 4,6 ,, Kaliumeyanid . 59 678 M Äthylurethan (6°/,) - . 46 9,2, KEN (0,6%) 163 678 ‚„ Äthylurethan und 9,2 ,, Kaliumcyanid .& 1353 M Äthylurethan (12°/,) .. 90 4,6 „. KCN (0,3%/90) . 62 1353 ,, Äthylurethan und 4,6 ,„ KCN . 82 449,5M Äthylurethan (4°/,) . 30 4,6 ,, KCN (0,3%) 57 449,5 ,„, Äthylurethan und 4,6 ,, KCN 64 449,5M Äthylurethan (4°/,) . 30 9,2 ,, KCN (0,6°/,0) 59 449,5 ,, Äthylurethan und 9,2,, KEN 55 678 M Äthylurethan (6°/,) - 47 4,6 , KCN (0,3°%/0) 57 U Äthylurethan und 4,6 ,„ KCN N: sl 678 M Äthylurethan (6°/,) a7 9,27,, KEN}!0,6%/50) 59 Gase Äthylurethan und 9,2,, KCN 55 1353 M Äthylurethan (12°/,) >92 4,6 , KCN (0,3%0) on N Äthylurethan und 4,6 EL) KCN DD ID W. Lipschitz und A. Gottschalk: 1353 M Äthylurethan (12°/,) 32, KON (0,6%). 1353 ,, Äthylurethan und 9,2 ,.KCN 1124 M Äthylurethan (10°/,) 4:6, KCN (0,3260) 1124 ,‚, Äthylurethan und 4,6, KCN 1124 M Äthylurethan (10°/,) 9,2 ,, KCN (0,6%) 1124 ‚, Äthylurethan und 9,2, KCN 1353 M Äthylurethan (120%/,) 4,6 „ KON (0,3%). - 1353 ,, Äthylurethan und 4,6 , KCN ONE Hemmung in % ze) Methyläthylketon und HCN. 278 M Methyläthylketon a, u 4,6, KEN (0,3) » 2 - DIS a und‘ 4,6 „ KON NIE 278 M Methyläthylketon (2°/,) 9,2 ” KCN (0, 6 /o0)- 278 „,, Methyläthylketon und: 9,2, KCN Hemmung in % . 41 3 . 54 . 41 58 . 60 Propylalkohol und HCN. 667 M Propylalkohol (4°/,) - 46... KEN 03%)... 667 ,, Propylalkohol und 4,6, KCN Ar 667 M Propylalkohol (4%). - 9,2, KCN (0,6%0)- 667 ,, Propylalkohol und 9,2,, KON 5 1500 M Propylalkohol (9°/,) 4,6 ,„ KCN (0,3%/0)- 1500 a und 4,6 ,, KCN , 1500 M Propylalkohol (9%). - - 9,2 „ KON (0,6%). - 1500 ‚ Propylalkohol und 9,2 ,„ KCN En Hemmung in % nA 153 . 69,5 . 515 Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. 23 Während also in den Versuchen der a)-Reihe dieses Abschnittes fast durchweg reine Additionswirkungen der allgemeinen Narko- tika zur Beobachtung kamen, findet man in der b)-Reihe bei Kombina- tion von Narkotikum und Blausäure niemals Additionswirkungen son- dern viel geringere Hemmungen der Nitroreduktion, als der Summe der Einzelhemmungen entspricht. In einer Anzahl von Fällen ergab sich sogar.absolute Abschwächung der reinen HCN-Wirkung durch das Narkotikum, in anderen Fällen absolute Abschwächung der reinen Narkotikumwirkung durch die Blausäure. 10. Wirkung der Blausäure auf die Reduktion. Die frisch bereitete 0,5, 1 oder 2proz. KCN-Stammlösung wurde mit Säure gegen Lackmus genau neutralisiert, verdünnt und mit AgNO, titriert. In je 10 ccm dieser Lösungen wurden 2 g zerschnittene Muskulatur eingetragen, verkorkt, durchmischt und nach 15— 20 Minuten mit je0,2g Dinitrobenzol versetzt. — Weder die konzentrierten KCN- noch HCN- Lösungen reduzieren Dinitrobenzol bei mehrtägigem Stehen, noch ver- ursachen sie irgendeine Gelbfärbung. KCN mit Essigsäure neutralisiert Hemmung in % 0 %/go 0 (a) 0,05 57 0,1 69 0,3 73 0,5 15 0,75 71 1,0 70 2,5 64 5,0 54 Mit HCl neutralisiert 0 0 (b) 0,014 24 0,028 42 0,056 49 0,1 | 60,7 0,28 25 0,49 72,3 0,7 71,4 1,4 64,3 2,8 49 Mit Essigsäure neutralisiert 0 0 (c) 0,03 3l 0,3 57 0,45 59 0,6 59 11.2 53 24 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Gleiche Lösung wie c). SS KCN Rn Hanmıne in % SO 0(d NEN (d) SS 008 43 DT0,5 370,5 0,6 63 1,2 57 Sodareaktio 1,2 neue KCN - Lösung, 61 - I mit HCl versetzt, so daß gegen Lackmus sehr schwach sauer 2 40 nr 4 Do ee 2,0 Sn 15 22 ur 30 25 — + 60 22 Ku Q S KCN mit HC] neutralisiert 0 0 (e) 0,05 37 = 3202) 60 so 0,5 65 | 151 52 2,6 32 | 52 6 | 22 11,0 7 | 26,0 36 | 40 31 52 26 Neue Lösung. S 0 0(f) 3 32 5,25 12 7,5 15 ls 35 DD r = 30 55 | DS | = Es könnte noch der Einwand gemacht werden, daß die oben S geschilderte eigenartige ‚„Um- S kehr“ der Blausäurehemmungs- s kurve zwischen 3 und 6°/,, KCN & durch eine ungenaue Neutralisa- S tion verursacht werde und etwa RN somit auf einer durch geringe S Mengen von OH-Ionen geförder- ten Reduktion beruhe. Daher wurden noch zwei Versuche mit en | neurralis. ACV E90) 20 30%o Abb. 9. wässeriger 2 proz. HCN-Lösung (Merck DAB) angestellt, bei denen also steigende Mengen hemmender H-Ionen wirksam wurden; die Lösung reagierte auf Lackmus sauer. Trotzdem trat eine rückläufige Bewegung der HCN-Hemmungskurve ein, wenn auch natürlich viel schwächer als bei Verwendung neutraler Blausäurelösungen. HCN °%oo entspricht KCN °/oo Hemmung in % Sodareaktion 0,0125 0,03 8 (a) Are 0,025 0,06 32 + 0,05 0,12 44,5 Aa 0,1 0,24 54 ar 0,2 0,48 60 Ai 0,625 155 52 IE 1625 3 44 ES 2 6 39 an 5,0 12 40 AS 10 24 40 an 20 48 45 zn 0,0195 0,047 36 (b) 0,039 0,094 49 0,078 0,187 52 0,155 0,372 58 0,31 0,75 61,5 0,625 1,5 62 1,25 3 57 2,5 6 56 26 W.Lipschitz und A. Gottschalk: | | Baal a a) | R IN ARE SR BER IR aan 020% 06 08.10 12 14 76 18 20 222#%96%o HEN Abb. 10. 11. Wirkung einiger anderer Substanzen auf die Reduktion. a) Saponin. 0, % Hemmung in % 0 ff) 2,5 7 B) 76 19 75 10 74 10 ohne Muskulatur + Dinitrobenzol > 92 b) Maleinsäure, 1proz., genau neutralisiert. 0,035 67 0,1 69 0,33 69 1,0 rt c) Fumarsäure, 0,5proz., genau neutralisiert. Nach 20 Stunden Filtrat 1:4 verdünnt, abgelesene Colorimeterzahl: 31,5, — nach For- mel (3)!) umgerechnet: Steigerung von 174%. d) Bernsteinsäure, 0,5 proz., neutralisiert. Nach 20 Stunden Fil- trat 1:4 verdünnt, Colorimeterzahl: 41, — nach Formel (3) umge- gerechnet: Steigerung von 136%. 12. Aufhebung der Reduktion durch Extraktion der Musku- latur mit Wasser und Restitution durch organische Säuren. a) Schwache Extraktion. 40 g fein zerschnittene Froschmuskulatur 3mal mit je 1200 ccm destil- liertem Wasser je 5 Minuten unter Umrühren ausgezogen, durch Gaze filtriert und von überschüssigem Wasser befreit. Nach neuer Wägung der extrahierten Muskelmasse werden je 2 g (auf das ursprüngliche Ge- wicht berechnet) Muskulatur wie üblich in 10 cem Flüssigkeit einge- 1) cf. 8. 7. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. 27 tragen und mit 0,2 g Dinitrobenzol vermischt. Filtration meistens nach 18 Stunden. Der Keil enthält das Filtrat eines Normalversuchs mit 2 g nicht extrahierter Muskulatur in destilliertem Wasser. Soweit die Ver- suchslösungen durch sekundäres Phosphat alkalisch waren, ist die Farbe ev. gebildeten Nitrophenylhydroxylamins mehr oder weniger rötlich. Durch Zusatz von höchstens 5 Tropfen n-H,SO, vor der Filtration werden aber die Lösungen rein gelb und kolorimetrierbar. Die organi- schen Säuren wurden vor Phosphatzusatz mit Soda genau gegen Lackmus neutralisiert resp. amphoter gemacht. Hemmung gegenüber | Suspensionsflüssigkeit (s. Abb. 11, S. 29) dem Normalversuch | Sieb in %, reaktion Dee > 9 Re = 1,99%, ISJENR0), 0,5 025 85 | ? 0,5% nenne +1 ‚3%, K ‚HPO,, Filtrat 118 7 verdünnt, Colorimeterzahl: 25; nach Formel | (2) berechnet ... . BE 50% Steigerung| +++ 0,5% Citronensäure — 1, 30 6 K,HPO, Er 308 Hemmung | —- 0,5% Milchsäure (DAB. 1,21) +1,3% K,;HPO, ı 68 | DZ 0,5% Glutaminsäure + 1,5% K;HPO, . . . 4 | ud 0,5% yo Ro phor sure (Merck) nee: 11,5 | + 0,5% Maleinsäure + 1,3 % KSEHEOTS Se | 87 Mr 0,5% Glutarsäure + 1,3% ’o K ‚HPO, | 89 | 0,5% Brenztraubensäure + 1 370 Phosphat . | 82,5 | ? 0,5% &-Oxybuttersäure + M. 3% o Phosphat. 2 | sl | (+) 0,5%, B-Oxybuttersäure + 1,3% Phosphat | 85 IE: 0,5% Traubensäure + 1,3% Phosphat . . . 81,5 | (+) 0,5% Glycerin + 1,3% Phosphat ..... 87 Er b) Stärkere Extraktion. 12 g Muskulatur 5mal je 5 Minuten lang mit je 500 ccm destilliertem Wasser ausgezogen; sonst wie oben; Säuren mit Soda neutralisiert, kein Phosphatzusatz. Suspensionsflüssigkeit Gelbfärbung des Filtrats Sodareaktion Kontrollversuch (nicht extr.) . ++ +++ A, allen Be ae En — —_ WoyomEhosphat „en. ee — WooeBernsteinsäure > 2 2... SLÄILL UL AL 109 Bumarsäure 2.2 2.. + .. 1%. Malemsäurer ..... . 2... — — 1% Brenztraubensäure . . . . — — Wiederholung: Extraktion 5mal je 5 Min. Sussensioneflissiekeit Gelbfärbung Soda- Deneron Bene des Filtrats reaktion IKontrollversuche LE 44 Namdest:. :.. Rue N... 2. Delle — — 157 SENASENPO, Tr u (em) ? IOAmBernsteinsäuren ne ee | 28 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Suspensionstlüssigkeit ne Fumarsäure . ‘ Maleinsäure . e 1 Brenztraubensäure . Wiederholung: Extraktion von 18 g Muskulatur 5 mal je 7 ag. dest. Kontrollversuch . Aq. dest. 1,5952N35H PO, 1% Bernsteinsäure . 1% Glutarsäure . 1% Glutaminsäure . 1% Traubensäure 1% &-Oxybuttersäure 1% Glycerinsäure x 105 lese ne (Merck). Gelbfärbung des Filtrats | I ale (RE lese] Tlaziyezig Soda- reaktion m. ? ? Min. mit je 500 cem +++ Wiederholung: Extraktion von 24 g Muskulatur 5mal mit je 800 cem aq. dest. je 7 Min. lang. Kontrollversuch Ag. dest. . 1% Bernsteinsäure . 1% Citronensäure 1%, Milchsäure DAB. i : Ik 5% yon npug non ae (Merck). 1% Glycerinsäure — 170 Na,HPO, 1% Traubensäure An 1% ) Na,HPO, B 1% a-Oxybuttersäure : 1% Na%,HPO,. 1% Glutaminsäure + 1% Na,;HPO, . %, Lävulose + 1% Na,HPO,. Wiederholung: Extraktion von 37 g Muskulatur 5mal mit je 1200 Abk. 12, S. 30). je 5 Min. lang (s. Be I = l I = | T T T T T T T I + + or + ccm Wasser Suspensionsflüssigkeit | Hemmung Soda- in % reaktion Kontrollversuch 0 a Ag. dest kur > 92 — 1,5% K;HPO, (trocken, Merck) . 36 — 1% Citronensäure + 1,5% Phosphat . 37 4-47 1% Glutaminsäure — 1,5% Phosphat 38 —Lı 1%, Milchsäure + 1,5%, Phosphat . | 80,5 a 1% Brenztraubensäure — 1,5% Phosphat . 83 — 1% a-Oxybuttersäure + 1,5% Phosphat . 79 _- 1% f-Oxybuttersäure + 1,5% Phosphat . 84,5 — 1% Glutarsäure + 1,5% Phosphat. 87 — 1% Maleinsäure + 1,5%, Phosphat. 87 — 1% Traubensäure + 1,5% Phosphat. 86 == 1%, Dextrose + 1,5% Phosphat. s6 — Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 29 ; } ZUR N. || Gelbfärbung Soda- (Fortsetzung) Suspensionsflüssigkeit | des Filtrats | eltern 1%, Lävulose + 1,5% Phosphat . | 89 — 1%, Glykogen + 1,5% Phosphat Be: | 87,5 = ca. 1% x-Glycerinphosphorsäure!) (aq. dest.). | sl (+) ca. 1% «&-Glycerinphosphorsäure + 1,5% K,HPO, | 66,5 ae Wiederholung: Muskulatur mit der jeweils 20fachen Menge destillierten Wassers 3mal je 10°—15 Min. lang extrahiert. Suspensionsflüssigkeit Hemmung in % Sodareaktion Kontrollversuch . . . 0 —LtLt Ngmsdest ak ur. > 92 _ 0,5% Bernsteinsäure . . 30 L 0,5% Fumarsäure .. . 75 = Wiederholung: Muskulatur i.d. 17fach. Menge Wasser 3 mal je 7Min. lang extrahiert, Kontrollversuch . . . 0 Agsadestr.t 00.42... — 9 0,5% Bernsteinsäure . . 42,5 0,5% Fumarsäure . . . 38 Abb. 11. U ER EN KAELINT | EI ee a er ANTRERZ A ae Meßbarkeifsgrenze ® So = & = = = 2 = = = = 2 = > AL U CH EN or or © Si Di a Dr a Di or SD 8 sox = Sa er ie ee 5 = © le j 2 BREUER ESHH HN HE HD BO HB +2 HU Hy a2 +9 +9 le) = = = - 2: 3 EEE —_ ıo — Feneaa Jalaor Kg 23 So). ee) ms mi + ae er A ae a Kor a 2 3800 we N se Sr > Wr w vn DIS oo N “2 “up wo rn Sn DE = 5 = o I SSISE SON IE SChRIE SETS DERSSH INCH SCHE SSH ES SSH SO » ae Su Ss ne DB an on Su SH SO o.uo SQo SSH =) —— — 3 S m. ie an FH } = 3 Sn: Sn EB BB ee En e = = SSH R= ka N NZ ou Me NE Ne Hs Hs N I} » > [9 Sr eat 9 er SuRrS vw... 2 KH SeSo H®C BEE’ WE SS He m° mes HS m: BE % u “ = oo 5 = = HB Aa HK j = Neal a je + er rg (=) iS) ae} za FI DE gu: O9: Bo Hr S z oaa2a5 y go = S „= a7 EINS, az) RB SES5 Q& (@) © @) = © © O2 ©s go ©) oo5 13 = = = - = Ze a en - © Bei» g = © © = — <+ \ © 1) Darstellung: 0,2g Ba-Salz (E. Fischer) in wenig n-HCl gelöst, mit 1,3ccm n-H,SO, zerlegt, vom BaSO, abfiltriert, das klare Filtrat mit Soda neutralisiert und auf das Volumen von 10 ccm aufgefüllt. 30 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Abb. 12. HOREISATS UNO N. [fe Bene ea re ten 80 - . || 1 Phosphat alleın 90 | zn i | | Mehbarkeitsgrenze \ @D ® — = = je oO — — — — ns — Dr — ns Bl a SS Wo en us = = = in, = = 23 = > 8» PS En _ a ee en See © 5 mis 5 ee » = == 5 Bale) we) 8 = & Sg Fr Dean haus. Sum, Susı Orhan cum us, Seen w. oe so un le - oO so som Da= Ba x iR 2 ©: SB = sa 258 nn De; CS Io y8 2 = 2 © anf nm FR d a Bat nes ce “Ban .dE SS Dun we DENE me seo , eo, 8 DES 0. Duo lssEl Bis: 5 ag a& BES ONE Moe on loan o Solo aaa ar Au ar © = © an E38 58 = hin @ A Be: un Fe - go u Te 73 1) In Ba pi» a1 8 et er ng =) en > Ss os 5 = a = +2 cd A [11 % ES A > oo = BE 2o ° ES rQ a Sg” SSicr rag - Eee [e) 2 - ® e) I) DI Sun. ae : ä 8 a 25 a 2 in 2 un BZ} ke} ©: ©: 3 ke} 3 5 = = = Sp ier Do ie] = » 8 er © [e>} = > + Selbstverständlich wurde durch Versuche ausgeschlossen, daß die geprüften Substanzen ohne Gegenwart von Muskulatur Dinitrobenzol reduzierten. Aus diesem Grunde ließen sich Dioxyazeton und Glyze- rinaldehyd bezgl. ihres Reaktivierungsvermögens nicht prüfen, weil sie in phosphatalkalischer Lösung bereits von sich aus allmählich Dinitro- benzol reduzieren. Berücksichtigt man also, daß die Grenze der colorimetrischen Meß- barkeit bei 90% Hemmung liest und daß die Reduktionszahl bei alleiniger Gegenwart von Phosphat 85— 86 beträgt (bezogen auf den phosphatfreien Normalversuch), so wird man Werte von über 80 zumal bei negativer Soda- reaktion für unzureichend halten, um — im Gegensatz zu Thunberg!) — daraus Schlüsse auf die Bedeutung der in Frage kommenden Sub- stanzen für den intermediären Stoffwechsel der Muskelzellen zu ziehen; man wird vorziehen, Respirationsversuchen die Entscheidung zu über- lassen. 1) Skand. Archiv f. Physiol. 40, 1. 1920. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. I. SM: Aus diesen Versuchen geht demnach — fast durchweg in Überein- stimmung mit den Gaswechselversuchen Meyerhofs — eine koferment- freie Verbrennbarkeit hervor von: Bernsteinsäure, Fumarsäure ohne Phosphatzusatz, — von Citronensäure, Glutaminsäure, &-Glycerinphos- phorsäure bei Gegenwart von sekundärem Phosphat — und von Milch- säure bei unvollständiger Extraktion und Phosphatzusatz, während ein Restitutionsvermögen gegenüber oxydo-reduktiven Prozessen von K,HPO, allein, Maleinsäure, Brenztraubensäure, Glutarsäure, Trauben- säure, Oxybuttersäure, Glycerinsäure, Glycerin, Glykogen, Dextrose, Lävulose unbewiesen bleibt. Zusammenfassung der Versuchsergebnisse. I. Die vorstehend beschriebene colorimetrische Methode, die auf der Reduktion von m-Dinitrobenzol zu m-Nitrophenylhydroxylamin basiert, eignet sich als vergleichend-quantitative Methode zur Messung der At- mungs- (und Gärungs)geschwindigkeit von Zellen. Die quantitative Be- stimmung biologisch aktivierten Wasserstoffes (Dehydrierung;) tritt damit neben die bisher ausgeführten Meßmethoden energieliefernder Zellpro- zesse (Sauerstoffzehrung und Kohlensäureproduktion). II. Die Versuche an atmenden Froschmuskelzellen ergaben: 1. Die Reduktion ist abhängig von der Anwesenheit und Konzentra- tion von Koferment; 2. ihre Zeitkurve entspricht der Atmungszeitkurve; ihr Abfall in der Zeiteinheit ähnelt dem Abfall der Atmung unter gleichen Bedingungen. 3. Die Reduktion ist hochgradig thermolabil und wird durch Tempe- raturen von über S0° völlig aufgehoben; 4. sie ist an die intakte Zellstruktur gebunden; 5. sie wird durch steigende Sauerstoffversorgung der Zellen zurück- gedrängt, durch optimale Sauerstoffversorgung — reversibel — aufge- hoben. 6. Die Reduktionshemmung durch unspezifische Narkotica gehorcht wie die Atmungshemmung dem Gesetz der homologen Reihen; die Kon- zentrationshemmungskurven der. einzelnen Narkotica sind wie die At- mungshemmungskurven von Erythrocyten nahezu linear; Kombination von Narkotieis ergibt Additionswirkungen. 7. Kombination von allgemeinen Narkoticis mit Blausäure ergibt nie- mals Additionswirkungen, sondern geringere Hemmungen, als der Summe der Einzelhemmungen entspricht. Häufig ist sogar eine Zurückdrängung der reinen Narkotikumwirkung durch Blausäure oder eine Zurückdrän- gung der reinen Blausäurewirkung durch das Narkotikum zu beobachten. 8. Die Reduktionshemmungskurve der Blausäure ist im Gegensatz zur Atmungshemmungskurve zweiphasig; die Hemmung erreicht ihr Maximum bei etwa 0,5%/,, KCN, ihr neues Minimum bei ca. 50/,,- ID W. Lipschitz u. A. Gottschalk: Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 9. Wasserextrahierte Muskulatur besitzt kein Reduktionsvermögen mehr; es wird außer durch Muskel- oder Hefekochsaft durch Zusatz von Bernsteinsäure, Fumarsäure, Citronensäure, Glutaminsäure, &-Glycerin- phosphorsäure, bei schwacher Extraktion auch durch Milchsäure in wechselnder Stärke wieder hervorgerufen, — nicht nachweisbar dagegen durch Maleinsäure, Glutarsäure, Brenztraubensäure, Oxybuttersäure, Traubensäure, Glycerin, Glycerinsäure, Dextrose, Lävulose, Glykogen. 10. Auf nicht extrahierte Muskulatur wirkt entsprechend Bernstein- säure und Fumarsäure reduktionssteigernd; Maleinsäure wirkt reduk- tionshemmend, — ebenso auch Saponin. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe als Indicator von Teilvorgängen der Atmung und der Gärung. II. Mitteilung. Versuche an gärenden Zellen). Von Priv.-Doz. Dr. Werner Lipschitz und Dr. Alfred Gottschalk. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt a. M.) Mit 10 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. Mai 1921.) Durch die Versuche der vorstehenden Mitteilung?) ist erwiesen, daß die Konzentration des sich biologisch aus m-Dinitrobenzol bildenden m-Nitrophenylhydroxylamins als vergleichendes Maß der Atmungsge- schwindigkeit von Zellen sehr geeignet ist. Dieses neue Prinzip der Atmungsmessung: Bestimmung des aktivierten Wasserstoffes, hat bei Verwendung des Dinitrobenzols als Indicator Resultate ergeben, die weitgehende Parallelität zu den Ergebnissen der bisher ausgeführten Meßmethoden der Atmung (Sauerstoffzehrung und Kohlensäureproduk- tion) erkennen lassen, und die sich durch diese Übereinstimmung von den auf dem gleichen Prinzip beruhenden älteren Untersuchungen an- derer Autoren unter Verwendung von Farbstoffen entfernen. Es war nun zu prüfen, ob anoxybiontische Zellen zu dieser Nitroreduktionswirkung trotz fehlender Atmung, d. h. ‚Sauerstoff- zehrung‘ (bei vorhandener CO,-Produktion), befähigt seien; und ein gewisses Interesse durfte die Entscheidung dieser Frage beanspruchen, einmal weil der Prozeß für die Frage des physiologischen Energiewechsels Bedeutung gewinnen kann, und andererseits weil die phytochemischen Reduktionen von Neuberg und Mitarbeitern mit Hilfe gärender Hefe darauf keine definitive Antwort geben wegen der in den Versuchen mit- wirkenden Atmung der Hefezelle und überhaupt wegen ihrer Eigen- !) Auch diese Untersuchungen, ebenso wie die in der nächsten Veröffentlichung enthaltenen, sind unter Zuhilfenahme von Mitteln aus der Oscar Löw Beer-Stiftung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft ausgeführt worden. Für ihre Zuwendung sage ich dem Kuratorium der Stiftung auch an dieser Stelle nochmals meinen ergebensten Dank. W, Lipschitz. ). ak Ik Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 3 34 W. Lipschitz und A. Gottschalk: schaft der nur fakultativen Anoxybiose. — Inwieweit aber andere — bereits bekannte — Reduktionsleistungen anaerober Zellen vitaler und nicht rein chemischer Natur sind, erschien bisher recht ungeklärt. Darauf gerichtete Versuche an Ascaris megalocephala und Bac. butyricus nun ergaben, daß auch streng anaerobe Zellen, deren arbeitliefernde Reaktion ‚„Gärungen“ darstellen, die aromatische Nitro- gruppe kräftig reduzieren, und lieferten den endgültigen Beweis, daß neben der Bildung von Kohlensäure bei Atmung und Gärung!) und neben der wahrscheinlich gemachten Identität des Koferments (Meyer- hof) dieser beiden Prozesse auch ein Teilvorgang der Atmung und Gärung sich ähnelt, der — nach alter Bezeichnung — eine intramole- kulare Atmung oder — im Sinne der Wielandschen Dehydrierungs- theorie — eineintermolekulare Wasserstoffwanderung darstellt. Dieser Teilvorgang, der durch Ablenken des aktivierten Wasserstoffes auf die aromatische Nitrogruppe leicht erkennbar wird, ist nun wie im Falle der atmenden Froschmuskelzellen so auch bei den gärenden Zellen des Ascaris-Hautmuskelschlauches narkotisierbar. Damit wird ein von Winterstein vorgebrachter, ursprünglich sehr triftig erscheinender Einwand gegen die Verwornsche Narkose-(Er- stickungs)theorie hinfällig, der besagt, daß die Tatsache der Narkotisier- barkeit anoxybiontischer Tiere einen Kausalzusammenhang von Narkose und Herabsetzung der Oxydationen ausschließe. Hier zeigt sich dagegen, daß gerade auch der oxydo-reduktive Partialvorgang der Gärung narko- tisierbar ist, also die arbeitliefernde Reaktion der Zelle, und es läßt sich daraus kein Argument ableiten, das den Schluß verbietet, die All- gemeinnarkose sei eine Folge der Gärungs- (also doch auch ‚„‚Öxydations‘-) Narkose. Diese Widerlegung der Wintersteinschen Beweisführung trifft nun nicht aber auch die anderen gewichtigen Gründe, die von ver- schiedenen Seiten gegen die Verwornsche Theorie geltend gemacht worden sind, z. B. J. Loeb und Wasteneys?) und Warburg?): Beziehung der Furchung des Seeigeleis zu seiner Oxydationsgeschwin- digkeit. Die weitere Charakterisierung des Mechanismus der Nitroreduktion durch Ascaris ergab sich nun durch folgende Befunde: Durch die Leibes- höhlenflüssigkeit wird die Nitroreduktion nicht in nachweisbarem Um- fange bewirkt; mechanische Zerstörung der Zellstruktur der Ascaris- muskulatur dagegen hemmt den Prozeß nicht, wohl aber Entfernung der !) Wieweit die Schärfe und Ausschließlichkeit der Auffassung von E. J. Lesser berechtigt ist, ist mehr als fraglich: ‚Es ist die Kohlensäure, die wir bei der Alko- holgärung finden, mit der durch Oxydation entstehenden Kohlensäure in gar keine Analogie zu setzen.‘‘ Ergebn. d. Physiol. 8, 753. 1909. 2) Biochem. Zeitschr. 56, 296. 3) Ergebn. d. Physiol. 1914, S. 274. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. 1. 35 Zelltrümmer durch Filtrieren; die Reduktion bleibt nach Auswaschen kofermentartiger Substanzen aus den eröffneten Muskelzellen aus und wird durch gewisse organische Säuren restituiert. Unter diesen spielt wiederum Bernsteinsäure, Fumarsäure und Milchsäure eine bescendere Rolle; aber auch die Oxybuttersäuren und Glutaminsäure sind nicht ganz wirkungslos. — Dagegen ist Maleinsäure nicht imstande, selbst diese gärungsartige Nitroreduktion zu reaktivieren, obwohl sie (als Natriumsalz) die Reduktionskraft kofermenthaltiger Askariszellen nicht im mindesten hemmt, sondern eher steigert. Dadurch wird Thun- bergst) mit Hilfe der Methylenblau-Methode bezgl. dieser Säure gewon- nener Befund als eines „biologischen Aktivators‘“ völlig gegenstandslos. Besonders auffallend war die relativ große Unempfindlichkeit des Reduktionsvorganges gegenüber Blausäure — die Hemmung bleibt un- abhängig von der HCN-Konzentration stets innerhalb 30%; — ein Um- stand, der ebenso wie die Unabhängigkeit des Prozesses von der Intakt- heit der Zellstruktur deutlich auf den Zusammenhang der Reduktion mit der physiologischen Gärung hinweist; denn auch die alkoholische Gärung der Hefezelle wird nach Warburg?) erst bei erheblich höherer Konzentration durch Blausäure gehemmt als die Sauerstoffatmung. — Es ist also sicherlich eine mehr als zufällige Übereinstimmung, daß der anaerobe Ascaris ebenso wie seine energieliefernde Zellreaktion narkoti- sierbar ist und andererseits in so erstaunlicher Weise resistent gegen- über Blausäure. Wenn auch das stundenlange Überleben von Ascaris in 3 proz. Blausäurelösung?) vielleicht nicht ausschließlich durch die er- hebliche Unempfindlichkeit seines Hauptstoffwechselvorganges, der Gä- rung, erklärt werden darf, so spielen doch Erklärungsmomente wie die schwere Durchdringlichkeit der Leibeshülle*) oder die dichteren Zell- membranen erst in zweiter Linie mit. Wiederum also kommt man hier wie im Falle der Giftsteigerung durch kleine Mengen Narkotica?) zu dem Ergebnis, daß nicht vorwiegend Permeabilitätsverhältnisse für die Stärke von bestimmten Giftwirkungen maßgebend sind, sondern Intensi- tätsgrade des mit der Giftwirkung kausal verknüpften physiologischen Zellchemismus. Die nahe Beziehung des Verhaltens ganzer Tiere und der für sie wichtigen Fermentvorgänge gegenüber Giften scheint wert, besonders hervorgehoben zu werden. 1!) Vgl. S. 3 dieses Heftes. ?) Ergebn. d. Physiol. 1914, S. 303. ?2) Schroeder, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 19, 290. *) So haben die (fakultativ anaeroben) Ascariseier eine Sauerstoffzehrung, die gegen Cyannatrium weniger empfindlich ist als die Bakterienatmung, was nach Holthusen auf die dicke Eihülle zurückzuführen ist. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, H. 1/3, S. 1. 1921. >) G. Hertwig u. W. Lipschitz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 275. 1920; W. Lipschitz, Med. Klinik 1920, Nr. 49. 3* 36 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Ganz entsprechende Versuche weiter am Regenwurm, einem Tier, dessen energieliefernde Zellprozesse insofern gemischter Natur sind, als sowohl der atmungsartige wie der gärungsartige Mechanis- mus in variablem Umfange darin vertreten ist, führten zu Resul- taten, die gleichfalls Übergänge darstellen. Die Nitroreduktion der Regenwurmzelle ist zwar in typischer Weise durch allgemeine Nar- kotica hemmbar, ist wie die der Froschmuskel- und Ascariszelle thermo- labil und an die Gegenwart von Koferment gebunden; in ihrer Abhängig- keit aber von der Intaktheit der Zellstruktur entspricht sie dem atmungs- artigen Typ, in ihrer merklichen Widerstandsfähigkeit gegenüber maxi- maler Sauerstoffversorgung der Zellen mehr dem gärungsartigen Typus, und gar ihre Blausäurehemmungskurve stellt eine ausgesprochene Über- gangsform zwischen der hohen Blausäureempfindlichkeit der Frosch- muskelzelle und der außerordentlich geringen der Ascariszelle dar. Auch für die Frage nach dem ‚„‚Leben ohne Sauerstoff“ [Lesser]!) scheinen sich aus unseren Versuchen gewisse Folgerungen zu ergeben: Wenn man berücksichtigt, daß strenge Anaerobier wie Ascaris oder gar obligate wie Bac. butyricus Reduktionsleistungen vollbringen, die den Reduktionen oxybiontischer Zellen entsprechen [RNO,, Farbstoffe, selenige, tellurige Säure), Schwefel®)], und daß Sauerstoff, frei oder in gebundener Form, neben seltenen Atomgruppierungen, z. B. Doppel- bindungen, der einzige physiologische Wasserstoffacceptor ist, so wird man, auf dem Boden der Wielandschen Dehydrierungstheorie stehend, das Unterscheidungsprinzip: Oxybiose— Anoxybiose für den Tatsachen nicht entsprechend halten®), solange sich nicht eine Zellart findet, die den ihr dargebotenen molekularen oder atomar ge- bundenen (z. B. als RNO,) Sauerstoff jeder Art unhydriert läßt), oder aber eine Zellart, die den Wasserstoff der Nahrungsstoffe physiologischer Weise quantitativ molekular abspaltet, also eines Wasserstoffaccep- tors nicht bedarf. Die Aussichten, einen solchen Fall zu realisieren, sind aus energetischen Gründen gering, und die Annahme einer wahren An- oxybiose, also von Lebensvorgängen, deren Energiespender reine ‚‚Spal- !) Ergebn. d. Physiol. 1909. ?) Klett, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 33, 137; Wolff, Zentralbl].f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I, Orig. %7, 849; Cathcart u. Hahn, Arch. f. Hyg. 44, 295; Münch. med. Wochenschr. 49. 585. ®) Vgl. Kruse, Mikrobiologie (Schwefelbakterien). *) Zur Definition der als „Katenergese‘‘ zusammengefaßten Begriffe der Atmung und Gärung vgl. Gottschalk, Über den Begriff des Stoffwechsels in der Biologie. Abhandl. z. theor. Biol., H. 11. Berlin 1921, Bornträger. 5) Auch die Milchsäuregärung des Bact. acidi lactici hydrolysiert den Milch- zucker nicht quantitativ, sondern man findet neben 98%, Milchsäure: Aldehyd, Alkohol, Essigsäure, Bernsteinsäure (Leichmann u. Weigmann; vgl. auch Krummacher, Zeitschr. f. Biol. 69, 293). Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. Il. 37 tungen“, d. h. Hydrolysen, Decarboxylierungen usw. darstellen, kann zurückgestellt, wenn nicht fallengelassen werden !). Aber selbst wenn man den Begriff ‚‚Oxybiose‘ nur auf freien Sauer- stoff bezieht, wird man bezüglich der Annahme einer strengen Anoxy- biose vorsichtig sein, nachdem neueste Untersuchungen von Will- stätter?) über katalytische Hydrierung ergeben haben, daß die bei „Ausschluß“ von Sauerstoff ausgeführten Hydrierungen und Dehydrie- rungen, u.a. Wielands, nur dann glatt verlaufen, wenn der Katalysator (Platin, Palladium) mit einer gewissen, wenn auch stöchiometrisch ver schwindend geringen Menge Sauerstoffs beladen ist. So läßt sich bis heute ‚ nicht ganz ausschließen, daß auch das reine „Gärungsferment“ streng anaerober Zellen Spuren Sauerstoff enthält und zu seiner Wirksamkeit braucht. Wie fließend der Übergang von Oxybiose zu Anoxybiose über- haupt ist, zeigt sich ja an den allmählich abnehmenden optimalen Sauer- stoffkonzentrationen für das Wachstum der Bakterien®), und nur im Hin- blick auf den Bilanzstoffwechsel läßt sich wohl Gärung als Anoxy- biose der Zellatmung als Oxybiose gegenüberstellen, insofern als bei der letzten (nach Warburg) auf 10 Moleküle verbrauchten Sauerstoffes 7—10 Moleküle produzierter Kohlensäure kommen, bei der Gärung z. B. des Ascaris lumbricoides der Katze abernach Bunge®) und Weinland?) erhebliche Mengen CO, (0,4 g pro 24 Stunden und 100 g Tier) gebildet werden, während der Verbrauch an Sauerstoff sich bei stöchiometrisch nicht in Betracht kommenden Werten hält. Experimentelles. Die Methodik dieser Versuche entspricht der in der vorigen Mit- teilung angegebenen, doch störte bei den Versuchen an den Hautmuskel- schläuchen der vollständig ausgeweideten und gewaschenen Ascariden und Regenwürmer die Trübung der Filtrate häufig die colorimetrischen Bestimmungen; daher wurden aliquote Teile sämtlicher Filtrate mit der gleichen Menge 95 proz. Alkohols versetzt; nach kurzer Zeit wurde von der farblosen Fällung durch trockene Filter abgegossen, und die so ge- klärten Filtrate wurden colorimetrisch verglichen. Bei den Versuchen an Regenwürmern wurde vor dem Alkoholzusatz nicht durch Papier, sondern Glaswolle filtriert. Selbstverständlich war Vorbedingung, daß das verwandte Dinitrobenzol auch in alkoholischer Lösung farblos erscheint. !) Vielleicht ist auch die Frage noch einmal aufzuwerfen, ob die Produktion der zur spezifischen Funktion des Nerven erforderlichen Energie auf Grund rein anoxyda- tiver Prozesse stattfindet. Vgl. Gottschalk, Zeitschr. f. allg. Physiol. 18, 3/4. 1920. 2, R. Willstätter u. E. Waldschmidt- Leitz, Ber. d. Dtsch. Chem. Ges. 54, 113. >) Kruse, Mikrobiologie. *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 8, 48; 14, 318. 5) Zeitschr. f. Biol. 42, 55. 1901. 38 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Versuche an Ascaris megalocephala des Pferdes. Die lebensfrisch vom Schlachthof erhaltenen Tiere wurden quer durchschnitten, die beiden Leibeshälften mit der Schere längs aufge- schlitzt, mit stumpfem Instrument durch Ausstreichen völlig ausge- weidet, mit Wasser kurz abgespült und der so erhaltene Hautmuskel- schlauch mit Filtrierpapier abgetupft. Die für jede Versuchsreihe nötige Menge von Material wurde, wie bei den Froschmuskeln beschrieben, mit der Schere fein zerschnitten und homogenisiert. Dann wurden Portionen von 2 g oder meistens von 1 g — wegen des stärkeren Reduktionsver- mögens der Ascariszellen — abgewogen und in 10 ccm destilliertem Wasser von 20° mit 0,2 g Dinitrobenzol vermischt. Nach 16—20 Stun- ' den Filtration und direkt colorimetrischer Vergleich oder — in den späteren Versuchen — Fällung mit der gleichen Menge 95 proz. Alkohols, neue Filtration und erst dann Colorimetrie. 1. Thermolabilität der Reduktion. Je 1,4g Zellen 10 Minuten in 10 ccm Wasser vont’, dann auf 20° ge- bracht und mit 0,2g Dinitrobenzol vermischt. Nach 3 Stunden abfiltriert. be Gelbfärbung Sodareaktion 55—51° (+) A) 20, zn Rd 2. Aufhebung der Reduktion durch Extraktion der Muskula- tur mit Wasser und Restitution durch organische Säuren. 2g der sehr fein zerschnittenen Muskulatur einmal 20 Minuten lang mit 400 ccm Wasser extrahiert, dann noch 4 mal je 5 Minuten lang. Mischung mit 10 ccm Aq. dest. und 0,2g Dinitrobenzol. Kontrolle von 2g 45 Mi- nuten in 10 ccm Wasser aufbewahrt, dann Zusatz von Dinitrobenzol. Reaktionsdauer Extrahierte Muskulatur Normale Muskulatur 35/ ak N \ 20 Gelbfärbung ) _ A Sodareaktion — SPAR 68 fein zerschnittene Muskulatur: a) 2g-+ 10 ccm H,O + 0,2 gDini- trobenzol; 48 5 mal mit je 400 cem Agq. dest. extrahiert, Dauer je 3 Minu- ten, davon zwei gleiche Hälften: b) + 10 ccm H,O + 0,2 g Dinitrobenzol, c) + 10 ccm 1 proz. neutralisierte Bernsteinsäure + 0,2 g Dinitrobenzol. Extrahierte Muskulatur Reaktionsdauer Normalversuch Aq. dest. Bernsteinsäure 15° ae = (+) Bonn Ä ” de = | he o [ 70 Gelbfärbung a S 16" Pt (Gi) zit at Sodareaktion Anen (Ei) 4-6 Wiederholung; Auswaschdauer 25 Minuten. ji 168 Gelbfärbung +44 (-) a ae Sodareaktion +++ (+) Arge Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. II. 39 34 g fein zerschnittene Muskulatur :2 x 2 g nicht extrahiert in je 10 ccm Aq. dest. suspendiert + 0,2 g Dinitrobenzol als Keilfüllung, 2 g nicht extrahiert in 1 proz. mit Soda neutralisierter Maleinsäure suspendiert, die Hauptmenge der Muskulatur fünfmal je 7 Minuten mit destilliertem Wasser extrahiert; dann je 2 g mit 10 ccm Flüssig- keit + 0,2 g Dinitrobenzol vermischt, wobei alle Säuren mit Soda neutralisiert und dann evtl. mit Phosphat versetzt wurden; nach 20 Stunden wurde durch Glaswolle filtriert, mit 95 % Alkohol 1:1 ge- fällt, wiederum filtriert und kolorimetriert. = Suspensionsflüssigkeit | Kolorimeterzahl | Sodareaktion P- | | Nnent nannte Neue | | Aymdeste ee Se en 0 INA SEE TE Malemsäuzessr ee ..... | Steigerung von 5%, | +++++ Be inente, m alelatun: ' Hemmung in °, | agsmdestg eur: a >92 | _ 14520 K.HPO, I N EEE 89 | (+) 1°/, Bernsteinsäure. . . SD 49 | +++ 1°/, Fumarsäure + 1,5% K,HPO,. N 43 en 1°%/, Milchsäure + Phosphat. . . . . . 70 ++ 1°/, Zitronensäure + Phosphat. . - . . | >90 ? 1°/, Glutaminsäure + Phosphat . . . . 80 e- 1°/, Maleinsäure + Phosphat . . . . . 86.5 (ap) I elutarsäure 1 Bhosphatlr. 2.2. 87,5 | GE) 1°/, Traubensäure + Phosphat. . . . . >92 = I Glykogen- | Ehosphat 2.2 2.2... 86 (+) 1°/, #-Oxybuttersäure + Phosphat . . . 79 4 1°/, B-Oxybuttersäure + ln NE 11,5 = 1°/, Brenztraubensäure . . . re 835,5 | (+) Abb. 1 siehe $. 40. Eine steigernde Wirkung der Maleinsäure gegenüber kofermenthaltigen Ascariszellen trat in einem späteren Versuch noch stärker hervor: 1% Maleinsäurelösung, gegen Lackmus mit Soda amphoter gemacht. als Stammlösung. Je 1,0 g Muskulatur + 10cem Flüssigkeit + 0,2 g Dinitrobenzol. Suspensionsflüssigkeit Gelbfärbung Sodareaktion nachw4bgage dest... | — | 0,33°/, Maleinsäure | a 1 .o °%/, Maleinsäure . .... (+) | nach 4® aq. dest... . . ER (+) | 0,33°%/, Male neaure SEEN TE U 1.027. Mälemsäure © 2.2.2: UL | Kolorimeterzahl: naen20L au designer .n. | 0 ++ 0,33°/, Maleimssnre DR Steigerung von 56°/, +++ 1,0 °/, Maleinsäure . . . . . | Steigerung von 66°/, 44 40 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Abb. 1. fl so o o [=] so „Oo K=] So o o So ° Sg & s oS\Ö Sn ON Ss Ss OÖ OS oÖ SS OÖ SS je} » o> = FR EN ee en _ = R © =] » = = = = =} DL S : = © EN - = u = = Z > < zZ © — © = 1 S D © [e) + [> [=] m (<) z rn B © + 7 3 u 0 = © 5 ° Bahn RE RREE S = “. je: En 4 B = = a © 021 u sh _7 < © z£ 17 2 = u = 8: Oo S = = \ ® me ©: ©: =] mie ©: > © = Pe = » o = - = eu [71 = feet an =} = = = Ss & Z B ar} = = . 177) 8: RR en 8: + + = [=] R = ie] = ©: ® zZ ® © ® = 8: © © = = = E 4 © au = „4 = ber} -“ U = © jerf © [a] © 172 en =} E3 - ® 8: D: 74 un [a } z = 8: s = je = [e) = © E = © = =} [q] las) er je) un ke} =2 D + "OdH’M CI + Weitere Versuche dieser Art, die z. B. zur Sicherstellung der auf- fallenden Unwirksamkeit der Zitronensäure hier im Gegensatz zu ihrer Bedeutung für die atmenden Zellen beabsichtigt waren, konnten wegen eingetretener Materialschwierigkeiten nicht mehr ausgeführt werden. 3. Reduktionsunfähigkeit der Leibesflüssigkeit. Die gelbliche Leibesflüssigkeit durch Glaswolle filtriert. Je 2 ccm + 2 cem Verdünnungsflüssigkeit + 0,1 g Dinitrobenzol. Reaktionsdauer Verdünnungsflüssigkeit: Aq. dest. 1,20/00 KCN neutralis 20 Sodareaktion — — 79h ” 2 Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. II. 41 4. Zerstörung der Zellstruktur. Im Gegensatz zu der früher von Lipschitz!) beschriebenen und neuerdings?) bestätigten Aufhebung der Nitroreduktion von Frosch- muskelzellen durch Strukturzerstörung bewirkt der gleiche Eingriff bei den Ascariszellen keine nachweisbare Hemmung des Reduktionsver- mögens. Auch bei Zusatz von strukturzerstörten Froschmuskelzellen zum strukturzerstörten Ascarisgewebe machte sich keine (etwa durch freigewordene Reduktions,,antifermente‘ der Froschzelle bedingte) Re- duktionshemmung bemerkbar. Die Gärungs-Nitroreduktion ist also nicht an die intakte Zellstruktur gebunden — auch der Ascarispreßsaft gärt?) — wie die Atmungs-Nitroreduktion, wohl aber wird sie durch Entfernung der Zelltrümmer mittels Filtration geschwächt oder auf- gehoben. Je 2 g Muskulatur von Ascaris und Frosch in flüssigem Stickstoff gefroren, zusammen gepulvert und mit 10 ccm H,O und 0,2 g Dinitro- benzol vermischt: (a) dasselbe mit 2 & Ascarismuskulatur allein (b); dasselbe mit 2 g Froschmuskulatur allein (ec); Kontrolle mit 2 g zerschnittenen Ascarismuskelzellen (d); 28 Kontrolle mit zerschnittenen Froschmuskelzellen (e). Zeit Gelbfärbung von a) b) e) d) e) 10’ (12) u (+) Gin) 15° (Fe) 20 u + = 252 fi -E 50’ Be Zn Ära Ktechiute = aa Shazt Sodareaktion +++ N EN IE an ne Ba Au 2g Muskulatur zerschnitten + 10 ccm H,O + 0,1g Dinitrobenzol (a), 6 g sorgfältig in flüssigem Stickstoff durchgefroren und, fein gepulvert, in 30 ccm Wasser suspendiert. Von der kräftig durchgeschüttelten Sus- pension: 10 ccm + 0,1 g Dinitrobenzol (b): den Rest zuerst durch Papierfilter filtriert; 2,5 ccm + 0,1 g Di- nitrobenzol (c); den Rest durch gehärtetes Filter; 2,5 cam + 0,1 g Dinitrobenzol (d); den Rest durch Tonkerze filtriert; 2,5 cem + 0,1 g Dinitrobenzol (e). Reaktionsdauer dGelbfärbung von a) b) c) d) e) 35% ie ste rar er (+) >= a S-Abar EA 4 (+) = Sodareaktion +++ Ararar air (+) > !) Zeitschr. f. physiol. Chemie 109, H. 5. 2) Vgl. vorige Mitteilung. 3) Weinland, Zeitschr. f. Biol. 43, S6. 1902. 42 W. Lipschitz und A. Gottschalk: 2 mal 2g Muskulatur mit flüssiger Luft gefroren, einzeln gepulvert und mit je 10 ccm H,O und 0,2 g Dinitrobenzol vermischt. Kontrolle mit 2 g zerschnittener Muskulatur. Tote) Reaktionsdauer Gelbfärbung von Versuch 1 Versuch 2 Kontrolle 1b = = r ah +++ +++ +++ >08 Alle filtriert; die trüben Filtrate 1:1 mit 95proz. Alkohol ver- setzt, von der farblosen Fällung abfiltriert und colorimetrisch ver- glichen. Kontrolle als Keilfüllung. Versuch 1 0°/, Hemmung n 2 0% 5. Sauerstoffversorgung. Vgl. hierzu die entsprechenden Versuche an Froschmuskelzellen (S. 12)! Je 1 g Ascarismuskulatur in 10 ccm Wasser eingetragen und mit 0,2g Dinitrobenzol versetzt. Das Wasser war im Versuch 1 mit Wasser- stoff gesättigt und wurde dauernd durchperlt, Versuch 2 normal, im Versuch 3 mit Sauerstoff gesättigt und weiter durchperlt. Nach 36 Stunden filtriert, die Filtrate wie oben beschrieben mit Alkohol ge- fällt, wieder filtriert und colorimetriert. Als Keilfüllung dient der Wasserstoffversuch. a) Versuch Colorimetrische Zahl Sodareaktion 1 0 na 2 10,9 en 3 75 = Wiederholung; Filtration nach 20%; Alkoholfällung wie oben. b) Gleiche Versuchsanordnung. Der Wasserstoffversuch wurde durch einen Versuch mit Durchleiten von Luft ersetzt. Normalversuch als Keilfüllung. c) Normalversuch 0 Ar Luftversuch 17 eat Sauerstoffversuch 66 len) Wiederholung. d) Normalversuch 0 Luftversuch 26 Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. II. Die geringere Wirkung molekularen Sauer- stoffes gegenüber der Gärungsreduktion als gegenüber der Atmungsreduktion ergibt sich ohne weiteres beim Vergleich von Abbildung 2 mit Abbildung 3(b) der vorigen Mitteilung. Luftsättigung hemmt die erste um weniger als 30%, die Atmungsreduktion um 60%, (0) 70 20 3o 40 50 60 70 43 (e) Sauerstoffsättigung hebt diese vollständig auf, (d) während die Gärungsreduktion stets merk- 80 lich erhalten bleibt (25—35%). % 700 - anaerob. Zuff- O0 normal Sättigung Abb. 2. 6. Wirkung der Narcotika. Äthylurethan: (Abb. 3). 0% Hemmung in % Sodareaktion OR Hemmung in % 0 0 (a) -—- +++ (schwarzviolett) 0 0 (b) 4 16 +++ (dunkelrot) 6 19 6 22 —+-- (dunkelrot) 8 33 3 36 UL (kirschrot) 12 42 12 54 +(+) (hellrot) 15 61 15 64 - (hellgelbrot) 60 705 BT ET TE zn EN ES 70 Athylureihan Abb. 3. Propylalkohol: (Abb. 4). Hemmung in % So 0 0 (a) 0 S 5,4 S 12 15,6 12 16 18 16 | 20 OU07ZE07520% Propylalkohol > Abb. 4. Hemmung in % 0 (b) Ö 6,4 1lz/ 39 44 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Methyläthylketon: % Hemmung in % Sodareaktion % Hemmung in % Sodareaktion 0 0 unten I 0 0 len 4 59,5 4 4 70 + 8 79 =r 8 ca. 90 — 12 86 ? 16 >92 ae o 90 = DEE EEE II 110750.610:26 Methylathy!keton Abb. 5. 7. Wirkung der Blausäure. l- oder 2proz. KCN-Stammlösung mit HCl neutralisiert und verdünnt. Je 1 g Muskulatur. Filtration nach 20 Stunden, unverdünnt kolorimetrische Messung. KCN oo Hemmung in % Sodareaktion KCN °/,o Hemmung in % Sodareaktion 0 0 (a) 0 0 (c) a 0,019 25 0,3 19,6 nn 0,038 21 122 24,3 +++ 0,076 24 2.5 DOT: + 0,152 26 10,0 36,5 Kl 0,303 (titriert) 27 0,605 29 0 0 (d) STIER 1 33 0,07 5 44 2,2 (titriert) 3 0,15 SB SE SE IL 4,8 31 0,3 16 -— 9,53 (titriert) 29,5 0,6 15,3 AL, 122 1layz/ 44 > Gb) 2, 25 S ı 0,019 13 ++ 10,0 18 +4 0,076 7 EIRMIBE TE 0,303 14 res 0,605 14 all 2,2 17 a BR 16 ee) Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. Il. 45 ==» er .. Maßstab ==+ a | uk 29 DEE TONLZITE EN TETEZONZZZITZENEZEN ZEN 98 C270%0 Abb. 6. Versuche an Regenwürmern. Frisch gesammelte Regenwürmer werden mit spitzer Schere der Länge nach aufgeschnitten, vollständig ausgeweidet und mit Wasser ge- reinigt, so daß der glatte Hautmuskelschlauch übrigbleibt, der mit Filtrierpapier abgetupft wird. Dieses Material wird gewogen und in üblicher Weise fein zerschnitten, so daß es von möglichst gleichmäßiger Beschaffenheit ist. Da diese Zellart wieder weniger stark reduziert als die Ascariszellen, so werden entsprechend den Froschmuskelversuchen meistens 2 g für jeden Versuch verwendet. Da die überstehende Flüssigkeit am Ende der Versuche durch einen Gehalt an Schleimsubstanzen und anderen hochmolekularen Stoffen außerordentlich schlecht filtrierbar ist, wurde sie durch Glaswolle von gröberen Verunreinigungen befreit und dann durch Fällung 1:1 mit 95 proz. Alkohol klar filtrierbar gemacht. Nach Filtration colorimetri- scher Vergleich, l. Strukturzerstörung. 4 g in flüssigem Stickstoff gefroren, gepulvert und mit 10 ccm Wasser und 0,2 g Dinitrobenzol vermischt. Kontrolle mit 4 g zerschnittener Muskulatur. Reaktionszeit Gelbfärbung Sodarektion 2 Hauptversuch: B= e 166 Kontrolle: een An 46 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Wiederholung mit je 3g Muskulatur: veaktionszeit Gelbfärbung Sodareaktion 30 Hauptversuch: (+) Kontrolle: zur 3a Hauptversuch: (eb) Z Kontrolle: Sr A N NE Wiederholung mit je 1,92 Muskulatur: 2°/;® Hauptversuch: = Kontrolle: let ealsiaiz Stärkste Hemmung der Reduktion beim Regenwurm durch Struktur- zerstörung parallel den Muskelzellen des Frosches und in scharfem Gegen- satz zu den Ascariszellen. 3. Koferment. 2 g Muskulatur fein zerschnitten, 5mal mit je 400 ccm dest. Wasser 7 Minuten lang extrahiert, dann in 10 ccm Wasser + 0,2 g Dinitrobenzol suspendiert. Kontrolle mit nicht extrahierter Muskulatur. Nitrophenyl- hydroxylaminbildung im: Zeit Hauptversuch Kontrollversuch 2b _ ua 16% (+) +++ Sodareaktion: (+ A A 4 g Muskulatur 5mal mit je 400 ccm Wasser je 10 Minuten lang extrahiert; dann die eine Hälfte mit 10 ccm Wasser + 0,2 g Dinitro- benzol vermischt (a), die andere Hälfte mit 10 ccm 1 proz. neutralisierter Bernsteinsäure + Dinitrobenzol (b). Kontrolle mit 2g nicht gewaschener Muskulatur usw. (c). Extrahierte Muskulatur Zeit in Wasser in Bernsteinsäure Kontrolle 22/,R — eh) rt Sodareaktion: (+) a leniakıız Tara 3. Thermolabilität. Je2g Muskulatur in 1O ccm Wasser von t‘, dann auf 20° gebracht —+- 0,2 g Dinitrobenzol; nach 2 Stunden filtriert. = Gelbfärbung Sodareaktion 20° +++ +++ 56—58° — = 4. Sauerstoffversorgung. Je 2 g Muskulatur in 10 cem Wasser, das (a) mit Wasserstoff, (b) normal, (c) mit Sauerstoff durchperlt wird, + 0,2 g Dinitrobenzol. Nach 20 Stunden durch Glaswolle filtriert, mit Alkohol gefällt, filtriert. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. II. Kolorimeterzahl Sodareaktion Wasserstoffversuch . . . 0) +++ Normalversucha 2. .0.0.2:.0355 usiske Sauerstofverssuch . .. 7 -_ Wiederholung: Normalversuch (0) + +-4 Sauerstoffversuch .. . 82,3 = { 5. Narkoticawirkung. Vorversuche: Je 1,5g Muskulatur + 10ccm Flüssig- keit + 0,2 g Dinitrobenzol. Gelbfärbung Sodareaktion 1 Sieg alien: satte II Eee ar um Äthylurethan: 0, H,0: Methyläthylketon: Hauptversuch: Äthylurethan: (Abb. 9 Hemmung in ®%, 0 s6 > 92 SU RrSE Zu RS 0722710706 Attylurethan Abb. 8. 47 7 a ag. dest. &, normal Jarhgung Abb. 7. Sodareaktion Abb. 9. 48 W. Lipschitz und A. Gottschalk: Methyläthylketon (Abb. 9, siehe vorige Seite): 0% Hemmung in % Sodareaktion 0 0 ragen > 53,8 a 4 36 En 8 > 92 — 6. Wirkung von Blausäure. Je 2 g Muskulatur; 1 proz. KÜN-Lösung neutralisiert und verdünnt. Filtration nach 20 Stunden. KCN 0 Hemmung in % Sodareaktion 0,15 22,5 0,3 34,7 0,6 34 1,25 47 ++ 2,5 64,7 En 5,0 78,3 Se) 10,0 33 + Io aterar + + 700 ai | l n 020406081012 141618202.224262830 40 50 60 70 80 99 ycy 90% A EL) Abb. 10. Wiederholung ergibt das gleiche Resultat. Es ist zu vergleichen einerseits mit der sehr eigenartigen Hemmungskurve der Froschmuskel- zellen (vgl. S.24 u. 25), andererseits mit der von der KCN-Konzentration weitgehend unabhängigen Hemmungskurve der Ascariszellen. Versuche an Pflanzenkeimlingen. Die Tatsache des sehr kräftigen Reduktionsvermögens von Rüb- samenkeimlingen gegenüber dem Dinitrobenzol war von Lipschitz!) schon früher festgestellt. Hier wurde weiter beobachtet, daß dieses Reduktionsvermögen durch Strukturzerstörung aufgehoben wird — ebenso wie bei Frosch- und Regenwurmzellen und im Gegensatz zu Ascaris- und Hefezellen. !) Zeitschr. f. physiol. Chemie loc. cit. Die Reduktion der aromatischen Nitrogruppe usw. II. 49 Je 1g frische Keimlinge + 10 cem Aq. dest. + 0,2g Dinitrobenzol a) in flüssigem Stickstoff gefroren und gepulvert, b) zerschnitzelt. Blutwirkung): 5cem 1:7 ver- Zeit Gelbfärbung * Sodareaktion dünntes hämolysiertes Blut + 0,25 ccm Reaktionsfiltrat 1!/," (a) (a5) _ Methämoglob.-Str. nach 4 = 7 71 ab} 20’ 2? De ettr h nn Mi t+t++ Versuche an Bakterien). Proteus X 193). Acht 72 Stunden alte Schrägagarkulturen werden mit im ganzen 10 cem 0,75 proz. NaCl-Lösung abgeschwemmt (Reaktion gegen Lackmus sehr schwach alkalisch). Davon je 1,0 ccm mit 1,0 ccm Flüssigkeit ver- dünnt und in kleinen Reagensgläsern mit ca. 10 mg-Portionen Dinitro- benzolpulver vermischt. Nach 20 Stunden wurden die gleich dicken Reagensgläser der Farbe nach verglichen. KCN-Endkonzentration °/yo Gelbfärbung Sodareaktion 0 SE in 0,15 an) +(+) 0,3 =t a 0,6 le SE D2 Ar a) 2,5 - +(+) Wiederholung mit acht 24 Stunden alten Kulturen, die mit 4 ccm NaCl-Lösung abgeschwemmt wurden. KCN-Endkonzentration °/yo Gelbfärbung Sodareaktion 0 +++ +++ 0,15 — = 0,3 ee) lan) 2,5 IF Ar Bac. Butyricus:4Schrägagarkulturen, die anaerob gezüchtet waren, mit 10 cem 0,75 proz. NaCl-Lösung herausgeschwemmt, mit Soda neutra- lisiert, kurz mit Wasserstoff durchperlt und unter Wasserstoff abge- schlossen. Darauf 1 ceem-Proben entnommen, mit der gleichen Menge Flüssigkeit verdünnt, mit Dinitrobenzol versetzt und die Reagensgläser wieder unter Wasserstoff verschlossen. Vergleich nach 6 Stunden. KCN-Endkonzentration °/oo Gelbfärbung Sodareaktion 0 ++ Ara 0,15 + u 0,3 il. ar 25 Ar !) Zeitschr. f. physiol. Chem. loc. eit. ®) Die Reinkulturen verdanken wir wiederum dem freundlichen Entgegen- kommen der Herren des hiesigen Hygienischen Instituts; wir sprechen speziell Herrn Prof. Braun und Dr. Cahn - Bronner für ihre Mühe den herzlichsten Dank aus, ebenso Herrn Privatdozent Dr. Adler für die Anregung zur Wahl dieser Bakterien. ®) Vgl. Hertwig u. Lipschitz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. loc. eit. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 4 50 W.Lipschitz u. A. Gottschalk : Die Reduktion d. aromat. Nitrogruppe usw. II. Wiederholung mit acht 48 Stunden alten Schrägagarkulturen, die mit 6 ccm NaCl-Lösung herausgeschwemmt und mit I proz. Soda vor- sichtig neutralisiert wurden. i Je 1 ccm Kulturaufschwemmung 1 :1 verdünnt; nach 10 Minuten Zusatz von Dinitrobenzol. KCN-Endkonzentration Gelbfärbung Sodareaktion io nach 1!/, nach 20h nach 1!/, nach 20h 0 tastesl Een ae ats 0,15 + ut 444. +44 0,3 ++ ++ ++ ++ 2,5 - + + - Zusammenfassung der Versuchsergebnisse. I. Die Zellen des Hautmuskelschlauches von Ascaris megalocephala: 1 . reduzieren Dinitrobenzol ; 2. die Reduktion ist thermolabil; 3. sie ist an das Vorhandensein von Koferment gebunden; 4. sie ist dagegen nicht an die intakte Zellstruktur gebunden, son- dern nur an die Gegenwart der filtrierbaren Zelltrümmer. 5. Sauerstoffzufuhr hebt die Reduktion nicht auf; 6. sie ist durch allgemeine Narkotica proportional ihrer Konzentra- tion hemmbar; 7. sie wird dagegen durch HCN in steigenden Konzentrationen höch- stens um 30% gehemmt; die Hemmungskurve ist uncharakteristisch und nicht zweiphasig. 8. Die Leibesflüssigkeit reduziert Dinitrobenzol nicht nachweisbar. II. Die Zellen des Hautmuskelschlauches von Regenwürmern: . reduzieren Dinitrobenzol; . die Reduktion ist thermolabil; . . sie ist an die Gegenwart von Koferment gebunden, . sie ist an die Erhaltung der Zellstruktur gebunden, — ebenso wie die Reduktion von Rübsamenkeimlingen. 5. Die Reduktion wird durch Sauerstoffzufuhr nicht völlig unter- drückt; 6. sie ist narkotisierbar ; 7. Die Blausäurehemmungskurve hat gekrümmte Form und über- schreitet — einphasig — bei hohen Giftkonzentrationen 80%. wm m HP Ill. Blausäure hemmt (inkomplett) auch das Reduktionsvermögen von Bac. proteus und — vielleicht weniger stark — von Bac. butyricus. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt a. M.) Erhaltung der Funktionen aerober Zellen bei Ersatz des freien Sauerstoffs durch chemisch gebundenen: „Pseudoanoxybiose“. III. Mitteilung. Versuche an Spermatozoen. Von Werner Lipschitz und Günther Hegtwig. Ausgeführt mit Unterstützung der Oscar Löw Beer-Stiftung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. Mai 1921.) Die in vorstehenden Mitteilungen!) geschilderten Untersuchungen hatten ergeben, daß der in der aromatischen Nitrogruppe gebundene Sauerstoff mit dem physiologisch gebotenen molekularen im Stoff- wechsel der atmenden Muskelzelle in Konkurrenz tritt. So ist zu er- klären, daß maximale Sauerstoffversorgung der Zelle die Reduktion der Nitrogruppe — reversibel — hintanhält, und daß umgekehrt bei Sauer- stoffabschluß die Reduktion maximal wird. Andererseits ließen die Atmungshemmungskurven der Narkotika und ihre Reduktionshem- mungskurven in ihrem Verlauf große Ähnlichkeit erkennen, und schließlich zeigten sich die narkotischen Grenzkonzentrationen beider Prozesse recht übereinstimmend dem Gesetz der homologen Reihen unterworfen. Es erübrigt sich fast, noch einmal darauf hinzuweisen, daß auch alle übrigen Eingriffe in das normale Zellgeschehen ganz parallel die Sauerstoffzehrung und die Nitroreduktion beeinflussen. Da esnunH. Wieland?) früher gelungen war, Kohlenhydrate sowohl durch anorganische Katalysatoren wie durch das Ferment der Essig- säurebakterien anaerob zu Kohlensäure zu verbrennen, wofern nur der aktivierte Wasserstoff durch einen Wasserstoffakzeptor (Chinon, Methylenblau) gebunden wurde, lag es nahe, daraus die energetischen Konsequenzen zu ziehen und zu versuchen, mechanische Zellfunktionen zu erhalten, die offenbar von der durch die biologischen Oxydationen t) ef. S. 1 u. 33 dieses Heftes. ®2) Ber. der Dtsch. Chem. Ges. 46, 3327; 47, 2085. 4* % 52 W. Lipschitz und G. Hertwig: gelieferten Energie abhängen. Das Erwartete trat ein: atomar gebun- dener Sauerstoff kann den physiologisch gebotenen gasförmigen nicht nur im Stoffwechsel (H. Wieland!) weitgehend ersetzen, sondern auch mechanische Leistungen atmender Zellen können — in der- artiger Pseudoanoxybiose?) — durch denimm-Dinitrobenzol als alleiniger Wasserstoffakzeptor gebotenen Sauerstoff erhalten werden, die sonst bei Sauerstoffentziehung sistieren. Es wird im folgenden beschrieben werden, daß Froschspermatozoen, wie das von vielen atmenden einzelligen Organismen bekannt ist, in einer Wasser- stoffatmosphäre ihre Beweglichkeit verlieren. Fügt man aber zu dieser Spermatozoenaufschwemmung Dinitrobenzol in wässeriger, von Wasser- stoff durchperlter Suspension, so werden die Spermatozoen nach kurzer Zeit wieder beweglich, um bei weiter fortschreitender Reduktion und Bildung von Nitropkenylhydroxylamin durch Giftwirkung neuerdings — irreversibel — starr zu werden®). Den Beweis, daß die Reduzierbar- keit des Nitrosauerstoffs die Wiederherstellung der in der Anaerobiose verlorenen Beweglichkeit der Spermatozoen bedinge, haben wir dadurch endgültig zu gestalten gesucht, daß in besonderen Versuchen das schwer reduzierbare Trinitrotoluol3) verwendet wurde und dabei eine Wieder- kehr der Beweglichkeit nahezu ausblieb. In diesem Zusammenhang scheinen nun Parallelbeobachtungen an anorganischen Kataly- satoren von größtem Interesse, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurden: Rosenmundu. Zetzsche®) fanden in mit rein chemischer Methodik durchgeführten Versuchen, daß die oxydative katalytische Dehydrierung von Benzylalkohol durch fein verteiltes Kupfer unter Zusatz äquimolekularer Mengen von Chinolin zu weit besserer Aus- beute an Benzaldehyd führt, wenn man außer dem Luftsauerstoff Nitrokörperals Wasserstoffakzeptoren benutzt. Von den untersuchten Nitrokörpern erwies sich in ihren Versuchen das m-Dinitrobenzol weitaus am wirksamsten, während 2, 4, 6-Trinitrotoluol unbrauchbar war; ja, es ließ sich endlich die oxydative Aldehydbildung ohne Luftsauerstoff ausschließlich mit Hilfe zugesetz- ten Dinitrobenzols erreichen. Wir haben dann in Fortsetzung früherer Versuche und als Ergänzung der in den vorstehenden Arbeiten mitgeteilten Resultate das Verhalten der Spermatozoen gegenüber Sauerstoff, Blausäure und gegenüber der Fumar- und Maleinsäure untersucht und gefunden, daß das so ganz ver- schiedene biologische Verhalten der stereoisomeren Fumar- und Malein- säure sich nicht nur in bezug auf die Atmung oder das Reduktionsver- 2) Joe; 'eit. ) Lipschitz, Med. Klinik Nr. 49. ®2) Hertwig u. Lipschitz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 275. 19 *) Ber. d. deutsch. Chem. Gesellsch. 54, Nr.5, 1092 (Mai 1921). [02 D Z ® Erhaltung der Funktionen aerober Zellen usw. II. 53 mögen von Muskelzellen zeigt, sondern auch in bezug auf die Beweglich- keit von Froschspermatozoen, also in bezug auf mechanische Leistungen. — Wie wenig man jedoch berechtigt ist, von einem Testobjekt auf das andere zu schließen, ergibt sich aus der weitgehenden Indifferenz der atmungsschädigenden Maleinsäure gegenüber dem überlebenden Frosch- herzen, dessen Kontraktionen durch diese Säure kaum mehr beeinflußt werden als durch die atmungssteigernde Bernsteinsäure oder Fumar- saure. Experimentelles. Wirkung von molekularem Sauerstoff auf Froschsperma- tozoen!). Je 0,5 cem nicht zu konzentrierte Spermatozoensuspension von Rana temporaria mit 0,5 cem 0,3 proz. sauerstoffgesättigten NaÜl- Leitungswasser verdünnt; weiter Durchperlung mit Sauerstoff. Mikro- skopische Betrachtung ohne weiteres Verdünnen. De 0 le | Vanenzeasden 12 ARE 25° + 60’ (+) Zusatz von Dinitrobenzolpulver 31/,h ß 2 Zi A: Durchperlung mit Wasserstoff 340’ = 18% = = = Wiederholung ergibt das gleiche Resultat. 2) 0 Sofort Zusatz von Dinitrobenzolpulver. Sauerstoffdurchperlung. 25 Sie ists ET 100’ Ara a 3ua07 NG se b Umschaltung auf Wasserstoff A 35 407 = = — 16" E = Nach diesen Versuchen ist die Wirkung des reinen Sauerstoffs auf Spermatozoen eine deletäre; sie werden nach 2—3 Stunden irreversibel unbeweglich und im Gegensatz zu Muskelzellen ebenso irreversibel un- fähig, Dinitrobenzol zu reduzieren, selbst bei nachfolgender Wasserstoff- durchströmung. Der konzentrierte Sauerstoff wirkt also auf Spermato- zoen heftiger als selbst Blausäure (vgl. diese Versuche!). !) Zur Methodik vgl. Hertwig und Lipschitz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 275. Bei der Gelegenheit ist zu dieser Arbeit die Angabe nachzutragen, daß die Suspensionslösungen stets aus Leitungswasser — nicht destilliertem — bereitet wurden, da alte Erfahrungen vorlagen, nach denen Mangel an Calcium die Beweglichkeit der Spermatozoen schädigt. Die gleiche Beobachtung machte kürzlich Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185, 262. 54 W. Lipschitz und G. Hertwig: Anaerobiose in einer Wasserstoffatmosphäre. Ersatz von Luftsauerstoff durch Nitrosauerstoff. Je 0,5 ccm nicht zu konzentrierte Spermatozoensuspension mit 0,5 ccm 0,3 proz. NaCl-Leitungswasser verdünnt, das seit 11/, Stunden mit Wasser- stoff durchperlt war und nach Mischung weiter durchperlt wird. Mikro- skopische Betrachtung möglichst rasch ohne weiteres Verdünnen. Z it Beweglichkeit Gelbfärbung 1) et der Spermat. d. Suspension ms +++ 27 (+) 60’ ? nach einige Minuten langem Verweilen ohne Sauerstoffabschluß unter dem Deck- glase wieder zunehmende Beweglichkeit. Zusatz von Dinitrobenzolpulver in die gasdurchperlte Suspension. Bei sofortigem mikroskopischen Betrachten: 70 aa nr Jh 10 Arena Ba se A ee Sodareaktion: +++ 2) Zwei Parallelversuche mit je 3ccm dünnerer Suspension. Beweglichkeit der Spermatozoen. a) b) 0 tr a Seite te 12/,8 N EH (Sp. fast sämtl. starr) Du Zusatz von Dinitrobenzol, das, in NaÜl-Lösung suspen- EEE diert, 3b lang gleichfalls mit Kein Zusatz Wasserstoff durchperlt war. 2117 east = Nach 5—10 Min. langem Verweilen ohne Sauerstoff- abschluß langsam zurück- kehrende Beweelichkeit. 2h 43’ tr Sodareaktion: rosa. 3) Weitere Versuche mit Wasserstoffdurchperlung: je 3 ccm dünne Suspension. | a) | b) Dan Beweglichkeit d. Sp.: — i — . . . . | te r, Zusatz von Dinitrobenzolsuspension, die | Kein Zusatz 3% lang mit Wasserstoff behandelt wurde; es wurde Dinitrobenzol vom Grunde des Reagensglases herauspipettiert. nach 10’ vielfach Sp. in langsamer Bewegung. | =F ’ — ” 18 ” ho #£R) 2 ” Erhaltung der Funktionen aerober Zellen usw. III. 55 4) 1!/,8 Beweglichkeit d. Sp.: — = Nach 3 Min. langem Verweilen auf dem Öbjektträger noch fast alle unbeweglich. Nach 5 Min. langem Verweilen auf dem Objektträger bereits merk- liche Erholung. Zusatz von wasserstoffbehandelter Dinitro- benzolsuspension: Nach 10° rasch mikroskopiert: +++ — ” 22 „ ” AEFAT u ” 39 ” 1 Zi az | FR: 5) Beweelichkeit d. Sp.: +++ +++ Wasserstoffdurchperlung Wasserstoffdurchperlung in Ar (+) 1!/, — [einige (+)] — (die meisten) 2" Zusatz von Dinitrobenzolsuspension, | Zusatz von reinem Trini- die 4" lang mit H, durchströmt war. |troto luol als wasser- stoffbehandelte Suspension Nach 4 erheblicher Teil d. Spermat. —+ | „ 10’ die meisten +(+)) (AU) aller & ++ einige schwach beweglich 6) Je 2,5 ccm dünne Spermatozoensuspension. Beweglichkeit der Spermatozoen. a) b) 0% +++ | +++ Wasserstoffbehandlune. 65° fast sämtlich: — | — Nach 5 Min. langem Verweilen unter dem Deckglas merkliche Erholung. 807 fast sämtlich: — | u | Nach 7 Min. langem Verweilen unter dem Deckelas leichte Erholung. 85’ Zusatz von wasserstoffbehandelter Suspension von: Dinitrobenzol Trinitrotoluol Nach 5 Sp. +++ beweglich | Sp- (+) | „ 15° viele Sp. +++ vereinzelte mäßig bewegl. „» 20° die meistenSp. +++ vereinzelte mäßig bewegl., | die meisten kaum beweg]. 35 sehr rasch mikroskopiert: fast alle Sp, +++ die meisten unbeweglich 41/,® Suspension: kräftig gelb | farblos Sodareaktion : kräftig rot farblos Die Wirkung der Anaerobiose in einer Wasserstoffatmosphäre be- steht zwar wie die Wirkung konzentrierten Sauerstoffs gleichfalls in einem Unbeweglichwerden der Spermatozoen, aber sie ist — bei nicht über- trieben langer Ausdehnung — nicht so tiefgreifend, ist reversibel und 56 W. Lipschitz und G. Hertwig: ist selbst durch Hinzutreten des Nitrosauerstoffs als Wasserstoffakzeptor aufhebbar. Voraussetzung für das Wiederbeweglichwerden der Sperma- tozoen ist die biologische Reduzierbarkeit der Nitrogruppe (Dini- trobenzol im Gegensatz zu Trinitrotoluol) ). Wirkung von HCN auf Spermatozoen. 0,5 proz. KUN-Stammlösungen in destilliertem Wasser wurden mit HCl genau neutralisiert und nach Bedarf verdünnt. Davon wurden je 0,5 cem mit 0,5 cem konzentrierter Spermatozoenaufschwemmung in 0,3proz. NaCl-Leitungswasser vermischt. Mischung mit Dinitrobenzol KON-Endkon- inwekungs- | von Zeit t seit _Versuchsbe- zentration Beweglichkeit der Spermat. ginn bis Zeit i, On dauer t=%9,t, =3h% ö danach Sodareaktion : 0 23% SR Eile 0.15 10 (+) bis — En 0,3 10 — zen 0,6 10 — .. 5,0 15° — (Peitschenformen) . t= 45, 1, =3h 15 0 ang Aare 0:15: en a 0,3 30—40’ _ SL, 0,6 “2 ai 2,5 — an t= 0,2 28,0 0 FAR NE 0,15 £ SI u 0,3 30 — — 0,6 = ar 3,5 = ar Aus diesen Versuchen geht hervor, daß trotz der durch Blausäure aufgehobenen Beweglichkeit der Spermatozoen der vitale Zellprozeß der Nitroreduktion noch z. T. erhalten ist. Auch an dieser Zellart zeigt sich die an den Muskelzellen genauer studierte Unvollständigkeit der Blausäurehemmung gegenüber der Nitroreduktion im Gegensatz zur Atmungshemmung. Wirkung von Fumarsäure und Maleinsäure auf die Beweg- lichkeit von Froschspermatozoen. 0,2 ccm Spermatozoensuspension (Hodenextrakt reifer Temporarien) in 0,3proz. NaÜl-Leitungswasser werden mit 0,2 ccm genau neutrali- sierter Säure gemischt. Nach t Minuten werden kleine Proben mit einem 1) Vgl. Rosenmund u. Zetzsche loc. cit. Erhaltung der Funktionen aerober Zeilen usw. III. 57 großen Tropfen Kochsalzlösung auf einem Objektträger verdünnt und mikroskopisch betrachtet. Fumarsäure | Maleinsäure En Endkonzentration 0,5% | Endkonzentration 0,5 % 34 Sp. sehr gut beweelich. Ziemlich gut beweglich. 16° Gut beweglich. | Schwach beweelich. 37 | Sämtlich noch ganz gut beweglich. | Die meisten starr, einzelne zeigen | noch ganz langsame Bewegung des | Schwanzes. Endkonzentration 0,25% | Endkonzentration 0,25 % Akt Sp. sehr gut beweglich. | Sehr gut beweglich. 15’ Del. | Del. 29 Del. Mäßig beweglich. 43° (Gut beweglich. | Schwach beweglich. 1% Del. | Fast alle starr, einzelne noch schwach | | | beweglich. Wirkung von Fumar- und Maleinsäure auf das überlebende Froschherz (s. Abb. 1 u. 2, S. 58 u. 59). Zusammenfassung: 1. Durch längere Behandlung mit Sauerstoff werden die Frosch- spermatozoen völlig abgetötet, so daß ihre Beweglichkeit wie ihr Re- duktionsvermögen irreversibel aufgehoben ist. 2. In der Anaerobiose werden sie unbeweglich, gewinnen jedoch bei Zusatz von biologisch leicht reduzierbaren Nitrogruppen (Wasserstoff- akzeptor) ihre Beweglichkeit wieder. 3. Blausäure wirkt schon in niedrigen Konzentrationen auf die Sper- matozoen bewegungshemmend. Aber selbst wenn sie durch HCN schon völlig unbeweglich geworden sind, besitzen sie noch Reduktionsver- mögen; dieses wird bei den Spermatozoen (wie bei den Muskelzellen) nie- mals völlig aufgehoben, sondern die Blausäurehemmung bleibt in- komplett. 4. Das völlig verschiedene biologische Verhalten der stereoisomeren Fumar- und Maleinsäure, das sich gegenüber den oxydo-reduktiven Zell- . prozessen zeigte, tritt auch in der bewegungshemmenden Wirkung gegen- über den Spermatozoen zutage; — das überlebende Froschherz dagegen wird durch beide in kaum verschiedener Weise beeinflußt. 'OYIBW AoJueJsuoy nz Stq efnuey Aop Fun "MoIpusdsns qneıgs youu ‘ZIayugosoag I "gay SunjoyImg vueyjuods AIMESULHILN CO Zunso]loduig ren 9ngsure N %ESO IAZULAII UYUOISINY Zunjoyqg 9ueyuods -XJ "um CI ydeu ZunjoyIm 931]]0A ZunjfoyImg 9uejuods W.Lipschitz und G. Hertwig: 58 Zmmsoflssuy JınesıeumT %CzO Zunso]J1lesurg 9INBSUTIISUIIT Zunsollsdurg aINesumgung %gz0 ep) 4I9ISITEIIMOU NEUAB PuIs usIngS Ally 'IIIPRYOS yarıs 9IN?S SOPUAJ[PFUNIOIEI SIE AOAINBSUAUOAIJIZ 4 2 puaIygM SunyIM oyaıyıou auyooaangsırmnydg pun HImesuro]e W U0A uoryalup "susAyoneg A9p ur oInuey 'nyıs ur ZIOUUISOL] °'% "gay = ZUnJoUIFT Pueyjuods um — Erholung Fr bis zu völlig. IE) %T U go PuegsI[IszIaH wm eg AMESUSUOTNZ %T WO gO wm go Erhaltung der Funktionen aerober Zellen usw. (giaddez I9IL) oA C‘Q um9 go 9ınesumfem KL um Z0 Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. Von W. Einthoven. (Aus dem Physiologischen Laboratorium der Universität Leiden.) Mit 13 Textabbildungen. (Eingegangen am 30. Mai 1921). I. Einleitung (8. 60). II. Ein heller Faden im Dunkelfeld (8. 61—72). 1. Beobachtung mit dem unbewaffneten Auge (S. 61). 2. Beobachtung mit Hilfe des Mikroskops (S. 61). 3. Die dünnsten Fäden, die sichtbar gemacht werden können (S. 64). 4. Versuch, den Fadendurchmesser durch Photometrie zu messen (S. 70). ill. Ein dunkler Faden gegen hellen Hintergrund (S. 72). 1. Beobachtung mit dem unbewaffneten Auge (S. 72—80). a) Allgemeine Betrachtungen (S. 72). b) Veränderung der Refraktion (S. 77). c) Vergrößerung der Beugung des Lichtes im Auge (S. 78). . Beobachtung mit Hilfe des Mikroskops (S. 80). a) Allgemeine Betrachtungen (S. 80). b) Zerstreuungskreise durch unscharfe Einstellung (82). c) Ausbreitung des Lichtes durch Beugung (S. 85). 3. Ist die mikroskopische Messung der Fadendicke zuverlässig? (S. 90). 4. Praktische Bemerkungen über die mikroskopische Abbildung und die Photographie (S. 93). IV. Zusammenfassung (S. 97). [897 I. Einleitung. Indem sehr dünne Fäden vielfache Anwendung zu wissenschaftlichen Untersuchungen finden, fragt es sich, bis auf welche Abmessung ihr Durchmesser verkleinert werden kann, ohne daß sie für das Auge un- sichtbar werden und ihre Abbildung auf einem Schirm oder einer photo- graphischen Platte auf Schwierigkeiten stößt. Bei unseren Betrachtungen müssen wir zwei Beobachtungsmethoden scharf von einander unterscheiden. Erstere besteht in dem Leuchtend- machen des Fadens, der dann gegen einen dunklen Hintergrund be- obachtet werden muß, während man nach der zweiten Methode einen undurchscheinenden Faden gegen einen hellen Hintergrund betrachtet. Die Untersuchung beider Methoden scheint uns sowohl aus einem theo- retischen als einem praktischen Gesichtspunkt nicht ohne Interesse zu sein. W.Einthoven: Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 61 U. Ein heller Faden gegen dunklen Hintergrund. 1. Beobachtung mit dem unbewaffneten Auge. Bei der Anfertigung und der Behandlung feiner Fäden ist es bei weitem das bequemste, diese immer als leuchtende Linien im Dunkelfeld zu beobachten. Um dabei den Faden soviel wie möglich in seiner ganzen Länge übersehen zu können, ist es zweckmäßig, die Lichtquelle spalt- förmig zu machen und den Faden parallel der Spalte zu setzen. Man sorge, daß das Auge dabei gegen die unmittelbaren Strahlen der Lichtquelle geschützt ist und daß namentlich der Hintergrund, wogegen der Faden beobachtet wird, so dunkel wie möglich ist. Arbeitet man mit Tageslicht, so macht man eine spaltförmige Öff- nung von z. B. 1 oder 2 m Länge und 10 oder 20 cm Breite zwischen den Vorhängen eines verdunkelten Zimmers. Arbeitet man mit künst- lichem Licht, so kann man von einer Reihe nebeneinander gestellter Glühlampen mit weißen Reflektoren Gebrauch machen. Fäden von 0,1— 0,2 u können bei Tageslicht, namentlich wenn es schwach, wie an einem dunklen nebligen Wintermorgen ist, schwer ge- sehen werden. Dagegen lassen sie sich leicht schießen oder blasen, be- festigen, übernehmen, unter das Mikroskop bringen, zerstäuben, in dem Galvanometer ausspannen usw.!), wenn man sich von künstlichem Lichte bedient. Man sieht sie dann ohne die geringste Mühe oder Anstrengung. Die dickern Fäden erscheinen heller als die dünnern, so daß man- durch Vergleichung einigermaßen imstande ist, die Dicke der Fäden zu be- urteilen; so ist z. B. der Unterschied zwischen einem Faden von 0,2 u und 0,4 u oft deutlich wahrnehmbar. 2. Beobachtung eines leuchtenden Fadens unter dem Mikroskop. Man kann einen Faden, der sich unter dem Mikroskop befindet, auch wenn man von der stärksten Vergrößerung Gebrauch macht, leicht leuchtend machen. Man braucht ihn dazu nur senkrecht auf die Ebene zu setzen, worin die optische Achse des Mikroskopes M M und die Lichtquelle Z sich befinden, siehe Abb.1. Beide liegen in der Zeichnungsebene, während der Faden diese Ebene im Punkt D SECH nen, senkrecht schneidet. Eine einigermaßen ge- D L naue Abbildung und eine Messung der Faden- dicke sind unter diesen Umständen jedoch ‚nicht: möglich. Das mikroskopische Bild, 2 cn . . . Abb. 1. Mikroskopische Beobach- auch der dünnsten Fäden, zeigt eine breite, nn ira tung eines Fadens im Dunkelfeld. !) Wir beabsichtigen, eine Anzahl praktischer Einzelheiten dieser Verfahrungs- arten später mitzuteilen; sie sind in diesem Aufsatz weniger am Platz. 62 W. Einthoven: nicht scharf begrenzte, leuchtende Linie in der Mitte, während in vielen Fällen beiderseitig davon noch Beugungsspektra oder Interferenzlinien sichtbar sind. Dabei kommen einige Unterschiede zwischen durchsichtigen und undurchsichtigen Fäden zum Vorschein. Wir untersuchten insbesondere blanke Quarzfäden und solche, die behufs der Anwendung im Saiten- galvanometer durch Kathode-Zerstäubung leitend gemacht waren. Betrachtet man einen undurchsichtigen, zerstäubten Faden mit glatter, spiegelnder Oberfläche, so kommen bei scharfer Einstellung die genannte Linie in der Mitte und die Beugungsspektra deutlich zum Vor- schein. Letztere zeigen ihre Linien in einem gewissen gegenseitigen Ab- stand. Nennt man diesen — in Skalenteilen des Meßokulars ausgedrückt — q, die Wellenlänge des Lichtes in u ausgedrückt, /, die numerische Apertur des Mikroskopobjektivs N, während die Vergrößerung des Mikroskopes eine solche ist, daß ein Skalenteil des Meßokulars einem Wert von b u entspricht, so gilt untenstehende Formel 4 2b. Da bei unseren Messungen der Wert eines Skalenteiles des Okulars genau 1 «ı entsprach, also b — 1, konnten wir Formel (1) vereinfachen zu am ©) Die Apertur des von uns gebrauchten Objektivs von Zeiss beträgt N = 0,90. Nehmen wir weiter für die Wellenlänge des Lichtes 4 = 0,6 u an, so wird q = 0,333 Skalenteile. Tatsächlich nehmen wir auch drei Beugungslinien pro Skalenteil wahr. Die hellen und dunkeln Linien zu beiden Seiten der Mittellinie sind, wie die Theorie das auch erfordert, symmetrisch geordnet und behalten bei kleinen Variationen in der Einstellung des Mikroskops ihren gegen- seitigen Abstand. Verändert man jedoch die Apertur des Objektivs, so wird auch der gegenseitige Abstand der Linien größer oder kleiner. Wir schoben eine passend gemachte Kupferröhre von oben in die Öffnung des Objektivs hinein. Die Röhre war unten durch eine Platte geschlossen, worin eine kleine zentrale Öffnung gelassen war: diese be- fand sich in der unmittelbaren Nähe der obersten Linse des Objektivs und diente als Blende. Die auf diese Weise verkleinerte Apertur des Objektivs wurde mit dem Apertometer von Abbe gemessen und betrug 0,33. Nach Formel (2) wurde daraus der Linienabstand auf 0,91 Skalen- teile berechnet, während die Messung in befriedigender Übereinstimmung damit einen Skalenteil ergab. Man konnte zu beiden Seiten der breiten, schlecht begrenzten, hellen Mittellinie nicht mehr als 2 Lichtlinien be- obachten, wovon die äußerste kaum sichtbar war. Doch konnte kon- (1) Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 63 statiert werden, daß das Bild symmetrisch war und daß der gegenseitige Abstand der Lichtlinien durch kleine Veränderungen in der Einstellung des Mikroskops nicht verändert wurde. Wie dick darf der undurchsichtige, spiegelnde Faden wohl werden, bevor man ihn nicht mehr als eine einfache Lichtlinie betrachten darf ? Wir haben diesen Punkt nicht absichtlich untersucht, können aber mit- teilen, daß dicke Fäden von 2 u den Anforderungen noch vollkommen entsprechen. Sie haben sogar vor den dünneren Fäden von z. B. 0,2 u den Vorteil, daß man durch ihre größere Lichtstärke die Erscheinungen leichter beobachten kann. Ist der zerstäubte Faden nicht glatt, sondern sind viele Unebenheiten an seiner Oberfläche vorhanden, so zeigt er bei auffallendem Lichte ein von dem obengeschilderten verschiedenes Bild. Die Erscheinungen kom- men dann mit denjenigen überein, die man bei der Untersuchung eines blanken Quarzfadens beobachtet. Wird dieser letztere auf die unter Abb. 1 angegebeneWeise bestrahlt, so hat man es nicht mehr mit dem Bilde einer so dünnen Linie zu tun, daß man sie praktisch als nur eine einzelne betrachten könnte. Die auffallen- den Lichtstrahlen werden teilweise reflektiert, teilweise gebrochen. Die an der Vorderfläche des Fadens gebrochenen Strahlen werden gegen die Hinterfläche von neuem reflektiert und dann wieder gebrochen mit dem Resultate, daß man der Bildung einiger dicht nebeneinander liegenden, dem Faden parallel laufenden Lichtlinien Rechnung tragen muß. Ein blanker Faden von 0,2 u zeigt eine helle Mittellinie, die obgleich sie nicht scharf begrenzt ist, doch eine meßbare Breite von 0,7 u hat. Bei scharfer Einstellung sieht man keine Beugungssfiguren. Dagegen kommt, sobald man die Einstellung verändert, eine asymmetrische Streifung zum Vorschein, und zwar so, daß beim Anschrauben die Linien an der Seite der Lichtquelle, beim Abschrauben an der gegenüberliegen- den Seite gesehen werden. Beim weiteren Anschrauben werden erst- genannte Linien breiter und ihr gegenseitiger Abstand größer. Beim weiteren Abschrauben geschieht dasselbe mit letztgenannten Linien. Obenstehendes genügt zu beweisen, daß wir es nicht mit Beugungs- figuren sondern mit Interferenzerscheinungen zu tun haben. Viele von uns untersuchte blanke Fäden von verschiedener Dicke zeigten prinzipiell dieselben Erscheinungen. Ein Faden von 2 u zeigte bei scharfer Einstellung eine helle Mittellinie von ungefähr 3 «u, ein Faden von 2,7 u eine Linie von 3,5 «. Immer sind die Interferenzlinien nur an der einen Seite des Fadens sichtbar und sie sind um so schmäler, wie weiter sie von der hellen Mittellinie entfernt sind. Die Beobachtungen wurden mit einem Objektiv gemacht, wovon die Apertur 0,9 war. Blendet man das Objektiv, so daß seine Apertur bis auf 0,33 verkleinert wird, so können keine Interferenzlinien mehr be- 64 W. Einthoven: obachtet werden. Bei scharfer Einstellung sieht man eine schlecht be- grenzte, breite Linie, die noch verschwommener wird, wenn man das Mikroskop an- oder abschraubt. Obgleich die Breite der Lichtlinie nicht genau gemessen werden kann, konstatiert man doch leicht, daß sie be- deutend größer als der Fadendurchmesser ist. In untenstehender Tabelle ist die Breite der Linien wiedergegeben, die bei der Untersuchung einiger hblanker Saiten wahrgenommen worden sind. Durchmesser des blanken Breite der Lichtlinie Fadens (ungefähr) 0,2 u 1,8 u 0,7 5 2,0 „ 2,0 „ 3, 7 2,7 ” 4,0 ” 3. Diedünnsten Fäden, diesichtbar gemacht werden können. Konzentriert man mit einem zweckmäßig angebrachten Linsensystem die Strahlen einer starken Lichtquelle auf den Faden, während man ihn mikroskopisch beobachtet, so verwirklicht man alle Bedingungen der Ultramikroskopie. Man wird dann Fäden sehen können, deren Durch- messer kleiner ist als derjenige der gewöhnlichen, ultramikroskopisch wahrnehmbaren Teilchen, weil die Bedingungen, starkes Licht in das Beobachtungsmikroskop zurückzuwerfen, für einen in der Luft ausge- spannten, langen Faden bedeutend günstiger sind als für ein Teilchen, dessen drei Dimensionen ultramikroskopische Größe haben und das sich in einem Medium befindet, dessen Brechungsindex nicht viel von dem- jenigen des Teilchens selbst verschieden ist. Während Siedentopf und Zsigmondyt!) für die Abmessung der kleinsten sichtbaren Teilchen 4—7 un angeben, kann für den Durchmesser des dünnsten, noch sicht- baren Fadens ein 10° mal kleinerer Wert berechnet werden. Bevor wir zur Berechnung dieses Wertes übergehen, müssen erst noch einige Erscheinungen näher erörtert werden. Wird ein langer, dünner Faden durch eine Lichtquelle von beschränkter Größe, z. B. den Krater einer Bogenlampe bestrahlt, so wird man ihn in seiner ganzen Länge als eine schwach leuchtende Linie beobachten können; aber außerdem zeigt der Faden ein kurzes Stück — ungefähr so lang wie der Durchmesser des Kraters oder der Pupille des beobachtenden Auges — das viel heller ist und den Eindruck einer kleinen, leuchtenden Flamme machen kann. Es ist jenes kurze Stück, das wir bei den Betrachtungen dieses Kapitels ausschließlich vor Augen behalten werden. !)H. Siedentopf und R. Zsigmondy, Über Sichtbarmachung und Größen- bestimmung ultramikroskopischer Teilchen, mit besonderer Anwendung auf Goldrubingläser. Annalen d. Physik. 4. Folge 10, 1. 1903. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 65 In Abb. 2 bezeichnet D den Querschnitt eines senkrechten Fadens in der horizontalen Ebene der Zeichnung. Z ist der Querschnitt einer Linse, die die Strahlen der Lichtquelle V auf D konzentriert. O ist der horizontale Meridian des beobachtenden Auges und der Winkel VDR ist 90°. Wir nehmen an, daß sowohl vor der Pupille als vor der Linse Z sich eine rechteckige Blende befindet, wovon die horizontale Abmessung variiert werden kann, während die vertikale Abmessung unverändert bleibt. Nennen wir den horizontalen halben Öffnungswinkel der Be- Abb. 2. Zurückwerfung des Lichtes durch einen senkrechten Faden. Der Punkt D des Fadens, die Lichtquelle V und das beobachtende Auge O befinden sich in der horizontalen Ebene der 5 Zeichnung. leuchtungslinse & und ihre horizontale numerische Apertur N, „, so haben wirsin&—=N),,. Auf analogeWeise schreiben wir für das Auge sin = N o.h* Die Linse Z wird durch den Faden D wie durch unendlich viele linien- förmige, vertikale Spiegel abgebildet. Die Figur ist auf solche Weise konstruiert worden, daß das Bild l, durch denjenigen linienförmigen Spiegel entworfen wird, der sich an der Stelle befindet, wo die Ebene $, den Faden berührt. Die Linie wo die Ebene S, den Faden berührt ist der senkrechte Spiegel, wodurch /, abgebildet wird. Durch diese Kon- struktion erhellt, daß das Auge sich seitwärts verschieben darf, während es doch immer den Faden beleuchtet sehen wird, und daß die Menge zurückgeworfenen Lichtes, das in das Auge eintritt, proportional ist der horizontalen Abmessung der Pupille, oder, schärfer ausgedrückt, pro- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 5 66 W. Einthoven: portional der N,„. Dabei sehen wir von dem geringen, durch kleine Variationen des Reflektionswinkels bedingten Unterschied an Intensität des zurückgeworfenen Lichtes ab. Was geschieht, wenn man die Linse Z größer nimmt? So werden die Bilder l,, l, usw., deren Anzahl unendlich ist, und die sich übereinander schieben, auch größer, wodurch das in die Pupille eintretende Licht ver- stärkt werden muß. Es ist proportional dem Produkt der beiden nume- rischen Aperturen N,„ No.r- Wir bemerken hier, daß der Faden nicht senkrecht ausgespannt zu sein braucht, um bei der angegebenen Lage des Auges und der Licht- quelle einen stark beleuchteten Teil zu zeigen. Man kann ihn um eine horizontale Achse drehen, die durch den Punkt D geht und senkrecht D, D, Abb. 3. Derselbe Versuch wie von Abb. 2, aber in einem senkrechten Querschnitt abgebildet. auf S, steht, ohne daß die stark leuchtende Stelle verschwindet. Denn unter diesen Umständen bewegt sich der linienförmige Spiegel, der die Strahlen der Lichtquelle nach dem Auge zurück wirft, immer in derselben günstigen Ebene. Wir wenden uns jetzt der Frage zu, welchen Einfluß die senkrechten Aperturen haben. Abb. 3 kann diesen verdeutlichen. Darin entspricht das Linsenbild !, dem ebenso genannten Linsenbild au; Abb. 2, während durch D, D, der Querschnitt des Fadens in der vertikalen Ebene der Zeichnung wiedergegeben wird. Das von der Lichtquelle auf dem Faden entworfene Bild ist durch p, pP, vorgestellt. Es erzeugt eine sichtbare Lichtlinie, deren Mitte in V liegt. Nach oben und unten davon sieht das Auge über eine Distanz Vh, den Faden gleichmäßig beleuchtet. Weiter vom Punkte V ab verringert sich die Lichtstärke mehr und mehr, bis sie bei A, bis auf 0 reduziert ist. Man vergleiche in der Figur die gestrichel- ten durch A, und die punktierten durch h, laufenden Linien. Sie ver- Über die Beobachtung und. Abbildung dünner Fäden. 67 deutlichen, daß die Anzahl der Strahlen, woraus das ins Auge hinein- tretende Lichtbündel besteht, durch seine vertikale Apertur bedingt wird. Wir nennen letztere N, „, während die vertikale Apertur des von der Beleuchtungslinse auf den Faden geworfenen Bündels N, „ heißen möge. In der Abbildung ist N, „ kleiner gezeichnet als N, „. Macht man um- gekehrt N, ,„ kleiner als N,.,, so erscheint ebenfalls der Mittelteil des Fadens gleichmäßig beleuchtet; die scheinbare Lichtstärke wird dann jedoch durch N, „ bestimmt. Wir können also sagen, daß die scheinbare Lichtstärke immer proportional ist der kleinsten der beiden vertikalen numerischen Aperturen. Je mehr diese einander an Größe nähern, um so kürzer wird das Stück des Fadens, das gleichmäßig beleuchtet erscheint, und sind die beiden Aperturen gleich groß, so nimmt die scheinbare Lichtstärke schon sofort beim Punkte V nach unten und nach oben allmählich ab. Dieser Umstand könnte bei den Messungen der Lichtstärke, die man auszuführen wünscht um den Fadendurchmesser kennen zu lernen eine Schwierigkeit ergeben, welche man aber auf einfache Weise ver- meidet, indem man mittels des Mikroskops oder der Fernröhre das Fadenbild vergrößert. Sorgt man dafür, daß das Netzhautbild der Lichtlinie groß genug wird, um als eine lange dünne Linie wahr- genommen zu werden, so bekommt das kurze Mittelstück, das aus schließlich beurteilt werden muß, praktisch dieselbe scheinbare Licht- stärke wie der Punkt V. Arbeiten wir mit runden Blenden, so werden die Verhältnisse inso- fern vereinfacht, daß die horizontale und die vertikale Apertur bei dem- selben optischen System einander gleich werden, also N,„ = N,, und N.n =N,.,. Nennen wir den größten dieser Werte N und den kleinsten n, so erfolgt aus unseren oben gegebenen Betrachtungen, daß die schein- bare Lichtstärke eines Fadens proportional ist n2N. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Dicke des Fadens und seiner scheinbaren Lichtstärke? Betrachten wir einen zylindrischen Faden als ein vielseitiges, rechteckiges Prisma, dessen Seitenzahl un- endlich groß ist, und denken wir uns seine Oberfläche wieder wie aus linienförmigen, mit seiner Achse parallel laufenden Spiegeln zusammen- gesetzt, so wird es klar, daß die Menge zurückgeworfenen Lichtes inner- halb gewisser Grenzen proportional dem Fadendurchmesser zunehmen muß. Außer durch die Helligkeit der Lichtquelle, die Empfindlichkeit des Auges und das spiegelnde Vermögen der Fadenoberfläche wird also die scheinbare Lichtstärke jedes Fadens durch seine Dicke d und die numerischen Aperturen n und N bestimmt. Ist ein Faden vom Durchmesser d, noch eben sichtbar, wenn die Aperturen der oben beschriebenen Lichtbündel n, und N, sind, ist weiter 5*F 65 W. Einthoven: ein Faden vom Diameter d, noch eben sichtbar bei den Aperturen n, und N,, so haben wir dm NE — dam, oder an 1m Nı de — er (3) Den Wert d, n]; N, haben wir experimentell gemessen, wobei wir auf folgende Weise vorgingen. Auf einem senkrecht ausgespannten Faden D, siehe Abb. 2, wird das Bild des Kraters V entworfen. Dicht an der Linse Z befindet sich eine Irisblende, die nicht in der Abbildung angegeben worden ist. Der Durch- messer dieser Blende kann auf eine Skala abgelesen werden. An der Stelle des Auges O kommt eine stark vergrößernde Fernröhre, deren Ob- jektiv auf besondere Weise geblendet wird. Man verwendet dazu näm- lich einen Schirm mit senkrechter Spalte. Diese ist ebenso lang als der Durchmesser des Objektivs d. h. ungefähr 33 mm, während ihre Breite variiert wird und nach einander 8,5, 5 und 3 mm beträgt. Der Abstand dieser Spalte vom Faden D beträgt 3,35 m, während die Irisblende 4,15 m vom Faden entfernt steht. Ist der Faden in der richtigen Lage gespannt und die Fernröhre scharf auf ihn eingestellt, so sieht der Beobachter eine feine Lichtlinie, die bei- nahe so lange ist als der Durchmesser des Gesichtsfeldes. Die Lichtstärke der wahrgenommenen Linie wird größer und kleiner, wenn die Öffnung der Irisblende verändert wird. Ein Assistent muß die Irisblende so lange verengern, bis die Linie für den Beobachter verschwindet oder noch eben sichtbar ist. Ist die Grenze des Wahrnehmbaren erreicht, so ist die Linie zwar ein wenig abgekürzt, aber das Bild wird niemals zu einem Punkt oder einem kleinen Flecken reduziert und behält bis zum letzten die Form einer langen, sehr feinen Linie. Für den Beobachter d. G. verschwand das Lichtbild eines blanken Quarzfadens von 0,35 u bei einer Spaltbreite s, =8,5 mm und dem Blendendurchmesser 2 = 2,3mm 3 ” a-—= >, 0), ’ ” ” ER) 25 — 3, 2 PR ” ” ” 8; — 3,0 ” ” ER) ER) ba = 4, 0 es Waren die Beobachtungen und Messungen ideal, so müßte man für i/s immer denselben Betrag finden, während wir tatsächlich erhalten i,/s; = 6,70, i,Ys, = 7,15, t,/s; — 6,92 mm. Diese Beträge zeigen nur unbedeutende Unterschiede und haben einen Mittelwert von 6,92 mm. In übereinstimmender Weise wurde ein blanker Quarzfaden von 2,3 «u untersucht. Wenn man annimmt, daß die Menge zurückgeworfenen Lichtes dem Fadendurchmesser proportional ist, muß man entsprechend Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 69 den bei dem Faden von 0,35 u erhaltenen Ergebnissen den Wert von s/i für den Faden von 2,3 u berechnen als Mn 0,35 iys = 6,92 3 — 2,69. In Wirklichkeit wurde im Mittel 2,24 gefunden. Die Übereinstimmung zwischen dem berechneten und dem gefundenen Wert ist zwar nicht sehr schön, aber doch genügend um zu beweisen, daß innerhalb der Grenzen der beiden von uns gemessenen Drahtdicken eine ungefähre Propor- tionalität zwischen dem Durchmesser und der Menge zurückgeworfenen Lichtes besteht. Es ist wohl sicher, daß diese Proportionalität bei sehr dünnen Fäden, die einen noch viele Male kleineren Durchmesser als die Wellenlänge des Lichtes haben können, nicht mehr zutrifft. Vernachlässigt man jedoch die Bedenken, die auf Grund der Eigenschaften des Lichtes gegen die Annahme einer unbegrenzten Proportionalität angeführt werden können und geht man vom Vorhandensein dieser letzteren aus, um den Durchmesser des dünnsten, noch sichtbar zu machenden Fadens zu be- rechnen, so kann man Formel (3) anwenden. (3) Auf Grund der oben beschriebenen Beobachtungen bedeuten darin d, den gesuchten theoretisch kleinsten Durchmesser, d, = 2,3 u den Durchmesser des beobachteten Fadens, n, und N, die numerischen Aper- turen. Das Produkt ni N, ist gegeben durch die Beziehung "N | 2 \ S MN) .4150) "2.8300 worin wir für iys den Mittelwert der obenerwähnten Ergebnisse von Messung und Berechnung nehmen, d. h. iys = 2,47. n, und N, sind die numerischen Aperturen eines Beleuchtungs- und eines Beobachtungsmikroskops. Macht man diese beiden gleich groß und wendet man zweckmäßige Linsensysteme an, z. B. Zeiss’ Apochrom. 16 mm, so wird N, = n, = 0,30. Setzt man diese Werte in Formel (3) ein, so findet man für den Durch- messer des theoretisch dünnsten, sichtbaren Fadens ds 11324 1020 Bei einem anderen Beobachter, der auf analoge Weise wie d. G. untersucht wurde, zeigte sich die Empfindlichkeit des Auges rund 3mal geringer. Für ihn wurde der Wert von d, berechnet als 3,53:10°° u Messungen mit einem zerstäubten Faden lehrten, daß dieser das Licht ungefähr 5mal stärker zurückwirft als ein blanker Quarzfaden desselben Durchmessers. Für zerstäubte Fäden wurde der Wert von d, 70 'W. Einthoven: beim ersten Beobachter als 0,234: 10° u, beim zweiten Beobachter als 0,742 - 10 °"u berechnet. Bedenkt man, daß die berechneten Dimensionen rund eine Millionmal kleiner sind als der Durchmesser einer Moleküle, so wird man praktisch nur den Schluß ziehen, daß es möglich sein muß, jeden reellen blanken oder zerstäubten Quarzfaden, wie dünn er auch sein mag, zu sehen. 4. Versuch den Fadendurchmesser durch Photometrie zu messen. Während verschiedene Methoden, die Fadendicke zu messen, in Kapitel Ill? erörtert werden sollen, beschreiben wir zunächst die Ver- suche, um mittels Photometrie unseren Zweck zu erreichen, und an erster Stelle fassen wir die Möglichkeit ins Auge, die Methode des vorigen Para- graphen anzuwenden. Diese enthält aber viele Fehlerquellen, wovon eine in der Schwierigkeit besteht, den genauen Augenblick anzugeben, wo das Lichtbild so schwach wird, daß es verschwindet, während weiter auch die Empfindlichkeit des Auges nicht als eine konstante Größe betrachtet werden darf. Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen, haben wir die Methode in dieser Hinsicht modifiziert, daß die scheinbaren Lichtstärken zweier Fäden miteinander verglichen wurden. Wir stellten sie beide vor einem Universal-Photometer von Martens hin, und sorgten dafür, daß sie durch eine Bogenlampe mit Kondensor immer auf gleiche Weise be- strahlt werden!). Einer der Fäden wurde unverändert an seiner Stelle gelassen und diente nur als Mittel, um die eine Hälfte des Gesichtsfeldes auf zweckmäßige Weise und mit der erwünschten Intensität zu be- leuchten. Die Strahlen des anderen Fadens — den man leicht aus- wechseln konnte und dessen Durchmesser gemessen werden sollte — wurden durch den anderen Teil des Photometers aufgefangen und beleuchteten die dabeigehörige andere Hälfte des Gesichtsfeldes. Die Lichtstärke beider Hälften konnte durch Drehung eines Nichol- schen Prismas in dem Instrumente gleich gemacht werden, während der Drehungswinkel auf eine verteilte Skala abgelesen werden konnte. Die Einstellung auf Gleichheit der Lichtstärke der beiden Hälften ließ an Schärfe nur wenig zu wünschen übrig. Die von mehreren Per- sonen ausgeführten Messungen differierten nur selten mehr als 0,2°, welcher Betrag einer Abweichung der Lichtstärke von nur einigen weni- gen Prozenten entsprach. Zwar wurde die, einem Ablesungsfehler von 0,2° entsprechende Ab- weichung größer, wenn das Nichols Prisma weiter gedreht werden t) Wir statten Herrn Dr. Bergansius, dem Konservator des Laboratoriums, der uns bei diesen Messungen behilflich war, unsern verbindlichen Dank ab. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. al mußte, aber die auf diese Weise hervorgerufenen Fehler blieben. doch innerhalb solcher Grenzen, daß sie für die Anwendung der Methode praktisch keine Schwierigkeiten boten. Die Messungen wurden nun so ausgeführt, daß man erst eine Ein- stellung machte, um die Gleichheit der Lichtstärken beider Gesichts- felder zu erzeugen, wenn die Fäden A und B vor dem Photometer aus- gespannt waren. Danach wurde der Faden 5, dessen Dicke mikroskopisch gemessen worden war, mit einem Faden (€ vertauscht und das Ergebnis von B unmittelbar mit dem von © verglichen. Auf diese Weise brauchte die Dicke von A nicht bekannt zu sein. Um die Messungen zuverlässig zu machen, mußten einige Vorkehrun- gen getroffen werden. 1. Man mußte dem Umstande Rechnung tragen, daß das durch einen dünnen Faden zurückgeworfene Licht teilweise polarisierrt ist!), und weil der Polarisationsgrad von der Dicke des Fadens abhängig ist, konnte ohne die Anwendung eines Kunstgriffes keine Messung mit dem Polarisationsphotometer stattfinden. Der von uns angewendete Kunst- griff bestand darin, daß wir zwischen dem Faden B und dem Photometer noch ein Nichols Prisma anbrachten. Dieses wurde so aufgestellt, daß die Schwingungsebene der durchgelassenen Strahlen einen Winkel von 45° mit der Längsrichtung des Fadens einschnitt. Dadurch wurde die Intensität sowohl des natürlichen wie des polarisierten Lichtes des Fadens halbiert und die Anzahl der Strahlen, die von dem Faden in das Photometer hineinkamen, von ihrem ursprünglichen Polarisationsgrad unabhängig gemacht. Eine negative Linse, die an der Vorderfläche des Photometers be- festigt wurde und groß genug war, um beide Öffnungen des Instrumentes zu bedecken, erlaubte uns, die Fäden in einer solchen Distanz davon auszuspannen, daß Raum genug übrigblieb für das Prisma, während doch die Fadenbilder scharf auf derjenigen Blende entworfen werden konnten, in deren unmittelbaren Nähe sich das Auge des Beobachters befand. 2. Das Nichols Prisma ließ das Licht nicht vollkommen farblos durch. Darum wurde zwischen dem Faden A und das Photometer ein schwach gefärbter Lichtfilter gesetzt, wodurch die erwünschte Farben- gleichheit der beiden Hälften des Gesichtsfeldes erzielt wurde. 3. Man muß dafür sorgen, daß die Fäden B, C usw., die bei der Messung vertauscht werden sollen, genau an dieselbe Stelle kommen. !) H. Fizeau, Untersuchungen über mehrere Erscheinungen bei der Licht- polarisation. Annalen d. Physik u. Chemie 116, 478. 1862; H. Ambronn, Über die optischen Eigenschaften sehr enger Spalten. Annalen d. Physik u. Chemie, Neue Folge 48, 717. 1893. 12 W. Einthoven: 4. Schließlich muß man mit der Möglichkeit rechnen, daß der Quer- schnitt eines Fadens nicht rund ist. Darum wurde er um seine Achse gedreht und in verschiedenen Lagen gemessen. Obgleich alle Vorkehrungen getroffen waren, die Messungen genau zu machen und tatsächlich auch erreicht wurde, daß ein und derselbe Faden bei einer wiederholten Untersuchung dasselbe Resultat ergab, waren doch die Ergebnisse nicht befriedigend. Die Werte der mikro- skopisch und photometrisch erhaltenen Abmessungen erreichten Ver- hältnisse wie von 1 :1,5, ja sogar wie von 1 :2, wodurch eine einiger- maßen sichere Basis für die Beurteilung der Dicke aus der scheinbaren Lichtstärke des Fadens für uns weg fiel. Die Erklärung muß in dem Umstande gesucht werden, daß nicht die Oberfläche aller Fäden ein gleich großes reflektierendes Vermögen hat. Einige Quarzfäden können glatt, andere einigermaßen uneben sein. An einigen kann eine kleinere an anderen eine größere Anzahl von Stäub- chen kleben; die Beschaffenheit der Stäubchen kann das reflektierende Vermögen beeinflussen usw. So daß wir uns schließlich nicht darüber zu verwundern brauchen, daß die Messungen nicht besser mit einander übereinstimmende Resultate ergeben haben. Die Versuche wurden nicht zu zerstäubten Fäden ausgedehnt. Die Fehlerquellen sind bei diesen wahrscheinlich noch größer als bei blanken, da der Glanz eines zerstäubten Fadens außer von allen obengenannten Umständen noch von dem auf dem Faden zerstäubten Quantum Metall abhängig ist. III. Ein dunkler Faden gegen einen hellen Hintergrund. 1. Beobachtung mit dem unbewaffneten Auge. a) Allgemeine Betrachtungen. Man könnte vielleicht meinen, daß das Vermögen den dünnsten dunklen Faden gegen einen hellen Hintergrund sehen zu können, durch dieselben Bedingungen bestimmt sei, wie diejenigen, worunter man zwei Lichtpunkte oder Lichtlinien, die einander immer mehr nähern, noch voneinander getrennt beobachten kann. Der dunkle Faden trennt zwei Lichtebenen die, wenn der Faden all- mählich dünner wird, ineinanderzufließen scheinen. Das Problem der beiden ineinanderfließenden Ebenen kann — so könnte man meinen, prinzipiell nicht vom Problem der beiden ineinanderfließenden Linien verschieden sein. Dieser Gedankengang enthält jedoch einen Fehler. Der Grenzwert des Winkels, unter welchem man zwei Lichtpunkte z. B. zwei Sterne am Himmel oder zwei Lichtlinien z. B. eines Gitters noch voneinander ge- trennt beobachten kann, wird durch die Abmessungen der Netzhaut- Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 13 zapfen bestimmt. Ein Gesichtswinkel von 60” entspricht einem Zapfen- durchmesser von 4,4 u. Wird der Abstand zweier Bildpunkte auf der Netzhaut kleiner als dieser Durchmesser, so werden sie nur als ein einziger Punkt wahrgenommen. Aber diese Betrachtung findet keine Anwendung auf das Vermögen, einen dunklen Faden gegen einen hellen Hintergrund sehen zu können. Die Bilder der beiden, durch den Faden getrennten Lichtebenen dürfen einander bis zu einer Distanz nähern, die viel kleiner als ein Zapfendurch- messer ist, ohne daß der Faden unsichtbar wird. Denn, wie wir näher auseinandersetzen werden, sind die Bedingungen für die Beobachtung des Fadens hauptsächlich durch die Feinheit des Vermögens bestimmt, Helliskeitsunterschiede zu erkennen. Wie müssen wir den Grenzwert des Gesichtswinkels, unter welchem der Faden noch gesehen werden kann, berechnen ’? Wir wissen, daß ein Lichtpunkt niemals vollkommen scharf im Auge abgebildet werden kann. Abgesehen von der Beugung des Lichtes haben wir der gewöhnlichen spherischen und chromatischen Aberration des Auges Rechnung zu tragen und auch den Aberrationen, die durch die Heterogenität der brechenden Media insbesondere der Linse verursacht werden. Man macht keinen großen Fehler, wenn man die scharfe Abbildung eines Lichtpunktes auf der Netzhaut durch einen Flecken vorstellt, dessen Durchmesser ungefähr mit dem Durchmesser eines Zapfens übereinstimmt!). Eine Lichtlinie bekommt dann auf der Netzhaut die Breite eines Zapfens. Nehmen wir einmal an, daß das Bild eines dünnen Fadens auf die Netzhaut einen Schat- ten wirft, der gerade eine Reihe aneinandergrenzender Zapfen bedeckt, siehe Abb. 4. So taucht die Frage auf, wie- Abb. 4. A Schematische Vorstellung eines Faden- . . bildes auf den Zapfen der Netzhaut. B Idem bei viel die Beleuchtung der be- anderer Anordnung der Zapfen. schatteten Zapfen von der- jenigen der übrigen Netzhaut verschieden sein muß, um einen merk- baren Eindruck auf den Beobachter zu machen. Betrachten wir erst zwei große, aneinandergrenzende an Helligkeit voneinander verschiedene Ebenen außerhalb des Auges. Nennt man !) Man vgl. z. B. die Auseinandersetzung, die Gullstrand hierüber gibt in Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, 3. Aufl., Bd. I, S. 376. 74 W. Einthoven: die Helligkeit der einen Ebene e, der anderen e, und setzt mane — e, — pe, so wird man nach dem Weber- und Fechnerschen Gesetz im- stande sein, jedenfalls wenn die Verhältniszahl p einen gewissen Wert überschreitet, die beiden Ebenen voneinander zu unterscheiden. Dieses Gesetz ist innerhalb bestimmter, ziemlich weiter Grenzen der Helligkeit beschränkt. Nehmen wir an, daß dieselbe Verhältniszahl p nötig sei, um eine Schattenlinie wahrnehmen zu können, wenn diese auf der Netzhaut die Breite von nur einem Zapfen besitzt, und daß man sein Auge während kürzerer Zeit vollkommen unbeweglich halten kann, während die Netz- haut die Beleuchtung E empfängt. Man müßte dann imstande sein, das Fadenbild von Abb. 4 wahrzunehmen, sobald seine Beleuchtung pE kleiner ist als diejenige des übrigen Feldes. Es ist aber wohl bekannt, daß jedes Auge fortlaufend kleine Bewe- gungen vollbringt, wodurch die Beobachtung des Schattens nur während einer unendlich kleinen Zeit möglich gemacht werden würde. Bei der geringsten Bewegung des Auges zerteilt sich der Schatten über zwei Reihen von Zapfen, so daß es keine einzige Reihe mehr gibt, die der ge- stellten Anforderung genügt. Praktisch kann also die Beobachtung nicht stattfinden. Um sie zustande kommen zu lassen, dürfen wir wohl ver- langen, daß bei den Augenbewegungen, immer doch wenigstens eine Reihe von Zapfen so viel beschattet wird, daß ihre Beleuchtung um p £ geringer gemacht wird. Um dieser Bedingung zu genügen, muß in Abb. 4 der Unterschied der Beleuchtung zwischen der Schattenlinie und dem übrigen Felde verdoppelt und also bis auf 2 p E vergrößert werden. Wenn es möglich wäre, ein vollkommen scharfes Bild des Fadens auf der Netzhaut zu entwerfen, so würde es eine gewisse Breite er- langen. Nennen wir diese Breite d. Nennen wir weiter den Durchmesser eines Zapfens k und nehmen wir an, daß ö viel kleiner als & ist, so wird der obengenannten Bedingung eines Beleuchtungsunterschiedes von 2pE also auch der Bedingung, den Faden sichtbar zu machen, genügt, wenn 0 2 pe. (4) Nennen wir die Dicke des Fadens d und seine Distanz vom Auge a, so haben wir nach den Angaben des reduzierten Auges 1 (= Abd { (5) a worin d und a in denselben Längseinheiten ausgedrückt werden müssen; ö ist dabei in Millimetern gegeben. Aus (4) und (5) folgt d 2pk a By Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 75) Darin ist p eine reine Zahl und k der Durchmesser eines Zapfens in Millimetern. Wir bemerken, daß in Formel (6) ö wegfällt, und daß sie nur Gültig- keit hat, wenn das diffuse Netzhautbild nicht breiter als der Durchmesser eines Zapfens ist. Man ist gewohnt, das Netz von Zapfen auf der Netzhaut als ein System ineinandergreifender regelmäßiger Sechsecke abzubilden. Wir sind diesem Brauche gefelgt. In Abb. 44 sind zwei Seiten jedes Sechs- eckes horizontal gezeichnet und ist die Schattenlinie so breit als der Durchmesser des umschriebenen Kreises. In Abb. 45 sind zwei Seiten jedes Sechseckes senkrecht gezeichnet und ist die Schattenlinie so breit wie der eingeschriebene Kreis. Beide Abbildungen zeigen, daß der Beleuchtungsunterschied zwischen der Schattenlinie und dem übrigen Felde 29 E sein muß, um zu bewerk- stelligen, daß bei den unvermeidlichen Augenbewegungen immer eine ununterbrochene Reihe von Zapfen vorhanden ist, die eine Beleuchtungs- verringerung von mindestens pE erfährt. Unter günstigen Umständen wird man zwei Ebenen durch ihren Helligkeitsunterschied voneinander unterscheiden können, wenn die eine ungefähr 1 oder 2% weniger Licht pro Quadratzentimeter aussendet als die andere. Setzen wir die Grenze auf 2%, so müssen wir in Formel (6) für » 0,02 eintragen. Nehmen wir für den Durchmesser eines Zapfens % — 0,0045 mm an, so finden wir e — 12 a Dieser Wert entspricht einem Gesichtswinkel von 9 = 2,5” und gibt also an, daß ein dunkler Faden noch gegen einen hellen Hintergrund sichtbar sein muß, wenn man seinen Durchmesser unter dem obenge- nannten sehr kleinen Winkel von zwischen 2 und 3 Sekunden wahr- nimmt. Bei unserer Berechnung haben wir für den Zapfendurchmesser den gebräuchlichsten Wert von 4,5 u genommen. Köllikert!) gibt dafür von 4,5—5,4 u in der Macula lutea an; Koster?) von 4—5 u. Inder Netzhautgrube sind jedoch von Schultze, Müller und Welcker?) Zapfendurchmesser gemessen worden, die zwischen 1,5 und 3,6 u va- riierten. !) Zitiert nach Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. 3. Aufl. Bd. II, S. 30. ?) Dr. W. Koster, Gzn. Bydrage tot de kennis der fovea centralis retinae. Siehe: Oogheelk. Versl. en bybladen uitgeg. met het jaarverslag v. h. Ned. Gasthuis v. Ooglyders. Nr. 36. Utrecht 1895. 3) Zitiert nach Helmholtz, ibidem S. 34. 76 W. Einthoven: d Nimmt man bei der Berechnung des Wertes — an, daß die Schatten- a linie auf der Netzhaut die Breite k = 0,0045 mm behält, während der Durchmesser der Zapfen kleiner als !/, k ist, so braucht der Unterschied der Beleuchtung zwischen der Schattenlinie und dem übrigen Gesichts- felde nur p E, anstatt 2 p E zu betragen und wir erhalten einen Gesichts- winkel von 9, = 1,9 = 1,25”. Es ist aber zu bezweifeln, ob bei der Beurteilung eines Fadens das Bild genügen kann, das auf diesen klein- sten Zapfen entworfen wird, da sie nur in geringer Zahl und ausschließ- lich in der zentralen Netzhautgrube vorhanden sind. Aller Wahrschein- lichkeit nach werden auch Teile des gelben Fleckens, die außerhalb der Grube liegen, mit dazu beitragen, den Faden zur Wahrnehmung zu bringen, so daß wir unsere Berechnungen wohl auf Zapfen von 4,5 u stützen dürfen. Wir gehen jetzt zur Vergleichung des berechneten und gemessenen Wertes von p über. Auf einem hölzernen Rahmen sind einige Metall- drähte von verschiedener Dicke ausgespannt. Der Rahmen wird gegen eine matte Fensterscheibe gestellt und außer dem Lichte, das durch diese Scheibe in das Zimmer hineinkommt, wird kein anderes Licht zu- gelassen. Man kann den Rahmen auch in einem in der Röntgentechnik üblichen Lichtkasten stellen. Der Beobachter vergrößert seine Distanz vom Rahmen so lange, bis der Draht, den er fixiert, noch eben sichtbar ist. Die nachfolgenden Distanzen wurden bei 5 Beobachtern und einem Drahte von 0,1 mm Durchmesser gemessen. Ar 6,5 m, Gesichtswinkel 3,2’, Ban gu, " IR; Ua: 6:05 3 BIpAE, DR Be N 2,6", Bi. 10 # 2,1”. Für einen dickeren Draht war der zulässige Abstand größer, und zwar proportional dem Durchmesser, so daß der Gesichtswinkel unverändert blieb. Dieser betrug im Mittel 2,7”, welcher Wert sehr gut zu dem be- rechneten Winkel @ = 2,5’ stimmt. Als eine merkwürdige Erscheinung darf erwähnt werden, daß man, wenn man auf der Sichtbarkeitsgrenze steht, den Draht nicht mehr in seiner ganzen Länge sieht, sondern in Stücken, die abwechselnd erscheinen und verschwinden. Dies wird auf befriedigende Weise erklärt, wenn man annimmt, daß die Verhältniszahl der Lichtstärken noch nicht den vollen Betrag von 2 p erreicht hat, so daß die Augenbewegungen es nur Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. at ab und zu ermöglichen, daß eine unterbrochene Reihe von Zapfen die erforderliche Beleuchtungsverringerung zeigt. Bei der Beurteilung der gewonnenen Ergebnisse erwäge man, daß die Messungen nur bei fünf Versuchspersonen verrichtet worden sind und daß wir wahrscheinlich wohl noch kleinere Gesichtswinkel gefunden haben würden, wenn wir sie über eine größere Anzahl von Individuen ausgedehnt hätten. Aber auch die jetzt schon gefundenen Werte von ungefähr 2’ oder 3’ sind sehr klein im Vergleich mit denjenigen, die man erhält, wenn man die Sehschärfe auf andere Weise bestimmt. Nach dem Astronomen Hookel) kann von hundert Menschen nur einer zwei Sterne voneinander unterscheiden, wenn ihr scheinbarer Abstand 60” beträgt. In einer Tabelle hat Helmholtz?) die Ergebnisse einiger Forscher gesammelt, von denen die meisten das Unterscheidungsvermögen par- alleler Linien mit gleichen Zwischenräumen bestimmt haben. Der größte Wert steht unter dem Namen von Tob. Mayer mit 94’, der kleinste unter dem Namen von Bergmann mit 51,6”. Volkmann?) gibt an, daß er zwei Spinnwebfäden noch unter einen Gesichtswinkel von 147,5’ eben voneinander unterscheiden könne, während einer seiner scharfsehenden Freunde dazu nur einen Winkel von 80” brauchte. Alle diese Angaben sind viele Male größer als der Gesichtswinkel, den man benötigt, wenn man einen dunkeln Faden gegen einen hellen Hintergrund beobachten muß. Wie verändert der erforderliche Gesichtswinkel, wenn das Netzhaut- bild absichtlich diffus gemacht wird ? Zur Beantwortung dieser Frage werden wir die Messungen ausführen, nachdem 1. die Refraktion des Auges mit Hilfe eines Brillenglases verändert worden ist, so daß das Auge sich nicht mehr scharf auf den Faden einstellt, 2. die Beugung im Auge mittels eines stenopäischen Apparates ver- größert worden ist. b) Veränderung der Refraktion. Betrachtet man auf die oben beschriebene Weise einen auf einem Rahmen ausgespannten Draht, und macht man das Auge myop, indem man hintereinander immer stärkere positive Brillengläser davorsetzt, so wird das Drahtbild diffus. Es verbreitert sich allmählich und ver- ändert seinen Charakter. Anstatt eines dünnen Drahtes nimmt man t) Zitiert nach Helmholtz, ibidem II, S. 30. 2) Ibidem 8. 33. 2) Prof. A. W. Volkmann, Sehen. Wagners Handwörterbuch der Phy- siologie. III, 1, S. 331. 18 W. Einthoven: schließlich ein breites graues Band wahr. Ich konnte auf diese Weise einen Draht von 1 mm Durchmesser zu 2 cm also zu dem 20fachen ver- breitert sehen. Bei einer anderen Versuchsperson wurden ungefähr die gleichen Werte gefunden. Das breite Band ist nicht gleichmäßig grau, sondern zeigt eine Streifung in der Längsrichtung, die aller Wahrschein- lichkeit nach durch die Heterogenität der brechenden Media des Auges verursacht wird. Versuche, das Bild noch mehr zu verbreitern, ge- langen nicht wegen des zu geringen Helliskeitsunterschiedes, der zwi- schen dem Bande und dem sonstigen Gesichtsfelde übrigblieb. Die Berechnung des Grenzwertes der scheinbaren Verbreiterung wird später erörtert werden. c) Vergrößerung der Beugung im Auge. Man kann einen dünnen dunkeln Faden gegen einen hellen Hinter- grund noch von verhältnismäßig großer Entfernung unterscheiden, auch wenn man einen Schirm mit einer feinen Öffnung von einigen Zehnteln Millimetern vor das Auge stellt. Auf diese Weise darf man den Einfluß der sphärischen und der chromatischen Aberration auf die Abbildung vernachlässigen, während der Einfluß der Beugung des Lichtes in den Vordergrund tritt. Vergrößert man, immer durch die Öffnung hindurchsehend, seine Entfernung vom Drahte, so wird er undeutlicher; der Kontrast mit dem Hintergrunde wird geringer und zu gleicher Zeit nimmt er auch ein wenig an Breite zu. Diese scheinbare Verbreiterung wurde sowohl von mir als von einer zweiten Versuchsperson auf ungefähr eine Verdoppe- lung des Durchmessers geschätzt. Es muß jedoch konstatiert werden, daß im Gegensatz zu den unter b) beschriebenen Versuchen, das Bild bis zu Ende den Charakter einer dünnen Linie behält. Schaut man durch eine feine Öffnung nach einem entfernten Licht- punkte, so bildet sich auf der Netzhaut eine Beugungsfigur, die aus einer von konzentrischen dunkeln und hellen Bändern umgebenen beleuchteten Mittelscheibe besteht. Der Durchmesser dieser Mittelscheibe kann leicht berechnet werden, wenn man vom reduzierten Auge von Helmholtz ausgeht und annimmt, daß die Öffnung im Schirme mit seiner einzigen brechenden Ebene zusammenfällt. Wir nennen den Brechungsindex des einzigen Mediums, woraus das reduzierte Auge besteht, n, und den Abstand der kugelförmigen Vorder- fläche von der Retina !. Weiter sei D der Durchmesser des kleinen Loches, m der Durchmesser der beleuchteten Mittelscheibe auf der Netz- haut und A die Wellenlänge des Lichtes in der Luft. Wir haben dann 2Al - =, De () Mm Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 79 Setzt man A 10.5810, ul 20mm, nn 11.333; so erhält man 17-4 Darin wird m in u ausgedrückt, wenn D in mm angegeben wird. Bei zwei Versuchspersonen A und B sind mittels einer nicht ganz runden Öffnung, wovon zwei senkrecht aufeinanderstehenden Durch- messer D, und D, mikroskopisch gemessen waren, einige Beobachtungen gemacht worden. D, = 0,296, D, — 0,328, so daß der mittlere Durch- messer D — 0,312 mm. Mit dieser Öffnung dicht vor dem Auge hat nach Formel (7) die beleuchtete zentrale Scheibe der Beugungsfigur einen Durchmesser von m = 55,8 u. Dabei wurde ein Draht von 0,2 mm durch A noch in einer Distanz von 3,0 m gesehen. Wenn das Netzhaut- bild unter diesen Umständen noch vollkommen scharf wäre, würde es eine Breite von 1,0 u haben. In untenstehender Tabelle sind die Ergebnisse beider Beobachter gesammelt worden. (8) : | Berechnung der Breite des als voll- Drahtdicke ESS, Re Kae SE Bun | kommen scharf angenommenen noc eobachtet werden konnte Netzhautbildes d | a | 0) von A 3,00 m 1,00 0,2 mm 1 Bor, OEL, von Asl..n , 0,86 , 0,1 mm | IE VE MEDANTOEN 0,88 „ von A 0,80 „ | 1.199 0,06 mm | vl | N ,..22.000.: 1,00 „ Im Mittel 10 u Bei einer idealen Versuchsreihe würden in der letzten Reihe die Zahlen, die sich auf denselben Beobachter beziehen, gleich sein; die Reihe gibt jedoch für den Beobachter A Zahlen an, die zwischen 0,86 und 1,12 variieren. Obgleich also die Genauigkeit unserer Messungen wahrscheinlich wohl erhöht werden kann, sind sie doch befriedigend, während das Ergebnis überraschend ist: Ein Fadenbild das, wenn es vollkommen scharf auf der Netzhaut entworfen wäre, eine Breite von 1 «u haben würde, wird noch wahrge- nommen, wenn ein einzelner Lichtpunkt aus der Ebene, worin sich der Faden befindet, eine Beugungsfigur erzeugt, deren heile Mittelscheibe einen Durchmesser von 55,8 u hat. Abb. 5 bildet dieses Ergebnis bei starker Vergrößerung ab. In einem Felde von Zapfen, deren Durch- messer 4,5 u beträgt, sind ein Fadenbild von 1 u und zwei Kreise ge- 80 W. Einthoven: zeichnet, die mit einem Durchmesser von 56 u die hellen zentralen Scheiben der Beugungsfigur darstellen. Die Mittelpunkte der Kreise befinden sich bei ©, und (©, rechts und links am Rande des Fadenbildes. Ihre Durchmesser, die je mehr en % IR: \ } $ 2 Zapfen umspannen, sindzu Be u e 3 © \ _ oder genauer zu nn oder Rn, ea 2m \atg 2 0 A . a 2 TIER IS ©: . oe übereinander hinge- { s n. ? es = ON Der Gesichtswinkel des theo- 2 retischen Fadenbildes wird auf 1) 13,2”, derjenige des Durch- { Dg®. \ messers einer zentralen Scheibe \ U auf 12748” berechnet. ö es Man kann sich das Netz- X ge hautbild nach außen in der X Ebene projektiert denken, wor- ) in sich der Faden befindet und a hat dann dieselbe Winkelgröße % Data, für den wirklichen Faden und die projektierten Scheiben wie Abb. 5. In der Fadenebene ist bei starker Ver- für die oben angegebenen Netz- größerung die Netzhaut projektiert; darauf sind 5 zwei Beugungskreise abgebildet. Die Mittelpunkte hautbilder. der Kreise befinden sich auf dem Rande des Ei S n ine zweite Reihe von Mes- Fadens in C, und (C,. Vor dem Auge befindet ; sich ein Schirm mit kleiner Öffnung. sungen, die von denselben Ver- suchspersonen A und DB mit denselben Fäden, aber mit einer Öffnung von 0,525 mm verrichtet wurden, ergab die nachfolgenden Resultate. Das theoretische Fadenbild hatte eine Breite von 0,49 u, während ein Lichtpunkt am Rande des Fadens auf der Netzhaut eine Beugungs- figur bildete, deren zentrale Scheibe einen Durchmesser von 33,2 u hatte. Dieser letztere überbrückte also mehr als 7 Zapfen. Die Durchmesser der beiden zentralen Scheiben, von welchen die eine durch einen Punkt rechts, die andere durch einen Punkt links vom Faden gebildet wurden, waren um 98,5% übereinander hingeschoben. Die Winkelgröße des Fadens betrug 6,8’, die des Durchmessers einer zentralen Scheibe 7’ 36. Wir werden die Erklärung dieser einigermaßen unerwarteten Ergeb- nisse in den nachfolgenden Seiten näher erörtern. 2. Beobachtung mittels des Mikroskops. a) Allgemeine Betrachtungen. Wenn zwei Punkte sehr nahe beieinander liegen, kann man sie — wie bekannt — auch mit dem besten Mikroskope nicht mehr als ge- Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 81 trennte Punkte wahrnehmen. Jeder Punkt hat als Bild eine Beugungs- figur, worin eine helle Mittelscheibe vorkommt. Der Durchmesser m dieser letzteren wird bestimmt durch die Wellenlänge des Lichtes A, die numerische Apertur N des Mikroskops und die Vergrößerung V, und zwar haben wir AV Y: Wenn zwei abzubildende Punkte einander immer mehr nähern, be- rühren sich die zentralen Scheiben der Beugungsfiguren und schieben schließlich übsreinander hin, so daß sie miteinander verschmelzen. Man nimmt allgemein an, daß die Grenze der getrennten Sichtbarkeit der Punkte erreicht ist, wenn die Scheiben um die Länge ihrer Halb- messer übereinander hingeschoben sind. Dieser Fall tritt ein, sobald der gegenseitige Abstand ! der beiden Lichtpunkte den Wert 7) IN erhält. In seinem ausgezeichneten Lehrbuche sagt Lorentz!), daß dann sicher die Unterscheidung beider Punkte schon schwierig ist. Für zwei parallele Lichtlinien gilt dasselbe wie für zwei Lichtpunkte. Kohlrausch?) gibt an, daß die Strichweite / einer Teilung bei Zuulez Beleuchtung noch aufgelöst wird, falls 4 N’ bei günstiger schiefer Beleuchtung, falls m = l= 1>- 2 > IN: Ein dunkler Faden gegen hellen Hintergrund trennt wie eine schwarze Linie zwei weiße Ebenen voneinander. Und man könnte meinen, daß für die beiden Ebenen dieselbe Betrachtung Gültigkeit hätte wie für die beiden parallelen Lichtlinien. In diesem Falle würde der Durchmesser des Fadens, der durch das beste Mikroskop bei der günstigsten Beleuch- tung noch eben abgebildet werden könnte, 1 2N d—= betragen müssen. In dieser Argumentation steckt jedoch derselbe Fehler, den wir schon früher angewiesen haben. Die Betrachtung über die beiden Lichtpunkte oder Lichtlinien kann nicht auf die beiden Lichtebenen, die einen dünnen dunkeln Faden begrenzen, angewandt werden, denn !) H. A. Lorentz, Beginselen der Natuurkunde. 4° druk. II, S. 208. ®2) F. Kohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik, 12. Aufl., S. 331. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 6 82 W. Einthoven: man kann letzteren, auch wenn sein Durchmesser viel kleiner als der genannte Wert ist, noch vorzüglich abbilden. Bevor wir auf experimentellem Wege obenstehende Behauptung zu beweisen versuchen, ist es wünschenswert, daß wir erst die Folgen erörtern, die das Fadenbild von dem Umstande erfahren muß, daß die von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahlen, nicht mehr zu einem einzigen Punkte zusammenkommen. Wir werden dabei wieder zwei Ursachen für die Ausbreitung des Lichtes unterscheiden, und zwar l. die Ausbreitung durch Zerstreuungskreise zufolge einer un- scharfen Einstellung des optischen Instrumentes und 2. die Ausbreitung durch die Beugung des Lichtes. b) Zerstreuungskreise durch unscharfe Einstellung. Es ist für unsere Betrachtungen bequem, eine solche Lichtverteilung zu konstruieren, wie man sie erreicht, wenn man in einem Linsensystem an Stelle einer runden, eine rechteckige oder quadratische Blende setzt. Eine Seite des Rechtecks sei dabei parallel dem Rande der abzubildenden Ebene. Wir haben es dann mit Zerstreuungsrechtecken oder Zerstreu- ungsquadraten an Stelle der Zerstreuungskreise zu tun. Untenstehende Abbildung 6 gibt eine graphische Vorstellung der Lichtverteilung, so wie sie unter diesen Umständen im Bilde einer durch eine gerade Linie begrenzten leuchten- den Ebene vorkommt!). EDRQ stellt eine Linie vor, die in der Bildebene senkrecht auf dem Rande gezogen ist. Sie dient als Abszissenachse, während die Ordinatenlängen die Helligkeiten angeben. Da die Blende quadratisch und das Linsensystem Abb. 6. Lichtverteilung am Rande einer unscharf eingestellt ist, wird von je- dureh sine gerade He begrenten Ebene: dem Punkte der leuchtenden Ebene und die Blende ist quadratisch. ein Zerstreuungsquadrat gebildet. ED stellt die Seite eines Quadrates vor mit der Mitte in €. Die Helligkeit eines Punktes aus der Mitte der Bildebene wird durch die Ordinate AE — H wiedergegeben. Wäre der Rand der Ebene scharf abgebildet, so würde die gebrochene Linie ABMCD die Lichtverteilung im Bilde vorstellen. Nun aber der Rand diffus ist, gibt ihn die quere Linie A M D wieder. | !) Obenstehende Abbildung ist nach dem Vorbilde von Helmholtz, siehe H. von Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, 3. Aufl., Bd. I, S. 156, Abb. 71 A, konstruiert worden. Bei Helmholtz ist die Linie AMD ein wenig gebeugt, weil sie die Lichtverteilung bei Anwendung einer runden Blende vorstellt, während wir bequemlichkeitshalber die Blende quadratisch genommen haben. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. s3 Abb. 7 stellt die Lichtverteilung im diffusen Bilde eines dünnen Fadens, d. h. einer geraden, schwarzen, überall gleich breiten Linie vor, die durch zwei helle Ebenen begrenzt ist. Man kann sie auch als das Bild der parallelen Ränder zweier einander dieht nähernden hellen Ebenen auffassen. Sie ist also nichts anderes als eine symme- trische Verdoppelung der Abb. 6. Wären die Ränder der Ebenen scharf abgebildet, so würde die gebrochene Linie ABC C, B, 4, die Lichtverteilung vorstellen. Zwischen © und, würde die Hel- ligkeit —( sein, während sie so- Abb. 7. Lichtverteilung im Bilde u dünnen NIE ATS KenGrierechtsvon C, Fadens unter denselben Bedingungen wie in Abb. 6. überall denselben maximalen Wert erreichen würde, den die Ordinatien AE oder A,E, angeben. ED und E,D, stellen die Seiten der Zer- streuungsquadraten vor. Diese schieben um einen Abstand D, D über- einander, wodurch wir im Bilde eine Lichtverteilung erhalten, sowie sie durch die starke Linie PA@G, A, P, angegeben wird. Die Seiten der Zerstreuungsquadrate sind in der Abbildung größer als die Breite des theoretischen, scharfen Fadenbildes, wodurch das reelle, diffuse Bild breit und wenig kontrastisch wird. Die Beziehung zwischen den Breiten dieser beiden Bilder kann leicht berechnet werden. Die Seite des Zerstreuungsquadrates sei ...ED= m, die Breite des als scharf konstruierten Drahtbildes ...CO, = Ö, die Breite des dunkelsten Teiles des diffusen Drahtbildes ...G@@G, = b, die maximale Helligkeit der Bilder beider Lichtebenen ... AE = e, und die Helligkeit des diffusen Drahtbildes ...DG= e, so haben wir unmittelbar aus der Figur — = — und m=b-+öÖ, woraus folgt, daß b+6 e Pam (9) welche Formel angibt, daß die gesuchte Beziehung zwischen den beiden Breiten db und ö durch die Helligkeiten e und e, bestimmt wird. Die Frage, inwieweit ein ursprünglich scharfes Fadenbild sich durch Diffusion, ins- besondere durch die Bildung von Zerstreuungsquadraten verbreitern darf, um noch wahrnehmbar zu bleiben, wird also durch die Fähigkeit bestimmt zwei Helligkeiten e und e, von einander zu unterscheiden. Ebenso wie in Kapitel III la setzen wir nach dem Gesetze von Weber und Fechner e—e, = pe. 6* 84 W. Einthoven: Durch Kombination mit Formel (9) und dem Umstande Rechnung tragend, daß die Verhältniszahl p viel kleiner ist als 1, finden wir Dr (10) Nehmen wir ebenso wie früher für p wieder 0,01—0,02 an, so dürfen wir erwarten, daß man sogar noch ein diffuses Fadenbild beobachten kann, wenn es durch Zerstreuung 50- bis 100 mal breiter als das ur- sprüngliche, scharfe geworden ist. Auf folgende Weise wurde dies auf experimentellem Wege geprüft. Ein Draht von 0,1 mm wird mit einem bei den Vorlesungen üblichen Projektionsapparate auf einem Schirme abgebildet. An Stelle des ge- wöhnlichen abbildenden Objektivs wird jedoch aus einer Brillendose eine dünne, leicht auswechselbare Linse genommen, die mittels einer in einer Metallplatte angebrachten quadratischen Öffnung geblendet wird. Die Vergrößerung auf dem Schirme wird bestimmt, indem man an Stelle des dünnen Drahtes eine gläserne Millimeterskala anbringt und ihr scharfes Bild auf dem Schirme mißt. Da die Dicke der Linse ver- nachlässigt werden darf und die quadratische Blende unmittelbar an der Linse liegt, bleibt die Vergrößerung unverändert, welche Linse man auch anwendet. Nur muß der Bedingung Genüge geleistet werden, daß Linse, Draht und Schirm untereinander immer dieselbe Stelle behalten. Wir arbeiteten bei einer 13,6fachen Vergrößerung und fanden, dab das scharfe Drahtbild dabei bis ungefähr 11 oder 12 cm d. h. also 84 mal verbreitert werden durfte, bevor es unsichtbar wurde, ein Ergebnis das vorzüglich mit dem zuvor berechneten übereinstimmt. Die beiden Zer- streuungsquadrate, von denen das eine durch einen Punkt rechts, das andere durch einen Punkt links des Drahtrandes gebildet wird, sind s4 dabei 35 oder 98,3% übereinander hingeschoben. Die Frage, ob wir bei der Messung des schwachen Schattenbildes eine Breite bestimmt haben, wie sie in Abb. 7 durch @G, oder durch AA, wiedergegeben wird oder auch durch einen Wert, der zwischen den bei- den liegt, kann außer Betracht bleiben. Der Unterschied zwischen den beiden Größen ist dazu zu gering, weil er noch keine 2%, beträgt. Der Schatten ist gleichmäßig grau und ziemlich gut begrenzt, aber so breit, daß er überhaupt nicht mehr den Charakter eines dünnen Fadens zeigt. Während er in ruhiger Stellung schon unsichtbar geworden ist, nimmt man ihn wieder wahr, sobald man ihn bewegt. Bei unseren Messungen schoben wir ihn auf dem Schirme hin und her, indem wir die Linse auf zweckmäßige Weise ein wenig bewegten. Wendet man eine runde anstatt einer quadratischen Blende an, so wird der Schatten schon bei geringerer Verbreiterung unsichtbar. Außer- dem fließen die Ränder gleichmäßig mit dem übrigen Gesichtsfelde zu- Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. S5 sammen, so daß die Breite des Schattens schwieriger meßbar wird; was alles mit der Theorie im Einklang ist. Beim Gebrauch einer runden Blende wird die Lichtverteilung am Rande einer Ebene nicht mehr durch die gerade Linie A M D aus Abb. 6 wiedergegeben, sondern durch eine schwach gebogene Linie), die einen Übergang zu.der stärker gebogenen Linie AMD aus Abb. 9 bildet. Darum können die Zerstreuungskreise eines Punktes rechts und eines Punktes links des Drahtrandes weiter übereinander hingeschoben werden als die Zerstreuungsq uadrate, bevor das Drahtbild unsichtbar wird. Die im Kapitel III 1b beschriebenen Beobachtungen, wobei wir mit einem absichtlich myop gemachten Auge einen dünnen Draht von einer Di- stanz betrachteten, müssen auf dieselbe Weise wie diejenigen mit dem Pro- jektionsapparate erklärt werden. Beiden unmittelbaren Wahrnehmungen mit dem fehlerhaft eingestellten Auge konnte nur eine 20 fache Verbreite- rung konstatiert werden. Das findet seine Ursache nicht nur inderrunden Form der Pupille, sondern auch in dem Umstande, daß die brechenden Media des Auges durchaus nicht homogen sind. Der verbreiterte Schatten zeigt viele, parallel seiner Länge laufende Linien und besitzt keine gleich- mäßig zerfließenden Ränder. Letztere können dadurch viel schärfer bestimmt werden, was aber auf Kosten der Verbreiterung geschieht. c) Ausbreitung durch die Beugung des Lichtes. Die Lichtverteilung in der zentralen Scheibe der Beugungsfigur eines Lichtpunktes ist ganz verschieden von derjenigen, der man im einer durch unscharfe Einstellung verursachten Zerstreuungs- figur begegnet. Abb. SA gibt die Lichtverteilung im Ä Bilde eines Punktes unter den letzten, Abb. SB unter den ersten Bedingungen an. Der Durchmesser der Scheibe und der Lichtstrom auf ihre Oberfläche sind in beiden Abbildungen gleich genommen. Also Cc haben wir AB= PQ, E: während die Höhe EF rund 3mal größer als A B z a 2 CA ist. A B Wird der Band Abb. 8. Lichtverteilung im Bilde eines Punktes. A Das Bild A ist diffus wegen ungenauer Einstellung der Linsen. B Das einer leuchtenden Flä- Bild ist diffus wegen der Beugung des Lichtes. Wir haben £ nur der zentralen Scheibe der Beugungsfigur Rechnung ge- che auf solche Weise tragen. Der Durchmesser der Scheibe und der Lichtstrom auf abgebildet, daß jeder ihre Oberfläche sind in Abb. A und B einander gleich genommen. Punkt eine Beugungs- figur bildet und nehmen wir bequemlichtkeitshalber ebenso wie oben an, daß diese Beugungsfigur aus nichts anderem als die helle zentrale !) Siehe die Bemerkung auf S. 82. 36 W. Einthoven: Scheibe besteht, so wird die Lichtverteilung im Bilde durch Abb. 9 vorgestellt. Diese Abbildung ist der Abb. 6 aus dem vorigen Paragraphen analog. EDQ stellt wieder eine Linie vor, die in der Bildebene senkrecht auf dem Rande gezogen worden ist. Sie dient als Abszissenachse, während die Ordinatenlängen die Helligkeiten angeben. ED stellt den Durch- messer der zentralen Beugungsscheibe mit dem Mittelpunkte in € vor. Die Helligkeit eines Punktes aus der Mitte der Bildebene wird durch die Ordi- nate AE = H wiedergegeben. Wäre der Rand der Ebene scharf abgebil- det, so würde die Lichtverteilung im I& B ==--—- E c DO Abb. 9. Lichtverteilung im Bilde einer Ebene, die durch eine gerade Linie be- Bilde durch die gebrochene Linie ABCD vorgestellt werden. Nun aber der Rand diffus ist, wird sie durch grenzt ist. Die Beugung des Lichtes macht das Bild der Grenzlinie diffus. die Kurve AMD wiedergegeben. Abb.9 ist nicht genau berechnet, sondern frei nach Abb. 71B aus Helmholtz!), die sich auf Farben- zerstreuung bezieht, konstruiert worden. Die Kurve ist stark gekrümmt, läuft bei A und D horizontal und bei M vertikal. Um deutlich zu machen, wie bei denselben Beugungserscheinungen die Lichtverteilung im Bilde eines dünnen dunklen Fadens stattfindet, haben wir nur Abb. 9 symmetrisch zu verdoppeln. Dies ist in Abb. 10 ausgeführt worden. Wären die _7 Ränder der beiden Lichtebenen, die den Faden begrenzen, scharf abgebildet, so würde die gebro- chene Linie ABCC,B,4, die Lichtverteilung vorstellen. Zwi- schen C und ©, würde die Hellig- keit — 0, überall sonst dagegen maximal sein. Die Durchmesser der hellen zentralen Scheiben eines Punktes rechts und links des Drahtrandes werden durch ED und E,D, vorgestellt; sie schieben über eine Distanz D,D übereinander hin, so daß man im Bilde eine Lichtverteilung erhält, welche die starke Linie A@FG, 4A, vorstellt. Da diese Linie bei den Punkten M und M, beinahe vertikal läuft, behält das Bild den Charakter einer schwarzen Linie, wovon die Grenzen nicht viel von denjenigen des theoretischen, scharfen Drahtbildes abweichen. ORBTERTTDEIE & ECHTE DIRE, oO Abb. 10. Lichtverteilung im Bilde eines dünnen Fadens unter denselben Bedingungen wie in Abb.9. 1), A..a. O., 8156. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 87 Wie weit dürfen die Durchmesser der hellen zentralen Scheiben eines Punktes rechts und eines Punktes links des Drahtrandes sich über- einander schieben, bevor das Bild für den Beobachter unsichtbar wird ? Wir werden nicht versuchen diesen Grenzwert zu berechnen, sondern uns mit der Vergleichung begnügen, die man zwischen der Abb. 7 auf S. 83 und Abb. 10 auf S. 86 machen kann. Die genannten Abbildungen zeigen, daß ein Drahtbild durch Beugung weniger verbreitert wird und weniger an Kontrast verliert als durch unscharfe Einstellung, voraus- gesetzt, daß die Durchmesser der hellen zentralen Seheiben im ersteren Falle sich ebenso weit übereinander schieben als die Seiten der Zer- streuungsquadraten. Der durch Zerstreuungskreise hervorgerufene Zustand nimmt zwischen den beiden oben genannten eine Mittelstel- lung ein. Um das Drahtbild unsichtbar zu machen, muß die Übereinander- schiebung der Kreise im Falle der Beugung weiter gehen als im Falle der Zerstreuung. Und wenn beim Weiterschieben endlich das durch Beugung diffus gemachte Drahtbild wegen Mangel an Kontrast unsicht- bar wird, wird es noch nur mäßig verbreitert sein. Die von uns erhaltenen Messungsresultate stimmen im allgemeinen befriedigend mit den oben gegebenen Betrachtungen überein. Erstens weisen wir auf die im vorigen Kapitel beschriebenen Beobachtungen hin, wobei wir durch eine feine Öffnung von einer Distanz nach einem Draht schauten. Der Draht wurde erst unsichtbar, wenn die Durchmesser der Beugungsscheiben um 98,2 und 98,5% übereinander geschoben waren, während im letzten Augenblick nur noch eine geringe Verbreiterung, — nach roher Schätzung eine Verdoppelung, — konstatiert werden konnte. Man erwäge dabei, daß die unmittelbare Wahrnehmung mit dem unbe- waffneten Auge nicht die günstigsten Bedingungen darbietet, die Über- einanderschiebung der Beugungsscheiben bis auf ein Maximum zu steigern, da namentlich der Mangel an Homogenität der brechenden Media des Auges einen nachteiligen Einfluß auf das Resultat ausübt. Zweitens bildeten wir dünne Fäden bei starker Vergrößerung ab, nachdem die Apertur des dazu dienenden Objektivs absichtlich ver- kleinert worden war. In Abb. 11 sind bei 1800facher Vergrößerung die Photogramme eines Fadens von 0,2 « reproduziert worden. In A wurde dazu das Objektiv mit seiner vollen Apertur von 0,95 angewandt; in B wurde es auf die früher schon beschriebene Weise!) geblendet, und zwar in einem solchen Maße, daß seine mit dem Apertometer von Abbe gemessene Apertur bis zu 0,18 verkleinert wurde. Man sieht wie in 4 das dünne Fadenbild mit befriedigendem Kon- trast und ziemlich scharfen Rändern abgebildet ist. Im Galvanometer werden vorzugsweise ‚„‚glatte‘‘ oder ‚‚reine‘‘ Fäden angewandt. Das oben 1) Siehe S. 62. 88 W. Einthoven: abgebildete Exemplar besitzt aber eine Anzahl von Unebenheiten, die für unseren Zweck, — die Möglichkeit einer scharfen Abbildung zu beweisen, — vorteilhaft sind: sie kommen scharf und deutlich zum Vor- A B schein. Es sind bei der Anfertigung der m ‚ Photogramme keine besonderen photo- 1 graphischen Behandlungen wie ‚Ver- ‘ stärkung‘‘ oder „Abschwächung“ an- gewandt worden. Die Aufnahme fand auf allgemein üblichen Trockenplatten statt und es wurde auf gewöhnlichem Papier abgedruckt, während auch die Entwicklungund Fixierungzu keinen be- sonderen Bemerkungen Anlaß geben!). Die Breite der auf der photographi- Abb. 11. A Faden von 0,21: bei 1800- schen Abbildung vorkommenden dun- facher Vergrößerung photographiert. Das keln Linie liefert keinen Maßstab für 6: ae er a ee die Dicke des Fadens. Indem man die objektivsistbiszu 0,18verkleinertworden. Dauer der Beleuchtung variiert und kräftiger oder schwächer entwickelt, ist man imstande das photographische Bild beliebig schmäler oder breiter zu machen als die Dimension, die bei der angewandten Vergrößerung dem Fadendurchmesser entspricht. Das Bild von 11 B ist breiter, weniger kontrastreich und weniger scharf als von 11 A. Die Ränder sind undeutlich, die kleineren Uneben- heiten verschwunden, während die größeren als schlecht begrenzte Ver- dickungen des Fadens mit größerem Kontrast zum Vorschein kommen. Doch hat das Ganze noch das Bild eines Fadens behalten. Die zentralen Beugungsscheiben im Bilde eines Lichtpunktes, der sich an einem Rande des Drahtes befindet, und eines Punktes am anderen Rande überdecken einander größtenteils. Der Durchmesser der Beugungs- 1 scheiben wird durch m = = ausgedrückt. Darin haben wir die Wellen- länge des Lichtes A — 0,6 u, die Vergrößerung V = 1800 und die nume- rische Apertur N = 0,18. Also wird der Durchmesser der -Beugungs- scheibe berechnet als m = 6,0 mm, während das durch Konstruktion er- haltene scharfe Fadenbild nur 0,36 mm breit ist. Das Übereinanderschieben der Beugungsscheiben eines Punktes rechts und eines Punktes links des Fadens wird in Prozenten des Scheiben- durchmessers durch 100 (m — P) pP em (11) m !) Ich bin gerne bereit, denjenigen, die sich dafür interessieren, Kopien der ursprünglichen Negativen zu übersenden. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 89 ausgedrückt, worin die 5 Breite des theoretischen, scharfen Drahtbildes bedeutet, oder auch durch p_1Mü-—aN) 7 » worin d die Dicke des Fadens in u angibt. Für unsere Abbildung 11 B berechnen wir P = 94, aber bevor das Drahtbild die Grenze der Sicht- barkeit erreicht, kann das Projektionsobjektiv noch weiter geblendet und also P noch vergrößert werden. Bei den unmittelbaren Beobach- tungen von Drähten ohne Anwendung des Mikroskops fanden wir in Kapitel III 1c als maximale Werte für P 98,2 und 98,5%. Vermutlich werden diese auch bei der mikroskopischen Abbildung erreicht und sogar übertroffen werden können; wir haben uns jedoch darum nicht bemüht und uns auf die oben genannte Verkleinerung der Objektiv- apertur beschränkt. Zu verschiedenen Zwecken kann man sich mit einem Fadenbilde begnügen, dessen Schärfe und Kontrastgrad mit denjenigen der Abb. 11 B übereinstimmen. Wendet man ein apochromatisches Objektiv von der numerischen Apertur N = 0,95 an, und darf man annehmen, daß die sphärischen und chromatischen Abweichungen bei Gebrauch der vollständigen Öffnung des Systemes nicht viel größer sind als bei der oben angewandten Blendung, so kann man die Fadendicke von 0,2 bis zu 0,2- en — 0,038 u verkleinern, ohne daß das Bild weniger scharf wird als dasjenige von Abb. 11 B. Tatsächlich sind wir imstande in Abb. 12 einen Faden abzubilden, dessen Dicke — auf Grund des wenigen von ihm zurückgeworfenen Lichtes — auf die Größen- ordnung von 0,04 u geschätzt werden darf. Das mi- kroskopische Bild'ist nicht schmäler als dasjenige eines Fadens von 0,1 u; esistaber weniger kontrast- reich. Auf keine Weise konnten wir das Bild wirk- lich schwarz erhalten. Merkwürdigerweise kann man noch die Andeutung einiger kleinen Uneben- heiten des Fadens in der Abbildung sehen. Schließlich bemerken wir noch, daß die Dicke keinen Maßstab für die Möglichkeit gewährt, Ver- schiebungen des Fadens wahrzunehmen und abzu- bilden. Diese Verschiebungen dürfen viel kleiner Abb. 12. Faden, dessen als der Durchmesser sein. Man denke z.B. an der Ban eh Sn Dee Ausmessung der Himmelphotogramme, worin man schätzt wird. den Ort der Sterne mit einer Genauigkeit von einigen wenigen wu bestimmt, während der Diameter der Scheibe, wodurch der Stern abgebildet wird, hundert- oder ein paar hundertmal größer ist!). (12) MEERES en !) Nach einer Mitteilung des Herrn Professor J. C. Kapteyn zu Groningen. 90 W. Einthoven: 3. Ist die mikroskopische Messung der Fadendicke zuver- lässig? Wir haben in diesem Aufsatz wiederholt eine Fadendicke von 0,1 bis 0,2 u. zur Sprache gebracht; die Frage ist jedoch berechtigt, ob man wohl imstande ist, den Durchmesser so dünner Fäden mit einiger Sicherheit zu bestimmen. Wir haben, um diese Sicherheit soviel wie möglich zu erreichen, versucht, verschiedene Messungsmethoden anzu- wenden. Im Kapitel II 2 wurde schon auseinandergesetzt, daß eine un- mittelbare mikroskopische Messung im Dunkelfelde unmöglich ist. Im II 4 ist der Versuch ausführlich behandelt worden, aus der scheinbaren Lichtstärke des Fadens seinen Durchmesser herzuleiten. Obgleich die scheinbare Lichtstärke im allgemeinen wohl proportional dem Durch- messer zunimmt, sind die Messungsergebnisse wegen verschiedener Nebenumstände doch so unsicher, daß Abweichungen im Verhältnis von 1:2 vorkommen, wodurch die Methode als genaue Messungsmethode verworfen werden muß. Eine andere Methode besteht aus der Messung der Torsion, die viel- leicht noch bei den dünnsten Fäden angewandt werden und vermutlich wohl zu befriedigenden Ergebnissen führen kann. Bis jetzt haben wir sie nicht versucht. Der Gedanke liegt auf der Hand, aus dem elektrischen Leitungs- widerstande eines Fadens seinen Durchmesser herzuleiten. Wir machten die Quarzfäden mittels Kathodenzerstäubung leitend, konnten aber die Umstände, worunter die Zerstäubung stattfand, nicht immer vollkommen gleich behalten, so daß wir, obgleich wir im allgemeinen wohl Resultate erhielten, die den gehegten Erwartungen entsprachen, die Methode doch nicht als eine genaue Messungsmethode empfehlen können. Wieder andere Methoden stützen sich auf das Verhalten des Fadens, wenn er als Saite im Saitengalvanometer ausgespannt ist. Die Span- nung der Saite ist durch ihre Stromempfindlichkeit, ihre Länge und die Stärke des magnetischen Feldes bestimmt. Die Dehnung, die einer be- stimmten Spannung entspricht und unmittelbar gemessen werden kann, hänst mit dem Durchmesser des Fadens zusammen, so daß man aus experimentell erhaltbaren Daten den Fadendurchmesser berechnen kann. Auch kann man den Widerstand benutzen, den die Saite bei ihrer Bewegung durch die Luft erfährt und die gleichfalls vom Fadendurch- messer abhängig ist. Eine Wiegung der Saite auf einer Bilanz ist unmöglich; — (ein Quarz- faden von 0,1 u wiegt pro cm Länge 1,73 - 10°!" g) — die Bestimmung ihrer Masse oder ihres Gewichtes mittels der Data, die durch ihr Ver- halten im Galvanometer gewonnen werden können, ist jedoch leicht ausführbar und aus dem Gewichte der Saite kann wieder ihr Durch- messer berechnet werden. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 91 Für eine ausführliche Behandlung all dieser Methoden verweisen wir auf einen früheren Aufsatz!), während wir uns jetzt auf die Bemerkung beschränken, daß wir im allgemeinen zwar eine befriedigende Überein- stimmung zwischen den Ergebnissen der unmittelbaren mikroskopischen Messungen und denjenigen der galvanometrischen Berechnungen er- halten haben, daß aber diese letzteren an Sicherheit gegen erstere zurück- stehen. Außerdem ist die unmittelbare mikroskopische Messung die ein- fachste und schnellste, weshalb wir sie am meisten angewandt haben. Wir gebrauchten dabei das stärkste Trockenobjektiv von Zeiss. F, num. Apert. 0,90, das durch die Firma zu unserem Behuf für unbe- deckte Gegenstände und große Tubuslänge korrigiert war. Diese wurde so gewählt, daß ein Skalenteil des Meßokulars einem u des Gegenstandes entsprach; die Zehnteln eines Mikrons mußten also geschätzt werden. Die Beleuchtung geschah mittels des Objektivs D, num. Apert. 0,65, womit das Bild einer kleinen, hellen Lichtquelle in der Ebene des Fadens entworfen wurde. Mißt man auf diese Weise einen durchsichtigen Faden, z. B. einen blanken Quarzfaden, so muß man dem Umstande Rechnung tragen, daß er wie eine Zylinderlinse die Lichtstrahlen bricht. Ein blanker Faden von 0,7 u oder dicker zeigt bei scharfer Einstellung zwei dunkle Linien, die durch eine helle Linie voneinander getrennt sind. Dieses Bild verbreitert sich sowohl wenn man zu hoch als wenn man zu niedrig einstellt. Aber im ersteren Falle bleibt die helle Linie zwischen den bei- den dunkeln bestehen, während im letzteren Falle die helle Linie ver- schwindet und die beiden dunkeln zu einer einzigen grauen Linie zu- sammenfließen. Betrachtet man einen blanken Faden von 0,4 «u und dünner, so kann man bei scharfer Einstellung keine Verdoppelung mehr beobachten, die jedoch sofort zum Vorschein kommt, sobald man zu hoch einstellt und sich also die Zylinderlinsewirkung des Fadens geltend macht. Für dünne Fäden von 0,1 bis 0,4 u besteht keine Schwierigkeit, die genaue Ein- stellung zu finden, da die Güte des Bildes leicht nach der scharfen Be- grenzung der Ränder und dem scheinbaren Drahtdurchmesser beurteilt werden kann. Für Fadendicken vom Grenzwerte 0,5 und 0,6 « kann man jedoch im Zweifel sein. Äußerst kleine Variationen der Einstellung machen dabei die Verdoppelung erscheinen und verschwinden, während die Ränder ziemlich scharf und die scheinbaren Breiten so gut wie un- verändert bleiben. Wie wir erwarten dürfen, ist wegen seiner Durchsichtigkeit das Bild eines blanken Quarzfadens weniger kontrastreich als das eines zer- !) Weitere Mitteilungen über das Saitengalvanometer. Analyse der saitengal- vanometrischen Kurven. Maße und Spannung des Quarzfadens und Widerstand ge- gendie Fadenbewegung. Annalen d. Physik. 4. Folge. 21,483—514 u. 665— 700. 1906. 92 W. Einthoven: stäubten. Es ist nicht vollkommen schwarz gegen einen hellen Hinter- grund und wird darum durch die Unvollkommenheiten des Mikroskops eher unsichtbar. Nachdem wir die Apertur des Objektivs F, womit wir die Fäden beobachteten, auf die früher beschriebenen Weise bis auf N = 0,33 verkleinert hatten, konnten wir blanke Fäden von 0,2 u und 0,7 u nicht mehr auf die gewöhnliche Weise bei durchfallendem Lichte sichtbar machen. Ein Faden von 2,7 u lieferte dagegen bei derselben kleinen Apertur ein gut wahrnehmbares, aber doch wenig kontrast- reiches Bild, das einen scheinbaren Durchmesser von 3 u hatte. Betrachtet man bei voller Apertur einen undurchsichtigen Faden von 0,1 bis 0,2 u, so sieht man ihn als eine scharf begrenzte, beinahe vollkommen schwarze Linie. Man könnte vielleicht meinen, daß, wenn die Ränder weniger scharf abgebildet werden, der Faden dünner erscheinen sollte, als er ist. Durch Irradiation könnten die beiden begrenzenden Lichtebenen sich auf Kosten des dunkeln, flauen Fadenbildes ausbreiten und also den schein- baren Durchmesser des Fadens verkleinern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Fadenbild ist am feinsten und kontrastreichsten, wenn die Einstellung des Mikroskops so genau wie möglich stattfindet. Der ge- ringste Einstellungsfehler macht es breiter und weniger schwarz. Auf gleiche Weise wird der scheinbare Durchmesser verbreitert, wenn die Beugung des Lichtes sich stark geltend macht oder wenn die sphärischen und chromatischen Abweichungen im Mikroskope zunehmen. Zur Bestätigung möge nachfolgender Versuch dienen: Wir ersetzten das Huygens Okular, das Lege artis in Kombination mit Objektiv F gebraucht werden muß, durch ein Okular anderer Konstruktion. Da- durch hatte die Vergrößerung zugenommen, und zwar so, daß jetzt jeder Skalenteil einer Abmessung von 0,7 u an Stelle von 1 u des Gegen- standes entsprach. Die Abbildung ließ aber an Genauigkeit zu wünschen übrig; das Bild war diffus und breit und gab einen scheinbaren Durch- messer von 0,6 Skalenteilen oder 0,4 u an, während derselbe Faden, wenn er auf die gewöhnliche Weise gemessen wurde, sich nur 0,1—0,2 u dick zeigte. Zur Erläuterung des Einflusses der Apertur auf den scheinbaren Durchmesser des Fadens brauchen wir nur auf Abb. 11 A und B hinzu- weisen. Da also alle Unvollkommenheiten der optischen Abbildung, sei es durch die Beugung des Lichtes oder durch eine fehlerhafte Einstellung oder aber durch die Fehler des Mikroskops bedingt, zu einer scheinbaren Vergrößerung des Fadendurchmessers Anlaß geben, und kein Mikroskop idealen Anforderungen entsprechen kann, dürfen wir wohl annehmen, daß die durch Messung gefundenen Werte immer Maximalwerte dar- stellen und also die in diesem Aufsatze erwähnten Fäden in Wirklichkeit entweder die angegebenen Dimensionen besitzen oder dünner sind. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 93 Fäden, deren Durchmesser kleiner als 0,1 u sind, werden unter dem Mikroskope nicht als dünner, sondern als weniger schwarz wahrgenom- men. Ihre Dicke kann nicht durch direkte mikroskopische Messung bestimmt werden. 4. Praktische Bemerkungen über die mikroskopische Ab- bildung und die Photographie. Ist ein Faden durchsichtig, so kann bei der gewöhnlichen Beleuchtung der Kontrast der Abbildung niemals groß sein, und wenn man die Aper- tur des Projektionsmikroskops verkleinert, wird der Faden sogar bald unsichtbar!). Bei Anwendung der vollen Apertur des Projektionsmikroskops hat man schon Mühe in einem hellen Felde einen durchsichtigen Faden, deren Dicke wir auf 0,1 bis 0,2 « schätzen, zu sehen. Dagegen kann ein undurchsichtiger Faden von noch geringerer Dicke leicht als eine schwarze Linie wahrgenommen, und wie Abb. 12 zeigt, photographiert werden. Eine erste Bedingung zur Erhaltung eines scharfen und kontrast- reichen Bildes ist bekanntlich ein Projektionsobjektiv von großer Aper- tur. Man kann dafür mit gutem Erfolge die von Zeiss speziell für Saitengalvanometer verfertigten 4 mm Apochromat-Objektive, die man mit den Projektionsokularen 2 oder 4 kombinieren kann, benützen. Selbstverständlich muß man dabei versuchen so gut wie möglich den Anforderungen zu genügen, die im allgemeinen der Abbildung gestellt werden. In einer früheren Abhandlung?), worin die Anwendung von zwei optisch in Serie aufgestellten Galvanometern beschrieben wurde, haben wir schon auf einige hierauf bezügliche Umstände den Nachdruck gelegt: die Notwendigkeit genauer Zentrierung und völliger Aufhebung der auch in den besten Linsen von Zeiss noch übrigbleibenden chroma- tischen Abweichung. Die Weise, auf welche eine genaue Zentrierung erhalten werden kann, haben wir damals ausführlich behandelt. Einige später angebrachte kleine Verbesserungen sind nicht so wertvoll, daß wir sie hier jetzt zu erörtern brauchten. Ebensowenig brauchen wir auf die vollständige Aufhebung der chromatischen Abweichung zurückzukommen, die mit- tels einer durch die Firma Zeiss auf unsere Bitte gefälligst angefertigten Korrektionslinse erzielt wird. Es gibt jedoch eine Korrektion, die wir hier nicht übergehen dürfen. Wenn man bei starker Vergrößerung das Bild betrachtet, das von einem Faden auf dem Schirm entworfen wird, wird man in vielen Fällen eine !) Siehe den vorhergehenden Paragraph III 3. ?) Die gleichzeitige Registrierung elektrischer Erscheinungen mittels zwei oder mehr Galvanometer und ihre Anwendung auf die Elektrokardiographie. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 164, 167. 1916. 94 W. Einthoven: geringe Asymmetrie beobachten können: der eine Rand des Bildes ist ein wenig rötlich, der andere ein wenig blaugrün gefärbt. Und alles das, während das Drahtbild sich in der Mitte des Gesichtsfeldes befindet und man weiter auch das ganze optische System möglichst zentriert hat. Diese Erscheinung muß wahrscheinlich der Art und Weise zuge- schrieben werden, wie das Objektiv am Tubus befestigt ist, und zwar insbesondere dem Umstande, daß die optische Achse des Objektivs nicht genau mit der Achse des Tubus zusammenfällt. Bei der Abbildung eines dünnen Fadens befindet man sich in der günstigen Lage, daß man die nachteiligen Folgen dieses Mangels aufheben kann. Dazu drehe man nur den Tubus zusammen mit dem Objektive um die optische Achse, und zwar um einen solchen Winkel, daß die Asymmetrie, die sich erst an den Rändern des Bildes geltend machte, jetzt nach der Länge des Fadens gerichtet wird. So kann und darf sie bestehen ohne merkbar zu werden und ohne die Schärfe des Bildes zu beeinträchtigen. Der Öffnungswinkel des Lichtkegels, womit der Faden bestrahlt wird, muß regulierbar sein. Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Folgen der Blendung des Projektions-Objektivs und derjenigen des Be- leuchtungskegels, obgleich man es in beiden Fällen doch mit der Beugung der Lichtstrahlen zu tun hat. Im ersteren Falle macht die Beugung jedoch ihren Einfluß hauptsächlich auf die Strahlen geltend, die, nachdem sie aus dem Projektions-Okulare herausgetreten sind, das Fadenbild auf dem Schirme entwerfen. Dagegen wird im letzteren Falle das Abbeugen ‘ der Strahlen auf den Rändern des Fadens selbst bemerkbar. Blendet man den Beleuchtungskegel in genügendem Maße, so ent- steht ein Bild, worin man eine Anzahl dem Faden parallel laufender Linien unterscheidet. In Abb. 13 sieht man die Abbildungen von Photo- grammen, die bei 1800facher Vergrößerung von einem Faden von 0,4 u aufgenommen wurden. Das Projektions-Objektiv hatte eine Apertur von 0,95, während der Beleuchtungskegel, der in A eine nahezu ebenso große Öffnung hatte, in den Abb. B und (C geblendet wurde. In Abb. B betrug die Aper- 5 tur!) des Beleuchtungskegels en — 0,12; in Abb. C war sie bis auf 2 3 099 2: 0,05 verkleinert. 20 Es kann nicht unsere Aufgabe sein, diese Beugungserscheinungen, die zum Vorschein kommen, wenn der Gang der Lichtstrahlen durch einen undurchsichtigen Gegenstand gehemmt wird, näher zu analysieren ?). !) Der Ausdruck ‚„Apertur des Beleuchtungskegels‘‘ wird der Kürze halber gebraucht und bedeutet den Sinus des halben Spitzenwinkels. ?) Vgl. Epstein, Spezielle Beugungsprobleme in Enzyklopädie der mathemat. Wissenschaften. Bd. V,, H. 3, S. 488. 1915 und P. Debye, Methode, um Zylinder von beliebigem Radius zu behandeln. Physikal. Zeitschr. 9, 775. 1908. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 95 Es kann aber von Nutzen sein, daß einige unserer Beobachtungen hier kurz erwähnt werden. a) Wenn die Beleuchtungsapertur einmal unter einen gewissen Wert herabgesunken ist, übt sie keinen Einfluß mehr auf den gegenseitigen Abstand der Linien aus. Wir verringerten z. B. diese Apertur von 0,06 bis auf 0,01, ohne daß der gegenseitige Abstand der Linien sich dadurch merkbar veränderte. b) Bringt man den Faden aus der Mitte des Gesichtsfeldes, so wird die Symmetrie der Streifung unterbrochen. An der einen Seite des Fadenbildes werden die Linien weniger an der Zahl, schmäler und un- A B C ® ee ig Ber 3 s ? B a Ki | wa P# 3 \ u d ! e | Br en 4 k #13 | , Bu r) header Faniae ausser nerer ten a Abb. 13. A Faden von 0,4 « bei 1800facher Vergrößerung photographiert. Das Projektions- objektiv hat die Apertur 0,95, während der Beleuchtungskegel eine nahezu ebenso große Öff- nung hat. B Die Apertur des Beleuchtungskegels ist bis auf 0,12 verkleinert. C Die Apertur des Beleuchtungskegels ist bis auf 0,05 verkleinert. deutlicher, während sie an der anderen Seite breiter und deutlicher und zugleich zahlreicher werden. Dasselbe findet statt, wenn der Faden in der Mitte des Gesichtsfeldes stehenbleibt, das Licht aber schräg einfällt. c) Verändert man die Einstellung des Mikroskops bei zentrischer Abbildung, so findet eine symmetrische Verschiebung der Linien statt. Je nachdem man das Mikroskop an- oder abschraubt, entfernen sie sich rechts und links von der Mitte des Saitenbildes oder sie nähern sich der- selben, wobei sie ihre Breite und gegenseitigen Abstand verändern. d) Verringert man bei dünneren Fäden allmählich die Beleuchtungs- apertur, so sieht man einen hellen Rand rechts und links des Faden- bildes als erstes Zeichen der Beugung zum Vorschein kommen. Schon bald zeigt sich auch eine helle Linie in der Mitte des Bildes, wodurch der Faden wie gespalten erscheint. Abb. 12 B gibt davon eine Vor stellung. 96 W. Einthoven: Bei diekeren Fäden von z. B. 2 u kommt eine Streifung im Saitenbilde selbst zum Vorschein. e) Der gegenseitige Abstand der Linien, die durch die Verkleinerung der Beleuchtungsapertur hervorgerufen werden, ist bei dicken und dünnen Fäden nicht oder jedenfalls nicht auffallend verschieden. f) Um den Einfluß zu untersuchen, den die Spiegelung der Licht- strahlen an der Fadenoberfläche auf die Erscheinungen ausüben könnte, haben wir einen blanken, gezogenen Metalldraht von 20 u mit einem gleichartigen mattschwarz gemachten Drahte verglichen. Die dabei zum Vorschein kommenden Unterschiede sind so gering, daß wir dem Einflusse der Spiegelung kaum Rechnung zu tragen brauchen. g) Die Vergrößerung oder Verkleinerung des Gesichtsfeldes kann wohl die Deutlichkeit, nicht aber die gegenseitige Distanz der Linien beeinflussen. Verkleinert man die Beleuchtungsapertur nur wenig, so wird das Fadenbild etwas breiter, während seine Ränder einigermaßen ver- flüssigen. Merkwürdigerweise nimmt dabei der Kontrast zu. Diese Erscheinung bildet bei der photographischen Abbildung einen Vorteil, der bis auf eine gewisse Höhe die Nachteile überkompensiert. Man kann noch bei einer Verkleinerung der Beleuchtungsapertur bis auf 0,5 be- friedigende Bilder erhalten und verfügt also mittels der den Spitzen- winkel des bestrahlenden Kegels verkleinernden Blende über ein be- quemes Hilfsmittel, um innerhalb ziemlich weiter Grenzen die Beleuch- tungsintensität der photographischen Platte zu regulieren. Eine sehr kleine Beleuchtungsapertur ermöglicht es, das Drahtbild auch dann zu beobachten, wenn die Einstellung des Projektions-Mikro- skops ungenau ist. Die Wahrnehmungstiefe ist dabei vergrößert, und von diesem Umstande kann man einen vorteilhaften Gebrauch machen, wenn man bei der Arbeit mit dem Saitengalvanometer das Saitenbild im Gesichtsfelde verloren hat. Um es zurückzufinden, blendet man den Be- leuchtungskegel oder schraubt das Beleuchtungsmikroskop zurück, wo- durch meistenteils die Saite, wenn sie durch eine Verschiebung in der Richtung der optischen Achse unsichtbar geworden ist, als ein flauer Schatten wieder zum Vorschein kommt. Die zu einer zweckmäßigen photographischen Aufnahme benötigte Lichtenergie hängt selbstverständlich von der Empfindlichkeit der an-. gewandten Platte ab. Bei der Aufnahme von Abb. 134, die bei Bogen- lichtbestrahlung auf eine wenig empfindliche Platte stattgefunden hat, dauerte die Beleuchtung 0,1 Sek. Wir machten auf gleichartigen Platten und bei derselben Vergrößerung auch befriedigende Aufnahmen von 0,01 Sek. und zweifeln nicht daran, daß man bei Gebrauch von empfind- licheren Platten die Beleuchtungsdauer noch bedeutend mehr verkürzen kann. Man erwäge dabei, daß. bei unseren Versuchen die Platte 1300? mal weniger als die optische Fadenebene beleuchtet wurde. Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. 97 IV. Zusammenfassung. 1. Fäden von 0,1 u können als helle Linien auf einem dunkeln Hinter- grund mit unbewaffnetem Auge leicht gesehen werden. Man kann sie ohne Schwierigkeit schießen oder blasen, befestigen, übernehmen, unter das Mikroskop bringen, zerstäuben und im Galvanometer ausspannen. 2. Jeder existierbare Faden, wie dünn er auch sein mag, kann ultra- mikroskopisch sichtbar gemacht werden, wenn man nur imstande ist, ihn auf zweckmäßige Weise unter das Mikroskop zu bringen. Nimmt man an, daß bei gleichbleibender Bestrahlung eines Fadens die Menge des durch ihn zurückgeworfenen Lichtes proportional seinem Durchmesser zu- und abnimmt, so wird der Durchmesser des dünnsten sichtbaren Fadens auf 0,2 - 10°® wu berechnet. Zur Vergleichung diene, daß der Durchmesser eines Wasserstoffmoleküls ungefähr eine Million Mal größer ist. 3. Das Vermögen, mit unbewaffnetem Auge den dünnsten dunklen Faden gegen hellen Hintergrund sehen zu können, wird nicht durch die Abmessungen der Netzhautzapfen, sondern durch die Fähig- keit bestimmt, zwei Helligkeiten voneinander zu unterscheiden. Wäh- rend zwei Lichtpunkte oder Lichtlinien, die sich einander immer mehr nähern, noch eben voneinander getrennt beobachtet werden, wenn sie auf der Netzhaut unter einem Gesichtswinkel von 60’ abgebildet werden, kann ein Faden noch unter einem Winkel von 2” gesehen werden. 4. Jeder Umstand, der das mikroskopische Bild eines dunklen Fadens gegen einen hellen Hintergrund weniger scharf macht, vergrößert den scheinbaren Fadendurchmesser. Da kein Mikroskop idealen Anforde- rungen genügt, darf also angenommen werden, daß die Ergebnisse der mit diesem Instrumente verrichteten Messungen entweder mit der Wirk- lichkeit übereinstimmen oder zu große Werte angeben, so daß die in diesem Aufsatze beschriebenen Fäden von 0,1 bis 0,2 u entweder wirk- lich diese Dicke besitzen oder dünner sind. 5. Die Bedingungen, mit dem Mikroskope den dünnsten dunklen Faden gegen hellen Hintergrund zu beobachten und abzubilden, sind ungleich denjenigen, welche für das Getrenntsehen zweier einander sich immer mehr nähernden Lichtpunkte oder Lichtlinien gelten. Ist die Apertur des Projektions-Objektivs N und die Wellenlänge des Lichtes /, so ist, wie allgemein angenommen wird, die Distanz der noch unterscheid- baren Punkte oder Linien. A I>—— =aN: was für N = 0,95 und A = 0,6 u, für ! den Wert von 0,31 u liefert. Die zentralen Beugungsscheiben, die von jedem der beiden Lichtpunkte gebildet werden, bedecken einander dabei zur Länge vom Halbmesser der Scheiben. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 7 98 W. Einthoven: Über die Beobachtung und Abbildung dünner Fäden. Dagegen wird ein Faden von 0,2 u mit einem Objektiv von der- selben Apertur scharf und kontrastreich abgebildet. Die Ränder sind dabei so fein gezeichnet, daß noch eine Anzahl kleiner Unebenheiten getrennt sichtbar werden, siehe Abb. 11 A. 6. Wenn derselbe Faden mit einem Objektiv von Apert. 0,18 abge- bildet wird, wird das Bild weniger kontrastreich und weniger scharf. Die Ränder sind undeutlich, die kleineren Unebenheiten verschwinden, während die größeren als schlecht begrenzte Verdickungen des Fadens mit vergrößertem Kontraste zum Vorschein kommen, siehe Abb. 11 B. Die zentralen Beugungsscheiben, die von einem Lichtpunkte gebildet werden, der sich an dem einen Rande des Fadens befindet und von einem segenüberliegenden Punkte am anderen Rande, bedecken einander in der genannten Abb. zum Betrage von P = 94%, des Durchmessers der Scheiben. 7. Bei der unmittelbaren Beobachtung von Fäden ohne Anwendung des Mikroskops fanden wir als maximale Werte von P... 98,2% und 98,5%. Vermutlich können ebenso große und sogar größere Werte von P bei der mikroskopischen Abbildung erreicht werden. 8. Man hat Grund anzunehmen, daß mit den Objektiven aus dem Handel noch von einem Faden von 0,03 oder 0,04 u ein brauchbares Bild erhalten werden kann, das was Kontrastgrad und Schärfe anbelangt dem Bilde von Abb. 11 B nicht viel nachsteht. Tatsächlich konnte ein Photogramm eines zerstäubten Quarzfadens angefertigt werden, dessen Durchmesser auf die Größenordnung von 0,04 u geschätzt werden durfte. 9. Ein dunkler Punkt gegen hellen Hintergrund veranlaßt analoge Betrachtungen, wie sie oben hinsichtlich des dunklen Fadens gegeben worden sind. Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. Mitteilung. Experimentelle Therapie der Magen-Darmlähmung nach Chloro- formnarkose. Von Dr. phil. et med. Malte von Kühlewein. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 30. Mai 1921.) Durch die Arbeit von Weiland aus dem Jahre 1912!) wissen wir, daß durch die Serosa des Darmes in Wasser und verdünnte Salzlösungen eine Substanz diffundiert, die eine ausgesprochen erregende Wirkung auf den isolierten, überlebenden Säugetier-Darm ausübt. Le Heux?)?®) gelang es dann den Nachweis zu erbringen, daß mindestens ?/, dieser Substanz aus Cholin besteht, und daß wir in diesem eine der Bedingungen für die automatische Tätigkeit des Auerbachschen Plexus zu sehen haben. Auch wies er kürzlich nach *), daß intravenöse Einspritzung von Cholin die normale Magen-Darmbewegung bei der Katze deutlich steigert. Diese Eigenschaft des Cholins ließ es angebracht erscheinen, seine Wirkung auf eine experimentell hervorgerufene Magen-Darmlähmung zu untersuchen. Von den verschiedenen Möglichkeiten, eine solche beim Versuchstier — in unserem Falle der Katze — hervorzurufen, wählten wir diejenige Ätiologie, die am bequemsten zu diesem Ziele führt: die Chloroformnarkose. Es gelingt durch eine 2stündige, tiefe Chloroform- narkose eine mehrstündige Lähmung der motorischen Tätigkeit des Magens und des Darmes zu erzeugen’). t) W. Weiland, Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 14%, 171. 1912. 2) J. W. le Heux, Over den aard van het bestanddeel van darmextracten, dat een prikkelenden invloed op de maagdarmbewegingen uitoefent. K. Akademie v. Wetenschapen te Amsterdam. Verslag vergadering wis -en natuurk. afd. van 29. September 1917. 26, 741. 3) J. W. le Heux, Das Cholin als Hormon der Darmbewegung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%3, 8. 1919. *) J. W.le Heux, Cholin als Hormon der Darmbewegung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 301. 1921. F >) A. Baron u. Th. Barsony, Über die Einwirkung der Chloroform- und Äthernarkose auf die motorischen Magenfunktionen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 158, 464. 1914. MI 100 M. v. Kühlewein: Methodik. Die erste Serie der Versuche, die wir im folgenden kurz als ‚„Normalversuche‘‘ bezeichnen, umfaßt diejenigen Tiere, bei denen lediglich der Ablauf der normalen Magen-Darmbewegungen studiert wurde. Wir bedienten uns hier, wie auch bei den beiden folgenden Gruppen, der Methode von Cannon!) und Magnus?): 24 Stunden hungernde Katzen, deren Verdauungstraktus also praktisch leer war, erhielten als Futter einen Kontrastbrei, bestehend aus einer mit Wasser ange- feuchteten Mischung von 25 ccm gut zerquetschten Kartoffeln und 5 g basischem Wismutcarbonat. Fraßen die Tiere nicht spontan, so wurden sie mit einem Spatel gefüttert. Dann wurden an ihnen, in anfangs halbstündigen, später einstündigen Intervallen, mittels Röntgenstrahlen die Bewegungen des Magens und Darmes und des Speisebreies beobachtet und auf einem durchscheinenden Papier eine Pause des Schattenbildes angefertigt. Da bei dem dünnen Leib der Katze eine Vergrö- Berung der Schatten durch die Divergenz der Strahlen praktisch nicht in Betracht kommt, konnte die Länge der jeweilig gefüllten Darmschlingen direkt in Zenti- metern an der Pause abgemessen werden. An einer zweiten Serie von Katzen (,,Narkoseversuche‘) studierten wir dann den Einfluß der Chloroformnarkose. Zu diesem Zweck führten wir gleich nach Verabreichung des Kontrastbreies in Äthernarkose einen, Katheter vom Maul aus bis zur Bifurkation der Trachea ein, um dann die Tiere sofort einer zweistündigen tiefen Chloroformnarkose durch Insufflation nach Meltzer?) zu unterwerfen. Es erwies sich diese Art der Narkose nach Meltzer als die vorteilhafteste, da man jederzeit an den noch auslösbaren Reflexen und ihrem Grad, auch an den spontanen Bewegungen der Tiere und der Gliedersteife über den Chloroformgehalt des Blutes in den verschiedenen Stadien der Narkose orientiert ist, wie wir dies aus den Untersuchungen von W. Storm van Leeuwen) wissen. In Vorversuchen fanden wir, daß es einerseits nötig ist, um eine möglichst hochgradige Lähmung der motorischen Magen-Darmtätigkeit zu erreichen und um zu deutlichen Unter- schieden bei unseren 3 Versuchsreihen zu kommen, die Narkosedauer auf wenigstens 2 Stunden auszudehnen; daß andererseits die Narkose aber möglichst tief gehalten werden muß: das Tier muß völlig schlaff auf dem Brett liegen, und alle Reflexe müssen verschwunden sein. Die Wirkung einer solchen Narkose auf den Magen- Darmkanal wurde dann wie bei der ersten Serie verfolgt. Die dritte Versuchsreihe beschäftigt sich mit der Wirkung der intravenösen Cholineinspritzung nach einer zweistündigen, tiefen Chloroformnarkose. Die Vor- behandlung war die gleiche, wie die der „Narkosetiere“, jedoch wurde am Schluß der Narkose in eine vorher freigelegte V. jugularis 0,01 g Cholin. hydrochl. in 2ccm physiologischer Kochsalzlösung langsam injiciert. Diese Art der Zufuhr der Gesamtmenge sofort nach Narkoseschluß zeitigte die bei weitem besten Re- sultate. Dieselbe Menge Cholin als Teildosen in zeitlichen Zwischenräumen ge- geben oder gar kleinere Gesamtdosen hatten wohl auch einen nachweisbaren, aber nicht so starken Erfolg. !) Walter B. Cannon, The mechanical factors of digestion. London 1911. ®)R. Magnus, Die experimentellen Grundlagen der Röntgenuntersuchungen des Magen-Darmkanals. Verhandl. d. dtsch. Kongr. f. inn. Med. 29. Wiesbaden1912. ®) Meltzer and Auer, Journ. of exper. med. 11, 622. 1909. *#) W. Storm van Leeuwen, Ervaringen met de intratracheale insufflatie van Meltzer. Nederlandsch Tijdschr. v. Geneesk. 1913. — Vergleich der Wirkung von Äther und Chloroform nebst Versuchen am Rückenmarkshund. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 165, 597/98. 1916. Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. 101 Ergebnisse. Die Ergebnisse der 3 Versuchsreihen sind am deutlichsten an der Hand dreier Kurven (Abb. 1) zu verfolgen, die die Mittelwerte aus je 5 Versuchen darstellen. In dem Koordinatensystem verzeichnet die Abszisse die Zeit nach der Fütterung, die Ordinate gibt die Länge der jeweils ge- fülten Dünndarm- schlingen in Zenti- metern an. Alle aus- gezogenen Linien (—) beziehen sich auf Nor- mal-, alle gestrichel- DS Ss Ss an nme) Ins ) Abb. I. Erklärung im Text :uls TKlarung ım ext. auf Narkose- und die x Punkt-Strich-Linien (- —-— -—- ) auf Cholinversuche. Unter der Zeit- abszisse befinden sich 3 Linien, deren Anfang dem Beginn der Pylorus- peristaltik entspricht, deren Länge aber die Dauer der Magenfüllung bezeichnet, so daß am Schluß dieser Linien, die nach der Art der Zeichnung immer zu den entsprechenden 3 Kurven im Koordinatensystem gehören, der Magen leer ist. Die 3 Pfeile am oberen Rande der Abbil- dung geben den Zeitpunkt des Beginns der Dickdarmfüllung an, wieder in ihrer Art zu je einer der Kurven gehörig. Der kleine Pfeil am unteren Rande bedeutet den Endpunkt der 2stündigen Chloroformnarkose in den Narkose- und Cholinversuchen. Nullpunkt der Abszisse ist Fütterungsschluß, so daß alle 3 Kurven auf denselben Nullpunkt be- zogen werden. Die lähmende Wirkung der 2stündigen Chloroformnarkose gibt sich erstens in der Verzögerung des Einsetzens der Antrumperistaltik und des Beginns der Dünndarmfüllung kund. Sehen wir in den Normalver- suchen bereits 20 Minuten nach Fütterungsschluß im Antrumteil peri- staltische Bewegungen, die dann schnell zur Dünndarmfüllung führen, so liegt nach Schluß der 2stündigen Chloroformnarkose der gesamte Magen nach 2!/, Stunden völlig bewegungslos und schlaff in der Leibes- höhle. Dann erst beginnen schwache peristaltische Wellen am Pylorus- teil entlang zu laufen, die aber nur wenig Mageninhalt in das Duodenum hinüber zu pressen vermögen. Sie reichen bei weitem nicht aus, eine so vollkommene und schnelle Darmfüllung, wie bei den Normalversuchen, hervorzurufen. Das Maximum der Dünndarmfüllung erreicht bei letz- teren bis über 40 ccm Länge, während nach der Narkose nur etwa 20 cm Dünndarmschlingen maximal gefüllt sind. Häufig geschieht es auch, daß nach Einsetzen der Pylorusperistaltik die Magenbewegungen 102 M. v. Kühlewein: wieder aufhören, obgleich der Magen sich erst zur Hälfte seines Inhalts entleert hat. Nie gelang es aber, auch wenn die Magenperistaltik stunden- lang anhielt, den Magen am Versuchstage völlig zu entleeren; auch nach über 61/, Stunden nach Narkoseschluß (= 9 Stunden nach Fütterungs- schluß) war noch Speisebrei im Magen vorhanden, während bei normalen Katzen nach weniger als 5 Stunden nach Fütterungsschluß der Magen frei von Nahrungsresten war. Ganz besonders stark zeigt sich der lähmende Einfluß der Narkose an dem Zeitpunkt der beginnenden Dick- darmfüllung: nach 2%/, Stunden pflegt sich in Normalversuchen das Colon asc. zu füllen, in Narkoseversuchen trat dies erst 8 Stunden nach Fütterung ein. Man hat dann bei extremen Narkosefällen manchmal den merkwürdigen Anblick, daß der Dickdarm schon bis tief ins Colon desc. gefüllt ist, der Dünndarm leer ist und der Magen noch einen großen Teil des Kontrastbreies birgt (Abb. 2). Die Folgen dieser allgemeinen Verlangsamung der Bewegungen, die am stärksten am Magen ausgesprochen sind, sind noch 20 Stunden nach der Narkose vorhanden: eine Defäkation erfolgt in die- ser Zeit selten. Stellt sie sich doch ein, dann werden nur spärlich Fäzes entleert. Dem entspricht das Röntgenbild, das uns nach 20 Stunden noch einen prall gefüllten Dickdarm in seiner ganzen Ausdehnung zeigt. Im deutlichen Gegensatz zu diesen en; schweren. Laähmuneserscheinungen! stehen Abb. 2. Erklärung im Text. die Befunde, wenn nach der Narkose Cholin eingespritzt wird. 20 Minuten nach Abschluß der Narkose und nach der Einspritzung von Cholin beobachten wir bereits kräftige peristaltische Wellen am Pylorusteil, die nach kurzer Zeit den Mageninhalt in das Duodenum kräftig hin- übertreiben und 5 Stunden lang anhaltend, gleich wie bei den Normal- versuchen, in dieser Zeit zu einer restlosen Entleerung des Magens führen. Dem entspricht ein höher gelegenes Maximum der Länge des gefüllten Dünndarms und der um über eine Stunde früher erfolgende Eintritt der Diekdarmfüllung, als bei den Narkosetieren. Wie bei den Normalversuchen haben wir beiCholinversuchen 81/,Stunden nach der Fütterung einen praktisch leeren Dünndarm vor uns. Zu dieser Zeit be- findet sich also in den Cholinversuchen der gesamte Speisebrei im Dickdarm, während in den Narkoseversuchen noch ein beträchtlicher Teil im Magen liegen geblieben ist. Und hiermit steht im Einklang auch der fernere Verlauf, der für den Chirurgen am bedeutungsvollsten sein dürfte: nach 20 Stunden ist regelmäßig kräftiger Stuhlgang erfolgt, der Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. 103 Diekdarm ist, wie natürlich auch der übrige Darm, leer, bis auf einige Ballen im Colon dese. und sigmoid. Nach den Versuchen, die le Heux in der vorhergehenden Arbeit beschreibt, besitzt Cholin (4—10 mg pro Tier) keinen direkten Einfluß auf die sichtbaren Bewegungen des Dickdarms normaler Versuchstiere und bewirkt nur eine beschleunigte Passage durch das proximale Kolon, dagegen keine Kotentleerung. In meinen Versuchen trat jedoch nach der Narkoselähmung des Magendarmkanals ohne Cholin bis zum folgen- den Morgen keine oder nur spärliche Kotentleerung, mit Cholin (10 mg a) Abb.3au.b. Röntgenbilder, 4 Stunden 40 Min. nach Narkoseschluß. a Ohne Cholin. Magen prall gefüllt, bewegungslos. Dünndarm spärlich gefüllt. Diekdarm leer. b) Mit Cholin. Magen fast leer, mit Antrumperistaltik. Dünndarm stark gefüllt. Dickdarm gefüllt. pro Tier) dagegen stets kräftige Entleerung auf. Es war zu untersuchen, ob diese Wirkung nur auf der beschleunigten Füllung des Dickdarmes von den oberen Darmabschnitten her beruht, oder ob Cholin den chloro- formgelähmten Dickdarm direkt beeinflußt. Um dieses zu entscheiden, wurden die Tiere am Abend vorher ge- füttert. Am folgenden Morgen fand sich dann stets Magen und Dünn- darm leer, der Dickdarm gefüllt. Nunmehr wurde eine 2stündige tiefe Chloroformnarkose eingeleitet. Nach Ablauf derselben war das Röntgen- bild ungeändert und blieb so, wie 5 übereinstimmende Versuche zeigten, bis zum folgenden Morgen, also etwa 22 Stunden lang. Es wurde dann immer noch die gleiche Lage der Schatten im Dickdarm angetroffen wie unmittelbar vor dem Narkosebeginn (Abb. 4). Nach Einspritzung von Cholin war jedoch das Verhalten ganz anders. Um deutliche Unterschiede zu erzielen, wurde die Dosis größer genommen (15 mg pro kg), wodurch bei den Tieren außer etwas Speichelfluß keine sonstigen Symptome hervorgerufen wurden. Nur in einem von 5 Ver- suchen, in welchen das Cholin unmittelbar nach Narkoseschluß intra- venös eingespritzt wurde, trat keine Kotentleerung ein, in den übrigen 104 M. v. Kühlewein: war der Erfolg deutlich. Bei Katze 1 (Abb. 5) erfolgte innerhalb der ersten Stunde Stuhlgang, nach 2 Stunden war das proximale Kolon leer (d), nach 4 Stunden entleerte sich der ganze Dickdarm bis auf geringe Reste (e). Bei Katze 2 war vor und unmittelbar nach der Narkose der ganze Speisebrei im proximalen Kolonteil. Nach etwas über einer Stunde nach der Cholineinspritzung erfolgte Stuhlgang, und der zurück- gebliebene Speisebrei fand sich nachher nur im distalen Kolon; nach 4 Stunden erfolgte zum zweiten Male Stuhlgang mit völliger Entleerung des Diekdarmes. Bei Katze 3 war nach 4 Stunden eine Entleerung des proximalen Kolons und Vorrücken der Schatten im distalen Diekdarm- b) c) d) 6 0 Abb. 4a—d. Katze am Abend vorher gefüttert. Durchleuchtung am anderen Morgen (a). 9 Uhr 20 bis 11 Uhr 20 tiefe Chloroformnarkose. Danach Dickdarmbild unverändert (b); bleibt so bis zum Abend (ec) und zum folgenden Morgen (d). Versuch von Arai. R c) d) Abb.5a—e. Katze am Abend vorher gefüttert. Durchleuchtung am folgenden Morgen (a). 8 Uhr 50 bis 10 Uhr 50 tiefe Chloroformnarkose, direkt danach 15 mg pro kg Cholin-HCl intravenös. So- fortige Röntgenaufnahme (b) läßt schon etwas Fortschreiten im distalen Kolon erkennen. In der folgenden Stunde Stuhlgang. Die Aufnahmen nach 1 Stunde (ce) und 2 Stunden (d) lassen die Entleerung des proximalen Kolons erkennen. Nach 4 Stunden starker Stuhlgang. Danach nur noch geringe Reste im Dickdarm (e). a) teil zu sehen, nachts erfolgte Stuhlgang, am folgenden Morgen war der Darm vollständig leer. Bei Katze 4 war 1 Stunde nach der Cholinein- spritzung das vorher volle proximale Kolon bis auf einen kleinen Rest entleert, in den folgenden Stunden war ein deutliches Fortschreiten im distalen Kolon zu sehen, nachts erfolgte Stuhlgang, und am folgenden Morgen waren nur noch geringe Schattenreste im Colon descendens zu sehen. 7 Versuche dieser letzten Versuchsreihe hat nach meinem Fortgange aus dem Institut Herr Dr. K. Arai aus Tokio für mich ausgeführt, wofür ich ihm auch hier bestens danke. Es ergibt sich hieraus, daß nach tiefer Chloroformnarkose auch die Dickdarmtätigkeit durch Cholin in sonst unschädlichen Dosen in sehr Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. 105 deutlicher Weise direkt angeregt werden kann. Hierin liegt ein Gegen- satz zu dem Verhalten des normalen Dickdarmes, der sehr viel weniger deutlich beeinflußt wird. Die Ursache dieses Unterschiedes beruht sicherlich nur zum Teil auf der größeren Dosis, die in der letzten Ver- suchsreihe verwendet wurde, da ja auch in meinen übrigen Versuchen stets Kotentleerung nach Cholinbehandlung eintrat. Daß dieses Ergebnis von erheblicher praktischer Bedeutung ist, leuchtet ohne weiteres ein. Wenn wir aus dem Benehmen der Katze auf ihre subjektiven, post- narkotischen Beschwerden schließen wollen, so stehen die Tiere der Narkose- und der Cholinreihe in deutlichem Gegensatz zueinander. Eine Katze, die eine 2stündige Chloroformnarkose überstanden hat, ist noch eine Zeitlang stark benommen, vermag sich anfangs nur atak- tisch im Käfig herumzuwälzen, ist später unorientiert, stößt mit dem Kopf gegen die Sche‘ben des Käfigs und reagiert überhaupt nicht auf Streieheln und Zuruf. Futter nimmt sie in den nächsten 7, auf die Narkose folgenden Stunden nicht zu sich. Eine mit Cholin behandelte Katze ist dagegen schon nach 1 Stunde in ihrem Benehmen fast normal, nach 4 Stunden zeigt sie starke Freßlust. Die Sektion von mit Cholin behandelten Katzen, die zu diesem Zwecke getötet wurden, ergab das Fehlen von irgendwelchen makroskopisch wahrnehmbaren pathologisch-anatomischen Veränderungen an der Magen- und Darmschleimhaut. Hypersekretion wurde nicht bemerkt. Der Darminhalt war in den verschiedenen Darmabschnitten von der für diese einzelnen Bezirke charakteristischen Konsistenz. Von irgendwel- chen den Magen-Darmkanal schädigenden Wirkungen der Cholinein- spritzung in den genannten Dosen bei den Katzen kann also nicht ge- sprochen werden. Auch während der intravenösen Einspritzung waren keine nachteiligen Wirkungen an den Tieren zu bemerken. Es erhebt sich nun die Frage, wie die Wirkung der Cholin-Einsprit- zung auf den chloroformgelähmten Darm zu deuten ist. Zu diesem Zweck untersuchten wir den Gehalt des Darmes narkotisierter Katzen an Cholin. Die Tiere wurden genau wie die der Serie II behandelt, am Ende der 2stündigen Chloroformnarkose aber getötet und ein Biodialysat des Dünndarmes hergestellt: der gesamte Katzendünndarm wurde nach seiner sorgfältigen inneren und äußeren Reinigung mit Tyrodelösung l Stunde bei 35° C in 50 ccm aq. dest. gehängt. Dem Wasser waren 10 Tropfen Chloroform zugesetzt, um den Darm noch dauernd unter Chloroformwirkung zu halten. Die Innenseite des Darmes kam mit der Außenflüssigkeit nicht in Berührung, da beide Enden gut abgebunden waren und nicht mit in das destillierte Wasser eintauchten. Das Dia- Iysat wurde dann auf dem Wasserbade zur Trockne eingedampft, in 10 ccm absolutem Alkohol aufgenommen, filtriert und das alkoholische 106 M. v. Kühlewein: Filtrat wieder zur Trockne eingedampft. Der hellbraune Rückstand wurde dann in 2 ccm Tyrode gelöst. Dieses Dialysat von dem Darm einer 2 Stunden mit Chloroform narkotisierten Katze ließen wir auf eine überlebende, isolierte Darm- 1/, Dialys. 1/, Dialys. B B, 1/3090 Dialys. acetyl. 1/00 Dialys. acetyl. C C, 1/,000 Dialys. acetyl. 1/3900 Dialys. acetyl. Abb. 6. Wirkung der Darmdialysate auf isolierte, überlebende Kaninchendarmschlingen. Zusatz von Dialysat. entspre- Zusatz von acetyliertem Dia- Zusatz von acetyliertem Dia- chend !/, Katzendünndarm. lysat, entsprechend !/s9 Kat- lysat, entsprechend !/zooo Kat- zendünndarm. zendünndarms. A Von Narkosedarm. B Von Narkosedarm. C Von Narkosedarm. A, Normaldarm. B, .„ Normaldarm. C, „ Normaldarm. schlinge eines Kaninchens einwirken. Zur Kontrolle stellten wir auch das Dialysat eines normalen, nicht narkotisierten Katzendarmes her in genau der gleichen Weise, wie bei dem ersten Dialysat beschrieben. Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. 107 Das Dialysat eines normalen Katzendarmes bezeichnen wir im folgenden als ‚Normal-“, das eines narkotisierten Katzendarmes als ‚„Narkose- dialysat‘“. Es stellte sich heraus (Abb. 6), daß das ‚„Narkosedialysat‘“ in der gleichen Weise wirkt (Kurve A), sowohl qualitativ wie quantitativ, wie (das „Normaldialysat‘ (Kurve A,), jedesmal also stark erregend. Zur Identifizierung als Cholin wurden dann die Dialysate mit Essigsäure- anhydrid zur Trockne eingedampft, um so das vorhandene Cholin zu ‚acetylieren. Auch hier zeigte sich, ob wir nun vom Narkose- oder vom Normaldarm ausgingen, die gleiche sehr starke Wirkungssteigerung ‚des Acetylcholins. Sowohl das acetylierte Narkose- wie das acetylierte Normaldialysat riefen noch bei Mengen, die nur einem Zweihundertstel (B und B,), ja auch einem Zweitausendstel (C und C,) des Gesamtdünn- .darms entsprachen, deutliche Erregung hervor. Aus diesen Versuchen erhellt, daß durch die Chloroformnarkose nicht etwa ein Cholinverlust in der Darmwand eintritt, und daß die günstige Wirkung des Cholins nicht auf Ersatz von verloren gegangenem Cholin der Darmwand zurückzuführen ist. Wir müssen vielmehr an- nehmen, daß der Auerbachsche Plexus durch die Nachwirkung der Nar- kose in einen Zustand verminderter Erregbarkeit auch gegenüber dem Cholin gerät, und daß daher eine größere Cholinmenge, als normaliter im Darm vorhanden ist, benötigt wird, um ihn in Erregung zu versetzen, ebenso wie in der Morphinnarkose eine höhere Kohlensäure-Konzen- tration des Blutes bestehen muß, um das Atemzentrum zu erregen. Zusammenfassung. l. Eine 2stündige tiefe Chloroformnarkose ruft bei der Katze eine Lähmung der Magen-Darmbewegung mit allen für die postnarkotische Magen-Darmlähmung des Menschen charakteristischen Erscheinungen hervor, welche 2 Stunden lang vollständig ist und sich im ganzen über 20 Stunden lang bemerkbar macht. 2. Intravenöse Einspritzung von 0,005—0,015 g pro kg Cholin-HCl wirkt bei der Katze heilend auf diese Lähmung und die hierdurch be- dingten Folgeerscheinungen und hat auch einen günstigen Einfluß auf das Allgemeinbefinden. In der Mehrzahl der Fälle macht sich auch ein deutlich erregender Einfluß auf die durch Chloroformnarkose bis zum folgenden Tage stillgestellten Diekdarmbewegungen geltend, so daß 1—2malige Kotentleerung eriolst. 3. Die verwendeten Cholindosen haben bei der Katze nach langsamer intravenöser Einspritzung keinen schädlichen Einfluß. 4. Der Cholingehalt des Katzendünndarms wird durch die Chloro- formnarkose nicht vermindert. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. Von Dr. med. Friedrich Bilski. (Aus dem Zoologischen Institut München.) (Eingegangen am 3. Juni 1921.) Die Frage, ob und bis zu welchem Grade das Nervensystem formative Reize entsendet bzw. bei der formalen Genese und Regeneration be- teiligt ist, wurde vielfach ohne Entscheidung diskutiert und experimen- tell bearbeitet. Es soll darauf hier nicht näher eingegangen werden, nur so viel sei gesagt, daß die Ausschaltung des Nervensystems auf mechanischem, operativem Wege, wie es bei den verschiedenartigsten Tieren getan wurde, immer wird beanstandet werden können, da man nie mit Sicherheit sagen kann, wieweit der gesamte nervöse Apparat alteriert bzw. ausgeschaltet wurde. Auf einem anderen Wege erschien es aussichtsreich, das Nervensystem in bestimmter Weise und elektiv zu beeinflussen und dann die Regeneration zu untersuchen, nämlich durch Vergiftung mit den spezifischen Nervengiften. Von diesem Gesichtspunkte aus wurden im Sommer 1919 und 1920 eine ganze Reihe von Versuchen über den Einfluß verschiedener, pharmakologisch wirk- samer Substanzen (Atropin, Pilocarpin, Strychnin, Nikotin usw.) auf die Regeneration des Kaulquappenschwanzes angestellt. Die Versuche konnten nicht abgeschlossen werden. Mit Sicherheit wurde bisher eine Hemmung der Regeneration durch Alkohol festgestellt, was aber nicht durch die Wirkung auf das Nervensystem, sondern durch direkte Alteration des regenerierenden Gewebes erklärt werden kann. Bei diesen Ver- suchen wurde ferner Suprarenin angewandt. Da zeigte sich nun in auffallender Weise, daß zwar die Regeneration durch diese Substanz nicht besonders beeinflußt wurde, daß dagegen die Sterblichkeit bei den Suprareninlarven deutlich herabgesetzt und ihr Wachstum erheblich beschleunigt war. Auffallend war weiter, daß eine alte, braungewordene, also nicht mehr vasokonstriktorisch wirksame Lösung diese Wachstums- beschleunigung noch verursachte. In ausgedehnten Versuchsreihen wurde nun dieser Wirkung des Suprarenins nachgegangen, wobei sich allerdings zeigte, daß sie nicht immer so regelmäßig auftrat, wie es im Anfang schien. Immerhin sind manche Befunde so deutlich, daß ihre Bekanntgabe gerechtfertigt erscheint. F. Bilski: Über den Einfluß des Suprarenins usw. 109 Experimenteller Teil. Über die Technik der Versuche ist im allgemeinen folgendes zu sagen: Gebraucht wurden Kaulquappen von Bufo vulgaris und hauptsächlich von Rana esculenta. Letztere waren sämtlich im Institut ausgeschlüpft, erstere im Freien gefangen worden. Die einzelnen Zuchten wurden jeweils in gleichgroßen Zylindergefäßen gehalten. Für Sauerstoffzufuhr sorgten Wasserpflanzen. Durchlüftung wurde nicht angewandt. Ge- füttert wurde zum Teil nur mit Salat, zum größten Teil mit Salat und gehacktem, gekochtem Muschelfleisch. Wasserwechsel erfolgte im all- gemeinen alle 2—3 Tage. Von Zeit zu Zeit wurde das Wachstum durch die Gewichtszunahme, zum Teil auch durch Längenmessung bestimmt. In bezug auf die Technik der Gewichtsfeststellung sei auf eine andere Arbeit verwiesen!). Verluste einzelner Larven konnten nicht vermieden werden. Gewöhnlich wurde streng darauf geachtet, die gleiche Anzahl von Larven in den zu vergleichenden Zuchten aufrecht zu erhalten im Hinblick auf die Tatsache, daß besonders bei kleiner Zahl von Tieren in einer Zucht ein Ausfall von wenigen schon einen erheblichen Einfluß auf das Wachstum hat!). In den Regenerationsversuchen wurde der Schwanz in der Mitte ungefähr mit einem Scherenschlag durchtrennt. Die Larven wurden danach 24 Stunden in kühlem, klaremWasser gehalten, bevor sie zum Versuch gebraucht wurden. Suprarenin wurde in Tropfen der 1°/,, Originallösung von Höchst?) in verschiedenen Zuchten mit verschiedenen Mengen hinzugefügt. Im Hauptversuch mußte die Suprareninlösung selbst hergestellt werden. Es sind besondere Vorsichtsmaßregeln dazu notwendig, da das Supra- renin sehr empfindlich ist. Herr Oberapotheker Dr. Rapp vom Kran- kenhaus 1. d. Isar hatte die Freundlichkeit, sie nach der Vorschrift der Höchster Farbwerke zu bereiten. Es sei ihm auch an dieser Stelle Dank dafür gesagt. Gewöhnlich färbt sich schon am 2. Tage die Kultur- flüssigkeit rötlich, am 3. Tage war die Rötung schon intensiv, um dann abzublassen, am 5. Tage war sie bereits fast farblos. Bekanntlich wird das Suprarenin sehr leicht in Gegenwart von Spuren von Alkalien oxydiert. Es wird weiter unten darauf zurückzukommen sein. Zunächst seien einige Versuche angeführt, die über die Giftigkeit des Suprarenins für Kaulquappen orientieren. l. In einer Lösung von 10 Tropfen Suprarenin — unter Suprarenin ist hier wie im folgenden stets die 1°/,, Lösung verstanden — auf 5 ccm 1) F. Bilski, Über den Einfluß des Lebensraumes auf das Wachstum der Kaulquappen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 188, 254. 1921. ®) Die Höchster Farbwerke haben mir in entgegenkommender Weise die nötigen Mengen Suprarenin zur Verfügung gestellt. Es handelte sich durchweg um das /-Suprarenin. synthetic. Auch an dieser Stelle sei dafür mein Dank aus- gesprochen. 110 F. Bilski: Wasser sind 17 Tage alte Larven von Rana esculenta (5 mm Rumpf- länge) nach 3 Minuten bewegungslos, erholen sich aber nach 15 Minuten in reinem Wasser wieder vollständig. 2. Eben ausgeschlüpfte Larven von Rana esculenta zeigen dasselbe Verhalten. 3. Je 2 Larven von Rana esculenta werden in 5 ccm Wasser mit a) 1 Tropfen, b) 5 Tropfen, c) 10 Tropfen, d) 20 Tropfen Suprarenin gebracht. Nach 3 Minuten ist in a) noch Bewegung auf Reiz, in b), c) und d) nicht mehr auszulösen. Nach 20 Minuten zeigen die Kaulquappen in d) 64, in c) 76, in b) 84, in a) ? Herzschläge in der Minute. 4. Kaulquappen von Rana temporaria verhalten sich ebenso gegen- über Suprarenin. Aus diesen Versuchen sieht man, daß Suprarenin in einer Verdünnung von 1 :100 Bewegungslosigkeit der Kaulquappen verursacht, daß sie sich bald davon in reinem Wasser erholen, und daß eine Beeinflussung der Herztätigkeit in Sinne einer verminderten Frequenz eintritt. Letz- teres entspricht dem Befunde von Gatin-Grucewska und Maciagt), die am isolierten Froschherzen durch Suprarenin Vergrößerung der Systole und Verlangsamung des Rhythmus erhielten. Daß Larven von verschiedener Entwicklungsstufe sich einem Gift gegenüber gleich ver- halten, wie es bei Suprarenin zu sein scheint, ist nicht ohne weiteres als selbstverständlich anzunehmen. Bei Strychnin z. B. konnten wir eine deutliche Grenze der Entwicklungsstufe feststellen, von wo ab erst die Larven bei einer bestimmten Konzentration mit den eigentümlichen Krampferscheinungen reagieren. Auch bei anderen Giften scheint eine Entwicklung in der Empfindlichkeit vorzukommen. Die Versuche sind darüber nicht abgeschlossen worden. Erwähnt sei, daß nach Romeis?) die bekannte Thyreoidinwirkung bei Kaulquappen auch erst auf einem bestimmten Stadium, nämlich bei Rückbildung der äußeren Kiemen auftrat. In weiteren Versuchen sollte gefunden werden, ob Suprarenin in der ersten Entwicklungszeit bereits wirksam ist. 5. Ein Pärchen von Rana temporaria, das seit 2 Tagen in Copula ist, wird getrennt und die künstliche Befruchtung eingeleitet. 4 Portionen Laich auf 4 Schalen verteilt werden mit dem Sperma desselben Männ- chen befruchtet. !/, Stunde danach wird in jede Schale 200 cccm Flüssig- keit gegeben und zwar in a) reines Wasser, in b) Wasser mit !/, ccm Suprarenin, c) Wasser mit ?/, ccm Suprarenin, d) Wasser mit 2 ccm Suprarenin. Nach 11 Tagen sind in allen 4 Zuchten die Larven, gleich- weit entwickelt, ausgeschlüpft. 1) Zit. in Biedl, Innere Sekretion. 2. Aufl. Bd. I, S. 469. ?) B. Romeis, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung innersekre- torischer Organe. V. Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 6, 233. 1918. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 111 Die Suprareninlösung war inzwischen rot und wieder hell geworden. Nach 16 Tagen werden gezählt: in a) 136 Larven und 24 abortierte Eier, in b) 112 Larven und ca. 10 Eier, in c) 136 Larven und 12 Eier, in d) 134 Larven und 15 Eier. Also keine erheblichen Verschiedenheiten im Befruchtungserfolg unter Suprareninwirkung! Dagegen sind die Larven in b) entschieden kräftiger, haben keine äußeren Kiemen mehr im Gegensatz zu a), welche noch große Büschel haben. In c) und d) sind die Larven auch weiter als in a), doch lange nicht so als in b). Es hat also offenbar hier schon eine Wirkung des Suprarenins eingesetzt, und zwar am stärksten in der verdünntesten Lösung, am wenigsten in ce). 6. Ein Parallelversuch zeigt ganz ähnliche Resultate. Douglas!) fand Hemmung der Bewegung der Spermatozoen und der Furchung der Eier durch Suprarenin. Die Originalarbeit, aus der ersichtlich wäre, mit was für Eiern er gearbeitet hat, ist leider nicht zu- gänglich. Es ist leicht möglich, daß die Gallerthülle der Froscheier in unseren Versuchen dem Suprarenin den Zutritt zu den Eiern verwehrt hat, so daß bis zum Ausschlüpfen keine Wirkung auch bei der relativ hohen Konzentration 1 : 100 festzustellen war. Es folgen nunmehr eine Anzahl Vorversuche, welche den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum und die Regeneration zeigen sollen. 7. 3Wochenalte Larven von Rana esculenta werden in 600 cem Wasser mit 20 Tropfen Suprarenin nach Resektion des Schwanzes gebracht. Nach 9 Tagen sind sie, trotzdem sie in gleichgroßen Zuchtgefäßen zahlreicher als die Kontrollarven waren, größer als diese. Im Regenerat kein großer Unterschied! Die Sterblichkeit ist geringer als in der normalen Zucht. 8. 6 Larven von Rana esculenta (Rumpflänge 9 mm) kommen in 500 cem Wasser mit 20 Tropfen Suprarenin. Die Larven zeigen nur geringe Sterblichkeit (1 Larve gegen 3 der Kontrollzucht).. Gewichts- zunahme beträgt in den ersten 10 Tagen bei den Suprareninlarven 50%, bei den normalen 40%, nach weiteren 4 Tagen 8!/,%, bei dem normalen Gewichtsverlust um 19%! Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Suprareninlarven zu 5, die Kontrollarven nur zu 3 in gleich großen Gefäßen waren, letztere also hätten größer sein müssen. 9. Eine Zuchtserie von Herrn Geheimrat R. Hertwig zeigte neben normal entwickelten Larven eine Anzahl Kümmerformen. Deren Wachstum war durch Suprarenin nicht zu beeinflussen. 10. Von Bufo vulgaris je 8 Larven in 500 ccm Wasser mit 30 Tropfen Suprarenin. Der Schwanz wird zur Hälfte reseciert. Nach 17 Tagen leben von der Kontrollzucht nur 2, von der Suprareninzucht alle! Auch hier also wie in den vorhergehenden Versuchen größere Widerstands- kraft der Suprarenintiere! Gewichtszunahme der Normallarven trotz der geringen Zahl nur 35,6% gegen 93,4% der Suprareninlarven. 1) Zit. in Biedl, Innere Sekretion. 2. Aufl., Bd. I, S. 611. 112 F. Bilski: ll. 6 Larven von Rana esculenta in 1000 ccm Flüssigkeit. a) Kon- trolle, reines Wasser, b) mit 5 ccm Suprarenin, c) mit 10 ccm Supra- renin. In c) sterben 4 Larven bald ab. Anscheinend war zu viel Supra- renin hier angewandt, daher scheidet ce) aus, und in b) wird nach 10 Tagen nur 3 ccm Suprarenin gegeben. Nach den ersten 10 Tagen Zunahme in der Kontrollzucht um 15,4%, in a) um 43,3%. Nach weiteren 9 Tagen Zunahme der Kontrollarven um 44,4%, der Suprareninlarven um 46,9%. Gesamtzunahme während der Beobachtungszeit bei den Suprarenin- larven um 111,4%, den Kontrollarven um 67,0%. Tabelle I. Gewichtszahlen der Larven in g und Rumpflänge in mm zu Versuch 11. | en ware | b) Alien Dat. | 31. VIIL. 10. IX. 19. IX. 31. VII 10. IX. 19. IX. | Gewicht BunD Ge- Gewicht Rumpf; Gewicht Rumpf. E85 Gewicht Bump! länge | wicht länge | länge | wicht länge 0,347 | 13,5 | 0,4221 0,663 | 17 || 0,315 [13,3 0,470 | 0,717 | 17,5 | 0,325 | 12,5 | 0,374 | 0,539 | 16 || 0,294 13 0,459 | 0,688 | 17,3 0,310 | 13 0,367 | 0,517 | 15,3 ı 0,294 12,5 10,419 | 0,633 | 17 0,303 | 12,5 [0,345 | 0,497 | 15,5 | 0,255 |12 0,359 | 0,575 | 16 0,285 | 12 0,317 | 0,453 | 15 || 0,247 |12 0,350 | 0,502 | 15,5 0,268 | 12 0,297 | 0,396 | 15 | 0,245 |12,5 0,316 | 0.373 | 13.5 S 1,838 — [2,122 | 3,065 | — 1,650 — 12,373 | 3,488 | D || 0,306 | 12,6 |0,354 | 0,511 , 15,6 || 0,275 |12,5 |0,396 | 0,581 | 16 S bedeutet die Gewichtssumme aller Larven, D das Durchschnittsgewicht. 12. In je 500 cem Flüssigkeit kommen je 4 Larven von Rana escu- lenta; davon hat die größte gegliederte hintere Extremitäten. Bei allen wurde der Schwanz amputiert, bei den Larven mit Gliedmaßen auch diese dicht unter dem Kniegelenk. a) Kontrollzucht in reinem Wasser, b) mit 15 Tropfen, c) mit 30 Tropfen Suprarenin. Wasser- wechsel jeden 2.—3. Tag. Trotzdem die größte Kontrollarve ursprüng- lich weiter entwickelt war als die entsprechenden Suprarenintiere, meta- morphorierten letztere viel eher. Für die ausscheidenden Larven wurde sofort Ersatz geschaffen, um die gleiche Zahl überall zu wahren. Es starb keine Larve. Die älteren Larven sind wohl im allgemeinen resi- stenter als die jüngeren, wie sie in den vorangegangenen Versuchen gebraucht wurden. Die Regeneration zeigte bei den Suprareninlarven keine deutlichen Unterschiede im Vergleich zu den normalen. Insbeson- dere konnte hier wie dort keine Regeneration an den Beinen festgestellt werden entsprechend den Barfurthschen!) Versuchen. Da die Larven in der Metamorphose abnehmen, werden in der prozentualen Gewichts- !) D. Barfurth, Sind die Extremitäten des Frosches regenerationsfähig ? Arch. f. Entwickelungsmech. d. Organismen 1. 1894. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 113 zunahme nur die 3 Larven berücksichtigt, die bis zum Abschluß des Versuches noch nicht in Metamorphose waren. Tabelle II. Gewichtszahlen der Larven in g zu Versuch 12. a) Kontrollzucht Dat. |11.IX.|21.IX.|28.IX.| 5.X. c) mit 30 Tropfen Suprarenin | b) mit 15 Tropfen Suprarenin 11.1X. | 21.1X. 28T IDEE 11.1x. |21.1x. 28.IX.| 5. X. | I | 1,081|1,027|1,255|1,314|1,253 1,210|1,248 0,879]1,597 | 0,965 | 0,960 | 0,982 ‚0,450 | 0,491 0,717 \0,797|0,416 0,570 0,661 0,731[0,336 | 0,435 | 0,567 | 0,670 0,239 | 0,277 | 0,378 10,471[0,363 0,452 | 0,501 | 0,530|0,326 | 0,369 | 0,443 | 0,593 0,232 0,237 0,361 0,453[0,175 0,226 0,245 0,356]0,153 | 0,246 10,335 0,516 0,921 1,005 | 1,456. 1,721[0,954 | 1,248 | 1,407 | 1,617[0,815 1,050 | 1,345 | 1,7 0,307 | 0,335 | 0,485 , 0,574|0,318 | 0,416 | 0,469 0,539[0,272 0,350 | 0,448 | 0,570 — Summe der Gewichte mit Ausnahme der ersten Kaulquappe. D = Durchschnittsgewicht daraus. Tabelle III. Prozentuale Gewichtszunahme der Larven von einem Wägetermin zum anderen von Versuch 12. Dat. | a) | b) | c) = 11.1X.21.1X.| 9,1% 20,4%, | 26, ML DIEB | 44,7% | 13,8% | | 280 288 PR Ra | 18.194 1416194 1.32, % /o 4% Daraus ist zu ersehen, daß in der ersten Wägeperiode die Suprarenin- larven eine 2—3fache Gewichtszunahme erfahren wie die Kontrolle, daß aber schon in der nächsten die Suprareninlarven bedeutend hinter den Normallarven zurückbleiben. 13. Je 5 Larven von Rana esculenta, die schon recht alt waren, kommen in je 500 ccm Wasser nach vorheriger Amputation des Schwan- zes und eines Teiles der hinteren Extremitäten, welche bei 2 Larven in jeder Zucht schon vorhanden waren. Es wurden außer der Kontroll- zucht a) angesetzt Zucht b) mit 7 Tropfen, c) mit 15 Tropfen und d) mit 60 Tropfen. In der Regeneration bestehen auch hier keine Unterschiede in den einzelnen Zuchten. Es sei auf die Wiedergabe der Gewichts- tabelle dieser Zucht verzichtet und nur die Tabelle des durchschnitt- lichen prozentualen Gewichtszuwachs aufgezeichnet: Tabelle IV. Prozentuale Gewichtszunahme der Larven von Versuch 13 von einem Wägetermin zum anderen. Dat. | a) | b) | e) | d) 91.1X. 28. 1X. | 7,5% — 3,1%, 5,2%] 1,1% I DL I, 13:992 16,395 7.18:2941012,292 5. REINE 4,0% 6,9%) 13947 6,60% Pflügers Archiv f.d. ges. Physiol. Bd. 191. 8 114 F. Bilski: Der Gesamtzuwachs in der Beobachtungszeit beträgt für a) 9,5%, b) 19,8%, c) 23,3%, d) 31,5%. Trotzdem infolge der vorgerückten, kühlen Jahreszeit und des Alters der Larven der Zuwachs im allge- meinen nur gering war oder vielleicht gerade deshalb, ist eine deut- liche beschleunigende Wirkung durch das Suprarenin festzustellen, und zwar hier auch im Gesamtzuwachs. Diese Versuche zeigten im großen und ganzen, daß das Suprarenin auf die Vitalität der Kaulquappen einen Einfluß hat. Die Suprarenin- larven waren viel lebhafter, fraßen gieriger und wuchsen rascher, sowohl beim Wasserfrosch als auch bei der Kröte. Offenbar war dieser Einfluß auf das Wachstum bei jungen Larven besonders ausgeprägt, auch schien er dann stärker, wenn durch äußere Einflusse wie Kälte, geringen Lebens- raum eine allgemeine Verzögerung des Wachstums eintrat. Über die Einwirkung steigender Suprareninkonzentration konnte infolge der ge- ringen Zahl der diesbezüglichen Versuche keine sichere Angabe ge- macht werden, nur so viel war auffallend, daß steigende Konzentration durchaus nicht mit vermehrter Wirkung vereint ist. Bemerkenswert war weiter, daß anscheinend zersetztes Suprarenin die hier geschilderte wachstumsfördernde Eigenschaft noch besitzt. Aus diesen Beobach- tungen ergab sich eine Fülle von Fragen, die eine Wiederholung der Versuche auf breiterer Basis von bestimmten Gesichtspunkten aus ver- langten. Es war Rana temporaria in die Versuche miteinzubeziehen. Mehrere Parallelversuche mußten angestellt werden. Der Einfluß des Alters der Larven mußte genauer ermittelt werden, ebenso wie der Einfluß der anderen äußeren Bedingungen. Vor allem interessierte die Frage, ob Suprarenin, das ursprünglich vasokonstriktorisch wirksam, dessen Ge- fäßwirksamkeit aber durch chemischen Einfluß aufgehoben war, noch auf das Wachstum wirkte oder evt!. noch besser wirkte als das unver- änderte. Im Zusammenhang damit die mehr pharmakologische Frage- stellung, ob und wieweit chemisch verwandte Stoffe diese Wirkung haben usw. Die Frage, ob mehr Wasser, Stickstoff oder Salzansatz gefördert wird, interessierte erst in zweiter Linie, ebenso der Zusammenhang mit anderen Inkreten. Es ist klar, daß die experimentelle Untersuchung aller dieser Fragen erst allmählich in Angriff genommen werden konnte und erst einmal zur Orientierung über die wichtigsten vorgegangen wurde. 14. Je 4 Larven von Rana temporaria wurden kurz nach dem Aus- schlüpfen in Zylindergefäße mit 500 cem Inhalt gegeben, und zwar a) in reines Wasser, b) mit 5 Tropfen, ce) mit 15 Tropfen, d) mit 45 Trop- fen Supraren'n. Die übrigen Versuchsbedingungen waren hier wie in den folgenden Versuchen so, wie sie oben im allgemeinen angegeben wurden. Leider mußten aus äußeren Gründen diese und die nächsten 2 Versuche nach 10 Tagen abgebrochen werden, so daß nur 2 Wägungen stattfinden konnten. Das Ergebins war: Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. ala) Tabelle V. Gewichtszahlen der Larven in g für Versuch 14. EReINeSl Wasser b) 5 Tropfen 915 Tropfen d) 15 Tropfen Suprarenin Suprarenin Suprarenin CHaI Dat. 6. V. 16. V. 6.V. 16. V. 6.VE 16. V. 6.V. | GaVEe | 0,76 0,134 0,069 0,170 | 0,098 0,200 | 0,099 0,210 0,058 0,081 0,067 0,142 0,074 0,188 0,036 0,115 0,051 0,080 0,059 0,086 0,062 0,151 0,036 | 0,105 0,047 0,052 0,046 0,062 0,050 0,074 0,031 | 0,050 >S |) 0,232 | 0,347 0,284 | 0,613 | 0,202 | 0,480 D 0,058 0,087 0,050 | 0,120 Durchschnittliche prozentuale Zunahme der Larven in Versuch 14. Dat. 898 | b | e | d 6.V.—16.V. | 50,0%, | 91,7% | 115,5% | 120% 15. Dieselben Bedingungen wie bei 14, auch dieselbe Zucht. Tabelle VI. Gewichtszahlen der Larven in g für Versuch 15. d) 45 Tropfen Suprarenin c) 15 Tropfen Suprarenin b) 5 Tropfen a) Reines Wasser ß B Suprarenin Dat. | 5. V. 16. V. BAR ar 5.V. 16. va DaVAaR ER LOS Vz | u — — — un 0,098 0,190 | 0,073 0,170 | 0,099 0,185 | 0,085 0,225 | 0,071 0,168 | 0,070 0,155 ı 0,052 | 0,140 | 0,067 0,140 0,058 0,102 | 0,070 0,077 0,048 | 0,108 1 0,062 0,122 \ 0,040 0,031 0,090 | 0,048 0,075 S | 0,267 | 0,491 0,246 0,479 | 0,239 | 0,523 | 0,262 0,562 D | 0,067 0,123 | 0,062 0,120 | 0,060 | 0,131 0,066 0,141 Durchschnittliche prozentuale Zunahme der Larven in Versuch 15. Dat. | a | b | r | Bat 5. V.—16.V. | 83,6% | 93,6% | 118,3% | 113,6% 16° Dieselben Bedingungen wie bei 14, auch dieselbe Zucht. Tabelle VII. Gewichtszahlen der Larven in g für Versuch 16. a) Reines Wasser b) 5 Tropfen c) 15 Tropfen d) 45 Tropfen Suprarenin Suprarenin Suprarenin Dat. 5. V. 16:5V2 5, V. 16. V. 5.V. 16 V. 5. V. 16. V. | 0,112 0,166 | 0,060 0,161 0,044 0,130 | 0,059 0,173 0,045 0,072 ı 0,059 0,151 0,038 0,109 | 0,042 0,080 0,038 0,072 | 0,055 0,139 | 0,034 0,049 | 0,032 0,029 0,033 0,035 i 0,123 S 0,228 0,345 | 0,217 0,574 | 0,116 0,288 | 0,133 0,282 D || 0,057 0,086 | 0,054 0,144 | 0,039 0,096 | 0,044 0,094 116 F. Bilski: Durchschnittliche prozentuale Zunahme der Larven im Versuch 15. Rn Dat. | 2) u b) | Di ) 5 | RL) R 5. v6. V. | 51,4% | 163,3% | 143,7% | 112,3% | Wenn auch dieser Versuch infolge der ungleichen Anzahl der Larven in c) und d)nicht eindeutig ist, steht er doch in b) in guter Übereinstim- mung mit den vorhergehenden. 17. Je 8 Larven eines anderen Laichsatzes von Rana temporaria kommen in Zylindergläser mit 1000 cbem Inhalt, und zwar a) in reines Wasser, b) mit 10 Tropfen, ce) mit 30 Tropfen, d) mit 90 Tropfen Supra- renin. Das Konzentrationsverhältnis der Suprareninlösung war also dasselbe wie in den vorhergehenden Zuchten. Tabelle VIII. Gewichtszahlen der Larven in g für Versuch 17. a) Reines Wasser p) 10 Tropt. Suprar c) 30 Tropf. Suprar. d) 90 Tropf. Suprar. Datum aVe a LOVE | 26. V. | 7.V. | 19V. | 26.v. 19. V.:| 26. V; 7.v. | 19. v. | 26. v. 0,133) 0,156, 0,178] 0,180) 0,247 | 0 ar 148 | 0,275 0,268] 0,143| 0,285 | 0,336 0,1101 0,151| 0,164] 0,128| 0,191) 0,192} 0,089) 0,218| 0,227] 0,095 0,198 0,257 0,107 |0,138| 0,158] 0,115 0,180! 0,178] 0,085! 0,167 | 0,198] 0,094 | 0,192 | 0,241 0,092| 0,129) 0,111] 0,093 0,166 | 0,153] 0,082 0,148| 0,152] 0,085 0,146 | 0,191 0,090 0,104 | 0,082] 0,092| 0,116 | 0,1121 0,066 0,074| 0,070) 0,077 |0,129| 0,160 0,077 0,0771 0,0651 0,070| 0,098 0,087 | 0,059 0,072) — 10,075 0,125, 0,122 10,073 0,048: 0,046] 0,065 | 0,060 | 0,037 |0,043| 0,0431 — |0,066 0,106 0,100 0,063 | 0,048 0,066 0,069) 0,053 S 0,745) 0,851 0,804|0,743| 1,058) 0,992 D | 0,093| 0,106) 0,115] 0,106 0,151) 0,142 0,572 0,997 0,082, 0,142 0,915] 0,701 1,250) 1,460 0,183] 0,088 0,156, 0,183 Bei der relativ großen Zahl der Larven ist die Differenz um eine Larve nicht von sehr erheblichem Einfluß auf das Wachstum, wie in einer früheren Arbeit gezeigt wurdet). Dagegen bedarf das Durch- schnittsgewicht in c) am 26. V. einer Korrektur. Wenn diese nach der in der erwähnten Arbeit angegebenen Gleichung y=k. a ; x _—o wenn y das Gewicht, x die Anzahl der Larven und % eine Konstante vorstellt, berechnet wird, müßte das errechnete Durchschnittsgewicht statt 0,183 g vielmehr nur 0,132 g betragen. Durchschnittliche prozentuale Zunahme der Larven im Versuch 17. Datum ° | a) | b) | €) | d) en 14,0%/, 49,5%, | 173.29, | 77,3%, 19. V.— 26. V 8.50, 5.00 | 289%, | 173%, korrig. — 7,0%, Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. le Die letzten 4 Versuche konnten nur relativ kurze Zeit beobachtet werden. Es erschien dringend notwendig, die Wachstumsverhältnisse unter Suprareninwirkung über einen längeren Zeitraum hin zu verfolgen. Um die Fehlerquellen zu begrenzen, mußten mehr Larven pro Zucht angewandt werden als in den vorhergehenden Versuchen und Parallel- versuche mit demselben Laich und mit anderem angesetzt werden. Besonders wichtig erschien es, Suprareninlösungen zu prüfen, die so verändert waren, daß ihre Toxizität beeinträchtigt war. Es war an- zunehmen, daß dadurch auch die Gefäßwirkung modifiziert wurde. Es soll zunächst über die Herstellung solcher Lösungen berichtet werden. Versuch 18. Je 1 cbem Suparenin wird a) mit 0, b) mit 1, c) mit 2 d) mit 3, e) mit 4 Tropfen "/,„-Natronlauge versetzt. Man sieht alsbald Verfärbung der Lösungen in a), und zwar wird c) am dunkelsten; e) wird gleich gelblich ge- färbt. Auch durch rasches Neutralisieren läßt sich das Gelbwerden nicht mehr aufhalten. Durch Zusatz von Eisenschlorid entsteht in allen Lösungen von a) bis e) sofort Grünfärbung, die bald in Rotbraun übergeht, und zwar am ehesten in e), dann in d) und den anderen. Versuch 19. Je 10 ccm Suprarenin werden a) mit 5 Tropfen, b) mit 40 Tropfen "/jo-Natronlauge versetzt und 12 Stunden wird Luft durchperlen gelassen. Danach ist a) dunkelbraunrot, b) hellgelbbraun geworden. Nunmehr wird mit "/jo-Salz- säure neutralisiert und zu a) noch 70 Tropfen destilliertes Wasser hinzugefügt. Diese Lösungen werden später als Sa und Sp zu Wachstumsversuchen verwandt. Versuch 20. Die Lösung S wird auf die Giftigkeit für Kaulquappen wie in Versuch 3 geprüft. Die Tiere bleiben darin unverändert lebhaft beweglich bei einer Konzentration, in der unverändertes Suprarenin sofort Bewegungslosigkeit verursachte, also selbst bei der Konzentration d) in Versuch 3. Hierzu sei erwähnt, daß A. Marie!) angibt, daß oxydiertes Supra- renin auch für das Säugetier bedeutend an Giftigkeit verliere. Braun gewordenes Suprarenin sei lOmal weniger giftig für die Maus, als un- verändertes. Es betrage die tödliche Dosis des unveränderten Supra- renins 0,0002 g auf eine Maus von 15 g Gewicht. Nunmehr soll zum Hauptversuch übergegangen werden. Es wurden dazu 2 Parallelreihen mit 2 verschiedenen Laichsätzen angestellt, Reihe A und Reihe B. Jede Reihe gliederte sich in 2 Parallelversuche a, und a,, ferner einen Versuch b) mit der veränderten Suprareninlösung Sx und einen Versuch c) mit Sf, wie in Versuch 19 angegeben wurde. Die Ver- suchsbedingungen waren sonst überall die gleichen. In einigen Zuchten ging infolge Fäulnis der Nahrung eine größere Anzahl Larven nach der 3. Wägung ein, so daß sie von da ab nicht mehr gut mit den anderen verglichen werden konnten. Die besseren Wachstumsverhältnisse in c), in Reihe A wie B, auch bei den Kontrollarven ist wohl dadurch zu erklären, daß diese Zuchten mehr in der Nähe des Fensters dem Lichte zugewandt standen, wodurch hier bessere Sauerstoffversorgung bewirkt 1) A. Marie, Glandes surrenales et Toxiinfections. Zeitschr. f. Immunitäts- forsch. u. exp. Therap., Orig. 1%. 1913. 115 F. Bilski: wurde. Es werden im folgenden, um Platz zu sparen, nur die Durch- schnittsgewichte angegeben, zumal aus der detaillierten Gewichtsangabe nichts Pesonderes zu ersehen ist. Beginn des Hauptversuchs am 30. V. Versuch 21. Zuchtreihe Aa,. Je 20 Larven von Laichsatz A werden in 500 cem Flüssigkeit gebracht, und zwar a) in reines Wasser, b) mit 5, c) mit 15, d) mit 45 Tropfen Suprarenin. Flüssigkeitswechsel alle 3 Tage. Tabelle IX. Durchschnittliche prozentuale Gewichts- Durchschnittsgewichtszahlen der zunahme der Larven von Wägung zu Larven in g in Versuch 21. Wägung in Versuch 21. er a 30. V. 0,0205 | 0,0215 u - = 8. VI. 0.0276 | 0.0525 0.0342 0,0303 30. V.—8. VI. | 34,6 F 144,2 | 21,9 | 77,0 23. VI. | 0,0559 0.0961 0.0533 0,0724 ° 8.—23: VI. | 102,5 | 83,1 | 55,9 | 84,2 Versuch 22. (Zuchtserie Aa, Parallelversuch zu 21.) Tabelle X. Durchschnittliche prozentuale Gewichts- Durchschnittsgewichtszahlen der zunahme der Larven in Versuch 22 von Larven in g zu Versuch 22. Wägung zu Wägung. Datum | a) b) e) d) Datum | a) >) d) g) || /o /o /o /o 30, VI: |0,0202 0,0220 |0,0217| 0,0212 30. V.—8. VI. || 31,7| 48,6| 50,7| 70,3 8. VI 0.0260 0,0327 0,0327 | 0,0361 8. VL.—23. V1.|220,7[104,0, 72,2| 84,8 23. VI. |0,0853 0,0667 0,0563 0,0667 23. VIL.—4. VII. | 106,5/111,5| 74,2| 51,2 4. V11.0,1761[0,1411|0,0981| 0,1007 4. VIL.—21.VIL.| 95,6|227,8|228,2|253,5 21. V11.0,3445 | 0,4625 0,3220 | 0,3560 Versuch 23. (Zuchtserie Ab.) Dieselben Bedingungen wie in den beiden vorhergehenden Zuchten. Nur wird hier statt des Originalsuprarenins die Lösung S gebraucht. Tabelle XI. Durchschnittsgewichte der Larven Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in g in Versuch 23. in Versuch 23 von in Versuch 23 von Wägung zu Wägung. I Datum m a) | b) | e) | d) Datum m [8 1» | % | 2 30. V. 10,0255 10.0243 0,0238 0,0227 30. V. 10. VI. |0,0328|0,0546 [0,0340 0,0406 10. VL—23.VI. | 32,6 | 54,2] 61,5 | 74,9 23. VI. | 0,0710 Versuch 24. (Zuchtserie Ac.) Auch hier dieselben Bedingungen wie bei den anderen Zuchten. Jedoch statt des Originalsuprarenins die Lösung 8 pP. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 119 Tabelle XII. Durchschnittsgewichte der Larven ing Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in zu Versuch 24. Versuch 24 von Wägung zu Wägung. - == er Tanne Dat. a) b) c) d) Dat. 2 % g | d) 30. V. 0,0200 0,0187 0,0192 0,0192 30. V.—10. VI. = 121,5 | 178,1 | 125,0 | 91.2 10. VI. 0.0455 0.0520 0.0432 0.0367 10. VL—24. VI. \1022 149,4 | 85,4 1106 © 24. VI. | 0,0920 0,1297 |0,0801 0,0772 24. VL—5.VIL. |101,6| 56,1| 722 | 83,3 5. VII. | 0,1855 0,202510,137910,1415 5.23. VI. )133,72| 61,5 | 159,1 158,7 23. VII. | 0,4336 0,3595 0,3573 0,3660 Ganz analog zu den Versuchen 21—24 werden die folgenden 4 Ver- suche angestellt, nur daß in ihnen Larven eines anderen Laichsatzes benutzt wurden. Versuch 25 (Zuchtserie Ba,). Mit Originalsuprarenin. Tabelle XIII. Durchschnittsgewichte der Larven Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in g zu Versuch 25. in Versuch 25 von Wägung zu Wägung. — Datum a) b) | AR) Datum % ' 2 3 3 .® ı ———— — — 30. V. 0,0240 0,0230 |0,0234 0,0225 30: 7:1, VI 1 92,5 81,7] ei 54, 2 7. VI. |0,0462 0,0418 | 0,0278 | 0,0347 TE NAR Zur, VI. 131, 0 136, 8 87,8 | 67,1 22. VI. ‚0,1067 0,0990 0,0522 | 0,0580 Versuch 26 (Zuchtserie Ba,). Mit Originalsuprarenin (Parallelversuch zu 25). Tabelle XIV. Durchschnittsgewichte der Larven Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in g in Versuch 26. in Versuch 26 von Wägung zu Wägung. Datum a) bDmalssc)ee ld) Datum ie ) D ) 2 | g) | o /o || o 30. v. |0,0237 0,0233 |0,0225|0,0226 30.v.—ı.vı. |s2,7| 43| 13,3| 32,3 7. VI. |0,0433 0,0243 0,0256 0,0296 7.VI-22. VI. | — | 79,0) 99,2| 84,1 22. VI. | #33 0,0435 0,0509 0,0545 22. VI.4. VII. | — |192,2|156,8| 130,3 4. VII.) <32 |0,1271|0,1307 | 0,1255 4. VIIL.—21.VIl.| — |209,0|218,5| 232,0 21. VIL.| 3% [0,3927 |0,4163 | 0,4167 Versuch 27 (Zuchtserie Bb). Mit Lösung Sa. Tabelle XV. Durchschnittsgewichte der Larven Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in g zu Versuch 27. in Versuch 27 von Wägung zu Wägung. Datum | a) b) e) d) Datum IE) u | wi) [OS | ER/O 0 30. V. \0.0205 0,0209 0,0234 0,0225 30. V.—10. VI. | 53,7| 36,8| 32,9 75,1 10. VI. '0,0315 0,0286 0,0311 0,0419 10. VI.—24. VI. 168 ‚> 162,2 172,3| 114,1 24. VI. |0,0845 | 0,0750 |0,0847 0,0897 24. VI.—5. VII. |115,7 1163,3) 143,2 151,3 5. VI1.\0,1823 | 0,1975 | 0,2060 0,2254 5. VIL—23. VII. | 102,7 |108,1 133,9] 115,0 23. V11.0,3695 0,4110| 0,4818 0,4845 | 120 F. Bilski: Versuch 28 (Zuchtserie Be). Mit Lösung SP. Tabelle XVI. Durchschnittsgewichte der Larven Prozentuale Gewichtszunahme der Larven in g in Versuch 28. in Versuch 28 von Wägung zu Wägung. E l | | Datum | a) b) e) d) Datum I | Jan .d) | | % % % % 30. V. 0,0230 0,0233 |0,0221|0,0216 30. V.—10. VI. 1115,2|107,3 66,1) 107,4 10. VI. |0,0495 0,0483 [0,0367 0,0448 10. VI.—24. VI. |131,3 136,6, 84,5, 158,9 24. VI. |0,1145 0,1143 0,0677 0,1160 24. VI..—5. Vll. | 74,9 65,7/110,7 105,4 5. VII.| 0,2002 0,1894 0,1427 0,2383 5. VIL—23. VIL|138,4|138,4 194,3| 129,6 23. VIL.0,4772| 0,4515 |0,4200| 0,5472 Versucht man das Fazit aus dem Hauptversuch zu ziehen, so er- scheint das gerade hier schwieriger als bei den anderen Versuchen. Doch wird das Ergebnis klarer, wenn wir Reihe A und B gesondert betrachten. In den Versuchen jeder Reihe für sich läßt sich schon ein einheitliches Bild feststellen. In Reihe A erkennt man in allen Ver- suchen einschließlich der mit verändertem Suprarenin angestellten in der ersten Wiegeperiode eine Wachstumssteigerung durch die Supra- reninlösung. Und zwar macht sich diese fast überall am stärksten bei der schwächsten Konzentration, in Zucht b), geltend. Anders wird das Bild in der 2. Wägeperiode. Da bleiben in den Versuchen, wie man es auch schon in den vorhergehenden Versuchsreihen hat öfters sehen können, die Suprareninlarven zurück. Der Wachstumsreiz ist entweder erschöpft, oder die toxische Wirkung des unveränderten Suprarenins verursacht Hemmung. Vielleicht würde durch progressive Steigerung mit der Dosis ein anhaltender Reiz zu erreichen sein. Das herauszu- bekommen, muß weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Für den Einfluß der toxischen Wirkung spricht, daß beim entgifteten Suprarenin auch in der 2. Wägeperiode die Wachstumssteigerung anhält. Betrachtet man übrigens den Gesamtzuwachs, den im Durchschnitt die einzelnen Zuchten in der Beobachtungszeit aufzuweisen haben, so schneiden in Reihe A die Larven aus der schwach konzentrierten Suprareninlösung doch noch am besten ab. Tabelle XVII. Gesamtzuwachs der Larven in Prozenten in Reihe A. Versuch a) b) c) d) Ma NN 81794798 347,0% 167,8%, 214,99, Aa 2 1605.00 2002,0%, 1384,09, 1580,09, Aa 0 0 701697 246,59, 130,79, 212,80, AB. 22 2068.00% 1822,09, 1761,0%, 1806,0%, In Reihe B ist im allgemeinen eher eine Wachstumshemmung als Steigerung festzustellen. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 121 Tabelle XVIII. Gesamtzuwachs der Larven in Prozenten in Reihe B. Versuch a) b) c) d) Ba 21 344:695 330,4%, 123,1% 157,8%, Ba 158,5% . 175,0% 174,49, Bir 1704,09 1867,0%, 1959,0%, 2053,0% BI 001975:09% 1838,0%, 1800,09, 2433,0%, Aus den beiden letzten Tabellen sieht man, daß durch das ver- änderte Suprarenin Sa eine erheblich größere Wachstumsbeschleunigung erzielt wurde als durch das Originalsuprarenin, und daß in Reihe B, wo letzteres depressorisch wirkt, S& deutlich fördert, wenn auch lange nicht so wie in Reihe A. S 5 scheint bereits so stark verändert zu sein, daß es keine deutliche Wachstumswirkung mehr ausübt. Schön ist aus den Tabellen zu erkennen, daß sich in den Zuchtserien, wo überhaupt eine Suprareninwirkung festzustellen ist, also in Aa,—A & die gleichen Konzentrationen ungefähr den gleichen Effekt haben und daß ein Optimum bei der schwächsten Konzentration, bei b), liegt. Interessant ist, daß 2 verschiedene Laichsätze ganz verschieden auf Suprarenin reagieren können, wogegen in demselben Laich die Tiere die gleiche Reaktionsfähigkeit zeigen. Im allgemeinen scheint eine Wachs- tumshemmung selten zu erfolgen und die Förderung die Regel zu sein. Doch sind diese Verhältnisse an großem Material noch weiter zu unter- suchen. Theoretischer Teil. Bevor zur Analyse der Einwirkung des Suprarenins auf das Wachs- tum eingegangen wird, soll berichtet werden, welche Untersuchungen, die mit unserem Problem zusammenhängen, bekannt sind. Daß der Nebenniere im werdenden Organismus wohl eine besondere Aufgabe zukommt, geht aus ihren Größenverhältnissen im Laufe der Entwick- lung hervor. Nach Biedl!) übertrifft die Nebenniere in den ersten Fötalmonaten beträchtlich die Niere an Größe. Im 6. Monat ist sie halb so groß wie die Niere. Beim Neugeborenen ist das Verhältnis 1:3, beim Erwachsenen 1:28. Bei menschlichen Embryonen ist nach Lucien und Parisot?) das Verhältnis der Nebenniere zum Körper- gewicht im 3. Monat 1 : 238, im 4. Monat 1 : 144, im 5. Monat 1 : 236, im 6. Monat 1 : 278, beim Neugeborenen 1 : 750. Nun bedingt die Tat- sache der relativen Größe noch nicht den Umstand, daß relativ viel Adrenalin produziert wird, da das Mark, das für die Adrenalinbildung verantwortlich gemacht wird, in den ersten Monaten stark hinter der Masse der Rinde zurückbleibt. Bemerkenswert ist aber, daß das freie Adrenalsystem, die chromaffinen Körper, die größte Ausdehnung beim Ik ©; ?) M. Lucien u. J. Parisot, Glandes surrenales et organes chromaffines. Paris 1913. 122 F. Bilski: Embryo und beim Neugeborenen besitzt (Biedl). Direkte Unter- suchungen über den Einfluß der Nebenniere auf den Wachstumsprozeß liegen nur in geringer Zahl vor. F. de Mira!) hat einem Hunde eine Nebenniere entfernt. Vor der Operation war dieses Tier um 50 g schwerer als die Kontrolle. Nach 14 Tagen wog das Kontrolltier nur 350 g weniger. Nach 5 Monaten betrug die Differenz 2,45 kg. Beide Tiere waren gleich lebhaft. Das operierte Tier hatte grazileren Knochenbau. Ähnliche Resultate will er bei jungen Katzen erhalten haben. Mirz?) hat derartige Versuche ebenfalls an Hunden (6 Tiere) angestellt. Er hat auch gesehen, daß die operierten Tiere beträchtlich im Gewicht gegenüber den Kontrollen zurückgeblieben sind. Verände- rungen in der Farbe des Felles fielen auf. Nachdem Gudernatsch?) gezeigt hatte, wie die Verfütterung innersekretorischer Organe einen erheblichen Einfluß auf das Wachstum und die Entwicklung von Kaul- quappen hat, wurde von zahlreichen Forschern in dieser Richtung weiter- gearbeitet. Gudernatsch selbst gibt kein Ergebnis über die Ver- fütterung von Nebennieren an. \ Abderhalden?) hat Kaulquappen mit Nebennieren gefüttert, auch mit solchen, die abgebaut waren. Außer größerer Lebhaftigkeit und Vor- kommen vieler kleiner Tiere konnte er nichts Auffälliges bemerken. Wachs- tumsversuche durch Fütterung mit Adrenalin bzw. dem synthetischen Suprarenin sind noch nicht gemacht worden. Doch ist an dieser Stelle ein interessanter Befund zu erwähnen. Stöltzner°) hat, von der Vor- stellung ausgehend, daß die Rhachitis ihre Ursache in einer Dysfunktion der Nebennieren habe, rhachitischen Säuglingen Suprarenin in sehr kleinen Mengen per os zugeführt. Er hat überraschende Erfolge gesehen, besonders was den Allgemeinzustand anlangte. Diese Befunde sind angezweifelt worden, und es erscheint auch auf den ersten Blick un- wahrscheinlich, daß derart kleine Dosen, wie er sie angewandt hat, und noch dazu in innerer Verabreichung, wirksam sein sollten. Man weiß ja nach mehreren Untersuchungen, es seien die von Falta und Isovic®) erwähnt, daß Suprarenin in größeren Mengen vom Darmkanal aus keine !) F. de Mira, De l’influence des glandes surr&nales sur la croissance. Cpt. rend. hebdom. des seances de l’acad. des sciences %3, 377. 1912. ®) F. Mirz, Über den Einfluß der Nebennieren auf das Wachstum (portug.). Ref. im Zentralbl. f. inn. Med. 8. ®) J. F. Gudernatsch, Feecding experiments on tadpoles. Arch. f. Ent- wickelungsmech. d. Organismen 35, 456. 1913. *) E. Abderhalden, Weitere Studien über die von einzelnen Organen hervor- gebrachten Substanzen mit spezifischer Wirkung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 176, 236. 1919. °) W. Stölzner, Nebennieren und Rhachitis. Med. Klin. 1908. 6) W. Falta u. L. Iscovic, Über die Wirkungsweise des Adrenalins bei ver- schiedener Applikation und das Auftreten desselben im Harn. Wien. klin. Wo- chenschr. 1909, S. 1780. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 123 Sympathicuswirkungen entfaltet. In unseren Versuchen nun haben wir gesehen, daß gerade sehr kleine Dosen von Suprarenin am wirksamsten sind und daß auch das veränderte Suprarenin noch stimulierend wirkte. Danach wären die Stöltznerschen Befunde nicht ohne weiteres als Irrtum von der Hand zu weisen. Wo setzt nun die wachstumsfördernde Wirkung des Suprarenins ein ? Entsprechen unsere Befunde der Vorstellung, die man sich bis jetzt auf Grund der Beobachtungen und Experimente am Mensch und Tier unter normalen und pathologischen Verhältnissen vom Adrenalineinfluß gemacht hat? Das Adrenalin, diese merkwürdige, chemisch ziemlich einfach gebaute Substanz, hat in so geringen Konzentrationen eine so vielgestaltige Wirksamkeit auf fast alle Organe des Körpers, daß es nicht verwunderlich erscheint, wenn es auch das Wachstum beeinflußt. Aber mit dieser Feststellung kann man sich nicht begnügen. Es erscheint geboten, die mannigfaltige Adrenalinwirkung zu analysieren und unter gemeinsamen Gesichtspunkten zu ordnen. Das ist zum Teil auch schon geschehen. Die Einwirkung auf das Herzgefäßsystem, den Darm, Uterus, die Drüsen, die Adrenalinglykosurie und viele andere Befunde lassen sich unter der einheitlichen Vorstellung zusammenfassen, dab das Adrenalin eine spezifische Einwirkung auf den Sympathicus ausübt. Man könnte glauben, daß das vegetative Nervensystem auch einen Ein- fluß auf das Wachstum hat, wenn auch nur auf indirektem Wege. Die Steigerung der Herzaktion, die Förderung sämtlicher Organe könnte ein Zunahme des Stoffwechsels und Ansatzes zur Folge haben. Nun konnte aber von uns gezeigt werden, daß die Wachstumsförderung erhalten blieb, wenn die sympathicotonische Komponente des Suprarenins durch Oxydation zerstört wurde. Direkt letzteres nachzuweisen, bestand keine Gelegenheit. Doch ist es hinreichend bekannt, wie leicht die Gefäß- wirkung der Suprareninlösungen in Gegenwart von Sauerstoff und Alkali aufgehoben wird. Embden und v. Fürth!) haben das zuerst festge- stellt. O’Connor?) fand, daß Adrenalin in Ringerlösung bei Durch- leiten von Sauerstoff nach 2 Stunden unwirksam wird, sowohl im Froschpräparat als auch auf den Uterus. In letzter Zeit haben Groer und Matula°®) nachgewiesen, daß Suprarenin durch Stehen in alkalischer Lösung an der Luft mit eintretender Verfärbung seine Wirkung auf den Sympathicus verliert. Eine Stütze für unsere Anschauung, daß der Angriffspunkt des Suprarenins bei seiner wachstumsfördernden Wirkung nicht im Sym- !) Embden u. v. Fürth, Über die Zerstörung des Suprarenins (Adrenalins) im Organismus. Hof. Beitr. 1904, S 421. 2) O’Connor, Über Adrenalinbestimmung im Blut. Münch. med. Wochenschr. 1911, S. 1439. ®) F.v. Groeru. J. Matula, Zur Kenntnis des Adrenalins.. Biochem. Zeitschr. 102, 13. 1920, 124 F. Bilski: pathicus zu liegen braucht, gibt die Tatsache, daß wir noch manche andere biologische Eigenschaft desselben außer der sympathicomimeti- schen kennen. Das Adrenalin wirkt direkt auf die Zelle. Bemerkenswert sind die Untersuchungen O. Löws!) an Pflanzenzellen. Er konnte zeigen, daß der Zellkern einer Algenart bestimmte Veränderungen unter Adre- nalinwirkung aufweist. Bekannt ist die Erkrankung der Arterien nach intravenöser Adrenalin- zufuhr, die Josu&?) entdeckt hat, und die vielfach bestätigt wurde. Auch nach längerer stomachaler Zuführung soll sie auftreten können, was besonders interessant ist, da nur verändertes Suprarenin dann dafür anzuschuldigen wäre. Leicht denkbar, daß auch bei intravenöser Zu- führung erst intermediäre Zerfallsprodukte des Suprarenins die deletäre Wirkung entfalten, hat doch schon O. Löw gesehen, daß die ersten Oxydationsprodukte des Suprarenins bedeutend toxischer wirkten als es selbst. Jedenfalls wird die Schädigung nicht durch die vermehrte mechanische Inanspruchnahme der Arterienwände infolge der Hyper- tension bewirkt, denn sie tritt auch auf, wenn man die verengernde Wir- kung des Suprarenins durch gefäßerweiternde Substanzen paralysiert?). Eine weitere direkte Zellbeeinflussung, die gerade im Zusammenhang mit unseren Untersuchungen interessiert, zeigen die Experimente Nowikoffs*), wonach Adrenalin die Teilungsrate von Paramäcien er- höht. Es sei noch auf sehr interessante Befunde betreffend die Einwir- kung von Adrenalin auf Bakterien und ihre Gifte hingewiesen. Nach Luckseh°) enthalten Nebennieren von Kaninchen nach Injektion von Tuberkulin und’ Typhustoxin keine blutdrucksteigernden Substanzen mehr. Groer und Hecht*) konnten in vitro zeigen, daß Diphtherietoxin und ein aus Kulturen von Diphtheriebazillen gewonnenes Nucleoproteid die vasokonstriktorische Wirkung des Suprarenins zerstört. Zusatz von !/\oo mg Adrenalin zu einer für eine Maus 50fach tödlichen Menge von Tetanustoxin entgiftet dieses nach A. Marie?) bei mehrstündigem Ver- weilen des Gemisches bei 37°. Denselben Effekt hatten r-, I- und rl-Adre- nalin und Dioxybenzyläthylamin. Durch Luftoxydation seiner spezi- 1) 0. Löw, Über die Natur der Giftwirkung des Suprarenins. Biochem. Zeitschr. 85, 295. 1918. ®) O. Josu&, Atherome experimentale par injections repetees d’adrenaline dans les veines. Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 55, 1374. 1903. 3) Literatur darüber siehe Biedl, Innere Sekretion. 4) Nowikoff, Der Einfluß von Schilddrüse und Adrenalin auf die Fort- pflanzungsfähigkeit der Amöben. Arch. f. Protistenk. 11. 1908. >) Fr. Lucksch, Über die Störung der Nebennierenfunktion bei Infektions- krankheiten. Berl. klin. Wochenschr. 1909, S. 1979. 6) F. v. Groer u. A. F. Hecht, Zur Kenntnis des Suprarenins. Biochem. Zeitschr. 102, 1. 1920. A) Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 125 fischen, d. h. sympathicomimetischen Eigenschaften beraubtes Adre- nalin behält seinen antitoxischen Einfluß. Das ist sehr bemerkenswert. Daraus könnte man schließen, daß vielleicht auch im ersten Falle, wo vor der Mischung mit dem Toxin keine Oxydation vorangegangen war, jedoch durch das mehrstündige Verweilen im Brutschrank in der sicher schwach alkalischen Toxinlösung eine Oxydation des Adrenalins verur- sacht wurde, nicht die ursprüngliche Lösung, sondern erst die Oxyda- tionsform die antitoxische Wirkung entfaltete. Gestützt wird diese Auffassung durch eine ebenfalls sehr interessante Untersuchung aus jüngster Zeit. Mader!) hat gefunden, daß Suprareninlösungen in Ver- bindung mit Silberkohle eine erhebliche bactericide Wirkung entfaltete. Dieser Autor nun betont ausdrücklich, daß diese die Keimabtötung befördernde Eigenschaft an die oxydierte Lösung gebunden ist. Die wasserhelle Stammlösung sei wirkungslos. Auch die fortgeschrittene rot- braune Oxydationsform habe keinen Einfluß mehr. Hier ist also ganz prägnant eine Eigenschaft des Suprarenins gefunden worden, die nur an einem ganz bestimmten Punkte des Umwandlungsprozesses des Suprarenins in sein stabiles Endprodukt vorkommt. Wir finden hier Be- ziehungen, wie wir sie oben, in der Besprechung des Hauptversuches, vermutet haben. Beim Einwirken von unverändertem Suprarenin auf den Wachstumsprozeß spielen 2 Momente eine Rolle, einmal die giftige, hemmende, sympathicotonische, zweitens die stimulierende Eigenschaft der ersten Oxydationsstufe des Suprarenins. Die Endform des oxy- dierten Suprarenins wiederum ist wirkungslos. Es sei nochmals eindringlich auf die Bedeutung der Zwischenstufen des Suprareninabbaus hingewiesen. Besonders wichtig wäre es, sie fest- zuhalten und chemisch genau zu definieren. Das ist aber recht schwierig. Jedenfalls wird man versuchen müssen, systematisch ihre chemischen und biologischen Eigenschaften zu studieren. Von den Farbreaktionen auf Suprarenin gibt nach Borberg?) allein die Eisenchloridreaktion charakteristische Unterschiede. Wenn man in vitro die Merkmale der verschiedenen Oxydationsstufen erforscht hat, die man ohne weiteres an den Farbnuancen erkennt, so wird das der Untersuchung des intermediären Adrenalinstoffwechsels im Körper förderlich sein. Die systematisch in dieser Richtung begonnenen Untersuchungen v. Gröers und seiner Mitarbeiter haben bereits äußerst interesssante Befunde ge- zeitigt. In einer Arbeit gemeinsam mit Matula?) konnte er zeigen, daß die Suprareninzerstörung, was die sympathicotonische Wirkung anbe- 1) A. Mader, Zur antibakteriellen Wirkung von Silber- Adrenalinverbindungen. Münch. med. Wochenschr. Nr. 11. 1921. ®) N. Chr. Borberg, Die inneren Sekrete des chromaffinen Gewebes. Kopen- hagen 1912, ref. in Zentralbl. f. inn. Med. 1, 589. SH) I 126 F. Bilski: trifft auf verschiedene, heterogene Art mit und ohne oxydative Ver- färbung des Suprarenins zustande kommen kann. Er selbst wirft die Frage auf, „ob das der blutdrucksteigernden und gefäßverengenden Wirkung beraubte Adrenalin nicht doch noch andere pharmakologische Funktionen (etwa auf den Darm) beibehält“. Vielleicht gibt da die wachstums- fördernde Eigenschaft neue Möglichkeiten. Zum Schluß sei ein Ausblick auf ein Gebiet erlaubt, das zwar noch sehr hypothetischer Natur, aber verlockend ist. Die Pigmentierung der Haut bei der Addisonschen Krankheit war eine der ersten Erscheinungen, welche einen engen Zusammenhang zwischen Nebenniere und Haut ver- muten ließ. Meirowskyt) hatte gefunden, daß ausgeschnittene Haut- stückchen in der Wärme nachdunkelten, Königstein?) fand beim epinephrektomierten Hunde eine vermehrte Pigmentbildung, die nach 2stündiger Suprarenin-Kochsalzinfusion nicht mehr so stark auftrat. Meirowsky fand weiter?), daß Hautextrakte keine Adrenalineigen- schaften, jedoch Pupillenerweiterung zeigten, im Gegensatz zu Winter- nitz*‘, der in einigen Fällen in Hautextrakten eine positive Eisen- chloridreaktion vorfand. Auf Grund seiner Befunde entwickelte Mei- rowsky folgende Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Haut und Nebenniere. Im Stoffwechsel der Haut bilden sich Stoffe, die in den Körper gelangen und von der Nebenniere zum Aufbau ihres spezifischen Produktes verwandt werden. Beim Ausfall der Nebennierenfunktion werden diese Substanzen durch eine in der Haut stets vorhandene Oxy- dase in Pigment umgewandelt. Eine ähnliche Ansicht vertritt J. Bloch mit dem prinzipiellen Unterschied, daß er die Muttersubstanz des Pig- ments nicht in der Haut selbst sich entstanden denkt. Diese Anschau- ungen sind neuerdings von Hendorffer?) kritisch geprüft worden, und dieser Autor kommt in Weiterentwicklung der Ansicht Meirowskys zu dem interessanten Schluß, daß die Pigmentbildung bei der Addison- schen Krankheit Ausdruck eines vermehrten Stoffwechsels der Haut sei, in dem die Haut kompensatorisch für die Nebenniere einzutreten versuche. Er erwähnt einen Fall von Addisonscher Krankheit, der durch Höhensonnenbestrahlung bedeutend gebessert worden sei. Mit dieser Hypothese wird die Haut als eine Art innersekretorisches Organ !) Meirowsky, Zur Kenntnis der Fermente der Haut. Zentralbl. fi. allg. Pathol. u. pathol. Anat. %04, 301. 1909. ®) H. Königstein, Über postmortale Pigmentbildung. Münch. med. Wochenschr. S. 2305. 1909. 3) Meirowsky, Über den Zusammenhang zwischen Hautorgan und Neben- nieren. Münch. med. Wochenschr. Nr. 19. 1911. *) Winternitz, Ein Beitrag zu Versuchen über postmortale Pigmentbildung. Arch. f. Dermatol. u. Syphilis, Orig. 10%. 1911. 5) K. Hendorffer, Über das Hautpigment und seine Beziehungen zur Addi- sonschen Krankheit. Münch. med. Wochenschr. 1921, S. 266. Über den Einfluß des Suprarenins auf das Wachstum der Kaulquappen. 127 angesehen. Die therapeutischen Erfolge, die durch Anreiz des Haut- stoffwechsels bei verschiedenen Krankheiten, besonders bei der Tuber- kulose erzielt worden sind, lassen vermuten, daß von der Tätigkeit der Haut stimulierende Stoffe ins Blut abgegeben werden, die nach den oben- erwähnten Untersuchungen dem Adrenalin nahestehen. Durch die Ergebnisse unserer Arbeit, wonach dem Adrenalin bzw. seinen Derivaten eine direkt stimulierende Wirkung auf die Zelle zuzu- weisen ist, gewinnt obige Vermutung an Wahrscheinlichkeit. Vielleicht kann von hier aus der Hebel einsetzen, um die vagen Vorstellungen, die man sich bisher von den so häufig mit Erfolg angewandten haut- reizenden Mitteln gemacht hat, durch konkrete Feststellungen zu er- setzen. Zusammenfassung. l. Suprarenin hat eine wachstumfördernde Wirkung auf Kaul- quappen. 2. Wesentlich dabei ist ein geringer Konzentrationsgrad der Lösung. 3. Auch Suprareninlösungen, die bis zu einem gewissen Grade durch Oxydation verändert sind, behalten die geschilderte Wirkung. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. Mitteilung. Milchsäurebildung und mechanische Arbeit. Von Otto Meyerhof. "(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Kiel.) Mit 17 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Juni 1921.) Inhalt: Kapitel I. Das anaerobe Ermüdungsmaximum (S. 130). Kapitel II. Der isometrische Koeffizient der Milchsäure (S. 136). a) Vergleich ermüdeter und unermüdeter Muskeln (S. 137). b) Narkose (S. 138). c) Kaliumchloridwirkung (S. 140). d) Tetanus (S. 141). Kapitel III. Verhältnis von Spannung und Arbeitsleistung (S. 143). a) Das Spannungslängendiagramm (S. 143). b) Arbeitsleistung am Winkelhebel (S. 150). c) Arbeitsleistung des Muskels am Schwunghebel (S. 160). Kapitel IV. Arbeitsleistung und Milchsäurebildung (S. 164). Kapitel V. Einige Versuche an Säugetiermuskeln (S. 176). Zusammenfassung (S. 180). Nachdem die Energetik des Muskels und ihre Verknüpfung mit Bildung und Schwund der Milchsäure in den Grundzügen geklärt er- scheint, bedarf der Zusammenhang der Milchsäurebildung mit der Ar- beitsleistung noch einer besonderen Untersuchung. Für thermodyna- mische Überlegungen kann zwar ein solcher Vergleich zwischen den chemischen und mechanischen Vorgängen nicht mit den direkten myo- thermischen Untersuchungen, wie denen A. V. Hills wetteifern, weder in der Variationsfähigkeit der Bedingungen noch in der erreichbaren Genauigkeit. Denn die thermoelektrische Messung gestattet, die Wärme- bildung und Arbeitsleistung schon einer einzelnen Kontraktion mit- einander zu vergleichen und vielfache Abstufungen der Versuchsbedin- gungen an ein und demselben Objekt vorzunehmen. Um aber einiger- maßen große Ausschläge bei der Milchsäurebestimmung zu erhalten, muß man längere Reizserien anwenden und den Muskel immerhin b:s zu einem erheblichen Grad von Ermüdung arbeiten lassen. Jeder einzelne Muskel kann ferner nur zu einer Versuchsart verwandt werden und für OÖ. Meyerhof: Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 129 genauere Vergleiche kann man immer nur die symmetrischen Muskeln eines Schenkelpaares verwenden, wozu sich aus versuchstechnischen Gründen nur die Gastrocnemien eignen. Trotzdem habe ich nicht darauf verzichtet, auch Probleme der Muskelthermodynamik mit dieser Methode zu verfolgen. Denn in einer Richtung ist diese Methode der myothermischen überlegen: es kann jede Zuckungsform verwandt werden, während das thermoelektrische Verfahren nach Hills Unter- suchungen bisher allein bei isometrischen Kontraktionen einwandfreie Resultate ergeben hat, dagegen alle Messungen an dem sich wirklich verkürzenden Muskel der Kritik nicht standhalten können!). Man ist infolgedessen gezwungen, die isometrische Leistung auf Arbeit umzu- rechnen. Die besonderen hierfür benutzten Annahmen werden im folgenden genauer geprüft werden. Es ergeben sich dabei mindestens so schwerwiegende Bedenken gegen dieses Rechnungsverfahren, wie sie beim experimentellen Vergleich der Wärmebildung mit der effektiven Arbeitsleistung aus anderen Gründen zu erheben sind. Im folgenden konnte nun die Milchsäurebildung sowohl mit der isometrischen Span- nungsentwicklung als auch mit wirklicher mechanischer Arbeit unter verschiedenen, und vor allem möglichst günstig gewählten Bedingungen verglichen und auf diese Weise die verschiedenen Größen miteinander in Verbindung gesetzt werden. Rechnet man dann die Milchsäurewerte auf Grund der Ergebnisse der ersten Arbeit dieser Serie in Kalorien um, so ergibt sich der tatsächliche Wirkungsgrad des Muskels bei der betref- fenden Arbeitsform. Weiterhin gibt es gewisse Probleme, für die die Bestimmung der Milchsäure das direktere und einfachere Verfahren vorstellt, während sie auf myothermischem Wege entweder gar nicht oder nur mit Schwie- rigkeiten behandelt werden können: Vor allem die Bedeutung des anae- roben Ermüdungsmaximums. Durch welche Umstände wird dasselbe bedingt und wie läßt es sich verändern? Daran schließt sich die weitere Frage, wieweit das Verhältnis der isometrischen Spannungsleistung zur Milchsäurebildung, das ich im folgenden als den ‚isometrischen Koeffi- zienten der Milchsäure‘“ bezeichne, konstant ist und wodurch man Varia- tionen desselben erzielen kann. Auch dieser Punkt erscheint für das Verständnis der Wirkungsweise der Muskelmaschine von Bedeutung. Die hier zuletzt berührten Fragestellungen werden in den ersten beiden Kapiteln der Arbeit behandelt, in den folgenden werden die verschie- denen Arbeitsformen des Muskels miteinander verglichen. Am Schluß sind einige orientierende Versuche mit Säugetiermuskeln mitgeteilt, die darüber Auskunft geben sollen, wie weit die Resultate am Froschmuskel auf den Warmblüter angewandt werden dürfen. !) Siehe A. V. Hill, Asher-Spiros Ergebn. d. Physiol. 15, 385. 1916; ferner auch philosoph. transactions Serie B 210, 153. 1921. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 9 130 O. Meyerhof: Kapitel I. Das anaerobe Ermüdungsmaximum. In einer vorangehenden Untersuchung ergab sich das Resultat, daß das Ermüdungsmaximum der Milchsäure unter den verschiedenen Be- dingungen der Reizung, Zuckungsform, Temperatur charakteristische Veränderungen aufweist, die im allgemeinen parallel gehen mit Veränder- ungen der mechanischen. Leistungsfähigkeit des Muskels. So nahm beides mit steigender Temperatur zwischen 0° und 25° zu, fiel bei Hungerfröschen mit der Dauer der Hungerperiode ab; so war das teta- nische Maximum erheblich geringer als das durch Einzelreize erzielte und gleichzeitig blieb der tetanisch total ermüdete Muskel auf Einzel- reize von gleicher Stärke noch anspruchsfähig. Wir sehen hier von diesem Parallelismus zunächst ab und heben nur das Gesamtresultat der früheren Bearbeitung heraus, daß die Menge der angehäuften Milch- säure, als Ausdruck der anaerob geleisteten isometrischen Arbeit, ebenso wie diese begrenzt wird durch die Aufhebung der Erregbarkeit, die nach einer gewissen Spannungsleistung eintritt. Was ist nun die Ursache für das Bestehen eines solchen Milchsäure- und Arbeitsmaximums, durch welchen Faktor wird die Erregbarkeit aufgehoben? Man wird hier nach einer chemischen Ursache suchen müssen. Bei der Ermüdung wird eine bestimmte Menge Glykogen zersetzt, während die Menge der niederen Kohlenhydrate nicht abnehmen. Andererseits häuft sich Milchsäure außerhalb der Verkürzungsflächen des Muskels an, und wie man mit Indikatoren leicht feststellen kann, nimmt die H-Ionenkonzentration der Muskelsubstanz zu. Nachdem Fletcher und Hopkins das Vor- handensein einer in begrenzter Menge vorhandenen Milchsäurevorstufe für das Maximum verantwortlich gemacht hatten, empfing diese Vor- stellung in etwas abgeänderter Form neue Nahrung durch die Auffindung einer Hexosephosphorsäure im Muskel als vermutlichen Zwischenkörpers der Milchsäurebildung aus Glykogen!). Indes habe ich schon in der letzten Arbeit darauf aufmerksam gemacht, daß meine Befunde mit einer sol- chen Deutung des Maximums in Widerspruch stehen. Die Hexose- phosphorsäure, wenn sie ein Zwischenprodukt der Spaltung ist, muß bereits anaerob aus der abgespaltenen Phosphorsäure und neu zersetztem Glykogen regeneriert werden. Daher habe ich die Vermutung ausge- sprochen, daß das Ermüdungsmaximum begrenzt wird durch die Milch- säurekonzentration im Muskelinnern und wahrscheinlich durch deren Wasserstoffzahl. Diese Annahme lag nahe, weil auch einer der Faktoren, die die Höhe des Säuremaximums bei der Starre bezw. im zerkleinerten Muskel bedingen, die Wasserstoffzahl ist. Die Frage ist nun von erheb- licher Bedeutung für den Mechanismus der Kontraktion; denn die Mög- lichkeit der anaeroben Arbeitsleistung in einem beträchtlichen aber be- !) Embden u. Mitarbeiter, Zeitschr. f. physiol. Chemie 93, 1. 1914—15. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 131 grenzten Umfang und die Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit des Muskels in Sauerstoff läßt auf das Vorhandensein eines bestimmten Vorrats potentieller Energie im Muskel schließen, dessen volle Erschöpfung die oxydative Restitution notwendig macht. Dieser Vorrat kann nicht in dem Vorhandensein des Glykogens gesucht werden. Einmal ist die Energie des chemischen Vorgangs der Glykogenspaltung zu Milchsäure zu gering, um die Wärmetönung und die Arbeitsleistung der anaeroben Kontraktionsphase hervorzubringen, und dann wird ja auch, wie wir früher sahen, bei der Reizung bis zum Ermüdungsmaximum der Glykogenspeicher durchaus nicht voll geleert. Der Vorrat potentieller Energie muß somit physikalischer Natur sein. Die von mir vertretene spezielle Hypothese war die, daß dieser Vorrat gelegen ist in dem Über- schuß der Affinitäten für H" (Adsorptionsaffinitäten für Milchsäure), den das Muskelplasma, die Ermüdungsorte, besitzen gegenüber den Ver- kürzungsstellen, wo die Säure zuerst entsteht und die Kontraktion aus- löst. Denn nur dann ist die normale Zuckung garantiert, wenn die Ver- kürzungsursache, die ich in der Entstehung von Wasserstoffion an den Verkürzungsflächen sehen möchte, bei der Erschlaffung rasch wieder beseitigt wird. Da die Milchsäure im Muskel aber nicht verschwindet, ist ein steiles Gefälle zwischen Verkürzungs- und Ermüdungsorten not- wendig, und eine erhebliche Aufnahmefähigkeit dieser letzteren für Milchsäure, damit das Gefälle erhalten bleibt. Zur Entscheidung dieser Frage muß man versuchen, die Höhe des Ermüdungsmaximums zu beeinflussen. Nun sind die oben genannten Variationen in dieser Richtung zu undurchsichtig. Wir wissen nicht, welche Bedingungen die Temperaturerhöhung oder eine längere Hunger- periode der Frösche im Muskel schafft. Auch sind natürlich Herab- setzungen des Maximums nicht beweisend. Denn die verschiedenen Ur- sachen, welche die Erregbarkeit der Muskeln verringern, müssen ent- sprechend den Milchsäureendgehalt erniedrigen, wie wir es im nächsten Kapitel bei den Narkotica sehen werden. Wohl aber ist eine Erhöhung des Maximums durch bestimmte experimentelle Bedingungen von Wichtigkeit, besonders wenn man es höher treiben kann, als es je sonst unter optimalen Verhältnissen beobachtet wird. Und das gelingt in der Tat auf eine einfache Weise: Sobald wir die sonst benutzte blausäure- haltige Ringerlösung mit einem starken Zusatz eines Carbonat-Bicar- bonatgemisches versehen, wodurch die Wasserstoffzahl zwischen 9 und 10 zu liegen kommt (Thymolphthalein hellblau), läßt sich bei wenig frequenter Reizung durch Einzelinduktionsschläge das Maximum auf 0,45—0,5%, Milchsäure herauftreiben, während es in neutraler Ringer- lösung bei den Muskeln derselben Frösche zu 0,35% gefunden wird. Dabei leistet der Muskel auch erheblich mehr anaerobe Spannungsarbeit als in den Kontrollen. 9* 132 O. Meyerhof: u Die oben gestellte Frage nach der Ursache des Ermüdungsmaximums wäre damit klar zugunsten des H-Ion entschieden, wenn die Neutrali- sierung durch Carbonate sich im Innern der Muskeln abspielen würde, diese mithin die gleiche Menge Milchsäure aber von abgestumpfter Aci- dität enthielten. Das ist jedoch in der Hauptsache nicht der Fall. Ver- arbeitet man die Muskeln und die Ringerlösung getrennt, so enthält die neutrale Ringerlösung nur eine ganz unbedeutende Menge Milch- säure, etwa 5% des Gesamtgehalts, während in die alkalische Lösung etwa 20% der Muskelmilchsäure übergetreten sind. Die Neutralisierung verläuft also vorwiegend außerhalb der Muskeln. Allerdings ist auch der Innengehalt an Milchsäure etwas erhöht. Mit dieser Feststellung harmoniert nun eine andere. Es gelingt nicht, durch Zusatz von etwas Salzsäure zur blausäurehaltigen Ringerlösung (P5z ca. 4) das Ermüdungs- maximum deutlich herabzusetzen. Die Muskeloberfläche ist also in schwachsaurer Lösung für Salzsäure jedenfalls noch weniger durch- lässig als für Milchsäure. Wenn man aber dem Muskel durch Carbonat einen Teil seiner Milchsäure entzieht, so gestattet diese Entlastung deren Neubildung und eine Mehrleistung von Arbeit. Wir müssen daraus schließen, daß die Ermüdungsmilchsäure nur sehr locker im Muskel ge- bunden ist, wenn sie schon durch Carbonat herausgelöst werden kann. Nun entweicht ja auch sonst schon etwas Milchsäure aus dem Muskel und zwar bei den Oberschenkelmuskeln des Frosches mehr als bei dem Gastrocnemius, dessen Fascie jedenfalls den Austritt hindert. Im ganzen kann daher die Wirkung der alkalischen Ringerlösung auf die Erhöhung des Diffusionsgefälles für Wasserstoffion zurückgeführt werden, Umgekehrt wurde nun in einer anderen Versuchsreihe einer der beiden Gastrocnemien alkalisch gemacht und die Muskeln dann in Wasserstoffatmosphäre ermüdet. Zu diesem Zweck band ich einem lebenden Frosch ein Bein nach Durchschneidung des N. ischiadicus mit Zwirn fest ab und schüttete ihm dann eine Messerspitze Soda ins Maul!). Nach etwa einer Stunde wurde der Frosch getötet; die Muskeln reagierten jetzt gegen Lackmuspapier deutlich alkalisch. In diesen Versuchen, die übrigens an frischen Herbstfröschen mit sehr hohen Milchsäurewerten angestellt waren, war nun das Maximum und die Spannungsleistung der alkalisierten Gastrocnemien etwas geringer als die der Kontrollmuskeln von dem abgebundenen Bein. Indes möchte ich doch hierin nicht einen direkten Gegenbeweis gegen die Annahme sehen, daß das Ermüdungsmaximum durch die H-Zahl im Innern der Muskeln bedingt wird. Denn es ist sehr möglich, daß die Alkalisierung des Muskels auf diese Weise zu stark wird und die Erregbarkeit unmittel- bar leidet. 1) Vgl. Rhode, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 114. 1920. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 133 Ausführung der Versuche: Als Spannungsschreiber verwandte ich den in Abb. 1 dargestellten Hebel, der nach dem von Bürker!) angegebenen Prinzip hergestellt ist. In das Loch F wird die Tibia (für die. Versuche der folgenden Kapitel das Femur) eingeklemmt. Die Stellschraube $ gestattet eine genaue Regulierung der Anfangsspannung. Der Muskelhalter taucht in ein Kühlergefäß (vgl. Abb. 10), das mit Ringerlösung gefüllt ist, und dessen Mantelraum, falls erforderlich, von Wasser verschiedener Temperatur durchströmt werden kann. Die Versuche dieses und des nächsten Kapitels fanden bei Zimmertemperatur statt. Der Gastrocnemius wird an einem Nickelindraht aufgehängt. Das Bürkersche Prinzip der Spannungsmessung — Torsion eines Streifens aus Uhrfederstahl, der für verschiedene Spannungs- bereiche an beliebigen Stellen festgeklemmt werden kann, hat sich sehr gut Abb. 1. Bürkerscher Spannungsschreiber init isoliertem Muskelhalter. 4 Hartgummiblock, S Schraube zur Hoch- und Niederstellung des Halters, F Klemmschraube zur Fixierung von Tibia und Femur. bewährt. Die Muskeln wurden mittels Metronom durch maximale Öffnungs- schläge bis zur Erschöpfung gereizt; Reizintervall 2—3 Sekunden. Die Schlie- Bungsschläge waren abgeblendet. Der Rollenabstand wurde allmählich von etwa 12cm auf O verkleinert. Die gesamte anaerobe Spannungsleistung wird verzeichnet und ausgemessen, sie wird in Kilogramm ausgerechnet und außer- dem die Zahl der Kontraktionen bestimmt. Die Verarbeitung der Muskeln auf Milchsäure geschah wie in der letzten Arbeit; die Milchsäure wurde ohne Amylalkoholextraktion bestimmt. Der Carbonatzusatz zur Alkalisierung der Ringerlösung erfolgte aus Stamm- lösungen von 4% NaHCO, und 4% Na,CO,;,. Die zu 50cem Ringerlösung (+ 0,2 ccm "/]o-KCN) zugesetzte Menge von beiden in Kub'kzentimeter ist in der folgenden Tabelle I angegeben. Bei der Berechnung des isometrischen Koeffizienten, über den im nächsten Kapitel mehr gesagt werden wird, sind stets 0,02%, Milch- säure als Anfangswert auf Grund zahlreicher Kontrollversuche in Abzug gebracht. In den folgenden Tabellen I—III sind die verschiedenen Versuchsreihen ange- geben. !) Pflügers Arch. f. d, ges. Physiol. 88, 107. 1902. 134 O0. Meyerhof: Tabelle I. Milchsäuremaximum in neutraler und carbonathaltiger Ringerlösung. Nr. | Datum BEOEC IE. el Zusatz pn Milehs. | Milchs. | Hub- Be Km?) | art‘) |Gewicht Länge | mg % za) lm kg| 1 110. DE DR 39,9 ER 4,77 | 0,367 | 720 112,6. 82 | 24NaH |10 | 6,4 [0,49 |2160 163,8 89 | + 0,8 Na, | | | | | 2a 1 SR 129 = 3,73 0,34 |1170 108,4, 90 | 2,4 NaH ‚10 49 0,445 |1830 128,3, 80 | + 0,8 Na, | | 3a | oT, 10,9 17:29 = — | 3,56 0,395 | 835 ,104,5| 90 0,43% 1070 104,5 74 4|| 6.x1.| e. | 1,07 | 285 \04»,,Hoı| 4 | 3,44 |0,32 |1140 121. |105 | | 25NaH | 9,5) 4,77 0,445 |1365 134,9 84 | + 0,55 Na, | | 5 120.X1. 1.22: 21.0,972 729° 10,595, HCl 2429,45 0,356 1035 115,8 104 e25NaH | 95| 41 | 0,423 |1119|121,2| 90 +05Na, | | | | 6] 11B.1EV.. AN 11901029 — | 3,56 | 0,31 710| 93,6] 82 | 25NaH | 95| 5,1 | 0,443 |1020 |124,4| 75 | 05N2,| | | | |ı | | | | TEN 203EV 0 CB: 151 2..729 — | | 3,17 | 0,288 | 480| 89,2) 88 | | 2,3NaH | 9,5) 3,6 | 0,33 |1000 |1120,1|103 | +0,6N3 | | | | | slas.ıw.| T. \os | =) 003% 750 77,5) 96 2,5NaH | 9,5| 3,42 | 0,428 | 780| 88,11 86 + 0,65 Na, | Aus Tabelle I ist ersichtlich, daß der Zunahme der Milchsäurebildung fast stets auch eine erhebliche Zunahme der Spannungsleistung ent- spricht. Besonders stark vermehrt ist aber die Hubzahl; es liegt das daran, daß der Verlauf der Ermüdung in neutraler und alkalischer Lösung zunächst ähnlich ist, daß aber, wenn schon ein starker Ermü- dungsabfall der einzelnen Kontraktionen stattgefunden hat, der Muskel in Gegenwart von Carbonat noch stark meßbare Zuckungen ausführt, während diese in neutraler Lösung bald unmerklich klein werden. Da nun, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, der isometrische Koeffizient sich mit der Ermüdung stark verschlechtert, ist es verständlich, daß er in alkalischer Lösung meist kleiner ausfällt. 2) m. 2) K m — Esculenten, T. —= Temporarien. isometrischer Koeffizient. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 135 In der folgenden Tabelle II sind für die Versuche 6, 7 und 8 der Tabelle I und noch einen weiteren der Milchsäuregehalt des Muskels und der Ringerlösung getrennt bestimmt. Tabelle II. Milchsäuregehalt der Muskelsubstanz und der Ringerlösung. Milchsäureendgehalt FREE | & € 5 ee rer u — % Mich- | Von 100 Nr. a en Muskelsubstanz Ringer säure im | Milchs. in mg | % mg %%, ganzen | Ringerlsg. 6a 1,15 n (3,56) | 031) | — > 0,31 — a 41 | 0356 | 1,0 | 0,087 | 0,443 20 Dal ll n 3:06 0,228. 0.102. 16.0,01 0,288 3,5 a 3,04 | 0276 | 0,56 | 0,05 0,326 15 | || | 8a 08 n 2,52 0,315 .020.22.0.026° |.0,342 75 a 2.021 03202 ..0:709 110:082£1 0.428 20 9a | 0,9 n 2:35. | 0,30% 0,18. | 0.019) 0319 6 a —h | — | 054 0,057 — |. — Mit der Feststellung, daß aus dem isometrisch ermüdeten Gastroc- nemius in neutrale bezw. durch Blausäure spurenweise alkalisch gemachte Ringerlösung nur sehr wenig Milchsäure übertritt, wird ein früher er- hobenes Resultat verständlich, daß nämlich das Maximum nicht merk- lich geändert wird, ob man einen Gastrocnemius in Wasserstoffatmo- sphäre oder in Ringerlösung ermüdet. Daß bei Einschaltung beider Mus- keln in denselben Stromkreis und direkter Reizung die Erregbarkeit des in Ringerlösung suspendierten Gastrocnemius viel länger anhält als des in Wasserstoffatmosphäre befindlichen, rührt natürlich daher, daß der erstere dabei durch viel schwächere Ströme gereizt wird, infolgedessen nicht maximal zuckt und so eine größere Zahl Einzelkontraktionen ausführen kann. In der folgenden Tabelle III sind 2 Versuche mit dem in vivo alkali- sierten Gastrocnemius ausgeführt. Um jeden Einfluß der umgebenden Lösung auszuschalten, fand die Ermüdung in Wasserstoffatmosphäre statt. Tabelle III. Milchsäuremaximum alkalisch gemachter Gastroenemien. £ | R © Spannung f N 1 | : IND Datum Frosch- Ge- Länge Neutr. | Milchs. | Milchs. | Hub- An Kr art wicht alk. mg 0% zahl ko | /o > 10,18. 1x8 m 0,95 21,5 n 139 |o41 | zu0| 120,1 89 a 1341.03 1160.15 1170 | 100 1 | ne 0160 796 n21902 Kos 10H. Er Bra 6109 a 61.85 00,31012.6504 0 81:7. 120 !) Verunglückt. 136 OÖ. Meyerhof: Kapitel II. Der isometrische Koeffizient der Milchsäure. Als isometrischen Koeffizienten der Milchsäure bezeichne ich die Summe der Spannungshübe in Kilogramm, die von 1 mg Milchsäure auf die Längeneinheit- des Muskels (cm) erzeugt wird. K - K isometrischer Koeffizient, S Spannung in kg, 1 Muskellänge in cm, M mg Milchsäure. Dafür werden sämtliche anaeroben Spannungshübe eines sorgfältig mit Eiskühlung präparierten Muskels vom Beginn bis zum Abbruch des Versuches addiert und anschließend die Milchsäure bestimmt. Als Ruhewert der Milchsäure wird, falls er nicht im einzelnen Versuch bestimmt worden ist, 0,02% in Abzug gebracht. Die größte Zahl der Versuche wurde mit großen Gastrocnemien von etwa 1g Gewicht und 30 mm Länge angestellt. Doch sind, um die Anwend- barkeit dieser Berechnungsweise unter den verschiedensten Um- ständen zu zeigen, auch einzelne Versuche mit Adduktoren und ferner auch solche mit Serien kurzer Tetani bestimmter Dauer aus- geführt. Die Beziehung auf die Längeneinheit in der obigen Formel ist erforderlich, da die gleiche Menge Milchsäure in einem längeren Muskel ceteris paribus notwendig eine geringere Spannung hervorruft. Jedoch ist die Bestimmung der Ruhelänge eines Muskels und erst recht der Ver- gleich der Länge differenter Muskeln nur mit einer gewissen Willkür möglich. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Fasern des Gastrocnemius im Mittel kürzer sein müssen als der ganze Muskel, wurde ebenso wie in der ersten Arbeit dieser Serie die Länge des völlig schlaffen Gastrocnemius gemessen, die etwa 15%, geringer ist, als die durch eine geringe Anfangsspannung erzielte Ruhelänge, bei der auf einen Öffnungsreiz hin gerade das Maximum der Spannung entwickelt wird. Bei den anderen Muskeln dagegen wurde direkt diese letztere Ruhelänge, also mit einer geringen Anfangsspannung benutzt. Diese steht nun zur Länge des völlig schlaffen Muskels nicht in einer allge- mein gültigen Beziehung, weil sehr dünne Muskeln erst bei stärkerer Verlängerung das Maximum isometrischer Spannung ergeben, als solche von größerer Dicke. Indes ist diese Beziehung hier ausreichend; in den späteren Kapitein wird für die Arbeitsberechnungen bei allen Muskeln, auch den Gastroenemien stets die ‚„gespannte Länge“ benutzt werden. Bei stärkeren Adduktoren ist diese optimale Ruhelänge etwa 20 —25%, größer als bei völliger Schlaffheit. Ist nun dieser isometrische Koeffizient am gleichen Objekt bei Reizung mit Öffnungsinduktionsschlägen eine Konstante oder welche systematischen Änderurgen sind festzustellen? Daß er im allgemeinen von ähnlicher Größe ist, wurde bereits in der ersten Arbeit dieser Serie gezeigt und geht auch aus den Zahlen der voranstehenden Tabellen I und III hervor. Übrigens kann man die in der Arbeit I (Pflügers Arch. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 137 f. d. ges. Physiol. 182, S. 278) in Tabelle XVI angeführte Spalte: Wir- kungsgrad in %, zahlenmäßig ohne weiteres dem hier berechneten iso- metrischen Koeffizienten gleichsetzen, denn bei der dortigen Berechnung wurde der gleiche Koeffizient x 16% ausgerechnet und dann durch 350 -4,27 - 6,6 dividiert, welches gerade 10% ist!). Jedoch ist die Be- zeichnung ‚Wirkungsgrad ‘, wie aus den folgenden Kapiteln hervor- gehen wird, nicht zutreffend. In allen bisherigen Fällen wurde der Muskel ausschließlich bis zur totalen anaeroben Erschöpfung gereizt. Als Variationen wurden früher untersucht: Einfluß des Milieus (Wasser- stoffatmosphäre, Ringerlösung, Phosphat- und Bicarbonatzusatz), Frösche verschiedener Art und verschiedene Versuchstemperatur. Nur bei verschiedenen Temperaturen ergaben sich geringe Differenzen, die aber eigentlich noch nicht die Fehlergrenze der Versuche übersteigen, nämlich eine Zunahme des Koeffizienten um 10% bei 15° Temperatur- erhöhung. a) Vergleich ermüdeter und unermüdeter Muskeln. Erheblich verschieden sind dagegen die Koeffizienten ermüdeter und unermüdeter Muskeln, indem sich mit fortschreitender Ermüdung der Nutzwert der Milchsäure verringert. Um dies festzustellen, wurde von den beiden symmetrischen Gastrocnemien der eine total erschöpft, der andere annähernd bis zur Hälfte der Gesamtspannungsleistung und in beiden Fällen dann Milchsäure und Spannung verglichen. Ziehen wir von den Werten der Gesamtzeit die der Anfangszeit ab, so ergeben sich die der zweiten Periode. Genau übereinstimmend fand sich in zwei ver- schiedenen Versuchen (Tabelle IV) als Koeffizient für die Gesamtzeit 100 (bezw. 98), für die erste Zeit 123, für die zweite 83. Da in beiden Fällen die Ermüdung der ersten Periode nicht ganz bis zur Hälfte der gesamten Spannunssleistung erfolgte, ergibt sich das Resultat: der isometrische Koeffizient der zweiten Ermüdungshälfte ist gerade um !/, kleiner wie der der ersten. Wahrscheinlich ist aber schon in der ersten Hälfte, auch wenn die Spannungswerte der einzelnen Hübe sich noch nicht verringert haben, schon ein Ermüdunsseinfluß auf den Koeffizienten vorhanden. Nun werden die einzelnen Hübe mit fort- schreitender Ermüdung kleiner. Es könnte der Verdacht bestehen, daß der Koeffizient überhaupt bei schwächeren Zuckungen sich verringere. Das ist aber nicht der Fall. Ermüdet man den Muskel mit submaximalen Reizen, so daß er etwa die dreifache Zahl von Kontraktionen bis zur Erschöpfung ausführt, so hat dies auf den Koeffizienten keinerlei Ein- fluß. Vergleiche Versuch 14, der auf diese Weise ausgeführt ist. !) In der Arbeit wurde als Faktor statt 6,6 zwar 6 angeführt, da jedoch die Milchsäurewerte alle um etwa 10%, zu groß sind, weil die Ruhemilchsäure nicht in Abzug gebracht wurde, entspricht dies einer Rechnung mit dem Faktor 6,6. 138 O. Meyerhof: Die Versuche fanden in Ringerlösung bei Zimmertemperatur statt. In der ersten Zeile jeder Serie sind jeweils die Werte für den total ermüdeten Gastrocnemius angegeben. Die Zahlen der zweiten Periode sind durch Subtraktion der beiden vorangehenden Zeilen gewonnen. Tabelle IV. Isometrischer Koeffizient bei fortschreitender Ermüdung. Nr.) Datum | usken ne Auilchez |), MIICES: Hub- Spannungs) CH | |Gewicht| Länge | periode m | % zahl kg 12.1 295 va le 151 27 total 3.15 | 0,286 | 495 1046 | 100 I 1.9.22 40,217 20014522, 4207020128 | II 1.951.0.1762|.2350°%] 60,0 33 Aal ARD 11.2 32 total 4,1 | 0,341 | 800 118,9 98 I 1,73... 01442. | 0.210.110 574: 6103 I 2,37 | 0197 | 590 | 615 33 | | | | 141 27.X. | 1,25 | 32 | total 126 | 0,34 | 1700 | 1444 | 118 | | | | schw. R. Das Resultat ist in vollkommenem Einklang mit dem Befund A. V. Hills, der die Verschlechterung des Verhältnisses Spannung : Wärme mit fortschreitender Ermüdung feststellte. Die Größe der ‚‚initialen Wärme“ können wir als genauen Indikator für die Menge der im Muskel gebildeten Milchsäure ansehen. Vielleicht ist für die Verschlechterung des Koeffi- zienten die Zunahme der Kontraktionsdauer mit fortschreitender Er- müdung verantwortlich. Schon nach der Hälfte der gesamten Span- nungsleistung, also im Beginn der 2. Periode ist die isometrische Kon- traktionszeit bei Zimmertemperatur (15—20°) fast doppelt so groß wie im Beginn und verlängert sich mit fortschreitender Ermüdung immer mehr. Sei es nun, daß die Milchsäure jetzt nicht mehr synchron im ganzen Muskel entsteht, oder daß schon ein gewisser Teil die Ver- kürzungsfläche verlassen hat, ehe das Maximum der Spannung erreicht ist, so läßt sich vermuten, daß die zeitlichen Umstände die schlechtere Ausnutzung der Milchsäure bei der Ermüdung veranlassen. Für die Kontraktion bei verschiedenen Temperaturen kann jedoch dieser Zeit- faktor nicht entscheidend sein. Denn bekanntlich verlängert sich die Kontraktionsdauer außerordentlich mit fallender Temperatur und trotz- dem ist der isometrische Koeffizient nur ganz wenig (möglicherweise überhaupt nicht) verschieden. b) Narkose. Eine noch viel stärkere Verkleinerung des isometrischen Koeffizien- ten finden wir aber bei der Einwirkung narkotischer Substanzen, und es ist bemerkenswert, daß die Verschlechterung ohne Beeinflussung der Kontraktionsdauer erfolgt. Je stärker die Narkose, um so deutlicher die Wirkung. Bei diesen Versuchen tritt nun eine erhebliche Komplika- tion dadurch ein, daß die Narkotica in höheren Konzentrationen eine Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 139 spontane Milchsäurebildung (d.h. eine starke Vermehrung der anaeroben Ruhemilchsäure) hervorrufen, die bei der Berechnung in Betracht ge- zogen werden muß. Da nun andererseits bei der Dicke der Muskeln kein sofortiger Ausgleich mit der Lösung eintritt, so muß man den Muskel vor Anstellung des Versuchs längere Zeit in eine Lösung des Narcotikums einlegen. Je länger dies geschieht, um so größer ist die spontane Milch- säurebildung; gleichzeitig nimmt die Hemmung mit der Zeit zu, wobei wahrscheinlich eine echte Progressivität vorliegt. Aus diesen Gründen sind die Ergebnisse schlecht reproduzierbar. Wenn man aber, statt die isometrischen Koeffizienten mit stark hemmenden Narkotikumkonzen- trationen und ohne diese zu vergleichen, die Milchsäurebildung in Gegen- wart des Narcotikums bei Ruhe und Arbeit bestimmt, wobei, abgesehen von der Reizung, die Muskeln ganz gleich behandelt werden, so ergibt sich auch jetzt bei Abzug der experimentell bestimmten Ruhewerte eine so außerordentliche Verkleinerung des isometrischen Koeffizienten, daß das Faktum unzweifelhaft ist. Bei diesen genauesten Versuchen war der K„ in Gegenwart von 7,5%, Äthylalkohol 47; 4%, Äthylurethan 33; 1,4%, Chloralhydrat 35, während er sonst bei totaler Ermüdung in neu- traler Ringerlösung etwa 100 ist und nie unter 80 liegt. Zieht man Ruhewerte von der gleichen Größe wie die ermittelten von den Narko- ticumversuchen der ersten Art ab, so erhält man ähnliche Koeffizienten und kann feststellen, daß die hier angeführten Konzentrationen unter den Bedingungen der Versuche die isometrischen Spannungsleistung um etwa S0% verkleinern. Von den benutzten Narkotica erwies sich Chloralhydrat am geeignetsten, weil bei ihm die spontane Bildung der Milchsäure verhältnismäßig gering ist. In der folgenden Tabelle V sind die Versuche beider Anordnungen aufgeführt. Die Koeffizienten der Narkotica sind fett gedruckt (siehe S. 140). Daß tatsächlich in Gegenwart eines Narkoticums auf die Reizung hin Milchsäure entsteht, die kein entsprechendes Arbeitsäquivalent besitzt, geht durch den Vergleich mit den myothermischen Versuchen Weiz- säckers hervor!). Dieser fand, daß das Verhältnis Spanung : Wärme bei der isometrischen Einzelreizung sich unter Alkoholwirkung stark verkleinert, ja, daß bei längerer Einwirkung von 5—6°%, Alkohol auf kleine Musculi semimembranosi etwa !/,—!/, der normalen Wärme ge- bildet wird, ohne daß überhaupt am Spannungshebel ein Ausschlag meß- bar ist. Diese Wirkung ist reversibel. (Wahrscheinlich stellt sich bei dünnen Muskeln das Verteilungsgleichgewicht schneller her, bei größeren Gastrocnemien wird durch 5—6%, Alkohol selbst in längerer Zeit die Spannungsentwicklung nur auf die Hälfte verringert.) Übrigens erwies sich in meinen Versuchen die Hemmung durch 7,5% Alkohol als gut reversibel, die durch 1,4%, Chloralhydrat aber nur in geringem Grade. !) Journ. of physiol. 48, 396. 1914. 140 OÖ. Meyerhof: Tabelle V. Isometrischer Koeffizient mn Gegenwart von Narkotica. ; 3 un- Narkoticum- |Milch-| 47; 2 Span- Nr. Datum 8 a rei gereizt zusatz säure Blne Bun nung Kr | & |Gewicht| Länge | = u ame] kg 15.116. % |] 742) 0405 — u Alkohol 5,6 |0,34 10,045 — | — — 1627. v1n.|19°j 0,8 25.5 u Alkohol 7,5 | 0,74 | 0,093 | | Alkohol 7,5 |1,93 | 0,242 | 220| 22,2| 47 17 2. v2220%]70:73.. 26 — .— | 2.55. 0,35 :|. 865.| 105,0.) 113 | | | Alkohol 7 1,43 | 0,195 | 400] 26,7 | 65°) 18\19.vır\21el 10 | 27 u Äthylurethan 4 1,2 | 0,12 Athylurethan 4| 2,96 | 0,296 | 310| 21,6 | 833 19929211222 1, 1.052 27 N — 3,83 | 0,365 11050] 149,2 | 110 Athylurethan 4| 3,13 | 0,298 | 230] 9,2| 109) 20128. VI. ‚20°| 0,65 | 23 E= _— 2.1 |0,326 | 720| 96,4 | 110 | | Phenylur. 0,05 | 1,5 | 0,23 | 460| 35.1| 60 21 | 29. VI. 20° 0,6 24 = — 1,98 | 0,33 | 820| 86.5 | 110 | Phenylur. 0,08 | 0,7 | 0,117 | 190| 10,4 | 60°) 92,25.x. |ı5°| 1,7 | 31 | u |[Chloralhydr.1,21 0,38 | 0,022 | | r 1,2) 3,15 | 0,163 | 890] 64,6| «1 23 | 8.X1. 1202| 1.0521 27 u |Chloralhydr. 1,4 0,54 | 0,05 „ 14|2,07| 0,198 | 440| 20,9| 35 c) Kaliumchloridwirkung. Es ist nun von Wichtigkeit, daß nicht alle Substanzen, die die Er- regbarkeit herabsetzen oder aufheben, sich ebenso wie die Narkotica verhalten. Lähmt man z. B. die Erregbarkeit durch Kaliumchlorid- zusatz zur Ringerlösung, so zeigt sich felgendes: Auch hier haben wir es mit einer progressiven Herabsetzung zu tun, die jedoch wesentlich durch das langsame Eindringen von KÜl in die dicken Gastrocnemien bedingt ist (Sartorien werden rascher gelähmt). Gleichzeitig kommt es zur spontanen Entwicklung von Milchsäure. Bestimmt man nun in sol- chen Fällen den isometrischen Koeffizienten, wo die Herabsetzung der Spannungsleistung etwa 70—50% beträgt, entweder durch Vergleich mit in KCl-Lösung gelegten ruhenden Muskeln oder mit arbeitenden Kontrollmuskeln, so ist der isometrische Koeffizient zwar auch etwas verkleinert aber doch lange nicht so wie bei stark hemmenden Narkoticum- konzentrationen. Auch hier haben wir es leider nicht mit genau repro- 1) 0,05proz. Ruhemilchsäure abgezogen. :) 0,12 proz. Ruhemilchsäure abgezogen. >) 0,09 proz. Ruhemilchsäure abgezogen. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. hl duzierbaren Versuchsbedingungen zu tun. Die Muskeln wurden etwa 1 Stunde in KCl-Lösung gelegt, ehe die Reizung begonnen wurde. Bei geringeren Konzentrationen wurde länger gewartet, stets so lange, bis die maximale Zuckungshöhe auf etwa die Hälfte gefallen war. Tabelle VI. Isometrischer Koeffizient bei Überschuß von Kaliumchlorid. | ac |iroseh: Muskel * ee KCI |Milchs. | Milchs. Hub- | en hs art Gewicht) Länge =u ae % zuL kg | DA O0 Ko, | — | 365 | 0,335 | 920 | 111,3 | 92 | 10,7 | 148 |0,184| 530 | 36,4| 81 ee on | u 107 109.01 | 28 || na) 0 Zu 6063 MA OT 9712.00. | m. | 085 | 26 | u | 045 | 0.20.0083 | | | 1 045 232 10,272 | 510 | 37,2 | 69 98,\18.Iv.| T. | 12 |:30 | u | 027 | 0,59 |0,049 | | 30 | — | 027 | 29 |024 | 410 | 55,6 | 72 Wenn wir annehmen, daß eine an der Oberfläche ausgelöste Reak- tion den Verkürzungsvorgang hervorruft!), so verstehen wir die narko- tische Wirkung ohne weiteres. Die Narkotica würden die Milchsäure von den Oberflächen verdrängen. Rhode und Ogawa?) haben die Beobachtung gemacht, daß durch geringe Konzentrationen Äthylalkohol und Chloralhydrat der Sauerstoffverbrauch von Säugetierherzen kaum beeinflußt wird, die isometrische Leistung aber sehr stark. Wahrschein- lich sind die Vorgänge hier die gleichen wie in unserem Fall, d. h. es entsteht unter dem Einfluß der Narkotika pro Einheit der Spannung mehr Milchsäure, die dann in gleicher Weise wie beim Skelettmuskel durch eine entsprechend vermehrte Sauerstoffmenge beseitigt werden muß. Da die Umwandlung der chemischen Energie in Arbeit überhaupt an Oberflächen verlaufen muß, da andererseits die Narkotcia ober- flächenaktiv sind und daher energetisch wirksame Stoffe verdrängen müssen, so ist es verständlich, daß eine hauptsächliche Gruppe narko- tischer Wirkungen auf der Störung der Umwandlung chemischer Energie in Arbeit beruht. d) Tetanus. Da der Skelettmuskel seine Spannung nur durch fortdauernde Energieproduktion aufrecht erhalten kann, muß sich natürlich bei der tetanischen Kontraktion der isometrische Koeffizient mit zunehmender !) Vgl. dazu meinen Aufsatz in den „Naturwissenschaften‘“, 8, 696, 1920 (Heft 35). ?) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 69, 200. 1492 O. Meyerhof: Dauer des Tetanus verkleinern. Indes ist die Verschlechterung des iso- metrischen Nutzwertes der Milchsäure nicht so groß, wie man vielleicht anzunehmen geneigt wäre. Bei den hier benutzten Temperaturen nimmt die isometrische Spannung mit zunehmender Reizdauer bis zu etwa 0,4 Sekunden. zu, zuerst steil, nachher langsamer. Wenn beispielsweise bei 16°, Reizdauer von 0,2’’, 50 Unterbrechungen pro Sekunde, die maxi- male Spannung des Gastrocnemius im Tetanus 4 mal so groß ist als bei einer Einzelzuckung, so ist der isometrische Koeffizient nicht so stark verkleinert als der Zahl der wirksamen Reize entspricht. Diese beträgt hier mindestens 10. Hätte jeder Reiz dieselbe Milchsäurebildung im Gefolge wie bei einer Einzelreizung, so müßte der X, unter diesen Um- ständen auf ?/,, verkleinert werden, er wird aber nur auf ?,,, verkleinert. Diejenigen Reize, die nur zur Aufrechterhaltung der erreichten Spannung dienen, produzieren also weniger Milchsäure. Es ist dies in Überein- stimmung mit den neuen thermischen Bestimmungen von Hill und Hartree, daß bei einem isometrischen Tetanus die Wärmeproduktion während der Zeit der Aufrechterhaltung der Spannung geringer ist, als in den Momenten der Entwicklung der Spannung und der Erschlaffung?). Tabelle VII. Isometrischer Koeffizient der Milchsäure in Tetanus. Muskel | Dauer | ilch 3 Maximale a Span- Nr. |, .Datumaı 22 = = Temp.| der | LEHE | wuEleeı, Spannung > nung | Km Gewicht | Länge | Tetani | mg % (g) za kg 29| .ır.| 0,78 \26 |16°|02” | 208 |0259| 1030 | 67 | az | 66 30 10. ı1. | 0,25 I|26 | 8° |09” |22 |0293| 680 |139 | 55,2 | 70 31/17. ıL. | 093 |29 | 6° |o,08”| 1,4 [o.ıss| zoo | 124 | 62,1 |109 32|10.ı.| 0,7 |24,5| 24° |0,08” | 2,74 |o,301| 760 | 228 | 72,8 | 69 Die Versuche der Tabelle VII fanden zum Unterschied von den bisherigen zum Teil bei einer tieferen Temperatur statt, indem der Muskelkühler von Eis- wasser durchströmt wurde, im letzten Versuch bei einer erhöhten Temperatur. Auch wurde außer in Versuch Nr. 32 nicht bis zur totalen Ermüdung gereizt. Man sieht, daß bei 0,2’ Reizdauer der Koeffizient etwa 70 ist, wenn die Reizung nicht ganz bis zur totalen Ermüdung fortgesetzt wird. Bei 0,08’ Reizdauer ist der Koeffizient bei etwas geringerer Ermüdung und tiefer Temperatur sehr viel größer und kaum anders wie bei Einzelreizung bis zum gleichen Ermüdungsgrad, dagegen ist er auch bei dieser Reizdauer bei erhöhter Temperatur und totaler Er- müdung deutlich verkleinert. Anhangsweise sei von mehreren Ermüdungsversuchen mit Adduktoren (Semi- membranosus, Gracilis und Semitendinosus einer Seite) durch Einzelreize einer angeführt (Versuch 33). Gewicht 0,8 g, Länge 34 mm, 16°, 2,55 mg Milchsäure — 0,32%, 420 Hübe, 54,3 kg Spannung, Am = 78. Einige andere weniger genaue Versuche ergaben ähnliche oder noch kleinere Koeffizienten. Daraus scheint her- vorzugehen, daß trotz der verschiedenen Längenberechnung die Länge des Gastro- cnemius im Verhältnis zu den Adduktoren noch immer zu groß genommen ist. 2) Journ. of physiol. 54, 84, 1920. vgl. auch meinen Bericht in den Natur- wissenschaften 9, 193, 1921, Heft 12. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 143 Der absolute Wert des X,„ hat ein Interesse für Überlegungen, die sich mit der Wirkungsweise der Milchsäure und ihrer räumlichen Ver- teilung im Moment der Kontraktion beschäftigen. Wenn wir den X, für den unermüdeten Gastrocnemius zu 130 rechnen, so bedeutet das, daß bei einer durchschnittlichen Länge des Muskels von 30 mm auf eine ungefähr maximale Zuckung von 300 g etwa 0,007 mg Milchsäure ent- stehen. Und also auf 1000 g Spannung, wie sie leicht von einem 0,6 g schweren Gastrocnemius (Volumen 0,5 ccm) im Tetanus hervorgebracht werden können, 0,023 mg. Auf 1 cem Muskelsubstanz entfielen 0,046 mg Milchsäure. Wenn die Milchsäure durch Capillarkräfte wirkt, ist es von Interesse, die Größe der Oberfläche zu kennen, die sie bedecken kann, wenn wir uns die Säure in einer einmolekularen Schicht über die Ober- fläche verteilt denken. 0,046 mg Milchsäure entsprechen 3 - 1015 Mole- külen, von denen eines unter Berücksichtigung des spezifischen Gewichts 1,25-10-22ccem einnimmt. Die Gesamtheit der Moleküle würde danach, wenn wir jedes als Würfel rechnen, in einer einmolekularen Schicht eine Fläche von 35 gem bedecken. Da nach den Berechnungen Bernsteins!) allein die sichtbare Oberfläche der Muskelfibrillen etwa 20 000 gem be- trägt, würde diese also völlig hinreichen, um die ganze gebildete Milch- säure während der Kontraktion festzuhalten; noch viel dünner wären natürlich jene submikroskopischen Oberflächen besetzt, die wir als die Verkürzungsflächen auffassen. Wie die Säure an der Oberfläche wirkt, ist ja dunkel; einen Hinweis darauf gibt vielleicht die ältere, neuerdings wieder bestätigte?) Angabe von Gad, daß Zunahme der H*-Kon- zentration die Oberflächenspannung zwischen Wasser und Öl erhöht. Kapitel III. Verhältnis von Spannung und Arbeitsleistung. a) Das Spannungslängendiagramm. Fick?) hat zuerst das Prinzip entwickelt, nach dem man aus einer Reihe von Spannungsmessungen des Muskels die Arbeit sollte berechnen können, die der Muskel mit dieser Spannungsentwicklung geleistet hätte, wenn er sich hätte verkürzen können. Die grundlegende Voraussetzung Ficks ist die, daß primär Spannung entwickelt wird, die den Muskel einer neuen elastischen Ruhelage zutreibt. Hindert man ihn an der Ver- kürzung, so erhalten wir die isometrische Kontraktion; lassen wir ihn ganz frei, so verkürzt er sich, einigermaßen isotonisch, ohne Leistung von Arbeit. Wenn wir ihn aber zunächst sich frei verkürzen und dann an einen Spannungshebel angreifen lassen, so erhalten wir die zu jedem !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 85, 310. 1901. ®) Peters u. Hartridge, Journ. of physiol. 54, proc. 41. 1920. 3) Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung bei der Muskeltätigkeit, Leipzig 1882. 144 OÖ. Meyerhof: Verkürzungsgrad zugehörige Spannung. Der Muskel hätte mithin eine Last, die sich während der Verkürzung entsprechend dem Spannungs- längendiagramm von einem Gewicht gleich der isometrischen Spannung allmählich bis auf Null verringert, über die Strecke der maximalen Ver- kürzung heben können. Da nun die Abnahme der Spannung mit der Verkürzung annähernd linear verläuft, so ergibt sich als theoretische maximale Arbeit (A) ein dreieckiges Flächenstück gleich !/, 8S- h, wo 8 die isometrische Spannung, d. h. bei der Ausgangslänge des Muskels und h die Hubhöhe bei freier Verkürzung bedeutet. Fick hat diese Über- legung auch experimentell geprüft und, wie er meint, bestätigt gefunden. Er bediente sich dazu eines Winkelhebels, bei dem der am Hebelarm von ungefähr gleichbleibender Länge ziehende Muskel eine Last hebt, deren Drehmoment sich während des Hubs auf Null verringert (vgl. das folgende S. 150). Wurde die maximale isometrische Spannung und die maximale isotonische Verkürzung bei einem anhaltenden Tetanus am Anfang und Schluß der Versuchsserie bestimmt und dazwischen (zur Ausschaltung des Ermüdungseinflusses) eine Messung am Winkel- hebel gemacht, so wurde ziemlich genau die Arbeit geleistet, die sich nach der Formel A=!/,S-h aus den Daten der angrenzenden Ver- suche berechnete. Dabei wurde die Übereinstimmung mit dem isome- trischen Versuche insofern gewahrt, als die Last nicht von vornherein frei am Muskel zog, sondern unterstützt war, so daß der Hub von der natürlichen Ruhelänge des Muskels geschah. In diesem Fall kamen in der Tat nur kontraktile Kräfte und keine primären elastischen im Muskel zur Wirksamkeit!). Fieks Schluß aus seinen Versuchen war dann, daß nicht anders wie bei einer gespannten elastischen Feder die ganze aus der „Dehnungskurve des gereizten Muskels‘‘ berechnete Arbeitsfähigkeit in wirkliche Arbeit überführbar sei und kein meßbarer Betrag durch Reibungswärme verloren ginge. Aber ein Umstand ist von Fick hierbei nicht berücksichtigt worden, der jedoch für die ganze Überlegung von wesentlicher Bedeutung ist, nämlich die Dauer der Tetani, über die jede Angabe fehlt, die aber offenbar recht erheblich war, wahrscheinlich eine Reihe von Sekunden betrug. Nun ist es bei einer elastischen Feder ganz gleichgültig, wie lange sie zuvor gespannt bleibt und wie rasch man sie ent- lastet, vorausgesetzt, daß dies letztere nicht so plötzlich geschieht, daß sie in Schwingungen gerät und dadurch Verluste an Reibungswärme eintreten. Da es keiner Energiezufuhr für die Aufrechterhaltung der Spannung der Feder bedarf, kommt die Anspannungsdauer nicht in Betracht. 1) Dies ist zwar bei den Versuchen nicht ausdrücklich angegeben, geht aber aus dem Resume S. 69 hervor: „Wir haben den Muskel bisher stets bei seiner Zusammenziehung so arbeiten lassen, daß dieselbe von der natürlichen Länge in der Ruhe ausging. Man kann aber auch den Akt so einrichten, daß man im voraus den ruhenden Muskel dehnt ....““ Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 145 Beim Muskel bedarf es aber zur Aufrechterhaltung der Spannung einer dauernden nicht unbeträchtlichen Energiezufuhr und die durch einen einzelnen Reiz erzeugte Spannung hält nur einen Moment an. Wir müssen uns daher die Frage stellen, ob die Arbeitsleistung am Fickschen Winkelhebel wirklich durch vollständige Umwandlung der momentan entwickelten Spannungsenergie in Arbeit geschah und nicht vielmehr zum Teil dadurch, daß weitere Beträge an freier Energie, die sonst nur zur Aufrechterhaltung der maximalen Spannung verwandt wären, hier noch in Arbeit umgewandelt worden sind. In der Tat ist dies, wie wir sehen werden, der Fall, und der Ficksche Experimentalbeweis von der restlosen Umwandlung der im Muskel erzeugten elastischen Energie in mechanische Arbeit kann daher nicht als geliefert angesehen werden. Vor einigen Jahren hat A. V. Hill nach dem Vorbild Ficks die Arbeitsfähigkeit des Muskels aus dem Spannungslängendiagramm, der „Dehnungskurve des gereizten Muskels‘ zu berechnen gesucht. Er ist dabei sogar in einem Punkt noch über Fick hinausgegangen, indem er noch den Flächenanteil des Diagramms, der die Verkürzung des durch erhöhte Anfangsspannung gedehnten Muskels darstellt, zur Be- rechnung der potentiellen Energie mit herangezogen hat, unter bloßer Abrechnung der vom ruhenden Muskel durch die elastische Dehnung geleisteten Arbeit. Die Verhältnisse werden durch die folgende Abb. 2, VER [E} ION S N S S > C A B oO < Länge Abb. 2. Spannungslängendiagramm, schematisch (vgl. dazu Hill, Journ. of physiol. 46, S. 450). 0A Ruhelänge des Muskels unter der ganz kleinen Anfangsspannung AA’, OB Länge bei maxi- maler Verkürzung ohne Belastung, OC Länge des gedehnten Muskels unter der Last CE. Der bei A festgehaltene Muskel entwickelt die Spannung AD, der bei C festgehaltene die Spannung EF (der isotonisch mit dem Gewicht CE belastete Muskel würde sich mit diesem Gewicht bis 4A verkürzen). BA’D Spannungslängendiagramm nach meiner Berechnung, BA’EFDB nach der Hillschen Berechnungsweise. die im Anschluß an Hill entworfen, aber etwas abgeändert ist, veran- schaulicht. OA sei die Länge des ruhenden unbelasteten Muskels bezw. bei ganz kleiner Anfangsspannung; bei freier Verkürzung kontrahiere er sich bis B. Festgehalten entwickele er auf den Reiz hin die Spannung D. Mithin stellt das Dreieck ABD die Arbeitsfähigkeit des Muskels Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 10 146 OÖ. Meyerhof: gemäß der oben beschriebenen Fickschen Überlegung dar. Hill denkt sich zunächst den ruhenden Muskel durch eine frei an ihm hängende Last bis € gedehnt, wodurch er die Anfangsspannung CE besitzt; wird er in.dieser Lage gereizt und festgehalten, entwickelt er die Spannung EF. Ein Muskel von der natürlichen Länge A, der isometrisch die Spannung AD entwickelt und bei künstlicher Dehnung bis © mit dem- selben Reiz die Gesamtanspannung UF, sollte nun nach Hill eine Arbeit leisten können gleich BCF, wovon aber das dreieckige Flächen- stück CAE in Abrechnung zu bringen wäre, weil dies der durch die ela- stische Dehnung geleisteten Arbeit entspricht. Der Fiächenraum ABFE sei mithin die durch die entwickelte Spannungsenergie in Maximo zu leistende Arbeit des Muskels. Ich muß aber der Fickschen Betrach- tungsweise den Vorzug geben. Auch Hills Überlegung gegenüber müssen wir uns die Frage vorlegen, ob denn in einem bestimmten Ver- such, in dem bei gegebener Anfangsspannung der Muskel eine gewisse isometrische Spannung entwickelt hat, er mit derselben Energie- produktion die hier berechnete Arbeit hätte leisten können. Sicher wäre das doch im äußersten Fall nur dann möglich, wenn wir den iso- metrischen Versuch nicht bei der Ausgangslänge AO, sondern bei der Länge C'O angestellt hätten. Die Energieproduktion eines solchen ge- dehnten Muskels ist nun nach Hill und Evans!) bedeutend größer und ferner erhöht sich auch das Verhältnis Wärme : Spannung bei zunehmen- der Anfangsspannung nach Hill; der Muskel arbeitet dann also schon mit einem schlechten ‚isometrischen Wirkungsgrad‘. Dieser Fall hat mithin theoretisch überhaupt ein geringes Interesse, da wir von einem Fall auszugehen haben, wo das Verhältnis Wärme: Spannung günstig liest, und die maximale Arbeit bei der hier gemessenen Energieproduk- tion suchen müssen. Dieses Verhältnis ist nach Hill am günstigsten bei geringer Anfangsspannung, kurzer Reizdauer und untermaximalem Reiz?). Als Ausgangslänge OA wird manamzweckmäßigsteneinesolche wählen, wo die Anfangsspannung nicht vollständig Null ist, aber sehr gering und bei der man auf einen maximalen Reiz hin eine maximale isometrische Spannungsentwicklung erhält. Das ist in den folgenden Diagrammen und Berechnungen stets geschehen. Starke Sartorien verhielten sich hier nicht anders wie die übrigen Muskeln. Es ist aber möglich, daß die Diagramme von sehr dünnen Sartorien, wie die von Hill benutzten, wegen ihrer sehr großen Dehnbarkeit weniger genau nach dieser Be- rechnungsart ausgemessen werden können. Hill erhielt auf Grund Sl seiner Voraussetzungen das Spannungslängendiagramm (D) —= gm wo S die isometrische Spannung in Gramm, / die Ausgängslänge !) Journ. of physiol. 49, 1915. ®) Journ. of physiol. 46, 460 (1913). Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 147 des Muskels in cm bedeutet. Für die Anwendung hat er die Formel auf ne korrigiert, wegen der zu erwartenden größeren Arbeit der langsamen auxotonischen Kontraktion gegenüber der aus dem Dia- gramm berechneten. Auf Grund der obigen Überlegung, daß wir nur die maximale Arbeit in dem aktuellen Versuch, d. h. bei derselben Energieproduktion bestimmen dürfen, kann auch diese Korrektur keineswegs zulässig sein. Schließlich ist zu erwähnen, daß man offenbar bei Tetanus und Einzelzuckung nicht ein und denselben Zahlenfaktor des Diagramms (von Hill !/, bezeichnet) erhalten kann, denn beim Tetanus nimmt sowohl die maximale Spannung wie die maximale Ver- kürzung zu. Mithin muß das Arbeitsdiagramm einen größeren Bruch- teil des Produktes S-/ ausmachen, als bei der Einzelzuckung. Das findet man auch experimentell bestätigt. In folgendem gebe ich in den Abb. 3—9 einige Beispiele für die erhaltenen Diagramme und ebenso 7) X x - 35 30 25 20mm 95 30 25 20mm 0 35 30 Zömm Abb. 3. Spannungslängen- Abb. 4. Spannungslängen- Abb.5. Spannungslängen- diagramm des Gastrocne- diagramm des Gastrocne- diagramm des Gastrocne- mius, vgl. Versuch Nr. 35. mius, vgl. Versuch Nr. 35a. mius, vgl. Versuch Nr. 36. g5p 300 BZ 500 400 200 | | 300 —Ir | | 200 Hl 100 | 100 —} | | [0] 0 x [0] x 3a 30 ZB. 40 35 302325 20mm An) &E) 30 2smm Abb. 6. Spannungslängen- Abb. 7. Spannungslängendiagramm Abb. 8. Spannungslängen- diagramm der Adduktoren, des Gracilis, vgl. Versuch Nr. 40. diagramm des Semimem- vgl. Versuch Nr. 38. branosus, vgl. Vers. Nr. 39. 105 148 OÖ. Meyerhof: in der Tabelle VIII, in der wesentlich die Daten der in den Abb. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 abgebildeten Fälle enthalten sind. Einige Inkongruenzen zwischen ihnen sind vielleicht durch die verschiedenen Bedingungen hervorgerufen, unter denen diese Dia- gramme aufgenommen wurden. Indes kann man leicht die Erfahrung machen, daß auch unter gleichen Umständen die Dehn- barkeit, der Verkürzungsgrad usw. zweier scheinbar gleicher Muskeln recht verschie- den sein kann. Ein Übelstand meiner Hebel war, daß sie nur für stärkere Mus- keln gebaut waren und sehr kleine An- fangsspannungen nicht genau gemessen werden konnten. In der Tabelle ist vor 5 z 45 ; 40 EN allem der Zahlenfaktor !/, berechnet, der FE gen angibt, den wievielten Teil des Produk- such Nr. 41. tes $-l der Flächenraum des Diagramms (D) ausmacht. Das gegenüber den Hill- schen Messungen abweichende Resultat erklärt sich zum Teil dadurch, daß hier nur das dreieckige Flächenstück zugrunde gelegt ist, ferner daß zum größten Teil andere Muskelarten benutzt worden sind, schließlich, daß ich hier nur Einzelreize benutzt habe und daß die Länge bei maximaler Span- nungsentwicklung als Ruhelänge benutzt worden ist. (Welche Länge bei der Hillschen Berechnung zugrunde gelegt ist, ist von ihm nicht angegeben.) Für den Gastrocnemius ist hier ebenfalls diese Ausgangslänge benutzt worden im Gegensatz zu den Berechnungen des isometrischen Koeffizienten. Tabelle VIII. Spannungslängendiagramm. se | zoom [ron] Muaneenine T Se, Tenze ze, ser 1 | art g mm mm |mertemp.) g mm Be 34 || 8. XII. | A Gastr. | 1,05 35 30 Z 350 4,9 |14,3 358 MO SXSIHE EI: Gastr. ? 30 26 5° | 420 5,3 I 11,5 35a au 208 Gastr. ? 30 26 25° ı 280 4,8 12,5 36 3 Va] a: Gastr. | 0,9 35 29 ea. 52 | 2465 4,8 |14,5 37.1121... | E. Gastr. | 1,45 36 39 Zw 350 5,0 14,4 3a al. VI. E. Gastr.. 1.0 34 al 552390 5.0 I13,5 38 128 -D@m. |. om. add. 1222 36 2 Z 460 geh SR LSB | E. [ Semim.| 0,55 32 ? Z | 200 6,5 10,0 AO 3 VE | Grac. | 0,4 381) 3l |ea. 5° |:245 90 | 75 41 |20.I. | E. [2Sartor) ® | 46 Az 60 |105 | 9 In der Tabelle VIII ist diemaximale Verkürzung stets bei Bestimmung des Spannungslängendiagramms am isometrischen Hebel bestimmt !) Das Maximum lag hier bereits bei 33 mm. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 149 worden. Dazu dient die Schraube 5 Abb. 1, welche bei einer Um- drehung den Muskelhalter um 0,7 mm senkt. Im allgemeinen wurden die Diagramme pro 0,7 mm aufgenommen. Wird die Verkürzung direkt bei einer isotonischen Kontraktion ohne oder mit sehr geringer Be- lastung gemessen, so findet man sie immer kleiner wie hier. Das ist nicht verwunderlich, denn der ganz unbelastete Muskel kontrahiert sich von einer kleineren Ausgangslänge wie die im Diagramm zur Basis ge- nommene; sobald die Belastung aber auch nur einer geringen Anfangs- spannung entspricht, ist die Kontraktion schon nicht mehr ganz voll- ständig. Immerhin wurde dies letztere Verfahren, Messung der isoto- nischen Verkürzung bei geringer Belastung, bei den im folgenden be- schriebenen Arbeitsversuchen zum Vergleich herangezogen. In der ersten Arbeit dieser Serie wurde seinerzeit die Berechnung unter Voraussetzung der Hillschen Formel vorgenommen und ergab daher ein ganz ab- weichendes Resultat. Dort war am Gastrocnemius in einer Reihe orientierender Versuche gefunden worden, daß der Zahlenfaktor !/, des Spannungslängendiagramms unter Berücksichtigung der Muskel- dehnung etwa 7—S8 beträgt und für eine um 15% verkleinerte Muskel- länge etwa 6. Doch muß selbst unter den dortigen von mir nicht mehr für richtig gehaltenen Voraussetzungen dieser Faktor noch als zu klein angesehen werden. Bei der ganz anderen Berechnungsweise und den obendrein genaueren Bestimmungen erhalten wir also für Einzel- zuckungen des Gastrocnemius fast die doppelte Größe von !/,, 11—15, für die Länge des gespannten Muskels. Auf mehrere Weise wurde experimentell geprüft, ob man die dem Diagramm entsprechende Arbeit wirklich erhalten kann. Dabei war Bedingung, daß erstens die Arbeit ausschließlich durch die bei der Er- regung erzeugten kontraktilen Kräfte bewirkt wurde, zweitens, daß die Arbeitsleistung mit demselben Stoffwechsel geleistet wurde wie im Parallelversuch die isometrische Spannungsentwicklung. Um Punkt 1 zu verwirklichen, ließ ich den Muskel nur Unterstützungszuckungen von seiner Ruhelänge ausführen, wobei eine kleine Anfangsspannung benutzt wurde. Um der zweiten Bedingung gerecht zu werden, wurden ver- schiedene Wege eingeschlagen. Einmal wurde das Spannungslängen- diagramm verglichen mit der Arbeit, die derselbe Muskel bei gleicher Reizstärke und -dauer und gleicher Anfangsspannung im Optimum leisten konnte. Dazu diente vor allem ein ähnlich dem Fick- schen Vorbild konstruierter Winkelhebel, für eine geringere Zahl von Versuchen ein ebenfalls auf den Vorschlag Ficks hin aber abweichend konstruierter Schwunghebel, dessen Trägheitsmoment durch an die Enden aufgesetzte Massen stark vergrößert ist. Nun konnte gegen diese Versuchsreihen geltend gemacht werden, daß trotz der überein- stimmenden Anfangsbedingungen doch die Energieproduktion bei den 150 OÖ. Meyerhof: Spannungs- und Arbeitsmessungen verschieden sein konnte. Deshalb habe ich weiterhin in einer großen Zahl von Fällen die wirkliche Gesamt- arbeit eines anaerob tätigen Muskels und die gleichzeitig dabei gebildete Milchsäure bestimmt. Denn diese ist ja ein unmittelbares Maß der chemischen und energetischen Vorgänge bei der Kontraktion. Im gegenwärtigen Kapitel berichte ich nur über die ersten Versuchsreihen. In dem folgenden wird der Vergleich von Arbeit und Milchsäurebildung behandelt. b) Arbeitsleistung am Winkelhebel. Die Benutzung eines Winkelhebels nach dem Vorbild Ficks zur Messung der maximalen Arbeit des Muskels empfahl sich aus mehreren Gründen. Während bekanntlich beim gewöhnlichen Heben eines Ge- wichts niemals das Maximum der Arbeit gewonnen werden kann, weil die Last für die verkürzte Muskeilänge zu schwer wird, gestattet ein Winkelhebel, wie wir ihn im folgenden benutzen, die Last der Span- nungslängenkurve entsprechend abnehmen zu lassen; ja bei Einhaltung der richtigen Bedingungen einen völlig linearen Verlauf der Entlastung mit der Verkürzung zu bewerkstelligen. Dabei arbeitet der Muskel unter sehr ähnlichen Bedingungen ‚wie im lebenden Tier, wo ja ebenfalls eine Entlastung mit zunehmender Verkürzung durch die Zunahme des Dreh- moments des Muskels herbeigeführt wird. Ausführungder Versuche. Die Mehrzahl der Versuche wurde mit Gastro- enemien angestellt,ein Teil auch mit Adduktoren, wobei meist das von Bürker beschriebene Präparat verwandt wurde, das aus Semimembranosus und Gracilis besteht (eventuell mit Semitendinosus). In anderen Fällen kamen nur Gracilis oder Semimembranosus zur Anwendung. Und zwar wurden in der Regel nur die Muskeln einer Seite gebraucht, deren Befestigung wie üblich, durch Festschrauben der Gelenkpfanne des Hüftgelenks geschah. Das Doppelpräparat nach Fick, das sick für die Dimensionen meines Muskelhebels nicht eignete, wurde nur in einigen Fällen bei kleinen Fröschen benutzt. Gereizt wurde teils mit-maximalen Öffnungs- induktionsschlägen, teils tetanisch. Die Dauer der Tetani wurde durch auf- einander folgendes Öffnen zweier Kontakte begrenzt, deren erster vermittels eines Relais den Reizstrom einschaltete, während der zweite ihn unterbrach. Das Öffnen der Kontakte besorgte ein Schleuderkymographion. Mit einer 0,01 Sekundenuhr wurde jeweils die Dauer der Tetani gemessen (ein Lukassches Pendel oder eine ähnliche Einrichtung stand mir nicht zur Verfügung). Die Anordnung des Winkel- hebels ist aus Abb. 10 zu ersehen. Der Hebel besteht aus einem Kreuz zweier gegeneinander festzuschraubender flacher Messingschienen, die mit Millimeter- teilung versehen sind, von 12,5 und 10,5 em. Nachdem die benötigten Winkelmaße ausprobiert waren, wurden die Schienen fest zusammengeklemmt, so daß sie sich während des Versuchs nicht gegeneinander bewegen konnten. Die kleinere, den Muskelhaken (M) tragende Schiene war genau im Schwerpunkt befestigt, auf ihrem anderen Hebelarm trug sie.ein kleines Gegengewicht des Hakens, das in jedem Versuch im selben Abstand von der Achse wie dieser durch eine Preßschraube festgestellt wurde. Die größere Schiene, die in einem Winkel von genau 60° zur ersten fixiert war, hing auf der mit dem Gewicht belasteten Seite weit über.. Der Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 151 andere Hebelarm reichte soweit über die Mitte hinaus (2,5 cm), daß er gut zwischen die Gabel des Halters paßte und daß ein kleines 5 g betragendes Gegengewicht auf dieser Seite festgeschraubt werden konnte, wenn das Übergewicht des langen Hebel- arms verringert werden mußte. Am äußersten Ende trug der lange Arm ein Plättchen aus weichem Eisen, das bei vertikaler Stellung, wie aus der Abbildung ersichtlich, von einem Elektromagneten festgehal- ten wurde. Als Gewichte dienten auswechselbare zylindrische Doppel- platten aus Messing (5, 20, 60, 150 g) für verschieden große Belastungen, die nach dem Ergebnis des vorher- gehenden Spannungsversuches an einer bestimmten Stelle der Schiene festgeschraubt wurden. Am Mus- kelhaken M war ein 20 cm langer \ickelindraht befestigt, der den Winkelhebel mit dem Muskelhebel verband. Zu einer großen Zahl von Versuchen diente der auf Abb. 10 abgebildete Muskelhalter, späterhin der auf Abb. 14 unterhalb des Träg- heitshebels skizzierte. Beide besaßen eine Stellschraube zur Regulierung der Anfangsspannung des Muskels; durch sie wurde eine Zerrung beim Zurückschlagen des Winkelhebels verhindert, falls dessen Aufrichtung nicht bis zur Senkrechten geschah. Der erstere Muskelhalter gestattete jedoch nicht, die Muskeln in ver- schieden temperierte Lösungen zu versenken. Da sich die Untersu- chung bei verschiedenen Tempera- turen als sehr wichtig erwies, so wurde ein Kühlergefäß, wie in der Abb. 10 gezeichnet, oberhalb des Muskels befestigt und während des Versuches gekühlte bezw. erwärmte blausäurehaltige Ringerlösung dauernd über ihn herablaufen ge- lassen. Die Temperatur des Mus- Abb. 10. Winkelhebel in der Versuchsanordnung. kels war natürlich so nicht genau G Gewicht, M verschiebbarer Haken für den Muskeldraht, 7, Gegengewicht, S Justierschraube, festzuhalten. Der späterhin ver- 7 miektromamet, C Rahmen mit Millimeter wandte Hebel Abb. 14, der in allen papier, F Kühlergefäß, MH Muskelhebel, I Hart- seinen Teilen verschiebbar, aber gummiisolation des Muskelhalters. gleichzeitig sehr stabil gebaut war, ermöglichte ein direktes Eintauchen des Muskels in das Kühlergefäß. Mit ihm konnten auch Versuche unmittelbar in der Nähe von 0° ausgeführt werden. Der Abstand des Muskels vom Winkelhebel war so lang gewählt, damit der Muskel bei Drehung des Kreuzes immer möglichst genau senkrecht nach abwärts zog. Durch Benutzung verschiedener Löcher des Muskelhebels konnte eine Übertragung der Verkürzungsstrecke auls 1,5 —4fache stattfinden. Der Muskelhebel konnte seine Bewegungen mit einer Schreibfeder auf ein Kymo- 152 OÖ. Meyerhof: graphion aufzeichnen. Doch wurde dies nur dann benötigt, wenn der Winkel- hebel nicht bis zur Senkrechten gehoben war und man die Hubhöhe indirekt be- rechnen mußte. Bildeten die beiden Kreuzarme in der Ausgangsstellung mit der Horizontalen einen Winkel von 30° — zur genauen Justierung der Ausgangslage diente der Anschlag s, der herauf- und heruntergeschoben werden konnte, — so ergab sich die Hubhöhe des Gewichts aus der senkrechten Bewegung des Schreib- hebels durch einfache Rechnung. Wenn wir — vgl. hierzu Abb. 11 — in bekannter Weise aus der Auf- zeichnung des Schreibhebels die senkrechte Verschiebung des Punk- tes M am Winkelkreuz ermittelt haben, die gleich € sei und den Abstand des Drehpunktes des Kreuzes von M gleich A setzen, so ergibt sich der Drehungswinkel & aus der Gleichung tg(30 — a) —= (0,5 — 0/A)- 1,15 für & <30° bzw. tg(& — 30) = (0/A — 0,5): 1,15 Y für &> 30°. Sei ferner B der Abstand des Schwerpunkts des Abb. 11. Schema des Winkelhebels. A = DM Ab- SER stand des Muskelansatzes vom Drehpunkt, B=GD Gewichts von dem Drehpunkt des Abstand des Schwerpunktes des Gewichts vom Dreh- Winkelhebels D, so erhalten wir punkt, © Verkürzungsstrecke des Muskels, « Drehungs- B .. winkel des Kreuzes bei dieser Verkürzung, H Hub- die gesuchte Hubhöhe H aus höhe des Gewichts bei dieser Verkürzung; M’ Lage H=B (sin (30 + a) —0,5). Eine des Muskelansatzes bei voller Aufrichtung des Hebels, solche Berechnung wurde nur in einzelnen Fällen durchgeführt und H in diesem Fall = 05B, « = 60°. ergab, daß, falls das Drehmoment des Hebels zu Beginn nicht zu groß war, um überhaupt eine Bewegung zu verhindern, die geleistete Arbeit bei ziemlich weitgehender Variierung der Belastung annähernd gleich blieb, wenn die Last mehr oder weniger weitgehend gehoben wurde. Tabelle IX. Größe der Arbeit bei Änderung des Drehmoments der Last und der Hubhöhe (Einzelreize). Nr. Datum Muskel Länge re Hubhöhe nel mm g mm mm g/cm 42 8 XL. Add. 38 460 9,5 2,1 80 238 83 2,6 83 2,6 91 3,25 91 6,0 86 9,0 8 49a | 16.XIL | Grae. 45 270 10,5 3,4 39,6 6,2 40,0 9,5 ca. 40,0 Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 153 In der Regel wurde die Belastung und der Abstand von M von der Achse so gewählt, daß der lange Arm des Kreuzhebels grade eben vertikal gehoben und vom Magnsten fixiert wurde. Dann ist die Hubhöhe — 5. Um bei Berechnung der Arbeit von Ungenauigkeiten der Einstellung, Krümmung der Hebelarme usw. unabhängig zu sein, wurde hinter dem Winkelhebel ein mit Millimeterpapier be- spannter Holzrahmen ce genau lotrecht aufgehängt. An demselben konnte bei jeder Einstellung des Gewichts die Hubhöhe direkt in Millimetern abgelesen werden. Um die Größe des Gewichts und die Länge der Hebelarme für 7 und @ zu finden, bei denen das Maximum an Arbeit erhalten werden konnte, wurde auf Grund der folgenden Überlegung verfahren: Steht das Hebelkreuz in der Anfangs- stellung so, daß die Arme einen Winkel von 30° mit der Horizontalen bilden, und dreht sich um 60°, so kommt der Punkt M genau senkrecht unter seine Anfangs- stellung im Abstand A hiervon zu liegen (M’), da DM M’ ein gleichseitiges Dreieck bildet. Da die Strecke MM’ der maximalen Verkürzung (V) des Muskels ent- sprechen soll, muß A demgemäß gewählt werden. Beträgt nun die Übertragung am Muskelhebel Z, so wird M so befestigt, daß A=Z-V ist. Ist andererseits die vom Muskel in seiner ungedehnten Ruhelage entwickelte isometrische Span- nung = $, so ist das Drehmoment zu berechnen, das dieselbe am Ansatzpunkt M erzeugt und die Belastung des langen Hebelarms so zu wählen, daß sein Dreh- moment damit übereinstimmt. Das Drehmoment am Punkt M beträgt aber SE - c0830°, oder da A =ZV ist, S-YV-cos30°. Das Produkt des Gewichts der Last mit seinem Abstand vom Drehpunkt (B) ist also = S-V zu machen, weil dann das Drehmoment des langen Hebels ebenfalls S- V - cos 30° ist. Doch ist hier noch das unkompensierte Gewicht des langen Hebelarms in Rücksicht zu ziehen, dessen Drehmoment 60 gramm/cm -cos 30° in der Aus- gangsstellung beträgt. Nachdem bei jedem Versuch die isometrische Spannung und isotonische Ver- kürzung für die gewählten Versuchsbedingungen von Temperatur, Reizstärke und -dauer bestimmt war, wurde die benötigte Übertragung Z so gewählt, daß A etwa 10—20 mm wurde, also bei der durchschnittlichen Verkürzung des Muskels um 4—8 mm etwa 3. Dann wurde unter Berücksichtigung des unkompensierten Gewichts des langen Hebelarms das benötigte Drehmoment berechnet und ein passendes Laufgewicht in dem Abstand B festgeschraubt. Wenn jetzt das Gewicht von der Ausgangsstellung grade bis zur Senkrechten gehoben werden konnte, so bedeutet das, daß der Muskel sich auf einen Reiz hin ebenso stark wie bei freier Verkürzung kontrahiert hatte, wobei er gleichzeitig eine Last hob, deren Gewicht im Anfang der isometrischen Spannung entsprach und sich während der Verkürzung auf Null verringerte. Und dabei verläuft die Entlastung mit zunehmender Ver- kürzung genau linear, weil @ und M gleiche Kreisbogen um denselben Mittel- punkt beschreiben, so daß das Verhältnis der Drehmomente beider eine Grade wird. Andererseits sind aber geringe Abweichungen der Entspannungskurve des Muskels von der hier vorgenommenen Entlastung belanglos, weil das große Träg- heitsmoment des Hebels sie ausgleicht. Folgende prinzipielle Ergebnisse wurden bei Benutzung des Winkel- hebels erzielt. 1. Die Arbeitsleistung ist bei gleicher Reizung am Winkelhebel unter richtig gewählten Bedingungen stets größer wie bei gewöhnlichen Unterstützungszuckungen, bei denen der Muskel eine konstante Last 154 OÖ. Meyerhof: hebt; insofern werden die Erfordernisse der Theorie befriedigend erfüllt. 2. Dagegen bleibt die Arbeit bei Einzelzuckungen stets hinter dem Spannungslängendiagramm zurück und zwar um so mehr, erstens, je stärker sich der betreffende Muskel bei einer bestimmten Spannung verkürzt und daher bei Adduktoren und besonders bei Sartorien viel- mehr als bei Gastrocnemien; und zweitens, je höher die Temperatur ist. Im Grenzfall, Einzelzuckung des Gastrocnemius bei ganz tiefer Tem- peratur (2—5°), nähert sich die gemessene Arbeit der des Diagramms, ohne sie aber zu erreichen. 3. Bei Tetani von kurzer Dauer bis zu etwa 0,2 Sekunden ändert sich das Verhältnis nicht wesentlich, indem zwar die Arbeit annähernd linear mit der Reizdauer anwächst, und zwar besonders stark bei höherer Temperatur, aber entsprechend auch Verkürzung und Spannung zu- nehmen. Über 0,2 Sekunden dagegen wachsen diese nur noch langsam an, die Arbeit aber steigt weiter. Schließlich wird beim Tetanus gegen 1 Sekunde Dauer und darüber das Diagramm, das unter gleichen Um- ständen aufgenommen wurde, voll erreicht, und zwar bei hoher Tem- peratur mindestens ebenso gut wie bei tiefer. Hier haben wir den von Fick realisierten Fall vor uns, dessen Deutung schon oben gegeben wurde. Denn wenn durch Verlängerung der Reizdauer, ohne daß dabei Spannungsentwicklung und maximale Verkürzung weiter ansteigen, doch der Arbeitsertrag vermehrt werden kann, so ist eben infolge der durch die Belastung bedingten starken Verlangsamung der Kontrak- tion eine gewisse Energiemenge, die im isometrischen Versuch der Auf- rechterhaltung der Spannung diente, noch in nutzbare Arbeit umge- wandelt. 4. Das Verhältnis Spannung x Länge : Arbeit, das in der Hill- schen Formel zu 6 und von mir früher für Gastrocnemien zu 7—7,5 ge- rechnet wurde, ist bei Einzelzuckungen unter den günstigsten Bedingun- gen für den Gastrocnemius bei tiefer Temperatur 15—17, höher noch in der Regel bei den Adduktoren, doch waren die Werte hier ziemlich schwankend. Beim Tetanus nimmt das Verhältnis mit zunehmender Dauer ab bis zu etwa 7. Einzelzuckungen geben bei 20—25° eine so geringe Arbeit am Winkelhebel, daß hier die Bedingungen sicher nicht mehr der Kontrak- tionsform des Muskels entsprechen. Das System hat eine zu große Träg- heit, um bei ganz kurzen Erhöhungen der Muskelspannung in Bewegung zu kommen. Dagegen läßt sich bei Tetani von 0,05—0,15 Sekunden bei 25° ein Faktor von 25—30 feststellen, der fast doppelt so groß ist, wie bei 5° und gleicher Reizdauer. In der folgenden Tabelle X sind zunächst einige Resultate von Einzelzuckungen bei tiefer Temperatur zusammengestellt. Es wurde Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 155 immer am gleichen Muskel, bei maximalen Öffnungsinduktionsschlägen die isometrische Spannung, die maximale Verkürzung und schließlich die maximale Arbeit am Winkelhebel gemessen. Die maximale Ver- kürzung wurde meist aus dem Spannungslängendiagramm bestimmt, in einzelnen Versuchen auch am isotonischen Hebel. Die auf die erste Weise gefundenen Werte sind in der folgenden Tabe!le mit d, die an- deren mit t bezeichnet. Diese letzteren sind immer um etwa 20%, kleiner. Auch in dieser Tabelle ist in der letzten Spalte der Faktor ('/,.) berechnet für das Verhältnis des Produktes Spannung x Länge zur wirklichen Arbeit entsprechend dem in der Tabelle VIII aus dem Diagramm ge- wonnenen Faktor !/,. Tabelle X. Arbeitsmessungen bei Einzelzuckungen. Tiefe Temperatur (5— 10°). Arbeit | Arbeit | Ge- | | | Frosch- DRUNFET Länge Max. | Max. au SU re Sie}? ar | Datum art Muskel mich! | Spann. | Verkürzung Diagr: I Va dA || g mm | ber. | | 1) 23 Box m | Gast. 1.051 32° | 350 IN 2 N) 85 | 68 | 175 a0 \10.X0.| EB. |Gast.| ® | 33 | 210 |d 50 |103 | 88 | 155 45 |21.XI.| E. |Gast.|145 | 36 | 400 | d 5.0 100 | 9 | 15,0 46 125.1 BR Cast ul 5 38210.5008 2.525. 5137. 106: |, 1748 A N RANG DR Gast 10:90:33 104607 dr 445% |,1030 ers2. 18:5 ArUeR | EN ES Gast. | 1,02 34 | 390..|d.4,9. |/95.. | 66° | 20.0 48 8: x U m Add. | 1,22 | 36 :| 460 | Ad 98 | 195 | 84 170 N) Nr 2 | J d 10,5 \ | 90 rR 49 |16.XIl.| E. | Grac. En a Rn i 135 240529915 50 |11.IT. | E. | Sem. | 055 | 32 | 200 ® “ \ 65 | 30 | 210 51 |15.M. 2 | eNddz 1.05: 335 74500 FA 54 122 | es 22,0 DD 3a m Grace. 10.4 || 3321250 176.90 11501.:285 17 30:0 Days | 2. | m "Ada. 10,95.) 35 | 3507| 6 56 100 ı 5 21,0 54 18.0. | E. | Ada. |125| 34 | 300 | t 4,6 69 | 33 | 31,0 Die Bedeutung der Temperatur für die Arbeitsleistung geht aus folgendem Versuch deutlich hervor. Ein großer Gastrocnemius (1,7 g, 33 mm) zeigt gekühlt bei einer maximalen Einzelreizung eine isometrische Spannung von 500 g und leistet am Winkelhebel eine Arbeit von 106 gem, derselbe wird in Ringerlösung von 25° kurze Zeit erwärmt, entwickelt dann 490 g Spannung, leistet aber nur noch 79 gem Arbeit, er wird jetzt von neuem gekühlt, gibt dann wieder 500 g Spannung und leistet 92 gem Arbeit. Während also in diesem Fall sich die Spannung mit der 'Temperaturerhöhung fast gar nicht verändert hat, sinkt die Arbeit um über 20%. Über den Zusammenhang von Spannung, Verkürzung und Arbeits- leistung bei wachsender Reizdauer geben die Abb. 12 u. 13 und die Zahlen der folgenden Tabelle XI Auskunft. In diesen Fällen wurde, !) £ isotonisch bestimmt, d aus Diagramm. '8g IN YONSIOA -IONBPZIOY IOPUISYUIeN 194 U9LOINNPPY Ue P Sungstospoquy IG 'IN YonsIoA "ISA Ionvpzioy pun 7 eyoyqug ‘ds Sunuueds UA YDIOTSIOA ET 'AAV T9PUISUITA 194 SNIWIUIOIISEH SOp Y Aoqıy pun ds Sunuuedg ‘7 ayoyqny ST 'dqv - 5 HONBRZI2M ; JaMmDOZIas/ uno nEO AU uLO 0 u90 NO: oO) 3) WO. BED. o a Li 00L 001 i 05 2 008 05 008 38 008 00E € f n 00M 00, 00 00m m = 5 008 = 008 5% So 00 ® OgL 9 9 05 009 9 = Eh a L 00L 00L 002 002 008 b 006 a — 006 a ala NEIN) ob usb 77 dt Et 5 DrIH Na Wu Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 157 um die Muskeln nicht zu stark zu ermüden, außer der Spannung nur noch die Verkürzung bei isotonischer Kontraktion aufgenommen und dann die Arbeitsleistung mit wachsender Reizdauer bestimmt. Ohne den Einfluß der Ermüdung würde die Arbeit bei längerem Tetanus noch größer ausgefallen sein. Aus der Tabelle sieht man, daß der Quotient Sl A Dauer der Tetani die aus dem Diagramm berechnete Arbeitsgröße nahezu erreicht wird. Ohne Ermüdung, wenn man unmittelbar mit der längeren tetanischen Reizung beginnt, kann man entsprechend dem Befunde von Fick die aus dem Diagramm berechnete Arbeit voll er- halten. Gereizt wurde mit einer Frequenz von 50 Unterbrechungen pro Sekunde mit Bernsteinunterbrecher. sich dauernd verkleinert und daß gleichzeitig bei der längsten Tabelle XI. Spannung, Verkürzung, Arbeitsleistung bei wachsender Reizdauer. Span- |Verkür- Ber. Ar- Arbeit R & Se) IR Nr.| Datum 2% Muskel 5 = | RORe. | nung | zung | beit a. | gemes- | = es | g |mm|) Grad | Selcan me mm | Piaer. | sen , 55 21. XIT.| E. [Gastr. 1,45|36| c.20 | E 400 | 5,0 | ı100| 95 [15,5 | | 21 12,900.7 82 3500340. 1.915 | | | 56| 3.11. | E. Gastr.|1,35|33) ca. 10 E 500.| 38 | 95| 70 124 | | 019 | 1100 | 7,4 | 400| 350 | 10,0 37 5.11. | T. |Gastr.\0,55|7)| 9 | E 300 | — | | | | 0015| 410 | 2,9 601 32 |29 | 0,04 | 570|) 46 | 130) 53 |34 | 008 | 0) 9 a | 0,2 900 | 5,351 240| 156 | 15,6 0,35 |\ 185 | 13,7 >08 280 | 232 2114 58|12.11. | T. | Ada. |0,95| 35 ca. 10-151 E | 350| 56 | 180) 58 121 | 0122 670) 12,37, 2810 700 0 | 1 ie 20,352 7 700) 713,3. | 465. 210. 115 29 18.I1. | E. | Add. |1,25/34| 10-15 | E 300 ı 4,6 69 33 | 31,0 a ı 0,075) 580 | 10,0 | 290, 138 | 14,3 17:04 760 \\ | | >03 ze tl \eaa00| 277 | 9,3 6016.11. | E. 28art04 |42| ca.ı5 | 4| 5,6 12) 2 | — 0075| zolıo3 | 36| 10 29 05 | \ 70 |ca. 11 39| 24 13 Wie erklären sich nun diese Gesetzmäßigkeiten und was können wir aus ihnen schließen? Wenn wir mit Fick und Hill annehmen, daß die chemische Energie zunächst in eine Form „elastischer Energie“ trans- 158 OÖ. Meyerhof: formiert wird, welche die Verkürzung veranlaßt, so suchen wir eigent- lich die Größe dieser potentiellen Energie, die sich nicht direkt bestim- men läßt, auf irgendwelchen indirekten Wegen festzustellen. Will man sie direkt aus der gefundenen Arbeit entnehmen, so ist zu berücksich- tigen, daß Verluste eintreten können, sowohl bei der Umwandlung der chemischen Energie in „elastische“ als auch bei der Umwandlung dieser in Arbeit. Die Spannung selbst ist natürlich nicht von der Dimen- sion einer Energie, erst durch Multiplikation mit einem Längenfaktor erhalten wir die gesuchte Spannungsenergie. Gewiß liest der Schluß nahe, daß die gesuchte Länge nichts anderes als die Strecke der maxi- malen isotonischen Verkürzung auf denselben Reiz hin darstellt, der am festgehaltenen Muskel die gemessene isometrische Spannung erzeugt hat. Das ist die Idee des Spannungslängendiagramms, die dem Ver- halten eines elastischen Bandes entlehnt war, gegen die sich jedoch auf Grund unserer Versuche schwere Bedenken erheben. Nun hat das Versagen der Berechnung nach dem Diagramm bei differenten Muskelarten, differenten Temperaturen und Reizdauern verschiedene Ursachen. Die geringere Arbeit bei höherer Temperatur darf vor allem auf die schlechtere Ausnutzung der potentiellen Energie bezogen werden, indem ihre Umwandlung in kinetische weniger reversibel erfolgt und daher Reibungsverluste eintreten. Je langsamer die Kontraktion abläuft, um so vollständiger kann sich der Muskel in jedem Augenblick mit der Last ins Gleichgewicht setzen und um so weniger kommt es zu Verlusten durch irreversible Prozesse. Hill und Hartree haben kürzlich gezeigt!), daß wenn man ungereizte Muskeln entlastet, eine Wärmeabsorption stattfindet, der ein Steigen der Tem- peratur sich anschließt; die negative Wärmetönung war um so größer, die nachherige positive Wärmebildung um so kleiner, je langsamer die Entlastung vorgenommen wurde. Bei der Wärmeabsorption handelt es sich um einen vom Leben unabhängigen thermoelastischen Effekt der Muskelsubstanz, der aber nur bei einer möglichst ‚‚reversibel‘ vor- genommenen Entlastung voll zur Geltung kommt, während er sonst durch irreversible Effekte — Verschiebung der viskösen Zwischen- flüssigkeit der Fibrillen? — zum Teil überdeckt wird. Derartige irreversible Effekte müssen nun auch bei plötzlicher Kontraktion stattfinden und Hill und Hartree zogen daraus den zutreffenden Schluß, daß ein Muskel bei einer Einzelzuckung einen um so größeren Bruchteil der potentiellen Energie in Arbeit müsse umwandeln können, je langsamer er sich kontrahierte. Mit dieser Annahme sind meine Versuche in vollständigem Einklang. Ja, man kann sogar zeigen, daß bei hohen Temperaturen von etwa 20° an die Arbeit am Winkelhebel mit der Ermüdung wegen des verlangsamten Ablaufs der Zuckung zunimmt, 1) Philosoph. Transactions, 210, S. 153. 1920. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 159 während die Spannungsleistung unter diesen Umständen schon sehr abgenommen hat. (Dies erklärt wahrscheinlich das paradoxe Resultat Heidenhains, daß der Wirkungsgrad des Muskels mit der Ermüdung stiege.) Anders aber bei den anderen Abweichungen der Arbeitsleistung vom Diagramm, die sich offenbar direkt gegen die angenommene Größe der potentiellen Energie selbst richten. Man kann die auffällige Tatsache nicht übersehen, daß gerade bei den Muskeln, wo. der Faktor !/, der Formel 1 Sl OD besonders klein ist, wo sich die Muskeln also mit einer u bestimmten Spannung stark verkürzen, die Arbeit einen sehr viel kleineren Teil des Diagramms ausmacht als beim Gastrocnemius, wo die Verkürzung gering ist; infolgedessen ist der Faktor !/,-in der Formel 1 Sl ä PR AR = 7 sogar bei den ersteren Muskeln eher kleiner. Im günstig- sten Fall ist er aber, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, offenbar bei den verschiedenen Muskelarten ziemlich gleich. Die Ursache dieser Erscheinung möchte ich im folgenden sehen: Die durch den Reiz gesetzte Spannung hält nur eine sehr kleine Zeit an; andererseits wird die Kon- traktionsdauer durch die Belastung verlängert, und zwar um so mehr, je länger die Strecke ist, über die der Muskel sich verkürzt. Infolge- dessen ist bei einem gewissen Verkürzungsgrad durchaus nicht mehr die Spannung vorhanden, die im Diagramm bei dieser Muskellänge ver- zeichnet wurde, wo der Muskel sich unbelastet bis zu der betreffenden Stelle hat verkürzen können. Es ist als ein Irrtum anzusehen, daß die durch einen einzelnen Reiz oder einen ganz kurzen Tetanus freigemachte potentielle Energie ausreicht, um die Spannung im Muskel die „Dehnungskurve des gereizten Muskels“ wirklich ablaufen zu lassen, die er vorheriin einer Serie von Einzelhüben bzw. einer Serie kurzer Tetani be- schrieben hat. Zu dem theoretischen Ablauf ist der Muskel erst dann unter allen Umständen befähigt, wenn die tetanische Reizung lange genug währt, um auf jedem Verkürzungsgrad noch unverbrauchte poten- tielle Energie zur Verfügung zu stellen, die zur Transformierung in mechanische Arbeit dienen kann. Bei der Übertragung des Spannungs- längendiagramms auf die Arbeit der einzelnen Kontraktion ist also ebenso wie bei dem oben erwähnten Experimentalbeweis Ficks der Zeitfaktor übersehen worden!). Leider können wir nun nicht sagen, wie groß die potentielle Energie bei einer Muskelzuckung ist. Sicher ist sie nicht nur kleiner als sich aus !) In einer soeben erschienenen Arbeit von Lüscher, Zeitschr. f. Biolog. %3, 1921, S. 67, wird die gleiche Frage in ähnlichem Sinn bei Berechnung der maximalen Arbeit des Froschherzens diskutiert. 160 OÖ. Meyerhof: der Hillschen Formel berechnet, sondern weicht auch noch nach unten zu von der Größe des Diagramms ab, wie wir es hier berechnet haben. Wenn wir andererseits mit Hill annehmen dürfen, daß sie ein konstanter Faktor des Produktes von Spannung x Länge im Muskel ist — und dies hat er in neueren Versuchen am Sartorius sehr wahrscheinlich ge- macht!) — so würde sie am ausgeschnittenen Organ auf etwa !/,, zu veranschlagen sein. Vermutlich ist sie im Tierkörper etwas größer. Darüber werden im nächsten Kapitel noch einige Bemerkungen gemacht. c) Arbeitsleistung des Muskels am Schwunghebel. Man könnte den Einwand erheben, daß die Absicht, den Muskel unter denselben Bedingungen arbeiten zu lassen, unter denen seine iso- metrische Spannung gemessen wurde, von uns doch nicht in jeder Rich- tung voll erfüllt sei, etwa insofern bei der isometrischen Spannungs- leistung der Muskel die ganze Zeit hindurch seine Länge beibehält, bei der Verkürzung am Winkelhebel aber nur im ersten Moment der Kon- traktion. Der Einwand besagt also, daß wir zwar am Winkelhebel die freie Energie auf möglichst reversibllem Wege in Arbeit überführt hätten, aber die gesamte Energieproduktion wäre infolge der Form der Kontraktion nicht so groß gewesen wie bei einer isometrischen Zuckung. Nun ist zwar die Energieproduktion bei freier Verkürzung geringer als bei der isometrischen Zuckung, wie von Hillan der Wärmebildung, von mir an der Bestimmung der Milchsäuremenge gezeigt wurde, sie ändert sich andererseits aber nach Hill nicht, wenn wir bei einem Tetanus den Muskel nach Erreichung der maximalen Spannung sich verkürzen lassen; daher ist dieser Einwand hier von vornherein unwahrscheinlich. Wir können ihn auf verschiedene Weise beseitigen, z. B. kann die Über- tragung am Winkelhebel so verändert werden, daß der Muskel sich auf den Reiz hin bei Hebung des Gewichts nicht mehr voll verkürzt. Soweit ich festgestellt habe, fällt die Arbeit unter diesen Umständen nicht größer aus. Vor allem aber diente zur Messung der Arbeit bei geringer Verkürzung ein auf Ficks Vorschlag hin benutzter Trägheitshebel. Ein Hebel wird durch ‚‚Schwungmassen‘ stark belastet und durch den Muskel in Bewegung gesetzt; die ihm erteilte Bewegungsgröße wird in Arbeit umgewandelt, indem der eine Arm des Hebels entweder, nach- dem er in Schwung geraten ist, oder von vornherein durch ein geringes Übergewicht belastet wird. Die von Fick benutzte Anordnung ist allerdings recht umständlich und die Resultate waren nicht sehr be- friedigend, da er in einem Tetanus von unbestimmter Dauer nur die Hälfte der Arbeit wie am Winkelhebel erhielt. Mit einem „Schwunghebel‘ (nach der Bezeichnung von Freys), dessen Trägheitsmoment richtig gewählt ist, muß sich der Fall reali- !) Hartree u. Hill, Journ. of physiol. 55, 133. 1921. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 161 sieren lassen, daß die Spannungsentwicklung des Muskels bei fast un- veränderter Länge erfolgt, und daß dabei die ganze Energie im Verlauf der Anspannung zur Beschleunigung von Massen verwandt wird und daher als Arbeit gewonnen werden kann. Ich benutzte den auf Abb. 14 abgebildeten Hebel. Zuerst versuchte ich, wie Fick, ihn vollständig herumschwingen zu lassen. Es erwies sich aber als einfacher, ihn einseitig so stark zu belasten, daß der auf- gesetzte Reiter nicht mehr als etwa 12 cm gehoben wurde und dabei Abb. 14. Schwunghebel in Verbindung mit verstellbarem Muskelhebel. 4A Schwungmassen (rechts mit Reiter, 5 Hemmung für Einstellung der Anfangsspannung, C Stellschraube zur Regulierung der Anfangsspannung, 7 Hartgummiblock zur Isolierung des (mit Schellack be- strichenen) Muskelhalters, D Halter für das Adduktorenpräparat. die Bewegung des Hebels auf einem Kymographion aufzuschreiben. Inzwischen hat auch Hill, von einem ähnlichen Gedanken wie Fick ge- leitet, einen Schwunghebel konstruiert, dessen Bau mir erst später be- kannt wurde, der aber dem meinigen sehr ähnlich ist. Auch bei seinem Hebel greift der Muskel direkt an dem sehr langen äquilibrierten und mit trägen Massen versehenen Hebel an, der dann auf einer Seite durch ein kleines Übergewicht belastet wird. Ein großer Vorzug seines Hebels ist, daß er sich auf Messerschneiden bewegt; auch wird jede Reibung am Kymographion vermieden und der Ausschlag an einem vertikalen Maß- stab gemessen. Doch fallen wahrscheinlich die Reibungsverluste bei den starken Muskeln, mit denen ich arbeitete, und den weniger großen Be- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 11 1/62 O. Meyerhof: Le] wegungen des Hebels nicht so ins Gewicht. Der von mir benutzte Hebel wurde durch eine Schraube B in der Ruhelage fixiert. Der Muskelhalter gestattete ein Eintauchen in Ringerlösung. Er war so verschieblich gebaut, daß sowohl der Knochenansatz des Muskels wie sein Befestigungs- punkt am kurzen Muskelhebel genau vertikal unter den Aufhängepunkt gebracht werden konnte. Auch trug dieser Muskelhebel noch eine Stellschraube, durch die der Muskel bei jeder gewünschten Anfangs- spannung gehalten werden konnte. Diese wurde bestimmt indem man vor Ausführung des Versuches den nach oben schwingenden Arm des Schwunghebels entsprechend belastete und dann die Stellschraube danach einstellte. Die Maße des aus Messing gefertigten Hebels waren die folgenden: Länge der Arme je 14,3 em. Auf beiden Seiten saßen verschiebliche Schwungmassen (4A) von 100,8 g in Form flacher Zylinder (Radius = 1,85 cm). Sie wurden meist ganz ans Ende gerückt, so daß der Abstand ihrer Schwerpunkte von der Drehachse 13,0 cm betrug. Auf beiden Seiten besaß der Hebel eine Reihe von Schraublöchern, in die der den Muskeldraht tragende Stift und auf der anderen Seite ein entspre- chendes Gegengewicht eingeschraubt werden konnte. Die „äquivalente Masse‘ am Ansatzpunkt des Muskels ließ sich verändern, indem entweder die aufgesetzten Messingzylinder verschoben oder der Abstand des Muskels von der Drehachse verändert wurde. Ich wählte meistens das zweite Verfahren. Das Trägheitsmoment des Schwunghebels berechnet sich nach der Formel K=!/,ml +2 m,!!. Darin bedeutet m Masse des Hebels ohne Schwungzylinder — 31,7 g, ! Länge des ganzen Hebels 29,6 cm, m, Masse jedes Schwungzylinders 100,8 g, !, Abstand der Schwerpunkte derselben von der Drehachse 13,0 cm; dies ergibt X Trägheitsmoment ohne aufgehängte Reiter 36,300. Die äquivalente Masse (K’), bezogen auf den Ansatzpunkt des Muskels, beträgt K’ — wenn d den Ab- 0 stand des Muskelansatzes von der Achse in Zentimeter bedeutet. Es ist nun die Aufgabe, die äquivalente Masse so zu bestimmen, daß der Muskel sich bei der Kontraktion selbst nicht vom Hebel ablöst, sondern sich während der ganzen Spannungszeit nur in geringem Maße verkürzen kann. Die Ablösung des Muskels von dem schwingenden Hebel geschieht dann erst bei der Erschlaffung. Ich ermittelte das günstigste Trägheits- - moment jedesmal durch Herumprobieren. Mit diesem Hebel wurden meistens nur Versuche mit gleichzeitiger Milchsäurebestimmung ange- stellt, die im nächsten Kapitel beschrieben werden. Soweit die ge- leistete Arbeit mit dem Spannungslängendiagramm verglichen wurde, ‚entsprechen die Resultate im günstigsten Fall denen am Winkelhebel, meist blieb die Arbeit hinter der dort gefundenen zurück. In mehreren Fällen wurde die Abhängigkeit der Arbeit von der Reizdauer gemessen. Zwei Versuche am Gastrocnemius bei 3° und 16° sind auf Abb. 15 (Vers. 63, 64) abgebildet. Das Resultat: stärkeres An- Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 163 wachsen der Arbeit mit der Reizdauer bei höherer Temperatur, fanden bereits Hill und Hartree am Sartorius. Auf Abb. 16 ist Vers. 66 mit einem Sartoriuspaar dargestellt. Ein weiterer Versuch dieser Art mit 5p 760 740 720 700 I 0 nm _ 0 EA OO Zu 0 30 0.4 055 01 02 03 Abb. 15. Arbeit am Schwung- Abb. 16. Spannung S» und Arbeit 4 eines Sar- hebel bei wachsender Reizdauer. toriuspaares (am Schwunghebel) bei wachsender e— ee Gastrocnemius bei 16°, Reizdauer, <—x—x Spannung, I 0—0—0 Ar- o—0—o Gastrocnemius bei 3°. beit bei Äquivalentmasse 4000, IT e-s—e bei Äquivalentmasse 5400. D Ye) Säugetiermuskeln bei 35° ist in Abb. 17 abgebildet. Hier ergibt sich entsprechend der höheren Temperatur ein noch steileres Ansteigen der Arbeit mit der Dauer der Reizung. In der Tabelle XII (s. S. 164) ist außer den zur Arbeitsberechnung erforderlichen Daten die äquivalente Masse K’ angegeben, die nach der obigen Formel berechnet ist. Auf systematische Untersuchungen mit dem Schwunghebel konnte ich verzichten, weil inzwischen Y. Doi!) mit dem Trägheitshebel von Hill Versuche an Sartorien angestellt hat, die die obigen in willkomme- ner Weise ergänzen. Er bestimmte sowohl die Spannungslängen- werte bei wachsender Dehnung als auch die direkte Arbeit von Einzelzuckungen des Sartorius bei 5° und 15°. Der von ihm berechnete Faktor von nm lag für das optimale Trägheitsinoment bei 5° zwischen 17 und 25, bei 15° zwischen 20 und 30. Doch rechnete er als ! die Länge des ganzen schlaffen Muskels, während diejenige, die bei einer geringen Anfangsspannung das Maximum an Spannung entwickelte bei den sehr dünnen von ihm benutzten Sartorien das 1,7fache dieser Länge betrug. Darauf umgerechnet würden die Werte bei 15° zwischen 34 und 50 liegen, was mit dem obigen Versuch am Sartorius übereinstimmt. Da- 1) Journ. of physiol. 54, 1920, S. ‘84. I 164 OÖ. Meyerhof: Tabelle XII. Arbeitsleistung am Schwunghebel. Ge- N | Reiz- |Maxim. Nr. | Datum Muskel | ont | Döner, | aan | a K’ Fe Be g | mm Grad | Sek. | nung | gem a 61 |. 8. MM. |Gaste| 0,956.) 35 | 15 | = 360 13000 70 18 62 | 10.III. |Gastr.| 125 | 36 | 10 | 0,15 | 980 |14700|294 12 10.1. |Gast.| — | — | 25 | 0,15 11050 |14700|348 11 63 | 12.III. |Gastr.| 05 | 26 3 E |230 113200] 22 37, ‚0,05 13200| 25,2 | 0,09 | 13200 | 26,6 | | | 10,16 | 13200| 31 | | | 1 0,25 | 13200! 33,6 | | | 0,42 13200| 44 || | | 64 | au. DIE: |Gastr. | 152, | 88. u 16 CH 13500 20,5 | 0,045. 13500| 62,5 | | 0,08 135001 85 | | | 0,15 13500 134 | | | 0,22 14400 155 | 0,35 14400 167 65 | 1a tn. JAda.| 1556| 39 | 2 | E | 3259214400119 11? 66&.17..000: 2. Sant. 0,4 |, 44.21.16 | m 195. 65200.|..97 46 | E | 802) 5400 | 5,59) | | | 0,045 126 | 5400 | 15 37 | | 0,08 | 135 | 5400 | 22 26 | 0,15 | 142 | 5400 | 33 19 II} | 0,05 | 4000 | 21,5 26 | | 0,15 4000 | 41 14,5 | | 0,32 4000 | 66,5 | ca. 10 gegen würde der Wert von !/, für das auf die gleiche Muskellänge be- rechnete Diagramm nach den Bestimmungen von Y. Doi sich zu etwa 7—8 ergeben (nach der Berechnungsweise von Hill zu etwa 4—5). Wir haben hier also dieselbe Kluft zwischen der gemessenen maximalen Arbeit und der aus dem Diagramm gefolgerten. Kapitel IV. Arbeitsleistung und Milchsäurebildung. Am sichersten gehen wir aber im Vergleich der isometrischen Leistung und der Arbeit, wenn wir gleichzeitig die Milchsäure bestimmen. Das Verhältnis kg cm Arbeit : mg Milchsäure, den Arbeitskoeffizienten der Milchsäure (X) können wir dann mit dem unter analogen Bedingungen gewonnenen X, vergleichen. Gleichzeitig erhält man so den tatsäch- lichen Wirkungsgrad des Muskels in der anaeroben Phase, wenn man für !) Wahrscheinlich Spannung zu gering. *) Submaximaler Reiz, R.-A. 12,5 cm, entsprechend der tetanischen Reizung. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 165 die Milchsäure die Kalorienzahl einsetzt, die ich in einer früheren Arbeit bestimmt habe. Wenn auch noch nicht sicher feststeht, ob die bei der Kontraktionswärme beobachteten Schwankungen des kalorischen Quo- tienten der Milchsäure nur auf Unsicherheiten der Messung oder auf systematische Variationen zu beziehen sind, so können wir doch die mittlere Zahl von 400 cal (+ 15%) pro 1 mg Milchsäure ohne erheblichen Fehler unserer Berechnung zugrunde legen. Diese Rechnung durchzu- führen ist deshalb von Interesse, weil es mit zulänglichen Methoden aus- geführte Bestimmungen des thermischen Wirkungsgrades des isolierten Muskels überhaupt nicht gibt. Es darf nicht übersehen werden, daß die genauen Messungen Hills nur an der isometrischen Kontraktion ausgeführt sind, und sich daher nur auf den ‚‚fiktiven‘‘ Wirkungsgrad beziehen unter Voraussetzung der Gültigkeit der oben diskutierten Formel. Bestimmungen unter gleichzeitiger Messung der Arbeit gibt es aber nur aus älterer Zeit von Heidenhain, Fick und Metzner. Die genauere Erkenntnis der Vorgänge bei der Kontraktion hat den von diesen Forschern gefundenen Zahlen nur noch historische Bedeutung gelassen. An der berühmten Versuchsreihe Ficks, in der die Zunahme des Wirkungsgrades des Muskels mit wachsender Belastung demonstriert wurde und wo sich maximal ein ‚‚Nutzeffekt‘“ von 27% ergab, hat schon Hill vom methodischen Standpunkt aus Kritik geübt!), da die Last hier frei am Muskel zog und mit zunehmender Belastung ein wachsender Teil der Arbeit von elastischen Kräften geleistet wurde. Die Hauptsache ist aber doch, daß man damals die Erholungswärme nicht kannte, und daß nach der Anordnung der älteren Autoren auch in Luft oder Sauerstoff stets nur die initiale Wärme bestimmt werden konnte. Die Ficksche Zahl entspricht also im besten Fall dem anaeroben Wirkungsgrad des Muskels. Nach Hills myothermischer Schätzung müssen etwa 50%, nach meiner Bestimmung des bei der Restitution verbrauchten Sauer- stoffs mindestens 47%, und durchschnittlich etwa 57%, der gesamten Kon- traktionswärme in die Erholung fallen. 57% ergeben sich, wenn von 4 Molekülen Milchsäure 3 zu Zucker zurückverwandelt werden und eines verbrennt, 47%, würde man erhalten, wenn von 5 Molekülen 4 zurück- verwandelt werden könnten [vgl. dazu das folgende]?). Um also die Fickschen Zahlen überhaupt mit Bestimmungen des oxydativen Wir- kungsgrades z. B. mit kalorimetrischen Bestimmungen am lebenden Tier, mit Sauerstoffme:sungen am arbeitenden Herzen oder dergleichen in Parallele zu setzen, müssen sie durch 2 dividiert werden. Dann beträgt also im günstigsten Fall der von Fick gefundene maximale Wirkungs- grad bei hoher Belastung nicht 27%, sondern 13%. In der Tat kann ich bestätigen, daß es ausgeschlossen ist, am Adduktorendoppelpräparat !) Asher Spiros Ergebnisse der Physiologie 15, 340. 1916. ?) Siehe auch Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 188, 152. 1921. 166 OÖ. Meyerhof: nach Fick, wenn man es bei Zimmertemperatur isotonisch arbeiten läßt, einen höheren oxydativen Wirkungsgrad zu erhalten; vermutlich ist bereits dieser durch die elastischen Kräfte des gedehnten Muskels vergrößert. Ich verglich unter verschiedenen Variationen der Muskelart, Tempe- ratur, Reizdauer die Milchsäurebildung und Arbeitsleistung am Winkel- hebel und Schwunghebel. Hier ist es nun nötig, eine ganze Arbeitsserie ausführen zu lassen, damit die Milchsäureausschläge gut meßbar sind. Dadurch wird eine gewisse Ermüdung bedingt, welche den Wirkungs- grad des Muskels verschlechtert. Oben sahen wir schon, daß sich bei Vergleich der ersten und zweiten Hälfte einer isometrischen Ermüdungs- reihe eine Verschlechterung des Wirkungsgrades der zweiten Hälfte von etwa 35% ergibt. Nun wurden die Arbeitsversuche nicht bis zur Er- schöpfung fortgesetzt, sondern in der Regel bis zu !/,—?/, der totalen Ermüdung. Die früher abgebrochenen ergaben durchschnittlich einen erheblich besseren ‚Arbeitskoeffizienten; und es ist kaum zweifelhaft, daß schon diese durch die Ermüdung ungünstig beeinflußt sind. Eine weitere Ungenauigkeit entsteht dadurch, daß bei den Oberschenkel- muskeln ein meßbarer Betrag der Milchsäure auch schon in neutrale Ringerlösung übertritt. Wird nun die Milchsäure der Ringerlösung ver- nachlässigt, so ist die gefundene Milchsäuremenge etwas zu klein, wird dagegen die Ringerlösung mit verarbeitet, so erhält man leicht etwas zu hohe Zahlen, weil die Adduktoren nicht ganz so sauber zu präparieren sind, wie die Gastrocnemien und am Beckenansatz Muskelfetzen zurück- bleiben können. In der folgenden Tabelle XIII ist durch ein + oder — Zeichen angegeben, ob die Ringerlösung mitverarbeitet wurde. Für den Anfangsgehalt wurde bei den Gastrocnemien wie bisher 0,02%, bei den Adduktoren 0,025%, in Abzug gebracht, entsprechend der etwas gröberen Reizung bei der Präparation. Bei den Arbeitsserien des Muskels kann nicht die Berechnung für jeden Hub einzeln ausgeführt werden, besonders am Winkelhebel für den Fall, daß das Gewicht nicht ganz bis zur Senkrechten gehoben wird. Ich habe nach Feststellung der iso- metrischen Spannung und der isotonischen Verkürzung die benötigten Drehmomente berechnet und dann den Abstand des Gewichts von der Achse in einigen Probe- zuckungen so verändert, daß es gerade vollständig gehoben werden konnte. Diese Probezuckungen wurden den Vollhüben bei der nunmehr gewonnenen Stellung zu- gezählt. In dieser Lage des Gewichts wurde mit der Reizung fortgefahren und der lange Hebelarm, wenn er sich nicht bis zum Magneten aufrichtete, beim Zurück- fallen aufgefangen, um unnötige Zerrungen des Muskels zu vermeiden. Sobald 2 oder 3mal der Hebelarm nicht mehr bis in die Senkrechte gehoben wurde, wurde das Gewicht etwas gegen die Achse verschoben und gleichzeitig auch die Reizstärke vermehrt. Die Hübe mit unvollständiger Aufrichtung wurden nun wieder den benachbarten vollständigen Hüben zugezählt und so fortgefahren, wobei im Verlauf der Ermüdung meist ein größeres Gewicht durch ein, klei- neres ersetzt werden mußte, bis schätzungsweise 1/,—?/, der Ermüdung_ er- reicht war, Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 167 Überschlagsweise können wir aus den bisher gefundenen Daten be- rechnen, welchen Wert wir für X, den Arbeitskoeffizienten der Milch- säure zu erwarten haben, wenn unsere Annahme zutrifft, daß die im vorigen Kapitel bestimmten Arbeitsgrößen tatsächlich mit derselben Energieproduktion geleistet wurden, wie die isometrische Spannung der Parallelversuche. Wir erhielten nämlich für X, = bei Einzel- mg Mi zuckungen von Gastrocnemien bis zur totalen Ermüdung 80—100, bis zu halber Ermüdung 125, nahezu unabhängig von der Temperatur. S.l A des Gastrocnemius bei tiefer Temperatur 15—19. Durch Division Andererseits ergab sich für am Winkelhebel für Einzelzuckungen erhalten wir somit für K,= ——-— , wenn wir K, für die erste Er- mg Mi müdungshälfte benutzen und entsprechend der anderen Längenmessung Y Sl des Muskels um 12% vergrößern, also mit 140 rechnen, und für ET L 17 setzen, den Wert 8,2; wenn wir mit weitgehender Ermüdung rechnen und für X, 100 setzen, dagegen den Wert 5,9. (Dem größten Wert 8,2 würde bei der Umrechnung in Kalorien der anaerobe Wirkungsgrad von 47%, und entsprechend ein oxydativer Wirkungsgrad von etwa 23 % entsprechen.) Schwerer ist das Resultat für die andern Fälle zu berechnen, so für Tetani wachsender Dauer. Immerhin ergab sich, Y } X S-1 daß K,„ mit wachsender Reizdauer sinkt, dagegen Ta Resultat der Versuche ist auf Tabelle XIII angeführt. Wir finden, daß in denjenigen Fällen, in denen die Ermüdung nicht zu weitgehend ist, der Arbeitskoeffizient bei tiefer Temperatur zwischen 8 und 5 liest und zwar unabhängig davon, ob es sich um Einzelzuckungen oder kurze Tetani, um Gastroenemien oder Adduktoren handelt. Bei starker Ermüdung, etwa über 0,2% Milchsäure ist X, noch kleiner und liegt zwischen 3 und 5. Da die Abhängigkeit vom Ermüdungsgrad neben der von der Temperatur die auffälligste Erscheinung ist, während die anderen Umstände angesichts der methodischen Schwierigkeiten und Unsicherheiten ohne sichtbaren Einfluß bleiben, sind in der folgen- den Tabelle für Gastrocnemien und Adduktoren die Versuche mit schwächerer und hochgradiger Ermüdung getrennt angeordnet, wo- bei als Grenze 0,21%, Milchsäure entsprechend !/, des Ermüdungs- maximums angesetzt sind. Wenn kein vollständiger Parallelismus von K,„ mit der Ermüdung vorliegt, liest das wohl großenteils an der Fehlerbreite der Milchsäurebestimmungen. Im ganzen stimmen die Resultate gut zu den gemachten Voraussetzungen; und die Arbeitswerte sind keinesfalls größer, vielmehr sogar etwas geringer als berechnet ansteigt. Das 168 O. Meyerhof: worden ist; offenbar weil bei tiefer Temperatur die Arbeitsleistung der Milchsäure mit der Ermüdung noch rascher sinkt als die isometrische Spannung. Rechnen wir nun sowohl die Arbeitswerte wie die Milch- säureausbeuten in Kalorien um, so erhalten wir den tatsächlichen ther- mischen Wirkungsgrad der anaeroben Phase, der z.B. für X, = 7 sich zu 41% für K,=5 zu 29% ergibt. Wenn wir bedenken, daß selbst die größten Werte schon durch Ermüdung beeinflußt werden, so müßte sich für den unermüdeten Muskel sowohl bei Einzelreizen wie Tetani, bei Adduktoren und Gastrocnemien wohl der aus der obigen Formel Sl A berechnete anaerobe Wirkungsgrad von etwa 45—50% ergeben. Wichtig erscheint, daß der Muskel bei kurzer tetanischer Kontraktion denselben Wirkungsgrad wie bei Einzelzuckungen besitzt. Dies Resultat widerlegt die Annahme, als wäre der Tetanus eine unzweckmäßige oder besonders verschwenderische Einrichtung zur Erzeugung mechanischer Arbeit. Tabelle XIII. Anaerobe Arbeitsleistung am Winkelhebel und Milchsäurebildung. a) Arbeitsleistune. 2 Milieu Reiz- Hub- Nr. Datum |Frosch- Muskel GeynuLine dauer Teup: Rt!) | | art “g mm Sek. Grad L?) zahl | kg-em Schwach ermüdet. 67.1, 2.4. |» 7 |-Gaste |.0:5 | 265 |0.18° 196 10.1, Br | 30. tea 68-0732: E E. Gastr. | 1:32.36 E 5—10 12 7,50 692118232210 E. | Gastr. | 0,7 26 E 5 In 1.01732 26,85 AO E39. SERIE AB | Gastrai 0,850 30 0.12 5—8 12 2.283: 1510,39 2121.19... Bl /Gaste 120:93, 31 0,08 6 ler | Adors, 721,20. DE. | Mo Gastr, 12.3 3X E 7 2151 7,84 728.0 2.2 VI2 RB. | Gastr |, 1.2 37 E 5 R 8 4,95 22,22 SV. ® 6 2022 2Gastr21:0 35 0,1 5 R 48 3:52 Stark ermüdet. 73 9m: E. |.Gastr. | 1,12 | 33 E 7 R 200 | 7,45 74- | 10. 1. E. | Gastr. | 0,75 | 28 0,2 8 L 85 6,06 75.19.11. B...: Gaste.:\.0,7 1027 0,075 25 L 93 6,36 76 || 24. II. E. | Gastr. | 0,6 26 0.075 6 L 85 7,18 el | 2A: EB. taste. 10:6 26 0,075 | ca.23 L 88 841 78 || 16. III. BE Gasen. 3] 32 0,08 2 R 99 1.29 Schwach ermüdet. 9=1 23. Il. E. Grace. 21204 33 E 15—10 L 167 | 6,58 80220 1V. RE. Grace.) 12 42 E 2 R 98 7,41 Stark ermüdet. a RE E Add. 1:2 33 0,075 6 L 118 |13.5 82.21.18. 1. E Add. 1352087 0,075 | ca. 10 L 95 | 13,8 83.11 15. IE Al Add. | 1.05:|:. 33 E 10 L 200 10,8 !) R = Ringerlösung, L = Luft. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 169 Tabelle XIII (Fortsetzung). b) Milchsäurebestimmung. : ; Milchs. gebildet| Mit (+) od ERS ...17..7] | Anaerob. N cas milch ae Se Ringer x. | Mikrokal. | Mikrokal.| Wirk -Gr me %, mg Stel Milchs. Arbeit 9%, Schwach ermüdet. 67 | 0,78 | 0,156 | 0,68 = “Oo 2.08 | 112 41 68 | 1,62 | 0,120 135 = 3,4 540 176 31 69 | 1,33 | 0,19 1,19 = 5,7 475 160 33,8 Rom 1,823 1u0.21 | 1,65 _ 63 660 242 3 a 121:817 201195 1,62 + 4,35 650 185 28,5 72 | 2,03 | 0,156 Narr — 54 700 183 26,2 12a | 0,855 | 0,071 0,615 — | s,0 246 116 45 72b| 0,765 | 0,0765 | 0,565 — 76129210220. .|2282,5.| 36:5 Stark ermüdet. 73 | 24 0,214 2,18 Ar Ba 3708 7520,09 714 |22 0,293 2,05 | -- 172.951, 8207| 2142 |" 1.4.5 781620238 .0,319 7 | 2,09 _ 3,05 | 835 | 149 | 18,0 los mladar 10289 1,61 | = ı 445 | 645 108 | 26 ul 122,162 1.0.36 2,04 | nr ı 415 | 820 | ITEM 24 78.12.42 10918 2,10 + sb: 02845, 117001290 Schwach ermüdet. 79 | 1,06 | 0,151 0,90 = 7.3 | 360 | 154 | 43 80 || 1,60 | 0,133 1,30 Sr braun 02 5208) malen I 3354 Stark ermüdet. 81 13,04 | 0253 | 2,74 = 54:9 7.:41109° | 316.10 28:8 82 12,99 | 0,221 | 2,65 = 5% 21.1060) | 3257 1° 3015 83 || 2,72 | 0,258 2,46 -} ISA 98H || 725221 |1.2535 Ehe ich auf den Vergleich dieser Werte mit denen des oxydativen Wirkungsgrades eingehe, der von verschiedenen Autoren teils am ganzen Organismus, teils am durchbluteten Herzen bestimmt worden ist, seien noch einige Versuchsreihen mitgeteilt: 1. Arbeitsversuche am Schwunghebel, 2. Vergleich der Arbeitsleistungen bei verschiedenen Temperaturen, 3. einige Arbeitsversuche mit dem Fickschen Adduk- torendoppelpräparat am isotonischen Hebel und optimaler Belastung. Diese letzteren dienten zum Vergleich mit den Resultaten Ficks, nur daß der Muskel bei mir Unterstützungszuckungen ausführte. Die Daten für die Versuche am Schwunghebel sind in der folgenden Tabelle XIV enthalten. Die Arbeitssumme, die am Schwunghebel geleistet wurde, ist ver- hältnismäßig leicht zu bestimmen. Nach Feststellung der günstigsten Äquivalentmassen und Gewichtsbelastung geschah die Reizung und Aufzeichnung der Kontraktionen genau wie bei den isometrischen Ver- suchen. Bei Einzelzuckungen wurde auch hier mit dem Metronom ge- reizt. Die Serie der Arbeitshübe war am Kymographion leicht aus- 170 O. Meyerhof: Tabelle XIV. Arbeitsleistung am Schwunghebel und Milchsäurebildung. a) Arbeitsmessung. Dauer Milieu Gew. L Temp. Nr. | Datum | 3 E Muskel d. Reiz. R= Ring. Aauival. e E arnel | le g mm | Sek. | Grad | L=Luft Masse EIS)l Ko!cm 34 8. IE. 1% Gastr. | 0,95)1:35 E ca. 10 L 14400 | 277 | 9,8 85: | 110. HERE. \,Gastr.) 1,25.) 35.0.1522] ca. 10 L 14400 | 58 | 12,9 86. LOSE. 22 .Gastr: 125.035 :0515% 262.25 L 14400 | 43 10,4 87. JOSE INT. Gastr. | 1,1%1781 E 2 R 13500 |452 | 9,4 88 || OSTEN IT. |Gastr. |/1,1% 1031 E 2 R 13500 1141| 4,9 89 1 14. IL | E. |Gastr.| 1,1 |.32 . 1:0,08 2 R 38000 | 67 | 4,06 90.14. II. E. | Gäste. | 1,1. -32: 1.0.08 25 R 6200 | 87| 8,6 31 L6. ET T. | Gastr.| 1,15 1783 ..0:085 2 R 38000 [187 | 7,35 99. 1% 7.021. | 7% | Add 0,651]. 23.50.0987 1.5 10 5 5700 | 66| 4,6 3371,34. DIE.) EB: Add. 1,5539 E 2 R 14400 |115 | 8,05 bh) Milcehsäuremessung. | Milchs. Milchs. | Milchs. mit (+) } Mikrokal: Anaerober Nr. | u " | ee en Ka Milchs. Asheik a | Da re 2 41 960 2. 330. |, >a 8 | 3, 0,295 | 3,45 en n37 1380 302 22 86 3,46 0,277 3,21 Ze 3,2 1280 243 19 87 3,2 0,291 30 4 3,15 1200 220 18,3 88 | 1,53 0,139 | 1,31 = 3,75 525 115 > 89 || 1,50 0,136 | 1,98 r 39 510 95 18,5 90 | 3,29 0,30 3,07 I 2,8 1250 202 16,4 9] 2,16 0,196. 1,84 At 4,0 735 172 23,5 gar as 0,20 1,10 — 4,9 440 108 24,5 93 3,53 028 31 in 2,6 1250 188 15,0 zumessen. Der Schwunghebel gab stets geringere Arbeitsausbeute als der Winkelhebel. Das liegt zum Teil daran, daß das Optimum des Trägheits- momentes sich im Fortschritt der Ermüdung stark verändert; dem wurde aber nicht immer rechtzeitig durch Verkleinerung der Äquivalent- belastung Rechnung getragen. Infolgedessen ist in der Tabelle auch keine Trennung nach mehr oder weniger weitgehender Ermüdung vor- genommen. Immerhin sieht man aus einem Parallelversuch wie Nr. 87, 88, wo von symmetrischen Gastrocnemien der eine total, der andere zur Hälfte ermüdet wurde, daß auch hier der Wirkungsgrad im Fort- schritt der Ermüdung sinkt. In einer Reihe weiterer Versuche, von denen einige in den vorstehen- den Tabellen bereits enthalten sind, wurde die Abhängigkeit des X, von der Temperatur untersucht; es bestätigt sich, daß derselbe bei höherer Temperatur (20—25°) stets geringer als bei tiefer (5—10°) ist. Allerdings möchte ich dem sehr großen Unterschied bei Einzelzuckungen Die Energieumwandlungen im Muskel. V. al keine große Bedeutung beimessen, weil das Trägheitsmoment bei der hohen Temperatur für die stark beschleunigte Zuckung zu groß gewesen ist. Die Unterschiede bei tetanischer Reizung sind meist nicht sehr groß aber immer deutlich. Daß sie in der Regel geringer sind wie bei S.l der Bestimmung von An. liest offenbar daran, daß die Arbeitsleistung bei hoher Temperatur längere Zeit ansteigt infolge des mit der Ermüdung verlangsamten Ablaufs der Kontraktion. Die Werte sind in der Tabelle XV enthalten. Tabelle XV. Arbeitsleistung bei verschiedenen Temperaturen. | Mikro- | Mikro- Anaer. Ka | kalor. | kalor. | Wirk.-Gr. |kg - cm| mg | Milchs. | Arbeit. % | Vgl. Me- | Reiz- Nr. | Vers. | thode | dauer Nr. Ww, S*) | Min. Grad | Temp. | Hub- | Arbeit. | Milchs. zahl | we zlıol | us2 Wan | 100.183) | 262 E ca. 23| 279 | 5,68| 3,45 |1,65| 1380 | 133 | 9,7 | | 9) 76 | W 100% 6| 85 | 7,18 | 1,61 |4,45| 645 | 169 | 26,2 0,075 |ca. 23) 88 | 8,41 | 2,04 |4,15| 815 | 197 | 24 961 /70 | -w 10,12 5| 83 |10,36.| 1,65 |6,3 | 660 | 242 | 37 Oo 26.12.73 W889) 131052 12,9% 1.1550, 120801 nei77 | | | | gmlosn Ss E 2| 115 | 805| 3,14 126 | 1250 | 188 | 15,1 5| 267 | 1,9 | 4,55 10,42| 1820 | 45 2,5 98|| 89 Ss | 0,08 2 206.708 124:06,| | | 1.98 32 | 5600| 9 | 185 0,08 25| 87 | '86 E 7 | 128 | 1230 | 202 | 16,4 1 \3,7 | 1380 | 302 | 22,0 1 99|| 85 | 13:2 ı 1280 | 243 | 19,0 a oO m or 0| 58 5, 43 | 10,4 *) W = Winkelhebel, S = Schwunghebel. Das Resultat hat ein besonderes Interesse in Hinblick auf die Ver suche Weizsäckers!) am Froschherzen, die bisher noch nicht ge- deutet werden konnten. Dieser Autor fand nämlich, daß der oxydative Wirkungsgrad des Froschherzens (gscm Arbeit : mg O,) mit steigender Temperatur fällt, etwa um 25% pro 10°, wobei das Herz auxotonisch arbeitet. Andererseits aber fand er bei Einzelzuckungen am Skelett- muskel des Frosches, daß das Verhältnis isometrische Spannung : Wärme mit steigender Temperatur ansteigt. Dies letztere konnte allerdings Hillin neueren umfassenden Versuchsreihen mit verfeinerter Methodik nicht be- stätigen, indem bei maximaler Reizung Spannung und Wärmebildung mit steigender Temperatur bei Einzelzuckungen im Durchschnitt genau pro- portional fallen, so daß also das Verhältnis Spannung : Wärme tatsächlich t) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 148, 1912 und Sitzungsberichte der Heidelb, Ak, d. Wiss. math.-nat. Klasse B. II. Journ, of physiol. 48, 396. 1914. 172 O0. Meyerhof: u von der Temperatur unabhängig ist!). Nun ist aber die initiale Wärme der Ausdruck für eine bestimmte Milchsäureproduktion, andererseits wird die Menge verbrauchten Erholungssauerstoffs nur durch die Milchsäure- menge bestimmt und ist, wie ich am Gastrocnemius fand, entweder ganz oder nahezu unabhängig von der Temperatur, so daß das verschiedene Verhalten des oxydativen Wirkungsgrades des Herzens von dem anae- roben Wirkungsgrad des quergestreiften Muskels nicht am Erholungs- vorgang gelegen sein kann. Die Lösung dieses Dilemmas ist nun einfach die, daß bei tiefer Temperatur das Herz ebenso wie der Skelettmuskel mit derselben isometrischen Spannung mehr Arbeit leisten kann. Die Zunahme des Wirkungsgrades des Herzens bei sinkender Temperatur bezieht sich also auf die „effektive Arbeit‘ und beruht auf der voll- ständigeren Umwandlung der potentiellen Energie in kinetische infolge des mehr reversibeln Ablaufs der Kontraktion. Schließlich ergibt sich auch dasselbe Resultat mit dem isotonischen Hebel an dem Adduktorendoppelpräparat nach Fick. Es wurde zu- nächst die günstigste Belastung ausprobiert und mit dieser durch Einzel- reize ermüdet. Bei vorgeschrittener Ermüdung wurde die Belastung verringert. Die Ausrechnung der Arbeitsleistung geschah wie beim Schwunghebel. Tabelle XVI. Speer nDs am isotonischen Hebel (Doppeladduktorenpräp.). Mikro- | | Ruhe- | Milchs. Mikro- | Anaer. Nr. | Da a: last Tetmp:\(Hmb-)| 2b: gebild.| Ka kal. kal. | Wirk.-Gr. | | g mm en Grad zahl kg- a mg Milchs. | Arbeit. os 100 28% 1% u 50:.1.12051.10, 1:285.113:0 | 3.48 3.74) 1390 | 304 | 22 101 3.117.) 1 lau DO) 60.125: 1:315 7,15, 3,7 1,95, 1480 | 168 | 11,3 Fassen wir die Resultate der vorstehenden Versuche zusammen, so haben wir als anaeroben optimalen Wirkungsgrad am Winkelhebel bei direkter Bestimmung Werte bis gegen 45%, erhalten, während sich aus Sl den Bestimmungen von re im Optimum etwas über 45% am un- ermüdeten Muskel ergeben müßte. Es ist von Interesse, diese Werte mit anderen Bestimmungen des Wirkungsgrades zu vergleichen, ins- besondere mit dem oxydativen Wirkungsgrad, der am ausgeschnittenen Herzen und am ganzen Organismus bestimmt worden ist. Dabei be- rücksichtigen wir nur Messungen wirklicher Arbeitsleistung, während die Berechnung des fiktiven Wirkungsgrades aus der isometrischen Spannung, wie wir gesehen haben, nicht eindeutig ist. Je nachdem wir nun auf 4 Moleküle Milchsäure oder auf 5 Moleküle eines verbrennen lassen, würde das Verhältnis des anaeroben zum oxydativen Wirkungsgrad !) Briefliche Mitteilung, vgl. auch Journ. of physiol. 55, S. 143 ff. 1921. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 173 entweder 920/90 = 2,3 oder 730/00 = 1,9 sein. Bei direkten Bestimmungen fand ich. in günstigen Fällen das Verhältnis des Milchsäureschwundes zur Milchsäureverbrennung — 4 :1. Dieser Wert ist aber doch stets bei starker Ermüdung, mindestens bis zu !/, des Ermüdungsmaximums gewonnen und in der vorigen Arbeit ergaben sich bei der Milchsäure- bildung des zerschnittenen Muskels in Wasserstoff und Sauerstoff Hinweise darauf, daß das Verhältnis sich vielleicht auf 5 :1 verändern könnte. Wir tun also gut, für den unermüdeten Muskel dies vorläufig offen zu lassen und das Verhältnis des anaeroben zum oxydativen Wir- kungsgrad — 2 zu setzen. Dann würde also für unseren optimalen anaeroben Nutzeffekt von 45%, am schwachermüdeten Muskel ein oxydativer von 23% anzusetzen sein!). 1) Trotz der Einschränkungen im Text sind zwei neue Veröffentlichungen von Parnas, die nach Niederschrift der vorliegenden Arbeit erschienen, in diesem Zusammenhang von großem Interesse (Biochem. Zeitschr. 116, 1921, S. 71; 102). Der Autor bestimmte den ‚Nutzeffekt‘‘ des Kohlenhydrat- und Sauerstoffver- brauchs an ausgeschnittenen Froschmuskeln, Sartorien und Gastrocnemien. Aller- dings wurde nur der „fiktive Wirkungsgrad‘ bestimmt und die isometrische Span- nung unter Benutzung der Hillschen Formel auf Arbeit umgerechnet. Parnas rechnet am Sartorius den Hillschen Faktor !/. zu 6,2, für den Gastrocnemius zu 9,3; wobei die Werte unter Zugrundelegung der Annahmen Hills aus dem Dia- gramm berechnet sind. Der Wert für den Gastrocnemius ist größer wie der früher von mir unter gleichen Umständen bestimmte Faktor 7,5 und, wie schon oben er- wähnt, daher auch richtiger. Andererseits sind allerdings Parnas’ Bestimmungen des Faktors !/, nicht ohne weiteres mit den meinigen zu vergleichen, weil er bei indirekter maximaler Reizung der Gastrocnemien von 1—1,5 g Gewicht nur Spannungen von 50—90 g erhielt, während gleich große Gastrocnemien bei direkter maximaler Reizung in meinen Versuchen eine 5 mal so große Spannung erzeugten und sich entsprechend sicherlich auch stärker verkürzten als in seinen Versuchen. Bei stärkerer maximaler Verkürzung aber verkleinert sich ja der Hillsche Faktor. Wir tun daher gut, die unsicheren Berechnungen aus dem Diagramm ganz aus dem Spiel zu lassen und die von Parnas gefundenen Werte für en mit unseren — ——- direkt zu vergleichen. (Daß der Sauerstoff am aus- mg O0, mg Mi = geschnittenen Muskel ausschließlich zur Oxydation von Kohlenhydraten dient, habe ich in den letzten Arbeiten sichergestellt.) Aus Parnas’ Zahlen ergibt S-l sich in 5 Bestimmungen am Gastrocnemius für ION 570; 640; 660; 640; 620, im Durchschnitt 630. (In der Tabelle S. 106 ist statt mg Sauerstoff ccm Sauerstoff angegeben, das muß aber nach den von Parnas ausgeführten Berechnungen ein Druckfehler sein.) Rechnen wir das Verhältnis Milchsäureschwund : Milchsäure- oxydation — 4 : 1, so ergibt sich aus der Zahl 630 ein X„ von 168, beim Verhältnis 5:1 134. Da die Muskellänge jedenfalls am gestreckten Muskel gemessen ist, müssen wir zum Vergleich die in Kapitel 1 und 2 gefundenen Kn-Werte um 12% vergrößern; und da Parnas’ Versuche mit Ausschluß der Ermüdung vorgenom- men sind, unsere Zahlen für die erste Ermüdungshälfte benutzen, dann wäre also unser Wert für Km = 140. Bedenken wir, daß auch schon bei der ersten Ermü- dungshälfte ein gewisser Einfluß der Ermüdung auf das Verhältnis Spannungs- entwicklung : Milchsäurebildung zu erwarten ist, so passen die Parnasschen 194 O0. Meyerhof: Nun gibt es nur eine Untersuchungsreihe am Kaltblütermuskel, die wir mit der unsrigen vergleichen können: die Messungen am Frosch- herzen von Weizsäcker, die neuerdings durch F. Lüscher bestätigt!) und in systematischer Weise noch erweitert wurden. In Weizsäckers Versuchen entleerte sich das Froschherz unter ziemlich natürlichen Bedingungen. Es ergab sich durchschnittlich ein effektiver Wirkungs- grad von 15—25%, wenn man den Sauerstoffverbrauch auf die Oxyda- tion von Kohlenhydrat bezieht. Der obere Wert wurde nur in zwei Fällen überschritten, wo die Anfangsbelastung sehr hoch war. Da nun hier durch den Anfangsdruck das Herz gedehnt wurde, kommt ein Teil der Arbeit auf Rechnung elastischer Kräfte. Lüscher fand als Optimum der durch die Contractilität geleisteten Arbeit 27%, neuerdings bei hohem Anfangsdruck im Grenzfall 31 —32%. Wenn es auch berechtigt ist, nach dem maximalen Wirkungsgrad zu suchen, darf doch nicht übersehen werden, daß auch bei den höchsten Werten mit einer Fehler- streuung zu rechnen ist, so daß man einzelnen besonders hohen Werten mit einer gewissen Skepsis gegenüber stehen darf. Ein Wirkungsgrad von über 30% erscheint daher nicht als bewiesen. Daß der ausgeschnit- tene Skelettmuskel immer hinter diesem Wirkungsgrad zurückzubleiben scheint, möchte ich auf e’ne technische Ursache zurückführen. Während nämlich im Körper jede Faserrichtung vollständig ausgenutzt wird und der Zug auf breite Fascien übertragen wird, wird bei der Arbeitsmessung am ausgeschnittenen Organ nur eine Richtung des Faserzuges und auch diese noch nicht einmal vollständig auf den Hebel übertragen, da die Muskeln in vivo durch breite Sehnenstreifen fixiert sind, die bei der Präparation durchtrennt werden. Eine Verbesserung der Methodik, auf die ich erst später aufmerksam wurde, besteht z. B. beim Arbeiten mit dem Gastrocnemius offenbar darin, daß der Muskel sowohi mit der Tibia wie mit dem Femur verwachsen bleibt und beide Knochen gleichzeitig fixiert werden, während bei der üblichen Präparation die zu dem einen Knochen ziehenden Sehnen gelockert sind. Aller- dings war ein deutlicher Unterschied des Wirkungssgrades in den wenigen Versuchen, die bisher mit dieser doppelten Fixation des Gastrocnemius angestellt worden sind, gegenüber den sonstigen nicht zu erkennen. Zahlen im Vergleich mit den unseren ebenso gut zu dem Verhältnis Milchsäure- schwund : Milchsäureoxydation —= 4 :1 wie zu dem 5:1. Rechnen wir anderer- Sl seits nach unseren Bestimmungen am Winkelhebel Sm 17 am gestreckten Gastrocnemius, so entsprechen die Parnasschen Zahlen einem effektiven oxyda- tiven Wirkungsgrad von 25%, was mit der obigen Rechnung nahe übereinstimmt (wobei wir allerdings eine Muskelarbeit bei tiefer Temperatur zugrunde legen, während die Parnasschen Versuche bei 15° angestellt sind). 1) Zeitschr. f. Biol. 70 (1919) S. 245; %2, (1920) S. 107 u. 74 (1921). Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 175 - Es ist ja sicher, daß die Arbeitsfähigkeit der chemischen und physi- kalischen Vorgänge bei der Kontraktion größer sein muß als der tat- sächliche Betrag an Arbeit, wie wir ihn selbst unter günstigsten Um- ständen nach außen gewinnen können; denn wenn nicht alle Elemente des Muskels die gleiche aktive Contractilität besitzen, muß ein Teil der Arbeit durch innere Reibung aufgezehrt werden. Wenn wir uns vorstellen, daß die Milchsäurebildung zunächst Spannung verursacht und diese die Verkürzung hervorruft, so müssen wir aber mit Verlusten schon bei der Bildung der ‚„Spannungsenergie“ und nicht allein bei deren Umwandlung in kinetische rechnen. Es liegt nun kein Grund vor anzunehmen, daß diese letztere in maximo wesentlich kleiner ist als die entwickelte Spannungsenergie. Einen positiven Beweis für diese Ver- mutung finde ich in den neuesten Arbeiten von Hill und Hartree!). Die englischen Forscher fanden bei der isometrischen Kontraktion des Sartorius eine Wärmebildung unmittelbar nach der Erschlaffung (unabhängig von der Gegenwart von Sauerstoff), welche sie als die zerstreute potentielle Energie der Spannung ansehen, die in Wärme übergeht, weil sie nicht in mechanische Arbeit verwandelt ist. Dieser Deutung habe ich mich vollständig angeschlossen?). Nun macht diese Erschlaffungswärme im günstigsten Fall bei 0° 35%, bei 10° 25%, der gesamten anaeroben Kontraktionswärme aus. Wenn man auch manche hypothetischen Gründe geltend machen kann, wodurch diese Wärme etwas verringert sein könnte, so können diese doch keines- falls dazu führen, die umgewandelte potentielle Energie auf fast !/, zu verkleinern, wie es nach der Hillschen Formel anzunehmen wäre. Und man muß umgekehrt sagen, daß die Zahlen von Hill und Hartree mit den Messungen der wirklichen anaeroben Arbeitsleistung des Sar- torius bei der gleichen Temperatur in vollkommenem Einklang stehen. Auch für den Sartorius gilt natürlich dasselbe wie für die anderen Mus- keln, daß er bei der Befestigung im Körper mehr Spannung entwickeln und entsprechend mehr Arbeit leisten wird, als wenn die Last nur an einem Punkt seiner Endsehne zieht. Wenn wir aber auch unter Zuhilfe- nahme der Erfahrungen am ausgeschnittenen Herzen und ebenso der Skelettmuskulatur des intakten Warmblüterorganismus zu dem Re- sultat gelangen, daß der oxydative Wirkungsgrad des Muskels im Op- timum 30% betragen kann und dementsprechend der anaerobe nicht 45%, wie wir am ausgeschnittenen Organ bestimmt haben, sondern 60% und mithin die potentielle Energie im Grenzfall noch etwas größer sein muß als dieser Betrag, so sehen wir doch in dieser nur limitierenden Feststellung einen wesentlichen Ertag der vorliegenden Untersuchung. Denn dieser Umstand beseitigt eine große theoretische Schwierigkeit, !) Journ. of physiol 54, 84. 1920. ?2) Naturwissenschaften 12, 193. 1920. 176 OÖ. Meyerhof: die durch die Benutzung der Hillschen Formel entstanden ist. Von den 400 cal, die pro lg Milchsäure bei der Kontraktion auftreten, müssen mindestens 100 cal auf die Spaltungswärme Glykogen — Milchsäure kommen (wenn wir den Wert von Luginin für die Verbrennungswärme der Milchsäure benutzen), während die restierenden 300 cal physika- lischer Natur sind. Wäre der thermochemische Anteil sehr beträcht- lich, so müßte man irgendeine Wirkungsweise ersinnen, wie dieser neben den capillaren Affinitäten der gebildeten Milchsäure zur Er- zeugung elastischer Spannung verwandt werden könnte. Die schwie- rige Vorstellung, daß die Hydrolyse des Glykogens und die Spaltung des Zuckers zu Milchsäure irgendwie energetisch nutzbar gemacht werden, ist aber, wie wir jetzt sehen, gar nicht nötig. Die restierenden 70-—75%, der Kontraktionswärme sind völlig ausreichend als Äqui- valent für die geleistete Arbeit und man braucht auch nicht zu der Aus- kunft zu greifen, dem physikalischen Vorgang eine höhere Arbeits- fähigkeit zuzuschreiben, als er Gesamtenergie besitzt. Kapitel V. Einige Versuche an Säugetiermuskeln. Es bleibt noch die letzte Frage, ob die hier erhobenen Befunde und Überlegungen auch bei den Säugetiermuskeln zutreffen. Arbeitsmessun- gen am isolierten Warmblütermuskel sind mir nicht bekannt. Verzär ließ zwar den freigelegten Gastrocnemius der Katze tetanisch ein Ge- wicht heben und bestimmte seinen Sauerstoffverbrauch; doch ist es leider nicht möglich, hier die geleistete Arbeit zu berechnen). Dagegen gibt es einige Untersuchungen über den oxydativen Wirkungsgrad des Säugetierherzens. Rhode?) fand am Katzenherzen als Maximum für den linken Ventrikel 22% bei isotonischer Kontraktion unter hohem Anfangsdruck (da sich der rechte Ventrikel leer kontrahierte, muß eine gewisse, wenn auch nicht sehr große Arbeit verlorengegangen sein). Evans?) fand neuerdings unter Berücksichtigung der kinetischen Energie der ausgeworfenen Blutmenge bis zu 28%. Die Berechnung am ganzen Menschen führte gelegentlich zu einem höheren Netto- wirkungsgrad der arbeitenden Muskulatur. Es kommt aber wesentlich darauf an, wie derselbe berechnet wird. In der exaktesten dieser Unter- suchungen, derjenigen von Benedict und Cathcart®), sind verschie- dene Basiswerte zugrunde gelegt. Wurden von den Arbeitswerten am gebremsten Fahrrad die Ruhewerte des Stoffwechsels abgezogen, indem die Versuchsperson lag, so ergab sich bei trainierten Personen ein Wirkungsgrad dicht bei 20%, und niemals über 25% und ähnlich, wenn !) Journ. of physiol. 44, 243. 1912. ?) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 420. 1912. 3) Journ. of physiol. 52, 6. 1918. *) Carnegie Inst. Public. 187%, 1913. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. Alan als Basis nicht die Werte beim Liegen sondern beim Sitzen auf dem Rade gewählt wurden. Sobald aber als Basis der Stoffwechsel beim Treten des ungebremsten Fahrrads oder auch beim passiven Mitbewegen der Beine am automatisch getriebenen Rad benutzt wurde, erhöhte sich der Wirkungsgrad auf etwa 30%. Im letzteren Fall, beim automatisch be- triebenen Fahrrad, überschritt er indes niemals deutlich 30%. In diesen Fällen wird sicher vom Arbeitsstoffwechsel zuviel abgezogen, weil hier dieselben Muskeln, die zur Arbeitsleistung dienen, auch in den Kontroll- versuchen gewisse aktive Bewegungen machen. Auch wir würden am ausgeschnittenen Muskel natürlich viel höhere Wirkungsgrade erhalten, wenn wir nicht die Milchsäurebildung eines arbeitenden und ruhenden Muskels, sondern die eines belasteten mit der eines unbelastet arbeiten- den und eventuell schwächer gereizten Muskels vergleichen würden und diese Differenz dann als ‚‚Nutzeffekt der Kontraktion‘ bezeichneten. Andererseits wird aber bei dieser Berechnungsart von Benedict und Cathcart in anderer Hinsicht zu wenig abgezogen, weil die ver- mehrte Arbeit des Herzens und der Atemmuskeln bei der Arbeit nicht extra berechnet wird. Wenn man annimmt, daß die beiden Fehler sich aufheben, so würde man auch am Menschen einen optimalen oxy- dativen Wirkungsgrad der Muskulatur von 30% erhalten, wie er sich am ausgeschnittenen Herzen von Warm- und Kaltblütern ergibt und wohl auch am Skelettmuskel des Kaltblüters ergeben würde, falls dieser in seiner natürlichen Position arbeitete. Es wurden einige orientierende Versuche an isolierten Säugetier- muskeln ausgeführt zur Feststellung, ob der Zusammenhang der chemi- schen Vorgänge mit der Arbeitsleistung der gleiche wie beim Kaltblüter ist. Um dies in quantitativer Richtung zu entscheiden, war die Methode allerdings nicht brauchbar. Aber in qualitativer Hinsicht ergab sich Übereinstimmung mit den Verhältnissen am Froschmuskel. Für die Dimensionen meiner Hebel kamen nur Meerschweinchengastrocnemien in Betracht.. Sie wurden genau wie Froschgastrocnemien präpariert; das Femur eingeklemmt und die Achillessehne am Spannungshebel befestigt. Hier ist der oben erwähnte Umstand, daß am ausgeschnittenen Muskel nur eine Faserrichtung zur Geltung kommt, viel bedeutsamer als am homologen Froschmuskel. Der Meer- schweinchengastrocnemius ist sehr breit und mündet in eine breite die Ferse um- spannende Fascie, von der die Achillessehne nur einen schmalen Streifen darstellt. Es gelingt am besten diese am untersten Ende mit einem Stück Haut und Knochen zu fassen. Ohne Zweifel wird aber die Kontraktion der seitlichen Abschnitte des Muskels ungenügend auf den Spannungshebel übertragen. Die Meerschweinchen wurden durch Entbluten getötet. Die ersten wurden genau wie Frösche verarbeitet, sofort nach dem Töten in Eiswasser gepackt, die Muskeln schnell präpariert und in gekühlter Ringerlösung bis zum Versuchsbeginn aufbewahrt. Unter diesen Umständen kann man zwar den Anfangsmilchsäure- gehalt niedrig halten, aber die Erregbarkeit der Muskeln leidet erheblich und kehrt beim Erwärmen auf 37° nur unvollkommen zurück. Dagegen bleibt die Erregbar- keit beim Präparieren des warmen Tieres und sofortigen Eintragen des Muskels in Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191, 13 178 OÖ. Meyerhof: Ringerlösung von 37° ganz gut längere Zeit erhalten. Man muß dafür einen höheren Anfangsmilchsäuregehalt in Kauf nehmen (übrigens nimmt auch der Milchsäure- gehalt von Säugetiermuskeln in eisgekühlter Ringerlösung ziemlich rasch zu). Während die längere Zeit in Eis gekühlten Muskeln nur noch auf tetanische Reize ansprechen, kann man die warm präparierten auch mit Einzelreizen ermüden. Die Verarbeitung auf Milchsäure geschah genau wie beim Froschmuskel, auch hier konnte die Milchsäurebestimmung ohne Extraktion vorgenommen werden. Doch wurde diese Methode hier nicht so gründlich geprüft wie beim Froschmuskel. Schließlich wird der isometrische und Arbeitskoeffizient der Milchsäure auch dadurch herabgesetzt, daß bei 37° die Bildung der Ruhemilchsäure schon in Be- tracht kommt; diese wurde nicht gesondert bestimmt, man kann aber berechnen, daß in den etwa 1/,stündigen Versuchen mindestens 0,05% Ruhemilchsäure ge- bildet sein muß. Tabelle XVII. Übersicht über die Versuche mit Meerschweinchenmuskeln. 8 Länge| Ge- Behandlung der | Milchs.|Milchs. | Hub- | Span- Da a Datum mm | wicht Muskeln mg % zahl Km a) Ruhewertet®). 102. | 8. 1.) — | 1,6. |-1%.m Ris-Ringers| 2.6. 10.125 1033) |11. IL.| — | 2,5 | 1 in Eis-Ringer | 3,5 |0,14 104 |15. IT.| — | 1,6 | direkt verarbeitet | 0,88 | 0,053 vorgekühlt 105 126. IV.| —.| 215 | direkt verarbeitet | 2,3 | 0,107 warm präp. | bh) Ermüdungsmaximum. 106 2. III.| — | 1,15 |Bei 35° mit kurzen| 4,53 | 0,395 Tetani. | c) Isometrischer Koeffizient. 107 |ı1. m1.| 26 | 0,9 0.1 Tet.=97: 2,74 | 0,288 | 171 | 24,7 |44°) 108 |26. IV.| 30 | 2,15 | Einzelreizung 37° | 6,63 | 0,308 | 780 | 88,2 |61°) Tabelle XVII. d) Vergleich von Spannungsentwicklung, Verkürzung und Arbeitsleistung am Schwunghebel bei verschiedener Reizdauer. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle XVIII und Abb. 17 enthalten (I Äquivalentmasse — 13,500, II: Äquivalentmasse — 5,800). Man sieht, daß hier bei 35° die Arbeit mit der Reizdauer noch steiler ansteigt wie beim Frosch- muskel von 16°, entsprechend der oben festgestellten Temperaturregel. Gastrocnemius Gewicht 1,6 g, Länge 33,5 mm, Temp. 35°. | Räizdauer Isoton. Arbeit aus Diagr. Kauiv- Gemessene S.l Nr. | in Sek. Spannung | Verkürzung berechnet en Arbeit us | mm gem gem 109|| 0,055 460 5:25 128 .. 13500 54 28,5 0,09 480 5.6 135 13500 66 24 0,15 490 5,77 144 13500 90 18,5 0,055 — — = 5800 32,5 — 0,09 — — — 5800 60 Es 0,15 — — — 5800 81 — !) Fletcher, Journ. of physiol. 43, 292. 1911, erhielt an Kaninchenmuskeln bei direkter Verarbeitung einen Ruhewert von 0,13 proz. Milchsäure. ®2) Unterschenkelmuskeln. 3) Berechnet ab Ruhewert. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 179 [e) Arbeit am Schwunghebel und Milchsäurebildung. Es wurden 2 derartige Ver- suche ausgeführt, bei denen 1,9kgcm und 1,0 kg cm Arbeit geleistet wurden, bei 3,54 mg bezw. 2,3 mg Milchsäure Endwert. Bei Abzug des Ruheverbrauchs er- gibt sich beide Male ein Au von etwa 1,3, was einem Wirkungsgrad von 8% entspräche. Doch kommt dieser Zahl aus den oben angeführten Gründen keine große Bedeutung zu.] Das Ergebnis der Versuche entspricht also den Erwartungen, wenn man annimmt, daß der scheinbar schlechtere Nutzeffekt der Milchsäure durch den ungeeigneten Bau des Meerschweinchengastrocnemius und durch die gesteigerte Ruhemilchsäurebildung in- folge der hohen Temperatur bedingt ist. 20 Nun müßte man aber, um den ganzen. Kontraktionszyklus zu kennen, auch noch den Vorgang der Erholung unter- suchen. Das ist leider mit den hier benutzten Methoden direkt nicht mög- lich. Die Atmungsgröße ist bei 37° so erhöht, daß eine oxydative Erholung in bloßer Sauerstoffatmosphäre ohne Durchblutung des Muskels ausge- schlossen ist. Ich habe deshalb auf 200 Grund der Erfahrungen der letzten Arbeit, daß auch im zerschnittenen Muskel die Resynthese der Milchsäure 790 in Gegenwart von Sauerstoff weiter- geht, Versuche mit zerschnittener Meer- schweinchenmuskulatur angestellt. Bei 0 37° führten diese Versuche zu keinem F : Ergebnis, weil die Milchsäurebildung Ameit 4 des Meerschweinchengastro- in Phosphatlösung so rasch verlief, cenemius _ bei wachsender Reizdauer. 2 T Arbeit mit Äquivalentmasse 13500, daß schon in UP Stunden das Gly- IT Arbeit mit Äquivalentmasse 5800. kogen vollständig zersetzt war. Da- gegen ergab sich bei 14° ein Resultat, das wenigstens qualitativ mit den Befunden am Froschmuskel übereinstimmt. Der Sauerstoffver- brauch und die anaerobe Milchsäurebildung pro lg und 1 Stunde in der zerschnittenen Meerschweinchenmuskulatur waren von derselben Größen- ordnung wie beim Frosch bei gleicher Temperatur und nur etwa 20% höher als diese. In Gegenwart von Sauerstoff verschwand in den ersten 2 Stunden etwa doppelt soviel Milchsäure gegenüber der Muskulatur in Wasserstoff, als gleichzeitig verbrannte. Die Resynthese ist also noch vorhanden, aber jedenfalls viel unvollkommener als unter gleichen Umständen in der zerschnittenen Froschmuskulatur. Schließlich wurde noch festgestellt, daß auch hier die Milchsäurebildung bis zur vollstän- digen Erschöpfung des Glykogens fortschritt und dann aufhörte und daß 12* 400 300 0 0,05" 0,1" 075" 02" 180 OÖ. Meyerhof: der Milchsäureendwert um ein ganz geringes höher war als die Menge des zersetzten Glykogens; in völliger Übereinstimmung mit den Ergeb- nissen an der zerkleinerten Froschmuskulatur. Tabelle XIX. Versuch 110. Temperatur 14°, 3,6°/,ige Phosphatlösung. Zeit, ab ek | Gas en Milchs, pro ee eisen 0: ES AI, | mg 1g mg prolg | cmm Onprosle 10 5,0 = 1183 2.26 | 385 TE | 2 — 2h 10 ı 5.0 Hs 35.0 7,0 2h 10 5,0 OR 28,6 HT — 22 0.3 OÖ, — 152 0,72 248 | 5,0 Hs 50,7 10,1 0,0 0,0 — — Bilanz: | | | | 23h . | Hs — + 4,74 | 2ı | — I + 3,44 | 0,72 DAN | — IBRIER = +74 | — | - 77 | — — Wir haben also keinen Anhaltspunkt dafür gewonnen, daß die Vor- gänge im Säugetiermuskel anderer Natur sind als in dem des Kaltblüters, wenig tensin qualitativer Hinsicht. Möglich ist natürlich, daß im Säugetier die Milchsäure mit weniger Sauerstoff schwindet oder daß irgendwelche be- sonderen Einrichtungen den ungünstigen Einfluß der hohen Temperatur auf die Ausnützung der potentiellen Energie zur Arbeitsleistung paraly- sieren. Die Benutzung anderer Nährstoffe als Kohlenhydrat zur Arbeits- leistung im ganzen Organismus muß jedenfalls auf deren Umbildung zu Zucker in der Leber zurückgeführt werden. Und die annähernde Isodyna- mie!) der Nährstoffe ist dann dadurch zu erklären, daß der Wärmeüber- schuß, der z. B. bei der Oxydation des Fettes zu Kohlenhydrat frei wird, kalorisch äquivalente wärmebildende Prozesse des Organismus erspart. Daneben bleibt die Möglichkeit offen, daß der Bruchteil der Milchsäure, der bei stärkerer Ermüdung ins Blut übertritt, in der Leber auf andere Weise zu Glykogen regeneriert wird als im Muskel, wo dies durch gleich- zeitige Oxydation von Milchsäure bezw. eines Kohlenhydratäquivalents derselben geschieht. Unter diesen Umständen wären auch Abweichungen von dem berechneten Nutzeffekt des Erholungsvorgangs möglich. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen. I. Das Ermüdungsmaximum der Milchsäure bei Reizung mit Einzel- induktionsschlägen beträgt unter gewöhnlichen Umständen an Gastoc- !) Die Isodynamie ist bekanntlich nicht ganz vollständig. Atwater fand bei Fett gegenüber Kohlenhydraten ein Minus von etwa 5% (vgl. Ergebnisse der Physiologie 3), Krogh neuerdings ein Minus von 10% (Biochem. Journ. 14, 1920, vgl. Ber. d. ges. Physiol. 6, 1921, S. 388). Wäre aber die Verbrennungswärme des Fetts zu Kohlenhydrat verloren, so müßten 1,6 Fettkalorien 1,0 Kohlenhydrat- kalorien äquivalent sein. Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 181 nemien, die in Wasserstoffatmosphäre oder in Ringerlösung gereizt werden, ca. 0,35%, Milchsäure bezogen auf das Muskelgewicht. Wird aber die Ringerlösung mit einem starken Zusatz eines Carbonat-Bicar- bonatgemisches versehen (pp etwa 10), so kann man bis zu 0,5% Milch- säure und eine erheblich gesteigerte anaerobe Arbeitsleistung erhalten, wenn auch der isometrische Koeffizient (X,,) der Milchsäure d. h. die pro 1 mg Milchsäure auf 1 cm Länge hervorgebrachte Spannungsleistung in kg meist etwas sinkt. Durch das Carbonat wird ein Teil der Milch- säure aus der Muskelinnern herausgezogen, so daß sich jetzt etwa 20%, der Milchsäure in Ringerlösung befinden; in neutrale oder schwach alka- lische Ringerlösung geht aber nur 5% der Milchsäure über. Durch direkte Alkalisierung des Muskels, indem man in vivo dem Frosch Soda per os verabreicht, gelingt es nicht, das Milchsäuremaximum herauf- zutreiben. Auch sinkt es nicht deutlich, wenn man Gastrocnemien in schwach saurer Ringerlösung suspendiert. Diese Versuche beweisen, daß das Ermüdungsmaximum durch die Konzentration der Milchsäure im Muskelinnern verursacht wird. Ob dies durch Wasserstoffion ge- schieht, bleibt ungewiß. II. Der isometrische Koeffizient der Milchsäure sinkt erheblich im Verlauf der anaeroben Ermüdung, so daß er für die zweite Ermüdungs- hälfte um !/, kleiner als für die erste ist (83 statt 123). Dagegen ver- schlechtert sich der Koeffizient nicht, wenn man den Muskel durch eine große Zahl submaximaler Zuckungen statt mit einer geringeren Anzahl maximaler ermüdet; er hängt also von der Zuckungshöhe nicht ab. Noch viel stärker sinkt der X, bei Einwirkung von Narkotica und beträgt bei etwa 80% Hemmung der Spannungsleistung nur 35—47 (7,5%, Äthylalkohol, 4%, Äthylurethan, 1,4%, Chloralhydrat). Hierbei ist die ziemlich erhebliche spontane Milchsäurebildung durch die Narko- tica in Abzug gebracht. Bei Lähmung der Erregbarkeit durch Kalium- chlorid wird X, auch, aber nicht so stark vermindert. Die Hypothese wird aufgestellt, daß die Narkotica die Milchsäure teilweise von den Verkürzungsflächen verdrängen. Der K, sinkt notwendiger Weise bei Reizung durch kurze Tetani mit wachsender Dauer derselben, aber nicht etwa proportional der Zahl der wirksamen Reize. Daraus geht hervor, daß die zur Aufrecht- erhaltung der Spannung benötigten Reize weniger Milchsäure produ- zieren als die zur Spannungsentwicklung dienenden. — Auf eine Einzel- zuckung von 300 g in der ersten Benumg un werden etwa 0,007 mg Milchsäure gebildet. III. Es werden die Methoden von Fick und Hill besprochen zur Bestimmung der mechanischen Arbeitsfähigkeit der auf den Reiz hin freigesetzten Energie. Dabei ergibt sich, daß die Berechnung der Arbeitsfähigkeit aus dem Spannungslängendiagramm schon aus theore- 182 OÖ. Meyerhof: tischen Gründen etwas anders zu geschehen hat als nach der Formel Hills und dann kleinere Werte liefert. Es darf nur ein Flächenstück des Diagramms zur Berechnung benutzt werden, das ungefähr ein rechtwinkliges Dreieck bildet, dessen eine Kathete die maximale Ver- kürzung, dessen andere die maximale isometrische Spannung darstellt, die der gereizte Muskel bei optimal gewählter Ausgangslänge besitzt. Die tatsächliche Arbeit, die ein Muskel unter den im Diagramm vor- gesehenen Bedingungen leistet, bleibt indes hinter der so berechneten Größe stets zurück. Zur Arbeitsmessung dient ein Winkelhebel, bei dem die am Muskel ziehende Last sich mit fortschreitender Verkürzung linear auf Null verringert, ferner ein Trägheits- oder Schwunghebel, der bei der Kontraktion eine Beschleunigung erfährt. Die wirkliche Arbeit bei Einzelzuckungen und kurzen Tetani kommt der aus dem Diagramm berechneten am nächsten 1. bei möglichst tiefer Temperatur (2—5°), 2. bei dem sich auf eine bestimmte Spannung hin weniger verkürzenden Gastrocnemius gegenüber den langen Oberschenkelmuskeln, 3. wird bei Tetani von erheblicher Dauer das Spannungslängendiagramm ungefähr ‚ erreicht. In diesem letzten Fall ist aber nicht nur die bei der Anspannung entwickelte potentielle Energie, sondern auch ein Teil derjenigen, die zur Aufrechterhaltung der isometrischen Spannung dient, in Arbeit ver- wandelt worden. Während die Verringerung der Arbeitsleistung bei hoher Temperatur auf den schnelleren und daher weniger reversibeln Ablauf der Kontrak- tion zu beziehen ist, muß die Verschlechterung bei den sich stark ver- kürzenden Oberschenkelmuskeln gegenüber den Gastrocnemien auf Rechnung der potentiellen Energie selbst gesetzt werden und richtet sich daher gegen die Bedeutung des Spannungslängendiagramms als Aus- drucks der Arbeitsfähigkeit. Offenbar fällt die Spannung in einem auf einen Einzelreiz hin sich kontrahierenden Muskel nach einem anderen Gesetz und viel steiler ab, als es das Diagramm zeigt, das mittels einer Serie von Spannungshüben aufgezeichnet ist. Dies liegt daran, daß die Spannung, die durch einen Einzelreiz hervorgerufen wird, nur sehr kurze Zeit anhält. Bei der Aufnahme des Diagramms wird der jeweilige Verkürzungsgrad, dessen Spannungszustand bestimmt wird, außer- ordentlich rasch erreicht. Wird aber bei der Verkürzung Arbeit ge- leistet, so wird derselbe Verkürzungsgrad erst zu einem späteren Zeit- punkt erreicht, der vom Reizmoment weiter entfernt ist und daher schon eine viel geringere zugehörige Spannung besitzt. Der Wert des Ausdrucks ° nn ist im günstig- sten Fall am ausgeschnittenen Muskel 15—18. Am Schwunghebel werden bei richtiger Wahl des Trägheitsmoments die gleichen Resultate erzielt. Mit zunehmender Reizdauer steigt die geleistete Arbeit zunächst an- Die Energieumwandlungen im Muskel. V. 183 nähernd linear an, während Spannung und Verkürzung die bekannte konkave Krümmung gegen die Zeitachse zeigen. Daher wird der Wert nn Spannung x Länge Arbeit auf etwa 7. IV. Wird die effektive Arbeitsleistung und Milchsäurebildung direkt verglichen, so erhalten wir den Arbeitskoeffizienten der Milchsäure (X), kg cm Arbeit pro mg Milchsäure. Derselbe gibt, wenn wir mit 400 cal pro Bildung von 1 mg Milchsäure im Muskel rechnen, den anaeroben Wirkungsgrad des Muskels an. Aus den Zahlen des vorigen Kapitels ist ein Wert von K,= 8,2 entsprechend 47% anaerobem Wirkungsgrad zu erwarten. Gefunden wird tatsächlich bei schwacher und mittelstarker Ermüdung X, 8—4,5, bei sehr starker Ermüdung 5—3. Der direkt be- stimmte maximale Wirkungsgrad bleibt demnach, jedenfalls infolge der Er- müdung, fast stets hinter dem indirekt bestimmten zurück. Am Schwung- hebel ergibt sich stets eine schlechtere Arbeitsausbeute als am Winkel- hebel, was wohl an den nicht optimal gewählten Trägheitsmomenten liest. Die Größe des Wirkungsgrades ist bei Einzelreizen und kurzen Tetani dieselbe, ebenso bei Gastrocnemien und Adduktoren. Auch mit dieser Methode erhält man bei hoher Temperatur (20—25°) immer schlechtere Wirkungsgrade wie bei tiefer (5—10°). Bei Umrechnung des anaeroben in den oxydativen Wirkungsgrad ist der Wert des ersteren durch 2 zu dividieren. Dieser letztere wäre also bestenfalls 20— 24%. Wenn auch der ausgeschnittene Muskel wohl weniger Arbeit leisten kann als in situ, wegen unvollständigerer Ausnutzung aller Faserrich- tungen und schlechterer Fixierung und in unseren Versuchen die opti- malen Bedingungen noch nicht erreicht zu sein brauchen, so sind doch auch am Herzen und ganzen Organismus keine Versuche bekannt, die mit Sicherheit einen oxydativen Wirkungsgrad des Muskels von über 30% erweisen; dies entspräche einem anaeroben von 60%. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Maximum der potentiellen Energie, das auf einen Reiz hin im Muskel entwickelt wird, niemals mehr als 75%, der Gesamtenergie beträgt. In diesem Fall brauchte die thermochemische Wärme der Glykogenspaltung zu Milchsäure, die etwa !/, der ganzen anaeroben Kontraktionswärme ausmacht, nicht ausgenutzt zu werden. V. Einige orientierende Versuche an Meerschweinchen-Gastrocne- mien führen qualitativ zu demselben Resultat wie die Experimente am Froschmuskel. Die ungünstigeren Nutzeffekte sind auf versuchstech- nische Gründe zurückzuführen. Auch ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die chemischen und mechanischen Vorgänge im Säugetier- muskel in anderer Weise als in Kaltblütermuskeln miteinander ver- knüpft sind. mit wachsender Dauer des Reizes kleiner bis Zur Kenntnis der Totenstarre. Von Hans Winterstein. (Nach Versuchen von Herrn K. Schüßler). (Aus dem physiologischen Institut der Universität Rostock). ( Eingegangen am 9. Juni 1921). Die neueren Untersuchungen haben es sehr wahrscheinlich gemacht, daß die Totenstarre des Muskels auf einer Ansammlung von Milchsäure beruht. Denn bei ausreichender Sauerstoffzufuhr bleibt die Totenstarre des Muskels aus, und der Muskel stirbt ab, ohne sich zu verkürzen (Fletcher, Winterstein); von dem Sauerstoff aber wissen wir, daß er die Ansammlung von Milchsäure verhindert, indem er sie teils oxydiert, teils in das Ausgangsmaterial zurückverwandelt (Fletcher, Parnas, Meyerhof). Wenn die Anhäufung der Milchsäure wirklich die einzige Ursache der bei Erstickung des Muskels eintretenden Totenstarre dar- stellt, dann muß diese auch bei Sauerstoffabschluß ausbleiben, wenn es gelingt, die Milchsäure auf andere Weise, etwa durch Herausdiffundieren zu entfernen. Der Untersuchung dieser Frage galten die folgenden Versuche. Es lag auf der Hand, daß ein Erfolg nur bei Muskeln zu erwarten war, die einen geringen Stoffwechsel aufweisen, und deren Zartheit ein aus- reichendes Entweichen der Milchsäure auch aus dem Inneren ermög- licht. Also wurden die Versuche am Musc. Sartorius des Frosches an- gestellt. Der Muskel befand sich in einem Glaszylinder, der durch einen Gummistopfen mit dreifacher Bohrung luftdicht abgeschlossen war. Durch die eine Bohrung führte das Gaszuleitungsrohr, das an seinem unteren Ende aufgebogen und zu einem »lashaken umgeschmolzen war, der zur Befestigung des einen Muskelendes diente; eine kurz davor befindliche, stets unter Flüssigkeit gehaltene Öffnung gestattete den Eintritt des Gases. Durch eine zweite Bohrung führte das Gasableitungsrohr, das umgebogen außerhalb des Zylinders unter Wasser endete, und so eine Kon- trolle der Gasdurchleitung und der Dichtigkeit des Zylinders ermöglichte. Der am oberen Muskelende befestigte Faden ging durch ein kurzes Glasrohr, das durch die dritte Bohrung des Stopfens hindurchführte, und durch einen die Bewegung des Fadens kaum hindernden Vaselinpfropf abgedichtet war. Um eine Einschnü- rung des Muskels durch den Faden zu vermeiden, wurde der Sartorius mit seinen beiden Ansatzstellen in Verbindung gelassen, und der Faden einerseits am Knie- gelenk, andererseits an dem entsprechenden Stück des Beckenknochens festge- H. Winterstein: Zur Kenntnis der Totenstarre. 185 macht. Der Faden führte senkrecht zu dem kurzen Arm eines leicht beweglichen Hebels, dessen langer, aus einem Strohhebel bestehender Arm mit einer breiten Papierspitze die Muskellänge kontinuierlich auf einem kleinen Schleifenkymogra- phion von 66stündiger Umlaufszeit verzeichnete. Das Übergewicht des Schreib- hebels war durch Gegengewichte möglichst ausgeglichen, und das Verhältnis der Hebelarme betrug etwa 1:66, so daß selbst äußerst geringfügige Verkürzungen der Beobachtung nicht entgehen konnten. In den Versuchen mit Gasatmosphäre war durch Einbringen von Flüssigkeit auf den Boden des Zylinders und einen in sie eintauchenden Wandbelag von Fließpapier für Sättigung mit Feuchtigkeit Sorge getragen. Die Versuchstemperatur betrug 14—19° C. Unter diesen Versuchsbedingungen trat in einer Stickstoff- oder Wasserstoffatmosphäre im Winter meist am zweiten Tage eine deutliche Verkürzung ein, in einigen im Mai angestellten Versuchen schon nach wenigen Stunden. Tauchte dagegen der Muskel selbst in ausgekochte Kochsalz- oder Ringerlösung, durch die kontinuierlich Stickstoff oder Wasserstoff hindurchgeleitet wurde, so war in 6 von 7 Versuchen keine Spur einer Verkürzung, sondern nur eine Verlängerung des Muskels fest- stellbar; die in einem Versuche beobachtete Verkürzung war vermut- lich durch methodische Fehler bedingt. Ja, es ist gar nicht erforderlich, daß der Muskel in Lösung eintaucht, es genügt, ihn durch einen an- liegenden Streifen Filtrierpapier mit der am Boden des Gefäßes befind- lichen Ringerlösung in Verbindung zu setzen, um, wie 4 Versuche über- einstimmend zeigten, das Zustandekommen der Muskelstarre in Stick- stoff- oder Wasserstoffatmosphäre vollständig zu verhindern, offenbar durch das Ableiten der Milchsäure, deren Vorhandensein in der Lösung durch die Eisenchloridreaktion regelmäßig nachgewiesen werden konnte. Somit ergibt sich, daß das Herausdiffundieren der Milch- säure das Zustandekommen der Totenstarre auch unter Sauerstoffabschluß verhindert, und daß die Totenstarre mithin zweifellos lediglich durch die Ansammlung von Milchsäure verursacht wird. Die Lösung der Muskelstarre und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. Von Hans H. Weber. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Rostock.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 9. Juni 1921.) Frühere Versuche!) ergaben eine Bestätigung der Fürthschen?) Ansicht, die Muskelstarre sei hervorgerufen durch Milchsäurequellung. Für die Starrelösung aber nötigten sie mir eineabweichende Anschauung!) auf: Ich deutete sie als Quellungsverflüssigung der kontraktilen Sub- stanz, als Zerquellung. Von den Anhängern der Säurequellungstheorie waren bis dahin zwei Erklärungen der Starrelösung gegeben; beide sehen sie durch Ent- quellung verursacht, weisen aber der Milchsäure gerade entgegengesetzte Rollen dabei zu: Herzfeld und Klinger?) lassen durch ihr Verschwin- den eine Entquellung eintreten, von Fürth?) gerade durch ihre An- häufung eine entquellende Gerinnung veranlaßt werden. Löstsichnundie Starredurch Anhäufung oder Verschwin- den der Milchsäure? Herzfeld und Klinger?) bringen für letzteres weder Belege eigener noch Zitate fremder Versuche. In der Literatur finden sich nun aller- dings einige Angaben [Frew*), Inoye und Kondo?), Kikkoji®), Ssobolew?)], die berichten, daß der Muskel eine gewisse Zeit post mortem eine maximale, dann wieder abnehmende Milchsäuremenge enthält. Diese Versuche sind aber für eine Theorie der physiologischen Starrelösung kaum verwertbar, da sie erstens am Muskelbrei, zweitens unter Zusatz von Antisepticis (Chloroform und Toluol) stattfanden, !) Hans H. Weber, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 165 (1921). ®) v. Fürth, Die Kolloidchemie des Muskels usw. Ergebnisse der Physiologie 1%, 363 (1919). 3) Herzfeld und Klinger, Biochem. Zeitschr. 94, S. 1. *) Frew, Zeitschr. f. physiol. Chemie 60, S. 5. °) Inoye und Kondo, Zeitschr. f. physiol. Chemie 54, 481. 6) Kikkoji, Zeitschr. f. physiol. Chemie 53, 415. ?, Ssobolew, Biochem, Zeitschr. 4%, 8. 371. H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre usw. 187 drittens in keiner dieser Arbeiten ein Vergleich zwischen Milchsäure- und Starreentwicklung experimentell durchgeführt wurde. Die Theorie von Herzfeld und Klinger ist also offenbar rein spekulativ. Ihre Ansicht erscheint unhaltbar gegenüber folgenden Beobachtungen: Wacker!) stellte fest, daß beim normalen Ablauf der Totenstarre die Aciditätszunahme die Starrelösung wesentlich überdauert. Von Fürth?) fand, daß gequollene Muskeln in Milchsäurebädern in derselben Zeit und Größenordnung an Gewicht abnehmen, wie in Aqua dest. Jener von ihm als Entquellung gedeutete Gewichtsverlust tritt also auch in Milch- säurebädern ein. Daß er geradezu auf einer aktiven Mitwirkung der Milch- säure beruht, erscheint schon darum wahrscheinlich, weil er bei allen Einwirkungen, die die Milchsäurebildung begünstigen |Wärme?), Er- müdung*)], früher und jäher abläuft, und erscheint als sicher ange- sichts der Tatsache, daß Senkung des Milchsäurespiegels im Muskel durch hohen Sauerstoffdruck die Starrelösung hemmt [Fürth?)]. Diesen letzten Versuch kann man geradezu als Experimen- tum crucis ansehen, daß zugunsten der Fürthschen Anschauung aus- gefallen ist: Milchsäure begünstigt die Starrelösung. Weiterhin läßt von Fürth‘) nun aber die Säure auf dem Umweg über eine durch ihre Anhäufung geförderte Gerinnung wirksam werden. Meine früheren Versuche zeigten mir nun, daß Milchsäure einer Ge- rinnung immer entgegenwirkt, in Bädern physiologischer Konzentration macht sie sogar Hitzegerinnung, soweit das makroskopisch und an Hand der Imbititionskurve zu beurteilen ist, völlig unmöglich. Auf Grund dieser Tatsache und von Beobachtungen über die außerordent- liche Größe von Substanzverlusten kam ich zu dem Schluß: Die Starre- lösung erfolgt durch Quellungsverflüssigung der kontraktilen Substanz und die von Fürth als Wasserverlust gedeutete Gewichtsabnahme des Muskels ist hervorgerufen durch Substanzverlust infolge von Auswan- derung des also quellungsverflüssigten Eiweißes. Diese Ansicht wäre bewiesen, wenn Ausschaltung jedes Eiweißverlustes bei freier Wasserverschieblichkeit jede Ge- wichtsabnahme verschwinden ließe. Es lag nun nahe, diese Frage nicht isoliert zu entscheiden, sondern in weiteren Versuchen das Verhältnis von Quellungszustand und nicht elek- trolytischer Gerinnbarkeit überhaupt zu untersuchen. Wie ich schon in meiner früheren a bemerkte, ist für Muskeleiweiß nicht ‚‚be- Yo Fürth rd Lenk, Biochem. 33, S. 348 u. 349, v. Bürthrund kenk, a23. 0.33, S. 364: vo Bustheundekenikr aa: 0, 33; S. 375. va Bürbhrundekenks2a232.0, 33: 8.362: v. Hürth undbenk,ala.0, S. 375376. Weber, a. a. ©. S. 191. 188 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre wiesen, daß solche Koagulation auch an bereits säuregequollenem Eiweiß auftritt.“ Nun kann man sich schon makroskopisch leicht überzeugen, daß auch ein Muskel, der z. B. in der Wasserstarre 100%, Quellungs- wasser aufgenommen hat, in der Hitze gerinnt: er wird hart, weiß, undurchsichtig. Dabei verliert er ungefähr seinen ganzen Gewichts- zuwachs. Dies sieht allerdings aus, als entquelle der wasserstarre, also milchsäuregequollene Muskel durch Hitzegerinnung; es ist bisher auch immer so gedeutet worden. Demgegenüber ist zu erwähnen: Träger der Quellung ist das durch die Milchsäure ionisierte Eiweiß. Eiweißionen sind nach Pauli!) nur nach elektrolytischer Entladung ausflockbar. Da neben ihnen bei den physiologisch vorkommenden Quellungszuständen des Muskels wahrscheinlich auch eine Menge noch neutralen Eiweißes vorhanden ist, würde es der Theorie mehr entsprecher, anzunehmen, daß nur dieses gerinnt: Das würde also heißen, daß keine Entquellung eintritt. Den Gewichtsverlust des starregequollenen Muskels müßte man dann als einen bei der Hitzekoagulation besonders rapiden Sub- stanzverlust ansehen. Ob das so ist, war ebenfalls durch Ausschalten des Eiweißverlustes während des Erhitzens nachzuprüfen. Methodik. Die in meiner früheren Arbeit *) verwendete osmometrische Technik schien zur Erfüllung dieser Bedingung geeignet bei Verwendung passender Membranen. Den früher benutzten Rindsdarm ersetzte ich in den folgenden Versuchen durch Kollo- diumhäutchen. Die für ihre Anbringung nötige Änderung des Osmometerkopfes wurde so gestaltet, daß kleinste Badmengen verwendet werden konnten. Dies ermöglichte eine genaue Kontrolle des Bades auf Eiweißaustritt und Verwendung nicht milchsäurehaltiger Bäder, ohne daß übermäßiges Herausdiffundieren der Milchsäure aus dem Muskel zu befürchten war. a) Osmometer°): Er gleicht im Prinzip dem früher verwendeten. Die Schraubklemme an der Zuleitung vom Quecksilberfüllgefäß wurde durch einen Glashahn ersetzt. Der Osmometerkopf?) wurde wie folgt, geändert (s. Abb. 1): Der eigentliche Osmometerkopf K wurde mit breitem Rand versehen, auf dem die Kollodiummembran M aufliegt. Zur Aufnahme des Bades dient ein Hohl- zylinder ohne Boden B, dessen breiter Rand auf den des Osmometerkopfes K auf- gepaßt ist. Der Badraum ist also bei gebrauchsfäbigem Apparat seitlich von dem Hohl- zylinder B, unten von der Membran M begrenzt. Hohlzylinder und Osmometer- kopf werden durch drei Schrauben 5 auf einander gepreßt. Die Abdichtung des Apparates wird vollkommen durch einen Gummiring G, der auf den Rand der Membran gelegt diesen glatt und fest gegen alle Unebenheiten des Osmometer- randes preßt und selbst nach oben gegen den Rand des Hohlzylinders abdichtet. Die Angriffspunkte der Schrauben wurden durch Gummi- und Pappringe ge- polstert. !) Wo. Pauli, Kolloidehemie der Eiweißkörper, Verlag von Theodor Stein- kopf, 1920, 8. 14. 2), Aa. 0.8: 167. ®) Die Glasteile wurden hergestellt bei Desaga, Heidelberg, z. T. nach Rat- schlägen des Inhabers. und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. 189 b) Herstellung der Membran. Sie erfolgte durch Ausgießen einer 4 proz. Kollodiumlösung in flacher Schale, Abgießen des Überschusses, Verdunstenlassen des ganzen Äthers und teilweise auch des Alkohols (Riechprobe), zweites Ausgießen der Kollodiumlösung, Abgießen und Verdunsten wie beim ersten Male. Dann wird die Membran bis zum Gebrauch unter Wasser gehalten. Die gewässerte Membran zeigt das Aussehen eines über dunklem Untergrund eben opaleszierenden, bei anderer Beleuchtung glasklaren, steifen Pergamentblattes. Ihre Wasser- und Elektrolytdurchlässigkeit ist recht groß. So nahm bei 10 mm Quecksilberdruck unter der Membran befindliche Ringerlösung aus dem Aqua dest. des Bades nicht feststellbar Wasser auf, sondern wurde in ziemlich gleichmäßiger Kurve (1 ccm in 24 Stunden) ausgepreßt. Dies Ausgepreßtwerden nicht an Eiweiß gebun- denen Wassers betone ich besonders, weil nur unter seiner Voraus- Gastrocmermius Hb0 (127759 Gummi- u. Poppring Abb. 1. Zu Abb. 1: Osmometer während des Erhitzens. K = Osmometerkopf, B = Hohlzylinder, M = Kollodiummembran, @ = Gummiring, S —= Schraube mit Druckplatte. Der Gastrocnemius wird nur zum Erhitzen in den Hohlzylinder B gegeben. setzungdem Fehlen eines Volumverlustes nach der Hitzekoagulation irgendwelche Beweiskraft zukommt. Für Eiweiß sind solche Mem- branen fast bis praktisch vollkommen undurchgängig (s. Protokolle). Dieselben Membranen können ziemlich oft verwandt werden. c) Technik der Versuche: Die Versuche wurden möglichst steril angesetzt. D. h.: der eigentliche Osmometerkopf X wurde gründlichst mit Äther gereinigt und bis zum Einbringen des Muskels mit steriler Watte bedeckt. Hohlzylinder, Gummi:ing, Membran!) sowie sämtliche Gegenstände, mit denen der Muskel in Berührung kam, wurden ausgekocht, der Laboratoriumsmantel (mindestens 1/, Stunde) sterilisiert, die Hände desinfiziert. Der Frosch wurde von Assistenz geschlachtet und gehäutet. Das hierbei von der Assistenz angefaßte Becken des Frosches wurde vor der Muskelpräparation abgeschnitten. Die so vorbereitete und !) Die Membran wurde gekocht. Dies ist auch deshalb nötig, weil sie sich beim ersten Erhitzen einmalig zusammenzieht, was sonst bei der volumetrischen Beobachtung der Wärmekoagulation zu Irrtümern Anlaß geben würde. 190 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre gewogene Oberschenkelmuskulatur wurde in den mit Quecksilber halb gefüllten Osmometerkopf eingebracht, dann das Osmometer durch Membran und Hohl- zylinder (s. 0.) geschlossen, die Schrauben aber noch nicht fest angezogen. Hierauf wurde durch Zufließenlassen von Quecksilber alle Luft aus dem Osmometer ent- fernt, bis Muskel und Quecksilber der Membran glatt anlagen, was sich durch die glasklare Membran hindurch leicht feststellen läßt. Dann wurden die Schrauben voll angezogen und so der Osmometerkopf absolut dicht verschlossen. Ob das erreicht ist, kontrolliert man, indem man den auch am äußeren Ende der Ablesecapillare verschlossenen Apparat mittels des hochgestellten Füllgefäßes einem hohen Queck- silberdruck (5—15 cm) aussetzt. Liegt die Membran hierbei dem Rand des Osmo- meterkopfes nicht vollkommen fest an, so spritzt an der undichten Stelle ein feiner Quecksilberstrahl heraus. Andernfalls öffnet man nun das äußere Ende der Ablese- capillare und mißt die Volumzunahme der Quellung unter konstantem Druck (seine Höhe siehe in den Protokollen). Die Versuche fanden teilweise (siehe S. 192) bei niederer Temperatur statt: der Osmometerkopf tauchte dann mit seinem unteren Teil in Eiswasser. Die Tempera- tur konnte so — besonders nachts — nicht konstant erhalten werden und schwankte zwischen etwas über 0° und 10°. Die Regelmäßigkeit der Quellungskurven wurde hierdurch nicht beeinträchtigt. Die zum Vergleiche frei gewogenen Gastrocnemü derselben Frösche wurden in ebenfalls in das Eiswasser tauchenden Reagenz- gläsern unter denselben Temperaturbedingungen gehalten. Zweck der niederen Temperatur war Hemmung etwaigen Bakterienwachstums. Bei dieser Versuchs- anordnung wurden nur bei einem hier nicht veröffentlichten Versuch über Toten- starre in physiologischer Kochsalzlösung 4 stecknadelkopfgroße Gasblasen be- obachtet, sonst keine Gasentwicklung. Die Versucheüberdas Verhältnis von Hitzekoagulation!) und Ent- quellung fanden bei Zimmertemperatur statt. Aber auch hierbei zeigte sich — wenigstens bei den veröffentlichten Versuchen (s. Protokolle) — nur bei einem eine ganz geringfügige, offenbar bedeutungslose Gasentwicklung, auf die hin sofort koaguliert wurde. Sie nahm darauf nicht mehr zu. Ferner wurde die Prüfung des Osmometerverschlusses auf absolute Dichte durch Einwirkung hohen Quecksilber- druckes (s. 0.) unterlassen. Dies geschah, um eine gewaltsame Dehnung der Membran zu vermeiden, damit sie sich nicht evtl. hinterher bei der Erhitzung wieder zusammenzöge und so im Sinne einer scheinbaren Volumvermehrung wirke. Die Erhitzung fand in der Weise statt (s. Abb. 1), daß der quecksilbergefüllte Teil des Osmometerkopfes in ein Wasserbad tauchte, das im Lauf von 20—30 Mi- nuten znm Sieden erwärmt wurde, dann 10 Minuten kochte. Hierbei stieg die Temperatur des eigentlichen Osmometerbades im Hohlzylindes B über der Mem- bran auf 70—75°. Der unter der Membran dem Quecksilber aufliegende Muskel war also zweifellos stärker erhitzt — als z. B. auch die Vergleichs-Gastroenemien derselben Frösche, deren Koagulation im Badraum des Osmometers (s. Abb.) voll- zogen wurde. Während die Versuche über Hitzekoagulation in ihrem Gesamtablauf vor und nach dem Erwärmen unter einem Quecksilberdruck von 10 mm standen, fand die Er- hitzung selbst bei einem geringeren, nicht viel über 0 mm betragenden Druck statt. Dies geschah, um zu vermeiden, daß beim Erhitzen sich die Membran unter dem hohen Quecksilberdruck ein wenig aus der Einklemmung herauszöge, die durch die Wärmeausdehnung der Klemmschrauben sich etwas lockert. Ihre stärkere Vor- wölbung täuschte in solchem Fall im Leerversuch ein stärkeres Absinken des Osmo- meterinhaltes vor. Bei Erhitzung unter niederem Quecksilberdruck wurden für 1) Versuche über Äther- und Alkoholgerinnung konnten nicht gemacht werden wegen der Löslichkeit der Kollodiummembran in diesen Medien. und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. 191 die Volumkurve nur die Zahlen verwendet, die bei einem Druck von 10 mm Queck- silber abgelesen waren. Sie wurden abgelesen unmittelbar vor Beginn und etwa eine halbe Stunde nach Schluß des Erhitzens, wenn alles wieder abgekühlt war. Bei dieser Handhabung wurde in 8 Leerversuchen nie ein scheinbarer Anstieg des Osmometerinhaltes, sondern höchstens ein scheinbares Absinken bis zu 0,1 ccm beobachtet. Daß auch die Durchlässigkeit der Membran für Salze nicht bei der Er- hitzung litt, zeigte ein Kontrollversuch, bei dem sich unter der Membran Ringer- lösung, darüber Aqua dest. befand: Die Auspressung der Ringerlösung verlief während !) und nach der Erhitzung ungestört. Zwei weitere Reihen von Kontrollversuchen zeigten, daß auch Anwesen- heit von Eiweiß beim Erhitzen Spannung und, Durchgängigkeit der Membran nicht verändert: l. Wurde bereits vorher gründlich gekochter Muskel im Osmometer ein zweites Mal in der oben beschriebenen Weise erhitzt. Es ergab sich dasselbe Bild wie im Leerversuch. 2. Wurde ungefähr die gleiche Menge frischen Muskels und Ringerlösung in den Osmometerkopf gegeben, in das Bad über der Membran Aqua dest. Fände nun beim Erhitzen eine Änderung der Membrandurchgängigkeit — etwa durch Eiweiß Ein- oder Anlagerung statt, so mußte sich die osmotische Druckdifferenz: Muskel + Ringerlösung gegen Aqua dest, durch eine Vermehrung des Osmometerinhaltes an- zeigen). Auch in diesen Versuchen wurde gleichmäßig auch während der Erhitzung’°) die überschüssige Ringerlösung ausgepreßt. Zusammenfassend ist also zu sagen: auch bei Erhitzung bleibt dieSpannungder Membran dieselbe und ihre Elektrolytdurchgängigkeit — auch bei Eiweißgegenwart — praktisch vollkommen. Versuchsergebnisse. a) Tritt durch eine Spontangerinnung von Muskeleiweiß bei der Starrelösung eine Entquellung ein? Von 4 übereinstimmend ausgefallenen Versuchen der Versuchs- reihe l über Wasserstarre veröffentliche ich ein Kurvenpaar (siehe Abb. 2 S. 192). Wir sehen, daß die Volumzunahme im Osmometer nach 170 Stunden noch andauert und sich in gleichmäßiger Kurve asymptotisch einer wagerechten nähert. Demgegenüber zeigt der freigewogene Gastro- cnemius desselben Frosches nach 22 Stunden die typische mit der Starre- lösung einhergehende Gewichtsabnahme. Also ist tatsächlich der Fürthsche Wasserverlust der Starrelösung in Wirklichkeit ein Eiweißverlust, und es handelt sich nicht um eine Ent- quellung! l und ?) Der Druck blieb bei diesem Versuch auch während des Erhitzens 10 mm Quecksilber, damit nicht eine beim Druck 0 eintretende osmotische Wasser- aufnahme den gleichmäßigen Ablauf der Kurve verschleiere. ?) Dagegen würde eine etwaige Quellung des Muskels den Osmometerinhalt nicht vermehren, da das dazu nötige Quellungswasser als Ringerlösung bereits im Osmometer vorhanden ist. 192 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre ad Dieselbe Folgerung ergibt sich aus der Versuchsreihe 2 für die Totenstarre, in der statt des Aqu. dest. physiologische Kochsalzlösung verwandt wurde (s. Abb. 3). Daß ein sehr starker Austritt verflüssigten Eiweißes aus der Muskelmasse stattfindet, kann man aber auch sehr deut- lich bei Betrachtung des Osmometerinhaltes erkennen: Durch die durchsichtige Membran sieht man in allen länger dauernden Versuchen mindestens ebensoviel flüssiges Ei- weiß wie Muskelmasse. Diese Verflüssigung erfolgt durch Quellung: Sie blieb während eines 3 Tage dauernden Versuches aus, bei Verwendung einer wasserundurchgängigen!) Kollodiummem- bran (s. aber auch S. 198). 120 x N SQ Q & oO Massenveränderung ın% Massenveranderung in % „em®’=e 2 o Bl 27.7577 20: 40. 60)‘ 80° 100. 120 140 1608100 20. "40 60,80 100720S1a Abb. 2. Abb. 3. Zu Abb. 2: Versuchreihe 1 (4 Versuche), Quellung in Aqua dest. März, Temperatur = + 1 bis + 10°, Quecksilberdruck = 5 mm, Ran. esc. Quel- lungskurve im Osmometer (Anfangsgewicht 1,59 g), — . — . — Gewichtskurve des freigewogenen Vergleichsgastrocnemius (Anfangsgewicht 0,62 g). Am Schluß des Versuchs ist das Osmometerbad (5 cem) durch Eiweiß leicht getrübt, bleibt beim Kochen opaleszent, flockt auf FeÜl,-Zusatz aus, wobei Milchsäure deutlich positiv. Keine Gasentwicklung. Unter der Membran etwa 1,5 ccm nicht ganz klar verflüssigten Ei- weißes (leichte Opaleszenz). Zu Abb. 3: Versuchsreihe 2 (2 Versuche) Quellung in 0,7 proz. NaCl. März, Temperatur = +1 bis + 10°, Quecksilberdruck = 5mm, Ran. temp. Quellungskurve im Osmometer. (Anfangsgewicht: 1,18 g), — * — +» — Gewichts- kurve des frei gewogenen Vergleichsgastrocnemius (Anfangsgewicht 0,534 g). Am Schluß des Versuchs enthält das Osmometerbad (1 cem) kein Eiweiß, deutlich Milchsäure. — Keine Gasentwicklung. — Starke Verflüssigung des Muskels im Osmometer. 1) Durch sehr vollständiges Verdampfen von Äther und Alkohol in Heiß- luft (sonst s. Methodik) hergestellt. und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. 193 Auch gegen die Starrehypothese von Wackert) ergeben sich aus diesem Be- obachtungsmaterial Schlußfolgerungen. Dieser nimmt als Ursache der Starre an 1. „eine Steigerung des osmotischen Druckes innerhalb der Muskelfasern als Folge der Zertrümmerung des großen Kolloidmoleküls Glykogen in zahlreiche Moleküle der Krystalloidsubstanz Milchsäure. 2. Eine Drucksteigerung durch Entbindung von Kohlensäure aus Bicarbonat.‘ Dem steht entgegen: 1. Für die mit der Totenstarre verbundene Wasserauf- nahme kann eine osmotische Drucksteigerung in den Muskelelementen keine be- deutungsvolle Rolle spielen, da diese Wasseraufnahme auch nach ihrer Zerstörung bei dem zum großen Teil verflüssigten Muskelproben im Osmometer andauert. Daß hierbei die ganze Osmometerzelle als osmotische Einheit wirkt, eıscheint an- gesichts der Durchgängigkeit der Membran ausgeschlossen (s. Methodik). 2. Die nach Wacker außer der Milchsäure für die Totenstarre verantwortliche Kohlen- säure müßte nach seiner eigenen Angabe nach wenigen Stunden zu entweichen beginnen. — In diesem Entweichen sieht Wacker ja die Ursache für die Starre- lösung. — Nun war in den angeführten Versuchen nie (in Versuchsreihe I also nach über 170 Stunden noch nicht) die allergeringste Gasentwicklung bemerkbar, ob- wohl bei einigen nicht sterilen Versuchen sich die Fäulnisgase unter der Membran sammelten, die Membran also Gasblasen festhält. Also ist — wenigstens beim Kaltblüter — eine Bildung gasförmiger Kohlensäure nicht anzunehmen. Für meine Deutung der Starrelösung als Zerquellung scheint mir auch ein Protokoll zu sprechen, das mir Herr Prof. Winterstein in liebens- würdiger Weise aus unveröffentlichten Versuchen überließ 2). Ich lasse die nach diesem Protokoll hergestellte Kurve folgen: 73 Abb. 4. Zu Abb. 4: Versuchsreihe 3, Wägung eines Gastrocnemius in lOproz. NaCl, Dezember, Temperatur 17°, Anfangsgewicht 0,64 g. Einer einstündigen Gewichtsabnahme folgt ein ziemlich regelmäßiger Anstieg (bis zum 13. Tage). Dann verläuft die Kurve annähernd wage- recht. In l1Oproz. Kochsalzlösung finden wir also am freigewogenen, Gastrocnemius, keinen Gewichtsverlust, wie ihn Fürth als Dokument einer Gerinnungsentquellung anführt. Dabei müßte 10 proz. Kochsalz- lösung eine solche begünstigen. Daß die Gerinnung schon während der !) Wacker, Biochem. Zeitschr. 75, 130. ?) Hierfür möchte ich Herrn Prof. Winterstein auch an dieser Stelle noch einmal meinen herzlichsten Dank aussprechen. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 13 194 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre einen Stunde des Kurvenabfalls eingetreten sein sollte, erscheint nicht sehr wahrscheinlich. Denn Maßnahmen, die eine derartig rapide Koagu- lation herbeiführen (Hitzegerinnung, Chloroform-, Alkoholzusatz), ver- hindern eine nachträgliche durch freie Wägung feststellbare Gewichts- zunahme fast völlig [Fürth!]). Wir müssen also den anfänglichen Wasserverlust als osmotisch und erst die spätere Imbibition als kolloidalansehen. Der Fürthsche Entquellungsteil der Muskel- kurve fehlt also auch hier völlig. So wird meine Anschauung über die Starrelösung auch durch diesen Versuch gestützt: 10 proz. Kochsalzlösung hemmt die Quellung soweit, daß keine umfang- reiche Eiweißverflüssigung, also auch nur geringe Eiweißauswanderung eintritt. Trotz des Fehlens einer Entquellung ist eine Gerinnung zweifellos doch vorhanden: Die bei der Quellung sich unter der Membran sammelnde, aus dem Muskel ausgetretene Eiweißlösung ist opaleszent, teilweise sogar recht trübe (s. auch S. 192, zu Abb. 2). Nur bedingt diese Gerinnung eben, wie theoretisch zu erwarten (s. S. 188) keine meßbare Wasserabgabe. Wir kommen damit zu der zweiten Frage. b) Gehteine nichtelektrolytische (Hitze)-Koagulation mit einer Entquellung einher? Vgl. Abb. 5 uni 6, S. 195. Wir sehen, die Erhitzung beeinflußt die Massenkurve im Osmometer und bei dem freigewogenen Vergleichsgastrocnemius unabhängig vom Quellungsgrad in entgegengesetztem Sinn: Im Osmometer Volum- zunahme, bei der Wägung Gewichtsabnahme von 20—40%. Es sind also die im Osmometer vorhandenen Eiweißionen erwartungs- gemäß nicht nur nicht fällbar, sondern ihre Zahl wird durch die im Beginn des Erhitzens entwickelte Milchsäure auf Kosten der gerinnenden Neutralteilchen außerordentlich vermehrt. Weiterhin verlaufen die Kurven ziemlich wagerecht, da ja, wie Fletchers?) Untersuchungen gezeigt haben, mit der Koagulation bei höherer Temperatur die Milch- säurebildung aufhört. Also ist der Gewichtsverlust des freige- wogenen Muskels tatsächlich ein Substanzverlust. Er umfaßt bei solch gründlicher Erhitzung ungefähr alle Eiweißionen: der freigewogene Gastrocnemius (Versuchsreihe 4 1’und Versuchsreihe 5 1’) entquillt bei Überführung in 5 proz. CaC], (als wirklich entquellende — entionisierende Lösung) nicht mehr, da alles gequollene Eiweiß bereits durch die Koagulation ausgepreßt wurde. Dagegen sehen wir im Osmometer, wo dieser Substanzverlust unmöglich ist, eine prompte Entquellung auf Zusatz von CaCl; ?). 1) Fürth und Lenk, a. a. O. S. 363ff. ?) Fletcher, Journ. of physiol. 43, S. 294 (1911), ders. und Hopkins, ‚Journ. of physiol. 35, 266 (1907). 3) Diese Volumabnahme beweist außerdem für jeden einzelnen Fall noch einmal, daß chemisch freies Wasser tatsächlich aus dem Osmometerkopf ausgepreßt wurde. und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. 195 Den Substanzverlust machen ferner die Beobachtungen sehr glaub- haft, die man durch die klare Membran hindurch bei der Koagulation im Osmometer anstellen kann. Auch bei bis dahin noch nicht zerquollenem Muskel tritt aus dem Muskelleib, der sich in der Gerinnung zusammen- zieht, eine große Menge flüssigen Eiweißes aus, in welchem sich dann auch noch Niederschläge bilden. Es werden also außer dem ganzen eigentlich verflüssigten, ionisierten Eiweiß auch noch zahlreiche durch die Quellung aus ihrem Zusammenhang gelöste Neutralteilchen, wie Treibeis, aus dem Muskel herausgeschwemmt, wodurch sich das häufige °% ER +40 2 Gall, ES wen in 5% Call, +20 3 i an nn -07 / \ N / \ R r 5% Call, Abb. 5 Abb. 6, Zu Abb. 5 u. 6: Versuchsreihen 4 und 5, Vergleich der Hitzekoagu- lation frei gewogener Gastrocnemien undim Osmometer gequollener Oberschenkelmuskulatur desselben Frosches. April, Mai, Temperatur 15—17°, Quecksilberdruck 10 mm, Ran, esc., 1 Osmometerkurven, —- — +» — 1’ Wägungskurven, ..... Kurventeile während der Erhitzung (Temperatur s. Methodik), o---0o Kurventeile in 5 proz. CaCl;- Lösung. Zu Abb. 5: Versuchsreihe 4, bei Quellungin Aqua dest. Anfangsgewichte 1 = 1,47 g, 17 = 0,796 g Eiweißaustritt in die Badflüssigkeit gering. Außer der hier allein als Kurve dargestellten sofortigen Hitzekoagulation eines frischen Muskels fanden 5 weitere Versuche statt, in denen nach ver- schieden langer Quellungszeit (bis zu 65 Stunden) erhitzt wurde. Der Verlauf aller 5 Kurvenpaare war vom Beginn der Erhitzung an dem hier dargestellten völlig analog. Nur war die gesamte Volumzunahme der im Osmometer befind- lichen Muskelproben wesentlich größer (insgesamt bis zu 92%) dadurch, daß sich zu der Wasseraufnahme während der Erhitzung selbst auch die ihr vorangegangene Quellung addierte; das Gewicht der Gastrocnemien stürzte bei der Koagulation von jedem Quellungsstand bis tief unter die Abszisse. — Nur in einem der Ver- suche traten 3 stecknadelkopfgroße Gasblasen auf (s. S. 190).— Unter der Membran befanden sich nach der Koagulation neben dem geronnenen Eiweiß wechselnde Mengen vollkommen klarer Eiweißlösung (bis zu 1 ccm). Zu Abb. 6: Versuchsreihe 5: (2 Versuche). Bei Quellung in Ringer- lösung, Eiweißaustritt in die Badflüssigkeit ziemlich stark, keine Gasentwick- lung; starke, klare Muskelverflüssigung neben umfangreicher Gerinnung. 13* 196 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre Absinken des Gewichts unter die Abszisse beim Erhitzen des frei- gewogenen Muskels noch befriedigender erklärt. Aber nicht nur auf Kosten der gerinnenden, sondern auch der schon geronnenen Neutralteilchen kann die beim Erhitzen entwickelte Milch- säure eine starke Ionisierung — Quellung hervorrufen. Dies läßt sich zeigen, wenn man während der Koagulation das Wasser des Bades ent- fernt und, um einer Austrocknung der Membran vorzubeugen, durch Quecksilber ersetzt. In diesem Faıile wird die Quellung während des Erhitzens sehr gering — alle Wasserreste lassen sich nicht aus dem Hehlzyiinder entfernen —, um einer um so stärkeren Platz zu machen. sobald nach Wiederabkühlung das Quecksilber wieder durch Aqna dest. ersetzt ist!). Versuchsreihe 6. April, Temperatur 17°, Quecksilberdruck 10 mm, Ran. esc., Anfangsgewichte: R—0:85.8,. 11. 15,027: I 11 Während !/,stündiger Quellung in Aqu. dest. Zunahme um 12,9%, 15,8% Während der Erhitzung unter Hg Zunahme um 8.1002423;69, Während 10 Stunden nach Wiederabkühlung Zunahme um 24,7%, 19,1%, Starker Eiweißaustritt ins Bad, keine Gasentwicklung. Klarflüssiges Eiweiß unter der Membran neben überwiegend geronnenem Muskel. Diese beträchtliche Quelluns völlig koagulierten Eiweißes zeigt, daß eine solche Gerinnung nicht nur keine Entquellung hervorruft, sondern daß auch ihre Bedeutung als Quellungshemmung für physio- logisch entwickelte Milchsäuremengen viel geringer ist, als v. Fürth?) nach seinen Versuchen mit gekochten Frosch- und Katzengastrocnemien annehmen mußte. Die auch von mir beobachtete scheinbare Quellungsunfähigkeit geronnenen Muskels bei Bestimmung durch freie Wägung (siehe Gastrocenemien in Versuchs- reihe 4 und 5) wird verständlich dadurch, daß sicher bei der Auspressung des ver- tlüssigten Eiweißes auch fast alle Milchsäure aus dem Muskel austritt. Die Ergebnisse der besprochenen Versuche führen zu folgender Ansicht: l. Über das Verhältnis von Quellung und Gerinnung: Fürth?) hatte geglaubt, daß die Verminderung der Quellbarkeit nach z. B. Hitzegerinnung einen unmittelbaren Antagonismus »wischen Quel- lung und Gerinnung beweise, welch letztere daher eine Säurequellung rückgängig machen müsse. Er macht überhaupt keinen Unterschied zwischen einer nicht elektrolytischen Gerinnurg und einer solchen durch !) Daß nicht Änderungen in Wassergehalt oder Spannung der Membran infolge dieser Manipulationen eintraten, zeigte ein Kontrollversuch mit vorher gründlich gekochtem Muskel, bei dem Volumkonstanz bestand. ®) Fürth und Lenk, a. a. O. S. 363. ®, Fürth und Lenk, a. a. ©. S. 379. und die Beziehungen zwischen Quellung und Gerinnung des Muskeleiweiß. 197 Neutralsalze!), deren Wirkung tatsächlich der Säurequellung antagoni- stisch ist, indem sie die Zahl der Säureeiweißionen vermindert. — Hierzu ist zu bemerken: In Übereinstimmung mit Paulis Ansicht (s. $.188) machten es mir frühere Studien über die Salzentquellung an schon vor- her geronnenem Eiweiß (a. a. ©. S. 182ff.) wahrscheinlich, daß auch bei Muskeleiweiß die Entquellung nur durch die elektrisch ent- ladende Kraft der Salze, also durch die Rückverwandlung von Eiweißionen in Nentralteilchen veranlaßt werde. Die Gerinnung (Dispersitätsverminderung) würde sich dann erst an diesen für den Quellungszustand belanglosen Neutralteilchen vollziehen. Diese Ansicht wird nun dadurch vollkommen bestätigt, daß eine z. B. durch Hitzegerinnung herbei- geführte Koagulation ohne gleichzeitige (bezw. vorhergehende) Ent- ladung der Eiweißionen durch einen Elektrolyten nicht entquellend wirkt. Die von Fürth?) beobachtete, von mir bestätigte (a. a. O. S. 180) geringere Quellbarkeit einmal geronnenen Eiweißes beweist nichts gegen die eben entwickelte Anschauung: sie bedeutet ja nur eine ge- ringere ionische Verteilungsfähigkeit eines anderen Ausgangsmaterials, nämlich des koagulierten gegenüber dem genuinen Eiweiß. Ich fasse diese Ausführungen zusammen: Nur Neutralpartikel vermögen in doppelter Richtung zu reagieren, entweder sich zu agglutinieren (Gerinnung) unter irreversibler Ver- minderungihrer Quellbarkeit oder zu Ionen zu dissoziieren, wobei sie unter Wasseranlagerung (Quellung) ungerinnbar werden, (d. h. solange die Ionisierung eben nicht durch Elektrolyt- zusatz wieder beseitigt wurde). Für den Muskel folgt hieraus, daß der Umfang einer — nie entquellend wirkenden — Gerinnung (ohne elektrische Ent- ladung) abhängt von der Menge der Neutralteilchen. Dies fand ich bei meinen Versuchen bestätigt: am frischen, unermüdeten Muskel entsprach seiner Zusammensetzung aus meist nicht dissoziierten Mole- külen eine sehr vollständige Gerinnung: beim Erhitzen wird wenig Eiweißlösung ausgepreßt (s. S. 198), falls man eine Wasseraufnahme verhindert. Eine länger dauernde Quellung in Aqua dest. bedeutet Ab- nahme der Neutralteilchen durch Zunahme der Ionen (infolge der Milch- säurebildung): Es findet noch immer eine umfangreiche Gerinnung beim Erhitzen statt; aber große Tropfen vollkommen klarer Eiweißlösung bleiben unbeteiligt. In Milchsäurebädern schließlich ist die Menge der Neutralteilchen am geringsten, so klein, daß ich eine Gerinnung über- haupt nicht sicher feststellen konnte (a. a. O. S. 186). I) Fürth a. a. O. S. 419ff. 2) ERüEGheundalremnikewarear Oo: 198 H. H. Weber: Die Lösung der Muskelstarre Das Verhältnis von (nicht elektrolytischer) Gerinnung, Verminderung der Quellbarkeit und Entquellung ist also so zu formulieren: Der Umfang der Gerinnung — d. i. Dispersitätsverminderung — unddamitauch der Umfang der daraus folgenden Verminde- rung der Quellbarkeit hängt von dem Quellungsstadium des Muskels ab, in dem koaguliert wird. Dagegen tritt eine Entquellung in keinem Stadium ein. 2. Dafür die Lösung der Quellungskontraktion der Starre weder eine Entquellung durch Gerinnung, noch durch Milchsäureverarmung (s.S. 186,187) in Frage kommt, muß die Ursache der Starrelösung eine Zerstörung der kontraktilen Struktur sein. Eine derartige weitgehende Zerstörung durch Quellungsverflüssigung konnte bei der Starre in Bädern in der Tat nachgewiesen werden.-Es scheint also berechtigt, eine solche Zerquellung durch das im Muskel befindliche, chemisch freie Wasser, auch für die Lösung der normalen Leichenstarre anzunehmen (natürlich ohne spon- tanen Eiweißaustritt), um so mehr, als sich auch hier eine allerdings viel schwächere Quellungsverflüssigung zeigen läßt: Die Erhitzung eines frischen Muskels unter einer wasserundurchgängigen Membran!) läßt auch ohne Wasseraufnahme von außen hitzeunkoagulierbares, flüssiges, also quellungsverflüssigtes Eiweiß auftreten (allerdings etwa nur !/, der ganzen Muskelmasse). Aber auch eine so geringe Zerquellung. für deren Zustandekommen also das Muskelwasser reicht, genügt zur Erklärung der Lösung der Leichenstarre: Man braucht nur anzunehmen. daß bei stellenweiser Unterbrechung der kontraktilen Struktur die er- haltenen Abschnitte auseinanderweichen, wie dies Stübel?) tatsächlich mikroskopisch beobachtet hat. Dieser Autor fand auch?), daß außer gewissen Fixierungsmitteln auch wachsende Konzentrationen der im Muskel physiologisch vor- handenen Salze die normale kontraktile Struktur in steigendem Umfang (30 proz. NaCl oder KCl vollkommen) konservierten. Dies muß man wohl als eine Folge der Quellungs-, also auch Zerquellungshemmung durch die betreffenden Salze ansehen und evtl. gleichzeitig als einen Beweis für die die grobe Struktur erhaltende Wirkung der Gerinnung. Auch die histologischen Untersuchungen sprechen also dafür, daßdieLösung der Starre eine Strukturzerstörungist, und zwar durch Zerquellung, — auch bei der Leichenstarre. Zusammenfassung. Osmometerversuche mit für Eiweiß völlig oder fast völlig undurchgän- gigen, für Salze und Wasser durchgängigen Kollodiummembranen ergaben: 1) S. Seite 192, Anm. 1. ?) Stübel, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 180, 220ff. (1920). 2) A. -a, 0.8: 2258. und die Beziehungen zwischen Quellune und Gerinnung des Muskeleiweiß. 199 1. Für die Erklärung der Starrelösung kommt keinerlei Entquellungin Frage, da bei Ausschaltung des Eiweißverlustes die Quellung des Muskels innerhalb der in Betracht kommenden Zeiträume dauernd zunimmt (Versuchsreihe 1, 2 und 3). 2. Eine etwa auftretende Gerinnung (sowohl Spontan- wie Hitzekoagulation) führt keinerlei Entquellung herbei (S. 194 und Versuchsreihe 4 und 5). Vielmehr nimmt infoige des Erhitzens die Quellung, unter Umständen sogar auch die schon geronnenen (Versuchs- reihe 6) Eiweißes durch die dabei entwickelte Milchsäure erheblich zu. DieGerinnungvollziehtsichnuranden Neutraipartikeln, die an der Wasserbindung des Muskels nicht meßbar be- teiligt sind. Von Fürths Annahme eines Zusammenhanges zwischen Gerinnung und Entquellung erklärt sich aus der irrigen Deutung des Gewichts- verlustes, der nicht auf einem Wasser-, sondern auf einem Substanzverlust durch Austritt verflüssigten Eiweißes beruht. 3. Daß dieser Substanzverlust tatsächlich durch Zer- quellung hervorgerufen wird, zeigt die Beobachtung, daß bei länger dauernder Quellung (oder Erhitzung) sich unter der Membran mindestens ebenso viel flüssig ausgetretenes Eiweiß befindet, wie noch äußerlich erhaltener Muskel. Bei Verhinderung der Wasseraufnahme durch Verwendung wasserundurchgängiger Membranen tritt ein spon- taner Flüssigkeitsaustritt nicht ein, wohl aber, wenn auch in geringem Umfang, beim Erhitzen. Dies zeigt das Bestehen einer gewissen Zer- quellung auch ohne Wasseraufnahme von außen und ist eine weitere Stütze der Theorie, daß die Lösung der Totenstarre auf einer (durch Milehsäureanhäufung bedingten) Zerquellung der kontraktilen Struktur beruht. Zum Schluß möchte ich dem Direktor des physiologischen Instituts, Herrn Professor Winterstein, für das so vielfache, freundliche Ent- gegenkommen meinen herzlichsten und ehrerbietigen Dank aus- sprechen. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Rostock.) Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. Von Dr. Hermann Voelkel. Assistent am Physiologischen Institut. Mit 7 Textabbildungen. ( Eingegangen am 9. Juni 1921.) Die Beziehungen, welche auf Grund der neueren Vorstellungen über den Erregungsvorgang zwischen Zellpolarisation und Erregbarkeit be- stehen würden, lassen einen Zusammenhang auch zwischen Ruhestrom und Erregbarkeit sehr möglich erscheinen. Die Frage, ob ein solcher Zusammenhang besteht, scheint bisher keiner systematischen Unter- suchung unterzogen worden zu sein. Abgesehen von Versuchen Bieder- mannst), der hervorhebt, daß der Demarkationsstrom in der Äther- narkose zu einer Zeit, wo beim Muskel alle ‚sichtbaren Erregungserschei- nungen gänzlich fehlen, nicht in irgend erheblichem Grade vermindert‘ sei, scheinen keine Angaben hierüber vorzuliegen. Am geeignetsten die Erregbarkeit in stärkerem Maße und auf längeren Zeitraum hin zu be- einflussen, erwies sich die Anwendung von Narkotica (Äther, Chloro- form und Alkohol), die daher auch im folgenden zu diesem Zwecke ver- wandt wurden. Angaben über Beeinflussung des Ruhestromes durch Narkotica fin- den sich bei Mommsen?) und Alcock?). Ersterer fand, daß Alkohol den Ruhestrom herabsetzt, jedoch waren diese Erscheinungen nicht mehr reversibel, analoge Resultate an chloroformierten und ätherisierten Nerven konnten nicht erzielt werden. Mommsen versetzte die Nerven auf die Weise in Narkose, daß er das ganze Präparat resp. den Nerven desselben in NaCl-Lösung, die mit dem betreffenden Narkoticum ver- setzt war, tauchte, wodurch er abgesehen von der narkotisierenden Wirkung, eine Konzentrationsänderung hervorrief. Seine Resultate können daher nicht als beweisend angesehen werden. Die Beeinflussung des Ruhestromes durch Narkotica wurde von Alcock?) einer systematischen Untersuchung unterzogen, die damit einkergehenden Erregbarkeitsveränderungen sind hierbei jedoch nicht verzeichnet worden. Alcock fand, daß wenn der Teil des Nerven, an 1) Sitzungsberichte der Wiener Akademie XCVII. III. Abt. 1888. ®) Arch. f. Anat. u. Physiol. Virchow, 83, 1881. ®) Proc. of the royal Soc. Ser. B, Vol. 77. 1906 und ebenda Vol. 78. 1906. H. Voelkel: Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. 201 dem die Längsschnittelektrode anlag, in Narkose versetzt wurde, der Ruhestrom absank; ein Ansteigen des Ruhestromes ergab sich bei der Narkotisierung des abgeleiteten Querschnittes. Als Narkotica fanden Verwendung Äther und Chloroform. Methodisches. Als Versuchsobjekte dienten die üblichen Nerv-Muskelpräparate des Frosches mit vollständigem Unterschenkel, dem die Haut belassen wurde, um das Präparat möglichst vor Eintrocknung zu schützen; bei länger dauernden Versuchen erwies es sich als günstig, den Unterschenkel so aufzuhängen, daß er in physiologische NaCl-Lösung tauchte. Der Nerv des Präparates wurde durch eine Glaskammer hindurchgezogen, durch welche kontinuierlich Sauerstoff durchgeleitet wurde. Diese Kammer bestand, ähnlich wie die von v. Baeyer!) verwendete Kammer, aus einem nach unten zu verjüngten Glasrohr von 25 mm Durchmesser, in dessen Wand drei Glasröhrchen von 5 mm Durchmesser und 10 mm Länge eingeschmolzen waren. Von diesen letzteren standen sich zwei genau gegenüber und das dritte war dem ersteren genähert und senkrecht zu diesem gestellt. Ferner waren zwei Platin- drähte in die Kammer eingeschmolzen, so daß ihre freien Enden bis über die Mitte in die Kammer hineinragten, sie dienten als Reizelektroden und gestatteten die Erregbarkeit des Präparates in der Narkosekammer zu prüfen. Das Lumen der drei Glasröhrchen war so gewählt, daß durch dieselben die Enden der unpolarisier- baren Elektroden hindurchgesteckt werden konnten und vollkommen dicht ab- schlossen. Diese Einrichtung der Kammer gestattete es, entweder den ganzen Nerven dem Narkosedampf auszusetzen und Längs- und Querschnitt desselben innerhalb der Kammer abzuleiten, oder auch nur den Längsschnitt in der Kammer, den Querschnitt jedoch außerhalb, und umgekehrt, mit der Ableitungselektrode in Verbindung zu setzen. In besonderen Fällen wurden auch der Quer- und Längs- schnitt außerhalb und ein weiterer Längsschnitt in der Kammer mit den Elektroden in Berührung gebracht. Das nach unten zu verjüngte Ende der Kammer wurde mit Hilfe eines Gummi- stopfens einem kugeligen Glasbehälter aufgesetzt, dem ein kugelförmig er- weitertes U-förmig gebogenes Glasrohr vorgeschaltet war. Die Erweiterung war etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllt, um die Luft der Kammer stets feucht zu er- halten; gleichzeitig ermöglichte diese Vorrichtung eine Kontrolle der Stärke der Durchleitung des Sauerstoffes resp. des Narkosedampfes durch Zählung der Blasen. Als unzweckmäßig erwies es sich, den Glasbehälter selbst mit Flüssigkeit zu füllen, da beim stärkeren Durchleiten von Sauerstoff, wie es zur schnellen Aufhebung der Narkose notwendig war, leicht Tropfen derselben in die Kammer gespritzt wurden und den Nerven befeuchteten. Als Ableitungselektroden dienten unpolarisierbare Elektroden, die folgender- maßen hergestellt waren: der untere Teil eines Glasröhrchens wurde durch einen NaCl-Gelatine-Pfropf abgeschlossen, in dem ein Haarpinsel befestigt war, der obere Teil wurde mit konzentrierter ZnSO,-Lösung gefüllt und in diese ein amalgamierter Zinkstab getaucht; um ein Ausfließen der ZnSO,-Lösung zu verhindern, waren die Elektroden am unteren Ende in einem Winkel von ca. 30° abgebogen. So hergestellte Elektroden zeigten nur kurz nach ihrer Herstellung einen FEigenstrom, der bei Kurzschließen derselben, nach etwa einer halben Stunde verschwand; ferner boten sie den Vorteil, daß sie sehr lange brauchbar blieben, wenn man sie bei Nichtgebrauch mit den Pinseln in physiologische NaCl-Lösung tauchend auf- bewahrte. !) Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 2, 1902. 202 H. Voelkel: Die Erregbarkeit des Präparates wurde durch den Rollenabstand eines Du Bois Reymondschen Schlitteninduktoriums gemessen. Gereizt wurde stets mit üinzelschlägen. Der Abstand der Reizelektroden vom Querschnitt betrug in allen Versuchen 15—20 mm. Der Ruhestrom wurde zu einem Edelmannschen Saitengalvanometer abge- leitet und die Ausschläge des Fadens mikroskopisch direkt beobachtet. Die Faden- spannung war bei den Versuchen am Nerven so gewählt, daß einem Millivolt der Ausschlag des Fadens von einem Teilstrich entsprach. Die Zimmertemperatur und die Temperatur in der Kammer wurden jedesmal festgestellt. Nachdem der Nerv durch die Kammer hindurchgezogen war, wurde stets so lange Sauerstoff durchgeleitet, bis der Ruhestrom und die Erregbarkeit kon- stante Werte zeigten, erst dann wurde mit der Narkose begonnen. I. Versuche am Nerven. A. Versuche mit Verminderung der Erregbarkeit. Chloroform und Äther zeigten im allgemeinen die gleiche Wirkung, nur daß Chloroform natürlich viel intensiver wirkte, was sich ganz be- sonders durch ein viel schnelleres Absinken der Erregbarkeit nach einer zeitlich kürzeren Einwirkung als bei Äther äußerte; ferner war in den meisten Fällen das beim Äther so ausgesprochene Erregungsstadium zu Beginn der Narkosewirkung weniger ausgeprägt. Die große Zahl der Versuche führte zu folgenden, durch Kurvenbeispiele belegten Re- sultaten, die hinsichtlich der Beeinflussung des Ruhestromes die von Alcock!) gemachten Beobachtungen bestätigen. 1. Wurde das Narkoticum dem Quer- und Längsschnitt gleichzeitig und gleichmäßig zugeleitet, so sank die Erregbarkeit des Präparates nach einiger Zeit der Nar- koseeinwirkung voll- ständig ab und kehrte bei nachträglicher Zu- leitung von Sauerstoff wieder, während der ganzen Zeit erfuhr der Ruhestrom keinerlei Veränderung, er blieb auf seiner ursprüng- lichen Höhe stehen, resp. sank nur um einen ganz geringen Bruchteil, wie dieses auch in sauerstoff- reicher Atmosphäre ohne Narkoticum der Fall ist, ab. Ein Beispiel ist in Kurve 1 wiedergegeben. In einzelnen Versuchen fiel der Ruhestrom des Nerven bei tiefer lee: TIstr RA\ınmm 70 200 0 700 BE) 20 30 40 so 600 Kurve 1. Quer- und Längsschnitt der Äthereinwirkung ausge- setzt. — Ruhestrom. - — -— -— Erregbarkeit. Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregebarkeit. und längerer Narkose ab, doch kehrte in diesen Fällen die Erregbarkeit, auch nach genügend starker und langer Zuführung von Sauerstoff nicht mehr wieder; es waren dauernde Schädigungen des Nerven eingetreten, die zum Absterben desselben führten. 2. Wurde der Nerv des Präparates so durch die Kammer gezogen, daß der Querschnitt außerhalb derselben abgeleitet werden konnte und ARA.ın mm 600 } TIstr u N Bee ee ne A\ Ir 40 500 | IT 9 \ 22 N > ES \ Bra 30 400 FIR \ Er \ | | Minuten ZONE 2220 DO EEE SO FEERE CO FERN OEEEETTO, 230 Kurve 2. Längsschnitt unter Narkose (Äther). ————— Ruhestrom. - - Erregbarkeit. der abgeleitete Längsschnitt der Narkosewirkung ausgesetzt war, so war die Erregbarkeitsänderung eine gleiche wie im vorhergehenden Falle, während jetzt auch der Ruhestrom absank. Kurvenbeispiel 2. Diese Erscheinung ist eine reversible, nach Zufuhr von Sauerstoff steigt der Ruhestrom wieder an und erreicht seine ursprüngliche Höhe. 70 200- N A H n I} ' \ H © 700,- N \ |“ Y \oy j Minuten DL pe io ı f [0] 70 20 30 40 50 60 70 80 90 700 0 15 Kurve 3. Querschnitt unter Narkose (Chloroform). Ruhestrom. - — -— — Erregbarkeit. 203 Diese Erholung ist keine vorübergehende, denn die wiedererlangte Stärke des Ruhestromes konnte auch noch 2—3 Stunden nach dem Aufhören der Narkosewirkung festgestellt werden, wie dieses auch aus dem an- geführten Kurvenbeispiel 2 ersichtlich ist. 204 H. Voelkel: In beiden Versuchsreihen fand eine Erregbarkeitssteigerung zu Beginn der Narkose statt, der Ruhestrom wurde hierdurch nicht beeinflußt (s. auch später). 3. Es wurde nur der Querschnitt der Einwirkung des Narkoticums ausgesetzt, der Längsschnitt dagegen außerhalb der Kammer abgeleitet (Kurve 3). Die Erregbarkeitsveränderungen sind auch in dieser Versuchs- reihe die gleichen, wie inden vorhergehenden, der Ruhestrom erfährt jedoch eine beträchtliche Steigerung. Diese Steigerung des Ruhestromes ist reversibel und viel größer, als wenn die Potentialdifferenz von einem neuen Querschnitt abgeleitet würde. Bereits Engelmann zeigte, daß der Ruhestrom des Nerven auch in sauerstoffreicher Atmosphäre all- mählich sogar bis auf Null absinken kann, ein frischer Querschnitt in der Nähe des alten stellt in solchen Fällen den Ruhestrom wieder her. Man hätte nun daran denken können, daß bei Applikation des Narko- ticums auf den Querschnitt analoge Verhältnisse eintreten, daß hier eine Art neuer Querschnitt durch das Narkoticum gesetzt würde. Dieses ist keineswegs der Fall, wie es auch aus dem Kurvenbeispiel hervorgeht. Wurde nämlich ein neuer Querschnitt angelegt und von diesem der Ruhestrom abgeleitet, so erreichte dieser niemals die Stärke, wie sie durch Einwirkung des Narkoticums auf den Querschnitt erzielt wurde. In dem angeführten Kurvenbeispiel 3 z. B. zeigte der Faden des Saitengalvanometers vor Beginn der Narkose einen Ausschlag von 18,0 Teilstrichen, in der tiefsten Narkose einen solchen von 26,5 Teil- strichen, während ein zu Ende des Versuches angelegter neuer Quer- schnitt gegen denselben Längsschnitt einen Strom von 19,0 Teilstrichen ergab. Die Narkose erzeugt ein viel größeres Potentialgefälle, als dieses durch einen frischen Querschnitt erreicht werden kann. In der 2. und 3. Versuchsreihe erreichte der Ruhestrom durchschnitt- lich 15 Minuten nach Aufhören der Narkosezuleitung seine ursprüng- liche Stärke wieder, während die Erregbarkeit zur Erholung !/, bis 1 Stunde gebrauchte. Die durch die Narkose gesetzte Änderung der Potentialdifferenzzwischendem Längs- und Querschnitt wird durch den zugeleiteten Sauerstoff in viel kürzerer Zeit rückgängig gemacht, als zur vollständigen Wiederherstellung der Erregbarkeit nötig ist. Der Ruhestrom erwies sich von der Er- regbarkeit also in jeder Beziehung als unabhängig. Die Alkoholnarkose gab in allen drei angeführten Versuchsreihen dieselben Resultate, wie die an chloroformierten und ätherisierten Ner- ven gewonnenen, wenn die Applikation so erfolgte, daß 20—50% Al- kohol auf einem Wattebausch im Deckel der Kammer befestigt wurde. Alkohol, selbst absoluter, in derselben Weise wie Äther und Chloroform, d.h. mittels Durchleitung von Sauerstoff durch den Alkohol den Nerven zugeführt, ergab nur nach sehr langer Einwirkung eine allmähliche Ab- Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erreebarkeit. 205 nahme der Erregbarkeit und eine Verminderung des Ruhestromes und zwar auch dann, wenn der Längs- und Querschnitt gleichzeitig der Narkose ausgesetzt wurden. War die der Kammer vorgeschaltete kugel- förmige Erweiterung mit Wasser gefüllt, so wurde überhaupt keine Änderung, weder der Erregbarkeit, noch des Ruhestromes erzielt. Wahrscheinlich absorbierte das Wasser den Alkohol, so daß er wirkungs- los blieb. Auch wenn kein Wasser dazwischen geschaltet war, wurde eine tiefere Narkose nicht erreicht; traten hierbei Änderungen der Er- regbarkeit und des Ruhestromes ein, so waren diese Erscheinungen nicht mehr reversibel. Anscheinend verursachte die langsame und konstante ARA.ın mm re A .. 2 FREE KU KKK KK KK Kr KreoX:eX 2 - + 2 1 5 0 2 30 40 50 60 70 80 90 Kurve 4. Ableitung von drei Länesschnitten. Elektrode 1 am zentralen, Elektrode 3 am peri- pheren Teile des Nerven, beide außerhalb der Kammer; Elektrode 2 zwischen diesen in der Narkosekammer. — — Potentialdifferenz zwischen El. I u. 3. x<*%X.%x. Potentialdifferenz zwischen El. 1 u. 2. ++... .. Potentialdifferenz zwischen El. 2 u. 3. - - - — Erregbarkeit. Zuführung des Alkoholdampfes eine dauernde Veränderung am Nerven, vielleicht durch seine stark wasserentziehenden Eigenschaften. Eine Verminderung des Potentialgefälles zwischen dem außerhalb der Kammer befindlichen Querschnitt und dem in ihr enthaltenen Längsschnitt kann nur erfolgen, wenn an dem der Narkose ausge- setzten Längsschnitt eine Negativierung erfolgt. Ebenso kann eine Vergrößerung des Potentialgefälles zwischen dem in der Kammer befind- lichen Querschnitt und einem außerhalb derselben gelegenen Längs- schnitt nur eintreten, wenn eine Negativierung an dem der Narkose aus- gesetzten Querschnitt herbeigeführt wird. Die Narkose wirktsonach im Sinne einer Negativierung der jeweiligen Angriffsstelle. Ist dieser Satz richtig, so muß auch eine Potentialdifferenz zwischen zwei Längsschnitten entstehen, wenn der eine von diesen narkotisiert wird. Dies ist tatsächlich der Fall, wie das Beispiel in Kurve 4 zeigt. In dem angeführten Versuche wurde der Nerv durch die Kammer hin- 206 H. Voelkel: durchgezogen, Elektrode 1 außerhalb der Kammer am Längsschnitt des zentralen Endes des Nerven, Elektrode 2innerhalb und Elektrode 3 wiederum außerhalb der Kammer am peripheren Teile des Nerven ca 10 mm vor seiner Eintrittsstelle in den Muskel, angelegt. Die Schal- tung erfolgte so, daß die Potentialdifferenzen jederzeit zwischen den Elektroden 1 und 2, 1 und 3, sowie 2 und 3 im Saitengalvanometer ab- gelesen werden konnten. Es ergab sich, daß die geringfügige vor der Narkose vorhandene Potentialdifferenz zwischen den beiden außerhalb der Kammer befindlichen Elektroden 1 und 3 auch in der tiefsten Narkose unverändert blieb. Zwischen den Elektroden 1 und 2 einer- seits und Elektroden 2 und 3 andererseits traten in der Narkose be- trächtliche Potentialdifferenzen auf und zwar stieg die Ablenkung, die vor der Narkose in beiden Fällen je 2,0 Teilstriche betragen hatte, in der Narkose zwischen den Elektroden 2 und 3 auf +10,0 Teilstriche, während sie zwischen den Elektroden 1 und 2 in der Narkose —8,0 Teil- striche erreichte. Die Richtung des Stromes war in den beiden zuletzt angeführten Fällen eine entgegengesetzte, was durch die verschiedenen Vorzeichen veranschaulicht ist. Die negativierte Stelle befand sich zwischen den unveränderten, demzufolge mußte auch die Richtung des entstehenden Stromes in beiden Fällen eine entgegengesetzte sein. Die Erregbarkeit sank in der Narkose wiederum ab und zeigte nach Auf- hebung derselben annähernd die alte Reizschwelle. B. Versuche mit Steigerung der Erregbarkeit. Alkohol erwies sich als ganz besonders geeignet zur Demonstration der Unabhängigkeit des Ruhestromes von erregbarkeitssteigern- den Wirkungen. 2%, Alkohol auf einem Wattebausch in den Deckel der Kammer gebracht, erhöhte die Erregbarkeit des Bi RR Präparates um ein Beträcht- 1 N liches und auf eine verhältnis- mäßig lange Dauer (6—12Mi- nuten). Kurvenbeispiel 5 zeigt ‘ eine solche Steigerung der Er- OO AL regbarkeit von 10 Minuten | I #n Dauer; Längs- und Quer- 2 EI 327 2 schnitt waren ntdiesemehalle KNLvE = 2 Alkoholdampf auf Quer- und DaUes beide der Alkoholwirkung aus- schnitt appliziert. — Ruhestrom. - -— — Erreg- nn barkeit. -....... Negative Schwankung. gesetzt, eine Änderung des Ruhestromes trat auch hier. wie bei Applikation von Äther oder Chloroform auf Längs- und Quer- schnitt gleichzeitig nicht ein. str RA.\ın mm 20 600 Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. 207 Auch bei alleiniger erregbarkeitssteigender Einwirkung von Alkohol auf dden Querschnitt ergaben sich in bezug auf den Ruhestrom dieselben Verhältnisse, wie sie bei der Narkose des Querschnittes mit Chloroform und Äther in Erscheinung traten: der Ruhestrom wird in diesen Fällen verstärkt. Kurvenbeispiel 6 gibt die erwähnten Verhältnisse wieder. 25 500 20 400 400 I 70 —._.. Sense 70 300 Kurve 6. Kurve 7. Kurve 6. 2% Alkoholdampf auf den Querschnitt allein appliziert. Ruhestrom. —- — — Erregbarkeit. ++++++ ++ Negative Schwankung. Kurve 7. 2% Alkoholdampf. Elektrode 1 am Querschnitt außerhalb, Elektrode 2 am Längs- sehnitt innerhalb und Elektrode 3 außerhalb der Narkosekammer. ———— Potential- differenz zwischen El. 1 u. 3. -+»--- Potentialdifferenz zwischen El. 1 u. 2. x-x-x Poten- tialdifferenz zwischen El.2 u.3. —--- — Erregbarkeit. -+++++ +» Negative Schwankung. In Kurvenbeispiel 7 sind die Ergebnisse dargestellt, wie sie sich bei der Applikation von Alkohol auf einen Längsschnitt allein ergaben. In dem angeführten Beispiel wurde die Potentialdifferenz von dem innerhalb der Kammer befindlichen Längsschnitt und einem außer- halb derselben gelegenen Querschnitt abgeleitet. An dem außerhalb der Kammer mehr peripheren Teile des Nerven war noch eine weitere Ableitungselektrode angelegt, die sowohl mit der Querschnittselektrode, als auch mit der in der Kammer befindlichen anderen Längsschnittselek- trode durch das Saitengalvanometer in Verbindung gesetzt werden konnte. Die Potentialdifferenz zwischen dem in der Kammer belind- lichen Längsschnitt und dem außerhalb abgeleiteten Querschnitt er- fährt bei Alkoholeinwirkung eine Verminderung, die Potentialdifferenz zwischen demselben Längsschnitt und dem außerhalb gelegenen zweiten Längsschnitt wird vergrößert, während der Strom, welcher von den der Alkoholnarkose nicht ausgesetzten Teilen des Nerven abgeleitet wurde, während der ganzen Zeit keinerlei Änderung aufweist. 208 H. Voelkel: Diese Versuchsreihe zeigt besonders deutlich die Unabhängigkeit des Ruhestromes von der Erregbarkeit. Trotzdem diese in allen zuletzt angeführten Alkoholversuchen eine beträcht- liche Steigerung erfährt, wird der Ruhestrom genau so be- einflußt wie bei Erregbarkeitsverminderung durch Narkose: sein Verhalten richtet sich lediglich danach, welcher Teil des Nerven der Wirkung des Alkohols ausgesetzt ist. Ist es bloß der Längsschnitt, so sinkt der Ruhestrom ab, ist es der Querschnitt allein, so findet eine Vergrößerung der anfänglichen Potentialdifferenz statt und werden endlich sowohl Längs- als auch Querschnitt der Wirkung des Narkoticum ausgesetzt, so tritt eine Änderung des bestehenden Ruhestromes nicht ein. Leider gelang es nicht, irgendwelche anderen Mittel zu finden, die eine länger andauernde Erregbarkeitssteigerung des Präparates hervor- riefen, um das Verhalten des Ruhestromes auch in solchen Fällen zu untersuchen. Vorübergehende Steigerungen der Erregbarkeit wurden erzielt durch Einwirkung von Ammoniak und Salpetersäure. Bei An- wendung eines dieser Mittel sank der Ruhestrom, trotz einer teilweise beträchtlichen Steigerung der Erregbarkeit (z. B. bei Ammoniak von 600 auf 680 mm R. A.), sofort ab. Auch diese Versuche bestätigten die Unabhängigkeit des Ruhestromes von der Erregbarkeit. Zum Schlusse der Versuchsreihen am Nerven wurde das Verhalten dernegativen Schwankung während der Narkose einer Prüfung unterzogen. Es konnte die bereits bekannte Tatsache bestätigt werden, daß die negative Schwankung während der Narkose in allen Fällen eine Abschwächung erfährt, ja sogar vollständig schwinden kann; die Er- scheinung ist eine reversible. Umgekehrt ging bei den Versuchen, in denen eine Steigerung der Erregbarkeit erzielt werden konnte, diese stets mit einer Verstärkung der negativen Schwankung einher. In den Kurvenbeispielen 5, 6 und 7 ist das Verhalten der negativen Schwan- kung mitverzeichnet; sie zeigen, daß eine Steigerung der Erregbarkeit mit einer Verstärkung der negativen Schwankung einhergeht. Die Ver- ringerung der negativen Schwankung bei Herabsetzung der Erregbar- keit ist bekannt und deshalb nicht besonders durch Kurvenbeispiele belegt worden. Die Veränderungen der negativen Schwan- kung gehen den Veränderungen der Erregbarkeit stets parallel. II. Versuche am Muskel. Die an Nerven ausgeführten Versuchsreihen wurden alle an Muskeln wiederholt. Es wurden sowohl der M. sartorius, als auch der M. gastro- cnemius verwandt. Das Narkoticum wirkte schneller ein, wenn es auf einem Wattebausch im Deckel der Kammer befestigt wurde, bei Auf- Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. 209 hebung der Narkose wurde alsdann der ganze Deckel entfernt und durch einen neuen ersetzt, nachdem vorher die Sauerstoffzufuhr, die auch während der Narkose erfolgte, verstärkt worden war. Um eine ev. Fehlerquelle durch die Nervenbeeinflussung auszuschalten, wurden Muskeln von curarisierten Fröschen verwandt. Die am Muskel gewonnenen Resultate waren genau dieselben, wie die an Nerven erzielten: die Erregbarkeit sinkt während der Narkose in allen Fällen ab und erreicht bei nachträglicher Versorgung mit Sauerstoff ihre ursprüngliche Höhe wieder. Das Narkoticum bewirkt auch am Muskel eine Negativierung der jeweiligen Angriffs- stelle, die je nach der Applikation des Narkoticums, entweder auf den Längsschnitt zu einer Verminderung, oder auf den Querschnitt zu einer Verstärkung des Ruhestromes führt. Der Ruhestrom war auch am Muskel unabhängig von der Erregbarkeit, während die Ver- änderungen der Erregbarkeit stets mit einer Änderung der Größe der negativen Schwankung einhergingen. II. Zur Erklärung des Einflusses der Narkotica. Die von Alcock!) gegebene Erklärung der Ruhestrombeeinflussung durch Narkotica ist in der Hauptsache aus seinen an der Haut gewon- nenen Versuchsresultaten abgeleitet worden. Er sucht die Beeinflussung des Ruhestromes auf eine Zerstörung eines semipermeablen Mechanis- mus der Gewebe in der Narkose zurückzuführen. Diese Deutung ist nicht haltbar, da hiernach die Verstärkung des Ruhestromes bei Applikation des Narkoticums auf den Querschnitt nicht erklärt wird, zumal die Negativierung eine viel stärkere ist, als sie durch Anlegung eines neuen Querschnittes hervorgerufen werden kann (vgl. S. 204). Die Richtung, in der eine Erklärung für diese Erscheinungen wohl zu suchen sein dürfte, haben Beutner und Loeb?) gewiesen. Ihnen gelang es qualitativ und quantitativ, die Ruheströme der Gewebe an Flüssigkeitsketten (,‚Öl“-Ketten) nachzuahmen und auch die nega- tivierende Wirkung der Narkotica®?) zu erweisen. Letztere Versuche wurden nachgeprüft, wobei als ‚„‚Öl-Phase‘‘ Phenol und als Elektrolyte !/0 mol. Kaliumchlorid und !/,, mol Natriumchlorid-Lösungen verwandt wurden. Der Zusatz eines Narkoticums bewirkte eine deutliche Herab- setzung des Potentials auf seiten der betreffenden Elektrolytlösung. Diese negativierende Wirkung des Narkoticums zeigte sich auch bei Ableitung von zwei gleichen Salzlösungen ganz gleicher Konzentration, die vor Zusatz von Äther oder Alkohol keine Potentialdifferenz auf- 1!) Proc. roy. soc. Ser. B. Vol. 78. 1906. ?) Zeitschr. f. Elektrochemie 19. 1913. DElTeapN 47% Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 14 210 HH. Voelkel: Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. wiesen. Beutner!) sucht diese Erscheinung durch eine Beeinflussung der Löslichkeit der Salze durch die Narkotica zu erklären. Analog diesem wäre eine negativierende Wirkung der Narkose bei den tierischen Geweben in einer Änderung der Ionenverteilung an den der Narkose- einwirkung ausgesetzten Teilen des Gewebes zu suchen. Zusammenfassung. Der Ruhestrom und die Erregbarkeit sind vollständig voneinander unabhängig. Das Narkoticum wirkt stets negativierend auf die Stelle der Ein- wirkung, gleichgültig, ob die Erregbarkeit eine Abschwächung oder Steigerung erfährt. !) Die Entstehung elektrischer Ströme in lebenden Geweben, Stuttgart, 1920. Der Kreatingehalt des Frosehmuskels im Zustande der hypnotischen Starre. Von Dr. med. Herbert Sehönfeld. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts der Universität Jena.) (Eingegangen am 21. Juni 1921.) Die eingehenden Untersuchungen von Pekelharing, Verploegh und Hoogenhuyze!) über die Beziehungen zwischen Muskeltätigkeit ‘und Kreatinbildung haben diese Forscher zu dem Schlusse geführt, daß nicht die sog. flinken Kontraktionen, sondern nur die tonischen Dauerverkürzungen der Muskeln mit vermehrter Kreatinbildung und -ausscheidung einhergehen. Demgegenüber hat Kahn?) neuerdings gezeigt, daß bei dem im Dienste der Fortpflanzung auftretenden Um- klammerungsreflex des Frosches, also einem Zustande von ausgesproche- ner Dauerverkürzung, in den beteiligten Muskeln nicht nur keine Ver- mehrung, sondern im Gegenteil eine Verminderung des Kreatingehalts im Vergleich zu dem der ruhenden Muskeln nachzuweisen ist. Schuld an diesem scheinbaren Widerspruch ist offenbar die Tat- sache, daß immer wieder ganz verschiedenartige Zustände unter dem Sammelnamen ‚„Muskeltonus° zusammengefaßt werden. Kahn hat an den umklammernden Muskeln keine rhythmischen Aktionsströme nachweisen können, demnach müßte es sich in diesem Falle um einen echten Ruhetonus handeln, für den charakteristisch ist, daß er ohne vermehrten Stoffumsatz, ohne nachweisbare Ermüdungserscheinungen und ohne rhythmische Aktionsströme verläuft. In den Versuchen von Pekelharing und Hoogenhuyze handelt es sich aber zweifellos um ganz andere Zustände. Zu einem großen Teile beschäftigen sich ihre Untersuchungen mit dem von Brondgeest nachgewiesenen Reflextonus. So haben sie bei Kaninchen und Fröschen durch Durchschneiden des Ischiadicus der einen Seite den Reflexbogen unterbrochen, damit den Muskeltonus aufgehoben und dann auch in den beteiligten Muskeln eine Verminderung des Kreatingehaltes gegen- !) Hoogenhuyzeu.Verploegh, Zeitschr. f. physiol. Chem. 46, 415. 1905. — Hoogenhuyze u. Pekelharing, Zeitschr. f. physiol. Chemie 64, 262. 1910. — Pekelharing, Zeitschr. f. physiol. Chemie %5, 207. 1911. ?) Kahn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%%, 294. 1919. 14* 212 H. Schönfeld: über den Muskeln der nichtoperierten Seite beobachtet. Daß die mit dieser Versuchsanordnung gewonnenen Resultate nicht beweisend sind, haben Pekelharing und Hoogenhuyze selber hervorgehoben. Denn es ist wohl ohne weiteres einleuchtend, daß bei den ihres Zusammen- hangs mit dem Nervensystem beraubten Muskeln außer dem aufgehobe- nen Muskeltonus noch ganz andere, unkontrollierbare Momente zu Veränderungen des Kreatingehaltes beitragen können. — Viel be- deutungsvoller sind die Versuche, die von den beiden Forschern an nach Sherrington decerebrierten Katzen angestellt worden sind. Es handelt sich bei der nach der Sherringtonschen Operation auf- tretenden Muskelstarre mit großer Wahrscheinlichkeit um eine einfache Steigerung des normalen Reflextonus. Buytendieck!) hat in den Skelettmuskeln von derart operierten Katzen rhythmische Aktions- ströme nachweisen können. Tatsächlich haben Pekelharing und Hoogenhuyze in den von der Starre betroffenen Muskeln eine deut- liche Erhöhung des Kreatinwertes festgestellt. — Schwieriger zu deuten sind die von den beiden Autoren an veratrin- und coffeinvergifteten Muskeln angestellten Versuche, da das Wesen der infolge der Vergiftung mit diesen Stoffen auftretenden Kontraktionszustände noch nicht ge- nügend geklärt scheint. Nach Hoffmanns?) Untersuchungen handelt es sich um tetanische Dauerkontraktionen mit rhythmisch verlaufen- den Aktionsströmen. Doch widersprechen sich die Befunde der ver- schiedenen Untersucher. — Ganz außerhalb dieser Beobachtungen steht aber meines Erachtens der von Pekelharing?) mit Harkink ausgeführte Versuch, der darin bestand, daß Harkink mehrere Stunden lang durch Annehmen der sog. strammen Haltung seine Muskeln in Kontraktion hielt und danach ein Ansteigen der Kreatininausscheidung im Harn zeigte. In diesem Versuche handelt es sich weder um einen erhöhten Reflextonus noch um einen Ruhetonus, sondern es wird damit nur bewiesen, daß eine aktive tetanische Dauerkontraktion die Kreatinausscheidung im Sinne einer Steigerung beeinflußt. Durch die Versuche von Pekelharing und Hoogenhuyze ist also der Beweis erbracht worden, daß der Reflextonus und aktive tetanische Dauerkontraktionen mit der Kreatinbildung und -ausschei- dung im Zusammenhang stehen. Demgegenüber wäre es sehr wohl denkbar, daß im echten Ruhetonus die Kreatinbildung im Muskel nicht vermehrt, sondern vielleicht sogar vermindert sein könne. Kahns Versuche scheinen für diese Anschauung zu sprechen, nur müßten weitere Untersuchungen erweisen, daß es sich beim Umklammerungs- !) Buytendieck, Zeitschr. f. Biol. 59, 36. 1912. ®) P. Hoffmann, Zeitschr. f. Biol. 58, 55. 1913. SrPekelharıng,ra. 2..0.9..207. Der Kreatingehalt des Froschmuskels im Zustande der hypnotischen Starre. 213 reflex des Frosches tatsächlich um einen wirklichen Ruhetonus handelt. Sollte sich die Vermutung, daß erhöhter Reflextonus und alle übrigen Zustände von tetanischer Dauerkontraktion mit einer Erhöhung, hingegen der echte Ruhetonus ohne Erhöhung, vielleicht sogar mit Verminderung der Kreatinbildung einhergehen, so wäre damit zugieich ein weiteres Kriterium gewonnen, die verschiedenen Formen von Dauerverkürzung der Muskeln zu differenzieren. Im folgenden will ich über einige Versuche berichten, die sich mit der in der tierischen Hypnose auftretenden Muskelstarre be- schäftigen. Die verschiedenartigen Formen der tierischen Hypnose und verwandte Erscheinungen, z. B. die Totstellreflexe bieten ja die mannigfaltigsten Beispiele für tonische und tetanische Dauerkontrak- tionen. Besonders Mangold!) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Art der Dauerverkürzung in all diesen Zuständen festzustellen, was nur mit Hilfe chemischer und elektrophysiologischer Untersuchung geschehen kann. Derartige Versuche können vielleicht zugleich über das Wesen der tierischen Hypnose wie über das des ‚„Muskeltonus‘ manche Aufklärung bringen. Es gelingt bekanntlich leicht, einen Frosch durch Festhalten in der Rückenlage in einen Zustand von Bewegungslosigkeit zu versetzen, der mit einer Starre der hinteren, mehr noch vielleicht der vorderen Extremitäten einhergeht, die mit großer Wahrscheinlichkeit als eine zentral bedingte Steigerung des Reflextonus zu deuten ist. Diese Starre fehlt bei Hypnose in Rückenlage fast nie, wechselt aber nicht unerheblich sowohl bei verschiedenen Individuen als auch mitunter beim gleichen Tier zu verschiedenen Zeiten. Im Laufe einer durch längere Zeit ununterbrochen fortgesetzten Hypnose scheint die Starre häufig nachzulassen, ohne aber ganz zu verschwinden. Gut hypnotisier- bare Tiere bleiben oft stundenlang ununterbrochen in tiefer Hypnose liegen und lassen sich beim Erwachen sofort wieder in den hypnotischen Zustand zurückbringen. Auf diese Weise habe ich die Frösche durchschnittlich etwa 3 Stun- den in Hypnose gehalten, dann aus der Hypnose heraus dekapitiert und die in Frage kommenden Muskeln sofort auf Kreatinin verarbeitet. Dehnten sich die Pausen zwischen den einzelnen Hypnosen auf mehr als 5 bis 10 Sekunden aus, so wurde der Versuch nicht zu Ende ge- führt. Die Hypnose nahm ich stets in einer feuchten Kammer vor, nachdem ich die Erfahrung gemacht hatte, daß bei längerem Auf- enthalt des Frosches im trockenen Zimmer die Muskeln wasserärmer werden können, wodurch sich das Prozentverhältnis des Kreatins zum Muskelgewicht nicht unerheblich verschieben muß. Dement- !) Mangold, Ergebn. d. Physiol. XVII. S. 79. 1920. 214 H. Schönfeld: sprechend wurden die Kontrolltiere ebenfalls durchschnittlich 3 Stunden lang in einer feuchten Kammer gehalten. Die Kammer muß derart eingerichtet sein, daß man den Frosch, falls er versucht, sich umzu- drehen, ohne Zeitverlust erreichen und festhalten kann. Zunächst habe ich den Kreatingehalt des Gastrocnemius an einer Reihe von normalen Fröschen bestimmt, fand aber so erhebliche Schwan- kungen, daß ich davon absehen mußte, diesen Muskel für die vergleichen- den Untersuchungen heranzuziehen. Ich wählte sodann die Muskeln der Adduktorengruppe, deren Kreatingehalt bei den verschiedenen Individuen recht gut übereinstimmte. Für die Bestimmung so geringer Muskelmassen eignet sich sehr gut die von Kahn!) angegebene Methode, die ich mit einigen geringfügigen Änderungen angewandt habe. Es wurden also die Adduktoren beider Oberschenkel herausgeschnitten, sorgfältig von Sehnen, Nerven und Gefäßen befreit und in einen gleich- mäßigen Brei verwandelt. Von diesem Brei wurde 1 g genau ab- gewogen und mit 5 ccm einer 5proz. NaUl-Lösung bei schwach essig- saurer Reaktion ca. 1 Minute aufgekocht. Dann wurde durch ein kleines Filter filtriert, letzteres mit dem Rückstand in das Kölbchen zurück- gebracht und beides erneut mit 5 ccm Wasser aufgekocht, dann wurde wieder filtriert und dieser Prozeß im ganzen 4mal wiederholt. Die Filtrate wurden mit 0,25 ccm einer 25proz. Salzsäure angesäuert und auf dem Wasserbade auf ca. 6 bis 8 ccm eingeengt und dann noch unter Vermeidung weiteren Eindampfens insgesamt 3 Stunden auf dem Wasserbade erhitzt. Nach Abkühlung wurde das Volumen der Kreatin- lösung genau bestimmt und je 1 ccm davon zur Kreatininbestimmung verwandt. Die Lösung war immer fast wasserhell. Es wurde dann 1 ccm der Lösung mit 1,5 ccm einer 1,2proz. Pikrinsäurelösung und 0,5 ccm einer ca. 12 proz. Natronlauge versetzt und je 1 ccm davon nach 10 Mi- nuten mit ccm Wasser verdünnt. Mit dieser Lösung wurde die kolori- metrische Bestimmung mit Hilfe eines Dubosgqschen Apparates ausgeführt. Die Farbintensität der so verdünnten Lösung ergab die für die Kolorimetrie optimalen Skalenwerte, sie schwankten zwischen 8 und 12 mm. Ich lasse nun die Auszüge aus den Versuchsprotokollen folgen: Versuch 1. Mittelgroße Esculenta Q. Feuchte Kammer. Erwacht häufig. Gesamtdauer der Hypnose: 3 Stunden 15 Minuten. Deutliche Starre. Von den Adduktoren 1 g auf Kreatinin verarbeitet. Lösung auf 8 ccm eingeengt. Ablesungen: 10,8, 10,4, 10,5, 10,6, 10,5, 10,5 = 3,648 mg Kreatinin. Kontrolltier: Lösung auf 6,5 ccm eingeengt. Ablesungen: 10,0, 10,1, 10,1, 10,1, 10,1 = 3,120 mg Kreatinin. Der Kreatingehalt des Froschmuskels im Zustande der hypnotischen Starre. 215 Versuch 11. Große Esculenta ®. Feuchte Kammer. Bleibt stundenlang ununterbrochen in Hypnose. Gesamtdauer der Hypnose: 3 Stunden 8 Minuten. Mäßige Starre. Von den Adduktoren 1 g auf Kreatinin verarbeitet, Lösung auf 7,3 ccm eingeengt. Ablesungen: 10,1, 9,6, 9,8, 9,8, 9,3 = 3,613 mg Kreatinin. Kontrolltier: Lösung auf 7,2 ccm eingeengt. Ablesungen: 11,8, 11,7, 11,6, 11,7, 11,7 = 2,997 mg Kreatinin. Versuch II. Kleine Esculenta 5. Feuchte Kammer. Erwacht öfters. Gesamtdauer der Hypnose: 3 Stunden 10 Minuten. Ausgesprochene Starre. Von den Adduktoren 1 g auf Kreatinin verarbeitet, Lösung auf 7,5 ccm eingeengt. Ablesungen: 9,8, 9,6, 9,5, 9,6, 9,6 — 3,780 mg Kreatinin. Kontrolltier: Lösung auf 6,8 ccm eingeengt. Ablesungen: 10,8, 10,5, 10,5, 10,6, 10,6 = 3,100 mg Kreatinin. Versuch IV. Mittelgroße Esculenta Q. Feuchte Kammer. Erwacht sehr häufig. Gesamt- dauer der Hypnose: 3 Stunden 10 Minuten. Mäßige Starre. Von den Adduktoren 1 g auf Kreatinin verarbeitet, Lösung auf 8,5 ccm eingeengt Ablesungen: 11,8, 11,6, 11,8, 11,8, 11,8 — 3,493 mg Kreatinin. Kontrolltier: Lösung auf 6.9 cem eingeengt. Ablesungen: 11,0, 11,2, 11,1, 11,1, 11,1 — 3,001 mg Kreatinin. Versuch V. Kleine Esculenta &'. Feuchte Kammer. Gute Hypnose, in den letzten 2°/, Stunden ohne Unterbrechung. Deutliche Starre.. Gesamtdauer der Hypnose 3 Stunden 4 Minuten. Von den Adduktoren 1 g auf Kreatinin verärbeitet, Lösung auf 6,9 ccm eingeengt. Ablesungen: 8,8, 8,7, 8,7, 8,7, 8,7 — 3,781 mg Kreatinin. Kontrolltier: Lösung auf 4,4 ccm eingeengt. Ablesungen: 7,5, 7,5, 7,5, 7,5, 7,5 — 2,851 mg Kreatinin. Den Vergleich zwischen hypnotisierten und normalen Tieren gibt folgende Tabelle: Normal Hypnose Differenz 3,120 3,648 — Ve) 2,997 3,613 — 0,616 3,100 3,780 -- 0,680 Kreatinin in mg 3,001 3,493 -—- 0,491 2,851 3,781 — 0.930) Durchschnitt: 3,013 3,663 + 0,650 (= 21,4%) Die Erhöhung der Kreatininwerte der Muskeln zugunsten der hypnosestarren Frösche ist in allen Fällen deutlich. Zu fragen bliebe noch, ob es tatsächlich berechtigt ist, den vermehrten Kreatingehalt nur dem erhöhten Tonus der Muskulatur zuzuschreiben. In allen bis jetzt ausgeführten derartigen Untersuchungen, soweit sie am lebenden Tier vorgenommen worden sind, besteht die Möglich- keit, daß die Schwankungen der Kreatininwerte mit veränderten 216 H. Schönfeld: Der Kreatingehalt des Froschmuskels usw. Kreislaufverhältnissen im Zusammenhang stehen. Es wäre also auch hier denkbar, daß im hypnotischen Zustande der Kreislauf verlangsamt wäre und es deshalb zu Anhäufung des gebildeten Kreatins kommen könnte. Indessen ist es doch wenig wahrscheinlich, daß in den träge verlaufenden Stoffwechselprozessen des Kaltblüters innerhalb von 3 Stunden solche immerhin beträchtliche Mengen von Umsatzstoffen angehäuft werden können. Es würde nun weiter von Interesse sein, die Kreatinbildung an hypotonisch hypnotisierten Tieren zu studieren. Nach Mangolds!) Angabe zeigt der Frosch bei Hypnose in Bauchlage eine ausgesprochene Herabsetzung des Muskeltonus. Es ist mir jedoch nicht gelungen, einen Frosch länger als 2 bis 3 Minuten in dieser Lage hypnotisiert zu halten, ebensowenig ist es geglückt, beim Erwachen den hypnotischen Zustand innerhalb von Sekunden wieder herbeizuführen. Damit ist aber diese Form der Hypnose für meine Absichten leider nicht zu brauchen. Tatsächlich habe ich aber in diesen Fällen eine auffallende Schlaffheit des ganzen Tiers beobachten können. Nur scheint es meines Erachtens nicht möglich zu sein, durch einfache Prüfung der passiven Beweglichkeit zu entscheiden, ob der Reflextonus tatsächlich der Norm gegenüber stark herabgesetzt oder aufgehoben ist. Denn es ist der Vergleich mit dem normalen Tonus nicht durchführbar, da beim Versuch, diesen zu prüfen, die Tiere mit aktiven Abwehrbewegungen reagieren, wodurch der normale Reflextonus völlig überlagert wird. Ich habe die Absicht, in weiteren Versuchen vor allem die Beziehun- gen zwischen echtem Ruhetonus und Kreatinbildung zu verfolgen. Zusammenfassung: Nach Untersuchungen an den Musculi adductores von stundenlang in hypnotischer Starre gehaltenen Esculenten zeigen die an der Starre beteiligten Muskeln eine Vermehrung des Kreatingehalts um durch- schnittlich 21,4%. !) Mangold und Eckstein, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%7, 1. 1919. (Aus der Medizinischen Klinik und Nervenklinik Tübingen [Vorstand: Prof. Dr. Otfried Müller].) Zur Frage der Contraetilität der menschlichen Hautcapillaren. Von Dr. Walter Parrisius, Assistenzarzt der Klinik. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. Juni 1921.) A. Historische Übersicht. Lumenänderung durch Wandveränderung. Der erste, der über Contractilität der Capillaren schrieb, war Stricker 1865. Ohne Reize sah er an Capillaren der Nickhaut des Frosches Verengerungen auf- treten durch ringförmige Fältelung der Wand senkrecht zur Verlaufsrichtung, oder durch Annäherung zweier gegenüberliegender Kerne, so daß Blutkörperchen zwischen ihnen nicht mehr hindurchtreten konnten. Er sah solche Stellen sich auch wieder erweitern. Er nahm damals noch an, daß die Capillaren einfach Protoplasmaröhren ohne Zellstruktur, doch mit mehreren Kernen versehen, seien. In einer zweiten Arbeit berichtet er über weitere Versuche mit elektrischer Reizung. Diesmal schrieb er von „‚Dickerwerden der Wände an den Stellen der Einschnürung, von wellenförmiger Krümmung, die auf elektrische Reize in geradlinige Form überging“. Auch schreibt er von größeren oder kleineren Blindsäcken, welche wieder eingezogen wurden, d.h. „er sah von Capillaren ausgehende wirkliche Aneurysmen vollständig wieder verstreichen“. Solche Aneurysmen bargen oft Blutkörperchen, was er für die Frage der Diapedese für wichtig hält. Vier Jahre später, 1869, beschreibt Golubew genauer die Histologie der Capillarwand, die er aus einzelnen, aneinandergelagerten Zellen bestehen läßt und berichtet von Spindelelementen in der Gefäßwand, die sich unter der Wirkung von In- duktionsschlägen verdicken und so das Gefäßlumen verlegen. Er dachte zunächst, daß es sich um Absterbeerscheinungen handele. Diese Beobachtungen Go - lubews wurden 1874 von Tarchanoff nachgeprüft. Auch er findet die Spindel- elemente, widerlegt aber Golubews Ansicht, daß es Absterbeerscheinungen seien dadurch, daß nach seiner Beobachtung Nachlassen des Reizes Rückkehr der Spindelelemente zu ihrem früheren Zustand bewirkte. Ob diese Spindelelemente etwas mit den 1921 von Kaufmann bei Nachprüfung des Conheimschen Entzündungsversuches erwähnten Wanderzellen zu tun haben, vermag ich nicht zu entscheiden. 1876 berichtet dann Stricker nochmals über Capillarkontraktion. Er bestätigt die Befunde Golubews, aber er glaubt, daß die Spindelelemente es nicht allein sind, die die Lumenänderung verursachen. Denn er sieht auch namentlich bei jugendlichen Kaulquappen das ganze Capillarrohr sich zu einem Strang kontrahieren. Bei älteren Tieren sieht er dann mehr den oben beschriebenen Typ der Verengerung an einzelnen Stellen vor sich gehen. An der Wandverdickung als Ursache der Lumenveränderung hält er auch 1887 noch fest und betont hier 218 W. Parrisius: ausdrücklich, daß der Terminus „Contractilität“ schlecht passe: „Denn die Ge- fäßwände verkürzen sich nicht und können sich nicht verkürzen. Die Verengerung des Lumens erfolgt nur durch eine Verdickung der Wände. Wir haben also in den Drüsen wie in den Capillaren analoge Vorgänge. Da wie dort werden die Lumina durch eine Verdickung (Vergrößerung) der Formelemente verengt!“ Ich unterbreche jetzt die chronologische Darstellung der Weiterentwicklung der Frage der Capillarcontractilität, um gleich eine auf der Strickerschen Theorie der Lumenveränderung der Capillaren begründete moderne Anschauung über diesen Punkt zu berichten. Auf elektrische Reizung der Chorda tympani be- obachtete man Erweiterung der Gefäße der Unterkieferspeicheldrüse und Zunahme der in der Zeiteinheit aus der Vene ausfließenden Blutstropfen. Man erschloß hieraus den Verlauf von Vasodilatatoren in der Chorda tympani. Henderson und. Loevi gipsten nun die Unterkieferdrüse ein, so daß eine Dilatation der Gefäße unmöglich wurde. Trotzdem sahen sie die gleiche Zunahme der Tropfen- zahl auf Chordareizung. Da Gefäßdilatation nicht möglich war, nehmen sie an Stricker anknüpfend eine Veränderung der Wanddicke im Sinne einer Ver- dünnung an, so daß hierdurch das Gefäßlumen tatsächlich weiter wurde. Auf der gleichen Theorie von Stricker gründen sich die Resultate von Biedl, der die Capillaren des Froschmesenteriums beobachtete und bei Zufließen- lassen von warmer Kochsalzlösung sah, wie an den Wänden der Gefäße buckelige Ausbuchtungen ins Lumen hinein stattfanden, die, indem die angrenzende Wand- partie sich auch allmählich verbreiterte, immer flacher erscheinen, bis endlich die beiden fast gleichmäßig breiten Wände durch ihre Annäherung in der ganzen Strecke der Röhre das Lumen aufgehoben haben. Die Wiedererweiterung beginnt manchmal spontan unter den Augen des Beobachters, manchmal erst nach Zusatz von Peptonlösung. Aktive Contractilität. Etwas prinzipiell verschiedenes ist die jetzt zu besprechende Theorie. Rouget hatte schon 1873 Zellen entdeckt, die er folgendermaßen beschreibt: »... des noyaux vesiculeux, ovoides dirig&s suivant l’axe du vaisseau, entoure d’une zone de protoplasma, d’ou partent des prolongements ramifies; les uns, ceux qui correspondent aux bords du noyau, se portent tranversalenent vers les bords du vaisseau, qu’ils contournent, pour s’unir a des ramifications sem- blables du cöte oppos£, et former des anneaux complets autour du tube vasculaire, les autres...‘“ Diesen Zellen käme die Funktion zu, die Capillaren zu kontrahieren. S. Mayer prüfte 1902 diese Angaben nach und fand in der Capillarwand glatte Muskulatur. ‚Es sind Gebilde, deren Kerne parallel der Längsrichtung der Ca- pillaren angeordnet sind, und deren zugehörige Zellsubstanz sozusagen ausge- flossen ist derart, daß sie mit feinen senkrecht vom Kern ausstrahlenden und sich öfters teilenden Fädchen das Gefäßröhrchen wie mit Faßreifen umspannt‘‘; also eine weitgehende Übereinstimmung bei Rouget und Mayer. Von diesen con- tractilen Elementen der Capillarwand nimmt Ebbecke an, daß sie noch un- differenzierter sein müssen als glatte Muskelfasern. Er schließt dies aus der langen Latenzzeit und der geringen optimalen Reizstärke bei klinischen Beobachtungen, z: B. dem Nachblassen. Er macht hierbei allerdings eine bis jetzt unbewiesene Voraussetzung, daß nämlich auch die menschlichen Capillaren solche contractilen Elemente besitzen. Auf dem Vorhandensein dieser Muskelzellen bauend, kamen Steinach und Kahn zu ihrer für die ganze weitere Forschung auf diesem Gebiet maßgebenden Abhandlung. Sie arbeiteten an den Capillaren der Nickhaut des Frosches und des Mesenteriums von kleinen Säugetieren. Sie sahen auf direkte elektrische Reizung Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 219 des Präparates wie auf Reizung des Sympathicus Kontraktion der Capillaren nach verschiedenen Typen: 1. Die ganze Capillare zieht sich zusammen bis zum Verschwinden des Lumens; es wird aus ihr ein kompakter, längs gestreifter Strang. 2. Es bildet sich an einer meist durch zwei gegenüberliegende Kerne ausgezeichneten Stelle ein Schnürring, von dem aus nach beiden Seiten sich die Kontraktion fortpflanzt über kürzere oder längere Strecken hin. Die Kontraktion geht einher mit einer Fältelung der Capillarwand in der Längsrichtung der Ge- fäße. Die Mayerschen Muskelzellen müssen diskontinuierlich angeordnet sein, da nicht nur einzelne Capillaren in toto, sondern sogar an derselben Capillare einzelne Abschnitte eine besondere Neigung zur Kontraktion erkennen lassen, indem bei wiederholter Reizung immer wieder dieselben Capillaren, ja sogar die- selben Capillarabschnitte sich kontrahierten, während andere Abschnitte oder andere ganze Capillaren stets unerregt blieben. Durch die Kontraktion auf Reizung des Sympathicus war auch für die Capillaren bewiesen, daß sie wie die übrigen Gefäße unter Nerveneinfluß stünden. Klemensiewicz hat diese Versuche nachgeprüft. Er gibt zu, daß es in gewissen Gefäßbezirken feinste Blutgefäße gibt, die einzelne contractile Zellen in ihrer Wand besitzen. ‚„‚Ändererseits muß aber die Existenz von Blutcapillaren ohne Muskelzellen als eine wohlerkannte Tatsache bezeichnet werden. Fast die gesamte spätere Forschung basiert auf den Befunden von Kahn und Steinach. Sauerstoff und Kohlensäure. Severini, der 1881 an Schafslungen arbeitete, und 1907 Chutaro Tomita, der wieder das Augenlid des Frosches untersuchte, fanden, daß auf Sauerstoffzu- fuhr die Capillaren sich verengern, auf Kohlensäurezufuhr sich erweitern. Adrenalin. Auf Adrenalineinwirkung in Lösung von 1/10 000 findet Gradinescu 1913 Verengerungen der Capillaren am Mesenterium des Meerschweinchens an einzelnen Stellen der Capillaren von 0,032 mm auf 0,008 mm und an einer anderen Stelle von 0,02 auf 0,012 mm; spülte er das Adrenalin mit Lockescher Lösung ab, so erweiterten sich diese Stellen wieder, bis sie den alten Stand erreicht haben. Er fügt seiner Abhandlung Abbildungen bei. 1920 bestätigt Kukulka diese Be- obachtung durch Versuche an der Nickhaut des Frosches. Der Vorgang ist der- selbe wie bei den Beobachtungen von Steinach und Kahn. ‚Meist rückten die glatten, fast parallelen Konturen gleichmäßig einander näher. Eine feine Längsfältelung der Capillarwand trat deutlich in Erscheinung, die bei maximaler Kontraktion das völlig geschlossene Lumen als kompakten, längs gestreiften Strang erkennen ließ. In anderen Fällen begann die Verengerung mit lokaler Einschnürung, die sich nach beiden Seiten hin fortsetzte, um schließlich wieder zur Verengerung bzw. Vernichtung des Lumens zu führen. Schrumpfungs- oder Absterbeerscheinungen kommen nicht in Betracht, da nach Abspülen mit Ringer- lösung der alte Stand wieder hergestellt werden konnte. Erneuter Adrenalinzu- satz bewirkt erneute Kontraktion. Dies Spiel konnte bis zu vier- und fünfmal hintereinander wiederholt werden. Des weiteren beobachtete er auch das An- schwellen und Vorspringen von Zellen ins Innere der Capillaren, wie es Golubew beschreibt. Auch er fügt seiner Abhandlung Abbildungen bei. Diesen Beobachtungen stehen solche von Klemensiewiez und Loevi ent- gegen, die nach Versuchen mit Adrenalin zu dem Resultat kommen, daß den Capillaren der Schwimmhaut des Frosches eine Contractilität auf Adrenalin nicht zukomme. 220 W. Parrisius: Atropin. Auf Atropin sah Natus als primäre Erscheinung Konstriktion der Capillaren und Arterien. Eine Beobachtung von Zeller, der 1921 auf Atropineinwirkung am Auge mittels des binocularen Cornealmikroskops Erweiterung der Gefäße sah, ist wohl mit Vorsicht aufzunehmen, da hier am Auge die lokale, rein mecha- nische Einwirkung nicht außer acht gelassen werden darf. Chemische Agentien. Rynek und Weber beobachteten die Schwimmhaut des Frosches, nachdem sie die Extremität amputiert, oder durch Abschnürung den Blutstrom vom Herzen her unterbunden haben. Nach einigen Schwankungen kommt das Blut in den Capillaren zum Stillstand. Bringt man an eine umschriebene Stelle Ammoniak, so fließt das Blut von allen Seiten zu diesem Punkt, was sie durch Capillarer- weiterung erklären. Vulpian arbeitet am Vogelembryo. Er trägt auf die area vasculosa einen Tropfen Nikotin auf und beobachtet lokale Hyperämie. Heubner stellte 1907 Versuche mit spezifischen Capillargiften (Goldsalzen) an. Er fand bei mikroskopischer Betrachtung des Sektionsmaterials wie des lebenden Individuums „eine völlige Erschlaffung aller contractilen Elemente in allen Capillaren des Körpers. Die Endothelwände entfalten sich allenthalben unter dem nachwirkenden Arteriendruck und sind der dehnenden Gewalt bis zur Zerreißung schutzlos preisgegeben.‘‘ Er fordert also contractile Elemente in den Capillarwänden, während die Dilatation nach dieser Schilderung eine passive Erscheinung wäre. Nervenreizung. Die folgenden Autoren beschäftigten sich mit der Wirkung von Nerven- reizungen auf die Capillarweite. 1876 arbeitete Frey an der Froschzunge nach Unterbindung der Aorta. Er sah zunächst einige Zeit nach der Abbindung eine gewisse Unruhe in der Strömung in den Gefäßen. Schließlich floß das Blut aus den Capillaren ab und zwar bemerkenswerterweise sowohl nach den Venen wie nach den Arterien zu. Endlich trat Stase ein. Reizte er nun den Nervus glosso- pharyngeus mit elektrischen Strömen, so kam neue Bewegung in den Blutkreislauf. Das Blut floß aus den Arterien und den Venen in die Capillaren zurück, bis nach 2 Minuten Stillstand eintrat und nun erneut ein Rückstrom aus den Capillaren in die Venen und Arterien erfolgte. Diese Versuche wiederholte Siawcillo und kam zu ganz den gleichen Resultaten. Beide Autoren nehmen aktive Capillar- erweiterung als Ursache der Stromrichtung des Blutes an. Sergejew arbeitete 1894 an der Nickhaut des Frosches und sieht auf Reizung verschiedener Nerven nach 10—20 Sekunden einen mehr oder weniger verbreiteten Gefäßkrampf an den im Gesichtsfeld sichtbaren Capillaren und kleinsten Arterien auftreten. Er fand diesen Krampf bei Reizung des Nervus ischiadicus und cruralis. Den Reflexbogen nimmt er nach konsequent durchgeführten Experimenten wie folgt an: Nervus ischiadicus — n. spinalis VII — medulla spinalis zwischen 6. und 2. Wirbel — n. spinalis III bis zur Kreuzung mit dem Sympathicus, der Teil des Sympathicus, welcher von der erwähnten Kreuzung bis zum Ganglion Gasseri führt und schließlich n. maxillaris. Für die Beobachtung dieser drei Autoren mag jedoch die Kritik Lapinskys beachtet werden, der annimmt, daß es sich an den Capillaren um passive Vorgänge handele, bewirkt durch Kontraktion oder Dilatation der Arterien und Venen. Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 221 Sonstige Beobachtungen. Rouget sieht nach Unterbrechung des Blutstroms vom Herzen her, daß die Capillaren ihren Inhalt an die Venen abgeben. ‚Dies kann niemals ein Erfolg auch noch so kräftiger Kontraktion der Arterien sein.‘‘ Zu ähnlichen Resultaten kommt 1921 Magnus, Jena, nach eignen Mitteilungen, die er auch auf dem Chirurgenkongreß 1921 veröffentlichte. Natus beobachtete im Mikroskop den Blutkreislauf im Mesenterium bei Berieselung mit warmen Wasser. „Während in der ersten Periode der Einwirkung Arterie und Capillare gleichzeitig erweitert werden, ist in einem zweiten Abschnitt nur noch die Capillarbahn erweitert, während die Arterie wieder ihr Ausgangsmaß annimmt.“ Im Rückblick auf diese und seine schon oben erwähnten Versuche mit Atropin und solchen mit anderen chemischen Ingredienzien kommt er zu dem Schluß, daß ein verschiedenes Ansprechen auf Reize von Capillaren und Arterien sehr wohl möglich ist in dem Sinne, daß auf bestimmte Reize die Capillaren früher als die kleinen Arterien das Maximum ihrer Verengerung erreichen können, ferner daß sich Capillaren maximal erweitern können, während die kleinen Arterien erst später langsam auf einen weniger erweiterten Zustand übergehen. Doch sah er nie Fältelung noch nachweisbare Verdickung der Zellen oder der Kerne der Capillaren. ‚Die drei Abschnitte der Strombahn, Arterien, Capillaren, Venen verhalten sich also nicht immer völlig gleichartig, sondern es kommt jedem Ab- schnitt eine bis zu einem gewissen Grade selbständige und eigenartige Reaktions- art zu.‘ Roy und Brown endlich stellen fest, daß die Weite der Capillaren inner- halb gewisser Grenzen nicht von dem Verhältnis ihres Innen- und Außendruckes, sondern von der Lebenstätigkeit ihrer contractilen Wand abhängt. Sie sahen nebeneinander kontrahierte und erweiterte Capillaren. Gegenteilige Anschauung. Von Gegnern der Auffassung, daß die Capillaren contractil seien, wird häufig Conheim zitiert. Die diesbezügliche Stelle in seiner 1867 geschriebenen Ab- handlung über die Diapedese der weißen Blutkörperchen heißt wörtlich: „,... und es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß jener Schein der Erweiterung (der Capillaren am Froschmesenterium) wesentlich nur auf einer stärkeren und dichteren Füllung der Capillaren mit Blutkörperchen beruht. Beiläufig will ich hier bemerken, daß ich spontane Verengerungen und Erweiterungen von Ca- pillaren, wie sie Stricker an der ausgeschnittenen Nickhaut des Frosches be- obachtet hat, im ausgebreiteten Mesenterium niemals wahrgenommen habe, ohne daß ich natürlich deshalb behaupten möchte, daß dieselben nicht vorkommen könnten.‘“ Auch Riegel hat bei Beobachtungen der Schwimmhaut des Frosches Kon- traktion von Capillaren nicht gesehen, während er ausführlich rhythmische Kon- traktionen der kleinen Arterien schildert und auch an kleinen Venen Kontraktionen beobachtet hat. Aus der neuesten Literatur muß ich Jakoby zitieren, der 1920 schreibt: „War auf den durch Veronalnatrium lokal erweiterten Kreislauf eine schwache Adrenalinlösung zur Wirkung gebracht, so verengerten sich nun die Arterien ganz allmählich. Dabei behielten zwar die Netzcapillaren (er unterscheidet zwischen Netz- und Stromcapillaren) ihre vorherige gewonnene Weite bei, doch werden nun durch den abnehmenden, an Blutkörperchen armen, aber sie doch noch gleich- mäßig durchsetzenden Strom die Blutkörperchen aus ihnen durch das Blutserum ausgespült, so daß nach kurzer Zeit eventuell nur noch ihre scheinbar leeren, aber immer noch breiten Strombahnen das Gewebe durchsetzen.‘ Er leugnet die Möglichkeit aktiver Contractilität der Capillaren auf Adrenalin. 222 W. Parrisius: Alle vorerwähnten Untersuchungen sind entweder an Fröschen (Schwimm- haut, Mesenterium, Nickhaut) oder am Mesenterium kleiner Säugetiere gemacht worden. Menschliche Capillaren. Für den Menschen war man auf Vermutungen angewiesen. Einen Teil der für eine selbständige Tätigkeit der Capillaren im Sinne von Kontraktion und Dilatation sprechenden theoretischen Erwägungen habe ich schon eingangs er- wähnt. Eine alte Beobachtung, der z. B. Rouget absolute Beweiskraft für die Capillarcontractilität zuerkennt, ist das plötzliche Erblassen auf psychische Emotion. Jakoby hält es für möglich, daß dieses Erblassen durch das oben geschilderte „„Leerspülen‘“ bei nicht maximal kontrahierten Präcapillaren erklärt werden kann. Ich möchte dies bei der Geschwindigkeit, mit der das Erblassen vor sich geht, bezweifeln. Histologie. Seit nun seit dem Jahre 1916 mit der Müller-Weißschen Methode an unserer Klinik die Capillarbeobachtung am lebenden Menschen geübt wird, sind manche Ergebnisse erzielt, die auch für den Menschen Capillarcontractilität wahr- scheinlich machen. Lapinsky warnt ja sehr davor die an Tieren gewonnenen Re- sultate auf den Menschen zu übertragen, namentlich da, wie Stöhr ausdrücklich hervorhebt, die Umfassung der Capillaren von einzelnen verästelten Muskelfasern, wie sie von Rouget am Frosch, von S. Mayer auch bei kleinen Säugetieren nachgewiesen wurden, anatomisch noch nicht klar bewiesen ist. Szymonowicz beschreibt die Histologie der Capillaren wie folgt: „Die Wand der Capillaren ist im allgemeinen nur der Epithelschlauch. Die ihn zusammensetzenden Zellen sind dünne Platten, so dünn, daß der meist in der Zellmitte gelegene Kern den Zellkontur ins Gefäßlumen hinein vorbuchtet. Die Epithelzellen sind unregel- mäßige, langgezogene Zellen, deren längster Durchmesser in der Längsachse der Capillaren liegt. Je nach dem Kontraktionszustande der Capillaren sind die Capillaren bald mehr gerade gestreckt, bald wellig, unregelmäßig. An manchen Stellen sehen wir zwischen benachbarten Zellen kleine Stomata oder Stigmata, welche den körperlichen Elementen des Blutes als Austrittsstelle dienen. Nach außen liegt der Wand der Capillaren noch eine sog. adventitia capillaris auf. Dieselbe besteht aus sternförmigen Zellen, deren Ausläufer miteinander anastomo- sieren und so das Epithelrohr mit einem Zellnetz bekleiden.‘ Contractilität. Beobachtungen über Kontraktionszustäinde an den Capillaren am Nagel- limbus wurden zuerst von Weiss namentlich bei vasomotorischer Übererreg- barkeit gefunden, und zwar so stark, daß einzelne Capillarschlingen zeitweise blutleer wurden. Namentlich ist es der arterielle Schenkel, der sich kontrahiert. „Man kann solche Kontraktionen experimentell erzeugen; ich habe z. B. bei Auflegen eines Eisstückes auf die Arteria brachialis (im sulcus bicipitalis am Oberarm) häufig als Kältereaktion solche Kontraktionen an den Capillaren auf- treten sehen, und zwar manchmal von solcher Intensität, daß die arterielle Ca- pillarschlinge infolge ihrer starken Kontraktion alles Blut exprimierte und dadurch zeitweise — weil damit keine Kontrastfüllung mehr vorhanden war — unsichtbar wurde. Solche vasomotorischen Zustandsänderungen sieht man auch spontan bei Vasoneurosen und Hypertensionen.‘‘ Ähnliche Beobachtungen sind dann fast von allen, die sich mit Capillarstudien befaßt haben, gemacht worden, u. a. von Jürgensen, Mertz und Niekau. Zweifler könnten vielleicht einwenden, daß es sich hier um ‚„Leerlaufen‘“ im Sinne Jakobys handelt, also um einen Vorgang, der sich als Kontraktions- Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 223 zustand in der zugehörigen Arterie abspielt, während das Zustandsbild in den Capillaren wieder nur passiv durch Ausspülung der roten Blutkörperchen durch Serum aus den Gefäßen erklärt werden könnte. Da wir bei der Betrachtung der Capillaren am Menschen nicht die Wandung, sondern nur die Füllung sehen, würde dieser Einwurf an sich berechtigt sein. Er wird aber entkräftet durch die anatomischen Verhältnisse, wie sie Spalteholz schildert. (S. hierzu Abb. 1.) Die Papillarcapillaren, die wir am Nagellimbus betrachten, entspringen zu je 4—5 aus einer Endarteriole. Diese entspringt aus dem tiefer liegenden, zahlreiche Anastomosen bildenden, subpapillären, arteriellen Plexus, dieser entstammt aus der nächsttieferen Schicht, dem arteriellen cutanen Netz. Die letzten Ringmuskeln werden in der Mitte zwischen dem cutanen Netz und subpapillären Plexus gefunden. Dieser enthält also schon keine Muskulatur mehr. Da er außerdem stark anastomo- siert ist, kann unmöglich die Kontraktion des letzten Muskelringes Leerlaufen einer einzelnen Papillarcapillare bewirken, ja nicht einmal gemeinsames Leer- laufen von den 4—5 zu einer Endarteriole gehörigen, nebeneinanderliegenden Papillarcapillaren. Die auf Abb. 1 gezeichneten arteriellen Gefäße sind sämtlich ohne jede Ringmuskulatur. Die Abb. ist der Spalteholzschen Abhandlung entnommen. Jakoby beschreibt in seiner oben zitierten Arbeit, daß gerade an den Teilungs- stellen der Arteriolen hinter der Gabelung Muskelringe sitzen müssen, die er „Schleusen - muskeln“ nennt. Nun wäre ja denkbar, daß auch beim Menschen beim Abgang der Papillar- capillaren aus den Arteriolen derartige, bis jetzt nicht entdeckte Apparate zu finden wären, so daß damit immer noch ein Leerlaufen ohne sonstige aktive Kontraktion der Capillaren ent- lang ihrem ganzen Verlauf möglich wäre. Daß Kontraktionszustände an den Capillaren selbst also im Verlauf der Strecke vom Abgang aus den & Arteriolen bis zur Einmündung in die Venulae Arterie Vene tatsächlich vorkommen, wird von folgenden Abb.1. Autoren behauptet: Neumann beobachtet Anämischwerden des arteriellen Schenkels, während in Nachbarcapillaren gute Strömung vorhanden ist. „Es macht durchaus den Eindruck einer aktiven Kontraktion der Capillaren vom Charakter einer peristaltischen Welle.‘ An anderer Stelle schreibt er: „Man kann echte retrograde peristaltische Kon- traktionswellen beginnend im venösen Schleifenschenkel und hinwandernd nach dem arteriellen erkennen.“ Thaller und Draga schreiben ebenfalls von peristaltischen Wellen, die sich vom arteriellen Schenkel her über den venösen hinziehen sollen. Sie beobachten ferner Ausbuchtungen der Capillarwände, und zwar auch ohne daß sich sonst die Capillaren kontrahiert hätten. Manchmal hatte man den Eindruck, als ob sich die Capillaren direkt erigieren würden. Während ich mit meinen eigenen Studien beschäftigt war, fielen mir zwei Veröffentlichungen in die Hände, die den meinen ähnliche Beobachtungen be- richteten. Pribram schreibt 1920: „Zunächst findet man (bei einem Patienten mit Raynaud) den arteriellen Schenkel (Limbuscapillare) auffallend dünn, und wenn man einige Zeit beobachtet, sieht man, wie die Blutsäule durch einen auf- tretenden Capillarspasmus unterbrochen wird und die kontrahierte Stelle nach Art einer Peristaltik das Blut vor sich her schiebt. Hier und da sieht man auch eine Kontraktion an den größeren Basalarterien. Manchmal steht der Blutstrom völlig still und es kommt zu einer Stase, die aber nur in dem Mangel an nach- 224 W. Parrisius: strömenden Blut ihre Ursache hat und als ischämische Stase bezeichnet werden kann. Wir müssen den Capillarendothelien einen Erregungsablauf im Sinne einer milden Peristaltik anerkennen. Im histologischen Präparat (Exzision an der Fingerbeere) sieht man völlig normales Bild. Es handelt sich also um echte Angiospasmen.‘ Und Halpert berichtet 1920 ebenfalls über einen Raynaud- fall und bringt Abbildungen von Capillarbildern. „Im Anfall zeigten sich Form- veränderungen der Capillaren, wie sie sonst nicht beobachtet wurden, Auswüchse und Verbuchtungen, die während mehrerer Minuten unverändert bestehen blieben, daneben völlig leere Stellen. Es schien das Blut zeitweise in einzelnen Schlingen durch eine äußerst langsam verlaufende Peristaltik vorwärts geschoben, oder durch eine minutenlang anhaltende spastische Zusammenziehung der Gefäße an einzelnen Stellen am Vordringen gehindert zu werden.“ B. Eigene Beobachtungen. Peristaltik. Meine eigenen Beobachtungen sind folgende: Abb. 2 zeigt eine Capillare, die ich an einer an lokaler Asphyxie der Füße leidenden Patientin mit dem von Prof. O. Müller angegebenen, von Zeiss-Jena hergestellten Hautcapillarmikroskop beobachtet habe. Ob eine zuvor applizierte Adrenalininjektion (1 mg subcutan) wesentlich den zu schildernden Vorgang beeinflußt hat, möchte ich dahingestellt sein lassen. Von vornherein fiel an der Capillare der enorm enge ar- terielle Schenkel und der weite venöse auf. Es bestand völlige Stase im Augenblick der Beobachtung. Der rote Faden, den der arterielle Schenkel darstellte, beweist, daß dieser Schenkel kontinuierlich mit Blut gefüllt war. Diese Kontinuität der Blutsäule wurde auch bei dem ganzen Vorgang nicht einmal unterbrochen. Auf einmal sah ich an dem von Jürgensen so benannten ‚Schaltstück‘ — dem Gipfel der Capillare — eine Kontraktion auftreten, die eine wellenförmig über den ganzen venösen Schenkel hinziehende Peristaltik auslöste. Die einzelnen in der Abb. 2 wieder- gegebenen Bilder sind Augen- blicksbilder aus dem Ablauf der peristaltischen Welle. Der Kon- traktionsring wanderte weiter, hinter ihm erfolgte wieder Aus- dehnung des Lumens auf das Ausgangsmaß. Ich glaube nicht, daß bei der erhaltenen Kontinuität der Blutsäule im arteriellen Schenkel, der also nicht einmal mehr Serum, das andere Mal mehr Blutkörperchen, etwa wie bei ‚„körniger Strömung‘, hindurchließ, das gesehene anders zu erklären ist als durch eine Peristaltik, die mitten in der Capillare auf ihrem Gipfel anfing und über den venösen Schenkel hinwanderte. Diese Beobachtung, die mit oben erwähnten anderer Autoren völlig übereinstimmt, macht es zum mindestens wahrscheinlich, daß den Capillaren eine den Blutstrom fördernde Triebkraft innewohnt. Sie ist eine Illustration zu der Theorie Grützners, der die Gefäße, Abb. 2. Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 225 auch die Capillaren, ‚periphere Herzen“ nennt. Der Vorgang wieder- holte sich in 1 Minute mehrmals. Ich habe leider keine genaue Zeit- messung vorgenommen. Da in der Capillare vor dem Einsetzen der Peristaltik der Blutstrom stagnierte, ist in diesem Falle eine För- derung der Blutbewegung unzweifelhaft. Nicht bewiesen ist bisher, daß an normalen Capillaren physiologischerweise Peristaltik vorkommt. Es ist also nur Vermutung, daß der von uns beobachtete Vorgang die krankhafte Steigerung normalen Geschehens ist. Allerdings liest dieser Gedanke im Vergleich mit ähnlichen normalen und pathologischen Vorgängen am Magen und Darm nahe. Zweite Beobachtung. Spasmen. Hier handelt es sich um eine Frau mit typischen Er- scheinungen von vasomotorischer Neurose mit Anfällen von lokaler ‘ Asphyxie an den Fingerspitzen, s. Abb. 3. Die abgebildete Capillare Abb. 3. wurde am Nagellimbus beobachtet. Auch hier fällt der enge ar- terielle und unverhältnismäßig weite venöse Schenkel auf. Es be- stand träge, doch ununterbrochene Strömung. Auf einmal, ohne irgendwelchen Reiz sah man mitten im venösen Schenkel 3,) die Blutsäule unterbrochen werden. Während in dem Capillarabschnitt, der dem arteriellen Schenkel näher lag, das Blut stagnierte, und das blinde Ende der Blutsäule sich ziemlich breit präsentierte und erst allmählich eine kleine Ausbuchtung erfuhr (3,), schob sich der venös gelegene Teil der Blutsäule langsam vorwärts, das distale Ende konisch verjüngt. Das Spatium zwischen den beiden auseinandergerissenen Blut- säulen wurde immer größer (3,), schließlich wurde das venös gelegene Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 15 296 W. Parrisius: önde der mit dem arteriellen Schenkel in Verbindung gebliebenen Blutsäule kolbig aufgetrieben (3,), endlich schien es mit Macht den Widerstand zu durchbrechen, drang vor (3,), bis nach kurzen Sekunden wieder Kontinuität der Blutsäule hergestellt war und das Blut zwischen glatten Wänden träge dahinfloß. Ich erkläre den Vorgang so, daß ein Spasmus auftrat, der dem weiteren Vorrücken des Blutes von der Arterie her Halt gebot. Dieser Spasmus pflanzte sich venenwärts fort und schob dabei den abgerissenen Teil der Blutsäule vor sich her. Ob dann das Andrängen des Blutes von der Arterie her schließlich den Spasmus durchbrach, wie es nach dem Dickerwerden des vordersten Teiles der arteriellen Säule aussah, oder ob der Spasmus von selber nachließ, vermag ich nicht zu sagen. Ob der Spasmus vollständig war, also das Lumen völlig vernichtete, oder ob an den letzten Blutkörperchen des der Arterie zugelegenen Teils Serum vorbeifließen konnte und den venösen Teil mit leerspülen half, vermag ich gleichfalls nicht zu sagen. Jedenfalls muß eine so große Verengerung aufgetreten sein, daß ein rotes Blutkörperchen nicht daran vorbei konnte, während vorher mehrere Blutkörperchen nebeneinander die Capillare passierten. Der Vorgang ist auch unmöglich durch eine einfache Lücke in der Blut- säule, die mit Serum erfüllt gedacht werden müßte, zu erklären. Wie sollte denn in diesem Fall das Größerwerden des Spatiums zwischen den auseinandergerissenen Teilen der Blutsäule erklärt werden ? Aus welchem Grunde sollten denn nur die korpuskulären Elemente stagnieren, das Serum aber ungehemmt weiterströmen, wenn man nicht das Auftreten eines vorher nicht vorhanden gewesenen Hindernisses (Spasmus oder Wandverdickung) annehmen will, das die korpuskulären Elemente am Vorwärtsströmen hindert? Darüber, wie gesagt, könnte man disku- tieren, ob der venöse Teil der Blutsäule, der im Lauf der Beobachtung immer mehr verschwand, infolge eines Spasmus vorwärtsgeschoben wurde, oder teils von den Venen angesaugt, teils von Serum fortbewegt wurde, das neben den letzten Blutkörperchen infolge Unvollständigkeit des Spasmus oder der Wandverdickung vorbeifließen konnte. Lücken in der Blutsäule sind uns bei anderen Zuständen z. B. der körnigen Strömung wohl bekannt, für die oben geschilderte Beobachtung glauben wir aber bestimmt annehmen zu dürfen, daß es sich nicht um solche Lücken handelte. Die Beobachtung stimmt völlig mit der oben er- wähnten von Pribram an einem Raynaud-Kranken überein. Ihre Bedeutung liegt darin, daß hier gezeigt wird, daß an einer von vornherein atonischen Gefäßwand ein Spasmus auftreten kann. Wir sehen also hier an den Gefäßen das gleiche Vorkommen von spastischen und atonischen Zuständen nebeneinander wie am Oeso- phagus oder Darm. u = um nun nn nr nn nen Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 227 Dritte Beobachtung, Abb. 4. Sie betrifft ein Mädchen mit vasomotorischen Störungen an den Händen und Ulcus ventriculi. Bei ihr beobachtete ich an einer wieder in ihrem venösen Teil enorm, man kann wohl sagen varikös erweiterten Capillare am Nagellimbus die Strömung in einer Anastomose, ‚die sie am Schaltstück hatte. Auch hier riß auf einmal in der Mitte die vorher kontinuierliche Blutsäule ab (4b). Die ‚arterielle — wenn ich mich kurz dieses Ausdrucks auch für die beiderseits in Abgang und Ein- see d) e) I) Abb. 4. mündung ja nur mit der Capillare in Verbindung stehende Anastomose bedienen darf — Blutsäule blieb stehen, der ‚‚venöse‘‘ Abschnitt wurde leer (4c), bis allmählich, oft auch nach Veränderung der Gestalt des „arteriellen Teils (4c) die Strömung wieder in Gang kam. Zum min- desten muß auch in dieser Anastomose ein Hindernis plötzlich auf- getreten sein, das dem weiteren Vorrücken von roten Blutkörperchen Halt gebot. Ich will es in diesem Fall offen lassen, ob nicht neben dem letzten Blutkörperchen des arteriellen Teils Serum vorbeigeflossen ist, und den venösen Teil leergespült hat. Jedenfalls muß das plötzlich aufgetretene Hindernis (Spasmus) so stark gewesen sein, daß ein rotes Blutkörperchen nicht daran vorbei konnte. Manchmal war auch primär der arterielle Teil leer, der venöse gefüllt (4d), was etwa dem Beginn 15% 228 \W. Parrisius: einer körnigen Strömung in Capillaren entspricht. Während dieser ganzen Beobachtung herrschte in der Capillare selbst ein gleichmäßiger, ununterbrochener Strom. Die Patientin gab spontan an, daß in kaltem Wasser hier und. da ihre Fingerenden ganz weiß würden (doigts morts). Ich habe bei ihr experi- mentell diesen Zustand nicht erzeugen können, sah aber nach drei- minütigem Einwirken von kaltem Wasser Veränderungen an der Capillare auftreten (4e). Man sieht die beiden Vorbuchtungen des Schaltstücks, die in 4a bis 4d so sehr imponieren, etwas verstrichen, die Anastomose ist völlig leer; am venösen Teil der Capillare ist eine sanduhrförmige Einschnürung der Blutsäule zu erkennen. Es bestand Stase. Ich glaube, es wäre eine gekünstelte Erklärungsweise, hier anzunehmen, daß aus- gerechnet nur an dieser Stelle die Blutsäule rein axial steht und gegen vorher und nachher weniger Blutkörperchen enthält, während seitlich sich Blutserum befindet und die Wandungen gegen vorher keine Ver- änderung erfahren haben. Viel einleuchtender erscheint die Erklärung, daß hier am venösen Schenkel unter Kältereiz ein Spasmus der Capillar- wand aufgetreten ist, der die Einschnürung bewirkt hat. Vierte Beobachtung: Abb.5. Formveränderungen. Sie zeigt eine Capillare vom Nagellimbus bei einer Patientin mit erheblichen vasomotorischen Störungen an den Abb. 5. Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hauteapillaren. 229 Fingern im Sinne der Erythromelalgie. Die eine Capillare wies dauernd erhebliche Formveränderungen auf, die kaum aus Strömungsanomalien erklärt werden können (s. 5a und 5b). Diese Beobachtung stimmt mit der von Halpert (Formveränderungen der Capillaren) gut überein. Fünfte Beobachtung: Abb. 6. Ausbuchtungen. Zeigt eine Capillare am Nagellimbus wieder von einer Vasoneurotica, die eine weitere Eigentümlichkeit demonstrieren sol. Am Rand _ treten hier und da ganz kleine Ausbuchtungen auf, nicht größer als ein rotes Blut- körperchen, die sich mit dem Strom an der ganzen Peripherie der Capillare entlang hinziehen. Ob in diesen großen Capillaren das Conheimsche Gesetz vom axialen Blutstrom gilt, und unsere Beobachtung ein rotes Blutkörperchen + Eu darstellt, das aus dem Abb. 6. axialen in den randstän- digen, nur von Serum gebildeten, und daher nicht sichtbaren Strom übertritt, oder ob ein rotes Blutkörperchen die zarte Capillarwand ausbeult beim Hindurchströmen, vermag ich nicht zu entscheiden, da wir ja die Capillarwand selbst nicht sehen. Adrenalin. Ich bin dann dazu übergegangen, die Einwirkung von Adrenalin auf die Capillaren zu prüfen und habe bei 25 Patienten subceutan 1 mg Adrenalin in den Unterarm injiziert. Ich war von dem Resultat ent- täuscht und glaube, daß dies nicht der richtige Weg ist, um den Ein- fluß von Pharmaka auf die Capillaren zu prüfen. Für die direkte Appli- kation stellte die Undurchlässigkeit der Haut ein bis jetzt noch un- bezwungenes Hindernis dar. Seine Überwindung durch Auflockerung der Epidermis mit Kalilauge ist mir nicht gelungen. Im allgemeinen sah ich nach Adrenalininjektion eine gewisse „Leere“ des Beobachtungs- feldes eintreten, in allen Capillaren ziemlich gleichmäßig deutlich körnige, unterbrochene Strömung, während sie vorher ununterbrochen gewesen war. Über diesen Punkt schreibt mir Brieger in Breslau, der auf dem letzten Internistenkongreß in Dresden 1920 über das gleiche Thema sprach: ‚Mit der Methode der Tübinger Klinik und der Capillar- 230 W. Parrisius: messung auf der Mikrophotographie sind wir in der Lage, die Wirkung von Gefäbßmitteln auf die Capillaren exakt zu beobachten. Freilich konnte ich in Dresden nur Bilder demonstrieren, die leergelaufene Capillaren bei Gefäßkontraktion im präcapillaren Gebiet zeigten.‘ Er ist jetzt zu lokaler Applikation übergegangen und wird demnächst über aktive Veränderungen an den Capillaren berichten. Eine Beob- achtung, fallsweiser lokaler Asphyxie der Finger (Fall 1), möchte ich jedoch hier wieder an Limbuscapillaren einer Patientin mit schwerer, an- im Bilde wiedergeben. Abb. 7a zeigt die Capillaren vor Adrenalin- injektion. Ihre blauviolette Verfärbung und etwas undeutliche Kontur erklärt sich aus hier und da viertelstundenlang dauernder Stase. Nach l mg Adrenalin subeutan bot sich Bild 7b dar. Der beigezeichnete Maßstab ermöglicht direkte Messung (ein Teilstrich = 160 u). Da Strömung nicht zu beobachten war, und die Verengerung alle Capil- laren gleichmäßig betrifft, so lasse ich es dahingestellt sein, ob die Änderung durch Kontraktion im präcapillären Gebiet verursacht wurde. Zusammenfassung. Nach einleitendem Überblick über die ausgedehnte Literatur wird die Frage der Kontraktilität der Capillargefäße auf Grund zahlreicher direkter Beobachtungen am Menschen in bejahendem Sinne entschieden. Hervorzuheben ist, daß diese Beobachtungen teils deutlicher peristalti- scher Vorgänge, teils spastischer Einschnürungen und atonischer Er- weiterungen an morphologisch krankhaft veränderten Capillaren ge- macht wurden. Ob die geschilderten Bewegungsvorgänge der Capillar- wand ausschließlich ein Produkt des krankhaften Zustandes sind, oder ob sie die krankhaften Steigerungen und Verzerrungen normaler Funk- tionen der Haargefäße darstellen, bleibt zunächst dahingestellt. Erst weitere eingehende Studien am normalen Gefäßapparat werden ent- scheiden können, ob die peristaltischen Vorgänge etwas Physiologisches sind, das sich unter pathologischen Bedingungen nur bis zur grob- sinnlichen Wahrnehmung steigert. Bemerkungen über die Technik der Abbildungen: *) Die Beobachtung aller Capillaren am Nagellimbus (Abh. 3, 4, 5, 6, 7a und 7b) wurden mittels eines Zeissschen Stativmikroskops bei 53facher Vergrößerung vorgenommen. Die Zeichnungen wurden nach diesen mikroskopischen Be- obachtungen durch den Universitätszeichner Heiin Dettelbacher hergestellt. Hierbei wurde der große mikroskopische Zeichenapparat von Abbe benutzt. Fast jeder Abbildung ist ein Maßstab beigezeichnet. Er entspricht der Länge von 4/5 mm, jeder seiner Teilstriche ist 160 «+ lang. Abb. 2 stammt von einer Beobachtung am Fußrücken mittels des Müller- schen Hautcapillarmikroskops von Zeiss Jena, bei 60facher Vergrößerung. Dettel- bacher hat auch diese Beobachtung nach meinen Angaben zeichnerisch dargestellt. Zur Frage der Contractilität der menschlichen Hautcapillaren. 231 Abb. 7a. AnhNzin: 232 W. Parrisius: Literaturverzeichnis. Biedl, Über experimentell erzeugte Änderungen der Gefäßweite. Frag. aus d. Geb. der exper. Pathol. 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Nach zwei Seiten jedoch ist man heute beschäftigt, die Lösung dieser Frage zu suchen: theoretisch und experimentell. Der erste Weg wird gefolgt von v. Recklinghausen?), der zweite von Herz?), der aber nur wenig Resultate publiziert hat, während in letzterer Zeit verschiedene Forscher sich ungefähr zu gleicher Zeit dieser Frage ge- widmet haben, wie Bethe?) und Schlesinger°), diean den nach von Vanghetti und Sauerbruch operierten Muskelstümpfen Unter- suchungen machten; Bethe und Franke®), die mit einem Dynamo- meter bei Gesunden und Amputierten arbeiteten, Verf.”) und Franke), t) Nederlandsch. Tijdschr. v. Geneesk. 1912 und Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 160. 1915. ®?)H. v. Recklinghausen, Gliedermechanik und Lähmungsprothesen. Berlin 1920. ; ?2) M. Herz, Lehrbuch der Heilgymnastik. Berlin-Wien (1903). 4) A. Bethe, Beiträge zum Problem der willkürlich bewegten Prothesen. Münch. med. Wochenschr. 1917. °) Schlesinger, Technische Ausnützung der kinoplastischen Armstümpfe. Dtsch. med. Wochenschr. 1920. 6%) Bethe und Franke, Beiträge zum Problem der willkürlich beweglichen Armprothesen. Münch. med. Wochenschr. 1919. ”) J. H. O. Reijs, Over de verandering der kracht tydens de Beweging. Nederlandsch. Tijdschr. v. Geneesk. 1920. ®) Fr. Franke, Die Kraftkurve menschlicher Muskeln bei willkürlicher Innervation. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1920. J. H. O. Reijs: Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 235 die auch diese Messungsmethode benutzten, um zur absoluten Muskel- kraft zu gelangen. Es ist nicht bloß vom theoretischen Standpunkte aus interessant, diese Kurven zu kennen für alle, oder wenigstens für viele Bewegungen des Körpers, auch praktisch hat es einen großen Nutzen. Vielleicht könnten die Resultate dieser Messungen in der ‚Physiologie der Arbeit‘‘t) verwendet werden, um so im Ideengang des Taylorsystems die Arbeits- werkzeuge möglichst ökonomisch zu konstruieren, während außerdem die Experimente sehr willkommen sind, um den theoretischen Be- rechnungen einen festen Grund zu verleihen. Meine Absicht ist aber auch noch eine andere gewesen und zwar folgende: Die ideale Widerstandsbewegung in der Heilsymnastik soll einen Widerstand geben, der während der Bewegung wechselt, in dem Maße, wie auch die Kraft des Patienten während dieser Bewegung wechselt, wollen wir wenigstens der Muskel während der ganzen Zeit der Zusammen- ziehung, und auch fortwährend maximal, arbeiten lassen. Ling ist der erste gewesen, der diese Anforderung gestellt hat. Als Widerstand nahm er die Kraft des Heilgymnasten, der auch in der Tat bei einiger Übung imstande ist, diesen Widerstand so zu geben, wie es gewünscht ist. Zander konstruierte seine Widerstandsapparate nach diesem Prinzip?). Da er Hebel mit Laufgewichten als Widerstand nimmt, von denen also die Kraft wechselt wie eine Sinussoide, so liegt es auf der Hand, daß wohl diejenigen Momente, bei denen die Kraft des Patienten und die, welche der Apparat bietet, maximal resp. minimal sind, zusammenfallen, daß weiter aber beide Kräfte in sehr verschie- denen Weisen wechseln werden. Nur oberflächlich besehen, ist hier einige Übereinstimmung. Deshalb bin ich nicht einverstanden mit Lagrange?), wenn er behauptet, daß es bei Zanders Apparaten gibt: ‚a tous les moments du mouvement une proportionnalite parfaite entre la resistance & vaincre et la force que peut deployer le muscle“. Überdies ging Zander bloß mit seinem Gefühle zu Rate, wo er nach dem Momente der Bewegung suchte, in dem die maximale und die minimale Kraft tätig ist. Seine Apparate werden nicht viel besser sein als die von Krukenberg, bei denen der Widerstand während der Bewegung unverändert bleibt. Herz hat es nun, wie gesagt, unter- nommen, von allen einfachen Bewegungen den Verlauf der dabei aus- geübten Muskelkraft experimentell festzustellen, publiziert aber nur 3 Diagramme, weil er, wie er mir in einem Privatschreiben mitteilte, !) Organisation physiol. du Travail, 1917. — Le Moteur Humain, 1914, J. Amar. ?) Levertin, Gymnastique medico-mecanique. Zander, Stockholm. ?) Les Mouvements möthodiques et la Mechano-Therapie, Paris 1909, s. 26—27. 236 J.H..O. Reijs: glaubte, daß man sich nicht für mehr interessiere. Bethe und Frank publizieren Kurven von verschiedenen Armbewegungen. Um meine Definition der absoluten Kraft vervollständigen zu können, habe ich diese Messungen der wechselnden Kraft bei verschiedenen Bewegungen wieder- holt, und ich habe mir dazu ein Dynamometer konstruiert, das einige Ähnlichkeit mit dem von Herz hat. Dieses Dynamometer (Abb. 1) besteht aus dem Stativ A, auf dem das Rad B montiert ist, welches 60 Löcher enthält, in der Weise, daß der Abstand zwischen zwei Löchern 6° beträgt. Eine Krücke (©, die sich um die Achse des Rades bewegen kann, kann nun mittels eines Stiftes in jedes der Löcher befestigt und mittels der Schrauben- mutter D befestigt werden. Auf diese Krücke kann ein Handgriff E in verschie- denen Abständen des Mittelpunktes fest- geschraubt werden. Unter dem Rade B liegt ein viel kleineres Rad F, daran der Schwengel @ mit dem Laufgewicht H und einem Zeiger /, der sich über einen Grad- bogen K bewegt. Eine Schnur Z ist nun so um die Räder B und F geschlagen und auf letzteres mit einem Stift M befestigt, daß, nach welcher Richtung B auch dreht, F immer in derselben Richtung gedreht wird, so daß der Zeiger sich immer über den Grad- bogen bewegt. Die Kraft des Schwengels @ nimmt dann zu wie der Sinus des Devia- tionswinkels. Durch den großen Unterschied der Peripherie zwischen B und F (resp. 1615 und 135 mm, also wie 12:1) wird nun infolge einer kleinen Drehung von B, F eine sroße Drehung machen und der Widerstand nimmt schnell zu. Die zu prüfende Person wird nun so aufgestellt, daß die Achse des zu untersuchenden Gelenkes z. B. des EIl- bogengelenkes genau die Verlängerung der Achse B bildet, Dann wird der Stand des in Ruhe bleibenden Teiles, in diesem Falle des Oberarmes, hinsichtlich des Rades B abgelesen. Dann wird der Handgriff E so gestellt, daß die Person den- selben leicht umfassen kann. Darauf wird die Krücke € in den Stand gebracht, von dem man die Kraft untersuchen will, dieser Stand. wird aufgezeichnet sowie der des Handgriffes E auf der Krücke. Während nun der Oberarm gut fixiert ist und man auch den Füßen oder dem Rücken die notwendige Stütze gegeben hat, biegt die zu prüfende Person den Arm, augenblicklich schlägt der Zeiger 7 aus, und durch eine kaum wahrnehmbare Drehung im Ellbogengelenke erreicht der Schwengel eine große Kraft. Es wird gewissenhaft dafür gesorgt, daß die Person langsam und gleichmäßig die Bewegung ausführt. Der Stand des Zeigers wird verzeichnet und dieser Wert durch Eichung zu der Anzahl Kilogramm zurückgebracht, die auf den Hand- griff E wirken, oder was noch einfacher ist und gleich genau, der Sinus des Deviationswinkels wird statt des Winkels selbst genommen. Denn es war mir bei all diesen Proben vielmehr um die relativen Werte als um die absoluten Kräfte zu tun. Abb. 1. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 237 Dieser Wert gibt also ein Maß von der Kraft, mit der eine bestimmte Bewegung geschehen kann. Indem wir nun diese Kraft in einer Anzahl von Phasen untersuchen, erschaffen wir uns eine Vorstellung über den Verlauf, den Wechsel der Kraft während dieser Bewegung. Wie soll man nun diese Messungen vornehmen ? An erster Stelle stellte sich heraus, daß dieselbe Person an verschie- denen Tagen bei gleichem Stand des Gewichts, der Krücke und des Handgriffes verschiedene Werte erreichte. Dies hängt zusammen mit der Gemütsverfassung, deren Einfluß sehr deutlich merkbar war, mit größerem oder geringerem Wohlbefinden, mit Ermüdung usw. Darum ging ich so vor, daß ich von einer Bewegung nacheinander alle zu prüfenden Phasen nahm und einige Tage später die Bewegung in umgekehrter Reihenfolge untersuchte, um dadurch die Ermüdung, die sich bei den letzten Phasen hätte einstellen können, auszuschalten. Dies geschah bei einigen Personen (4 bis 10). Wurden weniger als 10 Personen untersucht, es waren diese aus einer größeren Anzahl auserwählt worden und waren es die, welche bei 10 aufeinanderfolgen- den Messungen einer bestimmten Bewegung, wozu ich die Biegung des Handgelenkes nahm, die gleichmäßigsten Ergebnisse aufwiesen. Daß ich im Anfang meine Messungen mit 10 Personen vornahm, von denen jede zehnmal die Probe wiederholte, die selbst wieder aus der Messung von 10 bis 14 Ständen bestand, daß ich aber später all diese Zahlen einschränkte, findet seinen Grund in meiner im Gegensatz zu Herz gemachten Erfahrung, daß sich bei den zu prüfenden Personen, wenn auch keine bleibenden schädlichen Folgen, dann doch sicherlien wrhl vorübergehende unangenehme Folgen zeigten. An einem Tage, als wir die Supination der Hand untersuchten, menstruierte z. B. eine der weiblichen zu Prüfenden einige Tage zu früh und mit ungekannter Heftig- keit. Und möge dies auch kein schädliches Resaltat sein, es beweist doch, welchen Einfluß diese Proben haben können. Auch Kopfschmerzen, Schwindel bei älteren Personen und Muskelschmerzen kamen häufig vor. Kommen wir nun zu meinen Resultaten, so will ich mit der Plantar- flexion des Fußes anfangen, welche der Ausgangspunkt der ganzen Untersuchung war. Diese Bewegung untersuchte ich bei 4 Personen, sowohl rechts wie links, jedesmal in 4 Ständen. Die Probe wurde zweimal wiederholt, um wie gesagt, den Einfluß der Ermüdung (die übrigens nicht groß war) auszuschalten. Das Resultat der Messungen ist folgendes (Probe 121 bis 134): Winkel des Gelenkes Ausschlag des Schwengels Sinus z - 100 Kraft in kg 114° (Plantarflexion) 36° 59 384 102° 46° 12 463 90° (Normalstellung) 60° 87 560 78° (Dorsalflexion) 68° 93 598 Die Kraft nimmt also mit der Dehnung der Wadenmuskeln zu, wie es bei einem so einfachen mechanischen Verhältnis, wie wir es hier haben, 238 3. H.-OfReijs: zu erwarten war. Der Stand 78° ist als die stärkste Dorsalflexion zu betrachten. Da bei meinen früheren Proben über die Kraft der Wadenmuskeln die Biegung im Fußgelenk 90° betrug, und ich in meiner Definition der absoluten Kraft diese als die größte Kraft, die während einer Bewegung vorkommt, betrachte, so muß zu der damals gegebenen Zahl von 5,25 kg per Quadratzentimeter des physiologischen Querschnittes noch 6/5, hinzugezählt werden und deshalb kommen wir auf rund 5,6 kg per Quadratzentimeter des physiologischen Querschnittes. Diese Gelegenheit möchte ich benutzen, einen Artikel zu besprechen, der kürzlich von Fr. Franke!) anläßlich der absoluten Muskelkraft erschienen ist. Er gibt folgende Definition. „Absolute Muskelkraft ist die maximale Kraft‘ (Spannung) pro Quadıat- zentimeter der physiologischen Querschnittsfläche, welche der Muskel bei maxi- maler Innervation und günstigster Länge auszuüben imstande ist.“ Ich muß hier bemerken, daß es noch einen Unterschied gibt — der aus dieser Definition nicht hervorgeht — zwischen der absoluten Muskelkraft eines Muskels als Ganzes, worüber meine Definition handelt, und der pro Quadratzentimeter des physiologischen Querschnittes. Bei allen diesen Definitionen muß eine maximale Innervation als selbstredend angenommen werden, daß diese im Ausdruck der Definition nicht mehr zu er- scheinen braucht. Aber es steht in dieser Definition ein Pleonasmus. Die „günstigste Länge‘ heißt ja die Länge, wobei der Muskel seine ‚maximale Kraft“ entwickelt. Ich habe das zum Ausdruck gebracht, indem ich von der „größten Kraft‘ spreche, die im Verlauf der ‚Kontraktion‘ ausgeübt werden kann. Darum muß ich denn auch die Bemerkung Frankes zurückweisen „es wäre besser gewesen, wenn ich eine bestimmte Muskellänge vorausgesetzt hätte.‘‘ Eigentlich habe ich das wohl getan: nämlich jene Länge, wobei die Kraft am größten ist (günstigste Länge), was Franke auch tut. Ich kann daher auch die Verbesserung, welche die Definition von Franke zu bringen gedenkt, nicht einsehen und glaube, daß alles, was seine Definition enthält, auch in der meinigen steht. Auch würde mich der Vorwurf treffen, daß ich den, bei Versuchspersonen gewonnenen Kraftresultaten, die Maße von anatomischen Präparaten zugrunde lege. Auch das jedoch halte ich für unzutreffend. Wohl habe ich mich natürlich anatomischer Präparate bedient, um mir ein Urteil über die Wadenmuskeln bilden zu können, besonders über den Faserverlauf, die Oberfläche und den Umfang. Aber dann habe ich das Volumen von den Wadenmuskeln der Versuchspersonen nach Abdrücken in Gips berechnet. Und handelt Franke nicht in derselben Weise? Auch er mißt den Umfang und den Querschnitt von Präparaten und dann den Umfang von den Armen seiner Versuchspersonen. Zudem muß auch er Hebellängen und Angriffspunkte usw. an Präparaten "messen, obgleich er eine Kontrolle hat in der Röntgenphotographie, eine Kontrolle, die nach meiner Meinung nur mit größter Vorsicht angewendet werden darf. Seit Weber?) ist der Stand auf den Zehen stets genommen als die Bewegung wobei die absolute Muskelkraft berechnet wurde, weil dabei ziemlich einfache anatomische und mechanische Verhältnisse bestehen. !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 184. 1920. ”) Handwörterbuch der Physiologie 1846. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 239 Franke jedoch wählt das Biegen und Strecken des Ellbogens. Wie wün- schenswert es ist, auch die absolute Muskelkraft anderer Muskelgruppen kennen zu lernen, und, wie anerkennenswert auch das Streben Frankes sein möge, mir kommt es vor, daß es hier viel mehr Möglichkeiten zu Ungenauigkeiten gibt. Diese Furcht wird nicht geringer, wenn wir lesen, daß die Dicke der weichen Teile nur „annäherungsweise‘“ bestimmt wurde (S. 317), daß: „die recht komplizierten Ver- hältnisse der beiden Muskeln stark vereinfacht werden müssen“ (S 314); daß die Größe der auf diese Weise gefundenen Hebelarme für Biceps und Brachialis, nicht unerheblich abweicht von der, die OÖ. Fischer durch seine Berechnungen er- hielt“ usw. Die Anheftungen der Muskeln müssen zu einem einzigen Punkte gebracht werden; der Anteil, den die verschiedenen Muskeln an der Bewegung nehmen, muß berechnet werden usw. Der Bau der Triceps zeigt sich ferner so verwickelt, daß von einer Berechnung des physiologischen Querschnittes abgesehen wurde. Deshalb rechnet Franke nur mit dem anatomischen Durchschnitt. Dieer Zahl kommt daher nur ein geringer Wert zu. Auch muß ich bemerken, daß der Lacertus fibrosus vergessen zu sein scheint. In der Tabelle, die Franke von den Werten der absoluten Muskelkraft, die verschiedene Forscher gefunden haben, gibt, stehen einige Zahlen, die ich wohl ' auch erwähne, aber von denen ich angebe, warum und in welcher Richtung sie verbessert werden sollen. Daraus geht hervor, daß für dieselbe Muskelgruppe die Werte von Henke (5,56 kg), Knorz (5,9 kg), Hermann (6,24kg etwas zu groß) und, die von mir (5,6 kg) sich genügend nähern. Betrachten wir jetzt die Zahlen, die Franke bekommt, etwas genauer. Hier folgt seine Tabelle. Tabelle VI. | 3 | Be | ale + Mittel | Mittel beugen TE Al RER! iR era, | — ln = = —— Triceps . . . | 168, 2217.9 19,8 | Biceps ke az 8,91) 135 1 77], J Kraft in kg Brachialis.. . 12,1 11985 9,7 1 j Ze protgem Es muß uns dann auffallen, daß bei der Versuchsperson Fr. die Streckkraft pro Quadratzentimeter größer ist als bei den anderen Personen, während seine Beuge- kraft geringer ist; daß seine Streckkraft mehr als 2 mal so groß ist als seine Bieg- kraft, während bei den anderen Personen dieses Verhältnis viel kleiner ist; daß Abweichungen vorkommen auf ein Total von 9 Zahlen von ungefähr 50% des Mittels; daß alle Zahlen viel größer sind als die bisher gefundenen, die meistens bei Beinmuskeln bekommen sind. Diese Resultate scheinen mir nicht geeignet, besonderes Vertrauen für die benutzte Methode einzuilößen, um so weniger, wenn wir v. Rerklingshausens (l. c.) Erörterungen in Betracht ziehen. Dieser glaubt, begründet sogar seine weiteren Untersuchungen darauf, daß verschiedene Kon- stanten, darunter K, die absolute Muskelkraft ‚für alle menschlichen Skelett- muskeln ein und dieselben sind‘ (S. 18) eine Vermutung, die ich nicht sogleich annehmen kann. Henke und Knorz?) fanden bei den Flexoren des Armes rechts 8,991 kg und links 7,38 kg Ich führe diese Zahlen an, weil hier natürlich ein Versuchsverfahren benutzt ist. t) Diese Zahl steht in der Zusammenfassung angegeben: 8,2. *) Zeitschr. rat. Med. 1865 und, 1868 Dissert. Marburg 1865. 240 JE: OrReijs: In meinem vorigen Artikel in diesem Archiv!) stellte ich daher die Fragen: Besteht eine spezielle Differenz zwischen den Muskeln rechts und links? Besteht eine spezielle Differenz zwischen den verschiedenen Muskeln des menschlichen Körpers; sind namentlich die Beinmuskeln kräftiger als die feineren Armmuskeln ? Fragen, die inzwischen nicht gelöst worden sind. Auch v. Recklinghausen nennt eine Zahl für die absolute Muskelkraft, nämlich 3,6 kg. Wir wollen jetzt untersuchen, inwiefern diese Zahl mit den meinigen von 5,5 kg in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir werden dann sehen, daß es eine große Übereinstimmung gibt. v. Recklinghausen stellt als Definition der absoluten Kraft jene Kraft auf, welche der Muskel ausüben kann, wenn er seine natürliche Länge hat; während ich die größte Kraft nehme, die der Muskel bei seiner Kontraktion aus- üben kann. Beide nehmen wir den stärksten Innervationsgrad. Untersuchen wir jetzt, wie groß diese Kraft ist, indem wir seine Abbildung 18a und seine Tabelle III betrachten, dann zeigt sich, daß bei der natürlichen Länge eine Kraft von 12,1 kg ausgeübt wird, daß jedoch auch eine Kraft von 17,8 kg ausgeübt werden kann. (Probe 4). Und das ist vielleicht nicht einmal die größte Kraft, die der Muskel entwickeln kann. Teilen wir diese Zahl durch den Querschnitt (@ = 3,36qcm), dann bekommen wir für dieabsolute Kraft, infolge meiner Definition eine Zahl von 5,3 kg und diese nähert sich meiner Zahl von 5,6 kgschon sehr. Verfahren wir jetzt in entgegengesetzter Weise, d. h. versuchen wir jetzt diese von mir erhaltene Zahl zurückzuführen auf die Zahl, bei der natürlichen Länge des Muskels, auch dieses Mal wieder. indem wir v. Recklingshausens Tabellen zu Hilfe nehmen, dann gelangen wir zu dieser Schwierigkeit, daß die Ent- spannungslängen der Gastrocnemius und Soleus bei verschiedenen Fußwinkeln vorkommen, nämlich die der Solens bei — 80°, die der Gastrocnemius bei — 70° (Tab. XXI). Nehmen wir den Entspannungswinkel für die Achillessehne bei ge- strecktem Knie =70° ($14h) und berechnen wir dafür meine absolute Kraft, dann komme ich zu einer Zahl von 4,05 kg, die auch wieder von der v. Reck- linghausen: 3,6 kg nicht sehr weit entfernt ist. v. Recklinghausens Berechnungen sind zu gescheit und zu konsequent durchgeführt worden, als daß ich darüber viele Bemerkungen machen möchte. Es kommt mir jedoch vor, daß es speziell in den Berechnungen der @ zu viel Anlaß zu Ungenauigkeiten gibt, als daß ich ohne weiteres seine Zahl für genauer halten könnte als die meinigen. Es bleibt noch übrig über die Frage zu diskutieren, welche De- finition der absoluten Kraft die richtige ist, d. h., bei welcher Länge des Muskels wir die absolute Kraft‘ annehmen wollen; die Länge, wobei die größte, die ‚absolute Kraft“ ausgeübt werden kann, oder eine andere Länge, z. B. die ‚natürliche‘ Länge, wie v. Recklinghausen es macht. Dazu möge erwähnt werden, daß die natürliche Länge aus ver- schiedenen Faktoren berechnet werden muß, von denen einige am Leichnam gemessen werden müssen; daß von verschiedenen Muskeln, mit schwer zugänglicher Endsehne, die Entspannungslänge schwer zu berechnen ist; daß die Entspannungslänge von verschiedenen, bei einer Bewegung zusammenarbeitenden Muskeln, verschieden ist (z. B. Gastrocnemius und Soleus) und daß zum Schluß die natürliche Länge 1) Bd. 160, 1915. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 241 d.h.: die Länge des Muskels, der nicht verkürzt ist durch Innervation, wenig zu schaffen hat mit der absoluten Kraft, das ist die Kraft bei einer möglichst großen Innervation. Aus allen diesen Gründen kommt mir meine Definition, die sofort aus den Experimenten zur Bestimmung dieser Größe führt, rationeller vor. Man sei sich beim Vergleichen der Zahlen über die absolute Kraft dessen bewußt, daß es keine Übereinstimmung gibt hinsichtlich der Definition. Man versuche, wie ich im Vorhergehenden tat, die Zahlen zueinander zu bringen. v. Recklinghausens Beobachtungen sind wohl wert, ihnen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich habe daher auch schon an- gefangen, mehrere seiner Versuche nachzuprüfen und hoffe nächstens darauf zurückzukommen. Auf einen Teil will ich jedoch jetzt schon hinweisen, weil ich darüber auch früher schon Untersuchungen publiziert habe, nämlich über die Reckungskurve des nichtinnervierten und des schwachinnervierten Muskels, oder, wie v. Recklinghausen es nennt: die Längen- Spannungsbeziehungen des nichtinnervierten Muskels und des unter- maximalinnervierten Muskels. Meine Methode, als Untersuchungsmethode für den Tonus und die Einflüsse, die sich darauf geltend machen, gedacht, ist eine Wiederholung der Versuche von Mosso und Benedicenti!). Daher nenne ich meinen Apparat auch: Myotono- meter. Während jedoch Mosso mit dem Fuße experimentierte, wählte ich aus verschiedenen Gründen den Ringfinger der rechten Hand und erhielt, indem ich das Hand- und Grundgelenk mittels des Apparates und das Endgelenk mittels eines Fingerringes mit einem Stift immobilisierte, ausschließlich eine Bewegung in dem Gelenke zwischen Grund- und Mittelphalanx und also eine Reckung des M. flexor digitorum sublimis, desselben Muskels also, an dem v. Recklinghausen ‚seine Versuche machte. Um die ausreckende Kraft immer senkrecht auf den Finger wirken zu lassen, lege ich das Band, woran das Gewicht kommt, um ein Rad, über dessen Mittel- punkt das bewegende Gelenk sich legt. Abb. 2 möge dieses verdeut- lichen. Als ausreckendes Gewicht dient hereinfließendes Wasser, das durch eine Öffnung im Gefäße wieder hinausfließen kann. Dieses Gefäß jedoch ist mittels eines Gegen- gewichtes ausbalanziert, so daß beim Anfange des Versuches kein Ge- wicht auf den Finger einwirkt. Wenn ich nun die Ausreck- Abb. 2. kungskurve aufzeichnen lasse, so erhalte ich eine Linie, wie Abb. 3 angibt. Diese Kurve stimmt ganz genau überein mit derjenigen, welche Mosso bei den Waden- !) Arch. ital. de Biol. 1896. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 16 242 J. H..O.Reijs: muskeln bekam, während die Einwände, die v. Recklinghausen gegen Mossos Methode erhebt (Abschnüren des Fußes, Nichtbefestigt- bleiben der Sandale) bei meiner Methode nicht zutreffen. EI an 1 2 EEE EIERN BER IA EFT Abb. 3. Die Analogie dieser Resultate spricht wohl für ihre Richtigkeit. Schon 1917 habe ich die Methode publiziert!), und 1920 über Re- sultate, die mit diesem Myotomometer erhalten sind, berichtet). Wo der Finger bei meinen Versuchen ganz schlaff gelassen wird, darf hier von Dehnungskurve gesprochen werden, oder Längen-Span- nungskurve des nichtinnervierten Muskels. Vergleichen wir jetzt diese Kurven mit denen, welche v. Reck- linghausen gibt, so finden wir zwei große Unterschiede: 1. v. Recklinghausens Kurve besteht aus 3 Teilen, welche Ecken miteinander bilden. 2. Diese Ecken sind nach oben offen. Es wird also eine nach oben offene, gebrochene konkave Linie gebildet, während die meine nach oben konvex ist. Von Recklinghausen, der die Untersuchungen Mossos kannte, ebenso wie die von Langelaan°) wobei auch sanft gebogene Linien und keine Ecken erhalten wurden, versuchte diesen Unterschied zu erklären, indem er auf den abweichenden Bau der Wadenmuskeln hinwies, wodurch die verschiedenen Fasern an verschiedenen Zeitpunkten zu ihrer natürlichen Länge kommen). Diese Erklärung ist jedoch nicht für meine Kurven zutreffend, die doch an demselben Muskel, womit er experimentierte, erhalten sind. Für die Erklärung dieses Unter- schiedes ziehe man jedoch folgende Punkte in Betracht: Wir fangen an bei der Ruhelänge des Muskels; v. Recklinghausen berechnet seine Kurve von der natürlichen Länge an und diese Ruhelänge ist ein wenig srößer, da es mittelst des Antagonisten eine Reckung gibt. Unsere Kurven geben nur eine geringe Verlängerung des Muskels an. Bei meinen Versuchen wird nur ein Gelenk der vier, worüber der besagte Muskel geht, bewegt und dann noch über einen Teil seiner Bewegungsmöglichkeit. Belaste ich nun den Muskel noch mehr, wie es bei meinen Versuchen über den !) Handelingen XVI Ned. Nat en Geneeskundig Congres 1917. ®) Nederlandsch. Tijdschr. v. Geneesk. 1920; 2e. Helft. No. 26. 2) Arch. f. Physiologie 1901. *) Auch daher achte ich die Bestimmung der absoluten Kraft bei der natür- lichen Länge nicht für zutreffend. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegune. 243 Tonus nie nötig war, wie ich es jetzt aber gemacht habe, dann ergibt sich, daß die Länge nur sehr langsam größer wird und daß es dann wohl Übereinstimmung gibt mit den Kurven von v. Recklinghausen. In unseren Kurven kommt al:o der Teil e” von v. Recklinghausen nicht vor, und in Betracht der Bemerkung über die Ruhelänge, vielleicht auch e nicht, so daß es sich nur um den Teil <’ handelt, den er dem Tonus des Muskels zuschreibt ($ 22g), womit ich also einverstanden bin. v. Recklinghausen arbeitet statisch; wir verfahren, mittels des herein- strömenden Wassers dynamisch, und wie groß der Einfluß ist, nach welcher Weise ein Muskel zu einer bestimmten Länge kommt, ist bekannt. Endlich möge dann noch bemerkt werden, daß die natürliche Länge keine Konstante ist. Jeder Wechsel des Tonus bedeutet einen Wechsel der natürlichen Länge. Und der Tonus hat die Eigenschaft, eine gewisse Länge behalten zu wollen, plastischer Tonus (Sherrington) oder Tonusniveau wie ich diese nannte. Daraus geht hervor, daß der erste Teil so langsam steigend verläuft: der Teil der wachsenden Spannung. Es gibt jedoch eine Grenze; der Tonus gibt nach; der Muskel verlängert sich; wir sehen einen mehr oder weniger steilen Verlauf der Kurve, womit zu gleicher Zeit die Tonusprobe beendet ist. Dieser Teil ist der- jenige der wachsenden Länge. Wird jetzt die Belastung nicht übergroß, so verläuft die Linie nahezu hori- zontal, denn es gibt ein „allongement subsequent‘“; wird das Gewicht vermindert, dann verkürzt sich der Muskel nicht nur sehr langsam und am Ende schneller, doch er kommt nur selten wieder zu seiner ursprünglichen Länge zurück. Es gibt einen „Verlängerungsrückstand“, den auch v. Recklinghausen nicht anerkennen will, den ich jedoch in der großen Mehrheit der Versuche vorfand. Nur bei einigen Versuchen, wobei ich den Muskel zuerst eine Zeit in statischer Kontraktion habe bleiben lassen (2 Minuten mit 1 kg), sah ich ein Zurückkommen, sogar weiter als die ursprüngliche Länge, woraus zugleich geschlossen werden darf, daß dieses Nichtzurückkommen nicht Versuchsfehlern zugeschrieben werden kann. Auch hier bei der Längen-Spannungskurve des nicht innervierten Muskels glaube ich meine Vorstellung ‚la forme de casque‘ wie sie von Benedicenti bezeichnet wurde, als die Richtige betrachten zu müssen; jedoch, weil das nur ein kleiner Teil ist von v. Recklinghausenschen Kurven, wird der Unterschied am Ende nicht groß sein. So lange der Tonus jedoch in der Dehnungskurve eine Rolle spielt, bekommen wir nicht die grade Linie. Auch über diese Experimente hoffe ich nächstens Näheres berichten zu können. Jetzt noch einige Worte über den untermaximal innervierten Muskel. Dabei gehe man aus von der bis jetzt nahezu allgemein geltenden Voraussetzung, daß bei einer Innervationsstärke !/,, !/, usw. stets der ganze Muskel in Kontraktion kommt. Die Experimente von Keith- Lucas und Kraft und Eisenberger!) haben ans Licht gebracht, daß bei lokalem Reiz, bei einer ‚continue‘ Vergrößerung des Reizes, der Muskel mit einer „discontinve‘‘ Vergrößerung seiner Aktion; reagiert; daß also die verschiedenen Muskelfasern auch eine verschiedene Reiz- schwelle haben. Dann würde also ein geringer Reiz nicht den ganzen Muskel zur Kon- raktion bringen, sondern nur einen Teil und dann würde also der Muskel bei einem untermaximalen Reiz nicht immer seine kleinste Länge !) Man sehe z. B. Americ. Journ. of physiol., 49, 1919. 16* 244 J..H.@-HReis: g erreichen, sondern eine Länge zwischen dieser und der natürlichen Länge, von der Stärke des Reizes abhängig. Wir müssen jetzt zu der Änderung der Kraft, womit eine Bewegung geschieht, im Verlauf dieser Bewegung zurückkehren, wobei wir auch noch Gelegenheit haben werden, auf die Artikel von Bethe und Franke einzugehen. Ein Vergleich zwischen meinen durchaus experimentell erhaltenen Zahlen und Kurven mit den durchaus theoretischen Erörterungen über die Winkelmomentenkurven von v. Recklinghausen würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten und habe ich mir deshalb ganz versagt. Diese Zahlen werden jedoch wohl nützlich sein, die theoretischen Erwägungen zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Messungen lassen sich graphisch auf zwei Weisen darstellen, nämlich in einem Kreisbogen, in dem dann die Win- kel die Stände der Gelenke bezeichnen, und in einem rechtwinkligen ÖOrdinatensystem. Zum bessern Verständnis der Linien gebe ich hier erst eine Figur nach der ersten Methode, worin Dorsal und Palmar- flexion der Hand zusammengefügt sind. Zur Verdeutlichung ist auch die Hand hinzugezeichnet (Abb. 4 und Tabelle A). Tabelle A. Sinus des Devia- f Ba tionswinkels Gelenkwinkel des Vene x 100 ad Palmar- 'Dorsal- pi dexion |flexion 108 ) | 86 | 21,5 120 | N Sl 23 132 ! Dorsal- | 38,5 | 23 144 | flexion | 39 23,5 156 | 40,5 | 23,5 168 } 1,39. 2455 f Normal- | | 1507 stellung | 3) | 23,5 192 117360201092 2. | an |s6 |32 Abb. 4. 516) 2 202 531 0020 Die Palmarflexion wurde bei 10 Personen untersucht (Proben 111 bis 120), von denen jede die Bewegung 3 mal ausführte, jedesmal in 10 Ständen, die Dorsalflexion bei 4 ausgewählten Personen (Proben 141 bis 144). Merkwürdig ist an erster Stelle die Gleichmäßig- keit der Linien. Abgesehen von dem weitesten Biegstande (216°), ist der größte Unterschied bei der Palmarflexion nur etwa 10% von Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 245 dem größten Werte und bei der Dorsalflexion etwa 12%, während die geringeren Werte sich regelmäßig zu beiden Seiten eines Maximums ordnen. Es bildet sich eine ziemlich reine Ellipse. Die zweite Merkwürdigkeit ist die Gleichförmigkeit der beiden Linien, die Dorsalflexion ist gleichsam eine verkleinerte Reproduktion der Palmarflexion. Beide haben ihr Maximum in etwa demselben Stande (156° und 168°), und dies ist wohl der am häufigsten vorkommende Stand der Hand. Diese Gleichförmigkeit deutet m. E. auf große ma- tomische Übereinkunft an beiden Seiten des Gelenkes. Um so mehr fallen uns diese Tatsachen auf, wenn wir auch andre Linien gesehen haben, bei denen so ganz andere Verhältnisse vorkommen. Auch ist in dieser Figur noch das Verhältnis der mittleren Kraft der beiden Bewegungen zu sehen, nämlich wie 10 : 6. Dies ist dasselbe Verhältnis, welches Herz (l.c.) dafür angibt. Nachdrücklich hebe ich hervor, daß die Werte in dieser graphischen Darstellung nicht mit denen in weiteren solchen Darstellungen zu ver- gleichen sind, denn sonst müßten wir z. B. für die Abduktion des Beines sehr große Zeichnungen machen. Gehen wir jetzt über zu den Be- wegungen, von denen Herz die voll- ständigen Diagramme gibt, sowohl in Kreis- wie in rechtwinkliger Form. Letztere scheint mir aber zur Ver- gleichung meiner Werte am geeig- netsten. Herz gibt: Ab- und Adduktion des Beines und die Pronation der Hand. Besprechen wir zuerstdieAbduk- tion des Beines (Abb. 5). Meine Messung derselben umfaßt 18 Reihen, bei beiden Beinen von 3 Personen untersucht, in 8 Ständen, jedesmal mit einem Zwischenraum von 8°, also über eine Weite von 56°. Herz maß in 9 Ständen über 48°. Er erwähnt 70 nicht, aus wieviel Reihen seine Werte den Durchschnitt bilden, auch 60° 50° 40° 30° 20° 70° 0°® nicht, bei wievielen Personen er Nu, 5, Nakntsien als INateH. Messungen vornahm. Es ist nichts im Wege, die Werte des linken und des rechten Beines durchein- ander zu nehmen. A priori darf erwartet werden, daß beide Seiten gleiche Resultate bieten. Weiterhin will ich auch bei dem Ab- und 110 246 J. H. O. Reijs: Anführen der Arme zeigen, daß sich dies auch experimentell be- weisen läßt. Um nun die Linien von Herz mit den meinigen vergleichen zu können, habe ich bei jeder der 3 Bewegungen die Abbildung von Herz genau übernommen und meine Linie hineingezeichnet, so daß beide Linien im Ausgangsstand zusammen- fallen. Da hier die absoluten Zahlen gar keine Rolle spielen, ist natürlich nichts dagegen einzuwenden. Die ganz durchgezogene, überdies mit H bezeichnete Linie ist die von Herz, die punktierte die meinige. Wir sehen dann, daß der Charakter der beiden Linien derselbe ist, eine gleichmäßige, nur selten unregelmäßig fallende Linie. Auch hier scheint es also das Gesetz von Schwann zu sein, welches die Linie beherrscht, was uns, bei den verhältnismäßig einfachen mechanischen Verhältnissen nicht zu wundern braucht. Der Unterschied zwischen beiden Linien ist dieser, daß die meinige viel langsamer fällt als die von Herz. Aus welcher Ursache weiß ich nicht. Könnte es dadurch sein, daß ich besser die Ermüdung auszuschalten wußte? Oder kommt es dadurch, daß Herz besser zu immobilisieren wußte und dadurch die Bewegung besser lokalisieren konnte? Da Herz so wenig Andeutungen über die Einzelheiten gibt, läßt sich mit Sicherheit nichts dazu sagen. Zur Kontrolle habe ich 4 Jahre nach den ersten Propen noch einmal wieder diese Bewe- gung gemessen, nun mit 10 Personen, jedes- mal in 7 Ständen, jede Reihe 2mal (Reihe 151 und 152). Das Ergebnis war aber dasselbe mit sehr geringer Abweichung. Abb. 6 stellt die Adduktion des Beines vor. Die gezogene Linie ist wieder die von Herz, die punktierte die meine, die Ergebnisse von Messungen bei 7 Personen, jedesmal in 2 Reihen, und wieder so hin- eingezeichnet, daß die Linien beim Null- stand zusammenfallen. Auch diese Linien weisen eine genügende Übereinstimmung auf, die noch größer hätte sein können, 3 S R R | ® wenn Herz auch eine Zahl gegeben hätte a für den Stand von 8°. Der weitere Unter- I schied hätte wieder die Folge sein können Abb. 6. Adduktion des Beines. einer unzulänglichen Immobilisation, jetzt aber bei Herz. Dann die dritte Abbildung, die Pronation der Hand (Abb.7). Hier drängt sich eine Frage vor. Nach der Abbildung mißt Herz diese über eine Weite von 189°. Nach R. Fick aber beträgt dieser Umfang am Bandpräparat 185° bis 190°, beim Muskelpräparat 150° Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 247 bis 160°, während Strasser!) ihn bei lebenden Personen auf 120° bis 150° schätzt, also im Durchschnitt 135°. Es war mir nicht möglich, diese Bewegung über mehr als 120° zu untersuchen. Bei weiteren Stän- den wird bei Kraftanstrengung die Fixation zu beschwerlich. Die Schwierigkeit ist nun, daß wenn ich meine Linie in die Abbildung von Herz hineinzeichnen will, so weiß ich nicht, in welchem Punkt der Bewegung ich die beiden Linien zusammentallen lassen soll. Ich habe dazu den Stand von 184° gewählt, hätte aber ebenso gut den Stand 5° oder die mittleren Punkte zusammen- fallen lassen können. Bedenkt man dies, so ist auch in dieser Abbildung die Über- einstimmung durchaus befriedigend zu nennen. Auch Bethe und Franke (l.c.) geben Kraftkurven für die Pro- und Supination, die sie über eine Weite von 200° gemessen haben, also noch größer als Herz. Ist es möglich, daß sie diese Bewegung bei nicht rechtwinklig gebogenen Ellenbogen untersucht haben, so daß auch eine Außen- und Innenrotation im Schultergelenk stattfand ? Abb. 7. In einer andern Weise kann ich mir diese größeren Werte nicht erklären. Dann eignen sich aber diese Kurven auch nicht zu einem Vergleich mit den meinigen. Meine Linie ist das Resultat der Messung bei 8 Personen, jedesmal in 2 Richtungen. Der Stand 184° stellt bei mir vor: den äußersten Supinationsstand, also mit der Handfläche in die Höhe, natürlich mit horizontalem Unterarm und rechtwinklig gebogenem Ellbogengelenk. Betrachten wir im Zusammenhang mit der Pronation auch die Supi- nation, dann wird das die oberste Linie in Abb.7. Herz gibt darüber nichts. Diese Linien der Pro- und Supination sind in demselben Ver- hältnis gezeichnet, so daß sich ergibt, daß die Supinationskraft größerist. Diese Linie war das Ergebnis von Messungen bei 9 Personen. Der Verlauf der Kraft ist in beiden Fällen sehr ähnlich und da ich un- gefähr dasselbe bei der Dorsal- und Palmarflexion der Hand gesehen habe, die ich in Abb. 4 darstellte, so drängt sich die Frage auf, ob dies bei Antagonisten immer der Fall ist. Diese Frage muß verneint werden. Und zum Beweise führe ich die Ab- und Adduktion des Armes an. Um zugleich zu zeigen, wie sehr rechts und links übereinstimmen, habe ich 1) Lehrb. der Muskel- und Gelenkmechanik IV. Bd. Berlin 1913. 248 J..H.O. Reijs: auch diese noch in eine Abbildung zusammengebracht (Abb. 8). Dies sind. die Ergebnisse bei eben den 9 Personen. Jede Bewegung wird zweimal in entgegengesetzter Richtung ausgeführt. Hier allein hat man also schon das Resultat von 648 Messungen. Man sieht, wie vollkommen parallel die Linien sich von links und rechts bewegen. Wie weiter der rechte Arm, bis auf eine kleine Aus- nahme, immer im Vorteil ist, und wie dieser Vorteil größer ist bei den höheren Werten der Adduktion. Wie die Kraft in einem Endstand (der Stand 0° ist der, wo der Arm gegen den Körper liegt) sich der im anderen nähert, wie es aber weiter einen großen Unterschied gibt zwischen beiden Linien, eine konkav hinunter, die andre konkav hinauf. Diese Linien, von denen die Messung sich über etwa 14 Tage erstreckt, bilden <— /b wärfs + —> Aufwärts m. E. einen überzeugenden Beweis für die Richtigkeit der Versuchs- einrichtung usw. Die ausgezogenen Linien in der Figur stellen das Mittel aus links und rechts dar. Vergleichen wir jetzt diese Figur auch wieder mit den Kurven, die auch Bethe und Franke von dieser Bewe- sung geben (Abb. 3 ihres Artikels bei den mit S bezeichneten Linien), dann finden wir für die Adduktion eine beträchtliche Ähnlichkeit. Nur in dem linken Teil der Kurve sind die Werte von Bethe und Franke größer als die meinigen. Leider kann man hinsichtlich der Ab- duktion nicht eine solche Ähnlichkeit konstatieren. Meine Kurve ist zum größten Teil niedriger und zwischen 102° und 136° höher. Nun geben Bethe und Franke gerade von dieser ihrer Linie an, daß sie eine Ausnahme zu bilden scheint, weil dabei nicht wie bei ihren andern Kurven, ein Maximum einer Kurve übereinstimmt mit einem Minimum in der antagonistischen Kurve. Ich weise darauf hin, daß diese Regel bei meinen Kurven der Ab- und Adduktion wohl zutrifft. Der Erklärung, die sie von dem abweichenden Typus dieser ihrer Linie geben, kann ich nicht zustimmen. Denn sie sagen: ‚Das wahre Minimum der Kurve der negativen Bewegungsrichtung (Abduktion) würde am linken Ende liegen, und die Kurve würde hier steil bis auf 0 herabsinken, wenn nicht der Körper eine weitere Annäherung an den- selben verhinderte.‘ Uber die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 249 Ich möchte fragen, woher schließen sie, daß die Kurve bis auf 0 sinken würde, wo gerade die Kurve von rechts nach links steigt und erst im letzten Teil ein unbedeutendes Fallen aufweist. Der Körper ist solch ein physiologischer Widerstand, daß die Muskeln darauf ab- gestimmt sind, was Länge und Dehnkraft betrifft. Was denn wohl angesehen werden muß als die Ursache für den abweichenden Typus — abweichend, was den Typus der anderen Kurven betrifft und im Ver- gleich mit meinen Kurven — kann ich nicht verstehen. Ich muß hier auch noch auf einen anderen Punkt hinweisen, wo meine Befunde mit denen von Bethe und Franke nicht in Einklang stehen: Wie ich schon vor- her angab, verlaufen meine Kurven für den linken und den rechten Arm ganz analog wie auch aus Abbildung 8 hervorgeht. Bei Betrachtung des gleichen ana- tomischen Baues von links und rechts wäre nach meiner Meinung auch nichts an- deres zu erwarten. Bethe und Franke finden jedoch ‚‚bei fast allen Bewegungen eine flachere und auch wesensverschiedene Kurve für die linke Extremität“ und als Beispiel verweisen sie auf ihre Abbildung 2, worin die Kurven der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Oberarmes aufgenommen sind. Wirklich treffen wir darin einige Kurven die auffallen durch ihre Unregelmäßigkeit; die teilweise für links höher liegen als die entsprechende Kurve für rechts. Eine solche Unregelmäßig- keit sehe ich zwar auch auftreten, wenn ich Kurven von einer geringen Anzahl von Versuchen herstelle; diese verschwindet aber, sobald wir eine genügende Anzahl von Versuchen zusammenstellen. Ich kann mir eine Einsenkung, wie sie diese Abbildung bei 30° zeigt, sowohl für die R+ wie für die L—-Kurve in Anbe- tracht der gleichmäßigen Funktion nicht vorstellen. Werden die Einsenkungen um kleine Werte erhöht (2 kg für die R+-Kurve und 4 kg für die L—-Kurve dann verschwindet die Unregelmäßigkeit und es scheint mir, daß so etwas stattfinden wird, wenn man mehr Zahlen für den Durchschnitt zusammenstellt. Ebenso möchte ich auch die Einsenkung bei 60° erklären in der Kurve für die 2 Frauen beim Beugen des Ellbogens (Abb. 5). Es ist doch schwer anzunehmen, daß bei den Frauen in einem Augenblick des Beugens auf einmal eine Einsenkung der Kraft auftreten sollte, während die Kurve für die Männer dann gerade einen ungestört steigenden Verlauf aufweist. Das Beugen und Strecken des Armes weist Werte auf, die in ihrem gegenseitigen Zusammenhang große Ähnlichkeit haben mit denen vom Beugen und Strecken der Hand. Ich gebe sie hier erst tabella- risch, daneben die Innenrotation des Armes, wobei sich ein über- einstimmender Wechsel zeigt bei doch so ganz verschiedenen anatomi- schen Verhältnissen. Stand des Gelenkes (gestreckt) Armbeugen Strecken Innenrotation 02 29 23 95 IT 33 28 26 34° 37 29 28,5 51 42 33 28,5 68° 45 33 30 835° 45 34 30 102° 44. 37 39 119)> 36 33 24 136° 28 26 23 250 Je. EI O. m Reijs: Die Innenrotation des Armes habe ich untersucht bei horizontal seitwärts gehobenem Oberarm und rechtwinklig gebogenem Unterarm. Der Stand. 0° stimmt überein mit dem vertikal in die Höhe gestellten Unterarm, wobei also der Oberarm möglichst viel nach außen gedreht ist. Auch Betheund Frankegeben Kurven für das Beugen und Strecken des Armes. Zum Vergleich habe ich in Abb. 9 die Durchschnittskurven von 4 Männern von ZLEDEBRLDSEE N Bethe und Franke De ; (B.+ und B. —) und Ir Rt ie a SEN meine Kurven zusam- BE ur - EMDEN mengestellt. Man sieht 30 I Sr EBaR WescH 7>10R daraus, und es macht - Aerern mir große Freude, dies feststellen zu können, die fast absolute Über- einstimmung zwischen der Beugekurve von Bethe und Franke und der meinigen, eine Abb. 9. Übereinstimmung, die absolut hätte sein kön- nen, wenn die Autoren auch Zahlen bei 70° und 100° gegeben hätten. Auch für das Strecken ist die Übereinstimmung groß, jedoch nicht so groß als für das Beugen. Schließlich habe ich auf ganz andre Weise die Kraft untersucht, womit das Rumpfheben vom vornübergebogenen Stand aus geschieht, die sog. Lendenkraft. Ich habe dazu einen Dynamometer von Collin an zwei Stäben befestigt, einen Stab unter die Füße nehmen lassen und an dem andern ziehen lassen. Durch das Einfügen einer Kette war es möglich, den Abstand von den Händen bis an den Boden allmählich zu vergrößern. Ich erhielt dann folgende Zahlen: : [7 70° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 710° 120° 130°135° Abstand der Hände vom Boden in cm Mittlere Krait in kg 20 11S 27 123 40 114 45 114,5 54 126 60 131,5 70 139 einen geringen Wert also, wenn der Rumpf ungefähr horizontal ist. Da die Körperlänge der zu prüfenden Person hierbei eine große Rolle spielt, soll dies eigentlich bei Personen von gleicher Körperlänge unter- sucht werden. Diese Zahlen geben die Anzahl Kilogramm an, welche der Dynamometer anzeigt. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 251 Was nun bei all diesen Kurven und Tabellen ins Auge fällt, ist die Gleichmäßigkeit des Wechsels. Jede Kurve hat eine ver- hältnismäßig einfache Form. Eine Kurve möge weniger fallend sein (z. B. die Pronation) als die andre (z. B. Abduktion des Beines), nie aber kommt mehr als eine Wendung darin vor. Nie finden wir: Hebung, Senkung, Hebung, Senkung. Es sind entweder ziemlich gerade Linien oder gebogene Linien mit einer einzigen Krümmung, und. diese kann nach oben oder nach unten konvex sein. Ich glaube, daß, im Hinblick auf den anatomischen Bau, diese Gleich- mäßigkeit im voraus aus theoretischen Erwägungen auch wohl zu erwarten ist. Es darf erwartet werden, daß die größte Kraftimmer an dem Punkte der Bewegung liegt, wo die Muskeln am meisten arbeiten. Wenn wir das annehmen, dann ist aus diesen Kurven wieder nachzuforschen, wo dieser Punkt liegt und wo er, bei Werkzeugen oder Prothesen, auch liegen muß. Auch kann man aus diesen Kurven leicht den Bau heil- symnastischer Widerstandsapparate berechnen, um in jedem Augen- blick der Bewegung dem Muskel einen möglichst großen Widerstand zu bieten. Ich glaube nicht, daß sich noch mehr allgemeine Schluß- folgerungen aus diesen Versuchen und Kurven ziehen lassen. Noch muß ich darauf hinweisen, daß die Ziffern der verschiedenen Bewegungen nicht miteinander verglichen werden dürfen. Indem ich die Einstellung des Hand- griffes und, des Gewichtes veränderte und einen schwerer konstruierten Dynamo- meter gebrauchte, sind die Ziffern nicht gleichwertig. Um sie schließlich doch vergleichen zu können, gebe ich hier eine Tabelle von Herz über die mittlere Kraft der hier besprochenen Bewegungen. Ich hätte die Ziffern dazu wohl ver- ändern können, aber ich wollte die Abbildung von Herz zur Vergleichung ge- brauchen und er hat in seiner Abbildung auch nicht mit den mittleren Kräften gerechnet. Obwohl ich nicht ganz mit diesen Ziffern von Herz einverstanden bin (so finde ich die Adduktion des Beines kräftiger als die Abduktion), gebe ich sie hier ohne Kommentar. Bei diesen Ziffern ist die Streckkraft des Knies = 100 genommen. EiandeBalmartlexıone es ri) HandeDorsaltlexioree wer 6 Pronablonm a ae ae) SUPINAUIOmEr ee ee ll Unterarmabiegensen gr a er (UnterarmEstreckene 36 Abd ulktionW Amer er N E96 Ad dUktionWATLTTe 36 Blantarklextonskußsn us Er 30 Abduktıiong Beier sr Ve ee en ER DLO Adduktion Bein . .. . I ER NEE AED Rumpf nach hinten uberbiegen ee ei ernl22 Im Anschluß an diese Dynamometerproben Habe ich die Druck- kraft der Hände und die Hubkraft der Rückenmuskeln bei 2000 Personen untersucht, 1112 männlichen und 888 weiblichen von 6 bis 60 Jahren. 292 J. H. O. Reijs: Untersucht wurde jeder, der sich nur meldete. Schüler verschiedener Lehranstalten, Mitglieder verschiedener Vereine, Lehrpersonal und Kon- toristen, Krankenwärterinnen, Patienten, sogar Mitglieder eines Kirchen- rates; ich suchte, ohne irgendwelche Auswahl ein möglichst reiches Material im Alter von 6 bis 60 Jahren zusammenzubringen. Jeder mußte rechts und links drücken und darauf an einem Stabe ziehen, in dem sich das Dynamometer befand, und der mittels eines Querstabes unter den Füßen festgehalten wurde, während ein oben be- festigter Querstab so kräftig und gleichmäßig wie nur möglich empor- gezogen werden mußte. Der Rumpf war dabei nach vorn gebogen. Jede Probe durfte wiederholt werden, die größte Zahl wurde aufgezeich- net. Ich gebrauchte drei Dynamometer von Collin, die jedesmal nach einiger Zeit wieder neu geeicht wurden. So wie Qu etelet es fordert, wurden für jedes Alter wenigstens 10 Messungen zusammengezählt; die Unregelmäßigkeit der so erhaltenen Kurven zeigt deutlich, daß diese Anzahl zu gering ist und daß auch die Gesamtzahl meiner Messungen noch zu gering ist, als daß ich fließende Linien erhalten hätte. Man bedenke aber, daß Erisman bei einer analogen Untersuchung bei Arbeitern in Zentralrußland einer Gesam#- zahl von 103 175 Personen noch keine regelmäßig verlaufenden Linien erhielt, so daß er es unternimmt, die Ergebnisse von je 2 Jahren zu- sammenzuzählen, während er von 30 bis 40 Jahren die Ergebnisse von je 5 Jahren, und darüber sogar von je 10 Jahren zusammenzählt!). Meine Zahlen sind aber entschieden zu klein, als daß sich daraus die Streuung der Ergebnisse oder die jährliche Zunahme berechnen ließe. Meine Absicht war eine doppelte. An erster Stelle wollte ich Durch- schnittszahlen aufsetzen, die zum Vergleich dienen können. Darum gebe ich in der Tabelle B die Ergebnisse in Kilogramm des Dynamo- meters. Man sieht, wie darin eigentümliche Schwingungen auftreten, die man zur Not durch Addieren und Dividieren von 2 oder mehr neben- einander liegenden Zahlen nach Belieben nivellieren könnte. In der ersten Spalte findet man das Alter, in der zweiten, dritten und vierten Spalte nacheinander die Druckkraft rechts, links und die Kraft beim Ziehen von Männern und darauf dieselben Werte bei den Frauen. Meine zweite Absicht war mehr allgemeiner Natur, nämlich die Feststellung einiger allgemeiner Regeln über das Verhältnis der Kraft der rechten zur linken Hand, des Mannes zur Frau und über den Verlauf der Kraftkurve von 6 bis 60 Jahren. Für letztgenannte Kurve habe ich die 3 erhaltenen Zahlen (rechte und linke Hand und Hubkraft) zusammengezählt, um wieder Unregelmäßigkeiten in den !) Untersuchung über die körperliche Entwicklung der Fabrikarbeiter in Zentralrußland. Tübingen 1889. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. Tabelle B. = | Mann Weib 5 Mann Weib = | Ru Ware Hub R L |mwl|<| R L|Hub| R | L | Hub el 32 6 6 32 [34 45 | 43 |157| 26 | 25 | 94 71 8 Ss 34 8 72, 33.135|| 43 1410/60153 | 29. | 260. 87 8|10| 91, | 44 91), 9 39 136| 44 | 40 |151| 24 23 | 897 9 TE) 11 50 10 9 AA U 37.1, 440.442 15150,.12227, |. 2190,86 1011 | 11 |. 65 12 10 46 1338| 42 | 39 |137 | 23 | 23 | 84 62 10 | 6 12, | 10) 520039 390 0352 150 | 24 | 23 | 76 ANA 69 17 14 51 [40 || 44 [40%/,| 144 | 27 | 23 | 9 13/19 | ı8 | 781), |: 16 14 6olaı| 40 | 38 | 15 | 5 | 2a | 82 14|22| 19 | s6 | 18 | 18 | 79 Ja2|| 45 | 42 154 | 25 | 22 | 80 1530| 28 | 110 22 21 80 [43 | 44 |411/,| 153 [22%/,| 22 | 5 1634| 33 | 129 23 21 84 | 430 7390 149, 723717 237 | 92 1734| 31 | 114 23 23 81 [45| 47 | 42 | 144 | 19 | 19 | 66 1839 | 35 | 135 23 21 80 J46| 44 | 40 | 144 | 21 | 21 3 19/40 36 | 140 24 23 94 147 | 47 | 43 | 140 | 23 | 21 70 20, 40 370 0142 24 23 94 [48| As | 44 | 14 | 21 | 2323| 71 21 144 41 | 146 20 19 87 149| 44 | 42 | 145 | 24 25) 81 2246| 42 | 156 27 26 | 100 150 362/,| 33 |13a| 7 | 18 | 2 2346 40 |.150 35 23 96 51-350 7.322.129, Tg 2192.80 2444) 42 | 153 24 2102 5 8841152) W370 8370 B1317 RE 200 nom u #8 2543|) 42 | 153 25 25 964153: |04220. 372 1332192371022 7:93 26|45| 42. | 163 26 24 99.054] 362 1.337 1.121.122. 099% 73 2744 AP | 157 30 339 | 111 155, 45 | 39) | 118 |17/, 17%), 81 28|45 | 44 | 154 27 35 101 5637 | 33 | 117 | 20 | 20) ‘70 29141 | 40 | 143 24 24 932157. 37 | 31. | 1271.192119% |. 7027, 3046| 40 | 151 29 23 | 90158) 30 | 26 | 100 | 19 | 20 | 57 3142, 2A 153 24 D2E 1 15401591 10310.10292 1. SSH sa nTz 263 32|45 41 | 150 25 2 83 160] 39 | 34 | 131 | 19 | 19 | 74 33432 Aue | Ts n25 oa so | Linien soviel wie möglich zu vermeiden. In der Weise stelle ich also einen Index auf. Aber auch dann noch ist es nötig, will man eine regel- mäßige Linie erhalten, einige Jahre zusammenzunehmen (Abb. 10). Schließlich vergleiche ich meine Ergebnisse mit denen von Qu &telet!) über die Hubkraft der Rückenmuskeln und Dementzeff. mit denen von Da letztgenannte Mitteilung auf Russisch erschien, muß ich mich hier an Erismans Mitteilung halten (l. c.). Betrachten wir erst das Kraftverhältnis zwischen der Rechten und Schon während ich die Proben anstellte, die sich über 1!/, Jahren erstreckten, fiel mir die große Anzahl Personen auf, die der Linken. links kräftiger waren als rechts, eine Anzahl, die sich keines- wegs deckte mit dem Prozentsatz der Linkshändigkeit, der sich, !) Man sehe: Boigey, Preceptes et Maximes d’Education physique. 109. Paris 1920. 254 J. H. O. Reijs: wie ich meinte, auf 1,5 bis 4% beläuft. Betrachtet man die Ergebnisse, so stellt sich auch heraus, daß eine sehr große Anzahl links kräftiger ist als rechts. Von den 1112 Männern waren 278, das ist 25%, von den 888 Frauen 273, das ist sogar 30,7%, links kräftiger als rechts. Überdies gab es noch 91 Männer und 115 Frauen, die rechts und links gleich kräftig waren. Es fragt sich nun, ob wir hier, ohne weiteres von Linkshändigkeit sprechen dürfen und das soll, meine ich, verneint werden. Zwar wird die Rechtshändigkeit definiert als ein Überwiegen an Länge, Umfang, Kraft, Blutdruck (Hecht und Lungstein), Fähigkeit usw. des rechten Armes. M. E. macht aber nicht jeder Faktor an und für sich, die Fähig- keit vielleicht ausgenommen, die Rechtshändigkeit aus. Wie groß der Anteil der Kraft bei der Bestimmung der Rechts- oder Linkshändigkeit ist, wage ich hier nicht zu entscheiden. Ich beabsichtige, dies durch eine nähere Untersuchung zu bestimmen. Wohl möchte ich hierbei bemerken, daß meine Ergebnisse sich decken mit den Angaben Lom- brosos, daß bei Frauen mehr Linkshändigkeit vorkommt als bei Män- nern, im Gegensatz zu denen von Ogle, der gerade bei Männern mehr Linkshändigkeit konstatiert (5,7% gegenüber 2,8%). Neben diesen kleinen Zahlen steht aber auch eine Zahl von Bier- vliet, die sich mehr der meinigen nähert, nämlich 22%). Gaupp bemerkt von dieser Zahl, daß sie bisher unerklärt geblieben ist. Wäre die Erklärung vielleicht zu finden in der Weise, worauf die Linkshändigkeit festgesetzt worden ist?, nämlich indem man die Angabe der Personen selbst benutzte oder indem man ihre Kraft maß? Auch stellt sich heraus, daß zwischen den Zahlen für ‚Skelettlinks- händige“ und ‚„Funktionslinkshändige‘ keine Übereinstimmung be- steht. Aus Untersuchungen von Hasse und Dehner bei 5141 Soldaten geht hervor, daß ihren Angaben gemäß nur 1% linkshändig war, während doch bei 7% der linke Arm länger war und bei 18% Gleichheit der Armlänge vorkam. Wo ich nun die rohe Kraft maß, die also so ziemlich übereinstimmt mit dem physiologischen Durchschnitt der Muskeln, ist es nicht unmöglich, daß ich deshalb eine viel größere Anzahl von Linkskräftigern erhalte, ohne daß noch von Linkshändigen gesprochen werden darf. Vielleicht wäre es auf die Dauer erwünscht, den Begriff der Rechts- oder Linkshändigkeit besser zu definieren. Um mir über die Kraft bei Linkshändigen ein Urteil zu bilden, habe ich 100 linkshändige Männer und 100 linkshändige Frauen auf ihre Druckkraft der Hände untersucht. Das Resultat dieser Unter- suchung ist wie folgt. Es waren alles Personen, die von sich selbst aussagten, daß sie linkshändig seien. !) Man vergleiche über diese Angaben: Gaupp, Über die Rechtshändigkeit des Menschen. ‚Jena 1909, dem ich sie entnehme, Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 255 Rechts stärker waren 36 Männer und 24 Frauen Links stärker rd 3 015166 B Gleich stark Sale IE LO) an Die Linkshändiskeit darf also bestimmt nicht definiert werden als ein Stärkersein der linken Hand; diese ist nur bei der Häfte der linkshändigen Männer stärker und. bei ?/, von den Frauen. Wieviel ist nun eine Hand stärker bei den Linkshändigen? Die Summe für die rechtsstärkeren Männer beträgt .1198 rechts und 1068 links, also ein Übergewicht von 10,85%, von der stärksten Hand. Für die rechts stärkeren Frauen ist diese Zahl 16,3%. Von den links- stärkeren Männern sind diese Zahlen resp. 1735 und 1987, also 12,7%, von den Frauen 1227, 1489 also 17,6%. Bei den Frauen ist also das Überwiegen der Kraft einer Hand etwas größer als bei den Männern, sie sind auch hier exklusiver. Ich möchte hier noch darauf hinweisen, wie sehr die linke Hand die rechte an Kraft übertraf bei einer Anzahl Patienten einer Irrenanstalt, die ich daraufhin untersuchte. Die geringen Werte, die ich dabei fand, machten sie auch noch in anderer Hinsicht der Erwähnung wert. Um wieviel ist nun im allgemeinen bald die rechte, bald die linke Hand kräftiger? Die Gesamtzahl der Kilogramme der Rechtskräftigeren (unter denen auch die Gleichhändigen) ist: für Männer rechts 30 919, links 26 888, rechts also 4031, das ist 13%, mehr von der stärksten Hand. Für Frauen sind diese Zahlen: rechts 13 641, links 11 960, rechts also 1881 oder 13,5% mehr. Bei den. Linkskräftigern finden wir: Männer rechts 8834, links 9898, links mehr 1064 oder 10,7% von der stärksten Hand. Und Frauen rechts 5173, links 6092, links mehr 919 oder 15%. Schließlich habe ich noch untersucht, wie sich die links kräftigeren Männer über die verschiedenen Alter verteilen. Das Ergebnis sieht man in folgender Tabelle. [e) 6--15 Jahr 73 auf 230 = 31210% 16—25 Jahr 62 auf 292 — 21,2% 26—35 Jahr 52 auf 189 = 27,5% 36—45 Jahr 5l auf 215 = 23,7% 46—60 Jahr 40 auf 186 = 21,5% 278 auf 1112 — 25%, also eine ziemlich gleichmäßige Verteilung. Das Verhältnis der Kraft beim Drücken vom Manne zur Frau ist, aus diesen Zahlen berechnet, wie 5 : 3. Betrachten wir jetzt den Verlauf der Kraft während dieser Periode. Wie gesagt, habe ich dazu für jedes Alter die Zahlen der Kraft der Rech- ten und Linken mit denen der Hubkraft zusammengezählt, und da 256 J. H. O. Reijs: es bei dieser Berechnung erwünscht ist, eine fließende Linie zu erhalten, habe ich bei den Männern von 17 Jahren an, je 2 Jahre zusammen- senommen, von 27 Jahren an die Ergebnisse von je 4 Jahren, und von 51 Jahren an wieder von je 2 Jahren. Bei den Frauen habe ich von 16 Jahren an je 2 Jahre, von 24 Jahren an die Ergebnisse von je 4 Jahren zusammengezählt. So sind die Linien von Abb. 10 entstanden, in der sich nur eine einzige Unregelmäßigkeit (bei Männern von 17 bis 18 Jahren) aufweisen läßt. Wir sehen eine rasch aufsteigende Linie, die beim Manne das Maximum mit 25 bis 26 Jahren erreicht, darauf einen sehr lang- 231 | | 68 E77) 12 14 76 793.20 23-24 27-29 30-34 35-38 39-42 43-46 47-50 53.54 59.60 .Jahre Abb. 10. sam fallenden Verlauf hat, so daß die Kraft zwischen 21 und 43 Jahren nur sehr wenig abnimmt, während erst von 43 bis 60 Jahren eine viel schnellere Senkung auftritt. Bei der Frau steigt die Linie etwas langsamer, das Maximum wird etwas eher erreicht, und die Senkung verläuft etwas schneller. Diese Linien weisen eine sehr große Übereinstimmung auf mit denen, welche das Wachstum und die Entwicklung verschiedener Maße des Körpers (Länge, Gewicht usw.) angeben, sowie diese von mehreren Untersuchern publiziert worden sind. Aus diesen Linien läßt sich auch ein Urteil aufstellen über die Kraft des Mannes und der Frau, durch Berechnung der Oberfläche. Wir finden dafür das Verhältnis wie 5 : 3, die Zahl, die gewöhnlich für dieses Verhältnis eilt. Über die Veränderung der Kraft während der Bewegung. 257 Schließlich habe ich meine Ergebnisse mit den Angaben von Qu &- telet!) und von Dementjeff (siehe auch Erisman a.a. 0.) ver- glichen. Diese geben die Hubkraft der Rückenmuskeln in Kilogramm an. In Abb. 11 habe ich diese drei Linien aufgenommen, die ausge- zogene Linie gibt meine Ergebnisse wieder, die punktierte die von - Linie die von Dementjeff. Quetelet, die 8907 , 13 1415 161718 20-21 22-23 24-25 28-29 30 "hre 34-35 35 59-50 39-40 —— —4J-50 Abb. 11. Die Übereinstimmung ist überraschend groß zu nennen, : zumal wenn man den großen Unterschied in Betracht zieht, was Zeit, Landes- art und Material bei den verschiedenen Untersuchungen betrifft. Allen Umständen zum Trotz verlaufen Wachstum, Entwicklung und Rück- gang nicht nur auf analogen, sondern zum großen Teil auch auf gleichen Wegen. !) Siehe: Boigey, Preceptes et Maximes d’Education Physique. Paris 1920. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 17 (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungs- stoffen mit spezifischer Wirkung. VII. Mitteilung. Von Emil Abderhalden und Ernst Wertheimer. Mit 3 Textabbildungen. : (Eingegangen am 1. Juli 1921.) Trotz zahlreicher Bemühungen von den verschiedensten Seiten ist es noch nicht geglückt, die Natur jener eigenartigen, mit verschie- denen Namen, wie akzessorische Nahrungsstoffe, Ergänzungs- stoffe, Vitamine, Nutramine usw., bezeichneten Nahrungsstoffe aufzuklären. Es handelt sich offenbar um eine ganze Reihe von Stoffen. Sie scheinen nach allen Beobachtungen im freien Zustande labil zu sein, sei es, daß sie sich leicht umlagern oder leicht zerfallen. Endlich kommt hinzu, daß es sich offenbar um Stoffe handelt, die in sehr geringer Menge vorkommen. Immerhin besteht die Möglichkeit, sie in weitgehendstem Maße anzureichern. Da man zurzeit noch keine bestimmte chemische Reaktion kennt, um die erwähnten Nahrungs- stoffe zu charakterisieren, so ist man bei ihrem Nachweis auf biolo- gische Versuche angewiesen. Die klassischen Versuchstiere waren auf Grund der Beobachtungen von Eijkman Vögel, insbesondere das Huhn und vor allem die Taube. Es konnte dann von dem einen von uns (Abderhalden), gemeinsam mit Schaumann!) die grundlegende Beobachtung mit- geteilt werden, die durch weitere Feststellungen ausgebaut wurde ?), !) E. Abderhalden u. R. Schaumann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 142, 1. 1918; Fermentforschung, 2%, 120. 1918. ) E. Abderhalden, Fermentforschung 3, 44. 1919. 102 E. Abderhalden u. E. Wertheimer: Zur Kenntnis v. org. Nahrungsstoffen usw. 259 daß aus der Hefe und aus der Kleie Stoffe isolierbar sind, die die alkoholische Gärung mittels Hefe und Hefe- präparaten (Trockenhefe, Mazerationssaft) sehr stark be- schleunigen. Damit war wohl zum erstenmal gezeigt, daß unter die Gruppe der Nutramine fallende Stoffe imstande sind, Zell- und insbesondere Fermentprozesse stark zu beeinflussen. Schon in der ersten Mitteilung über diese Feststellung wurde mit- geteilt, daß sie die Möglichkeit eröffnet, den wirksamen Stoffen an Hand von Gärungsversuchen nachzugehen. In jener Arbeit ist auch bereits jener Weg beschritten worden, und es sind aus Hefe isolierte Stoffe in ihrer Wirksamkeit auf den Verlauf der Gärung geprüft worden. Es haben dann bedeutend später die Forscher S. Frän- kel und Erik Schwarz!), und ferner Euler?) und Pettersson gleiche Beobachtungen mitgeteilt. Die ersten der genannten Autoren haben gleichfalls den Gärungsvorgang als grundlegend zur Prüfung auf Nutramine verwendet. Gleichzeitig mit der Feststellung, daß aus der Hefe und aus Kleie Stoffe gewonnen werden können, die den Gärungsverlauf zeitlich stark beeinflussen, wurde der Frage nachgegangen, ob sie einen Einfluß auf die Vermehrung von Hefezellen haben. Dieses Problem haben Emil Abderhalden und Adrienne Köhler?) behandelt. Sie stellten fest, daß in der Tat unter der Wirkung von aus Hefe gewonnenen Produkten (es wurde in der Hauptsache ein alkohol- scher Auszug verwendet) die Hefezellen sich bedeutend rascher vermehren. Gleichzeitig wurde gezeigt, daß auch andere Zellarten in der gleichen Weise beeinflußt werden. Diese Fragestellung ist weiter verfolgt worden, und es soll über die gemachten Erfahrungen demnächst berichtet werden. Die gleiche Feststellung ist offenbar unabhängig von uns von Williams*) gemacht worden. Von diesem Forscher ist der Versuch unternommen worden, auf Grund der Zell- 1) E. Fränkel u. Erich Schwarz, Biochem. Zeitschr. 112, 203. 1920. (E. Fränkel hat im Jahre 1916 gemeinsam mit Josef Fischl die Beobachtung, daß aus Hefe isolierte Stoffe die alkoholische Gärung beschleunigen, zum Patent angemeldet. Dieser Umstand ist uns und wohl allgemein bis zu der zitierten Ver- öffentlichung unbekannt geblieben.) ®?) H. von Euler und A. Petterson, Arch. f. physiol. Chemie 114, 4. 1921. ®2) E. Abderhalden u. Adrienne Köhler, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%6, 209. 1919. #) Roger J. Williams, The P. of biol. chem. 38, 465. 1919; 42, 259. 1920. — Vgl. auch Frederich K. Swoboda, ebenda 44, 531. 1920. — Geraldo de Paula Souza und E. W. Me Collum, ebenda 44, 113. 1920. — Vgl. auch Karl Schweizer, Mitteil. aus dem Gebiete der Lebensmittelunter- suchung u. Hygiene 11, 193. 1920. Tas 260 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis vermehrung eine quantitative Methode zur Bestimmung des Gehaltes an Nutraminen auszuarbeiten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die praktische Erfahrung ein solches Verfahren rechtfertigt. Es ist immerhin möglich, daß neben Stoffen, die die Zellteilung beschleunigen, auch hemmende Stoffe vorhanden sind, und daß auf diese Weise die Ergeb- nisse von Zellteilungsversuchen stark beeinflußt werden. Versuche des einen von uns (Abderhalden), die Beschleunigung der alkoholischen Gärung als Maß für den Gehalt an Nutraminen anzuwenden, haben ergeben, daß man in nach dieser Richtung gezogenen Schlüssen sehr vorsichtig sein muB. Nachdem festgestellt war, daß Fermentvorgänge sich durch Extrakte aus bestimmten Zellarten (Hefe, ferner Kleie usw.) beeinflussen lassen, ergab sich ganz von selbst die Fragestellung, ob jeder Fermentvorgang dem Einfluß von solchen Stoffen unterliegt. Versuche nach dieser Richtung sind im Gange. Ferner interessiert insbesondere die Fragestellung, ob die Zellatmung sich durch Stoffe der erwähnten Art beeinflussen läßt. Zu dieser Fragestellung führen mannigfaltige Beobachtungen. Zunächst wurde festgestellt, daß Tauben, wenn sie ausschließlich mit geschliffenem Reis ernährt werden, nach einiger Zeiteinen Abfallder Körper- temperatur zeigen. Dieses Sinken der Körpertemperatur ist ein wichtiger Vorbote der bald darauf einsetzenden charakteristischen Erscheinungen der alimentären Dys- trophie. Die Abnahme der Körpertemperatur kann verschiedene Ur- sachen haben. Gaswechselversuche zeigten, daß während des Zu- standes der niedrigen Körpertemperatur der gesamte Gaswechsel eingeschränkt ist. Es konnte ferner durch Versuche an Muskeln gezeigt werden, daß der Sauerstoffverbrauch dieses Gewebes bei an alimentärer Dystrophie leidenden Tauben sehr stark herab- gesetzt ist. Aus Hefe und ferner aus Kleie isolierte Stoffe vermögen sowohl an ganzen Tieren, als an isolierten Zellen den Gaswechsel stark zu erhöhen. Unabhängig von den im hie- sigen Institut gemachten Beobachtungen, haben Freudenberg!) und György?) festgestellt, daß eine Reihe von Extrakten, die sog. Nutra- mine führen, den Gaswechsel von Darmzellen günstig beeinflussen. In diesem Zusammenhange muß auch der Versuch von Dutcher?) gedacht werden. Dieser Forscher vertritt die Ansicht, daß bestimmte Nutramine die Wirkung der Katalase steigern. !) E. Freudenberg, Jahrb. f. Kinderheilk. 91, 201. 1920. — E. Freuden- berg und H. Mammele, Jahrb. f. Kinderheilk. 91, 207. 1920. ®) P. György, Jahrb. f. Kinderheilk. 94, 55. 1921. ®2) Adams Dutcher, Proceed Nat. Acad. Sc. Washington 6, 10. 1920 (zit. nach Chem. Zentralbl. III/IV 1920, S. 102). von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 261 In einer Reihe von weiteren Versuchen konnten Abderhalden und Brammertz!) zeigen, daß die Atmung von Kaulquappen durch aus Hefe isolierte Stoffe beeinflußt wird. Diese Beobach- tung wurde gleichfalls zu Isolierungsversuchen von wirksamen Stoffen aus Hefe verwertet. Außer den mitgeteilten Beobachtungen über die Beeinflussung der Zelltätigkeit durch sog. Nutramine ist uns noch bekannt, daß Stoffe dieser Gruppe eine bedeutsame Einwirkung auf die Drüsentätigkeit und wahrscheinlich auch auf die Darm- peristaltik haben. Diese Feststellung ist indirekt aus dem Ver- halten von an alimentärer Dystrophie erkrankten Tieren erschlossen worden. Man erkennt, daß nach Einfuhr von aus Hefe oder Kleie isolierten Stoffen die stark darniederliegende Tätigkeit der Ver- dauungsdrüsen zunimmt, und die Darmperistaltik in Gang kommt. Uhlmann?) hat an Hand direkter Versuche den Beweis der Beein- flussung von Drüsen- und Darmtätigkeit erbracht. Es ist natürlich vorläufig sehr schwer zu sagen, welche von den beobachteten Wir- kungen primärer und welche sekundärer Natur sind. Auch über die Art des Einflusses und über die Angriffspunkte ist man einst- weilen im Unklaren. Erst dann, wenn man über die Natur der fraglichen Stoffe aufgeklärt sein wird, wird es möglich sein, ihre Wirkung genauer zu studieren. Es bedarf vor allen Dingen noch vieler Versuche, um die Frage zu entscheiden, ob die beobachteten Einflüsse einer bestimmten Stoffgruppe zuzuschreiben sind, oder aber ob mehrere ganz verschiedenartig aufgebaute Verbindungen in Frage kommen. Da es so große Schwierigkeiten bereitet, die wirksamen Stoffe im reinen und zugleich wirksamen Zustande zu isolieren, so muß versucht werden, andere Wege ausfindig zu machen, um einen Einblick in die Natur der in Frage kommenden Produkte zu gewinnen. Schon vor einiger Zeit hat der eine von uns (Abderhalden) eine ganze Reihe biologischer wichtiger Stoffe in ihrer Wirkung auf den Verlauf der alkoholischen Gärung untersucht. Ferner wurde geprüft, ob es gelingt, durch ihrer Natur nach bekannte Stoffe die nach ausschließlicher Fütte- rung durch Reis bei Tauben auftretenden schweren Krämpfe und sonstigen Erscheinungen zu beeinflussen. Würde es gelingen, eine oder mehrere Stoffgruppen ausfindig zu machen, die im gleichen oder ähn- lichen Sinne wirken, wie die sog. Nutramine, dann wäre die Möglich- keit gegeben, für die Nutramine Isolierungsmethoden ausfindig zu machen. !) Emil Abderhalden und Brammertz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 186, 265. 1921. ?2) F. Uhlmann, Zeitschr. f. Biol. 68, 419, 457. 1918. 262 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis Die vorliegende Untersuchung hatte zum Zweck, zu prüfen, ob der Einfluß von aus Hefe und Kleie isolierten Stoffen auf die Atmung von Zellen auf bestimmte Gewebsarten be- schränktist, oder obeinEinfluß vorliegt, derganzallgemein die verschiedenartigsten Zellen betrifft. Es wurden von uns rote Blutzellen, Leber-, Nieren-, Lungen- und Muskel- zellen und ferner Nervengewebe zu den Versuchen heran- gezogen. Endlich wurde auch Froschhaut zu Versuchen über den Einfluß nutraminehaltiger Extrakte auf die Atemtätigkeit verwendet. Es zeigte sich, daß bei sämtlichen der untersuchten Zellarten die wirksamen Stoffe den gleichen Erfolg hatten, d.h. es wurde in jedem Falle durch nutraminhaltige Auszüge die Atemtätigkeit erheblich gesteigert. Von dieser Grundlage aus wurde dann geprüft, ob ihrer Struktur nach bekannte, biologisch wichtige Stoffe im gleichen Sinne wirksam sind, wie die sog. Nutramine. Es wurden die folgenden Gruppen von Verbindungen untersucht: Aminosäuren. x Bette: . Fettsäuren. Oxysäuren. Ketosäuren. Aldehyde. Ungesättigte Fettsäuren. Fructose-diphosphorsaures Natrium. . Phosphatide. 10: Coffein. ll. Natriumarseniat. Endlich haben wir (12.) eine ganze Reihe anti-skorbutischer Stoffe auf ihre Wirkung auf die Atmung von Zellen untersucht. Schließlich sind noch Versuche mit aus Hefe und Kleie gewonnenen Präparaten durchgeführt worden. Anhangsweise sind eine Reihe von Beobachtungen über den Einfluß von Licht auf die Atem- tätigkeit von roten Blutkörperchen mitgeteilt. Von den ausgedehnten Untersuchungen seien einige Protokolle wiedergegeben. Der Erfolg war in den Einzelversuchen immer der gleiche. ER ee ee Ne) von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 263 Experimenteller Teil. Dauer mempe:| O,-Ver- Atmende Substanz Zusatz EM = "| ratur vn Min. Grad cmm l. Versuche mit Aminosäuren. 1 ccm frisches Menschenblut!) . | 0,7 Rinser ..... 30 20 51 l-cem a n S 0, U Tyrosin A ö 30 20 56 1 ccm Rs 5 . | 0,7 Cystin 1°/, (ges. Lös.) 30 20 56 l ccm " » . | 0,7 Glutamin 1%, 0) 20 206 l ccm " n . | 0,7 Glutaminsäure 1°/, . | 30 20 179 1 ccm s a EN ORTrvptophanslynaser. 172.30 20 67 l cem h 5 20 ZRAsSparasın Ayla 2.3020 48 l cem 2 > ON Bepton I mmsa | 302 17:20 51 l ccm 5 " NONERmoers ee: BO 10 63 1 ccm h h Or euer ee 2a) 63 l cem x “ KT Jebkankbin. I arae EI) El 8) 59 l ccm N . 1 0,7 Aminokapronsäure . 30.2219 65 1 ccm a E "| 0,7 Pyrrolidonkarbons . | 30 | 19 225 l ccm s . | 0,7 Aminos.-Gemisch1°/, , 30 | 19 65 l ccm L R SB RONZEeRInGerKe 2: 201020 | 25 13 ] ccm n " 08 Asparaginsäure 1%, | 20 | 25 65 1 ccm R 2 . | 0,7Dioxyphenylalan.1°/, 207 | 25 36 l ccm n n . | 0,7 Glukosamin 1%, . . | 20 | 25 69 0,5 Muskelsubst. (Rana temp.) | 0,7 Ringer .. 020.208 20 45 058 5 h e 0,7 Glutamin 1, D 4107020 9 058 Mt 5 0,7 Tryptophan 1°), . 4007420 48 1,5 g Nierensubstanz (Pferd) . . | 0,5 Ringer . . DS 45 | 26 162 15 % n u lryeeutamm 17, Anee=|3596 206 1,5 g „ n 22 0052AsparagınE 10, 2220.45 | 26 154 abge Herzmuskelulßterd) 2.22. 205CRmgerr no 2: 30 | 28 52 luDRe: 3 05 lutamme iV/ ran 030010428 112 1522, 5 a EODEENstidnell/ ner S0E m 2802 2058 1,5 ge Gehirmsubstanz, grau (Pferd) 0,5 Rineer ..... | 30 12:20 88 158 % 5 n MOSE ryptophane.z..2..,230 | 20 102 1,58 2 = = ı 0,5 Glutamin .... 230% 20 98 Iebig; e n 5; | 0,5 Cystin . 5 30 20 96 2. Versuche mit Fetten. 1 cem frisches Menschenblut . | 0,6 Ringer ..... | 40 | 19,5 68 l ccm n ns = 0:62Fributyem zo 40 19521222065 l ccm ® e 20:6: Diaceume nn AO 195 | 68 1 ccm > Ä IE EOIGK Rinceren 30 21 69 l ccm % in . 10,6 Rüböl (rein chem. Rabry Basel: 30 | 21 110 !) Zahlreiche Versuche wurden auch mit Pferde- und Rinderblut angestellt. Ist das betreffende Blut frisch, so sind die Resultate entsprechend. 264 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis i : Dauer Ten lo.-ver Atmende Substanz Zusatz I | ratur ee Min. | Grad cmm 1 cem frisches Menschenblut 0.6 inser 60 22,520 122 l cem 2 a 0,6 Leinöl . 60 22,51E°.142 löcems % 0,6 Ringer 45.290.512 373 1 cem es “ . 10,6 Lebertran 45 20,5 | 122 0,5 & Muskelsubst.(Rana tempor.) | 0,7 Ringer 3 40 18 42 0,58 3 I“ x 0,7 Leberwranemuls‘ 307, 40 18 72 0,58 er er = 0,7 Rübölemulsion 30 /, 40 18 48 0,58 3 : ar 0,7 Leinölemulsion 30 . 40 18 42 0,58 5 r “ 0,7 Tributyrin 40 18 42 1,5 g Lebersubst. (Rana temp.) , 0,5 Ringer 2 N 60 22 | 43 15 5: A “5 0,5 Lebertranemulsion | 60 2 |78 1.5.0: s Me 5 0,5 Leinölemulsion 60 22 50 1,5 g Nierensubstanz (Pferd) . 0,5 Ringer ; Ayenı 208821081102 1.5r8 2 . 0,5 Beberranemulsion : 45 | 26 | 226 1,5 & Lungensubstanz (Pferd) 0,5 Ringer 5 ı 30.1 19,212.569 15 g = ; 0,5 Tebertranemulsion i 302212219 117 1,5 & Herzmuskel (Pferd) . 0,5 Ringer END 30 28 52 1.DRe: ni real 0, Tebertranemulsion ; 30 28 s1 1,5 g graue Subst., Gehirn (Pferd) | 0,5 Ringer 30 21 73 Bor. I & 5 0,5 Lebertranemulsion 280 21 1083 Haut Rana temporaria 1,0 Ringer 2 30 | 22 52 1 nn 30%, Rübölemulsion 1 v 30122247, 52 „ “ 5 30°/, Leinölemulsion 1,0 | 30 22 49 as iS N 30°/, Lebertranemuls.1,0 30-21 22 211 „ „ 9 30°/, Tributyrin 30.1.2246 3. Versuche mit Fettsäuren. a) einbasische. 1 cem frisches Menschenblut | 0,5 Ringer’ 30 23 72 1 ccm “ . 0,5 Valeriansäure 1. 30 23 185 1 cem 5 “ 05 Ameisensäure 1/,%/, | 30 23 154 b) mehrbasische. 1 cem frisches Menschenblut 0,5 Ringer 30 19 58 1 ccm n “ 0,5 Weinsäure 1,9%, 30 19 115 1 ccm > “ 0,5 Zitronensäure 1/,°/, | 30 19 121 1 cem = ai 0,5 Ringer 30 29 104 1 cem r 5 0,5 weinsaures Na 30 29 96 l ccm 5; “ 0,5 zitronensaures Na . | 30 29 96 1 ccm an 0,5 valeriansaures Na . | 30 29 98 I ‘cem ve u 0,5 ameisensaures Na . 30 29 96 4. Versuche mit Oxysäuren. 1 ccm frisches Menschenblut . | 0,5 Ringer .. 11.80.1222 39 l cem . 5 ı 0,5 P-Oxybutters. 1/, ,, | 30 | 22 131 1 ccm ” RR 0.5 &-Oxybutters. Y/;%/, | 30 | 22 126 ‚von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 265 | Dauer Fe OÖ ,-Ver- Atmende Substanz Zusatz Ks ratur SE | Min. | Grad cmm 1 ccm frisches Menschenblut ' 0,5 -Oxybuttersaures Na | 30 22, 109 l ccm 5 u | 0,5 x-OxybuttersauresNa | 30 22 101 l cem e 2 0,5 Oxyisokapronsäure . , 30 | 22 98 1 ccm = ei 0,5 Oxyisokapronsaur.Na | 30 22 0) l cem “ AN ı 0,5 Oxyisobuttersäure . | 30 22 119 Haut m. Rana Temporaria | 1,0 Ringer en 0 20 52 N as a ı 0,5. #-Oxybutters. 1/;%, | 30 20 58 ES | 0,5 &-Oxybutters. 3% | 30 20 52 Re ereeh a ' 0,5 Oxyisokapronsäure . | 30 20 52 nn is ' 0,5 Lebertranemulsion . 30 20 211 | | Z. Vgl.) Versuche mit Milchsäure. 1 ccm frisches Menschenblut ObERmger are 30 20 65 l ccm n 0,5 Milchsäure Y/;°/o | 30 20 215 1 cem 7 3 0,5 ei DR, 30 20 222 1 ccm er = 0,5 5 IRO7S ı 30 20 150 1 cem 55 ns 0,5 milchsaures Nain Se- | rum gelöst . 3 20 226 0,5 & Muskelsubst. (Rana temp.) | 0,7 Ringer } 40 20 145 058 in FR s 0,7 Milchsäure Y/,®/ 40 20 79 0,5 g ” ” „ 0,7 ” 1% 40 20 s2 0.5 g ” ” ” 0,7 ib) "/a°/o 40 20 2 1,5 g Nierensubstanz (Pferd) . 0,5 Ringer 2 45 26 162 Iedre: 5 at IMs 0,5 Milchsäure Y,%/, 45 26 201 1,5 & Lungensubstanz (Pferd) 0,5 Ringer RE 30 19 64 Idee: r en . | 0,5 Milchsäure 2/,%, 30 19 116 1,5 g Herzmuskelsubstanz (Pferd) | 0,5 Ringer Bazı 30 28 52 55:2: n > 0,5 Milchsäure Y/, °/ 30 28 143 1,5 g Gehirmsubstanz, grau (Pferd) | 0,5 Ringer Beh 30 21 73 158g “= 5 “ 0,5 Milchsäure Y/,°/o 30 21 65 1,5 g Froschhaut . 1.0 Ringer ER: 30 22 52 15 8 a 1,0 Milchsäure 1/,°/o 30 22 56 5. Versuche mit einer Ketosäure. 1 ccm frisches Menschenblut 0,5 Ringer 5 | 30 | 22 82 1 cem a “ ....0,5 Brenztraubens. 1,9%, | 30 | 22 173 dem. 5 | 05 3 1, \, 30 | 22 | 158 l ccm de ; .., 0,5 brenztraubens. Natr. | 30 | 22 126 6. Versuche mit einer ungesättigten Dale 1 ccm frisches Menschenblut ' 0,5 Ringer 5 30 19 52 l ccm 2 a 05 Crotonsäure 0. £ | 30 19 58 l cem x ah 1205 n > 80) 19 52 1 cem = n 104 Tributyrin und 0,1 | 2 2 @rotonsauren Ky 30 19 52 266 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis or | Dauer er en [075 vo Atmende Substanz Zusatz AN, ratur Ms | Min. Grad cmm 7. Versuche mit Aldehyden. 1 ccm frisches Menschenblut . | 0,5: Ringer‘... 30m 32H 385 1 cem os in . 0,5 Formaldehyd 1%, ; 30 | 25 | 76 1 cem a 5 0:5 u he 30 | 2 85 1 ccm k E . 1, 0,5. Acetaldehyd: 1°), .. 30 | 25 82 1 cem I 12 = EXOFD „ line 304.17.25 87 8. Versuche mit fructosediphosphorsaurem Natrium. 1 ccm frisches Menschenblut 0,5 Ringer 3 30 23 68 1 cem se ne 0,5 fructosediphosphor- | saures Na List 30 233 | 8 0,5 Muskelsubstanz (Rana temp.) | 0,5 Ringer 3 60 22 58 0,5 B ” = 0,5 fructosediphosphor. saures Na 1°, . 60 22 69 9. Versuche mit Phosphatiden. 1 ccm frisches Menschenblut 0:5-Ringer. .. .. 30 20 54 1 ccm u EN . | 0,5 Leecithin 2%. AB 0) 20 54 | | 0,5 &Muskelsubstanz (Ranatemp.) | 0,5 Ringer { F 45 20 48 0,58 en 5 AN | 05 Leeithin 2%. DD 20 51 1 cem frisches Menschenblut 0,5 Ringer 3 30 23 18 Icem = “ 0,5 Glycerinphosphor- Säure 32/5015 3 30 23 172 0,52 Muskelsubstanz (Ranaescul.) | 0,7 Ringer . .... 40 20 45 0,58 R in a 0,7 Glycerinphosphor- säure Yo 40 20028 0,5 g Herzmuskelsubstanz (Pferd) , 0,5 Ringer N 30 28 52 0,58 ” » 0,5 Glye erinphosphor- SÄULE SEEN 0230 28 135 10. Versuche mit Coffein. 1 ccm frisches Menschenblut 0,5 Coffein 0,01 30 22 72 1 ccm 1 . 0,5 Ringer BEN ES N) 22 2 1 cem s A 0,5 Coffein O1... 30 22 58 0,5 & frische Muskelsubstanz . 0,5 Ringer RL | 9 52 Oben. 2 -.) 0,5 Coffein 0,01 a) 22 9 1,58 "Herzmuskelsubstanz (2ferd)|. 0,5. Ringer san. 2: 30 26 62 15 ‚g x “ 0,52. Coifeinx0.01) 2: 30 26 2 15048: 2 55 B:5Cotem O1. N. 30 26 49 1,5 2 Gehirnsubst.; srau (Pferd) - 0,5. Ringer. .... 2. 30 26 98 1;Di8: ie Er = 0,5. Goifein. 0,02. 22:.2..21..80 26 94 von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung VII. 267 | Dauer en O;,-Ver- Atmende Substanz Zusatz ee | ratur Ben | Min. | Grad | emm 11. Versuche mit Natriumarseniat. 1 ccm frisches Menschenblut 0.5 Ringer 2307711724 82 1 cem A e. . , 0,5 Na-Arseniat 1/, 0/, 30 | 24 82 1,5 g Muskelsubstanz (Taube) . | 1,0 Ringer i 122002 10.20 52 14529: en EN . | 0,5 Ringer + 0,5 Na- | | Arseniat Y,%, . 1805 002:20 76 1,5 g Herzmuskel (Pferd) 0,5 Ringer 7300 |.95 48 15 g e: ee O0 HENa-Arseniat 1,9%, 221030 | 25 52 1,5 g Lebersubstanz (Rana 0,5 Ringer : 45 | 23 40 1,5 E ” e a 0,5 Na-Arseniat 1/,%, ADD 42 1,5 g Gehirnsubstanz, grau (Pferd) | 0,5 Ringer 2 som 2 91 1,5g e 2 F 0,5 Na-Arseniat !/, o/, 30 | 20 10..84 Haut Rana temporaria 1,0 Ringer r | 60 | 26 143 Bi 2. Es 1,0 Na-Arseniat 1,9), lo 200525526 173 Eiautallaube)aruen ee: 1,0 Ringer i | 45 | 2 32 on ER SE RD A AAER UN.. 10 Na-Arseniat 1/, 0/, 45 25 7 12. Wirkung einiger Antiscorbutica auf die Blutatmung. a) Kochbeständige Antiscorbutica. 1 cem frisches Menschenblut ' 0,6 Ringer ne 25 30 128 1 cem Fr % ı 0,6 Zitronensaft Hr. 25 30 293 1 ccm „ i: } 0,6 N NY 25 30 210 l ccm r 4 . 0:6 2 ua) 25 30 | 172 1 cem E sR 206 „ Y/a0v.30’gek. 25 30 286 1 ccm Rn Fr 12.06 lo A 25 30 280 l cem AN " 20:6 Seneulny30g 25 30 143 1 ccm R ee 0,6 + Ysv-4Tg.alt 25 30 274 Zum Vergleich: | l ccm frisches Menschenblut . , 0,6 Ringer 30: | 21 65 1 ccm » 9 0,6 Zitronensäure en | 30 | 21 98 1 ccm n „ 0,6 Weinsäure Yon .ı 30 | 21 | % 1 ccm „ » 0,5 Ringer N 1.205520 | 65 l ccm m " 0. 5 Orangensaft, seh z 20 20 | 9254 l ccm D 2 105 3 Tage alt 20 20 | 239 1 ccm nn n 2105 „ gekocht10” | 20 20 248 l cem oh r . 0,5 Ringer EU NEIN) 2020272 1 cem „ 9 . 0,5 wäßrig. Extrakt aus | 2 Oransenschalene 22.21.30 20 | 136 l ccm % ns ı 0,5 alkohol. Extrakt aus | Orangenschalen 11300010520 158 1 ccm n 9 ‘ 0,5 alkohol. Extrakt aus Orangensch., 20’ gek. | 30 20 158 268 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis Dauer en |O, -Ver- Atmende Substanz Zusatz es ratur | Bamal Min. | Grad | cmm 1 cem frisches Menschenblut . 0,5 Ringer .. 80: 1.202002 1 cem 5 er .. 0,5 Himbeers. 1) werd. alt I 30 20 191 l cem £ M 0,5 „ .1sverd.15’gek.:|. 30. |°.20°| 191 1 ccm 1 + 050: Ringer 22. 1 303.318 68 l ccm 22 n NOT, Sauerampfermacerat | 30: |: 18°: 121 1 cem je :S RT „= 102 gek..\ >30 | 21852 2.167 | \z. Vergl 1 cem a ie . . 0,7 Löwenzahnmacerat. | 30 | 18 | 103 1cem il HM: ln OT „10° gek. 530%. 0182,12065 b) Nichtkochbeständige Antiscorbutica. I:cem Trisches Menschenblut .;| 055: Ringer: 7... 2... 45 24 99 1 cem 7 5 . | 0,5 Spinatmacerat . . 45 24 182 l ccm an I lRLONS ie 3N vek. 45 24 109 l ccm en » . | 0.5 Spinatpreßsaft .. 45 24 210 1 cem i E 0,5 l/shgek. | 45 24 128 l ccm 2 .. . 1 :0,5 alkoh. Sprtrisameihn I. 45 24 176 1 cem = A SO Takingerer.n ; 30 18 68 1 ccm 23 u 281.205 Fowenzsinmaet 0) 18 | 108 1 cem & e OR „10° gek. 30 18 65 l ccm i. . 0,7 Endivienmacerat.. . 30 18 | 116 l ccm n ae 12057 ul: Sek. 30 18: |- 72 Wirkung von Antiscorbutica auf andere Organe. 0,5 & Muskelsubstanz (Ranatemp.) | 0,7 Ringer . . 240) 182. 42 058 a" 2a „ ı 0,7 Zitronensaft ee ve AO 18.6 1,5 g Lebersubstanz (Rana temp.) | 0,5 Ringer . . aa 60 92.21.43 1.5.0: n ie 5 | 0,5 lprohsaf. 200 22: | ..67 1,5 g Nierensuhstanz (Pferd). . | 0,5 Ringer. ... ab ee la 26.2162 1.5. 8 5 0,5 Zitronensaft u Ve..| 45 26 203 1,5 g Lungensubstanz (Pferd) . | 0,5 Ringer. . . 30 1922069 1b). 15 r hi . | 0,5 Zitronensaft ar Er 30 19 | 131 1.9%92 Herz. (Prerd), „2.2.22 22.02... 20.5@Ringenern, tr. 30 DE 52 bo. ©, a MO) 5 Zitronensaft!/gov erd. | 30 28 126 1,5 & Gehirnsubstanz (Pferd). . | 0,5 Ringer. . . 30 21 73 1.5.0 E N | 0.5 Zitronensaft 1/,verd. 108) 21 65 13. Versuche mit Hefe und Kleie. l ccm frisches Menschenblut . | 0,2 Hefeautolysat (N 252 1.822) 133 2,468 °%)- | 1 ccm Mr Y "7 NOD Ringer nn 2 952 24 Optimum der Wirkung des Hefeautolysats bei 0,5 (s. Kurve). Das Autolysat wurde dialysiert: Wirkung des Rückstands A (0,264 °/, N). 1 cem frisches Menschenblut . | 0,6 Autolysat-Rückst.A | 30 | 23 | 113 1 ccm h s = 10.6- Ringer... 0.0: 210,980, 1023002 von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VI. 269 | Dauer Mempe | O;-Ver- des Ver- “ brauch Atmende Substanz | Zusatz = ches ratur | An | Min. Grad | cmm Optimum der Wirkung bei 1,0. Wirkung des Dialysats B (1,128°),). ROH Dial ysataı 22 278.20. [2 24° | | 0,6 Ringer... ... ..| 20 | 24 5l Optimum der Wirkung bei 0,8. Vergleich der 3. Substanz bei gleichem N-Gehalt ergibt die beste Wirkung für das Dialysat, dann für das Autolysat und den Rückstand. - / 0,6 alkohol. Hefeextrakt | 30 | MolGeRingerssr 50 Optimum der Wirkung bei 0.9. Hefeautolysat und alkohol. Hefeextrakt bei gleichem N-Gehalt verglichen ergibt eine bessere Wirkung des alkohol. Hefeextrakts. 1 ccm frisches Menschenblut 1 cem x S 20 | 270 20 63 1 cem frisches Menschenblut Iatcem BR ea | 1 cem frisches Menschenblut 0,8 Kleiemacerat . : 20 216 l ccm = a ı 0,8 3 IR oek. 20 ld 90 l ccm 4 ss 0,8alkohol.Kleieextrakt | 20 | 17 111 l ccm “ ie OS „1Ngek. | 20 17 56 1 cem en #s 0:8-Rımger..2. . | 0) | 17 38 l ccm “ er DoRieenaeerat. 4» N | 20 Er 42 Optimum der Wirkung des Macerats bei 0,8. Kleiemacerat und Hefeautolysat (N gleich) wirkten gleich stark. a ee! cem frisches Menschenblut . | 0,5 Ringer. ..... I P2 9 EZ | 38 cem s c .. 'ı 0,5 Hefeautolys. 15’ gek. | 25 17 141 ccm a „ 0,5 Hefeautolysat. . - | 25 17 | 210 om R . | O,5alk.Hefeextr.15’gek. | 25 | 17 | 19 cm 3 RE Azel 005. |, 17. 1 830 ccm 5 > U er ungek. | 25 | 17 | 204 Hefewirkung auf andere Organe. 0:5802:Muskelsubstanz » „0. . | &b-Rinser“. u... EN60 720 eo 05 8 5 SO Dlefeautolysateg 1. 2260,90 108 1,5 g Lebersubstanz (Rana temp.) | 0,5 Ringer. . . | 60 22 43 11.5.8 ns as ı 0,5 alkohol. HIER etral 60 22 sI 1 “= = = 0,5 Kleiemacerat . . . | 60 22 2 1,5 g Nierensubstanz (Pferd). . | 0,5 Ringer . SB Ana 26 | 162 1ndr8; zn 5 20.055 een. 5 45 26 239 1,5 g Lungensubstanz (Pferd). . 0,5 Ringer . ER 50) 19 69 15 eg = "N . ,.0,5 Hefeextr. (alkohol.) 30 19 159 15528 r r . . 0,5 Hefeextrakt (wäßr.) | 30 19 129 15g i; a ' 0,5 Kleieextrakt (wäßr.) | 30 19 113 1,5 & Herzmuskel (Pferd) | O'5#Ringereu 2.2: | 30 28 52 15 g N n ı 0,5 Hefeautolysat . 30227728 263 15 8 E + 0,5 Kleiemacerat . 30 | 28 | 213 270 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis ı Dauer Imemee \ O,-Ver- AIR | \desVer-) “ brauch Atmende Substanz | Zusatz | ran | ratur An | Min. | Grad | cmm 1,5. 8 ‚Gehirnsubstanz, grau; .. >| 0,5 Ringer... . ..... 30 21 73 1.5.2 Ä a Osbaleteautolysatr.2...1.30 ZU 140 15 g * 20H Kleiemacerati are 30 21 122 1:58 Sr weiße zer N ObARInDeR ne 30 21 38 15 eg & 2. O.Dklefeautolysabs. 22..|, 30 21 al r Zuvor war die verschiedene Atmung von grauer und weißer Substanz festgestellt worden, wie folgendes Beispiel zeigt: 1,5 g Gehimnsubstanz, weiß . . | 0,5 Ringer. .....| 60 | 96 86 15 8 N erau DI | 26 | 184 Haut-Ranaltemp.\. a... 22 0 ale 60. one 5 gleiche Streifen . : . . ... | 0,5 Hefe (alkoh.: Extr.) | 60 | ss | 191 5 > N ee ee ODE ringers. l. Versuche mit Aminosäuren. Von den angewandten Aminosäuren zeigte die Glutaminsäure auch dann, wenn sie mit Natronlauge gegen Lackmus neutralisiert worden war, eine deutlich steigernde Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch von roten Blutkörperchen, Muskel-, Herzmuskel- und Nierensubstanz. Ebenso wirkte die Pyrrolidoncarbonsäure und ferner Glutamin. Auf Gehirn- substanz war der Einfluß von Glutamin geringfügig, dagegen zeigte interessanterweise Tryptophan einen merklichen Einfluß, während diese Aminosäure auf Muskelsubstanz nicht einwirkte. Bei den roten Blutkörperchen zeigte sich eine kleine Wirkung. Asparagin, Asparaginsäure waren wirkungslos. Es ist von allergrößtem Interesse, daß der Glutaminsäure und der Pyrrolidoncarbonsäure eine den Sauerstoffverbrauch steigernde Wir- kung zukommt. Es soll der Bedeutung der Glutaminsäure für den tieri- schen Organismus auf Grund weiterer Versuche nachgegangen werden. Der eine von uns (Abderhalden) hat bereits vor mehreren Jahren auf die Beziehungen der Glutaminsäure und ihrer Verwandten auf die Hämoglobinbildung hingewiesen. 2. Versuche mit Fetten. Eine sehr deutliche Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch sämtlicher untersuchten Gewebs- und Zellarten, mit Ausnahme der Gehirnsubstanz, zeigten Rüböl und vor allen Dingen der Lebertran. Besonders inter- essant ist auch die sehr starke Beeinflussung der Atmung der Froschhaut. Die Versuche mit verschiedenen Fettsäurearten machen es wahr- scheinlich, daß die atmungssteigernde Wirkung des Lebertrans nicht auf bekannte Bestandteile zurückzuführen ist, vielmehr scheint es von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 271 sich um die Wirkung von noch unbekannten Produkten zu handeln. Wir haben den Lebertran auch dialysiert. Das Dialysat war wirkungs- los, während der nicht dialysierbare Anteil noch wirksam war. Kurz angeführt sei noch an dieser Stelle, daß wir auch mit Hilfe von Frauen- und Kuhvollmilch Versuche angestellt haben; beide zeigten eine Vermehrung des Sauerstoffverbrauchs, jedoch war die Steigerung nicht sehr erheblich. 10 Minuten langes Kochen setzte die Wirkung herab, aber auch nach 30 Minuten langem Kochen war sie nicht ganz aufgehoben. Inwiefern dem Zitronensäuregehalt der Milch eine Be- deutung bei der Beeinflussung der Zellatmung zukommt, bleibt dahin- gestellt. Saure Molke wirkte bedeutend stärker als Vollmilch. 10 Mi- nuten langes Kochen verminderte die Wirkung auf die Sauerstoff- atmung, jedoch war sie immer noch stärker als diejenige von ungekochter Vollmilch. Neutralisierte Molke wirkte nur wenig schwächer. Es ist interessant, daß die Milchsäure in den verschiedensten Konzentra- tionen eine starke Wirkung auf die Atemtätigkeit von Zellen ausübt. (Wir untersuchten Konzentrationen von 1/,°/,, bis 3%, höhere Kon- zentrationen wirkten hemmend.) 3. Versuche mit Fettsäuren. Die untersuchten Fettsäuren ergaben eine Erhöhung des Sauerstoff- verbrauchs, dagegen erwiesen sich die Natronsalze als unwirksam. Es scheint also, daß das Wasserstoffion die Steigerung verursacht hat bzw. notwendig ist. 4. Versuche mit Oxysäuren. Bei den Oxysäuren war die steigernde Wirkung auch bei den Natrium- salzen, jedoch in nur geringem Maße, wahrnehmbar. 5. Versuche mit Ketosäuren. Brenztraubensäure und brenztraubensaures Natrium bewirkten eine deutliche Steigerung des Sauerstoffverbrauchs der roten Blut- körperchen. 6. Versuche mit Aldehyden. Formaldehyd und Acetaldehyd zeigten keinen wahrnehmbaren Einfluß auf den Gaswechsel von roten Blutkörperchen. 7. Versuche mit ungesättigten Fettsäuren. Zur Beobachtung kam die Crotonsäure. Sie hatte keinen Einfluß auf den Sauerstoffverbrauch von roten Blutkörperchen. 8. Versuche mit fructosediphosphorsaurem Natrium. Ein geringfügiger Einfluß auf den Sauerstoffverbrauch von roten ° Blutkörperchen war unverkennbar. 272 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis 9. Versuche mit Phosphatiden. Das verwandte Lecithin zeigte keinen Einfluß, dagegen erwies sich Glycerinphosphorsäure als ein ausgezeichnetes Mittel, um den Sauerstoffverbrauch zu steigern. Im Anschluß an die Beobachtung, daß diese Verbindung einen so starken Einfluß auf die Atmung von roten Blutkörperchen hat, haben wir Kaliumphosphat zu den Untersuchungen herangezogen. K,PO, wirkte eher hemmend. K,HPO, hatte keine deutliche Wirkung, während KH,PO, eine starke Wirkung zeigte. 10. Versuche mit Coffein. Coffein beeinflußte den Sauerstoffverbrauch von Muskelsubstanz, dagegen nicht denjenigen von roten Blutkörperchen und der Herz- muskelsubstanz. Ebensowenig wurde Gehirnsubstanz in ihrer Atmung beeinflußt. 1l. Versuche mit Natriumarseniat. Natriumarseniat wirkte interessanterweise nur auf Muskelsubstanz und auf Haut ein. 12. Wirkung einiger Antiskorbutica auf die Gewebs- bzw. Zellatmung. Es war von ganz besonderem Interesse, Vergleiche zwischen den Be- obachtungen zu ziehen, die vor allen Dingen Axel Holst und in der neueren Zeit zahlreiche amerikanische Forscher mit Stoffen aus dem Pflanzenreich gemacht haben, die imstande sind, den Ausbruch von Skorbut, insbesondere in Tierversuchen (Meerschweinchen), zu ver- hindern, wenn als Nahrung Nahrungsmittel wie Hafer, Erbsen usw. verabreicht werden, die ohne bestimmte Zusätze zur Erkrankung an Skorbut führen. Es hat sich gezeigt, daß manche Pflanzenextrakte gekocht werden können, ohne daß sie die antiskorbutische Wirkung verlieren, andere dagegen sind gegen Erwärmung sehr empfindlich. Ob diesem verschiedenen Verhalten grundsätzlich verschiedene Stoffe zugrunde liegen, ist noch fraglich. Es könnte sehr wohl sein, daß in einem Falle die antiskorbutisch wirkenden Stoffe, z. B. durch Bindung an andere Substanzen, geschützt sind, und im anderen Falle nicht. Wie die Versuchsprotokolle zeigen, hatten sämtliche Pflanzenextrakte, die angewandt worden sind, einen deutlichen, z. T. außerordentlich starken Einfluß auf den Sauerstoffverbrauch von roten Blutkörperchen. Bei denjenigen Antiskorbutica, die das Kochen vertragen, hatte dieses auch keinen Einfluß auf die Wirkung auf die Sauerstoffatmung. Im Gegensatz dazu erwiesen sich jedoch nicht kochbeständige Antiskorbutica als durch Kochen in ihrer Wirkung auf die Sauerstoffatmung stark beeinflußbar. Bemerkenswert ist, daß Gehirnsubstanz durch die an- von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 273 gewandten Antiskorbutica im Sauerstoffverbrauch nicht beeinflußt wurde. Zu den einzelnen der angewandten Antiskorbutica ist folgendes hinzuzufügen: Die atmungsbefördernde Wirkung von Citronensaft war bei einer Verdünnung von 1 zu 6 deutlich. Das Optimum der Wirkung fanden wir bei einer Verdünnung von !/;, bis T/,,, bei einer Verdünnung von 1 :100 war die atmungsbeschleunigende Wirkung noch deutlich wahrnehmbar. Selbst nach 3!/, Stunden langem Kochen blieb die Wirkung des Citronensaftes unverändert. Wurde der Citronensaft mit Natronlauge neutralisiert, so zeigte er noch die den Sauerstoffverbrauch steigernde Wirkung, sie war jedoch abgeschwächt. Ferner geht die Kochbeständigkeit durch das Neutralisieren verloren. Beim Stehenlassen verlor der Citronensaft seine Wirkung nicht, jeden- falls wirkte er nach viertägigem Stehen noch wie frisch bereiteter Saft. Um zu prüfen, ob der Gehalt an Citronensäure das wirksame Prinzip darstellt, haben wir diese Säure und zum Vergleich auch Weinsäure in einer Verdünnung verwandt, die derjenigen des noch wirksamen Citronensaftes entsprach. Beide Säuren zeigten fast keine Wirkung. Wässeriges Sauerampferextrakt behält die atmungsteigernde Wir- kung beim Kochen, wird es neutralisiert, dann verliert es seine Wirkung. Orangensaft war auch außerordentlich stark wirksam. Das wirksame Prinzip ist kochbeständig. Auch beim wässerigen und alkoholischen Auszug von Örangenschalen ließ sich atmungsteigernde Wirkung nachweisen. Alle Pflanzenextrakte, die die atmungbeschleunigende Wirkung auch nach dem Kochen beibehielten, reagierten sauer. Macerat aus Spinat verlor beim Kochen seine Wirkung, kurzes Kochen bewirkte nur eine Schädigung. Wir haben auch Versuche mit Preßsaft aus Spinat und mit alkoholischem Auszug aus dieser Pflanze angestellt. Die Ergebnisse waren dieselben, wie bei Verwendung von Macerat. Gleiche Resultate erhielten wir mit Salatarten und mit Löwenzahn. 13. Versuche mit Hefe und mit Kleie bzw. aus diesen ge- wonnenen Stoffen. Das angewandte Hefeautolysat (bereitet aus obergäriger Hefe aus Berlin) enthielt 2,468%, Stickstoff. Es regte den Sauerstoffverbrauch von roten Blutkörperchen stark an. Wie die beifolgende Kurve zeigt, war beim Zusatz von 0,5 ccm zu 1 ccm Blut das Maximum der Wir- kung vorhanden (Abb. 1). Das Autolysat unterwarfen wir der Dialyse gegen Wasser. Der nicht- dialysierbare Teil enthielt 0,264%, Stickstoff. In ihm war die den Sauer- stoff steigernde Substanz noeh vorhanden. Das Optimum der Wirkung des nicht dialysierbaren Anteils fanden wir bei 1,0 ccm. Der dialysier- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 18 274 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis bare Anteil enthielt 1,128% Stickstoff. Auch er erwies sich als sehr wirk- sam in bezug auf den Sauerstoffverbrauch. Das Optimum der Wirkung lag bei 0,8 ccm. Der Vergleich der Wirkung des Hefeautolysats und der aus ihm gewonnenen beiden Anteile (Dialysat und nichtdialysierbarer Teil), bezogen auf den gleichen Stickstoffgehalt, ergab, daß dem Dialysat die beste Wir- kung zukam. Dann folgte das Autolysat selbst, weni- ger-wirksam war der nicht- DEI IE UT 1 02 03 509703 087507 "dialysierbare, Teil: Abb. 1. Wirkung steigender Dosen von Hefeautolysat Es wurden ferner alkoho- Mteigerung durch 0/1 g Hefenutolgsat = 1 bezeichnet, sche Hefeextrakte (1,103% Stickstoff) verwendet. Die Wirkung war eine außerordentlich starke; auf gleichen Stickstoff- gehalt berechnet, war dieses Extrakt wirksamer als das Autolysat. Interessant ist, daß nicht jede Heferasse die gleich gute Wirkung ergibt. So war die angewandte obergärige Hefe aus Berlin bedeutend wirksamer als eine Hallenser Heferasse. Ferner zeigte es sich, daß obergärige Hefe schwächer wirkt als untergärige. Versuche mit einem wässerigen Macerat aus Kleie ergaben, daß auch dieses den Sauer- stoffverbrauch von roten Blutkörperchen ganz bedeutend steigert. Das Maximum der Wir- kung wurde beim Zusatz von O,Sccm festgestellt. Das Macerat enthielt 0,212% Stickstoff. Im Vergleich zu dem Stickstoffgehalt zeigten dieses Macerat und das Hefeautolysat gleich starke Wirkung. Ein alkoholisches Kleie- extrakt wirkte schwächer, längeres Kochen . (vier Stunden) zerstörte sowohl die Wirkung des Kleiemacerates als auch diejenige des alkoholischen Extraktes. Hefeautolysat und Hefeextrakt verloren ihre Wirkung bei län- gerem Kochen ebenfalls, bei kürzerem Kochen 78 o —— Ausschl. d. Manom. (O,-Verbr) [ON Ss IS OR guR zuR gg zn War eine Abschwächung der Wirkung wahr- Dee 2 2 2 Zeit — nehmbar. Abb.2. Atmung von roten Blut- In Abb. 2 ist die Atmung von roten Blut- körperchen ohne und mit Zu- Ba non Hefesutälgast körperchen ohne und mit Zusatz von Hefe- autolysat dargestellt. Im Anschluß an die mitgeteilten Versuche haben wir auch, vorläufig nur, um einen allgemeinen Überblick zu gewinnen, einige Untersuchungen von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 275 über die Wirkung von Hefeextrakt auf die Atmung von Pflanzenzellen ausgeführt. Wie die folgende Übersicht zeigt, war der Einfluß ein ganz beträchtlicher. Besonders interessant waren auch die Versuche mit Hefezellep selbst. Auch deren Atmung wurde durch Zusatz von Hefepräparaten ganz erheblich gesteigert. TabelleA. Wirkungen von Hefepräparaten auf Pflanzenatmung. | Dauer | O,-Ver- 7 em- Atmende Substanz Zusatz a8 peratur ee: | Min. Grad cmm NEIN A N IEIED AV lassern ee | 30 20,5 | 37 0,6 Hefeautolysat . . | | Sn RER BES EN) er 30 | 205 | 161 0,6 Wasser el | | (Bei ungefähr gleicher Oberfläche | | | erreicht d. gleiche Blätterzahl) | | | | Ibemnaue ee Ar ee ee Sr 1129, Wasser Are 1230) | 20,5 37 O:paklefen an ea | feet. RE EN N a RL | 0,6 lassen Ne = } 30. | 20:5: | 174 ee durch die Ma- | | schine getrieben | Iags2Blatterbretener 222 51-0= Wasser 2. 0,6 Hefe u. 0,4 Wasser | % NT ne ee H 1,33%, N (Autolysat) . 2 | Indze; a re A: 1.0 Wasser . . SIR 60 19 | 145 0,6 Hefeautolysat RR | 1,5 g EEE NER IN 33 EN): . 1" 60 | 19 284 0,4 Wasser fein zerschnitten | | ES. EEE a Eee SEHE Wassers > Sr ne 45 | 29. | 104 BE | 0,6 Hefeautolysat u. 4 | SER DEE | 0,4 Wasser (1,33°/, N). | Aufschwemmungen v. Penicillium | glaucum in d. übl. Nährflüssigk. Pilzlamellen von Boletus edulis | 2 | | | & Nährflüssiekeit . 30 | 4 | 29 BROS ER. er Sr 0,7 $ 0,7 Hefeautolysat . . | Kae e 1,0 & OO ONE: |! (1,3 30) EIN DE ee FAR 30 24 s5 Penicillium glaucum abgeschält | vom Nährboden . ..... 10% Nährlösung? 2.22 2.7307717 22 67 2 0,5 „ | | jeweils etwa 2 qcm Pilzrasen !| 0,5 Hefeautolysat . . 30 | 22 244 E33 EN) | | Kultur von Hefezellen in der | | | üblichen Nährlösung | | en ee 0,1 Nährlösung .. .| 45 | 205 | 143 De a . | 0,1 Hefeautolysat ...| 45 | 20,5 | 302 Ve ER Le 0,05 Nährlösung .....| 20 | 20,5 | 81 DR. 210000 NEE REENER 0,05 Hefeautolysat . . | 20 -| 20,5 I 176 276 E. Abderhalden und E. Wertheimer: Weitere Beiträge zur Kenntnis Überblicken wir die gesamten Resultate, dann ergibt sich, daß Lösungen, die sog. Nutramine enthalten, seien es nun solche, die imstande sind, das Auftreten nervöser und anderer Störungen bei aus- schließlicher Fütterung ‚von geschliffenem Reis an Vögeln (Tauben) zu verhindern bzw. die bereits eingetretenen Erscheinungen zu be- seitigen, oder seien es solche, die den Ausbruch von Skorbut bei der ein- seitigen Ernährung mit bestimmten Nahrungsmitteln verhindern, eine ausgeprägte Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch ganz verschieden- artiger Zellen haben. Von allen untersuchten Zellarten erwiesen sich die im Nervengewebe enthaltenen am schwersten beeinflußbar. Zu diesen Versuchen war durch Zerstoßen in einem Mörser bereiteter homogener Gehirnbrei in Ringerscher Lösung verwendet worden. Es ist’ schwer zu sagen, ob die Zellen des Nervengewebes an und für sich schwerer beein- flußbar sind, oder aber ob die vorhandenen Bedingungen maßgebend waren. Die wirksamen Stoffe konnten vielleicht nicht so gut eindringen wie bei der Anwendung anderer Zellarten. Interessant ist, daß die graue Nervensubstanz etwa zweimal so stark wie die weiße Substanz atmete. Eine ausgesprochene Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch sowohl der grauen als der weißen Nervensubstanz hatten nur Extrakte aus Hefe und aus Kleie. Es ist gewiß nicht ohne Interesse, daß gerade diese Extrakte bei der sog. Polyneuritis!) der Vögel (Tauben usw.) eine ausgesprochene Heil- wirkung zeigen bzw. die bei alimentärer Dystrophie in Erscheinung treten- den Symptome rasch beseitigen. Die Antiskorbutica waren wirkungslos. 6 Von besonderem Interesse ist es, daß auch bei nach ihrer Zusammensetzung bekannten Ver- 5 bindungen spezifische Wirkungen auf den Sauer- stoffverbrauch von Zellen festgestellt werden Se konnten. Besonders hervorzuheben ist die Wir- 8 kung der Gruppe Glutamin, Glutaminsäure, & Pyrrolidoncarbonsäure, ferner die Glycerin- ji phosphorsäure und die Milchsäure. 1 Anhang. DO Er 3% 35#- yh. Eine Reihe von vorläufigen Versuchen wurde DeSRERg Re unternommen, um festzustellen, welchen Ein- Abb. 3. Einfluß der Bestrah- ]4ß die Lichtwirkung auf den Sauerstoffver- lung auf sensib. Blut. Oo I. Blut + 0,5 Eosin, Ringer 1%. brauch roter Blutkörperchen ausübt. Die Atmung a ken an > von Blut, das nicht sensibilisiert ist, wird durch Licht nicht beeinflußt, dagegen zeigte sich, daß Eosin den Sauerstoffverbrauch bei gleichzeitiger Belichtung mit diffusem Licht steigert. Wurde dagegen direktes Sonnenlicht verwendet, !) Der „klassische‘‘ Ausdruck ‚‚Polyneuritis“ ist ganz sicher unrichtig, denn es liegt in den meisten Fällen bestimmt keine Entzündung der Nerven vor. E. Abderhalden. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 277 dann trat eine deutliche Hemmung ein. Wurde die mit Eosin versetzte Lösung längere Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt (1 bis 2 Stunden), dann hörte jede Atemtätigkeit auf. Höhensonne hatte die gleiche Wirkung. Nach einiger Zeit stellte sich die Atemtätigkeit wieder ein. Abb. 3 gibt das Ergebnis eines solchen Versuchs wieder. Tabelle B. Versuche über Lichtwirkung auf die Atmung roter Blutkörperchen. ne Tem- [0] a-Ver- Atmende Substanz Zusatz bestrahlt | suches | Peratur | brauch in Min. Grad cmm 1 ccm fr. Menschenblut |0,5 Ringer 1® Sonne | 30 21 62 1 Eh} bh} „ 0,5 ER) Dave | 30 21 66 an, = 0,5 Ringer Quarzlampe 10° | 30 19 52 1 ” ” „ 0,5 ” „ 20° | 30 19 52 oe, = 0,5 E 5 450230 19 56 1 „ ” ” 0,5 „ SE | 30 19 52 Wärmewirkung wurde verhindert durch Einstellen der Gefäße in kühles Wasser. In Kontrollversuchen hat sich übrigens ergeben, daß sie vernachlässigt werden kann. Die benutzte Quarzlampe war System Hanau. Versuche mit sensibilisiertem Blut. l ccm fr. Menschenblut 1 ” ” ” l bh] 79 7 ll ah} 79 72 1 bh) 72 37 1 7) 7 Sn) 1 7) 72 ’ il 72 ah} 7 1 37 ah) 37 1 37 7 b 1 7) 77 7 1 Yh) ah) b) ii 71 7 bh) 1 bb) ah} bh] 1 7) 72 32 1 0,5 Eos.-Ring. 1°/,0 diff.Licht 2R 0,5 r dunkel 0,5 Ringer 0,5 Eos.-Ring. 1°/,, diff. Licht 1b 0,5 „ 19/0 „ ” 3 (mit Sonne) 0,5 ” 1%/oo RT 0,5 n 19/90 diff. Licht + Sonne 1P 0,5 5 1°/o0 V ollsonn. 10° 0,5 ” 1%/o0 Re 0,5 is 1°/gou Sonne 1h 0,5 a) 19/00 ” 2 | 0,5 ” 1°/oo Zus: 0,5 rn 1°/o0 Höh.-So. 45° 0,5 „ 19/90 >) ” 207 0,5 ” 1%/oo ” ” 10° 0,5 „ 1%/o0 Se, Reversibilität der Hemmung. 1 ecm fr. Menschenblut il 77 77 7) ah 2 ah] 0,5 Eos.-Ring. 1°/,, Höh.-So. 20’ 0,5 „ 1°/oo ah) „ 30 0,5 ” 1°/oo IN 30 30 30 Ein ähnliches Beispiel siehe Abb. 3. 21 21 21 0» |48 76 nach 15° 4h 41/,h '0 60 32 0130024 178 43 20 (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Halle a. d. S.) Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungs- stoffen mit spezifischer Wirkung. VIII. Mitteilung. Versuche an Meersehweinchen. Von Emil Abderhalden. (Ausgeführt mit Mitteln der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.) Mit 15 Textabbildungen. (Eingegangen am 5. Juli 1921.) Die ausgezeichneten Versuche von Axel Holst und Theodor Frölich!) haben gezeigt, daß das Meerschweinchen ein besonders geeignetes Objekt zum Studium des Skorbuts darstellt. Ernährt man diese Tiere ausschließlich mit Mais, Gerste, Hafer, Erbsen usw., dann zeigen sie nach einiger Zeit charakteristische Erscheinungen, wie Blutungen in Schleimhäute, Lockerung der Zähne usw. Nicht nur diese Symptome erinnern an die beim Skorbut auftretenden Er- scheinungen, vielmehr hat sich gezeigt, daß diese sich durch Pro- dukte bekämpfen, bzw. verhindern lassen, die sich beim Skorbut des Menschen als Heilmittel bewährt haben. Es ist eine Klasse von sog. Nutraminen bzw. Vitaminen aufgestellt worden, die man Anti- skorbutica genannt hat. Uns interessierte die folgende Fragestellung: Sind die Erscheinungen, die man bei Vögeln (Tauben) beobachten kann, wenn die Ernährung ausschließlich aus geschliffenem Reis besteht, vollständig verschieden von denen, die zum Beispiel bei Meerschweinchen nach aus- schließlicher Verabreichung von Nahrungsmitteln zu be- obachten sind, die zum Skorbut führen? Es wäre denkbar, daß die Tierart und darüber hinaus die Tierklasse einen entscheidenden !) Axel Holst und Theodor Frölich, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 42, 1..1912: E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis v. org. Nahrungsstoffen usw. 279 Einfluß auf die Äußerungen der Störungen hat, die im Gefolge der Er- nährung mit Nahrungsmitteln, denen bestimmte, noch unbekannte Stoffe fehlen, auftreten. So ist uns bekannt, daß die alimentäre Dystrophie bei Tauben, die auch ohne jede Begründung den Namen ‚‚Polyneuritis‘ erhalten hat, kaum Ähnlichkeit mit der Beriberi des Menschen hat. Tauben und Menschen erkranken, wenn ausschließlich geschliffener Reis verabreicht wird, und doch treten ganz verschiedene Krank- heitsbilder auf. Nun ist bei Tauben festgestellt worden, daß einige Zeit nach Ver- fütterung mit geschliffenem Reis die Körpertemperatur zu fallen be- ginnt. Parallel damit beobachtet man, daß der Gaswechsel fällt. So- bald man Stoffe verabreicht, die in der Lage sind, die Symptome der alimentären Dystrophie zu beseitigen, steigt die Temperatur, und der Gaswechsel steigt ebenfalls an. Dieselbe Erscheinung, diemanan ganzen Tieren in bezug auf den Gaswechsel beobachten kann, zeigt sich auch am einzelnen Gewebe. Untersucht ist bis jetzt speziell das Muskel- und Nervengewebe, andere Organe werden noch geprüft. Es war nun von großem Interesse, Meerschweinchen, die ausschließlich mit zu Skorbut führenden Nahrungsmitteln ernährt wurden, in der gleichen Richtung zu untersuchen. Es wurde täglich die Körper- temperatur gemessen und der Gaswechsel an einer ganzen Reihe von Tieren verfolgt. Während der ganzen Zeit blieb die Atmung, wie die folgenden Beispiele, die an Stelle zahlreicher Versuche mit- geteilt seien, zeigen, mit wenig Schwankungen gleich. Die Körper- temperatur zeigte auch kein charakteristisches Verhalten. Die Tiere erkrankten regelmäßig an Darmblutungen, bei einigen zeigten sich auch Blutungen im Zahnfleisch. In einigen Fällen waren die Zähne gelockert. Durch Eingabe von Antiskorbutica: Orangen- saft, Zitronensaft, Löwenzahn, ließ sich die Atmung nicht beeinflussen. In mehreren Fällen konnte eine außerordentlich wichtige Beobach- tung gemacht werden. Fast gleichzeitig mit dem Auftreten von Darmblutungen, manchmal auch etwas früher, zeigten die Versuchstiere schwere Krämpfe, und zwar klonische Zuckungen, manchmal auch Streckkrämpfe. Die Tiere legten sich auf die Seite und atmeten krampfhaft. Ein- gabe von Antiskorbutica — auch Einspritzungen von solchen — hatten keinen Einfluß auf die Krämpfe. Dagegen wirkte’ ganz ausgezeichnet alkoholisches Hefeextrakt bzw. Hefe-Autolysat. Die dem Tode nahen Tiere erholten sich, soweit die Krämpfe in Frage kamen, vollständig. Sie atmeten wieder ruhig, stellten sich von selbst auf die Beine und lebten noch mehrere Stunden, bis sie dann offenbar an den Erscheinungen des Skorbuts zugrunde gingen. 280 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Die Wirkung des Hefeextraktes war so prompt, daß ein Vergleich mit dem Verhalten von an alimentärer Dystrophie erkrankten, mit Hefe- präparaten behandelten Tauben sich durchaus aufdrängt. Interessanter- weise war im Krampfzustand die Körpertemperatur erniedrigt. Es besteht wohl gar kein Zweifel, daß die gemachten Beobachtungen in dem Sinne zu deuten sind, daß die Meerschweinchen genau so erkrankten, wie z.B. Tauben, die ausschließlich mit geschliffenem Reis ernährt worden sind. Dazu gesellten sich dann noch die besonderen Erscheinungen des Skorbuts. Selbstverständ- lich wurde nun umgekehrt eifrig beobachtet, ob nicht auch ausschließ- lich mit Reis gefütterte Tauben Erscheinungen von Skorbut aufweisen. Auch hierfür sind einige Anhaltspunkte insofern gefunden worden, als wiederholt kleine Blutungen in der Schleimhaut des Rachens als auch des Darmkanals zur Beobachtung kamen. Unter der großen Zahl der im hiesigen Institut beobachteten Tauben (es dürften wohl über 200 Tiere untersucht worden sein) sind allerdings bis jetzt nur zehn Tauben mit Blutungen an den genannten Stellen zur Beobachtung gekommen. Es scheint also, daß auch bei diesen skorbutähnliche Erkrankungen möglich sind. Diese Beobachtungen müssen selbstverständlich ausgedehnt werden. Es ist gewiß von großem Interesse, wenn gezeigt werden kann, daß unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen gleiche oder doch ähnliche Folge- erscheinungen bei ganz verschiedenen Tierarten zu be- obachten sind. Erwähnt sei noch, daß sowohl die an alimentärer Dystrophie erkrankten Tauben, als auch die an Skorbut verstorbenen Meerschweinchen histologisch ganz genau untersucht worden sind. Es ist nicht leicht, die erhobenen Befunde zu deuten, es bedarf einer großen Erfahrung, um Trugschlüsse auszuschließen. Hervor- gehoben sei, daß mehrfach bei Meerschweinchen, die an Skorbut erkrankt waren, und ferner bei Tauben, die an alimentärer Dystrophie zugrunde gingen, ausgedehnte Nekrosen in der Leber beobachtet wurden. In diesem Zusammenhange sei hervorgehoben, daß Axel Holst und Theodor Frölich (l.c. S. 116, 117) mitgeteilt haben, daß bei Schweinen neben Skorbut auch Lähmungen zu beobachten waren. Auch hier ist also festgestellt, daß die im Gefolge der Verfütte- rung bestimmter Nahrungsmittel auftretende alimentäre Dystrophie nicht einheitliche Erscheinungen zeigt, sondern vielmehr Züge aufweist, die dem Skorbut eigen sind, und solche, die an die sog. Polyneuritis der Vögel erinnern. Die folgenden Versuche sollen an Stelle von vielen ausgeführten und in gleichem Sinne verlaufenen Auskunft über das Verhalten der Atmung, des Körpergewichts und der Körpertemperatur geben. 281 von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VIII. ("1% I 8a — "9 WOA AyonsıoA) "Y UOUOLOMLISIIIN UB OUONSIOALISTIEMSEH h E 4 4 AM EL 4 0L 0-2 (d) gaV 09€ "Y UAYIUTOMUYISIOIMN UOA IUOIMIZIEAHLOM °T AAY | a4svaglayy, =] ng Ts 05 Eh Ih mn En R NIT ei e ! [ ib \| | | ; ji | IS N H je NA — 7 | x | | : len N EEE | N 3 \ AN y 22 ! | | | El IN al | JeseE \ % Il heat See | | [ = IL | je | een | 09h OLh 2,80 2,60 3#0 2,20 2,00 282 3,40 3,20 3,00 280 Abb. 3. Meerschwein- chen A (Versuche vom 31.1. bis 9. I. 21). 7cerh He gaurolysar per 05 160m SEIN; 390 = T S nn N 370 4 | } . R Q = I 360H-/emperatur \ S a3 7 Apfelsinersaft Abb. 5. Körpergewicht von Meerschweinchen D. Abb. 4. Meerschwein- chen A (Versuche v. 11.26.1721). 2. ca tccmH _- 421g Iarasse BETT 1m2. Ne 3 ES 2 IN EN A gOsg N N YA N / 3219 N 7 NY EEE EFT ER RER EIER VER ERSTEN 7 7zUhr 1 2 3 4 5 | 16,2. | 4829 3,40- 212. 3,20 3.001 IE 2,80 I 23:2: 2,60. 240 780 160 70 NEUN NEE [4 72Uhrr 1 2 Jg 7 Abb. 6. Gaswechselversuche an Meerschwein- chen D (Versuche vom 5.—23. DI. 21). E. Abderhalden: Zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. DEREN ONE 70) 283 12. 14. 16. 718. 20. 22. 1ccm Hefe- aufol,sat BEL.98 fu eautolysar per 05 a 3329 N - R DE RN u a | | N De. lomHefe- | Q N qulosat mg N S u, subkutan, | R N Apfelsineds, IE nalen \ N /ÖK. i N Ser | N RE en N | I ; Y | 4039 7 1zUhr 17 2 J 4 9 ö 7 | Meerschweinchen D. (Versuche vom 25. IL.—8. III. 21.) 400 - 234 Abb. 10. 2.3: 27893612, 304 Abb. 9. Gaswechselversuche an Meerschweinchen H. (Versuche vom 13.20. IV. 21.) Das Tier wird mit Hafer gefüttert. 240 - 2,204 3799 (378%) L 3819 (389 200, „Jn02g (3079 415913777) Er 4419 (38,1) r 3949 (3779 189 4239 (379°) 150: en! 4 1,40 70 77 He, Abb. 8. Körpergewicht von Meerschweinchen H. Meerschweinchen H. (Versuche vom 21. IV.—2. V. 21.) 3609.38) 3799/3759 34793799 3829/3779 3299 8837) 3369(3772) 3569 (38,2) seem fe e- u 284 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis ZERO TORSTZENTINEIORSIESSZOEZL. 420 3.00 2,80 2607 15, [ 240 m\ 4199 (37.09 D 2,20 er S 95. YET? sgagta59 N 38993757 I 2,00 Q u 37393769) LT | 39293779 Q 180 N 10.5. S L R Er mwN ez S, Y SEVES 160 v 7 70 7 12Uhrr 7 2 & 4 Abb.11l. Körpergewicht von Meer- Abb. 12. Gaswechselversuche an Meerschweinchen I (Ver- schweinchen I. suche vom 6.—14. V. 21). 2,80 2,60 2434 . (269 2,40 getötet | 253 24,5. | 2,20 N 2 215 3489 (38,2%) | 235. 3579 (385%) | iS 2699 x 2,00 Sl | N 5 \ S 7,80 | ICE. | 71,60 eingedampftes_ \rkauiorei- per.05. | 1,40 120 9 70 M 720 17 2 3 4 5 6 7 Abb. 13. Meerschweinchen I (Versuche vom 19.—25. V. 21). von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VIII. 285 Meerschweinchen A. (Dreifarbiges Meerschweinchen, braun mit schwarzem Gürtel und weißem Kopf, auf der rechten Kopfseite schwarzer Fleck.) Das Tier hungert vom 5.1. bis 14. I. Von da ab erhält es feuchte Gerste und darauf Erbsen. Die Erbsen wurden vor der Verabreichung mit Wasser aufgequollen. Zu den einzelnen Versuchstagen ist nichts Besonderes zu bemerken, bis auf den Schlußtag. Am 26. II. ist im Protokoll vermerkt: ‚Während der beiden ersten Gaswechselversuche war am Tier nichts Besonderes zu bemerken. Am Ende des dritten Versuchstages traten heftige Krämpfe auf, die ins- besondere die Extremitäten betrafen. Das Tier legte sich dann auf die Seite, zuckte lebhaft mit den Beinen. Es machte einen sehr matten Eindruck und schien dem Ende nahe zu sein. Das Tier erhielt nun- mehr per os 1 ccm Hefe-Autolysat. Nach dessen Zufuhr lag das Tier ‚etwa eine Viertelstunde regungslos auf der Seite, die Krämpfe hörten vollständig auf. Es stellte sich wieder von selbst auf die Beine und atmete wieder ruhig. Nach weiteren 3 Gaswechselversuchen zeigte sich wieder Zunahme der Schwäche. Krämpfe treten nicht mehr auf. Am nächsten Tage wurde das Tier tot im Käfig gefunden. Bei der Sektion ergaben sich zahlreiche kleine Blutungen im Enddarm. Meerschweinchen D. (Hellgelb mit schwarzen Flecken und weißen Langstreifen im Gesicht.) Das Tier erhält vom 4. II. an ausschließlich geschälte Erbsen, die vorher mit Wasser zur Quellung gebracht worden sind. Am 7. März zeigte sich eine Blutung aus dem Mastdarm. Das Tier sieht sehr schwach aus, die Haare sind gesträubt. Das Tier erhält nunmehr per os 1 ccm Hefe-Autolysat. Das Tier erholt sich allmählich etwas. Nach 3 weiteren Stunden sitzt es ganz apathisch da. Es erhält subcutan eine Einspritzung von 1 ccm Hefe-Autolysat. Am 8. III ist im Protokoll vermerkt, daß die Augen des Tieres fort- während tränten, es tritt Haarausfall auf. Nunmehr wird ein Stückchen Apfelsine verabreicht, und schließlich wird noch 1 ccm Apfelsinen- saft subcutan eingespritzt. Am nächsten Tage wurde das Tier tot im Käfig gefunden. Die Sektion ergab Muskelblutungen, Blutungen im Enddarm. Die Leber zum Teil auffallend anämisch. Meerschweinchen H. (Weiß mit drei schwarzen und zwei gelben Flecken.) Das Versuchstier wird vom 12.1V. an mit eingeweichtem Hafer gefüttert. Zu den einzelnen Versuchstagen ist folgendes zu bemerken: 286 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Am 26. IV. schlief das Versuchstier während des letzten Versuchs. Am 30. IV. ist im Versuchsprotokoll bemerkt: Das Meerschweinchen hat nur 5 g Hafer gefressen. Der Kot ist weicher als gewöhnlich, das Versuchstier macht einen kranken Eindruck. Am 29. IV. hat es 24 g Hafer aufgenommen. Schon an diesem Tage fiel es auf, daß es nicht so munter war wie sonst. Am 2.V. ist vermerkt, daß das Versuchstier noch krank aussah, es fraß jedoch 30 g Hafer. Am gleichen Tage wurde um 11 Uhr vor- mittags eine Mastdarmblutung beobachtet. Das Tier erhielt Hafer, der mit frischem Zitronensaft vermischt worden war. Das Versuchstier frißt von dem Hafer. Abends 4 Uhr erweist sich das Versuchstier als sehr schwach. Es zeigen sich Streckkrämpfe in den hinteren Extremi- täten. Die Atmung ist gesteigert und mühsam. Das Tier legt sich auf die Seite und atmet schließlich nur noch ruckweise mit weit geöffnetem Munde. Das Tier erhält 5 ccm Hefe-Autolysat per os. Es erholt sich nach kurzer Zeit etwas, richtet sich wieder auf, geht jedoch innerhalb einer Stunde zugrunde. Bei der Sektion wurde eine Weichteilblutung in der Knorpel-Knochengrenze der oberen Rippen gefunden, außerdem Mastdarm- und Zahnfleischblutungen. Meerschweinchen HF. (Braun-weiß-schwarz gestreift.) Das Meerschweinchen wurde vom 5. V. an ausschließlich mit ein- geweichtem Hafer gefüttert. Im Protokoll findet sich verzeichnet, daß am 23. V. das Tier schweren Darmkatarrh aufwies. Im Stuhl- gang fand sich Blut. Es wurde nunmehr dem Tier Hafer vorgesetzt, dem Saft einer Zitrone beigemischt war. Das Tier nahm jedoch nur wenig Nahrung auf. Am 24. V. trat wieder eine Darmblutung auf, das Tier erhielt ein Stückchen Zitrone. Am 25. V. ist vermerkt: Kein Blut im Stuhlgang, das Tier sieht sehr krank aus. Es ist sehr schwach. — Es wurde nunmehr Löwenzahn verabreicht, das Versuchstier fraß davon nur wenig. Um 3 Uhr nach- mittags traten heftige Krämpfe auf, im Anschluß daran liegt es unruhig atmend auf der Seite. Es wurden nunmehr 5 ccm einer Lösung von bei niedriger Temperatur eingedampftem Hefe-Autolysat per os verabreicht. Es tritt eine kleine Blutung aus der Nase auf. Das Tier versucht sich aufzurichten, es ist aber offenbar zu schwach dazu. — Krämpfe sind nicht mehr vorhanden. Die Temperatur sinkt dauernd. Das Tier wird schließlich getötet. Bei der Sektion zeigt sich eine schwere Pneumonie und eine Blutung im linken Kniegelenk. Es sind auch Blutungen im Enddarm vorhanden. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VIII. 287 Anhangsweise seien noch 2 Versuche an Meerschweinchen wieder- gegeben, die in besonders deutlicher Weise den Einfluß der Beigabe von Antiskorbutika enthaltenden Nahrungsmitteln auf das Befinden von ausschließlich mit Hafer ernährten Meer- schweinchen zeigen. Die Tiere erhielten 5 g Löwenzahn pro Tag. Das Gewicht bezieht sich auf die frischen Blätter. Sobald der Löwen- zahn weggelassen wurde, fiel das Körpergewicht stark, wurde die Zu- gabe von Löwenzahn dann wieder hergestellt, so hörte der Verlust an Körpergewicht auf. Während der Periode, in der kein Löwenzahn verabreicht wurde, war die Aufnahme von Hafer z.T. etwas vermindert, jedoch nicht so wesentlich, daß sich daraus der starke Gewichtssturz erklären ließe. Es sind auch schon vor längerer Zeit von mir Versuche in der Art durchgeführt worden, daß den Tieren zwangsweise, soweit das nötig war, Haferkörner zugeführt wurden , um zu erreichen, daß die aufgenommenen Futtermengen in den Perioden mit und ohne Löwenzahn sich gleich blieben. Auch hierbei zeigte sich der Einfluß des Löwenzahns sehr deutlich, indem das Körpergewicht, trotz gleicher Nahrungsmengen, beim Fehlen des Löwenzahns außerordentlich rasch fiel. Ja, in einzelnen Versuchen hatte man fast den Eindruck, als ob durch das. Fehlen. des Löwenzahns das Versuchstier trotz der Auf- nahme von Haferkörnern einem Hungertier ähnlich wurde!). Die beiden beifolgenden Kurven geben einen Einblick in den Ver- lauf der oben erwähnten Versuche an Meerschweinchen, die aus- schließlich mit Haferkörnern, mitundohne Löwenzahn- zusatz, ernährt worden sind. Alle Einzelheiten ergeben sich aus den beiden Abbildungen 14u. 15. Aus dem Protokoll des Versuchstieres K ist zu bemerken, daß es am 23. Versuchstage einen kranken Eindruck machte. Es atmete hastig und zeigte leichtes Zittern. Nach Zugabe von Löwenzahn verloren sich diese Erscheinungen bald. In den letzten zehn Tagen vor dem Tode des Versuchstieres zeigten sich zunächst Er- scheinungen von seiten des Darmkanals. Der Kot wurde mehr und mehr breiig. Es trat Tränen der Augen auf; die Hornhaut trübte sich; auf beiden Seiten zeigten die Fußgelenke der Hinterbeine Ödeme. Bei der Sektion ergab sich: Blutungen unterhalb des rechten Schlüsselbeins und in der Gegend des sechsten Rippenknorpels rechts und links. Besonders bemerkenswert ist der Befund eines großen runden Magengeschwürs mit Durchbruch in die Bauch- höhle. Subphrenischer Abzeß; reichlich Flüssigkeit in der Bauch- höhle; diffuse Verklebungen; Belag auf dem ganzen Dünndarm. Das Versuchstier L lebte bei Abbruch des Versuches noch. Be- sonderes ist über das Tier nicht zu berichten. !) Bei diesen Versuchen unterstützte mich Frl. Müller. 288 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Verwiesen sei in diesem Zusammenhange noch auf die Mitteilung IX !) aus der hervorgeht, daß bei Meerschweinchen, die an Skorbut erkrankt sind und gleichzeitig Krämpfe zeigen, auch die Gewebsatmung in ähn- licher oder vielleicht gleicher Weise verändert ist wie bei Tauben, die 580% 468 Wr Mb 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 W 42 Yu 46 48 50 52 54 56 30 /- 20 Y Aufgenornmere Wahrungsmerge || Abb. 14. an alimentärer Dystrophie leiden. Es wird von größtem Interesse sein, herauszubringen, ob die Nutramine Stoffe darstellen, die ganz allgemein alle Zellarten beeinflussen, oder aber, ob es solche gibt, die auf bestimmte Zellformen eingestellt sind. 1) Vgl. dieses Arch. 1921 (im Erscheinen). von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 289 Nach dieser Richtung wird sich wohl in der nächsten Zeit die ganze Forschung zu bewegen haben. Ein Problem, das in dieser Richtung liegt, ist bereits von mir in Angriff genommen worden, und zwar wurde die Fragestellung verfolgt, ob es möglich ist, das Wachstum der Haare durch bestimmte Produkte zu steigern, bzw.anzuregen. Bekanntlich hat Zuntz!) Beobachtungen mitgeteilt, wonach das Wachstum der Haare durch Ver- 246968 MR M 1% 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 W 42 44 46 48 50 52 54 56_58_60 62_6%4 620, 70 1 I + ON Gewicht ||| |Zawerkönn BanER Ar 600 1 4 + + IPRrFFArrrrr + I 590 MIETEN, 14444 Le 4 \ | | N Te Ir HERRIN 5 | [| I N BB MIsim] eh | jaialzı | 56 + cin Fer wird 4 N ZZ. 550 r rt m ni 29 MA WERgelaSSeN, "HnnnnAnnmnn nm öwenzahtı \ 540 uREEnE .. 14 ei 530 HH + + 4 sarrnnnn | ) 520 Pe! 4 ala ae je u + + ul \\ | J3g Zowerzarrı 570 arRrRr! 444-444 + +++ Hot 500 BB | nn ee N He || al Kl || I ANIZERGRIEH ER MT — 44441 = + —— + 480 + + u Il LU al 470 a BuN 1 ULLI U 460 + + + WILL. | al N 444 IEltEll ul, 4 an 450 44 - ug 4 + .l 440 Ju ++ 1+ | 1A ._ S 4 all een af N | IN I} TI] 1 T Term eratur W olassen sgLöwerzahn 7 A 59, ZORERCGUN, 39° weggelassen armkatarrk\ At RELLEEEERFRE 38° = 7° 4: [I] ++ ” SEHEN UN N ZEE nu. WI ı-=r dar weggelass Me Sasse It N Nr rmkatarrı 30 a \ ft ha N sg|\löwenzaı | 20 Zu 4 + BaER - = ufgero, (RIERE Ä Wahrungsmenge 5g Löwenzahn iM I | Abb. 15. abreichung von hydrolysiertem Horn gesteigert wird. Es liegen speziell Beobachtungen an Schafen und vereinzelt auch solche an Menschen vor?2). Das abgebaute Horn wurde per os verabreicht. Die Idee, die den ganzen Untersuchungen zugrunde liegt, ist, den Zellen, von denen die Haarbildung ausgeht, ein Nährmaterial zuzuführen, das alle Bau- steine für die Haarbildung enthält. Bekanntlich enthält das Keratin sehr viel Cystin. Dieser Baustein spielt beim Aufbau der Haare ohne 1) N. Zuntz, Dtsch. med. Wochenschr. 46, 145. 1920. 2) Vgl. hierzu Erwin Pulay, Med. Klinik 1238. 1920. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 19 290 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Zweifel eine ganz besonders wichtige Rolle. Von theoretischen Ge- sichtspunkten aus lassen sich manche Bedenken gegenüber der Mög- lichkeit, den Aufbau bestimmter Stoffe im Organismus durch die Zu- fuhr eines bestimmten Baumaterials vom Darm aus zu beeinflussen, aufstellen. Die vom Darm aus resorbierten Produkte gelangen zu- nächst in die Leber. Dort wird ohne Zweifel mancher Stoff zurück- gehalten und umgewandelt. Es ist noch nicht erwiesen, daß es möglich ist, den Gehalt des Blutes an einzelnen Aminosäuren durch die Art der verabreichten Eiweißstoffe bzw. Eiweißabkömmlinge zu beeinflussen. Unsere Kenntnisse sind jedoch nach dieser Richtung noch so gering, daß der praktische Erfolg der Beeinflussung des Wachstums bestimmter Gewebsarten durch die Art der Nahrung maßgebend bleiben muß. Es bleibt jedoch noch die Möglichkeit, daß die beobachtete Steigerung des Wachstums der Haare nicht auf den Gehalt der verabreichten Produkte an einzelnen Aminosäuren zurückzuführen ist, sondern viel- mehr darauf beruht, daß der wirksame Faktor in noch unbekannten Nahrungsstoffen (Nutraminen) zu suchen ist!). Von dieser Mög- lichkeit ausgehend, sind eine ganze Reihe von Versuchen der folgenden Art unternommen worden?): Gleichaltrigen Meerschweinchen wurden auf dem Rücken Haare abgeschnitten. Es wurde jedesmal ein bestimmtes Feld der Haut abgegrenzt. Alle in ihm liegenden Haare wurden gleich- mäßig abgeschnitten und gewogen. Ferner wurde unter dem Mikro- skope die Struktur der Haare festgestellt und ihre Dicke an Quer- schnittpräparaten genau gemessen. Damit kein Zufall eine Rolle spielen konnte, wurden stets zahlreiche Haare zu den Messungen herangezogen. Nunmehr wurden subceutan in dem Bereich des Gebietes, in dem die Haare abgeschnitten waren, Lösungen bestimmter Stoffe eingespritzt. Die Lösungen wurden steril angewandt. Zur Verwendung kamen je 2 bis 3 ccm von: 1. Einer lproz. Lösung von Cystinäthylesterchlorhydrat. 2. Einer 1 proz. Lösung von aus Federn hergestelltem Pepton. Die Lösung (a) enthielt 0,0903% Stickstoff. Ein zweites Präparat (b) enthielt 0,098% N. 3. Lösungen eines, wie folgt, zubereiteten Haarextraktes: Haare wurden mit 10 proz. Schwefelsäure auf dem Wasserbad erwärmt bis der Hauptteil davon in Lösung gegangen war. Die Schwefelsäure wurde dann durch Bariumhydrat quantitativ entfernt und das Filtrat vom Bariumsulfat unter vermindertem Druck zur Trockene einge- dampft. Der Rückstand wurde mit absolutem Alkohol ausgezogen. Der in Alkohol lösliche Teil wurde unter vermindertem Druck zur Trockene eingedampft. Ein Teil des ursprünglichen Rückstandes !) Bei diesen Untersuchungen erfreute ich mich der Hilfe von Frl. Krebs. ?) Vgl.-hierzu auch Erwin Pulay (l. c.). von organischen Nahrungsstöffen mit spezifischer Wirkung. VIII. 291 wurde zurückgehalten, ohne mit Alkohol ausgezogen zu werden. Wir stellten dann 1 proz. Lösungen her und zwar: a) aus dem ursprünglichen Rückstand, b) aus dem in Alkohol unlöslichen Rückstand, c) aus dem in Alkohol löslichen Teil. Von diesen drei Lösungen spritzten wir subcutan je 3 ccm ein. Die Einspritzung wurde alle 3 bis 4 Tage wiederholt. Mit den gleichen Produkten haben wir die Versuche auch in der Weise wiederholt, daß je 10—20 ccm der Lösungen per os zugeführt wurden. | Endlich wurde in der gleichen Weise Meerschweinchenhaut verarbeitet, d.h. das Fell eines Meerschweinchens wurde mit 10 proz. Schwefelsäure in Lösung gebracht. Im übrigen war die Verarbeitung genau die gleiche, wie oben angegeben. Auch wurden die gleichen Lösungen, wie aus den Haaren, dargestellt. Die Länge der wachsenden Haare wurde von Zeit zu Zeit genau ge- messen und gleichzeitig auch das Körpergewicht der Tiere genau ver- folgt, um einen Maßstab für das Befinden der Tiere zu haben. Die Haare wurden ferner nach ihrer Beschaffenheit, Dicke usw. genau geprüft. Zum Vergleich dienten Tiere des gleichen Alters, denen ebenfalls Haare abgeschnitten worden waren, ohne daß jedoch besondere Stoffe zugeführt wurden. Die Tiere wurden peinlich genau gleich gefüttert und gleich gehalten. Es ließ sich kein Unterschied im Wachstum der einzelnen Haare feststellen. Es zeigte sich, daß z. T. nicht unerhebliche individuelle Unterschiede vorhanden waren, und daß nur durch eine große Anzahl von Versuchstieren Zufälligkeiten vermieden werden können. Erwähnt sei, daß schon in Versuchen, die bereits Anfang des vergangenen Jahres (1920) begonnen worden sind, geprüft wurde, ob der Haut durch Wasser, Alkohol, Tetrachlorkohlenstoff Stoffe entzogen werden können, die auf das Wachstum der Haare einwirken. Ferner wurde Haut der Autolyse überlassen und die in Wasser löslichen Produkte verwendet. In keinem Falle war ein sicherer Erfolg zu erzielen. Unsere Versuche haben somit keine Stütze für dieAnnahme er- geben, daß es möglich ist, das Wachstum der einzelnen Haare durch Zufuhr bestimmter Produkte, die aus den Haaren selbst oder aus der Haut stammen, zu fördern. Es ist selbstverständlich damit nicht ausgeschlossen, daß trotzdem solche Produkte existieren. Es wäre ja denkbar, daß sie besonders empfindlich sind oder aber in anderen Lösungsmitteln als in den von uns verwandten löslich sind. Eine andere Frage ist die, ob es möglich ist, die Anzahl von Haaren auf einer bestimmten Fläche zu steigern. Versuche, die nach dieser Richtung durchgeführt worden sind, ergaben keine sicheren Resultate. 105 292 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Es wurden die Haare auf einer abgemessenen Fläche bis auf 3mm abge- schnitten und dann mit und ohne Zufuhr von aus Haaren, Federn oder Haut gewonnenen Produkten nach 2—4 Wochen das Gewicht der wiederum abgeschnittenen Haare bestimmt. Im Durchschnitt waren die Gewichtsmengen bei den mit den erwähnten Produkten behandelten Tieren größer als bei den Kontrolltieren. Insbesondere war das der Fall, als der alkohollösliche Teil aus abgebautem Haar zur Verwendung kam. Da jedoch die Ergebnisse sehr unregelmäßig waren, und einzelne der behandelten Tiere weniger Haarausbeute ergaben als die Kontroll- tiere, möchten wir auf die erhaltenen Unterschiede kein besonderes Ge- wicht legen. Es hält sehr schwer, eine bestimmte Hautfläche ganz gleichmäßig im Haarkleid zu kürzen. Ferner zeigte schon der Vergleich der vor dem eigentlichen Versuch abgeschnittenen Haare, daß die Haardichte bei den einzelnen Tieren eine verschiedene ist, denn die Gewichtsmengen der entfernten Haarteile waren individuell verschieden eroß. Man darf infolgedessen nicht einfach die nachgewachsenen Haarmengen dem absoluten Gewicht nach unter sich vergleichen, sondern man muß das Gewicht der vor dem eigentlichen Versuch ab- geschnittenen Haare mit der nach einiger Zeit erzielten Haarausbeute in Beziehung bringen. Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse war ein bestimmter Einfluß der per os und subcutan zugeführten Stoffe nicht eindeutig feststellbar. Erwähnt sei auch noch, daß wir in schon weiter zurückliegenden Versuchen viel größere Stoffmengen verabreicht haben. Per os wurde bis zum hundertfachen Betrage der in den unten mit- geteilten Versuchen angewandten Stickstoffmengen zugeführt und eben- so wurden subcutan viel größere Mengen — bis zu 1g Stickstoff — verabreicht. Da jedoch häufig Störungen — bei Zufuhr per os Diarrhöen und bei subeutaner Eingabe Entzündungen — eintraten, wurde zu kleineren Stoffmengen übergegangen. Die Resultäte waren bei der Zufuhr größerer Mengen an den einzelnen Produkten nicht andere als bei Zufuhr kleinerer Mengen. Einige Protokolle mögen über die Ergebnisse der ausgeführten Versuche Auskunft geben: Haarwuehsversuche an Meerschweinchen. 1. Versuche mit Cystinäthylesterchlorhydrat, mit Pepton aus Federn a und Pepton aus Federn b. Vier Meerschweinchen wurden auf dem Rücken geschoren und gleichzeitig in den Versuch eingestellt. Nr. 1, 2, 3 wurden mit 2- bzw. 1 proz. Lösungen der oben- genannten Substanzen behandelt, Nr. 4 diente als Kontrolle. Die Tiere bekamen normale Kost. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 293 Meerschweinchen Nr. 1. Meerschweinchen Nr. 2. Farbe: grau-weiß-gelb. Farbe: schwarz-weiß-gelb. Bekam am 14. IV. 2ccmeiner ca. 2 proz. Erhielt am 14. IV. 2 ccm einer 1 proz. Cystinäthylesterchlorhydratlösung Lösung von Pepton aus Federn a, subeutan. Lösung enthält 0,15% N. subcutan. Lösung enthält 0,0903% N. Datum nn ne Au uon Datum | ek in Tnjekulon g mm ccm g mm ccm J2.7V. | 512 er 2 14. IV. | 480 — 2 NE] 0) 3 ae 17.IV. | 495 3 — 20.IV. | 500 5 = 19.IV. || 532 = 2 23V. | 5A 6 = 20227 |.500 4 — 2b ul, 522, |“ lem 3 23.IV. | 492 7 — INK 550 1.1 — 26.IV. | 480 I 3 3.V. 520 1,4 3 2IRIVE 0252072 °TsKem _ LOVE 540 1,6 3 SVEN AG 1,3 B) ETW. 558 1,8 — 10SVe2 172:5002 2166 — 21. V. 520 2,0 3 HD2a\e22 72508 — 3 29. V. 560 2,4 —_ 12 | 1,9 — £ 2 V. 475 169 3 Der Versuch wurde eingestellt. >29.Vv. | 509 22 38 Der Versuch wurde eingestellt. Meerschweinchen Nr. 3. Farbe: gelb-weiß. Meerschweinchen Nr. 4. Erhielt am 14. IV. 2ccm einer 1 proz. \ Lösung von Pepton aus Federn b, \WOIED Benin subcutan. Lösung enthält 0,098% N. Kontrolle zu 1, 2 und 3. Datum | en en Tajektion Datum | | ee g mm ccm | g mm 14. IV. 454 = 2 VEN 345 | 3 Irre NW, 445 B) = 20 N 340 | ) 19-EVE 447 = 2 25 Vene 350 | 5 23. IV. 478 8 — 22H 332 8 26. IV. 454 I > 23 DV 350 lem 29. IV. 484 1,2cm — 3. V. | 312 1,3 "3. V. 423 1,4 3 10. V. I 335 1,4 10.V. 460 1,6 = I2SVE | 342 — N We 460 169 —e IDSVE | 330 — 2 SYE 400 | 21 3 VNA er u. LT DIENE 455 2,2 — Das Tier starb an Lungen- Der Versuch wurde eingestellt. entzündung. 294 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Meerschweinchen Nr. 5. Mit schwarzem Kopf und weißem Hin- terkörper. Bekommt täglich 20 ccm einer ca. 2 proz. Cystinäthylesterchlor- hydratlösung mit Futter vermischt. Körper- Haar- Cystin- Datum gewicht | messung lösung g cm ccm | | 3a Vaeıı 2Asn. |, 0 20 6..V. 455 0,2 20 19.V.011473 0,5 20 ELaVE 500 0,75 20 DU.EV: A460: 20 20V. 480 | 16 20 Der Versuch wurde eingestellt. Meerschweinchen Nr. 7. Hellgelb-grau und weiß gescheckt. Bekommt täglich 20 cem der 1 proz. Peptonlösung b (aus Federn) mit Futter vermischt. Körper- Haar- Pepton- Datum gewicht | messung lösung g cm ccm 33V: 367 —_ 20 6. V. 395 0,2 20 12.V.,,| 413 0,6 20 ua Vve 4227| 09 20 2. V.. AD? 20 39. V. 465 1,6 20 Der Versuch wurde eingestellt. Meerschweinchen Nr. 6. Schwarz-weiß-gelb mit weißen Hinter- beinen, bekommt täglich 20 ccm der 1 proz. Peptonlösung a (aus Federn) mit Futter vermischt. Körper- Haar- Pepton- Datum gewicht | messung lösung g cm ccm VE 390 = -20 6. V. 390 0,2 20 19. -V. 395 0,7 20 IE VE 400 0,9 20 DIVE 360 151 20 23V: 425 1a 20 Der Versuch wurde eingestellt. Meerschweinchen Nr. 8. Schwarz-weiß gescheckt. Kontrolle für Nr. 5, 6 u. 7. | \ Körper- Haar- Datum | gewicht messung g cm ae 447 — en | 460 0,2 10V 460 0,4 12. 92002456 0,6 1.0.7: 470 0,9 21. V. 425 1 29. V. 420 1,6 Der Versuch wurde eingestellt. Versuche mit Haarextrakten. Herstellung des Haarextraktes: In H,SO, gekochte Haare wurden mit Ba(OH), und BaCO, genau neutralisiert und das Filtrat im Vakuum zur Trockne eingedampft. Ein Teil des eingedampften Rückstandes wurde mit Alkohol extrahiert, das Alkohollösliche vom Alkoholunlöslichen durch Filtrieren getrennt und ebenfalls im Vakuum zur Trockne eingedampft. Dann wurden aus diesen Extrakten drei 1 proz. Lösungen hergestellt und zum Versuch verwendet. 1. Aus nicht extrahiertem Haarextrakt. 2. Aus dem alkoholunlöslichen Rückstand des Haarextraktes. 3. Aus dem alkohollöslichen Rückstand des Haarextraktes. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 295 Meerschweinchen Nr. 9 und 10 wurden gleich behandelt mit nicht extrahiertem Haarextrakt und bekamen am 22. X. morgens die erste Injektion von 3 ccm der 1 proz. Lösung. Meerschweinchen Nr. 9 schwarz- weiß-braun gefärbt (Kopf schwarz). weiß-braun gefärbt. Meerschweinchen Nr. 10 schwarz- Körper- | Haar- | Injekt- | | Körper- Haar- | Injek- Datum gewicht | messung tion Datum gewicht | messung tion g | cm cem | g | cm ccm 22% 1058001003 3 EDS 400 10,3 3 25. X. 560 20,5 3 DHERU 397 0,5 3 DER, 5006 19.8057. 6 28.X. 370 0,7—0,75| 6 ISOXE 544 | 0,9 — 1: RE} 7 2860 0,9—0,95 | — 4.xXT. 5407 51 — 4.XI. 350 til —_ 26 550200142 6 RE 365 1,25 6 TOSXT: 563 | 1,35 — 10x00 © 50 01a we ar 2IE 560 | 1) — 13. XI. — 1) N Meerschweinchen Nr. 11. Farbe: weiß, bekam am 22. X. 20 die erste Injektion von 3 cem einer 1proz. Lösung, hergestellt aus alkoholunlös- lichem Rückstand vom Haarextrakt. | Körper- Haar- Datum | gewicht | messung | Injektion | g cm cem Rs DIE 445 3 3 DDR: 448 5 3 DIR 405 15 6 1,205 405 9—9,5 — 4. XI. 410 11 = TORE 420 law 06 10. XI. 415 1,4 == 1lay 2IE 430 1,6 — Meerschweinchen Nr. 13. Farbe: weiß, mit braunen Ohren. Das Tier bekam am 22. X. 20 die erste Injektion von 3 ccm einer ] proz. Lösung aus alkohollöslichem Rück- stand von Haarextrakt. Datum en , Injektion g em | ccm DIE 685 0,3 3 25... 630 0,5 3 DIR 625 0,7 6 16:20 630 1,0 — 4. XI. | 650 1,1 an 7.XL | 640 1,3 6 10. XI. 648 1,6 — 13. XI. u 1,8 a Meerschweinchen Nr. 12. Farbe: weiß, lila gezeichnet, wurde behandelt wie Nr. 11. \ Körper- | = Datum | Be micht | er Injektion | g | cm cem DR ae 3 23.x%.| 40 5 3 | er | 6 1.xX1.| 3834 | 9 x 4. XI. | 380 1.05 ” 102 7370, 0.13 Bi ar EN 1.45 er Versuch beendet. Meerschweinchen Nr. 14. Farbe weiß, mit einem schwarzen Ohr. Wurde behandelt wie Nr. 13. Inz= Datum | nn en Injektion g cm ccm Pr I 530 0,3 3 75,80 0550 0205 3 ZIER 485 0,7 6 12x 50521.20:95 = 4. XI. 500 115 — a Ba | 5 6 10. XI. 520 5 — 12 | NT u Versuch beendet. 296 Meerschweinchen Nr. 15. Farbe: weiß. Ohne Injektion. Kontrolltier zu Nr. 9, 10, 11, 12, 13 und 14. E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Meerschweinchen Nr. 16. Farbe: schwarz-weiß gescheckt. Ohne Injektion. Kontrolle zu Nr. 9, 10, 11, 12; 13, 14. lem an Haarmessung g cm DIR, 705 0,3 25. X. 710 0,5 28. X. 635 | 0,65 ERRa]S 660 0,85—0,9 DU | 650 1.05 ERDE 658 1.2 10:.xXT. 665 1,35 T3EXT. — 1:9 Kö 2 Datum Be Haarmessung g cm 22.8 440 0,3 25.X. | 500 0,5 98... 540 0,6 Das Tier wird tot im Käfig gefunden. Meerschweinchen Nr. 17. Farbe: schwarz, mit weißer Blesse. Das Tier bekommt aller 2 Tage 10 ccm einer 1 proz. Lösung aus Haarextrakt, welcher nicht mit Alkohol extrahiert ist, mit dem Futter. ı Körpergewicht | Haarmessung Extrakt Datum | & cm ccm 8. Xl. 402 0,3 10 10. XI. 390 0,5 10 122XT. 400 0,7 10 1522,08 390 0,75 10 Das Tier wird frisch geschoren auf 3mm und mit obiger Lösung jeden Tag auf der geschorenen Stelle eingerieben. 16.7. 270 0,3 18. X1. | 260 | 0,5 22: X.) 250 0,7 26. XL — 0,85 Meerschweinchen Nr. 18. Farbe: schwarz-weiß-gelb gescheckt. Wurde behandelt wie Nr. 17. Datum | Körpergewicht | Haarmessung Extrakt g cm ccm 8. XI. 2% 03 10 10. XI. 270 0,5 | 10 122 DTE 265 0,65 | 10 1:9..XT. 265 0,75 | 10 , Das Tier wird frisch geschoren auf 3 mm | und mit obiger Lösung jeden Tag auf der geschorenen Stelle eingerieben. 16. XI. 270 0,3 18.1. 260 0.5 | 22.1: 250 0,7 26. XI. — 0,8 | von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 297 Meerschweinchen Nr. 19. Farbe: dunkelbraun und gelb gescheckt. Das Tier bekommt aller 2 Tage 10 cem einer 1 proz. Lösung aus alkoholunlöslichem Rückstand von Haar- extrakt aufs Futter. | Körpergewicht | Haarmessung Extrakt Datum | g cm em aa 0,3 10 lo | 235 0,5 10 El 20 0.6 10 RT 240 0,7 10 | Das Tier wird frisch geschoren auf 3 mm und mit obiger Lösung täglich auf der geschorenen Stelle eingerieben. 106 DE 245 0,3 | 18. XI. 240 0.6 D2ERTE 230 0,7 26. XI. 235 0,8 Meerschweinchen Nr. 20. Farbe: rotbraun und weiß gescheckt. Wurde behandelt wie Nr. 19. Datum Körperggwicht | Haarmessung Extrakt | g cm ccm SERIE 300 0,3 10 LOST. 290 0,5 10 19, 2IE 280 0,65 10 lo DIE 255 0,75 10 Das Tier wird frisch geschoren auf 3mm und mit obiger Lösung täglich auf der geschorenen Stelle eingerieben. 16. XI. 270 0,3 18. XI. 270 0,5 D2RUE 255 0,7 26. XT. 260 0,85 Meerschweinchen Nr. 21. Farbe: weiß mit hellgelben Flecken auf dem Hinterkörper. Das Tier bekommt aller 2 Tage 10 ccm einer 1proz. Lösung aus alkohollöslichem Rückstand von Haarextrakt zum Futter. Haarmessung Extrakt Datiın | Körpergewicht g cm ccm 8. XI. 310 0,3 10 LOFT. 310 0,45 10 105 20% 300 0,65 10 THIRTE 307 0,8 10 Das Tier wird frisch geschoren und von heute ab mit obiger Lösung auf der geschorenen Stelle eingerieben. 16. XT. 310 0,3 Ike 205 305 0,5 DEDIE 290 0,7 26. XI. 295 0,85 298 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Meerschweinchen Nr. 22. Farbe: weiß, mit gelben und grauen Flecken. Wurde behandelt wie Nr. 21. Datum | Körpergewicht Haarmessung | Extrakt | g cm | cem 8: XT. 200 in | 10 10. X 200 0,45 10 12. XI. 180 0,6 10 I52XT 167 0,75 10 Das Tier wird frisch geschoren und von heute ab mit obiger Lösung auf der geschorenen Stelle eingerieben. 16. XI. 195 0,3 18: X1. 180 0,5 21..XT. 170 0,6 22: RT: ist das Tier tot Meerschweinchen Nr. 23. Farbe: schwarz und gelb gescheckt. Kontrolle zu Nr. 17, 18, 19, 20, 21 u. 22. Datum Körpergewicht | Haarmessung Bemerküneen g cm 8.. XI. 340 0,3 10. XI. 345 0.45 12.XL 330 0,6 13.2 360 0,8 | Das Tier wird frisch geschoren auf 3 mm und täglich auf der geschorenen Stelle mit Wasser eingerieben. 16.7. 350 0,3 18. X. 350 0,5 22. X8. 355 0,7 26. XT: 360 0,85 Meerschweinchen Nr. 24a. Farbe: schwarz-weiß geschecktes Tier, auf dem Rücken geschoren. Kontrolltier zu. Nr. 17, 18, 19, 20, 21 u. 22. Datım Körpergewicht | Haarmessung Bemerkungen g cm 16. X1. 252 0,3 Das Tier wurde täglich auf dem Rücken 18. XI. 265 0,5 mit Wasser eingerieben. 22. X: 235 0,7 26. XL 250 0,8 von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. VII. 299 Versuch an Meerschweinchen, bei denen verschieden große Flächen Meerschweinchen Nr. 25. Farbe: braun-weiß mit schwarzem Fleck auf dem Hinterkörper. Wurde am 30. XI. auf dem Rücken geschoren, 4 cm im Quadrat. geschoren wurden. Meerschweinchen Nr. 26. Farbe: Fleck. schwarz-weiß mit braunem Wurde am 30. XI. auf dem Rücken geschoren, 8 cm im Quadrat. Körper- Haar- Körper- Haar- Datum gewicht messung Datum gewicht messung g cm g cm SORTE el 0 ZONE 0,3 3. XI. = | 0,5 3. ZH. _ 0,5 7. XL. 284 | 0,7 RUE | 243 0,7 10. XII. 281 | 0,9 10. XL. 235 0,85 14. XII, hd ERTL I 1,0 ERST. 296 | 1.2 I SIE 229 11 DSRITE 300 | 1,4 ED | 230 1,3 DARUM: 301 | 1,6 24. XI. 232 | 112) 28. XII. 282 68 28:0XU7 00892272 0176 31. XII. 295 | 2,0 SIREXUI: 222 | 1,6 AN]. 318 31 At 251 1,8 Del: ale Reit 259 2,0 IT. | 344 | 2,4 us JR | 263 2u2 14. 1. | 327 2,6 14. 1. 270 2,4 Meerschweinchen Nr. 28. Farbe: schwarz-weiß-gelb gescheckt. Wurde am 11. II. auf dem Rücken geschoren und bekam eine Injektion einer lproz. Lösung aus alkohol- unlöslichem Rückstand vom Haar- Meerschweinchen Nr. 27. Farbe: braun und weiß gescheckt mit schwarzen Ohren. Wurde auf dem Rücken geschoren, 12 cm im Quadrat. extrakt. | Körper- Haar- Körper- Haar- Ale Datum | Be messung Datum ent messung nalen | g cm g cm ccm 30. XI. — 0,3 TO ee 0,3 3 RUE = 0,5 Ko] 0,6 2 EX. | 267 ev Sb 0% — 0,8 2 10: AOAG N 245 0,9 2201 ZU 0 1 14.xX0. | — 1 35.D. | 281 1,1 == RI || 283 12 1. ET. 277 1.4 — Da axalı]E 291 1,4 DA RU]E 270 K7 2S9XCHE 254 1,9 31. x. 269 2,0 41T: 293 22 Toll 303 2,3 Ja | 303 2,4 14. 1 | 308 2,5 300 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Meerschweinchen Nr. 29. Farbe: grau-braun, mit weißem Kopf. Wurde behandelt wie Nr. 28. INK Oper | 7EHBSTE I. njoktion Datum gewicht | messung | g cm ccm 12108 —_ 0,3 3 16. I. — 0,5 2 19.2.0, 4 0,7 2 22.11. 255 0,9 1 25. 1% 264 1,0 — 1.2uRlR|l 268 13) _ Meerschweinchen Nr. 32. Farbe: gelb-weiß gescheckt. Kontrolltier zu Nr. 28, 29 u. 31. Körper- Haar- Datum gewicht messung | g cm 122.01. 201) — 0,3 To 0,6 IE | _ 0,7 2.0. 1.0318 0,9 OF 326 1,1 J. IM. 316 1,3 Meerschweinchen Nr. 31. Farbe: gelb-weiß mit schwarzgefleck- tem Kopf. Wurde behandelt wie Nr. 29. || Körper- Haar- Datum , gewicht | messung Bajekeon g cm ccm 12. II. — 0,3 3 16.18: — 0,6 2 1CBaBE - 0,8 2 I2ALT 307 1,0 ihr 25.11: 308 151 _ 1. II. | 303 14° _ Meerschweinchen Nr. 33. Farbe: gelb-grau und weiß gescheckt. Kontrolltier zu Nr. 28, 29 u. 31. | Körper- Haar- Datum | gewicht messung | g cm OR — 0,3 102108 | | 0,6 19. II. OT 92.1. 241 0,7 25. II. 260 0,9 1 DRR 361 0,9 Herstellung des Extraktes aus Meerschweinchenhaut: Das Fell eines getöteten Meerschweinchens wurde geschoren, zerkleinert und 10 Stunden mit 10 proz. H,SO, gekocht. Dann der ungelöste Rückstand abfiltriert, das Filtrat mit Ba(OH), von der Schwefelsäure befreit und das Filtrat vom Bariumsulfat im Vacuum zur Sirupdicke eingedampft. Meerschweinchen Nr. 34. Farbe: schwarz-weiß-rot, mit braunem Fleck auf dem Hinterkörper. Wurde behandelt mit einer 1 proz. Lösung von alkoholunlöslichem Rück- stand aus Haarextrakt. Dalım nn «| Injektion sg em ccm ee ne 5 2.m.| 330 | 07 9 15.100.| 285 | 09 9 ss 2.10.) 306 13 DR Meerschweinchen Nr. 35. Farbe: schwarz-weiß gescheckt, Schwarz-gelb. Wurde behandelt wie Nr. 34. Datum : es Er Injektion g cm ccm Te 1: |\2 449 0,3 _ 8 LT. — E= 2 12. III. | 455 0,7 ” 15.0. |. 392 0,9 2 18. IH. | 489 1,15 92. IL ||‘ 398 1,4 — von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. 301 Meerschweinchen Nr. 36. Farbe: schwarz-weiß-gelb mit } Meerschweinchen Nr. 37. weißem Kopf. Warde penasdllı durch Injektion Farbe: schwarz-weiß-braun gescheckt einer 1 proz. Lösung von Extrakt aus us Belmyerzen ar Me chweinchenhaut. Wurde behandelt wie Nr. 36. | Körper- Haar- R 2 Körper- ; Haar- R : Datum | gewicht | messung Injektion Datum gewicht | messung Injektion | g cm cem | g cm ccm 7. I. || 385 0,3 — 7 a als Ve 8. II. -— — 2 SE: — — | 2) 12. I.| 405 | 07 2 19. II. | 351 0,6 2 15. II. 361 0,9 2 ISA 300 0,8 2, 18. III. 387 al _- 18.212207 3398217.30:9 — 27% 1008 365 1,4 — 22111 10 en u Meerschweinchen Nr. 38. Farbe: braun-weiß, schwarze Gesichtshälfte. Kontrolltier zu Nr. 34, 35, 36 u. 37. | Körpergewicht | Haarmessung Datum | g cm 2, IE, 437 0,3 19% 1naR 443 0,7 Sr dlıE 413 0,9 18-211. 465 1,1 22 BE 446 1,4 Das zweite Kontrolltier starb schon am 12. III. Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize bei Nicht- schwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. Von Ernst Lennartz, Hückelhoven. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Juli 1921.) Seit der Entdeckung des Augenspiegels war es möglich die Blut- strömungin den Gefäßen der Bindehaut, der Netzhaut und der Aderhaut zu beobachten. Das übrige Capillarsystem beim Menschen war für das Auge nicht zugänglich. Seit einiger Zeit ist dieser Mangel beseitigt: denn der Amerikaner Lombard entdeckte in dem Fre yschen Institut in Würzburg ein Verfahren, das uns gestattet, auch bei Menschen den Blutstrom an einem großen ausgedehnten Capillarnetz zu beobachten. Er bestrich die betreffende Stelle mit Öl und hellte durch auffallendes Licht die Epidermis auf, so daß die Capillaren im mikroskopischen Bilde sichtbar wurden und auch die Blutströmung in den Capillaren zu erkennen war. Dieses Verfahren griff dann Eugen Weiss!) an der Tübinger medizinischen Universitätsklinik von Otfried Müller auf, um es bei dem Studium von Kreislaufstörungen zu verwerten. Mit unermüdlichem Eifer arbeitete Weiss dies neue Verfahren der Capillar- mikroskopie aus, das dann von Hinselmann an der von Franque- schen Universitäts-Frauenklinik in Bonn zum Studium der Physiologie und Pathologie der Schwangerschaft verwertet wurde. Um das Verhalten der Capillaren bei pathologischen Fällen beurteilen zu können, ist die genaue Kenntnis des normalen physiologischen Zu- standes erforderlich. Da die Capillarbeobachtung erst seit kurzer Zeit durch die Entdeckung des Hautcapillarmikroskops möglich ist, liegen bisher außer der Weissschen Arbeit nur wenige Arbeiten von Schur?), Volhard, Jürgensen?), Moog, Otfried Müller selbst, Hinsel- mannd), Nevermann und Basler vor. Ich übernahm es, die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen festzustellen. Bevor ich mit der eigentlichen Arbeit begann, beobachtete ich bei Männern und Frauen mit dem Leitzschen Binokularmikroskop (Ok. 4 und Obj. £f =25 mm) die Capillaren an den verschiedensten Körper- stellen, um mir ein Bild von der Form und Größe der Capillaren und der Blutströmung zu verschaffen. Hierbei ergaben sich an den einzelnen Körperstellen beträchtliche Unterschiede. An den Fingern und am Hand- rücken beobachtete ich diehtgedrängte kleine Capillargefäßköpfchen. Am Nagelfalz sah ich die Capillaren lang ausgezogen von Haarnadel- E. Lennartz: Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize usw. 303 oder Teppichklopferform. Am Arm und am ganzen Leibe bemerkte ich nur wenige Capillargefäße, dafür aber ein ziemlich engmaschiges, ober- flächliches und aus breiteren Gefäßen bestehendes, tieferes Netz. Für meine Untersuchungen schien mir der Nagelfalz die geeignetste Beobachtungsstelle zu sein, da man hier, wie schon erwähnt, die Capil- laren als mehr oder minder lange Schlingen sieht. Die Schenkel dieser Schlingen sind ungleich, da das Kaliber des venösen Schenkels größer ist als des arteriellen. In den Schenkeln ist die Strömung des "Blutes deutlich zu beobachten. In den normalen Fällen ist sie durchweg schnell und kontinuierlich. Manchmal und zwar besonders bei kalten Händen sah ich langsame körnige Strömung. Die Strömung ist nicht in allen Capillaren gleich, in manchen ist sie schnell, in andern dagegen, zur gleichen Zeit beobachtet, langsam, wie das auch Schur hervorhebt. Auch in jeder einzelnen Capillare, wenn man sie zu verschiedenen Zeiten seobachtet, ist der Strom bald schneller, bald langsamer. Dagegen sah ich keine pulsatorischen Bewegungen, die auf die Herztätigkeit bezogen werden könnten. Bei einigen Fällen beobachtete ich völligen Stillstand der Blutflüssigkeit, Stasen; und nach diesen Stasen sah ich manchmal direkten Richtungswechsel, Regurgitieren, Rückströmung (Weiss). Durch Leerlaufen beider Schenkel verschwanden die Capillaren manchmal für Augenblicke, um aber sofort wieder mit einer deutlich schnelleren Strömung zu erscheinen. Bei ganz langsamer Strömung und vor allen Dingen bei Stasen fiel mir die bläuliche Farbe des umliegenden Gewebes und des Blutes auf, das normal hellrot erscheint. Nachdem ich mir durch diese Untersuchungen einen Überblick verschafft hatte, suchte ich den Unterschied zwischen den Capillaren der Nichtschwangeren, Schwangeren und Wöchnerinnen festzustellen. Dieser trat gleich sehr deutlich hervor. Bei Nichtschwangeren habe ich nur selten Stasen gesehen, wogegen bei den Schwangeren sehr häufig Stasen auftraten, die mit dem Herannahen der Geburt sowohl an Zahl wie an Dauer zunahmen. Bei Wöchnerinnen sah ich durchweg nur gleich in den ersten Tagen nach der Geburt noch vereinzelt Stasen, die aber mit der Entfernung vom Tage der Geburt an Zahl und Dauer wieder abnahmen. Doch nicht allein die Strömung, auch die Capillarform und das Capillar- kaliber zeigten deutliche Unterschiede. Während ich bei Nichtschwange- ren im allgemeinen kurze Capillaren mit engem Kaliber sah, beobachtete ich bei Schwangeren längere Schlingen mit erweitertem venösen Schenkel. Bei Wöchnerinnen waren die Capillaren noch verlängert; das Kaliber war aber schon wieder relativ eng. Jetzt erst, woich genaue Resultate betrefis Capillargröße und Kaliber und betreffs Blutströmung bei den drei zu untersuchenden Gruppen vor mir hatte, ging ich daran, einen geeigneten Reiz ausfindig zu machen. Mit folgenden mechanischen Reizen stellte ich Versuche an: Streichen 304 E.Lennartz: Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize mit dem Fingernagel oder Nadelspitze, sanft oder kräftig, einmaliges Stricheln oder wiederholtes Stricheln, Reiben, Drücken, Quetschen, Stechen oder leichtes Ritzen nach dem Vorgang von Ebbeke®). Bei den verschiedenen Reizversuchen sah ich sehr interessante Einzelheiten. Am Arme zeigte sich mir nach dem Reiz dadurch ein ganz neues Bild, daß neue Capillaren sichtbar wurden. Dagegen habe ich am Nagelfalz nur 2mal Neuauftreten von Capillaren beobachtet, was wohl mit der Verschiedenheit der Funktion der einzelnen Hautgebiete in Zusammenhang steht. Die Stärke der Reaktion ist individuell sehr verschieden. Bei manchen Untersuchten traten nur einzelne Capillaren neu auf, die das Gesamtbild nicht wesentlich veränderten; bei anderen dagegen kannte ich das Bild wegen der Menge der neuerschienenen Capillaren nicht wieder. Bei 3 Fällen sah ich, daß Blutflüssigkeit durch die anscheinend beschädigte Gefäßwand in das umliegende Gewebe diffundierte, ohne daß ich einen besonders starken Reiz gesetzt hatte. Makroskopisch nahm ich nichts von dieser Blutung wahr, abgesehen von einer diffusen Rötung der gereizten Stelle, die aber bei fast allen Reizen auftrat. Neben der auffallenden Vermehrung der vor dem Reize sicht- baren Gefäße sah ich nach dem Reiz ein deutliches Hervortreten der vorher kaum sichtbaren Capillaren. Außerdem trat eine diffuse Rötung des umliegenden Gewebes und eine Erweiterung sämtlicher Gefäße auf. Wenn ich vor dem Reize blaurote Farbe und langsame Strömung bis zur Stase beobachtet hatte, konnte ich nach dem Reize fast immer hellrote Farbe und schnellste Strömung feststellen. Manchmal konnte ich eine Vergrößerung der Papillarköpfchen durch Verlängerung und Schlängelung der Capillarschlingen beobachten. Am deutlichsten zeigte sich die Wirkung des Reizes bei Schwangern we- gen der hier so häufig auftretenden Stasen. Nach jedem, auch dem gering- sten Reize, verschwanden die Stasen für kürzere oder längere Zeit vollstän- dig und auch die Strömung, die bei den Schwangern meist gekörnt und dis- contiunierlich ist, ist nach dem Reize sehr beschleunigt und kontiunierlich, Um ein genaues objektives Bild von der Reaktion geben zu können, reizteich bei 25 Schwangeren mit demselben Reize und an derselben Stelle: „Mehrmaliges leises Streichen des Nagelfalzes‘“ und legte das Resultat in Kurven fest, auf denen sämtliche Stasen nach Zahl und Dauer vor und nach dem Reiz markiert wurden (s. Hinselmann und Haupt D.M.W. 1921 und an andern Orten). Für meine Zusammenstellung nahm ich nur solche Schwangern, die Stasen hatten; denn wie schon Hinzel- mann feststellte, haben nur 60% der Schwangern Stasen. Es sind vor allen Dingen solche Schwangern, die kurz vor der Entbindung stehen. Jede Kurve vor und nach dem Reiz ist etwa 160 cm lang und wird vom Jacquetschen Kardiosphygmographen mit Zeitmarkierung be- schrieben. Der Beginn der Stase wird durch ein einfaches Zeichen, bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. 305 der Schluß durch ein Doppelzeichen markiert. Auf diese Weise kann man sofort Häufigkeit und Dauer der Stasen ablesen. Ich beobachtete eine einzige Capillare jedesmal acht Minuten, stellte Capillarform, -größe und -kaliber fest und registrierte die ein- zelnen Stasen. Dann setzte ich den Reiz und beobachtete dieselbe Capillare während weiterer acht Minuten. Das Kaliber beider Schenkel wurde zunächst erweitert, die Strömung stark beschleunigt, die vorher aufgetretenen Stasen verschwanden für einige Zeit vollständig. Die Wirkung des Reizes dauert verschieden lang an. Die Strömung wird allmählich wieder langsamer, das Kaliber verengt sich, Stasen treten wieder auf und werden registriert. Capillarform, -größe und -kaliber konnte ich natürlich nicht registrieren. Dafür geben die Kurven aber ein deutliches Bild von der Wirkung des Reizes auf die Stasen und damit auf die ganze Blutströmung. Bei den 25 Schwangeren, die sämtlich Stasen hatten, erzielte ich folgende Kurven (Abb. 1, S. 306): Die erste Linie bis zu dem Zeichen y Reiz zeigt uns die Kurve der ersten 8 Minuten mit zahlreichen Stasen. Bei y ist der Reiz gesetzt und nun sehen wir, daß die Linie, die in der zweiten Reihe fortgesetzt wird, ununterbrochen, d.h. ohne Stasen bleibt und daß erst am Schluß wieder Stasen auftreten. Dasselbe Bild bieten die nächsten Kurven. Wenn ich nun die Stasendauer und Stasenzahl vor und nach dem Reiz zusammenrechne, so bekomme ich folgende Tabellen: 1) Stasendauer vor dem Reiz 33 Sek. nach dem Reiz 8 Sek. I; OO ee 3) N RR EN A 4) x aha aan ©3,: 2, Nellorg 5) R es re re 6) 2 N ee a 7) e a ee ENT ne ER s) 3 DD DR U NADEE 9) 5 er Tale ER 10) n BL ER IE I Re 11) : 0 ee 0; 12) ® eo ze 01007, 13) r ON ne u 14) ; DT ee ar). 15) e RR a el oe OR RE 16) 5 a VE ER N BEER. 17) n ee a a a 18) L I Ne MN 19) 2 BR EN EN Es 20) 5 N lassen la 21) R ER TA 22) = SR NE a 23) 5 MR 24) S ee 25) r a Sa. Stasendauer vor dem Reiz 737 Sek. nach dem Reiz 357 Sek. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 191. 20 306 E. Lennartz: Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize l N } re en. | N N N N | 2 A —— u — — ll N | N Ned einer Sen ee | N ll Nee STE De ee ee || N ER RE I en N BSR N a en er rar ae. ae, Abb. 1a. en (a RS N ns ren ee Dre Er ı Ta re | Ne n ee, Mer ae Ense ee org BR RE een gene a | s en NEE. nel apjeu) Lu SR EDEN nen x TE RE a ee a ile Tee Bemane nz] ea are i = m H " Man ana Eye RE “ Res | Ta N nee N DR RER | NE TE FH] DE ED ER ey re EEE SEEN bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. 307 Dies ergibt in den 12 000 Beobachtungssekunden eine Stasendauer von 737 Sek. = 6,141% und eine Abnahme infolge des Reizes um 51,6%, da nur noch 357 Sek. = 2,975%, Stasen nach dem Reize sind. l) Stasenzahl vor dem Reiz 12 Sek. nach dem Reiz 3 Sek. 2) Eh Father, 33 100; a sale 3) » ER, 5 DR ee On 4) 5 less 5 665 ss 3 ar 5) ” nl, : 159 ,; Bo SEO 6) >> ER = 1109; es Ole: 7) 55 ER m er OWE 3) Er er a wrr I, ds, 9) r or Mas a 6: 9%, eh, DR 5 10) es > 1127, ;5 ; ee 11) ER Se 55 USE ER, N 12) er RAR e% 539% ES EL SIE 13) ss Sn es ss 65%, as BA RER, 14) ” Re > ins, s 5 ERdRnN 15) ss le 50 4.25; EN a Os 16) ss 2 % u bier“ 5 35 roll 17) e ES 5 Dies BR le er 18) 5 > $ 8; ; Br ee Sa 19) 2 FERN, 35 Ds: EB, a LA 20) h4 Si 3 Das, Rt A 2]) 55 NEE % 955; 55 i ELSE 455 22) % EE, 5 22, Kae a 23) 3 NS ; a3 BR TEN 24) 5 F Er SR A; ee Ey DR 25) R N E4E 5 er se den Sa. Stasenzahl vor dem Reiz 184 Sek. nach dem Reiz 93 Sek. Das bedeutet eine Abnahme der Stasenzahl infolge des Reizes um 49,2%. Während wir also vor dem Reiz eine Stasenzahl von 184 = 1,53% haben, sinkt die Zahl nach dem Reize auf 93 = 0,77%. Die Wirkung des Reizes tritt noch deutlicher hervor, wenn ich Stasen- zahl und Dauer der 8 Minuten vor dem Reize zur Hälfte nehme und diese Werte den Werten während der ersten 4 Minuten nach dem Reiz gegen- überstelle, wie das auf den Kurven so eindrucksvoll zum Ausdruck kommt, zumal mich äußere Umstände veranlaßten, die erste stasenfreie Zeit der ursprünglichen Kurve ununterbrochen in einer Linie anzufügen ; dadurch wird der Unterschied auf den ersten Blick ersichtlich. Diese Zusammenstellung ergab bei den 25 Kurven folgende Werte: l) Stasenzahl vor dem Reiz 6 Sek., nach dem Reiz O Sek. 2) 5 0 3) 3 (0) 4) = se IR m FL DESE 5) s a 6) 6 0 Er) Er) E22) > ”’ » Er) „ be) Sa. Stasenzahl vor dem Reiz 31 Sek, nach dem Reiz 2 Sek. 308 E.Lennartz: Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize Übertrag: 31 Sek. 2 Sek. 1 7) Stasenzahl vor dem Reiz 6 ,„ nach dem Reiz = 8) = ke: De 35 AB RO 9) Br Ta Ba N a u ERS 10) N 5 ERDE, eh U , 11) “ ! TE ee Bl: 12) : TSpan ale ee SE LEN 13) ae ANNE. sn UN 14) ; Sure NND EN } 3 5 O)AERSE 15) 3 AB N UI ERE | 55 ON 16) N ne 17) i E PER RR. ” DR 18) £ a 4 RE RN 19) RAN DR Sa. $ M OR 20) } : EUER Ra a WEL 2]) S SER AGRE BERN aus RENT, 22) ; ” | ee OR 23) ; ; a alle a 24) \ BERN BUNT SH ESOREER 0 25) ; DE BRENSL le En Sa. Stasenzahl vor dem Reiz 99 Sek. nach dem Reiz 8 Sek. In den 4 Minuten vor dem Reize habe ich aber eine Stasenzahl von 99 = 1,55%; nach dem Reize sind in den ersten 4 Minuten nur 8 Stasen 013% 1) Stasendauer vor dem Reiz 16 Sek. nach dem Reiz 0 Sek. 2) & ERREN IREN T SE ER kn. 3) nr EN I s Sn tan ON, 4) TOUR. RR ER ONN. 5) ER u ee A 6) oA ER NOS 7) EN u BEER IT 8) Deielsne N 9) 5 A a RO 10) i > ; Da Kaya Ne NEN BERN 2 11) * NO TE. 12) N 2: Br Hy ee a O> 13) : BONN RUND 2a BR FEN ON, 14) ; En A EN NW 15) IR TCHNE a 16) Im e 0 17) i : ! 2 ID: er ; SU INTERN 18) r 5 I 3% er % “ 2 Om 19) e N IT 2 N 20) 5 3 \ 2 Sn, A NEN 21) : CH Ru Ole A 5 0 22) Be EIS a Aal, Ben AR ERONDEN, 23) \ * ; ? (ER "5 En 24) 5 S > En Oi 53 EN > Or 25) S: Baer KON ee ls Sa. Stasendauer vor dem Reiz 374 Sek. nach dem Reiz 36 Sek. bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. 309 Während in den 4 ersten Minuten 374 Sek. = 6,233%, Stasen sind, sehen wir nach dem Reiz nur noch 36 Sek. —= 0,6%, Stasen, vor dem Reiz 99 Stasen mit einer Gesamtdauer von 374 Sek., nach dem Reize während der 4 ersten Minuten nur 8 Stasen von insgesamt 36 Sekunden Dauer. Das bedeutet eine Abnahme der Stasenzahl in den ersten 4 Minuten um 91,9% und der Stasendauer um 90,4%. Wir sehen also als Folge des Reizes ein vollständig verändertes Bild. Die Kurven zeigen, daß die Stasen nach dem Reiz für kürzere oder längere Zeit vollständig verschwinden. Ich wiederhole meine bereits obenerwähnte Beobachtung, die nicht zu registrieren ist, daß ferner durch den Reiz schnellere Strömung und Erweiterung hervorgerufen wird. Nach einiger Zeit klingt die Reizwirkungab. Die Strömung wird allmählich langsamer und die Stasen treten wieder auf. Ich beobachtete durchweg nach 3Mi- nuten ein Langsamerwerden der Strömung, während die ersten Stasen meist erst nach 4 Minuten auftreten, was aus den einzelnen Kurven und mit besonderer Deutlichkeit aus der zweiten Tabelle hervorgeht. Um das allmähliche Abklingen des Reizes besser zeigen zu können, habe ich zusammengestellt, wieviel Stasen in den einzelnen 8 Minuten nach gesetztem Reiz auftreten. Es gibt dies folgende Kurve aus sämt- lichen Fällen: Während wir in den ersten Minuten keine einzige Stase bei sämtlichen Fällen zu verzeichnen haben, sehen wir, daß in der 2. bis 4. Minute allmählich Stasen auftreten, die in der 4. bis 6. Minute an Zahl bedeutend zunehmen und in der 8. Minute ihren Höhe- punkt erreichen. Ich konnte beobachten, daß in der 8. Mi- nute bei sämtlichen Fällen so- wohl Strömung wie Capillar- kaliber wieder normal waren. Daß die Reizwirkung aber auch bedeutend länger anhalten kann, zeigt folgen der Fall, auf den mich Hinselmann aufmerksam machte und den ich dann mitbeobachtete. Eine Pat. mit schwerster Schwan- RER ELTERN SHE ORERETÄRERS: gerschaftsnierenerkrankung infolge AMınutenzahl Blasenmole hatte seit dem Tage, an Abb. 2. dem ihre Capillaren zum ersten Male beobachtet wurden, 1. II. 1921, dauernd Stasen. Die tägliche Beobachtung ergab fast immer dasselbe Bild, häufige, lange Stasen bis zu 85% der Beobachtungszeit. Am 17. III. 1921 vormittags war die für gewöhnlich beobachtete Capillare nicht auf- zufinden, da die Pat. morgens den Nagelfalz mit einem Instrument zurückgeschoben hatte. Darauf wird der Nagelfalz mit Cedernöl zurückmassiert und die alte Capillare, die vorher nicht mehr zu sehen war, ist wieder deutlich zu beobachten, weist aber 310 E.Lennartz: Die Reaktion der Capillaren auf mechanische Reize schnellste Strömung ohne Stasen auf. An den Fingern der anderen Hand, die unbe- rührt geblieben waren, zeigten sich Stasen in alter Weise, desgleichen werden Stasen in einer Capillare des alten Fingers am seitlichen Nagelfalz, der nicht beschädigt war, beobachtet. Hier tritt also auch deutlich die Wirkung des mechanischen Reizes hervor. In diesem Falle dauerte die Reaktion aber nicht nur einige Minuten sondern Stunden. Bei der Beobachtung am Abend desselben Tages, zeigte sich in der alten mechanisch gereizten Capillare immer noch fast dauernd schnellste Strömung mit Capillarcontreaktion, aber auch bereits einige kurze deutlich abgesetzte Stasen. Die nicht mechanisch gereizten Capillaren verhielten sich wie sonst. Erst am Morgen des 18. III. war die mechanische Reizwirkung abgeklungen und es traten wieder Stasen auf von der Anzahl und von der Dauer wie vor der Reizwirkung. Bei Nichtschwangeren und Wöchnerinnen kann ich nicht so deutlich und objektiv die Reizwirkung zeigen wie bei den Schwangeren wegen des Fehlens der Stasen. Denn bei Nichtschwangeren fand ich nur ganz vereinzelt Stasen und bei Wöchnerinnen waren Stasen auch nicht so zahlreich, daß ich eine Aufstellung wie bei Schwangeren hätte machen können. Hinselmann gibt an, daß nur 20% der Nichtschwangeren Stasen haben. Bei diesen Fällen konnte ich also nur an der Blutströmung und dem Capillarkaliber feststellen, welche Wirkung der Reiz ausübte, ohne den schönen Faktor Stasen verwenden zu können. Dadurch werden die Beobachtungen bei diesen beiden Gruppen gänzlich subjektiv im Gegen- satz zu den völlig objektiven Tabellen bei den Schwangeren. Ich stellte aber auch hier bei Nichtschwangeren und Wöchnerinnen fest, daß das Blut nach der Reizung viel schneller zirkulierte und daß das Capillarkaliber sich erweiterte. Was das Abklingen der Reizwirkung anbetrifft, so fand ich hier, gleich wie bei den Schwangeren, ein Abflauen nach 3 Minuten. Bei Patientinnen mit kalten Händen, die langsam körnige Strömung mit häufigen Stasen aufwiesen, konnte ich deutlich die Wirkung gesetzter Reize in dem oben angegebenen Sinne beobachten. Von einer Verwen- dung dieser Beobachtungsresultate in meiner Zusammenstellung habe ich abgesehen, da sie ein falsches Bild geben würden. Desgleichen habe ich bei Eklampsiekranken, deren Blut fast dauernd stillstand, mecha- nische Reize gesetzt und auch hier konnte ich beobachten, daß der Reiz eine schnellere Strömung und ein zeitweises Ausbleiben der Stasen hervorrief. Dasselbe hat Hinselmann bei seiner Unter- suchung von Eklampsiefällen beobachtet, wo er bei einer Patientin auch mechanischen Reiz setzte und die gleiche Wirkung erzielte, worauf er mich besonders aufmerksam machte. Ich fasse das Resultat meiner Untersuchungen zusammen und sage: „Jeder mechanische Reiz wirkt beschleunigend auf die Blutströmung und erweiternd auf die Capillaren. Etwa vorhandene Stasen verschwin- den für einige Zeit vollständig. Die Wirkung des Reizes dauert durchweg 3—4 Minuten an und ist nach 7—8 Minuten wieder abgeklungen. Es kommt aber auch eine deutliche Wirkung des Reizes auf längere Zeit vor bei stärkerem Reize.“ bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. dl Meine Angabe, daß an verschiedenen Körperstellen auf mechanische Reize hin neue Capillaren auftreten, hat wohl etwas allgemeines Inter- esse, da erst vor einiger Zeit Crogh beobachtete und beschrieb, daß im Muskel in der Ruhe nur eine geringe Anzahl von Capillaren offen sind, daß sich dagegen bei der Reizung eine große Anzahl Capillaren öffnet. Wie für den Muskel gilt also auch wohl für die Haut der Satz, daß die Gefäßoberflächen Maximalflächen sind, während bei gewöhnlichen Verhältnissen die Fläche viel kleiner ist. Im Nagelfalz ist also die Austauschfläche ziemlich konstant. Auffällig ist, daß die Stasen, abgesehen von Ödembildung, an der Körperoberfläche so wenig schädigen. Dies ist vielleicht zu erklären durch die Sauerstoffversorgung von außen her. Wenn wir als Ersatz für die mangelhafte Blutversorgung die von Pütter im Jahre 1911 in seiner vergleichenden Physiologie angegebenen Hautatmung setzen, so können wir uns vorstellen, daß in den inneren Organen, wo keine andere Sauerstoffzufuhr in Frage kommt, durch die Stasen größere Schäden hervorgerufen werden, was uns die schweren Schwangerschafts- erkrankungen bestätigen. Wenn ich zum Schluß meine mikroskopischen Beobachtungen mit den makroskopischen Beobachtungen Ebbekes über die lokale vaso- motorische Reaktion vergleiche so muß ich sagen, daß die Behaup- tungen Ebbekes, die zum Teil theoretisch sind, bestätigt werden. Ebbekes Fragen: „Handelt es sich bei den Gefäßreaktionen um eine Erregung oder Hemmung von Vasomotoren, um einen Reflex oder eine direkte Nerven- reizung, ergibt die Untersuchung einen Aufschluß über die in mancher Beziehung problematische Gefäßinnervation oder sind diese Erschei- nungen nicht nervös bedinst, handelt es sich um Eigentätigkeit der Capillaren oder um gefäßerweiternde Wirkung von Stoffwechselpro- dukten ?‘“ muß ich leider unbeantwortet lassen und mit ihm sagen: „Der Grund für die selbständige Erweiterung der Capillaren bleibt zu suchen,‘ denn da ich während meiner Arbeiten das Hauptgewicht auf die Art der Reaktion, nicht auf die Entstehung legte, kann ich darüber kein Urteil fällen. Es scheint mir aber, daß nicht nur einer der oben angegebenen Faktoren in Frage kommt, sondern daß sie alle mehr oder minder Einfluß haben, wobei ich aber den größten Einfluß der Eigen- tätigkeit der Capillaren zusprechen möchte. Literaturverzeiehnis. !) 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Cholin als Hormon der Darmbewegung. V. Mit- teilung. Experimentelle Therapie der Magen-Darmlähmung nach Chloro- formnarkose. S. 99. Lennartz, Ernst. Die Reaktion der Uapillaren auf mechanische Reize bei Nichtschwangern, Schwangern und Wöchnerinnen. S. 302. Lipschitz, Werner und Alfred Gottschalk. Die Reduktion der aro- matischen Nitrogruppe als Indikator von Teilvorgängen der Atmung und siehe Lip- der Gärung. — Eine Methode zur vergleichend - quantitativen Bestim- mung biologischer Oxydo - Reduk- tionen. Versuche an atmenden Zellen. I. Mitteilung. Sl. Lipschitz, Werner und Alfred (rottschalk. Die Reduktion der aroma- tischen Nitrogruppe als Indikator von Teilvorgänegen der Atmung und der (rärung. II. Mitteilung. - Versuche an eärenden Zellen. 8. 33. — und@üntherHertwig. Erhaltung der Funktionen aerober Zellen bei Ersatz des freien Sauerstoffs durch chemisch gebundenen: „Pseudoanoxy- biose“. III. Mitteilung. Versuche an Spermatozoen. 8.51. Meyerhof,.Otto. Die umwandlungen im Muskel. V. 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